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German Pages 2640 [2733] Year 2019
Kümpel Mülbert . Früh . Seyfried Bank- und Kapitalmarktrecht
Bank- und Kapitalmarktrecht begründet von
Prof. Dr. Siegfried Kümpel ab der 5. Auflage herausgegeben von
Prof. Dr. Peter O. Mülbert
Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens, Universität Mainz
Prof. Dr. Andreas Früh
Rechtsanwalt, Syndikusrechtsanwalt, München, Honorarprofessor an der Universität Augsburg
Dr. Thorsten Seyfried Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.
5. neu bearbeitete Auflage 2019
Bearbeiter Dr. Florian Bauer, LL.M. mult.
Christian Kropf, LL.M.
Rechtsanwalt, Syndikusrechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Banksyndikus, München
Frieder Bauer
Rechtsanwalt, Syndikusrechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.
Dr. Ulrich Brandt
Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.
Sandra Braun
Rechtsanwältin, Syndikusrechtsanwältin, München
Dr. Andreas Meyer
Prof. Dr. Peter O. Mülbert
Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giround Kreditwesens, Universität Mainz
Dr. Robert Müller
Andreas Büchel
Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Dr. Thomas Chromek
Rechtsanwalt, Syndikusrechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Dr. Philipp Federlin
Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.
Isabelle Freis-Janik, LL.M. (London)
Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Rechtsanwalt, Leipzig Rechtsanwalt, Syndikusrechtsanwalt, München Banksyndikus, Frankfurt a. M.
Rechtsanwältin, Syndikusrechtsanwältin, München
Prof. Dr. Andreas Früh
Rechtsanwalt, Syndikusrechtsanwalt, München, Honorarprofessor an der Universität Augsburg
Martina Kern
Dr. Mark K. Oulds
Dr. Frank Peterek
Dr. Kay Rothenhöfer
Michael Seeger, LL.M. (University of Nottingham, UK) Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Julius Seiffert
Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Dr. Stefan Werner
Rechtsanwältin, Syndikusrechtsanwältin, München
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Syndikusrechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Andrea Kraft
Judith Wittig
Rechtsanwältin, Frankfurt a. M.
Banksyndikus, Frankfurt a. M.
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019, Rz. . . .
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-40059-0 ª 2019 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort zur 5. Auflage Das Erscheinen der 4. Auflage liegt mittlerweile bald acht Jahre zurück. Im dynamischen Bank- und Kapitalmarktrecht ist das – zumal in der Ära nach der im Jahre 2007 einsetzenden Finanzmarktkrise und der sich hieraus entwickelnden Staatsschuldenkrise – eine eher lange Zeit. Gesetzgeber, Aufsichtsbehörden und Gerichte waren in der Zwischenzeit sehr aktiv. Der Verlag hat die zeitliche Zäsur zum Anlass genommen, nach dem beruflichen BranchenWechsel des vorherigen Herausgebers, Arne Wittig, ein neues dreiköpfiges Team mit der Herausgabe der 5. Auflage zu betrauen. Die Bank-Praxis soll noch breiter vertreten sein und zugleich mit der Wissenschaft eng verbunden werden. Die neuen Herausgeber – alle mit dem Begründer des Werkes, Professor Siegfried Kümpel, persönlich bekannt – bauen auf seiner Herkulesarbeit auf und führen gleichzeitig die von Arne Wittig eingeleitete Modernisierung mit Augenmaß fort. Dabei sind 5 Leitmotive tragend: 1. Die großen Stärken des Werkes – etwa viele Abschnitte zum Kapitalmarktrecht und zu Corporate Finance, die es so in kaum einem anderen Werk gibt –, werden auf aktuellem Stand bewahrt. 2. Weiterhin ist es der Anspruch dieses Werkes, dem Leser das gesamte Bank- und Kapitalmarktrecht zu erschließen. Dabei werden Gebiete, die im besonderen Maße ständigen Veränderungen unterliegen und bei denen der Rechtssuchende für vertiefende Fragestellungen typischerweise (Groß-)Kommentare heranzieht, lediglich in ausführlichen Grundzügen dargestellt – zu nennen ist insbesondere das Bank- und Wertpapieraufsichtsrecht. 3. Einige Themen des klassischen Bankgeschäfts, also des Commercial Banking, nehmen nun ein wenig mehr Raum ein. 4. Der Umfang des Werkes bleibt weitgehend unverändert, weshalb – manchmal schweren Herzens – Abschnitte, die für die aktuelle Rechtspraxis nicht mehr relevant sind, gestrichen werden; ein Beispiel sind die Ausführungen zur Einführung des Euro. 5. Die Gliederung des Werkes wird in Teilen behutsam „neu sortiert“. Hierdurch wird die Aufteilung in Commercial Banking und Investment Banking sowie die Darstellung der jeweiligen Produkte/Dienstleistungen einerseits und der dafür geschaffenen Rahmenbedingungen andererseits noch konsequenter umgesetzt. Das vermeidet weitgehend das „Hin-und-her-Springen“ zwischen Produkten/Dienstleistungen und Rechtsgebieten. Zusammengefasst ist es das Ziel der Neuauflage, das von Siegfried Kümpel herausragend aufund umgesetzte Werk mit der Fokussierung auf die Produkte und Dienstleistungen des Commercial und Investment Banking noch praxisbezogener aufzustellen, die thematische Schwerpunktsetzung leicht anzupassen und gleichzeitig – weiterhin – einen wissenschaftlichen Diskussionsbeitrag zu leisten. Um dies erreichen zu können, wurden von den Herausgebern gezielt Autoren aus der Bankpraxis angesprochen – einige haben bereits bei der Vorauflage mitgewirkt, einige sind jedoch auch neu hinzugekommen. Alle Autoren sind mit den von ihnen dargestellten Themen aus der Bankpraxis bestens vertraut und zugleich auch ausgewiesene Experten im Bank- und Kapitalmarktrecht. Damit ist gewährleistet, dass das Werk auch die wissenschaftliche Diskussion beleben kann. Rechtsfragen werden dabei jedoch nicht nach Rechtsgebieten und theoretisch, sondern genau dort dargestellt und beantwortet, wo sie in der Bankpraxis relevant sind. VII
Vorwort
Die Gliederung stellt sich in der Neuauflage wie folgt dar: Nach dem 1. Hauptteil mit einer die neueren Tendenzen des Rechtsgebiets aufgreifenden Einführung und einem allgemeinen Überblick über den bankaufsichtsrechtlichen Rahmen folgen der 2. Hauptteil Commercial Banking und der 3. Hauptteil Investment Banking. Im Commercial Banking werden nun im Rahmen der Geschäftsverbindung die immer bedeutsameren allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten sowie das Thema Entgelte stärker herausgegriffen, aber selbstverständlich auch die AGB-Banken behandelt. Danach folgen die in der Praxis gebräuchlichen Kontoarten sowie der Zahlungsverkehr mit allen neuen technischen Ausprägungen – hier waren auch viele rechtliche Neuerungen zu berücksichtigen. Erweitert und ebenfalls mit neuen Entwicklungen aus der Praxis angereichert werden die Ausführungen zum Kredit an Verbraucher und Unternehmer. Das praktisch wichtige Gebiet der Handelsfinanzierung wird ebenso umfassend dargestellt wie das Kreditsicherungsrecht. Den Abschluss des Commercial Banking bildet das Einlagen- und Spargeschäft, hier haben sich auch geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen niedergeschlagen. Am Beginn des Teils zum Investment Banking werden zunächst dessen Rahmenbedingungen und Grundlagen behandelt. Es folgt ein Überblick über das Kapitalmarktverhaltensrecht, die Verhaltens-, Organisations- und Aufzeichnungspflichten, wo es umfassende rechtliche Neuerungen gab. Auch die Funktionsweise der Börsen und anderer Handelssysteme wird dargestellt, bevor in bewährter Weise umfassend das Emissionsgeschäft, das Investmentgeschäft sowie das Effektengeschäft und das damit verbundene Depotgeschäft erläutert werden. Zur Abrundung des Investment Banking folgt ein Überblick über das Derivategeschäft und das Beratungsgeschäft im Corporate Finance. Es versteht sich von selbst, dass das Werk in jeder Hinsicht auf aktuellem Stand (Mai 2019) ist. Es würde den Umfang dieses Vorwortes sprengen – und den Leser ermüden –, würden hier auch nur die besonders bedeutsamen rechtlichen Neuerungen genannt. Dem Praxisanspruch des Werkes entsprechend werden – wo relevant – auch die immer umfangreicheren Ausführungsbestimmungen der europäischen und deutschen Aufsichtsbehörden vorgestellt. Glücklicherweise konnten bei den allermeisten Produkten gerade erfolgte Rechtsänderungen noch umfassend berücksichtigt werden; in sehr wenigen Einzelfällen ist unter Hinweis auf fortgeschrittene Entwürfe der aktuelle Stand dargestellt und mit einem Ausblick und einer ersten Einordung verbunden worden. Die Herausgeber danken den Autoren, die trotz hoher anderweitiger Belastung nach Ansprache praktisch ausnahmslos ihre Mitwirkung zugesagt und mit großer Begeisterung, Expertise und Verlässlichkeit an der weiteren Fortschreibung des Werkes gearbeitet haben. Mit ihren auch eigeninitiativ erfolgten Abstimmungen untereinander haben sie dafür gesorgt, dass das Werk weiterhin aus einem Guss ist und Doppelungen vermieden werden. Das neue Herausgeber- und Autorenteam dankt auch dem Verlag und insbesondere dem Lektorenteam mit Frau Dr. Birgitta Peters an der Spitze und Herrn Dr. Bastian Schoppe für die immer persönlich angenehme und hochprofessionelle Zusammenarbeit. Hierdurch und durch modernste Fertigungstechnik konnten bis kurz vor Drucklegung Neuerungen aufgenommen werden. Da und soweit die Herausgeber und Autoren in Banken arbeiten und in weiteren Institutionen mitwirken, ist es ihnen wichtig zu betonen, dass die in diesem Werk von ihnen vertretenen Ansichten ihre persönliche Auffassung widerspiegeln. Dankbar sind wir für Anregungen und Kritik (gerne per E-Mail: [email protected]). Mainz, München und Frankfurt a.M., im Juni 2019 VIII
Die Herausgeber
Inhaltsübersicht Ausführliche Inhaltsverzeichnisse finden Sie zu Beginn der einzelnen Teile. Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLV
1. Hauptteil: Allgemeines 1. Teil: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Abschnitt: Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
I. Begriff und Rechtsgrundlagen des Bankrechts . . . . . . . . . . . . . . II. Der Einfluss der Finanzkrise der Jahre 2007 ff. auf das öffentliche Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Einfluss technischer Entwicklungen auf das private Bankrecht IV. Bankprodukte und Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3
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2. Abschnitt: Öffentliches Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Instrumente des Bankaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Jüngere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 15 17
3. Abschnitt: Privates Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bankrecht im Sonderprivatrecht und im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Jüngere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 21 23
4. Abschnitt: Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
I. Begriff und Bedeutung des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenstände des Kapitalmarktrechts und Schnittstelle zum Bankrecht . . .
28 31
5. Abschnitt: Lockerung der Trennung von öffentlichem und privatem Bankrecht – Ausstrahlungswirkung/Sanktionen . . . . . . . . . . . . .
33
I. II. III. IV. V.
Aufsicht . . . . . . . . . . . . . Rechtsprechung . . . . . . . . . Gesetzgebung . . . . . . . . . . Praxis . . . . . . . . . . . . . . . Tendenz zur Sanktionierung
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IX
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2. Teil: Bankaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
I. II. III. IV.
Rahmenbedingungen des Bankaufsichtsrechts und des KWG . Europäische Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutionelle Grundstruktur des Bankwesens in Deutschland Institutionen der Bankenregulierung und -aufsicht . . . . . . .
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2. Abschnitt: Adressaten der Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . Finanzdienstleistungsinstitute . . . . . Ausnahme- und Verbotstatbestände
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3. Abschnitt: Erlaubnis und europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
I. Erlaubnispflicht für bankgeschäftliche Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaberkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94 96 98
4. Abschnitt: Basler Rahmenwerk und Organisationspflichten . . . . . . . . . . . .
99
I. Basler Rahmenwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 100
5. Abschnitt: Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität . . . . . . . . . . .
105
I. II. III. IV.
Grundlagen der Kapitalanforderung . . . . . . Anrechenbare Eigenmittel . . . . . . . . . . . . . Eigenmittelanforderungen und Kapitalpuffer . Risikoarten und Ermittlungsmodelle . . . . . .
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6. Abschnitt: Einlagensicherung und Anlegerentschädigung . . . . . . . . . . . . .
125
I. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutsbezogene Sicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Freiwillige Einlagensicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126 128 129
7. Abschnitt: Bankensanierung und -abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129
I. Historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach KredReorG . . . . . . . . . III. Sanierung und Abwicklung unter der BRRD . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129 130 132
8. Abschnitt: Sonstige aufsichtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
154
I. Maßnahmen der EZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Maßnahmen der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155 156
X
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2. Hauptteil: Commercial Banking 3. Teil: Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung . . . . . . . .
165
1. Abschnitt: Bankmäßige Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
I. Geschäftsverbindung und einzelnes Bankgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsnatur der Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174 175
2. Abschnitt: Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden . . .
178
I. Geschäftsbeziehungsbezogene Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank . II. Einzelgeschäftsbezogene Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank . . . . . III. Verhaltens- und Schutzpflichten des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179 179 185
3. Abschnitt: Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185
I. AGB im Verhältnis Bank – Kunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaltskontrolle von AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185 199 207
4. Abschnitt: AGB-Banken im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI. XVII. XVIII. XIX. XX. XXI.
Nr. 1 AGB-Banken: Geltungsbereich und Änderungen . . . . . . . . . . . . . Nr. 2 AGB-Banken: Bankgeheimnis und Bankauskunft . . . . . . . . . . . . . Nr. 3 AGB-Banken: Haftung der Bank; Mitverschulden des Kunden . . . . Nr. 4 AGB-Banken: Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden . . . Nr. 5 AGB-Banken: Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden Nr. 6 AGB-Banken: Maßgebliches Recht und Gerichtsstand . . . . . . . . . Nr. 7 AGB-Banken: Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufendender Rechnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 8 AGB-Banken: Storno- und Berichtigungsbuchungen der Bank . . . . Nr. 9 AGB-Banken: Einzugsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 10 AGB-Banken: Fremdwährungsgeschäfte und Risiken bei Fremdwährungskonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 11 AGB-Banken: Mitwirkungspflichten des Kunden . . . . . . . . . . . . Nr. 12 AGB-Banken: Zinsen, Entgelte und Auslagen . . . . . . . . . . . . . . Nr. 13 AGB-Banken: Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten . . . . Nr. 14 AGB-Banken: Vereinbarung eines Pfandrechts zu Gunsten der Bank Nr. 15 AGB-Banken: Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 16 AGB-Banken: Begrenzung des Besicherungsanspruchs und Freigabeverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 17 AGB-Banken: Verwertung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 18 AGB-Banken: Kündigungsrechte des Kunden . . . . . . . . . . . . . . Nr. 19 AGB-Banken: Kündigungsrechte der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 20 AGB-Banken: Einlagensicherungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 21 AGB-Banken: Ombudsmannverfahren und außergerichtliche Streitschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211 216 233 238 243 248 252 256 262 268 272 279 291 300 313 318 324 328 331 341 346 XI
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5. Abschnitt: Entgelte im Bankgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
348
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsätze für die AGB-mäßige Vereinbarung von Entgelten im Bankgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vereinbarungen mit Verbrauchern über zusätzliche Zahlungspflichten gem. § 312a Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zulässigkeit von Aufwendungsersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . V. Entgelte für einzelne Bankgeschäfte – Kreditgeschäft, Konten und Zahlungsverkehr und Wertpapiergeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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348
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350
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357
6. Abschnitt: Kontobeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
384
I. II. III. IV. V.
Begriff des Kontos . . . . . . . . . . . . . . Girokonto und Kontokorrent . . . . . . Grundzüge des Zahlungskontengesetzes Kontoinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . Vertretungs- und Verfügungsbefugnisse
. .... . . .... . . .... . . .... . Dritter .
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442
7. Abschnitt: Besondere Kontoarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V. VI. VII.
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443 454 460 463 466 473 481
4. Teil: Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) . . . . . . . . . . . . . .
487
1. Abschnitt: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
495
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.
Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sperrkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändungsschutzkonto . . . . . . . . . . . . . . Basiskonto nach dem Zahlungskontengesetz Konto zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . .
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Abgrenzung zu Bankgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EU-Richtlinien als prägende Elemente des Rechts der Zahlungsdienste Buchgeld als Kontoguthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontobelastung als Deckung für Buchgeldzahlung . . . . . . . . . . . . . . Mitwirkungserfordernis der Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . . . . . . Zugang des Publikums zum bargeldlosen Zahlungsverkehr . . . . . . . . Abgrenzung zur Bargeldzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfordernis des Einverständnisses des Buchgeldempfängers . . . . . . . . Rechtliche Einordnung des Zahlungsvorganges . . . . . . . . . . . . . . . . Buchgeldzahlung zur Erfüllung von Geldschulden . . . . . . . . . . . . . .
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384 386 398 405 423
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2. Abschnitt: Die Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Überweisung im Recht der Zahlungsdienste . . . . . III. Rechtsbeziehung zwischen überweisendem Kunden und Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII
... .... ..... ... .... ..... seinem ... .... .....
495 496 497 497 498 499 499 501 503 512 515 515 516 542
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IV. Rechtsbeziehungen zwischen mitwirkenden Zahlungsinstituten . . . . . . V. Zahlungsinstitut des Buchgeldempfängers als Letztbeauftragter in der Girokette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbeziehung zwischen Buchgeldempfänger und seinem Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Erfüllungswirkung der Kontogutschrift im Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungen . . . . . . . . . .
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3. Abschnitt: Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
598
I. II. III. IV.
Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und seinem Institut . . . . . . . . . Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und seinem Zahlungsinstitut . . . Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner (Valutaverhältnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsbeziehungen im Interbankenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Schadensersatzansprüche wegen missbräuchlichen Verhaltens im Rahmen des Lastschriftverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
612
4. Abschnitt: Scheckinkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
614
I. II. III. IV. V.
598 600 603 608 610
Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkassoverhältnis zwischen Scheckinhaber und erster Inkassostelle . . . . . Scheckvertragliche Beziehung zwischen Scheckaussteller und bezogener Bank Rechtsbeziehungen zwischen Scheckberechtigtem und bezogener Bank . . Zahlungsverkehrsabkommen für den beleghaften Scheckeinzug . . . . . . .
614 615 619 624 625
5. Abschnitt: Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs . . . . . .
628
I. EZÜ-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. EZL-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
628 629
6. Abschnitt: Kontobezogenes Online-Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
629
I. Einführung des Bildschirmtext-(Btx-)Verfahrens 1984 als Vorgänger zum Online-Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutsspezifisches Leistungsangebot der Kreditwirtschaft . . . . . . III. Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Nutzers . . . . . . . . . IV. Besondere rechtliche Aspekte des Online-Banking . . . . . . . . . . . .
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644
7. Abschnitt: Kartengesteuerte Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . AGB-mäßige Sonderbedingungen für die Nutzung der girocard Garantiefunktion der girocard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bargeldloses Zahlen an automatisierten Kassen des electronic cash-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Elektronisches SEPA-Lastschriftverfahren (SEPA-ELV) . . . . . . VI. Zahlungskarte als Bedienungsmedium für Geldautomaten . . . . VII. GeldKarte als elektronische Geldbörse . . . . . . . . . . . . . . . . .
630 630 631 632
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644 649 659
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665 671 672 679
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XIII
Inhaltsübersicht Seite
8. Abschnitt: Kreditkartengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
686
I. Wirtschaftliche Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsnatur des Kreditkartengeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigenemission von Kreditkarten durch Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . .
688 691 706
9. Abschnitt: Drittdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
707
I. Zahlungsauslösedienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kontoinformationsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Drittemittent von Zahlungskarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
707 710 712
10. Abschnitt: Folgen der RTS 2018/389 für die starke Kundenauthentifizierung und die Drittdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . .
714
I. II. III. IV. V.
Regelungsbereiche der RTS 2018/389 . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an die starke Kundenauthentifizierung . . . . Ausnahmen von der starken Kundenauthentifizierung . . . . Anforderungen an die personalisierten Sicherheitsmerkmale Regelungen zur dezidierten Schnittstelle für Drittdienste . .
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11. Abschnitt: Reisescheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbeziehung zwischen Ersterwerber und Emittent . . . . . . . . Übertragung von Reiseschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbeziehung zwischen Emittent und der einlösenden oder in Zahlung nehmenden Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einlösung abhanden gekommener Reiseschecks . . . . . . . . . . . . . VI. Inkasso von Reiseschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
714 714 715 717 717
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718 719 720
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721 721 722
12. Abschnitt: Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
722
I. Funktion des Netzgeldes beim bargeldlosen Zahlungsvorgang . . . . . . . . II. Abweichende Grundkonzeption verschiedener Netzgeldsysteme . . . . . . .
722 723
13. Abschnitt: Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . .
723
I. II. III. IV. V.
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723 724 727 734 736
5. Teil: Kreditgeschäft mit Verbrauchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
739
1. Abschnitt: Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
744
2. Abschnitt: Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
748
I. Unterscheidung zwischen Allgemein- und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
748
XIV
Grundlagen . . . . . . . PayPal . . . . . . . . . . . Paydirekt . . . . . . . . . SOFORT Überweisung Direktüberweisung . . .
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II. III. IV. V.
Persönlicher Anwendungsbereich Sachlicher Anwendungsbereich . Zeitlicher Anwendungsbereich . . Abweichende Vereinbarungen . .
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750 753 760 762
3. Abschnitt: Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
762
I. Werbung für Kreditverträge (§ 6a PAngV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Werbung für Überziehungsmöglichkeiten (§ 6b PAngV) . . . . . . . . . . . . III. Sonderregelung für Darlehensvermittler (Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB) . .
762 767 767
4. Abschnitt: Allgemeine (Art. 247a § 1 EGBGB) und vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
767
I. II. III. IV.
Vorvertragliche Information (§ 491a Abs. 1 BGB) . . . . . . . . Vertragsentwurf (§ 491a Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . Angemessene Erläuterung (§ 491a Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . Haftung bei vorvertraglichen Informationspflichtverletzungen
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5. Abschnitt: Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§§ 505a ff. BGB und § 18a KWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Zivilrechtliche und aufsichtsrechtliche Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kreditwürdigkeitsprüfung bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 505b Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kreditwürdigkeitsprüfung bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 505b Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung einer Immobilie (§ 505c BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sanktionen bei nicht ordnungsgemäßer Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 505d BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
798 .
798
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799
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800 804
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806 807
6. Abschnitt: Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V.
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808 810 826 831
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831
7. Abschnitt: Widerrufsrecht und Bedenkzeit (§ 495 BGB) . . . . . . . . . . . . . . .
832
I. II. III. IV. V. VI.
Schriftform (§ 492 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelne Mindestangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen bei Verletzung der Formerfordernisse (§ 494 BGB) Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 499 Abs. 2 BGB) . . .
Widerrufsinformation (Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) . . . . . Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerrufsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen vom Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen (§ 356 BGB)
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768 792 793 796
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833 834 836 837 838 838
XV
Inhaltsübersicht Seite
838
8. Abschnitt: Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V.
Laufende Informationspflichten (§ 493 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationspflichten bei einem Gläubigerwechsel . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtung bei Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 16 EGBGB) Unterrichtung bei geduldeten Überziehungen (Art. 247 § 17 EGBGB) . Tilgungsplan (§ 492 Abs. 3 Satz 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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839 842 842 843 844
9. Abschnitt: Einwendungsverzicht/Wechsel- und Scheckverbot . . . . . . . . . . .
846
I. Unwirksamkeit eines Einwendungsverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wechsel- und Scheckverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
846 846
10. Abschnitt: Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
847
I. Verzugsschadenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anrechnung von Teilleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
847 848
11. Abschnitt: Vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . .
849
I. II. III. IV.
Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 498 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragliche Kündigungsrechte des Darlehensgebers (§ 499 Abs. 1 BGB) . Kündigungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . Vorzeitiges Rückzahlungs- bzw. Erfüllungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenermäßigung (§ 501 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten im Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Problematik der konkludenten Erlassverträge bei Not leidenden Krediten (sog. Erlassfalle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
849 850 851
12. Abschnitt: Besondere Darlehensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
857
V. VI. VII. VIII. IX.
I. II. III. IV. V.
Verbundene Verträge (§ 358 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 Abs. 3 BGB) Eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten (§ 504 BGB) . . . . . Geduldete Überziehungen (§ 505 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . Unentgeltliche Darlehensverträge (§ 514 BGB) . . . . . . . . . .
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851 852 853 855 855 856
857 864 871 874 875
13. Abschnitt: Darlehensvermittler (§ 655a BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
876
6. Teil: Kreditgeschäft mit Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
879
1. Abschnitt: Einführung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
882
I. Entwicklungen und Arten der Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . II. Rechtliche Grundlagen des Kreditgeschäfts mit Unternehmen . . . . . . . .
882 885
2. Abschnitt: Betriebsmittelkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
898
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
898
XVI
Inhaltsübersicht Seite
II. Kreditarten in der Bankpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
899 900
3. Abschnitt: Investitionskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
904
I. Gegenstand des Kreditgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
904 904
4. Abschnitt: Akquisitionskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
908
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Typischer Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
908 913 914
5. Abschnitt: Konsortialkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
922
I. II. III. IV.
Grundlagen . . . . . . . Kreditkonsortium . . . Syndizierung . . . . . . Konsortialkreditvertrag
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922 929 932 939
6. Abschnitt: Public Private Partnership-Finanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . .
964
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzierungsstruktur bei PPP-Forfaitierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. PPP-Forfaitierungen und EU-Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
964 966 968
7. Abschnitt: Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
972
I. Erscheinungsformen und wirtschaftlicher Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Factoring als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . III. Zivilrechtliche Einordnung des Factoring-Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . .
972 976 977
8. Abschnitt: Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
984
I. II. III. IV. V.
Entwicklung und wirtschaftlicher Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Erscheinungsformen des Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierungsleasing als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung . Rechtsnatur des Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirksamer Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen . . . . . .
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984 986 989 990 993
7. Teil: Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
995
1. Abschnitt: Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
998
2. Abschnitt: Garantiegeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
998
I. Grundlagen und wirtschaftliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundgeschäftsvertrag zwischen Avalauftraggeber und Avalbegünstigtem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
998 1003 XVII
Inhaltsübersicht Seite
III. Beauftragung der avalierenden Bank durch den Avalauftraggeber . . . . IV. Der Garantie-/Bürgschaftsvertrag zwischen avalierender Bank und Avalbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Einschaltung von Zweitbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Inanspruchnahme des Avals durch den Begünstigten . . . . . . . . . VII. Typische Klauseln in Avalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Typische Avalformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Gerichtliche Eilmaßnahmen wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1003
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1009 1014 1017 1024 1028
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1032
3. Abschnitt: Dokumentenakkreditive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1035
I. Grundlagen, wirtschaftliche Funktionen und Erscheinungsformen . . . . . II. Grundgeschäftsvertrag zwischen Akkreditivauftraggeber und Akkreditivbegünstigtem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beauftragung der eröffnenden Bank durch den Akkreditivauftraggeber . . IV. Die Akkreditiveröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Einschaltung von Zweitbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Inanspruchnahme des Akkreditivs durch den Akkreditivbegünstigten VII. Akkreditivübertragung, Abtretung von Akkreditiverlösen und Gegenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsmissbrauchseinwand, gerichtliche Eilmaßnahmen und Insolvenz . .
1035
Wirtschaftliche Funktion . . . . . . . . Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . Praxis des Dokumenteninkasso . . . . Insolvenz des Dokumenteneinreichers erlöses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.. .... ..... .... .... .... .. .... ..... .... .... .... .. .... ..... .... .... .... bei Bevorschussung des Inkasso.. .... ..... .... .... ....
1055 1058 1063
4. Abschnitt: Dokumenten-Inkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
1045 1046 1049 1051 1053
. . .
1063 1064 1064
.
1067
5. Abschnitt: Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung . . . . . . . . . . . . .
1068
I. Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften der Bundesrepublik: Hermes-Deckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Forfaitierung, mit und ohne Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bank Payment Obligation und URBPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1068 1075 1078
8. Teil: Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1081
1. Abschnitt: Bedeutung von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1091
I. Kreditmaterielle Bedeutung (Risikoabsicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kreditsicherheiten und ihre regulatorische Bedeutung (KWG, CRR, MaRisk) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten . . . . . . . . .
1091
XVIII
1092 1096
Inhaltsübersicht Seite
2. Abschnitt: Allgemeine rechtliche Risiken und Beschränkungen im Zusammenhang mit der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . .
1103
I. Unwirksamkeit der Sicherheitenbestellung wegen Übersicherung . . . . . . II. Weitere Gründe für die Unwirksamkeit/Sittenwidrigkeit der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung der sicherungsnehmenden Bank gegenüber Dritten . . . . . . . . . IV. Besonderheiten bei der Sicherheitenbestellung durch Verbraucher . . . . . V. Umfang des Sicherungszwecks (gesicherter Forderungskreis) . . . . . . . . . VI. Besonderheiten bei vom Staat gestellten Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . VII. Unter-Deckung-Nehmen von Ansprüchen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Besicherung von Gesellschafterdarlehen/Kollision mit gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Auswirkungen einer Insolvenz auf die Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . .
Bedeutung für die Bankpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung der Bürgschaft von anderen Haftungsübernahmen Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsrecht . . . . . . . . . . . . Bürgschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausfallbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Grundstücksrechte als Mittel der Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . . . Übernahme der persönlichen Haftung durch den Grundschuldbesteller Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruch des Sicherungsgebers auf Teilfreigabe . . . . . . . . . . . . . . . Vertraglicher Rückgewähranspruch nach Wegfall des Sicherungszwecks Verwertung der Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1141 1152
1167 1168 1175 1179 1192 1204 1205 1206
4. Abschnitt: Grundpfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V. VI.
1112 1116 1122 1128 1135 1140
1167
3. Abschnitt: Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V. VI. VII.
1104
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1206 1212 1218 1228 1229 1238
5. Abschnitt: Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1245
I. Sicherungsübertragung als Mittel der Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . . II. Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verwertung des Sicherungsgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1245 1250 1265
6. Abschnitt: Sicherungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1270
I. II. III. IV.
Anwendung in der Bankpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abtretung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kollision von verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1270 1275 1279 1284
7. Abschnitt: Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1296
I. Bedeutung für die Bankpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Pfandrecht als Mittel der Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1296 1298 1303 XIX
Inhaltsübersicht Seite
IV. Verwertung des Sicherungsgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vereinbarung eines Pfandrechts zugunsten der Bank bzw. der Sparkasse (Nr. 14 AGB-Banken bzw. Nr. 21 AGB-Sparkassen) . . . . . . . . . . . . . . .
1308
9. Teil: Einlagen- und Spargeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1315
1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1317
I. Bedeutung und Begriff des Einlagengeschäftes . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einlagenarten im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1317 1319
2. Abschnitt: Sichteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1321
I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tagesgeldkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonstige Sichteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1321 1323 1324
3. Abschnitt: Termineinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1324
I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zeitdauer der Überlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1324 1325
4. Abschnitt: Spareinlagen im Sinne der RechKredV . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1328
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff der Spareinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückzahlung und Leistungsbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1329 1330 1339
5. Abschnitt: Verzinsung und formularmäßige Zinsklauseln . . . . . . . . . . . . .
1346
I. Begriff „Zins“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Negativzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formularmäßige Zinsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1346 1347 1352
6. Abschnitt: Abgrenzung, Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1361
I. II. III. IV.
Strukturierte Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . Sparbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sparvertrag nach dem Vermögensbildungsgesetz Bauspareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1305
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1361 1362 1364 1366
10. Teil: Rahmenbedingungen des Investment Banking . . . . . . . . . . . .
1375
1. Abschnitt: Der Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1377
I. Kapitalmarkt als Finanzmarkt im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalmarkt als Wertpapiermarkt im engeren Wortsinne . . . . . . . . . . .
1377 1378
3. Hauptteil: Investment Banking
XX
Inhaltsübersicht Seite
III. IV. V. VI. VII.
Kassa- und Terminmärkte als Teile des Kapitalmarktes . . . . . Grauer Kapitalmarkt als Kapitalmarkt im weiteren Sinne . . . . Abgrenzung des Kapitalmarktes vom Geld- und Devisenmarkt Segmente des Kapitalmarktes (Primär- und Sekundärmarkt) . . Handelsplätze i.S.d. MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1398
2. Abschnitt: Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skontroführer, Market Maker . . . . . . . . . . . . . . Emittenten als Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . Anleger als Marktteilnehmer (Effektenkommittent)
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Effektengeschäft . . . . . . . . . Depotgeschäft . . . . . . . . . . . Wertpapierleihe/Repogeschäft Zahlstellendienst . . . . . . . . .
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Zulassungsvoraussetzungen im regulierten Markt . . . . . . . . Zulassungsvoraussetzungen im Freiverkehr . . . . . . . . . . . . . Zulassungsvoraussetzungen beim OTF . . . . . . . . . . . . . . . . Zulassungsfolgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen der Art der Börsenzulassung für den Emissionserfolg
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1410 1411 1412 1412 1415
11. Teil: Kapitalmarktrecht: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1419
1. Abschnitt: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1421
I. Begriff des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertpapieraufsicht als Teil der staatlichen Aufsicht über den Kapitalmarkt
1422 1423
2. Abschnitt: Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1424
I. Spezielle kapitalmarktrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Generelle Regelungen mit kapitalmarktrechtlicher Relevanz . . . . . . III. Marktrelevante Gesetzesbestimmungen ohne kapitalmarktrechtliche Normenqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kapitalmarktrechtliche Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1405 1405 1408 1409 1409
4. Abschnitt Börseneinführung, Börsenzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V.
1398 1398 1399 1403 1404
3. Abschnitt: Marktbezogene Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
1382 1385 1386 1389 1392
.... ....
1425 1426
.... ....
1427 1428
3. Abschnitt: Regelungsziele des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1439
I. Funktionsschutz des Kapitalmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anlegerschutz als kapitalmarktrechtliches Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . .
1440 1449
4. Abschnitt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) . . . . . .
1457
I. Errichtung der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1457 XXI
Inhaltsübersicht Seite
II. Organisation und Aufgaben der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. BaFin-Geschäftsbereich „Wertpapieraufsicht/Asset-Management“ . . . . . .
1457 1460
12. Teil: Allgemeines Kapitalmarktverhaltensrecht . . . . . . . . . . . . . . . .
1469
1. Abschnitt: Verbot der Marktmanipulation (Art. 15, 12 ff. VO (EU) Nr. 596/2014 [MAR]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1476
I. II. III. IV. V.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Objektiver Tatbestand der Marktmanipulation Subjektiver Tatbestand der Marktmanipulation Ausnahmen (Safe harbour) . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen der Marktmanipulation . . . . . . .
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1476 1479 1497 1497 1500
2. Abschnitt: Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1502
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insiderinformationen (Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 [MAR]) . . . . . . . . III. Verbot von Insidergeschäften (Art. 14, Art. 8 VO Nr. 596/2014 [MAR]) .
1502 1514 1543
3. Abschnitt: Veröffentlichung von Insiderinformationen (sog. Ad-hoc-Publizität) (Art. 17 VO Nr. 596/2014 [MAR]) . . . . . .
1587
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adressat der Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen . . . Entstehungszeitpunkt der Veröffentlichungspflicht . . Aufschub der Veröffentlichung (sog. Selbstbefreiung) Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzung der Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . .
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1612
4. Abschnitt: Insiderlisten (Art. 18 VO Nr. 596/2014 [MAR]) . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
Regelungsgehalt und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich (Art. 18 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 [MAR]) . . . . . . . Führung der Insiderliste (Art. 18 Abs. 1, 3, 4 VO Nr. 596/2014 [MAR]) Aufklärungs- und Dokumentationspflichten (Art. 18 Abs. 2, 5 VO Nr. 596/2014 [MAR]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erleichterung für Emittenten an einem KMU-Wachstumsmarkt (Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 [MAR]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . .
1612 1612 1614
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1617
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1618
5. Abschnitt: Eigengeschäfte von Führungskräften und geschlossene Zeiträume (Art. 19 VO Nr. 596/2014 [MAR]) . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. XXII
1587 1588 1590 1593 1594 1604 1605 1606
Regelungsgehalt und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meldepflicht für Eigengeschäfte (Art. 19 Abs. 1, 2 VO Nr. 596/2014 [MAR]) Geschlossene Zeiträume (Art. 19 Abs. 11, 12 VO Nr. 596/2014 [MAR]) . .
1618 1618 1619 1621 1625
Inhaltsübersicht Seite
13. Teil: Verhaltens-, Organisations- und Aufzeichnungspflichten nach dem WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1629
1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1633
2. Abschnitt: Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1635
I. Allgemeine Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichten bei Erbringung/Abschluss von Anlageberatung, Finanzportfolioverwaltung, beratungsfreien und reinem Ausführungsgeschäft . . . III. Spezielle Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1637
3. Abschnitt: Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1720
I. Überblick über die Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Darstellung ausgewählter organisatorischer Anforderungen . . . . . . . . . .
1721 1723
4. Abschnitt: Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . .
1743
I. Allgemeine Aufzeichnungspflichten . . . . . II. Aufzeichnung von Telefongesprächen und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pflichtverletzung/Ordnungswidrigkeit . . .
... ..... .... .... ..... elektronischer ... ..... .... .... ..... ... ..... .... .... .....
1671 1694
1743 1747 1754
5. Abschnitt: Prüfungsrichtlinien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1755
6. Abschnitt: Wertpapier-Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1755
I. II. III. IV.
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Compliance-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben von Compliance . . . . . . . . . . . Persönliche Geschäfte (Mitarbeitergeschäfte)
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1755 1761 1771 1783
14. Teil: Börsen und andere Handelssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1797
1. Abschnitt: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1801
I. Überblick über die Handelsplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Novellierungen des Börsengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungen im Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1801 1803 1803
2. Abschnitt: Der Börsenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1804
3. Abschnitt: Außerbörsliche elektronische Handelssysteme . . . . . . . . . . . . .
1806
I. Multilaterale Handelssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Freiverkehr an den Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Systematische Internalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1806 1808 1809
XXIII
Inhaltsübersicht Seite
4. Abschnitt: Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
Trägerschaft für Börse und Marktveranstaltung als duales System . . Rechtsstellung des Börsenträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marktveranstaltende Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts . . . . . Unterschiede zwischen Multilateralen Handelssystemen, Organsierten Handelssystemen und Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1810
... ... ...
1810 1822 1829
...
1838
5. Abschnitt: Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels . . . . . . . . . .
1839
I. Handel in einem elektronischen Handelssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Marktsegmente des Kassahandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1839 1844
6. Abschnitt: Börsenmäßig organisierter Terminmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . .
1851
I. Eurex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigenständige Terminbörse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verknüpfung der Kassamärkte mit Terminmärkten . . . . . . . . . . . . . . .
1852 1852 1856
7. Abschnitt: Beaufsichtigung der Börsen und multilateralen Handelssysteme
I. II. III. IV.
Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befugnisse der Handelsüberwachungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kooperation von Länderaufsicht und Handelsüberwachungsstelle . . . Aufsicht über multilaterale Handelssysteme und organsierte Handelssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auswirkungen der Aufsichtsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1856
... ... ...
1856 1858 1860
... ...
1860 1861
8. Abschnitt: Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1861
I. Leistungsverhältnis zwischen Börse und ihren Benutzern . . . . . . . . . . . II. Benutzungsverhältnis der Börse zu den Handelsteilnehmern . . . . . . . . . III. Benutzungsverhältnis zwischen Börse und Emittenten . . . . . . . . . . . . .
1862 1864 1870
15. Teil: Emissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1873
1. Abschnitt: Grundlagen des Emissionsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1875
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertpapiere des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formen der Emission und Rechtsnatur des Emissionsgeschäfts . . . . . . .
1876 1881 1895
2. Abschnitt: Anleiheemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1911
I. II. III. IV. V. XXIV
Grundsätzliches zur Anleiheemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und emissionsbegleitenden Banken Rechtsverhältnisse im Emissionskonsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Anlegern . . . . . . . . . . . . . . Besicherung von Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1912 1916 1925 1929 1947
Inhaltsübersicht Seite
1950
3. Abschnitt: Aktienemissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
.... .... ....
1951 1976 2009
....
2029
4. Abschnitt: Sonderformen von Wertpapieremissionen . . . . . . . . . . . . . . . .
2034
I. II. III. IV. V. VI. VII.
Grundsätzliches zum Aktienemissionsgeschäft . . . . . Strukturen von Aktienemissionen . . . . . . . . . . . . . Einzelne rechtliche Aspekte der Aktienemission . . . Umplatzierung von Aktien und sonstige Formen des emissionsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandel-/Optionsanleihen . . . . . . . . . Umtauschanleihen . . . . . . . . . . . . . . Gewinnschuldverschreibungen (Brandt) Genussscheine . . . . . . . . . . . . . . . . Hybridanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . High Yield-Anleihen . . . . . . . . . . . .
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. .... .... . . .... .... . . .... .... . Eigenkapital. .... .... .
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2058
5. Abschnitt: Prospektpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prospekte für öffentliche Angebote und Zulassung zu einem Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prospekte für sonstige Vermögensanlagen . . . . . . . . . . . . IV. Ausblick auf die künftige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . .
.... .... geregelten .... .... .... .... .... ....
.
2059
. . .
2060 2096 2097 2098
6. Abschnitt: Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V. VI.
Übersicht über die Rechtsgrundlagen der Prospekthaftung . . . . Spezialgesetzliche Prospekthaftung nach §§ 8 ff. WpPG . . . . . . . Prospekthaftung nach §§ 20, 21 VermAnlG . . . . . . . . . . . . . . Prospekthaftung nach §§ 306 Abs. 1 und 3–6, 307 Abs. 3 KAGB Allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
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2034 2035 2048 2049 2050 2052 2056
. . . . . .
2098 2100 2120 2121 2122 2124
16. Teil: Investmentgeschäft im Sinne des KAGB . . . . . . . . . . . . . . . . .
2129
1. Abschnitt: Das Investmentrecht und seine Entwicklung in Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2130
I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Europäische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2131 2132
2. Abschnitt: Grundstrukturen des Investmentgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . .
2143
I. Das Investmentvermögen und seine Abgrenzung von verwandten Geschäftsfeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fondskategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausgestaltung der Fondsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aufgabenteilung zwischen Kapitalverwaltungsgesellschaft und Verwahrstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . .
2143 2152 2155
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2161 XXV
Inhaltsübersicht Seite
V. Bildung von Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsposition der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2161 2163
3. Abschnitt: Die einzelnen Fondstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2164
I. Gesetzliche Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Publikumsinvestmentvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spezial-AIF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2164 2166 2177
4. Abschnitt: Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten . . . . . . . . . . . . . .
2181
I. Rechtsbeziehung der Kapitalverwaltungsgesellschaft zu den Anteilsinhabern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsbeziehung der Kapitalverwaltungsgesellschaft zur Verwahrstelle . . . III. Rechtsbeziehung der Verwahrstelle zu den Anteilsinhabern . . . . . . . . . .
2181 2183 2184
17. Teil: Effektengeschäft und verwandte Finanzdienstleistungen . . . . .
2185
1. Abschnitt: Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2190
I. II. III. IV.
Begriff des Effektengeschäfts und der Effekten . . . . . . . . . . Wertpapierdienstleistungsunternehmen als Marktintermediäre Verwandte Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes . . . . . . . . .
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2. Abschnitt: Anlageberatung und beratungsfreies Geschäft aus zivilrechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
2190 2191 2192 2192 2193
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der zivilrechtliche Anlageberatungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kundenbezogene Pflichten bzw. sog. „anlegergerechte Beratung“ . . . . . . Produktspezifische Pflichten bzw. sog. „anlagegerechte Beratung“ . . . . . . Aufklärungspflichten im Hinblick auf schwerwiegende Interessenkonflikte Prozessuale Besonderheiten im Hinblick auf die Haftungsvoraussetzungen Pflichten im beratungsfreien Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wechselwirkungen Aufsichtsrecht und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .
2193 2196 2212 2216 2218 2224 2234 2234
3. Abschnitt: Der zivilrechtliche Vermögensverwaltungsvertrag . . . . . . . . . . .
2238
I. II. III. IV. V. VI.
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensverwaltung im Aufsichtsrecht und Abgrenzung Der Vermögensverwaltungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichten der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrags . . . . . . . .
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2238 2239 2241 2247 2250 2261
4. Abschnitt: Handelstätigkeiten im Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2262
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2262 2263
XXVI
Inhaltsübersicht Seite
2264
5. Abschnitt: Das Kommissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V. VI. VII.
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung zum Kommissionsgeschäft mit Selbsteintritt Abgrenzung zur unmittelbaren Stellvertretung . . . . . . . Der Kommissionsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichten des Kommissionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichten des Kommittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Ausführungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2264 2266 2266 2267 2277 2290 2295
6. Abschnitt Festpreisgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2302
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zum Kommissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Relevanz der aufsichtsrechtlichen Anforderungen zur bestmöglichen Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gutglaubensschutz der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechenschaftspflichten und Obliegenheit des Kunden zur Reklamation
.. ..
2302 2303
.. .. ..
2304 2304 2305
7. Abschnitt: Abwicklung von Effektengeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2306
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verschaffung von Wertpapiereigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2306 2310
18. Teil: Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2317
1. Abschnitt: Grundstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2319
I. II. III. IV. V.
Depotgeschäftliche Regelungen als Teil des Kapitalmarktrechts Tatbestand des Depotgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Depotgeschäft als Wertpapiernebendienstleistung . . . . . . . . . . Depotvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderdepots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2327
2. Abschnitt: Depotgeschäftliche Verwaltungsdienstleistungen . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V. VI.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkassopflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benachrichtigungspflichten . . . . . . . . . . . . . . Prüfungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auftragsstimmrecht der Kreditinstitute . . . . . . Exkurs: Depotgeschäftlich relevante Neuerungen Richtlinie zur Aktionärsrechterichtlinie . . . . . .
.... ... .... ... .... ... .... ... .... ... durch die .... ...
. .... .... . .... .... . .... .... . .... .... . .... .... Änderungs. .... ....
. . . . .
2327 2327 2328 2330 2331
.
2332 2334
3. Abschnitt: Depotgeschäftliche Verwahrungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
Sonderverwahrung . . Sammelverwahrung . Sammelurkunden . . Inlandsaufbewahrung
.... ..... .... .... . .... ..... .... .... . .... ..... .... .... . ausländischer Wertpapiere
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2319 2320 2323 2323 2324
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2334 2334 2342 2344 XXVII
Inhaltsübersicht Seite
4. Abschnitt: Depotrechtliche Behandlung von unverbrieften Schuldbuchforderungen (Wertrechten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2345
I. Sammelschuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelschuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2345 2346
5. Abschnitt: Auslandsaufbewahrung und Treuhand-WR-Gutschrift . . . . . . . .
2347
I. II. III. IV. V. VI.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Treuhand-WR-Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsstellung des Depotkunden . . . . . . . . . . Vorteile der Treuhand-WR-Gutschrift . . . . . . . Insolvenz- und vollstreckungsrechtlicher Schutz Auskunftsersuchen ausländischer Stellen . . . . .
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2354
6. Abschnitt: Funktionsweise des Effektengiroverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lieferung von GS-Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentumsübertragung im grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr Treuhandgiroverkehr in WR-Guthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2354 2354 2359 2361 2362
7. Abschnitt: Bestrebungen zur Reform des Wertpapiersachenrechts . . . . . . .
I. Notwendigkeit einer Reform des Wertpapiersachenrechts . . . . . . . II. Die UNIDROIT-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Initiative der Legal Certainty Group/Entwurf einer EU-Wertpapierrechtsrichtlinie/aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Target2-Securities (T2S) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kein Einfluss der Zentralverwahrerverordnung . . . . . . . . . . . . . . VI. Voraussetzungen einer Reform des deutschen Depotrechts . . . . . . VII. Die Distributed Ledger Technologie als technologischer Treiber . . .
2347 2348 2351 2352 2353 2353
.... ....
2362 2363
. . . . .
2365 2367 2368 2368 2369
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8. Abschnitt: Depotprüfung, Depotbekanntmachung und MaDepot . . . . . . . .
2373
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Depotbekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. MaDepot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2373 2376 2381
19. Teil: Finanzderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2389
1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2390
I. II. III. IV. V. VI. VII. XXVIII
Finanzderivate – Bestandteil einer modernen Finanzwelt Regulierung der Derivatemärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . Legaldefinition von derivativen Geschäften . . . . . . . . . . Traditionelle Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motive für den Einsatz von Finanzderivaten . . . . . . . . Vorzeitige Beendigung von Derivategeschäften . . . . . . . Verlustrisiken aus Derivategeschäften . . . . . . . . . . . . .
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2390 2391 2395 2399 2402 2404 2405
Inhaltsübersicht Seite
VIII. Effizientes Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Anlegerschützende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2407 2407
2. Abschnitt: An einer Terminbörse gehandelte Finanzderivate . . . . . . . . . . .
2408
I. Financial Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2409 2411
3. Abschnitt: Außerbörslich (OTC) gehandelte Finanzderivate . . . . . . . . . . . .
2413
I. II. III. IV.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentation von OTC-Derivaten Swapgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige OTC-Finanzderivate . . . . .
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2433
4. Abschnitt: Kreditderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV.
Credit Default Swaps . . Total Return Swaps . . . Credit Spread-Produkte Credit Linked Notes . .
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2413 2413 2418 2425
. . . .
2435 2439 2440 2441
20. Teil: Beratungsgeschäft M&A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2443
1. Abschnitt: Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2445
2. Abschnitt: Dokumentation und Transaktionsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . .
2447
I. Typische Transaktionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Transaktionsablauf und Zeitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2447 2448 2450
3. Abschnitt: Öffentliche Übernahme nach WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2454
I. Anwendungsbereich des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Angebotsarten des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausgewählte Aspekte zum Übernahme- und Pflichtangebot . . . . . . . . .
2454 2458 2459
4. Abschnitt: Finanzierungsbestätigung (§ 13 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2480
I. Regelungsgegenstand und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich der Finanzierungsbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tatbestandsvoraussetzungen der Finanzierungsbestätigung (§ 13 Abs. 1 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überprüfung der Maßnahmen zur Sicherstellung der Gegenleistung . . . . V. Haftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens (§ 13 Abs. 2 WpÜG)
2481 2482
5. Abschnitt: Fairness Opinion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2513
I. Wirtschaftlicher Hintergrund und rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . II. Funktion und Anwendungsbereich der Fairness Opinion . . . . . . . . . . .
2514 2517
2485 2489 2505
XXIX
Inhaltsübersicht Seite
III. IV. V. VI.
. . . .
2521 2527 2531 2534
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2539
XXX
Definition und Tatbestandselemente der Fairness Opinion Inhaltliche Ausgestaltung der Fairness Opinion . . . . . . . . Offenlegung der Fairness Opinion gegenüber Dritten . . . . Haftung aus der Fairness Opinion . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis a.A. abl. ABl. ABS abw. AcP ACSM ADR a.E. AEUV a.F. AG AGB AGBFV FWB AGBG AGVO AIBD AICPA AIF AIFM-UmsG AIM AktG allg. Alt. AltZertG a.M. AMA AMF AnfG AnlEntG Anm. AnlV AnSVG AnwBl AO APAG APAK ArbGG Art. ARRL ARUG AStG ATS
anderer Ansicht ablehnend Amtsblatt Asset Backed Securities abweichend Archiv für die civilistische Praxis Alternative Coupon Settlement Mechanism American Depositary Receipts am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift), Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung Association of International Bond Dealers American Institute of Certified Public Accountants Alternative Investment Fund/Alternativer Investmentfonds Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds Alternative Investment Market Aktiengesetz allgemein Alternative Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz am Main; anderer Meinung Advanced Measurement Approaches Autorité des Marchés Financiers Anfechtungsgesetz Anlegerentschädigungsgesetz Anmerkung Anlageverordnung Anlegerschutzverbesserungsgesetz Anwaltsblatt Abgabenordnung Abschlussprüferaufsichtsgesetz Abschlussprüferaufsichtskommission Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Aktionärsrechte-Richtlinie Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Außensteuergesetz Alternative Transaktionssysteme XXXI
Abkürzungsverzeichnis
Aufl. AuslInvestmG AWG AWV Az.
Auflage Auslandinvestmentgesetz Außenwirtschaftsgesetz Außenwirtschaftsverordnung Aktenzeichen
BAFA BaFin BAFinBefugV
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bundesanzeiger Gesetz über Bausparkassen Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater British Bankers’ Association Gesetz über die Deutsche Bundesbank Basel Committee for Banking Supervision Band Bundesverband deutscher Banken e.V. Begründung Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Schweiz) Beleihungswertermittlungsverordnung berichtigt Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch BGB-Informationspflicht-Verordnung Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie Bundesminister(ium) der Finanzen Bundesminister(ium) der Justiz Börsengesetz Börsenordnung Börsenzulassungs-Verordnung Bundesrat Bundesrats-Drucksache Bundesrechtsanwaltsordnung Bank Recovery and Resolution Directive Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer Banking Supervisory Committee
BAKred BAnz. BauSparkG BAV BAWe BayObLG BB BBA BBankG BCBS Bd. BdB Begr. BEHG BelWertV ber. BFH BGB BGB-InfoV BGBl. BGH BGHZ BilMoG BIZ BKR BKRUG BMF BMJ BörsG BörsO BörsZulV BR BR-Drucks. BRAO BRRD BS WP/vBP BSC XXXII
Abkürzungsverzeichnis
BSchuWG BSG BSK BSpG BStBl. bspw. BT BT-Drucks. BuB BuSchuWG BVerfG BVerfGE BVerwG BVR BWNotZ BWpVerwG bzgl. bzw. CAPM CB CBF CBF-AGB CBFA CBO CCBM CCP CDO CDS CEBS CEIOPS CESR CFD/CfD CFL CLN CLO CLS CLMJ CMS CONSOB CP CpD CRD CRR CSDR CVR
Bundesschuldenwesengesetz Bundessozialgericht Börsensachverständigenkommission (österreichisches) Bausparkassengesetz Bundessteuerblatt beispielsweise Bundestag Bundestags-Drucksache Bankrecht und Bankpraxis Bundesschuldenwesengesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg Bundeswertpapierverwaltungsgesetz bezüglich beziehungsweise Capital Asset Pricing Model Compliance-Berater Clearstream Banking AG, Frankfurt Allgemeine Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking Aktiengesellschaft Commission Bancaire, Financière et des Assurances Corporate Buy-Out Correspondent Central Banking Model Central Counterparty Collateralized Debt Obligations Credit Default Swaps Committee of European Banking Supervisors Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors Committee of European Securities Regulators Contracts for Difference Corporate finance law (Zeitschrift) Credit Linked Notes Collateralised Loan Obligations Continuous Linked Settlement System Capital Markets Law Journal Constant Maturity Swap Commissione Nazionale per le Società e la Borsa Commercial Paper Conto/Konto pro Diverse Capital Requirement Directive Capital Requirements Regulation Central Securities Depositories Regulation Contingent Value Right XXXIII
Abkürzungsverzeichnis
D\s+O DB DCF DCGK DepotG DFÜ DGAP DGSD d.h. DiskE DJT DLT DNotZ DRL DRV Drucks. DSGV DStR DSW DVBl DVFA DZWIR
Directors\s+ Officers Der Betrieb Discounted Cash Flow Deutscher Corporate Governance Kodex Depotgesetz Datenfernübertragung Deutsche Gesellschaft für die Ad-hoc-Publizität mbH Directive on Deposit Guarantee Schemes das heißt Diskussionsentwurf Deutscher Juristentag Distributed Ledger Technologie Deutsche Notarzeitschrift Durchführungsrichtlinie Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte Drucksache Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. Deutsches Steuerrecht Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
€STR E e.V. E.v. EAEG EAEGuaÄndG
Euro Short-Term Rate Entwurf eingetragener Verein Eingang vorbehalten Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz Gesetz zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze Euro Alliance of Payments Schemes Euro Banking Association, European Banking Authority elektronischer Bundesanzeiger European Banking Federation Electronic Banking Internet Communication Standard Earnings before Interest and Taxes Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization Earnings before Taxes Eurosystem Credit Assessment Framework European Covered Bond Council Electronic Communication Networks Economic and Financial Affairs Council Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH electronic debit card European Deposit Insurance Scheme Elektronische Datenverarbeitung European Energy Exchange European Free Trade Association Einführungsgesetz; Europäische Gemeinschaft
EAPS EBA eBAnz. EBF EBICS EBIT EBITDA EBT ECAF ECBC ECN ECOFIN EdB edc EDIS EDV EEX EFTA EG XXXIV
Abkürzungsverzeichnis
EG/EGV EGAktG EGBGB EGHGB EGInsO EHUG Einl. EinSiG EIOPA ELV EMA EMIR EMZ endg. EONIA EPC ERA ERG ERI ESC ESFS ESMA ESME ESRB EStG ESZB ETF EU EU-ProspektVO EuGH EuGVÜ EURIBOR, Euribor EUV EuZW EWI EWiR EWR EWS EZB f./ff. FamFG FASB FATCA FAZ FB
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einleitung Einlagensicherungsgesetz European Insurance and Occupational Pensions Authority Elektronisches Lastschriftverfahren European Master Agreement European Market Infrastructure Regulation Elektronischer Massenzahlungsverkehr endgültige Fassung (Teil des Aktenzeichens europäischer Dokumente) European OverNight Index Average European Payments Council Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive Einheitliche Richtlinien für auf Anforderung zahlbare Garantien Einheitliche Richtlinien für Inkasso European Securities Commission European System of Financial Supervisors European Securities and Markets Authority European Securities Markets Expert Group European Systemic Risk Board Einkommensteuergesetz Europäisches System der Zentralbanken Exchange-traded Fund Europäische Union EU-Prospektverordnung Europäischer Gerichtshof Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen European Interbank Offered Rate Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Währungsinstitut Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Währungssystem Europäische Zentralbank folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Financial Accounting Standards Board Foreign Account Tax Compliance Act Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanz-Betrieb XXXV
Abkürzungsverzeichnis
FFG/FMFG FG FGG-ReformG
Fn. FRA FRUG FS FSA FSAP FStFEntwG FtD FWB FWBO
Finanzmarktförderungsgesetz Finanzgericht Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Frankfurt Interbank Offered Rate Finanzanalyseverordnung Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Financial Industry Regulatory Authority Finanzmarktaufsicht (Österreich) Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung Finanzmarktstabilisierungsgesetz Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht Fußnote Forward Rate Agreement Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Festschrift Financial Services Authority Financial Services Action Plan Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung First to Default Frankfurter Wertpapierbörse Frankfurter Wertpapierbörsenordnung
G GA GBO GbR GCCG GewAufspG GG ggf. ggü. GmbH GmbHG GmbHR GO-EZB grds. GroMiKV Großkomm. GS GS-Verwahrung GuV GVBl. GVG GWB
Gesetz Geldautomat Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts German Code of Corporate Governance Gewinnaufspürungsgesetz Grundgesetz gegebenenfalls gegenüber Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Geschäftsordnung der EZB grundsätzlich Großkredit- und Millionenkreditverordnung Großkommentar Gedächtnisschrift Girosammelverwahrung Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
FIBOR FinAnV FinDAG FINRA FMA FMStBG FMStErgG FMStFG FMStFV FMStG FMVAStärkG
XXXVI
Abkürzungsverzeichnis
GwG GWR Gz.
Geldwäschegesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Geschäftszeichen
HBCI Hdb. HeidelbergKomm. Hess. HGB HinterlO h.M. Hrsg. HV
Homebanking Computer Interface Handbuch Heidelberger Kommentar Hessisches/-er Handelsgesetzbuch Hinterlegungsordnung herrschende Meinung Herausgeber Hauptversammlung
IAS IASB IBIS ICAAP ICC ICMA i.d.F. i.d.R. IDW/IdW i.E. i.e.S./i.w.S. IFA IFRS IFSRA IHR ImmoKWPLV InsO InvG IOSCO IPMA IPO IPR IPrax IRBA IRG i.S.d./v. ISDA ISMA ISP ITS i.V.m. IW-Orders
International Accounting Standards International Accounting Standards Board Inter-Banken-Informations-System Internal Capital Adequacy Review Process International Chamber of Commerce International Capital Markets Association in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer im Ergebnis im engeren Sinne/im weiteren Sinne International Forfaiting Association International Financial Reporting Standards Irish Financial Services Regulatory Authority Internationales Handelsrecht Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung Insolvenzordnung Investmentgesetz International Organization of Securities Commissions International Primary Market Association Initial Public Offering Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Rating Based Approach Interest Rate Guarantee im Sinne des/von International Swaps and Derivatives Association International Securities Market Association International Standby Practices Implementing Technical Standard in Verbindung mit interessewahrende Aufträge
JR JZ
Juristische Rundschau Juristenzeitung XXXVII
Abkürzungsverzeichnis
K+R KAGB KAGG Kap. KapInHaG KapMuG KfW KG KGV KMU KölnKomm. KonTraG KredAnstWiAG KredReorG KSA KuMaKV KTS KWG
Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Kapitalanlagegesetzbuch Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz Kreditanstalt für Wiederaufbau/KfW-Bankengruppe Kommanditgesellschaft, Kammergericht Kurs-Gewinn-Verhältnis Kleine und mittlere Unternehmen Kölner Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz Kreditrisiko-Standardansatz Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kreditwesengesetz
LBO LG LGD LIBA LIBOR LiqV lit. LMA LME LoE LoI Ls. LSA LSG LSI LTC LTV LZB
Leveraged Buy-Out Landgericht Loss Given Default London Investment Banking Association London Interbank Offered Rate Liquiditätsverordnung Buchstabe Loan Market Association London Metal Exchange Letter of Engagement Letter of Intent Leitsatz Lastschriftabkommen Landessozialgericht Less Significant Institutions Loan to Cost Loan to Value Landeszentralbank
m. Anm. M\s+A MAC MaK MaKonV
mit Anmerkung Mergers\s+ Acquisitions Material Adverse Change Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation Mindestanforderungen an das Risikomanagement Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen mit anderen Worten Management Buy-In
MaRisk MaSan m.a.W. MBI XXXVIII
Abkürzungsverzeichnis
MBO MDAX MDR MiFID MiFIR MiKapBG Mio. MMR MoMiG MoU Mrd. MREL MTF MünchKomm. m.w.N. m.W.v. n. rkr. NASD NASDAQ NaStraG
Management Buy-Out Mid-Cap-DAX Monatsschrift für Deutsches Recht Markets in Financial Instruments Directive (Finanzmarktrichtlinie) Markets in Financial Instruments Regulation Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz Million Multimedia und Recht (Zeitschrift) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Memorandum of Understanding Milliarde Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities Multilateral Trading Facility, multilaterales Handelssystem Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom
NCA NDA n.F. NJW NPL Nr./Nrn. NYSE NZB NZG
nicht rechtskräftig National Association of Securities Dealers National Association of Securities Dealers Automated Quotation Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung National Competent Authority non disclosure agreement neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift non-performing loans Nummer(n) New York Stock Exchange Nationale Zentralbanken Neue Zeitschrift für Gesellschaftrecht
OBO öAktG OECD öOGH OGAW OLG OTC OTF OWiG
Owner Buy-Out Aktiengesetz (Österreich) Organisation for Economic Co-operation and Development Oberster Gerichtshof (Österreich) Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Oberlandesgericht over the counter Organised Trading Facility, organisiertes Handelssystem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
p.a. PAngV PatentG PCAOB PfandBG PFKapAV
per annum Preisangabenverordnung Patentgesetz Public Company Accounting Oversight Board Pfandbriefgesetz Pensionsfonds-Kapitalanlagenverordnung XXXIX
Abkürzungsverzeichnis
PIK PIN PL POS POZ PPP ProspektRL ProspektVO PrüfbV PSD PTS
Payment in Kind Persönliche Identifikationsnummer performing loans Point of Sale Point of Sale ohne Zahlungsgarantie Public Private Partnership Prospektrichtlinie Prospektverordnung Prüfungsberichtsverordnung Payment Service Directive Proprietary Trading Systems
QIB
Qualified Institutional Buyer
RatingVAG RechKredV RefE RegBegr. RegE REIT REITG RG RGZ RIW
Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung Referentenentwurf Regierungsbegründung Regierungsentwurf Real Estate Investment Trust REIT-Gesetz Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft (früher: Außenwirtschaftsdienst, AWD) rechtskräftig Richtlinie Rechtssache Rechtsprechung Restrukturierungsfondsgesetz Restrukturierungsfonds-Verordnung Real Time Gross Settlement Regulatory Technical Standards Randziffer
rkr. RL/RiL/RiLi Rs. Rspr. RStruktFG RStruktFV RTGS RTS Rz. s.; S. S.W.I.F.T. SAG SAS SBW SCF ScheckG SchVG SchVGEG SE SEC SEPA XL
siehe; Seite Society for Worldwide Interbank Transfer Sanierungs- und Abwicklungsgesetz Statement on Auditing Standards Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte SEPA Cards Framework Scheckgesetz Schuldverschreibungsgesetz Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung Societas Europaea Securities and Exchange Commission Single Euro Payment Area
Abkürzungsverzeichnis
SET SGB SGG SI SIFMA SIPS SKA Slg. SoFFin sog. SolvV SPAC SPO SPV SREP SRF SRM SSM StGB str.
Secure Electronic Transaction Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Significant Institutions Securities Industry and Financial Markets Association Systematically Important Payment Systems Starke Kundenauthentifizierung Sammlung Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung so genannt Solvabilitätsverordnung Special Purpose Acquisition Company Secondary Public Offering Special Purpose Vehicle Supervisory Review and Evaluation Prozess Spitzenrefinanzierungsfazilität Single Resolution Mechanism Single Supervisory Mechanism Strafgesetzbuch streitig
TAN TARGET
Transaktionsnummer Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement ExpressTransfer System Theoretical Ex Rights Price Total Loss Absorbing Capacity Transportrecht Transparenz- und Publizitätsgesetz Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Textziffer
TERP TLAC TranspR TransPuG TUG Tz. u.Ä. u.a. u.ä. UCITS ÜbG ÜG UFK UKlaG UMAG UmwG unstr. Unterabs. URBPO URDG US-GAAP UStG
und Ähnliches unter anderem, und andere und ähnliche Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities (siehe OGAW) Übernahmegesetz (Österreich) Überweisungsgesetz ungebundener Finanzkredit Unterlassungsklagengesetz Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Umwandlungsgesetz unstreitig Unterabsatz Uniform Rules for Bank Payment Obligations Uniform Rules for Demand Guarantees United States Generally Accepted Accounting Principles Umsatzsteuergesetz XLI
Abkürzungsverzeichnis
usw. u.U. UWG
und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
v. v.a. VAEU VAG VaR VDLRÄndG
vom, von vor allem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Versicherungsaufsichtsgesetz Value at Risk Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V. Verbraucherkreditgesetz Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen Verkaufsprospektgesetz Verkaufsprospektgebührenverordnung Vermögensanlagen-Verkaufsprospektgebührenverordnung
vdp VerbrKrG VergAnfG VerkProspG VerkProspGebV VermVerkProspGebV VermVerkProspV VG VGH vgl. VO VÖB VorstAG VuR VVdStRL VVG VWAP VWD VwGO VwVfG VwVG WG WKM WKN WM WP WPg WpAIV WpDPV WpDRL WpDVerOV
XLII
Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e.V. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Versicherungsvertragsgesetz Volume Weighted Average Price Vereinigte Wirtschaftsdienste Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz Wechselgesetz Wechselkursmechanismus Wertpapierkennnummer Wertpapier-Mitteilungen Wirtschaftsprüfer Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung Wertpapierdienstleistungsrichtlinie Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung
Abkürzungsverzeichnis
WPg WpHG WpHGMaAnzV WpHMV WpMiVoG WpPG WpPGebV WpÜG WpÜGAngebV WpÜGAnwendV WR WSB WWU
Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung Wertpapierhandel-Meldeverordnung Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte Wertpapierprospektgesetz Wertpapierprospektgebührenverordnung Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG-Angebotsverordnung WpÜG-Anwendbarkeitsverordnung Wertpapierrechnung Wertpapiersammelbank Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
Xetra
exchange electronic trading
ZAG zB ZBB ZDUG ZfIR ZfK/ZfgK/ZgesKredW/ZKW ZG ZGR ZHR Ziff. ZInsO ZinsVO
Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
ZIP zit. ZKA ZPO z.T. ZV-DFÜ zzgl.
Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Verordnung über die Neuregelung von Zinsvergünstigungen bei mit öffentlichen Mitteln und mit Wohnungsfürsorgemitteln geförderten Miet- und Genossenschaftswohnungen und Eigentumsmaßnahmen Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zentraler Kreditausschuss Zivilprozessordnung zum Teil Zahlungsverkehr-Datenfernübertragung zuzüglich
XLIII
Allgemeines Literaturverzeichnis Ausführliche Literaturhinweise finden Sie auch zu Beginn der einzelnen Teile.
Albrecht/Karahan/ Lenenbach (Hrsg.) Angerer/Geibel/Süßmann Arndt/Voß (Hrsg.) Assies/Beule/Heise/ Strube (Hrsg.) Assmann/Pötzsch/ Uwe H. Schneider (Hrsg.) Assmann/Uwe H. Schneider/ Mülbert (Hrsg.) Assmann/Schlitt/ von Kopp-Colomb (Hrsg.) Assmann/Schütze (Hrsg.) Assmann/Wallach/ Zetzsche (Hrsg.)
Fachanwaltshandbuch Bank- und Kapitalmarktrecht, 2010 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 3. Aufl. 2017 Verkaufsprospektgesetz, 2008 Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl. 2013 Wertpapierhandelsrecht. Kommentar, 7. Aufl. 2019 Wertpapierprospektgesetz/Vermögensanlagengesetz, 3. Aufl. 2017 Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015 KAGB, 2019
Bamberger/Roth (Hrsg.) Baumbach/Hopt (Hrsg.) Baumbach/Hefermehl/ Casper Baumbach/Hueck Baums/Thoma/Verse (Hrsg.) Boos/Fischer/Schulte-Mattler Bosch/Groß Bunte
Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Aufl. 2012 Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2018 Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlungen, 23. Aufl. 2008 GmbH-Gesetz, 21. Aufl. 2017 WpÜG, Loseblatt KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016 Das Emissionsgeschäft, 3. Aufl. 2006 AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015
Canaris Claussen Clouth/Lang (Hrsg.) Cranshaw/Paulus/ Michel (Hrsg.)
Bankvertragsrecht, 3. Aufl. 1988 Bank- und Börsenrecht, 5. Aufl. 2014 MiFID-Praktikerhandbuch, 2007 Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016
Derleder/Knops/ Bamberger (Hrsg.)
Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 3. Aufl. 2017
Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn Ehricke/Ekkenga/Oechsler Einsele Ellenberger/Clouth (Hrsg.)
Handelsgesetzbuch, 3. Aufl. 2014/2015
Ellenberger/Findeisen/ Nobbe (Hrsg.)
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2003 Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018 Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 5. Aufl. 2018 Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl. 2013
XLV
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Bürgerliches Gesetzbuch, 15. Aufl. 2017 Das Recht der Wertpapieremissionen, 2006
Frankfurter Kommentar WpPG und EU-ProspektVO Fuchs (Hrsg.)
hrsg. von Berrar/Meyer/Müller/ Schnorbus/Singhof/Wolf, 2. Aufl. 2017
Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff Grigoleit Groß Großkommentar zum AktG
Aktiengesetz, 1974 ff. (ab 2. Aufl. s. Münchener Kommentar zum Aktiengesetz) Aktiengesetz, 2013 Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2016 hrsg. von Hopt/Wiedemann, 4. Aufl. 1992 ff.; hrsg. von Hirte/Mülbert/Roth, 5. Aufl. 2016 ff. hrsg. von Canaris/Habersack/Schäfer, 5. Aufl. 2008 ff. hrsg. von Ulmer/Habersack/Löbbe, 2. Aufl. 2013 ff.
Großkommentar zum HGB Großkommentar zum GmbH-Gesetz Grunewald/Schlitt
Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2016
Einführung in das Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014
Haarmann/Schüppen (Hrsg.) Habersack/Mülbert/ Schlitt (Hrsg.) Habersack/Mülbert/ Schlitt (Hrsg.) Hauschka/Moosmayer/ Lösler (Hrsg.) Heidel (Hrsg.) Heinsius/Horn/Than Hellner/Steuer Henssler/Strohn (Hrsg.) Holzborn (Hrsg.) Hölters (Hrsg.) Hopt/Seibt (Hrsg.) Hüffer/Koch
Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 3. Aufl. 2008 Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013
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Bürgerliches Gesetzbuch, 16. Aufl. 2015 Wertpapierhandelsgesetz, 2015
Kallmeyer Klöhn (Hrsg.) Kölner Kommentar zum AktG Kölner Kommentar zum WpHG Kölner Kommentar zum WpÜG
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XLVI
Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019 Corporate Compliance – Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen, 3. Aufl. 2016 Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2014 Depotgesetz, 1974 Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Loseblatt Gesellschaftsrecht. Kommentar, 3. Aufl. 2016; 4. Aufl. 2019 Wertpapierprospektgesetz, 2. Aufl. 2014 Aktiengesetz, 3. Aufl. 2017 Schuldverschreibungsrecht, 2017 Aktiengesetz, 13. Aufl. 2018
Wertpapierprospektgesetz und EU-Prospektverordnung, 2009
hrsg. von Hirte/von Bülow, 2. Aufl. 2010
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Langenbucher Langenbucher/Bliesener/ Spindler (Hrsg.) Lenenbach Lutter Lutter/Hommelhoff (Hrsg.) Luz/Neus/Schaber/Schneider/ Wagner/Weber (Hrsg.)
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Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.) Meyer/Veil/Rönnau Moritz/Klebeck/Jesch (Hrsg.) Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts
Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018
Münchener Kommentar zum AktG Münchener Kommentar zum BGB Münchener Kommentar zum HGB Münchener Kommentar zur InsO Münchener Kommentar zur ZPO R. Müller
Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006 Kapitalmarktrecht, Loseblatt
Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2017 UmwG, 6. Aufl. 2019 GmbH-Gesetz, 19. Aufl. 2016 Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2015
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Obermüller Oetker (Hrsg.) Opitz
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Palandt Paschos/Fleischer (Hrsg.) Park (Hrsg.)
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XLVII
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Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014 Schuldverschreibungsgesetz, 2. Aufl. 2016
Wicke Wachter Weitnauer/Boxberger/Anders Wolf/Lindacher/Pfeiffer
GmbH-Gesetz, 3. Aufl. 2016 Aktiengesetz, 3. Aufl. 2018 KAGB, 2. Aufl. 2017 AGB-Recht, 6. Aufl. 2013
XLVIII
1. Hauptteil Allgemeines 1. Teil Einführung 1. Abschnitt: Allgemeines . . . . . . . I. Begriff und Rechtsgrundlagen des Bankrechts . . . . . . . . . . . . . II. Der Einfluss der Finanzkrise der Jahre 2007 ff. auf das öffentliche Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Einfluss technischer Entwicklungen auf das private Bankrecht IV. Bankprodukte und Bankrecht . . . 1. Commercial Banking . . . . . . . . . 2. Investment Banking . . . . . . . . . .
1.1
II. Bankrecht im Sonderprivatrecht und im BGB . . . . . . . . . . . . . .
1.1
III. Jüngere Entwicklungen . . . . . . . 1. Starke europäische Prägung . . . . . 2. Lockerung der Privatautonomie durch paternalistische Tendenzen .
1.15 1.28 1.39 1.41 1.46 1.51
2. Abschnitt: Öffentliches Bankrecht I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . II. Instrumente des Bankaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Jüngere Entwicklungen . . . . . . 1. Aufsichtsstrukturen (Europäische Bankenunion) . . . . . . . . . . . . . 2. Materielles Aufsichtsrecht . . . . . 3. Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht . . . . . .
_ _ _ __ __ __ __ __ __ _
. . . .
3. Abschnitt: Privates Bankrecht . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . .
1.51 1.53 1.55
4. Abschnitt: Kapitalmarktrecht . . . I. Begriff und Bedeutung des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . .
_ __ _ _ _ _
1.74 1.81 1.81 1.84 1.95 1.95
II. Gegenstände des Kapitalmarktrechts und Schnittstelle zum Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1.111 5. Abschnitt: Lockerung der Trennung von öffentlichem und privatem Bankrecht – Ausstrahlungswirkung/Sanktionen . . 1.119
_ _ _ _ _ _
I. Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.120
1.55 1.61
II. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 1.126
1.67
III. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . 1.129
1.72
IV. Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.130
1.72
V. Tendenz zur Sanktionierung . . . 1.131
Schrifftum: Alsheimer, Die Entwicklung des Kreditwesengesetzes, Die Bank 1997, 27; Annuß/Früh/ Hasse, Kommentar zur Institutsvergütungsverordnung, Versicherungsvergütungsverordnung, 2016; Barta/Braune, Schadensersatz als Rechtsfolge der unzureichenden Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers – Konsequenzen aus der Entscheidung des EuGH in Sachen Le Crédit Lyonnais SA/ Fesih Kalhan für das Verständnis des deutschen Rechts, BKR 2014, 324; Baur/Holle, Untreue und unternehmerische Entscheidung, ZIP 2017, 555; Becher/Kreuschner, Klotz am Bein oder schlummerndes Potenzial?, Die Bank 2017, 38; Beck/Samm/Kokemoor, Gesetz über das Kreditwesen, Band 2; Berger, Rechtsanwendung durch die EZB im Single Supervisory Mechanism (SSM), Teil I, WM 2016, 2325 und Teil II, WM 2016, 2361; Bitter/Linardatos, Der Banksenat des BGH hat gesprochen: Ende der Vertragsfreiheit und Zwang zur Ineffizienz im Darlehensrecht!, ZIP 2018, 1203; Bitter/Linardatos, Erdachte Leitbilder im Darlehensrecht, ZIP 2018, 2249; Buck-Heeb, Kreditberatung, Finanzierungsberatung, BKR 2014, 221; Buck-Heeb, Rechtsfolgen fehlender oder fehlerhafter Kreditwürdigkeitsprüfung, NJW 2016, 2065; Buck-Heeb, Aufsichtsrechtliches Produktverbot und zivilrechtliche Rechtsfolgen – Der Anleger zwischen Mündigkeit und Schutzbedürftigkeit, BKR 2017, 89; Buck-Heeb, Finanzierungsberatung: Aufklärungspflichten und Haftung, ZIP 2018, 705; Bußalb, Produktintervention und Vermögensanlagen, WM 2017, 553; Canaris, Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der
Früh | 1
Teil 1 | Einführung Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, in FS Lerche, 1993, S. 873; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Der aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsprozess für kleinere Institute und Überlegungen zur Proportionalität, Oktober 2017, 45; Dombret, Wann ist das Maß voll?, Die Bank 2017, 8; Edelmann, Einführung von Negativzinsen im Aktiv- und Passivgeschäft, BB 2018, 394; Einsele, Verhaltenspflichten im Bank- und Kapitalmarktrecht, ZHR 180 (2016), 233; Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. 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2 | Früh
Allgemeines | Teil 1 129 (2), 390; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Aufl. 2018; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2015; Schork/Groß, Bankstrafrecht, 2013; Simon, Models of Bounded Rationality, 1982; Thabe/Schiereck, Schnellere Kreditvergabe durch Industrie 4.0-Daten, Die Bank 2018, 20; Triantafyllakis, US-Bankenregulierung: Schwingt nun das Pendel wieder zurück?, WM 2019, 856; Weber, Deutsches Kapitalmarktrecht im Umbruch: Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz, NJW 1994, 2849; Weirich, Product Governance effizient umsetzen, Die Bank 2017, 57; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Aufl. 2016; Wolff, Eine Annäherung an das Nudge-Konzept nach Richard H. Thaler und Cass R. Surstein aus rechtswissenschaftlicher Sicht, Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung 2015, 194; Zahrte, Neuerungen im Zahlungsdiensterecht, NJW 2018, 337.
1. Abschnitt: Allgemeines I. Begriff und Rechtsgrundlagen des Bankrechts Das Grundgesetz greift das Bankwesen bei den Regelungen zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz im Recht der Wirtschaft auf und stellt es dort in eine Reihe mit Industrie, Handwerk, Gewerbe und Handel (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG)1. Dies zeigt die Bedeutung des Bankwesens für eine funktionierende Wirtschaft. Das Bankrecht setzt den rechtlichen Rahmen für diesen Wirtschaftszweig.
1.1
Anders als etwa im für alle Kaufleute geltenden Handelsrecht gibt es für das auf die Tätigkeit eines bestimmten Wirtschaftszweiges bezogene Bankrecht kein eigenständiges, umfassendes Gesetzbuch2. Dasselbe gilt für das Kapitalmarktrecht3.
1.2
Will man den Gegenstand des Bankrechts daher inhaltlich bestimmen, so kann man sich auf verschiedene Weisen nähern.
1.3
Nach einem funktionellen Verständnis4, das das Recht zunächst aus der Perspektive vor allem gesetzlicher Regelungen sieht, setzt sich das Bankrecht – stark vereinfacht gesagt – zusammen aus: – den Vorschriften über die Organisation der an der Erbringung von Bankgeschäften in einem weiteren Sinn Beteiligten, insbesondere Bankenaufsicht, Zentral- und Geschäftsbanken sowie weitere Marktteilnehmer (z.B.: SSM-VO, SSM-Rahmen-VO, FinDAG, BBankG, KWG), – den Vorschriften über die einzelnen Bank-Dienstleistungen als Produkte (z.B. für den Zahlungsverkehr: zivilrechtlich: BGB, öffentlich-rechtlich: ZAG) sowie – den Vorschriften über die Art und Weise der Erbringung von Bank-Dienstleistungen (z.B. für Wertpapierdienstleistungen: WpHG). Beim Kapitalmarktrecht, dessen Besonderheit gerade darin besteht, dass hier auch Regelungen für einen Markt als solchen eingeführt wurden, kommen noch 1 2 3 4
Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 1.2. Schwintowski, Bankrecht, Rz. 27. Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 221. Claussen, Bank- und Börsenrecht, Rz. 1; Schwintowski, Bankrecht, Rz. 10 ff., setzt bei seinem funktionellen Bankrechtsbegriff bei den für die Sicherung und Durchführung der Geldidee erforderlichen Regelungen an, was im Ergebnis zu einer Verengung auf eher traditionelle Bankgeschäfte, insbesondere des Commercial Banking, hinausläuft und wodurch z.B. das Derivategeschäft, etwa in Form des Swapgeschäfts, dem Versicherungsgeschäft zugeordnet wird.
Früh | 3
Teil 1 | Einführung
– die Regelungen hinzu, die das Funktionieren der Märkte gewährleisten sollen (z.B.: WpHG, WpPG, VermAnG, KAGB, BörsG, DepotG)1.
1.4
Bezogen auf den Normengeber reichen die genannten Vorschriften von – völkerrechtlichen Vereinbarungen (insbesondere Gründungsverträge internationaler Finanzinstitutionen, z.B.: EU, IWF, BCBS, FSB), – supranationalen Regelungen (z.B.: Basel I–III), – über formelle und materielle Gesetze des europäischen (z.B.: CRR, CRD IV) und des deutschen Gesetzgebers (z.B.: FinDAG, KWG, ZAG, WpHG, GroMiKV, LiqV) bis hin zu – europäischen und deutschen Verwaltungsanweisungen (z.B.: technische Standards und Leitlinien der EBA, MaRisk der BaFin).
1.5
Will man den Begriff des Bankrechts erweitern und fasst nicht nur Vorschriften, sondern auch rechtsgeschäftliche Regelungen darunter2, so kann man auch – wiederum in absteigender Abstraktion – die zwischen den Banken und ihren Kunden bestehenden – Allgemeinen Geschäftsbedingungen (z.B.: AGB-Banken der privaten Banken zur Besicherung oder Kündigung von Krediten), – Formularverträge (z.B.: zu Krediten und Kreditsicherheiten) und – Individualverträge (z.B.: zu strukturierten, cash-flow-basierten Finanzierungen) unter das Bankrecht fassen.
1.6
Solche rechtsgeschäftlichen Regelungen sind dann ihrerseits an den genannten Vorschriften, etwa zu Produkten oder zur Erbringung von Bankdienstleistungen, zu messen. Dies ist – womit man zu einer nochmaligen Erweiterung des Bankrechts gelangen kann – Gegenstand der europäischen und deutschen Rechtsprechung zum Bankrecht, wobei vor allem die Zivilgerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit bedeutsam sind. Beim BGH wurde mit Blick auf die Bedeutung des Rechtsgebietes ein für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständiger Senat geschaffen, wobei die im Geschäftsverteilungsplan des BGH für diesen IX. Zivilsenat vorgesehenen Zuständigkeiten im Wesentlichen eine Auflistung des klassischen Produkte des Commercial Banking (vgl. Rz. 1.42 ff.) sind3; der Einfluss des sog. Bankrechtssenats auf die Entwicklung des Bankrechts ist kaum zu überschätzen (vgl. dazu auch Rz. 1.95, 1.114). Auch die Anwaltschaft hat auf die zunehmende Bedeutung des Rechtsgebiets reagiert und eine Fachanwaltschaft für Bank- und Kapitalmarktrecht eingeführt4. 1 Merkt/Rossbach, JuS 2003 217, 221; zum Ganzen: Wittig in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 1.1, 1.12. 2 Im weiteren Sinne umfasst der Begriff Rechtsquellen alle Einflussfaktoren, die für das Recht maßgeblich sind, also auch (Verwaltungs-)Praxis und Rechtsprechung Möllers, Juristische Methodenlehre, § 2 Rz. 4 f., § 3 Rz. 60, der allerdings Verträge und AGB ausnehmen möchte, da sie nur inter partes wirken – formal gesehen würde dieses Argument allerdings ebenso die Erkenntnisse aus Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ausschließen. 3 http://www.bundesgerichtshof.de/DE/DasGericht/Geschaeftsverteilung/Geschaeftsverteilung2017/ Zivilsenate2017/zivilsenate2017.html?nn=5611946#11. 4 Beschluss der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer vom 11.6.2007; htttp:// www.brak.de/fuer-journalisten/pressemitteilungen-archiv/2007/presseinformation-18-2007.
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Allgemeines | Teil 1
Die bisherigen Überlegungen deuten bereits an verschiedenen Stellen auf eine weitere wichtige Unterscheidung hin, nämlich auf die zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bankrecht. Nach der zur allgemeinen Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht u.a. genutzten Interessentheorie unterscheiden sich die Rechtsgebiete nach der Art der Interessen, die durch den jeweiligen Rechtssatz geschützt werden sollen1. Danach sind öffentliches Recht die dem öffentlichen Interesse, Privatrecht die den Individual-(Privat-)Interessen dienenden Rechtssätze2. Das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Bankwesens erklärt sich bereits damit, dass sowohl die Bevölkerung als auch die Wirtschaft auf die Inanspruchnahme bankmäßiger Dienstleistungen angewiesen ist. Das öffentliche Bankrecht regelt – ausgehend vom Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) des Rechtsstaatsprinzips – die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für das Bankwesen. Das private Bankrecht regelt die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten und dabei insbesondere bestehende Ansprüche (§ 194 Abs. 1 Satz 1 BGB).
1.7
Die enge Verzahnung von öffentlichem und privatem Bankrecht3 deutet sich im Übrigen bereits in der Definition von Instituten, die dem KWG als Organisationsrecht für u.a. Banken unterliegen sollen, an; denn erst das – vereinfacht gesagt – gewerbsmäßige oder kaufmännische Betreiben von Bankgeschäften mit anderen – und damit auf privatrechtlicher Grundlage – macht ein Unternehmen zu einem Institut im Sinne des öffentlich-rechtlichen KWG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KWG)4.
1.8
Die gerade im Bankrecht zunehmende Tätigkeit von Aufsichtsbehörden auch im Interesse Einzelner – etwa bei der Umsetzung zivilrechtlicher Regelungen – sowie das vermehrte Auftreten öffentlich-rechtlicher Regelungen, denen auch eine zivilrechtliche Wirkung zuerkannt wird, zeigt darüber hinaus, dass eine Abgrenzung nach der Interessentheorie zunehmend an ihre Grenzen stößt bzw. die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht sich im Bankrecht zusehends auflöst (vgl. dazu Rz. 1.120 ff.).
1.9
Das Bankrecht ist in Deutschland eine verhältnismäßig junge Disziplin, die vor allem in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Dynamik aufgenommen hat5. Dass es dazu überhaupt einmal kommen würde, war nicht immer vorhersehbar, noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts gab es Stimmen, die sogar die Notwendigkeit der Bankaufsicht als Teil des öffentlichen Bankrechts in Frage gestellt haben6.
1.10
Zwischenzeitlich hat sich das Bankrecht jedoch als eigenständiges Rechtsgebiet etabliert. Das ist für das öffentliche Bankrecht auf die enorme Bedeutung eines funktionierenden Bankwesens für das gesellschaftliche Leben zurückzuführen (vgl. dazu näher Rz. 1.52 ff.). Für das private Bankrecht kommt hinzu, dass das Bankgewerbe – auch im Vergleich zu anderen Industrien – eine besonders breite Palette komplett unterschiedlicher Produkte aufweist (vgl. dazu näher Rz. 1.40 ff.).
1.11
Begünstigend dürfte auch wirken, dass Bankprodukte Dienstleistungen sind, die von Betriebswirten und Juristen gemeinsam entwickelt und in Vertragsform gebracht werden; an-
1.12
1 2 3 4 5
So schon Wittig in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 1.4 m.w.N. Ehlers in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rz. 16 m.w.N. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, BankGesch (7) Rz. A/3. Wittig in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 1.2. Wittig in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 1.16, 1.25, nennt für das Bankrecht die siebziger und für das Kapitalmarktrecht die neunziger Jahre. 6 Muthesius, ZfgK 1951, 457, 459.
Früh | 5
Teil 1 | Einführung
ders gesagt ist gewissermaßen die im Vertrag geregelte Dienstleistung selbst das Bankprodukt, weshalb dem Bankrecht auch insoweit besondere Bedeutung zukommt.
1.13 Dass das private Bankrecht sehr stark auf die insbesondere ersten drei Bücher des BGB zugreift, hindert, wie etwa das Beispiel des Arbeitsrechts zeigt, die Verselbstständigung des Rechtsgebietes nicht (vgl. dazu auch Rz. 1.75 ff.), auch wenn man im rechtstechnischen Sinne beim Bankrecht wohl nicht von einem Sonderprivatrecht sprechen würde1. 1.14 Dass der Gesetzgeber aus sogleich näher darzulegenden Gründen (vgl. dazu auch Rz. 1.21 ff.) im Bereich des Bankrechts in besonderem Maße aktiv ist, tut ein Übriges zur Verselbstständigung des Rechtsgebietes2.
II. Der Einfluss der Finanzkrise der Jahre 2007 ff. auf das öffentliche Bankrecht 1.15 Die Rechtstheorie weist dem Recht – in einer sehr weiten Definition – eine dienende Funktion insofern zu, als es einen Ordnungsrahmen für das menschliche Zusammenleben setzen soll3. Gesellschaftlicher Wandel zieht u.a. ökonomischen und im Anschluss auch rechtlichen Wandel nach sich. Die Gesellschaft ändert sich dabei etwa durch neue Technik oder auch durch eine Öffnung im Sinne einer Internationalisierung und demgemäß in besonderer Weise durch umwälzende Veränderungen wie die Digitalisierung und die Globalisierung. 1.16 Geht der Wandel rasch und umwälzend vor sich, muss sich auch das Recht entsprechend anpassen. Aufgrund seiner dienenden Funktion geht das Recht dem Wandel in aller Regel nicht voraus, sondern folgt ihm möglichst umgehend nach. Der abstrakt-generell regelnde Gesetzgeber hat dabei naturgemäß eine langsamere Geschwindigkeit als die Verwaltung und die Gerichte, die den ihnen vorgelegten Einzelfall zeitnah konkret-individuell entscheiden müssen4. Da das „passende“ Gesetz für eine Entscheidung danach mitunter noch nicht vorliegt, wird von Rechtsprechung und Verwaltung auch eine Rechtsfortbildung geleistet, die faktisch auf die Vergangenheit zurückwirkt. Der Entscheider muss daher den Einzelfall entscheiden und dabei der Versuchung widerstehen, das noch nicht angepasste Gesetz in einer Weise auf vergangene Sachverhalte anzuwenden, wie er sich die Rechtsentwicklung vorstellen würde. Das ist vor dem Hintergrund von Rechtsstaatsprinzip und Gewaltenteilung eine schwierige Gratwanderung zwischen Ausfüllung von Lücken und „Gesetzesberichtigungen“5. 1.17 Krisenhafte Entwicklungen waren immer ein Katalysator für die Rechtsentwicklung. Die Wirtschaftskrise in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts war gewissermaßen der Startpunkt des deutschen Bankaufsichtsrechts6. In den siebziger Jahren trug die sog. HerstattKrise im Jahr 1974 zu einer verstärkten internationalen Abstimmung der Bankenaufsicht bei7. 1 Bülow in Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 4. 2 Zum Ganzen Wittig in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 1.7 ff. 3 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rz. 72 m.w.N. 4 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rz. 39 ff. 5 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rz. 826 ff. 6 Alsheimer, Die Bank 1997, 27; Fischer/Boegl in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 125 Rz. 37. 7 Höche in Habersack/Mülbert/Nobbe/Wittig, Bankrechtstag 2013, Bankenregulierung zur Bewältigung der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise, 2014, S. 13.
6 | Früh
Allgemeines | Teil 1
Die Finanzkrise der Jahre 2007 ff. war ein extrem einschneidendes Ereignis. Die politische Grundaussage der G201 kann daher auch nicht überraschen; in einem Satz zusammengefasst lautete sie: „Kein Produkt, kein Markt, kein Marktteilnehmer ohne angemessene Beaufsichtigung und Regulierung.“2
1.18
Dass ein politisches internationales Gremium wie die G-20 diese Aussage getroffen hat, ist dabei gleich in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: Man sah die Krise mit dadurch ausgelöst, dass es an einem ausreichenden öffentlich-rechtlichen Rahmen sowie an einer ausreichenden Aufsicht durch Behörden gefehlt hatte und man erkannte, dass die Krise ein internationales Phänomen mit ebensolchen Ursachen und dementsprechenden Notwendigkeiten für eine Reaktion war, was jedoch zugleich ein erhebliches Problem mit sich brachte; denn zwar gibt es Foren für eine internationale politische Willensbildung, internationale Rechtssetzung und Rechtsdurchsetzung ist demgegenüber ungleich schwieriger3.
1.19
Möchte man die genannten Ursachen der Krise etwas genauer abschichten, so kann man – immer noch stark vereinfachend – folgende großen Linien ziehen:
1.20
– die politisch begünstigten, überhitzten amerikanischen Immobilienmärkte und – die Verbriefung dort ausgereichter sog. Subprime-Hypothekarkredite, also Kredite minderer Qualität, z.B. in Mortgage Backed Securities, – sowie die weltweite Verbreitung der entsprechenden Wertpapiere; – überzogene Fristentransformation (die Laufzeit von Refinanzierung und Finanzierung deckt sich nicht) bei Banken, – die zur Anfälligkeit bei marktbedingten Liquiditätsengpässen (etwa durch Wegfall der Fungibilität z.B. der Mortgage Backed Securities) führt; – das Fair Value Accounting-Prinzip (Bilanzierung z.B. der Mortgage Backed Securities) beschleunigte die Abwärtsspirale; – hinzu kamen die unzureichende Eigenkapitalausstattung bei Banken, – die zu unzureichender Verlustabsorptionsfähigkeit führt, – die Architektur des internationalen Finanzsystems (etwa Fehlen einer Systemarchitektur), – Vergütungsstrukturen in Banken4. All diese Themen – und weitere – wurden in Angriff genommen. Der recht populäre Vorwurf, dass nämlich nach der Finanzmarkt- und der späteren Staatsschuldenkrise nichts oder jedenfalls wenig geschehen sei, lässt sich verhältnismäßig leicht entkräften. An dieser Stelle lassen sich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, genaue Systematisierung sowie Angabe der einzelnen Quellen etwa folgende Regelungsgegenstände auflisten, wobei es nicht 1 Zu Ursprung, Zusammensetzung und Aufgaben www.g20.org. 2 G-20, Washington Summit on Financial Markets and the World Economy, 14./15.11.2008. 3 Früh in Habersack/Mülbert/Nobbe/Wittig, Bankrechtstag 2011, Regulierungsinitiativen im Zeichen der Krise, 2012, S. 2 f. 4 Ähnlich schon Früh in Annuß/Früh/Hasse, InstitutsVergV, VersVergV, Vorbemerkung InstitutsVergV Rz. 4 unter Hinweis auf Hellwig, Finanzkrise und Reformbedarf: Gutachten für den 68. Deutschen Juristentag, 2010, S. 6.
Früh | 7
1.21
Teil 1 | Einführung
alleine um die Intensivierung vorhandener Regelungen, sondern auch um die Schaffung komplett neuer Regelungsbereiche ging1: – Aufsichtsstrukturen (insbesondere Schaffung des Europäischen SSM als Säule der Bankenunion); – Marktstrukturen (z.B. Trennbankengesetz einerseits, zentrales Clearing von OTC-Derivaten andererseits); – Regulierung Schattenbanken/grauer Kapitalmarkt; – Regulierung Ratingagenturen; – Risikomanagement/Eigenkapital und Liquidität (insbesondere Aufgaben der Kontrollgremien, Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen, Einführung von Liquiditätskennziffern und Verschuldungsquote im Zuge von Basel III, CRD IV, CRR); – Eingriffsbefugnisse der Aufsicht, um Überbewertungen von Wohnimmobilien entgegenzutreten (immobilienwertabhängige Grenzen für den Fremdfinanzierungsanteil per Allgemeinverfügung der BaFin); – Bilanzierung von Finanzinstrumenten; – Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (insbesondere Schaffung des Europäischen SRM als Säule der Bankenunion); – Besondere Anforderungen an systemrelevante Banken (z.B. bezogen auf Eigenkapital und Abwicklungsfähigkeit); – Einlagensicherung (Weiterentwicklung der Europäischen Einlagensicherung als Säule der Bankenunion); – Verbraucherschutz (z.B. Informationsblätter, Produktverbote durch die Aufsicht, Kreditwürdigkeitsprüfung zugunsten des Kunden); – Beteiligung der Finanzmarktteilnehmer an den Krisenlasten (Bankenabgabe, Überlegungen zu Finanztransaktionssteuer); – Vergütungsstrukturen der Banken (z.B. Zusammensetzung, Anknüpfungspunkte, Auszahlungsmechanismus).
1.22 Gesetzgeber, Verwaltung und Gerichte haben den politischen Auftrag der G-20 somit sehr ernst genommen. Die Bankindustrie war bereits zuvor und ist – jedenfalls zwischenzeitlich – eine der am dichtesten regulierten Industrien2.
1.23 Aufgrund der internationalen Tätigkeit der Banken und ihrer großen Vernetzung wurde,
wie bereits angesprochen, versucht, nicht nur nationale und europarechtliche, sondern mit supranationalen und völkerrechtlichen Instrumenten sogar weltweite Standards zu etablieren (Bsp.: Basel III).
1.24 Das ist allerdings auch inhaltlich kein einfaches Unterfangen. Diskussionen entstehen hier
bereits bei der Frage, ob alle Beteiligten am gleichen Punkt starten; so nehmen US-ame1 Etwa Höche in Habersack/Mülbert/Nobbe/Wittig, Bankrechtstag 2013, Bankenregulierung zur Bewältigung der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise, 2014, S. 3 ff. 2 Bereits Wittig in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 1.9.
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Allgemeines | Teil 1
rikanische Banken etwa für sich in Anspruch, im Allgemeinen eher besser kapitalisiert zu sein als ihre europäischen Konkurrenten. Darüber hinaus beginnt die Regulierung nach und nach bereits wieder zu einem Standort- und damit Wettbewerbsfaktor in der politischen Debatte zu werden, so etwa im Verhältnis der USA zu Europa oder nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU auch in diesem Verhältnis1. Das Phänomen, dass auch nach Krisen ab einem gewissen Zeitpunkt erneut die Diskussion einsetzt, ob eine Liberalisierung und damit eine Deregulierung doch der vorzugswürdigere Weg gegenüber einer strengen Regulierung der Finanzindustrie darstellt, ist übrigens weder neu noch zu verurteilen2. Die Gegenposition zur Forderung nach Deregulierung weist allerdings darauf hin, dass Selbstregulierung nur unzureichend in der Lage gewesen sei, das Vertrauen der Finanzmärkte zu sichern, und Regulierung daher nicht als Abkehr von der Marktwirtschaft gesehen werden sollte, sondern auch als Maßnahme zu deren Rettung; Härten müsse u.a. durch Proportionalitätsüberlegungen Rechnung getragen werden3. Richtig erscheint es in jedem Fall, dass immer wieder Bestandsaufnahmen notwendig sind, ob die behandelten Themen und Maßnahmen die richtigen waren bzw. sich bewähren und ob auch das Kosten- und Nutzen-Verhältnis und die Verhältnismäßigkeit noch angemessen ist4. Dabei ist auch darauf zu achten, dass sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, der sich aus dem in Grundrechten verkörperten Freiheitsanspruch ableitet5, und besagt, dass Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen6, und der Grundsatz der Proportionalität nicht auseinander entwickeln. Denn zwar versteht man in der Bankenregulierung – im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip – unter dem Prinzip der Proportionalität, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen und ihre Anwendung in einem angemessenen Verhältnis zu Art, Umfang und Komplexität der Risiken stehen müssen, die mit dem Geschäftsmodell und der Tätigkeit eines Instituts einhergehen7. Wenn man dann allerdings unter einem Schlagwort wie „Small Banking Box“ unterschiedliche aufsichtsrechtliche Anforderungen im Wesentlichen an Größenkriterien, wie der Bilanzsumme, festmachen würde8, also Proportionalität lediglich größenabhängig versteht, könnte dies in eine falsche Richtung führen; denn die Grundrechte schützen den Einzelnen im Ausgangspunkt selbstverständlich unabhängig von der Größe, weshalb auch die sog. Regulatory Sandbox für FinTechs Zweifeln begegnet9.
1.25
Innerhalb der EU ist die Vereinheitlichung jedenfalls deutlich einfacher und daher auch wesentlich weiter fortgeschritten. Die Europäischen Institutionen fassen die ihnen durch die Europäischen Verträge eingeräumten Kompetenzen dabei durchaus weit (vgl. dazu Rz. 1.55 ff.).
1.26
1 Kritisch dazu Lautenschläger, Der Tagesspiegel, 31.7.2017, S. 14; Schnabel, Welt am Sonntag, 18.6.2017, S. 43; s. auch Triantafyllakis, WM 2019, 856 ff. 2 Muthesius, ZfgK 1951, 457, 458 nach der Bankenkrise der 30iger Jahre des vorigen Jahrhunderts. 3 Dombret, Die Bank 2017, 8, 9 f. 4 Etwa Schiele, Börsen-Zeitung, 7.10.2017, S. 42. 5 BVerfG v. 10.6.1963 – 1 BvR 790/58, BVerfGE 16, 194, 201 f. 6 BVerfG v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01, BVerfGE 108, 150, 160. 7 Krimphove, BKR 2017, 353, 355 ff., hält das Konzept der Proportionalität für grundsätzlich verschieden vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Relation verschiedener Größen vs. Konfliktlösung bei sich entgegenstehenden Zielvorgaben. 8 Vgl. dazu etwa Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2017, 45, 56 ff. 9 A.A. Krimphove/Rohwetter, BKR 2018, 494, 496 ff.
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Teil 1 | Einführung
1.27 Das deutsche Bankrecht ist folglich zwischenzeitlich in aller Regel umgesetztes europäisches Recht oder das europäische Recht gilt in den Mitgliedstaaten gleich unmittelbar (vgl. dazu Rz. 1.55 ff., 1.81 ff.).
III. Der Einfluss technischer Entwicklungen auf das private Bankrecht 1.28 Der Bedeutungszuwachs des privaten Bankrechts geht bereits historisch mit der Entwick-
lung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs einher. Denn hierdurch nahmen auch Privatkunden nicht nur bei Gelegenheit einer Geldanlage oder Kreditaufnahme Bankdienstleistungen in Anspruch. Vielmehr unterhielt ab diesem Zeitpunkt fast jedermann ein Girokonto (heute genauer: Giro- und Zahlungsdienstekonto, § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB)1. Der Zahlungsverkehr gilt als Ankerprodukt in der Kundenbeziehung2. Mit der Bedeutung des Bankgeschäftes für alle Gruppen der Bevölkerung ist auch die Bedeutung des Bankrechts gewachsen3.
1.29 Auch die EU hat schon sehr früh die Bedeutung des Zahlungsverkehrs betont. Bereits in ih-
rem Aktionsplan Finanzdienstleistungen vom Mai 19994 formulierte die EU Kommission den Zahlungsverkehrs-Binnenmarkt als Ziel. In ihrer Zahlungsdiensterichtlinie (Payment Service Directive – PSD)5 führte sie dazu aus, dass Verbraucher die Gewissheit haben müssten, dass europaweit getätigte Zahlungen unkompliziert, effizient und sicher sind. Mit der Zahlungsdiensterichtlinie II (PSD II6) verfolgt die EU-Kommission das Ziel einer Weiterentwicklung in Richtung eines besser integrierten Binnenmarkts für elektronische Zahlungen in der EU.
1.30 Die Bedeutung des Girokontos für die Teilnahme am Leben wird zwischenzeitlich als derart bedeutsam angesehen, dass der Gesetzgeber sich – wiederum in Umsetzung europäischer Vorgaben7 – veranlasst sah, mit dem Zahlungskontogesetz (ZKG) einen gesetzlichen Anspruch auf ein Konto jedenfalls in Form eines Basiskontos einzuführen. Danach hat jeder Verbraucher (§ 13 BGB) grundsätzlich einen Anspruch auf ein Konto mit einem bestimmten Leistungsumfang (Ein- oder Auszahlungen, Ausführung von bargeldlosen Zahlungsvorgängen, wie Lastschriften, Überweisungen, Nutzung Debit-Zahlungskarte, §§ 30 ff. ZKG) (vgl. dazu auch Rz. 1.85). Mit anderen Worten hat der Gesetzgeber einen sachlich begrenzten Kontrahierungszwang geschaffen hat, was angesichts des das deutsche Privatrecht beherrschenden, durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Prinzips der Privatautonomie8, die als wesentlichen Bestandteil die Vertrags(abschluss)freiheit garantiert, ein bemerkenswerter Vorgang ist, zumal das verfolgte Ziel eigentlich durch die der Daseinsvorsorge verpflichteten Sparkassen erreicht werden können sollte9.
1.31 Der Zahlungsverkehr ist demnach bis heute ein wesentlicher Treiber der Entwicklung des Bankrechts; neue Marktteilnehmer, wie die sog. FinTechs, zielen genau auf dieses Produkt ab, da sie dort ihre besonderen technischen Fähigkeiten und ihre Agilität nutzen 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 1.10 ff. Becher/Kreuschner, Die Bank 2017, 38. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 1.10 ff. KOM (1999) 232, 11.5.1999. Richtlinie 2007/64/EG vom 13.11.2007. Richtlinie 2015/2366/EU vom 25.11.2015. Richtlinie 2014/92/EU vom 23.7.2014. Statt aller Früh, Bürgerliches Recht, Rz. 45. Vgl. zur Beurteilung dieses Kontrahierungszwanges unter den Aspekten der Privatautonomie und der Verfassungswidrigkeit Herresthal, BKR 2016, 13 ff., und Held, BKR 2016, 353 ff.
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Allgemeines | Teil 1
können, möglichst ohne die mit traditionellen Bankprodukten verbundenen strengen regulatorischen Anforderungen z.B. an Eigenkapital und Liquidität erfüllen zu müssen1. Im Zuge der Umsetzung der PSD II erfährt z.B. das Online-Zahlungsdienste-Vertragsverhältnis zwischen Bank und Kunde durch neu auf den Markt gekommene Drittdienste erhebliche Änderungen, da dem Online-Kunden ein Anspruch auf Nutzung von Drittdiensten hinsichtlich seines Zahlungskontos bei der Bank eingeräumt wird. Online-Zahlungsdienstenutzer können anders gesagt gem. § 675f Abs. 3 BGB über Zahlungsauslösedienste Zahlungsaufträge von ihrem Zahlungskonto bei der Bank auslösen oder über Kontoinformationsdienste konsolidierte Informationen über ihr Konto bei der Bank abrufen2.
1.32
Auch die Sepa-Echtzeitüberweisung (SEPA Instant Credit Transfer) ist bereits Realität und führt zu Anpassungen des Zahlungsverkehrsrechts. Seit November 2017 können im SEPARaum Überweisungen in Euro zunächst bis zu einem bestimmten Höchstbetrag und unter der Voraussetzung, dass die Institute des Zahlers und des Zahlungsempfängers hierzu jeweils bereits technisch in der Lage sind, im Direct-Banking auf 24-7-365 Basis in Sekunden ausgeführt werden; genau genommen sind 3 bis 5 Sekunden angestrebt, und es sollen 10 Sekunden pro Zahlungsdienstleister nicht überschritten werden, weshalb der Zahlungsempfänger den vom Zahler angewiesenen Betrag in möglichst nicht mehr als 10 + 10 Sekunden erhält3. Der Zahlungsvorgang wird erst mit der Rückmeldung der Bank des Empfängers an die Bank des Zahlers abgeschlossen. Der Wechsel von einer Batch(-Zyklen) orientierten Abwicklung hin zu einem Echtzeitverfahren kann als Quantensprung be-zeichnet werden. Hierfür wurde ein neues EBA-Clearing-Modell über Unterkonten der teilnehmenden Banken bei der EZB geschaffen, da nur so die sekundenschnelle Geldübertragung erfolgen kann. Das European Payment Council (EPC) hat ein Rulebook für diese auch sog. Instant Payments erstellt4.
1.33
Der nächste Schritt wird das digitale Bezahlen sein5. Die Europäische Kommission hat am 23.3.2017 einen Aktionsplan für Finanzdienstleistungen für Verbraucher vorgelegt6, der den Einsatz der Digitalisierung zur Verschaffung von Finanzdienstleistungen aus der gesamten EU als wichtiges Ziel formuliert. Girokonto und Zahlungsdienstevertrag werden in der Regel in einem Schritt eröffnet (§ 675f Abs. 2 Satz 1 BGB). Somit bedeutet digitales Bezahlen nicht weniger als die vollständig digitale Kontoeröffnung sowie Beauftragung, Autorisierung und Durchführung von Zahlungsaufträgen durch den Zahlungsdienstenutzer und die daran beteiligten Banken. Angesichts der umfassenden regulatorischen Rahmenbedingungen für Banken z.B. im Rahmen der Legitimationsprüfung (§ 11 GwG, § 154 AO), aber auch durch verbraucherschützende Maßgaben wie das genannte Zahlungskontogesetz ist dies auch bankrechtlich ein anspruchsvolles Unterfangen.
1.34
Darüber hinaus wird es ein künftiges Ziel sein, die Vorteile effizienter Zahlungsdienstelösungen von einzelnen Anbietern unabhängig zu machen. Anders gesagt wird etwa ein Ziel darin bestehen, die Erst-Legitimation bei einer Bank für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen anderer Zahlungsdienstleister nutzen zu können und etwa beim mobilen
1.35
1 2 3 4
Becher/Kreuschner, Die Bank 2017, 38, 39 f. Kraus, Die Bank 2018, 8; Zahrte, NJW 2018, 337 f. Vgl. etwa Wischmeyer, SZ vom 21.11.2017, S. 26. Vgl. zum Ganzen auch Bystricky, www.Bankinclub.de/instant-payments-the-new-normal/ vom 19.5.2016; Lauer, Die Bank 2018, 12 f. 5 Krautscheid, ZfgK 2017, 594. 6 http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-17-670_de.htm.
Früh | 11
Teil 1 | Einführung
Bezahlen als Zahlungsdienstenutzer nicht von der Wahl des Bezahlverfahrens durch den Telefonhersteller oder den Netzprovider abhängig zu sein, sondern dieses eigenständig wählen zu können. All dies setzt einen entsprechenden bankrechtlichen Rahmen voraus1.
1.36 Der Zahlungsverkehr wird somit auch weiterhin eine bedeutsame Rolle bei der Weiterent-
wicklung des Bankrechts spielen. Die Erwartung des Nutzers etwa an die Zeitkomponente von Bankdienstleistungen wird aber auch für andere Produkte Bedeutung entfalten, etwa für Kreditverträge, deren Genehmigung oder Monitoring künftig auf der Basis von Echtzeit-Daten erfolgen könnte2.
1.37 Ein weiterer Treiber ist ganz allgemein das Internet und das diesbezügliche Nutzerverhalten der heutigen Kunden, die immer weniger die Bankfilialen aufsuchen, sondern möglichst alle Bankdienstleistungen online und mobil nutzen möchten. Hierauf muss auch das Bankrecht reagieren.
1.38 Darüber hinaus ist das geänderte Nutzerverhalten auch in anderer Hinsicht Treiber von
Innovationen. Insbesondere denken Nutzer heute mehr in Produkt- und Dienstleistungspaketen, die darüber hinaus möglichst einfach und komfortabel zu handhaben sein sollen. Beispielsweise nutzen Kunden heute Vergleichsportale, um möglichst günstige Produkte oder Dienstleistungen zu erhalten; viele Kunden sind daran interessiert, dass ihnen auch gleich die Mühe des Anbieterwechsels abgenommen wird; manche möchten das gesparte Geld anlegen, um später größere Vorhaben zu realisieren; andere möchte das gesparte Geld direkt für andere Produkte einsetzen, für diese sie gerne Angebote und – hinsichtlich des Differenzbetrages – auch Finanzierungsmöglichkeiten erhalten, und auch die Abwicklung und Bezahlung des neuen Produkterwerbs soll sogleich erfolgen. Idealerweise erfolgt all dies über einen einzigen Anbieter, der ihnen die verschiedenen Schritte abnimmt und dessen Angebot sie möglichst komfortabel über (mobiles) Internet nutzen können. Somit denken Banken mehr und mehr darüber nach, wie sie solche Dienstleistungspakete anbieten können. Dabei geht es nicht nur um die Bündelung mehrerer Bankprodukte, sondern auch um die Kombination von Bankprodukten mit anderen Produkten. Hierdurch treten Banken mit anderen Anbietern in den Wettbewerb. Die Erlangung und Nutzung von Daten sowie technische Fähigkeiten spielen eine erhebliche Rolle.
IV. Bankprodukte und Bankrecht 1.39 Wie bereits angesprochen bietet das Bankgewerbe eine ungewöhnliche Vielfalt an Bank-
produkten. Während die meisten Unternehmen – zumal in Zeiten der Fokussierung auf Kernkompetenzen – eine gewisse Palette artverwandter Produkte bzw. Dienstleistungen produzieren oder anbieten, zeichnen sich Bankprodukte durch eine große Verschiedenheit aus. Wie gezeigt treten durch moderne technische Entwicklungen zwar auch neue Anbieter auf den Plan, ebenso übernehmen Banken im Zuge des neuen Denkens in Leistungspaketen aber umgekehrt auch Dienstleistungen, die herkömmlich nicht Bankprodukte im engeren Sinne waren (vgl. dazu Rz. 1.31 ff.).
1.40 Trennt man das Bankgeschäft traditionell in die Gebiete des Commercial Banking und typische Gebiete des Investment Banking – so ist auch dieses Buch gegliedert – kann man etwa folgende Produkte unterscheiden. 1 Krautscheid, ZfgK 2017, 594. 2 Thabe/Schiereck, Die Bank 2018, 20.
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Allgemeines | Teil 1
1. Commercial Banking Im Einlagengeschäft überlässt der Kunde der Bank sein Geld. Herkömmlich sieht man darin eine unregelmäßige Verwahrung (§ 700 Abs. 1 Satz 1 BGB), für die im Falle von Geld die Gelddarlehensvorschriften der §§ 488 ff. BGB gelten. Man ging davon aus, dass die der Bank hierdurch eingeräumte Kapitalnutzungsmöglichkeit, etwa zur Refinanzierung von Krediten an andere Kunden, eine rechtliche Annäherung an das Darlehen gebot – allerdings in sozusagen umgekehrten Rollen. Das Beispiel ist generell interessant, da es zeigt, wie geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung eines Bankgeschäfts haben können. Soweit nämlich Geschäftsbanken für ihre Einlagen bei Zentralbanken ihrerseits sog. negative Zinsen zahlen müssen, lässt sich sehr wohl in Frage stellen, ob bei der Einlage tatsächlich noch die Kapitalnutzungsmöglichkeit des Verwahrers Bank im Vordergrund steht. Richtigerweise wird man davon ausgehen müssen, dass sich die Interessen der Vertragsparteien dann grundlegend gewandelt haben: Das Verwahrinteresse des Einlegers dürfte im Negativzinsumfeld das Kapitalnutzungsinteresse des Verwahrers deutlich übersteigen, weshalb der Einlagenvertrag in diesem Umfeld zwar immer noch – die Rückgabe gerade der in Verwahrung gegebenen „Geldzeichen“ wird keine der Vertragsparteien wünschen – als unregelmäßige Verwahrung einzuordnen sein dürfte, allerdings führen die geänderten Interessen dazu, dass – die Regelungen der § 700 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 488 ff. BGB sind dispositiv – der Wegfall des Zinsanspruches des Einlegers und dafür ein Entgelt für den Verwahrer vereinbart wird1.
1.41
Banken sind Kaufleute, die rechnungslegungspflichtig sind und daher über ihre Geschäftsverbindungen mit Kunden Buch führen müssen, wobei bei einer Bank typischerweise die Erfassung in Konten vorausgeht (§ 238 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dies gilt für das Einlagengeschäft und für das Kreditgeschäft gleichermaßen. Besonders bedeutsam sind jedoch die laufenden Konten, die Girokonten. Sie sind das in der Praxis wichtigste Beispiel für die Kontokorrentabrede (§ 355 HGB). Außerdem sind solche Konten in laufender Rechnung wiederum typischerweise verbunden mit Zahlungsdiensterahmenverträgen (§ 675f Abs. 2 Satz 1 BGB), weshalb Girokonten für den Zahlungsverkehr verwendet werden können.
1.42
Das Zahlungsdiensterecht zeigt für das Verhältnis von Bankprodukten und Bankrecht gleich mehrerlei:
1.43
Zunächst kann man hier die Bedeutung des Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB) als Grundtypus für bankgeschäftlichen Dienstleistungen erkennen (vgl. dazu Rz. 1.79). Weiter ist es ein Beispiel für den Nutzen der gesetzgeberischen Konzeption des BGB mit allgemeinen und besonderen Regelungen; Ausgangspunkt ist insoweit der Auftrag (§§ 662 ff. BGB), der für das Wirtschaftsleben durch den Typus des Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB) weiter entwickelt wurde und im Zahlungsdienstevertrag (§§ 675c ff. BGB) eine besondere Ausprägung erfährt, wobei am Ende – über unterschiedliche Verweisungsketten – immer wieder die gleichen Normen besonders relevant sind (§§ 665, 667, 670 BGB). Gleichzeitig enthält das Zahlungsdiensterecht eine Vielzahl spezialgesetzlicher Anpassungen dieser Regelungen (z.B. §§ 675f Abs. 4 Satz 2, 675n ff. und § 675t sowie § 675u BGB) und eigene Sekundäransprüche (§§ 675u–675y BGB), wobei im Rahmen bestehender Konkurrenzregelungen (§ 675z BGB) auch wieder auf die Sekundäransprüche des besonderen Schuldrechts zurückgegriffen werden kann. 1 Vgl. dazu etwa Kropf, WM 2017, 1185, 1188; Edelmann, BB 2018, 394.
Früh | 13
Teil 1 | Einführung
Und obwohl die gesetzgeberische Konzeption des BGB im Zahlungsdiensterecht, wie gezeigt, gut erkennbar ist, ist es zugleich ein ebenso gutes Beispiel für den Einfluss des europäischen Rechts auf das deutsche Recht (vgl. dazu allgemein Rz. 1.81 ff.): Denn nicht nur wurde hier die Zahlungsdiensterichtlinie der EU in das deutsche BGB umgesetzt, vielmehr wird zugleich deutlich, dass die Notwendigkeit der sehr raschen Umsetzung einer in ihrer Regelungstechnik sehr unterschiedlichen europäischen Richtlinie dem deutschen Gesetzgeber wenig Zeit ließ für eine BGB-typische, mit präzisen Begriffen arbeitende, knappe Regelung1. Endlich zeigt das Zahlungsverkehrsrecht im weiteren Sinne, dass im BGB vorgesehene Regelungsinstrumente, die ansonsten wenig Verbreitung haben, wie z.B. die Anweisung (§§ 783 ff. BGB), für bankgeschäftliche Instrumente wie den Scheck und den Wechsel höchst relevant sind.
1.44 Das Kreditgeschäft ist für viele das typische Bankprodukt und in gewisser Weise das Pen-
dant zum Einlagengeschäft, was richtig ist soweit Einlagen zur Refinanzierung von Krediten verwendet werden (s. dazu Rz. 1.41). Hier lassen die Vorschriften zum Gelddarlehen in den §§ 488 ff. BGB die in der Praxis gegebene Vielzahl von Kreditprodukten kaum erahnen. Tatsächlich regeln die §§ 488 ff. BGB sogar nur den einen Grundtypus des Kreditgeschäfts, nämlich den Geldkredit, während der andere Grundtypus, der Haftungskredit, als Bankbürgschaft in 765 ff. BGB geregelt ist, aber sehr wohl auch noch in anderen Formen vorkommt2. Noch deutlich größer ist die Regelungsvielfalt bei den Kreditsicherheiten, die als Personalsicherheiten oder als Sachsicherheiten in zahlreichen Regelungen des Allgemeinen Schuldrechts (z.B. Sicherungszession, § 398 BGB), des Besonderen Schuldrechts (z.B. Bürgschaft, §§ 675 Abs. 1 i.V.m. 765 BGB) und des Sachenrechts (z.B. Sicherungsübereignung, §§ 929, 930 BGB) behandelt sind. Auch dies ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie sehr das Bankrecht im BGB verortet ist und dem BGB gewissermaßen im Wirtschaftsleben zur Praxisrelevanz verhilft (vgl. dazu näher Rz. 1.74 ff.)
1.45 Das Anlagegeschäft ist zunächst die Schnittstelle zwischen Commercial Banking und In-
vestment Banking (vgl. Rz. 1.115 ff.). Hier zeigt sich auch eine gewisse Parallelität zwischen der Bank und einem Unternehmen der produzierenden Industrie. Denn nicht wenige Bankprodukte, nämlich vor allem sog. strukturierte Anlageprodukte, werden im Investmentbanking produziert und dann im Commercial Banking an Privatkunden und Firmenkunden verkauft. An dieser Stelle wird daher auch der Kaufvertrag (§ 433 BGB) als Vertragstypus für den Vertrieb von Bankprodukten relevant. Auch Anlageprodukte anderer Produzenten werden von Banken im Anlagegeschäft vertrieben, der Verkauf kann hier im Wege der unmittelbaren Stellvertretung (§ 164 BGB) oder auch im Wege der Kommission, also der mittelbaren Stellvertretung (§ 384 HGB), erfolgen. 2. Investment Banking
1.46 Zu den – komplexen – Produkten des Investment Banking kann im Rahmen einer Ein-
führung naturgemäß nichts Detailliertes gesagt werden. Ganz allgemein sind die Produkte des Investment Banking einem noch viel größeren Wandel durch Kundenbedürfnisse unterworfen als die des Commercial Banking. Insofern ist die Bestimmung des Gegenstandes des Investment Banking schwierig bzw. im Fluss. Herkömmlich unterscheidet man etwa zwischen dem Corporate Finance einerseits und dem Kapitalmarktgeschäft andererseits. 1 In der Beurteilung wohl ähnlich Herresthal in FS Canaris, 2017, S. 869, 876. 2 Dazu etwa Früh in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, Rz. 3/3 ff.
14 | Früh
Öffentliches Bankrecht | Teil 1
Das Corporate Finance beinhaltet zunächst eine Vielzahl von Beratungsprodukten, z.B. im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen oder -verkäufen (M&A) oder auch mit der Beschaffung von Kapital.
1.47
Geht es dabei um Fremdkapital, so handelt es sich in aller Regel um Kredite in Form sog. strukturierter Finanzierungen, etwa wiederum für den Erwerb eines Unternehmens (Akquisitionsfinanzierungen), bei der die Bank dann auch als Kreditgeber zur Verfügung stehen kann. Ebenso kann eine Investmentbank beim Fremdkapital aber auch als Vermittler nicht zu den Kredit-, sondern zu den Anleihemärkten fungieren, dem Kunden also dabei helfen, selbst auf dem Primärmarkt eine Anleihe (§ 793 BGB) zu begeben.
1.48
Berät die Investmentbank den Kunden als Emittent auf dem Primärmarkt hingegen bei der Börseneinführung seines Unternehmens, so unterstützt sie ihn bei der Generierung von Eigenkapital. Begleitet die Bank den Kunden auf den Wertpapier-Primärmarkt, kommen neben der Beratung auch noch weitere Bankdienstleistungen in Betracht, wie etwa das Underwriting und die anschließende Platzierung der emittierten Aktien.
1.49
Im Kapitalmarktgeschäft geht es demgegenüber im Wesentlichen um das Produkt Wertpapier auf dem Primärmarkt (Emissionsgeschäft) und dem Sekundärmarkt (Handelsgeschäft) (vgl. dazu Rz. 1.99 ff.). Damit ist zugleich gezeigt, dass sich Kapitalmarktgeschäft und Corporate Finance einerseits sowie Kapitalmarktgeschäft und Anlagegeschäft andererseits überschneiden (vgl. dazu Rz. 1.112 ff.).
1.50
2. Abschnitt: Öffentliches Bankrecht I. Allgemeines Das öffentliche Bankrecht ist besonderes Gewerbeaufsichtsrecht als Teil des Wirtschaftsverwaltungsrechts. Sein Ausgangspunkt ist die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG sowie der Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG), der seinerseits Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips ist.
1.51
Da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass das Bankwesen für das Gemeinwesen und die Wirtschaft bedeutsam ist und daher von einem nicht ordnungsgemäß funktionierenden Bankwesen Gefahren ausgehen können, besteht ein erhöhtes öffentliches Interesse an dessen Ordnung. Der Gesetzgeber greift daher verhältnismäßig stark ein und hat diese Reglementierung nach Krisen immer deutlicher intensiviert (vgl. dazu schon Rz. 1.18 ff.).
1.52
II. Instrumente des Bankaufsichtsrechts Das Bankaufsichtsrecht als besonderes Gewerbeaufsichtsrecht baut auf den in der GewO als dem „Allgemeinen Teil“ des Öffentlichen Wirtschaftsrechts angelegten Strukturen auf1. Das Gewerberecht seinerseits ist Besonderes Ordnungsrecht und folgt bestimmten allgemeinen Grundsätzen: Aufgrund der gem. Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit und des Grundsatzes der Gewerbefreiheit (§ 1 GewO) ist gewerberechtlich im Ausgangspunkt die Aufnahme einer gewerblichen Betätigung grundsätzlich ohne staatliche Geneh1 Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rz. 207.
Früh | 15
1.53
Öffentliches Bankrecht | Teil 1
Das Corporate Finance beinhaltet zunächst eine Vielzahl von Beratungsprodukten, z.B. im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen oder -verkäufen (M&A) oder auch mit der Beschaffung von Kapital.
1.47
Geht es dabei um Fremdkapital, so handelt es sich in aller Regel um Kredite in Form sog. strukturierter Finanzierungen, etwa wiederum für den Erwerb eines Unternehmens (Akquisitionsfinanzierungen), bei der die Bank dann auch als Kreditgeber zur Verfügung stehen kann. Ebenso kann eine Investmentbank beim Fremdkapital aber auch als Vermittler nicht zu den Kredit-, sondern zu den Anleihemärkten fungieren, dem Kunden also dabei helfen, selbst auf dem Primärmarkt eine Anleihe (§ 793 BGB) zu begeben.
1.48
Berät die Investmentbank den Kunden als Emittent auf dem Primärmarkt hingegen bei der Börseneinführung seines Unternehmens, so unterstützt sie ihn bei der Generierung von Eigenkapital. Begleitet die Bank den Kunden auf den Wertpapier-Primärmarkt, kommen neben der Beratung auch noch weitere Bankdienstleistungen in Betracht, wie etwa das Underwriting und die anschließende Platzierung der emittierten Aktien.
1.49
Im Kapitalmarktgeschäft geht es demgegenüber im Wesentlichen um das Produkt Wertpapier auf dem Primärmarkt (Emissionsgeschäft) und dem Sekundärmarkt (Handelsgeschäft) (vgl. dazu Rz. 1.99 ff.). Damit ist zugleich gezeigt, dass sich Kapitalmarktgeschäft und Corporate Finance einerseits sowie Kapitalmarktgeschäft und Anlagegeschäft andererseits überschneiden (vgl. dazu Rz. 1.112 ff.).
1.50
2. Abschnitt: Öffentliches Bankrecht I. Allgemeines Das öffentliche Bankrecht ist besonderes Gewerbeaufsichtsrecht als Teil des Wirtschaftsverwaltungsrechts. Sein Ausgangspunkt ist die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG sowie der Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG), der seinerseits Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips ist.
1.51
Da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass das Bankwesen für das Gemeinwesen und die Wirtschaft bedeutsam ist und daher von einem nicht ordnungsgemäß funktionierenden Bankwesen Gefahren ausgehen können, besteht ein erhöhtes öffentliches Interesse an dessen Ordnung. Der Gesetzgeber greift daher verhältnismäßig stark ein und hat diese Reglementierung nach Krisen immer deutlicher intensiviert (vgl. dazu schon Rz. 1.18 ff.).
1.52
II. Instrumente des Bankaufsichtsrechts Das Bankaufsichtsrecht als besonderes Gewerbeaufsichtsrecht baut auf den in der GewO als dem „Allgemeinen Teil“ des Öffentlichen Wirtschaftsrechts angelegten Strukturen auf1. Das Gewerberecht seinerseits ist Besonderes Ordnungsrecht und folgt bestimmten allgemeinen Grundsätzen: Aufgrund der gem. Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit und des Grundsatzes der Gewerbefreiheit (§ 1 GewO) ist gewerberechtlich im Ausgangspunkt die Aufnahme einer gewerblichen Betätigung grundsätzlich ohne staatliche Geneh1 Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rz. 207.
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1.53
Teil 1 | Einführung
migung zulässig. Das Gewerbe ist jedoch typischerweise anzuzeigen (§ 14 GewO). Zugleich ist es in aller Regel überwachungspflichtig. Ein wichtiger gewerberechtlicher Schlüsselbegriff ist insoweit die für das Gewerbe erforderliche Zuverlässigkeit1. Eine besondere Sachkunde oder intellektuelle oder physische Eignung neben der Zuverlässigkeit ist demgegenüber nicht durchgängig zusätzliche Voraussetzung, kann es aber sein2. Die vorgenannten Eigenschaften können – auch abhängig vom jeweiligen Inhalt – vom Gewerbetreibenden selbst oder von Betriebsleitern gefordert werden3. Auch das erlaubnispflichtige Gewerbe stellt keineswegs die Ausnahme dar; ist eine Erlaubnis erforderlich, so besteht vor diesem verfassungsmäßigen Hintergrund ein Anspruch auf die Genehmigung, falls die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt)4. Allerdings können Tätigkeiten auch komplett verboten sein. Schließlich können gewerbliche Tätigkeiten verboten sein mit einer Gestattungsfähigkeit im Ausnahmefall, d.h. auf eine solche Gestattung besteht kein Rechtsanspruch, sie steht im Ermessen der zuständigen Behörde (Verbot mit Befreiungsvorbehalt). Wird das Gewerbe ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben, kann die Fortsetzung des Betriebes untersagt werden (§ 15 Abs. 2 GewO). Die gewerberechtlichen Pflichten (Anzeige, Beantragung einer Genehmigung) richten sich grundsätzlich an den Gewerbetreibenden – auch sofern dieser eine juristische Person ist. Dementsprechend sind auch gewerberechtliche Maßnahmen, wie etwa die Untersagung der Gewerbeausübung an die juristische Person als Erlaubnisinhaber adressiert. Die Untersagung wegen Unzuverlässigkeit kann allerdings auch eigenständig insbesondere gegenüber Betriebsleitern erfolgen (§ 35 Abs. 1 GewO).
1.54 Das Bankaufsichtsrecht schöpft nun gewissermaßen den kompletten Kanon gewerberechtlichen Handels aus, wobei die hier genannten Begriffe nicht immer einheitlich verwendet werden:
– Das Betreiben von Bankgeschäft ist nicht erlaubnisfrei zulässig. Allerdings loten heute z.B. FinTechs die Begriffsbestimmungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG für das Vorliegen von Bankgeschäft sehr genau aus, um zwar verwandte Tätigkeiten auszuführen, aber erlaubnispflichtiges Bankgeschäft zu vermeiden. – Bankgeschäft wird auch nicht durch bloße Anzeige zulässig. Im Rahmen erlaubter bankgeschäftlicher Tätigkeiten gibt es allerdings auch Anzeigepflichten, etwa gem. § 2c KWG für den Erwerb bedeutender Beteiligungen an Instituten oder gem. § 24 Nr. 1 KWG hinsichtlich der Absicht der Bestellung eines Geschäftsleiters. Man kann hier auch von einem Verbot mit Anzeigenvorbehalt sprechen, d.h. eine Tätigkeit ist nur nach Anzeige erlaubt, die die Prüfung eines Verbots ermöglicht. – Für das Betreiben des Bankgeschäfts als solches besteht ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, d.h. es bedarf einer Erlaubnis, die unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilen ist (§ 32 KWG). – Bestimmte Geschäfte unterliegen einem Totalverbot, sie sind also komplett untersagt. Ein Beispiel ist gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KWG das Eigengeschäft in Wertpapieren. – Auch Verbote mit Befreiungsvorbehalt kennt das Bankaufsichtsrecht, d.h. eine Tätigkeit ist verboten, eine Ausnahme kann erteilt werden (Ermessensentscheidung). Ein Bei1 2 3 4
Ruthig/Storr, Ruthig/Storr, Ruthig/Storr, Ruthig/Storr,
16 | Früh
Öffentliches Öffentliches Öffentliches Öffentliches
Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsrecht,
Rz. 250. Rz. 263. Rz. 264. Rz. 211.
Öffentliches Bankrecht | Teil 1
spiel sind gem. Art. 396 VO Nr. 575/2013 (CRR) Kreditgeschäfte, bei denen die Großkredit-Obergrenze überschritten wird. – Geschäftsleiter von Kreditinstituten müssen insbesondere zuverlässig sein und die erforderliche Sachkunde besitzen. Ist das nicht der Fall, kann die Aufsicht die Abberufung der Geschäftsleiter verlangen und diesen ihre Tätigkeit untersagen (§ 36 Abs. 3 Nr. 1, 2 KWG) und auch die Erlaubnis des Kreditinstituts zum Betreiben des Bankgeschäfts aufheben (§ 35 Abs. 2 Nr. 3 KWG).
III. Jüngere Entwicklungen 1. Aufsichtsstrukturen (Europäische Bankenunion) Wie bereits angesprochen wurde im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise aufgrund der internationalen Tätigkeit und der Vernetzung der Banken versucht, vermehrt europäische Standards zu etablieren. Nachdem bereits zuvor die europäische Harmonisierung des – materiellen – Aufsichtsrechts weit fortgeschritten war, ist man danach noch einen Schritt weitergegangen. Kernstück ist hierbei die Europäische Bankenunion1.
1.55
Mit der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat man sich dabei auch angesichts der politischen Notwendigkeiten von einem gewissen Pragmatismus leiten lassen, der zuvor jedenfalls im eher dogmatisch geprägten deutschen Recht nicht gut vorstellbar war. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass es einen starken politischen Willen zur raschen Europäisierung gab und die konkrete Ausgestaltung einem politischen Kompromiss entsprach2. So war etwa das – im Vergleich zum deutschen Recht – noch weniger ausdifferenzierte europäische Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts kein Hindernis bei der umfassenden Einführung europäischer Behördenstrukturen und der Einräumung entsprechender Befugnisse im Rahmen der Europäischen Bankenunion.
1.56
Die Europäische Bankenunion für die Euro-Mitgliedstaaten sowie solche EU-Mitgliedstaaten, die diesem System beitreten möchten, ist sicherlich ein Quantensprung bei der Reform von Aufsichtsstrukturen auch auf europäischer Ebene. Gegenstand der Bankenunion sind neben einer Europäischen Aufsicht (Single Supervisory Mechanism – SSM) ein Europäisches Abwicklungsregime (Single Resolution Mechanism – SRM) sowie eine Europäische Einlagensicherung3. Die damit einhergehende weitreichende Übertragung von Befugnissen der Verwaltung auf europäische Behörden ist der bisherige Höhepunkt einer Aufgabenverlagerung4.
1.57
Das Kernstück der Bankenunion ist der SSM, der eine im Wesentlichen zentralisierte europäische Bankenaufsicht vorsieht, nachdem man die zuvor Stück für Stück verbesserte Koordination zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden in Europa bei Anwendung weitgehend vereinheitlichter Regelungen als noch nicht ausreichend erachtete, um den mit der internationalen Verflechtung einhergehenden Gefahren Rechnung zu tragen5. Der SSM wird primär durch die SSM-VO geregelt. Rechtsgrundlage dafür ist Art. 127 Abs. 6
1.58
1 Hanten/Bracht, ZBB 2017, 236, 237. 2 Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rz. 191. 3 Höche in Habersack/Mülbert/Nobbe/Wittig, Bankrechtstag 2013, Bankenregulierung zur Bewältigung der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise, 2014, S. 5, 18. 4 Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rz. 191. 5 Zagouras in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 124b Rz. 4.
Früh | 17
Teil 1 | Einführung
AEUV, der keine komplette Übertragung der Aufsicht, sondern nur eine Übertragung besonderer Aufgaben auf die EZB erlaubt1. Formal ist das gem. Art. 4 und 5 VO Nr. 1024/ 2013 (SSM-VO) auch der Fall, in der Summe findet allerdings eine durchaus weitgehende Übertragung statt2. Letzteres und die entsprechende Handhabung durch die EZB wurde auch bereits gerichtlich bestätigt durch eine Entscheidung des EuG3, das u.a. das für den Umfang der EZB-Zuständigkeit sehr entscheidende Tatbestandsmerkmal des „bedeutenden Instituts“ (Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 4 VO Nr. 1024/2013) auch bei einer Förderbank eines Bundeslandes bejaht4.
1.59 Terminologisch wird beim SSM von einem Mechanismus gesprochen, womit dem Umstand Rechnung getragen werden soll, dass hieran nicht nur eine europäische Behörde, nämlich die EZB, beteiligt ist, sondern es um eine Verbundstruktur geht. Genauer gesagt liegt beim SSM ein vertikaler Verwaltungsverbund vor, der grenzüberschreitend tätig ist. D.h. – und insofern wird von einem Mechanismus und nicht einer Behörde gesprochen – die europäische Bankenaufsicht ist nicht vollständig auf der Unionsebene zentralisiert, sondern es gibt gemeinsame Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams – JST), an denen nationale Behörden beteiligt sind, die durch die Integration in den Verbund aus der nationalen Verwaltungshierarchie herausgelöst werden5. 1.60 Allerdings hat das EuG im Rahmen der bereits genannten Entscheidung in einem obiter dictum sein Verständnis dahingehend dargestellt, dass die nationalen Aufsichtsbehörden (NCA) im Verwaltungsbund des SSM in keinem Fall eine originäre Kompetenz haben, sondern stets nur die EZB bei der Ausübung ihrer Kompetenzen unterstützen. Damit wäre das Konstrukt des Verwaltungsverbundes indessen praktisch obsolet6. 2. Materielles Aufsichtsrecht
1.61 Auch der Wille zur Schaffung einheitlicher materieller Regelwerke in der EU hat nach der Finanz- und Staatsschuldenkrise noch einmal deutlich zugenommen7. Der Schwerpunkt liegt dabei auf intergouvernementalen Lösungen und Regelwerken unterhalb der Schwelle des europäischen Primärrechts8. Der parlamentarische Gesetzgeber tritt dabei etwas in den Hintergrund. Gemäß Art. 288 AEUV können die Organe der EU Sekundärrecht in Form von Verordnungen, Richtlinien, Beschlüssen, Empfehlungen und Stellungnahmen setzen – nur die beiden letztgenannten sind unverbindlich. Die durch den Lissabon-Vertrag am 1.12.2009 eingeführte Möglichkeit im sog. Lamfalussy-Verfahren, einem besonderen Komitologieverfahren für das Kapitalmarktrecht, in Verordnungen und Richt1 Das European System of Financial Supervision (ESFS) als Vorläufer des SSM wurde hingegen noch auf Art. 114 AEUV gestützt; zum Ganzen Müller-Graff, EuZW 2018, 102 f. 2 Krit. daher Herdegen, WM 2012, 1889 ff.; Gurlit, WM 2016, 2053. 3 EuG v. 16.5.2017 – Rs. T-122/15 Rz. 105 – „L-Bank“ Baden-Württemberg; sehr krit. dazu Kämmerer, ZBB 2017, 317, 321 ff.; bestätigt durch EuGH v. 8.5.2019 – Rs. C-450/17 P – „L-Bank“ BadenWürttemberg. 4 Hanten/Bracht, ZBB 2017, 236, 241; zwischenzeitlich gibt es die politische Entscheidung, Förderbanken nicht mehr als Kreditinstitute einzuordnen. 5 Berger, WM 2016, 2325, 2326 ff.; Müller-Graff, EuZW 2018, 102, 103. 6 EuG v. 16.5.2017 – Rs. T-122/15 Rz. 65 – „L-Bank“ Baden-Württemberg; dazu Hanten/Bracht, ZBB 2017, 236, 240. 7 Höche in Habersack/Mülbert/Nobbe/Wittig, Bankrechtstag 2013, Bankenregulierung zur Bewältigung der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise, 2014, S. 15. 8 Kämmerer, ZBB 2017, 317, 318.
18 | Früh
Öffentliches Bankrecht | Teil 1
linien Ermächtigungsnormen für Delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte1 seitens der Kommission vorzusehen, gewinnt mehr und mehr an Bedeutung (vgl. dazu auch beim Kapitalmarktrecht Rz. 1.106 ff.). Darüber hinaus können die europäischen Aufsichtsbehörden auf der Grundlage ihrer Errichtung2 beauftragt werden, technische Regulierungsstandards und technische Durchführungsstandards zu entwerfen, die von der Europäischen Kommission erlassen werden und danach unmittelbar bindende rechtliche Wirkung haben; damit soll über die Zeit die Harmonisierung der Regelanwendung in Europa in Gestalt eines Aufsichtshandbuchs (Single Rule Book) erreicht werden. Hinzu kommen die von der EBA entwickelten Leitlinien und Empfehlungen, die für Einheitlichkeit und Effizienz sorgen sollen; hierbei handelt es nicht um Rechtssätze, allerdings müssen Abweichungen erläutert werden, weshalb die faktische Wirkung nicht selten rechtssatzgleich ist (Art. 16 VO Nr. 1093/2010 [EBAVO]; „comply or explain“-Ansatz)3. Man spricht diesen Empfehlungen daher teilweise auch bereits die Eigenschaft sekundärer Rechtsquellen zu4. Insoweit verliert nicht nur der parlamentarische Gesetzgeber an Bedeutung, es wird die Regelungsbefugnis auch stärker auf die Aufsichtsbehörden übertragen.
1.62
Die strenge Begrifflichkeit und Systematik des deutschen Rechts tritt zurück gegenüber einem mehr angelsächsisch geprägten Regelungsansatz; ein gutes Beispiel für eine öffentlich-rechtliche, europäische Verordnung im Vergleich zum deutschen KWG ist die CRR. Europäischer und nationaler Gesetzgeber verfolgen unterschiedliche Regelungskonzepte.
1.63
Was das im SSM maßgebende materielle Aufsichtsrecht anbelangt, ist zunächst das EUAufsichtsrecht, also etwa europäische Rechtsverordnungen wie die CRR, aber auch das für die Umsetzung europäischer Richtlinien, wie der CRD IV, ergangene nationale Aufsichtsrecht etwa im KWG heranzuziehen (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 1024/ 2013 [SSM-VO]). Dementsprechend definiert § 1 Abs. 5 KWG auch die EZB als Aufsichtsbehörde, die sich damit auf Befugnisnormen des KWG stützen kann. Ebenso greift die EZB z.B. beim Genehmigungsverfahren für Organmitglieder in Kreditinstituten auch auf rein mitgliedstaatliche Normen zurück, die nicht unionsrechtlich veranlasst sind5. Soweit die BaFin im JST (Joint Supervisory Team) an der Beaufsichtigung beteiligt ist, wendet sie ebenfalls auch das unabhängig von der Umsetzung europäischen Rechts gesetzte nationale Aufsichtsrecht an. Zugleich hat sich die EZB ein Anhörungsrecht im deutschen Gesetzgebungsprozess vorbehalten soweit es etwa um die Schaffung einer Rechtsgrundlage für den Erlass der MaRisk als Rechtsverordnung geht, an die sie in ihrer Aufsichtspraxis gebunden wäre6.
1.64
Das Nebeneinander von europäischen und nationalen Regelungen bleibt nicht immer widerspruchsfrei7. Für das Subjekt der Aufsicht ist es demzufolge nicht immer einfach, den Überblick über die einzuhaltenden Vorschriften zu behalten.
1.65
Auch in der Rechtsanwendung gibt es Unterschiede zur herkömmlichen deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik, etwa bei der Ermessensausübung und deren Überprüfbarkeit8.
1.66
1 2 3 4 5 6 7 8
Art. 290, 291, AEUV und Verordnung (EU) Nr. 182/2011 vom 16.2.2011. Z.B. Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 vom 24.1.2010 für die EBA. Fischer/Boegl in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 126 Rz. 43 ff. Möllers, Juristische Methodenlehre, § 3 Rz. 73. Gurlit, WM 2016, 2053, 2056; Kämmerer, WM 2016, 1, 4, hält dies nicht für zulässig. Gurlit, WM 2016, 2053, 2055. Am Beispiel BRRD, SAG und SRM-VO Gurlit, WM 2016, 2053, 2055. Berger, WM 2016, 2361, 2362 ff.
Früh | 19
Teil 1 | Einführung
Im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren des Administrativen Überprüfungsausschusses der EZB (Art. 24 VO Nr. 1024/2013 [SSM-VO]) geht es v.a. darum, ob die Beschlüsse mit verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorgaben sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind1. Das EuG hat eine Entscheidung der EZB bestätigt, wonach es im Rahmen der Verhältnismäßigkeit nicht auf die Erforderlichkeit der Zuständigkeit der EZB ankomme, sondern die Geeignetheit der Zuständigkeit der EZB ausreiche; Angemessenheit sei mit Geeignetheit gleichzusetzen2. Der EuGH hat dies bestätigt; die Verhältnismäßigkeit sei nur dann nicht gegeben, wenn die Beaufsichtigung durch die nationalen Behörden besser geeignet sei als die Beaufsichtigung durch die EZB3. Europäische und nationale Behörden haben jeweils traditionell teilweise auch etwas unterschiedliche Aufsichtskonzepte verfolgt – förmliche vs. nicht-förmliche Instrumente4. Eine Angleichung ist wichtig, um das Erfordernis eines vorhersehbaren und einheitlichen Aufsichtshandelns zu erfüllen5. 3. Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht
1.67 Wie bereits angedeutet, gibt es in der EU – anders als etwa in Deutschland mit dem VwVfG – noch kein einheitlich kodifiziertes Verwaltungsverfahrensrecht. Zwar gibt es branchenspezifisch Verfahrensvorschriften, wie etwa für die EZB in Teil IV der SSM-RahmenVO. Jedoch liegt damit kein umfassendes und systematisches europäisches Verwaltungsverfahrensrecht vor, wodurch Rechtsunsicherheit und mangelnde Einheitlichkeit entstehen können. Diesem Umstand soll perspektivisch durch die Einführung eines EU-Verwaltungsverfahrens abgeholfen werden6. 1.68 Eine gewisse Ähnlichkeit zum Widerspruchsverfahren gem. § 68 VwGO weist das Vorverfahren vor dem Administrativen Überprüfungsausschuss der EZB auf (Art. 24 VO Nr. 1024/2013 [SSM-VO]), wobei dieses fakultativ ist, also nicht zwingend vor einer Klage durchlaufen werden muss7. 1.69 Der Klageweg gegen einen Akt eines Organs der EU und damit auch der EZB ist – unabhängig von diesem Vorverfahren – die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zum EuG (Art. 256 Abs. 1 AEUV). 1.70 Vorverfahren und Klageverfahren unterscheiden sich deutlich von den bisherigen deutschen Usancen8. Tatsächlich erscheint aktuell dem materiellen Rechtsschutzbedürfnis der Bürger gegen staatliches Handeln in Deutschland verfahrensmäßig möglicherweise stärker Rechnung getragen zu sein9. Wie es weiter scheint, wird von den vorhandenen Rechtsmitteln – anders als vielleicht bislang in Deutschland – gegenüber der EZB Gebrauch gemacht10. Die vom EuG vertretene ausschließliche Zuständigkeit der EZB für die Aufsicht 1 Herz, EuZW 2018, 5, 6. 2 EuG v. 16.5.2017 – Rs. T-122/15 – „L-Bank“ Baden-Württemberg, WM 2017, 1890 Rz. 45; Ipsen/ Röh, WM 2017, 2228, 2229 f.; sehr krit. Kämmerer, ZBB 2017, 317, 322 f. 3 EuGH v. 8.5.2019 – Rs. C-450/17 P – „L-Bank“ Baden-Württemberg. 4 Gurlit, WM 2016, 2053, 2056. 5 Berger, WM 2016, 2325, 2326 f. 6 Berger, WM 2016, 2325, 2328. 7 Müller-Graff, EuZW 2018, 102, 106. 8 Hanten/Bracht, ZBB 2017, 236/242 ff. 9 Kämmerer, ZBB 2017, 317, 318. 10 So etwa auch Ipsen/Röh, WM 2017, 2228; ein Bericht zu entsprechenden Verfahren findet sich bei Herz, EuZW 2019, 13, 14 ff.
20 | Früh
Privates Bankrecht | Teil 1
(s. dazu Rz. 1.60) wirft die Frage auf, in welchen Fällen nationale Gerichte zuständig sein können1. Soweit die EZB nationales Recht anwendet, müssen die europäischen Gerichte bei der Überprüfung von Entscheidungen der EZB die Anwendung nationalen Rechts überprüfen.
1.71
3. Abschnitt: Privates Bankrecht I. Allgemeines Das private Bankrecht regelt die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten und dabei insbesondere bestehende Ansprüche (§ 194 Abs. 1 Satz 1 BGB).
1.72
Das zivilrechtliche Bankrecht hat sich u.a. aus dem Handelsrecht als eigenständiges Rechtsgebiet entwickelt. Ob es, wie etwa das Handelsrecht, ein eigenständiges Sonderprivatrecht ist, kann man demgegenüber bezweifeln (vgl. dazu Rz. 1.13).
1.73
II. Bankrecht im Sonderprivatrecht und im BGB Das Bankrecht ist in jedem Fall in das Sonderprivatrecht eingebettet. Private Banken in Form von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind als solche Handelsgesellschaften (§ 3 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG). Folglich sind sie bereits (Form-)Kaufleute (§ 6 Abs. 1 HGB), daneben Kaufleute nach § 1 Abs. 2 HGB, weshalb die allgemeinen Vorschriften des HGB sowie die Vorschriften für Handelsgeschäfte (§§ 343 ff. HGB) für sie gelten. Ersteres ist etwa bei den besonderen handelsrechtlichen Möglichkeiten der Stellvertretung gem. §§ 54 ff. HGB relevant, letzteres etwa bei besonderen Formvorschriften für Bürgschaften (§ 350 HGB), dem Kontokorrent (§ 355 HGB), aber auch bei zahlreichen anderen Bestimmungen. Bis 1998 waren Bankier- und Geldwechslergeschäfte auch noch als Grundhandelsgeschäfte definiert (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 HGB a.F.). Insofern erstaunt es nicht, dass schwergewichtige bankrechtliche Werke, wie etwa die von Hopt und Canaris, aus dem Handelsrecht entwickelt worden sind.
1.74
Aber auch das BGB selbst ist für das Bankrecht höchst relevant. Das gilt insbesondere für seine drei ersten Bücher2.
1.75
Der Allgemeine Teil ist beginnend bei den Personen (§ 13 Verbraucher und § 14 Unternehmer) vor allem in Gestalt der Rechtsgeschäftslehre (§§ 104 ff. BGB) für den Abschluss bankgeschäftlicher Verträge relevant.
1.76
Was das Allgemeine Schuldrecht anbelangt, ist folgendes hervorzuheben:
1.77
– Die Pflichten der Parteien ergeben sich aus den Schuldverhältnissen (§ 241 BGB), die vertraglich oder vorvertraglich (§ 311 BGB) sein können. Die Bestimmung des Pflichtenumfanges aus dem bestehenden Schuldverhältnis bildet häufig den Kern bankrechtlicher Streitigkeiten. Auch Neben- und Schutzpflichten, wie die Wahrung der Vertrau1 Ipsen/Röh, WM 2017, 2228, 2232. 2 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 2.2 ff.; Schwintowski, Bankrecht, Rz. 27 ff.; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, BankGesch (7) Rz. A/1.
Früh | 21
Privates Bankrecht | Teil 1
(s. dazu Rz. 1.60) wirft die Frage auf, in welchen Fällen nationale Gerichte zuständig sein können1. Soweit die EZB nationales Recht anwendet, müssen die europäischen Gerichte bei der Überprüfung von Entscheidungen der EZB die Anwendung nationalen Rechts überprüfen.
1.71
3. Abschnitt: Privates Bankrecht I. Allgemeines Das private Bankrecht regelt die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten und dabei insbesondere bestehende Ansprüche (§ 194 Abs. 1 Satz 1 BGB).
1.72
Das zivilrechtliche Bankrecht hat sich u.a. aus dem Handelsrecht als eigenständiges Rechtsgebiet entwickelt. Ob es, wie etwa das Handelsrecht, ein eigenständiges Sonderprivatrecht ist, kann man demgegenüber bezweifeln (vgl. dazu Rz. 1.13).
1.73
II. Bankrecht im Sonderprivatrecht und im BGB Das Bankrecht ist in jedem Fall in das Sonderprivatrecht eingebettet. Private Banken in Form von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind als solche Handelsgesellschaften (§ 3 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG). Folglich sind sie bereits (Form-)Kaufleute (§ 6 Abs. 1 HGB), daneben Kaufleute nach § 1 Abs. 2 HGB, weshalb die allgemeinen Vorschriften des HGB sowie die Vorschriften für Handelsgeschäfte (§§ 343 ff. HGB) für sie gelten. Ersteres ist etwa bei den besonderen handelsrechtlichen Möglichkeiten der Stellvertretung gem. §§ 54 ff. HGB relevant, letzteres etwa bei besonderen Formvorschriften für Bürgschaften (§ 350 HGB), dem Kontokorrent (§ 355 HGB), aber auch bei zahlreichen anderen Bestimmungen. Bis 1998 waren Bankier- und Geldwechslergeschäfte auch noch als Grundhandelsgeschäfte definiert (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 HGB a.F.). Insofern erstaunt es nicht, dass schwergewichtige bankrechtliche Werke, wie etwa die von Hopt und Canaris, aus dem Handelsrecht entwickelt worden sind.
1.74
Aber auch das BGB selbst ist für das Bankrecht höchst relevant. Das gilt insbesondere für seine drei ersten Bücher2.
1.75
Der Allgemeine Teil ist beginnend bei den Personen (§ 13 Verbraucher und § 14 Unternehmer) vor allem in Gestalt der Rechtsgeschäftslehre (§§ 104 ff. BGB) für den Abschluss bankgeschäftlicher Verträge relevant.
1.76
Was das Allgemeine Schuldrecht anbelangt, ist folgendes hervorzuheben:
1.77
– Die Pflichten der Parteien ergeben sich aus den Schuldverhältnissen (§ 241 BGB), die vertraglich oder vorvertraglich (§ 311 BGB) sein können. Die Bestimmung des Pflichtenumfanges aus dem bestehenden Schuldverhältnis bildet häufig den Kern bankrechtlicher Streitigkeiten. Auch Neben- und Schutzpflichten, wie die Wahrung der Vertrau1 Ipsen/Röh, WM 2017, 2228, 2232. 2 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 2.2 ff.; Schwintowski, Bankrecht, Rz. 27 ff.; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, BankGesch (7) Rz. A/1.
Früh | 21
Teil 1 | Einführung
lichkeit (Bankgeheimnis) oder Aufklärungspflichten, spielen im Bankrecht eine sehr erhebliche Rolle. – Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) hat im Bankrecht eine kaum zu überschätzende praktische Bedeutung, da aus Gründen der Rechtssicherheit und Effizienz nicht nur mit Formularverträgen, sondern sogar mit institutsübergreifenden AGB-Banken für die Privat- und Genossenschaftsbanken sowie AGB-Sparkassen für die Sparkassen gearbeitet wird (vgl. dazu auch 5). – Abtretung (§§ 398 ff. BGB) und Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) sind bei den Sicherheiten und den Haftungsübernahmen maßgebende Rechtsinstitute.
1.78 Im Besonderen Schuldrecht weist das Bankrecht ebenfalls eine Besonderheit auf: Kom-
men andere Wirtschaftszweige für ihr Kerngeschäft mit sehr wenigen Vertragstypen, wie etwa dem Kaufvertrag, aus, spielen im Bankrecht zahlreiche Verträge eine Rolle (vgl. dazu auch schon Rz. 1.12, 1.42): – Kaufrecht (§§ 433 ff. BGB) im Anlagegeschäft oder beim Forderungsankauf (z.B. Factoring);
– Darlehensrecht (§§ 488 ff. BGB) im Kreditgeschäft mit Verbrauchern und Nicht-Verbrauchern; – Mietrecht (§§ 535 ff. BGB) beim Leasinggeschäft; – Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) gewissermaßen als Auffang-Vertragstyp für noch nicht spezial-gesetzlich geregelte Dienstleistungen; – Girokontovertrag (§ 675f Abs. 2 Satz 1 BGB) für das Zahlungsverkehrskonto; – Zahlungsdiensterahmen- und -Einzelzahlungsvertrag (§ 675f Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 BGB) als Gegenstück des Girokontovertrages für Zahlungsdienste wie Überweisung, Lastschrift und Karte; – Unregelmäßige Verwahrung (§ 700 Abs. 1 Satz 1 BGB) für das Einlagengeschäft; – Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) bei Kredit- oder Emissionskonsortien; – Bürgschaft (§§ 765 ff. BGB) als Haftungskredit oder Kreditsicherheit; – Inhaberschuldverschreibung (§ 793 BGB) für alle Anleihen – relevant im Kapitalmarktgeschäft (Primärmarkt) und im Effektengeschäft (Sekundärmarkt); – Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis (§§ 780 f. BGB) im Rahmen der Haftungsübernahmen, bei Gutschriften und als Saldoanerkenntnis beim Kontokorrent.
1.79 Hinzu kommt, dass im Bankgeschäft entlang der Bedürfnisse der Kunden immer wieder
neue Dienstleistungen entwickelt werden, für die es – jedenfalls zunächst – keine gesetzlich vertypten Verträge gibt und für deren rechtliche Beurteilung man daher von Typenkombinationsverträgen (nicht selten auf der Basis des § 675 BGB) ausgeht1.
1.80 Im Sachenrecht sind vor allem das Sicherungseigentum §§ 929, 930 BGB) sowie die be-
schränkten dinglichen Rechte in Gestalt von Pfandrecht (§§ 1204 ff. BGB) oder Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB) an beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie an Rechten im Rahmen des Kreditsicherungsrecht sehr bedeutsam. Im Wertpapiergeschäft spielen die verschiedenen 1 Etwa Herresthal in FS Canaris 2017, S. 869, 875 m.w.N.
22 | Früh
Privates Bankrecht | Teil 1
Formen des Besitzes (§§ 866 ff. BGB) bei der Girosammelverwahrung sowie die verschiedenen Varianten der Übereignung beweglicher Sachen (§§ 929 ff. BGB) eine erhebliche Rolle.
III. Jüngere Entwicklungen 1. Starke europäische Prägung Auch das private Bankrecht wird mehr und mehr durch europäisches Recht geprägt1. Im Kontext des Europäischen Binnenmarktes kommt dem Binnenmarkt der Finanzdienstleistungen eine herausgehobene Bedeutung zu2. Eine prosperierende Wirtschaft setzt ein effizientes und effektives Bank- und Kapitalmarktwesen voraus. Der Binnenmarkt wiederum erfordert eine Harmonisierung des dafür maßgebenden Rechtsrahmens.
1.81
Zwar ist es sehr wohl strittig, wie weit die gesetzgeberische Kompetenz der EU hierfür reicht. Speziell für den Finanzdienstleistungssektor gibt es die Rechtsgrundlage des Art. 53 Abs. 1 AEUV, wobei deren Regelungsgegenstand vor allem Richtlinien zur Angleichung der Vorschriften über die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Tätigkeiten sind. Allgemeine Rechtsgrundlagen für die Errichtung oder das Funktionieren des gemeinsamen Marktes finden sich in Art. 114, 115 AEUV. Faktisch ist die vorhandene Vielzahl zivilrechtlich wirkender europäischer Richtlinien jedenfalls längst Realität.
1.82
Dennoch wird aktuell trotz weitreichender Ausnutzung europäischer Kompetenzen das eigentliche gesetzgeberische Ziel nicht erreicht; zwar decken europäische Richtlinien Bankgeschäfte mit Verbrauchern in weitem Rahmen ab, dennoch findet der grenzüberschreitende Verkehr von Finanzdienstleistungen mit Verbrauchern rein tatsächlich nicht als Massengeschäft statt. Die Begründung ist wohl darin zu finden, dass entweder das Mindestschutzprinzip gilt, also in den Mitgliedstaaten weitergehende Regelungen bestehen können, oder selbst der in jüngerer Zeit festzustellenden Tendenz zur Vollharmonisierung Grenzen gesetzt sind, da der europäische Gesetzgeber unstreitig jedenfalls keine uneingeschränkte Regelungskompetenz hat und für ein umfassendes europäisches Zivilrecht die Zeit wohl nicht reif ist3. Im Besonderen ist Art. 6 Abs. 2 VO Nr. 593/2008 (Rom-IVO) zu nennen, der besagt, dass Vertragsparteien auch durch eine Rechtswahl das Verbraucherrecht, das am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Verbraucher-Vertragspartei gilt, nicht zu deren Lasten abbedingen können; das führt dazu, dass die andere Vertragspartei ggf. ein für sie fremdes Verbraucherrecht anwenden muss und dies auch seitens des Verbrauchers nicht dispositiv ist. Folglich behindern unterschiedliche verbraucherschützende Vorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten das grenzüberschreitende Massengeschäft nach wie vor erheblich. Das ist misslich, da somit zwar einerseits die Bedeutung des nationalen Gesetzgebers erheblich zurückgedrängt, das verfolgte Ziel eines europäischen Binnenmarkts für Finanzprodukte andererseits gleichwohl nicht erreicht wird.
1.83
2. Lockerung der Privatautonomie durch paternalistische Tendenzen Das Zivilrecht ist geprägt vom Prinzip der Privatautonomie, das von einem eigenverantwortlich und frei agierenden Rechtssubjekt ausgeht (vgl. dazu Rz. 1.30). 1 Möllers, Juristische Methodenlehre, § 1 Rz. 15, 84. 2 Welter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 28 Rz. 3. 3 Welter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 28 Rz. 11 ff.
Früh | 23
1.84
Teil 1 | Einführung
1.85 Auf den dazu in einem gewissen Widerspruch stehenden, sachlich begrenzten Kontrahierungszwang beim gesetzlichen Anspruch auf ein Basiskonto (§ 31 ZKG) wurde hier bereits hingewiesen (vgl. dazu Rz. 1.30)1.
1.86 Auch wenn in den vergangenen Jahren der Verbraucherschutz mehr und mehr als gesetzgeberisches Ziel Bedeutung erlangt hat, wurde dem Verbraucher im Anlagegeschäft allerdings weiterhin zugetraut, seine rechtlichen Entscheidungen selbst vorzunehmen – sofern er über die notwendigen Informationen verfügte. Das Informationsmodell war somit Grundlage auch für die verbraucherschützende Gesetzgebung2. Entscheidend ist die Aufklärungsbedürftigkeit, die vom Informationsgefälle zwischen Bank und Kunden abhängen mag, jedoch jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn der Kunde die erforderlichen Kenntnisse hat oder zum Ausdruck bringt, dass er keine Informationen benötigt oder wünscht3. Der Kunde muss danach nicht vor sich selbst geschützt werden4.
1.87 Das Informationsmodell wurde im Folgenden immer weiter ausgebaut. Gleichzeitig haben
sich allerdings Tendenzen hin zu einer Fürsorgepflicht entwickelt. Die europäische Gesetzgebung spielt hierbei eine erhebliche Rolle. Regelungsgegenstand wurde mehr und mehr auch das Kreditgeschäft. In Art. 8 der Verbraucherkreditrichtlinie 20085 fand der im Vorfeld sehr streitige Grundsatz der verantwortungsvollen Kreditvergabe Eingang. Damit sollte dem Verbraucher allerdings nicht die Obliegenheit zum eigenen umsichtigen Handeln abgenommen werden. Auch hat der europäische Gesetzgeber seinerzeit keine zwingende zivil- und handelsrechtlich zu sanktionierende Verantwortung des Kreditgebers angenommen6. Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung dann auch von der Einführung einer Verpflichtung zur verantwortungsvollen Kreditvergabe in § 491a BGB abgesehen7. Die Nachzeichnung dieser Entwicklung im Einzelnen ist nicht Gegenstand dieser Einführung. Tatsächlich gibt es heute insbesondere nach Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie (WIR)8 im BGB ein dichtes Geflecht von Informationspflichten, aber auch Fürsorgepflichten. Gemäß § 491a Abs. 3 BGB hat die Bank bei Verbraucherdarlehen Erläuterungspflichten, im Falle von eingeräumten oder geduldeten Überziehungen bestehen Beratungs- oder Warnpflichten (§§ 504a, 505 Abs. 2 BGB)9.
1.88 Die Grenze vom Informationsmodell zum Fürsorgemodell wird allerdings spätestens überschritten durch die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung gem. § 505a BGB, an deren Verletzung gem. § 505d BGB ganz erhebliche Rechtsfolgen geknüpft werden, ohne dass insbesondere zivilrechtliche Sanktionen für den Fall fehlender oder fehlerhafter Kreditwürdigkeitsprüfungen durch die WIR europarechtlich zwingend gefordert gewesen wären10. Der Kreditgeber soll für den Kreditnehmer beurteilen, ob an der Rückzahlung des Kredits durch den Kreditnehmer keine erheblichen Zweifel bestehen (Allgemeines Verbraucherdarlehen) 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Dazu auch Herresthal in FS Canaris, 2017, S. 869, 882 ff. Buck-Heeb, BKR 2017, 89, 96. Buck-Heeb, BKR 2014, 221, 230. BGH v. 11.11.2003 – XI ZR 21/03, BKR 2004, 124. Richtlinie 2008/48/EG vom 23.4.2008. Barta/Braune, BKR 2014, 324, 325. Buck-Heeb, BKR 2014, 221, 232. Richtlinie 2014/17/EU vom 4.2.2014. Zur möglichen Entwicklung eines Finanzierungsberatungsvertrages aus der Vorschrift des § 511 BGB über Beratungsleistungen bei Immobilien-Verbraucher-Darlehensverträgen: Buck-Heeb, ZIP 2018, 705. 10 Buck-Heeb, NJW 2016, 2065, 2066 f.
24 | Früh
Privates Bankrecht | Teil 1
oder ob die Rückzahlung des Kredits durch den Kreditnehmer wahrscheinlich ist (Immobilien-Verbraucherdarlehen). Das ist ein völlig neuer Ansatz; bis vor dem Inkrafttreten der WIR war die gem. Art. 8 RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie 2008) bestehende Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung in Art. 18 Satz. 2 KWG a.F. öffentlich-rechtlich umgesetzt – ohne Schutzwirkung zugunsten des Kreditnehmers1. Weiter erscheint die vom BGH zu Bearbeitungsentgelten bei Krediten eingenommene Sicht, wonach die Kreditwürdigkeitsprüfung alleine im Interesse der Bank erfolge2, danach nicht mehr haltbar3. Ein noch weitergehendes Konzept – im Anlagegeschäft – ist das in § 4b WpHG vorgesehene, zunächst öffentlich-rechtliche Produktverbot durch die BaFin. Infolge der Übertragung der Produktintervention auf die Bankaufsichtsbehörde erfolgt die Beurteilung der Frage, ob das Anlageprodukt für den Bankkunden geeignet ist, somit nicht mehr nachgelagert zum Verkauf konkret-individuell durch das Zivilgericht, sondern der Erwerb des betreffenden Produkts wird durch das aufsichtsrechtliche Verbot bereits vorab abstrakt-generell unterbunden. Dass ein nachgelagertes generelles Produktverbot durch die BaFin vom Bankkunden in einem Zivilprozess über einen zuvor erfolgten Produkterwerb als Argument herangezogen werden mag, steht dabei auf einem anderen Blatt. In der Literatur spricht man bei diesem Konzept auch von der „Entprivatisierung des Privatrechts“ und kritisiert zunächst die generelle paternalistische Tendenz wegen der damit verbundenen Eingriffe in den Markt und die Selbstbestimmung, kritisiert jedoch auch die mit einem solchen Verbot verbundene Verallgemeinerung, da hierdurch ein Zwangsschutz auch von nicht Schutzbedürftigen erfolge4. In der Presse wurde berichtet, dass sich ein Anleger gegen diesen aufgezwungenen Anlegerschutz gerichtlich zur Wehr gesetzt habe5.
1.89
Auf einer vergleichbaren Linie liegt die im Zuge der Umsetzung der MiFID II6 eingeführte Product Governance und die damit einhergehende Verpflichtung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zur Festlegung bzw. Einhaltung von Zielmärkten (§ 63 Abs. 4, 5 WpHG)7.
1.90
Der Grund für diese Entwicklung hin zu Fürsorgepflichten ist nicht eindeutig auszumachen. Am Ende scheint es jedoch darum zu gehen, dass man dem Menschen die Erfassung und Verarbeitung von Informationen, zumal zu finanziellen Angelegenheiten, nur bis zu einem gewissen Grad zutraut oder man ganz generell – und zweifellos zu Recht – davon ausgeht, dass der Mensch nicht immer rational handelt8. Der „verständige Anleger“ des Kapitalmarktrechts wird übersetzt in den Begriff des „homo oeconomicus light“, dem mit Blick auf den Informationsoverload leicht verständliche Informationen gegeben werden müssen9. All das mag ebenso zutreffend sein wie die Erkenntnis, dass der Verkäufer eines Produktes sich mit einer neutralen Information und Beratung des Käufers bzw. Prüfung zugunsten des Käufers im Ausgangspunkt schwertun kann10.
1.91
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Ferstl in Beck/Samm/Kokemoor, Stand April 2012, § 18 KWG Rz. 18a m.w.N. BGH v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, 17/14, WM 2014, 2261. Feldhusen, WM 2019, 97, 102. Zum Ganzen Buck-Heeb, BKR 2017, 89, 94 ff. m.w.N. Hock, faz.net, 4.12.2018, 15:44 Uhr. Richtlinie 2014/65/EU vom 15.5.2014. Lercara/Kittner, RdF 2018, 100. Grundlegend Simon, Models of Bounded Rationality, 1982. Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 447 f. Moral-hazard-Problematik in Principal-Agent-Situationen Möllers, Juristische Methodenlehre, § 5 Rz. 150 f.
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Teil 1 | Einführung
Nachdem allerdings Gesetzgeber und Rechtsprechung den Banken zwischenzeitlich einen umfassenden und hart sanktionierten Katalog von Informationspflichten auferlegt haben und auch im Detail vorschreiben, wie die Verständlichkeit dieser Informationen zu gewährleisten ist, ist von einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage des Kunden letztlich auszugehen. Insoweit erscheint es im Übrigen vom Gesetzgeber praxisfern, anzunehmen, dass den Banken durch eine auch zivilrechtliche Umsetzung zuvor bestehender aufsichtsrechtlicher Pflichten kein nennenswerter zusätzlicher Aufwand entstehen würde1. Die umfangreichen und komplexen Aufklärungspflichten und die daraus resultierenden Risiken führen mittlerweile wohl dazu, dass manche Bank ihre Produktpalette einschränkt. Außerdem stellt sich ganz generell die Frage, weshalb der – gut informierte – Kunde bei der Entscheidung über ein Bankprodukt unmündiger, schutzwürdiger, unvernünftiger und damit auch steuerungsbedürftiger sein soll als bei anderen Produkten, etwa einem (teuren) Auto2. Oder noch weiter zugespitzt stellt sich die Frage, weshalb der eine Vertragspartner den anderen Vertragspartner auch dann noch schützen muss, wenn dieser gut informiert bewusst eine Entscheidung trifft – soweit ersichtlich gibt es kaum einen anderen Bereich, in dem dies der Fall ist3.
1.92 Mit der letztgenannten Frage befindet man sich bereits weit im Feld der Verhaltenswissenschaft. Von dort ist es nicht dann mehr weit, das sog. Nudging (engl. für Schubs) auch im Recht einzusetzen. Zwar mag man argumentieren, dass ein vom Staat eingesetztes Nudging „nur“ ein „libertärer Paternalismus“ wäre. Allerdings ist dies jedenfalls für die hier betrachteten Fälle nicht zutreffend, denn die vom Staat angeordnete Kreditwürdigkeitsprüfung wird von der Bank vorgenommen und wenn diese negativ ausfällt, kommt es in der Regel nicht zur Kreditvergabe; der Kunde hat also, falls die Bank aufgrund einer negativen Kreditwürdigkeitsprüfung keinen Kreditvertrag mit ihm abschließt (§ 505a Abs. 1 Satz 2 BGB), keine Möglichkeit mehr, sich entgegen der Kreditwürdigkeitsprüfung der Bank zu entscheiden. Auch im Falle eines aufsichtsrechtlichen Produktverbotes, bei dem der Impuls tatsächlich unmittelbar vom Staat kommt, hat der Kunde keinen Entscheidungsspielraum mehr, die betreffende Produktkategorie ist ihm endgültig verschlossen. Somit ist in diesen Fällen richtigerweise die Grenze zum Paternalismus tatsächlich überschritten4. Man könnte daher vielleicht sogar die Frage stellen, ob der – die Einschränkung für den Kunden ist in jedem Falle auf staatliches Handeln zurückzuführen – mit diesen Maßnahmen verbundene Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist5.
1 So aber etwa Begr. RegE, BT-Drucks. 18/5922, 67 f. 2 Plakativ spricht Boehringer, Süddeutsche Zeitung vom 2.5.2018, S. 17, im Zusammenhang mit der MiFID II von „Entmündigte(n) Bankkunden“. 3 Vertragsparteien dürfen sogar riskante oder unvernünftige Verträge abschließen: Möllers, Juristische Methodenlehre, § 11 Rz. 30. 4 Einen Eingriff in die Vertragsfreiheit verneinen allerdings Möllers/Poppele, ZGR 2013, 317, 463, da bei Produkten, deren Komplexität nicht mehr erklärbar sei, der Anleger gar nicht mehr frei entscheiden könne und nur durch das Produktverbot die Entscheidungsfreiheit wieder hergestellt werde. 5 Vgl. allgemein zur Kritik am Nudging Wolff, Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung 2015, 194, 213 ff.; ebenso krit. DIHK: Auch Verhaltenslenkung durch „Anstupsen“ (sog. „nudging“) steht nicht im Belieben der Politik, Wirtschaftspolitische Positionen der IHK-Organisation 2017, S. 12, https://www.dihk.de/themenfelder/wirtschaftspolitik; vgl. dazu aus Anlasse der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises 2017 an Richard Thaler auch Piper, Den Menschen anstupsen, Süddeutsche Zeitung vom 10.10.2017, S. 17.
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Privates Bankrecht | Teil 1
Im Ergebnis ist ein gewisser Paradigmenwechsel vom Informationsmodell zum paternalistischen Steuerungsmodell zu konstatieren1.
1.93
Zu paternalistischen Tendenzen kann im Übrigen nicht nur der Gesetzgeber beitragen, sondern in gewisser Weise auch die Rechtsprechung. Herresthal hat jüngst unter Hinweis auf eine Reihe von Beispielen eine recht fundamentale Kritik gerade an der bankrechtlichen Rechtsprechung geübt. Er nennt etwa die Fiktion eines Beratungsvertrages beim Anlagegeschäft2, wo er eine hinreichende Rückbindung an den Rechtsbindungswillen vermisst. Auch die besondere Dogmatik der AGB-Kontrolle von Bankentgelten greift er auf; diese schließt eine wirksame Vereinbarung von Entgelten selbst im Geschäft mit Unternehmern weitgehend aus3, ohne dass dies etwa beim Bearbeitungsentgelt für Kredite (in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) im Gesetz ausreichend vorgezeichnet sei. Nachdem der BGH eine wirksame Individualvereinbarung eines Bearbeitungsentgelts auch dann nicht für möglich hält, wenn die Bank dem Kunden zwei alternative Vertragsmodelle – eines (zu niedrigerem Zins) mit und eines ohne Bearbeitungsentgelt – anbietet4, haben Bitter/Linardatos diese Kritik aufgegriffen und vom Ende der Vertragsfreiheit gesprochen, da die Rechtsprechung es den Vertragsparteien versage, betriebswirtschaftliche Erwägungen zu berücksichtigen und sie damit zur Ineffizienz zwinge5; zudem kritisieren sie vehement ein „überhöhtes Verständnis der Leitbildfunktion des dispositiven Rechts“6. Nachdem der BGH die wirksame Vereinbarung eines Bearbeitungsentgelts auch für einen Avalkredit verneint hat7, hat Kropf festgestellt, dass sich der BGH bei diesem Kredit nach § 675 BGB nicht mehr auf ein gesetzliches Leitbild (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern alleine auf seine eigenen Grundsätze stützt8. In der Tat hält die Preiskontrolle mit dieser Rechtsprechung außerhalb der gesetzlichen Einfallstore in §§ 138, 242, 313 BGB über den – durchaus breit ausgestalteten – Umweg der AGB-Kontrolle sehr bedeutsam Einzug9. Schließlich kritisiert Herresthal die Entwicklung spezifischer fallgruppenartiger Konkretisierungen von Nebenpflichten aus der sehr abstrakten gesetzlichen Regelung in § 241 Abs. 2 BGB, wie etwa in Gestalt von Aufklärungspflichten10. Dabei erleichtere die Rechtsprechung auch die Durchsetzung daraus resultierender Ansprüche durch Kausalitätsvermutungen11 und faktische Verlängerungen der Verjährungsfristen12. Aus Sicht von Herresthal ist die Etablierung eigenständiger Rechtsinstitute vor allem deshalb kritikwürdig, da die Fallgruppen sehr verfestigt würden, was eine nachfolgende Anpassung an die Interessen- und Wertungslage erschwere, häufig ohne dass eine ausreichende Begründung gegeben und eine umfassende Auseinandersetzung mit der Literatur erfolgen würde, was er etwa auch vor
1.94
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Gurlit, WM 2016, 2053, 2063. Etwa BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128. BGH v. 8.11.2016 – XI ZR 552/15, WM 2017, 87. BGH v. 13.3.2018 – XI ZR 291/16, ZIP 2018, 1123. Bitter/Linardatos, ZIP 2018, 1203. Bitter/Linardatos, ZIP 2018, 2249, 2252 ff. BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 238/16, WM 2018, 1356. Kropf, BKR 2018, 421, 424. Möllers, Juristische Methodenlehre, § 11 Rz. 35 ff. BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 f. (Anlagegeschäft); BGH v. 11.2.1999 – IX ZR 352/97, NJW 1999, 2032 (Kreditgeschäft); der BGH geht dabei i.d.R. von einem eigenständigen Beratungsvertrag aus – anders der EuGH, z.B. EuGH v. 20.9.2017 – Rs. C-186/16, RdF 2018, 81. 11 BGH v. 5.7.1973 – VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, 120 ff. 12 BGH v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115; hierzu speziell Herresthal, WM 2018, 401 ff.
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Teil 1 | Einführung
dem Hintergrund der faktischen Rückwirkung von Rechtsprechung kritisch sieht1. All dies soll hier nicht näher betrachtet oder gar bewertet werden. Rechtstheoretisch ist allerdings festzustellen, dass die Rechtsanwendungsgleichheit es erfordert, auf der bisherigen Rechtsprechung aufzubauen. Indes und zugleich ist es aber ebenso richtig, dass es bei einer ungeklärten Rechtslage zunächst besonders umfangreicher Argumente bedarf, um Thesen zu untermauern und diese auch gegen (spätere) Gegenargumente zu behaupten. Anders gesagt ist der Hinweis auf eine Entscheidungskette immer nur dann überzeugend, wenn auch eine tiefe inhaltliche Argumentation stattgefunden hat2. Methodisch wäre eine „Optimierung von Vertragsfreiheit“ durch Vertragsgerechtigkeit oder das Prinzip des Sozialen dem liberalen Grundgedanken des BGB jedenfalls fremd und daher nur in Extremfällen angezeigt3 – Leitschnur für staatliches Eingreifen ist nicht die Gerechtigkeit, sondern nur die Ungerechtigkeit4. Rechtstatsächlich ist in der Praxis festzustellen, dass es aufgrund insbesondere der Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle im sog. B2B-Geschäft Ausweichbewegungen in die Schiedsgerichtsbarkeit oder in ausländische Rechtsordnungen gibt, da international z.B. im Kreditgeschäft Bankenentgelte marktüblich und hohe Zinsen nicht durchsetzbarbar sind und dies auch rechtlich akzeptiert ist5.
4. Abschnitt: Kapitalmarktrecht I. Begriff und Bedeutung des Kapitalmarktrechts 1.95 Das Kapitalmarktrecht ist ein Teil des öffentlichen (Bank-)Rechts, das einen bestimmten Markt sowie die Pflichten der hier agierenden Beteiligten und insbesondere die Rahmenbedingungen für spezifische Dienstleistungen und Produkte regelt. Das erinnert an das eingangs vorgestellte funktionelle Verständnis des Bankrechts – allerdings kommt hier die Regelung von Märkten hinzu (vgl. Rz. 1.3). Der Grund für letzteres liegt darin, dass bei Kapitalmarktprodukten der Ausgleich zwischen den Interessen der Bank und denen des Kunden nicht notwendig ausreicht; das Produkt setzt – über die Bank als Intermediär – den Zugang zu den Kapitalmärkten voraus, weshalb deren Funktionsfähigkeit zentral ist. Diese Besonderheit der Kapitalmarktprodukte erklärt zugleich, weshalb das Kapitalmarktrecht eine verhältnismäßig junge Disziplin ist; denn erst mit der Internationalisierung sowie zunächst der Elektronisierung des Handels und später dem Internet wurde aus dem überschaubaren nationalen Kapitalmarkt ein globaler und dessen Funktionsfähigkeit wurde hierdurch neuen Gefahren ausgesetzt6. 1.96 Gleichzeitig hat der Kapitalmarkt in seiner Bedeutung für die Volkswirtschaft deutlich zugenommen, da sowohl der Finanzierungsbedarf der Wirtschaft und der öffentlichen Hand gewachsen ist als auch die Bevölkerung bei der Schaffung privaten Vermögens immer stärker auf den Kapitalmarkt baut7. Dementsprechend wird in Definitionen des KaZum Ganzen eingehend Herresthal in FS Canaris, 2017, S. 869, 879 ff.; Herresthal, WM 2018, 401. Möllers, Juristische Methodenlehre, § 9 Rz. 44 ff., § 1 Rz. 49, § 9 Rz. 74. Möllers, Juristische Methodenlehre, § 11 Rz. 39 ff. m.w.N. Canaris in FS Lerche, 1993, S. 873, 883 f.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 10 Rz. 30. 5 Dazu im Zusammenhang mit der Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von Bearbeitungsentgelten bei Unternehmenskrediten etwa Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 147 ff. 6 Zum Ganzen Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Bd. 1, Kennziffer 050, Rz. 1.17 ff. 7 Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217.
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Teil 1 | Einführung
dem Hintergrund der faktischen Rückwirkung von Rechtsprechung kritisch sieht1. All dies soll hier nicht näher betrachtet oder gar bewertet werden. Rechtstheoretisch ist allerdings festzustellen, dass die Rechtsanwendungsgleichheit es erfordert, auf der bisherigen Rechtsprechung aufzubauen. Indes und zugleich ist es aber ebenso richtig, dass es bei einer ungeklärten Rechtslage zunächst besonders umfangreicher Argumente bedarf, um Thesen zu untermauern und diese auch gegen (spätere) Gegenargumente zu behaupten. Anders gesagt ist der Hinweis auf eine Entscheidungskette immer nur dann überzeugend, wenn auch eine tiefe inhaltliche Argumentation stattgefunden hat2. Methodisch wäre eine „Optimierung von Vertragsfreiheit“ durch Vertragsgerechtigkeit oder das Prinzip des Sozialen dem liberalen Grundgedanken des BGB jedenfalls fremd und daher nur in Extremfällen angezeigt3 – Leitschnur für staatliches Eingreifen ist nicht die Gerechtigkeit, sondern nur die Ungerechtigkeit4. Rechtstatsächlich ist in der Praxis festzustellen, dass es aufgrund insbesondere der Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle im sog. B2B-Geschäft Ausweichbewegungen in die Schiedsgerichtsbarkeit oder in ausländische Rechtsordnungen gibt, da international z.B. im Kreditgeschäft Bankenentgelte marktüblich und hohe Zinsen nicht durchsetzbarbar sind und dies auch rechtlich akzeptiert ist5.
4. Abschnitt: Kapitalmarktrecht I. Begriff und Bedeutung des Kapitalmarktrechts 1.95 Das Kapitalmarktrecht ist ein Teil des öffentlichen (Bank-)Rechts, das einen bestimmten Markt sowie die Pflichten der hier agierenden Beteiligten und insbesondere die Rahmenbedingungen für spezifische Dienstleistungen und Produkte regelt. Das erinnert an das eingangs vorgestellte funktionelle Verständnis des Bankrechts – allerdings kommt hier die Regelung von Märkten hinzu (vgl. Rz. 1.3). Der Grund für letzteres liegt darin, dass bei Kapitalmarktprodukten der Ausgleich zwischen den Interessen der Bank und denen des Kunden nicht notwendig ausreicht; das Produkt setzt – über die Bank als Intermediär – den Zugang zu den Kapitalmärkten voraus, weshalb deren Funktionsfähigkeit zentral ist. Diese Besonderheit der Kapitalmarktprodukte erklärt zugleich, weshalb das Kapitalmarktrecht eine verhältnismäßig junge Disziplin ist; denn erst mit der Internationalisierung sowie zunächst der Elektronisierung des Handels und später dem Internet wurde aus dem überschaubaren nationalen Kapitalmarkt ein globaler und dessen Funktionsfähigkeit wurde hierdurch neuen Gefahren ausgesetzt6. 1.96 Gleichzeitig hat der Kapitalmarkt in seiner Bedeutung für die Volkswirtschaft deutlich zugenommen, da sowohl der Finanzierungsbedarf der Wirtschaft und der öffentlichen Hand gewachsen ist als auch die Bevölkerung bei der Schaffung privaten Vermögens immer stärker auf den Kapitalmarkt baut7. Dementsprechend wird in Definitionen des KaZum Ganzen eingehend Herresthal in FS Canaris, 2017, S. 869, 879 ff.; Herresthal, WM 2018, 401. Möllers, Juristische Methodenlehre, § 9 Rz. 44 ff., § 1 Rz. 49, § 9 Rz. 74. Möllers, Juristische Methodenlehre, § 11 Rz. 39 ff. m.w.N. Canaris in FS Lerche, 1993, S. 873, 883 f.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 10 Rz. 30. 5 Dazu im Zusammenhang mit der Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von Bearbeitungsentgelten bei Unternehmenskrediten etwa Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 147 ff. 6 Zum Ganzen Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Bd. 1, Kennziffer 050, Rz. 1.17 ff. 7 Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217.
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Kapitalmarktrecht | Teil 1
pitalmarktrechts neben dem Funktionsschutz des Kapitalmarktes auch der Individualschutz der Anleger hervorgehoben1. Die Kapitalmärkte sind – neben den Geld-, Devisen- und Derivatemärkten – Teil der Finanzmärkte, die wiederum von den Gütermärkten zu unterscheiden sind. Kapital- und Geldmarkt sind – was schon die Begriffe erahnen lassen – eng verwandt und unterscheiden sich vor allem durch die Fristigkeit – längerfristig beim einen, kurzfristiger beim anderen – der angelegten Gelder. Vom Devisenmarkt unterscheiden sich beide darin, dass auf letzterem ausländische Währungen gehandelt werden2. Manche Stimmen in der Literatur regen an, dass der Begriff des Kapitalmarktes insgesamt durch den Begriff des Finanzmarktes ersetzt werden sollte, da heute nicht nur Wertpapiere, sondern Finanzinstrumente gehandelt würden; letzteres ist zwar richtig, umgekehrt fallen unter Finanzinstrumente allerdings auch Anlageformen, die nicht an den Märkten gehandelt werden, weshalb es hier bei den herkömmlichen Begriffen bleiben soll3.
1.97
Anlagetitel am Kapitalmarkt sind traditionell (vgl. § 2 Abs. 1 WpHG, Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) VO Nr. 596/2014 [MAR]) Aktien und Schuldverschreibungen (zu letzteren §§ 793 ff. BGB). Durch das Halten von Aktien wird deren Inhaber Gesellschafter der Aktiengesellschaft, was bedeutet, dass er Eigenkapitalgläubiger, also Gläubiger nicht rückzahlbarer Titel, ist. Bei Schuldverschreibungen, die fremdes Kapital gewähren, bleibt er Fremdkapitalgläubiger. Grundsätzlich muss jeder Gläubiger seine Interessen selbst wahren. Der Anleger auf dem Kapitalmarkt hat jedoch in der Regel weder unmittelbaren Marktzugang noch verfügt er über die gleichen Informationen wie die Emittenten und die übrigen Marktteilnehmer, also etwa Banken. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, dem Gläubiger auf dem Kapitalmarkt auch den Status eines Anlegers und damit einen besonderen Schutz zukommen zu lassen4.
1.98
Dennoch sind die Anleger keine unmittelbaren Vertragspartner der am Kapitalmarkt zustande kommenden Wertpapiergeschäfte, weshalb sie auch nicht als Marktteilnehmer im Rechtssinne einzustufen sind. Sie fragen zwar Kapitalmarkttitel nach oder bieten diese an, die Anschaffung oder Veräußerung der Wertpapiere besorgt jedoch die Bank als Kommissionärin (§§ 383 ff. HGB). Den Zugang zum Markt erhalten die Anleger über die Bank als Intermediär5.
1.99
Auf dem Primärmarkt wird das Anlageprodukt – also insbesondere Aktien und Schuldverschreibungen – durch Emission geschaffen und anschließend platziert, in der Regel durch ein Bankenkonsortium. Auf dem Sekundärmarkt findet ein Handel mit zuvor emittierten Wertpapieren statt.
1.100
Der am höchsten organisierte Markt ist die Wertpapierbörse. Der am geringsten organisierte Markt ist der „Graue Kapitalmarkt“, der jedoch im Nachgang zur Finanzmarktkrise ebenfalls eine stärkere Regulierung erfahren hat, namentlich durch das Kleinanlegerschutzgesetz6.
1.101
1 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431. 2 Zum Ganzen Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217. 3 Vgl. zu diesen Überlegungen Seiler/Geier in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rz. 4. 4 Hopt, WM 2009, 1873 f. 5 Seiler/Geier in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rz. 36, 47, die von mittelbaren Marktteilnehmern sprechen. 6 Vgl. Bußalb, 5.1.2015, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2015/ fa_bj_1501_kleinanlegerschutzgesetz.htm.
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Teil 1 | Einführung
1.102
Zum Funktionsschutz eines Marktes tragen vor allem bei: – wirksamer Marktmechanismus (ungehinderter Zugang, ausreichende Liquidität) sowie – Funktionsfähigkeit (Kostenoptimierung, renditeorientierte Allokation). Zum Funktionsschutz muss der Anlegerschutz hinzutreten1. Der Anlegerschutz war gerade in jüngerer Zeit im besonderen Fokus des Gesetzgebers, was nicht zuletzt mit neueren Markterscheinungen, wie etwa dem Crowd-Funding, zusammenhängt2.
1.103
Das Kapitalmarktrecht hat in Deutschland seit den sechziger und vor allem den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine dynamische Entwicklung genommen3.
1.104
Die Entwicklung in Deutschland wurde stark durch die EU geprägt, die die Schaffung eines Europäischen Binnenmarktes zum Ziel hat. Dementsprechend müssen Regelungen zum Schutz des Marktes in einem europäischen Binnenmarkt primär im europäischen Recht angelegt sein. Erste entsprechende europäische Empfehlungen wurden in Deutschland allerdings recht zögerlich aufgenommen, auch den US-amerikanischen Anforderungen genügte das deutsche Recht bald nicht mehr4. Beginnend in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts prägt das europäische Recht das deutsche Kapitalmarktrecht jedoch sehr deutlich und ersetzt es teilweise sogar komplett5.
1.105
Nicht zuletzt soll hierdurch innerhalb der EU eine Aufsichtsarbitrage, also ein Ausweichen in das Land, mit den am wenigsten strengen aufsichtsrechtlichen Regelungen, verhindert werden6. Interessanterweise ist gerade dies, wie bereits angesprochen, aktuell wieder ein Thema, dass nämlich Staaten – ungeachtet der Erfahrungen aus der Finanzkrise – versuchen, durch scheinbar großzügigere Aufsichtsbestimmungen einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Dies konnte man jüngst sowohl im Vereinigten Königreich nach dem Brexit-Votum als auch in den USA nach der Regierungsübernahme durch die Trump-Administration beobachten (vgl. dazu auch Rz. 1.24).
1.106
Der Finanzaktionsplan der Europäischen Kommission aus dem Jahr 1999 beinhaltete in seinen 42 Maßnahmen eine Vielzahl kapitalmarktrechtlicher Gegenstände7. Auf dieser Grundlage ist eine fast unüberschaubare Vielzahl rechtlicher Regelungen entstanden. Unterstützend gewirkt hat hier die Beschleunigung der europäischen Gesetzgebung durch das vierstufige sog. Lamfalussy-Verfahren, bei dem die Detailausgestaltung von Richtlinien in den weiteren Stufen durch Verordnungen und delegierte Rechtsakte erfolgt. Es galt für die MiFID ebenso wie für die drei übrigen Richtlinien zur Umsetzung des Financial Services Action Plan der EU-Kommission aus 19998.
1.107
Heute ist im Kapitalmarktrecht eine große Verbreitung unmittelbar geltender europäischer Verordnungen an Stelle europäischer Richtlinien zu verzeichnen, was tendenziell dem 1 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431; Schwintowski, Bankrecht, Rz. 20; vgl. zum Ganzen: Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217 ff. 2 Seiler/Geier in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rz. 77. 3 Hopt, WM 2009, 1873. 4 Hopt, WM 2009, 1873, 1874 f. 5 Möllers/Poppele, ZGR 2014, 437, 438; Hemeling, ZHR 181 (2017), 595. 6 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Bd. 1, Kennziffer 050, Rz. 2. 7 Im Einzelnen und illustrativ Mülbert, ZHR 176 (2012), 369 ff. 8 Zum Ganzen etwa Früh/Ebermann in KölnKomm. WpHG, § 33a WpHG Rz. 29 ff. m.w.N.
30 | Früh
Kapitalmarktrecht | Teil 1
Wunsch nach einer starken Harmonisierung und nach einer raschen Regelung geschuldet ist. Gleichzeitig hat die Anzahl der Ermächtigungen zu Delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten (Art. 290, 291 AEUV) der Kommission stark zugenommen1. Daneben treten die durch die Aufsichtsbehörden erarbeiteten technischen Regulierungsund Durchführungsstandards der Kommission sowie die Leitlinien und Empfehlungen der Aufsichtsbehörden (vgl. dazu auch Rz. 1.61 f.). Dabei regeln europäische Verordnungen mitunter allerdings nur die materiellen Verhaltensanforderungen an die Marktteilnehmer, während der nationale Gesetzgeber die Aufsichtsbefugnisse noch ergänzen muss2.
1.108
Auf nationaler Ebene kommen auch deshalb häufig ebenfalls Rechtsetzungen auf drei Ebenen (Gesetz, Verordnung, aufsichtsbehördliche Verlautbarung) hinzu, was zu einer sehr dichten, nicht immer konsistenten und mitunter schwer zu durchschauenden Regelungsflut führt3.
1.109
Die Finanz- und Staatsschuldenkrise hat auch im Kapitalmarktrecht einen erheblichen Regelungsimpuls gebracht, als wichtige Beispiele sind die Finanzmarktrichtlinie (MiFID II)4 sowie die Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR)5 zu nennen. Als Pendant zur Bankenunion (vgl. dazu Rz. 1.58 ff.) wird nun die Kapitalmarktunion angestrebt6.
1.110
II. Gegenstände des Kapitalmarktrechts und Schnittstelle zum Bankrecht Folgende bedeutsame Regelungsgegenstände des Kapitalmarktrechts sind in folgenden Rechtsvorschriften behandelt: – die organisatorischen Rahmenbedingungen für den Wertpapierhandel – durch das WpHG, zu Recht als das Grundgesetz des Kapitalmarktrechts bezeichnet, das durch das die MiFID II7 umsetzende 2. FiMaNoG8 deutlich geändert und heute teilweise auch durch die – ebenfalls eine Folge der Finanz- und Staatsschuldenkrise zu nennende – MAR9 ersetzt und ergänzt wird; – die Wertpapierbörsen, die einen möglichst effizienten organisatorischen Rahmen für den Wertpapierhandel zur Verfügung stellen – insbesondere durch das BörsG; – der öffentliche Vertrieb von Unternehmensbeteiligungen und fungiblen Kapitalmarktpapieren10 – durch das WpÜG; – die Schaffung von Kapitalmarkttiteln – z.B. durch das AktG, PfandbriefG; 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Mülbert, ZHR 176 (2012), 369, 374. Gurlit, WM 2016, 2053, 2060. Krit. Hemeling, ZHR 181 (2017), 595, 599 f. Richtlinie 2014/65 vom 15.5.2014. Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vom 15.5.2014. Mülbert, ZHR 176 (2012), 369; Seiler/Geier in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Vor § 104 Rz. 1. Richtlinie 2014/65/EU vom 15.5.2014. Zweites Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften vom 23.6.2017. Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vom 16.4.2014. Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431.
Früh | 31
1.111
Teil 1 | Einführung
– ihre Prospektierung – z.B. durch das WpPG, VermAnlG, VermVerkProspV; – ihre Verwahrung – durch das DepotG; – die kapitalmarktbezogenen Tätigkeiten der Marktteilnehmer, bezogen auf die Transparenz und Integrität der Märkte, etwa durch die Pflicht zur ad hoc-Publizität oder das Verbot, Insidertatsachen zu nutzen, sowie das Verbot von Marktmanipulationen – durch die MAR; – ein immer dichter werdendes Netz von Verhaltensregeln und organisatorischen Pflichten für die Marktintermediäre, also insbesondere Banken – zentral durch das WpHG1.
1.112
Der eigentliche Kauf und Verkauf von Kapitalmarkttiteln bestimmt sich demgegenüber nach den Vorschriften des BGB (§§ 433, 453 BGB) und des HGB (die Bank handelt für den Kunden häufig als Kommissionär, §§ 383 ff. HGB).
1.113
Neben den Rechtsvorschriften sind in der Praxis des Kapitalmarktrechts auch internationale und nationale sog. Standards relevant, die keine Gesetzesqualität haben; zu nennen sind insbesondere Verhaltenskodizes, die allerdings durchaus zu Handelsbräuchen i.S.d. § 346 HGB werden können. Daneben gibt es auch Standards, die zwar nicht vom Gesetzgeber kommen, aber entweder norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, etwa der BaFin, oder Kodizes von durch Ministerien eingesetzte Kommissionen sind und daher de facto normative Wirkung haben. Ein Beispiel für ersteres ist etwa der Emittentenleitfaden der BaFin2. Bei letzteren besonders hervorzuheben ist der Deutsche Corporate Governance Kodex der sog. Cromme-Kommission, der erstmals am 30.9.2002 bekannt gemacht wurde; auch er ist zwar grundsätzlich nicht bindend, jedoch auferlegt der Gesetzgeber Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft die Pflicht, sich jährlich dazu zu erklären, ob dem Kodex entsprochen wurde oder nicht (§ 161 AktG)3. Die Konkretisierungswirkung solcher Regelwerke für gesetzliche Bestimmungen (z.B. § 93 AktG) ist sehr umstritten.
1.114
Auch im Kapitalmarktrecht spielt das Richterrecht eine erhebliche Rolle, vor allem im Bereich des Anlegerschutzes, etwa durch Entwicklung der zivilrechtlichen Prospekthaftung4. Man kann sagen, dass der BGH das Anlegerschutzprinzip für die Anlageberatung weiterentwickelt hat5.
1.115
Die Rechtfertigung des Kapitalmarktrechts als eigenständiges Rechtsgebiet rührt, wie bereits angedeutet, daher, dass es hier um die Schnittstelle zwischen dem „Markt“ und dem „Bankkunden“ geht, wofür das Bankrecht alleine nicht ausreicht. Es betrifft somit besondere kapitalmarktrechtliche Dienstleistungen. Man kann an dieser Stelle auch die Schnittstelle zwischen dem Kapitalmarktgeschäft des Investment Banking und dem Commercial Banking sehen. Die Interessen des Anlegers werden sowohl durch das Kapitalmarktrecht als auch durch das Bankrecht geschützt. 1 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Bd. 1, Kennziffer 050, Rz. 5. 2 Emittentenleitfaden der BaFin, 4. Aufl. 2013 – derzeit vor dem Hintergrund der MiFID II und entsprechender Umsetzungsvorschriften in Überarbeitung, sog. Modul A und B schon in 5. Aufl. 2018. 3 Vgl. zum Ganzen Seiler/Geier in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, vor § 104 Rz. 57 ff. 4 Hopt, WM 2009, 1873, 1876 ff. 5 Schwintowski, Bankrecht, Rz. 20.
32 | Früh
Lockerung der Trennung von öffentlichem/privatem Bankrecht | Teil 1
Der Bankkunde erwirbt im Rahmen des Anlagegeschäftes (Effektengeschäft, Wertpapierdienstleistung gem. § 2 Abs. 8 WpHG) auf dem Sekundärmarkt Wertpapiere, die er dann bei seiner Bank verwahrt (Depotgeschäft, Wertpapiernebendienstleistung gem. § 2 Abs. 9 WpHG), die jedoch zuvor auf dem Primärmarkt emittiert werden mussten (Investmentgeschäft, Wertpapierdienstleistung gem. § 2 Abs. 8 WpHG). Traditionell gehörten alle drei Geschäfte zum Bankrecht. Rechtlich hat sich der Gesetzgeber durch die Regelung im WpHG dafür entschieden, das Geschäft einheitlich über alle Teilschritte und damit seinen gesamten „Lebenszyklus“ im Kapitalmarktrecht zu allokieren; das Depotgeschäft hingegen behält eine Art „Zwitterstellung“1. Bezogen auf die geschäftliche Einordnung in Commercial und Investment Banking, kann man das Effektengeschäft jedoch nach wie vor ersterem und das Emissionsgeschäft letzterem zuordnen.
1.116
Von der gesetzgeberischen Zielsetzung her gesehen geht es zusammenfassend um folgendes: Der Kunde erwirbt ein Produkt, das auf dem Kapitalmarkt geschaffen wird. Er selbst hat keinen Zugang zu den Märkten. Er muss daher darauf vertrauen können, dass die Märkte effektiv und unbeeinflusst von Fremdeinwirkungen funktionieren, also insbesondere sein Interesse an der optimalen Ausführung seiner Aufträge berücksichtigt wird und er daher den Marktpreis erhält2.
1.117
Als neue Tendenzen sind zum einen ein deutlich strengeres Vorgehen des europäischen Gesetzgebers in Form von Sanktionierung der Pflichtverletzungen (s. dazu Rz. 1.131) sowie zum anderen paternalistische Tendenzen durch die Einführung von Produktverboten oder die Verpflichtung zur Festlegung von Zielmärkten im Zuge einer sog. Product Governance zu verzeichnen (s. dazu Rz. 1.90)3.
1.118
5. Abschnitt: Lockerung der Trennung von öffentlichem und privatem Bankrecht – Ausstrahlungswirkung/Sanktionen Die klare Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative ist ein wesentliches Prinzip der deutschen Rechtsordnung (Art. 20 Abs. 3 GG). Weiter entspricht es dem bisherigen deutschen Rechtsverständnis einer Trennung zwischen den drei juristischen „Fakultäten“, dass sich der Gesetzgeber sehr bewusst entscheidet, ob er ein gesetzliches Regelungsziel zivilrechtlich, öffentlich-rechtlich oder sogar auch strafrechtlich umsetzen möchte. Diese Differenzierungen werden vor allem im Zuge der zunehmenden Europäisierung aufgeweicht.
1.119
I. Aufsicht Im Bank- und Kapitalmarktrecht hat die BaFin als Aufsichtsbehörde ganz allgemein die Aufgabe, gem. § 6 Abs. 2 KWG, § 6 Abs. 1 Satz 2 WpHG Missständen entgegenzuwirken. Solche Missstände können insbesondere dadurch bedingt sein, dass die Subjekte der Aufsicht Rechtsvorschriften nicht einhalten. Im Rahmen ihrer Aufsicht berücksichtigt die Ba1 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Bd. 1, Kennziffer 050, Rz. 17, 22. 2 Zum Ganzen Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 1.6; zur Best Execution Früh/Ebermann in KölnKomm. WpHG, § 33a WpHG Rz. 1 ff. 3 Mülbert, ZHR 176 (2012), 369, 376.
Früh | 33
1.120
Lockerung der Trennung von öffentlichem/privatem Bankrecht | Teil 1
Der Bankkunde erwirbt im Rahmen des Anlagegeschäftes (Effektengeschäft, Wertpapierdienstleistung gem. § 2 Abs. 8 WpHG) auf dem Sekundärmarkt Wertpapiere, die er dann bei seiner Bank verwahrt (Depotgeschäft, Wertpapiernebendienstleistung gem. § 2 Abs. 9 WpHG), die jedoch zuvor auf dem Primärmarkt emittiert werden mussten (Investmentgeschäft, Wertpapierdienstleistung gem. § 2 Abs. 8 WpHG). Traditionell gehörten alle drei Geschäfte zum Bankrecht. Rechtlich hat sich der Gesetzgeber durch die Regelung im WpHG dafür entschieden, das Geschäft einheitlich über alle Teilschritte und damit seinen gesamten „Lebenszyklus“ im Kapitalmarktrecht zu allokieren; das Depotgeschäft hingegen behält eine Art „Zwitterstellung“1. Bezogen auf die geschäftliche Einordnung in Commercial und Investment Banking, kann man das Effektengeschäft jedoch nach wie vor ersterem und das Emissionsgeschäft letzterem zuordnen.
1.116
Von der gesetzgeberischen Zielsetzung her gesehen geht es zusammenfassend um folgendes: Der Kunde erwirbt ein Produkt, das auf dem Kapitalmarkt geschaffen wird. Er selbst hat keinen Zugang zu den Märkten. Er muss daher darauf vertrauen können, dass die Märkte effektiv und unbeeinflusst von Fremdeinwirkungen funktionieren, also insbesondere sein Interesse an der optimalen Ausführung seiner Aufträge berücksichtigt wird und er daher den Marktpreis erhält2.
1.117
Als neue Tendenzen sind zum einen ein deutlich strengeres Vorgehen des europäischen Gesetzgebers in Form von Sanktionierung der Pflichtverletzungen (s. dazu Rz. 1.131) sowie zum anderen paternalistische Tendenzen durch die Einführung von Produktverboten oder die Verpflichtung zur Festlegung von Zielmärkten im Zuge einer sog. Product Governance zu verzeichnen (s. dazu Rz. 1.90)3.
1.118
5. Abschnitt: Lockerung der Trennung von öffentlichem und privatem Bankrecht – Ausstrahlungswirkung/Sanktionen Die klare Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative ist ein wesentliches Prinzip der deutschen Rechtsordnung (Art. 20 Abs. 3 GG). Weiter entspricht es dem bisherigen deutschen Rechtsverständnis einer Trennung zwischen den drei juristischen „Fakultäten“, dass sich der Gesetzgeber sehr bewusst entscheidet, ob er ein gesetzliches Regelungsziel zivilrechtlich, öffentlich-rechtlich oder sogar auch strafrechtlich umsetzen möchte. Diese Differenzierungen werden vor allem im Zuge der zunehmenden Europäisierung aufgeweicht.
1.119
I. Aufsicht Im Bank- und Kapitalmarktrecht hat die BaFin als Aufsichtsbehörde ganz allgemein die Aufgabe, gem. § 6 Abs. 2 KWG, § 6 Abs. 1 Satz 2 WpHG Missständen entgegenzuwirken. Solche Missstände können insbesondere dadurch bedingt sein, dass die Subjekte der Aufsicht Rechtsvorschriften nicht einhalten. Im Rahmen ihrer Aufsicht berücksichtigt die Ba1 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Bd. 1, Kennziffer 050, Rz. 17, 22. 2 Zum Ganzen Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 1.6; zur Best Execution Früh/Ebermann in KölnKomm. WpHG, § 33a WpHG Rz. 1 ff. 3 Mülbert, ZHR 176 (2012), 369, 376.
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1.120
Teil 1 | Einführung
Fin allerdings nicht nur öffentlich-rechtliche, sondern auch zivilrechtliche Bestimmungen wie die des BGB1.
1.121
Betrachtet man etwas spezifischer den Verbraucherschutz, so ist der kollektive Verbraucherschutz heute eine ausdrücklich gesetzlich verankerte Aufgabe der BaFin (§ 4 Abs. 1a FinDAG). Die BaFin hat insoweit die Befugnis, alle Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint (§ 4 Abs. 1a Satz 2 FinDAG). Ein Missstand in diesem Sinne liegt dabei dann vor, wenn ein erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz gegeben ist, der nach seiner Art oder seinem Umfang die Interessen nicht nur einzelner Verbraucherinnen oder Verbraucher gefährden kann oder beeinträchtigt (§ 4 Abs. 1a Satz 3 FinDAG). In der Gesetzesbegründung wird explizit darauf hingewiesen, dass das Verbraucherschutzgesetz sowohl eine öffentlich-rechtliche als auch eine zivilrechtliche Norm sein kann2.
1.122
Im Rahmen dieses zivilrechtlichen Verbraucherschutzes befasst sich die BaFin daher auch mit rein zivilrechtlichen Themen, entwickelt Rechtsmeinungen zu zivilrechtlichen Rechtsfragen. Solche Rechtsauffassungen der BaFin entfalten keine der einem Zivilrechtsurteil vergleichbare Rechtskraft (inter partes). Faktisch kommt ihnen indessen kraft der Autorität und des Einflusses der BaFin sogar eine gewisse normative Wirkung zu. Nicht selten werden der dem Bundesfinanzministerium unterstehenden BaFin zivilrechtliche Fragen vorgelegt, die vom BGH zivilrechtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden sind. Damit muss sie die Einschätzung von Zivilgerichten zu zivilrechtlichen Normen vorwegnehmen, im Extremfall könnte es auch zu divergierenden Auslegung zivilrechtlicher Normen durch die BaFin einerseits und letztlich den BGH andererseits kommen.
1.123
Aus dem Anlagegeschäft ist das bereits erwähnte Produktverbot (§ 4b WpHG) ein besonderes eindrucksvolles Beispiel für die Veränderung der Aufgabenzuweisung zwischen Aufsichtsbehörden und Zivilgerichten. Wie bereits ausgeführt kann ein Produktverbot dazu führen, dass zivilgerichtliche Einschätzungen etwa zur Geeignetheit bestimmter Produkte sowie zu Beratungspflichten bei bestimmten Produkten durch die BaFin vorweggenommen und damit obsolet oder aber entscheidend vorgeprägt werden (vgl. zu dieser sog. „Entprivatisierung des Privatrechts“ bereits Rz. 1.89).
1.124
Das Phänomen eines zeitlichen Überholens ist auf anderer Ebene bereits bekannt. Es tritt z.B. bei steuerrechtlichen Fragen im Verhältnis zwischen BFH und den Strafsenaten des BGH auf, da letztere – zumal in Haftsachen (§§ 112 ff. StPO) – im Rahmen von Urteilen über mögliche Steuerhinterziehungen (§ 370 AO) nicht selten steuerrechtliche Fragen aus strafrechtlicher Sicht höchstrichterlich entscheiden, bevor diese vom BFH als dem zuständigen Fachgericht entschieden worden sind. Bei der Tätigkeit der BaFin kommt neben der Fachzuständigkeit noch eine andere Dimension hinzu, da hier die Bundes-Exekutive einer anderen Fachzuständigkeit über eine Frage entscheidet, die – auch – einem Bundesgericht fachlich zugewiesen ist.
1.125
Der Rechtsrahmen für die Tätigkeit von Aufsichtsbehörden unterscheidet sich dabei recht grundlegend von der für Zivilgerichte maßgebenden ZPO. Während im Zivilprozess in je1 Ebenso Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 250 f., unter Hinweis darauf, dass die BaFin etwa die Wertstellungspraktiken oder die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen aufgegriffen hat. 2 Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3994, 37.
34 | Früh
Lockerung der Trennung von öffentlichem/privatem Bankrecht | Teil 1
dem Stadium des Verfahrens der Parteigrundsatz (etwa § 253 ZPO) gilt, können Behörden grundsätzlich auch von Amts wegen tätig werden (allgemein § 22 VwVfG), gilt im behördlichen Verfahren der Untersuchungsgrundsatz (etwa § 24 VwVfG) und sind Behörden bei ihren Entscheidungen nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden (etwa § 35 VwVfG). All das gilt im Bankaufsichtsrecht in besonderem Maße, die Behörden verfügen hier über besonderes weitreichende Befugnisse, zunächst bei der Frage ihres Tätigwerdens und der Sachverhaltsermittlung (§ 44 KWG, § 6 Abs. 3 WpHG), aber auch bei den möglichen Anordnungen gegenüber dem Institut (§ 6 Abs. 3 KWG, § 6 Abs. 6 WpHG).
II. Rechtsprechung Ein anderes Beispiel für die zunehmende Vermengung von Zivil- und Aufsichtsrecht liefert die Rechtsprechung des BGH zu den Aufklärungspflichten von Banken im Anlagegeschäft. Der BGH hatte zunächst entschieden, dass das öffentlich-rechtliche WpHG, auch soweit dieses Verhaltenspflichten der Wertpapierfirma gegenüber dem Kunden normiert, keine eigenständigen schuldrechtlichen Aufklärungspflichten begründe, sondern alleine öffentlich-rechtliche Pflichten. Allerdings könnten die §§ 31 ff. WpHG a.F. (jetzt §§ 63 ff. WpHG) für Inhalt und Reichweite der (vor-)vertraglichen Aufklärung- und Beratungspflichten „von Bedeutung“ sein – was bereits nicht ganz einfach einzuordnen war1.
1.126
Kurz darauf hat der BGH zwar an der Ansicht festgehalten, dass die öffentlich-rechtlichen Pflichten gem. §§ 63 ff. WpHG (früher: §§ 31 ff. WpHG) grundsätzlich nicht auf das zivilrechtliche Schuldverhältnis einwirken würden. Das Gericht hielt es jedoch für „angezeigt, den nunmehr im Bereich des – aufsichtsrechtlichen – Kapitalanlagerechts nahezu flächendeckend vom Gesetzgeber verwirklichten Transparenzgedanken hinsichtlich der Zuwendungen Dritter auch bei der Bestimmung des Inhalts des zivilrechtlichen Beratungsvertrages zu berücksichtigen, weil der Anleger nunmehr für die Bank erkennbar eine entsprechende Aufklärung im Rahmen des Beratungsvertrages erwarten könne (§§ 133, 157 BGB)“2. Hierzu ist zu Recht eingewandt worden, dass es nicht überzeuge, dem Anleger eine schutzwürdige Erwartung an Aufklärungspflichten zuzuerkennen, wenn das (Aufsichts-)Recht gerade keine zivilrechtliche Offenlegungspflicht vorsehe3.
1.127
Richtigerweise ist auch heute die Frage, ob eine Regelung vom deutschen Gesetzgeber im Aufsichtsrecht oder im Zivilrecht verortet wurde, das Ergebnis einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung. Der europäische Gesetzgeber kennt diese traditionelle deutsche Unterscheidung hingegen nicht, ihm geht es – zumal in Richtlinien – um Ziele (s. dazu Rz. 1.131). Allerdings hat der europäische Gesetzgeber etwa für Wohlverhaltensregeln nach ganz herrschender Auffassung eine Gesetzgebungskompetenz nur für das Aufsichtsrecht, nicht aber für zivilrechtliche Beratungspflichten. Folglich liegt es eigentlich fern, deutschen Vorschriften, die auf entsprechenden europäischen Richtlinien beruhen, wie z.B. den §§ 63 ff. WpHG, Einfluss auch auf das Zivilrecht zuzumessen4. In jedem Fall liegt es beim nationalen Gesetzgeber zu entscheiden, ob er eine Rechtspflicht im Aufsichtsrecht auch auf das Zivilrecht überträgt5.
1.128
1 BGH v. 17.9.2013 – XI ZR 332/12, AG 2013, 803 = ZIP 2013, 2001 („Lehman“); dazu Kropf, WM 2014, 640. 2 BGH v. 3.6.2014 – XI ZR 147/12, ZIP 2014, 1418. 3 Freitag, ZBB 2014, 357, 360 f.; zur aufsichtsrechtlichen Überformung des Bankvertragsrechts allgemein Herresthal in FS Canaris, 2017, S. 869, 874. 4 Zum Ganzen Koch, ZBB 2014, 211, 212. 5 EuGH v. 30.5.2013 – Rs. C-604/11 – Genil, ZIP 2013, 1417.
Früh | 35
Teil 1 | Einführung
III. Gesetzgebung 1.129
Tatsächlich schafft allerdings auch der Gesetzgeber zwischenzeitlich Mischformen von Vorschriften. Öffentlich-rechtliche Vorschriften verfolgen neben den originären gewerbeaufsichtsrechtlichen Zielen zunehmend – kollektiv – verbraucherschützende Ziele. Ein Beispiel ist die MiF-VO1, die u.a. die Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge deckelt2. Das gleiche gilt für das ZKG, dessen drei wesentlichen Regelungsgegenstände – Anspruch auf ein Basiskonto, Kontowechselhilfe und Entgelttransparenz – sämtlich verbraucherschützende Tendenz im schuldrechtlichen Verhältnis zwischen Bank und Kunde haben (s. dazu Rz. 1.30). Hintergrund ist vor allem erneut, dass der europäische Gesetzgeber die deutsche Unterscheidung zwischen Zivil- und Aufsichtsrecht nicht kennt3. Gerade Richtlinien sind im Wesentlichen auf Zielvorgaben beschränkt. Der jeweilige nationale Gesetzgeber muss dann, wie erwähnt, entscheiden, wie er diese gesetzgeberischen Ziele innerhalb seiner spezifischen Dogmatik umsetzt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dieser Mühe teilweise durchaus unterzogen, etwa bei der Umsetzung der PSD4. Anders liegt es beim gerade genannten Zahlungskontogesetz und teilweise auch bei der PSD II5, 6. Hier ist es häufig am Rechtsanwender, insbesondere der Rechtsprechung (s. dazu Rz. 1.130 ff.), zu bestimmen, ob öffentlich-rechtliche Vorschriften auch zivilrechtliche Wirkung entfalten, was sich insbesondere an der Frage festmacht, ob diesen ein Schutzgesetzcharakter gem. § 823 Abs. 2 BGB zukommt. Das allerdings ist eine unbefriedigende Entwicklung, die für erhebliche Rechtsunsicherheit sorgt.
IV. Praxis 1.130
Für die Praxis kommt hinzu, dass – insbesondere im Nachgang zur Finanzkrise – Kunden vermehrt dazu bereit waren, der Durchsetzung ihrer vermeintlichen zivilrechtlichen Position durch aufsichtsrechtliche Beschwerden bei der BaFin oder sogar durch Strafanzeigen in Bezug auf nicht-bankspezifische Delikte Nachdruck zu verleihen7. Gerade im Bereich der Anlageberatung ist es heute nicht selten, dass Kläger ihren Schadenersatzprozess wegen einer behaupteten Aufklärungspflichtverletzung der Bank flankieren mit einer Anzeige wegen Betrugs gegen den beratenden Bankmitarbeiter. Damit sollen augenscheinlich zwei Zwecke verfolgt werden: Zum einen wird der Druck auf eine aus Sicht des Kunden befriedigende Einigung im Zivilprozess erhöht. Zum anderen soll über die Ermittlungsakte der Strafverfolgungsbehörde Einblick in die Unterlagen der Bank gewonnen werden. Problematisch ist dabei nicht zuletzt, dass es in Deutschland – anders als im common law – das rechtliche Gegenstück zu solchen Einsichtnahmemöglichkeiten in die Akten der Gegenpartei (sog. discovery), namentlich in Form einer Ausnahme für die Korrespondenz mit Rechtsanwälten (sog. legal privilege), nur in sehr eingeschränktem Maße gibt (vgl. dazu § 160a StPO).
1 2 3 4 5 6 7
Verordnung (EU) 2015/751 vom 29.4.2015. Gurlit, WM 2016, 2053, 2057. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, Rz. A/3. Richtlinie 2007/64/EG vom 13.11.2007. Richtlinie 2015/2366/EU vom 25.11.2015. Vgl. zum Ganzen Omlor, WM 2018, 57 ff. Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rz. 1 ff.
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Lockerung der Trennung von öffentlichem/privatem Bankrecht | Teil 1
V. Tendenz zur Sanktionierung In der Zukunft mag dem noch zusätzlich Vorschub leisten, dass es eine zunehmende gesetzgeberische Tendenz gibt, auch aufsichtsrechtliche Pflichten nahezu als Standard auch strafrechtlich oder jedenfalls als Ordnungswidrigkeit zu sanktionieren (vgl. etwa den sehr umfassenden Bußgeldkatalog des § 53 ZKG). Dem liegt vermutlich nicht selten die europäische Rechtssetzung zugrunde. Denn der europäische Gesetzgeber gibt insbesondere bei Richtlinien seine Ziele (s. Rz. 1.129) vor und ergänzt häufig, dass die nationale Gesetzgeber ausreichende Sanktionen bei Zuwiderhandlungen vorsehen muss. Man kann die Frage aufwerfen, ob damit tatsächlich in so umfassenden Maß die Sanktionierung durch Ordnungswidrigkeiten gemeint ist; denn nach europäischen Verständnis bleibt die Ausgestaltung der Sanktionierung den Mitgliedstaaten überlassen, die sich davon leiten lassen sollen, was in vergleichbaren Fällen im nationalen Recht vorgesehen ist1. In anderen Fällen ist es allerdings völlig eindeutig, dass EU Institutionen eine Sanktion in Gestalt einer Strafe oder Geldbuße vorsehen möchten; so hat jüngst die EU Kommission den Vorschlag für eine Omnibus-Richtlinie vorgelegt, wonach für gleich vier verbraucherschützende Richtlinien Sanktionen dahingehend angepasst und vereinheitlicht werden sollen, dass die nationalen Behörden befugt sind, eine Geldbuße i.H.v. bis zu 4 % des Umsatzes des betreffenden Unternehmens zu verhängen2. Neben der Frage, ob die EU für diese Gegenstände überhaupt die Regelungskompetenz hat, sind die Verhältnismäßigkeit und die hinreichende Bestimmtheit einer solchen Regelung durchaus fraglich.
1.131
Die Aufsicht macht von diesen Sanktionsvorschriften in der Praxis Gebrauch.
1.132
Generell ist der Pönalisierung unternehmerischen Handelns kritisch zu begegnen. Ein bedenkliches Beispiel hierfür ist die neue Rechtsprechung des BGH zur Untreue, die davon ausgeht, dass ein Vorstand, der seine Pflichten gem. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG verletzt, zugleich eine die Untreue gem. § 266 StGB auslösende, gravierende und evidente Pflichtverletzung begehe, da § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG nur dann verletzt sei, wenn der Vorstand seinen unternehmerischen Entscheidungsspielraum (Business Judgement Rule) überschritten habe, weshalb die Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten gleichsam automatisch so gravierend sei, dass sie eine Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 266 StGB begründe3. Damit wird das Prinzip, Entscheidungsträgern in Unternehmern einen gewissen Entscheidungsspielraum ohne die Gefahr zivilrechtlicher Haftung oder strafrechtlicher Sanktionierung zuzugestehen, aufgeweicht oder um das anglo-amerikanische sog. flootgates principle aufzugreifen: Der Damm zur Vermeidung von Übermaßhaftung und unbilligen Härten wird mehr und mehr durchbrochen4. Zugleich wird zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortung nivelliert5.
1.133
Tatsächlich sollte sich staatliches Handeln an der bewährten Abstufung orientieren. Zunächst sollte privates Handeln auch privatrechtlichen Vorgaben unterstellt werden. Reicht dies nicht aus, sind öffentlich-rechtliche Vorschriften als Ordnungsrahmen vorzusehen. Nur dann, wenn die Rechtswirklichkeit zeigt, dass solche Vorgaben nicht effektiv durch-
1.134
1 2 3 4 5
Instruktiv zu letzterem Omlor, WM 2018, 57, 58 m.w.N. COM (2018) 185 final – 2018/090 (COD) vom 11.4.2018. BGH v. 12.10.2016 – 5 StR 134/15 – HSH-Nordbank, AG 2017, 72. Möllers, Juristische Methodenlehre, § 5 Rz. 71. Baur/Holle, ZIP 2017, 555, 557.
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Teil 1 | Einführung
gesetzt werden können1, ist das Strafrecht einzusetzen. Dieses ist Teil des öffentlichen Rechts und sieht als solches Verhaltensverbote vor, sanktioniert jedoch auch zivilrechtliche Verhaltensgebote und -verbote2.
1 Vgl. zum Strafrecht als ultima ratio etwa Prittwitz, ZSTW 2017, 129 (2), 390. 2 Zum ganzen Merkt, ZGR 2016, 201, 203 ff. m.w.N.
38 | Früh
2. Teil Bankaufsichtsrecht 1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . I. Rahmenbedingungen des Bankaufsichtsrechts und des KWG . . . II. Europäische Bankenaufsicht . . . . 1. Single Rulebook . . . . . . . . . . . . 2. Bankenunion . . . . . . . . . . . . . . a) Einheitlicher Aufsichtsmechanismus (SSM) . . . . . . . . . . . . b) Einheitlicher Sanierungs- und Abwicklungsmechanismus (SRM) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einheitliches Europäisches Einlagensicherungssystem (EDIS) . III. Institutionelle Grundstruktur des Bankwesens in Deutschland . 1. Universalbanken . . . . . . . . . . . . a) Private Kreditbanken . . . . . . . b) Öffentlich-rechtlicher Sparkassensektor . . . . . . . . . . . . . c) Genossenschaftsbanken . . . . . . 2. Spezialbanken . . . . . . . . . . . . . . 3. Organisation in Spitzenverbänden . IV. Institutionen der Bankenregulierung und -aufsicht . . . . . . . . . . 1. Europäisches Finanzaufsichtssystem (ESFS) . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europäische Zentralbank (EZB) . . 4. Single Resolution Board (SRB) . . . 5. BaFin und Bundesbank . . . . . . . . 2. Abschnitt: Adressaten der Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.
4. 5. 6. 7. 8.
Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . Einlagengeschäft . . . . . . . . . . . Pfandbriefgeschäft . . . . . . . . . . Kreditgeschäft . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zu gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen . . . . b) Übertragung von Kreditrisiken c) Vermittlung von Krediten . . . Diskontgeschäft . . . . . . . . . . . . Finanzkommissionsgeschäft . . . . Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . Zentralverwahrer . . . . . . . . . . . Revolvinggeschäft . . . . . . . . . .
. . . .
_ _ __ _ _ _ _ __ _ __ __ _ _ __ __ __ __ __ __ __ __ __
2.1 2.1
2.11 2.13 2.15 2.19 2.28 2.36 2.40 2.41 2.42 2.43 2.44 2.45 2.46 2.48 2.49 2.50 2.53 2.58 2.62
_ __ _ __ _ __ __ __ __ __ __ _ __ _ _ _ _ _ _ _ __ _ __ _ _
9. Garantiegeschäft . . . . . . . . . . . 10. Scheck- und Wechseleinzugsgeschäft, Reisescheckgeschäft . . . 11. Emissionsgeschäft . . . . . . . . . . 12. Tätigkeit als zentrale Gegenpartei
. 2.103
III. 1. 2. 3.
. 2.114 . 2.115 . 2.118
4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.
Finanzdienstleistungsinstitute . Anlagevermittlung . . . . . . . . . . Anlageberatung . . . . . . . . . . . . Betrieb eines multilateralen Handelssystems . . . . . . . . . . . . Platzierungsgeschäft . . . . . . . . . Betrieb eines organisierten Handelssystems . . . . . . . . . . . . Abschlussvermittlung . . . . . . . . Finanzportfolioverwaltung . . . . . Eigenhandel . . . . . . . . . . . . . . Drittstaateneinlagenvermittlung . Sortengeschäft . . . . . . . . . . . . . Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierungsleasing . . . . . . . . Anlageverwaltung . . . . . . . . . . Eingeschränktes Verwahrgeschäft Eigengeschäft . . . . . . . . . . . . .
. 2.105 . 2.107 . 2.112
. 2.124 . 2.125 . . . . . . . . . . .
2.126 2.127 2.127 2.129 2.134 2.135 2.136 2.139 2.141 2.149 2.150
IV. Ausnahme- und Verbotstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . 2.152 1. Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . 2.152 2. Verbotstatbestände . . . . . . . . . . . 2.159 3. Abschnitt: Erlaubnis und europäischer Pass . . . . . . . . . . . 2.163 I. Erlaubnispflicht für bankgeschäftliche Tätigkeiten . . . . . . 2.163
2.69
II. Inhaberkontrolle . . . . . . . . . . . 2.169
2.69
III. Europäischer Pass . . . . . . . . . . . 2.176
2.73 2.74 2.83 2.84
4. Abschnitt: Basler Rahmenwerk und Organisationspflichten . . . . 2.180
. 2.88 . 2.89 . 2.90 . 2.91 . 2.93 . 2.96 . 2.100 . 2.101
I. Basler Rahmenwerk . . . . . . . . . 2.180 II. Organisationspflichten . . . . . . . 1. SREP und Pillar 2 . . . . . . . . . . . 2. Spezifische Organisationspflichten . a) Risikotragfähigkeit und Geschäftsstrategie . . . . . . . . . . b) Outsourcing . . . . . . . . . . . . . c) Funktionentrennung . . . . . . . . d) Risikosteuerungs- und -controllingprozesse . . . . . . . . . . . . .
2.184 2.184 2.187 2.189 2.193 2.194 2.199
Freis-Janik | 39
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
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e) Risikocontrolling-Funktion, Compliance-Funktion und Interne Revision . . . . . . . . . . 2.200 5. Abschnitt: Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität . . . . . 2.202 I. Grundlagen der Kapitalanforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.202 II. Anrechenbare Eigenmittel . . . . . 1. Hartes Kernkapital – CET1 . . . . . a) Instrumente des harten Kernkapitals, Art. 28 CRR und Agien b) Weitere Posten des harten Kernkapitals . . . . . . . . . . . . . c) Besondere Abzugsposten . . . . . 2. Zusätzliches Kernkapital – AT1 . . 3. Ergänzungskapital – Tier 2 . . . . . III. Eigenmittelanforderungen und Kapitalpuffer . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigenmittelanforderungen . . . . . . 2. Kapitalpuffer . . . . . . . . . . . . . . a) Kapitalerhaltungspuffer . . . . . . b) Antizyklischer Kapitalpuffer . . . c) Kapitalpuffer für systemische Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kapitalpuffer für global systemrelevante Institute . . . . . . . . . e) Kapitalpuffer für anderweitig systemrelevante Institute . . . . . IV. Risikoarten und Ermittlungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Adress- bzw. Kreditrisiken . . . . . a) Kreditrisikostandardansatz (KSA) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auf internen Beurteilungen basierender Ansatz (IRBA) . . . 2. Marktrisiken . . . . . . . . . . . . . . a) Positionsrisiko . . . . . . . . . . . b) Fremdwährungsrisiko . . . . . . c) Warenpositionsrisiko . . . . . . d) Eigene Modelle, IMA . . . . . . 3. Operationelle Risiken . . . . . . . . a) Basisindikatoransatz . . . . . . . b) Standardansatz . . . . . . . . . . c) Advanced Measurement Approach (AMA) . . . . . . . . . 4. Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Anforderungen der CRR . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Anforderungen des KWG und der LiqV . . . . . . . c) Vorgaben der MaRisk . . . . . . 5. Verschuldungsquote . . . . . . . . .
40 | Freis-Janik
2.205 2.208 2.210 2.214 2.218 2.220 2.222 2.224 2.224 2.227 2.228 2.229 2.230 2.231 2.232
. 2.233 . 2.236 . 2.239 . . . . . . . . .
2.246 2.254 2.257 2.262 2.263 2.264 2.266 2.268 2.269
. 2.271 . 2.272
__ _ _ __ __ _ __ __ __ _ __ __ _ __ __ __ __ __ _ __ __
6. Melde- und Offenlegungspflichten 2.289 7. Verlustabsorptionsfähigkeit . . . . . 2.291 6. Abschnitt: Einlagensicherung und Anlegerentschädigung . . . . . 2.292 I. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Europarechtliche Grundlagen und gesetzliche Entwicklung . . . . . . . 2. Geschützte Vermögenswerte . . . . 3. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . 4. Eintritt des Entschädigungsfalls . . 5. Entschädigungseinrichtung deutscher Banken . . . . . . . . . . .
2.294 2.294 2.295 2.297 2.298 2.299
II. Institutsbezogene Sicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.300 III. Freiwillige Einlagensicherung . . . 2.302 7. Abschnitt: Bankensanierung und -abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 2.304 I. Historischer Überblick . . . . . . . 2.304 II. Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach KredReorG . . . . 2.307 1. Sanierungsverfahren . . . . . . . . . . 2.308 2. Reorganisationsverfahren . . . . . . 2.310 III. Sanierung und Abwicklung unter der BRRD . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . 3. Abwicklungsplanung . . . . . . . . . a) Abwicklungsplan und Abwicklungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . b) Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungsfähigkeit . . . . c) Drittstaatenaspekte . . . . . . . . . 4. Frühintervention . . . . . . . . . . . . 5. Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwicklungsprinzipien . . . . . . b) Abwicklungsvoraussetzungen . . c) Abwicklungsinstrumente und -befugnisse . . . . . . . . . . . . . . aa) Bail-In Instrument . . . . . . bb) Haftungskaskade . . . . . . . cc) MREL und TLAC . . . . . . . dd) Sonstige Abwicklungsinstrumente . . . . . . . . . . .
2.312 2.312 2.316 2.320 2.323 2.327 2.330 2.335 2.339 2.340 2.346 2.350 2.352 2.359 2.366 2.376
. 2.276
8. Abschnitt: Sonstige aufsichtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 2.380
. 2.281 . 2.283 . 2.285
I. Maßnahmen der EZB . . . . . . . . 2.381 1. Befugnisse der EZB . . . . . . . . . . 2.383 2. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . 2.386
II. Maßnahmen der BaFin . . . . . . . 1. Befugnisse der BaFin . . . . . . . . . a) Handlungsformen . . . . . . . . . b) Maßnahmen nach der Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen . . bb) Institutsbezogene Missstände . . . . . . . . . . . . . . cc) Institutsübergreifende Missstände . . . . . . . . . . . c) Verordnungen . . . . . . . . . . . .
__ _ _ _ _ __
2.388 2.388 2.389 2.390 2.394 2.395 2.396 2.397
Bankaufsichtsrecht | Teil 2 d) Informelles Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . 3. Spezielle Eingriffsbefugnisse . . . a) Maßnahmen bei drohender unzureichender Solvenz oder unzureichender Solvenz . . . . b) Maßnahmen bei organisatorischen Mängeln . . . . . . . c) Gläubigergefährdung . . . . . d) Insolvenzantrag . . . . . . . . . e) Moratorium . . . . . . . . . . .
__ _ _ __ __
. . 2.398 . . 2.399 . . 2.400 . . 2.400 . . . .
. . . .
2.402 2.403 2.410 2.412
Schrifttum: Achtelik/Frommelt-Drexler/Flach (Hrsg.), Sicherheiten-Management nach CRR, 3. Aufl. 2015; Ammann, Bitcoin als Zahlungsmittel im Internet, CR 2018, 379; Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft e.V., Zur Frage der Ausstrahlung branchenspezifischer Corporate Governance-Anforderungen auf das allgemeine Unternehmensrecht am Beispiel der Bankenregulierung, DB 2016, 1118; Balzer, Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung, ZBB 2007, 333; Bauer/Hildner, Die Sanierung, Abwicklung und Insolvenz von Banken – Ein vollendeter Dreiklang?, DZWIR 2015, 251; Bauerfeind, Die aufsichtliche Abkehr von externen Ratings in der europäischen Bankenaufsicht, WM 2015, 1743; Bauerfeind, Das externe Rating unter Basel IV – Eine Analyse der neuen Due-Diligence-Prüfung –, WM 2016, 1528; Baumanns, FinTechs als Anlageberater? Die aufsichtsrechtliche Einordnung von Robo-Advisory, BKR 2016, 366; Berger, Der einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) – Bankenaufsicht im europäischen Verbund, WM 2015, 504; Berger, Die neue Einlagensicherung, BKR 2016, 144; Berger, Rechtsanwendung durch die EZB im Single Supervisory Mechanism, WM 2016, 2336 und 2361; Bigus/Leyens, Reform der Anlegerentschädigung und Einlagensicherung – Empfehlungen aus rechtsökonomischer Perspektive, ZBB 2008, 277; Binder, Institutionalisierte Krisenbewältigung bei Kreditinstituten, ZBB 2009, 19; Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren? – Krisenbewältigung und Krisenprävention nach der EU-Bankensanierungs- und -abwicklungsrichtlinie, ZHR 179 (2015), 83; Bolton/Oehmke, Bank Resolution and the Structure of Global Banks, Discussion Paper No. 778, Paul Woolley Centre Working Paper No. 59, 26.4.2018; Bormann, Kreditreorganisationsgesetz, ESUG und Scheme of Arrangement, NZI 2011, 892; Canaris, Die Ausgabe von Namensgewinnschuldverschreibungen an Arbeitnehmer in bankaufsichtsrechtlicher Sicht, BB 1978, 227; Dohrn, Der Richtlinienvorschlag zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, WM 2012, 2033; du Buisson, Die Reichweite der Erlaubnistatbestände Emissionsgeschäft und Eigenhandel für andere in § 1 Kreditwesengesetz (KWG), WM 2003, 1401; Engelbach/Friedrich, Die Umsetzung der BRRD in Deutschland, WM 2015, 662; Eßer, Kollektive Anlagemodelle als Finanzportfolioverwaltung, WM 2008, 671; Forsthoff, Fünf Jahre ESM – Entwicklungsperspektiven, EuZW 2018, 108; Gurlit, Instrumente makroprudentieller Bankenaufsicht – unter besonderer Berücksichtigung zusätzlicher Kapitalanforderungen, WM 2015, 1217 und 1257; Friedrich/Skorobogatov, Vorschläge der EU-Kommission zur Harmonisierung der Bail-in-Haftungskaskade sowie der MREL- und TLAC-Anforderungen, WM 2017, 840; Gurlit, Die Entwicklung des Banken- und Kapitalmarktaufsichtsrechts in den Jahren 2015/16, WM 2016, 2053; Gurlit/Schnabel, The New Actors of Macroprudential Supervision in Germany and Europe – A Critical Evaluation, ZBB 2015, 349; Hanten/Hanten, Die neue Bankenabgabe, WM 2017, 649; Hanten/ Sacarcelik, Die Auswirkungen des Brexit auf den Marktzugang von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, WM 2018, 1872; Henning/Gissing, Die neuen Leitlinien der Europäischen Bankanaufsichtsbehörde zur internen Governance von Instituten und der Eignungsprüfung, AG 2018, S. 93; Herdegen, Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Schaffung eines Europäischen Einlagensicherungssystems: Würdigung aus europa- und staatsrechtlicher Sicht, WM 2016, 1857 und 1905; Herz, Die Entwicklung des europäischen Bankaufsichtsrechts in den Jahren 2016/2017, EuZW 2018, 5; Herz, Die Entwicklung des europäischen Bankaufsichtsrechts in den Jahren 2017/2018 (Teil I), EuZW 2019, 60; Höche, Das Restrukturierungsgesetz – Neue Wege in der Bankenaufsicht
Freis-Janik | 41
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht (mit Seitenblicken auf die Schweiz und das Vereinigte Königreich), WM 2011, 49; Holle, Irrtum über die Erlaubnispflicht nach § 32 KWG und zivilrechtliche Haftung, BKR 2018, 500; Horn, Werksparkassenverbot und Vermögensbildung durch Belegschaftsdarlehen und -obligationen, ZGR 1976, 435; Hübner/Leunert, Sanierung und Abwicklung von Banken nach dem SAG und SRM-VO, ZIP 2015, 2259; Jahn/Schmitt/Geier (Hrsg.), Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016; Josenhans/ Danzmann, Rechtfertigungsgründe für eine Überschreitung des EZB-Leverage-Ratio-Grenzwerts, BKR 2018, 401; Kämmerer/Starski, Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion oder – Vor Risiken und Nebenwirkungen wird gewarnt, ZG 2013, 324; Kemper, Die Europäische Bankenunion und die Sparkassen, 2017; Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, 2012; Kotz/Schmidt, Corporate Governance of Banks – A German Alternative tot he Standard Model, ZBB 2016, 427; Krimphove, Keine Angst for FinTechs – zivil-, international-privat – wie aufsichtsrechtliche Einordnung, BB 2018, 2691; Krimphove, Die „neue“ MaRisk (BA) 9/2017, BKR 2018, 1; Kühne/ Eberhardt, Erlaubnispflicht eines „Family Office“ unter Berücksichtigung des neuen Finanzdienstleistungstatbestands der Anlageberatung, BKR 2008, 133; Kumpan, Das Verbot von Eigengeschäften für Banken – eine rechtsvergleichende Analyse, ZBB 2014, 201; Kusserow/Scholl, Kreditderivate im Kraftfeld der BRRD – Die neuen Musterbedingungen für Kreditderivate, WM 2015, 360 und 413; Liersch, Nachteile für den Finanzplatz durch außerbörsliche Wertpapiergeschäfte, WM 2003, 473; von Livonius, Aktuelle Rechtsfragen des Vertriebs von Finanzprodukten, BKR 2005, 12; von Livonius/Bernau, Der neue Tatbestand der „Anlageverwaltung als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung, WM 2009, 1216; Mersch, The limits of central bank financing in resolution, EuZW 2018, 349; Mülbert, Bankenaufsicht und Corporate Governance – Neue Organisationsanforderungen im Finanzdienstleistungsbereich, BKR 2006, 349; Mülbert/Sajnovits, Konzerninterne (Upstream-)Darlehen als unternehmerische Risikoentscheidung – unter Einbeziehung gruppeninterner finanzieller Unterstützungen innerhalb einer europäischen Institutsgruppe nach den §§ 22 ff. SAG, WM 2015, 2345; Müller/Fischer/ Müller, Rechtsschutz bei der Erteilung und Entziehung von Erlaubnissen für Kreditinstitute – Eine erste Betrachtung der unions- und mitgliedstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten –, WM 2015, 1505; Müller-Graff, Rechtsschutz von Kreditinstituten in der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank, EuZW 2018, 101; Möslein, Grundsatz- und Anwendungsfragen zur Spartentrennung nach dem sog. Trennbankengesetz, BKR 2013, 397; Obermüller, Das Bankenrestrukturierungsgesetz – ein kurzer Überblick über ein langes Gesetz, NZI 2011, 81; Oebbecke, Sparkassenaufsicht und Bankenaufsicht, ZBB 2016, 336; Paraschiakos, Bankenaufsicht zwischen Risikoverwaltung und Marktbegleitung, 2018; Poelzig, Die „gespaltene Auslegung“ von Verhaltensnormen im Straf-, Aufsichtsund Zivilrecht oder wer gibt den Ton an?, ZBB 2019, 1; Potacs, Anwendung der BRRD auf eine bestehende Abbaueinheit?, EuZW 2017, 10; Roth, Die indirekte Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank, 2018; Schelo; Neue Restrukturierungsregeln für Banken, NJW 2011, 186; Schelo/Steck, Das Trennbankengesetz: Prävention durch Bankentestamente und Risikoabschirmung, ZBB 2013, 227; Schlick, Die aktuelle Rechtsprechung des III. Zivilsenats des BGH zum Kapitalanlagerecht, WM 2015, 261; Schmidt, Passt das deutsche Dreisäulensystem in eine zunehmend harmonisierte Bankenstruktur für Europa?, ZfgK 2018, 36; Schmitt/Bär, Rechtsschutz gegen Abwicklungsmaßnahme, WM 2016, 493; Scholz-Fröhling, FinTechs und die bankaufsichtlichen Lizenzpflichten, BKR 2017, 133; Schuster/Pitz, SREP capital ratios and due process, ZBB 2016, 342; Seitz, Die Regulierung von Wertpapierhandelssystemen in der EU, AG 2004, 497; Skauradszun, Die Auskunfts- und Einsichtsrechte der BaFin nach § 46b KWG, WM 2016, 815; Skauradszun, Europäisches Bankenabwicklungsrecht: Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss nah Art. 85 SRM-VO, WM 2017, 1041 und 1085; Skauradszun/Beermann, Die Entscheidungspraxis des SRB im Jahr 2017, WM 2018, 1041; Steck/ Petrowsky, Neue Voraussetzungen für die Abwicklung von Banken, DB 2015, 1391; Stumpp, Die EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzprodukte – Eine belastbare Grundlage für Sustainable Finance in Europa?, ZBB 2019, 71; Struckman, Reichweite der Frühinterventionsbefugnisse der Aufsichtsbehörden nach § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. e SAG, ZBB 2019, 26; Teichmann, Die Fortführung von Bankkrediten durch Nichtbanken – ein Bankgeschäft? – zugleich Anmerkung zum Urteil des OLG Frankfurt/M. vom 16.12.2010, BKR 2011, 324; Thiele, Die EZB vor Gericht, ZBB 2015, 295; Tröger, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) – Allheilmittel oder quacksalberische Bankenregulierung?, ZBB 2013, 373; Tröger, The Single Supervisory Mechanism–Panacea or Quack Banking Regulation? Preliminary Assessment of the New Regime for the Prudential Supervision of Banks with ECB
42 | Freis-Janik
Grundsätzliches | Teil 2 Involvement, EBOR 15, 2014, 449; Tröger, Taking bail-in seriously: The looming risks for banking policy in the rescue of Monte Paschi di Siena, SAFE Policy Letter No. 56 (21.6.2017); Tröger, Zu kompliziert, um zu funktionieren – Eine kritische Bewertung des Bail-in-Instruments im europäischen Recht der Bankenabwicklung, ZBB 2018, 20; Veil, Europäische Kapitalmarktunion – Verordnungsgebung, Instrumente der europäischen Marktaufsicht und die Idee eines „Single Rulebook“, ZGR 2014, 544;Voge, Zum Tatbestand der Anlageverwaltung im Sinne des § 1Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG, WM 2010, 915; Weber, Einlagensicherung und Anlegerentschädigung in Deutschland – Status quo und Ausblick, ZfgK 2008, 560; Weber/Grauer/Schmid, Regulierung des Finanzsektors – Entwicklungen im dritten und vierten Quartal 2018, WPg 2018, 463; Weber/Grauer/Schmid, Regulierung des Finanzsektors, WPg 2018, 637; Weber-Rey/Gissing, Gruppen-Governance – das Gruppeninteresse als Teil des internen Governance-Systems im Finanzsektor, AG 2014, 884; Weiß/Schackmann-Fallis/ Ganguli, EU-Bankenaufsicht: Wer garantiert Transparenz und demokratische Legitimation des neuen Systems?, 2016; Werner, Wesentliche Änderungen des Rechts der Zahlungsdienste durch Umsetzung der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie in deutsche Recht, WM 2018, 449; Wittig, Bankaufsichtsrechtliche Grundlagen des (internen) Ratings und seine Transformation in das Darlehensverhältnis mit Unternehmen, ZHR 169 (2005), 212; Wojcik, Bericht aus Brüssel: Inhalt und Verfahrensstand anhängiger Gesetzgebungsvorhaben im Bankrecht/Kapitalmarktrecht auf EU-Ebene, Teil 1, ZBB 2018, 250; Wojcik/Ceyssens, Der einheitliche EU-Bankenabwicklungsmechanismus: Vollendung der Bankenunion, Schutz des Steuerzahlers, EuZW 2014, 893; Zeitler, Vergessene Ursachen der Banken- und Finanzkrise, WM 2012, 673; Zerwas/Hanten, Abgrenzungsprobleme und Ausnahmen bei Handelsaktivitäten nach der 6. KWG-Novelle, ZBB 2000, 44.
1. Abschnitt: Grundsätzliches I. Rahmenbedingungen des Bankaufsichtsrechts und des KWG Stabilität und Funktionsfähigkeit des Bankensystems sind von elementarer Bedeutung für das Wohlergehen und die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Die ursprüngliche zentrale Funktion der Kreditwirtschaft im Allgemeinen und Banken im Speziellen als Finanzintermediär, d.h. als Sammel- und Aufbewahrungsstellen finanzieller Mittel, deren Bereitstellung (Kreditgeberfunktion) und Transformation hinsichtlich Laufzeit und Risiko, wurde mit der Zeit weiter ausgebaut. In letzter Zeit werden als weitere gesamtwirtschaftliche Funktionen zudem die Abwicklung des Zahlungsverkehrs sowie die Rolle von Banken im Zusammenhang mit dem Informationsbedarf von Kapitalanlegern gesehen1.
2.1
Aufgrund der internationalen Tätigkeit von Banken und der immer stärkeren Vernetzung von Volkswirtschaften im Rahmen eines globalen Handels, kommt der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit von Bankensystemen mittlerweile eine immer stärkere internationale Relevanz zu (vgl. Rz. 1.18 ff. und Rz. 1.23).
2.2
In der gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeit dieser Funktionen und des damit einhergehenden Erfordernisses eines verlässlichen Bankensystems liegen Zweck und Notwendigkeit der Bankenregulierung als staatlichem Eingriff begründet2. Neben nationalen Regu-
2.3
1 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. KWG Rz. 167; Neus in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, Einf. 1 Rz. 8; Fischer/Boegl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, § 125 Rz. 19 ff. 2 Vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 KWG; dazu ausführlich auch Neus in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, Einf. Rz. 1 ff. und Rz. 17; Fischer/Boegl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, § 125 Rz. 19–22; BaFin unter: https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/ Bankenaufsicht/bankenaufsicht_node.html.
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Grundsätzliches | Teil 2 Involvement, EBOR 15, 2014, 449; Tröger, Taking bail-in seriously: The looming risks for banking policy in the rescue of Monte Paschi di Siena, SAFE Policy Letter No. 56 (21.6.2017); Tröger, Zu kompliziert, um zu funktionieren – Eine kritische Bewertung des Bail-in-Instruments im europäischen Recht der Bankenabwicklung, ZBB 2018, 20; Veil, Europäische Kapitalmarktunion – Verordnungsgebung, Instrumente der europäischen Marktaufsicht und die Idee eines „Single Rulebook“, ZGR 2014, 544;Voge, Zum Tatbestand der Anlageverwaltung im Sinne des § 1Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG, WM 2010, 915; Weber, Einlagensicherung und Anlegerentschädigung in Deutschland – Status quo und Ausblick, ZfgK 2008, 560; Weber/Grauer/Schmid, Regulierung des Finanzsektors – Entwicklungen im dritten und vierten Quartal 2018, WPg 2018, 463; Weber/Grauer/Schmid, Regulierung des Finanzsektors, WPg 2018, 637; Weber-Rey/Gissing, Gruppen-Governance – das Gruppeninteresse als Teil des internen Governance-Systems im Finanzsektor, AG 2014, 884; Weiß/Schackmann-Fallis/ Ganguli, EU-Bankenaufsicht: Wer garantiert Transparenz und demokratische Legitimation des neuen Systems?, 2016; Werner, Wesentliche Änderungen des Rechts der Zahlungsdienste durch Umsetzung der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie in deutsche Recht, WM 2018, 449; Wittig, Bankaufsichtsrechtliche Grundlagen des (internen) Ratings und seine Transformation in das Darlehensverhältnis mit Unternehmen, ZHR 169 (2005), 212; Wojcik, Bericht aus Brüssel: Inhalt und Verfahrensstand anhängiger Gesetzgebungsvorhaben im Bankrecht/Kapitalmarktrecht auf EU-Ebene, Teil 1, ZBB 2018, 250; Wojcik/Ceyssens, Der einheitliche EU-Bankenabwicklungsmechanismus: Vollendung der Bankenunion, Schutz des Steuerzahlers, EuZW 2014, 893; Zeitler, Vergessene Ursachen der Banken- und Finanzkrise, WM 2012, 673; Zerwas/Hanten, Abgrenzungsprobleme und Ausnahmen bei Handelsaktivitäten nach der 6. KWG-Novelle, ZBB 2000, 44.
1. Abschnitt: Grundsätzliches I. Rahmenbedingungen des Bankaufsichtsrechts und des KWG Stabilität und Funktionsfähigkeit des Bankensystems sind von elementarer Bedeutung für das Wohlergehen und die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Die ursprüngliche zentrale Funktion der Kreditwirtschaft im Allgemeinen und Banken im Speziellen als Finanzintermediär, d.h. als Sammel- und Aufbewahrungsstellen finanzieller Mittel, deren Bereitstellung (Kreditgeberfunktion) und Transformation hinsichtlich Laufzeit und Risiko, wurde mit der Zeit weiter ausgebaut. In letzter Zeit werden als weitere gesamtwirtschaftliche Funktionen zudem die Abwicklung des Zahlungsverkehrs sowie die Rolle von Banken im Zusammenhang mit dem Informationsbedarf von Kapitalanlegern gesehen1.
2.1
Aufgrund der internationalen Tätigkeit von Banken und der immer stärkeren Vernetzung von Volkswirtschaften im Rahmen eines globalen Handels, kommt der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit von Bankensystemen mittlerweile eine immer stärkere internationale Relevanz zu (vgl. Rz. 1.18 ff. und Rz. 1.23).
2.2
In der gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeit dieser Funktionen und des damit einhergehenden Erfordernisses eines verlässlichen Bankensystems liegen Zweck und Notwendigkeit der Bankenregulierung als staatlichem Eingriff begründet2. Neben nationalen Regu-
2.3
1 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. KWG Rz. 167; Neus in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, Einf. 1 Rz. 8; Fischer/Boegl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, § 125 Rz. 19 ff. 2 Vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 KWG; dazu ausführlich auch Neus in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, Einf. Rz. 1 ff. und Rz. 17; Fischer/Boegl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, § 125 Rz. 19–22; BaFin unter: https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/ Bankenaufsicht/bankenaufsicht_node.html.
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lierungsbestrebungen in Deutschland werden dabei aufgrund der vorgenannten internationalen Tätigkeit von Banken und der internationalen Relevanz stabiler Bankensysteme in zunehmendem Umfang Regulierungsmaßnahmen und -standards auf europäischer und internationaler Ebene aufgegriffen, entwickelt, vereinbart und implementiert. Beispiele hierfür sind u.a. die Zusammenarbeit auf EU-Ebene (vgl. dazu Rz. 2.11 ff.), die Arbeit des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) (vgl. Rz. 2.180 ff.) sowie die Vereinbarungen zu Maßnahmen in der Finanzmarktregulierung im Rahmen der G7- (früher G8-) oder G20-Treffen (vgl. Rz. 1.18 ff.)1.
2.4
Nicht nur auf europäischer oder deutscher Ebene, sondern auch aus internationaler Sicht, zählt der Bankensektor daher mittlerweile zu einem der am dichtesten regulierten Wirtschaftszweige2. Dies ist insbesondere auch Folge der Finanzmarktkrise der Jahre 2007 und 2008. Eine weitere Zunahme der Regulierung ist absehbar, auch wenn Rufe nach einer Regulierungskonsolidierung immer lauter werden, insbesondere mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit (unterschiedliche Maßstäbe für kleine regionale Banken und global agierender Großinstitute) und Effektivität des regulatorischen Rahmens (s. dazu Rz. 2.38).
2.5
Konnte das Bankaufsichtsrecht in Deutschland und Europa bis vor wenigen Jahren noch als überschaubare, im Tagesgeschäft gut zu handhabende Materie angesehen werden, so wurden vor allem seit der Finanzmarktkrise eine Vielzahl an Regulierungsvorhaben auf nationaler und europäischer Ebene verabschiedet, welche einen komplexen und zunehmend anspruchsvoll zu handhabenden rechtlichen Regulierungsrahmen formen.
2.6
Neben dieser inhaltlichen Komplexität stellen auch die Regulierungsaktivitäten vieler verschiedener Ebenen und Bereiche mit unterschiedlichen Schwerpunkten eine immer vordringlichere Herausforderung an Regulatoren, Aufsicht und Institute. Dies gilt insbesondere für die damit einhergehende Notwendigkeit der Vermeidung eines unübersichtlichen und im schlimmsten Fall sogar widersprüchlichen Regulierungsrahmens. Zudem gilt es zu verhindern, dass allein durch den zeitlichen, personellen und monetären Aufwand der Institute hinsichtlich der Umsetzung und Einhaltung sich ständig verändernder regulatorischer Anforderungen (sog. Regulatory Costs) und damit einer Ressourcenknappheit zur Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle und Anpassung an Anforderungen u.a. der Digitalisierung, eine neue Risikoart für die Wirtschaftlichkeit der Institute, das sog. Regulatory Risk, entsteht3.
2.7
Unbeschadet der Regulierung auf europäischer Ebene (vgl. Rz. 2.14) ist weiterhin das Gesetz über das Kreditwesen (KWG) der zentrale rechtliche Rahmen für die Zulassung und laufende Tätigkeit als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut in Deutschland. Im KWG wird ein qualitativer und quantitativer regulatorischer Rahmen gesetzt, innerhalb dessen Bankgeschäft betrieben werden darf. Historisch wurde infolge der Bankenkrise des Jahres 1931 nach Übergangsregelungen durch Notverordnungen in 1934 durch das Inkrafttreten des Reichsgesetzes über das Kreditwesen (Reichs-KWG) erstmals eine allgemeine Bankenaufsicht errichtet und ein konsolidiertes Regelwerk etabliert. Das Reichs-KWG diente als Vorläufer zum heutigen KWG, welches erstmals 1961 in Kraft trat. Bis heute hat das KWG zahlreiche Änderungen und Novellierungen erfahren, welche in den letzten Jahr1 Übersicht in Fischer/Boegl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, § 125 Rz. 77 ff., § 126 Rz. 55. 2 Bereits Wittig in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 1.9. 3 Die bank; Artikel v. 11.7.2016 „Regulierung Basel IV droht Banken zu überfordern“.
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zehnten in zunehmend kürzeren Abständen folgten. Neben den Bestrebungen des nationalen Gesetzgebers zur sachgerechten Regelung auch unter Berücksichtigung von Einzelthemen (z.B. das sog. Trennbankengesetz in Deutschland, vgl. Rz. 2.160 ff.) sind diese Änderungen und Novellierungen im Zuge der zunehmenden Europäisierung der Bankenregulierung hauptsächlich auch auf die Umsetzung von EU-Richtlinien oder Ausübung nationaler Wahlrechte in EU-Verordnungen zurückzuführen1. Die Hauptaufgaben der Bankenaufsicht im Rahmen des KWG liegen vor allem im Bereich der Gefahrenabwehr2. Sie bestehen im Rahmen der laufenden Aufsicht im Entgegenwirken von Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen, welche die Sicherheit von den Instituten anvertrauten Vermögenswerten gefährden, die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft nach sich ziehen können3. Dabei liegt ein Fokus der Aufsicht darin, wirtschaftlichen Fehlanreizen und dadurch entstandener oder drohender Missstände entgegenzuwirken sowie systemische Risiken zu vermeiden bzw. frühzeitig zu kontrollieren4. Dazu nimmt die Bankenaufsicht ihre Aufgaben im öffentlichen Interesse wahr und ihre Verpflichtung zur Aufsicht gilt ausschließlich gegenüber der Allgemeinheit, nicht gegenüber einem einzelnen, durch eine unter ihrer Aufsicht stehende Bank geschädigten Dritten, vgl. § 4 Abs. 4 FinDAG5. Aus diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass es weder der Aufgabe noch den Möglichkeiten einer Bankenaufsicht entspricht, die Schieflage oder Insolvenz eines jeden Instituts zu verhindern6.
2.8
In Übereinstimmung mit den Grundsätzen der freien, sozialen Marktwirtschaft folgen Regelungszweck und -inhalt des KWG, insbesondere Aufbau, Aufgaben und Befugnisse der Bankenaufsicht, einem prinzipiellen Dreiklang. Zunächst liegt die geschäftspolitische Verantwortung der Institutsführung bei den Geschäftsleitern und Eigentümern und die Bankenaufsicht hat diese zu respektieren. Dies gilt im Grundsatz, solange und soweit durch die Institutsführung die Erfüllung der vorgenannten Hauptaufgaben nicht gefährdet ist und die quantitativen und qualitativen regulatorischen Rahmenbedingungen des Aufsichtsrechts, insbesondere des KWG, eingehalten werden. Erst bei (drohender) Nichterfüllung dieser Voraussetzungen stehen der Bankenaufsicht nach spezifischen gesetzlichen Voraussetzungen Eingriffsbefugnisse in die Geschäftsführung zu.
2.9
Die Bankenregulierung und -aufsicht, auch unter dem KWG, folgt in der Regel verschiedenen konzeptionellen Systemen gleichzeitig, wobei zumeist ein ausbalanciertes Zusammenspiel aus auf den ersten Blick gegensätzlichen Ansätzen erfolgt. Beispiele hierfür sind die qualitative oder quantitative, die regelgebundene (rule-based) oder diskretionäre (principle-based) sowie die makro- oder mikroprudenzielle Aufsicht7.
2.10
1 Vgl. zur Historie ausführlich Neus in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, Einf. Rz. 141 ff.; Fischer/Boegl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, § 125 Rz. 37 ff. 2 Begr. zum Entwurf eines KWG, BT-Drucks. 3/1114; BT-Drucks. 3/2563. 3 § 6 KWG. 4 Ausführlich Neus in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, Einf. Rz. 35 ff. und § 6 KWG Rz. 1 ff.; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 6 KWG Rz. 2; s. auch schon Schelm in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 2.3. 5 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. 6 https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Bankenaufsicht/bankenaufsicht_node.html; Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. KWG Rz. 170. 7 Ausführliche Darstellung der Ansätze in Neus in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, Einf. Rz. 32 ff.
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II. Europäische Bankenaufsicht 2.11 Auf europäischer Ebene wurden im Zuge der Finanzmarktkrise der Jahre 2007 und 2008,
namentlich der Bankenkrise und darauf folgenden Staatsschuldenkrise, erhebliche Schwachstellen bei der Finanzaufsicht festgestellt. Auf europäischer Ebene wurden insbesondere „Mängel bei der Zusammenarbeit, bei der Koordinierung, bei der kohärenten Anwendung des Unionsrechts und ein Mangel an Vertrauen zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden“1 konstatiert. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch das Eingreifen einzelner Mitgliedstaaten zur Rettung einzelner Banken unter Verwendung öffentlicher Mittel, teilweise als „Bail-Out“ bezeichnet2. Unter den drängenden wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Finanzmarktkrise bestand der rasche Konsens über die Notwendigkeit grundlegender Schritte, zur Gewährleistung eines sicheren und stabilen Bankensystems und zur Verbesserung der finanziellen Integration und Stabilität im Binnenmarkt der Europäischen Union.
2.12 Die grundlegenden Maßnahmen liegen dabei zum einen auf der Ebene der Bankenregu-
lierung (normsetzender und -interpretierender Bereich) und zum zweiten auf der Ebene der Bankenaufsicht (vollziehender Bereich)3. Zum einen wurde und wird durch Schaffung eines umfassenden einheitlichen Regelwerks das Bankaufsichtsrecht in der Europäischen Union harmonisiert (sog. Single Rulebook). Zweites Element ist die Schaffung einer Europäischen Bankenunion. 1. Single Rulebook
2.13 Das Single Rulebook wird als europaweit einheitliches Regelwerk verstanden, unter wel-
chem die legislativen Maßnahmen zur Vervollständigung des einheitlichen europäischen Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen auf europäischer Ebene zusammengefasst werden4. Es besteht insofern aus einer Vielzahl von EU-Verordnungen und Richtlinien, bzw. diese umsetzende nationale Gesetze. Ziel des Single Rulebooks ist die einheitliche Auslegung und Anwendung regulatorischer Standards, u.a. Basel III, in allen Mitgliedstaaten sowie die Schließung regulatorischer Regelungslücken (sog. „level-playing-field“).
2.14 Die European Banking Authority (EBA) ist maßgeblich mit der Gestaltung des Single Ru-
lebooks betraut (s. Rz. 2.16)5. Das Single Rulebook umfasst die auch von den drei Säulen der Europäischen Bankenunion (s. unten), namentlich den Bereich der aufsichtsrechtlichen Anforderungen, der Restrukturierung und Abwicklung sowie des An- und Einlegerschutzes. Prägnante Bestandteile des Single Rulebooks sind
– die CRD IV (Eigenkapitalrichtlinie, Capital Requirements Directive IV)6 1 Begründung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA-Verordnung), Rz. 1. 2 Z.B. Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Commerzbank AG. 3 Zur Europäischen Kapitalmarktunion und ihren Elementen Veil, ZGR 2014, 544 ff. 4 Überblick zum SSM bei Veil, ZGR 2014, 544, 601 ff. 5 Vgl. Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde. 6 Richtlinie 2013/36/EU vom 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG Text von Bedeutung für den EWR, in jeweils aktueller Fassung.
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– die CRR (Kapitaladäquanzverordnung, Capital Requirements Regulations)1 – die BRRD (Bankensanierungs- und Abwicklungsrichtlinie; Banking Recovery and Resolution Directive)2 – die DGSD (Einlagensicherungsrichtlinie, Deposit Guarantee Scheme Directive)3 – die Technischen Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards, RTS) und Technischen Durchführungsstandards (Implementing Technical Standards, ITS), welche die Europäische Kommission auf Grundlage der vorgenannten Regelwerke erlässt – von der EBA veröffentlichte Leitlinien oder Empfehlungen, einschließlich des „Single Rulebook Q&A-Prozesses“ (s. Rz. 2.50) zur einheitlichen Auslegung und Anwendung der vorgenannten Regelwerke 2. Bankenunion Als zweites wegweisendes Element in Reaktion auf die Finanz- und Staatsschuldenkrise wurde ab 2012 die Europäische Bankenunion geschaffen4. Die Schaffung der Bankenunion wird als essentieller Schritt zur Finalisierung der Wirtschafts- und Währungsunion sowie zur Stärkung des EU-Binnenmarktes im Finanzdienstleistungssektor verstanden. Sie basiert auf den Art. 114 und 127 Abs. 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
2.15
Die Bankenunion in ihrer finalen Fassung basiert auf der Anwendung des Single Rulebooks als einheitlichem Regelwerk und setzt sich aus drei Säulen zusammen. Dies sind der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM), der Einheitliche Sanierungs- und Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) sowie einem Einheitlichen Europäischen Einlagensicherungssystem (European Deposit Insurance Scheme, EDIS). Aktuell sind zwei Säulen, der SSM und SRM errichtet. Hinsichtlich der dritten Säule, EDIS, wurde durch die DGSD ein erster, allerdings allein auf nationaler Ebene zu implementierendem, einheitlichem grundsätzlichem Standard der gesetzlichen Einlagensicherung geschaffen. Hinsichtlich der Finalisierung des gemeinsamen einheitlichen Systems der Einlagensicherung auf europäischer Ebene besteht jedoch weiterhin Einigungsbedarf auf Ebene der Mitgliedstaaten5 (vgl. dazu Rz. 2.36 f.).
2.16
1 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vom 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 Text von Bedeutung für den EWR, in jeweils aktueller Fassung. 2 Richtlinie 2014/59/EU vom 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/ EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/ EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates Text von Bedeutung für den EWR, in jeweils aktueller Fassung. 3 Richtlinie 2014/49/EU vom 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme Text von Bedeutung für den EWR, in jeweils aktueller Fassung. 4 Ausführliche Darstellung auch Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. KWG Rz. 167, Rz. 125 ff. 5 Herz, EuZW 2019, 60, 67 m.w.N. in Fn. 93 f.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
Europäische Bankenunion
SSM
Single Supervisory Mechanism
SRM
Single Resolution Mechanism
EDIS
European Deposit Insurance System
Single Rulebook
2.17 Durch die Schaffung der Europäischen Bankenunion in ihren Säulen soll die, im Zusam-
menhang mit der Finanz- und Staatsschuldenkrise als evidenter Missstand identifizierte, enge Verflechtung zwischen (nationalem) Bankensektor und öffentlichen Haushalten adressiert und aufgelöst werden. Durch die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung und Europäisierung des Bankensektors sowie der Schaffung der Eurozone als einheitlichem Währungsraum sind zudem Handlungsfelder entstanden, welche durch die Europäische Bankenunion adressiert werden. Durch einen einheitlichen Aufsichts- und Regulierungsrahmen soll die finanzielle Solidität von Banken abgetrennt werden von derjenigen der Länder, in welchen sie ansässig sind. Dadurch soll die Verwendung von öffentlichen nationalen Mitteln zur Rettung einzelner Institute („Bail-Out“) künftig vermieden und ein frühzeitiges, europaweit koordiniertes, einheitliches Eingreifen bei Schieflage eines Instituts ermöglicht werden. Zudem sollen die Risiken von grenzüberschreitenden Ansteckungseffekten und finanziellen Verwerfungen über ein Ursprungsland hinaus in anderen EULändern, insbesondere Mitgliedern der Eurozone, koordiniert und minimiert und die Finanzstabilität dadurch erhöht werden1.
2.18 Die Verfassungsmäßigkeit der Bankenunion, vor allem des SSM und des SRM, insbesondere
der darin eingeräumten Kompetenzen der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (Single Resolution Board, SRB) sowie der Konzeption des einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) ist in Deutschland weiter umstritten und derzeit Gegenstand vor dem BVerfG (BVerfG) anhängiger Verfassungsbeschwerden2. Gerügt werden u.a. die Verletzung von Eigentumsgrundrechten (Art. 14 Abs. 1 GG), der Kompetenzregelungen zu den Aufgaben der Deutschen Bundesbank und deren Übertragung auf die EZB (Art. 88 GG) sowie die mangelnde demokratische Legitimation der erlassenen Regelungen im Rahmen der Bankenunion gem. Art. 38 Abs. 1 1 http://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/88/bankenunion; https://www.bundesfinanz ministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2014/06/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-2-europaeischebankenunion.html. 2 BVerfG in Sachen „Europäische Bankenunion“, 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14; zuletzt mündliche Verhandlung am 27.11.2018, s. auch Pressemitteilung Nr. 73/2018 des BVerfG vom 5.9.2018.
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Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG. Das Verfahren ist zum Stichtag noch nicht abgeschlossen. Eine Vorlage an den EuGH ist möglich. a) Einheitlicher Aufsichtsmechanismus (SSM) Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus SSM trat am 4.11.2014 in Kraft1. Er umfasst alle Kreditinstitute der Euro-Zone sowie Institute solcher Nicht-Euro-Mitgliedstaaten, welche freiwillig am SSM teilnehmen (sog. Opt-In). Im Rahmen des SSM ist die EZB Aufsichtsbehörde für die laufende Aufsicht über als bedeutend eingestufte Kreditinstitute (Significant Institutions, SI). Die EZB tritt damit an die Stelle der bis vor dem 4.11.2014 für diese Institute zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden (National Competent Authority, NCA). Die Aufsicht über weniger bedeutende Kreditinstitute (Less Significant Institutions, LSI) erfolgt weiterhin durch die nationalen Aufsichtsbehörden (NCA). In Deutschland ist NCA weiterhin die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank. Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Schaffung des SSM und die EZB als Aufsichtsbehörde sind neben der EBAVerordnung2, die SSM-Verordnung3 sowie die SSM-Rahmenverordnung4.
2.19
Im Rahmen des SSM werden dabei nur solche Banken erfasst, auf welche die CRR Anwendung findet und die somit Kreditinstitut i.S.d. Art. 4 Abs. 1 (1) CRR (sog. CRR-Kreditinstitut) sind. CRR-Kreditinstitut ist ein Institut, welches Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennimmt und Kredite auf eigene Rechnung gewährt. Der Begriff des CRR-Kreditinstituts ist insoweit nicht deckungsgleich mit dem Begriff des Kreditinstituts i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG (vgl. Rz. 2.70 und 2.74). Institute, welche Kreditinstitut i.S.d. KWG sind (z.B. lediglich durch Betreiben des Einlagengeschäfts gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG, jedoch nicht des Kreditgeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) sind keine CRR-Kreditinstitute und damit nicht vom SSM und der Aufsicht durch die EZB erfasst.
2.20
Die Kriterien für die Einstufung von Instituten als bedeutend, mit der Folge, dass diese im Rahmen des SSM unter die direkte Aufsicht der EZB fallen, sind gem. Art. 6 Abs. 4 SSMVerordnung die Größe eines Instituts oder einer Institutsgruppe auf oberster Konsolidierungsebene, seine Relevanz für die Wirtschaft der Europäischen Union oder eines teilnehmenden Mitgliedstaates und die Bedeutung seiner grenzüberschreitenden Aktivitäten.
2.21
Ein Institut gilt insbesondere als bedeutend, wenn eines der folgenden Merkmale erfüllt ist5:
2.22
– Qualifikation als eines der drei größten Institute eines Mitgliedstaates – Gesamtwert der Aktiva übersteigt 30 Mrd. Euro – Gesamtwert der Aktiva liegt über 5 Mrd. Euro und übersteigt 20 % des Bruttoinlandsprodukts des ansässigen Mitgliedstaates 1 Ausführlich Tröger, EBOR 15, 2014, 449 ff.; Tröger, ZBB 2013, 373 ff.; Tröger, ZBB 2018, 20 ff.; Fischer/Boegl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, § 126 Rz. 1 ff.; Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 29 ff. 2 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (in ihrer jeweils aktuellen Fassung). 3 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013. 4 Verordnung (EU) Nr. 468/2014. 5 Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2–5 SSM-Verordnung i.V.m. Art. 39–42 und 50–66 SSM-Rahmenverordnung.
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– Meldung des Instituts durch die NCA als bedeutend für die Volkswirtschaft des ansässigen Mitgliedstaates und Bestätigung dieser Einschätzung durch die ECB – Bedarf oder Erhalt direkter staatlicher Unterstützung. Die Entscheidung über die Einstufung als SI trifft die EZB unter Einbindung der NCAs und nationalen Zentralbanken (National Central Banks, NCB) gem. Art. 39–42 SSM-Rahmenverordnung1.
2.23 Die im Rahmen des SSM auf die EZB übertragenen Kompetenzen und Aufgaben ergeben sich aus Art. 4 SSM-Verordnung und umfassen Neuerteilung und Entzug von Lizenzen für Kreditinstitute2 sowie weitreichende Aufsichts- und Untersuchungsbefugnisse für SIs. Darunter fallen die Überwachung der Anforderungen an Eigenkapital und Liquidität (z.B. Liquidity Coverage Ration, LCR), den Verschuldungsgrad (Leverage Ratio), Verbriefungen, Großkreditbeschränkungen, die Festlegung diverser Kapitalpuffer, Durchführung von Stresstests, Beurteilung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen, Verhängung von Geldbußen und frühzeitige Intervention bei Geldbußen, Veröffentlichung von Regelungen (u.a. Guidelines) hinsichtlich Eignungsanforderungen an Geschäftsleiter, Vergütungspraxis, Unternehmensführung, Risikomanagementverfahren, interne Kontrollmechanismen, Verfahren zur Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals und der Liquidität (Internal Capital oder Liquidity Adequacy Assessment Process, ICAAP, ILAAP) sowie die Zulassung auf internen Ratings basierender Modelle. 2.24 Zudem kann die EZB Leitlinien, Verordnungen und allgemeine Anweisungen erlassen, welche die NCAs bei ihrer Aufsichtstätigkeit hinsichtlich LSIs zu beachten haben (Art. 6 Abs. 5 und 4 SSM-Verordnung). 2.25 Bei der EZB werden zur laufenden Aufsicht über einzelne SIs bzw. Institutsgruppen, welchen ein SI angehört, sog. Joint Supervisory Teams (JST) eingerichtet3. Die NCAs und nationalen Zentralbanken (NCB) der jeweiligen SIs entsenden Vertreter als Mitglieder in das jeweilige JST und werden so, neben den Vertretern der ECB im JST, an der Aufsicht über die jeweils in ihrem Mitgliedsland ansässigen SI’s beteiligt. Zur weiteren Aufsichtstätigkeit der EZB sowie deren Ausgestaltung vgl. Rz. 2.53 ff. 2.26 Ab dem 1.1.2019 werden 119 Institute als SI eingestuft und direkt von der EZB beaufsichtigt4. Die im Vergleich zu den Vorjahren erfolgten Veränderungen sind u.a. auf im Rahmen des Brexit zu erwartende oder erfolgte Umstrukturierungen sowie auf aus Reorganisationen und Fusionen resultierende Komplexitätszunahme zurückzuführen. 2.27 Die Einstufung als SI war bereits Gegenstand gerichtlicher Verfahren. So hatte die Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank (L-Bank) gegen ihre Einstufung als SI Rechtsmittel ergriffen5. Hintergrund war v.a. die aus Sicht der L-Bank bestehende Unver1 https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.list_of_supervised_entities_201802.en. pdf. 2 EZB Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen, 2. überarbeitete Version, veröffentlicht am 9.1.2019. 3 Art. 3 SSM-Rahmenverordnung. 4 EZB, Pressemitteilung vom 14.12.2018; aktuelle Liste der EZB über die von ihr direkt beaufsichtigten Institute und Gruppen abrufbar unter https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/ pdf/ssm.list_of_supervised_entities_201802.en.pdf. 5 Az. T-122/15 vom 16.5.2017; L-Bank hat gegen das Urteil Rechtsmittel zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingelegt (C-450/17), das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
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hältnismäßigkeit, aufgrund ihres Risikoprofils und Geschäftsmodells als öffentliche Förderbank sowie aus weiteren Erwägungen (u.a. hinsichtlich dem durch die direkte EZB-Aufsicht anfallenden höheren Aufwand). Das die Nichtigkeitsklage ablehnende Urteil des Europäischen Gerichts (EuG) wurde kontrovers diskutiert1. Die Diskussion über die Zweckmäßigkeit der EZB-Aufsicht über staatliche Förderbanken wurden im Rahmen des derzeitigen Trilogverfahrens auf europäischer Ebene zum sog „Banking Reform Package“2 zur Überarbeitung der CRR (CRR II), CRD IV (CRD V) und BRRD (BRRD II) aufgegriffen (s. Rz. 2.38 f.). Im Zuge dessen wurden nun durch namentliche Auflistung in Art. 2 Abs. 5 CRD V selbstständige Förderbanken aus dem Anwendungsbereich der CRD V und damit der SSM-Aufsicht (insbesondere als SI durch die ECB) genommen. Durch die Regelung des § 1a KWG sind diese neu ausgenommenen Förderbanken jedoch weiter als Kreditinstitute der Aufsicht durch die BaFin und den Regelungen der CRR unterstellt. b) Einheitlicher Sanierungs- und Abwicklungsmechanismus (SRM) Zweite Säule der Bankenunion ist der Einheitliche Sanierungs- und Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM). Er wurde im Trilogverfahren im April 2014 angenommen, um die zuletzt im Rahmen der Finanzmarktkrise evident hervorgetretenen europaweiten Herausforderungen im Umgang mit Instituten in Schieflage unter Anwendung nationalem (Insolvenz-)Rechts zu adressieren. Ziel des SRM ist die Schaffung eines effektiven und einheitlichen legislativen und exekutiven Rahmens (level-playing-field) zur Gewährleistung einer geordneten, effizienten und zügigen Sanierung oder Abwicklung von Instituten, auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Die Vermeidung von Beeinträchtigungen oder anderweitige negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität, die Realwirtschaft und die öffentlichen Haushalte in der Eurozone und der Europäischen Union ist dabei grundlegender Zweck3. Neben dem materiellen Recht der BRRD und den jeweiligen nationalen Implementierungsgesetzen ist die SRM-Verordnung4 am 19.8.2014 in Kraft getreten. Diese legt einen einheitlichen Rahmen für Entscheidungsprozesse bei Abwicklungen in der Bankenunion fest.
2.28
Der Anwendungsbereich des SRM entspricht im Grundsatz dem des SSM5. Er setzt sich im Wesentlichen aus zwei Elementen zusammen. Zum einen wurde auf Ebene der Bankenunion der einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board, SRB) etabliert. Das SRB ist in der Bankenunion die zuständige Abwicklungsbehörde für bedeutende Kreditinstitute (SI) und für grenzüberschreitende Gruppen (Mutter und mindestens ein Tochterunternehmen in mindestens zwei verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassen). Dies entspricht den Instituten, welche im Rahmen des SSM unter direkter Aufsicht der EZB stehen (vgl. Rz. 2.20). Der SRB nimmt diese Funktion seit dem Jahr 2016 wahr. Spiegelbildlich zu den nationalen Aufsichtsbehörden (NCA) im Bankaufsichtsbereich wurden in den Mitgliedstaaten nationale Abwicklungsbehörden (National Resolution Authority, NRA) etabliert. Diese sind in der Bankenunion zuständige Abwicklungsbehörden für weniger bedeutende Kreditinstitute (LSI)6. In Deutschland vereint die BaFin seit 1.1.2018 die
2.29
1 Herz, EuZW 2018, 5 ff.; Müller-Graff, EuZW 2018, 101 ff.; Tröger, SAFE Policy Letter No. 56. 2 Link Banking Reform Package (z.B. PwC, EU legislative); Überblick zu Stand Banking Reform Package s. Rz. 2.38 f. 3 Ausführlich Neus in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, Einf. Rz. 201 ff. 4 Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2014. 5 Vgl. Kemper, S. 73. 6 Art. 2, 4 und 7 (4) lit. b SRM-Verordnung, ausführlich Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 162 ff.
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Funktion der NCA und NRA, davor war die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) NRA in Deutschland. Die im Rahmen des SRM auf das SRB übertragenen Aufgaben und Zuständigkeit ergeben sich aus Art. 7 SRM-Verordnung.
2.30 Zum zweiten erfolgte die Einführung einheitlicher Abwicklungsinstrumente in der Bankenunion sowie einer klaren Haftungskaskade für die Zwecke der Abwicklungsfinanzierung. Dies hat insbesondere zur Folge, dass nach den Prinzipien des SRM die Kosten für eine Sanierung oder Abwicklung eines Instituts von seinen Eigen- und Fremdkapitalgebern, d.h. Eigentümern und Gläubigern (abgesicherte Einleger ausgenommen) zu tragen sind, die Verwendung von öffentlichen Mitteln und Steuergeldern zur Bankenrettung soll hingegen weitgehend ausgeschlossen werden1. 2.31 Zum Zwecke der privaten Abwicklungsfinanzierung wurde zudem auf europäischer Ebene ein gemeinsamer Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) geschaffen. Der SRF wird als Eigentum des SRB von diesem verwaltet. Die Mittel des SRF werden schrittweise über einen Zeitraum von 8 Jahren seit dem 31.12.2015 von den Kreditinstituten in der Bankenunion über die sog. Bankenabgabe erhoben2. Seine dynamische Zielausstattung soll bis Ende 2023 erreicht sein und mindestens 1 % der auf Basis der Einlagensicherungsrichtlinie (DGSD) abgedeckten Einlagen aller zugelassenen Kreditinstitute in der Bankenunion umfassen (Zielvolumen derzeit ca. 55 Mrd. Euro, für den Stichtag 31.12.2017 wurden bislang 24,9 Mrd. Euro erhoben)3. Das SRB kann die Mittel des SRF zur Verlustdeckung oder Rekapitalisierung von Instituten verwenden, allerdings nur, soweit zuvor durch die Beteiligung von Anteilseignern und Gläubigern im Rahmen eines sog. Bail-In (s. Rz. 2.352 ff.) ein Beitrag zur Verbesserung der Verlustabsorptionsfähigkeit und Rekapitalisierung des Instituts i.H.v. mindestens 8 % der Gesamtverbindlichkeiten (inkl. regulatorischer Eigenmittel) erfolgt ist4. 2.32 Die jährlich erhobene Bankenabgabe auf europäischer Basis zum SRF löst in Deutschland die bisherige Abgabe der Banken in den deutschen Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) nach dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStFG) bzw. in den Restrukturierungsfonds gem. Restrukturierungsgesetz (RStruktFG) ab. Mittel, die vor Schaffung des SRF von Instituten in Deutschland in den SoFFin geleistet wurden, werden seit Schaffung des SRF nicht mehr für neue Rettungsmaßnahmen an in den SRF leistenden Instituten verwendet. Es erfolgt – anders als für die Beiträge in den Restrukturierungsfonds5 – auch keine Anrechnung auf Beitragspflichten der Institute in den SRF, was rechtlich und wirtschaftlich durchaus kritisch gesehen werden kann6. 2.33 Die jährliche Berechnung der Bankenabgabe zum SRF erfolgt für jedes Institut auf einheitlicher Rechtsgrundlage7 durch das SRB. Auf Anweisung des SRB werden die Bankenabgaben der Institute durch die jeweiligen NRA erhoben und von diesen an den SRF überwiesen. 1 In der Öffentlichkeit wird dies oftmals unter den Begriffen „Bail-in“ vs. „Bail-out“ diskutiert. 2 Hanten/Hanten, WM 2017, 649 ff.; Brandt/Güth in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 546 ff.; Gurlit, WM 2016, 2053 ff. 3 SRB Pressemitteilung vom 24.7.2018. 4 Art. 27 (7) a) SRM-Verordnung und Erwägungsgründe 78 und 80. 5 §§ 12 ff. RStruktFG i.V.m. RStruktFV. 6 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, WD 4 – 3000 – 233/14 zur Mittelverwendung der Beiträge des Restrukturierungsfonds https://www.bundestag.de/blob/408052/5eb26 c74afff0be84e058d035b6a2b06/wd-4-233-14-pdf-data.pdf. 7 SRM-Verordnung, DVO 2015/81; Delegierte Verordnung 2015/63.
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Grundsätzliches | Teil 2
Während des Übergangszeitraums bis Ende 2023 bestehen im SRF sog. „nationale Kammern“, welchen die auf nationaler Ebene erhobenen Beiträge in einem schrittweise abnehmenden Verhältnis zugeordnet bzw. in den europäischen Topf überführt werden. Während der Aufbauphase sollen Stabilisierungsmaßnahmen für Institute primär aus der jeweiligen nationalen Kammer finanziert werden, es besteht jedoch die Möglichkeit zur Brückenfinanzierung über Kreditlinien aus anderen nationalen Kammern. Die Rechtmäßigkeit der Bankenabgabe grundsätzlich und der Gebührenbescheide im Einzelnen ist derzeit Gegenstand in einem laufenden Verfahren vor dem EuG bzw. zahlreicher laufender Widerspruchsverfahren1. Die wesentlichen Befugnisse der Abwicklungsbehörden im Rahmen des SRM sind in Art. 63 (1) BRRD zusammengefasst. Danach kann verlangt oder vorgenommen werden:
2.34
– die Vorlage sämtlicher zur Vorbereitung von Abwicklungsmaßnahmen erforderlicher Informationen – die Übernahme der Kontrolle über eine in Abwicklung befindliche Bank und Ersetzen der Geschäftsleitung – die Ausübung sämtlicher bei den Eigentümern oder der Geschäftsleitung liegender Rechte und Befugnisse durch die Abwicklungsbehörde – die Übertragung von Anteilen, Rechten, Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten von dem Institut auf ein anderes Unternehmen – Änderung der Fälligkeit berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten, deren nominelle Herabschreibung oder Umwandlung in Unternehmensanteile (sog. Bail-In) – Annullierung oder Herabschreibung von Unternehmensanteilen Die Ziele des SRM entsprechen den in der BRRD adressierten vier Bereichen2. Diese sind: Abwicklungsplanung3,
– „Vorbereitung“ durch laufende Sanierungs- und d.h. unabhängig von einem konkreten Krisenfall sind hinsichtlich eines jeden Instituts Vorkehrungen für den Krisenfall zu treffen. Diese bestehen aus einem Sanierungsplan (erstellt durch das Institut, abgenommen durch die Aufsichtsbehörde, zeigt mögliche Maßnahmen auf, welche das Institut ergreifen kann, um einen Krisenfall selbst zu bewältigen), einem Abwicklungsplan (erstellt durch die Abwicklungsbehörde in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde, dient als „Blaupause“ für den Krisenfall und legt die aus Behördensicht bevorzugte Abwicklungsstrategie4 fest) sowie der Sicherstellung der Abwicklungsfähigkeit des Instituts (Abwicklungsbehörde in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde beurteilt laufend das Bestehen von Abwicklungshindernissen in einem Institut und kann dessen Beseitigung anordnen und diesbzgl Maßnahmen ergreifen). 1 Nichtigkeitsklage zum EuG v. 23.8.2016 – NRW.Bank ./. SRB (Rechtssache T-466/16; ABl. Nr. C 371 v. 10.10.2016, S. 28), mangels hinreichender Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlagen wird die Rechtswidrigkeit der Durchführungsverordnungen zur Richtlinie 2014/50/EU und zur Verordnung (EU) Nr. 806/2014 angemahnt. Auch werden die von der FSMA bzw. BaFin ausgestellten Gebührenbescheide als nicht hinreichend bestimmt und begründet i.S.d. §§ 37 Abs. 1, 39 VwVfG angesehen. SRB, FMSA und BaFin sehen hier Geheimhaltungspflichten als rechtfertigenden Grund für die durch die Institute teils nicht nachvollziehbaren Berechnungen. 2 Vgl. ausführlich unten Abschnitt 7 (Rz. 2.312 ff.). 3 Art. 4 bis 26 BRRD; vgl. ausführlich unten Abschnitt 7 (Rz. 2.316 ff.). 4 Sog. Single Point of Entry (SPE) vs. Multiple Point of Entry (MPE) Approach, vgl. Rz. 2.323 und Rz. 2.325.
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2.35
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
– Frühinterventionsmaßnahmen1, d.h. bei einer sich abzeichnenden (noch nicht eingetretenen/festgestellten) Schieflage eines Instituts kann die Aufsichtsbehörde nach Abstimmung mit der Abwicklungsbehörde von umfangreichen Befugnissen Gebrauch machen, um diese abzuwenden. Dabei steht der Sanierungsgedanke im Vordergrund. – Abwicklung2, d.h. sofern Sanierungs- oder Frühinterventionsmaßnahmen nicht erfolgreich sind oder bereits anfänglich als nicht erfolgsversprechend bewertet werden, findet das die BRRD und den SRM prägende Abwicklungsregime Anwendung. Wird das Institut als ausfallend oder bestandsgefährdet (failing oder likely to fail) beurteilt, kann die Abwicklungsbehörde von den ihr zustehenden weitreichenden Abwicklungsinstrumenten und -befugnissen Gebrauch machen. Hier wird v.a. der Grundsatz deutlich, wonach der Einsatz öffentlicher Mittel zur Bankenrettung und -abwicklung prinzipiell ausgeschlossen sein sollen. – Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den nationalen Behörden, einschließlich Besonderheiten bei grenzüberschreitender Gruppenabwicklung und Drittlandbeziehungen3. c) Einheitliches Europäisches Einlagensicherungssystem (EDIS)
2.36 Als dritte Säule der Bankenunion ist weiterhin die Schaffung eines einheitlichen Europäischen Einlagensicherungssystems (European Deposit Insurance Scheme, EDIS) vorgesehen. Durch die DGSD wurde ein erster, allerdings allein auf nationaler Ebene zu implementierender, einheitlicher grundsätzlicher Standard der gesetzlichen Einlagensicherung geschaffen (vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 2.292 ff.). Auch hat die Europäische Kommission am 24.11.2015 einen Entwurf einer Verordnung zur Schaffung der dritten Säule vorgelegt4. Darin wird die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung auf Ebene der Bankenunion in drei Schritten bis 2024 vorgeschlagen. Analog des im Rahmen des SRM geschaffenen SRF soll für die dritte Säule ein Einlagensicherungsfonds (Deposit Insurance Fund, DIF) eingerichtet werden. Gegen den Vorschlag der Europäischen Kommission, sowohl dessen konzeptionelle als auch zeitliche Vorstellungen, gab und gibt es vor allem aus deutscher Sicht weiterhin politische und rechtliche Bedenken5. 2.37 Diese werden vor allem in der Gefahr der Bankenunion-weiten Vergemeinschaftung des Ausfallrisikos von Banken und der falschen Anreizsetzung für Nationalstaaten und Banken durch diese Haftungsvergemeinschaftung gesehen. Derzeit herrsche ein noch zu inhomogenes Risiko- und Stabilitätsniveau der einzelnen nationalen Bankensektoren im Vergleich. Unter Verweis auf den Fahrplan des Rates zur Vollendung der Bankenunion vom Juni 1 2 3 4
Art. 27 bis 30 BRRD; vgl. ausführlich Rz. 2.335 ff. Art. 31 bis 86 BRRD; vgl. ausführlich Rz. 2.339 ff. Art. 87 ff. BRRD; vgl. ausführlich Rz. 2.330 ff. https://ec.europa.eu/info/publications/commission-proposal-european-deposit-insurance-schemeedis_en; hierzu Herdegen, WM 2016, 1857 ff. und 1905 ff. 5 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu ihrer Position zur europäischen Einlagensicherung vom 29.6.2018, BT-Drucks. 19/3076; https://bdi.eu/artikel/news/die-vollendungder-bankenunion-eine-unendliche-geschichte/; https://bankenverband.de/dossier/europaische-ban kenunion/europaische-einlagensicherung/; vgl. Wojcik, ZBB 2018, 250, 254 f.; FAZ vom 6.10. 2017, S. 15 „Brüssel wagt neuen Vorstoß in der Einlagensicherung“ (Autoren hmk/maf/mas); Berschens/Kröner in Handelsblatt vom 5.10.2017 „Hoffnung für die Sparer“; Kolassa in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 138 Rz. 11 ff.
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Grundsätzliches | Teil 2
2016 (ECOFIN-Roadmap) wird als Bedingung für die Aufnahme von Verhandlung zur Schaffung der dritten Säule vor allem ein weiterer zuvor notwendiger substantieller Risikoabbau im Bankensektor gesehen1. Dies vor allem mit Blick auf von nationalen Banken gehaltene Staatsrisiken durch die von ihnen erworbenen Staatsanleihen ihres Heimatstaates und die in diesem Zusammenhang geforderte adäquate Gewichtung und Eigenkapitalhinterlegung der Risiken von Staatsanleihen bei Banken. Zudem wird eine vollständige Umsetzung der DGSD und Harmonisierung des Schutzniveaus der nationalen Einlagensicherungssysteme in sämtlichen Mitgliedstaaten gefordert2. Auch die seitens der Kommission im Laufe des Jahres 2018 vorgeschlagenen Modifikationen zum ursprünglichen Entwurf haben diese Bedenken nicht maßgeblich beseitigen können. Am 23.11.2016 hat die EU-Kommission ein umfassendes Paket von Reformen der europäischen Regulierungswerks für Banken3, v.a. der CRR, BRRD und CRD vorgelegt, mit dem die Risiken im europäischen Bankensektor weiter gesenkt werden sollen (sog. Banking Reform Package). Ziel des Reformpakets ist die weitere Vervollständigung des Regulierungsrahmens für die Finanzmärkte. Die Reformvorschläge umfassen Elemente, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht und vom Rat für Finanzstabilität (FSB) vereinbart wurden. Sie sollen die Widerstandsfähigkeit der europäischen Institute stärken und die Aufsicht über grenzüberschreitende Bankengruppen verbessern. Besonderes Augenmerk liegt dabei u.a. auf der Einführung einer modifizierten Haftungskaskade im Rahmen der BRRD (s. dazu Rz. 2.359 ff.), der Implementierung von Mindestanforderungen an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit global systemrelevanter Banken (G-SIB) (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC). Zudem wird ein gewisses Maß an Proportionalität für kleine, nicht komplexe Institute (small and non-complex) i.S.d. modifizierten Art. 4 Abs. 1 Nr. 145 CRR II eingeführt. Damit gehen teilweise erleichterte Kapitalberechnungs- und erleichterte Offenlegungsanforderungen für diese Institute einher.
2.38
Nach langwierigen und umfangreichen Verhandlungen hat am 15.2.2019 der Rat der Europäischen Union4 die finalen Entwürfe des Banking Reform Package zur Änderung der Eigenmittelverordnung und -richtlinie (CRR II und CRD V), der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD II) und der Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRMR II) gebilligt. Das Banking Reform Package wurde in erster Lesung am 16.4.2019 vom Europäischen Parlament verabschiedet5. Das Banking Reform Package muss im europäischen Legislativprozess nun noch vom Europäischen Rat formell verabschiedet werden. Zudem ist eine Feinüberarbeitung durch den juristischen Dienst noch erforderlich. Zwar wird daher mit einer Veröffentlichung im Amts-
2.39
1 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu ihrer Position zur europäischen Einlagensicherung vom 29.6.2018, BT-Drucks. 19/3076; https://bdi.eu/artikel/news/die-vollendungder-bankenunion-eine-unendliche-geschichte/; https://bankenverband.de/dossier/europaische-ban kenunion/europaische-einlagensicherung/; vgl. Wojcik, ZBB 2018, 250, 255 f. 2 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu ihrer Position zur europäischen Einlagensicherung vom 29.6.2018, BT-Drucks. 19/3076; https://bdi.eu/artikel/news/die-vollendungder-bankenunion-eine-unendliche-geschichte/; https://bankenverband.de/dossier/europaische-ban kenunion/europaische-einlagensicherung/. 3 Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 23.11.2016 (IP/16/3731). 4 Pressemitteilung des Europäischen Rates vom 15.2.2019; Bankenunion: EU-Botschafterinnen und -Botschafter billigen Gesamtpaket von Risikominderungsmaßnahmen. 5 European Commission – Fact Sheet vom 16.4.2019 (MEMO/19/2129); Adoption of the banking package: revised rules on capital requirements (CRR II/CRD V) and resolution (BRRD/SRM).
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
blatt der Europäischen Union und damit dem Abschluss des Gesetzgebungsprozesses erst im Herbst 2019 gerechnet, jedoch steht der Inhalt der durch das Banking Reform Package erfolgenden umfangreichen Änderungen durch die Verabschiedung im Europäischen Parlament damit ausreichend fest. Im Folgenden wird – sofern gesondert auf Regelungen nach dem Banking Reform Package verwiesen wird – dies durch die Kennzeichnung als CCR II, CRD V und BRRD II kenntlich gemacht und auf die im Europäischen Parlament verabschiedeten Fassungen Bezug genommen.
III. Institutionelle Grundstruktur des Bankwesens in Deutschland 2.40 Nach aktuell verfügbarer Statistik1 umfasst die deutsche Kreditwirtschaft derzeit 1.823 Institute. Der Konsolidierungsprozess Ende des letzten Jahrhunderts setzte sich nach kurzer Pause als Folge der Finanz- und Staatsschuldenkrise insbesondere seit dem Jahr 2013 weiter fort. Im Vergleich zum Jahr 2012 ist die Anzahl der Institute in Deutschland um ca. 11 Prozent gesunken. Auch die Neugründung von Instituten in den letzten Jahren im Zuge der Digitalisierung (sog. FinTech-Banken2) hat diesen Trend nicht maßgeblich aufhalten können. Hintergrund sind derzeit vor allem neben dem wirtschaftlichen Umfeld, v.a. der Niedrigzinspolitik der EZB, auch die gestiegen Kapitalanforderungen sowie aufgrund der weiter zunehmenden Komplexität des regulatorischen Umfelds gestiegenen Kosten für die Institute. Die macht sich v.a. durch Fusionen bei kleineren und mittleren Instituten, auch im Sparkassen- und Genossenschaftssektor bemerkbar3. 1. Universalbanken
2.41 Kennzeichnend für die Kreditwirtschaft in Deutschland ist das Universalbankprinzip.
Universalbanken bieten eine Vielzahl verschiedener Bank- und Finanzdienstleistungen aus einer Hand an. Der Universalbanksektor in Deutschland basiert im Wesentlichen auf drei Säulen, den privaten Kreditbanken, dem dezentral aufgestellten öffentlich-rechtlichen Sparkassensektor (Sparkassen- und Girozentralen)4, sowie den Genossenschaftsbanken5. Außergewöhnlich für den deutschen Finanzmarkt, auch im europäischen Vergleich, ist der vergleichsweise hohe Marktanteil des Sparkassen- und Genossenschaftssektors im Verhältnis zu den privaten Instituten. a) Private Kreditbanken
2.42 Unter den Begriff der privaten Kreditbanken sind die meist börsennotierten Großbanken,
Regionalbanken, sonstige Kreditbanken, die Zweigstellen ausländischer Banken sowie Privatbankiers zu fassen. Auch die unter dem Terminus „Direktbanken“ bezeichneten Institute 1 Quelle: Bankstellenbericht 2017 der Deutschen Bundesbank (veröffentlicht 25.10.2018; Stand 31.12.2017). 2 Z.B. N26 Bank GmbH, solarisBank AG. 3 S. Bankstellenbericht 2017 der Deutschen Bundesbank (veröffentlicht 25.10.2018; Stand 31.12. 2017; zur Gesamtübersicht s. auch Deutsche Bundesbank: Geld und Geldpolitik; Frankfurt/ M., 2017, S. 95 ff.; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Sachstandsbericht „Bankensystem und Bankenaufsicht in Deutschland“ vom 2.7.2009, WD 4 – 3000 – 094/09. 4 Zu den spezifischen Besonderheiten der Aufsicht über Sparkassen s. Oebbecke, ZBB 2016, 336 ff. 5 Deutsche Bundesbank: Geld und Geldpolitik; Frankfurt/M., 2017, S. 95 ff.; kritisch zur Zukunftsfähigkeit: Schmidt, ZfgK 2018, 36 ff.
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Grundsätzliches | Teil 2
ohne eigenes Filialnetz mit Fokus auf online- bzw. telefonsichere Kommunikation zählen hierzu1. b) Öffentlich-rechtlicher Sparkassensektor Die mehrheitlich als öffentlich-rechtliche Anstalten organisierten Sparkassen befinden sich unter Trägerschaft der jeweils lokalen Gemeinden, Städte, Gemeindeverbänden bzw. Landkreisen. Ihre Organisation ist in den einzelnen Sparkassengesetzen der Bundesländer geregelt. Ursprünglich sind sie von ihren Trägern als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge zur Förderung der regionalen Wirtschaft gegründete Anstalten, deren Hauptaufgabe in der Sicherstellung der Versorgung in ihrer Region mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen besteht. Aufgrund des in den jeweiligen Sparkassengesetzen der Länder festgelegten Regionalprinzips, hat jede einzelne Sparkasse ihre Geschäftstätigkeit auf ihre Region zu begrenzen. Dies ist mit Blick auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Landesverbänden und dem Bundesverband der Sparkassen (DSGV) auch unter kartellund wettbewerbsrechtlichen Aspekten geboten. Die Landesbanken (Girozentralen) sind weiterer Bestandteil des Sparkassensektors. Als regionale Zentralinstitute der Sparkassen und deren zentraler Verrechnungsstelle beim bargeldlosen Zahlungsverkehr agieren die Landesbanken v.a. im überregionalen Großkundengeschäft2.
2.43
c) Genossenschaftsbanken Genossenschaftsbanken bzw. Kreditgenossenschaften finden sich in Form der ländlichen (Raiffeisenbanken) oder gewerblichen Genossenschaften (Volksbanken). Organisiert in der zivilrechtlichen Rechtsform eingetragener Genossenschaften sind ihre Kunden prinzipiell gleichzeitig Mitglieder. Zum Sektor der Genossenschaftsbanken sind auch die genossenschaftlichen Zentralbanken zu zählen3.
2.44
2. Spezialbanken Neben den Universalbanken besteht ein Sektor stark spezialisierter Institute. Dazu zählen Realkreditinstitute (z.B. Hypotheken- oder Pfandbriefbanken), Bausparkassen, Bürgschaftsbanken und Wohnungsunternehmen mit Spareinrichtung sowie sonstige Banken mit Sonderaufgaben, z.B. die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)4.
2.45
3. Organisation in Spitzenverbänden Spiegelbildlich zu den drei Säulen des Universalbanksektors und den Spezialbanken findet sich die Organisation der Institute in Deutschland in den jeweiligen Spitzenverbänden. Diese sind auf Bundesebene vor allem: – Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB) für die privaten Universalbanken – Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV) für den Sparkassensektor
1 2 3 4
Deutsche Bundesbank: Geld und Geldpolitik; Frankfurt/M., 2017, S. 96 f. Deutsche Bundesbank: Geld und Geldpolitik; Frankfurt/M., 2017, S. 97. Deutsche Bundesbank: Geld und Geldpolitik; Frankfurt/M., 2017, S. 98. S. auch schon Schelm in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 2.10.
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2.46
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
– Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) als Verband von Landesbanken sowie bundes- und ländereigenen Förderbanken, u.Ä. – Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) für die Genossenschaftsbanken – Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V. (vdp) für die Pfandbriefbanken (sowohl private Universalbanken als auch Spezialbanken) BdB, DSGV, VÖB, BVR und vdp sind zusammengeschlossen im Rahmen der Deutsche Kreditwirtschaft (DK) organisiert. Die DK ist im August 2011 aus der Organisation des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) hervorgegangen und führt dessen Arbeit fort. Innerhalb der vorgenannten Bankenverbände auf Bundesebene existieren teilweise regionale Untergliederungen wie z.B. in Bayern der Bayerische Bankenverband e.V. im Bereich des BdB, der Sparkassenverband Bayern oder der Genossenschaftsverband Bayern e.V. Die Anhörung der Spitzenverbände ist z.B. im KWG vielfach gesetzliche Anforderung, z.B. §§ 25a Abs. 4; 25b Abs. 5, 48u Abs. 5 KWG.
2.47 Im Zuge der Bankenunion und der zunehmenden Europäisierung des Banken- und Finanzmarktrechts gewinnt auch die Organisation auf europäischer Ebene an Bedeutung. Zu nennen sind hier v.a.: – die Association for Financial Markets in Europe (AFME) als Verbund europäischer Großbanken und deren nationaler Verbände – der Europäische Bankenverband (European Banking Federation, EBF) als Dachorganisation europäischer Bankenverbände – das European Banking Industry Committee (EBIC) als Vereinigung europäischer Kreditunternehmen – die European Savings Banks Group (ESBG) als Verbund der europäischen Sparkassen – die European Association of Public Banks (EAPB) als Verbund öffentlich-rechtlicher Banken und staatlicher Banken auf EU-Ebene
IV. Institutionen der Bankenregulierung und -aufsicht 2.48 Als ein Teil des europäischen Finanzmarktes sind Banken Gegenstand staatlicher Finanzmarktregulierung und -aufsicht sowohl auf europäischer als auch auf nationaler, deutscher Ebene (sog. Bankenaufsicht). Weitere Elemente der Finanzmarktregulierung und -aufsicht sind die Bereiche der Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds (Versicherungsaufsicht) sowie der Wertpapierdienstleistungsunternehmen und des Wertpapierhandels (Wertpapieraufsicht). Eine konsistente Finanzmarktaufsicht hat sowohl unter makroprudenziellen (systemische Gesamtmarktsicht)1 als auch mikroprudenzieller (Fokus auf das einzelne Institut) Aspekten zu erfolgen2.
1 Grundsätzlich hierzu s. Gurlit, WM 2015, 1217 ff. 2 Kritische Übersicht zu den Akteuren auf deutscher und europäischer Ebene s. Gurlit/Schnabel, ZBB 2015, 349 ff.
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1. Europäisches Finanzaufsichtssystem (ESFS) Auf europäischer Ebene werden als Folge der Finanz- und Staatsschuldenkrise seit Januar 2011 Elemente der makro- und mikroprudenziellen Aufsicht im Rahmen des Europäischen Finanzaufsichtssystems (European System of Financial Supervision, ESFS)1 vereint. Ziel des ESFS ist die Gewährleistung der angemessenen Anwendung der für den Finanzsektor geltenden Vorschriften, der Erhalt der Finanzstabilität und des Vertrauens in das Finanzsystem insgesamt sowie Kundenschutz2. Der ESFS besteht zum einen aus dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB)3 als zentralem Gremien der makroprudenziellen Aufsicht. Zudem gehören ihm als Element der mikroprudenziellen Aufsicht die drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESA), der Gemeinsame Ausschuss der ESAs (Joint Committee)4 sowie die nationalen Aufsichtsbehörden (NCA)5. Die drei Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA)6 sind die – Europäische Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA) mit Sitz in London, im Zuge des Brexit Verlegung des Sitzes nach Paris – Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (European Insurance and Occupational Pension Authority, EIOPA) mit Sitz in Frankfurt/M. – Europäische Wertpapier-und Marktaufsichtsbehörde (European Securities Markets Authority, ESMA)7 mit Sitz in Paris. 1 Das Europäischen Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervision, ESFS) ist inhaltlich und terminologisch zu unterscheiden von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), welche Vorgängerin des derzeitigen, auf die Stabilisierung des Euro gerichteten, Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist. Zur Historie des ESM und ESFS s. Forsthoff, EuZW 2018, 108 ff. 2 Art. 2 (1) EBA-Verordnung; ausführliche Darstellung des ESFS Schäfer in Boos/Fischer/SchulteMattler, Einf. KWG Rz. 117 ff. 3 Aufgaben des ESRB gem. EBA-Verordnung und Verordnung (EU) Nr. 1092/2010; auf deutscher Ebene ist der Ausschuss für Finanzstabilität zentrales Gremien der makroprudenziellen Aufsicht; vgl. Paraschiakos, S. 144 ff. 4 Das Joint Committee der ESAs dient der Koordinierung der sektorübergreifenden Zusammenarbeit, z.B. bzgl. Geldwäsche. 5 Art. 2 (2) EBA-Verordnung. 6 Die Europäische Kommission hat am 20.9.2017 einen „Vorschlag zur Festigung und vertieften Vernetzung der europäischen Finanzaufsicht der Kapitalmarktunion“ unterbreitet (COM(2017) 539/948996). In dessen Rahmen sollten den ESAs umfangreiche neue Befugnisse, darunter auch unmittelbare Weisungsrechte gegenüber den Instituten eingeräumt werden. Der Vorschlag wurde mit Verweis auf Bedenken bzgl. einer Verstärkung der Komplexität des Finanzaufsichtsrechts und zunehmender Kosten kontrovers, überwiegend ablehnend diskutiert. Vgl. Wojcik, ZBB 2018, 250, 257 f. Am 21.3.2019 und 1.4.2019 erfolgte die Einigung zur Reform des ESAs zwischen rumänischem Ratsvorsitz und Europäischem Parlament. Danach werden den ESA u.a. zum ersten Mal echte Befugnisse eingeräumt, namentlich zu Überwachung der Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung; s. https://www.consilium.europa.eu/de/press/pressreleases/2019/03/21/financial-supervision-council-presidency-and-parliament-reach-provisional-dealon-supervisory-framework-for-european-financial-institutions/. Am 16.4.2019 hat das Europäische Parlament den Reformentwurf in erster Lesung angenommen; http://www.europarl.europa.eu/ news/en/press-room/20190410IPR37570/meps-strengthen-eu-financial-watchdogs. 7 EIOPA und ESMA errichtet durch Verordnung (EU) Nr. 1095/2010.
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2.49
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
2. Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA)
2.50 Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der EBA ist die Verordnung Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA-Verordnung)1. Sie ist eine unabhängige Behörde der EU, deren Aufgabe die Schaffung einer einheitlichen europäischen Aufsichtskultur sowie die Gewährleistung wirksamer und einheitlicher Verfahren und konsistenter Aufsichtspraktiken im europäischen Bankensektor ist. Dies soll vor allem durch eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts in der Europäischen Union erfolgen und der Schaffung eines „Single Rulebooks“ dienen (vgl. Rz. 2.16). Die EBA ist dazu mit umfangreichen Befugnissen und Kompetenzen ausgestattet, wobei besonders die Durchführung von Stresstests2, die Ausfertigung von Technischen Regulierungstandards (Regulatory Technical Standards, RTS3) und Technischen Durchführungsstandards (Implementing Technical Standards, ITS4) zum Erlass durch die Europäische Kommission (sog. Level IIGesetzgebung) sowie die Veröffentlichung von Leitlinien (Guidelines)5 oder Empfehlungen hervorzuheben sind. Durch die Schaffung der Bankenunion und dem in der EBA-Verordnung etablierten Funktion der EBA zur Schaffung einer einheitlichen aufsichtlichen Auslegungs- und Anwendungspraxis, liegt die primäre Auslegungskompetenz für die Regelwerke die europarechtlichen Regelwerke des Single Rulebooks (vgl. Rz. 2.16) nicht bei den nationalen Behörden sondern der EBA. Zu diesem Zweck hat die EBA einen Q&AProzess installiert, der auf ihrer Internetseite abrufbar ist. Fragen können durch NCAs, Institute und die allgemeine Öffentlichkeit eingereicht werden. Direkte Durchgriffsrechte der EBA bestehen nur in Ausnahmefällen6.
2.51 Weder die von der EBA veröffentlichten Guidelines noch die im Rahmen des Q&A-Pro-
zesses veröffentlichten Auslegungen sind rechtlich verbindlich und von den NCA anzuwenden. Allerdings kommt ihnen durch das sog. „Comply or Explain-Prinzip“ eine de facto verbindliche Wirkung zu. Nach diesem Prinzip haben die NCA und die EZB binnen zwei Monaten nach deren Veröffentlichung ihre etwaige Nichteinhaltung zu begründen. Derartige Nichteinhaltungserklärungen werden von der EBA veröffentlicht und an die EU-Kommission, das Europäische Parlament und den Europäischen Rat berichtet.
2.52 Die BaFin als deutsche NCA hat ihre grundsätzliche Absicht erklärt, die im Rahmen des Q&A-Prozesses getroffenen Aussagen und Entscheidungen der EBA einzuhalten und in ihre Verwaltungspraxis zu übernehmen. Aus Gründen der Rechtssicherheit erfolgt dies jedoch nicht als Automatismus, sondern erst nach ausdrücklicher Übernahmeerklärung der BaFin zu den jeweiligen übernommenen Aussagen/Entscheidungen, u.a. durch Veröffentlichung auf der Internetseite der BaFin. Selbiges findet Anwendung für Guidelines oder Empfehlungen der EBA. Auch die EZB übernimmt prinzipiell Guidelines oder Empfehlungen der EBA in ihre Aufsichtspraxis.
1 Ausführliche Darstellung der EBA, auch deren Organisation: Kohtamäki, S. 173 ff.; Kämmerer/ Starski, ZG 2013, 324 ff.; Paraschiakos, S. 140 ff.; Weiß/Schackmann-Fallis in Weiß/SchackmannFallis/Ganguli, S. 7 ff. 2 Art. 22 (1a) i.V.m. Art. 32 (2)–(3b) EBA-Verordnung. 3 Art. 10 EBA-Verordnung. 4 Art. 15 EBA-Verordnung. 5 Art. 16 EBA-Verordnung. 6 Vgl. Art. 17–19 EBA-Verordnung.
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3. Europäische Zentralbank (EZB) Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde in Folge des Vertrags von Maastricht errichtet und ist seit 1.1.1999 zuständig für die Geld- und Währungspolitik der Eurozone1. Mit der Etablierung der Bankenunion und des SSM hat die EZB zudem die Funktion als Aufsichtsbehörde in der Bankenunion übernommen (vgl. Rz. 2.19 f.)2. Das Zusammenfallen von Aufsichtsfunktion und Zuständigkeit für Geld- und Währungspolitik in einer Behörde kann zu Ziel- und Interessenskonflikten führen3. Um das Entstehen solcher Konflikte zu vermeiden, sieht die SSM-Verordnung ausdrücklich die organisatorische und disziplinarische Trennung des Aufsichtsbereichs und der geldpolitischen Funktion vor4. Danach legt der EZB-Rat die Geld- und Währungspolitik der EZB fest, welche ihm untersteht, während die Aufsichtsfunktion von dem hierzu neu eingerichteten Aufsichtsgremium (Supervisory Board) unterliegt5. EZB und die NCA handeln im Rahmen des SSM unabhängig6.
2.53
Im Rahmen des SSM ist die EZB unter Einbeziehung der nationalen Aufsichtsbehörden (NCA) für die Aufsicht der im Euroraum ansässigen CRR-Institute7 verantwortlich (vgl. Rz. 2.19 ff.). Dabei ist sie unmittelbare Aufsichtsbehörde bedeutender Institute (SI)8. Die EZB hat zur Ausgestaltung ihrer Aufsichtstätigkeit und internen Organisation erstmals im September 2014 einen „Leitfaden zur Bankenaufsicht“ (SSM Supervisory Manual) veröffentlicht, welcher regelmäßig aktualisiert wird, zuletzt im März 2018. Das SSM Supervisory Manual ist der Auszug eines EZB-internen Organisationsdokuments zur Aufsichtstätigkeit der EZB und richtet sich zunächst an ihre Mitarbeiter.
2.54
Bei der EZB werden gemeinsame Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams, JST) zur laufenden Aufsicht über einzelne SIs bzw. Institutsgruppen, welchen ein SI angehört, eingerichtet9. Größe, Zusammensetzung und Organisation eines JST können mit Blick auf Größe, Komplexität, Geschäftsmodell, Risikoprofil oder Art des SI bzw. der SI-Gruppe variieren. Ein JST setzt sich aus Mitarbeitern der EZB und den NCAs und nationalen Zentralbanken (NCB) derjenigen Länder zusammen, in denen sich die Institute, Tochterinstitute oder die bedeutenden ausländischen Zweigniederlassungen befinden. Die Koordination des JST erfolgt durch einen Mitarbeiter der EZB10. Neben der Aufgabenverteilung
2.55
1 Ratifizierungsgesetz des Vertrags von Maastricht vom 28.12.1992, BGBl. 1992, 1251 ff.; Rechtsgrundlage für die EZB und ihre Tätigkeit: Art. 3 und 13 des Vertrags über die Europäische Union (EUV); Art. 3 (1) c, 119, 123, 127–134, 138–144, 219 und 282–284 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), SSM-Verordnung und SSM-Rahmenverordnung. 2 SSM-Verordnung und SSM-Rahmenverordnung. 3 Vgl. Bundesbank, Der Start in die Bankenunion – Der einheitliche Aufsichtsmechanismus in Europa, Monatsbericht Oktober 2014, S. 45 ff.; die EZB beleuchtet diese Konflikte auf Ebene der Mitgliedstaaten in „Die Rolle der Zentralbanken in der Aufsicht über Finanzdienstleister“ https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/prudentialsupcbrole_de.pdf?314dff057720055294a016a 519af6b76; im Bereich der Abwicklungsfinanzierung s. Mersch, EuZW 2018, 349 ff. 4 Art. 25 und Erwägungsgründe 65 und 73 SSM-Verordnung. 5 Einzelheiten zu Aufbau, Zusammensetzung und Aufgaben der EZB und ihrer Organe und Gremien s. https://www.ecb.europa.eu; allg. Paraschiakos, S. 130 ff. 6 Art. 19 SSM-Verordnung. 7 § 1 Abs. 3b KWG i.V.m. Art. 4 (1) Nr. 1 CRR. 8 Ausführliche Informationen zur Wahrnehmung ihrer Aufsichtsaufgabe bietet die EZB im „Leitfaden zur Bankenaufsicht“ veröffentlicht im November 2014, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/ other/ssmguidebankingsupervision201409de.pdf. 9 Art. 3 SSM-Rahmenverordnung. 10 Zur Vermeidung von Interessenskollisionen wird dabei auf Unterschieden in der Nationalität des Koordinators und dem Sitzland des SI geachtet.
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und Aufsichtsplanung zählen auch die Informationsbeschaffung, Ad-Hoc Analysen und Maßnahmen sowie die Vorbereitung des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) zu den Zuständigkeiten des JST. Das JST ist zudem an der Prüfung und Genehmigung der Verwendung auf internen Ratings basierender Modelle, Bewertung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen sowie den Sitzungen der Aufsichtskollegien beteiligt. Der JST-Koordinator ist dabei für die Umsetzung und Verteilung von Aufsichtsaufgaben und -tätigkeiten im JST gem. dem für das SI festgelegten aufsichtlichen Prüfungsprogramm1 verantwortlich2.
2.56 Die EZB handelt im Rahmen ihrer Funktion im SSM, einschließlich als direkte Aufsichtsbehörde zur laufenden Aufsicht von SIs, durch auf entsprechenden Beschlüssen basierende Maßnahmen3. Die Beschlussentwürfe werden durch das JST oder anderen zuständigen Aufsichtsgremien, als internen Organen der EZB, vorbereitet. Die Beschlussfassung erfolgt durch den EZB-Rat, welcher die vorgelegten Entwürfe in der Regel nach dem Verfahren der „impliziten Zustimmung“ (kein Widerspruch innerhalb von max. 10 Arbeitstagen nach Beschlussvorlage) genehmigt. Hinsichtlich Maßnahme der EZB kommt das allgemeine Rechtsschutzsystem der Europäischen Union sowie der im Rahmen der Bankenaufsicht eingerichteten administrativen Überprüfungsausschuss der EZB4 zur Anwendung5. 2.57 Soweit der EZB im Rahmen der SSM-Verordnung Aufsichtsaufgaben übertragen sind, für deren Wahrnehmung der EZB keine eigenen entsprechenden Befugnisse übertragen wurden, kann sie die NCA anweisen, entsprechende Befugnisse auszuüben oder Maßnahmen zu ergreifen6. In diesem Zusammenhang kann die BaFin auf Weisung der EZB auch direkt gegenüber SI durch den Erlass auf deutschem Recht basierender Verwaltungsakte tätig werden. 4. Single Resolution Board (SRB)
2.58 Als in der Bankenunion zuständige Abwicklungsbehörde für bedeutende Kreditinstitute (SI) und für grenzüberschreitende Gruppen kommt dem Single Resolution Board (SRB) zentrale Funktion im Rahmen des Single Resolution Mechanism zu (s. Rz. 2.28). Im Rahmen des SRM obliegen dem SRB drei primäre Aufgaben: die Abwicklungsplanung (v.a. die Erstellung von Abwicklungsplänen)7, die Prüfung der Abwicklungsfähigkeit als Element der Frühintervention8 und die Abwicklung eines Instituts oder einer Gruppe selbst9. Zudem ist die Schaffung und Gewährleistung einheitlicher Abwicklungsstandards im SRM Aufgabe des SRB10 und das SRB setzt jährlich die Höhe der sog. Bankenabgabe in den Single Resolution Funds fest. Die NRA sind dazu zur umfangreichen Mitwirkung ver1 Entwicklung des Prüfprogramms ist im SSM Supervisory Manual detailliert beschrieben. 2 Art. 6 SSM-Rahmenverordnung. 3 Art. 25 ff. SSM-Rahmenverordnung; s. zuletzt Beschluss der ECB zwangsweise Verwalter bei der Banca Carige S.p.A. einzusetzen, Piovaccari/Canepa (2 January 2019). „ECB-appointed administrators step in to manage Italy’s Banca Carige“. Reuters. Retrieved 2.1.2019. 4 Art. 24 SSM-Verordnung. 5 Ausführlich dazu Roth, Die indirekte Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank, S. 161 ff.; Fischer/Boegl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, § 126 Rz. 77 ff. 6 Art. 22 SSM-Rahmenverordnung i.V.m. Art. 9 SSM-Verordnung. 7 Art. 8–12 SRM-Verordnung. 8 Art. 13 SRM-Verordnung. 9 Art. 14–29 SRM-Verordnung. 10 Art. 7 SRM-Verordnung.
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Grundsätzliches | Teil 2
pflichtet1 und dem SRB stehen diesbzgl. umfangreiche Untersuchungs- und Ermittlungsbefugnisse zu2. Anders als die EZB als europäischer Aufsichtsbehörde im SSM ist der SRB jedoch kein primärrechtliches EU-Organ mit eigener Entscheidungskompetenz nach außen. Vielmehr ist der SRB eine spezifische Agentur der Kommission mit besonderen Aufgaben und eigener Rechtspersönlichkeit3. Unter Anwendung der Meroni-Doktrin4 verbleiben daher Zuständigkeit und Verantwortung gegenüber den Adressaten der Entscheidung bei der Europäischen Kommission. Daher sind EU-Kommission und Europäischer Rat bei Entscheidungsprozessen beim SRB hinreichend einzubeziehen5. Die formale Entscheidungshoheit liegt daher weiter bei den vorgenannten Organen, während inhaltlich die Entscheidungen des SRB gelten. Auch hat das SRB dadurch nicht die Befugnis, durch eigene Maßnahmen direkt gegenüber den Instituten tätig zu werden. Vielmehr sind die Beschlüsse von den nationalen Abwicklungsbehörden (NRA) mittels nationaler Erlass-Verwaltungsakte umzusetzen6. Dennoch kann das SRB Untersuchungs- und Ermittlungsbefugnisse auch ohne Einbindung der NRA wahrnehmen, die NRA sind diesbezüglich jedoch zur Amtshilfe verpflichtet7.
2.59
Das SRB fasst Entscheidungen in zwei unterschiedlichen Gremien, der Präsidiumssitzung8 und der Plenarsitzung9. Plenarsitzungen finden zur Beschlussfassung bzgl. Grundsatzangelegenheiten zur Arbeitsweise des SRB sowie bei Inanspruchnahme des Single Resolution Funds (SRF) statt, Präsidiumssitzungen finden in Form von ad-hoc Sitzungen im Bedarfsfall statt, vor allem zur Beratung über die Abwicklung von Instituten sowie zur Vorbereitung von Plenarbeschlüssen und der Festlegung von MREL-Anforderungen10. Als NRA ist die BaFin stimmberechtigter Teilnehmer der Plenarsitzungen und wird zu Beratungen in Präsidiumssitzungen eingebunden, sofern ein in Deutschland ansässiges Institut Beratungsgegenstand ist.
2.60
Im Rahmen der Bankenabwicklung kann das SRB festlegen, dass für ein bestimmtes Institut oder eine Gruppe die Ausfallvoraussetzungen („failing or likely to fail“) erfüllt sind, und ist für die Bewertung des Öffentlichen Interesses im Rahmen der Abwicklungsentscheidung verantwortlich. Das Vorliegen der Ausfallvoraussetzungen gilt als bestätigt, wenn das SRB der EZB seine diesbezügliche Absicht mitgeteilt und die EZB nicht binnen von drei Tagen reagiert hat (Art. 18 SRM-Verordnung). Danach nimmt der SRB ein Abwicklungskonzept an, in welchem u.a. die anzuwendenden Abwicklungsinstrumente und bei Bedarf die Inanspruchnahme des einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) festgelegt werden. Nach der Annahme des Abwicklungskonzepts übermittelt der SRB diese an die Eu-
2.61
1 Art. 30–33 SRM-Verordnung. 2 Art. 34–37 SRM-Verordnung. 3 Art. 42 (1) SRM-Verordnung; umfangreich zu Aufbau, Kompetenz und Verfahren innerhalb des SRB: Manger-Nestler in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 248 ff. 4 EuGH v. 13.6.1958 – Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 – Meroni. 5 Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893, 896. 6 Art. 29 SRM-Verordnung. 7 Art. 31 und Art. 34–37 SRM-Verordnung. 8 Art. 53–55 SRM-Verordnung. 9 Art. 49–52 SRM-Verordnung. 10 Detaillierte Übersicht in Manger-Nestler in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 254 ff.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
ropäische Kommission. Es darf nur in Kraft treten, wenn die Kommission oder der Rat der Europäischen Union innerhalb von 24 Stunden keine Einwände erheben. Dem einwandfreien Ablauf der 24 Stunden kommt Billigungswirkung für das Abwicklungskonzept durch die Europäische Kommission zu1. 5. BaFin und Bundesbank
2.62 Die BaFin ist Allfinanzaufsichtsbehörde und damit nationale Aufsichtsbehörde (NCA)
im Rahmen des SSM. Sie ist zuständige Aufsichtsbehörde für weniger bedeutende Institute (LSI) im Rahmen des SSM. Auch Institute, welche nicht CRR-Institute sind, werden direkt von der BaFin beaufsichtigt. Die BaFin ist zudem zuständig für die Erlaubniserteilung und -Aufhebung von Nicht-CRR-Instituten, während ihr bei der Entscheidung über die Erlaubniserteilung und -Aufhebung bei CRR-Instituten vorbereitende und unterstützende Funktion zukommt (Art. 1 (2) SSM-Rahmenverordnung i.V.m. Art. 4 (1) a) SSM-Verordnung). Die Zusammenarbeit der BaFin mit der EBA, der ESMA und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIPOA) wird in § 7b KWG geregelt, die Zusammenarbeit mit der EZB in § 6 Abs. 1 KWG.
2.63 Gemäß § 1 Abs. 1 FinDAG ist sie eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öf-
fentlichen Rechts, deren Organisationsaufbau, Organe und Haushaltsführung nach öffentlich-rechtlicher Satzung bestimmen2. Folgend ihrer Zuständigkeiten als Aufsichtsbehörde, welche sich u.a. aus dem KWG, dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), etc. ergeben, hat die BaFin entsprechende Geschäftsbereiche eingerichtet. Diese sind die Innere Verwaltung und Recht, Bankenaufsicht, Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht und Wertpapieraufsicht/Asset-Management. Einen weiteren Geschäftsbereich Abwicklung hat die BaFin im Zuge ihrer Übernahme der Funktion als Nationale Abwicklungsbehörde (NRA) in Deutschland zum 1.1.2018 eingerichtet. Von 2015 bis 2017 hatte die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) diese Funktion inne.
2.64 Die Organe der BaFin sind gem. § 5 Abs. 1 FinDAG das Direktorium, der Präsident oder die Präsidentin und der Verwaltungsrat. Geleitet wird die BaFin vom Direktorium, welches aus dem Präsidenten und fünf Exekutivdirektoren besteht (§ 6 Abs. 1 FinDAG). Die BaFin hat zudem einen Fachbeirat, welcher aus Mitgliedern der Finanzwissenschaft, der Kredit- und Versicherungswirtschaft, der Deutschen Bundesbank und der Verbraucherschutzvereinigungen besteht und die BaFin bei der Erfüllung ihrer Aufgaben berät. Daneben besteht gem. § 8a FinDAG ein Verbraucherbeirat, welcher Ausdruck der, nicht zuletzt nach Einführung des SSM, zunehmend in den Fokus rückenden, verbraucherschützenden Ausrichtung der BaFin ist.
2.65 Die Deutsche Bundesbank wirkt gem. § 3 Satz 2 Bundesbankgesetz (BbankG) i.V.m. § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 KWG sowohl über Regionalbereich Banken und Finanzaufsicht als auch über die Hauptverwaltung an der Beaufsichtigung von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten mit. Dabei übt die BaFin als zuständige Verwaltungsbehörde gem. § 6 Abs. 1 KWG die Aufsicht über die Institute nach Maßgabe des KWG aus. § 7 Abs. 1 KWG regelt die Zusammenarbeit zwischen der BaFin und der Deutschen Bundesbank bei der laufenden Überwachung der Institute durch die Deutsche Bundesbank. Zur Durchführung 1 Zur bisherigen Entscheidungspraxis des SRB, s. Skauradszun/Beermann, WM 2018, 1041 ff. 2 Satzung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, zuletzt geändert durch Verordnung vom 15.5.2017 (BGBl. I Nr. 28 vom 19.5.2017).
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Adressaten der Aufsicht | Teil 2
und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank hat die BaFin eine Aufsichtsrichtlinie erlassen1. Im Rahmen der laufenden Institutsüberwachung wertet die Deutsche Bundesbank u.a. von Instituten regelmäßig einzureichende Berichte und Meldungen aus und prüft, ob die Eigenkapitalausstattung und die Risikosteuerungsverfahren der Institute angemessen sind.
2.66–2.68
Einstweilen frei.
2. Abschnitt: Adressaten der Aufsicht I. Allgemeines Primäre Regelungsadressaten des KWG sind Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 KWG) und Finanzdienstleistungsunternehmen (§ 1 Abs. 1a KWG). Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen werden zusammenfassend unter dem Begriff „Institut“ im KWG adressiert (§ 1 Abs. 1b KWG)2. Dabei ist das „Kreditinstitut“ i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG zu unterscheiden vom CRR-Kreditinstitut (ausführlich dazu Rz. 2.20). § 1 Abs. 1 und 1a KWG enthält eine abschließende Aufzählung der zur Qualifikation als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut führenden Tatbestände. Institute bedürfen zum Betreiben ihres Geschäfts einer Erlaubnis nach § 32 KWG, sofern kein Ausnahmetatbestand nach § 2 KWG greift (s. dazu Rz. 2.152 ff.). Mit der Erlaubnis nach § 32 KWG einher geht die Befugnis die nach §§ 39 ff. KWG besonders geschützten Bezeichnungen „Bank“, „Bankier“, „Volksbank“ oder „Sparkasse“ führen zu dürfen3. Weiterhin adressiert das KWG derzeit in intensiverem Umfang auch Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 KWG).
2.69
Die Einordnung als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut erfolgt unabhängig von der Rechtsform (natürliche oder juristische Person), in welcher die tatbestandliche Tätigkeit ausgeführt wird. Sofern allerdings keine Ausnahme nach § 2 KWG vorliegt, ist für die notwendige Erlaubnis zum Betrieb des Geschäfts nach § 32 KWG bei einzelnen Geschäftsarten eine spezifische Rechtsform erforderlich. So darf ein Kreditinstitut nicht in der Rechtsform eines Einzelkaufmanns betrieben werden (§ 2b Abs. 1 KWG). Weitere Beschränkungen greifen z.B. für Wertpapierhandelsunternehmen (§ 2b Abs. 2 KWG)4.
2.70
Kreditinstitut bzw. Finanzdienstleistungsinstitut ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 1a Satz 1 KWG ein Unternehmen, welches Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben oder erbringen5, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Die Kriterien des kaufmännischen Geschäftsbetriebs oder der, durch die 6. KWG-Novelle zum 1.1.1998 eingeführten, Gewerbsmäßigkeit sind alternativ. Wie sich v.a. nach Einführung des Kriteriums der Gewerbsmäßigkeit nach der 6. KWG-Novelle gezeigt hat, liegt diese Schwelle niedriger. Dies entspricht sowohl der gesetzgeberischen Intention als auch der allgemeinen Ansicht. Folg-
2.71
1 Richtlinie der BaFin zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank (Aufsichtsrichtlinie) vom 19.12.2016. 2 Ausführlich zur historischen Genese Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 1 ff. 3 Vgl. Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 3. 4 Übersicht und Einzelheiten s. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 20. 5 Zur Terminologie „betreiben“ und „erbringen“ s. ausführlich Schäfer in Boos/Fischer/SchulteMattler, § 1 KWG Rz. 27 ff.
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Adressaten der Aufsicht | Teil 2
und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank hat die BaFin eine Aufsichtsrichtlinie erlassen1. Im Rahmen der laufenden Institutsüberwachung wertet die Deutsche Bundesbank u.a. von Instituten regelmäßig einzureichende Berichte und Meldungen aus und prüft, ob die Eigenkapitalausstattung und die Risikosteuerungsverfahren der Institute angemessen sind.
2.66–2.68
Einstweilen frei.
2. Abschnitt: Adressaten der Aufsicht I. Allgemeines Primäre Regelungsadressaten des KWG sind Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 KWG) und Finanzdienstleistungsunternehmen (§ 1 Abs. 1a KWG). Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen werden zusammenfassend unter dem Begriff „Institut“ im KWG adressiert (§ 1 Abs. 1b KWG)2. Dabei ist das „Kreditinstitut“ i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG zu unterscheiden vom CRR-Kreditinstitut (ausführlich dazu Rz. 2.20). § 1 Abs. 1 und 1a KWG enthält eine abschließende Aufzählung der zur Qualifikation als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut führenden Tatbestände. Institute bedürfen zum Betreiben ihres Geschäfts einer Erlaubnis nach § 32 KWG, sofern kein Ausnahmetatbestand nach § 2 KWG greift (s. dazu Rz. 2.152 ff.). Mit der Erlaubnis nach § 32 KWG einher geht die Befugnis die nach §§ 39 ff. KWG besonders geschützten Bezeichnungen „Bank“, „Bankier“, „Volksbank“ oder „Sparkasse“ führen zu dürfen3. Weiterhin adressiert das KWG derzeit in intensiverem Umfang auch Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 KWG).
2.69
Die Einordnung als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut erfolgt unabhängig von der Rechtsform (natürliche oder juristische Person), in welcher die tatbestandliche Tätigkeit ausgeführt wird. Sofern allerdings keine Ausnahme nach § 2 KWG vorliegt, ist für die notwendige Erlaubnis zum Betrieb des Geschäfts nach § 32 KWG bei einzelnen Geschäftsarten eine spezifische Rechtsform erforderlich. So darf ein Kreditinstitut nicht in der Rechtsform eines Einzelkaufmanns betrieben werden (§ 2b Abs. 1 KWG). Weitere Beschränkungen greifen z.B. für Wertpapierhandelsunternehmen (§ 2b Abs. 2 KWG)4.
2.70
Kreditinstitut bzw. Finanzdienstleistungsinstitut ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 1a Satz 1 KWG ein Unternehmen, welches Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben oder erbringen5, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Die Kriterien des kaufmännischen Geschäftsbetriebs oder der, durch die 6. KWG-Novelle zum 1.1.1998 eingeführten, Gewerbsmäßigkeit sind alternativ. Wie sich v.a. nach Einführung des Kriteriums der Gewerbsmäßigkeit nach der 6. KWG-Novelle gezeigt hat, liegt diese Schwelle niedriger. Dies entspricht sowohl der gesetzgeberischen Intention als auch der allgemeinen Ansicht. Folg-
2.71
1 Richtlinie der BaFin zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank (Aufsichtsrichtlinie) vom 19.12.2016. 2 Ausführlich zur historischen Genese Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 1 ff. 3 Vgl. Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 3. 4 Übersicht und Einzelheiten s. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 20. 5 Zur Terminologie „betreiben“ und „erbringen“ s. ausführlich Schäfer in Boos/Fischer/SchulteMattler, § 1 KWG Rz. 27 ff.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
lich hat das Merkmal des kaufmännischen Geschäftsbetriebs in der Praxis aus KWG-Sicht an Bedeutung verloren1.
2.72 Gewerbsmäßiger Betrieb liegt vor, wenn der Betrieb auf gewisse Dauer angelegt ist und vom Betreiber mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt2. Dabei ist das Vorliegen einer subjektiven Wiederholungsabsicht bei der ersten Ausübung bereits ausreichend, um als dauerhaft angelegt zu gelten3. Entsprechend § 1 Abs. 2 HGB erfordert eine Tätigkeit einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb u.a., wenn gem. §§ 238 ff. HGB Handelsbücher geführt und ein Jahresabschluss aufgestellt werden müssen. Im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Regelungen des HGB ist für die Qualifikation nach KWG jedoch keine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich4. Entsprechend der HGB-Systematik ist die Erforderlichkeit eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs im Einzelnen abhängig von der betriebenen Geschäftsart, d.h. Bankgeschäftsart i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 2 KWG bzw. Finanzdienstleistungsart i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 und 3 KWG5.
II. Kreditinstitute 2.73 Um als Kreditinstitut i.S.d. KWG zu qualifizieren, muss eine oder mehrere der in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 12 KWG abschließend6 aufgelisteten Bankgeschäftsarten betrieben werden. 1. Einlagengeschäft
2.74 Einlagengeschäft im regulatorischen Sinne definiert wird gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden7. Im Rahmen der 6. KWG-Novelle wurde das Kriterium der „anderen unbedingt rückzahlbaren Gelder“ als Auffangtatbestand ergänzt und der Einlagenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG erweitert. Diese weite Begriffsfassung korrespondiert auch mit dem Einlagenbegriff des § 2 Abs. 3 EinSiG im Rahmen der Einlagensicherung8. Anders als für die Qualifikation als CRR-Kreditinstitut (ausführlich dazu Rz. 2.20) ist Einlagengeschäft Bank1 Vgl. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 21. 2 BGH v. 11.7.2006 – VI ZR 339/04, DB 2006, 2061, 2061; VGH Kassel v. 20.5.2009 – 6 A 1040/08, WM 2009, 1889, 1892; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 6. 3 Begr. BT-Drucks. 13/7142, 62; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 22. 4 VG Berlin v. 19.8.1996 – 25 A 41/94, WM 1997, 218, 222. 5 Über Einzelheiten zu den Grenzen der einzelnen Geschäftsarten informiert die BaFin in ihren Merkblättern zu den jeweiligen Bankgeschäftsarten und Finanzdienstleistungen, eine Übersicht dazu findet sich unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Standardartikel/DE/Zusammenfassungen/ zs_mb_alle_merkblaetter_bankgeschaefte_ba.html und https://www.bafin.de/SharedDocs/Standard artikel/DE/Zusammenfassungen/zs_mb_alle_merkblaetter_finanzdienstleistungen_ba.html (beide abgerufen am 22.4.2019); vgl. auch Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 8 m.w.N.; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 25 f. m.w.N. 6 BT-Drucks. 3/1114, 27. 7 Verwaltungspraxis der BaFin in Merkblatt Einlagengeschäft v. 11.3.2014 (https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_140311_tatbestand_einlagengeschaeft.html? nn=9450978#doc7851608bodyText2, abgerufen am 22.4.2019). 8 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 10.
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Adressaten der Aufsicht | Teil 2
geschäft und der Betreibende damit Kreditinstitut, ohne dass zeitgleich der Betrieb des Kreditgeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG erforderlich ist (vgl. Rz. 2.85). Unter Geld wird jedes gesetzliche Zahlungsmittel, d.h. Bar- oder Buchgeld, verstanden. Sog. Komplementärwährungen, d.h. privatrechtlich geschaffene Zahlungsmittel, zählen grundsätzlich nicht als Geld. Nach Ansicht der BaFin ist dies dann anders zu beurteilen, wenn für die Komplementärwährung nach den Vertragsbedingungen der ausgebenden oder verwahrenden Stelle ein Umtausch in gesetzliche Zahlungsmittel oder in entsprechendes Buchgeld vorgesehen ist. In der Zukunft dürfte dieses Kriterium insbesondere für die Beurteilung von Geschäften mit sog. virtueller Währung1, z.B. Bitcoin, relevant werden2.
2.75
Das Gesetz erläutert den Begriff „Einlage“ nicht näher. Einigkeit besteht darüber, dass es sich hierbei um einen Begriff handelt, der nur unter Berücksichtigung der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung bestimmt werden kann3. Die BaFin vertritt, kennzeichnend sei, dass Gelder von einer Vielzahl an Geldgebern auf Basis typisierter Verträge darlehensweise oder in ähnlicher Art laufend entgegengenommen und ihrer Art nach nicht banküblich besichert werden4. In Teilen des Schrifttums sind weitere Merkmale herausgearbeitet worden, um das Einlagengeschäft näher einzugrenzen. So wird etwa darauf abgestellt, ob von einer Vielzahl von Geldgebern „laufend“ Gelder entgegengenommen werden5.
2.76
Dagegen misst die Rechtsprechung dem „Einlage“-Kriterien nur eine Indizwirkung bei. Danach ist die Frage, ob eine Einlage vorliegt, auf Grund einer Wertung aller Umstände im Einzelfall sowie unter Berücksichtigung der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung zu ermitteln. Von zentraler Bedeutung ist dabei aus Sicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung das gesetzgeberische Ziel, das breite Publikum vor einem Verlust der Einlage zu schützen, die sich z.B. in den durch das KWG statuierten Regeln zur Erlaubnispflicht und zur adäquaten Kapitalausstattung manifestiere6. Insofern kann, bei typisierender Betrachtung, die Schutzbedürftigkeit des Einzahlenden einerseits für das Vorliegen eines Einlagengeschäfts sprechen; andererseits kann fehlende Schutzbedürftigkeit indizieren, dass ein Einlagengeschäft zu verneinen ist.
2.77
Die angenommenen Gelder müssen zudem fremd sein. Dies ist der Fall, wenn die Gelder nicht endgültig bei dem annehmenden Unternehmen verbleiben, sondern dieses vielmehr verpflichtet ist, Geld gleicher Menge nach Maßgabe der hierüber getroffenen Vereinbarungen dem Berechtigten zurückzuerstatten. Das Einhalten bestimmter Kündigungsfristen ist
2.78
1 Darunter fallen auch sog. virtuelle, digitale, alternative oder crypto Währungen, Geld oder Devisen. 2 Die BaFin qualifiziert Bitcoin in ihrem Merkblatt „Hinweise zu Finanzinstrumenten nach § 1 Abs. 11 Sätze 1 bis 3 KWG“ vom 26.7.2018 als „Nebengeld“ und Rechnungseinheit und damit Finanzinstrument i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG; a.A. KG (Strafsache) v. 25.9.2018 – 161 Ss 28/18; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 37 m.w.N.; zur zivilrechtlichen Einordnung Ammann, CR 2018, 379 ff.; zur divergieren Normauslegung Poelzig, ZBB 2019, 1 ff. 3 BGH v. 23.3.2010 – VI ZR 57/09, AG 2010, 449 = WM 2010, 928, 929; BGH v. 9.3.1995 – III ZR 55/94, NJW 1995, 1494; Canaris, BB 1978, 227, 228. 4 BaFin-Merkblatt Einlagengeschäft v. 11.3.2014; m.w.N. Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 15 ff. 5 Horn, ZGR 1976, 435, 437; vgl. auch Canaris, BB 1978, 227. 6 BGH v. 9.3.1995 – III ZR 55/94, NJW 1995, 1495 f.; BVerwG v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, NJW 1985, 929, 930; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 18 m.w.N.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
dabei unschädlich, sofern ein unbedingter Rückzahlungsanspruch besteht und nicht von einer Bedingung in Form eines ungewissen Ereignisses i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB anhängt1.
2.79 Mit Einführung der Alternative „Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums“ im Rahmen der 6. KWG-Novelle als Auffangtatbestand, nach dem jede subjektive Zwecksetzung im Hinblick auf die angenommenen Gelder für die Erfüllung des Tatbestands ohne Bedeutung ist2, bildet die Annahme als Einlage nur noch einen speziellen Unterfall des Einlagengeschäfts, welchem daher kaum noch praktische Bedeutung zukommt. Zentrales Kriterium ist nunmehr die unbedingte Rückzahlbarkeit. Unbedingt rückzahlbar sind Gelder, wenn ein zivilrechtlicher Anspruch auf ihre Rückzahlung besteht (z.B. aus einem Darlehen nach § 488 Abs. 1 BGB). Auch betagte Ansprüche oder Gelder, die erst durch eine Kündigung des Anspruchsberechtigten fällig gestellt werden, sind rückzahlbar3. 2.80 Das Merkmal der „unbedingten“ Rückzahlbarkeit ist nur erfüllt, wenn die Rückzahlung nicht durch ein ungewisses Ereignis i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB bedingt ist4. Typische gesellschaftsrechtliche Beteiligungen mit Verlustteilnahme scheiden daher aus dem Einlagetatbestand aus5. Dagegen können bestimmte sog. „Mezzanine-Finanzierungen“ in Form des partiarischen Darlehens, des Nachrangdarlehens und der stillen Gesellschaft im Einzelfall als „rückzahlbare Gelder“ i.S.d. Einlagentatbestands anzusehen sein6. Auch einfache Nachrangklauseln, die lediglich die Rangfolge der Rückzahlungsansprüche im Falle der Insolvenz oder Liquidation des kapitalannehmenden Unternehmens festlegen, reichen nicht aus, die Geldüberlassung als „bedingt“ anzusehen7. Dagegen fehlt es im Falle eines qualifizierten Rangrücktritts am Merkmal der Unbedingtheit8. 2.81 An einer Überlassung von Geldern als Einlage fehlt es in der Regel, wenn eine „bankübliche Sicherheit“ bestellt wurde9. Entsprechend der Rechtsprechung des BVerwG, das von der Schutzbedürftigkeit des Anlegers ausgehend argumentiert10, liegt eine solche Sicherheit vor, wenn im Einzelfall auf Grund entsprechender Abreden Sicherheiten gewährt wurden, die dazu führen, dass das Risiko des Anlegers entsprechend reduziert wird bzw. entfällt – er also des Schutzes der durch das KWG postulierten Regeln nicht bedarf11. 1 BVerwG v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, NJW 1985, 929, 930; BaFin in Merkblatt Einlagengeschäft vom 11.3.2014; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 13. 2 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 48; BGH v. 21.3.2005 – II ZR 149/03, AG 2005, 395 = ZIP 2005, 763, 765. 3 BaFin in Merkblatt Einlagengeschäft vom 11.3.2014. 4 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 13 und 23. 5 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 46. 6 BaFin in Merkblatt Einlagengeschäft vom 11.3.2014. 7 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 27; s. auch die Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2002, BT-Drucks. 15/3641, 36. 8 Hierunter fallen Vereinbarungen, nach denen die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung durch die betreffende Vereinbarung solange und soweit ausgeschlossen ist, wie sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des geldannehmenden Unternehmens herbeiführen würde; BaFin in Merkblatt Einlagengeschäft vom 11.3.2014; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 46. 9 BaFin in Merkblatt Einlagengeschäft vom 11.3.2014; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 27. 10 BVerwG v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, NJW 1985, 929, 930 f. 11 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 19; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 47; BaFin in Merkblatt Einlagengeschäft vom 11.3.2014.
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Von einer Einlage ist nur auszugehen, wenn es sich um Gelder des Publikums handelt. Diese sind von Geldern konzernverbundener Unternehmen abzugrenzen. Danach sind Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen innerhalb des Konzerns bereits tatbestandlich von der Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG ausgenommen1. Der Ausnahme durch das Konzernprivileg gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG bedarf es in diesem gesonderten Fall nicht.
2.82
2. Pfandbriefgeschäft Das Pfandbriefgeschäft wird durch § 1 Abs. 1 Satz 2 PfandBG definiert2. Pfandbriefgeschäft wurde in die Liste der Bankgeschäfte nach KWG aufgenommen, um unter Durchbrechung des bis dahin geltenden Pfandbriefprivilegs allen Instituten mit entsprechender Erlaubnis nach § 32 KWG die Ausgabe von Pfandbriefen, u.a. als Refinanzierungsmittel, zu ermöglichen3. Der Betrieb des Pfandbriefgeschäfts umfasst die Ausgabe der in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 PfandBG genannten Instrumente, den Hypothekenpfandbriefen (gedeckte Schuldverschreibungen auf Grund erworbener Hypotheken), öffentlichen Pfandbriefen (Kommunalschuldverschreibungen und Kommunalobligationen), Schiffspfandbriefen (gedeckte Schuldverschreibungen auf Grund erworbener Schiffshypotheken) sowie Flugzeugpfandbriefen (gedeckte Schuldverschreibungen auf Grund erworbener Registerpfandrechte nach § 1 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen oder ausländischer Flugzeughypotheken). Kreditinstitute, deren Geschäftsbetrieb das Pfandbriefgeschäft umfasst, gelten gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 PfandBG als Pfandbriefbanken; sie unterliegen – neben dem KWG – auch den Regelungen des PfandBG, insbesondere den ergänzenden Erlaubnisbestimmungen gem. § 2 PfandBG.
2.83
3. Kreditgeschäft Der regulatorische Tatbestand des Kreditgeschäfts umfasst die Gewährung von Gelddarlehen sowie Akzeptkrediten4. Zu differenzieren ist der engere, erlaubnispflichtige Kreditbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG von dem weiteren im KWG verwendeten volkswirtschaftlichen Kreditbegriff in §§ 13 ff. KWG, insbesondere § 19 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 KWG zu den Millionen- und Organkreditregelungen sowie den Offenlegungspflichten5. Anders als für die Qualifikation als CRR-Kreditinstitut (ausführlich dazu Rz. 2.20) ist Kreditgeschäft Bankgeschäft und der Betreibende damit Kreditinstitut, ohne dass zeitgleich der Betrieb des Einlagengeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG erforderlich ist (vgl. Rz. 2.75)6. Insofern ist es für den Tatbestand des Kreditgeschäfts unerheblich, ob die Kreditgewährung ausschließlich aus Eigenmitteln erfolgt oder mit Fremdmitteln refinanziert wird7.
2.84
Maßgeblich für die Bestimmung des Gelddarlehensbegriffs i.S.d. Tatbestands ist grundsätzlich die zivilrechtliche Beurteilung. Ein Gelddarlehen wird danach durch den Abschluss eines privatrechtlichen Darlehensvertrags i.S.v. § 488 BGB oder eines vergleich-
2.85
1 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 46. 2 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Pfandbriegeschäft vom 14.9. 2015. 3 BT-Drucks. 15/4321, 39. 4 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016. 5 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 55. 6 Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 61; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 35. 7 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 35 m.w.N.
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baren Vertrags unter ausländischem Recht als Darlehensgeber gewährt1. Die Gelder müssen zudem rückzahlbar sein und der Rückzahlungsanspruch muss auf eine Geldleistung gerichtet sein, wobei die Gewährung einer facultas alternativa als Rückführungsmöglichkeit des Darlehensnehmers, die Eigenschaft als Gelddarlehen nicht entfallen lässt2. Wertpapierdarlehen (sog. Wertpapierleihe i.S.d. § 607 BGB) sind daher kein Bankgeschäft i.S.d. Norm3. Unerheblich ist es, ob und in welcher Höhe Zinsen vereinnahmt werden4.
2.86 Gewährt wird ein Gelddarlehen bei der erstmaligen Hingabe des Kredits, d.h. einer an den Darlehensnehmer kommunizierten Kreditentscheidung des Darlehensgebers, welche ein neues Kreditrisiko für den Darlehensgeber entstehen lässt5. Daher ist bereits die Einräumung einer vom Darlehensnehmer ohne weiteres Tätigwerden des Darlehensgebers ausnutzbaren Kontokorrentlinie tatbestandliche Darlehensgewährung6. Die unveränderte Übernahme eines bereits bestehenden Darlehens als Darlehensgeber ist dagegen keine tatbestandliche Darlehensgewährung. Gleiches gilt, wenn der Darlehensnehmer gegenüber dem neuen Darlehensgeber eine ihm bereits von dem Originator eingeräumten Option auf Prolongation in Anspruch nimmt. Eine neue Gewährung eines Kredits und damit tatbestandliches Kreditgeschäft stellt hingegen nach Übernahme eines Darlehens von einem Dritten die Ausreichung neuer Kreditmittel oder die Prolongation oder Umschuldung dar7. 2.87 Ein Akzeptkredit i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 KWG liegt vor, wenn der Kunde als Aussteller auf das Kreditinstitut einen Wechsel bzw. Scheck zieht und das Kreditinstitut den Wechsel akzeptiert und sich damit verpflichtet, ihn am Fälligkeitstage einzulösen8. a) Abgrenzung zu gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen
2.88 Gesellschaftsrechtliche Beteiligungen stellen grundsätzlich keine Darlehensgewährung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG dar. Dies gilt insbesondere für die stille Gesellschaft9. Anderes gilt für partiarische Darlehen, wobei die typologische Grenze zur stillen Gesellschaft fließend ist10. Für die Abgrenzung der stillen Gesellschaft vom partiarischen Darlehen ist nach Ansicht der Rechtsprechung in Abwägung des Einzelfalls bei Vertragsabschluss ent1 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 55; BaFin-Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 34; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 55; BaFin-Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016: facultas alternativa ist z.B. die Vereinbarung, wonach der Kreditnehmer das Recht aber nicht die Pflicht hat, den Geldgeber nach Ablauf der Vertragslaufzeit auf die Befriedigung aus den sicherungsweise überlassenen Sachen zu verweisen. Auch die nachträgliche Vereinbarung, eine Darlehensschuld durch die Lieferung von Wertpapieren, Sachen oder Rechten zu tilgen, lässt das Betreiben des Kreditgeschäfts nicht rückwirkend entfallen. 3 Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 63. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 58; BaFin-Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016. 5 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 57; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 64; BaFin-Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016. 6 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 34. 7 BaFin-Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 57; a.A. Teichmann, BKR 2011, 324 ff.; Samm/Reschke in Beck/Samm/Kokemoor, 3 KWG Rz. 204 f. 8 BaFin-Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016. 9 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 62. 10 BaFin-Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016.
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scheidend, ob die Vertragspartner einen gemeinsamen Zweck verfolgen oder ob ihre Beziehungen ausschließlich durch die Verfolgung unterschiedlicher eigener Interessen bestimmt werden1. Die BaFin stellt daneben maßgeblich darauf ab, ob nach der Einzelfallbetrachtung eine Verlustbeteiligung bzw. Gewinnbeteiligung vereinbart wurde, wobei die Vereinbarung einer Verlustbeteiligung in der Regel zum Ausschluss der Darlehensgewährung und damit des tatbestandlichen Kreditgeschäfts führt2. b) Übertragung von Kreditrisiken In der Praxis werden Kreditrisiken häufig durch den Kreditgeber auf Dritte übertragen (sog. „Verkauf von Krediten“)3. Aus Sicht der BaFin liegt in diesen Fällen jedenfalls dann kein Kreditgeschäft vor, wenn das Darlehen zunächst von einem dem KWG unterliegenden Kreditinstitut ausgereicht wird und das (lizenzierte) Kreditinstitut dem Darlehensnehmer gegenüber auch weiter in der Pflicht bleibt. Aber selbst die Übertragung des gesamten Kreditverhältnisses ohne Zutun des Darlehensnehmers nach dem Umwandlungsgesetz im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine bestehende Gesellschaft oder neu gegründete Gesellschaft soll nach Auffassung der BaFin kein Kreditgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG darstellen. Entscheidend ist dabei aus Sicht der BaFin, dass das Tatbestandsmerkmal „gewähren“ nicht erfüllt ist, wenn die Position des Gläubigers einer bereits bestehenden Darlehensforderung auf einen Dritten übergeht (s. Rz. 2.87)4.
2.89
c) Vermittlung von Krediten Im Rahmen der Digitalisierung des Bankgeschäfts gewinnen Plattform-basierte Schwarmfinanzierungen, sog. Crowdfunding, Crowdinvesting oder Peer-to-Peer-Lending an Bedeutung. Während die reine Vermittlung von Krediten kein Bankgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 12 Nr. 2 KWG darstellt, allerdings gegebenenfalls nach § 34c GewO einer Erlaubnis bedarf, kann je nach Ausgestaltung des Einzelfalls beim Crowdfunding, Crowdinvesting oder Peer-to-Peer-Lending Bankgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG in Form des Einlagengeschäfts oder Kreditgeschäfts oder Finanzdienstleistungsgeschäft in Form der Anlagevermittlung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG vorliegen5. 1 Grundlegend hierzu BGH v. 10.10.1994 – II ZR 32/94, NJW 1995, 192 mit umfangreichen weiteren Nachweisen. 2 BaFin-Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016. 3 Um Kreditrisiken zu übertragen, werden in der Praxis verschiedene Ausgestaltungen gewählt: Bei der vertraglichen Übertragung eines Kreditportfolios tritt der Erwerber (ggf. mit Zustimmung des Darlehensnehmers) in die einzelnen Kreditverhältnisse ein. Beim Forderungsverkauf (sog. „true sale“) wird das Kreditportfolio an eine Zweckgesellschaft oder anderen Dritten im Wege der stillen oder offenen Abtretung der Darlehensforderungen veräußert. Beim Unterbeteiligungsmodell (sog. „sub participation“) bildet der Investor im Wege der Einräumung einer offenen/oder stillen Unterbeteiligung eine bürgerlich-rechtlichen Innen- oder stille Gesellschaft. Bei sog. synthetischen Transaktionen überträgt der ursprüngliche Kreditgeber das Risiko (in der Regel mittels sog. Kreditderivate) auf einen Dritten, behält den Kredit aber weiter in seinen Büchern und übernimmt auch die weitere Bearbeitung (sog. „Servicing“). 4 Aus denselben Gründen wird das „Protection Selling“ im Rahmen von Kreditderivaten nicht als Kreditgeschäft angesehen, vgl. BaFin-Merkblatt Kreditgeschäft vom 2.5.2016. 5 Zu den Einzelheiten Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 43 m.w.N., Rz. 62 und Rz. 139; BaFin Fachartikel „Crowdfunding: Aufsichtsrechtliche Pflichten und Verantwortung des Anlegers“ vom 2.6.2014 m.w.N. in einzelnen BaFin-Merkblättern zu den jeweiligen Tatbeständen.
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4. Diskontgeschäft
2.91 Der Tatbestand des Diskontgeschäfts nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KWG umfasst den Ankauf nicht fälliger Wechsel bzw. Schecks unter Abzug eines Diskonts mit der Möglichkeit eines Regresses gegen den Einreicher. Zivilrechtlich entspricht dies einem Forderungsankauf. Die Einbeziehung in den Katalog der Bankgeschäfte rechtfertigt sich daraus, dass die im Rahmen des Wechselankaufs stattfindende Bevorschussung bei wirtschaftlicher Betrachtung Elemente einer Kreditgewährung umfasst. 2.92 Das Diskontgeschäft ist vom reinen Wechsel- und Scheckinkasso, bei dem das wirtschaftliche Risiko nicht übergeht, zu unterscheiden. Hierbei handelt es sich rechtlich nur um eine Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB; ein Bankgeschäft liegt beim Wechsel- und Scheckinkasso mangels Bevorschussung nicht vor1. 5. Finanzkommissionsgeschäft
2.93 Finanzkommissionsgeschäft im tatbestandlichen Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG ist die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung2. Das Finanzkommissionsgeschäft erfasst die verdeckte Stellvertretung, d.h. das Handeln in Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung3. Tatbestandlicher Abgrenzung bedarf es daher zu anderen Handelsformen in Finanzinstrumenten nach § 1 KWG, namentlich dem Handel (i) im fremden Namen für fremde Rechnung (offene Stellvertretung, Abschlussvermittlung als Finanzdienstleistung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG, s. Rz. 2.126a); (ii) im eigenen Namen für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere (Eigenhandel als Finanzdienstleistung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. c) KWG, s. Rz. 2.129 ff.); (iii) im eigenen Namen für eigene Rechnung, ohne Dienstleistung für andere zu sein (Eigengeschäft als Finanzdienstleistung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG, s. Rz. 2.150 f.); sowie (iv) das bloße Weiterleiten von Aufträgen als Bote des Anlegers (Anlagevermittlung als Finanzdienstleistung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG, s. Rz. 2.115 ff.)4. Dabei kommt dem Finanzkommissionsgeschäft nicht die Funktion eines Auffangtatbestandes zu5. 2.94 Das Handeln muss in Bezug auf Finanzinstrumente i.S.d. Legaldefinition des § 1 Abs. 11 KWG erfolgen. Begrifflich erfasst werden dabei Aktien, Vermögensanlagen i.S.d. § 1 Abs. 2 Vermögensanlagengesetz (VermAnlG), Schuldtitel (insbesondere Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen), sonstige Rechte, Anteile an Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), Geldmarktinstrumente, Devisen und Rechnungs-
1 Vgl. VG Berlin v. 21.2.1994 – 25 A 207/91, WM 1994, 2238 f.; BaFin-Merkblatt Diskontgeschäft vom 6.1.2009; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 66; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 41; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 81 ff. 2 Einzelheiten vgl. BaFin-Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft vom 4.5.2017; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 85 ff. (Erg.-Lfg. 3/14); Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 69 ff. 3 Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 86 (Erg.-Lfg. 3/14); Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 44. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 70; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 46. 5 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 47.
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einheiten sowie Derivate1. Der Handel in Wechsel und Schecks fällt damit nicht unter den Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts2. Das Handeln in Finanzinstrumenten umfasst sowohl kumulativ als auch alternativ die Anschaffung als auch die Veräußerung, d.h. jedes auf einen abgeleiteten entgeltlichen Eigentumserwerb (bzw. Inhaberschaft beim Erwerb von Rechten) gerichtete Rechtsgeschäft3. Das Handeln hat zudem im eigenen Namen für fremde Rechnung zu erfolgen. Der Handel in den Finanzinstrumenten in eigenem Namen erfolgt nicht, sofern in offener Stellvertretung für einen anderen, d.h. in fremdem Namen gehandelt wird (Abschlussvermittlung, s. Rz. 2.93). Nachdem vormals Inhalt und Anforderungen des Tatbestandsmerkmals eines Handelns „für fremde Rechnung“ umstritten war4, ist nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BVerwG5 sowie diesbzgl. geänderter Verwaltungspraxis der BaFin6 klargestellt, dass der gesetzliche Tatbestand grundsätzlich auf die Anforderungen des Kommissionsgeschäfts i.S.d. §§ 383 ff. HGB einzuschränken ist7. Wesentliches Element dabei ist, dass die Tragung der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile aus dem Handel beim Auftraggeber liegen. Typische Eigenschaften des Kommissionsgeschäfts i.S.d. §§ 383 ff. HGB sind (i) die Bindung des Kommissionärs an das individuelle Kundeninteresse und die Weisungsbefugnis des Kunden gegenüber dem Kommissionär (§ 384 Abs. 1 HGB), (ii) die Benachrichtigungs- und Rechnungslegungspflicht gegenüber dem Kunden (§ 384 Abs. 2 HGB), sowie (iii) die Pflicht des Kommissionärs zur Eigentumsverschaffung an den Kunden (§ 384 Abs. 2 HGB). Das Fehlen einzelner der vorgenannten Elemente ist insoweit unerheblich, sofern nach der Gesamtschau des Einzelfalls hinreichende Ähnlichkeit mit dem in §§ 383 ff. HGB geregeltem Geschäftstypus vorliegt8.
2.95
6. Depotgeschäft Die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren für andere ist als Depotgeschäft gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG tatbestandliches Bankgeschäft, wobei Verwaltung und Verwahrung alternative Tatbestandsmerkmale sind und auf einem privatrechtlichen Depotvertrag zu basieren haben9. Abzugrenzen ist das Depotgeschäft dabei von der Tätigkeit 1 Einzelheiten zur Definition des Finanzinstruments nach § 1 Abs. 11 KWG vgl. Merkblatt Finanzinstrumente (Derivate) vom 30.4.2018 sowie BaFin-Merkblatt „Hinweise zu Finanzinstrumenten nach § 1 Abs. 11 Sätze 1 bis 3 KWG (Aktien, Vermögensanlagen, Schuldtitel, sonstige Rechte, Anteile an Investmentvermögen, Geldmarktinstrumente, Devisen, Rechnungseinheiten und Emissionszertifikate)“ vom 26.7.2018; str. bzgl. Wertpapierleihe s. Schäfer in Boos/Fischer/SchulteMattler, § 1 KWG Rz. 72 m.w.N. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 71. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 73. 4 Vgl. zur Übersicht des früheren Meinungsstands Schelm in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 2.42 ff.; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 74 f. 5 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11.07 [6 C 12.07], BVerwGE 130, 262 ff.; BVerwG v. 8.7.2009 – 8 C 4.09, ZIP 2009, 1899 ff. 6 BaFin-Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft vom 4.5.2017. 7 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 44 f.; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 89 (Erg.-Lfg. 3/14). 8 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11/07, 6 C 12/07, BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11.07 6 C 12.07, WM 2008, 1359; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 44 m.w.N. a.E.; BaFin-Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft vom 4.5.2017. 9 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 48; Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Depotgeschäft vom 17.2.2014.
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als Zentralverwahrer gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 6 KWG (s. Rz. 2.100 ff.). Wertpapier i.S.d. Depotgeschäfts sind solche i.S.v. § 1 Abs. 1 DepotG1, d.h. Aktien, Zwischenscheine, Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine, auf den Inhaber lautende oder durch Indossament übertragbare Schuldverschreibungen (Order- oder Namensschuldverschreibungen) sowie andere vertretbare Wertpapiere i.S.d. § 806 BGB (Öffnungsklausel bzw. Auffangtatbestand)2. Der Wertpapierbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG bezieht sich nicht auf den weiten Begriff des Finanzinstruments nach § 1 Abs. 11 KWG3.
2.97 Die Verwahrung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG erfasst nur das offene Depot, das eine offene Übergabe von Wertpapieren voraussetzt. Kennzeichnend hierfür ist, dass der Verwahrer Zugang zu den Wertpapieren hat. Die Annahme eines verschlossenen Depots zur (geschlossenen) Verwahrung fällt nicht unter das Depotgeschäft4. Unter das Depotgeschäft fallen verschiedene Verwahrungsarten, die im Wesentlichen (nicht abschließend) im Depotgesetz geregelt werden. Hierzu gehören die Sonderverwahrung (§ 2 DepotG), die Drittverwahrung (§ 3 DepotG), die Sammelverwahrung (§ 5 DepotG), die Tauschverwahrung (§ 10 DepotG) sowie die unregelmäßige Verwahrung (§ 15 DepotG). Typisch für die Sammelverwahrung als häufigste Verwahrart ist die Girosammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank. Charakteristisch ist dabei, dass der jeweilige Hinterleger sein Eigentum an den eingelieferten Wertpapieren oder jedenfalls einen gleichwertigen dinglichen Anteil an dem entsprechenden Sammelbestand be- bzw. erhält5. 2.98 Verwalten ist die laufende Wahrnehmung der Rechte aus dem Wertpapier, z.B. die Einlösung von Zins- und Ertragsscheinen, die Ausübung von Stimmrechten, die Einlösung rückzahlbarer Wertpapiere bei deren Fälligkeit sowie die Ausübung von Bezugsrechten6. Auch die teilweise Vornahme von Verwaltungstätigkeiten genügt für ein Depotgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG7. 2.99 Durch das Tatbestandsmerkmal „für andere“ wird klargestellt, dass die Verwahrung im überwiegenden Drittinteresse zu erfolgen hat8. Damit sind zum einen Verwahrung und Verwaltung innerhalb eines Unternehmens und zum anderen Wertpapierdarlehens- bzw. Repogeschäfte (sog. repurchase agreements)9 aus dem Tatbestand ausgenommen, da hier Wertpapiere nicht für andere, sondern im eigenen Interesse verwahrt und verwaltet werden10. 1 Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 97 (Erg.-Lfg. 3/14); Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 49. 2 Einzelheiten dazu vgl. BaFin-Merkblatt Depotgeschäft vom 17.2.2014. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 78; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 97 (Erg.-Lfg. 3/14). 4 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 50. 5 Bei der Sammelverwahrung verliert der Hinterleger mit der Einlieferung seine bisherige eigentumsrechtliche Position in Bezug auf ein spezifisches Wertpapier. An dessen Stelle tritt Miteigentümer nach Bruchteilen an im Sammelbestand verwahrten Wertpapieren der jeweiligen Gattung. 6 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 83; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 51. 7 BaFin-Merkblatt Depotgeschäft vom 17.2.2014. 8 OVG Berlin v. 19.10.1966, NJW 1967, 1052; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 52. 9 Der Wertpapierdarlehensnehmer betreibt nicht daher das Depotgeschäft, auch wenn gem. § 15 Abs. 3 DepotG die Formvorschriften des § 15 Abs. 2 DepotG sinngemäß gelten. 10 BaFin-Merkblatt Depotgeschäft vom 17.2.2014. S. auch Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 52.
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Adressaten der Aufsicht | Teil 2
Das Rechtsverhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde wird beim Depotgeschäft durch die AGB-Banken und Sonderbedingungen geregelt. 7. Zentralverwahrer Im Rahmen des Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (1. FiMaNoG) wurde in Umsetzung des Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 die Zentralverwahrertätigkeit i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 6 KWG als eigenständiges erlaubnispflichtiges Bankgeschäft erfasst. Es ist abzugrenzen von dem in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG geregelten Depotgeschäft (s. Rz. 2.96 ff.)1. Gemäß § 1 Abs. 6 KWG ist ein Zentralverwahrer eine juristische Person, die ein Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem nach Abschnitt A Nr. 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 betreibt und wenigstens eine weitere Kerndienstleistung nach Abschnitt A des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 erbringt.
2.100
8. Revolvinggeschäft Kennzeichnend für das Revolvinggeschäft oder „Darlehenrückkaufgeschäft“2 ist der Verkauf (i.S.d. §§ 433 Abs. 1, 398 BGB) langfristiger Darlehensforderungen i.S.d. § 488 Abs. 1 BGB an Dritte, wobei der Verkäufer sich verpflichtet, die Forderung vor Endfälligkeit des Darlehens wieder zurückzukaufen. Dieser Vorgang wiederholt sich typischerweise mehrere Male. Wirtschaftlich stellt das Revolvinggeschäft eine Fristentransformation dar, da langfristige Aktivgeschäfte kurzfristig refinanziert werden. Aus dieser Fristentransformation resultieren Zinsänderungs- und Liquiditätsrisiken, die es rechtfertigen, das Revolvinggeschäft in den Geltungsbereich des KWG einzubeziehen3.
2.101
Kennzeichnend für ein Revolvinggeschäft ist die Verpflichtung, die veräußerten Darlehensforderungen zu einem späteren Zeitpunkt zurück zu erwerben. Unerheblich ist es dabei, ob die Rückkaufverpflichtung des Zedenten als Festgeschäft bzw. Terminkauf oder als Optionsrecht des Zessionars ausgestaltet wird4. Auch eine rein faktische Verpflichtung zum Rückkauf kann den Tatbestand des Revolvinggeschäfts begründen5. Im Rahmen der Durchführung von Revolvinggeschäften können je nach Konstellation auch Tatbestände weiterer Bankgeschäfte, z.B. des Einlagen- oder Kreditgeschäfts verwirklicht sein6.
2.102
9. Garantiegeschäft Das Garantiegeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG umfasst tatbestandlich die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen für andere7. Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge i.S.d. § 765 Abs. 1 BGB gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten ein1 BT-Drucks. 18/7482; BGBl. I 2016, 1514 ff. 2 BaFin-Merkblatt Darlehenrückkaufgeschäft vom 7.1.2009. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 89 f.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 53. 4 BaFin-Merkblatt Darlehenrückkaufgeschäft vom 7.1.2009; s. auch Schwennicke in Schwennicke/ Auerbach, § 1 KWG Rz. 55. 5 OLG München v. 22.2.2006 – 7 U 4657/05, WM 2006, 1765, 1768. 6 BaFin-Merkblatt Darlehenrückkaufgeschäft vom 7.1.2009. 7 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Garantiegeschäft vom 8.1. 2009.
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2.103
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
zustehen. Der Garantievertrag i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG ist eine Vereinbarung, durch die sich der Garantiegeber gegenüber dem Garantienehmer verpflichtet, ganz oder teilweise für eine Gefahr einzustehen, die dem Garantienehmer aus einem Rechtsverhältnis mit einem Dritten entstehen kann. Als sonstige Gewährleistungen gelten alle sonstigen Geschäfte, die eine Einstandsverpflichtung für eine Verbindlichkeit Dritter begründet bzw. die wirtschaftlich einer Bürgschaft oder Garantie vergleichbar sind1. Tatbestandsmäßig sind daher etwa die Eröffnung und Bestätigung von Akkreditiven, das Eingehen einer Delkredereverpflichtung sowie harte Patronatserklärungen2. An einer Gewährleistungsübernahme für andere fehlt es dann, wenn diese nach materieller Betrachtung des Einzelfalls auch im (teilweise) eigenen Interesse erfolgt, wie es vielfach bei Gewährleistungen für konzernangehörige Unternehmen oder zum Zweck der Absatzfinanzierung der Fall ist3.
2.104
Im Unterschied zum Kreditgeschäft erfolgt im Rahmen des Garantiegeschäfts eine Haftungsübernahme, welche zwar als Eventualverbindlichkeit Kredit im wirtschaftlichen Sinne der §§ 13 ff. KWG ist, jedoch kein Kredit i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG4. Hintergrund der Einbeziehung des Garantiegeschäfts in den Katalog der Bankgeschäfte ist, dass der Übernehmer von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen Vorsorge treffen muss, um etwaige Risiken abfangen zu können. Daher liegt nach Ansicht der BaFin kein Garantiegeschäft vor, wenn – wie bei barunterlegten Garantien – keine Vorsorge getroffen werden muss, um die Ansprüche aus der Inanspruchnahme aus Bürgschaft, Garantie bzw. sonstigen Gewährleistung erfüllen zu können5. 10. Scheck- und Wechseleinzugsgeschäft, Reisescheckgeschäft
2.105
Bis zur Umsetzung der ersten Zahlungsdiensterichtlinie 2007/64/EG und Inkrafttreten des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) zum 1.11.2009 umfasste § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG das Girogeschäft, welches inhaltlich nun Zahlungsdienst i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 ZAG ist. Ähnlich wie auch das E-Geld-Geschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG a.F. seit der Umsetzung der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (EU) 2015/2366 mit Inkrafttreten zum 13.1.20186 E-Geld-Geschäft i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 2 ZAG ist, wonach beide tatbestandlich dem Anwendungsbereich des KWG entfallen. Die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG geregelte Durchführung des bargeldlosen Scheckeinzugs (Scheckeinzugsgeschäft), des Wechseleinzugs (Wechseleinzugsgeschäft) und die Ausgabe von Reiseschecks (Reisescheckgeschäft) sind damit zum 31.10.2009 in Teilen an die Stelle des früheren Tatbestands des Girogeschäfts7 getreten. Daher stellen die 1 Hierunter fallen z.B. die Eröffnung eines Dokumentenakkreditivs durch die Importeurbank, der Kreditauftrag (§ 778 BGB), der Schuldbeitritt sowie die wechsel- und scheckmäßigen Indossamentsverpflichtungen (Merkblatt der BaFin zum Garantiegeschäft v. 8.1.2009); hierzu auch Haug in Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 1 KWG Rz. 62. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 62. 3 Einzelheiten vgl. Bafin-Merkblatt Garantiegeschäft vom 8.1.2009; Schäfer in Boos/Fischer/SchulteMattler, § 1 KWG Rz. 105. 4 BaFin-Merkblatt Garantiegeschäft vom 8.1.2009; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 94. 5 BaFin-Merkblatt Garantiegeschäft vom 8.1.2009. 6 Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie vom 17.7.2017, BGBl. I 2017, 2446 ff.; Überblick zur Umsetzung bei Werner, WM 2018, 449 ff. 7 Nach der bisher anwendbaren Legaldefinition in dieser Norm umfasste das Girogeschäft die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs.
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Adressaten der Aufsicht | Teil 2
Mehrzahl der früher unter dem Girogeschäft zusammengefassten Aktivitäten sowohl im Zusammenhang mit dem Zahlungsverkehr als auch mit dem Abrechnungsverkehr kein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft i.S.d. KWG mehr dar1. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG umfasst danach nur noch diejenigen Geschäfte, die nicht zur Schnittmenge des früheren Girogeschäfts mit den Zahlungsaktivitäten des Annexes der Zahlungsdiensterichtlinie gehören2. Scheckeinzugsgeschäft sowie das Wechseleinzugsgeschäft sind das bargeldlose Scheckbzw. Wechselinkasso für Dritte, angefangen bei der Einreichung des Schecks oder Wechsels zur Einziehung bis zu seiner finalen Einlösung3. Abzugrenzen sind beide vom Diskontgeschäft gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KWG (s. Rz. 2.91 f.). Auch wenn ihm heute wenig praktische Relevanz mehr zukommt, ist das Reisescheckgeschäft aufgrund seiner mit dem Scheck- und Wechseleinzugsgeschäft vergleichbaren Risikostruktur tatbestandlich aufgenommen.
2.106
11. Emissionsgeschäft § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG definiert das Emissionsgeschäft als die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien4. Unter einer „Emission“ ist die erste Ausgabe einer bestimmten Anzahl von Wertpapieren durch einen Wertpapieraussteller (Emittenten) zu verstehen5. Das Emissionsgeschäft erfasst nur die Emission unter Beteiligung Dritter („Fremdemission“), nicht aber die Platzierung durch den Emittenten selbst („Eigenemission“)6. Tatbestandlich erfasst wird die Emission von Finanzinstrumenten i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG.
2.107
Ein Emissionsgeschäft kann sowohl im Fall einer öffentlichen Platzierung als auch bei einer Privatplatzierung („private placement“) vorliegen. Auch die Art der Festlegung des Ausgabepreises (Festlegung eines festen Emissionspreises oder Bookbuilding) sowie die Art der Zuteilung sind unerheblich7. Dem Platzieren muss eine sog. „Platzierungsabrede“ zugrunde liegen8. Unter einer „Platzierungsabrede“ ist eine Abrede zu verstehen, durch die der Emittent den oder die Platzierenden mit der Unterbringung der von ihm emittierten Finanzinstrumente im Kapitalmarkt oder an einen begrenzten Personenkreis beauftragt (sog. „Übernahmevertrag“).
2.108
1 Auch Zahlungsinstitute i.S.d. ZAG dürfen nunmehr Zahlungsdienste im bargeldlosen Zahlungsverkehr auf der Grundlage ihrer nach § 10 Abs. 1 ZAG erteilten Erlaubnis erbringen und insoweit das Clearing durchführen; einer Bankerlaubnis bedürfen sie für das im Annex der Richtlinie umschriebene Kerngeschäft im Zahlungsverkehr mithin nicht. Auch CRR-Kreditinstitute dürfen auf Grund ihrer für Bankgeschäfte erteilten Erlaubnis gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZAG, § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG Zahlungsdienste erbringen. 2 BT-Drucks. 16/11613, 58 f. 3 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 65 f.; Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Scheck- und Wechseleinzugsgeschäft, Reisescheckgeschäft vom 6.1.2010. 4 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Emissionsgeschäft vom 24.7. 2013. 5 Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 159 ff. (Erg.-Lfg. 3/14); allg m.w.N. und zu sog. „Secondary Placements“ s. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 112. 6 BaFin-Merkblatt Emissionsgeschäfts vom 24.7.2013; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 69. 7 BaFin-Merkblatt Emissionsgeschäfts vom 24.7.2013. 8 BaFin-Merkblatt Emissionsgeschäfts vom 24.7.2013; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 74.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
2.109
Entscheidend ist, dass die Finanzinstrumente „für eigenes Risiko“ durch ein oder mehrere Kreditinstitute (sog. Übernahmekonsortium) übernommen werden. Verbleibt das Platzierungsrisiko beim Emittenten (sog. „best effort underwriting“), liegt kein Emissionsgeschäft vor1. Unternehmen, die Finanzinstrumente im Namen des Emittenten (offene Stellvertretung) und für Rechnung des Emittenten platzieren (sog. Vermittlungs- oder Geschäftsbesorgungskonsortium), erbringen Platzierungsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1c KWG2.
2.110
Werden Finanzinstrumente für eigenes Risiko übernommen, grenzt das Ziel der Platzierung das Emissionsgeschäft gegenüber dem Eigenhandel (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG) ab3. Kennzeichnend für den Eigenhandel ist, dass der Eigenhändler Wertpapiere erwirbt, um eine aktuelle oder erwartete Nachfrage zu befriedigen. Daher fehlt es am Merkmal einer Dienstleistung gegenüber dem Emittenten. Durch die Qualifikation des Eigenhandels als Finanzdienstleistung hat diese Abgrenzung indessen an Relevanz verloren.
2.111
Mit der Tatbestandsvariante der Übernahme von Garantien, die einer festen Übernahmeverpflichtung wirtschaftlich gleichwertig sind, werden insbesondere diejenigen Fälle erfasst, in denen sich das platzierende Unternehmen für den Fall eines Scheiterns der Platzierung verpflichtet, die nicht verkauften Finanzinstrumente in den eigenen Bestand zu übernehmen (sog. Garantiekonsortium)4. 12. Tätigkeit als zentrale Gegenpartei
2.112
Zentrale Gegenpartei (sog. Central Counterparty, CCP) ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 KWG i.V.m. § 1 Abs. 31 KWG ein Unternehmen i.S.d. Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (sog. EMIR-Verordnung). Der Tatbestand ersetzt seit Einführung der 7. KWG-Novelle den des „zentralen Kontrahenten“. Gemäß Art. 2 Nr. 1 EMIR-Verordnung ist zentrale Gegenpartei eine juristische Person, die zwischen die Gegenparteien der auf einem oder mehreren Märkten gehandelten Kontrakte tritt und somit als Käufer für jeden Verkäufer bzw. als Verkäufer für jeden Käufer fungiert5.
2.113
Markt i.S.d. § 1 Abs. 31 KWG i.V.m. Art. 2 Nr. 1 EMIR-Verordnung kann ein Finanzmarkt, wie eine Wertpapier- oder Terminbörse i.S.d. § 1 Abs. 3e KWG, ein multilaterales Handelssystem i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG oder ein anderer außerbörslicher Finanzmarkt sein6. Die gehandelten Kontrakte müssen sich auf Finanzinstrumente gem. § 1 Abs. 11 KWG beziehen. Dadurch, dass jeder Handelsteilnehmer nur einen Vertragspartner hat, ist eine Nettingeffizienz (Aufrechnungseffizienz) gegeben. Zentrale Gegenparteien sind auf Grund der systemischen Bedeutung stabiler Clearingabläufe für das Finanzsystem der Bankaufsicht unterworfen7. 1 BT-Drucks. 13/7142, 63; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 115 und 119. 2 BaFin-Merkblatt Emissionsgeschäfts vom 24.7.2013; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 75. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 119. 4 BaFin-Merkblatt Emissionsgeschäfts vom 24.7.2013; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 167 (Erg.-Lfg. 3/14). 5 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 128. 6 BaFin-Merkblatt zentrale Gegenpartei vom 19.9.2013. 7 BaFin-Merkblatt zentrale Gegenpartei vom 19.9.2013.
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III. Finanzdienstleistungsinstitute Um als Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. KWG zu qualifizieren, muss eine oder mehrere der in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 12 oder Satz 3 KWG abschließend1 aufgelisteten Finanzdienstleistungsarten betrieben werden, ohne dass das Institut Kreditinstitut ist. Die Qualifikation als Finanzdienstleistungsinstitut ist also gegenüber der als Kreditinstitut subsidiär2.
2.114
1. Anlagevermittlung Gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG ist Anlagevermittlung die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG3. Dabei kann der Vermittler sowohl für den Anbieter der Finanzinstrumente (Anlagen) als auch für den Anleger tätig werden, wobei es tatbestandlich unerheblich ist, ob der Vermittler entgeltlich tätig wird. Jede final auf einen Abschluss von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten gerichtete Tätigkeit ist damit Vermittlung im Sinne der Norm4. Entscheidend ist, dass der Vermittler als Mittelsperson im Sinne eines Boten für einen Dritten handelt und subjektiv seine Botenstellung erkennt5, wobei dennoch eine Differenzierung zwischen der Anlagevermittlung und der bloßen Übermittlungstätigkeit als Bote eines Auftraggebers sowie dem zivil- und aufsichtsrechtlichen Begriff der Anlagevermittlung zu erfolgen hat6. Nach der vom BGH bestätigten Verwaltungspraxis der BaFin genügt es für die Qualifizierung als Anlagevermittlung, dass der Kunde einen Auftrag unterzeichnet und der Vermittler diesen weiterleitet7. Der Vermittlungsbegriff des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG entspricht dem des § 34c GewO bzgl. der Tätigkeit des Nachweismaklers, wobei die bloße Kontaktherstellung zwischen Anleger und Anbieter nicht Anlagevermittlung i.S.d. KWG sondern reine Nachweistätigkeit i.S.d. § 34c GewO ist8. Anlagevermittler i.S.d. Norm sind z.B. Börsen- und Freimakler.
2.115
Wurde dem Vertreter Handlungsmacht eingeräumt bzw. handelt er als Vertreter z.B. des Anlegers in dessen Namen und gibt als solcher Vertreter eine eigene Willenserklärung ab, liegt kein Fall der Anlagevermittlung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG sondern der Abschlussvermittlung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG, s. Rz. 2.126a) bzw. Finanzportfolioverwaltung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG, s. Rz. 2.127 ff.) vor. Weiter ist die Anlagevermittlung abzugrenzen von der Anlageberatung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG, s. Rz. 2.118 ff.). Die Anlagevermittlung unterscheidet sich von der Anlageberatung dadurch, dass bei letzterer in der Regel nur ein Rechtsverhältnis zwischen Berater und Kunden be-
2.116
1 BT-Drucks. 3/1114, 27. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 78. 3 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Anlagevermittlung vom 13.7. 2017. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 134. 5 BaFin-Merkblatt Anlagevermittlung vom 13.7.2017; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 134. 6 BGH v. 5.12.2013 – III ZR 73/12, WM 2014, 121, 122; Schlick, WM 2015, 261, 263 ff.; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 137. 7 BaFin-Merkblatt Anlagevermittlung vom 13.7.2017; BGH v. 5.12.2013 – III ZR 73/12, WM 2014, 121, 122; BGH v. 30.10.2014 – III ZR 493/13, WM 2014, 2310. 8 BaFin-Merkblatt Anlagevermittlung vom 13.7.2017.
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steht, der Berater aber keine Aufträge des Kunden entgegennimmt; daher spricht es für eine Anlageberatung, wenn sich der Kunde die Finanzinstrumente selbst beschafft. Dagegen liegt eine Abschlussvermittlung vor, wenn der Vermittler den Abschluss eines konkreten Geschäfts bereits so umfassend vorbereitet und abgewickelt hat, dass der Kunde den Auftrag nur noch zu unterschreiben und abzusenden hat1. Die Schwelle zur Anlagevermittlung wird regelmäßig auch dann überschritten, wenn über eine rein abstrakte Beratung hinaus hinsichtlich der Anlage von Vermögen konkrete Kauf- oder Verkaufsempfehlungen abgegeben und einem Anbieter von Finanzinstrumenten neue Kunden zugeführt werden2.
2.117
Aus Sicht des Organisators bzw. Plattformbetreibers beim Crowdfunding, Crowdinvesting oder Peer-to-Peer-Lending wird der Tatbestand der Anlagevermittlung meist schon aufgrund des Vermittlungsgegenstandes nicht erfüllt, da dies meist nicht die Vermittlung von Beteiligungen oder anderen Finanzinstrumenten nach § 1 Abs. 11 KWG, sondern die Vermittlung von Krediten zum Gegenstand hat3. 2. Anlageberatung
2.118
Bestimmend für die Anlageberatung nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG ist, dass (i) eine persönliche Empfehlung abgegeben wird, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten (i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG) bezieht, (ii) diese Empfehlung gegenüber Kunden oder deren Vertretern erfolgt und (iii) auf einer Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird, wobei (iv) die Empfehlung nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben werden darf4.
2.119
Eine „Empfehlung“ liegt vor, wenn dem Anleger zu einer bestimmten Handlung als in seinem Interesse liegend geraten wird. Daran fehlt es bei bloßen Informationen, z.B. wenn der Dienstleister dem Kunden lediglich Erläuterungen über dessen in Finanzinstrumenten angelegtes Vermögen gibt, ohne dabei konkrete Vorschläge zur Änderung der Zusammensetzung dieses Vermögens zu unterbreiten. Unerheblich ist, ob der Kunde die gegebene Empfehlung umsetzt5.
2.120
Die Empfehlung muss sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen. Ein „Geschäft“ i.S.d. Norm ist jedes Rechtsgeschäfts, welches die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG zum Gegenstand hat, einschließlich die Empfehlung über dessen Halten oder die (Nicht-)Ausübung eines aus dem Finanzinstrument fließenden Rechts (z.B. Bezugsrecht, Option, Tausch, etc.). Ein „be1 VGH Kassel v. 18.7.2003 – 6 TG 3395/02, NJW 2003, 3578; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 87. 2 Von Livonius, BKR 2005, 12 f.; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 140. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 139. 4 Zur Verwaltungspraxis s. das Gemeinsame Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung mit Stand Februar 2019; abrufbar via Link unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Standardartikel/DE/Zusammenfassungen/zs_mb_alle_merkblaet ter_finanzdienstleistungen_ba.html (zuletzt abgerufen am 25.4.2019). 5 Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung mit Stand Februar 2019; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 143.
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stimmtes“ Finanzinstrument i.S.d. Anlageberatung liegt nur dann vor, wenn der Dienstleister ein oder mehrere Finanzinstrumente konkret benennt bzw. konkrete Handlungen (z.B. Ausübung bestimmter Optionsrechte) empfiehlt. Die Abgrenzung zu den nicht tatbestandsmäßigen generischen Empfehlungen ist fließend und erfordert eine Einzelfallbetrachtung: Empfehlungen, die Aktienquote eines Portfolios zu erhöhen bzw. in Werte eines bestimmten Index zu investieren, werden allgemein noch nicht als Anlageberatung angesehen. Andererseits genügt, dass der Berater dem Kunden eine Reihe konkreter Anlagevorschläge unterbreitet, die Auswahl jedoch dem Kunden überlässt1. „Kunden“ i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG sind, vergleichbar mit der Legaldefinition in § 67 Abs. 1 bis 3 WpHG, alle natürlichen und juristischen Personen2. Dies schließt sog. „institutionelle Anleger“ ein. Unerheblich ist auch, von wem die Initiative zur Beratung ausging3. Die Empfehlung muss auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt sein oder als für ihn geeignet dargestellt werden. Die BaFin bejaht eine Empfehlung bereits dann, wenn der Kunde den betreffenden Dienstleister lediglich in allgemeiner Form über seine finanzielle Situation unterrichtet und der Dienstleister daraufhin Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten empfiehlt bzw. wenn die Empfehlung vom Dienstleister „als für den Anleger geeignet dargestellt“ wird4. Entscheidend ist der Empfängerhorizont des Kunden5. Danach liegt eine Empfehlung vor, wenn der Dienstleister zurechenbar den Anschein setzt, bei der Abgabe der Empfehlung die persönlichen Umstände des Anlegers berücksichtigt zu haben, was z.B. bei Börsenbriefen nicht der Fall ist6.
2.121
Die von Robo-Advisors ermittelten Anlagevorschläge sind als auf eine „Prüfung der persönlichen Umstände“ beruhend und damit tatbestandliche Anlageberatung anzusehen, wenn der Kunde aufgrund seiner Angaben konkrete, auf bestimmte Finanzinstrumente bezogene Anlagevorschläge (z.B. Nennung einer WKN) erhält. Sofern der Kunde nur allgemeine Vorschläge zu seiner Portfoliostrukturierung ohne Nennung spezifischer Finanzinstrumente oder Mengenangaben erhält, z.B. Strukturierungsvorschläge in dem in Prozentwerten verschiedene Anlageklassen oder Branchen aufgeführt, aber keine konkreten Finanzinstrumente genannt werden, betreibt der Robo-Advisor in der Regel keine erlaubnispflichtige Anlageberatung7.
2.122
Eine Anlageberatung liegt nicht vor, wenn Empfehlungen ausschließlich über sog. Informationsverbreitungskanäle bzw. an die Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Davon ist auszugehen, wenn die Empfehlung nach der Art ihrer Veröffentlichung geeignet und bestimmt ist, die Allgemeinheit, also einen individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, zu erreichen. In diesen Fällen kann indessen eine Anlageempfehlung i.S.v. § 85 Abs. 1
2.123
1 Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung mit Stand Februar 2019; Kühne/Eberhardt, BKR 2008, 135 ff.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 91. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 93. 3 BT-Drucks. 16/4028, 56. 4 Insofern liegt ein anderer Maßstab vor als der der „anlage- und anlegergerechten Beratung“, s. dazu Kühne/Eberhardt, BKR 2008, 135 ff. 5 Balzer, ZBB 2007, 333, 335; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 146. 6 Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung mit Stand Februar 2019; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 94; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 146. 7 Baumanns, BKR 2016, 366, 369; Krimphove, BB 2018, 2691, 2694; Scholz-Fröhling, BKR 2017, 133 ff.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
WpHG vorliegen1. Finanzanalysen selbst stellen keine Anlageberatung dar, da bei einer Finanzanalyse die betreffende Information einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll2.
2.123a Besondere Ausnahmen bzw. der Entfall der tatbestandlichen Anlageberatung gelten bei der Beratung in Bezug auf Investmentvermögen (§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 KWG) und im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 15 KWG). 3. Betrieb eines multilateralen Handelssystems
2.124
Der Betrieb eines multilateralen Handelssystems i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG ist gegeben, wenn (i) ein multilaterales System betrieben wird, welches (ii) die Interessen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten (i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG) von (iii) einer Vielzahl von Personen (iv) innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt (sog. Matching), die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt3. Ein multilaterales System ist ein objektives Regelwerk über die Mitgliedschaft, die Handelsaufnahme von Finanzinstrumenten, den Handel zwischen den Mitgliedern, Meldungen über abgeschlossene Geschäfte und Transparenzpflichten, welches nur die Parteien eines potentiellen Geschäfts über Finanzinstrumente zusammenbringt. Dabei sind sowohl börsliche als auch außerbörsliche Handelssysteme erfasst4. Es erfüllt dabei eine Marktplatzfunktion im Sinne einer Offenheit für mehrere Mitglieder, weshalb bilaterale Systeme, bei dem das Gegenüber des Kaufs bzw. Verkaufs immer der gleiche Anbieter ist, kein multilaterales System sind. Auch nicht erfasst wird die Internalisierung von Wertpapieraufträgen durch Zusammenführung von An- und Verkaufsaufträgen innerhalb eines Instituts, da es hier an der Marktplatzfunktion fehlt5. 4. Platzierungsgeschäft
2.125
Das Platzieren von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung ist Platzierungsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG. Ausschließlich die Veräußerung von Finanzinstrumenten im Rahmen einer Emission in offener Stellvertretung, d.h. im fremden Namen und für fremde Rechnung, ist tatbestandlich erfasst6. Das Platzierungsgeschäft grenzt sich vom Emissionsgeschäft (s. Rz. 2.107 ff.) dadurch ab, dass das Platzierungsrisiko mangels einer Übernahmeverpflichtung beim Emittenten verbleibt. Eine das Platzierungsgeschäft ausschließende „feste Übernahmeverpflichtung“ ist gegeben, wenn ein Unternehmen sich verpflichtet, eine Emission von Finanzinstrumenten zu einem vorher fest1 Vor den Anpassungen durch das erste Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG) verwendete das WpHG in seiner Fassung bis zum 2.7.2016 nach § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. den Begriff „Finanzanalyse“, welcher durch den aktuellen Terminus der „Anlageempfehlung“ gem. § 85 Abs. 1 WpHG ersetzt wurde. 2 Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung mit Stand Februar 2019. 3 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt multilaterales Handelssystem vom 25.7.2013. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 149. 5 Hierzu Liersch, WM 2003, 473 f.; Seitz, AG 2004, 497 f.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 100. 6 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 104; Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Platzierungsgeschäft vom 25.7.2013; a.A. bzgl. der offenen Stellvertretung Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 154.
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gelegten Preis oder Kurs in den eigenen Bestand zu übernehmen, und es damit auch das primäre Absatzrisiko trägt1. Sofern keine feste Übernahmeverpflichtung besteht, das Unternehmen sich jedoch zum Verkauf im eigenen Namen auf einer „best effort“-Basis, d.h. kommissionsweise, verpflichtet, liegt Finanzkommissionsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG (s. Rz. 2.93 f.) vor2. 5. Betrieb eines organisierten Handelssystems Im Zuge der MiFID II-Umsetzung durch das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG)3 wurde der Betrieb eines organisierten Handelssystems als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung i.S.d. KWG eingeführt und ebenso als Wertpapierdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 9 und § 72 WpHG definiert. Als Betrieb eines organisierten Handelssystems i.S.d. KWG definiert ist der Betrieb eines multilateralen Systems, bei dem es sich nicht um einen organisierten Markt oder ein multilaterales Handelssystem handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems auf eine Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. Die Verankerung im KWG als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 7, 20 und 40 MiFID II4.
2.126
6. Abschlussvermittlung Definiert ist die Abschlussvermittlung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG als die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG) im fremden Namen für fremde Rechnung. Dabei ist Handeln für einen Dritten erforderlich, so dass organschaftliches Handeln nicht erfasst ist. Dem Erlaubnisvorbehalt des KWG ist damit die Tätigkeit des Abschlussmaklers i.S.d. § 34c GewO als offene Stellvertretung unterworfen, sofern und nur soweit diese in Finanzinstrumente nach § 1 Abs. 11 KWG erfolgt5. Abzugrenzen ist die Abschlussvermittlung von der Anlagevermittlung gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG (s. Rz. 2.116) und dem Finanzkommissionsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG (s. Rz. 2.95). Meist wird die Abschlussvermittlung zusammen mit der Finanzportfolioverwaltung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG erbracht (s. Rz. 2.127), wobei die Erlaubnis zur Erbringung der Finanzportfolioverwaltung auch die Erlaubnis zur Abschlussvermittlung gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG umfasst, nicht jedoch umgekehrt6.
2.126a
7. Finanzportfolioverwaltung Nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG ist die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten (i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG) angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum tat1 2 3 4 5
BaFin-Merkblatt Platzierungsgeschäft vom 25.7.2013. Die Abgrenzung ist umstritten, vgl. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 154 f. Gesetz vom 23.6.2017 (BGBl. I 2017, 1693). BT-Drucks. 18/10936, 257. Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Abschlussvermittlung vom 11.9.2014; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 108; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 201 ff. (Erg.-Lfg. 3/14). 6 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 158.
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2.127
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
bestandliche Finanzportfolioverwaltung. In Abgrenzung zum Depotgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG, s. Rz. 2.96 ff.) darf der Finanzportfolioverwalter die Finanzinstrumente nicht zugleich selbst verwahren, dies würde den Tatbestand des Depotgeschäfts erfüllen, sondern hat sie in einem Wertpapierdepot des Kunden bei einem Kreditinstitut verwahren zu lassen. Kennzeichnend für die (gegenüber dem Tatbestand des Depotgeschäfts subsidiäre)1 Finanzportfolioverwaltung ist das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlich eingeräumten Entscheidungsspielraums bei den zu treffenden Anlageentscheidungen, innerhalb dessen ein Ermessen ausgeübt werden kann. Der aufsichtsrechtliche Begriff der Finanzportfolioverwaltung ist somit vergleichbar mit der zivilrechtlichen Vermögensverwaltung für Dritte2. Ist vor Ausführung einer Anlageentscheidung dagegen die Zustimmung des Prinzipals einzuholen, scheidet eine Finanzportfolioverwaltung aus und es kommt das Vorliegen der Anlageberatung (s. Rz. 2.118 ff.) oder Anlagevermittlung (Rz. 2.115 ff.) in Betracht3. Unschädlich ist hingegen ein Vetorecht des Prinzipals4. Die Verwaltung muss sich auf einzelne Vermögen beziehen, allerdings können mehrere Vermögen in einem gemeinsam verwalteten Portfolio zusammengefasst werden5. Die Erlaubnis zur Erbringung der Finanzportfolioverwaltung umfasst auch die Erlaubnis zur Abschlussvermittlung gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG (s. Rz. 2.126a), nicht jedoch umgekehrt6.
2.128
Umstritten war in der Vergangenheit, ob auch dann eine Tätigkeit für Dritte i.S.d. Finanzportfolioverwaltung vorliegen kann, wenn die Anleger Gesellschafter einer Personengesellschaft (typisch sind die als GbR organisierten Investmentclubs) sind und die Anlage in Finanzinstrumente auf der Ebene der Gesellschaft stattfindet. Die Verwaltungspraxis der BaFin geht grundsätzlich davon aus, da bei einer BGB-Gesellschaft aufgrund ihrer beschränkten Rechtsfähigkeit sowohl die Gesellschaft selbst als auch deren Geschäftsführer für die übrigen Gesellschafter, d.h. „für andere“ tätig werde7. Teile der Literatur verweisen weiterhin darauf, dass die Anlage des Gesamthands- bzw. Gesellschaftsvermögens gesellschaftsrechtlich nicht für Rechnung Dritter erfolge, und lehnen eine Anwendung des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG ab8. Das BVerwG sowie das BVerfG haben die Verwaltungspraxis der BaFin bestätigt und stellen die der Außen-GbR durch den BGH zugesprochene Rechtssubjektivität zwar nicht in Frage, ziehen aber aus der Anerkennung der Rechtssubjektivität keine zwingende Folgerung für die Auslegung des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG. Entscheidend sei vielmehr, ob es sich bei der jeweiligen Vertragsgestaltung um eine Zusammenführung einer unbestimmten Vielzahl von Anlegern handele, die ohne weitere Verbindung untereinander jeweils Verwaltungsdienstleistungen entgegennehmen
1 BT-Drucks. 17/7142, 66; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 205 (Erg.-Lfg. 3/14). 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 111; der engste Familienkreis i.S. eines selbstverwalteten „Family Office“ soll hingegen nicht als Tätigkeit für Dritte und damit erlaubnispflichtig gelten, s. BaFin-Merkblatt Abschlussvermittlung vom 11.9.2014. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 159; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 206 (Erg.-Lfg. 3/14); Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 118. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 159; BaFin-Merkblatt Abschlussvermittlung vom 11.9.2014. 5 BT-Drucks. 13/7142, 66; BVerwG v. 22.9.2004 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385; BGH v. 9.11.2010 – VI ZR 303/09, WM 2011, 17, 19; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 159. 6 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 158. 7 BaFin-Merkblatt Abschlussvermittlung vom 11.9.2014, zu Einzelheiten uns Ausnahmen s. auch BaFin in ihrem Merkblatt Investmentclubs vom 18.7.2013. 8 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 161.
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wollten1. Sofern dies bejaht werden kann, ist auch der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG eröffnet. 8. Eigenhandel Durch das 2. FiMaNoG wurde neben den Änderungen zum Tatbestand des Eigengeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG (s. Rz. 2.150 f.) auch der Tatbestand der Eigenhandels modifiziert und in vier unterschiedliche Tatbestandsvarianten differenziert2. Beide Tatbestände, das Eigengeschäft und der Eigenhandel, sind v.a. mit Blick auf die sog. „Trennbankenregelungen“ eingeführt durch das sog. Trennbankengesetz als verbotene Geschäfte nach § 3 Abs. 2 KWG relevant (s. Rz. 2.160 ff.)3.
2.129
Die erste Variante erfasst unter § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. a) KWG das kontinuierliche Anbieten des An- und Verkaufs von Finanzinstrumenten zu selbst gestellten Preisen für eigene Rechnung unter Einsatz des eigenen Kapitals. Hiervon umfasst sind v.a. sog „Market Maker“ oder „Designated Sponsor“4.
2.130
Unter die zweite Variante des Eigenhandels fallen die sog. „systematischen Internalisierer“. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. b) KWG erfasst das häufige organisierte und systematische Betreiben von Handel für eigene Rechnung in erheblichem Umfang außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems, wenn Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems ausgeführt werden, ohne dass ein multilaterales Handelssystem betrieben wird5.
2.131
Dritte Variante des Eigenhandels gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. c) KWG ist das Anschaffen oder Veräußern von Finanzinstrumenten (i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG) für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere. „Anschaffen“ und „Veräußern“ ist jedes auf einen abgeleiteten Erwerb zu Eigentum bzw. Rechtsinhaberschaft gerichtete Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verstehen, welches auf die Begründung oder Übertragung einer Rechtsposition an einem Finanzinstrument zielt, z.B. der Abschluss von Kauf- oder kaufähnlichen Verträgen. Das Tatbestandsmerkmal „auf eigene Rechnung“ unterscheidet den Eigenhandel von dem „auf fremde Rechnung“ erfolgenden Finanzkommissionsgeschäft (i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG, s. Rz. 2.93 ff.). Durch das Tatbestandsmerkmal „Dienstleistung für andere“ wird der Tatbestand des Eigenhandels von dem des Eigengeschäfts (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG, s. Rz. 2.150 f.) abgegrenzt. Unabhängig von der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Geschäfts ist der Dienstleistungscharakter bezeichnend
2.132
1 BVerfG v. 5.4.2006 – 1 BvR 2780/04, NZG 2006, 499; BVerwG v. 22.9.2004 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385; VGH Kassel v. 9.4.2003 – 6 TG 3151/02, ESVGH 53, 193; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 119 f.; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 210 f. (Erg.-Lfg. 3/14); s. auch Eßer, WM 2008, 671, 675, der ebenfalls darauf hinweist, dass die Frage, ob die Dienstleistungen auf schuldrechtlicher oder formal gesellschaftsrechtlicher Basis erbracht werden, von sekundärer Natur ist. 2 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft vom 15.5.2018. 3 S. dazu BaFin Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz vom 14.12.2016 (https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/BA/ae_161214_abschirmungsgesetz. html, abgerufen am 24.4.2019) – diese Auslegungshilfe wird derzeit von der BaFin überarbeitet. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 167. 5 Einzelheiten s. BaFin-Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft vom 15.5.2018.
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für den Eigenhändler. Für die Beziehung zwischen Eigenhändler und Kunden ist regelmäßig ein Ungleichgewicht kennzeichnend, welches sich durch besseren Zugang des Eigenhändlers zu dem Markt ausdrückt, auf dem er agiert, um sich für das Geschäft mit dem Kunden einzudecken oder die aus dem Kundengeschäft resultierende offene Position zu schließen. Der Eigenhändler verschafft durch seine Tätigkeit für den Kunden überhaupt erst den Zugang zum Markt, der dem Kunden ansonsten verschlossen bliebe1. Zwar kann der Eigenhändler auch im eigenen Interesse tätig werden, er wird jedoch, anders als beim Eigengeschäft, nicht nur im eigenen Interesse, sondern immer auch auf Grund eines Kundenauftrags bzw. im Kundeninteresse tätig2. Typische Fälle des Eigenhandels für andere sind neben dem Festpreisgeschäft auch das Execution-Geschäft und die Tätigkeit als sog. „Generalclearer“3.
2.133
Vierte Variante des Eigenhandels ist der Hochfrequenzhandel, § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. d) KWG. Die tatbestandliche Regelung erfolgt in Umsetzung der Vorgaben der MiFID II und umfasst zwei Alternativen. Die erste Alternative umfasst grundsätzlich Unternehmen, die das Eigengeschäft als Mitglied oder Teilnehmer eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems oder mit einem direkten elektronischen Zugang zu einem Handelsplatz betreiben. Die zweite Alternative bezieht sich auf Unternehmen, die das Eigengeschäft mit Warenderivaten, Emissionszertifikaten oder Emissionszertifikatederivate betreiben4. 9. Drittstaateneinlagenvermittlung
2.134
Als Drittstaateneinlagenvermittlung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG gilt die Vermittlung von Einlagengeschäften mit Unternehmen mit Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums. Die Vermittlung von Einlagen in andere Mitgliedstaaten der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums wird hiervon nicht umfasst, da das harmonisierte Bankrecht einen anderweitigen Kundenschutz gewährleistet5. 10. Sortengeschäft
2.135
Das Sortengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 7 KWG umfasst den Austausch von Banknoten und Münzen, die gesetzliche Zahlungsmittel darstellen, sowie den An- und Verkauf von Reiseschecks6. 11. Factoring
2.136
Als Factoring i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG gilt der laufende Ankauf von Forderungen aus Lieferungen oder Leistungen des Factoringkunden durch den Factor auf der 1 Einzelheiten s. BaFin-Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft vom 15.5.2018. 2 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11 u. 12/07, NJOZ 2008, 2191, 2205 f.; vgl. auch BT-Drucks. 13/7142, 66 sowie VGH Kassel v. 14.2.2006 – 6 TG 1447/05, ZIP 2006, 800, 804; du Buisson, WM 2003, 1401, 1407 f.; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 166. 3 BaFin-Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft vom 15.5.2018; Zerwas/Hanten, ZBB 2000, 44, 45 ff. 4 Einzelheiten s. BaFin-Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft vom 15.5.2018. 5 BT-Drucks. 13/7142, 66; Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Drittstaateneinlagenvermittlung vom 8.12.2009; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 174 f. 6 BT-Drucks. 13/7142, 67; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 134 ff.
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Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff (s. Rz. 6.315 ff.)1. Beim sog. echten Factoring („non-recourse-factoring“) kauft der Factor die Forderungen des Anschlusskunden endgültig an und übernimmt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Anschlusskunden (Delkrederefunktion). Zivilrechtlich liegt hierin nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht in der Literatur ein Forderungskauf, der um Elemente einer Geschäftsbesorgung ergänzt wird2. Beim sog. unechten Factoring ist ein Rückgriff des Factors („recourse factoring“) im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners möglich. Wirtschaftlich und zivilrechtlich liegt dann ein Darlehen mit Sicherungsabtretung der Forderung vor, das wirtschaftliche Ausfallrisiko des Forderungsschuldners verbleibt beim Factoringkunden. Der Factoringdienstleistung muss eine Rahmenvereinbarung, die über den Erwerb des einzelnen Forderungsbestandes hinaus Gültigkeit haben soll, zugrunde liegen. Aus diesem Grund fällt der Ankauf von Einzelforderungen, wie es meist im Rahmen des Forfaitierungsgeschäfts erfolgt, nicht unter den aufsichtsrechtlichen Tatbestand. Unter Ankauf ist jedes auf den Erwerb einer Forderung gerichtete Rechtsgeschäft zu verstehen. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Factorings ist, dass der Ankauf zu Finanzierungszwecken erfolgt, da die Finanzierungsfunktion und deren Bedeutung für die Wirtschaft rechtfertigender Hintergrund für die Einführung als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung ist3. Aus Sicht der BaFin und der h.M. entfällt der Tatbestand des Factorings dabei indessen nur dann, wenn jede Finanzierungsfunktion entfällt, was nur bei regresslosem Ankauf fälliger Forderungen durch einen Kaufvertrag i.S.d. §§ 433 ff. BGB der Fall ist4.
2.137
Da der „Ankauf“ von Forderungen ohne Übernahme des Delkredererisikos („unechtes Factoring“) nach h.M. zivilrechtlich und wirtschaftlich ein Kreditgeschäft darstellt5, wäre auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG erfüllt. Entgegen der Grundregel in § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG, die grundsätzlich den Vorrang des Bankgeschäfts vorsieht, soll indessen in den Fällen des Factorings nur § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG erfüllt sein6. Die BaFin sieht das Factoring dennoch als Tatbestandsausschnitt des Kreditgeschäfts und (unter Berufung auf die Gesetzesbegründung) in den Fällen des Factorings § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG als subsidiär an. Diese Auffassung kann indessen nicht überzeugen: Gemäß § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG sind Finanzdienstleistungen gegenüber den Bankgeschäften, einschließlich des Kreditgeschäfts, subsidiär. Systematisch lässt sich das in der Gesetzes-
2.138
1 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Factoring vom 5.1.2009; Brogl in Reischauer/Kleinhans, 115, § 1 KWG Rz. 240 ff. (Erg.-Lfg. 3/14). 2 BGH v. 19.9.1977 – VIII ZR 169/76, BGHZ 69, 264, 257; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 138 m.w.N. 3 Bericht des Finanzausschusses vom 26.11.2008, BT-Drucks. 16/11108 v. 27.11.2008, 67; BaFinMerkblatt Factoring vom 5.1.2009; s. hierzu Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 143; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 185. 4 BaFin-Merkblatt Factoring vom 5.1.2009. 5 BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, WM 1981, 1350; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 144. 6 BT-Drucks. 16/11108, 67: „Unbeschadet der zivilrechtlichen Einordnung des unechten Factoring als Darlehen im Sinne des § 488 BGB soll auf dieses Geschäft der Tatbestand des Kreditgeschäfts des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG entgegen seinem Wortlaut nicht zur Anwendung kommen. In Durchbrechung des in § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG grundsätzlich verankerten Prinzips des Vorrangs des Bankgeschäfts soll das Factoring in dem neuen § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG als Finanzdienstleistungstatbestand abschließend geregelt werden.“
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begründung ausgedrückte Ziel nur erreichen, indem der Tatbestand des Kreditgeschäfts insoweit eingeschränkt wird, als Factoring vorliegt1. 12. Finanzierungsleasing
2.139
Das Finanzierungsleasing i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG umfasst den Abschluss von Finanzierungsleasingverträgen als Leasinggeber sowie die Verwaltung von Objektgesellschaften2. Dabei ist das Finanzierungsleasing von nicht erlaubnispflichtigen Tätigkeiten abzugrenzen, bei denen schwerpunktmäßig, wenngleich nicht ausschließlich, die entgeltliche befristete Gebrauchsüberlassung charakteristisch ist (sog. „Operating Leasing“/atypische Mietverträge). Die Erlaubnispflicht gilt nur für solche Verträge, bei denen die Finanzierungsfunktion3 im Vordergrund steht4.
2.140
Zwar hat das Finanzierungsleasing mit dem Kreditgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) der Sache nach die Finanzierungsfunktion gemein, jedoch liegt beim Finanzierungsleasing die Finanzierungsfunktion in der Überlassung eines Gebrauchsgegenstandes (gegen Entgelt), nicht in der Überlassung von Gelddarlehen, was eine eindeutige Abgrenzung zum Kreditgeschäft bietet5. 13. Anlageverwaltung
2.141
Der Tatbestand der Anlageverwaltung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG wurde im Rahmen des Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts in das KWG eingefügt und trat am 26.3.2009 in Kraft. Mit der Schaffung dieses Tatbestands reagierte der Gesetzgeber insbesondere auf das Urteil des BVerwG vom 27.2.20086. Ziel des neu eingefügten Tatbestands der Anlageverwaltung war es, kollektive Anlagemodelle (gesellschafts- wie schuldrechtlicher Art), bei denen die Anleger über bestimmte Strukturen zusammengefasst werden, um ihre Gelder in Finanzinstrumenten anzulegen, in die Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz und die Organisations- und Wohlverhaltenspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz einzubeziehen7. Der Tatbestand wurde durch das AIFM-Umsetzungsgesetz8 terminologisch angepasst und somit klargestellt, dass eine Tätigkeit nur dann als Anlageverwaltung zu qualifizieren ist, wenn sie nicht bereits als kollektive Vermögensverwaltung im Sinne des KAGB anzusehen ist9. 1 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 144. 2 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Finanzierungsleasing vom 19.1.2009; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 186 ff. 3 Zivilrechtlich liegen indessen auch beim Finanzierungsleasing Gebrauchsüberlassungsverträge vor, so dass der Tatbestand des Kreditgeschäfts trotz wirtschaftlicher Parallelen nicht erfüllt ist. 4 Für die Annahme einer Finanzierungsfunktion sprechen insbesondere das Fehlen von Kündigungsrechten für eine längere Grundmietzeit, die i.d.R. einen wesentlichen Teil der Abschreibungsdauer umfasst, sowie die Übernahme der Instandhaltung und des Risikos des Untergangs durch den Leasingnehmer. 5 BaFin-Merkblatt Finanzierungsleasing vom 19.1.2009. 6 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11.07 u. 12.07, WM 2008, 1359, 1362. 7 BT-Drucks. 16/11130, 43. 8 Art. 18 Nr. 2 lit. a) aa) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Umsetzungsgesetz – AIFM-UmsG) vom 4.7.2013 (BGBl. I 2013, 1981). 9 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 152; Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Anlageverwaltung vom 26.7.2013.
88 | Freis-Janik
Adressaten der Aufsicht | Teil 2
Tatbestandliche Anlageverwaltung liegt vor, sofern (i) die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG) außerhalb der Verwaltung eines Investmentvermögens i.S.d. § 1 Abs. 1 KAGB (ii) für eine Gemeinschaft von Anlegern, die natürliche Personen sind, (iii) mit Entscheidungsspielraum bei der Auswahl der Finanzinstrumente erfolgt, sofern dies (iv) ein Schwerpunkt des angebotenen Produktes ist und (v) zu dem Zweck erfolgt, dass diese Anleger an der Wertentwicklung der erworbenen Finanzinstrumente teilnehmen.
2.142
Die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten kann kumulativ oder alternativ vorliegen, auch genügt es, wenn nicht ausschließlich Finanzinstrumente angeschafft werden1. Liegt die Verwaltung eines Investmentvermögens nach § 1 Abs. 1 KAGB vor, ist der Tatbestand der Anlageverwaltung nicht erfüllt. Auf die Tätigkeit finden insofern Bestimmungen des KAGB Anwendung2.
2.143
Die Anlageverwaltung wird von den erlaubnisfreien Geschäften entsprechend der Art des Angebots abgegrenzt. Maßgeblich ist, ob natürliche Personen für die Anlageverwaltung gewonnen und ihre Gelder und Finanzinstrumente gemeinsam verwaltet werden sollen. Eine Gemeinschaft besteht dabei aus mindestens zwei natürlichen Personen. Dabei ist eine gesellschaftliche Verbundenheit der Anleger untereinander nicht Tatbestandsvoraussetzung3. Ein Handeln „für eine Gemeinschaft von Anlegern, die natürliche Personen sind“, liegt dann vor, wenn die materiellen Vor- und Nachteile der Geschäfte über die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten den Anlegern zugutekommen oder zur Last fallen sollen, die Anleger also das Risiko der Geschäfte tragen und sich die Tätigkeit als Dienstleistung für die Anleger darstellt, denen die Teilhabe am Ergebnis versprochen wird4. Insofern genügt auch das gesonderte Einwerben von einzelnen Anlegern, deren Mittel dann gemeinsam verwaltet, d.h. „gepoolt“ werden, während eine gesellschaftsrechtliche Verbindung der Anleger den Tatbestand der Anlageverwaltung im Gegenzug jedoch nicht ausschließt5.
2.144
Dem Vermögensverwalter muss zudem ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Auswahl der Finanzinstrumente zustehen. Ein Entscheidungsspielraum besteht bereits dann, wenn die jeweiligen Finanzinstrumente nur allgemein umschrieben sind (z.B. in sog. Anlagegrundsätzen oder -richtlinien), die konkrete Anlageentscheidung allerdings im Ermessen des Vermögensverwalters liegt und von diesem durchgeführt werden kann. Während ein Mitentscheidungsrecht der Anleger einem tatbestandlich ausreichenden Entscheidungsspielraum entgegensteht, kann ein Widerspruchsrecht der Anleger unschädlich sein, solange der Vermögensverwalter bei Nichtgebrauch des Widerspruchrechts durch den Anleger seine Anlageentscheidung durchführen kann6.
2.145
Die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten müssen dabei aus Sicht der Anleger Schwerpunkt des angebotenen Produktes sein. Unternehmen, die dauerhaft oder vorübergehend Liquiditätsreserven in Finanzinstrumenten anlegen oder Absiche-
2.146
1 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 153 m.w.N. 2 BaFin-Merkblatt Anlageverwaltung vom 26.7.2013. 3 BaFin-Merkblatt Anlageverwaltung vom 26.7.2013; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 198. 4 BaFin-Merkblatt Anlageverwaltung vom 26.7.2013. 5 BT-Drucks. 16/11130, 43; von Livonius/Bernau, WM 2009, 1216, 1219; Schäfer in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 195. 6 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 157; Voge, WM 2010, 915 f.; BaFin-Merkblatt Anlageverwaltung vom 26.7.2013.
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rungsgeschäfte abschließen, oder die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten als Nebentätigkeit anfällt und auch nicht im Focus der Werbung für das Angebot steht (z.B. bei Immobilienfonds, Private-Equity-Fonds), betreiben allein deswegen keine Anlageverwaltung1.
2.147
Der Tatbestand der Anlageverwaltung setzt eine laufende aktive Verwaltung des Portfolios, an dessen wirtschaftlicher Entwicklung die Anleger partizipieren, voraus. Fälle, in denen der Initiator bei Laufzeitbeginn ein statisches Portfolio zusammenstellt, sind daher nicht als Anlageverwaltung anzusehen2. Vielmehr muss ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Auswahl der Finanzinstrumente bestehen3.
2.148
Nach dem Willen des Gesetzgebers sind Beteiligungsformen, die auf eine aktive unternehmerische Einflussnahme in Bezug auf die Emittenten der Finanzinstrumente, in die investiert werden soll, abzielen, vom Anwendungsbereich nicht erfasst. Daher sind insbesondere Private Equity-Fonds vom Tatbestand der Anlageverwaltung ausgenommen, da bei Private Equity-Strategien nicht eine bloße Teilnahme an der Wertentwicklung der Finanzinstrumente und damit keine reine Kapitalanlage gewollt ist4. Ein aktives Management besteht also bei der Anlageverwaltung nur auf der Ebene der Auswahl der Finanzinstrumente. 14. Eingeschränktes Verwahrgeschäft
2.149
Als eingeschränktes Verwahrgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 12 KWG wird die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren ausschließlich für alternative Investmentfonds (AIF) i.S.d. § 1 Abs. 3 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) gesehen. Ohne diese Regelung müssten Unternehmen, die als Verwahrstelle für ein AIF fungieren, eine Erlaubnis zum Betrieb des Depotgeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG (s. Rz. 2.96) halten, was mit den Anforderungen des Art. 21 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2011/61/EU (AIFMRichtlinie) nicht vereinbar wäre. Das eingeschränkte Verwahrgeschäft ist insofern subsidiär zum Depotgeschäft5. 15. Eigengeschäft
2.150
Wie auch der Tatbestand des Eigenhandels (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG, s. Rz. 2.129 ff.) wurde auch der Tatbestand des Eigengeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG durch das 2. FiMaNoG modifiziert6. Beide Tatbestände sind v.a. mit Blick auf die sog. „Trennbanken1 BT-Drucks. 16/11130, 43; BaFin-Merkblatt Anlageverwaltung vom 26.7.2013 m.w.N. Fn. 5. 2 Als Anlage in ein statisches Portfolio ist auch die Anlage in ein festes Portfolio von Schuldverschreibungen anzusehen, die sich auf bestimmte Indizes beziehen. Eine Anlageverwaltung lässt sich in diesen Fällen allenfalls dann bejahen, wenn dem Initiator oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen bei der Auswahl der Indexbestandteile ein entsprechendes Ermessen zukommt; s. auch von Livonius/Bernau, WM 2009, 1216, 1218. In den typischen Fällen, in denen die Zusammensetzung der Indizes detaillierten Regeln folgt, wird dies indessen zu verneinen sein. 3 BT-Drucks. 16/11130, 43; von Livonius/Bernau, WM 2009, 1216, 1218. 4 BT-Drucks. 16/11130, 44. 5 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 160a ff.; Schäfer in Boos/Fischer/SchulteMattler, § 1 KWG Rz. 198. 6 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft vom 15.5.2018.
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regelungen“ eingeführt durch das sog. Trennbankengesetz als verbotene Geschäfte nach § 3 Abs. 2 KWG relevant (s. Rz. 2.160 ff.)1. Eigengeschäft ist danach zunächst die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG) für eigene Rechnung, die nicht Eigenhandel i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG (s. Rz. 2.129 ff.) ist, d.h. welche nicht Dienstleistung für andere ist. Das fehlende Dienstleistungsmerkmal ist alleiniges Unterschiedskriterium zwischen Eigenhandel und Eigengeschäft. Unabhängig von der Erlaubnisregelung zum Betreiben des Eigengeschäfts nach § 32 Abs. 1a Satz 1 und 2 KWG kann das Eigengeschäft auch aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 1 Abs. 1a Satz 3 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG eine Erlaubnispflicht auslösen. Wird danach das Eigengeschäft gewerbsmäßig oder in einem kaufmännischen Umfang betrieben und ist der Betreiber Teil einer Instituts-, einer Finanzholding- oder gemischten FinanzholdingGruppe oder eines Finanzkonglomerats, der oder dem ein CRR-Kreditinstitut i.S.d. § 1 Abs. 3b KWG angehört (CRR-Gruppe), gilt das Eigengeschäft aufgrund gesetzlicher Fiktion als Finanzdienstleistung, die der Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG bedarf.
2.151
IV. Ausnahme- und Verbotstatbestände 1. Ausnahmetatbestände Die typisierenden Definitionen der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute bewirken, dass zahlreiche Unternehmen und Tätigkeitsfelder in den Tatbestand des KWG einbezogen wären, bei denen diese Einbeziehung im Hinblick auf die Schutzziele des KWG nicht als geboten erscheint. Daher enthält § 2 KWG in seinen Abs. 1 und 6 zahlreiche Ausnahmeregelungen im Sinne einer Befreiung von der vollständigen Qualifikation als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsunternehmen, welche teilweise wiederum durch Rückausnahmen qualifiziert werden. Weitere teilweise Befreiungen bzgl. der Anwendung einzelner Regelungen des KWG enthalten die übrigen Absätze des § 2 KWG. Ausgewählte Ausnahmen sind nachstehend dargestellt.
2.152
Nicht als Kreditinstitute bzw. Finanzdienstleistungsinstitute gelten gem. § 2 Abs. 1 und Abs. 6 KWG u.a. die Deutsche Bundesbank und die vergleichbaren Institutionen in den anderen Mitgliedstaaten der EU, sofern sie Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken sind, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Sozialversicherungsträger, die Bundesagentur für Arbeit, die öffentliche Schuldenverwaltung des Bundes, eines seiner Sondervermögen, eines Landes oder eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums und deren Zentralbanken2, Kapitalanlagegesellschaften und Investmentaktiengesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften und ausländische AIF-Verwaltungs- und Rückversicherungsgesellschaften, EU-Investmentvermögen, private und öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen und Unternehmen des Pfandleihgewerbes3.
2.153
1 S. dazu BaFin Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz vom 14.12.2016 (https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/BA/ae_161214_abschirmungsgesetz. html, abgerufen am 24.4.2019) – diese Auslegungshilfe wird derzeit von der BaFin überarbeitet. 2 Die Ausnahme gilt hinsichtlich der Zentralbanken indessen nur, sofern diese nicht fremde Gelder als Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums annehmen oder das Kreditgeschäft betreiben. 3 Die Ausnahme gilt hinsichtlich der Unternehmen des Pfandleihgewerbes indessen nur, soweit sie das Pfandleihgewerbe durch Gewährung von Darlehen gegen Faustpfand betreiben.
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2.154
Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (d.h. Unternehmen, die auf Grund des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften als solche anerkannt sind) gelten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 KWG ebenfalls nicht als Kreditinstitute.
2.155
Indessen gelten diese Ausnahmen für Versicherungsunternehmen, Pfandleihunternehmen und Unternehmensbeteiligungsgesellschaften gem. § 2 Abs. 3 KWG nicht, wenn diese Bankgeschäfte betreiben, die nicht zu den für ihre jeweiligen Tätigkeitsfelder typischen Geschäften gehören.
2.156
Ausgenommen sind gem. 2 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 6 Nr. 5 KWG auch Konzern(finanzierungs)unternehmen, die Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen ausschließlich mit ihrem Mutterunternehmen oder ihren Tochter- oder Schwesterunternehmen betreiben, da in diesen Fällen keine Dritten des Schutzes durch das KWG bedürfen1. Das Konzernprivileg entfällt, sobald ein, wenn auch untergeordneter, Bezug des nach § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 1a KWG tatbestandlichen Handelns zu Externen vorliegt2. Nicht erfasst von diesem Privileg ist das Eigengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG.
2.157
Nach § 2 Abs. 6 Nr. 7 KWG ist die ausschließliche Erbringung der Drittstaateneinlagenvermittlung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG erlaubnisfrei. § 2 Abs. 6 Nr. 10 KWG befreit Angehörige freier Berufe, die Anlagevermittlung, Anlageberatung, den Betrieb eines multilateralen oder organisierten Handelssystems, Platzierungsgeschäft, Abschlussvermittlung, Finanzportfolioverwaltung oder Eigenhandel i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 4 KWG von der diesbezüglichen Erlaubnispflicht, sofern sie diese Tätigkeiten nur gelegentlich und im Rahmen eines Mandatsverhältnisses als Freiberufler erbringen und einer Berufskammer in der Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts angehören, deren Berufsrecht die Erbringung von Finanzdienstleistungen nicht ausschließt3.
2.158
Fällt die von einem Unternehmen erbrachte Tätigkeit unter einen oder mehrere Tatbestände des § 1 Abs. 1 oder Abs. 1a KWG und betreibt bzw. erbringt es damit Kreditgeschäft bzw. Finanzdienstleistung, so kann ihm gem. § 2 Abs. 4 KWG auf Antrag eine Einzelfallbefreiung durch die BaFin erteilt werden, solange das Unternehmen wegen der Art der von ihm betriebenen Geschäfte insoweit hinsichtlich jeder einzelnen der in § 2 Abs. 4 Satz 1 KWG genannten Vorschriften („insgesamt“) der Aufsicht nicht bedarf. Durch die Einzelfallbefreiung wird bestimmt, dass auf das beantragende Institut die §§ 1a, 2c, 10 bis 18, 24, 24a, 25, 25a bis 25e, 26 bis 38, 45, 46 bis 46c und 51 Abs. 1 des KWG insgesamt nicht anzuwenden sind. Die Befreiung kann widerruflich und unter Auflagen erteilt werden4. 2. Verbotstatbestände
2.159
§ 3 KWG verbietet bestimmte Bankgeschäfte. Nach § 3 Abs. 1 KWG werden drei Arten des Bankgeschäfts verboten, bei denen die Sicherheit der Einlagen in besonderem Maße gefährdet ist, die eine Gefahr für den Bestand der Währung darstellen oder die gegen die guten Sitten verstoßen. Danach ist gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 KWG der Betrieb des Einlagengeschäftes verboten, wenn der Kreis der Einleger überwiegend aus Betriebsangehörigen des 1 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 2 KWG Rz. 12. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 2 KWG Rz. 13. 3 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin s. ihr Merkblatt Ausnahme für Angehöriger freier Berufe vom 5.9.2014; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 2 KWG Rz. 83 ff. 4 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin s. ihr Merkblatt zur Freistellung nach § 2 Abs. 4 KWG für im Inland ansässige Unternehmen vom 26.11.2015.
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Unternehmens besteht (Werksparkassen) und nicht sonstige Bankgeschäfte betrieben werden, die den Umfang dieses Einlagengeschäfts übersteigen. Als zweite Art verbietet § 3 Abs. 1 Nr. 2 KWG die Annahme von Geldbeträgen, wenn der überwiegende Teil der Geldgeber einen Rechtsanspruch darauf hat, dass ihnen aus diesen Geldbeträgen Darlehen gewährt oder Gegenstände auf Kredit verschafft werden (Zwecksparunternehmen). Dabei gilt dieses Verbot nicht für Bausparkassen. Als dritte Art ist gem. § 3 Abs. 1 KWG der Betrieb des Kreditgeschäftes oder des Einlagengeschäftes verboten, wenn es durch Vereinbarung oder geschäftliche Gepflogenheiten ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist, über den Kreditbetrag oder die Einlagen durch Barabhebung zu verfügen (Einschränkung der Verfügung über Einlagen). In diesen Fällen des § 3 Abs. 1 KWG darf gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG keine Erlaubnis erteilt werden. Wird gegen § 3 Abs. 1 Nr. 3 KWG verstoßen, so führt dies zur Nichtigkeit des gesamten Geschäfts gem. § 134 BGB1. Weiterhin wurde durch das sog. Trennbankgengesetz2 in § 3 Abs. 2 bis 4 KWG für Institute und Institutsgruppen ab Erreichen bestimmter betragsmäßiger Schwellen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 KWG) ein Verbot für bestimmte Aktivitäten (§ 3 Abs. 2 KWG) eingeführt. Das Verbot zielt auf die als risikoreich erachteten Teile des sog. Investmentbankings, welche daher von den übrigen Bankgeschäften des Instituts bzw. der Gruppe nur ausgelagert in einem gesonderten, eigens dafür zu gründenden sog. Finanzhandelsinstitut i.S.v. § 25f Abs. 1 KWG betrieben werden dürfen3. Diese Trennung soll zum Zweck der Abschirmung von Einlagen bei dem Institut vor Verlusten aus diesen abzutrennenden Handelsaktivitäten erfolgen4.
2.160
Als risikoreich eingestuft und außerhalb von Finanzhandelsinstituten verbotene Geschäftsarten sind gem. § 3 Abs. 2 KWG (i) Eigenschäfte i.S.v. § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG (s. Rz. 2.150 f.); (ii) Kredit- und Garantiegeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 8 KWG (s. Rz. 2.85 ff. und 2.103 ff.) mit bestimmten (a) Hedge- und Dachhedgefondsarten sowie deren Verwaltungsgesellschaften und (b) mit bestimmten EU-AIF und ausländischen AIF, deren Tätigkeit unter Ausnutzung eines beträchtlichem Leverageumfangs erfolgt und deren Verwaltungsgesellschaften, sowie (iii) Eigenhandel (i.S.v. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. d) KWG, in Form des Hochfrequenzhandels, s. Rz. 2.129) mit Ausnahme des MarketMaking. Weitere Rückausnahmen enthält § 3 Abs. 2 Satz 3 KWG, wonach die o.g. Geschäfte dann nicht verboten sind, wenn sie (i) zur Absicherung von Geschäften mit Kunden, nicht jedoch für Kundengeschäfte mit AIF oder Verwaltungsgesellschaften (ii) der Zins-, Währungs-, Liquiditäts- und Kreditrisikosteuerung des Instituts oder seiner Gruppe, dienen, oder (iii) „im Dienst“ des Erwerbs oder der Veräußerung langfristig angelegter Beteiligungen und Geschäften erfolgen, die nicht der Nutzung kurzfristiger Marktpreisschwankungen dienen5. Bei einem Verstoß gegen § 3 Abs. 2 bis 4 KWG kann
2.161
1 Einzelheiten zur Verwaltungspraxis der BaFin s. ihr Merkblatt verbotene Geschäfte vom 15.11. 2012; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 3 KWG Rz. 1 ff. 2 Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 7.8.2013, BGBl. I 2013, 3090. 3 Vgl. dazu Kumpan, ZBB 2014, 201, 202 f.; Möslein, BKR 2013, 391 f.; Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 236 f.; Fischer/Brogel in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 125 Rz. 109 f. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 17/12601, 40 ff. 5 Einzelheiten dazu Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 3 KWG Rz. 31 ff. m.w.N.; Habetha, ZIP 2014, 9 ff.; s. dazu BaFin Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz vom 14.12.2016 (https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/BA/ae_161214_ab schirmungsgesetz.html, abgerufen am 24.4.2019) – diese Auslegungshilfe wird derzeit von der BaFin überarbeitet.
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§ 54 Abs. 1 KWG verwirklicht sein und eine Strafbarkeit von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren drohen.
2.162
Der Unklarheit des tatbestandlichen Umfangs des Verbots konnte auch die Auslegungshilfe der BaFin nicht vollständige Abhilfe verschaffen. Insbesondere die tatbestandliche Unterscheidung, welches Handeln noch Market Making oder erlaubtes Absicherungsgeschäft darstellt oder bereits als verbotenes Eigengeschäft qualifiziert, ist unklar1. Die Auswirkungen dieser Problematik wirken sich nicht nur in der praktischen Umsetzung des sog. Trennbankengesetzes aus, sondern könnten auch mit Blick auf die Strafbewährung eines Verstoßes nach § 54 Abs. 1 KWG und den Vorgaben des Art. 103 GG Herausforderungen darstellen. Zudem sind die tatsächlichen Auswirkungen mit Blick auf die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Stabilisierungswirkung fraglich. Weiterhin bleibt festzuhalten, dass es sich hier um eine rein deutsche Regelung handelt, welche für deutsche Banken einen Nachteil mit Blick auf ein europäisches level-playing-field darstellt.
3. Abschnitt: Erlaubnis und europäischer Pass I. Erlaubnispflicht für bankgeschäftliche Tätigkeiten 2.163
Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 KWG ist die Erbringung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen in Deutschland (s. Rz. 2.166) erlaubnispflichtig, sofern sie gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, geschieht. Das danach vorgesehene Erlaubnisverfahren soll verhindern, dass ungeeignete Personen oder finanziell unzulänglich ausgestattete Unternehmen Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringen. Daher ist die Erlaubnis u.a. bei unzureichender Kapitalausstattung, bei fehlender Eignung der Inhaber oder der Geschäftsleiter oder bei mangelhaften organisatorischen Voraussetzungen zu versagen; ein Ermessen besteht insofern gem. § 33 Abs. 1 KWG nicht. In den Fällen, in denen die Besorgnis besteht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich wäre, ist die Entscheidung gem. § 33 Abs. 3 KWG als Ermessensentscheidung ausgestaltet; indessen sind dabei die grundrechtlichen Bindungen, insbesondere Art. 12 GG zu beachten. Da § 33 KWG den Schutzbereich der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit berührt, stellt § 33 Abs. 4 KWG klar, dass eine Erlaubnis nur aus den in den Abs. 1 und 3 genannten Gründen versagt werden darf. Vor Aufnahme der erlaubnispflichtigen Tätigkeit muss die Erlaubnis beantragt und erteilt worden sein2.
2.164
Die Erlaubnis ist von der zuständigen Aufsichtsbehörde i.S.d. § 1 Abs. 5 KWG, also BaFin oder EZB, zu erteilen. Die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung bestimmt sich nach der Art der beantragten Geschäfte. Im Rahmen des SSM ist die EZB für die Erteilung der Erlaubnis zum Betreiben eines CRR-Kreditinstituts (§ 1 Abs. 3d KWG) auf Grundlage der §§ 32, 33 KWG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. a) SSM-Verordnung zuständig. Hierbei stimmt sich die EZB mit der BaFin als nationaler Aufsichtsbehörde (NCA) ab. Dabei beschränkt sich die Zuständigkeit der EZB auf die Zulassung zum Betrieb des Einlagen- und Kreditgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KWG). Für die Erlaubniserteilung zum Betreiben 1 Vgl. Jan Pieter Krahnen in „Zurück in die Zukunft“, Süddeutsche Zeitung vom 15.2.2017, der auch eine Überarbeitung des sog. Trennbankengesetzes (s. Rz. 2.160 ff.) fordert. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 32 KWG Rz. 5; zum Irrtum über die Erlaubnispflicht s. Holle, BKR 2018, 500 ff.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
§ 54 Abs. 1 KWG verwirklicht sein und eine Strafbarkeit von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren drohen.
2.162
Der Unklarheit des tatbestandlichen Umfangs des Verbots konnte auch die Auslegungshilfe der BaFin nicht vollständige Abhilfe verschaffen. Insbesondere die tatbestandliche Unterscheidung, welches Handeln noch Market Making oder erlaubtes Absicherungsgeschäft darstellt oder bereits als verbotenes Eigengeschäft qualifiziert, ist unklar1. Die Auswirkungen dieser Problematik wirken sich nicht nur in der praktischen Umsetzung des sog. Trennbankengesetzes aus, sondern könnten auch mit Blick auf die Strafbewährung eines Verstoßes nach § 54 Abs. 1 KWG und den Vorgaben des Art. 103 GG Herausforderungen darstellen. Zudem sind die tatsächlichen Auswirkungen mit Blick auf die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Stabilisierungswirkung fraglich. Weiterhin bleibt festzuhalten, dass es sich hier um eine rein deutsche Regelung handelt, welche für deutsche Banken einen Nachteil mit Blick auf ein europäisches level-playing-field darstellt.
3. Abschnitt: Erlaubnis und europäischer Pass I. Erlaubnispflicht für bankgeschäftliche Tätigkeiten 2.163
Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 KWG ist die Erbringung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen in Deutschland (s. Rz. 2.166) erlaubnispflichtig, sofern sie gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, geschieht. Das danach vorgesehene Erlaubnisverfahren soll verhindern, dass ungeeignete Personen oder finanziell unzulänglich ausgestattete Unternehmen Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringen. Daher ist die Erlaubnis u.a. bei unzureichender Kapitalausstattung, bei fehlender Eignung der Inhaber oder der Geschäftsleiter oder bei mangelhaften organisatorischen Voraussetzungen zu versagen; ein Ermessen besteht insofern gem. § 33 Abs. 1 KWG nicht. In den Fällen, in denen die Besorgnis besteht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich wäre, ist die Entscheidung gem. § 33 Abs. 3 KWG als Ermessensentscheidung ausgestaltet; indessen sind dabei die grundrechtlichen Bindungen, insbesondere Art. 12 GG zu beachten. Da § 33 KWG den Schutzbereich der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit berührt, stellt § 33 Abs. 4 KWG klar, dass eine Erlaubnis nur aus den in den Abs. 1 und 3 genannten Gründen versagt werden darf. Vor Aufnahme der erlaubnispflichtigen Tätigkeit muss die Erlaubnis beantragt und erteilt worden sein2.
2.164
Die Erlaubnis ist von der zuständigen Aufsichtsbehörde i.S.d. § 1 Abs. 5 KWG, also BaFin oder EZB, zu erteilen. Die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung bestimmt sich nach der Art der beantragten Geschäfte. Im Rahmen des SSM ist die EZB für die Erteilung der Erlaubnis zum Betreiben eines CRR-Kreditinstituts (§ 1 Abs. 3d KWG) auf Grundlage der §§ 32, 33 KWG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. a) SSM-Verordnung zuständig. Hierbei stimmt sich die EZB mit der BaFin als nationaler Aufsichtsbehörde (NCA) ab. Dabei beschränkt sich die Zuständigkeit der EZB auf die Zulassung zum Betrieb des Einlagen- und Kreditgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KWG). Für die Erlaubniserteilung zum Betreiben 1 Vgl. Jan Pieter Krahnen in „Zurück in die Zukunft“, Süddeutsche Zeitung vom 15.2.2017, der auch eine Überarbeitung des sog. Trennbankengesetzes (s. Rz. 2.160 ff.) fordert. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 32 KWG Rz. 5; zum Irrtum über die Erlaubnispflicht s. Holle, BKR 2018, 500 ff.
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Erlaubnis und europäischer Pass | Teil 2
sonstiger Bankgeschäfte oder der Erbringung von Finanzdienstleistungen liegt die Zuständigkeit ausschließlich bei der BaFin als zuständiger Aufsichtsbehörde i.S.d. § 1 Abs. 5 KWG. Das Verfahren zur Erlaubniserteilung für ein CRR-Kreditinstitut richtet sich nach den Bestimmungen des Art. 14 Abs. 1 SSM-Verordnung i.V.m. Art. 73–78 SSM-Rahmenverordnung1. Weiter sind für die Antragsstellung gem. Art. 14 SSM-Verordnung die nationalen Rechtsvorschriften, für Deutschland insbesondere §§ 32, 33 KWG i.V.m. § 14 AnzV anzuwenden. Die Einreichung des Erlaubnisantrags erfolgt für CRR-Kreditinstitute, deren Sitz in Deutschland liegen soll, bei der BaFin als NCA, welche die EZB über den Antrag unterrichtet (Art. 73 Abs. 1 SSM-Verordnung). Nach Abschluss der Antragsprüfung durch die BaFin erfolgt bei Nichtvorlage der Erlaubnisvoraussetzungen die förmliche Ablehnung durch die BaFin (Art. 75 SSM-Verordnung), bei Vorlage der Erlaubnisvoraussetzungen die Weiterleitung mit Beschlussvorlage an die EZB (Art. 76 SSM-Verordnung), wo sich ein weiteres Prüfungsverfahren durch die EZB anschließt, welches nach positiver Prüfung in dem Erlass eines Zulassungsbeschlusses durch die EZB endet (Art. 77 f. SSM-Verordnung). Dieser Zulassungsbeschluss der EZB ist europäischer Rechtsakt nach Art. 288 Abs. 1 und 4 AEUV2, nicht Verwaltungsakt gem. § 35 VwVfG. Beabsichtigt das Institut über das, von der Zulassung als CRR-Kreditinstitut umfasste Einlagen- und Kreditgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KWG) hinaus, weitere nach dem KWG erlaubnispflichtige Tätigkeiten zu betreiben bzw. zu erbringen, ist diesbzgl. ein gesonderter Zulassungsantrag an die BaFin zu stellen3.
2.165
Erlaubnispflicht nach § 32 KWG besteht, sofern Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen im Inland, d.h. in Deutschland erbracht werden. Dies ist v.a. für Anbieter aus Nicht-EWR-Staaten relevant, während Anbieter aus EWR-Staaten von den Regelungen des sog. „Europäischen Pass“ profitieren (s. dazu Rz. 2.176 ff.). Ein „Betreiben von Bankgeschäften oder Erbringen von Finanzdienstleistungen im Inland“ liegt nach der Verwaltungspraxis der BaFin zum einen vor, wenn der Erbringer der Dienstleistung seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. In Anwendung der sog. Teilaktstheorie ist nach Sicht der BaFin und der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur4 auch dann ein erlaubnispflichtiger Inlandsbezug gegeben, wenn der Erbringer der Dienstleistung seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und sich im Inland zielgerichtet an den Markt wendet, um gegenüber Unternehmen oder Personen, die ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wiederholt und geschäftsmäßig Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen anzubieten5.
2.166
Keine Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG besteht, solange die Erbringung der Dienstleistung unter die sog. passive Dienstleistungsfreiheit6 fällt. Darunter ist das Recht der im Inland ansässigen Personen und Unternehmen zu verstehen, Dienstleistungen eines ausländischen Anbieters eigeninitiativ nachzufragen. Derartige Geschäfte, die ausschließlich
2.167
1 Zu den Einzelheiten des Verfahrens bei CRR-Kreditinstituten s. Fischer/Müller in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 32 KWG Rz. 64 ff. 2 Berger, WM 2015, 504, 505 ff. zum Rechtsschutz im Zulassungsverfahren. 3 Berger, WM 2015, 504 f. 4 Vahldiek in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 53 KWG Rz. 23 ff. m.w.N.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 32 KWG Rz. 9. 5 Zur Verwaltungspraxis der BaFin s. ihr Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften vom 11.3.2019. 6 Diese ist Ausfluss der allg. Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG.
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aufgrund der (anfänglichen) Initiative des Kunden zustande gekommen sind, begründen somit keine Erlaubnispflicht für das dienstleistende Institut nach § 32 Abs. 1 KWG.
2.168
Neben der im KWG geregelten Erlaubnispflicht für Bankgeschäft und Finanzdienstleistungen ist eine schriftliche Erlaubnis der BaFin zudem für das Betreiben von anderen Geschäften, namentlich dem Versicherungsgeschäft oder Zahlungsdienstleistungen und die Verwaltung von Investmentvermögen in Deutschland erforderlich. Die diesbzgl. Voraussetzungen für die Erlaubnispflicht und für das Erlaubnisverfahren sind im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), ZAG sowie im KAGB geregelt. Eine Erlaubnis nach § 32 KWG ist daher insofern nicht erforderlich, als die für die Tätigkeit relevante Erlaubnispflicht abschließend in einem der vorgenannten Gesetze geregelt ist. Im Gegenzug entbindet eine Erlaubnis nach § 32 KWG nicht von Genehmigungserfordernissen nach anderen Gesetzen oder der Einhaltung von neben dem KWG anwendbarer Vorschriften (§ 62 Abs. 1 Satz 2 KWG).
II. Inhaberkontrolle 2.169
Gemäß § 2c Abs. 1 KWG ist jedermann verpflichtet, der BaFin und der Deutschen Bundesbank unverzüglich die Absicht anzuzeigen, eine bedeutende Beteiligung an einem Institut erwerben zu wollen1. Diese Anzeigepflicht des Erwerbenden ist Gegenstück zur passivischen Beteiligungsanzeige, welche gem. § 24 Abs. 1 Nr. 10 KWG durch das Institut abzugeben ist2. Analog des Erlaubnisverfahrens ist die EZB im Rahmen des SSM zuständige Aufsichtsbehörde für die Entscheidung über den Erwerb oder die Veräußerung qualifizierter Beteiligungen an Kreditinstituten3. Dabei erfolgt die Antragseinreichung ebenfalls über die BaFin, welche der EZB nach Abschluss ihrer Beurteilung einen Beschlussentwurf vorlegt4. Die EZB wendet bei ihrer Prüfung die einschlägigen nationalen Vorschriften, hier v.a. § 2c KWG und die InhKontrollV an5. Die BaFin ist als zuständige Aufsichtsbehörde weiterhin für die Entscheidung über Anzeigen zum Erwerb oder zur Veräußerung qualifizierter Beteiligungen an Finanzdienstleistungsunternehmen verantwortlich.
2.170
Die bedeutende Beteiligung i.S.d. § 2c KWG ist gleichbedeutend mit dem Begriff der „qualifizierten Beteiligung“ nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 CRR6 (§ 1 Abs. 9 KWG). Danach ist von einer bedeutenden bzw. qualifizierten Beteiligung auszugehen, wenn unmittelbar oder mittelbar über und/oder im Zusammenwirken mit anderen Personen oder Unternehmen mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte eines anderen Unternehmens gehalten werden oder wenn auf die Geschäftsführung eines anderen Unternehmens ein maßgeblicher Einfluss ausgeübt werden kann.
2.171
Dabei kann die zuständige Aufsichtsbehörde innerhalb von 60 Arbeitstagen nach Eingang der vollständigen Anzeige (Beurteilungszeitraum) den beabsichtigten Erwerb einer bedeu1 Einzelheiten zur diesbezüglichen Verwaltungspraxis der BaFin in ihrem Merkblatt zur Inhaberkontrolle vom 27.11.2015. 2 Einzelheiten hierzu in Braun in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 24 KWG Rz. 133 ff. 3 Art. 4 Abs. 1 lit. c), Art. 6, Art. 15 SSM-VO; Art. 22 Abs. 1 und Art. 87 SSM-RahmenVO. 4 Ausführlich zum Verfahrensablauf Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 2c KWG Rz. 29; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 2c KWG Rz. 3 ff. 5 Art. 15 Abs. 1 und 3, Art. 4 Abs. 1 lit. c) SSM-VO. 6 Zum Begriff „qualifizierte Beteiligung“ s. die gemeinsamen Leitlinien der ESAs zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor (JC/GL/2016/01 vom 20.12.2016).
96 | Freis-Janik
Erlaubnis und europäischer Pass | Teil 2
tenden Beteiligung oder ihre Erhöhung untersagen. In Ausnahmefällen kann der Beurteilungszeitraum auf bis zu 90 Arbeitstage verlängert werden (§ 2c Abs. 1a Satz 7 und 8 KWG); der Eingang der vollständigen Unterlagen und damit der Beginn des Beurteilungszeitraums hat die Aufsichtsbehörde dem Antragsteller innerhalb von zwei Arbeitstagen anzuzeigen (§ 2c Abs. 1 Satz 1 und 6 KWG). Die Untersagung kann darauf gestützt werden, dass der Anzeigepflichtige, ein gesetzlicher- oder satzungsmäßiger Vertreter oder ein Gesellschafter, nicht zuverlässig ist oder aus anderen Gründen nicht den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Instituts zu stellenden Ansprüchen genügt (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 KWG). Auch das Vorliegen von Tatsachen, die Befürchtungen von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung in Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb rechtfertigen, sind rechtfertigender Ablehnungsgrund (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 KWG). Hierdurch soll u.a. verhindert werden, dass der Erwerb einer bedeutenden Beteiligung an einem Institut mit Geldern erfolgt, die aus einer rechtswidrigen Tat herrühren, bzw. dass die eingesetzten Gelder durch den Erwerb reingewaschen werden oder das Institut zu weiteren Geldwäscheaktivitäten genutzt wird. Unbeachtlich ist es, ob der Antragsteller selbst oder ein Dritter diese Tat begangen hat1. Daneben kann eine Versagung gem. § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 KWG auch darauf gestützt werden, dass der künftige Geschäftsleiter nicht zuverlässig oder nicht fachlich geeignet ist.
2.172
Im Übrigen kann die Aufsichtsbehörde den Erwerb untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Institut aufsichtsrechtlichen Anforderungen nicht genügt oder genügen wird oder durch die Begründung oder Erhöhung der bedeutenden Beteiligung in einem Unternehmensverbund eingebunden würde, der eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt. Hierfür genügt die Einbindung in einen Unternehmensverbund, der durch die Struktur des Beteiligungsgeflechts oder mangelhafte wirtschaftliche Transparenz eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 KWG).
2.173
Während § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 KWG auf die Fälle abstellt, in denen Umstände in der Sphäre des Antragstellers bzw. des Instituts Zweifel an der Möglichkeit einer wirksamen Aufsicht begründen, sieht § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 KWG vor, dass eine Untersagung auch darauf gestützt werden kann, wenn das Institut durch den Erwerb oder die Erhöhung der Beteiligung zum Tochterunternehmen eines anderen Instituts mit Sitz im Ausland würde, das im Staat seines Sitzes oder seiner Hauptverwaltung nicht wirksam beaufsichtigt wird oder dessen im Ausland zuständige Aufsichtsstelle zu einer befriedigenden Zusammenarbeit mit der zuständigen Aufsichtsbehörde (EZB bzw. BaFin) nicht bereit ist. Schließlich kann die Versagung gem. § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 6 KWG auch darauf gestützt werden, dass der Anzeigepflichtige nicht über die notwendige finanzielle Solidität verfügt, z.B. wenn die Anforderungen an Eigenmittel (s. Abschnitt 5, Rz. 2.202 ff.) und Liquidität nicht erfüllt werden.
2.174
Sofern im Rahmen von Abwicklungsmaßnahmen gem. BRRD (d.h. SRM-Verordnung bzw. SAG) durch die Anwendung eines Bail-Ins oder Instrumenten der Unternehmensveräußerung oder Übertragung auf ein Brückeninstitut (s. Rz. 2.378) zu einer Überschreitung der verfahrensrelevanten Schwellenwerte kommen, sehen § 100 Abs. 4 und 5 sowie § 120 SAG Ausnahmen bzw. Modifikationen vom regulären Verfahren der §§ 2a, 2c, 24 Abs. 1 Nr. 10 und Abs. 1a Nr. 3 KWG sowie der InhKontrollV vor. Zum einen soll die Aufsichts-
2.175
1 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 2c KWG Rz. 22; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 2c KWG Rz. 31 f.
Freis-Janik | 97
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
behörde die danach erforderliche Beurteilung so rechtzeitig vornehmen, dass dadurch die Anwendung der vorgenannten Abwicklungsmaßnahmen und das Erreichen der mit der Maßnahme jeweils angestrebten Abwicklungsziele nicht beeinträchtigt wird. Sofern die Prüfung ausnahmsweise nicht bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Anwendung der Abwicklungsmaßnahmen abgeschlossen ist, wird die Übertragung bzw. Anteilserhöhung durch Anwendung der Abwicklungsmaßnahmen zunächst wirksam, ohne dass ein Vollzugshindernis besteht, wobei bis zum Abschluss der Prüfung Beschränkungen bei der Stimmrechtsausübung bestehen.
III. Europäischer Pass 2.176
Eine Sonderregelung gilt für Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen, welche in einem der anderen Mitgliedstaaten des EWR (sog. „Home Country Supervision“) zugelassen sind. Diese sind unter Einhaltung bestimmter Vorgaben grundsätzlich berechtigt, ihr Geschäft „grenzüberschreitend“ auch in anderen Mitgliedstaaten auszuüben (Europäischer Pass), ohne dass es einer Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörden für Deutschland als sog. „Host Country“ (BaFin oder EZB) bedarf. Die grenzüberschreitende Tätigkeit kann entweder über Eröffnung einer Zweigstelle („Niederlassungsfreiheit“) oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs („Dienstleistungsfreiheit“) erbracht werden. Die rechtliche Grundlage dafür regeln Art. 33–39 CRD V und Art. 34 Abs. 2–4, 35 Abs. 2–6 und 9 MiFID II, welche in Deutschland durch §§ 24a und 53b KWG umgesetzt sind.
2.177
Während § 53b KWG die Errichtung von Zweigniederlassungen und die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen durch ein in einem anderen EWR-Staat ansässiges Unternehmen regelt (sog. „Inbound-Tätigkeit“), werden durch die korrespondierenden Regelungen des § 24a KWG, die Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Institute im Ausland sowie die grenzüberschreitende Erbringung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen im Ausland reguliert (sog. „Outbound“-Tätigkeit). Beide Vorschriften setzen das in der CRD V ausgedrückte Prinzip der gegenseitigen Anerkennung um1. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung – auch „Herkunftslandsprinzip“ – rechtfertigt sich vor dem Hintergrund der weitgehenden Harmonisierung der bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen, die eine Kontrolle durch den Herkunftsstaat als ausreichend erscheinen ließ, so dass eine Kontrolle durch den Aufnahmestaat verzichtbar erscheint. Die Erlaubniserteilung des Herkunftsstaats ermöglicht es, den Instituten damit im gesamten EWR ihr Geschäft zu betreiben (daher „Europäischer Pass“ oder „EU-Pass“).
2.178
Beabsichtigt ein Kreditinstitut, im Rahmen des Niederlassungs- und Dienstleistungsverkehrs grenzüberschreitend tätig zu werden, muss es dies seiner Heimat-Aufsichtsbehörde mitteilen („Notifikation“). Es schließt sich ein Informations- bzw. Zustimmungsverfahren zwischen den zuständigen Aufsichtsbehörden in Heimat- und Gastland an2. Die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde erschöpft sich im Wesentlichen in der Liquiditätskontrolle und die Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltensregeln (§§ 63 ff. WpHG). Aufsichtsrechtliche Spezialvorschriften des Aufnahmestaates haben nur Bestand, wenn sie ausländische Institute nicht diskriminieren, der Sachverhalt EU-rechtlich noch nicht abschlie1 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 24a KWG Rz. 2; Kolassa in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 135 Rz. 82 ff. 2 Einzelheiten dazu in § 53b Abs. 2 und 2a KWG; Vahldiek in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 53b KWG Rz. 36 ff. und 74 ff.
98 | Freis-Janik
Basler Rahmenwerk und Organisationspflichten | Teil 2
ßend geregelt ist (sog. Vorrang des Europäischen Gesetzgebers), angemessene Kontrollen durch den Herkunftsstaat nicht existieren oder wenn die Vorschriften im Allgemeininteresse zwingend erforderlich sind1. § 53b Abs. 3 KWG listet solche Bedingungen des Allgemeininteresses im Falle von Inbound-Tätigkeit (Deutschland als Host-Country) auf. Der Europäische Pass gilt hinsichtlich der vom Institut spezifisch genannten und für das jeweilige Gastland notifizierten Tätigkeiten. Antragsberechtigung für die Erteilung des EUPasses besteht nur für das aus dem Herkunftsstaat handelnde Institut. Bereits im Rahmen des EU-Passverfahrens in anderen EWR-Ländern errichtete Zweigstellen besitzen keine eigene Antragsberechtigung. Allerdings erstreckt sich ein für ein Gastland erteilter EU-Pass zur Erbringung von Tätigkeiten im Rahmen des grenzüberschreitenden freien Dienstleistungsverkehrs nicht nur, sofern das Institut aus seinem Heimatland heraus handelt, sondern auch für Leistungserbringung in das Gastland durch eine Zweigstelle des Instituts in einem anderen Gastland2.
2.179
4. Abschnitt: Basler Rahmenwerk und Organisationspflichten I. Basler Rahmenwerk Das bankaufsichtliche Rahmenwerk unter europäischem und deutschem Recht wird im Wesentlichen durch die Arbeit des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht bei der BIZ (sog. „Basler Ausschuss“, vgl. Rz. 2.3) und die durch ihn entwickelten Standards bestimmt3. Das sog. Basler Rahmenwerk umfasst alle vom Basler Ausschuss entwickelten, gültigen Standards. In der Regel erfolgt die Billigung neuer Standards des Basler Ausschusses und eine diesbzgl. Erklärung zur nationalen Umsetzungsabsicht von den Staats- und Regierungschefs auf den Treffen der G8 bzw. G20. Ziel der Arbeit des Basler Ausschusses ist die Stärkung des internationalen Banken- und Finanzsystems sowie eine internationale Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts (level-playing-field) durch Erarbeitung einheitlicher Standards4.
2.180
Durch das in 2004 veröffentlichte Basel-II-Rahmenwerk5, wurde eine auf drei Säulen basierende Grundstruktur der wirksamen Bankenaufsicht eingeführt, welche die Stärkung der Solidität und Stabilität des internationalen Bankensystems zum Ziel hat. Diese basiert demzufolge auf drei Säulen (Pillars)6:
2.181
– Säule 1 (Pillar 1): Mindestkapitalanforderungen sowie deren Berechnung anhand der Bankrisikoarten (Kredit-, Markt- und operationelle Risiken) – Säule 2 (Pillar 2): Standards für den qualitativen Überprüfungsprozesses durch die Bankaufsicht (sog. „Supervisory Review and Evaluation Process“ – SREP)7 und das Ri1 2 3 4
Vahldiek in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 53b KWG Rz. 118 ff. Vgl. Argumentation auch im Rahmen des Brexit bei Hanten/Sacarcelik, WM 2018, 1872 ff. Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. CRR Rz. 8. Fischer/Boegl in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 125 Rz. 77; umfassende Übersicht zur Entwicklung des Baseler Rahmenwerks und seiner Umsetzung auf deutscher und europäischer Ebene in Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. CRR Rz. 8–33. 5 Baseler Rahmenvereinbarung über „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen“. 6 Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. CRR Rz. 25. 7 Hierzu umfassend: Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 215.
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Basler Rahmenwerk und Organisationspflichten | Teil 2
ßend geregelt ist (sog. Vorrang des Europäischen Gesetzgebers), angemessene Kontrollen durch den Herkunftsstaat nicht existieren oder wenn die Vorschriften im Allgemeininteresse zwingend erforderlich sind1. § 53b Abs. 3 KWG listet solche Bedingungen des Allgemeininteresses im Falle von Inbound-Tätigkeit (Deutschland als Host-Country) auf. Der Europäische Pass gilt hinsichtlich der vom Institut spezifisch genannten und für das jeweilige Gastland notifizierten Tätigkeiten. Antragsberechtigung für die Erteilung des EUPasses besteht nur für das aus dem Herkunftsstaat handelnde Institut. Bereits im Rahmen des EU-Passverfahrens in anderen EWR-Ländern errichtete Zweigstellen besitzen keine eigene Antragsberechtigung. Allerdings erstreckt sich ein für ein Gastland erteilter EU-Pass zur Erbringung von Tätigkeiten im Rahmen des grenzüberschreitenden freien Dienstleistungsverkehrs nicht nur, sofern das Institut aus seinem Heimatland heraus handelt, sondern auch für Leistungserbringung in das Gastland durch eine Zweigstelle des Instituts in einem anderen Gastland2.
2.179
4. Abschnitt: Basler Rahmenwerk und Organisationspflichten I. Basler Rahmenwerk Das bankaufsichtliche Rahmenwerk unter europäischem und deutschem Recht wird im Wesentlichen durch die Arbeit des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht bei der BIZ (sog. „Basler Ausschuss“, vgl. Rz. 2.3) und die durch ihn entwickelten Standards bestimmt3. Das sog. Basler Rahmenwerk umfasst alle vom Basler Ausschuss entwickelten, gültigen Standards. In der Regel erfolgt die Billigung neuer Standards des Basler Ausschusses und eine diesbzgl. Erklärung zur nationalen Umsetzungsabsicht von den Staats- und Regierungschefs auf den Treffen der G8 bzw. G20. Ziel der Arbeit des Basler Ausschusses ist die Stärkung des internationalen Banken- und Finanzsystems sowie eine internationale Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts (level-playing-field) durch Erarbeitung einheitlicher Standards4.
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Durch das in 2004 veröffentlichte Basel-II-Rahmenwerk5, wurde eine auf drei Säulen basierende Grundstruktur der wirksamen Bankenaufsicht eingeführt, welche die Stärkung der Solidität und Stabilität des internationalen Bankensystems zum Ziel hat. Diese basiert demzufolge auf drei Säulen (Pillars)6:
2.181
– Säule 1 (Pillar 1): Mindestkapitalanforderungen sowie deren Berechnung anhand der Bankrisikoarten (Kredit-, Markt- und operationelle Risiken) – Säule 2 (Pillar 2): Standards für den qualitativen Überprüfungsprozesses durch die Bankaufsicht (sog. „Supervisory Review and Evaluation Process“ – SREP)7 und das Ri1 2 3 4
Vahldiek in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 53b KWG Rz. 118 ff. Vgl. Argumentation auch im Rahmen des Brexit bei Hanten/Sacarcelik, WM 2018, 1872 ff. Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. CRR Rz. 8. Fischer/Boegl in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 125 Rz. 77; umfassende Übersicht zur Entwicklung des Baseler Rahmenwerks und seiner Umsetzung auf deutscher und europäischer Ebene in Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. CRR Rz. 8–33. 5 Baseler Rahmenvereinbarung über „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen“. 6 Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. CRR Rz. 25. 7 Hierzu umfassend: Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 215.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
sikomanagement in den Banken (sog. bankinterner „Internal Capital Adequacy Review Process“ – ICAAP). Grundlage beider Überprüfungsprozesse (SREP und ICAAP) ist der Grundsatz der doppelten Proportionalität, der besagt, dass sowohl die Steuerungsinstrumentarien in einer Bank als auch die Intensität der Überwachung durch die Bankenaufsicht proportional zu den eingegangenen Risiken der Bank sein sollen. – Säule 3 (Pillar 3): Leitlinien für die aufsichtlichen Offenlegungs- und Transparenzpflichten zur Stärkung der Marktdisziplin.
2.182
Die 3-Pillar-Systematik wurde unter dem sog. Basel-III-Rahmenwerk fortgeführt. Basel-III1 wurde in 2010 als Reaktion auf die globale Finanzkrise veröffentlicht und im Laufe der Folgejahre ergänzt und überarbeitet. Ziel von Basel-III ist die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Bankensektors in Stresssituationen durch Regelungen auf mikro- und makroprudenzieller Ebene. Dadurch soll das Vertrauen in die Märkte gestärkt und Ansteckungsgefahren für die Realwirtschaft vermindert werden. Insbesondere werden nach Basel-III die Qualität, Quantität und Transparenz des regulatorischen Eigenkapitals erhöht, Kapitalpuffer eingeführt sowie die Mindestkapitalanforderungen für spezifische, risikoreiche Produkte erhöht. Eine neue Verschuldungsquote (Leverage Ratio) soll eine übermäßige Verschuldung der Institute verhindern und neue globale Mindestliquiditätsanforderungen sollen Liquiditätsrisiken begrenzen. Daneben wird der Umfang mit besonders systemrelevanten Instituten sowie eine Reform der Vergütungssysteme adressiert. Die Basel-III-Umsetzung erfolgt auf europäischer Ebene kontinuierlich durch die Rahmenwerke der CRR, CRD und BRRD2.
2.183
Der Basler Ausschuss arbeitet an einer Weiterentwicklung der Basel-III-Standards (uneinheitlich als „Completion of Basel III“ oder „Basel IV“ bezeichnet). Aus europäischer Sicht besonders im Fokus steht dabei die geplante Einführung einer aggregierten Mindesteigenmittelanforderung bei der Verwendung interner Modelle (sog. „RWA-Floor“). Danach soll im Rahmen eines Übergangszeitraums ab 1.1.2022 bis 2027 der mit internen Modellen ermittelte Eigenkapitalbedarf von Banken angepasst werden und mindestens 72,5 Prozent des mit einem Standardmodell berechneten Werts entsprechen3.
II. Organisationspflichten 1. SREP und Pillar 2
2.184
Die Rahmenvereinbarung Basel II vom Juni 2004 betont in Tz. 7234 den Zusammenhang zwischen dem von der Bank zur Risikounterlegung gehaltenen Eigenkapitalbetrag einer1 Basel-II besteht in seiner Grundversion primär aus den folgenden drei gesonderten Papieren: (i) Basel Committee on Banking Supervision: Guidance for national authorities operating the countercyclical capital buffer, BCBS 187 vom 16.12.2010; (ii) Basel Committee on Banking Supervision: Basel II: International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring, BCBS 188 vom 16.12.2010 und (iii) Basel Committee on Banking Supervision: Basel III: a global regulatory framework for more resilient banks and banking systems, BCBS 189 vom 16.12.2010. 2 Einschließlich der überarbeitete und reformierten CRR II, CRD V und BRRD II durch das Banking Reform Package. 3 Vgl. Basel Committee on Banking Supervision: Basel III: Finalising Post -crisis reforms vom 7.12.2017 und Basel Committee on Banking Supervision: Consultative Document: Consolidated Basel Framework vom 9.4.2019. 4 Zitat bezieht sich auf: Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – überarbeitete Rahmenvereinbarung – Umfassende Version (Juli 2006).
100 | Freis-Janik
Basler Rahmenwerk und Organisationspflichten | Teil 2
seits und der Robustheit und Effektivität des Risikomanagement-Systems und der internen Kontrollmechanismen der Bank andererseits. Danach stellt eine Erhöhung des Eigenkapitals nicht die einzige Möglichkeit – aber eben doch eine mögliche Option dar –, um Risiken, die im Rahmen der zweiten Säule (Pillar 2) identifiziert wurden, zu begegnen. § 10 Abs. 4 KWG sieht in Umsetzung der Anforderungen nach Art. 104 Abs. 1 lit. a) CRD IV daher vor, dass die zuständige Aufsichtsbehörde (EZB oder BaFin) im Rahmen bzw. auf Basis des bankaufsichtsrechtlichen Überprüfungsprozesses anordnen kann, dass ein Institut Eigenmittelanforderungen einhalten muss, die über die Anforderungen der Mindestkapitalanforderungen der Säule 1 gem. CRR (v.a. Art. 92 (1) CRR) hinausgehen, insbesondere, um nicht durch die in Art. 1 CRR abgedeckte Risiken zu berücksichtigen, wenn die Risikotragfähigkeit eines Instituts nicht gewährleistet ist (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG), um den Aufbau eines zusätzlichen Eigenmittelpuffers für Perioden wirtschaftlichen Abschwungs sicherzustellen oder um einer besonderen Geschäftssituation des Instituts, etwa bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit, Rechnung zu tragen1. Durch das Banking Reform Package werden die Regelungen, wonach Pillar 2-Anforderungen an die Institute gestellt werden können, überarbeitet und klargestellt (Art. 104, 104a, 104b, 141 und 141a CRD V). Abzuwarten bleibt die Umsetzung in deutsches Recht. Klargestellt wird danach das Zusammenwirken von Kapitalanforderungen nach Pillar 1 und Pillar 2, der MREL-Quote und den Kapitalpuffern (sog. „Stacking Order“). Wichtige Elemente zur Überprüfung und Identifikation der Risiken nach Säule 2 sind die Beurteilungs- und Evaluierungsprozesse gem. § 6b KWG (welcher Art. 97 ff. CRD IV umsetzt). Neben Stresstests (§ 6b Abs. 3 KWG) ist der jährliche von der zuständigen Aufsichtsbehörde für jedes Institut durchgeführte SREP, als aufsichtlicher Überprüfungsund Bewertungsprozess, diesbezügliches Kerninstrument. Um die Gleichwertigkeit der im Rahmen des SREP angelegten Maßstäbe zu gewährleisten, hat die EBA eine diesbezügliche Leitlinie veröffentlicht2. Im Rahmen der jährlichen SREP-Prüfung kann die Aufsichtsbehörde das Institut im sog. SREP-Beschluss (§ 10 Abs. 3 KWG) auffordern, mehr als das nach Säule 1 (CRR) geforderte Mindestkapital (unter Berücksichtigung evtl. Kapitalpuffer) vorzuhalten, und/oder qualitative Vorgaben festlegen (sog. Pillar 2 Capital).
2.185
Der SREP3 besteht aus vier Prüfungs- bzw. Beurteilungsbereichen, namentlich (i) der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells, (ii) ein angemessenes Governance4 und Risikomanagement, (iii) das Kapitalrisiko unter verschiedenen Stressszenarien und (iv) das v.a. kurzfristige Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiko. Die Überprüfung der Angemessenheit der Liquiditätsausstattung und der Liquiditätssteuerung wird im Rahmen des sog. Internal Liquidity Adequacy Assessment Process (ILAAP) geprüft. Der ILAAP ist Teil des SREP5. Unter dem Begriff „Sustainable Finance“ richtet sich – orientiert an gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen – der Fokus von Aufsicht und Regulierung zunehmend auf Aspekte der Nachhaltigkeit (sog. Sustainability oder Aspekte des ESG – Environmental,
2.186
1 Ausführlich Konesny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 10 KWG Rz. 20 ff.; Gurlit, WM 2015, 1257, 1560 f. 2 EBA-Leitlinie/Guideline zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs-und Bewertungsprozess (SREP) – EBA/GL/2014/13 vom 19.12.2014. 3 Ausführlich zu den Elementen des SREP und dessen Prüfprozess Schuster/Pitz, ZBB 2016, 342 ff. 4 Zu Elementen der Governance: Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft e.V., DB 2016, 1118 ff.; Kotz/Schmidt, ZBB 2016, 427 ff.; aus Gruppensicht: Weber-Rey/Gissing, AG 2014, 884 ff. 5 Zeranski in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Vorb. Art. 411 CRR Rz. 6.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
Social, Governance) im Rahmen der Unternehmensführung als ein Sonderaspekt der angemessenen Governance (s. Rz. 2.290). Im Rahmen des Banking Reform Package erhält die EBA die Aufgabe, die Einführung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) im Rahmen des SREP zu prüfen (Art. 98 Abs. 8 lit. a) CRD IV)1. 2. Spezifische Organisationspflichten
2.187
Zentrale Normen im Bereich der Ausgestaltung der Organisationspflichten im KWG sind § 25a KWG und § 25b KWG. Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG muss ein Institut über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet. Das Institut hat nach § 26b Abs. 1 Satz 1 KWG bei Auslagerungen (Outsourcing) angemessene Vorkehrungen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Geschäftsführung und -organisation zu treffen. Ziel der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation ist gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 und § 25b Abs. 1 Satz 3 KWG insbesondere, durch angemessenes und wirksames Risikomanagement die Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen.
2.188
Zwar besteht nach § 25a Abs. 6 und § 25b Abs. 5 KWG die Möglichkeit, mittels Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zur Konkretisierung zu erlassen. Die BaFin hat jedoch die sich aus § 25a Abs. 1 und § 26b Abs. 1 KWG ergebenden Vorgaben an das Risikomanagement in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (abgekürzt MaRisk)2 konkretisiert. Diese hat sie zuletzt in einer grundlegenden Überarbeitung als 5. MaRiskNovelle am 27.10.2017 neu veröffentlicht3. Daneben hat die BaFin weitere Rundschreiben im Kontext des § 25a Abs. 1 KWG veröffentlicht, z.B. die bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT (BAIT)4. Die MaRisk stellen normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften5 der BaFin dar, jedoch ohne die rechtliche Bindungswirkung einer Verordnung. Daher entfalten die MaRisk auch keine Bindungswirkung für die EZB in ihrem Handeln gegenüber deutschen Instituten als zuständige Aufsichtsbehörde6, welche im Rahmen ihrer Aufsichtszuständigkeit eine Vielzahl eigener Guidelines veröffentlicht hat. Daneben kommt den von der EBA im Rahmen des Single Rulebooks veröffentlichten Leitlinien (Guidelines) eine entsprechende Bedeutung zu. Im Kontext der §§ 25a und 25b KWG sind dies insbesondere die Leitlinien zu internen Governance7. Insbesondere für SI stellt die Einhaltung und Vereinbarkeit aller seitens BaFin, EZB und EBA kommunizierter Auslegungen und Leitlinien eine Herausforderung dar, zumal diese nicht immer zeitgleich aufeinander abgestimmte Inhalte aufweisen.
1 Kritisch zur ESG-Taxonomie auf europäischer Ebene Stumpp, ZBB 2019, 71 ff. 2 Von der BaFin erstmals mit Rundschreiben 18/2005 vom 20.12.2005 veröffentlicht; Übersicht dazu bei Krimphove, BKR 2018, 1 ff.; zur allg. Frage der MaRisk als Industriestandard: Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft e.V., DB 2016, 1118 ff. 3 BaFin Rundschreiben 09/2017 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk vom 27.10.2017. 4 BaFin Rundschreiben 10/2017 (BA) – Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT (BAIT) vom 14.9.2018. 5 Langen in Schwennicke/Auerbach, § 25a KWG Rz. 6 m.w.N. 6 Langen in Schwennicke/Auerbach, § 25a KWG Rz. 6b. 7 EBA-Leitlinien/Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU (EBA/GL/2017/ 11) vom 26.9.2017; dazu Henning/Gissing, AG 2018, 93 ff.
102 | Freis-Janik
Basler Rahmenwerk und Organisationspflichten | Teil 2
a) Risikotragfähigkeit und Geschäftsstrategie Gemäß AT 4.1 Tz. 1 MaRisk ist die Risikotragfähigkeit eines Instituts gegeben, wenn auf der Grundlage des Gesamtrisikoprofils sichergestellt ist, dass die wesentlichen Risiken des Instituts durch das Risikodeckungspotential – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Wechselwirkungen – laufend abgedeckt sind. Da die Risiken in engem Zusammenhang mit der Geschäftsstrategie des Instituts stehen, fordert AT 4.1 Tz. 2 Satz 1 MaRisk, dass die Geschäftsleitung eine nachhaltige Geschäftsstrategie und eine dazu konsistente Risikostrategie (AT 4.2 MaRisk) festzulegen hat1.
2.189
Das Institut hat insofern ein Risikotragfähigkeitskonzept zu erstellen, in dessen Rahmen wesentliche Risiken zu berücksichtigen und geeignete Methoden anzuwenden um die angemessene Kapital- bzw. Eigenmittelausstattung des Instituts nach Pillar 1 und Pillar 2 sicherzustellen (AT 4.1 MaRisk). Die angemessene Kapitalausstattung ist unter seinen zwei zentralen Funktionen zu betrachten (AT 4.1 Tz. 2 MaRisk):
2.190
– Im laufenden Betrieb (sog. „going concern“) müssen die Eigenmittel in der Lage sein, Verluste zu absorbieren, so dass das Institut seine Tätigkeit trotz Verlusten fortsetzen kann. – Im Falle einer Insolvenz (sog. „gone concern“) muss sichergestellt sein, dass die Verbindlichkeiten des Instituts beglichen werden können. Die BaFin hat klargestellt, dass es allein in der Verantwortung der Geschäftsleitung liegt, die Inhalte der Geschäftsstrategie festzulegen (AT 4.2 Tz. 3 MaRisk). Die Geschäftsstrategie selbst ist daher auch nicht Gegenstand von Prüfungshandlungen durch externe Prüfer oder die interne Revision2. Bei der Überprüfung der Risikostrategie ist die Geschäftsstrategie aber heranzuziehen, um die Konsistenz zwischen beiden Strategien nachvollziehen zu können. Daher sehen AT 4.1 Tz. 9 und AT 4.2 Tz. 1 und 5 MaRisk auch vor, dass die Geschäfts- als auch die Risikostrategie mindestens jährlich zu überprüfen und ggf. anzupassen und dem Aufsichtsorgan des Kreditinstituts zur Kenntnis zu geben und mit diesem zu erörtern hat.
2.191
Gemäß AT 4.1 Tz. 2 Satz 3 und AT 4.3 Tz. 1 MaRisk sind in jedem Kreditinstitut entsprechend Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation zu treffen sowie Risikosteuerungs- und -controllingprozesse einzurichten.
2.192
b) Outsourcing Spezifisches Ausgenmerk legen sowohl § 25b KWG als auch die BaFin in den AT 9 MaRisk auf die sich im Rahmen von Auslagerungen (Outsourcing) von spezifischen Tätigkeiten oder Teilbereichen des Instituts auf andere Unternehmen ergebende Risiken und Interessen. Im Rahmen des § 25b KWG werden dabei Anforderungen an Auslagerungen, u.a. deren grundsätzlicher Zulässigkeit, Unterteilung nach ihrer Wesentlichkeit und diesbzgl. spezifischer Anforderungen (Auslagerbarkeit) getroffen. Die BaFin konkretisiert weiter die Definition der Auslagerung, die Voraussetzungen an eine zulässige Auslagerung sowie dies 1 Ausführlich Braun in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a KWG Rz. 122 ff. und 148 ff. 2 BaFin: Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) vom 27.10.2017, Erläuterungen zu AT 4.2 Tz. 1.
Freis-Janik | 103
2.193
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
hinsichtlich Auslagerungen relevanter geschäftlicher und organisatorischer Risiko- und Kontrollprozesse. Zweck ist es die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit des Instituts (u.a. durch vertragliche Weisungsrechte) und damit die Gewährleistung ordnungsgemäßer Geschäftsprozesse sicherzustellen. Weiterhin muss durch bestimmte vertragliche Regelungen sichergestellt werden, dass die Kontroll- und Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden gegenüber dem Institut (und damit ein wirksames Aufsichtshandeln) durch Auslagerungen nicht faktisch unterbunden werden können. Zuletzt hat die EBA am 25.2.2019 Leitlinien für Auslagerungen1 veröffentlicht. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich gegenseitig ausschließende oder widersprechende Inhalte dieser Leitlinien und des AT 9 MaRisk adressiert werden können. c) Funktionentrennung
2.194
Eines der wesentlichen Ziele der MaRisk liegt darin, die Effektivität des Risikomanagements durch die Trennung organisatorischer Bereiche innerhalb der Institute zu erhöhen. Dabei werden folgende Bereiche unterschieden: – Der Bereich, der Kreditgeschäfte initiiert und bei den Kreditentscheidungen über ein Votum verfügt (Markt); – der Bereich, der bei den Kreditentscheidungen über ein weiteres Votum verfügt (Marktfolge); – der Bereich Handel; – Funktionen, die der Überwachung und Kommunikation der Risiken dienen (Risikocontrolling); – Funktionen, die der Abwicklung und Kontrolle der Handelsgeschäfte dienen.
2.195
Eine der zentralen Vorgaben der MaRisk liegt darin, dass gem. BTO Tz. 3 MaRisk organisatorisch sicherzustellen ist, dass die Bereiche Markt und Handel von den Bereichen Marktfolge, Risikocontrolling sowie den Funktionen, die der Abwicklung und Kontrolle der Handelsgeschäfte dienen, zu trennen sind. Diese Trennung ist auch auf der Ebene der Geschäftsleitung zu beachten; insbesondere sind gem. BTO Tz. 4 MaRisk Funktionen des Marktpreisrisikocontrollings bis einschließlich der Ebene der Geschäftsleitung von Bereichen zu trennen, die die Positionsverantwortung tragen.
2.196
Für das Kreditgeschäft bedeutet dies u.a. gem. BTO 1.1 Tz. 2 MaRisk, dass abhängig von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt des Kreditengagements eine Kreditentscheidung zwei zustimmende Voten der Bereiche Markt und Marktfolge voraussetzt. Das Kreditinstitut hat gem. BTO 1.1 Tz. 6 MaRisk eine klare und konsistente Kompetenzordnung für Entscheidungen im Kreditgeschäft festzulegen.
2.197
Neben dem Kreditgeschäft adressieren die MaRisk auch die Handelsgeschäfte (BTO 2 MaRisk). Neben zahlreichen prozeduralen Anforderungen, stellt die MaRisk dabei auch inhaltliche Anforderungen auf, indem festgelegt wird, dass bei Abschluss von Handelsgeschäften die Konditionen einschließlich der Nebenabreden vollständig vereinbart werden müssen und dass Handelsgeschäfte zu nicht marktgerechten Bedingungen in der Regel unzulässig sind. 1 EBA/GL/2019/02.
104 | Freis-Janik
Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
Daneben sehen die MaRisk z.B. vor, dass vor Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit Handelsgeschäften durch eine vom Handel unabhängige Stelle zu prüfen ist, ob und inwieweit sie rechtlich durchsetzbar sind (BTO 2.2.1 Tz. 8 MaRisk). Daneben treffen die MaRisk auch Aussagen zur Dokumentation von Handelsgeschäften.
2.198
d) Risikosteuerungs- und -controllingprozesse Das Modul BTR der MaRisk konkretisiert die Anforderungen in Bezug auf die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse für Adressenausfallrisiken (BTR 1), Marktpreisrisiken (BTR 2 MaRisk), Liquiditätsrisiken (BTR 3 MaRisk) und operationelle Risiken (BTR 4 MaRisk).
2.199
e) Risikocontrolling-Funktion, Compliance-Funktion und Interne Revision Besondere Relevanz misst die MaRisk der Risikocontrolling-Funktion (AT 4.4.1 MaRisk), der Compliance-Funktion (AT 4.4.2 MaRisk)1 und Interne Revision (AT 4.4.3 und BT2 MaRisk) zu. Das Modul BT2 konkretisiert die Aufgaben der internen Revision eines Kreditinstituts, die ihre Aufgaben selbständig und unabhängig wahrzunehmen hat und bei der Berichterstattung und der Wertung der Prüfungsergebnisse keinen Weisungen unterworfen sein darf (BT 2.2.1 Tz. 1 MaRisk). Auch hier postuliert die MaRisk eine Funktionentrennung: Mitarbeiter, die in anderen Organisationseinheiten des Kreditinstituts beschäftigt sind, dürfen gem. BT 2.2 Tz. 3 MaRisk grundsätzlich nicht mit Aufgaben der internen Revision betraut werden.
2.200
Die interne Revision wird auf der Basis eines jährlich fortzuschreibenden Prüfungsplans tätig, den die Geschäftsleitung unter Beachtung des Risikoprofils zu erstellen hat (BT 2.3 Tz. 1 MaRisk).
2.201
5. Abschnitt: Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität I. Grundlagen der Kapitalanforderung Zu den zentralen Risiken von Banken gehört, dass die von ihnen gehaltenen Aktiva an Wert verlieren – etwa durch den Ausfall von Kreditnehmern oder durch eine negative Veränderung des Marktwerts der gehaltenen Wertpapiere. Dies wird umso bedeutender, als Banken überwiegend fremdfinanziert arbeiten. Da typische Fremdkapitalinstrumente in der Regel keine Verluste absorbieren können, führt dies dazu, dass sich Verluste auf der Aktivseite überproportional zu Lasten des Eigenkapitals auswirken.
2.202
Eine angemessene Eigenkapitalausstattung (Solvabilität) der Institute ist daher für die Stabilität des Finanzwesens von zentraler Bedeutung. Das KWG bringt dies allgemein in § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG zum Ausdruck. Unter dem Basel-III-Rahmenwerk wird die angemessene Kapitalausstattung unter Berücksichtigung der Anforderungen nach Pillar I (Mindestkapitalanforderungen) und der Pillar II ermittelt (s. dazu Rz. 2.184 ff.). Es setzt sich damit zusammen aus den Kapitalanforderungen der CRR (ergänzt durch nach
2.203
1 S. hierzu auch das spezifische BaFin Rundschreiben 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten – MaComp vom 9.5.2018.
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Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
Daneben sehen die MaRisk z.B. vor, dass vor Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit Handelsgeschäften durch eine vom Handel unabhängige Stelle zu prüfen ist, ob und inwieweit sie rechtlich durchsetzbar sind (BTO 2.2.1 Tz. 8 MaRisk). Daneben treffen die MaRisk auch Aussagen zur Dokumentation von Handelsgeschäften.
2.198
d) Risikosteuerungs- und -controllingprozesse Das Modul BTR der MaRisk konkretisiert die Anforderungen in Bezug auf die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse für Adressenausfallrisiken (BTR 1), Marktpreisrisiken (BTR 2 MaRisk), Liquiditätsrisiken (BTR 3 MaRisk) und operationelle Risiken (BTR 4 MaRisk).
2.199
e) Risikocontrolling-Funktion, Compliance-Funktion und Interne Revision Besondere Relevanz misst die MaRisk der Risikocontrolling-Funktion (AT 4.4.1 MaRisk), der Compliance-Funktion (AT 4.4.2 MaRisk)1 und Interne Revision (AT 4.4.3 und BT2 MaRisk) zu. Das Modul BT2 konkretisiert die Aufgaben der internen Revision eines Kreditinstituts, die ihre Aufgaben selbständig und unabhängig wahrzunehmen hat und bei der Berichterstattung und der Wertung der Prüfungsergebnisse keinen Weisungen unterworfen sein darf (BT 2.2.1 Tz. 1 MaRisk). Auch hier postuliert die MaRisk eine Funktionentrennung: Mitarbeiter, die in anderen Organisationseinheiten des Kreditinstituts beschäftigt sind, dürfen gem. BT 2.2 Tz. 3 MaRisk grundsätzlich nicht mit Aufgaben der internen Revision betraut werden.
2.200
Die interne Revision wird auf der Basis eines jährlich fortzuschreibenden Prüfungsplans tätig, den die Geschäftsleitung unter Beachtung des Risikoprofils zu erstellen hat (BT 2.3 Tz. 1 MaRisk).
2.201
5. Abschnitt: Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität I. Grundlagen der Kapitalanforderung Zu den zentralen Risiken von Banken gehört, dass die von ihnen gehaltenen Aktiva an Wert verlieren – etwa durch den Ausfall von Kreditnehmern oder durch eine negative Veränderung des Marktwerts der gehaltenen Wertpapiere. Dies wird umso bedeutender, als Banken überwiegend fremdfinanziert arbeiten. Da typische Fremdkapitalinstrumente in der Regel keine Verluste absorbieren können, führt dies dazu, dass sich Verluste auf der Aktivseite überproportional zu Lasten des Eigenkapitals auswirken.
2.202
Eine angemessene Eigenkapitalausstattung (Solvabilität) der Institute ist daher für die Stabilität des Finanzwesens von zentraler Bedeutung. Das KWG bringt dies allgemein in § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG zum Ausdruck. Unter dem Basel-III-Rahmenwerk wird die angemessene Kapitalausstattung unter Berücksichtigung der Anforderungen nach Pillar I (Mindestkapitalanforderungen) und der Pillar II ermittelt (s. dazu Rz. 2.184 ff.). Es setzt sich damit zusammen aus den Kapitalanforderungen der CRR (ergänzt durch nach
2.203
1 S. hierzu auch das spezifische BaFin Rundschreiben 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten – MaComp vom 9.5.2018.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
KWG und SolvV ausgeübter nationaler Wahlrechte) und den darüber hinaus im Rahmen des SREP ermittelten Kapitalanforderungen. Im Rahmen von Basel-III wurden dabei die Anforderungen an anrechenbare Eigenmittel im Vergleich zu Basel-II verschärft1. Diese Anforderungen sind nun in Teil 2 Titel I (Art. 25–91) der CRR geregelt (s. Rz. 2.205 ff.).
2.204
Die CRR regelt nicht nur, welche Eigenmittel aufsichtsrechtlich anerkannt werden, sondern auch, in welcher Höhe Eigenmittel zur Risikoabdeckung mindestens vorhanden sein müssen (Teil 3 Titel I CRR, Art. 92–106, s. Rz. 2.213). Zudem regelt die CRR (Teil 3 Titel II, Art. 107–386) detailliert, wie die Mindesteigenmittelanforderungen für die einzelnen Risikoarten zu ermitteln sind, insbesondere Adressrisiken, Marktrisiken und das operationelle Risiko (s. Rz. 2.233).
II. Anrechenbare Eigenmittel 2.205
Entsprechend der unterschiedlichen Funktionen der Eigenmittel unter einer going-concern oder gone-concern Betrachtung (s. Rz. 2.191) gliedert die CRR dabei die unterschiedlichen Positionen des bilanziellen Eigenkapitals anhand ihrer Haftungsqualität. Die als „anrechenbare Eigenmittel“ in Art. 4 Abs. 1 Nr. 71 CRR definierten, für die regulatorischen Anforderungen anerkannte Eigenmittel eines CRR-Kreditinstituts setzen sich danach aus dem Kernkapital (Art. 25 CRR) sowie dem Ergänzungskapital (sog. Tier 2 Kapital, Art. 62 CRR) zusammen. Dabei wird das Kernkapital wiederum in hartes Kernkapital (Core Equity Tier 1, CET1, Art. 26–50 CRR) und zusätzliches Kernkapital (Additional Tier 1, AT1, Art. 51–61 CRR) unterteilt.
2.206
Der Unterschied zwischen Kernkapital und Ergänzungskapital liegt grundsätzlich in ihrer Verlusttragungseigenschaft. Während das Kernkapital auch im Rahmen einer Unternehmensfortführung haftet und damit primär auf die den Verlustausgleich und die Unternehmensfortführung (going concern) gerichtet ist, haftet das Ergänzungskapital tatsächlich nur im Abwicklungs- bzw. lnsolvenzfall. Durch die im Rahmen der BRRD (ergänzt durch das Banking Reform Package) eingeführten Abwicklungsinstrumente (s. Rz. 2.350), insbesondere auch der Einführung von Mindestanforderungen an die Verlustabsorptionsfähigkeit2 der Institute (s. Rz. 2.291 und Rz. 2.366 ff.), wurde dies jedoch modifiziert, so dass nun auch Ergänzungskapital und darüber hinausgehende Verbindlichkeiten für die Rekapitalisierung eines Instituts im Rahmen der Anwendung der BRRD herangezogen werden können und damit dem going-concern Ansatz dienen.
2.207
Für jede der drei Eigenmittelarten (CET1, AT1, Tier 2) regelt die CRR die anrechenbaren Bestandteile sowie die vorzunehmenden Abzüge. Kapitalinstrumente können einer aufsichtsrechtlichen Kapitalklasse nur dann zugerechnet werden, wenn sie die für die jeweilige Kapitalklasse bestehenden Anrechnungskriterien erfüllen. Bei Nicht(mehr)erfüllung auch nur eines der Anrechnungskriterien, hat die unmittelbar die Nichtanrechenbarkeit des betreffenden Kapitalinstruments zur Folge (Art. 30, 55 und 65 CRR).
1 Fischer/Boegl in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 129 Rz. 3. 2 Die sog. Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) sowie nach dem Banking Reform Package implementierten sog. Mindestanforderung an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit global systemrelevanter Banken (G-SIB), (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC).
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Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
1. Hartes Kernkapital – CET1 Maßgebliche Messgröße zur Risikobegrenzung ist das harte Kernkapital, CET1, welches sich in den Kriterien für seine Anrechenbarkeit stark an den Charakteristika von Aktien anlehnt1. Dabei wird den Besonderheiten der Eigenkapitalaufbringung bei Sparkassen und Genossenschaften (etc.) durch die spezifischen Regelungen der Art. 27 und 29 CRR Rechnung getragen. Allgemein lassen sich die Voraussetzungen des CET1 in den Prinzipien der effektiven Kapitaleinzahlung, der dauerhaften Kapitalüberlassung, der uneingeschränkten Verlustteilnahme und der Flexibilität hinsichtlich Ausschüttungen zusammenfassen2. Eine spezifische Unterteilung des Kernkapitals in allgemeines Kernkapital und hybrides Kernkapital erfolgt unter der CRR nicht mehr. Hybrides Kapital kann jedoch unter den Voraussetzungen des Art. 52 CRR im AT1 berücksichtigt werden3.
2.208
Nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 CRR umfasst CET1 (i) Kapitalinstrumente, welche die Anforderungen der Art. 28 und ggf. 29 CRR erfüllen und das mit ihnen verbundene Agio. Weiterhin erfasst werden (ii) einbehaltene Gewinne, (iii) das kumulierte sonstige Ergebnis, (iv) sonstige Rücklagen sowie (v) der Fonds für allgemeine Bankrisiken, vorausgesetzt diese stehen jeweils unmittelbar und uneingeschränkt für die Verlustabdeckung zur Verfügung (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 CRR). Gemäß Art. 26 Abs. 3 CRR bedarf die Emission neuer CET1-Instrumente der vorherigen Zustimmung der Aufsicht. Die hat sich in der Praxis als problematisch erwiesen, da es zu teilweise sehr langen Vorlauffristen bei der EZB kam. Durch Anpassungen im Rahmen der CRR II wurde dem Rechnung getragen. Danach dürfen bei der wiederholten Emission von (identischen) CET1-Instrumenten diese bereits vor Bestätigung durch die Aufsicht durch das Institut angerechnet werden, vorausgesetzt bestimmte neue Voraussetzungen (Art. 26 Abs. 3 Unterabs. 2 CRR), u.a. die rechtzeitige Vorabinformation an die Aufsicht, sind erfüllt.
2.209
a) Instrumente des harten Kernkapitals, Art. 28 CRR und Agien Als Instrumente des harten Kernkapitals sind nur solche anrechenbar, welche die Bedingungen des Art. 28 CRR, insbesondere des Abs. 1 lit. a)-m), erfüllen und sofern eine diesbzgl. Offenlegung gem. Art. 431 CRR erfolgt4. Insbesondere bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken gelten die ggf. modifiziert durch die Bestimmungen des Art. 29 CRR Bedingungen des Art. 28 CRR.
2.210
Die nach Abs. 1 geforderten Voraussetzungen für die Anerkennung als CET1-Instrument können in fünf Kategorien eingeteilt werden. In die erste Kategorie fallen die Vorgaben zur handelsrechtlichen Behandlung und sonstige Formalia (lit. a), c) und d))5. Die zweite Kategorie stellen Anforderungen an die dauerhafte, unbefristete Verfügbarkeit (lit. e), f) und g))6. Dritte Kategorie bilden die Voraussetzungen bzgl. vorrangiger Verlustteilnahme und Nachrangigkeit (lit. i)-m))7. Unter die vierte Kategorie sind Anforderungen an die Ermessensfreiheit des Instituts (Flexibilität) hinsichtlich Zahlungen und Aus-
2.211
1 2 3 4
Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Vorb. Art. 25 CRR Rz. 3. Fischer/Boegl in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 129 Rz. 24. Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 25, 26 CRR Rz. 2. Unter der CRR II gelten für „kleine, nicht komplexe Institute“ i.S.d. modifizierten Art. 4 Abs. 1 Nr. 145 CRR II erleichterte Offenlegungsanforderungen, auch bzgl. Art. 431 CRR. 5 Einzelheiten dazu bei Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 28 CRR Rz. 3 ff. 6 Einzelheiten dazu bei Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 28 CRR Rz. 9 ff. 7 Einzelheiten dazu bei Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 28 CRR Rz. 21 ff.
Freis-Janik | 107
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
schüttungsbedingungen zu fassen (lit. h))1. Relevanz kommt diesbezüglich der im Rahmen der CRR II neu eingeführten Bestimmungen hinsichtlich des Bestehens von Ergebnisabführungsverträgen (EAV) nach Abs. 3 zu (s. dazu Rz. 2.213). Die Bedingungen an eine effektive Kapitalaufbringung (lit. b))2 bilden die fünfte Kategorie.
2.212
Agien sind dem CET1 nur zurechenbar, wenn sie im Zusammenhang mit Instrumenten des harten Kernkapitals stehen. Stehen sie im Zusammenhang mit Instrumenten des AT1 oder Tier 2, sind sie diesen Instrumenten zurechenbar (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 lit. b) CRR).
2.213
Im Rahmen des Q&A-Prozesses hatte die EBA die Anerkennung von vollständig durch Mutterunternehmen gehaltenen CET1-Instrumenten bei bestehendem Ergebnisabführungsvertrag (EAV) in Frage gestellt und durch den EAV das Ausschüttungsermessen des Instituts verletzt gesehen3. Die BaFin hatte daraufhin die Nichtübernahme dieser Q&As in ihre Verwaltungspraxis erklärt4. Dadurch entstand Unsicherheit und eine potentielle Ungleichbehandlung zwischen deutschen LSI und von der EZB beaufsichtigten SI. Im Rahmen der CRR II wurden durch Modifikationen des Art. 28 Abs. 3 CRR II nun klare, einheitliche Regelungen geschaffen. Danach sollen EAVs unschädlich sein, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese sind u.a. die Verfolgung legitimer steuerlicher Zwecke, die Möglichkeit, Ausschüttungen trotz EAV durch die Dotierung insbesondere des Fonds für allgemeine Bankrisiken zu steuern, die Verpflichtung des Mutterunternehmens zum Verlustausgleich, sowie die Beendbarkeit des EAV frühestens zum Ablauf des laufenden Wirtschaftsjahrs mit Wirkung für die darauffolgende Periode. b) Weitere Posten des harten Kernkapitals
2.214
Einbehaltende Gewinne sind nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 123 CRR definiert als die nach Zuweisung des endgültigen Ergebnisses gemäß dem geltenden Rechnungslegungsrahmen (für deutsche Institute sind dies v.a. die Vorschriften des HGB und der IFRS)5 fortgeschriebenen Gewinne. Die sind die einbehaltenden und unter den Gewinnrücklagen ausgewiesenen Gewinne.
2.215
Als kumuliertes sonstiges Ergebnis6 wird gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 100 CRR die, gem. der nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 anwendbaren internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS) 1 ermittelt, Summe aller ergebnisneutralen Erträge abzgl. der Summe aller ergebnisneutralen Aufwendungen der Berichtsperiode verstanden7. Darin miterfasst sind ohne Berührung der Gewinn- und Verlustrechnung – insbesondere im Rahmen von Neubewertungen – entstandene Wertveränderungen des bilanziellen Eigenkapitals. Zu berücksichtigen können hier insbesondere die Abzugs- bzw. Korrekturposten nach Art. 32 CRR (Verbriefte Aktiva) oder nach Art. 33–35 CRR sein8. 1 2 3 4 5 6 7 8
Einzelheiten dazu bei Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 28 CRR Rz. 12 ff. Einzelheiten dazu bei Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 28 CRR Rz. 34 ff. EBA, Q&A 2013_408, 2013_541 und 2013_543. https://www.bafin.de/DE/RechtRegelungen/Leitlinien_und_Q_and_A_der_ESAs/Nicht_uebernom mene_Q_and_A/nicht_uebernommene_Q_and_A_node.html (zuletzt abgerufen am 27.4.2019). Dürselen in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 4 CRR Rz. 258. Accumulated other comprehensive income, AOCI. Dürselen in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 4 CRR Rz. 344 ff. Zu den Abzugs- bzw. Korrekturposten ausführlich Kommentierung in Koneny/Glaser in Boos/ Fischer/Schulte-Mattler, Art. 32 bis 35 CRR.
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Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
Nach den geltenden Rechnungslegungsrahmen (s. Rz. 2.214) ermittelte und offenzulegende Rücklagen sind sonstige Rücklagen i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 117 CRR. Dabei ist eine Doppelberücksichtigung dieser Beträge auch als kumuliertes sonstiges Ergebnis oder einbehaltener Gewinn unzulässig. Insbesondere das bei Sparkassen relevante Dotationskapital ist als sonstige Rücklage i.S.d. Art. 26 Abs. 1 Satz 1 lit. e) und Satz 2 CRR anrechenbares CET1 und fällt damit nicht unter die Emissionsvoraussetzungen des Art. 26 Abs. 3 CRR (s. Rz. 2.209)1.
2.216
Wie schon unter den vor Einführung der CRR geltenden Regelungen des § 10 KWG a.F. zählt der Fonds für allgemeine Bankrisiken gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 112 CRR auch als CET1-Posten. § 340g HGB erlaubt es den Kreditinstituten, eine offene Reserve in Form des Fonds zur Sicherung gegen allgemeine Bankrisiken2 zu bilden („Fonds für allgemeine Bankrisiken“). Ebenso wie die Gewinnrücklage kann der Fonds nur aus den versteuerten Ergebnissen gebildet werden. Die Höhe des Fonds steht im Ermessen des jeweiligen Instituts, das sich daran orientieren soll, inwieweit der Fonds nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wegen der besonderen Risiken des Geschäftszweigs notwendig ist.
2.217
c) Besondere Abzugsposten Nach Art. 50 CRR ist anrechenbares CET1, das gem. Art. 26–29 CRR ermittelte harte Kernkapital, CET1, welches die Anpassungen gem. Art. 32–35 CRR und Abzüge gem. Art. 36–49 CRR erfahren hat. Auf die umfangreichen, einzelnen Abzugsposten wird hier nicht eingegangen3.
2.218
Hervorzuheben unter den im Rahmen des Banking Reform Package eingeführten Neuerungen, sind die Modifikationen zur Abzugspflicht für immaterielle Vermögenswerte in Art. 36 CRR, wo eine neue Ausnahme hinsichtlich der Behandlung von Software-Assets geschaffen wurde. Sofern die Werthaltigkeit von aktivierten Software-Positionen im Insolvenz- oder Abwicklungsfall nachgewiesen werden kann, unterliegen diese nicht der Abzugspflicht. Mit der Modifikation soll der zunehmenden Bedeutung technischer Lösungen im Finanzsektor Rechnung getragen und Investitionen der Institute gefördert werden.
2.219
2. Zusätzliches Kernkapital – AT1 Gemäß Art. 51 CRR besteht AT1 aus (i) Kapitalinstrumenten, welche die Anforderungen des Art. 52 Abs. 1 CRR erfüllen und das mit ihnen verbundene Agio. Die Voraussetzungen an AT1-Instrumente nach Art. 52 Abs. 1 CRR können ebenfalls in fünf Kategorien zusammengefasst werden (s. Rz. 2.211)4. Allgemein sind die AT1-Anforderugnen weniger stringent als die Anforderungen an CET1-Mittel. Signifikanteste Unterschiede zum CET1 bestehen hinsichtlich der laufenden Verlustteilnahme und der Laufzeit bzw. Kündigungsmöglichkeit der Instrumente sowie ihrer Rangfolge bzw. Position im Abwicklungs- bzw. Insolvenzfall. AT1-Instrumente müssen für die Institute vorsehen, sie spätestens dann in 1 Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 26 CRR Rz. 8. 2 Die Einschränkung auf allgemeine Bankrisiken grenzt diese Bilanzposition dabei von den Rückstellungen ab, die in Bezug auf konkrete Bilanzpositionen gebildet werden; s. auch Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 26 CRR Rz. 9; Dürselen in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 4 CRR Rz. 392. 3 Ausführlich dazu bei Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 28 bis 50 CRR. 4 Vgl. Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 52 CRR Rz. 3 ff.
Freis-Janik | 109
2.220
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
CET1 zu wandeln oder abzuschreiben, wenn die Quote des harten Kernkapitals im Verhältnis zu den Risikopositionen den Schwellenwert von 5,125 % unterschreitet. Die Vorgaben zur Anrechenbarkeit von Agien gelten analog der zur CET1-Anrechnung (s. Rz. 2.224).
2.221
Neu im Rahmen des Banking Reform Pakets sind die Anforderungen zur Sicherstellung der rechtlichen Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit von im Rahmen der BRRD geschaffenen Möglichkeit zur anteiligen oder vollständigen Minderung von Rückzahlungsansprüchen aus AT1-Instrumenten aufgrund von Abwicklungsmaßnahmen (Art. 52 Abs. 1 lit. j) CRR II). Diese rechtliche Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit muss unter Anlehnung an Art. 55 BRRD (II) künftig gesetzlich oder durch eine vertragliche Bail-in-Klausel sichergestellt sein, dass eine solche Abwicklungsmaßnahme für das betreffende Instrument auch greift. Zudem ist eine Emission unter Drittstaatenrecht darüber hinaus nur zulässig, sofern die rechtliche Durchsetzbarkeit der Abwicklungsmaßnahmen gewährleistet ist. 3. Ergänzungskapital – Tier 2
2.222
Das Ergänzungskapital (sog. Tier 2 Kapital) umfasst gem. Art. 62 lit. a) und b) CRR (i) Kapitalinstrumente und nachrangige Darlehen, welche die Anforderungen des Art. 63 CRR erfüllen und das mit ihnen verbundene Agio. Weiterhin erfasst werden (ii) unter dem Kreditrisikostandardansatz geltende allgemeinen Kreditrisikoanpassungen – vor Abzug von Steuereffekten – bis zu 1,25 % der risikogewichteten Aktive (RWA) aus Kreditrisiken (Art. 62 lit. c) CRR). Eine analoge Anrechnungsmöglichkeit gilt unter Art. 62 lit. d) CRR für Institute, die auf internen Rating-Modellen basierenden Ansatz (Internal Rating Base Approach, IRBA) anwenden1.
2.223
Für die Berücksichtigung der Kapitalinstrumente und nachrangigen Darlehen gem. Art. 62 lit. a) CRR sind die in Art. 63 CRR festgelegten 14 Kriterien zu beachten2. Diese lassen sich in Vorgaben hinsichtlich der Dauer (lit. g) – j)), der Flexibilität bei Zahlungen (lit. l) und m)), Prinzipien zur effektiven Kapitalaufbringung (lit. d) und e)) sowie den Regelungen zur Verlustteilnahme und Nachrang (lit. d) und e)) einteilen. Dabei müssen die Instrumente u.a. eine Mindestlaufzeit von 5 Jahren aufweisen und voll eingezahlt sein. Zudem dürfen sie nicht durch das Institut oder bestimmte mit ihm verbundene Unternehmen besichert sein. Typische Tier-2-Instrumente sind nachrangige Schuldverschreibungen, Genussrechte oder Nachrangdarlehen. Die Vorgaben zur Anrechenbarkeit von Agien gelten analog der zur CET1-Anrechnung (s. Rz. 2.224). Zu beachten ist die durch Art. 518a CRR II eingeführte Überprüfung durch die EBA bzgl. des Einflusses von cross-default Klauseln im Rahmen der durch das Banking Reform Paket modifizierten MREL-Anforderungen (s. dazu Rz. 2.366 ff.).
III. Eigenmittelanforderungen und Kapitalpuffer 1. Eigenmittelanforderungen
2.224
Die CRR normiert die Mindesthöhe der Eigenmittel, welche ein Institut zur Risikoabdeckung vorhalten muss. Nach Art. 92 CRR müssen Institute zu jedem Zeitpunkt über Eigenmittel i.H.v. mindestens 8 % (Mindestkapitalquote) der nach CRR bewerteten und ge1 Ausführlich dazu Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 62 CRR Rz. 9. 2 Im Detail Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 63 CRR.
110 | Freis-Janik
Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
wichteten Risikopositionen (d.h. Adressaus- bzw. Kreditfallrisiken, Marktrisiken und operationelle Risiken) aufweisen. Somit darf der Gesamtrisikobetrag, also die Summe sämtlicher gewichteter risikotragender Bilanzaktiva und sonstiger anrechnungspflichtiger Risikopositionen (s. dazu Rz. 2.233 ff.) das maximal 12,5-fache der Eigenmittel betragen (Art. 92 Abs. 4 CRR). Die Mindestkapitalquote von 8 % des Gesamtrisikobetrags (s. Rz. 2.233) bzw. die Mindestkapitalanforderung1 hat sich wie folgt zusammenzusetzen:
2.225
– eine harte Kernkapitalquote (CET1) von mindestens 4,5 % – eine Kernkapitalquote (CET1 und AT1) von mindestens 6,0 % und – eine Gesamtkapitalquote (CET1, AT1 und Tier 2) von mindestens 8,0 % Darüber hinaus sind die jeweils geltenden Kapitalpufferanforderungen zusätzlich zu den Mindestanforderungen durch CET1-Kapital zu erfüllen (s. dazu nachfolgend Rz. 2.227 ff.). Diese betragen zusätzlich bis zu weitere 5 %. Die Eigenmittelanforderungen gelten sowohl auf Ebene des Einzelinstitutes als auch (nach § 10a KWG i.V.m. Art. 11 CRR) für Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen auf konsolidierter Basis. Dabei erfolgt im Rahmen der CRR II eine Erweiterung des Konsolidierungskreises nach Art. 8 Abs. 1 CRR II durch Einbindung u.a. auch von Tochterunternehmen, welche als Anbieter von Nebendienstleistungen eingestuft wird oder sog. Step-In Risiken bestehen, d.h. bei sonstigen Unternehmen (u.a. Verbriefungszweckgesellschaften) ein erhebliches Risiko besteht, dass ein solches Unternehmen vom Institut über vertragliche Verpflichtungen hinaus finanziell im Stressfall unterstützt wird. Zudem wird die Konsolidierungsmethodik nach Art. 18 Abs. 6a CRR II hinsichtlich der Anwendung der „At Equity“-Methode angepasst.
2.226
2. Kapitalpuffer Um die Widerstandsfähigkeit der Banken zu stärken und langfristige, nicht zyklische Systemrisiken zu adressieren, wurden in Folge der Finanzkrise und im Zuge der Umsetzung der Art. 128 ff. CRD IV zusätzlich zu den Mindestkapitalanforderungen nach Art. 92 Abs. 1 CRR weitere Kapitalpuffer in das KWG durch die §§ 10c ff. eingeführt.
2.227
a) Kapitalerhaltungspuffer Der Kapitalerhaltungspuffer gem. § 10c KWG soll die Institute befähigen, bis zu einem gewissen Grad Verluste auffangen zu können, ohne die Mindesteigenkapitalanforderungen zu unterschreiten. Er wurde bis zum 31.12.2018 schrittweise eingeführt und ist nun vollständig durch CET1-Kapital i.H.v. 2,5 % der RWA (Gesamtforderungsbetrag gem. Art. 92 Abs. 3 CRR) vorzuhalten.
2.228
b) Antizyklischer Kapitalpuffer Der institutsspezifische antizyklische Kapitalpuffer nach § 10d KWG soll zur Begrenzung übermäßigen Kreditwachstums dienen und in Krisenzeiten dazu beitragen, dass Institute 1 Koneny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 92 CRR Rz. 4; Fischer in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, Einf. KWG Rz. 111.
Freis-Janik | 111
2.229
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
ihr Kreditangebot nicht zu stark einschränken (müssen). Die rechtlichen Grundlagen des antizyklischen Kapitalpuffers finden sich insbesondere in den Art. 130, 135–140 CRD IV. Er ist ebenfalls durch CET1-Kapital i.H.v. bis zu 2,5 % vorzuhalten. Der Betrag für den inländischen antizyklischen Kapitalpuffer wird auf Basis gesamtwirtschaftlicher Datenanalysen vierteljährlich durch BaFin als NCA festgelegt. Nach weiterhin geltender Allgemeinverfügung der BaFin vom 28.12.20151 beträgt er derzeit für Deutschland 0 %. Sofern ein Institut maßgebliche Kredite in andere Länder vergeben hat, müssen sie die dort gültigen antizyklischen Kapitalpuffer anteilig berücksichtigen (institutsspezifische antizyklische Kapitalpuffer)2. c) Kapitalpuffer für systemische Risiken
2.230
Der Kapitalpuffer für systemische Risiken soll langfristige nicht zyklische systemische oder makroprudenzielle Risiken, die zu einer Systemgefährdung führen können, abfedern3. Die BaFin hat eine entsprechende Anordnungsbefugnis (§ 10e Abs. 1 KWG), wobei Adressaten nicht einzelne Institute sondern alle Institute oder bestimmte Arten oder Gruppen von Instituten sein sollen. Sie ist nicht zulässig, sofern andere Maßnahmen nach dem KWG und der CRR zur Abmilderung dieser Risiken zur Verfügung stehen. Der Puffer kann insbesondere nur für Risikopositionen gelten, die in einem Mitgliedstaat belegen sind. Der nach oben unbeschränkte Kapitalpuffer für systemische Risiken beträgt mindestens 1 %, welche in CET1-Kapital vorzuhalten sind4. Derzeit besteht diesbzgl. keine Anordnung der BaFin. d) Kapitalpuffer für global systemrelevante Institute
2.231
Global-systemrelevante Institute (G-SIBs) in Deutschland haben gem. § 10f KWG einen zusätzlichen Kapitalpuffer von 1 % bis 3,5 % in Form von CET1-Kapital auf konsolidierter Ebene vorzuhalten. Damit soll die Widerstandsfähigkeit von großen, international tätigen Instituten gestärkt werden und im Falle einer Schieflage das Vorhandensein ausreichender Eigenmittel dazu beitragen, eine geordnete Abwicklung zu gewährleisten. In Deutschland erfolgt die Identifizierung der betreffenden Institute als global systemrelevant durch die BaFin nach Maßgabe der Kriterien für die globale Systemrelevanz5. e) Kapitalpuffer für anderweitig systemrelevante Institute
2.232
Um der Systemrelevanz einzelner Institute auf nationaler Ebene Rechnung zu tragen, identifizieren BaFin und Deutsche Bundesbank gemeinsam die sog. anderweitig systemrelevanten Institute (A-SRI) entsprechend der Vorgaben des § 10g Abs. 2 KWG unter Berücksichtigung der einschlägigen EBA-Leitlinien für die Kriterien zur Bewertung von anderweitig 1 Geschäftszeichen BA 51-AZB 1130-2015/0009. 2 Auerbach/Eicke in Schwennicke/Auerbach, § 25a KWG Rz. 19 ff. und 26 f. 3 Vgl. Begr. RegE CRD-IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974; s. ausführlich Ortgies in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 10e KWG Rz. 1. 4 Einzelheiten zu Vorhaltungspflichten neben weiteren Kapitalpufferanforderungen s. Ortgies in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 10e KWG Rz. 14. 5 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1222/2014 vom 8.10.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2013/ 36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Methode zur Bestimmung global systemrelevanter Institute und zur Festlegung der Teieba-lkategorien global systemrelevanter Institute.
112 | Freis-Janik
Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
systemrelevanten Instituten1. Im Juni 2016 hat die BaFin eine Liste der 16 Institute mit Sitz in Deutschland, die als A-SRI identifiziert wurden, veröffentlicht. Diese sind verpflichtet, einen institutsindividuellen Kapitalpuffer aus CET1-Kapital (A-SRI-Puffer) von bis zu 2 % der RWA auf konsolidierter Ebene vorzuhalten2.
IV. Risikoarten und Ermittlungsmodelle Der Gesamtrisikobetrag ist der gem. Art. 92 Abs. 3 und 4 CRR zu ermittelnde Gesamtbetrag der nach Pillar 1 relevanten, vom Institut eingegangen Risiken. Diese Risiken sind die Summe sämtlicher, nach den Vorgaben der Art. 107–386 CRR ermittelter und gewichteter risikotragender Bilanzaktiva (Risk Weighted Assets, RWA) und sonstiger anrechnungspflichtiger Risikopositionen. 8 % des Gesamtrisikobetrags sind als Mindestkapital, in der nach Art. 92 Abs. 1 CRR geregelten Zusammensetzung aus CET1, AT1 und Tier-2-Kapital vorzuhalten (s. Rz. 2.213).
2.233
Die CRR bestimmt in Teil 3 (Art. 107–386) detailliert, wie der Gesamtrisikobetrag und damit die Mindesteigenmittelanforderungen für die einzelnen Risikoarten zu ermitteln sind. Nach Art. 92 Abs. 3 CRR lässt sich die Ermittlung dabei in zwei Hauptbestandteile des Risikos zusammenfassen, das Adressrisiko und anderen Risiken3. Die danach im Rahmen der CRR zu berücksichtigenden Risikoarten lassen sich im Wesentlichen in drei Kategorien untergliedern, die Adress- bzw. Kreditrisiken, Marktrisiken und operationelle Risiken.
2.234
Die Ermittlung der gewichteten Risikopositionen (RWA) kann nach Wahl des Instituts für jede der drei Risikoarten in zunehmender Komplexität nach Standardansätzen sowie weiterführenden Ansätzen bzw. internen Modellen erfolgen. Je komplexer die gewählte Ermittlungsmethode, umso weitreichendere Möglichkeiten bestehen, die institutsindividuelle Risikosensitivität der Ermittlungsmethode zu verfeinern. Allerdings erhöhen sich im Gegenzug auch die Anforderungen an die Steuerung und Überwachung der Modelle und die damit verbundenen Kosten.
2.235
1. Adress- bzw. Kreditrisiken Zentrale Größe für die Berechnung der Eigenkapitalunterlegung für Adress- bzw. Kreditrisiken ist der Gesamtrisikobetrag für Adressrisiken. Dieses setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, das originäre Kreditrisiko und das Verwässerungsrisiko4. Letztes entsteht v.a. im Bereich des Forderungsankaufs durch Preisnachlässe im Grundgeschäft nach Ankauf oder anderen Leistungsstörungen die den nominalen Wert der Forderungen beeinträchtigen.
2.236
Zur Berechnung des Gesamtrisikobetrags für Adressrisiken sieht die CRR zwei alternative Ansätze vor:
2.237
– den sog. Kreditrisikostandardansatz (KSA) und 1 Leitlinien für die Kriterien zur Festlegung der Anwendungsvoraussetzungen für Art. 131 Abs. 3 der Richtlinie 2013/36/EU (CRD) in Bezug auf die Bewertung von anderweitig systemrelevanten Instituten (A-SRI) (EBA/GL/2014/10). 2 Einzelheiten dazu Auerbach/Häußler in Schwennicke/Auerbach, § 10g KWG Rz. 1 ff. 3 Ostendorf in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 92 CRR Rz. 14. 4 Ostendorf in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 92 CRR Rz. 15 f.
Freis-Janik | 113
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
– einen auf internen Beurteilungen basierenden Ansatz (Internal Ratings Based Approach, IRBA).
2.238
Im Rahmen des Foundation IRB wird nur die Ausfallwahrscheinlichkeiten der Schuldner (PD) von den Instituten selbst geschätzt, im Übrigen findet die Methodik des KSA Anwendung. Unter Anwendung des Advanced IRB werden neben den Ausfallwahrscheinlichkeiten (PD) auch die Verlustquoten bei Ausfall (LGD), die Konversionsfaktoren von außerbilanziellen Geschäften und die Restlaufzeiten vom Institut selbst nach den dafür beim Institut individuell entwickelten Modellen geschätzt bzw. bestimmt. Vor Verwendung des IRBA und einzelner Modelle ist die Zulassung durch die Aufsichtsbehörde erforderlich, die Aufsicht ist auch bei Änderungen und Anpassung genehmigter Modelle einzubinden (Art. 143 CRR)1. Diese Risikoparameter gehen dann in eine im Rahmen der CRR vorgegebene Risikogewichtsformel ein, die das Risikogewicht für einzelne Risikopositionen bestimmt. a) Kreditrisikostandardansatz (KSA)
2.239
Der Standardansatz existierte bereits vor Basel III. Unter der CRR wird jedoch deutlich stärker als zuvor über die Bonität des Schuldners differenziert. Die Ermittlung der RWA unter dem KSA (Art. 111 ff. CRR) erfolgt zunächst durch die Einteilung aller Aktiva in insgesamt 17 Forderungsklassen (Art. 112 CRR, s. Rz. 2.242), sog. „Risikopositionsklassen“. Innerhalb dieser Klassen wird anschließend jede Position einer Ratingklasse und damit einem entsprechenden Risikogewicht (Risk Weight, RW) zugeordnet. Die Einteilung der Ratingklassen erfolgt mithilfe externer Ratings oder entsprechender MappingTabellen2. Nur externe Ratings, die von registrierten externen Ratingagenturen (External Credit Assessment Institution, ECAI) ermittelt werden, dürfen gem. Art. 138 CRR herangezogen werden3. Abhängig von der externen Bonitätsbeurteilung werden den Kreditrisikopositionen je nach Forderungsklasse Risikogewichte von 0 %, 10 %, 20 %, 50 %, 100 %, 150 %, 225 %, 350 %, 650 % oder 1.250 % zugeordnet (Art. 114 ff. CRR). Für unbeurteilte Kreditrisikopositionen sind pauschale Risikogewichte festgelegt (Art. 111 CRR).
2.240
Durch die Multiplikation der Position mit ihrem Risikogewicht wird der risikogewichtete Anteil der Position ermittelt. Die Summe aller dieser Anteile ergibt schließlich die risikogewichteten Aktiva (RWA), welche mit insgesamt 8 % Eigenmittel (s. Rz. 2.224) zu unterlegen sind.
2.241
Zu jeder Forderungsklasse sieht die CRR gesonderte Regelungen zur Ermittlung des individuellen Risikogewichts durch eine entsprechende Ratingklasse vor (Art. 114–134). Berechnungsgrundlage ist dabei der verbleibende Buchwert nach Abzug spezifischer Kreditanpassungen, zusätzlicher Wertberichtigungen und weiterer Verringerungen. Bei außerbilanziellen Positionen wird der Buchwert ggf. reduziert (Art. 111(1) CRR i.V.m. Anhang 1 CRR). 1 S. Delegierte Verordnung der Kommission (EU) Nr. 529/2014 für die Beurteilung der Wesentlichkeit von Erweiterungen und Änderungen des auf internen Beurteilungen basierenden Ansatzes und des fortgeschrittenen Messansatzes vom 12.3.2014. 2 Diese sind präzisiert gem. der Delegierten Verordnung der Kommission (EU) 2016/1799 vom 7.10.2016. 3 S. Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen vom 16.9.2009; zur Entwicklung der Anforderungen an externe Ratings s. Bauerfeind, WM 2015, 1743 ff.; spezifisch unter Basel IV: Bauerfeind, WM 2016, 1528 ff.
114 | Freis-Janik
Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
Folgende 17 Forderungsklassen werden nach Art. 112 CRR unterschieden:
2.242
1. Zentralstaaten oder Zentralbanken (Art. 114 CRR), 2. regionale oder lokale Gebietskörperschaften (Art. 115 CRR), 3. öffentliche Stellen (Art. 116 CRR), 4. multilaterale Entwicklungsbanken (Art. 117 CRR), 5. internationale Organisationen (Art. 118 CRR), 6. Institute (Art. 119–121 CRR), 7. Unternehmen (Art. 122 CRR), 8. Risikopositionen aus dem Mengengeschäft (Art. 123 CRR), 9. durch Immobilien besicherte Risikopositionen (Art. 124–126 CRR), 10. ausgefallene Risikopositionen (Art. 127 CRR), 11. mit besonders hohen Risiken verbundene Risikopositionen (Art. 128 CRR), 12. Risikopositionen in Form von gedeckten Schuldverschreibungen (Art. 129 CRR), 13. Positionen, die Verbriefungspositionen darstellen (Art. 130 CRR i.V.m. Art. 251–258 CRR), 14. Risikopositionen gegenüber Instituten und Unternehmen mit kurzfristigem Rating (Art. 131 CRR), 15. Risikopositionen in Form von Anteilen an Organismen für Gemeinsame Anlagen (OGA, Art. 132 CRR, s. Rz. 2.243), 16. Beteiligungspositionen (Art. 133 CRR) und 17. sonstige Posten (Art. 134 CRR). Für Positionen gegenüber kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) kann die reguläre Eigenmittelanforderung weiter gesenkt werden. Der schon bislang vorgesehene Unterstützungsfaktor für bestimmte Forderungsklassen wird durch den modifizierten Art. 501 CRR II nun zweistufig gestaltet: Der Forderungsanteil bis zu einer Höhe von 2,5 Mio. Euro erhält einen Faktor von 0,7619. Ein die Forderungshöhe von 2,5 Mio. Euro überschreitender Teil erhält einen Faktor von 0,85. Durch Multiplikation der Eigenmittelanforderungen mit dem Unterstützungsfaktor werden die Anforderungen damit um fast ein Viertel reduziert. Dies soll der Befürchtung begegnen, die regulatorischen Eigenmittelanforderungen könnten insbesondere die Kreditvergabe an KMU beeinträchtigen. Durch die CRR II werden weitere Änderungen bei bestimmten Forderungsklassen und deren Risikogewichtung vorgenommen. So wird u.a. ein Unterstützungsfaktor von 0,75 für Infrastrukturfinanzierungen eingeführt (Art. 501a CRR II). Zudem werden im Rahmen der CRR II und der Neufassung des Art. 132 neue Kapitalanforderungen für Anteile an Investmentfonds (OGA) eingeführt. Für den KSA bedeutet dies im Wesentlichen den Wegfall der Möglichkeiten zum Rückgriff auf ein externes Rating oder ein pauschales Risikogewicht von 100 %. Das Risikogewicht ist hier künftig durch Abstellen auf die dem OGA zugrunde liegenden Risikopositionen zu ermitteln (sog. Transparenzansatz, Look-ThroughApproach, LTA) oder ein Risikogewicht von 1.250 % anzuwenden. Freis-Janik | 115
2.243
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
2.244
Grundsätzlich kann durch Anwendung von Kreditrisikominderungen, d.h. Berücksichtigung von gestellten Sicherheiten, das Risikogewicht von Aktiva gesenkt und damit die Eigenmittelanforderung reduziert werden (Art. 192–241 CRR)1. Die nach der CRR berücksichtigungsfähigen Sicherheitenarten lassen sich in Absicherungen ohne Sicherheitsleistung und Besicherungen mit Sicherheitsleistung (Art. 194 CRR) unterteilen. Art. 195 ff. CRR legen Voraussetzungen für die einzelnen Sicherheitenarten und die Berechnung der Risikoreduzierungswirkung fest. Absicherungen ohne Sicherheitsleistung sind dabei finanzielle Sicherheiten und Gewährleistungen (Art. 213 ff. CRR). Als Besicherung mit Sicherheitsleistungen gelten z.B. Immobiliarsicherheiten (Art. 208 CRR).
2.245
Im KSA können Institute bei der Berücksichtigung finanzieller Sicherheiten zwischen der einfachen Methode und der anspruchsvolleren, umfassenden Methode wählen (Art. 239 CRR). Bei der einfachen Methode wird grundsätzlich das Risikogewicht des Schuldners durch das Risikogewicht der Sicherheit ersetzt (sog. Risikogewichtssubstitution). Bei der anspruchsvolleren, umfassenden Methode wird die Bemessungsgrundlage im Umfang der Besicherung reduziert, wobei die Laufzeit des Sicherungsinstruments sowie mögliche Wert- und Währungsschwankungen berücksichtigt werden. b) Auf internen Beurteilungen basierender Ansatz (IRBA)
2.246
Der interne risikobasierte Ansatz (Internal Ratings Based Approach – IRBA) gem. Art. 142 ff. CRR bietet Instituten die Möglichkeit, eigene oder externe Datenbanken zur Erstellung individueller Modelle zu nutzen, um maximale Risikosensitivität, d.h. eine auf Basis institutsspezifischer Risikoermittlung optimierte RWA-Ermittlung und Eigenkapitalunterlegung zu erreichen.
2.247
Innerhalb des IRB-Ansatzes bestehen zwei methodische Unterkategorien, der IRB Basisansatz (Foundation IRB Approach, FIRB) und der fortgeschrittene IRB Ansatz (Advanced IRBA, AIRB). Im Rahmen des IRBA dürfen die Institute unter bestimmten Voraussetzungen selbst schätzen, welche Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default, PD), Verlustquote bei Ausfall (Loss Given Default, LGD) und welcher Konversionsfaktor bei ihnen bestehen.
2.248
Die CRR unterscheidet im IRBA ebenso wie im KSA verschiedene Forderungsklassen, wobei die Anzahl der Forderungsklassen im IRBA vergleichsweise stark eingeschränkt ist. Die für den IRBA gem. Art. 147 Abs. 2 CRR geltenden Forderungsklassen sind 1. Zentralstaaten und Zentralbanken, Institute und Unternehmen (Art. 153, 160–162, 166 CRR), 2. Risikopositionen aus dem Mengengeschäft (Art. 154, 163 f.; 166 CRR), welche sich unterscheidet in a) Immobilienbesicherte Darlehen, b) Revolvierende Darlehen und c) Sonstige Darlehen 3. Beteiligungspositionen (Art. 155, 165, 167 CRR), 1 Ausführlich dazu Achtelik/Frommelt-Drexler/Flach (Hrsg.), Sicherheiten-Management nach CRR, 3. Aufl. 2015.
116 | Freis-Janik
Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
4. Positionen, die Verbriefungspositionen darstellen, und 5. sonstige Aktiva, die keine Kreditverpflichtungen sind (Art. 156, 168 CRR). Grundlegendes Prinzip des IRBA ist die Trennung von erwarteten und unerwarteten Verlusten. Dabei ermittelt das Institut anhand der eigenen, von der Aufsicht genehmigten Modelle, den erwarteten Verlust (Expected Loss, EL) mithilfe der Ausfallwahrscheinlichkeiten (PD) sowie der Verlustquote bei Ausfall (LGD). Der EL ist im Rahmen der internen Risikovorsorge durch Einzel- und Pauschalwertberichtigungen abzudecken. Art. 158 CRR definiert für bestimmte Forderungsklassen einen abweichenden EL.
2.249
Für bestimmte Forderungsklassen sind nach Art. 180 und 181 CRR Vorgaben hinsichtlich der verwendbaren Datenhistorie vorgegeben, welche zur Modellgenehmigung vom Institut einzuhalten sind. Diese sind neben qualitativen Anforderungen an die Datenhistorie zu Berechnungsmethodik für LGD und PD vor allem die Vorgabe bestimmter Zeiträume.
2.250
Mit Wirkung zum 1.1.2019 wurde eine umfassende Überarbeitung des Verbriefungsrahmenwerks einschließlich neuer Methoden zur RWA-Ermittlungen von Verbriefungspositionen durch weitreichende Änderung der CRR eingeführt, Art. 242 ff. CRR1.
2.251
Der Wechsel vom KSA in den IRBA bedarf der vorherigen Erlaubnis durch die Aufsichtsbehörde (Art. 143–150 CRR). Diese ist für jede Forderungsklasse, jedes vom Institut verwendete interne Ratingsystem sowie im A-IRB für die institutseigene Schätzung des LGD getrennt einzuholen. Zudem gelten Übergangsfristen für die Umstellung auf den IRBA. Daneben ist der IRBA institutsweit einzuführen. Die Verwendung des KSA-Ansatzes ist dann nur noch für bestimmte Teile und in einem bestimmten nach den Bedingungen der Art. 149, 150 CRR (sog. Permanent Partial Use) gestattet. Die weiteren laufenden Anforderungen an ein Institut zur Verwendung des IRBA finden sich in Art. 169–191 CRR. Auf Änderungen und Anpassungen an den genehmigten IRBA-Modellen sind je nach Grad der Modifikation vorab oder nachträglich der Aufsicht anzuzeigen oder von dieser Vorab zu genehmigen.
2.252
Durch die CRR II werden auch bzgl. des IRBA Neuerungen eingeführt. Diese spiegeln im Wesentlichen die Änderungen der CRR II zum KSA (s. Rz. 2.243). Die Ausführungen zu Kreditminderungstechniken im KSA finden entsprechende Anwendung für den IRBA (s. Rz. 2.244 f.). Abweichend davon können Institute im Rahmen des IRBA über einen gegenüber dem KSA nochmals erweiterten Kreis von berücksichtigungsfähigen Sicherheiten verfügen (vgl. Art. 194 ff. CRR). IRBA-Institute, die auch die Verlustquote bei Ausfall (LGD) und den Konversionsfaktor selbst schätzen, dürfen den Umfang der Risikominderung zudem selbst berechnen, sofern sie über geeignete interne Ratingsysteme verfügen.
2.253
2. Marktrisiken Das Marktrisiko, die zweite große Risikoart, welche unter Pillar 1 der CRR (Art. 325 ff.) mit Eigenkapital unterlegungspflichtig ist. Das Marktrisiko wird zudem in das Positions1 Verordnung (EU) 2017/2401 vom 12.12.2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und Verordnung (EU) 2017/2402 vom 12.12.2017 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für Verbriefungen und zur Schaffung eines spezifischen Rahmens für einfache, transparente und standardisierte Verbriefung und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG, 2009/138/EG, 2011/61/EU und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 648/2012; dazu auch Weber/Grauer/Schmid, WPg 2018, 463 und 637.
Freis-Janik | 117
2.254
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
risiko, Fremdwährungsrisiko und das Warenpositionsrisiko unterteilt, wodurch eine größtmögliche Risikosensitivität der RWA-Ermittlung erreicht werden soll. Für die Ermittlung des Marktrisikos stehen den Instituten analog der Ermittlung im Adressrisiko zwei Ansätze zur Verfügung. Dies ist zum einen im Standardverfahren der Marktrisiko-Standardansatz gem. Art. 360 CRR (Market Risk Standardized Approach, MRSA) sowie die Bemessung basierend auf institutsinternen Risikomodellen (Internal Model Approach, IMA Art. 363 ff. CRR).
2.255
Im Rahmen des Banking Reform Package sollte im Rahmen des Fundamental Review of the Trading Book (FRTB) eine umfassende Neuregelung des Marktrisiko-Rahmenwerks erfolgen. Jedoch wurde nur ein Teil der erwarteten Änderungen aufgenommen. Weitere Änderungen werden wohl durch künftige Änderungen der CRR eingeführt werden, wobei dann auch eine vollumfängliche Berücksichtigung der am 14.1.2019 vom Basler Ausschuss erarbeiteten Rekalibrierung der Marktpreisrisiko-Anforderungen1 zu erwarten ist.
2.256
Überarbeitet werden im Rahmen der CRR II die Vorschriften zur Handelsbuchabgrenzung, d.h. qualitative Anforderungen an die Führung und Einbeziehung von Positionen in das Handelsbuch (Art. 94 CRR II und Art. 325a CRR II). Dabei kommt es zu einer Erweiterung der relevanten Schwellenwerte, wobei allerdings durch die überarbeitete Definition des Handelsbuchs („trading book“) in Art. 4 Abs. 1 Nr. 86 CRR II weiterhin Potential für eine deutlichere Detailabgrenzung besteht. Zudem werden die neuen Marktrisikoregelungen zunächst im Wesentlichen nur als zusätzliche Meldeanforderung auf Basis des neuen Standardansatzes umgesetzt (Art. 325a CRR II). Für die Ermittlung der Mindestkapitalanforderungen bleiben gleichwohl die bisherigen Verfahren maßgeblich. Die neue Meldepflicht betrifft alle Institute, deren marktrisikobehafteten bilanziellen und außerbilanziellen Positionen in Summe mindestens 10 % der Bilanzsumme oder 500 Mio. Euro betragen2. a) Positionsrisiko
2.257
Das Positionsrisiko (Art. 326–350 CRR) umfasst das Aktienrisiko sowie Zinsänderungsrisiken im Handelsbuch. Diese Risiken werden jeweils in ein allgemeines Risiko und ein – die einzelnen Positionen betreffendes – spezifisches Risiko differenziert. Grundsätzlich ist ein Zins- bzw. Aktienrisiko allen Schuldtiteln (dies schließt Verbriefungen im Handelsbuch ein) und Aktieninstrumenten inhärent. Da es, im Unterschied zu Aktivposition im Anlagebuch, bei der Betrachtung von Positionen im Handelsbuch zu Überschneidungen von Kauf- und Verkaufspositionen kommen kann, besteht gem. Art. 327 CRR die Möglichkeit zur Gegenrechnung von Kauf- bzw. Verkaufspositionen des gleichen Instruments. Die daraus entstehende Nettoposition dient dann als Berechnungsgrundlage.
2.258
Durch die Absicherung einer Position über Kreditderivate kann die Eigenkapitalanforderung für das spezifische Risiko verringert werden (Art. 346 f. CRR). Zudem kann die als Berechnungsgrundlage dienende Nettoposition durch das Vorliegen von Übernahme1 Basel Committee on Banking Supervision: Minimum capital requirements for market risk (BCBS 457). 2 S. dazu Stemmer/Büttler/Schulte-Mattler im OWC-Blog, Das neue Banking Package (Teil 7) Marktpreisrisiko-Anforderungen Reloaded – und noch kein Ende in Sicht! Vom 19.9.2019; abrufbar unter https://blogs.pwc.de/regulatory/aktuelles/das-neue-banking-package-teil-7-marktpreis risiko-anforderungen-reloaded-und-noch-kein-ende-in-sicht/3691/(zuletzt abgerufen am 27.4.2019).
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Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
garantien für die entsprechenden Schuldtitel bzw. Eigenkapitalinstrumente gem. Art. 345 CRR reduziert werden. Das spezifische Zinsänderungsrisiko findet seine Regelung in Art. 335–338 CRR. Nettopositionen von Schuldtiteln, die keine Verbriefungspositionen darstellen, werden hinsichtlich des spezifischen Zinsänderungsrisikos gem. Art. 336 CRR nach ihren jeweiligen Risikogewichten eingeteilt und daraus die Eigenmittelanforderung für spezifische Zinsrisiko ermittelt. Art. 337 CRR gibt die Regelungen für die Ermittlung bei Verbriefungspositionen vor; Art. 338 CRR Regelungen zu den Positionen des Korrelationshandelsportfolios.
2.259
Die Eigenkapitalanforderungen für das allgemeine Zinsrisiko (Art. 339 f. CRR) werden nach einem kapitalbindungsbezogenen oder restlaufzeitbezogenen Ansatz ermittelt. Dabei muss der gewählte Ansatz konsistent angewendet werden. Die diesbezüglichen verfügbaren Methoden sind verschiedene Jahrbandmethoden oder Durations-Methoden1.
2.260
Die Berechnungsmethode für das spezifische und allgemeine Aktienrisiko (auch Indexrisiko) ist in Art. 341–347 CRR geregelt. Für jedes Eigenkapitalinstrument im Handelsbestand wird dabei durch die Aufrechnung von Kauf- und Verkaufspositionen eine Nettokauf- oder -verkaufsposition berechnet. Die verschiedenen spezifischen Nettopositionen werden dann saldiert und mit der Gesamtkapitalquote von 8 % multipliziert.
2.261
b) Fremdwährungsrisiko Die Eigenkapitalanforderung zur Unterlegung des Fremdwährungsrisikos im Handelsbuch basiert auf dem Nettogesamtbetrag der Fremdwährungs- sowie der Goldpositionen des Instituts, welche in mehreren Schritten gem. den Art. 351–354 CRR ermittelt werden.
2.262
c) Warenpositionsrisiko Das Warenpositionsrisiko, auch Rohstoffpreisrisiko genannt, wird gem. Art. 355–361 CRR ermittelt. Dafür stehen drei alternative Methoden zur Verfügung, welche sich in ihrer Komplexität unterscheiden. Dies sind das vereinfachte Verfahren, die Laufzeitbandmethode sowie die erweiterte Laufzeitbandmethode2.
2.263
d) Eigene Modelle, IMA Alternativ dem in Art. 360 CRR geregelten Standardverfahren dürfen die Institute mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Bemessung der Eigenkapitalanforderungen eigene institutsinterne Risikomodelle (Internal Model Approach, IMA Art. 363 ff. CRR) verwenden. Das in Art. 363 CRR skizzierte und im Folgenden näher präzisierte Modell basiert dabei auf dem Value at Risk (VaR). Das dem VaR zugrunde liegende Konzept versucht, Marktpreisrisiken stochastisch zu beschreiben3. Dabei stellt der VaR den Grenzwert dar, den der Verlust eines Finanzinstruments bzw. eines Portfolios innerhalb eines bestimmten Zeitraums und mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschreiten wird. Im Rahmen des Banking Reform Package wird der VaR-Ansatz durch den des Expected Shortfall (ES) modifiziert. Sowohl das Risikomaß wird dabei modifiziert als auch zusätz1 Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 339 CRR Rz. 2 ff. 2 Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 355 CRR Rz. 2. 3 Gaumert in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 363 CRR Rz. 17.
Freis-Janik | 119
2.264
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
liche Liquiditätshorizonte berücksichtigt. Während unter dem bisherigen VaR eine Haltedauer von zehn Tagen und ein Wahrscheinlichkeitsniveau (Konfidenzniveau) von 99 % gilt, werden künftig nach dem ES für gewisse Risikofaktoren nach spezifischen Vorgaben ein Liquiditätshorizont von bis zu 120 Tagen skaliert und das Konfidenzniveau auf 97,5 % berechnet (vgl. Art. 325bd und 325bg CRR II). Weiterhin ist bei der Bestimmung des VaR (auch nach ES) ein Beobachtungszeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen. Das zur Ermittlung des VaR verwendete Modell muss dabei gem. Art. 363 ff. CRR alle nicht nur unerheblichen Marktrisikoparameter angemessen berücksichtigen, sondern es gelten weitere qualitative Anforderungen an die Modelle, die Arbeits- und Ablauforganisation der Institute und die begleitenden Verfahren.
2.265
Neben dem VaR als „normalem Modell“ gelten darüber hinaus besondere Anforderungen an Stress-VaR Modelle (SVaR) gem. Art. 365 f. CRR1. 3. Operationelle Risiken
2.266
Die operationellen Risiken in einem Finanzinstitut gehören zu den am schwierigsten zu quantifizierenden Risiken. Davon erfasst sind die Verlustgefahren durch u.a. unangemessene bzw. versagende interne Systeme (technisch oder regulatorisch), durch menschliches Fehlverhalten sowie durch externe Faktoren2. Im Rahmen der Pillar I-Kapitalanforderungen der CRR lassen sich die Teilrisiken des operationellen Risikos auf Betriebsrisiko und Rechtsrisiko subsumieren (Art. 4 Abs. 1 Nr. 52 CRR)3. Weitere Risiken sind nicht in den Pillar I-Anforderungen berücksichtigt und werden im Rahmen des ICAAP sowie der internen Risikokontrolle (§ 25a KWG) unter der Pillar-II berücksichtigt. Darunter fällt u.a. das Reputations- und Nachfolgerisiko.
2.267
Wie bei den anderen Risikoarten stehen den Instituten auch für das operationelle Risiko drei verschiedene Ansätze zur RWA-Ermittlung und damit Bestimmung der Höhe der zu unterlegenden Eigenmittel zur Verfügung. Diese sind der Basisindikatoransatz (Art. 315, 316 CRR), der Standardansatz (ggf. alternativer Standardansatz, Art. 317–320 CRR) sowie fortgeschrittene Messansätze (Advanced Measurement Approach, AMA, Art. 312–324 CRR). a) Basisindikatoransatz
2.268
Berechnungsgrundlage für den Basisindikator- und den Standardansatz ist der Dreijahresdurchschnitt des sog. relevanten Indikators, der aus bestimmten Posten der Gewinn- und Verlustrechnung zu berechnen ist. Die Eigenkapitalunterlegung ergibt sich bei Anwendung des Basisindikatoransatzes, indem der relevante Indikator pauschal mit 15 % multipliziert wird (Art. 315 Abs. 1 CRR). b) Standardansatz
2.269
Alternativ können Institute den Standardansatz (Art. 317 f. CRR) oder alternativen Standardansatz (Art. 319 CRR) verwenden, der es ihnen ermöglicht, anstelle des pauschalen Faktors von 15 % für die einzelnen Geschäftsfelder unterschiedliche Faktoren zu verwen1 Gaumert in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 364 CRR Rz. 4. 2 Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. KWG Rz. 75. 3 Dürselen in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 4 CRR Rz. 117.
120 | Freis-Janik
Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
den. Ein Institut, das beabsichtigt, einen der Standardansätze zu verwenden, hat dies der Aufsicht anzuzeigen (Art. 320 CRR). Zur Berechnung der Eigenkapitalunterlegung sind im Rahmen des Standardansatzes Teilanrechnungsbeträge zu bilden, indem für einzelne Geschäftsfelder jeweils der relevante Indikator berechnet wird und dieser dann (abhängig von der jeweiligen Zuteilung) mit Gewichtungssätzen zwischen 12 % und 18 % multipliziert wird (Art. 317 CRR)1.
2.270
c) Advanced Measurement Approach (AMA) Sofern die Aufsicht einem Institut erlaubt, einen fortgeschrittenen Messansatz (Advanced Measurement Approach – AMA) gem. Art. 312–324 CRR zu verwenden, kann dieses den Eigenkapitalbedarf auf Basis eines institutseigenen Modells ermitteln. Hierzu sind indessen bestimmte aufsichtsrechtliche Vorgaben zu erfüllen, deren Einhaltung im Rahmen einer Zulassungsprüfung überprüft wird. So muss das Institut gem. Art. 321 Satz 1 lit. a) CRR u.a. ein internes System zur Identifizierung, Messung, Überwachung, Berichterstattung und Steuerung seines operationellen Risikos eingeführt haben2.
2.271
4. Liquidität Die unter Rz. 2.36 bis 2.271 dargestellten Gefahren, dass Kreditnehmer ausfallen und sich die Marktwerte von Vermögenswerten verschlechtern (s. Rz. 2.202), wurden schon immer als zentrale Probleme der Banken und somit des Bankaufsichtsrechts angesehen. Gegenüber diesen „Risiken der Aktivseite“ ist das Risiko, benötigte Zahlungsmittel nicht oder nur zu erhöhten Kosten beschaffen zu können, lange in den Hintergrund geraten. Dieses Refinanzierungsrisiko – vereinfacht Liquiditätsrisiko genannt – besteht vor allem deswegen, weil Banken ihre Mittel oft mit einer längeren Kapitalbindungsfrist anlegen, als sie ihrerseits Mittel aufnehmen, sich typischerweise also nicht fristenkongruent refinanzieren.
2.272
Unter den historischen Ansätzen, mit denen dem Liquiditätsrisiko begegnet wurde, ist insbesondere die von Otto Hübner im Jahr 1854 formulierte goldene Bankenregel zu nennen, die das Ideal einer völligen Fristenkongruenz von Aktiv- und Passivseite postulierte. Dass die goldene Bankenregel – wenngleich sie immer wieder in der politischen Diskussion zitiert wird – heute nicht mehr als sinnvoll angesehen wird, hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen werden durch die goldene Bankregel unrealistisch kurze Finanzierungsfristen vorgegeben, da Einlagen empirisch gesehen im Durchschnitt über die Dauer der nominalen Fristen hinaus zur Verfügung stehen3. Zum anderen negiert das Ideal einer völligen Fristenkongruenz die volkswirtschaftliche Funktion von Banken, die die Realwirtschaft – im sinnvollen Umfang – durch Fristentransformation unterstützen sollen.
2.273
Im Zuge der Finanzkrise 2008 kam es durch verstärktes Misstrauen am wichtigen Interbankenmarkt und damit nahezu zu einem Stillstand der Interbankenfinanzierung. Nur
2.274
1 Einzelheiten Neisen in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 317 CRR Rz. 2. 2 S. hierzu eingehend Neisen in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 321 CRR Rz. 5. 3 Sog. „Bodensatztheorie“, da trotz Abzug von Mitteln bei empirischer Betrachtung ein Bodensatz an Mitteln beim Institut verbleibt. Ein typisches Beispiel hierfür sind Girokonten, die Instituten trotz nominal kurzer Fristen oft stabile Einlagen ermöglichen; vgl. Fischer/Boegl in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 129 Rz. 37 ff.
Freis-Janik | 121
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
durch Maßnahmen der Zentralbanken konnten liquiditätsschwache Banken gestützt werden und somit weiterhin die Kreditvergabe am Interbankenmarkt und an die Realwirtschaft gewährleistet werden. Die Liquiditätsengpässe trafen auch Institute, die nach den damals gültigen Basel-Richtlinien angemessene Eigenkapitalmengen vorhielten. Regulatorische Vorgaben zur angemessenen Liquiditätssteuerung oder Mindestvorgaben zu Liquiditätsquoten bestanden nicht. Im Zuge dessen wurden zunächst in 2008 vom Basler Ausschuss Vorgaben zur Liquiditätssteuerung bei Instituten veröffentlicht1. Darin enthalten sind Vorgaben zur Mindestliquiditätsquote (Liquidity Coverage Ratio, LCR) und zur strukturellen Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR), sowie Ausführungen zu notwendigen Überwachungswerkzeugen. Mit dem Banking Reform Package wird die Umsetzung dieser Vorgaben auf europäischer Ebene finalisiert.
2.275
Ebenso wie für das Eigenkapital lassen sich auch für die Liquiditätsanforderungen quantitative und qualitative Kriterien unterscheiden. a) Rechtliche Anforderungen der CRR
2.276
Liquiditätsanforderungen finden sich in Art. 411 ff. CRR. Diese sind vorrangig die Vorgaben zur Mindestliquiditätsquote (Liquidity Coverage Ratio, LCR) und zur strukturellen Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR).
2.277
Nach den Anforderungen zur Liquiditätsdeckung (LCR) gem. Art. 412 CRR haben Institute einen hochliquiden Liquiditätspuffer zu halten, der mindestens die innerhalb von 30 Tagen unter definierten Stressbedingungen anfallenden Nettozahlungsabflüsse abdeckt. Die LCR zielt damit darauf ab, die Institute auf eine kurzfristige Stresssituation vorzubereiten. Die Positionen der LCR sind seit dem 31.3.2014 monatlich zu melden. Nach einer schrittweisen Einführung ab dem Jahr 2015 ist die LCR seit 2018 mit einem Erfüllungsgrad 100 % einzuhalten2.
2.278
Durch das Banking Reform Package werden nun auch die Anforderungen zur strukturellen Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR) finalisiert. Durch die NSFR sollen v.a. eine stabile, langfristige Refinanzierung gefördert werden sowie Anreize für eine bessere Einschätzung des Refinanzierungsrisikos sämtlicher bilanzieller und außerbilanzieller Positionen erhöht werden und eine übermäßige, einseitige Abhängigkeit von kurzfristigen Mitteln, die einzelne großvolumige Kunden bereitgestellt werden, begrenzt werden3. Vereinfacht berechnet sich die NSFR aus dem Verhältnis der tatsächlich stabilen, dauerhaft verfügbaren Finanzierung (Available Stable Funding, ASF) zu der nach der Dauer ihrer Liquiditätsbindung gewichteten Notwendigkeit für eine stabile Refinanzierung (Required Stable Funding, RSF). Bislang war die NSFR eine reine Meldeverpflichtung mit vereinfachten Berechnungsregelungen. Durch die CRR II (Art. 411–430) wird sie nun zur verpflichtend einzuhaltenden Mindestquote.
2.279
Die Available Stable Funding (ASF) ist nach einer komplexen Methodik und Gewichtungsfaktoren danach das Volumen der Verbindlichkeiten und des Eigenkapitals, die über den Betrachtungszeitraum der NSFR von einem Jahr voraussichtlich dauerhaft zur 1 Basel Committee on Banking Supervision: Basel III: International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring. 2 Ausführlich dazu Zeranski in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 412 CRR Rz. 1 ff. 3 Fischer/Boegl in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 129 Rz. 42.
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Kapitalanforderungen, Eigenmittel und Liquidität | Teil 2
Verfügung stehen. Die Required Stable Funding (RSF) ist dabei das Volumen der benötigten stabilen Refinanzierung für bilanzielle und außerbilanzielle Geschäfte über den Betrachtungszeitraum von einem Jahr. Die Mindestanforderungen an vorzuhaltender Liquidität beträgt 100 % der aus ASF und RSF ermittelten NSFR. Für einfache und nicht komplexe Institute (simple and non-complex) ist nach dem durch die CRR II eingeführten Proportionalitätsprinzip die Möglichkeit gegeben, ein vereinfachtes Berechnungsverfahren zu nutzen (simplified NSFR, sNSFR). Bei einigen Geschäften, die eine stabile Refinanzierung erfordern (Required Stable Funding, RSF), sind Übergangsbestimmungen vorgesehen, z.B. eine vierjährige Phase für die Berücksichtigung von Securities Financing Transactions (SFTs).
2.280
b) Rechtliche Anforderungen des KWG und der LiqV Dem KWG selbst sind in Hinblick auf die Liquidität der Institute nur wenig Vorgaben zu entnehmen. § 11 Abs. 1 Satz 1 KWG statuiert, dass Institute ihre Mittel so anlegen müssen, dass jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft (Liquidität) gewährleistet ist. Das Bundesministerium der Finanzen wurde ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank nähere Anforderungen an die ausreichende Liquidität zu bestimmen. Durch Erlass der Liquiditätsverordnung (LiqV), in welcher auch Vorgaben bzw. Wahlrechte nach Art. 105 CRD IV umgesetzt sind, hat das Bundesministerium der Finanzen hiervon Gebrauch gemacht1.
2.281
Die LiqV konkretisiert die Vorgaben des § 11 Abs. 1 Satz 1 KWG. Sonderregelungen gelten dabei für Bausparkassen gem. § 8 LiqV. Gemäß Art. 412 Abs. 5 CRR war es den Mitgliedstaaten erlaubt, die bisherigen nationalen Liquiditätsanforderungen an CRR-Kreditinstitute parallel weiterzuführen, bis die LCR mit einem Erfüllungsgrad von 100 % verbindlich einzuhalten war. Seit 2018 gilt damit die LiqV für CRR-Kreditinstitute nicht mehr2.
2.282
c) Vorgaben der MaRisk Neben CRR konkretisieren die MaRisk die qualitativen Anforderungen an Liquiditätsrisiken in Umsetzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nach § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG. Allgemeine Anforderungen, die von allen Instituten einzuhalten sind, werden in Modul BTR 3.1 MaRisk beschrieben. Gemäß BTR 3.1 Tz. 1 und 2 der MaRisk haben Institute sicherzustellen, dass sie ihre Zahlungsverpflichtungen jederzeit erfüllen können. Hierzu postulieren die MaRisk eine ausreichende Diversifikation, vor allem im Hinblick auf die Vermögens- und Kapitalstruktur, und sehen vor, dass Institute für ihre Liquiditätsrisiken eine Risikotoleranz festzulegen haben. Gemäß den MaRisk ist laufend zu überprüfen, inwieweit Institute ihren Liquiditätsbedarf auch in einem angespanntem Marktumfeld decken können. Dies schließt die Prüfung ein, ob die Gefahr besteht, dass relevante Refinanzierungsquellen in Stresssituationen nicht mehr im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen3. 1 Auerbach/Adelt in Schwennicke/Auerbach, § 11 KWG Rz. 14. 2 Zeranski in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Vorb. LiqV Rz. 34. 3 S. BTR 3.1 Tz. 5 der MaRisk. Für kurzfristig eintretende Verschlechterungen der Liquiditätssituation hat das Institut ausreichend bemessene, nachhaltige Liquiditätsreserven (z.B. hochliquide, unbelastete Vermögensgegenstände) vorzuhalten (Erläuterungen der BaFin zu den MaRisk in der Fassung vom 27.10.2017).
Freis-Janik | 123
2.283
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
2.284
Gemäß BTR 3.1 Tz. 4 haben die Institute die Geeignetheit ihrer Risikomodelle durch Stresstests zu überprüfen. Diese Stresstests sind individuell zu definieren, wobei den Stresstests unterschiedlich lange Zeithorizonte zugrunde zu legen sind. Kapitalmarktorientierte Institute haben zum einen institutsbezogene Szenarien Stresstests durchzuführen (z.B. Verschlechterung des eigenen Ratings). Zudem sind getrennt davon Stressszenarien zu betrachten, die auf marktweite Szenarien zurückzuführen sind (z.B. technischer Ausfall zentraler Kontrahenten, Kursverfall auf den Sekundärmärkten für Wertpapiere). Zudem haben Stresstests beide Aspekte kombiniert zu betrachten1. 5. Verschuldungsquote
2.285
Die Verschuldungsquote (Leverage Ratio, LR) ist bereits Bestandteil der CRR (Art. 429, 429a, 429b, 430 CRR). Ziel der LR ist es, die Eigenkapitalanforderungen der Pillar I um eine nicht von Risikogewichten abhängige Kapitalquote zu ergänzen. Ziel der LR ist es, den Aufbau einer übermäßigen bilanziellen und außerbilanziellen Verschuldung eines Instituts unter gleichzeitiger Beibehaltung hoher risikobasierter Kapitalquoten zu vermeiden2.
2.286
Die LR setzt das regulatorische Eigenkapital des Instituts ins Verhältnis zu seinem Gesamtexposure. Das Gesamtexposure ist eine Gesamtrisikopositionsmessgröße, die bilanzielle und außerbilanzielle Positionen sowie Derivate und Wertpapierfinanzierungsgeschäfte umfasst. Das Risiko der Aktiva wird dabei nicht beachtet. Damit ist die LR eine nicht-risikosensitive Kennzahl zur Begrenzung übermäßiger Verschuldung.
2.287
Zwar sind Meldung und Offenlegung der LR bereits seit 1.1.2015 verpflichtend, jedoch wird erst durch die Änderungen der CRR II eine bindende Mindestquote festgelegt. Basierend auf dem nach Art. 511 der CRR von der EBA angefertigtem Report, wird durch die CRR II die LR nun eine grundsätzlich für alle Banken verbindliche Mindestanforderung i.H.v. 3 % eingeführt (Leverage Ration Exposure, LRE). Zusätzliche Anforderungen ergeben sich für global systemrelevante Institute (G-SII). Diese haben die Mindestanforderung der LR von 33 % um einen Leverage Ration Puffer i.H.v. 50 % des Kapitalpuffers für G-SII zu ergänzen (s. Rz. 2.219). Bei Nichteinhaltung des Leverage Ration Puffer greifen Ausschüttungssperren nach § 10i KWG. Zur Erfüllung der LR (Basis-LR und G-SIB-Aufschlag) kann CET1 und AT1 herangezogen werden.
2.288
Kritisch gesehen werden können die zahlreichen (teils politisch bedingten) Ausnahmen, welche dazu führen, dass bestimmte Risikopositionen bei der Berechnung der LR unberücksichtigt bleiben. Dies ist z.B. bei Forderungen innerhalb von Institutssicherungssystemen, bestimmten Exportfinanzierungen, durchgeleiteten Förderdarlehen und bestimmten Positionen von Förderkreditinstituten der Fall. 6. Melde- und Offenlegungspflichten
2.289
Seit der Finanzkrise 2008 sind die regulatorischen Anforderungen im Bankensektor auch hinsichtlich Melde- und Offenlegungspflichten stetig gestiegen. Für Institute ergeben sich diese primär aus CRR, KWG und SAG. Die Einführung der CRR wurde flankiert von einem umfassenden europäischen Meldewesen unter dem Rahmenwerk einer standardisier1 Erläuterungen der BaFin zu den MaRisk in der Fassung vom 27.10.2017. 2 Tschiltschke in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 429 a.F. CRR Rz. 2; zu Überschreitungskonstellationen Josenhans/Danzmann, BKR 2018, 401 ff.
124 | Freis-Janik
Einlagensicherung und Anlegerentschädigung | Teil 2
ten finanziellen Berichterstattung und -übermittlung für Kreditinstitute und Aufsichtsbehörden. Diese besteht maßgeblich aus dem Common Solvency Ratio Reporting (COREP), dem Financial Reporting (FINREP) sowie dem Analytical Credit Datasets (AnaCredit)1, einem granularen, statistischen Kreditmeldewesen. Melde- und Offenlegungspflichten sind Element der Pillar III. Durch die CRR wurden insbesondere Offenlegungspflichten an die Allgemeinheit stipuliert, namentlich die Offenlegungs- und Vergütungsberichte gem. den Vorgaben der Art. 435 ff. CRR. Durch die CRR II wird der Kanon der Offenlegungspflichten durch solche zu ESG-Risiken (Environmental, Social, Governance) nach Art. 449a CRR II weiter vergrößert2.
2.290
7. Verlustabsorptionsfähigkeit Nicht zuletzt durch die Einführung des SRM als dritte Säule der Bankenunion, wurde der regulatorische Fokus auch auf die Sicherstellung der Verlustabsorptionsfähigkeit von Instituten gelenkt. Im Rahmen der BRRD wurden bereits Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) eingeführt. Im Zuge des Banking Reform Package werden nun auch sog. Mindestanforderungen an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit global systemrelevanter Banken (G-SIB), (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC) in CRR II und BRRD II implementiert. Einzelheiten dazu unter Rz. 2.366 ff.
2.291
6. Abschnitt: Einlagensicherung und Anlegerentschädigung Zu den zentralen Zielen des Bankaufsichtsrechts gehört es, die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte zu gewährleisten (s. § 6 Abs. 2 KWG). Das KWG und weitere Gesetze statuieren hierzu eine Vielzahl an Anforderungen an die Tätigkeit der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute und sehen eine laufende Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden vor. Dennoch haben die Erfahrungen der Vergangenheit3 gezeigt, dass ein Zusammenbruch einzelner Institute nicht völlig verhindert werden kann. Daher haben sich verschiedene gesetzliche und freiwillige Systeme zum Schutz der Einlagen von Kunden im Falle der Insolvenz entwickelt4. Insgesamt gewährleisten diese Systeme ein – auch im internationalen Vergleich – sehr hohes Schutzniveau5.
2.292
Die in Deutschland bestehende Sicherung für Einleger und die Anlegerentschädigung von Anlegern in Wertpapieren basiert auf einem dualen Ansatz aus gesetzlichen und freiwilligen Systemen, wobei die gesetzlich verpflichtenden Regelungen auf europarechtlichen
2.293
1 Einzelheiten dazu bei Stawitzke in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 19–24 CRR Rz. 37a; Groß in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 14 KWG Rz. 5. 2 Auf eine Aufzählung der diversen Melde- und Offenlegungspflichten wird der Übersichtlichkeit halber hier verzichtet. 3 Zur historischen Entwicklung der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung umfassend: Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 26 Rz. 12 ff. 4 S. hierzu Übersicht bei Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 26 Rz. 47 ff. 5 Weber, ZfgK 2008, 560; Bigus/Leyens, ZBB 2008, 277, 279; umfassende vergleichende Darstellung der nationalen Sicherungssysteme bei: Oxera, Description and assessment of the national investor compensation schemes established in accordance with Directive 97/9/EC, Report prepared for European Commission (Internal Market DG), Januar 2005.
Freis-Janik | 125
Einlagensicherung und Anlegerentschädigung | Teil 2
ten finanziellen Berichterstattung und -übermittlung für Kreditinstitute und Aufsichtsbehörden. Diese besteht maßgeblich aus dem Common Solvency Ratio Reporting (COREP), dem Financial Reporting (FINREP) sowie dem Analytical Credit Datasets (AnaCredit)1, einem granularen, statistischen Kreditmeldewesen. Melde- und Offenlegungspflichten sind Element der Pillar III. Durch die CRR wurden insbesondere Offenlegungspflichten an die Allgemeinheit stipuliert, namentlich die Offenlegungs- und Vergütungsberichte gem. den Vorgaben der Art. 435 ff. CRR. Durch die CRR II wird der Kanon der Offenlegungspflichten durch solche zu ESG-Risiken (Environmental, Social, Governance) nach Art. 449a CRR II weiter vergrößert2.
2.290
7. Verlustabsorptionsfähigkeit Nicht zuletzt durch die Einführung des SRM als dritte Säule der Bankenunion, wurde der regulatorische Fokus auch auf die Sicherstellung der Verlustabsorptionsfähigkeit von Instituten gelenkt. Im Rahmen der BRRD wurden bereits Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) eingeführt. Im Zuge des Banking Reform Package werden nun auch sog. Mindestanforderungen an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit global systemrelevanter Banken (G-SIB), (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC) in CRR II und BRRD II implementiert. Einzelheiten dazu unter Rz. 2.366 ff.
2.291
6. Abschnitt: Einlagensicherung und Anlegerentschädigung Zu den zentralen Zielen des Bankaufsichtsrechts gehört es, die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte zu gewährleisten (s. § 6 Abs. 2 KWG). Das KWG und weitere Gesetze statuieren hierzu eine Vielzahl an Anforderungen an die Tätigkeit der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute und sehen eine laufende Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden vor. Dennoch haben die Erfahrungen der Vergangenheit3 gezeigt, dass ein Zusammenbruch einzelner Institute nicht völlig verhindert werden kann. Daher haben sich verschiedene gesetzliche und freiwillige Systeme zum Schutz der Einlagen von Kunden im Falle der Insolvenz entwickelt4. Insgesamt gewährleisten diese Systeme ein – auch im internationalen Vergleich – sehr hohes Schutzniveau5.
2.292
Die in Deutschland bestehende Sicherung für Einleger und die Anlegerentschädigung von Anlegern in Wertpapieren basiert auf einem dualen Ansatz aus gesetzlichen und freiwilligen Systemen, wobei die gesetzlich verpflichtenden Regelungen auf europarechtlichen
2.293
1 Einzelheiten dazu bei Stawitzke in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Art. 19–24 CRR Rz. 37a; Groß in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 14 KWG Rz. 5. 2 Auf eine Aufzählung der diversen Melde- und Offenlegungspflichten wird der Übersichtlichkeit halber hier verzichtet. 3 Zur historischen Entwicklung der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung umfassend: Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 26 Rz. 12 ff. 4 S. hierzu Übersicht bei Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 26 Rz. 47 ff. 5 Weber, ZfgK 2008, 560; Bigus/Leyens, ZBB 2008, 277, 279; umfassende vergleichende Darstellung der nationalen Sicherungssysteme bei: Oxera, Description and assessment of the national investor compensation schemes established in accordance with Directive 97/9/EC, Report prepared for European Commission (Internal Market DG), Januar 2005.
Freis-Janik | 125
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
Vorgaben basieren. Es ist aufgrund der unterschiedlichen Sicherungssysteme der einzelnen Banksparten und der verschiedenen Sicherungen innerhalb dieser Sparten aufgebaut und besteht neben den Sicherungseinrichtungen der Bankenverbände aus den für Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Landesbanken bestehenden Institutssicherungssystemen.
I. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen 1. Europarechtliche Grundlagen und gesetzliche Entwicklung
2.294
Die gesetzliche Entschädigung für Anleger basiert auf der Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.3.1997 über Anlegerentschädigungssysteme (Anlegerentschädigungsrichtlinie)1. Die Einlagensicherung wurde auf europäischer Ebene im Jahr 2014 durch die Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme (Deposit Guarantee Scheme Directive, DGSD) grundsätzlich reformiert. Im Zuge der Umsetzung der DGSD wurde auch die gesetzliche Einlagensicherung in Deutschland in 2015 grundlegend überarbeitet und im dafür neu geschaffenen Einlagensicherungsgesetz (EinSiG) geregelt und eine Anpassung des § 23a Abs. 1 KWG vorgenommen2. Im Zuge dessen wurde das bis dahin geltende Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz in ein darauf reduziertes „Anlegerentschädigungsgesetz“ (AnlEntschG) umbenannt und angepasst3. Die DGSD und deren nationale Umsetzung ist der erste Schritt zur Schaffung und Vervollständigung der dritten Säule der Bankenunion. Noch nicht vollzogen ist dagegen die Einrichtung eines einheitlichen Europäischen Einlagensicherungssystems (European Deposit Insurance Scheme, EDIS) (s. Rz. 2.36). 2. Geschützte Vermögenswerte
2.295
Das EinSiG schützt Einlagen unabhängig von der Währung, in welcher die Einlage lautet. Pro Institut und Einleger ist der gesetzliche Schutz auf 100.000 € begrenzt (§ 8 Abs. 1 EinSiG)4. Einlagen gem. § 2 Abs. 3 EinSiG sind saldierte Kontoguthaben aus Bankgeschäften, einschließlich Festgelder, Spareinlagen und Namensschuldverschreibungen, bei einem CRR-Kreditinstitut, die von diesem nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen sind. Als Einlagen gelten auch Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften einer Bank, sofern die Verbindlichkeiten der Bank darin bestehen, den Kunden Besitz oder Eigentum an Geld zu verschaffen. Nicht geschützt werden dagegen u.a. Inhaberschuldverschreibungen sowie Einlagen, die andere CRR-Kreditinstitute im eigenen Namen und auf eigene Rechnung getätigt haben, Einlagen von Pensions- und Rentenfonds, Einlagen staatlicher Stellen einschließlich eines rechtlich unselbständigen Sondervermögens. 1 Umgesetzt in Deutschland durch das Gesetz zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungs- und der EG-Anlegerentschädigungsrichtlinie vom 16.7.1998 (BGBl. I 1998, 1842). 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme – DGSD-Umsetzungsgesetz vom 28.5.2015 (BGBl. I 2015, 786); Einzelheiten zu den Neuerungen in Berger, BKR 2016, 144 ff. 3 Zur Historie und den europarechtlichen Vorgaben im Einzelnen s. Fischer in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 23a KWG Rz. 1 ff. 4 Abweichend davon gewährt § 8 Abs. 2 EinSiG einen erhöhten Schutz auf bis zu 500.000 € für Einlagen, 500.000 € für Einlagen, die für die Lebensführung des Einlegers von besonderer Bedeutung sind, z.B. Verkauf einer Privatimmobilie.
126 | Freis-Janik
Einlagensicherung und Anlegerentschädigung | Teil 2
Nach dem AnlEntG werden Kundenforderungen (Verbindlichkeiten) aus Wertpapiergeschäften geschützt, § 1 Abs. 3. Dabei handelt es sich um Gelder, die Anlegern im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften geschuldet werden (z.B. Dividenden, Ausschüttungen, Verkaufserlöse). Davon umfasst sind ebenfalls Ansprüche bei Unterschlagung oder sonstiger Veruntreuung. Vom Schutzumfang nicht erfasst sind andere Schadensersatzansprüche z.B. wegen fehlerhafter Beratung, entgangener Kursgewinne, nicht ausgeführter Wertpapiergeschäfte oder mangelhafter Nebendienstleistungen. Pro Institut hat der Kunde im Schadensfall Anspruch auf 90 % seiner Forderungen aus Wertpapiergeschäften, wobei dieser auf einen Gesamtbetrag pro Kunde von maximal 20.000 € begrenzt ist (§ 4 Abs. 2 AnlEntG)1.
2.296
3. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen Kern der gesetzlichen Einlagensicherung sind die gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen. Jedes Institut ist grundsätzlich einer für es zuständigen gesetzlichen Entschädigungseinrichtung zugeordnet, wobei die Zuordnung als Erlaubnisbedingung durch öffentlichrechtliche Zwangsmitgliedschaft nach Institutsgruppen erfolgt (§ 24 Abs. 1 EinSiG, § 2 und § 1 Abs. 1 AnlEntG2). Diese Entschädigungseinrichtung ist öffentlich zur Durchführung der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung beauftragt. Dies Entschädigungseinrichtungen werden gem. § 22 EinSiG als nicht rechtsfähige Sondervermögen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau errichtet. Diese Funktion kann auch einer juristischen Person des Privatrechts als beliehener Entschädigungseinrichtung durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Finanzen zugewiesen werden. Eine solche Zuweisung ist für den Bundesverband deutscher Banken für die privaten Banken (s. Rz. 2.357) und dem Verband öffentlicher Banken erfolgt. Gemäß §§ 17, 18 Abs. 4 und 22 EinSiG ziehen die Entschädigungseinrichtungen Beiträge der ihnen zugeordneten Institute ein und legen diese Mittel als Rücklage für einen eventuellen Entschädigungsfall an, die Institute sind gem. §§ 26, 27 EinSiG zur Beitragsleistung verpflichtet3.
2.297
4. Eintritt des Entschädigungsfalls EinSiG und AnlEntG knüpft gesetzliche Entschädigungsansprüche der Anleger an den Eintritt des Entschädigungsfalls. Ein Entschädigungsfall liegt gem. § 10 Abs. 1 EinSiG bzw. § 1 Abs. 4 und 5 Abs. 1 AnlEntG vor, wenn die BaFin feststellt, dass ein Institut aus Gründen, die mit seiner Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, vorerst nicht in der Lage ist, Einlagen zurückzuzahlen bzw. Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu erfüllen, und keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung oder Erfüllung besteht. Eine Entschädigung für Anlagen in Wertpapiergeschäften kommt insbesondere auch dann in Betracht, wenn das Institut pflichtwidrig nicht im Stande ist, im Eigentum des Kunden befindliche und für ihn verwahrte Wertpapiere zurückzugeben. Tritt ein Entschädigungs1 Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 23a KWG Rz. 12 f. 2 Zum Bestehen eines entsprechenden Staatshaftungsanspruchs s. LG Bonn v. 16.4.1999 – 1 O 186/98, WM 1999, 1979 und v. 10.11.1999 – 1 O 55/99, WM 2000, 618. 3 Das BVerwG entschied im Jahr 2004 (BVerwG v. 21.4.2004 – 6 C 20/03, NJW 2004, 3198), dass die nach dem EAEG von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten zu erbringenden Beiträge mit europäischem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehen, den dafür verfassungsrechtlich geltenden Anforderungen genügen und ihre Erhebung keine Grundrechte verletzt; Letzteres wurde durch das BVerfG v. 24.11.2009 – 2 BvR 1387/04, ZIP 2010, 168, bestätigt. Zu den Anforderungen an eine Weiterentwicklung der Einlagensicherung, s. Bigus/Leyens, ZBB 2008, 277, 281 ff.
Freis-Janik | 127
2.298
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
fall ein, so haben die Gläubiger einen Anspruch gegen die Entschädigungseinrichtung, der das Institut zugeordnet ist1. 5. Entschädigungseinrichtung deutscher Banken
2.299
§ 22 EinSiG sieht vor, dass die Aufgaben und Befugnisse der Entschädigungseinrichtung einer juristischen Person des Privatrechts im Wege der Beleihung zugewiesen werden können. Für die privaten Banken ist dies die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB). Sie ist eine hundertprozentige Tochter des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. (BdB), der durch Rechtsverordnung des Bundesfinanzministers vom 24.8.1998 die Aufgaben und Befugnisse einer Entschädigungseinrichtung für die privatrechtlichen Institute zugewiesen worden sind. Zuständig für Wertpapierhandelsunternehmen (z.B. Wertpapierhandelsbanken, Finanzdienstleister, Kapitalanlagegesellschaften) ist die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW).
II. Institutsbezogene Sicherungssysteme 2.300
Bezüglich der Institutssicherung für Institute, die vor der Novelle durch das EinSiG den institutsbezogenen Sicherungssystemen der regionalen Sparkassen- und Giroverbände oder der Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. angehörten, wurde durch § 12 EinSiG eine grundlegende Neuerung eingeführt. Danach sind auch diese CRR-Kreditinstitute grundsätzlich zur Zugehörigkeit zu einem Einlagensicherungssystem verpflichtet. Allerdings können gem. §§ 43 ff. EinSiG institutsbezogene Sicherungssysteme von der BaFin als Einlagensicherungssystem anerkannt werden und Institute gem. § 25 Abs. 5 EinSiG die Zuordnung zu einem solchen System beantragen. Mit Wirkung zum 3.7.2015 hat die BaFin das Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe (Deutscher Sparkassen- und Giroverband, DSGV)2 und das Sicherungssystem der BVR Institutssicherung GmbH (BVR-ISG)3 für die genossenschaftliche Bankengruppe als solche institutsbezogenen Sicherungssysteme anerkannt. Damit ist bei beiden Systemen neben die bisher schon bestehende institutssichernde Funktion die gesetzliche Entschädigungsfunktion gem. EinSiG getreten. Das bisherige institutsbezogene Sicherungssystem des DSGV blieb bestehen und wurde um eine Einlagensicherungsfunktion ergänzt. Im Bereich des BVR besteht nun ein duales Sicherungssystem, das aus dem neuen institutsbezogenen Sicherungssystem (BVR Institutssicherung GmbH) sowie der fortgeführten freiwilligen Institutssicherung besteht.
2.301
Ein institutsbezogenes Sicherungssystem ist gem. § 2 Abs. 2 EinSiG eine Haftungsvereinbarung i.S.d. Art. 113 Abs. 7 CRR und beruht auf einer vertraglichen oder satzungsmäßigen Haftungsvereinbarung zwischen Instituten. Bestimmungsgemäß stellen sie die Liquidität und Solvenz der ihnen angehörenden CRR-Kreditinstitute durch geeignete Präventivund Sanierungsmaßnahmen sicher (Institutsschutzfunktion) und erfüllen zudem eine Entschädigungsfunktion4.
1 2 3 4
Vgl. § 3 AnlEntG und § 5 EinSiG, welche auch die Ausnahmen regeln. http://www.dsgv.de/de/sparkasse-finanzgruppe/sicherungssystem/index.html. http://www.bvr-institutssicherung.de/isg.nsf. Einzelheiten s. Berger, BKR 2016, 144, 147.
128 | Freis-Janik
Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
III. Freiwillige Einlagensicherung Das System der freiwilligen Sicherungseinrichtungen existierte bereits vor der Einführung der gesetzlichen Einlagensicherung. Der freiwillige Einlagensicherungsfonds privater Banken1 sichert Einlagen der geschützten Kunden. Zum 1.10.2017 trat eine Reform des freiwilligen Einlagensicherungsfonds durch entsprechende Änderungen in dessen Statut in Kraft. Die Änderung erfolgten vor dem reformierten gesetzlichen Leitbild der geschützten Einleger und Einlagen nach DGSG und EinSiG. Danach sind die entsprechenden Einlagen der geschützten Kunden in voller Höhe, begrenzt auf 20 % des haftenden Eigenkapitals (gem. CRR) des jeweiligen Instituts abgesichert. Im Zuge der Reform unterliegen seit dem 1.10.2017 bankähnliche Kunden (bestimmte Wertpapierfirmen und Finanzinstitute) sowie Bund, Länder und Kommunen nicht mehr dem Schutz der freiwilligen Einlagensicherung. Für Unternehmen, Versicherungen und halbstaatliche Stellen, wie etwa Versorgungswerk, besteht ein angepasster Schutz, wonach seit dem 1.10.2017 erworbene Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen nicht mehr durch den freiwilligen Einlagensicherungsfonds geschützt sind. Zudem werden ab dem 1.1.2020 Einlagen mit einer Laufzeit von mehr als 18 Monaten vom Schutz ausgenommen, sofern sie nicht von Privatpersonen oder Stiftungen gehalten werden.
2.302
Die freiwilligen Sicherungseinrichtungen werden von den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft getragen und durch eine Umlage bzw. Einzahlungen der Mitgliedsinstitute finanziert. Anders als Einlagensicherungssysteme der Sparkassen und Kreditgenossenschaften sichert der Einlagensicherungsfonds privater Banken nicht den Bestand des jeweiligen Instituts, sondern die Einlagen der Gläubiger. Die Zugehörigkeit zum System der freiwilligen Sicherungseinrichtung ist nicht zwingend. Allerdings sieht § 23a Abs. 1 KWG vor, dass Institute ihre Kunden im Preisaushang über die Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung zu informieren haben2.
2.303
7. Abschnitt: Bankensanierung und -abwicklung I. Historischer Überblick Im Rahmen der Finanzkrise ab 2007 zeigten sich – insbesondere mit Blick auf die von politischer Seite unternommenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Deutschen Industriebank AG (IKB) – die Grenzen der zweckgerichteten Wirksamkeit der damals nach dem KWG zur Verfügung stehenden Mittel zum Umgang mit einer in Schieflage geratenen Bank und der Begrenzung der Auswirkungen auf die Gesamt- und Realwirtschaft3. Vor allem die Mittel des Moratoriums nach § 46a KWG a.F. (s. Rz. 2.403) erwiesen sich als unzureichend und in bestimmten Situationen nur eingeschränkt geeignet4. Zwar wurde in Reaktion darauf im Herbst 2008 mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)5 ein erster Schritt zur Modernisierung des Regimes zur Bankensanierung und -abwicklung, v.a. durch Einrichtung des Sonderfonds Finanzmarkstabilisierung (SoFFin), gegangen. Allerdings erwies sich dies im Rahmen der Rettung der Hypo Real Estate Holding (HRE) in 1 2 3 4 5
Einzelheiten unter https://einlagensicherungsfonds.de. Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 23a KWG Rz. 31. Zum Ablauf der Finanzkrise und die bankbezogenen Maßnahmen s. Zeitler, WM 2012, 673 ff. Binder, ZBB 2009, 19, 21. Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 17.10. 2008, BGBl. I 2008, 1982.
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2.304
Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
III. Freiwillige Einlagensicherung Das System der freiwilligen Sicherungseinrichtungen existierte bereits vor der Einführung der gesetzlichen Einlagensicherung. Der freiwillige Einlagensicherungsfonds privater Banken1 sichert Einlagen der geschützten Kunden. Zum 1.10.2017 trat eine Reform des freiwilligen Einlagensicherungsfonds durch entsprechende Änderungen in dessen Statut in Kraft. Die Änderung erfolgten vor dem reformierten gesetzlichen Leitbild der geschützten Einleger und Einlagen nach DGSG und EinSiG. Danach sind die entsprechenden Einlagen der geschützten Kunden in voller Höhe, begrenzt auf 20 % des haftenden Eigenkapitals (gem. CRR) des jeweiligen Instituts abgesichert. Im Zuge der Reform unterliegen seit dem 1.10.2017 bankähnliche Kunden (bestimmte Wertpapierfirmen und Finanzinstitute) sowie Bund, Länder und Kommunen nicht mehr dem Schutz der freiwilligen Einlagensicherung. Für Unternehmen, Versicherungen und halbstaatliche Stellen, wie etwa Versorgungswerk, besteht ein angepasster Schutz, wonach seit dem 1.10.2017 erworbene Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen nicht mehr durch den freiwilligen Einlagensicherungsfonds geschützt sind. Zudem werden ab dem 1.1.2020 Einlagen mit einer Laufzeit von mehr als 18 Monaten vom Schutz ausgenommen, sofern sie nicht von Privatpersonen oder Stiftungen gehalten werden.
2.302
Die freiwilligen Sicherungseinrichtungen werden von den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft getragen und durch eine Umlage bzw. Einzahlungen der Mitgliedsinstitute finanziert. Anders als Einlagensicherungssysteme der Sparkassen und Kreditgenossenschaften sichert der Einlagensicherungsfonds privater Banken nicht den Bestand des jeweiligen Instituts, sondern die Einlagen der Gläubiger. Die Zugehörigkeit zum System der freiwilligen Sicherungseinrichtung ist nicht zwingend. Allerdings sieht § 23a Abs. 1 KWG vor, dass Institute ihre Kunden im Preisaushang über die Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung zu informieren haben2.
2.303
7. Abschnitt: Bankensanierung und -abwicklung I. Historischer Überblick Im Rahmen der Finanzkrise ab 2007 zeigten sich – insbesondere mit Blick auf die von politischer Seite unternommenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Deutschen Industriebank AG (IKB) – die Grenzen der zweckgerichteten Wirksamkeit der damals nach dem KWG zur Verfügung stehenden Mittel zum Umgang mit einer in Schieflage geratenen Bank und der Begrenzung der Auswirkungen auf die Gesamt- und Realwirtschaft3. Vor allem die Mittel des Moratoriums nach § 46a KWG a.F. (s. Rz. 2.403) erwiesen sich als unzureichend und in bestimmten Situationen nur eingeschränkt geeignet4. Zwar wurde in Reaktion darauf im Herbst 2008 mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)5 ein erster Schritt zur Modernisierung des Regimes zur Bankensanierung und -abwicklung, v.a. durch Einrichtung des Sonderfonds Finanzmarkstabilisierung (SoFFin), gegangen. Allerdings erwies sich dies im Rahmen der Rettung der Hypo Real Estate Holding (HRE) in 1 2 3 4 5
Einzelheiten unter https://einlagensicherungsfonds.de. Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 23a KWG Rz. 31. Zum Ablauf der Finanzkrise und die bankbezogenen Maßnahmen s. Zeitler, WM 2012, 673 ff. Binder, ZBB 2009, 19, 21. Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 17.10. 2008, BGBl. I 2008, 1982.
Freis-Janik | 129
2.304
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
2009 v.a. aus politischer Sicht als unzureichend. Es zeigte sich öffentlicher Widerstand und politisches Unbehagen dahingehend, dass der Einsatz der ausschließlich aus der öffentlichen Hand stammenden Mittel des SoFFin zur Rettung der HRE als gesamtgesellschaftlich nicht (mehr) vermittelbare Vergemeinschaftung von Verlusten bei Banken (sog. „BailOut“) gesehen wurde1. Auch die Beteiligung des Bundes an der Commerzbank zu deren Stabilisierung stieß auf öffentliche Kritik.
2.305
Nach einigen weiteren gesetzgeberischen Zwischenschritten2 wurden durch das Restrukturierungsgesetz (RStruktG)3 die zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Bankensanierung und -abwicklung angepasst. Elementare Teile des RStruktG waren die Einführung des Kreditinstitute-Reorganisationsgesetzes (KredReorG)4 sowie des Restrukturierungsfondsgesetzes (RStruktFG)5. Das KredReorG führte mit dem Sanierungsverfahren als erstem Element und dem Reorganisationsverfahren als zweitem Element eine zweiteilige Vorgehensweise ein. Damit wurde eine erste Maßnahme zur Bewältigung des „moral-hazard“ der öffentlichen Hand bei dem Umgang von Banken, die als „too big/complex to fail“ erachtet werden, ergriffen. Weitere prägnante Elemente des RStruktG waren die Einführung von Maßnahmen, nach welchen die Anteilseigner von Instituten bei deren Sanierung beteiligt werden konnten, sowie die Etablierung des sog. Restrukturierungsfonds, welcher anders als der SoFFin nicht aus Mitteln der Öffentlichen Hand sondern ausschließlich durch Abgaben der Institute gespeist wurde und den SoFFin ablöste. Dies bedeutete die Abkehr von der „Bail-Out“ Systematik und Hinwendung zu einem sog. „Bail-In“-Ansatz, welcher Gläubiger und Anteilsinhaber von Instituten an deren Rettung beteiligt. Zur Ablösung des SoFFin und Überführung des Restrukturierungsfonds in den SRF s. Rz. 2.31 f.
2.306
Die Einführung des sog. Trennbankengesetzes (s. Rz. 2.160 ff.) markiert einen weiteren Schritt der nationalen gesetzgeberischen Entwicklung hinsichtlich der Sanierung und Abwicklung von Instituten. Im Rahmen der Etablierung der Bankenunion (s. Rz. 2.15 ff.) wurde mit Blick auf die Vielzahl der international agierenden Institute in Europa die Notwendigkeit eines europaweit einheitlichen Verfahrens zur Bankensanierung und -Abwicklung als „level-playing-field“ erkannt. Zentrale Elemente des SRM sind das Regelwerk der BRRD, die SRM-Verordnung sowie die nationalen Umsetzungsgesetze der BRRD (in Deutschland v.a. das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, SAG). Im Zusammenhang mit und im Rahmen des Banking Reform Package erfolgt die aktuellste und umfangreichste Weiterentwicklung der BRRD und SRM-Verordnung.
II. Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach KredReorG 2.307
Die im Rahmen des KredReorG eingeführten zweistufigen Verfahren, das Sanierungs- und Reorganisationsverfahren, blieben nach dem expliziten gesetzgeberischen Willen6 auch nach 1 Zur Entwicklung s. Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 152 ff. 2 Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 153 f. 3 Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung vom 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1900; Überblick s. Obermüller, NZI 2011, 81 ff. 4 Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten. 5 Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute. 6 S. BT-Drucks. 18/2575, 141.
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Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
der Einführung des SRM und Umsetzung der BRRD in nationales Recht (SAG) weiter bestehen und anwendbar. Insofern ist das KredReorG neben das SAG getreten. Mit dem KredReorG bestehen für Kreditinstitute ein erweiterter Maßnahmenkatalog, welcher im Wesentlichen auf dem Insolvenzplanverfahren der §§ 217 ff. InsO aufbaut1. 1. Sanierungsverfahren Ziel des in den §§ 2–6 KredReorG geregelten Sanierungsverfahrens ist es, eine eigenverantwortliche Sanierung des Instituts durch das eigene Management bereits in einem frühen Stadium zu ermöglichen. Die diesbezüglichen Regelungen unter dem KredReorG sehen ein im Vergleich zu den Handlungsoptionen nach allgemeinem Insolvenzrecht (InsO) optimiertes Verfahren vor. Das Sanierungsverfahren wird auf Antrag des Instituts bereits bei Vorliegen der Sanierungsbedürftigkeit (nicht: Erfüllen der Abwicklungsvoraussetzungen) eröffnet. Dazu erarbeitet das Institut einen Sanierungsplan und schlägt die Durchführungsart des Sanierungsverfahrens vor. Die für das Sanierungsverfahren nach KredReorG relevante Sanierungsbedürftigkeit wird angenommen, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 KWG (drohende unzureichende Solvenz, s. Rz. 2.400 ff.) vorliegen.
2.308
Nach Eingang des Antrags bei der BaFin und positiver Zweckmäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Durchführung des Sanierungsverfahrens, stellt die BaFin unverzüglich einen Antrag auf Durchführung des Sanierungsverfahrens beim OLG Frankfurt. Ergibt die vom Gericht durchgeführte Evidenzkontrolle, dass der Sanierungsplan nicht offensichtlich ungeeignet ist, ordnet es das Sanierungsverfahren an und bestellt den Sanierungsberater (§ 3 Abs. 1 und 2 KredReorG). Anders als unter dem Reorganisationsverfahren (s. Rz. 2.310) sind im Rahmen des Sanierungsverfahrens grundsätzlich keine Eingriffe in die Rechte Dritter (Gläubigerrechte) möglich2.
2.309
2. Reorganisationsverfahren §§ 7–23 KredReorG regeln das Reorganisationsverfahren, welches als zweite zeitliche und prozedurale Stufe dem Sanierungsverfahren nachfolgt, wenn ein solches nicht aussichtsreich erscheint oder zu keinem Erfolg führte. Sein Anwendungsbereich beschränkt sich auf für das Finanzsystem systemgefährdende Kriseninstitute (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KredReorg)3. Besonderheit des Reorganisationsverfahrens ist der Rahmen für eine gemeinsame Verhandlungslösung, den es durch die Beteiligung von Gläubigern und Anteilseignern bietet. Deren – angelehnt an die Verfahren der InsO – nach Gruppen gegliederte, mehrheitliche Zustimmung zum Reorganisationsplan ist für die Durchführung des Reorganisationsverfahrens Voraussetzung (s. § 8 Abs. 2 und §§ 17–19 KredReorG). Diese Zustimmung ist insoweit geboten, als im Rahmen des Reorganisationsverfahrens in die Rechte Dritter eingegriffen werden kann (§ 8 Abs. 1 KredReorG)4. Im Übrigen erfolgt das Verfahren zur Eröffnung des Reorganisationsverfahrens analog dem Vorgehen zum Sanierungsverfahren (s. Rz. 2.309, § 7 KredReorG). Das Reorganisationsverfahren stellt „kein echtes Insolvenzverfahren“5 dar. 1 Vgl. Höche, WM 2011, 49, 53. 2 Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. KWG Rz. 155; Bormann, NZI 2011, 892 f.; ausführlich zum KreditReorG s. Schelo, NJW 2011, 186 ff. 3 Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. KWG Rz. 156. 4 Schelo, NJW 2011, 186, 188 f. 5 Schelo, NJW 2011, 186, 188.
Freis-Janik | 131
2.310
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
Zudem wird der Geschäftsbetrieb des Instituts, in Abgrenzung zum Moratorium nach § 46 KWG (s. Rz. 2.400 ff.), unverändert weitergeführt.
2.311
Als Reorganisationsmaßnahmen stehen nach §§ 9–13 KredReorG die Stundung, Kürzung oder Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital (sog. Dept-to-Equity-Swaps), die Kapitalherabsetzung, die Kapitalerhöhung unter Ausschluss der Bezugsrechte bestehender Anteilseigner oder die Ausgliederung einzelner Vermögensgegenstände oder des gesamten Vermögens zur Verfügung. Unterschied zu der Anwendung der nach der BRRD für die Abwicklung bzw. Sanierung zur Verfügung stehenden Instrumente (s. Rz. 2.34 und Rz. 2.350 ff.) ist die Notwendigkeit der mehrheitlichen Zustimmung der Gläubiger und Anteilseigner (s. Rz. 2.310)1.
III. Sanierung und Abwicklung unter der BRRD 1. Allgemeines
2.312
Die BRRD ist zentrales Element der europäischen Gesetzgebung im Rahmen des SRM (vgl. Rz. 2.28 ff.). Durch ihre Einführung, dem Inkrafttreten der ergänzenden SRM-Rahmenverordnung sowie der Umsetzung der BRRD in nationales Recht mit Frist zum 31.12.20142, wurde ein einheitlicher Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Instituten in Europa geschaffen. Mit diesem „level-playing-field“ wird der im Rahmen der Finanzkrise ab 2008 als ungenügend empfundene Umstand adressiert, unter dem bislang die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten unter ausschließlich nationalen, nicht harmonisierten Regelungen erfolgte. Durch das harmonisierte Rahmenwerk der BRRD unter dem SRM soll erreicht werden, dass Ansteckungseffekte im Finanzmarkt gemindert werden. Auch soll u.a. durch eine stärkere Beteiligung von Gläubigern und Anteilseignern der Institute erreicht werden, dass die Belastung der öffentlichen Haushalte weitestgehend ausgeschlossen ist. Die BRRD bzw. das SAG finden Anwendung auf CRR-Kreditinstitute und CRR-Wertpapierfirmen3. Dabei werden sowohl Einzelinstitutsaspekte als auch Aspekte der Gruppenabwicklung4 adressiert. Die Verfahren und Mechanismen unter der BRRD und im Rahmen des SRM sind – auch in der Interaktion mit dem SSM – äußerst komplex5. Die Europäische Kommission ist gem. Art. 129 BRRD und Art. 94 SRMVO zur regelmäßigen Überprüfung hinsichtlich der Anwendung und Durchführung der BRRD verpflichtet. Am 30.4.2019 hat sie hierzu zuletzt ihren Bericht an das Europäischen Parlament und den Rat übermittelt6. 1 Eingehend zu den Maßnahmen Schelo, NJW 2011, 186, 188 ff.; Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 172 f. 2 Art. 130 Abs. 1 BRRD, abweichend galt eine Frist bis zum 31.12.2015 zur Umsetzung des BailIn-Instruments; zur Frage der Anwendung der BRRD auf zum Implementierungszeitpunkt bestehende Abbaueinheiten s. Potacs, EuZW 2017, 10 ff. 3 Vgl. § 1 Nr. 1 und 2 SAG, nachstehend vereinfacht auch als „Institut“ oder „Bank“ bezeichnet. 4 Eingehend dazu v.a. bzgl. Grenzüberschreitender Gruppen Binder, ZHR 179 (2015), 83, 122 ff. 5 Nachfolgende Darstellung strebt eine vereinfachte Darstellung an, welche sich primär auf die materiellen Aspekte konzentriert, im Gegensatz zu den komplexen formellen Aspekten der Zuständigkeit und Verfahren. 6 Europäische Kommission, COM(2019) 213 final, Report on the application and review of the bank recovery and resolution directive and the single resolution mechanism regulation vom 30.4.2019; abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_fi nance/documents/190430-report-bank-recovery-resolution_en.pdf.
132 | Freis-Janik
Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
Das neue Sanierungs- und Abwicklungsregime der BRRD lässt sich in drei materiell-rechtliche Kategorien gliedern (vgl. Rz. 2.34). Dies sind:
2.313
1. Präventionsmaßnahmen durch Erstellung und laufende Aktualisierung von Sanierungsund Abwicklungsplänen; 2. Frühinterventionsmaßnahmen durch die Aufsichtsbehörde im Fall der sich verschlechternden finanziellen Lage eines Instituts oder einer Institutsgruppe; 3. Abwicklungsmaßnahmen durch die Abwicklungsbehörde bei drohender oder eingetretener Ausfallwahrscheinlichkeit (sog. „failing-or-likely-to-fail“, FOLTF) eines Instituts oder einer Institutsgruppe. Als Teil der Präventionsmaßnahmen, mit Einfluss in alle drei o.g. Kategorien bzw. Stadien des Krisenverlaufs eines Instituts, ist die Prüfung auf bzw. Anforderung zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen durch die Abwicklungsbehörde sowie die Festlegung von abwicklungsbezogenen MREL-Quoten zu sehen. Durch das Banking Reform Package wird die MREL-Quote1 um das TLAC-Element2 ergänzt (s. Rz. 2.366 ff.).
2.314
In Deutschland wurde die BRRD3 durch das BRRD-Umsetzungsgesetz4 implementiert, welches maßgeblich aus der Schaffung des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) sowie den Änderungen in § 47f Abs. 2 ff. KWG zur bankenspezifischen Haftungskaskade im Rahmen der Abwicklung (s. Rz. 2.359 ff.) besteht5. Ergänzt wird die BRRD durch die SRM-Verordnung6. Diese etabliert zum einen den SRM einschließlich des Single Resolution Funds (SRF) und die Zentralisierung von Abwicklungs- und Abwicklungsfinanzierungsentscheidungen beim SRB (s. Rz. 2.28 ff.). Zum zweiten werden durch die SRM-Verordnung einheitliche Abwicklungsvoraussetzungen im Euroraum geschaffen7.
2.315
1 Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL). 2 Mindestanforderung an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit global systemrelevanter Banken (G-SIB), (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC). 3 Auf die Elemente der BRRD bzw. des SAG wird im Folgenden noch eingegangen. Eine allg. Übersicht zur BRRD s. Binder, ZHR 179 (2015), 83 ff. 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091. 5 Auf die Elemente der BRRD bzw. des SAG wird im Folgenden noch eingegangen. Eine Übersicht zur Umsetzung der BRRD in Deutschland s. Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662 ff.; Hübner/ Leunert, ZIP 2015, 2259 ff. 6 Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010. 7 Auf die eingehende Darstellung der Zuständigkeiten und Verfahren im Rahmen des SRM im Rahmen dieses Beitrags wird systematisch weitgehend verzichtet, s. hierzu eingehend Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 161 ff.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
2. Sanierungsplanung
2.316
Basierend auf dem präventiven Aspekt der BRRD, haben Institute und Institutsgruppen im laufenden Geschäftsbetrieb einen Sanierungsplan zu erstellen, jährlich zu aktualisieren und der Aufsichtsbehörde vorzulegen1. Ziel der Sanierungsplanung ist die Stärkung der Krisenresistenz der Institute und Institutsgruppen sowie deren abstrakte Vorbereitung auf einen Krisenfall. Die Sanierungsplanung soll die Bewältigung einer Krise durch das Institut aus eigener Kraft und unter eigener Leitung ermöglichen und somit die Abwicklung vermeiden.
2.317
Die Sanierungsplanung nach BRRD bzw. SAG stellt eine abstrakte, nicht anlassbezogene Präventivplanung dar. Dies unterscheidet sie von der anlassbezogenen Sanierungsplanung nach §§ 2 ff. KredReorG (s. Rz. 2.308).
2.318
Die EBA hat zur Konkretisierung der Sanierungsplanung, -planerstellung und -planbewertung eine Vielzahl an Guidelines, RTS und ITS erlassen2. Zudem hat die BaFin mit Veröffentlichung der MaSan3 am 25.4.2014 Einzelheiten zur Sanierungsplanung veröffentlicht. Im Rahmen des Proportionalitätsgrundsatzes können für die Sanierungsplanung von LSI vereinfachte Anforderungen und Ausnahmen auf Antrag gestellt bzw. erteilt werden (§§ 19 f. SAG).
2.319
Inhalt des Sanierungsplans4 ist die Darstellung und strategische Analyse des Geschäftsmodells, einschließlich der Unternehmens- und Gruppenstruktur, wesentlicher Geschäftsaktivitäten und kritischer Funktionen (inklusive gruppen-interner und externer Vernetzung). Zweites Kernelement ist die Darstellung von Handlungsoptionen, welche dem Institut zur Sicherung oder Wiederherstellung von finanzieller Stabilität im Krisenfall zur Verfügung stehen (§ 13 SAG). Darunter fällt auch die Festlegung von qualitativen und quantitativen Indikatoren, bei deren Vorliegen die tatsächliche Umsetzung der aufgezeigten Handlungsoptionen möglich ist. Drittes Kernelement ist die Identifikation von möglichen Sanierungshindernissen und das Aufzeigen potentieller Beseitigungsmaßnahmen5. 3. Abwicklungsplanung
2.320
Die Abwicklungsplanung lässt sich, wie die Sanierungsplanung, genauer als präventive, nicht anlassbezogene Vorbereitung des hypothetischen Abwicklungsfalls bezeichnen. Ziel der Abwicklungsplanung ist, anders als der Sanierungsplanung, nicht die Abwendung einer Abwicklung, sondern die Sicherstellung der Abwicklungsfähigkeit des Instituts bzw. der Institutsgruppe sowie die Gewährleistung der zeitnahen und effektiven Handlungsfähigkeit der Abwicklungsbehörden im Abwicklungsfall, d.h. außerhalb eines regulären Insolvenzverfahrens6. Dabei kann die Abwicklungsstrategie auch Aspekte der Re1 § 12 Abs. 3 SAG; die Aufsichtsbehörde legt diesen wiederum der Abwicklungsbehörde zur Stellungnahme vor (§ 15 Abs. 1 SAG); umfassende Darstellung zur Sanierungsplanung s. Schabert/ Schramm/Wiechens in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 59 ff. 2 Aktuelle Übersicht der EBA-Publikationen unter https://eba.europa.eu/regulation-and-policy/ recovery-and-resolution. 3 BaFin-Rundschreiben 3/2014 (BA) – Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen (MaSan). 4 Detailliert Binder, ZBB 2015, 153, 160 f. 5 Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 663. 6 Art. 8 Abs. 6 SRM-Verordnung, § 40 Abs. 2 SAG; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 132.
134 | Freis-Janik
Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
strukturierung enthalten, soweit sie durch Rekapitalisierung im Rahmen der Anwendung des Bail-in-Instruments erreicht werden kann (s. Rz. 2.352 ff.) Drei Elemente kennzeichnen die Abwicklungsplanung: (i) die namensgebende Abwicklungsplanerstellung, (ii) die Identifikation bzw. Anforderung zur Beseitigung von bestehenden Abwicklungshindernissen beim Institut bzw. der Institutsgruppe sowie (iii) die Festlegung von abwicklungsbezogenen MREL-Quoten zur Gewährleistung der Verlustabsorptionsfähigkeit im Abwicklungsfall1.
2.321
Die Zuständigkeit und Verantwortung für alle drei Elemente der Abwicklungsplanung liegt – im Gegensatz zu der Sanierungsplanung – nicht bei den Instituten, sondern der Abwicklungsbehörde2.
2.322
a) Abwicklungsplan und Abwicklungsfähigkeit Im Rahmen des Abwicklungsplans erfolgt eine Darlegung der seitens der Abwicklungsbehörde für das Institut bzw. die Institutsgruppe bevorzugten Abwicklungsstrategie. Zwar wird der Abwicklungsplan von der Abwicklungsbehörde (in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde) erstellt, jedoch obliegen den Instituten umfangreiche Mitwirkungspflichten3. Aufgrund der Vielzahl der Arten von Geschäftsausrichtungen einzelner Institute, sowie der diversen Strukturen von (v.a. grenzüberschreitenden) Institutsgruppen in Europa, wird die Festlegung der Abwicklungsstrategie und damit des Abwicklungsplans individuell erarbeitet4. Der von der Abwicklungsbehörde erstellte Abwicklungsplan wird in regelmäßigen Abständen von ihr überprüft und ggf. aktualisiert oder angepasst.
2.323
Die zentrale Grundannahme, auf welcher die Abwicklungsplanung zu basieren hat, ist, dass im Abwicklungsfall keinerlei außerordentliche finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand erfolgt5. Die Planung beinhaltet zum einen die Ausarbeitung konkreter Optionen für die Anwendung von Abwicklungsmaßnahmen, einschließlich der bevorzugten Abwicklungsstrategie und des bevorzugten Abwicklungsinstruments6 (s. Rz. 2.34 und Rz. 2.350)7. Dazu ist u.a. die rechtliche und wirtschaftliche Möglichkeit der Trennung kritischer Funktionen und Kerngeschäftsbereiche darzulegen – einschließlich etwaiger zu ergreifender präventiver Maßnahmen –, um deren Fortführung nach dem Ausfall des Instituts sicherzustellen. Weiterhin sind die Verfahren zur Ermittlung des Werts und der Marktfähigkeit der kritischen Funktionen, Kerngeschäftsbereiche und Vermögenswerte der Bank festzulegen und Zeithorizonte für die jeweilige Umsetzung der wesentlichen Aspekte des Abwicklungsplans zu beschreiben8. Werden bestehende Hindernisse zur Abwicklungsfähigkeit des Instituts oder der Gruppe nach dem Abwicklungsplan festgestellt, kann
2.324
1 2 3 4 5 6
7 8
Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 173. Art. 7–8 SRM-Verordnung, §§ 40 ff. SAG. Vgl. § 42 Abs. 1 SAG; Art. 8 Abs. 8 SRM-Verordnung. Binder, ZBB 2015, 153, 158; Grieser in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 282. Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 5 lit. a) SRM-Verordnung, § 40 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) SAG. Abwicklungsinstrumente sind (i) die Beteiligung Inhaber relevanter Kapitalinstrumente und Gläubiger (Bail-In) sowie (ii) drei Varianten der vollständigen oder teilweisen Unternehmensübertragung (Unternehmensveräußerung, Brückeninstitut und Vermögensverwaltungsgesellschaft), s. Rz. 2.350. Art. 10 BRRD, Art. 8 SRM-Verordnung, § 40 SAG. Grieser in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 282 f.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
die Abwicklungsbehörde vom Institut die Beseitigung solcher Abwicklungshindernisse (Herstellung der Abwicklungsfähigkeit) verlangen bzw. diese final anordnen1.
2.325
Basierend auf den vom Financial Stability Board (FSB) in den Jahren 2013 und 2014 entwickelten Grundsätzen wird bei der Abwicklungsplanung von Institutsgruppen, v.a. im grenzüberschreitenden Bereich und konzeptionstheoretisch, zwischen dem sog. SinglePoint-of-Entry-Ansatz (SPE-Ansatz) und dem Multiple-Point-of-Entry-Ansatz (MPEAnsatz) unterschieden2. Dabei wird im SPE-Ansatz auf die Konzentration der Abwicklungs- und Restrukturierungsmaßnahmen bei ausschließlich einem Gruppenunternehmen (sog. SPE-Gesellschaft), meist der Muttergesellschaft, abgestellt. Einfach formuliert, wird zur Rettung bzw. Restrukturierung eines oder mehrerer Gruppenmitglieder die SPE-Gesellschaft – auch bis zu deren vollständiger Abwicklung – herangezogen. Dies ist vor allem bei stark vernetzten Gruppenstrukturen der präferierte Ansatz. Im Rahmen des MPE-Ansatz werden im Gegensatz dazu – v.a. bei weniger stark intern vernetzten Gruppen – nur Abwicklungsmaßnahmen bei der jeweils in Schieflage geratenen Gruppengesellschaft angewandt3. Dementsprechend besteht die Abwicklungsplanung beim MPE-Ansatz aus mehreren Abwicklungseinheiten (sog. resolution entities), während beim SPE-Ansatz der Abwicklungsplan sich auf die SPE-Gesellschaft als primärer, oft einziger Abwicklungseinheit fokussiert4. In der Lehre basiert diese Unterscheidung zwischen SPE- und MPE-Ansatz auf Gruppenmodellen mit operativer (MPE-Ansatz) oder nicht operativer (SPE-Ansatz) Holdinggesellschaft5.
2.326
Vor allem beim SPE-Ansatz wird die Verlustabsorptionsfähigkeit und damit Abwicklungsfähigkeit der SPE-Gesellschaft bei Anwendung des Bail-In-Instruments durch Etablierung entsprechender interner Verbindlichkeiten (sog. internal MREL) erreicht. Durch die Anpassungen in der BRRD, v.a. in Art. 2, 12, 13, 45g BRRD II, werden im Rahmen der Umsetzung des Banking Reform Package, insbesondere durch die neuen Regelungen zu Art und Anrechnung (gruppen-)interner MREL(-Instrumente) die Konzepte der „Abwicklungseinheit“ (sog. resolution entity) und „Abwicklungsgruppe“ (sog. resolution group) nach dem MPE- und SPE-Ansatz erstmals auf europäischer Ebene inhaltlich, konzeptionell kodifiziert. b) Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungsfähigkeit
2.327
Wesentliches Ziel der BRRD ist die Überwindung von existentiellen Krisen bei Instituten grundsätzlich ohne Stützungsmaßnahmen der öffentlichen Hand (Bail-Out), sondern unter primärer Beteiligung der Eigentümer und Gläubiger eines Instituts (Bail-In). Zentrales Element des durch die BRRD eingeführten Abwicklungsregimes ist somit das Bail-In-Instru1 Art. 10 Abs. 7 ff. SRM-Verordnung, § 59 SAG. 2 Financial Stability Board (FSB): Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions vom 15.10.2014 (abrufbar unter http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_141015.pdf); Deutsche Bundesbank: Abwicklung und Restrukturierung von Banken – Die neuen Mindestanforderungen TLAC und MREL, Monatsbericht Juli 2016, S. 65, 74 f., Fn. 21. 3 Binder, ZBB 2015, 153, 155 f. und 158. 4 Bank for International Settlements – BIS, TLAC – Executive Summary on the FSB Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, S. 1, abrufbar unter https://www.bis. org/fsi/fsisummaries/tlac.pdf. 5 Vgl. Bolton/Oehmke, Paul Woolley Centre Working Paper No. 59, 2018, S 2; Deutsche Bundesbank: Abwicklung und Restrukturierung von Banken – Die neuen Mindestanforderungen TLAC und MREL, Monatsbericht Juli 2016, S. 65, 75.
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Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
ment (s. Rz. 2.352 ff.). Für eine erfolgreiche Abwicklung bzw. Restrukturierung eines Instituts oder einer Gruppe im Abwicklungsfall ist es daher essentiell, dass das Institut im Abwicklungsfall verlässlich über ausreichende interne Mittel und adäquate Kapitalstrukturen verfügt, die zur Verlustabsorption und – im Restrukturierungsfall – Rekapitalisierung im Rahmen eines Bail-Ins zur Verfügung stehen1. Dies für den Abwicklungsfall zu gewährleisten ist zentrales Element einer glaubwürdigen und umsetzbaren Abwicklungsplanung. Im Rahmen der BRRD wurde daher bereits 2015 eine Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) stipuliert (s. auch Rz. 2.291). Ergänzt wird die MRELQuote durch die im Rahmen des Banking Reform Package eingeführten Mindestanforderungen an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC). Ziel beider Quoten, MREL und TLAC ist es, dass ein Institut im laufenden Geschäft seine Verbindlichkeiten in einer Art strukturiert, die das Vorhandensein ausreichender Bail-In-fähiger Mittel (Eigen- und Fremdkapital) für den Abwicklungsfall sicherstellt2. Zwar ist die mit MREL und TLAC verfolgte Zielsetzung weitgehend identisch (s. Rz. 2.327), jedoch unterscheiden sie sich in einigen konzeptionellen Details und ihrem Anwendungsbereich. Die MREL-Quote wird für alle Institute individuell – unter Berücksichtigung bestimmter Vorgaben – im Rahmen der Abwicklungsplanung durch die Abwicklungsbehörde festgelegt (vgl. Säule II, s. Rz. 2.181). Dagegen wird die TLAC-Quote im Rahmen des Banking Reform Package als eine auf sog. global systemrelevante Banken (G-SIB) beschränkte Mindestkapitalanforderung mit fester, instituts- bzw. gruppenunabhängiger Zielgröße eingeführt (vgl. Säule I; zu MREL und TLAC s. Rz. 2.366 ff.). Beide Quoten berücksichtigen bei der Beurteilung und Festsetzung der erforderlichen vorzuhaltenden Mittel die sog. Haftungskaskade im Bail-In-Fall, d.h. die v.a. für Fremdkapital und sonstige Gläubiger geltende, grundsätzlich auf nationalem Insolvenzrecht basierende Gläubigerrangfolge (s. Rz. 2.352 ff.).
2.328
Mit der Festlegung beider Quoten und der Überwachung ihrer Einhaltung im Rahmen der laufenden Aufsicht und der regelmäßigen Abwicklungsplanung werden wesentliche Voraussetzungen geschaffen, um die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität des Instituts bzw. der Institutsgruppe für den Abwicklungsfall vorausschauend sicherzustellen.
2.329
c) Drittstaatenaspekte Durch die globale Vernetzung der Bank- und Finanzmärkte bestehen auch nach Einführung der BRRD in der Europäischen Union weiterhin diverse Drittlandsbezüge, d.h. Berührungspunkte mit außerhalb der EU bzw. des EWR gelegenen Jurisdiktionen, welchen im Rahmen einer Abwicklung Relevanz zukommen kann. Diese sind daher bereits im Rahmen der Abwicklungsplanung zu adressieren. So sind z.B. im Drittland belegene Tochterunternehmen einer europäischen Institutsgruppe zwar im Rahmen der Abwicklungsplanung für die Gruppe inhaltlich zur berücksichtigen, ohne dass den europäischen Ab1 Delegierte Verordnung (EU) 2016/1450 der Kommission vom 23.5.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Festlegung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, Erwägungsgrund (1) und (2). 2 BRRD, Erwägungsgrund (79).
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2.330
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
wicklungsbehörden eine formelle Eingriffs- oder Anordnungsbefugnis gegen das Tochterunternehmen direkt zusteht1.
2.331
Wesentliche Drittstaatenimplikationen treten zutage, wo Vertragsparteien von europäischen Instituten in Drittstaaten belegen sind oder Verträge und Rechtsbeziehungen dem Recht eines Drittstaates (sog. third country law) unterliegen. Die rechtliche Anerkennung und Wirksamkeit von Abwicklungsmaßnahmen, v.a. Bail-In-Maßnahmen, in Bezug auf diese Verbindlichkeiten unter dem spezifischen Drittstaatsrecht sind daher sicherzustellen2. Art. 55 BRRD (§§ 55, 60a SAG) adressiert dies, indem Institute grundsätzlich verpflichtet werden, in solche Eigen- und Fremdkapitalmittel, welche nicht grundsätzlich vom Bail-In ausgeschlossen sind (sog. berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten und relevante Kapitalinstrumente, s. Rz. 2.367), spezifische „Bail-In“-Klauseln aufzunehmen.
2.332
Inhalt der Bail-In-Klauseln soll die explizite Verpflichtung des Gläubigers bzw. des Vertragspartners sein, dass Abwicklungsmaßnahmen der Abwicklungsbehörde, welche die Rechte des Gläubigers bzw. des Vertragspartners aus dem Vertrag berühren, anerkannt werden. Insbesondere bedeutet dies die ausdrückliche vertragliche Anerkennung von (i) Bail-In-Maßnahmen, d.h. die Herabschreibung von Kapitalbestandteilen bzw. die Herabschreibung und Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital sowie (ii) der – v.a. in Bezug auf Finanzkontrakte relevanten – zeitweisen Aussetzung von Beendigungsrechten und sonstigen vertraglichen Rechten und damit der Sperre etwaiger Beendigungsrechte. Die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der Bail-In-Klausel ist durch Gutachten zu belegen.
2.333
Zwar erfolgte mit Einführung des ISDA Resolution Stay Protocols ein wichtiger Schritt zur Erfüllung der Anforderung bzgl. Finanzkontrakten3 und auch die Ausarbeitung einer Musterklausel zum Bail-In durch die LMA hat zur Etablierung von Bail-In-Klauseln als anerkannter Marktpraxis beigetragen. Jedoch stellt die Umsetzung dieser Anforderung in der Praxis weiterhin eine Herausforderung für die Institute dar, zumal eine mangelnde Umsetzung der Pflichten zur Aufnahme von Bail-In-Klauseln von der Abwicklungsbehörde als Abwicklungshindernis identifiziert werden kann. Zudem sind Verbindlichkeiten, die dem Recht eines Drittstaats unterliegen, bei mangelnder Bail-In-Klausel und fehlendem Gutachten von der Heranziehung zur Erfüllung der MREL- und TLAC-Quote ausgenommen4. In diesem Kontext wurde Anfang 2016 zwischen den deutschen Aufsichtsbehörden und der Deutschen Kreditwirtschaft ein gemeinsames Verständnis zur Umsetzung der Pflichten aus §§ 55, 60a SAG durch die Institute ausgearbeitet5.
2.334
Im Rahmen des Banking Reform Package wird Art. 55 BRRD dahingehend grundsätzlich überarbeitet, als nun die Möglichkeit der Abwicklungsbehörden besteht, ein Institut bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in Teilbereichen von der Pflicht zur Vereinbarung von Bail-In-Klauseln zu befreien6. Besondere Bedeutung dürfte dem Befreiungsgrund nach 1 2 3 4 5
Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 165. BRRD, Erwägungsgrund (78). BT-Drucks. 193/15, 71. Art. 12 Abs. 17 SRM-Verordnung; § 49 Abs. 3 SAG. Gemeinsames Verständnis zur Umsetzung der Pflichten aus § 55 und § 60a SAG vom 11.2.2016 (abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/A/dl_180104_Gemein sames_Verstaendnis_55_60_SAG.html). 6 S. Erwägungsgrund (26) der vom Europäischen Parlament am 16.4.2019 angenommenen BRRDÄnderungsrichtlinie (BRRD II), Vorgang P8_TA-PROV(2019)0372, abrufbar unter http://www. europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2019-0372_EN.pdf.
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Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
Art. 55 Abs. 2 Satz 1 BRRD II zukommen, wonach eine Befreiung beantragt werden kann, sofern die Vereinbarung von Bail-In-Klauseln aus Sicht des Instituts rechtlich oder anderweitig nicht praktikabel ist und die Abwicklungsbehörde diese Sicht teilt. 4. Frühintervention Droht sich die Wirtschafts- und Finanzlage eines Instituts zu verschlechtern oder ist eine solche Verschlechterung eingetreten, so dass das Institut gegen die Anforderungen nach CRR (z.B. Kapitalanforderungen nach Art. 92 CRR), KWG (z.B. Eigenmittelanforderungen basierend auf § 10 KWG) oder bestimmter Transparenzregelungen der MiFIR1 verstößt, jedoch ohne die Schwelle des „failing-or-likely-to-fail“ (FOLTF) für die Einleitung von Abwicklungsmaßnahmen zu überschreiten (Auslöseereignis), so stehen der zuständigen Aufsichtsbehörde nach §§ 36 ff. SAG umfangreiche Befugnisse zur Frühintervention (sog. early intervention) zur Verfügung2. Die Methodik der Feststellung, ob ein Auslöseereignis vorliegt, wird durch Leitlinien der EBA konkretisiert3.
2.335
Unter die zur Verfügung stehenden Maßnahmen fallen gem. § 36 Abs. 1 Satz 3 SAG u.a. die Umsetzung von im Sanierungsplan aufgezeigten Maßnahmen, die Änderung der Geschäftsstrategie und der rechtlichen und operativen Strukturen sowie die Aufnahme von Verhandlungen mit Gläubigern über einen Umschuldungsplan und dessen Erstellung. Sofern sich die nach § 36 Abs. 1 Satz 3 SAG verfügbaren Maßnahmen als unzureichend erweisen, um das Institut zu stabilisieren, stehen weitere Handlungsoptionen gem. §§ 36–38 SAG zur Verfügung, deren Ergreifung jedoch in einem zwingend einzuhaltenden Reihenfolgeverhältnis stehen. Danach kann die Aufsichtsbehörde die Abberufung eines oder aller Geschäftsleiter sowie ihre Zustimmungspflicht bei der Bestellung neuer Geschäftsleiter anordnen. Weiter kann sie einen vorläufigen Verwalter bestellen, welcher die Geschäftsleitung für die Dauer von maximal einem Jahr vorübergehend ablöst oder mit dieser zusammenarbeitet. Zudem können auch die Maßnahmen gem. §§ 45, 48 KWG oder Art. 16 SSM-Verordnung ergriffen werden4. Eine Klarstellung der Verhältnisse zu den Möglichkeiten der BaFin zur Abberufung von Geschäftsleitern nach § 36 KWG und der Bestellung eines Sonderbeauftragten nach § 45c KWG (s. Rz. 2.408) steht weiter aus5.
2.336
Seit Inkrafttreten der BRRD hat sich vor allem die Abgrenzung zwischen Maßnahmen des frühzeitigen Eingreifens und Maßnahmen der „prophylaktischen“ Rekapitalisierung (sog. precautionary recapitalisation) solventer Banken als in der Praxis problematisch erwiesen6.
2.337
1 Art. 3 bis 7, 14 bis 17 und 24, 25 und 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (MiFIR). 2 Zu den prozeduralen Anforderungen s. Sedlak in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 87 f.; Struckman, ZBB 2019, 26, 27 f. 3 EBA-Leitlinien zu den Auslösern für frühzeitiges Eingreifen (EBA/GL/2015/03) vom 29.7.2015; eingehend dazu s. Sedlak in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 91 ff. 4 Ausführlich Sedlak in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 95 ff. 5 Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1393. 6 Übersicht zu den Anwendungsfällen der BRRD und Grenzfälle in Europäische Kommission, COM(2019) 213 final, Report on the application and review of the bank recovery and resolution directive and the single resolution mechanism regulation vom 30.4.2019; Ziff. II. D.; abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/docu ments/190430-report-bank-recovery-resolution_en.pdf.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
Während Maßnahmen der Frühintervention unter dem Rahmenwerk der BRRD abschließend geregelt sind und kein Fall der Beihilfe darstellen, fallen Maßnahmen der „prophylaktischen“ Rekapitalisierung nicht unter das BRRD-Regelwerk und sind daher als potentiell beihilferechtlich relevante Maßnahmen der EU-Kommission zur Genehmigung vorzulegen. Den hier bestehenden Handlungsbedarf zur klareren Abgrenzung hat zuletzt auch die Europäische Kommission in ihrem Bericht über die Anwendung und Durchführung der BRRD vom 30.4.2019 adressiert1.
2.338
Zudem können grenzüberschreitende Gruppen gem. §§ 22 ff. SAG (Art. 23 BRRD) gruppeninterne Vereinbarungen abschließen, wonach die einzelnen Gruppengesellschaften beabsichtigen, sich gegenseitig zu unterstützen (sog. intra group financial support), wenn die Voraussetzungen für eine aufsichtsbehördliche Frühintervention vorliegen2. Der Abschluss einer solchen Vereinbarung ist von der Aufsichtsbehörde vorab zu genehmigen. Diese Vereinbarungen haben zunächst lediglich deklaratorischen Charakter, eine Pflicht zur Darlehensgewährung erwächst daraus nicht. Die Entscheidung über eine solche gruppeninterne finanzielle Unterstützung ist von dem dann unterstützenden Institut im jeweiligen Anwendungsfall gesondert, nach den Maßstäben des Drittvergleichs3 zu treffen. Durch diese Rahmenvereinbarungen soll es den Gruppenunternehmen erleichtert werden, Krisen aus eigener Kraft zu bewältigen. Die EBA hat Leitlinien zu den Bedingungen der Gewährung gruppeninterner finanzieller Unterstützung erlassen4. 5. Abwicklung
2.339
Das Abwicklungsregime unter der BRRD stellt ein bedingtes, vorrangiges Sonderverfahren (sog. carve-out) für Kreditinstitute zu den allgemeinen Insolvenzverfahren nach nationalem Recht dar, welches angewendet wird, sofern das Vorliegen des Öffentlichen Interesses an der Anwendung des BRRD-Abwicklungsregimes auf das spezifische Institut von der zuständigen Abwicklungsbehörde festgestellt wird5. Anders als die jeweils nationalen Insolvenzverfahren, welche auf europäischer Ebene nicht harmonisiert sind, wird durch die BRRD im Rahmen ihres Anwendungsbereichs für die Abwicklung von Kreditinstituten und (innereuropäisch grenzüberschreitenden) Institutsgruppen ein harmonisierter Teilbereich, v.a. hinsichtlich des Anwendungszeitpunkts, der Haftungs- bzw. Gläubigerhierarchie und der zur Verfügung stehenden Abwicklungsinstrumente geschaffen6.
1 Europäische Kommission, COM(2019) 213 final, Report on the application and review of the bank recovery and resolution directive and the single resolution mechanism regulation vom 30.4.2019; Ziff. III. A., abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy _euro/banking_and_finance/documents/190430-report-bank-recovery-resolution_en.pdf. 2 Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1392. 3 Kritisch hierzu Mülbert/Sajnovits, WM 2015, 2345 ff. 4 EBA-Leitlinien zur Festlegung der Voraussetzungen für die Gewährung gruppeninterner finanzieller Unterstützung gem. Art. 23 der Richtlinie 2014/59/EU vom 8.12.2015 (EBA/GL/2015/17). 5 Vgl. Europäische Kommission, COM(2019) 213 final, Report on the application and review of the bank recovery and resolution directive and the single resolution mechanism regulation vom 30.4.2019; Ziff. III. B., abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy _euro/banking_and_finance/documents/190430-report-bank-recovery-resolution_en.pdf. 6 Vgl. Kolassa in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 138 Rz. 26.
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Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
a) Abwicklungsprinzipien Die Abwicklung nach den Vorgaben der BRRD ist kein Automatismus. Vielmehr erfolgt die BRRD-gestützte Abwicklung von Instituten im Krisenfall nur, wenn ein solches Verfahren den von der BRRD stipulierten Abwicklungsprinzipien entspricht und die daraus abgeleiteten Abwicklungsvoraussetzungen (s. Rz. 2.346 ff.) im Einzelfall erfüllt sind. Sofern dies nicht der Fall ist, kommen die Instrumente der BRRD nicht zur Anwendung und die nicht-harmonisierten nationalen Regelungen zum Insolvenzrecht – ggf. ergänzt durch nationale Spezifika für Banken – können nach den darin festgelegten Maßgaben angewendet werden (s. auch Rz. 2.403 ff.).
2.340
Die von der BRRD gesetzten Abwicklungsprinzipien lassen sich in Abwicklungsziele1 und Abwicklungsgrundsätze2 unterscheiden3. Aus diesen Prinzipien leiten sich auch die für jeden Einzelfall vorab positiv festzustellenden Abwicklungsvoraussetzungen ab, welche Bedingung für die Eröffnung des Abwicklungsverfahrens nach BRRD sind.
2.341
Die durch die BRRD verfolgten Abwicklungsziele4 sind – entstehungsgeschichtlich für die BRRD (s. Rz. 2.312 ff.) augenscheinlich – die Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität, vor allem durch die Erhaltung der Marktdisziplin und die Verhinderung einer Ansteckung (z.B. von Marktinfrastrukturen). Weiterhin sind die Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen, der Schutz öffentlicher Mittel durch Vermeidung bzw. höchstmögliche Begrenzung der Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln sowie der Schutz der Gelder und Vermögenswerte der Kunden, v.a. auch der Schutz von durch die gesetzliche Einlagenund Anlegersicherung geschützter Einleger und Anleger (s. Rz. 2.294 ff.), Ziele der BRRD.
2.342
Den Abwicklungszielen und deren Erfüllung hat die Abwicklungsbehörde bei Auswahl und Anwendung der Abwicklungsinstrumente und -Befugnisse im Einzelfall Rechnung zu tragen und diese zu berücksichtigen. Zwar sind die Abwicklungsziele grundsätzlich gleichrangig, es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sie im konkreten Anwendungsfall kollidieren und eine Einzelfallabwägung erforderlich machen5.
2.343
Aus den Abwicklungszielen abgeleitet werden die Abwicklungsgrundsätze6. Wie auch bei den Abwicklungszielen, soll die Abwicklung im Einklang mit den Abwicklungsgrundsätzen erfolgen. Die Abwicklungsbehörde hat auch dies im spezifischen Abwicklungsfall bei der geeigneten Auswahl und Anwendung der Abwicklungsinstrumente und -Befugnisse einzubeziehen. Durch die Abwicklungsgrundsätze werden die signifikantesten Neuerungen, die durch die BRRD für die Institutsabwicklung stipuliert wurden, kodifiziert. Diese lassen sich wie folgt darstellen:
2.344
– Verluste werden zuerst von den Anteilseignern des Instituts getragen. – Auf diese folgt die Verlusttragung durch die Gläubiger des Instituts (sog. Bail-In, s. Rz. 2.352 ff.) in der Rangfolge der Forderungen im regulären Insolvenzverfahren, wel1 Art. 31 Abs. 2 BRRD, Art. 14 Abs. 2 SRM-Verordnung, § 67 Abs. 1 SAG. 2 Art. 34 BRRD, Art. 15 SRM-Verordnung, § 68 SAG. 3 Übersicht bei Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260 f.; Grieser in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 283 f. 4 Kritisch zusammenfassend Binder, ZBB 2017, 57, 61. 5 Art. 31 Abs. 1 BRRD, Art. 14 Abs. 1 SRM-Verordnung, § 67 SAG, s. auch Dohrn, WM 2012, 2033, 2035. 6 Art. 34 BRRD, Art. 15 SRM-Verordnung, § 68 SAG.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
ches durch spezifische Rangfolgevorgaben der BRRD für die Abwicklung nach der BRRD modifiziert wurde (sog. Haftungskaskade oder Haftungsklasse, s. Rz. 2.359 ff.). Dabei erfolgt Gleichbehandlung von Gläubigern derselben Haftungsklasse. – Leitungsorgan und Geschäftsleitung des Instituts werden ersetzt, es sei denn im Ausnahmefall erscheint deren partielle oder vollständige Belassung erforderlich für die Erreichung der Abwicklungsziele. – Kein Gläubiger soll durch die Abwicklung des Instituts nach den Grundsätzen der BRRD final schlechter gestellt sein, d.h. höhere Verlust zu tragen haben, als er im Rahmen eines nationalen Insolvenzverfahrens gestellt wäre (sog. No-Creditor-Worse-OffPrinzip, NCWO). – Nach der gesetzlichen Einlagensicherung geschützte Einlagen (basierend auf der Umsetzung der Anlegerentschädigungsrichtlinie, s. Rz. 2.294 ff., sog. gedeckte Einlagen) sind vollständig abgesichert. – Die nationalen zivil- und strafrechtlichen Maßgaben zur Haftung natürlicher und juristischer Personen hinsichtlich Pflichtverletzung und Bestandsgefährdung des Instituts gelten unberührt fort. – Die nach der BRRD geltenden Schutzbestimmungen für Abwicklungsmaßnahmen werden beachtet.
2.345
Das NWCO-Prinzip ist jedoch nicht dahingehend zu verstehen, dass eine tatsächlich höhere Verlusttragung einzelner Gläubiger bei der Abwicklung und dem Rahmen der BRRD zwingend ausgeschlossen sein muss1. Zwar findet bei der Beurteilung der Eröffnung des Abwicklungsverfahrens nach der BRRD und der Auswahl der anzuwendenden Abwicklungsinstrumente dieser Aspekt vorab Berücksichtigung. Sofern sich jedoch nach einer Abwicklung unter den BRRD-Grundsätzen in einem ex-post Vergleich zwischen tatsächlicher „Abwicklungsbelastung“ eines Gläubigers mit der hypothetisch zu errechneten Belastung eines alternativ, fiktiv durchgeführten regulären Insolvenzverfahrens herausstellt, dass der Gläubiger eine höhere tatsächliche Belastung nach BRRD erfahren hat, muss der Schaden des Gläubigers gem. Art. 74 BRRD bzw. §§ 146, 147 SAG durch Ausgleichszahlung kompensiert werden. Diese Schadenstragung erfolgt durch Zahlungen aus dem Single Resolution Fund (SRF, s. Rz. 2.33)2. Da die Mittel des SRF durch die Kreditwirtschaft selbst bereitgestellt werden, erfolgt auch dieser Ausgleich nicht durch Zahlungen aus der öffentlichen Hand. b) Abwicklungsvoraussetzungen
2.346
Für die Einleitung eines Abwicklungsverfahrens nach dem Rahmenwerk der BRRD müssen drei Abwicklungsvoraussetzungen kumulativ erfüllt sein3. Zunächst muss Bestandsgefährdung für das Institut bestehen, d.h. es fällt aus oder fällt wahrscheinlich aus (sog. 1 Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260. 2 Vgl. Thole, ZBB 2016, 57, 60 f.; ausführliche Darstellung des Berechnungs- und Entschädigungsmechanismus bei Hebertinger/Hoppenburg/Schuck in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 434 ff. 3 Art. 32 BRRD; Art. 18 Abs. 1 SRM-Verordnung, §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 SAG, vgl. Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893, 895 f.; Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1393 ff.; zu den spezifischen Voraussetzungen in Bezug auf Gruppen s. Binder, ZHR 179 (2015), 83, 122 ff.
142 | Freis-Janik
Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
failing-or-likely-to-fail, FOLTF)1. Weiterhin muss der Einsatz von Abwicklungsmaßnahmen nach der BRRD erforderlich und verhältnismäßig sein. Danach muss festgestellt werden, dass bei Berücksichtigung zeitlicher Zwänge und anderer relevanter Umstände nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht besteht, den Ausfall des Instituts innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch alternative Maßnahmen der Privatwirtschaft oder der Aufsichtsbehörden abzuwenden. Unter solche alternativen Maßnahmen fallen auch Maßnahmen im Rahmen von institutsbezogenen Sicherungssystemen oder Frühinterventionsmaßnahmen (s. Rz. 2.335 ff.). Als dritte Abwicklungsvoraussetzung muss das Vorliegen des öffentlichen Interesses hinsichtlich des Ergreifens von Abwicklungsmaßnahmen nach der BRRD bejaht werden. Bei allen drei Voraussetzungen handelt es sich um ausfüllungsbedürftige, unbestimmte Rechtsbegriffe2. Bestandsgefährdung3 (FOLTF) – und damit der Zeitpunkt, zu welchem die Voraussetzungen für die Eröffnung des Abwicklungsverfahrens nach dem BRRD-Rahmenwerk vorliegen müssen – ist gegeben, wenn mindestens eines der nachstehenden Kriterien als erfüllt angesehen werden kann:
2.347
– Es liegt ein qualifizierter Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Elementarpflichten zur Eigenmittelausstattung vor, deren Einhaltung Voraussetzung für die Erlaubniserteilung oder deren Nichteinhaltung Rechtfertigungsgrund für den Entzug der Erlaubnis sind. Dies kann bereits dann bejaht werden, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird. Dies kann z.B. die Tatsache sein, dass das Institut solche Verluste erlitten hat oder voraussichtlich erleiden wird, durch die seine gesamten Eigenmittel oder ein wesentlicher Teil seiner Eigenmittel aufgebraucht wird. – Überschuldung liegt vor oder eine solche Überschuldung ist unter objektiven Kriterien als drohend, d.h. in naher Zukunft erwartbar. Überschuldung bedeutet, ähnlich der entsprechenden Kategorie nach § 19 InsO, dass die Vermögenswerte des Instituts seine Verbindlichkeiten unterschreiten. – Das Institut ist zahlungsunfähig – d.h. es ist nicht in der Lage, seine Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen – oder eine solche Zahlungsunfähigkeit kann unter objektiven Kriterien als drohend, d.h. in naher Zukunft erwartbar qualifiziert werden. Vergleichbar ist dieses Kriterium mit dem entsprechenden Merkmal nach § 17 Abs. 2 InsO. – Dem Institut wurde eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mittel bewilligt, sofern diese nicht zur Abwendung einer schweren Störung der Volkswirtschaft eines Mitgliedstaats oder der Wahrung der Finanzstabilität erfolgt. Die erste Kategorie des qualifizierten Verstoßes gegen aufsichtsrechtliche Elementarpflichten zur Eigenmittelausstattung findet in der Nomenklatur der InsO keinen entsprechenden Gegenpart. Auch wenn die drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO den höchsten Übereinstimmungsgrad hat, handelt es sich bei § 18 Abs. 2 InsO um ein fakultatives Antragsrecht des Schuldners, keine Antragspflicht. Diese Inkongruenz wirkt sich v.a. auf den Zeitpunkt aus, zu welchem ein Insolvenzverfahren nach InsO bzw. ein Abwicklungsverfahren nach dem BRRD-Rahmenwerk eröffnet werden kann, wobei die Voraussetzungen für die Eröffnung eines BRRD-Abwicklungsverfahrens zeitlich signifi1 Art. 32 Abs. 1 lit. a BRRD, Art. 18 Abs. 1 lit. a SRM-Verordnung, § 62 Abs. 1 Nr. 1 SAG. 2 Vgl. Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 184. 3 Ausführlich s. Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1393 ff.
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2.348
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
kant früher eintreten können, als die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen. Diese zeitliche Inkongruenz kann sich v.a. bei der Beurteilung der Einhaltung des NCWO-Prinzips auswirken, da es schwierig sein dürfte, den Ausgang von zeitlich unterschiedlich zu beginnenden Verfahren zu vergleichen.
2.349
Das öffentliche Interesse am Ergreifen einer Abwicklungsmaßnahme nach dem BRRDRahmenwerk ist anzunehmen, wenn es für die Erreichung eines oder mehrerer der Abwicklungsziele (s. Rz. 3.342) erforderlich, mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Instituts im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre. Dabei entsteht eine besondere Problematik, wenn die Abwicklungsvoraussetzungen (insbesondere Bestandsgefährdung) für ein Institut grundsätzlich erfüllt sind, jedoch das Vorliegen des öffentlichen Interesses nicht bejaht wird und dennoch (noch) kein Insolvenzeröffnungsgrund nach nationalem Recht vorliegt1. Diese Lücke zwischen europäischem und nationalem Abwicklungs- bzw. Insolvenzregimen wird im Rahmen des Banking Reform Package durch den neuen Art. 32a BRRD II adressiert. Danach wird für diese Fälle nun die Liquidation des Instituts nach anwendbarem nationalem Recht vorgesehen. Zu begrüßen ist die gesteigerte Rechtssicherheit und reduzierte, derartigen „Schwebe-Positionen“ immanente Gefahr, die nun geschaffen wird. Dem deutschen Gesetzgeber wird es im Rahmen der Umsetzung der BRRD nun obliegen, eine eindeutige Verfahrenszuweisung nach nationalem Recht zu etablieren. c) Abwicklungsinstrumente und -befugnisse
2.350
Zur Erreichung der Abwicklungsziele stehen der Abwicklungsbehörde fünf Abwicklungsinstrumente, sowie umfangreiche Abwicklungsbefugnisse zur Verfügung. Die Abwicklungsinstrumente2 können sowohl einzeln, als auch in Kombination angewendet werden und lassen sich in zwei Kategorien einteilen: – die sog. Bail-In Instrumente (im weiteren Sinn), namentlich (i) das Instrument zur Beteiligung Inhaber relevanter Kapitalinstrumente3 und (ii) das Instrument zur Gläubigerbeteiligung4, sowie – drei Varianten der vollständigen oder teilweisen Unternehmensübertragung, namentlich (i) das Instrument zur Unternehmensveräußerung5, (ii) das Instrument zur Übertragung auf ein Brückeninstitut6 und (iii) das Instrument zur Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft7.
2.351
Neben der Anwendung der Abwicklungsinstrumente ist die Abwicklungsbehörde gehalten, sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, die zur Umsetzung des Abwicklungskonzepts im konkreten Fall erforderlich sind. Dabei handelt es sich grundsätzlich um eine generalklauselartige Befugnis8, welche sich in einzelnen wesentlichen, nicht abschließenden Spezial1 2 3 4 5 6 7 8
Für deutsche Institute sind dies nur die §§ 17–19 InsO und § 46b KWG. Art. 37 Abs. 3, 38–44 BRRD; Art. 22 Abs. 2, 24–27 SRM-Verordnung, § 77 Abs. 1, §§ 89 f., 107 SAG. Art. 47, 50 f. BRRD, Art. 21 SRM-Verordnung, § 89 SAG. Art. 43 ff. BRRD, Art. 27 SRM-Verordnung, § 90 SAG. Art. 38 BRRD, Art. 24 SRM-Verordnung, § 107 Abs. 1 Nr. 1a SAG. Art. 40 Abs. 2 BRRD, § 107 Abs. 1 Nr. 1b SAG. Art. 42 BRRD, §§ 107 Abs. 2, 133 Abs. 1 SAG. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BRRD, § 77 SAG; detaillierte Darstellung s. Hoßdorf in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 297 ff.
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Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
befugnissen1 konkretisiert. Diese sind z.B.: das Recht der Bestellung eines Sonderverwalters zur Kontrollübernahme über das abzuwickelnde Institut, die Abberufung des Leitungsorgans, das Tätigen von Eingriffen in die Vereinbarungen des Instituts mit Dritten, z.B. die Aussetzung von vertraglichen Zahlungsverpflichtungen oder die Ausübung von vertraglichen Beendigungsrechten beider Vertragsparteien. Letzteres ist insbesondere für derivative Instrumente relevant2. aa) Bail-In Instrument Wesentlicher Grundpfeiler und grundlegende Innovation im Abwicklungsregime speziell für Institute ist das durch die BRRD eingeführte sog. Bail-In Instrument. Es ist das komplexeste Abwicklungsinstrument der BRRD, welches nicht nur in seiner nationalen gesetzgeberischen Umsetzung umfangreiche Maßnahmen bewirkt hat, sondern vor allem hinsichtlich seiner praktischen Anwendung und den Risiken, welche Dritte als Gläubiger von Instituten eingehen, neue Aufmerksamkeit zukommen lässt3. Terminologisch nach der Konzeption der BRRD ist vom Begriff des Bail-In im engeren Sinn ausschließlich die Gläubigerbeteiligung erfasst4. Im Normsinne ist Bail-In als Mechanismus für die Ausübung der Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnisse durch die Abwicklungsbehörde in Bezug auf Verbindlichkeiten eines in Abwicklung befindlichen Instituts definiert5.
2.352
Sprachlich wird im weiteren Sinn unter dem Begriff „Bail-In“ sowohl die Eigentümer- als auch die Gläubigerbeteiligung gefasst6 und somit als Instrument der Eigentümer- und Gläubigerbeteiligung begriffen. Die Heranziehung der Anteilseigner zur Verlustabsorption durch Herabschreibung oder Umwandlung von Kapitalinstrumenten7 ist dem eigentlichen Bail-In, d.h. der Gläubigerbeteiligung vorausgeschaltet und ähnelt diesem, ohne selbst Abwicklungsinstrument im eigentlichen Sinn zu sein. Klar zum Ausdruck kommt dabei in Art. 44 Abs. 9 lit. a BRRD das Prinzip, wonach die Anteilseigner des in Abwicklung befindlichen Instituts primär zur Verlusttragung in Anspruch zu nehmen sind, und erst im zweiten Schritt die Gläubiger des Instituts im Sinne gesellschaftsrechtlicher Fremdkapitalgeber in der nach der BRRD stipulierten Rangfolge (Haftungskaskade, s. Rz. 2.359 ff.) mittels Anwendung des Bail-In Instruments zur Verlusttragung und Rekapitalisierung des Instituts herangezogen werden.
2.353
Aus gesellschaftsrechtlicher und bilanzieller Sicht ist dabei im Bereich der Gläubiger bzw. Forderungen zwischen solchen zu unterschieden, die in Verbindung mit Instrumenten ste-
2.354
1 Art. 63 BRRD, §§ 78–87, 101, 107, 144, 153 SAG. 2 Dazu ausführlich Kusserow/Scholl, WM 2015, 360 ff. und 413 ff. 3 Umfassend kritische Würdigung des Bail-In Instruments bei Tröger, ZBB 2018, 20 ff.; Beispiele für die praktische durchgeführte Anwendung des Bail-In Instruments in Europäische Kommission, COM(2019) 213 final, Report on the application and review of the bank recovery and resolution directive and the single resolution mechanism regulation vom 30.4.2019; Ziff. II. D., abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/docu ments/190430-report-bank-recovery-resolution_en.pdf. 4 Art. 37 Abs. 3 lit. d, Art. 43 ff. BRRD, Art. 22 Abs. 2 lit. d, Art. 27 SRM-Verordnung, §§ 89 ff. SAG. 5 Art. 2 Aba. 1 Nr. 57 BRRD, Art. 3 Abs. 1 Nr. 33 SRM-VO. 6 Vgl. Deutsche Bundesbank: Die neuen europäischen Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, Monatsbericht Juni 2014, S. 31, 38 f. 7 Art. 59 BRRD, § 89 SAG.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
hen, welche zur Erfüllung der regulatorischen Eigenmittel des Instituts dienen, jedoch kein hartes Kernkapital sind (s. Rz. 2.202 ff.), und sonstigen Forderungen, z.B. aus Einlagengeschäft, Dienstverträgen, etc. Im Rahmen der BRRD und der SRM-Verordnung wird diesbezüglich der Terminus „relevante Kapitalinstrumente“ verwendet1, also solche Instrumente des zusätzlichen Kernkapital sowie des Ergänzungskapitals. Im Rahmen des Bail-Ins werden diese herabgeschrieben und in hartes Kernkapital umgewandelt2.
2.355
Konzeptionell verbindet das Bail-In Instrument einen Kapitalschnitt (d.h. Herabschreibung von Eigen- und Fremdkapital) mit einer Umwandlung (sog. conversion) von Fremdkapitalforderung in Eigenkapitalbeteiligung (sog. Debt-to-Equity-Swap)3. In einem ersten Schritt wird der Nettovermögenswert des Instituts im Zeitpunkt der Abwicklungsanordnung ermittelt. Dieser setzt sich aus der Differenz zwischen Aktiva und Fremdkapital zusammen und wird zunächst einen negativen Wert, d.h. Verluste aufweisen. Diese über das Eigenkapital des Instituts hinausgehenden Verluste werden ausgeglichen, indem Eigentumsanteile in ihrem Wert herabgeschrieben (sog. write-off), d.h. nominell reduziert werden. Genügt dies nicht um den Nettovermögenswert auf Null zu setzen, werden in einem zweiten Schritt auch Forderungen von Gläubigern entsprechend der ihnen zugewiesenen Kategorien in der Haftungskaskade in ihrem Wert herabgeschrieben. Sofern dies nicht ausreicht, um den Verlust auszugleichen bzw. ausreichend neues Eigenkapital für die Fortführung des Instituts zu schaffen, werden die herabgeschriebenen Forderungen in Eigentumsanteile umgewandelt4.
2.356
Nicht alle Forderungsarten sind „berücksichtigungsfähige Forderungen“, d.h. für die Anwendung des Bail-In Instruments geeignet. Gewisse Forderungen sind vom Bail-In daher prinzipiell ausgenommen5. Darunter fallen: – gedeckte Einlagen nach dem Regime der gesetzlichen Einlagensicherung (d.h. pro Einleger Einlagen (einschließlich Fest-, Termingelder und Sparguthaben) i.d.R. bis zu 100.000 €, – besicherte Verbindlichkeiten, u.a. gedeckte Schuldverschreibungen, insbesondere Pfandbriefe, besicherte Darlehen oder Derivate, – Forderungen aus der Verwahrung von Kundenvermögen oder Kundengeldern, d.h. zu Anlagezwecken verwaltete oder gehaltene Vermögenswerte von Privat- und Firmenkunden, – Forderungen aus einem Treuhandverhältnis, z.B. durchlaufende Kredite (Treuhandkredite, Verwaltungskredite, weitergeleitete Kredite), Konsortialgeschäft, – Verbindlichkeiten gegenüber anderen Instituten mit (i) einer Ursprungslaufzeit von weniger als sieben Tagen oder (ii) einer Restlaufzeit von weniger als sieben Tagen gegenüber Zahlungssystemen, Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen oder den Betreibern oder anderen Teilnehmern an solchen Systemen, wenn diese Verbindlichkeiten aus einer Teilnahme am System resultieren, und 1 Vgl. Art. 2 Nr. 74 BRRD. 2 Kritisch zur terminologischen Unterscheidung Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 187. 3 Ausführliche Binder, ZBB 2017, 57, 64 m.w.N. in Fn. 63; Brandt/Ilgmann in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 311 ff. 4 Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2263; Brandt/Ilgmann in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 317 ff. 5 Art. 44 Abs. 2 BRRD, Art. 27 Abs. 3 SRM-Verordnung, § 91 Abs. 2 SAG.
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Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
– Forderungen von (i) Arbeitnehmern auf Grund ausstehender Gehaltsforderungen, (ii) Gläubigern auf Grund von Lieferungen und Leistungen, die für den laufenden Geschäftsbetrieb des Instituts oder des gruppenangehörigen Unternehmens von wesentlicher Bedeutung sind, (iii) Steuer- und Sozialversicherungsforderungen oder (iv) Einlagensicherungssystemen auf Grund von Beitragspflichten. Darüber hinaus kann die Abwicklungsbehörde im Einzelfall nach ihrem ordnungsgemäßen Ermessen bestimmte Forderungen oder Forderungsarten vom Bail-In ausnehmen1, z.B. wenn:
2.357
– eine zeitnahe Anwendung des Bail-In Instruments auf diese Forderungen nicht möglich ist, z.B. bei Bewertungsschwierigkeiten, – wenn dies für die Fortführung der kritischen Funktionen oder zur Sicherstellung der wesentlichen Geschäftsaktivitäten zwingend notwendig und verhältnismäßig ist, – zur Ansteckungsvermeidung auf andere Beteiligte des Finanzsystems, um das Funktionieren der Finanzmärkte nicht zu stören, und – in Anlehnung auf das NCWO-Prinzip, die Anwendung des Bail-In Instruments zu einer Wertvernichtung führen würde, bei der die von anderen Gläubigern zu tragenden Verluste höher wären, als wenn diese Verbindlichkeiten vom Bail-In ausgeschlossen würden. Anders als im Rahmen des Insolvenzverfahrens, kann durch das Bail-In Instrument eine Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital erfolgen, ohne dass die Zustimmung der Gläubiger erforderlich ist2. Allerdings sind umfangreiche Forderungsarten grundsätzlich vom Bail-In ausgeschlossen bzw. der Ausschluss kann im Einzelfall noch erweitert werden. Im Vergleich mit dem Verfahren nach InsO bestehen positive und negative Unterschiede. Nichtsdestotrotz ist das Instrument des Bail-In im Grundsatz, wie auch in den Einzelheiten seiner Konzeption, weiterhin umstritten3.
2.358
bb) Haftungskaskade Ein Abwicklungsgrundsatz ist, die Vergleichbarkeit mit dem regulären Insolvenzrecht zu gewährleisten, indem durch das No-Creditor-Worse-Off-Prinzip gewährleistet wird, dass kein Gläubiger durch die Abwicklung des Instituts nach den Grundsätzen der BRRD final schlechter gestellt sein soll, d.h. höhere Verluste zu tragen hat, als dies im Rahmen eines nationalen Insolvenzverfahrens der Fall wäre (s. Rz. 2.235). Daher sollte sich die Haftungsreihenfolge nach der BRRD im Bail-In grundsätzlich nach der bestehenden Rangfolge des nationalen Insolvenzrechts orientieren. Da die nationalen Insolvenzrechte in Europa jedoch nicht harmonisiert waren und damit keine Gleichbehandlung der Gläubiger von Instituten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten gewährleistet war, wurde im Rahmen des Art. 108 BRRD ein Konzept zur Haftungsreihenfolge eingeführt. Dieses war national 1 Art. 44 Abs. 3 BRRD, Art. 27 Abs. 5 SRM-Verordnung, § 92 SAG; vgl. Geier in Jahn/Schmitt/ Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 203. 2 Zum Rechtsschutz im Abwicklungsverfahren s. Schmitt/Bär, WM 2016, 493 ff.; Skauradszun, WM 2017, 1041 ff. und 1085 ff. 3 Im Rahmen diese Beitrags wird auf die ausführliche Darstellung der verschiedene Kritikpunkte verzichtet, s. dazu ausführlich Tröger, ZBB 2018, 20 ff.; Binder, ZHR 179 (2015), 83 ff.; Thole, ZBB 2016, 57, 63 ff.
Freis-Janik | 147
2.359
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
derart umzusetzen, dass es die Haftungsreihenfolge nach dem nationalen Insolvenzrecht – zumindest für Kreditinstitute – modifiziert, um ein haftungsrechtliches „level-playingfield“ nach dem BRRD-Konzept zur Haftungsreihenfolge zu schaffen und Ansprüche unter dem NCWO-Grundsatz bei Institutsabwicklungen nach der BRRD möglichst auszuschließen.
2.360
Diese im Rahmen der europäischen Bankenregulierung vereinheitlichte Haftungsreihenfolge ist zudem mit Blick auf die zur Sicherstellung der Abwicklungsfähigkeit geschaffenen Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) und den im Rahmen des Banking Reform Package ergänzten Mindestanforderungen an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit (TLAC, s. Rz. 2.291 und Rz. 2.366 ff.) bedeutsam. Sowohl MREL als auch TLAC basieren auf der so geschaffenen Haftungsreihenfolge. In Deutschland wurde zur Umsetzung der BRRD-Vorgaben § 46f KWG angepasst und somit eine Modifikation zur Rangfolge der § 38 InsO für Insolvenzen von Banken geschaffen. Im Rahmen der nationalen Umsetzung der Haftungsreihenfolge nach Art. 108 BRRD wurde klar, dass die Vorgaben der BRRD nicht ausreichend uneindeutig waren, so dass eine heterogene Umsetzung in den einzelnen Nationalstaaten, v.a. im Bereich von unbesicherten Schuldtiteln, erfolgte1. Dadurch wurde nicht das angestrebte level-playing-field geschaffen und eine klarstellende, präzisierende Modifikation des Art. 108 BRRD Ende 2017 beschlossen2, welches spätestens zum 29.12.2018 national umzusetzen war. In Deutschland erfolgte daraufhin eine erneute Modifikation des § 47f Abs. 2 bis 9 KWG3, welche zum 21.7.2018 in Kraft trat. Neu eingeführt wurde eine Differenzierung zwischen den sog. unbesicherten nachrangigen Verbindlichkeiten und den unbesicherten, nicht-nachrangigen und nicht strukturierten Schuldtiteln (sog. „senior non-preferred“)4. Einzelne Übergangsbestimmungen für vor diesem Stichtag begebene Instrumente gelten, worauf hier nicht eingegangen wird5.
2.361
Die Haftungskaskade lässt sich (vereinfacht) in sieben hierarchische Kategorien aufteilen. Nicht Teil der Haftungskaskade, da vom Bail-In grundsätzlich ausgenommen, sind die nach der BRRD prinzipiell vom Bail-In ausgenommenen Forderungen6, wie z.B. Einlagen bis zur gesetzlichen Sicherungsgrenze von 100.000 € pro Einleger (s. Übersicht unter Rz. 2.356). Das Bail-In Instrument wird gemäß der Hierarchie der Kategorien angewandt. Erst wenn die hierarchisch vorstehende Kategorie komplett zur Herabschreibung und Umwandlung herangezogen wurde und dies nicht dazu geführt hat, dass die Verlust der Bank auf Null ausgeglichen wurden (s. Rz. 2.355), wird die in der Haftungskaskade folgende Kategorie herangezogen und auf diese das Bail-In Instrument angewendet. 1 Anschauliche Übersicht des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, e.V. abrufbar unter https://www.voeb.de/download/haftungskaskade-bail-in-uebersicht.pdf. 2 Richtlinie (EU) 2017/2399 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU im Hinblick auf den Rang unbesicherter Schuldtitel in der Insolvenzrangfolge vom 12.12.2017. 3 Gesetz zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze vom 10.7.2018, BGBl. I 2018, 1102. 4 Zum Zeitpunkt Mai 2019 konsultiert die BaFin „Merkblatt 04/2019 – Insolvenzrechtliche Behandlung bestimmter Verbindlichkeiten von CRR-Instituten“ zur Präzisierung der Regelungen in § 47f Abs. 2–8 KWG. 5 Übersichtliche aktuelle Darstellung der Haftungskaskade durch die BaFin unter „Übersicht über die Haftungskaskade im Rahmen der Bankenabwicklung“ vom 16.11.2018, abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/BA/mb_haftungskaskade_ bankenabwicklung.html. 6 Art. 44 Abs. 2 BRRD, Art. 27 Abs. 3 SRM-Verordnung, § 91 Abs. 2 SAG.
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Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
Die ersten drei Kategorien bilden die regulatorischen Mittel des Eigenkapitals, wie in Rz. 2.205 ff. ausführlich dargestellt. In der ersten Kategorie befinden sich damit Instrumente des harten Kernkapitals (CET1, z.B. Aktien), in der zweiten Kategorie solche des zusätzlichen Ergänzungskapitals (AT1, z.B. stille Einlagen mit Umwandlungs- oder Herabschreibungsklausel) und in der dritten Kategorie das Ergänzungskapital (Tier 2, z.B. explizit als Tier 2 Kapital in den Bedingungen beschriebene nachrangige Darlehen). Unter die vierte Kategorie der Haftungskaskade fallen die unbesicherten nachrangigen Verbindlichkeiten, welche nachrangig i.S.d. § 39 Abs. 1 und 2 InsO sind, jedoch nicht die regulatorischen Anforderungen erfüllen, um als AT1- oder Tier 2 Kapital zu qualifizieren.
2.362
Die nachfolgende fünfte Kategorie wurde durch die letzte Reform des Art. 108 BRRD und in dessen Folge der letzten Anpassung des § 46f Abs. 2–8 KWG mit Wirkung zum 21.7. 2018 neu geschaffen (s. Rz. 2.360). Hierbei handelt es sich um unbesicherte nicht-nachrangige und nicht strukturierte Schuldtitel (sog. senior-non-preferred). Schuldtitel sind dabei zu verstehen als Inhaberschuldverschreibungen, Orderschuldverschreibungen und diesen Schuldtiteln vergleichbare Rechte, die ihrer Art nach auf den Kapitalmärkten handelbar sind, sowie Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen, sofern diese nicht in die bevorzugte sechste Kategorie fallen oder nach der BRRD prinzipiell vom Bail-In ausgenommene Forderungen sind (vgl. Rz. 2.61, Rz. 2.356, § 47f Abs. 6 KWG). In die fünfte Kategorie fallen diese Schuldtitel jedoch nur, sofern sie entweder (i) vor dem 21.7.2018 begeben wurden und nicht Geldmarktinstrumente oder strukturierte Produkte sind oder (ii) ab dem 21.7.2018 begeben wurden, eine vertragliche Laufzeit von mindestens einem Jahr haben, nicht strukturiert sind und deren Nachrang explizit im Prospekt aufgezeigt und nach den Bedingungen vereinbart wurde.
2.363
Unter die sechste Kategorie werden die sog. unbesicherten nicht-nachrangigen Verbindlichkeiten gefasst (sog. senior preferred). Darunter gefasst werden alle Einlagen von Unternehmen über der Grenze der gesetzlichen Einlagensicherungshöhe von 100.000 €, die nicht in die siebte Kategorie fallen, sowie Schuldtitel (Definition s. Rz. 2.362), sofern sie nicht in die fünfte Kategorie fallen, und strukturierte Finanzinstrumente und Forderungen (z.B. Zertifikate auf Aktienindizes) oder Forderungen aus Derivaten. Grund für die Einordnung solcher strukturierter Instrumente und Forderungen in die vorletzte Kategorie, die zum Bail-In herangezogen wird, ist deren komplexe Struktur, welche die Berechnung ihres Werts im Rahmen der Bail-In Heranziehung erschwert. Die Höhe ihrer Rück- oder Zinszahlungen hängt namentlich vom Eintritt eines unsicheren zukünftigen Ereignisses ab oder die Zahlung ist auf andere Weise als durch Geldzahlung zu erfüllen.
2.364
In die siebte und letzte für den Bail-In zur Verfügung stehende Kategorie fallen die sonstigen bevorzugten Einlagen. Dies sind insbesondere solche Einlagen oder Forderungen von natürlichen Personen sowie von kleinen und mittleren Unternehmen, welche die Grenze der gesetzlichen Einlagensicherungshöhe von 100.000 € übersteigen. Vereinfacht lässt sich die Haftungskaskade im Bail-In damit wie folgt darstellen, wobei die Nummerierung und Pfeilrichtung der Reihenfolge der Heranziehung im Bail-In Fall in aufsteigender Reihenfolge entsprechen1:
2.365
1 Nicht zur verwechseln mit der umgekehrten Logik der InsO, welche nach der Befriedigungsreihenfolge aufgebaut ist.
Freis-Janik | 149
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht (1) Hartes Kernkapital § 97 Abs. 1 Nr. 1 SAG, z.B. Aktien, Anteile an GmbH oder KG (2) Zusätzliches Kernkapital (AT1) § 97 Abs. 1 Nr. 2 SAG, z.B. unbesicherte unbefristete nachrangige Schuldverschreibungen und stille Einlagen mit Umwandlungs- bzw. Herabschreibungsklausel
MREL- & TLAC-fähig
(3) Ergänzungskapital (T2) § 97 Abs. 1 Nr. 3 SAG, z.B. nachrangige Darlehen, nachrangige Inhaberschuldverschreibungen
Haftungskaskade (vereinfachte Darstellung)
(4) Unbesicherte nachrangige Verbindlichkeiten § 39 Abs. 1 und 2 InsO, z.B. nachrangige Darlehen, nachrangige Inhaberschudverschreibungen, die nicht die Anforderungen an AT1- oder T2Instrumente erfüllen (5) Unbesicherte nicht-nachrangige und nicht strukturierte Schuldtitel (,,senior non-preferred“) § 38 InsO, § 46f Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 und 2, Abs. 9 KWG, z.B. Inhaber- und Orderschuldverschreibungen und vergleichbare kapitalmarktfähige Schuldtitel, Schuldscheindarlehen und Namenschuldverschreibungen, wenn (i) seit dem 21. Juli 2018 begeben mit Hinweis auf den gegenüber (6) niedrigeren Rang und (ii) Laufzeit 1 Jahr (6) Sonstige unbesicherte, nicht-nachrangige Verbindlichkeiten (,,senior preferred“) § 38 InsO, § 46f Abs. 5, Abs. 6 Satz 3 KWG, z.B. Schuldtitel, die nicht in Klasse (5) fallen, strukturierte Finanzinstrumente, Derivate, Einlagen von Unternehmen, die 100.000 EUR übersteigen und nicht in Klasse (7) fallen (7) Sonstige Einlagen § 46f Abs. 4 Nr. 2 KWG, § 2 Abs. 4 EinSiG, § 2 Abs. 3 Nr. 18 SAG, z.B. grundsätzlich Einlagen über 100.000 EUR von Privatpersonen, Kleinstunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen
150 | Freis-Janik
MREL- & TLAC-fähig, sofern Restlaufzeit 1 Jahr, unbesichert und kein Derivat
– MREL-fähig, sofern Restlaufzeit 1 Jahr, unbesichert und kein Derivat – TLAC-fähig bis max. 3,5 % RWA, sofern MREL-fähig und nicht strukturiert
Nicht MREL- & TLAC-fähig
Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
cc) MREL und TLAC Um die Abwicklungsfähigkeit von Instituten sicherzustellen, insbesondere um zu gewährleisten, dass ein Institut im Abwicklungsfall verlässlich über ausreichende interne Mittel und adäquate Kapitalstrukturen verfügt, die zur Verlustabsorption und – im Restrukturierungsfall – Rekapitalisierung im Rahmen eines Bail-Ins (s. Rz. 2.352 ff.) zur Verfügung stehen1, sind Anreize für Institute erforderlich, im laufenden Geschäft ihre Kapitalstruktur entsprechend aufzubauen. Im Rahmen der BRRD-Implementierung im Jahr 2015 wurde dazu bereits die Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) eingeführt2 (s. auch Rz. 2.326 ff.).
2.366
Diese ist bis zur Einführung des Banking Reform Package eine für jedes Institut individuell – unter Berücksichtigung bestimmter Vorgaben – im Rahmen der Abwicklungsplanung durch die Abwicklungsbehörde festgelegte Quote, die im laufenden Geschäftsverkehr vom Institut jederzeit einzuhalten ist (vgl. Säule II, s. Rz. 2.181). Sie wird dabei sowohl für jedes Institut auf Soloebene als auch auf konsolidierter Gruppenebene festgelegt3. Die MREL-Quote ist eine prozentuale Vorgabe, welche sich aus dem Verhältnis von (i) Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten (s. Haftungskaskade Rz. 2.359 ff.) zu (ii) Eigenmitteln und gesamten Verbindlichkeiten errechnet. Dabei können bestimmte berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten von der Anrechnung auf die Erfüllung der MREL-Quote auszunehmen sein, wenn die spezifischen Anrechnungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind4. Dazu zählt u.a., dass die Verbindlichkeiten voll eingezahlt sein und über eine Restlaufzeit von mindestens einem Jahr verfügen müssen und nicht aus einem Derivat resultieren dürfen. Für Verbindlichkeiten, die einem Drittstaatrecht unterliegen, müssen zudem die entsprechenden Klauseln nach Art. 55 BRRD wirksam und durchsetzbar vereinbart sein (s. Rz. 2.330 ff.).
2.367
Die für das einzelne Institut bzw. auf konsolidierter Gruppenebene festgelegte MREL-Quote ist u.a. von der Abwicklungsstrategie abhängig. Die Europäische Kommission hat, in Modifikation auf von der EBA ausgearbeitete Entwürfe für technische Regulierungsstandards zur MREL-Berechnung5, am 23.5.2016 eine Delegierte Verordnung zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Festlegung der MREL erlassen6. Zudem
2.368
1 Delegierte Verordnung (EU) 2016/1450 der Kommission vom 23.5.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Festlegung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, Erwägungsgrund (1) und (2). 2 Zunächst gem. Art. 45 BRRD a.F., Art. 12 Abs. 4 SRM-Verordnung a.F. (werden durch Banking Reform Package geändert, dazu nachfolgend), § 49 SAG. 3 Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 179; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 115 f. 4 Zunächst gem. Art. 45 BRRD a.F., Art. 12 Abs. 4 SRM-Verordnung a.F. (werden durch Banking Reform Package geändert, dazu nachfolgend), § 49 SAG. 5 EBA Final Draft Regulatory Technical Standards on criteria for determining the minimum requirement for own funds and eligible liabilities under Directive 2014/50/EU vom 3.7.2015 (EBA/ RTS/2015/05). 6 Delegierte Verordnung (EU) 2016/1450 der Kommission vom 23.5.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Festlegung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten.
Freis-Janik | 151
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
hat das SRB am 16.1.2019 – schon im Licht des Banking Reform Package – einen aktualisierten Ansatz zur Festlegung der MREL für solche grenzüberschreitend tätigen Institute dargelegt, für die entsprechende Abwicklungskollegien eingerichtet wurden1. Dieser Ansatz soll Grundlage für die weitere Festlegung der verbindlichen MREL-Quoten sein. Global systemrelevante Institute (G-SIB) sollen danach im Rahmen ihrer MREL auf konsolidierter Ebene eine Nachrangquote, zusammengesetzt aus Eigenmitteln und explizit nachrangigen Verbindlichkeiten, i.H.v. mindestens 16 Prozent der risikogewichteten Aktiva (RWA) vorhalten. Anderweitig systemrelevante Institute (A-SRI) sollen eine Nachrangquote i.H.v. mindestens 14 Prozent der RWA vorhalten. Weiterhin sollen Institute in einer Gruppe auf Solobasis verbindliche MREL-Quoten erhalten, um ein ausreichendes Maß an Verlustabsorptionsfähigkeit für die Institutsgruppe sicherzustellen.
2.369
Ergänzt bzw. modifiziert wird die MREL-Quote durch die im Rahmen des Banking Reform Package neu eingeführten Mindestanforderungen an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC). Im Rahmen der Neuerungen des Banking Reform Package wird die Berechnung der MREL-Quote um die internationalen, vom FSB erarbeiteten Vorgaben zu TLAC2 ergänzt. Durch TLAC wird vor allem die „too-big-to-fail“ Problematik großer, international agierender Institutsgruppen (G-SIB) adressiert.
2.370
Ziel beider Quoten, MREL und TLAC, ist es, dass ein Institut im laufenden Geschäft seine Verbindlichkeiten in einer Art strukturiert, die das Vorhandensein ausreichender Bail-Infähiger Mittel (Eigen- und Fremdkapital) für den Abwicklungsfall sicherstellt3. Zwar ist diese Zielsetzung weitgehend identisch und beide Quoten berücksichtigen bei der Beurteilung und Festsetzung der erforderlichen vorzuhaltenden Mittel die sog. Haftungskaskade im Bail-In (s. Rz. 2.359 ff.). Jedoch unterscheiden sich MREL und TLAC in einigen konzeptionellen Details und ihrem Anwendungsbereich4. Die MREL-Quote wird für alle Institute individuell festgelegt (Rz. 2.367). Dagegen soll durch die TLAC-Quote eine auf sog. global systemrelevante Banken (G-SIB) beschränkte Mindestkapitalanforderung mit fester, instituts- bzw. gruppenunabhängiger Zielgröße in Form einer Säule-I-Anforderung festgelegt werden.
2.371
Im Rahmen des Banking Reform Package werden durch die Umsetzung der TLAC-Vorgaben auf europäischer Ebene als spezifische Säule-I-Anforderung BRRD, CRR und SRMVerordnung umfassend angepasst. Ziel des Banking Reform Package ist es, die Anforderungen bzgl. MREL und TLAC möglichst zu vereinheitlichen. Terminologisch tritt der Begriff „TLAC“ dabei in BRRD II, CRR II und SRM-Verordnung II nicht in Erscheinung. TLAC wird als sog. MREL Pillar 1 als von G-SIB einzuhaltende und grundsätzlich vollständig mit Nachrangkapital einzuhaltende Mindestanforderung in Art. 92a und 92b CRR II eingeführt. Ab 2019 soll von G-SIBs eine MREL Pillar I Quote (TLAC) von (mindestens) 16 % der risikogewichteten Aktiva (RWA) zzgl. der kombinierten Kapitalpufferanforderungen (s. Rz. 2.227 ff.) und 6 % des Leverage Ration Exposures (LRE, s. Rz. 2.287) 1 SRB: Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) – 2018 SRB Policy for the second wave of resolution plans, abrufbar unter https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/ public_mrel_policy_2018_-_second_wave_of_plans.pdf. 2 Financial Stability Board (FSB): Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions vom 15.10.2014 (abrufbar unter http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_141015.pdf). 3 BRRD, Erwägungsgrund (79). 4 Grundsätzlich strukturelle Übersicht zu den unterschiedlichen Konzeptionen in Deutsche Bundesbank: Abwicklung und Restrukturierung von Banken – Die neuen Mindestanforderungen TLAC und MREL, Monatsbericht Juli 2016, S. 65 ff.; Friedrich/Skorobogatov, WM 2017, 840 ff.
152 | Freis-Janik
Bankensanierung und -abwicklung | Teil 2
durch entsprechend anrechenbare Instrumente (s. Rz. 2.373) zu unterlegen. Ab 2022 sind dann für G-SIB mindestens 18 % RWA zzgl. der kombinierten Kapitalpufferanforderungen und 6,75 % LRE vorzuhalten. Für sog. Top Tier Banken, deren Gesamtaktiva 100 Mrd. Euro übersteigen, gelten ab 2022 reduzierte Anforderungen von 13,5 % RWA zzgl. der kombinierten Kapitalpufferanforderungen und 5 % LRE. Die MREL-Quote, nun sog. MREL Pillar 2, wird hinsichtlich der Anforderungen an Höhe und Qualität durch das Banking Reform Package angepasst. Geregelt wird sie weiter hauptsächlich in der BRRD II, während die MREL Pillar 1 Anforderung (TLAC) in der CRR II geregelt ist. Die MREL Pillar 2 wird weiterhin institutsindividuell festgelegt, allerdings treten an die Stelle der Gesamtverbindlichkeiten als Bezugsgröße nun das LRE und die RWA (s. Rz. 2.367), vgl. Art. 45–45g BRRD II. Zusätzlich zu der institutsindividuell festzulegenden MREL Pillar 2-Quote kann gem. Art. 45c Abs. 3 BRRD II ein weiterer sog. Marktvertrauenspuffer (sog. Market Confidence Buffer) gefordert werden, welcher zur Herstellung des Marktvertrauens oder der Absorption zusätzlicher Verluste dienen soll.
2.372
Weitere Änderungen ergeben sich im Rahmen des Banking Reform Package durch Anpassungen in den Regelungen hinsichtlich der Qualifikation als berücksichtigungsfähige Verbindlichkeit (v.a. Art. 72a CRR II) und deren Anrechenbarkeit für die MREL Pillar 1 und Pillar 2 Quote (v.a. Art. 72b CRR II). Hierzu wird ein neuer Teil 2 Titel 1 Kapitel 5a in die CRR II eingeführt. Diese modifizierten Anforderungen werden fundamentale Auswirkungen auf die Refinanzierungsstruktur der Institute haben, insbesondere die neuen Vorgaben bzgl. der vierten und fünften Kategorie der ungesicherten nachrangigen Verbindlichkeiten und senior-non-preferred Verbindlichkeiten (s. Rz. 2.362 f.). Für eine Übersicht hinsichtlich der Anrechenbarkeit auf die MREL Pillar 1 Quote (TLAC) und MREL Pillar 2 Quote (MREL) s. Tabelle zur Haftungskaskade in Rz. 2.365.
2.373
Hervorzuheben ist zudem die Regelung zu sog. TLAC-Holdings nach Art. 72e ff. CRR II. Zur Vermeidung einer übermäßigen Verbindung zwischen Institutsgruppen von G-SIBs, sind Investitionen von G-SIBs in berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten anderer GSIB von den eigenen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten abzuziehen.
2.374
Weiterhin gelten neue Melde- und Offenlegungsanforderungen für MREL Pillar 1 (TLAC) gem. Art. 99 Abs. 1 und Art. 433a CRR II sowie für MREL Pillar 2 (MREL) gem. Art. 45i BRRD II.
2.375
dd) Sonstige Abwicklungsinstrumente Neben dem Bail-In Instrument stehen die vorbenannten drei Varianten der vollständigen oder teilweisen Unternehmensübertragung als weitere Abwicklungsinstrumente zur Verfügung (s. Rz. 2.350). Dies sind das Instrument zur Unternehmensveräußerung1, (ii) zur Übertragung auf ein Brückeninstitut2 und (iii) zur Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft3.
2.376
Beim Instrument der Unternehmensveräußerung4 werden Anteile, Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten des abzuwickelnden Instituts vollständig oder teilweise
2.377
1 2 3 4
Art. 38 BRRD, Art. 24 SRM-Verordnung, § 107 Abs. 1 Nr. 1a SAG. Art. 40 Abs. 2 BRRD, § 107 Abs. 1 Nr. 1b SAG. Art. 42 BRRD, §§ 107 Abs. 2, 133 Abs. 1 SAG. Ausführlich Binder, ZHR 179 (2015), 83 ff.
Freis-Janik | 153
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
auf einen bestimmten Dritten als Erwerber übertragen, ohne dass es einer Zustimmung der Inhaber von Rechten an den Übertragungsgegenständen bedarf. Der Erwerber tritt diesen Rechteinhabern dann anstelle des abzuwickelnden Instituts als Vertragspartei bzw. Schuldner gegenüber. In der Praxis steht dieses Verfahren vor der Herausforderung, das enge zeitliche Handlungsfenster, welches im Rahmen einer Abwicklung zur Verfügung steht, mit dem in regulären Erwerbs-Verfahren (sog. M&A Verfahren) üblichen längeren zeitlichen Vorlauf, inkl. Due-Diligence-Prüfung des Erwerbers und Kaufpreisverhandlungen in Einklang zu bringen1.
2.378
Die Übertragung auf ein Brückeninstitut2 erfolgt, indem die Abwicklungsbehörde einen Teil oder die Gesamtheit des Vermögens des abzuwickelnden Instituts oder Anteile an dem Institut, jeweils einschließlich etwaiger Verbindlichkeiten, auf eine gesondert dafür bereitgestellte Gesellschaft, das sog. Brückeninstitut überträgt. Das Brückeninstitut steht dabei zunächst als gesonderter Rechtsträger im öffentlichen Eigentum und wird von der Abwicklungsbehörde kontrolliert bzw. geleitet3. Es dient primär der Fortführung kritischer Funktionen des abzuwickelnden Instituts und ist somit meist als Zweckgesellschaft (sog. special purpose vehicle) konzipiert4. Ziel ist es, das Brückeninstitut möglichst innerhalb einer Zweijahresfrist an einen dritten Erwerber zu veräußern.
2.379
Im Rahmen der Anwendung des Instruments der Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft5 werden Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten auf eine solche Gesellschaft übertragen. Im Gegensatz zur Unternehmensveräußerung und dem Instrument des Brückeninstituts kommen hierbei keine Anteile sondern ausschließlich Vermögensgegenstände als Übertragungsgegenstand in Frage. Die Vermögensverwaltungsgesellschaft verwaltet die Vermögenswerte mit dem Ziel der Wertmaximierung bis zu deren späteren Weiterveräußerung an einen Dritten oder Liquidation. Insofern stellt sie ein sog. asset management vehicle dar und eignet sich zur Nutzung als sog. Bad Bank6. Auch die Vermögensverwaltungsgesellschaft steht, wie das Brückeninstitut, im Eigentum der öffentlichen Hand und wird von der Abwicklungsbehörde kontrolliert. Wie beim Instrument der Unternehmensveräußerung bedeutet dies aus Sicht der Vertragspartner und Gläubiger des abzuwickelnden Instituts den Austausch des bisherigen – abzuwickelnden – Instituts als Vertragspartner bzw. Schuldner ohne deren Zustimmung.
8. Abschnitt: Sonstige aufsichtliche Maßnahmen 2.380
Durch die Einführung des SSM ist die EZB zum 4.11.2014 neben die BaFin als Aufsichtsbehörde für CRR-Institute getreten. Unter dem SSM ist damit die EZB zuständige Aufsichtsbehörde (Competent Authority) für als bedeutend eingestufte Kreditinstitute (Significant Institutions, SI). Die BaFin ist weiterhin zuständige Aufsichtsbehörde für weni1 Vgl. kritisch Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2264; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 99 f.; Binder, ZBB 2017, 57, 62 ff. 2 Ausführlich Binder, ZHR 179 (2015), 83 ff.; Binder, ZBB 2017, 57, 62 ff. 3 Vgl. § 128 SAG. 4 Bauer/Hildner, DZWiR 2015, 251, 258. 5 S. Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 198 f.; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 103 f. 6 Vgl. Deutsche Bundesbank: Die neuen europäischen Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, Monatsbericht Juni 2014, S. 31, 38.
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Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
auf einen bestimmten Dritten als Erwerber übertragen, ohne dass es einer Zustimmung der Inhaber von Rechten an den Übertragungsgegenständen bedarf. Der Erwerber tritt diesen Rechteinhabern dann anstelle des abzuwickelnden Instituts als Vertragspartei bzw. Schuldner gegenüber. In der Praxis steht dieses Verfahren vor der Herausforderung, das enge zeitliche Handlungsfenster, welches im Rahmen einer Abwicklung zur Verfügung steht, mit dem in regulären Erwerbs-Verfahren (sog. M&A Verfahren) üblichen längeren zeitlichen Vorlauf, inkl. Due-Diligence-Prüfung des Erwerbers und Kaufpreisverhandlungen in Einklang zu bringen1.
2.378
Die Übertragung auf ein Brückeninstitut2 erfolgt, indem die Abwicklungsbehörde einen Teil oder die Gesamtheit des Vermögens des abzuwickelnden Instituts oder Anteile an dem Institut, jeweils einschließlich etwaiger Verbindlichkeiten, auf eine gesondert dafür bereitgestellte Gesellschaft, das sog. Brückeninstitut überträgt. Das Brückeninstitut steht dabei zunächst als gesonderter Rechtsträger im öffentlichen Eigentum und wird von der Abwicklungsbehörde kontrolliert bzw. geleitet3. Es dient primär der Fortführung kritischer Funktionen des abzuwickelnden Instituts und ist somit meist als Zweckgesellschaft (sog. special purpose vehicle) konzipiert4. Ziel ist es, das Brückeninstitut möglichst innerhalb einer Zweijahresfrist an einen dritten Erwerber zu veräußern.
2.379
Im Rahmen der Anwendung des Instruments der Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft5 werden Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten auf eine solche Gesellschaft übertragen. Im Gegensatz zur Unternehmensveräußerung und dem Instrument des Brückeninstituts kommen hierbei keine Anteile sondern ausschließlich Vermögensgegenstände als Übertragungsgegenstand in Frage. Die Vermögensverwaltungsgesellschaft verwaltet die Vermögenswerte mit dem Ziel der Wertmaximierung bis zu deren späteren Weiterveräußerung an einen Dritten oder Liquidation. Insofern stellt sie ein sog. asset management vehicle dar und eignet sich zur Nutzung als sog. Bad Bank6. Auch die Vermögensverwaltungsgesellschaft steht, wie das Brückeninstitut, im Eigentum der öffentlichen Hand und wird von der Abwicklungsbehörde kontrolliert. Wie beim Instrument der Unternehmensveräußerung bedeutet dies aus Sicht der Vertragspartner und Gläubiger des abzuwickelnden Instituts den Austausch des bisherigen – abzuwickelnden – Instituts als Vertragspartner bzw. Schuldner ohne deren Zustimmung.
8. Abschnitt: Sonstige aufsichtliche Maßnahmen 2.380
Durch die Einführung des SSM ist die EZB zum 4.11.2014 neben die BaFin als Aufsichtsbehörde für CRR-Institute getreten. Unter dem SSM ist damit die EZB zuständige Aufsichtsbehörde (Competent Authority) für als bedeutend eingestufte Kreditinstitute (Significant Institutions, SI). Die BaFin ist weiterhin zuständige Aufsichtsbehörde für weni1 Vgl. kritisch Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2264; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 99 f.; Binder, ZBB 2017, 57, 62 ff. 2 Ausführlich Binder, ZHR 179 (2015), 83 ff.; Binder, ZBB 2017, 57, 62 ff. 3 Vgl. § 128 SAG. 4 Bauer/Hildner, DZWiR 2015, 251, 258. 5 S. Geier in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 198 f.; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 103 f. 6 Vgl. Deutsche Bundesbank: Die neuen europäischen Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, Monatsbericht Juni 2014, S. 31, 38.
154 | Freis-Janik
Sonstige aufsichtliche Maßnahmen | Teil 2
ger bedeutende Kreditinstitute (Less Significant Institutions, LSI) sowie nationale Aufsichtsbehörde (National Competent Authority, NCA) für SI (s. Rz. 2.19)1. Entsprechend können verschiedene aufsichtliche Maßnahmen von EZB oder BaFin ergriffen werden.
I. Maßnahmen der EZB Gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 SSM-Verordnung wendet die EZB als Aufsichtsbehörde das unmittelbar geltende Unionsrecht an. Daneben wendet sie in ihrer Aufsichtstätigkeit als Competent Authority gem. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO auch die nationalen aufsichtsrechtlichen Vorschriften an, welche der nationalen Umsetzung von Richtlinien (v.a. CRD) oder der Ausübung nationaler Wahlrechte (u.a. im Rahmen der CRR) dienen2. Für Deutschland finden sich diese nationalen Vorschriften v.a. im KWG3.
2.381
Das von der EZB angewendete Unionsrecht setzt sich zusammen aus dem europäischen Primärrecht (v.a. die europäischen Verträge, d.h. EUV und AEUV), dem Sekundärrecht (Verordnungen i.S.v. Art. 288 Abs. 2 AEUV, hier v.a. CRR, SSM-Verordnung und SSMRahmenverordnung) und Tertiärrecht (Rechtsakten, die auf Grundlage von delegierten Rechtssetzungsbefugnissen erlassen wurden), hier v.a. verbindliche technische Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards, RTS) nach Art. 290 AEUV und verbindliche technische Durchführungsstandards (Implementing Technical Standards, ITS) nach Art. 291 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 SSM-VO).
2.382
1. Befugnisse der EZB Die Befugnisse der EZB als Aufsichtsbehörde ergeben sich sowohl aus der SSM-Verordnung als auch nach dem KWG als dort benannte „Aufsichtsbehörde“ (zu den Befugnissen nach KWG s. Rz. 2.53 ff.). Im Wesentlichen wird durch die Bestimmungen zu den Befugnissen der EZB als Aufsichtsbehörde im Rahmen der SSM-Verordnung sichergestellt, dass ihr die inhaltsgleichen Befugnisse zukommen, wie sie den nationalen Aufsichtsbehörden nach nationalem Recht (für Deutschland als der BaFin nach KWG) zustehen.
2.383
Besondere Bedeutung kommt dabei den Anweisungsrechten der EZB gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden (z.B. BaFin als NCA) zur Ausübung ihrer Befugnisse im Einklang mit ihrem jeweiligen nationalen Recht gem. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-Verordnung zu. Darüber hinaus hat die EZB umfassende Informationsrechte gegenüber Instituten4 und das Recht zur Durchführung von angekündigten und unangekündigte Prüfungen vor Ort auf Grundlage eines Beschlusses5. Der EZB sind weiterhin weitgehende Untersuchungsrechte eingeräumt6. Dies umfasst u.a. das Recht, die Vorlage von Unterlagen zu verlangen, die Prüfung von Büchern und Aufzeichnungen durchzuführen und dabei Kopien anzufertigen sowie schriftliche oder mündliche Erklärungen von Mitarbeitern
2.384
1 Berger, WM 2016, 2325, 2326; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 281. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 281a. 3 Zur Kollision europäischer und nationaler Vorschriften in der EZB-Anwendung s. Berger, WM 2016, 2325, 2335 f. 4 Art. 10 Abs. 2 SSM-Verordnung i.V.m. Art. 138 ff. SSM-Rahmenverordnung. 5 Art. 12 SSM-Verordnung i.V.m. Art. 143 ff. SSM-Rahmenverordnung. 6 Art. 11 Abs. 1 SSM-Verordnung i.V.m. 142 SSM-Rahmenverordnung.
Freis-Janik | 155
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
der Institute einzuholen. Weitere Aufsichtsbefugnisse, wie das Recht zur Verhängung von Verwaltungssanktionen, ergeben sich aus Art. 16 und Art. 18 SSM-Verordnung1.
2.385
Terminologisch erfolgt im KWG eine Unterscheidung zwischen „Bundesanstalt“ und „Aufsichtsbehörde“ gem. § 1 Abs. 5 KWG. Vorschriften des KWG, welche nicht auf der Umsetzung oder Wahrnehmung europäischen Rechts basieren und damit außerhalb des SSM liegen, räumen diesbezügliche Befugnisse ausschließlich der BaFin als „Bundesanstalt“ ein. Die SSM-bezogenen Vorschriften des KWG räumen die diesbezüglichen Befugnisse der „Aufsichtsbehörde“ ein, d.h. der BaFin oder EZB als unter dem SSM jeweils zuständiger Aufsichtsbehörde. Hinsichtlich dieser Befugnisse s. Rz. 2.390 ff. 2. Rechtsschutz
2.386
Ausgeschlossen ist die Anwendung des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts durch die EZB und damit auch im Rechtsschutz gegen Maßnahmen der EZB. Dies steht im Einklang mit den allgemeinen europarechtlichen Grundsätzen, wonach Unionsorgane kein nationales Verfahrensrecht anwenden2. Rechtsschutz gegen Maßnahmen bzw. aufsichtliches Handeln der EZB gewährt damit für deutsche Institute nicht das deutsche Verwaltungsverfahrensrecht (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVfG) sondern das Rechtsschutzsystem der Europäischen Union3. Rechtsschutz gegen Maßnahmen der EZB besteht folglich nicht vor nationalen Gerichten, sondern dem Gericht der Europäischen Union (EuG) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH)4.
2.387
Zunächst kann das betroffene Institut den bei der EZB eingerichteten administrativen Überprüfungsausschuss anrufen und damit das nach Art. 24 SSM-Verordnung normierte, fakultative Verfahren initiieren. Die Anrufung des administrativen Überprüfungsausschusses ist mit dem optionalen Widerspruchsverfahren nach VwVfG vergleichbar. Weiterhin kann innerhalb von 2 Monaten nach Bekanntgabe der EZB-Maßnahme Nichtigkeitsklage vor dem EuG gem. Art. 263 i.V.m. Art. 256 Abs. 1 AEUV eingereicht werden. Zudem kann Untätigkeitsklage gem. Art. 265 AEUV erhoben werden. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des EuG können zum EuGH eingelegt werden5.
II. Maßnahmen der BaFin 1. Befugnisse der BaFin
2.388
Zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Aufsichtsbehörde, auch als NCA, stehen der BaFin die Generalklausel des § 6 KWG (i.V.m. § 44 KWG) sowie Spezialregelungen (insbesondere § 6a und §§ 45 ff. KWG) zur Verfügung. 1 Müller-Graff, EuZW 2018, 101, 103 f. 2 Keinen Bezug auf nationale Verwaltungsvorschriften nimmt Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-Verordnung; Berger, WM 2016, 2325, 2328 und 2335. 3 Müller/Fischer/Müller, WM 2015, 1505 ff. 4 Fischer/Brogel in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 126 Rz. 79; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 219a.; beispielhaft zum Erlaubnisverfahren Müller/ Fischer/Müller, WM 2015, 1505 ff. 5 Ausführlich dazu Fischer/Brogel in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 126 Rz. 79 f.; Berger, WM 2016, 2361, 2368 f.; Müller-Graff, EuZW 2018, 101 ff.; Thiele, ZBB 2015, 295 ff.
156 | Freis-Janik
Sonstige aufsichtliche Maßnahmen | Teil 2
a) Handlungsformen Typische Maßnahme des regelnden Verwaltungshandelns durch die BaFin ist zunächst der Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG. Charakteristisch für die Bankaufsicht ist außerdem, dass die BaFin neben dem – im Rechtssinne – regelnden Verwaltungshandeln, ein differenziertes Instrumentarium informellen Verwaltungshandelns nutzt. Dabei nimmt die BaFin Steuerungsfunktionen insbesondere im Wege des schlichten, nicht regelnden Verwaltungshandelns wahr. Hierzu gehört es zum einen, bereits im Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens informell (durch Gespräche, Auskunftsschreiben, Gesuche etc.) auf die Institute einzuwirken. Zum anderen geht von den Publikationen der BaFin (Mitteilungen, Rundschreiben und Merkblätter) eine erhebliche Steuerungswirkung aus, da die Adressaten ihr Handeln im Vertrauen auf eine entsprechende Selbstbindung der Aufsichtsbehörden an den Verlautbarungen der BaFin orientieren1. Dabei sind von der BaFin die Rahmenbedingungen des SSM, v.a. des Single Rulebooks, namentlich das comply-or-explain Verfahren zu beachten (s. Rz. 2.13 ff. und Rz. 2.51)
2.389
b) Maßnahmen nach der Generalklausel Der – auch nach der Einführung des SSM – als Generalklausel des Bankaufsichtsrechts unter dem KWG für die BaFin geltende § 6 KWG (s. Rz. 2.62) enthält bei genauer Betrachtung mehrere generalklauselartige Normen, die sich in Tatbestand und Rechtsfolgen teilweise überschneiden.
2.390
§ 6 Abs. 1 KWG weist der BaFin die Aufsicht über die Institute nach den Vorschriften des KWG und der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen EZB und BaFin unter dem SSM zu (vgl. Rz. 2.381). Zwar ist § 6 Abs. 1 KWG nicht als Ermächtigungsgrundlage formuliert. Da eine effiziente Wahrnehmung der Überwachungsfunktion aber nicht ohne die typische verwaltungsrechtliche Maßnahme des Verwaltungsakts i.S.d. § 35 VwVfG möglich erschien, galt es in der Vergangenheit als allgemein anerkannt, dass die BaFin im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gem. § 6 Abs. 1 KWG – neben den Instrumenten des informellen Verwaltungshandelns – auch zum Erlass von Verwaltungsakten (einschließlich der Allgemeinverfügungen) befugt war. Zusätzlich zu dieser anerkannten Rechtsgrundlage des § 6 Abs. 1 KWG sieht § 6 Abs. 3 KWG eine ausdrückliche Kompetenz zum Erlass von Verwaltungsakten vor. Indessen unterscheiden sich § 6 Abs. 1 und Abs. 3 KWG in Tatbestand und Rechtsfolge, so dass weiterhin ein eigenständiger Anwendungsbereich des Abs. 1 verbleibt.
2.391
§ 6 Abs. 3 Satz 1 KWG sieht eine ausdrückliche Kompetenz zum Erlass von Verwaltungsakten vor, sofern diese geeignet und erforderlich sind, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu unterbinden oder um Missstände in einem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen.
2.392
§ 44 Abs. 1 und 3 KWG räumt der BaFin ein umfassendes Auskunfts- und Prüfungsrecht ein, in dessen Rahmen die Institute, die Mitglieder deren Organe und deren Beschäftigte auf Verlangen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu erteilen, umfassende Unterlagen vorzulegen und erforderlichenfalls Kopien anzufertigen haben. Zudem steht der BaFin das Recht zur Teilnahme an Gremiensitzungen zu, in deren Rahmen sie auch das Wort ergreifen kann. Ausdrücklich wird das Recht der BaFin zur anlasslosen
2.393
1 Hierzu Mülbert, BKR 2006, 349, 353, prägnantestes Beispiel hierfür sind die MaRisk.
Freis-Janik | 157
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
Prüfung (Sonderprüfung) stipuliert. Das Prüfungshandeln der BaFin schließt ihr Recht zum jederzeitigen, vorankündigungslosen Betreten und Besichtigen der Geschäftsräume des Instituts ein. Dabei hat dies im Rahmen der Verhältnismäßigkeit des aufsichtlichen Handelns grundsätzlich innerhalb der üblichen Betriebs- und Geschäftszeiten zu erfolgen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit kann die BaFin durch eigenes Personal tätig werden, oder durch Personal der Bundesbank oder Dritte (z.B. Wirtschaftsprüfer), welche dann im Namen der BaFin handeln (§ 44 Abs. 1 Satz 3 KWG)1. aa) Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen
2.394
Der Tatbestand des § 6 Abs. 3 KWG ist somit zum einen dann erfüllt, wenn KWG-Vorschriften durch einzelne Institute verletzt werden. Sofern die jeweiligen KWG-Vorschriften indessen selbst Maßnahmen vorsehen, sind sie als speziellere Regelungen gegenüber § 6 Abs. 3 KWG anzusehen. Vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips behält § 6 Abs. 3 KWG indessen auch in diesen Fällen einen Anwendungsbereich, wenn eine ebenso geeignete, aber mildere Maßnahme auf § 6 Abs. 3 KWG gestützt werden kann. bb) Institutsbezogene Missstände
2.395
Daneben ist der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 KWG eröffnet, wenn Missstände, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können, zu verhindern oder zu beseitigen sind. Als Missstand ist eine jede dauerhafte, negative und nachhaltige Abweichung vom Standard zu verstehen2. § 6 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 KWG geht dabei über Var. 1 hinaus, da auch die Verletzung institutionalisierter Industriestandards (sog. „best practices“) einen Missstand darstellen kann. § 6 Abs. 3 Satz 1 KWG setzt außerdem voraus, dass der jeweilige Missstand die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden kann oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigt. Wesentlich ist dabei, dass im Falle der Gefährdung der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte die bloße Möglichkeit den Tatbestand eröffnet („können“), während die Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen tatsächlich bestehen muss. cc) Institutsübergreifende Missstände
2.396
Die Abwehr von Missständen, die erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können, gehört zwar zum Aufgabenkreis der BaFin gem. § 6 Abs. 2 KWG, diese Missstände sind aber nicht vom Tatbestand des § 6 Abs. 3 KWG umfasst. Daher lebt als Rechtsgrundlage von Verwaltungsakten, die diese Missstände adressieren, § 6 Abs. 1 KWG wieder auf. c) Verordnungen
2.397
Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG können die Bundesregierung, ein Bundesministerium oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Daher kommt die allgemeine Generalklausel des § 6 KWG nicht als Rechtsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen in Betracht. 1 Ausführlich Fischer/Brogel in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 132 Rz. 41 ff. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 6 KWG Rz. 30; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 6 KWG Rz. 65.
158 | Freis-Janik
Sonstige aufsichtliche Maßnahmen | Teil 2
d) Informelles Verwaltungshandeln Maßnahmen informellen Verwaltungshandelns sind nicht als Rechtsfolge in § 6 Abs. 3 KWG genannt. Sie können indessen auf § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 KWG gestützt werden.
2.398
2. Rechtsschutz Sämtliche Maßnahmen der BaFin basieren auf den verwaltungsrechtlichen Regelungen des VwVfG, also dem Erlass von Verwaltungsakten gem. § 35 VwVfG. Insofern finden gegen solche Maßnahmen die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfe nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Anwendung. Gegen im förmlichen Verfahren erlassene Verwaltungsakte der BaFin ist somit innerhalb eines Monats nach Zugang Widerspruch gem. §§ 68 ff. VwGO zu erheben. Dabei ist die BaFin selbst Widerspruchsbehörde. Sofern im Widerspruchsverfahren nicht abgeholfen wird, ist Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zum VG Frankfurt/M. einzureichen. Sofern im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Auslegung und Anwendung europäischen Rechts betroffen ist, insofern sämtliche Frage des Single Rulebooks, findet das Vorlageverfahren zum EuGH gem. Art. 267 AEUV Anwendung1.
2.399
3. Spezielle Eingriffsbefugnisse a) Maßnahmen bei drohender unzureichender Solvenz oder unzureichender Solvenz Drohen bei einem Institut die Eigenmittel nicht den einschlägigen Anforderungen (Art. 92–386 CRR, § 10 Abs. 3 und 4 KWG und § 45 Abs. 1 Satz 2 und 5 KWG) zu entsprechen oder die Anforderungen der Art. 411–428 CRR und § 11 Abs. 1 KWG hinsichtlich der vorzuhaltenden Liquidität nicht erfüllt zu werden (drohende unzureichende Solvenz), so kann die BaFin Gegenmaßnahmen gegen die drohende Verletzung der Vorgaben zu Eigenkapital und Liquidität gem. § 45 Abs. 1 und 2 KWG ergreifen. Ebenso stehen der BaFin bei schon eingetretener unzureichender Solvenz gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 KWG entsprechende Befugnisse zu2. Sie kann hierzu u.a. Entnahmen3 sowie die Ausschüttung4 von Gewinnen untersagen oder beschränken, Kreditgewährung untersagen oder beschränken5, die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile untersagen, die Vorlage eines Restrukturierungsplans oder Umsetzung von Maßnahmen aus einem Sanierungsplan verlangen oder 1 Ausführlich Fischer/Brogel in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 126 Rz. 72 ff. 2 Überblick bei Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 45 KWG Rz. 14 ff. 3 Als Entnahmen gelten alle Vermögenszuwendungen an Gesellschafter, nicht jedoch die branchenübliche Vergütung für einen in der Geschäftsführung tätigen Gesellschafter; hierzu Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 45 KWG Rz. 65; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 45 KWG Rz. 29 m.w.N. 4 Als Ausschüttung gelten u.a. alle Zahlungsmaßnahmen, denen die Verteilung eines Bilanzgewinns zugrunde liegt (Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 45 KWG Rz. 29 m.w.N.). Aber auch verdeckte Gewinnausschüttungen (vgl. BGH v. 1.12.1986 – II ZR 306/85, AG 1987, 205 = WM 1987, 348 f.) sind von § 45 Abs. 1 KWG umfasst, s. hierzu Lindemann in Boos/Fischer/SchulteMattler, § 45 KWG Rz. 66. 5 Anerkannt ist indessen, dass Erfüllung von Verpflichtungen aus bestehenden Kreditverträgen nicht gem. § 45 Abs. 1 Nr. 2 KWG untersagt werden kann (Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 45 KWG Rz. 34; zweifelnd Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 45 KWG Rz. 85). Auch kann die BaFin keine Kündigung einer bestehenden Kreditlinie verlangen, Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 45 KWG Rz. 856.
Freis-Janik | 159
2.400
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
beschränken sowie weitere Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken anordnen (§ 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 KWG). Diese Möglichkeiten bestehen bereits im Vorfeld, wenn die Vermögens-, Ertrags- oder Finanzentwicklung eines Instituts die Annahme rechtfertigt, dass die genannten Anforderungen bzgl. des Eigenkapitals und der Liquidität nicht erfüllt werden. Dies wird dadurch flankiert, dass gem. § 45 Abs. 5 Satz 2 KWG Beschlüsse über die Gewinnausschüttung insoweit nichtig sind, als sie einer entsprechenden Anordnung der BaFin widersprechen1. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KWG kann die BaFin zudem die Auszahlung jeder Art von Erträgen auf Eigenmittelinstrumente untersagen oder beschränken, die nicht vollständig durch einen erzielten Jahresüberschuss gedeckt sind2. Keine explizite Erwähnung mehr finden seit Einführung der CRR die Großkreditgrenzen (Art. 387 ff. CRR) als Steuerungsinstrument. Diesbezügliche Beschränkungen werden durch die Eigenkapitalunterlegungspflicht von Überschreitungen der Großkreditgrenzen nach Art. 397 und Art. 398 CRR und deren Berücksichtigung in der mit Eigenkapital zu unterlegenden Gesamtrisikoposition (Art. 92 Abs. 3b CRR) erreicht.
2.401
Als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit sieht § 45 Abs. 5 Satz 1 KWG vor, dass das Institut zunächst zur Mängelbeseitigung aufzufordern ist. Leistet es dieser Aufforderung nicht Folge oder besteht rascher Handlungsbedarf, kann die BaFin Maßnahmen ergreifen. b) Maßnahmen bei organisatorischen Mängeln
2.402
Verfügt ein Institut nicht über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation und hat das Institut die Mängel nicht auf Grund einer Anordnung der BaFin fristgemäß behoben, kann die BaFin gem. § 45b Abs. 1 KWG Maßnahmen gegenüber dem Institut ergreifen. Einzige Tatbestandsvoraussetzung ist, dass das Institut nicht über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation i.S.d. § 25a Abs. 1 KWG verfügt. Auf § 25b KWG wird diesbezüglich nicht spezifisch Bezug genommen. § 45b Abs. 1 Satz 2 KWG sieht u.a. vor, dass zusätzliche Eigenmittel vorzuhalten sind, bestimmte Geschäfte nicht oder nur in reduziertem Umfang betrieben werden können oder dass weitere Zweigstellen nur mit Zustimmung der BaFin errichtet werden dürfen oder nach Anordnung der BaFin geschlossen werden müssen (§ 45b Abs. 2 Satz 2 KWG). c) Gläubigergefährdung
2.403
Besteht eine Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Instituts gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte oder besteht der begründete Verdacht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich ist, kann die BaFin zur Abwendung dieser Gefahr gem. § 46 Abs. 1 KWG einstweilige Maßnahmen treffen, sofern nicht vorrangig – aufgrund festgestelltem vorliegendem öffentlichen Interesse – die Sanierungs- und Abwicklungsmaßnahmen nach BRRD (bzw. SAG und SRM-Verordnung) Anwendung finden (s. Rz. 2.312 ff.)3. Durch die Änderungen 1 Beschlossene, aber noch nicht vollzogene Ausschüttungen sind daher bei Erlass einer Maßnahme gem. § 45 Abs. 1 KWG zu unterlassen (hierzu Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 45 KWG Rz. 47). 2 Sedlak in Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, S. 101 f. 3 Zum Verhältnis der einzelnen Maßnahmen nach KWG und BRRD ausführlich Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 11 ff.; Schwennicke/Herweg in Schwennicke/Auerbach, § 46 KWG Rz. 14 ff.
160 | Freis-Janik
Sonstige aufsichtliche Maßnahmen | Teil 2
des RestruktG1 wurden die Maßnahmen § 46 und § 46a KWG a.F. im neuen § 46 KWG zusammengeführt. Dabei hat der Gesetzgeber bewusst auf die bis dahin geltende Unterscheidung der Maßnahmen nach § 46 und § 46a KWG a.F. hinsichtlich des Ziels „zur Vermeidung des Insolvenzverfahrens“ verzichtet2. Dieses Element wird nun indirekt im Rahmen der ordnungsgemäßen Ermessensausübung überprüft. Der Eingriffstatbestand des § 46 Abs. 1 KWG enthält zwei Varianten: Zum einen ist der Tatbestand erfüllt, wenn eine Gefahr für die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte oder für die Erfüllung anderer Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern besteht. Eine Gefahr ist nicht erst dann zu bejahen, wenn das Institut mit der Erfüllung von Verpflichtungen in Verzug gerät. Vielmehr genügen Tatsachen, die die Annahme begründen, dass das Institut in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist. Die Sicherheit der anvertrauten Vermögenswerte kann gefährdet sein, wenn abzusehen ist, dass Zahlungspflichten nicht fristgerecht erfüllt werden können oder wenn sich die Eigenmittel so verringert haben, dass eine Überschuldung zu befürchten ist3.
2.404
Maßnahmen gem. § 46 KWG können auch darauf gestützt werden, dass der begründete Verdacht besteht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich ist4. Das Gesetz konkretisiert dies dahingehend, dass nur die in § 33 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 KWG genannten Fallgestaltungen erfasst sind. Hierunter gehören die Fälle,
2.405
– in denen das Institut in einen Unternehmensverbund eingebunden ist oder in einer engen Verbindung zu einem solchen steht, der eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt; – in denen eine wirksame Aufsicht über das Institut auf Grund des Rechts eines Drittstaates beeinträchtigt wird; sowie – die Fälle, in denen das Institut Tochterunternehmen eines Instituts mit Sitz in einem Drittstaat ist, das im Staat seines Sitzes oder seiner Hauptverwaltung nicht wirksam beaufsichtigt wird oder dessen zuständige Aufsichtsstelle zu einer befriedigenden Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt nicht bereit ist. Gemäß § 46 Abs. 1 KWG kann die BaFin zur Abwendung der Gefahr einstweilige Maßnahmen treffen. Insbesondere können Anweisungen an die Geschäftsleitung ergehen und die Annahme von Einlagen, Geldern oder Wertpapieren und die Gewährung von Krediten verboten oder begrenzt5 werden. Bereits durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktund Versicherungsaufsicht (FMVAStärkG) wurde § 46 Abs. 1 Satz 3–5 KWG dahingehend ergänzt, dass auch nachteilige Zahlungen an Konzernunternehmen beschränkt bzw. untersagt werden können6. Einstweilig ist eine Maßnahme, wenn sie sichernd für einen überschaubaren Zeitraum gedacht ist, innerhalb dessen die Behörde prüft, ob und welche endgültigen Maßnahmen zu ergreifen sind. Das Ermessen der BaFin wird dahingehend kon1 Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (RestruktG) vom 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1900. 2 BT-Drucks. 17/3024, 60; Schwennicke/Herweg in Schwennicke/Auerbach, § 46 KWG Rz. 32 f. 3 Schwennicke/Herweg in Schwennicke/Auerbach, § 46 KWG Rz. 4 ff. 4 Schwennicke/Herweg in Schwennicke/Auerbach, § 46 KWG Rz. 9. 5 Ausführlich zu den einzelnen Maßnahmen bei Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 66 ff. 6 Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 94 ff.
Freis-Janik | 161
2.406
Teil 2 | Bankaufsichtsrecht
kretisiert, dass die Maßnahmen „zur Abwehr der Gefahr“ ergriffen werden müssen; anderweitige Erwägungen können einen Ermessensfehler begründen1.
2.407
Die Vorschriften des § 46 KWG selbst enthalten kein Verbot bestimmter Geschäfte, sondern nur eine Ermächtigung an die Bankenaufsicht, ein solches Verbot durch Verwaltungsakt auszusprechen. Ein Darlehensvertrag, der gegen ein nach § 46 Abs. 1 KWG angeordnetes Kreditgewährungsverbot verstößt, ist daher auch nicht nach § 134 BGB nichtig2.
2.408
§ 46 Abs. 1 Satz 2 KWG sieht auch die Möglichkeit vor, Geschäftsleitern die Ausübung ihrer Tätigkeit zu untersagen bzw. nach § 45c KWG einen Sonderbeauftragten zu bestellen3. Sind die Schwierigkeiten des Kreditinstitutes auf ein Versagen der Geschäftsführung zurückzuführen und erscheint die Kontrolle durch eine Aufsichtsperson als nicht ausreichend, so kann den Geschäftsleitern des Kreditinstitutes die Ausübung ihrer Tätigkeit einstweilen untersagt oder beschränkt werden.
2.409
Ebenso wie in den Fällen des § 45 KWG sind Beschlüsse über die Gewinnausschüttung insoweit gem. § 46 Abs. 1 Satz 6 KWG nichtig, als sie einer Anordnung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 KWG widersprechen. d) Insolvenzantrag
2.410
§ 46b Abs. 1 Satz 1 KWG statuiert eine Anzeigepflicht der Geschäftsführer ohne schuldhaftes Zögern gegenüber der BaFin, wenn ein Institut zahlungsunfähig wird oder Überschuldung eintritt. Dasselbe gilt in den Fällen der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Als zahlungsunfähig gilt ein Institut, wenn es nicht in der Lage ist, fällige Zahlungspflichten zu erfüllen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn das Institut seine Zahlungen eingestellt hat. Eine „drohende Zahlungsunfähigkeit“ i.S.d. § 46b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KWG liegt vor, wenn das Institut voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen; der Wortlaut der Norm entspricht insofern dem des § 18 InsO4. § 46b findet Anwendung, sofern nicht zeitlich vorrangig – aufgrund festgestelltem vorliegendem öffentlichen Interesse – die Sanierungs- und Abwicklungsmaßnahmen nach BRRD (bzw. SAG und SRM-Verordnung) angewendet werden (s. Rz. 2.312 ff.)5.
2.411
§ 46b Abs. 1 Satz 4 KWG sieht vor, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Instituts oder der als übergeordnetes Unternehmen geltenden Finanzholding-Gesellschaft nur von der BaFin gestellt werden kann6. Die Antragstellung wird bei der BaFin konzentriert. Anderer Gläubiger oder Geschäftsführungsorgane des Instituts selbst sind nicht antragsbefugt7. Dabei hat die BaFin ordnungsgemäßes Ermessen bei der Beurteilung über eine Antragsstellung anzuwenden, im Einzelfall kann eine Ermes1 Schwennicke/Herweg in Schwennicke/Auerbach, § 46 KWG Rz. 22. 2 BGH v. 5.10.1989 – III ZR 34/88, WM 1990, 54, 55 = NJW 1990, 1356 ff.; zur Diskussion in der Literatur ausführlich Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 71 ff. 3 Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 20. 4 Haß/Herweg in Schwennicke/Auerbach, § 46b KWG Rz. 7 ff. 5 Zum Verhältnis der einzelnen Maßnahmen nach KWG und BRRD ausführlich Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 11 ff.; Schwennicke/Herweg in Schwennicke/Auerbach, § 46 KWG Rz. 14 ff. 6 Haß/Herweg in Schwennicke/Auerbach, § 46b KWG Rz. 11 ff. 7 Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46b KWG Rz. 30.
162 | Freis-Janik
Sonstige aufsichtliche Maßnahmen | Teil 2
sensreduzierung auf Null vorliegen1. Ein Insolvenzantrag der BaFin ist wie ansonsten ein Antrag eines Gläubigers zu behandeln; der Beschluss des AG über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach § 34 Abs. 2 InsO von dem Institut mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar2. e) Moratorium Sind wirtschaftliche Schwierigkeiten bei Kreditinstituten zu befürchten, die schwerwiegende Gefahren für die Gesamtwirtschaft, insbesondere den geordneten Ablauf des allgemeinen Zahlungsverkehrs erwarten lassen, so kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die in § 46g Abs. 1 KWG genannten Maßnahmen ergreifen. Die in der Rechtsverordnung angeordneten Maßnahmen können bestehen in: – einem Moratorium für ein einzelnes Kreditinstitut, verbunden mit einem Verbot zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtlicher Maßnahmen; – einer vorübergehenden Schließung aller Kreditinstitute sowie – einer Schließung der Börsen i.S.d. Börsengesetzes. Im Unterschied zu § 46 KWG dient § 46g KWG nicht dem Schutz der Gläubiger eines bestimmten Instituts. Vielmehr soll einer drohenden Krise für die Gesamtwirtschaft vorgebeugt werden.
1 Haß/Herweg in Schwennicke/Auerbach, § 46b KWG Rz. 17. 2 Kritisch zu den insolvenzrechtlichen Informationsrechten der BaFin Skauradszun, WM 2016, 815 ff.
Freis-Janik | 163
2.412
2. Hauptteil Commercial Banking 3. Teil Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung 1. Abschnitt: Bankmäßige Geschäftsverbindung (Mülbert) . . . . I. Geschäftsverbindung und einzelnes Bankgeschäft . . . . . . . . . . . II. Rechtsnatur der Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lehre vom allgemeinen Bankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsprechung des BGH . . . 2. Abschnitt: Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden (Mülbert) . . . . . . . . I. Geschäftsbeziehungsbezogene Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelgeschäftsbezogene Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank 1. Spezialgesetzliche Verhaltens- und Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . a) Informations-, Aufklärungs-, Beratungs- und Rechenschaftspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Verhaltens- und Schutzpflichten . . . . . . . . . . . 2. Informations-, Aufklärungs-, Beratungs- und Rechenschaftspflichten als vertragliche Hauptleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Verhaltens- und Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informations-, Aufklärungs-, Beratungs- und Rechenschaftspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Verhaltens- und Schutzpflichten . . . . . . . . . . . III. Verhaltens- und Schutzpflichten des Kunden . . . . . . . . . . . . . . .
_ _ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _
3.1 3.2 3.5 3.6 3.9
3.19
3.20 3.23 3.24 3.24 3.30
3.33 3.36 3.36 3.41 3.46
3. Abschnitt: Allgemeine Geschäftsbedingungen (Kropf) . . . . . . . . . 3.101 I. AGB im Verhältnis Bank – Kunde 3.102 1. Regelungsbedürfnis . . . . . . . . . . 3.102
2. Begriff der AGB . . . . . . . . . . . a) Grundzüge . . . . . . . . . . . . . b) AGB vs. Individualabrede . . . 3. Einbeziehung in die bankmäßige Geschäftsverbindung . . . . . . . . a) Einbeziehungsvoraussetzungen b) Geltung der AGB von Dritten .
__ _ __ _ __ _ __ _ _ _ __ __ _ __ _ _ __ __ _
. 3.104 . 3.104 . 3.113 . 3.118 . 3.118 . 3.132
II. Inhaltskontrolle von AGB . . . . . 1. Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Grundsätze . . . . . . b) Insbesondere: Verbot der unangemessenenen Benachteiligung . 2. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sittenwidrigkeit, Ausübungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.135 3.137 3.137 3.144 3.152 3.156
III. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.160 4. Abschnitt: AGB-Banken im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.201 I. Nr. 1 AGB-Banken: Geltungsbereich und Änderungen (Kropf) 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . 2. Einbeziehungsvoraussetzungen . . . 3. Änderungen der AGB . . . . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . . II. Nr. 2 AGB-Banken: Bankgeheimnis und Bankauskunft (Merz/Büchel) . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . 2. Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenstand des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umfang des Bankgeheimnisses . d) Durchbrechung des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . aa) Einwilligung des Kunden . . bb) Pflichtenkollision bei Warnpflichten gegenüber anderen Kunden . . . . . . . . . . . . .
3.203 3.203 3.206 3.208 3.217
3.231 3.231 3.232 3.235 3.238 3.242 3.246 3.248 3.250
Büchel/Kropf/Federlin/Merz/Mülbert/Wittig | 165
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung cc) Überwiegendes Eigeninteresse der Bank . . . . . . . . . e) Auskünfte gegenüber staatlichen Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zivilprozess . . . . . . . . . . . bb) Strafprozess . . . . . . . . . . . cc) Steuerrecht . . . . . . . . . . . dd) Auskunftspflicht gegenüber anderen Verwaltungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . f) Auskünfte gegenüber sonstigen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Unterrichtung des Kunden . . . . h) Sanktionen bei Verletzung des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . 3. Bankauskunft . . . . . . . . . . . . . . a) Befugnis zur Erteilung einer Bankauskunft . . . . . . . . . . . . aa) Auskünfte über Geschäftskunden . . . . . . . . . . . . . . bb) Auskünfte über Privatkunden und sonstige Kunden . . b) Inhalt der Bankauskunft . . . . . c) Empfänger von Bankauskünften d) Berechtigtes Interesse . . . . . . . e) Keine schutzwürdigen Belange des Kunden . . . . . . . . . . . . . f) Haftung für fehlerhafte Auskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . . III. Nr. 3 AGB-Banken: Haftung der Bank; Mitverschulden des Kunden (Kropf) . . . . . . . . . . 1. Haftungsgrundsätze . . . . . . . . 2. Begrenzte Haftung bei weitergeleiteten Kundenaufträgen . . . 3. Haftungsausschluss bei Störung des Bankbetriebs . . . . . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . IV. Nr. 4 AGB-Banken: Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden (Kropf) . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für eine Aufrechnung des Kunden . . . . . . . 3. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . .
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3.254 3.255 3.257 3.261
VI. Nr. 6 AGB-Banken: Maßgebliches Recht und Gerichtsstand (Kropf) 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . 2. Rechtswahlklausel . . . . . . . . . . 3. Gerichtsstand bei kaufmännischen und öffentlich-rechtlichen Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inlandskunden . . . . . . . . . . b) Auslandskunden . . . . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . .
3.267 3.269 3.271 3.273 3.276 3.278 3.280 3.282 3.284 3.286 3.287 3.288 3.289 3.292
. . 3.301 . . 3.301 . . 3.306 . . 3.312 . . 3.315
VII. Nr. 7 AGB-Banken: Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufendender Rechnung) (Kropf) . . . . . . . . . 1. Erteilung eines Rechnungsabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfung und Einwendungen . . . 3. Saldoanerkenntnis durch Schweigen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rückforderungsanspruch . . . . . 5. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . VIII. Nr. 8 AGB-Banken: Stornound Berichtigungsbuchungen der Bank (Kropf) . . . . . . . . . . 1. Stornobuchung vor Rechnungsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stornorecht . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . . 2. Berichtigungsbuchung nach Rechnungsabschluss . . . . . . . . . a) Abgrenzung zum Stornorecht . b) Rechtliche Konstruktion . . . . 3. Unterrichtungspflicht und valutagerechte Buchung . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . .
. . 3.321 . . 3.321 . . 3.323 . . 3.330
V. Nr. 5 AGB-Banken: Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden (Kropf) . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . 2. Geeignerter Nachweis der Erbfolge und der Verfügungsberechtigung . 3. Leistungsbefreiung der Bank . . . .
__ __ _ __ __
4. Rechtslage bis zu einer Klärung der Verfügungsbefugnis . . . . . . 3.350 5. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . 3.352
3.251
3.335 3.335 3.337 3.343
166 | Büchel/Kropf/Federlin/Merz/Mülbert/Wittig
IX. Nr. 9 AGB-Banken: Einzugsaufträge (Kropf) . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Vorbehaltsgutschriften . . . . . 3. Einlösung von Lastschriften und vom Kunden ausgestellter Schecks . . . . . . . . . . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . .
3.361 3.361 3.362 3.366 3.368 3.370 3.371
_ __ __ _ _ __ _ __ _ __ __ _ __
3.375 3.375 3.378 3.379 3.383 3.385
3.391 3.391 3.392 3.394 3.403 3.403 3.405 3.407 3.409
. . 3.415 . . 3.415 . . 3.418 . . 3.425 . . 3.433
X. Nr. 10 AGB-Banken: Fremdwährungsgeschäfte und Risiken bei Fremdwährungskonten (Kropf) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.441 1. Funktion und Leistungsumfang eines Fremdwährungskontos . . . 3.441
_ _
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung | Teil 3 2. Gutschriften bei Fremdwährungsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkung und Aussetzung der Leistungspflicht der Bank . . 4. Umrechnungskurs bei Fremdwährungsgeschäften . . . . . . . . . 5. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . XI. Nr. 11 AGB-Banken: Mitwirkungspflichten des Kunden (Kropf) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Regelung . . . . . . 2. Mitwirkungspflichten des Kunden im Einzelnen . . . . . . . a) Mitteilung von Änderungen . . b) Änderung einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitergehende gesetzliche Mitteilungspflichten . . . . . . . d) Klarheit von Aufträgen . . . . . e) Besondere Hinweise bei der Ausführung eines Auftrages . . f) Unterlassene Einwendungen . g) Benachrichtigung der Bank bei Ausbleiben von Mitteilungen . 3. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . XII. Nr. 12 AGB-Banken: Zinsen, Entgelte und Auslagen (Kropf) . 1. Regelungsgegenstände . . . . . . . 2. Zinsen und Entgelte im Geschäft mit und ohne Verbraucher . . . . a) Zinsen und Entgelte im Geschäft mit Verbrauchern . . b) Zinsen und Entgelte im Geschäft mit Kunden, die keine Verbraucher sind . . . . . . . . . c) Nicht entgeltfähige Leistungen 3. Änderung von Zinsen und Entgelten . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Grundsätze . . . . . b) Änderung von Zinsen bei Krediten . . . . . . . . . . . . . . c) Änderung von Entgelten im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ersatz von Auslagen . . . . . . . . 5. Besonderheiten bei Verbraucherdarlehensverträgen und Zahlungsdiensteverträgen . . . . . . . . . . . 6. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . .
_ _ __
3.445 3.447 3.453 3.455
__ __ _ __ __ __ __ _ _ __ __ _ __ __
2. 3.
3.461 3.461 3.464 3.464 3.466 3.468 3.469 3.471 3.472 3.474 3.477 3.485 3.485 3.487 3.487 3.493 3.496 3.498 3.498 3.501 3.504 3.508 3.511 3.515
__
XIII. Nr. 13 AGB-Banken: Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (Merz/Federlin) . . . . . . . 3.521 1. Originärer Besicherungsanspruch 3.522
4. 5.
a) Erfordernis einer bankmäßigen Sicherheit . . . . . . . b) Konkretisierung durch den Bankkunden . . . . . . . . . . . . c) Keine Überprüfungs- und Aufklärungspflichten der Bank . . Nachbesicherungsanspruch . . . . Grenzen des Besicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorrang der Individualabrede b) Erlöschen des Besicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderregelung für Verbraucherkredite . . . . . . . . . . . . . d) Eingeschränkter Besicherungsanspruch gegen Bürgen . . . . . e) Fristgewährung für die Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . Nichterfüllung des Besicherungsanspruchs als Kündigungsgrund . AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . .
XIV. Nr. 14 AGB-Banken: Vereinbarung eines Pfandrechts zu Gunsten der Bank (Merz/Federlin) . . 1. Einigung über den Pfandrechtserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsobjekte . . . . . . . . . . . 3. Ausnahmen vom Pfandrecht . . . a) Besondere Zweckbestimmung des Kunden . . . . . . . . . . . . b) Auslandsverwahrte Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigene Aktien und gleichgestellte Bankverbindlichkeiten . d) Urkunden ohne Wertpapiercharakter . . . . . . . . . . . . . . e) Gesetzliche Einschränkungen . 4. Gesicherte Forderungen . . . . . . a) Filialklausel . . . . . . . . . . . . b) Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung . . . . c) Nicht durch das AGB-Pfandrecht gesicherte Forderungen . aa) Forderung auf Grund Gesellschafterhaftung . . . bb) Haftungsübernahme zugunsten anderer Bankkunden . . . . . . . . . . . . cc) Forderungserwerb nach Pfändung des Kontoguthabens durch Drittgläubiger . . . . . . . . . . . 5. Zins- und Gewinnanteilscheine . 6. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . .
_ _ __ __ _ _ _ _ __ _ __ _ _ _ _ __ __ _ _ _ _ __ _
3.526 3.527 3.528 3.529 3.533 3.534 3.535 3.537 3.538 3.539 3.540 3.541
3.546 3.547 3.549 3.553 3.553 3.559 3.560 3.562 3.563 3.564 3.565 3.566 3.568 3.569 3.570
3.571 3.573 3.574
Büchel/Kropf/Federlin/Merz/Mülbert/Wittig | 167
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung XV. Nr. 15 AGB-Banken: Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln (Merz/Federlin) . . . . . . . 1. Erwerb von Sicherungseigentum 2. Sicherungsabtretung . . . . . . . 3. Sonderregeln für zweckgebundene Inkassopapiere . . . . . . . 4. Enger Sicherungszweck . . . . . 5. Freigabepflicht . . . . . . . . . . . 6. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . XVI. Nr. 16 AGB-Banken: Begrenzung des Besicherungsanspruchs und Freigabeverpflichtung (Merz/Federlin) . . . 1. Freigabeanspruch durch Auslegung des Sicherungsvertrages 2. Begriff der Deckungsgrenze . . 3. Bewertung der Sicherheiten . . 4. Wahlrecht der Bank . . . . . . . 5. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . XVII. Nr. 17 AGB-Banken: Verwertung von Sicherheiten (Merz/Federlin) . . . . . . . . . . 1. Auswahlrecht der Bank . . . . . 2. Gebot zur Rücksichtnahme . . . a) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gebot des milderen Mittels . . . . . . . . . . . . . . b) Gebot der bestmöglichen Verwertung . . . . . . . . . . . 3. Umsatzsteuerrechtliche Erlösgutschrift . . . . . . . . . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . XVIII. Nr. 18 AGB-Banken: Kündigungsrechte des Kunden (Merz/Büchel) . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Jederzeitiges Kündigungsrecht 3. Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetzliche Kündigungsrechte 5. Kündigungsrecht nach Nr. 26 AGB-Sparkassen . . . . . . . . . XIX. Nr. 19 AGB-Banken: Kündigungsrechte der Bank (Merz/Büchel) . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist . . . . . 3. Kündigung unbefristeter Kredite . . . . . . . . . . . . . . .
4. Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . a) Kündigung wegen unrichtiger Angaben . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung . . . . c) Kündigung wegen ausbleibender Sicherheitenbestellung oder Nachbesicherung . . . . . d) Vorherige Abmahnung . . . . . 5. Kündigung von Verbraucherdarlehen bei Verzug . . . . . . . . . 6. Kündigung eines Basiskontovertrages . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abwicklung nach einer Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kündigungsrecht nach Nr. 26 AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . .
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3.581 3.583 3.586 3.590 3.591 3.593 3.594
_ __ __ _ __ _ _ _ __
3.601 3.606 3.608 3.611 3.617 3.619
XX. Nr. 20 AGB-Banken: Einlagensicherungsfonds (Kropf) . . . . 1. Hinweis auf den Einlagensicherungsfonds und den Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forderungsübergang . . . . . . . 3. Befreiung vom Bankgeheimnis . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . .
3.625 3.629 3.631 3.633 3.636
_ _ _ __ _ _ _ _ _ __ __
3.666 3.668 3.670 3.674 3.676 3.677 3.678 3.679 3.680
. 3.691 . . . .
3.691 3.698 3.701 3.702
XXI. Nr. 21 AGB-Banken: Ombudsmannverfahren und außergerichtliche Streitschlichtung (Kropf) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.705
3.637 3.638
__ _ __ _ __ _ _
. 3.641 . 3.641 . 3.644 . 3.647 . 3.648 . 3.649
. 3.655 . 3.655 . 3.656 . 3.663
168 | Büchel/Kropf/Federlin/Merz/Mülbert/Wittig
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5. Abschnitt: Entgelte im Bankgeschäft (Wittig) . . . . . . . . . . . 3.721 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . 3.721 II. Grundsätze für die AGB-mäßige Vereinbarung von Entgelten im Bankgeschäft . . . . . . . . . . . 1. Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zwischen Preishauptabreden und Preisnebenabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Preishauptabreden . . . . . . . . b) Preisnebenabreden . . . . . . . . c) Entgeltfähige Neben- und Sonderleistungen . . . . . . . . . d) Unzulässige Preisnebenabreden
3.726 3.727 3.728 3.729 3.730 3.732 3.733
III. Vereinbarungen mit Verbrauchern über zusätzliche Zahlungspflichten gem. § 312a Abs. 3 BGB 3.734 1. Anwendungsbereich und Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . 3.735
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung | Teil 3 2. Anforderungen an eine wirksame Vereinbarung von Zusatzzahlungen
_ _
3.737
IV. Zulässigkeit von Aufwendungsersatzansprüchen . . . . . . . . . . . 3.742 V. Entgelte für einzelne Bankgeschäfte – Kreditgeschäft, Konten und Zahlungsverkehr und Wertpapiergeschäft . . . . . . . 1. Bankentgelte im Kreditgeschäft . . a) Allgemeine Grundsätze zur Beurteilung von formularmäßigen Entgeltvereinbarungen im Kreditgeschäft . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiele Entgelte im standardisierten Kreditgeschäft . . . . . . 2. Entgelte für Kontoführung und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundlagen für Entgelte für Kontoführung und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . b) Einzelne Beispiele für zulässige und unzulässige Entgelte . . . . . 3. Wertpapier-/Depotgeschäft . . . . . a) Grundsätzliche Entgeltpflicht im Wertpapier- und Depotgeschäft b) Einzelne Entgelte im Zusammenhang mit dem Wertpapierund Depotgeschäft . . . . . . . . . 4. Sonstige Tätigkeiten im Geschäftsverkehr mit Bankkunden . . . . . . .
__ _ _ _ _ __ _ _ __ __ __ __ _ __ __ _ _ _
3.746 3.746
3.747 3.757 3.795 3.795 3.799 3.824 3.824 3.826 3.829
6. Abschnitt: Kontobeziehung (Kropf) 3.841 I. Begriff des Kontos . . . . . . . . . . 3.841 II. Girokonto und Kontokorrent . . . 1. Vertragliche Grundlagen . . . . . . . a) Zahlungsdiensterahmenvertrag . b) Unregelmäßiger Verwahr- bzw. Darlehensvertrag . . . . . . . . . . 2. Kontokorrentabrede . . . . . . . . . . a) Begriff, Funktion und Wesen des Kontokorrents . . . . . . . . . b) Kontokorrentbindung der Einzelforderung . . . . . . . . . . . c) Verrechnung . . . . . . . . . . . . . d) Feststellung der kausalen Saldoforderung . . . . . . . . . . . . . . . e) Saldoanerkenntnis . . . . . . . . . f) Beendigung der Kontokorrentabrede . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.845 3.845 3.846 3.850 3.853 3.854 3.857 3.862 3.865 3.870 3.876
III. Grundzüge des Zahlungskontengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.878 1. Informationspflichten des Zahlungsdienstleisters . . . . . . . . . . . 3.879
a) Entgeltinformationen . . . . . . . b) Allgemeine Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontowechselhilfe . . . . . . . . . . . 3. Entgelterhebung . . . . . . . . . . . . IV. Kontoinhaberschaft . . . . . . . . . . 1. Kontofähigkeit . . . . . . . . . . . . . a) Natürliche Personen . . . . . . . . b) Gesellschaften und sonstige Personenzusammenschlüsse . . . c) Öffentlicher Sektor (Public Sector) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze der Kontoinhaberschaft a) Bestimmung des Kontoinhabers b) Pflicht zur Identifizierung . . . . aa) Abgabenordnung . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . (2) Umfang und Zeitpunkt der Legitimationsprüfung . . . . (3) Aufzeichnungspflicht und Auskunftsbereitschaft . . . . (4) Rechtsfolgen eines Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . bb) Geldwäschegesetz . . . . . . . (1) Identifizierung des Vertragspartners . . . . . . . . . . (2) Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten . . . . (3) Ausnahmen von der Identifizierungspflicht . . . . . . . (4) Ermittlung des Geschäftszwecks . . . . . . . . . . . . . . (5) Verstoß gegen die Identifizierungspflicht . . . . . . . . V. Vertretungs- und Verfügungsbefugnisse Dritter . . . . . . . . . . . 1. Organschaftliche Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Vertretungsmacht . . . a) Minderjährige Kontoinhaber . . b) Kontoinhaber unter Betreuung . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsstellung des Betreuers cc) Rechtsstellung des betreuten Kontoinhabers . . . . . . . . . 3. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfang, Nachweis und Bestand von Kontovollmachten . . . . . . b) Besondere Arten von Vollmachten im Kontoverkehr . . . . . . . c) Form der Vollmacht . . . . . . . . 4. Missbrauch der Vertretungsmacht
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3.880 3.886 3.889 3.894 3.898 3.899 3.900 3.901 3.905 3.907 3.907 3.911 3.912 3.912 3.914 3.919 3.921 3.922 3.924 3.928 3.933 3.934 3.935 3.936 3.937 3.944 3.945 3.954 3.954 3.957 3.963 3.967 3.968 3.974 3.979 3.981
Büchel/Kropf/Federlin/Merz/Mülbert/Wittig | 169
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
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7. Abschnitt: Besondere Kontoarten (Kropf) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.991 I. Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsberechtigung („Oder“Konto) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsstellung des einzelnen Mitkontoinhabers . . . . . . . . . . b) Umwandlung in ein Und-Konto c) Einzelfragen der Kontoführung . d) Zwangsvollstreckung und Insolvenz eines Mitkontoinhabers . . e) Verfügungsbefugnis im Erbfall . 3. Konto mit gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung („UndKonto“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsstellung des einzelnen Mitkontoinhabers . . . . . . . . . . b) Entstehungstatbestände . . . . . . c) Einzelfragen der Kontoführung . d) Vollstreckung und Insolvenz eines Mitkontoinhabers . . . . . . e) Verfügungsbefugnis im Erbfall . II. Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . a) Arten des Treuhandverhältnisses b) Arten von Treuhandkonten . . . aa) Offenes Treuhandkonto . . . bb) Verdecktes Treuhandkonto . cc) Treuhandsammelkonto . . . 3. Rechtsbeziehungen der Bank zum Treuhänder und Treugeber . . . . . a) Treuhänder – Bank . . . . . . . . b) Treugeber – Bank . . . . . . . . . 4. Zwangsvollstreckung in ein Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Treuhandkonto in der Insolvenz . .
3.992 3.992 3.995
3.995 3.1000 3.1002
IV. Sperrkonto . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgeschäftliche Vereinbarung a) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . b) Wirkungen . . . . . . . . . . . . . 3. Behördliche, gerichtliche oder gesetzliche Beschränkung . . . . . . 4. Besonderheiten bei Zwangsvollstreckung und Insolvenz . . . . . . V. 1. 2. 3.
3.1005 3.1010 3.1013 3.1013 3.1016 3.1019 3.1022 3.1024 3.1026 3.1026 3.1027 3.1027 3.1030 3.1031 3.1033 3.1034 3.1036 3.1036 3.1038 3.1039 3.1041
III. Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . 3.1044 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1044
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2. Besonderheiten bei Rechtsanwaltsund Notaranderkonten . . . . . . . 3.1046
Pfändungsschutzkonto . . . . . . Vertragliche Grundlage . . . . . . Einrichtung eines P-Kontos . . . Umfang des Pfändungsschutzes . a) Pauschaler Schutzumfang . . . b) Verfügungsmöglichkeiten des Kontoinhabers . . . . . . . . . .
. . . . .
3.1053 3.1053 3.1055 3.1055 3.1056 3.1058 3.1059 3.1062 3.1063 3.1065 3.1068 3.1068
. 3.1071
VI. Basiskonto nach dem Zahlungskontengesetz . . . . . . . . . . . . . . 1. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung des Anspruchs auf ein Konto . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . b) Anspruch auf Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschluss des Anspruchs . . . 3. Umfang der Zahlungsdienste . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . b) Leistungsumfang im Einzelnen 4. Einschränkung der Kontokündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Konto zugunsten Dritter . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . a) Deckungsverhältnis . . . . . . . . b) Valutaverhältnis . . . . . . . . . . c) Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . 3. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten
3.1076 3.1076 3.1077 3.1077 3.1078 3.1080 3.1084 3.1084 3.1085 3.1089 3.1095 3.1095 3.1097 3.1099 3.1100 3.1104 3.1109
Schrifttum: Ahrens, Das neue Pfändungsschutzkonto, NJW 2010, 2001; Artz, Das Basiskonto für Verbraucher, ZBB 2016, 191; Assmann/Sethe, Warn- und Hinweispflichten von Kreditinstituten gegenüber Kunden am Beispiel kundenschädigender Depotgeschäfte bankexterner Vermögensverwalter, FS Westermann, 2008, S. 67; Auerbach, Die Neuregelungen des Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetzes (GwBekErgG) und ihre Auswirkungen auf die Prüfung von Kreditinstituten und Versicherungen, WPg 2009, 1101; Berger, Haftung für unrichtige Bankauskunft, ZBB 2001, 238; Birkelbach, Sicheres Homebanking – Ist der Kunde zukünftig das Hauptrisiko?, WM 1996, 2099; Bitter, Abschlussgebühren bei Bauspardarlehensverträgen – Sind wir auf dem Weg zu einer richterlichen Preisgestaltungskontrolle?, ZIP 2008, 1095; Bitter, Bankpraxis zwischen Recht und Wirtschaft – Bankentgelte, Kreditkartenverfahren und weitergeleiteter Auftrag in juristisch-ökonomischer Betrachtung, ZBB 2007, 237; Bitter, Echter und scheinbarer Verbraucherschutz in der Bankpraxis,
170 | Büchel/Kropf/Federlin/Merz/Mülbert/Wittig
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung | Teil 3 ZIP 2008, 2155; Bitter, Geschäftsschädigende Verlautbarungen börsennotierter Aktiengesellschaften über Vertragspartner im Spannungsfeld zwischen Ad-hoc-Publizität und vertraglicher Rücksichtnahmepflicht, WM 2007, 1953; Bitter, Das neue Pfändungsschutzkonto (P-Konto) – eine Zwischenbilanz, ZIP 2011, 149; Bollenberger, Vorvertragliche Aufklärungspflichten des Kreditgebers gegenüber dem Kreditnehmer – eine Skizze, FS Koziol, 2010, S. 977; Borges, Preisanpassungsklauseln in der AGBKontrolle, DB 2006, 1199; Bosch, IPRax, Das Bankgeheimnis im Konflikt zwischen US-Verfahrensrecht und deutschem Recht, 1984, 127; Breinersdorfer, Das Haftungsverhältnis zwischen den Banken bei der Bank-zu-Bankauskunft im Kundeninteresse, WM 1992, 1557; Breinersdorfer, Zur Dritthaftung der Banken bei Erteilung einer fehlerhaften Kreditauskunft, WM 1991, 977; Buck-Heeb, Die Haftung für ein fehlerhaftes Basisinformationsblatt, WM 2018, 1197; Buck-Heeb, Finanzierungsberatung: Aufklärungspflichten und Haftung – insbesondere Besprechung BGH v. 19.12.2017 – XI ZR 152/17, ZIP 2018, 705; Buck-Heeb, Aufklärung über Innenprovisionen, unvermeidbarer Rechtsirrtum und die Überlagerung durch Aufsichtsrecht, WM 2014, 1601; Buck-Heeb, Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Kreditverträgen – Verschärfungen durch die EuGH-Rechtsprechung und die Wohnimmobilienkredit-Richtlinie, BKR 2015, 177; Buck-Heeb, Kreditberatung, Finanzierungsberatung, BKR 2014, 221; Buck-Heeb/Lang, Kreditwürdigkeitsprüfung, Exploration und Beratung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen nach der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie, ZBB 2016, 320; BuckHeeb/Siedler, Kreditwürdigkeitsprüfung nach der Immobiliar-KreditwürdigkeitsprüfungsleitlinienVerordnung (ImmoKWPLV), BKR 2018, 269; Büchel, Das neue Pfändungsschutzkonto aus Sicht der Kreditwirtschaft, BKR 2009, 358; Büchel, Das neue Pfändungsschutzkonto in der Insolvenz des Schuldners, ZInsO 2010, 20; Bülow, Die Angemessenheit des Entgelts nach § 41 Abs. 2 Zahlungskontengesetz, WM 2017, 161; Bunte, Zehn Jahre AGB-Gesetz – Rückblick und Ausblick, NJW 1987, 921; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. 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Büchel/Kropf/Federlin/Merz/Mülbert/Wittig | 171
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung gen – ein Fall für das AGB-Recht?, WM 2008, 1857; Hadding, Zur Abgrenzung von Unterrichtung, Aufklärung, Auskunft, Beratung und Empfehlung als Inhalt bankrechtlicher Pflichten, FS Schimansky, 1999, S. 67; Haertlein/Thümmler, Die Wirksamkeit von Abschlussentgeltklauseln in Allgemeinen Bausparbedingungen, ZIP 2009, 1197; Hansen, Die Bedeutung der Substitution im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (insbesondere zu Nr. 9 AGB-Banken), BB 1989, 2418; Härting, Internetrecht, 6. 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GWB-Novelle auf die Kreditwirtschaft, WM 2005, 1585; Linardatos, Die Basiskonto-Richlinie – Ein Überblick, WM 2015, 755; Lücke, Das P-Konto im Lichte der ZKA-Empfehlung zum Girokonto für Jedermann, BKR 2009, 457; Madaus, Der Zugriff der Eltern auf die Sparkonten ihrer minderjährigen Kinder und § 1641 BGB, BKR 2006, 58; Mankowski, Finanzverträge und das neue Internationale Verbrauchervertragsrecht des Art. 6 Rom I-VO, RIW 2009, 98; Merkel, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, Teil 2 (Nr. 11–20), WM 1993, 725; Merkel, Die Anordnung der Testamentsvollstreckung – Auswirkungen auf eine postmortale Bankvollmacht?, WM 1987, 1001; Merz, Überziehungskredite nach Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, ForderungsPraktiker 2010, 105; Mülbert, Anlegerschutz und Finanzmarktregulierung, ZHR 177 (2013), 160; Mülbert, Auswirkungen der MiFID-Rechtsakte auf Vertriebsvergütungen im Effektengeschäft der Kreditinstitute, ZHR 172 (2008), 170; Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten – Beratungspflichten Offenlegungspflichtenbei Interessenkonflikten und die Änderungen durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), WM 2007, 1149; Mülbert, Der Konto-
172 | Büchel/Kropf/Federlin/Merz/Mülbert/Wittig
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung | Teil 3 vertrag als bankgeschäftlicher Vertragstypus, FS Kümpel, 2003, S. 395; Mülbert/Sajnovits, Vertrauen und Finanzmarktrecht, ZfPW 2 (2016), 1; Müller/Griebeler/Pfeil, Für eine maßvolle AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr, BB 2009, 2658; Muscheler, Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall und Erbenwiderruf, WM 1994, 921; Musielak, Die „gefestigte Rechtsprechung“ des BGH zum Zustandekommen eines Auskunftsvertrages mit einer Bank, WM 1999, 1593; Nobbe, Verantwortlichkeit der Banken bei der Vergabe von Krediten und der Hereinnahme von Sicherheiten, ZBB 2008, 78; Nobbe, Bankgeheimnis, Datenschutz und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, 1537; Nobbe, Probleme des Lastschriftverfahrens, insbesondere in der Insolvenz des Zahlungspflichtigen, WM 2009, 1537; Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185; Pamp, Entgeltklauseln für die Ausstellung einer Ersatzkarte bei Beschädigung oder Verlust der Kreditkarte, WM 2002, 573; Pfeiffer, Neues Internationales Vertragsrecht, Zur ROM I-Verordnung, EuZW 2008, 622; Pieroth/Hartmann, Verfassungsrechtliche Grenzen richterlicher Preiskontrolle, dargestellt am Beispiel des Abschlussentgelts für Bausparverträge, WM 2009, 677; Pütz, Zum Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf CpD-Konten, ZIP 1990, 703; Regenfus, Die Kündigung des Kredits wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse – Voraussetzungen, Erkenntnisdefizite und Risiken für den Darlehensgeber, ZBB 2015, 383; Rellermeyer, Objektive Bezugsgrößen für die Bewertung von Kreditsicherheiten, WM 1994, 1009; Roller, Bankentgeltklauseln – Einbeziehung und Zulässigkeit, BKR 2008, 221; Rösler/Werner, Erhebliche Neuerungen im zivilen Bankrecht: Umsetzung von Verbraucherkredit- und Zahlungsdiensterichtlinie, BKR 2009, 1; Rühl, Weitreichende Änderungen im Verbraucherdarlehensrecht und Recht der Zahlungsdienste, DStR 2009, 2256; Saenger, Ende der Unsicherheiten bei den Globalsicherheiten?, ZBB 1998, 174; Rott, Das Basiskonto nach dem Entwurf des Zahlungskontengesetzes, VuR 2016, 3; Schebesta, Rechtsfragen bei CpD-Konten sowie „Und“-Konten, WM 1985, 1329; Schimmel/Buhlmann, Frankfurter Handbuch zum neuen Schuldrecht, 2002; Schmid-Burgk, Kündigung von Darlehensverträgen bei Verstoß gegen eine Loan-to-Value-Klausel insbesondere am Beispiel der Schiffsfinanzierung, WM 2015, 75; K. Schmidt, Nachdenken über das Oder-Konto – Ein neues Rechtsbild der Gemeinschaftskonten im rechtsdogmatischen und praktischen Test, FS Nobbe, 2009, S. 187; K. Schmidt, Rechtsprechungsübersicht, Verhältnis zwischen § 712 ZPO und § 719 ZPO, JuS 1996, 1036; Schnauder, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten im Kreditgeschäft, JZ 2007, 1009; Schröder/Meyer, Eröffnetes notarielles Testament vs. Erbschein, NJW 2006, 3252; Schultheiß, Aktuelle Entwicklungen im Recht des Pfändungsschutzkontos – eine Rechtsprechungsübersicht, ZBB 2013, 114; Schultz, Widerruf und Missbrauch der postmortalen Vollmacht bei der Schenkung unter Lebenden, NJW 1995, 3345; Seehafer, Weitgehende Entwertung der Vorauszession von Kontokorrentforderungen als Sicherungsmittel, BB 2009, 2054; Seif, Die postmortale Vollmacht, AcP 200 (2000), 192; Siemienowski, Auskunftsersuchen gegenüber Banken in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – gem. § 163 Abs. 3 Satz 1 StPO n.F. nun auch durch die Polizei?, BKR 2018, 454; Sonnenhol, Änderungen der AGB-Banken zum 1.4.2002, WM 2002, 1259; Sonnenhol, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, WM 1993, 677; Sorg, Wesentliche Änderungen in Betreuungssachen nach dem FGG-Reformgesetz, BWNotZ 2009, 90; Sotiriadis/Heimerdinger, Die Umsetzung der 3. EG-Geldwäscherichtlinie und ihre Bedeutung für die Finanzwirtschaft, BKR 2009, 234; Stackmann, Aufklärungsdefizite und Verjährung im Bankgewerbe, NJW 2012, 2913; Starke, Erbnachweis durch notarielles Testament, NJW 2005, 3184; Steppeler, Der Rechtsrahmen für Bankentgelte – Die Rechtsprechungsgrundsätze sowie die kreditwirtschaftlichen Leistungsinhalte, WM 2001, 1176; Steuer, Das Gesetz zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsrichtlinie und seine Umsetzung in der Praxis, WM 1998, 2449; Stoffels, Schranken der Inhaltskontrolle, JZ 2001, 843; Struwe/Kruse/Rösler, Umsetzung des neuen Geldwäschegesetzes, BankPraktiker 2009, 514; Tersteegen, Bankgeschäfte mittels Vorsorgevollmacht – Verpflichtung der Banken zur Anerkennung von Vorsorgevollmachten?, NJW 2007, 1717; Uhlenbruck, Bankrechtliche Aspekte der Vorsorgevollmacht, ZInsO 2009, 612; Unger-Hellmich/Stephan, Kündigung von Girokonten durch Sparkassen wegen drohender Imageschäden, BKR 2009, 441; van Gelder, Schutzpflichten zugunsten Dritter im bargeldlosen Zahlungsverkehr?, WM 1995, 1253; Vortmann, Aufklärungsund Beratungspflichten der Banken, 11. Aufl. 2016; Vortmann, Bankgeschäfte mit Minderjährigen, WM 1994, 965; Vortmann, Schadensersatzpflicht der kontoführenden Bank wegen pflichtwidriger Verwendung von Fremdgeldkonten, BKR 2007, 449; Wagner, Zur These des BGH über fehlende Aufklärungspflichten objektfinanzierender Kreditinstitute gegenüber GbRs bzw. deren Anleger-Gesell-
Büchel/Kropf/Federlin/Merz/Mülbert/Wittig | 173
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung schafter in Sachen fehlender Anschlussförderung, NZG 2011, 847; Wagner, Pfändung der Deckungsgrundlage – ungeklärte Fragen bei der Zwangsvollstreckung in Girokonten, ZIP 1985, 849; Wagner, Interventionsrecht des Kontoinhabers gegen die Zwangsvollstreckung in Oder-Konten, WM 1991, 1145; Wagner, Einseitige Umwandlung von Oder-Konten und Und-Konten?, NJW 1991, 1790; Wahl, Die Einwilligung des Verbrauchers in Telefonwerbung durch AGB, WRP 2010, 599; Weber, Die neuen „Oberschriften“ auf den Überweisungsformularen – BGH NJW 1991, 487, JuS 1991, 543; Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags – Legitimation der strengen Rechtsprechungslinie von Bond bis Ille ./. Deutsche Bank, ZBB 2011, 191; Werhan/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Loseblatt; W. Werner, Ein neues Kompendium des Kreditrechts, ZBB 1990, 236; Wessels, Die Saldoklage, WM 1997, 1509; von Westphalen, Die Entwicklung des AGB-Rechts im Jahr 2001, NJW 2002, 1688; von Westphalen, AGB-Recht im Jahr 2004, NJW 2005, 1987; von Westphalen, AGB-Recht im Jahr 2005, NJW 2006, 2228; von Westphalen, AGB-Recht im Jahr 2008, NJW 2009, 2355; von Westphalen, Stellen vs. Aushandeln von AGB-Klauseln im unternehmerischen Geschäftsverkehr – der BGH weist die Lösung, ZIP 2010, 1110; von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 23. Erg.-Lfg. Dezember 2009; von Westphalen, Wider die angebliche Unattraktivität des AGB-Rechts, BB 2010, 195; von Westphalen, Wider einen Reformbedarf beim AGB-Recht im Unternehmerverkehr, NJW 2009, 2977; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145; Zimmermann, Die Vorsorgevollmacht im Bankgeschäft, BKR 2007, 223.
1. Abschnitt: Bankmäßige Geschäftsverbindung (Mülbert) 3.1
Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Kreditinstitute entfalten sich insbesondere innerhalb des rechtsgeschäftlichen Kontakts zu den Personen, die das bankmäßige Leistungsangebot in Anspruch nehmen. Einen Schwerpunkt des Bankrechts bildet daher die bankmäßige Geschäftsverbindung zu den Kunden.
I. Geschäftsverbindung und einzelnes Bankgeschäft 3.2
In rechtlicher Hinsicht ist zwischen der auf Dauer angelegten Geschäftsverbindung und dem einzelnen Bankgeschäft durch die konkrete Inanspruchnahme einer bestimmten bankmäßigen Leistung zu unterscheiden. Jede Dienstleistung der Bank begründet regelmäßig ein wirtschaftlich und rechtlich selbständiges Bankgeschäft und damit eine konkrete Rechtsbeziehung in Gestalt eines vertraglichen Schuldverhältnisses. Der rechtsgeschäftliche Kontakt zwischen der Bank und ihren Kunden erschöpft sich aber typischerweise nicht in einem einzigen Geschäft. Der Kontakt ist meist auf längere Dauer und auf eine unbestimmte Mehrzahl von Bankgeschäften angelegt, was eine Geschäftsverbindung entstehen lässt. In der Bankpraxis kommt dies auch darin zum Ausdruck, dass mit dem Kunden bereits bei dem ersten einzelnen Bankgeschäft die Einbeziehung der jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Kreditwirtschaft1, welche gem. Nr. 1 Abs. 1 AGB-Banken2 für die gesamte Geschäftsverbindung mit dem Kunden gelten, vereinbart wird (näher Rz. 3.118 ff.)3.
3.3
Kennzeichnend für eine bankmäßige Geschäftsverbindung ist, dass ein Vertragspartner als Bankkunde eine bankmäßige Leistung in Anspruch nimmt. Nicht jeder Geschäftskontrahent einer Bank hat eine solche Kundenposition inne. Dementsprechend begründet nicht 1 AGB-Banken, AGB-Sparkassen sowie AGB der Genossenschaftsbanken, s. Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Anhang zu §§ 4–25. 2 Im Folgenden werden die AGB-Banken der Darstellung zugrunde gelegt. 3 Grundmann in Staub, HGB, 5. Aufl. 2016, Bd. 10/1 2. Teil Rz. 4.
174 | Mülbert
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung schafter in Sachen fehlender Anschlussförderung, NZG 2011, 847; Wagner, Pfändung der Deckungsgrundlage – ungeklärte Fragen bei der Zwangsvollstreckung in Girokonten, ZIP 1985, 849; Wagner, Interventionsrecht des Kontoinhabers gegen die Zwangsvollstreckung in Oder-Konten, WM 1991, 1145; Wagner, Einseitige Umwandlung von Oder-Konten und Und-Konten?, NJW 1991, 1790; Wahl, Die Einwilligung des Verbrauchers in Telefonwerbung durch AGB, WRP 2010, 599; Weber, Die neuen „Oberschriften“ auf den Überweisungsformularen – BGH NJW 1991, 487, JuS 1991, 543; Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags – Legitimation der strengen Rechtsprechungslinie von Bond bis Ille ./. Deutsche Bank, ZBB 2011, 191; Werhan/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Loseblatt; W. Werner, Ein neues Kompendium des Kreditrechts, ZBB 1990, 236; Wessels, Die Saldoklage, WM 1997, 1509; von Westphalen, Die Entwicklung des AGB-Rechts im Jahr 2001, NJW 2002, 1688; von Westphalen, AGB-Recht im Jahr 2004, NJW 2005, 1987; von Westphalen, AGB-Recht im Jahr 2005, NJW 2006, 2228; von Westphalen, AGB-Recht im Jahr 2008, NJW 2009, 2355; von Westphalen, Stellen vs. Aushandeln von AGB-Klauseln im unternehmerischen Geschäftsverkehr – der BGH weist die Lösung, ZIP 2010, 1110; von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 23. Erg.-Lfg. Dezember 2009; von Westphalen, Wider die angebliche Unattraktivität des AGB-Rechts, BB 2010, 195; von Westphalen, Wider einen Reformbedarf beim AGB-Recht im Unternehmerverkehr, NJW 2009, 2977; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145; Zimmermann, Die Vorsorgevollmacht im Bankgeschäft, BKR 2007, 223.
1. Abschnitt: Bankmäßige Geschäftsverbindung (Mülbert) 3.1
Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Kreditinstitute entfalten sich insbesondere innerhalb des rechtsgeschäftlichen Kontakts zu den Personen, die das bankmäßige Leistungsangebot in Anspruch nehmen. Einen Schwerpunkt des Bankrechts bildet daher die bankmäßige Geschäftsverbindung zu den Kunden.
I. Geschäftsverbindung und einzelnes Bankgeschäft 3.2
In rechtlicher Hinsicht ist zwischen der auf Dauer angelegten Geschäftsverbindung und dem einzelnen Bankgeschäft durch die konkrete Inanspruchnahme einer bestimmten bankmäßigen Leistung zu unterscheiden. Jede Dienstleistung der Bank begründet regelmäßig ein wirtschaftlich und rechtlich selbständiges Bankgeschäft und damit eine konkrete Rechtsbeziehung in Gestalt eines vertraglichen Schuldverhältnisses. Der rechtsgeschäftliche Kontakt zwischen der Bank und ihren Kunden erschöpft sich aber typischerweise nicht in einem einzigen Geschäft. Der Kontakt ist meist auf längere Dauer und auf eine unbestimmte Mehrzahl von Bankgeschäften angelegt, was eine Geschäftsverbindung entstehen lässt. In der Bankpraxis kommt dies auch darin zum Ausdruck, dass mit dem Kunden bereits bei dem ersten einzelnen Bankgeschäft die Einbeziehung der jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Kreditwirtschaft1, welche gem. Nr. 1 Abs. 1 AGB-Banken2 für die gesamte Geschäftsverbindung mit dem Kunden gelten, vereinbart wird (näher Rz. 3.118 ff.)3.
3.3
Kennzeichnend für eine bankmäßige Geschäftsverbindung ist, dass ein Vertragspartner als Bankkunde eine bankmäßige Leistung in Anspruch nimmt. Nicht jeder Geschäftskontrahent einer Bank hat eine solche Kundenposition inne. Dementsprechend begründet nicht 1 AGB-Banken, AGB-Sparkassen sowie AGB der Genossenschaftsbanken, s. Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Anhang zu §§ 4–25. 2 Im Folgenden werden die AGB-Banken der Darstellung zugrunde gelegt. 3 Grundmann in Staub, HGB, 5. Aufl. 2016, Bd. 10/1 2. Teil Rz. 4.
174 | Mülbert
Bankmäßige Geschäftsverbindung | Teil 3
jeder rechtsgeschäftliche Kontakt zugleich auch eine bankmäßige Geschäftsbeziehung. Dem Vertragspartner fehlt die Eigenschaft eines Bankkunden stets, wenn sich der rechtsgeschäftliche Kontakt außerhalb des banktypischen Leistungsangebotes vollzieht. Dies ist etwa bei einer Beauftragung von Handwerkern mit Reparaturen im Bankgebäude der Fall. Die Unterscheidung zwischen bankmäßiger und sonstiger Geschäftsverbindung hat für die Frage des Geltungsbereichs der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank von Bedeutung. Nur wenn eine bankmäßige Geschäftsbeziehung vorliegt, sind die Banken-AGB und die sie ergänzenden Sonderbedingungen – vorbehaltlich ihrer korrekten Einbeziehung – anwendbar. Nach Begründung einer Geschäftsverbindung steht dem Bankkunden gem. § 666 i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Auskunft über deren Verlauf und die mit der Geschäftsverbindung im Zusammenhang stehenden Verträge zu. Der Anspruch wird grundsätzlich durch die bankseitige Rechnungslegung und die Erteilung von Kontoauszügen erfüllt. Inhalt und Umfang der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht richten sich nach Treu und Glauben und den konkreten Umständen des Einzelfalles. So ist zwischen einem erneuten gelegentlichen Auskunftsbegehren zum Zwecke der Schließung von einzelnen Informationslücken einerseits und dem umfänglichen, auf die gesamte Geschäftsverbindung bezogenen Auskunftsverlangen andererseits, welches der erneuten nachträglichen Aufarbeitung und erschöpfenden Rekonstruktion der gesamten Geschäftsverbindung und sämtlicher Transaktionen einer Vielzahl von Konten dienen soll, zu unterscheiden. Letzteres kann mutwillig oder rechtsmissbräuchlich sein, insbesondere wenn die begehrte umfänglich Auskunft wegen des damit verbundenen Aufwandes der Bank im Einzelfall unzumutbar ist1.
3.4
II. Rechtsnatur der Geschäftsverbindung Hinsichtlich der Rechtsnatur der bankmäßigen Geschäftsverbindung besteht seit jeher Streit zwischen den Befürwortern einer vertraglichen Qualifizierung unter dem Stichwort „allgemeiner Bankvertrag“2 (Rz. 3.6 f.) und den Befürwortern einer quasivertraglichen, im Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden gründenden, Qualifizierung (Rz. 3.8 ff.)3.
3.5
1. Lehre vom allgemeinen Bankvertrag Nach der Lehre vom allgemeinen Bankvertrag wird bei der Eröffnung der Geschäftsverbindung zugleich (konkudent) ein allgemeiner Bankvertrag als Rahmenvertrag geschlossen4. Dieser Lehre liegt der Gedanke zugrunde, dass die Bankkunden regelmäßig nicht nur ein einzelnes Bankgeschäft tätigen, sondern eine auf Dauer angelegte Bankverbindung eröffnen wollen, weshalb die Auslegung in den meisten Fällen zu einem (konkludent ge1 OLG Celle v. 4.6.2008 – 3 U 265/07, NJW-RR 2008, 1584; hierzu Schelske, EWiR 2008, 521; Schäfer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 666 BGB Rz. 13. 2 Insbesondere Hopt/Roth in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 1 ff.; Hopt, Bankrechtstag 1992, 1, 10 f.; Rümker, ZHR 151 (1987), 162, 165; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Bank, S. 395 ff. 3 Insbesondere Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1 ff., 12 ff. 4 Hopt/Roth in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 17 ff.; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 2 Rz. 1; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2015, BankR I Rz. I 9 ff.; Hopt in Baumbach/Hopt, Bankgeschäfte Rz. A/6; Martinek/Omlor in Staudinger, Neubearb. 2017, § 675 BGB Rz. B 28.
Mülbert | 175
3.6
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
schlossenen) allgemeinen Bankvertrag führen soll1. Dieser wird rechtlich als ein Dienstvertrag, der auf eine ständige Geschäftsbesorgung gerichtet ist (§§ 675 Abs. 1, 611 BGB), qualifiziert2. Er soll die rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen für die verschiedenartigen Bankgeschäfte schaffen und somit das Verhältnis zwischen Bank und Kunden insgesamt und allgemein regeln.
3.7
Aus dem allgemeinen Bankvertrag resultieren nach seinen Befürwortern keine primären Hauptleistungspflichten der Parteien. Als Inhalt eines allgemeinen Bankvertrages werden die Begründung eines geschäftsbesorgungsrechtlichen Vertrauens- und Interessenwahrungsverhältnisses, die allgemeine Bereitstellung der Geschäftseinrichtungen der Bank sowie die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank angenommen3. Dogmatisch wird der allgemeine Bankvertrag als ein Rahmenvertrag qualifiziert, der durch die Inanspruchnahme einzelner Leistungsangebote (Einzelgeschäfte) konkretisiert wird. Bei einem Rahmenvertrag handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung, die dazu bestimmt ist, die gesamte Geschäftsverbindung vorab zu regeln. Dabei bleibt jedoch die Ausgestaltung einzelner, erst später relevanter Bankgeschäfte noch offen4. Der allgemeine Bankvertrag reicht nach seinen Befürwortern weit über die einzeln abzuschließenden Bankgeschäfte hinaus und ist zudem Geltungsgrund für Aufklärungs-, Auskunfts-, Beratungsund weitere Schutzpflichten5. Zur Rechtfertigung der Lehre vom allgemeinen Bankvertrag wird neuerdings auch darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber im neuen Insolvenzrecht ausdrücklich klarstellt, dass Geschäfte über Finanzdienstleistungen in einem Rahmenvertrag zusammengefasst sein können (vgl. Art. 105 Abs. 1 Satz 3 EGInsO). Ferner sei die Rechtsfigur eines Rahmenvertrages sogar im europäischen Bankrecht anerkannt6. So heißt es in den Erwägungsgründen der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD II)7, dass Rahmenverträge in der Praxis mit ihren darunter fallenden Zahlungsvorgängen häufiger anzutreffen seien als Einzelzahlungen. Bei Zahlungskonten oder bestimmten Zahlungsinstrumenten ist ein Rahmenvertrag sogar erforderlich.
3.8
Die Lehre vom allgemeinen Bankvertrag wird von weiten Teilen des Schrifttums schon lange mit dem Argument abgelehnt, dass es an einem rechtsgeschäftlichen Willen, einen zusätzlichen (Rahmen-)Vertrag über den bestimmten Vertragsgegenstand (wie etwa die Eröffnung eines Kontos) hinaus abzuschließen, regelmäßig fehle8. Außerdem ließen sich 1 Hopt in Baumbach/Hopt, Bankgeschäfte Rz. A/6; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2015, BankR I Rz. I 9 ff. 2 Hierzu Häuser in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 22; Martinek/Omlor in Staudinger, Neubearb. 2017, § 675 BGB Rz. B 28. 3 Martinek/Omlor in Staudinger, Neubearb. 2017, § 675 BGB Rz. B 28; Hopt in Baumbach/Hopt, Bankgeschäfte Rz. A/6; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 396 ff. 4 Hopt/Roth in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 4 ff. 5 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2015, BankR I Rz. I 13 ff., 20; MüllerChristmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, 1. Kap. Rz. 5; Berger in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, Vor § 488 BGB Rz. 69. 6 Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, 2007/64/EG vom 13.11.2007; mittlerweile abgelöst durch die Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (EU) 2015/2366 vom 15.11.2015. 7 Erwägungsgründe Nr. 50 ff. der Richtlinie (EU) 2015/2366 vom 15.11.2015. 8 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2 m.w.N.; Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, 1. Kap. Rz. 10 f.; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. A 150 ff.; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 100 ff.; Schwark, ZHR 151 (1987), 325, 329 f.; Horn, ZBB 1997, 139, 143; Berger in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, Vor § 488 BGB Rz. 69; van Gelder, WM 1995, 1253, 1257; vgl. weiter Köndgen, NJW 1996, 558, 559.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung | Teil 3
Schutzpflichten ebenso gut aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis bzw. aus den konkret abgeschlossenen Einzelverträgen (§ 241 Abs. 1 BGB) oder aus vorvertraglichen Beziehungen herleiten (vgl. Rz. 3.19 ff.)1. 2. Die Rechtsprechung des BGH Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit stellenweise von einem Bankvertrag gesprochen, aber regelmäßig vermieden, spezifische Rechtsfolgen aus dieser Bezeichnung abzuleiten2. In der Zwischenzeit hat es der BGH in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2002 – in einem gewissen Gegensatz zur großzügigen Bejahung eines stillschweigenden Beratungsvertrags bei der Anlageberatung (Rz. 3.33) – abgelehnt, bei einer längeren Geschäftsverbindung zwischen einer Bank und einem Kunden einen konkludent abgeschlossenen allgemeinen Bankvertrag im Sinne eines Rahmenvertrags anzunehmen3. Dem BGH zufolge ergibt sich (auch) aus einer längeren Geschäftsverbindung im Zusammenhang mit einer Girokontoverbindung oder einem Darlehensvertrag noch nicht das Bestehen eines eigenständigen allgemeinen Bankvertrages als einem Rahmenvertrag. Vielmehr sei eine längere Geschäftsverbindung als solche nichts weiter als eine Beziehung, die auf einem Dauerschuldverhältnis oder einer mehr oder weniger großen Anzahl von Einzelverträgen beruht. Der BGH weist darauf hin, dass die Annahme eines allgemeinen Bankvertrages dem allgemeinen Vertragsbegriff nicht gerecht werde, da es an einer eigenständigen bindenden Rechtsfolge eines solchen Bankvertrages fehle, die durch die von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen in Kraft gesetzt wird.
3.9
Dieser Rechtsprechung ist im Ergebnis zuzustimmen. Der Geschäftsverbindung liegt – jedenfalls im Regelfall – kein eigenständiger Rahmenvertrag zugrunde. Den Parteien bleibt es im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit und der Privatautonomie aber unbenommen, einen Rahmenvertrag ausdrücklich oder auch konkludent zu vereinbaren. Dass zwischen Bank und Kunden ein Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675f BGB) geschlossen werden kann, ändert an dieser Bewertung nichts. Der Zahlungsdiensterahmenvertrag ist nur darauf gerichtet, eine unbestimmte Vielzahl von Zahlungsaufträgen bzw. sich wiederholender Zahlungsaufträge auszuführen, und erfasst nicht etwa zugleich alle anderen Bankdienstleistungen4. Vielmehr ist es ohne weiteres denkbar, dass einmalig bzw. isoliert, etwa bei einer einmaligen Bankauskunft oder Bankgarantie, Dienstleistungen der Bank angefordert werden, ohne dass es zum Abschluss eines Rahmenvertrages kommt5. Der allgemeine Bankvertrag allein ist nicht geeignet, allgemeine Pflichten der Bank zur Durchführung von Bankgeschäften zu begründen6. Lehnt die Bank die Vornahme eines ihr angetragenen Ein-
3.10
1 Berger in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, Vor § 488 BGB Rz. 69; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 4; Müller-Christmann in Langebucher/Bliesener/Spindler, 1. Kap. Rz. 5 ff. 2 OLG Frankfurt v. 21.6.1988 – 22 U 187/87, WM 1988, 1439, 1440 bejaht einen allgemeinen Bankvertrag, der zur gegenseitigen Treue, Fürsorge und Rücksichtnahme verpflichtet. Zur früheren Rechtsprechung s. auch Schwark, ZHR 151 (1987), 325, 329 ff. 3 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 345/01, WM 2002, 2281, 2282. Hierzu kritisch Roth, WM 2003, 480 ff.; im Ergebnis zustimmend Lang, BKR 2003, 227 ff.; Kort, EWiR 2003, 151 f.; Balzer, BKR 2002, 1092 ff.; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. A 152 ff. 4 Casper in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 675f BGB Rz. 20. 5 So auch Hopt/Roth in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 16, die dies aber nicht als Einwand gegen den allgemeinen Bankvertrag gelten lassen wollen. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 6 f.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
zelgeschäfts ab, so hat der Kunde grundsätzlich weder einen Erfüllungs- noch einen Schadensersatzanspruch. Dies schließt nicht aus, dass die Bank ausnahmsweise aus ihrem vorangegangenen Verhalten zum Abschluss eines Folgegeschäftes verpflichtet sein kann1.
3.11 Für das Vorliegen eines allgemeinen Bankvertrages spricht auch nicht, dass die Aufnahme
der Geschäftsverbindung allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden zur Folge hat (hierzu Rz. 3.19 ff.), wie etwa die Pflicht der Bank zur Wahrung des Bankgeheimnisses oder zur Aufklärung. Solche Pflichten können auch außerhalb einer Vertragsbeziehung auf Grund des Vertrauensprinzips im Rahmen der in § 311 Abs. 2 BGB kodifizierten culpa in contrahendo bestehen. Mit Blick auf § 241 Abs. 2 BGB bestehen sekundäre Schutz- und Verhaltenspflichten, auf die sich die Rechtsfolgen eines Bankvertrages nach seinen Befürwortern beschränken sollen (Rz. 3.7), nämlich ohnehin unabhängig vom Willen der Parteien. Vor diesem Hintergrund ist die Konstruktion eines Rahmenvertrags – auch unter Schutzgesichtspunkten – überflüssig2.
3.12 Soweit die AGB auch auf künftige Bankgeschäfte anwendbar sein sollen, setzt dies eben-
falls nicht den Abschluss einer Rahmenvereinbarung voraus3. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank bedarf einer wirksamen Einbeziehungsvereinbarung. Eine solche kann nach § 305 Abs. 3 BGB auch im Voraus geschlossen werden (dazu Rz. 3.128).
3.13 Für die Bankpraxis ist die Frage nach der Rechtsnatur der Geschäftsverbindung letztlich
ohnehin nicht entscheidend4. Üblicherweise werden bei jedem rechtsgeschäftlichen Kontakt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank zugrunde gelegt und deren Geltung für die gesamte (zukünftige) Geschäftsverbindung vereinbart5. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung zum Schutz der Interessen des Kunden allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank bestehen können6. Davon unabhängig ergeben sich Schutz- und Verhaltenspflichten der Bank auch aus den jeweiligen Einzelverträgen (Rz. 3.23 ff.)7 und aus spezialgesetzlichen Regelungen (Rz. 3.24 ff.).
3.14–3.18 Einstweilen frei.
2. Abschnitt: Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden (Mülbert) 3.19 Bank und Kunde treffen in unterschiedlichem Umfang Verhaltens- und Schutzpflichten,
die teils geschäftsbeziehungsbezogen (Rz. 3.20 ff.), im Schwerpunkt aber einzelgeschäftsbezogen (Rz. 3.24 ff.) sind. 1 W. Werner, ZBB 1990, 236, 238. 2 Vgl. zum Beratungsvertrag Grigoleit, Bankrechtstag 2012, 25, 31 ff.; Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2 (2016), 1, 50; tendenziell auch Wagner, DStR 2003, 1757, 1760. 3 Heermann in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 675 BGB Rz. 52; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. A 152; bereits W. Werner, ZBB 1990, 236, 238 zu § 2 Abs. 1 AGBG. 4 Vgl. auch Grundmann in Staub, HGB, 5. Aufl. 2016, Bd. 10/1, 2. Teil Rz. 1 f. 5 Hopt/Roth in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 2; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 1. 6 Häuser in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 3. 7 Vgl. Heermann in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 675 BGB Rz. 52.
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Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden | Teil 3
I. Geschäftsbeziehungsbezogene Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank Die allgemeinen geschäftsbeziehungsbezogenen Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank bestehen unabhängig von dem Abschluss eines Einzelvertrages, der bei der Inanspruchnahme einer bankmäßigen Leistung mit der Bank zustande kommt. Es genügt vielmehr, dass die Haftungsgrundlage mit der die gesetzliche Vertrauenshaftung begründenden Geschäftsverbindung (Rz. 3.11) in einem inneren Zusammenhang steht1. Verhaltensvorgaben für die Bank, die in der Phase bis zum Abschluss eines Einzelgeschäfts über die bloße Pflicht zum Schutz der Vermögensinteressen des Kunden (insbesondere Bankgeheimnis2) hinausgehen, werden aber noch nicht aus dem vorvertraglichen Pflichtverhältnis folgen. Konkretere Verhaltenspflichten – insbesondere in Form von Informations-, Aufklärungs-, Beratungs- und Rechenschaftspflichten – sind in der Regel erst Ausfluss der im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehung abgeschlossenen Einzelgeschäfte und damit von dem jeweiligen Vertragstyp des Einzelgeschäftes abhängig (Rz. 3.23 ff.)3.
3.20
Die Bank hat im Rahmen der gesamten Geschäftsbeziehung die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu beachten (§ 276 Abs. 1 BGB, § 347 Abs. 1 HGB). Auch für das Verschulden der in den Vertrieb eingeschalteten Personen haftet die Bank wie für eigenes Verschulden, wenn diese als ihre Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) tätig geworden sind. Dies setzt voraus, dass die eingeschalteten Personen Aufgaben im Pflichtenkreis der Bank übernommen haben und damit eine der Bank zurechenbare Tätigkeit vorliegt4. Die Grundsätze für die Haftung der Bank sind in Nr. 3 AGB-Banken für alle Verhaltenspflichten der Bank geregelt (Rz. 3.301 ff.).
3.21
In zeitlicher Hinsicht erstrecken sich die Verhaltens- und Schutzpflichten über die gesamte Dauer des geschäftlichen Kontakts. Sie werden mit Blick auf § 311 Abs. 2 BGB bereits im vorvertraglichen Stadium begründet und können auch noch als nachwirkende Schutzpflichten nach beidseitiger Erfüllung aller Einzelverträge und der Geschäftsverbindung fortbestehen5. Die durch den geschäftlichen Kontakt begründeten Gefährdungen und Möglichkeiten zur Einwirkung auf die fremde Rechtsgütersphäre dauern nämlich auch nach Vertragsbeendigung an. Damit wird das Interesse des Vertragspartners an der Erhaltung seines personen- und vermögensrechtlichen Status quo nicht nur deliktisch, sondern auch (quasi-)vertraglich geschützt.
3.22
II. Einzelgeschäftsbezogene Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank Die einzelgeschäftsbezogenen Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank lassen sich anhand des jeweiligen Pflichteninhalts – Informations-, Aufklärungs-, Beratungs-, Rechenschafts- und sonstige Pflichten – einteilen, wobei diese je nachdem Ausfluss spezialgesetzlicher Tatbestände (Rz. 3.24 ff.), Hauptleistungspflicht (Rz. 3.33 f.) oder auch Nebenleistungs- oder Nebenpflicht (Rz. 3.36 ff.) sein können. 1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 15; ausführlich zu den allgemeinen Voraussetzungen einer Vertrauenshaftung Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2 (2016), 1, 20 ff. 2 Näher Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39. 3 Grundmann in Staub, HGB, 5. Aufl. 2016, Bd. 10/1, 2. Teil Rz. 1 f.; Bitter, WM 2007, 1953, 1955; Hopt in Baumbach/Hopt, Bankgeschäfte Rz. A 17. 4 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 40/94, WM 1996, 315, 316; OLG Stuttgart v. 12.1.2000 – 9 U 155/99, WM 2000, 292, 299. 5 Roth/Bachmann in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 241 BGB Rz. 103; Sutschet in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK, § 241 BGB Rz. 99.
Mülbert | 179
3.23
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
1. Spezialgesetzliche Verhaltens- und Schutzpflichten a) Informations-, Aufklärungs-, Beratungs- und Rechenschaftspflichten
3.24 Spezialgesetzliche Aufklärungspflichten finden sich insbesondere bei Rechtsbeziehungen
mit Verbrauchern (§ 13 BGB). So ist der Darlehensgeber bei einem Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 491a Abs. 1 BGB verpflichtet, den Darlehensnehmer nach Maßgabe des Art. 247 EGBGB vorab zu informieren (Rz. 5.73 ff.). Zudem muss der Darlehensgeber einem Verbraucher gem. § 491a Abs. 3 Satz 1 BGB vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags angemessene Erläuterungen geben, damit der Darlehensnehmer in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob der Vertrag dem von ihm verfolgten Zweck und seinen Vermögensverhältnissen gerecht wird (näher Rz. 5.147 ff.). Bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer individuelle Empfehlungen zu einem oder mehreren Geschäften erteilt, die im Zusammenhang mit einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag stehen (Beratungsleistungen), hat er den Darlehensnehmer gem. § 511 Abs. 1 BGB über die sich aus Art. 247 § 18 EGBGB ergebenden Einzelheiten in der dort vorgesehenen Form zu informieren. Vor Erbringung der Beratungsleistung hat sich der Darlehensgeber über den Bedarf, die persönliche und finanzielle Situation sowie über die Präferenzen und Ziele des Darlehensnehmers zu informieren, soweit dies für eine passende Empfehlung eines Darlehensvertrags erforderlich ist (§ 511 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Darlehensgeber hat dem Darlehensnehmer auf Grund dieser Prüfung ein geeignetes oder mehrere geeignete Produkte zu empfehlen oder ihn darauf hinzuweisen, dass er kein Produkt empfehlen kann. Näher zum Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag Rz. 5.373 ff.
3.25 § 504a Abs: 1 BGB verpflichtet den Darlehensgeber dazu, dem Darlehensnehmer eine Be-
ratung gem. § 504a Abs. 2 BGB anzubieten, wenn der Darlehensnehmer eine ihm eingeräumte Überziehungsmöglichkeit (§ 504 BGB) ununterbrochen über einen Zeitraum von sechs Monaten und durchschnittlich in Höhe eines Betrags in Anspruch genommen hat, der 75 Prozent des vereinbarten Höchstbetrags übersteigt. Näher Rz. 5.393 ff.
3.26 Im Wertpapiergeschäft bestehen spezialgesetzliche Informations-, Aufklärungs-, Beratungs-
und Rechenschaftspflichten in Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II). So enthalten die §§ 63 Abs. 6 und 7 WpHG Grundsätze für die Art und Weise der Informationserteilung (Mindeststandards) und Mindestvorgaben für die grundsätzlich zu erteilenden Informationen (Mindestinformationen) (näher Rz. 13.23 ff.). Zusätzliche Informationspflichten bestehen nach § 64 Abs. 1 WpHG1. § 63 Abs. 7 Satz 3 Nr. 2, Satz 4 WpHG, Art. 50 DelVO (EU) 2017/565 enthält dabei – in deutlicher Erweiterung gegenüber den Pflichten unter dem Regime der MiFID I – eine Pflicht zur Erteilung von Informationen über die Kosten und Nebenkosten (näher Rz. 13.41 ff.). Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben zudem ihren Kunden gem. § 63 Abs. 12 Satz 1 WpHG Rechenschaft in Form von Berichten über die erbrachten Dienstleistungen abzulegen (Rz. 13.64 ff.).
3.27 Besonders ausdifferenzierte und weitgehende Pflichten bestehen im Bereich der Anlage-
beratung und der Finanzportfolioverwaltung (näher Rz. 13.81 ff.). Im Rahmen der Anlageberatung muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. § 64 Abs. 2 WpHG Privatkunden rechtzeitig vor dem Abschluss eines Geschäfts über Finanzinstrumente ein Produktinformationsblatt überreichen2. § 64 Abs. 3 Satz 1 WpHG verpflichtet zur Berücksich1 Dazu Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 490. 2 Die Bestimmung stellt eine rein nationale Regelung dar und keine Umsetzung von Unionsrecht. S. Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 490.
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Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden | Teil 3
tigung bzw. Einholung von Kundenangaben, um sich ein umfassendes Bild von den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, seinen Anlagezielen, einschließlich seiner Risikotoleranz, und seinen finanziellen Verhältnissen, einschließlich seiner Fähigkeit Verluste zu tragen, zu machen (sog. Explorationspflicht) (näher Rz. 13.92 ff.). Um dem Kunden ein geeignetes Finanzinstrument empfehlen zu können, muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf der durch die Exploration geschaffenen Informationsgrundlage einen sog. Geeignetheitstest („suitability-test“) durchführen (Rz. 13.99 ff.) und eine Geeignetheitserklärung erstellen (§ 64 Abs. 4 WpHG, Art. 54 Abs. 12 DelVO (EU) 2017/565, BT 6 MaComp) (näher Rz. 13.105 ff.). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zur MiFID I kommt den aufsichtsrechtlichen Vorgaben (§§ 63 ff. WpHG) keine Einwirkung auf das privatrechtliche Schuldverhältnis zwischen Bank und Kunde zu1.
3.28
Neben den hier beispielhaft genannten bankspezifischen spezialgesetzlichen Informationspflichten können Informationspflichten auch aus anderen Spezialgesetzen, wie etwa dem Datenschutzrecht, erwachsen.
3.29
b) Sonstige Verhaltens- und Schutzpflichten Darlehensgeber sind vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gem. § 505a BGB (parallele Pflichten ergeben sich für Kreditinstitute auch aus § 18a KWG) dazu verpflichtet, die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers zu prüfen (Umsetzung der Verbraucherkredit- und der Wohnimmobilienkreditrichtlinie2). Der Darlehensgeber darf den Verbraucherdarlehensvertrag nur abschließen, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag keine erheblichen Zweifel daran bestehen und dass es bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag wahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird. Näher Rz. 5.160 ff.
3.30
3.31–3.32
Einstweilen frei. 2. Informations-, Aufklärungs-, Beratungs- und Rechenschaftspflichten als vertragliche Hauptleistungspflichten
Im Rahmen der Anlageberatung im Wertpapiergeschäft bildet die Figur eines stillschweigend geschlossenen Anlageberatungsvertrags seit dem Bond-Urteil3 das Herzstück des zivilrechtlichen Anlegerschutzes im Verhältnis zwischen Bank und Kunde. Obgleich das Konzept eines für die Bank praktisch unentrinnbar konkludent abgeschlossenen Beratungsvertrags einer kritischen Würdigung nicht standhält4, müssen seine Grundsätze als 1 BGH v. 17.9.2013 – XI ZR 332/12, AG 2013, 803; BGH v. 3.6.2014 – XI ZR 147/12 Rz. 41, NJW 2014, 2947; Ellenberger in FS Nobbe, 2009, S. 523, 534 f.; a.A. (Maximalharmonisierung mit Wirkung auch für das Zivilrecht) etwa Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 183 ff.; Mülbert, WM 2007, 1149, 1157; Mülbert in Ferrarini/Wymersch, Investor Protection in Europe, 2006, S. 299, 318 f. 2 Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2.2014, S. 34. 3 BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126. 4 Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2 (2016), 1, 49 f. m.w.N.
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3.33
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ständige Rechtsprechung des BGH von der Bankpraxis berücksichtigt werden. Eine ausführliche Darstellung zu den Pflichten aus dem Beratungsvertrag – die Stichworte lauten insbesondere anlage- und anlegergerechte Beratung, Zuwendungen, negativer Marktwert, Kontrahentenrisiko – findet sich bei Rz. 17.11 ff.
3.34 Unabhängig von der Figur des konkludenten Anlageberatungsvertrags steht es Bank und
Kunde frei, Hauptleistungspflichten zur Information, Aufklärung, Beratung und Rechenschaft der Bank individualvertraglich zu vereinbaren1.
3.35 Einstweilen frei. 3. Sonstige Verhaltens- und Schutzpflichten a) Informations-, Aufklärungs-, Beratungs- und Rechenschaftspflichten
3.36 Für die Bank bestehen ansonsten nur unter besonderen Umständen Aufklärungspflichten gegenüber ihren Kunden2. Bei der Vergabe von Krediten etwa ist die Bank grundsätzlich nicht verpflichtet, den Kunden über die Risiken der von ihm beabsichtigten Verwendung der Kreditvaluta aufzuklären3. Die Beurteilung seines Leistungsvermögens, also ob die aus dem Darlehensvertrag erwachsenden Verpflichtungen für ihn tragbar sind, muss der Kunde in eigener Verantwortung prüfen und persönliche Veränderungen sowie marktbedingte Risiken in seine Überlegungen miteinbeziehen4. Die Bank ist lediglich dazu verpflichtet, die Vertragsbedingungen zu erläutern und den Kunden über seine vertraglichen Verpflichtungen aufzuklären5.
3.37 Eine Aufklärungs- und Warnpflicht besteht allerdings ausnahmsweise, wenn ein beson-
deres Aufklärungs- und Schutzbedürfnis gegeben ist und Treu und Glauben einen Hinweis der Bank gebieten6. So hängt es maßgeblich von Zweck und Form des jeweiligen Geschäfts ab, ob eine Aufklärungspflicht seitens der Bank angenommen wird. Für den Bereich der Immobilienfinanzierung wurden von der Rechtsprechung vier Fallgruppen gebildet, bei denen die Bank als Kreditgeber über die Risiken der beabsichtigten Verwendung der Finanzierung aufzuklären hat7. So besteht eine Aufklärungspflicht der Bank in den Fällen, in denen die Bank ihre Rolle als Kreditgeber überschreitet, für den Kunden einen besonderen Gefährdungstatbestand schafft, sich in einen Interessenkonflikt begibt oder für sie erkennbar bezüglich der Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gegenüber ihren Kreditkunden einen konkreten Wissensvorsprung hat8. Diese typisierenden Fallgruppen wurden zwar ur1 Grundmann in Staub, HGB, 5. Aufl. 2016, Bd. 10/1, 2. Teil Rz. 31. 2 Für eine genauere Übersicht über Aufklärungspflichten bei verschiedensten Geschäften zwischen Bank und Kunde s. Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 12 ff. 3 BGH v. 17.12.1991 – XI ZR 8/91, WM 1992, 216, 217; Buck-Heeb, BKR 2015, 177; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 12, 17; Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 76 Rz. 126. 4 Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 14. 5 Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 12 ff. 6 BGH v. 11.2.1999 – IX ZR 352/97, WM 1999, 678, 679; BGH v. 17.12.1991 – XI ZR 8/91, WM 1992, 216, 217. 7 Näher hierzu von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 695 ff.; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2015, BankR I Rz. I 146 ff. 8 BGH v. 11.2.1999 – IX ZR 352/97, WM 1999, 678, 679; OLG München v. 4.9.2000 – 17 U 2317/ 00, WM 2001, 252 ff.; Olzen in Staudinger, Neubearb. 2009, § 241 BGB Rz. 470; von Heymann/ Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 695 ff.; Grundmann in Staub, HGB, 5. Aufl. 2016, Bd. 10/1 2. Teil Rz. 57 ff.; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 28 ff.
182 | Mülbert
Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden | Teil 3
sprünglich für die Finanzierung von Bauherren- und Erwerbermodellen entwickelt, kommen aber heute bei allen Kreditgeschäften zum Tragen1. Im Einlagengeschäft muss sich die Bank zwar grundsätzlich nicht um die Verwendung der Kontoguthaben durch den Kunden kümmern. Die Bank kann aber ausnahmsweise zur Aufklärung und Warnung verpflichtet sein, wenn sie diese Verwendung veranlasst hat und sie die besonderen Gefahren dieser Verwendung auf Grund eines konkreten Wissensvorsprungs besser kennt als der Kunde2. Auch kann es unter Umständen geboten sein, über die Folgen einer vorzeitigen Verfügung von Sparguthaben, wie beispielsweise über den Zinsverlust, zu belehren3. Bei der Eröffnung eines Gemeinschaftskontos für Eheleute mit Einzelverfügungsbefugnis (Oder-Konto) ist die Bank nicht gehalten, allgemein vor den Risiken zu warnen, die infolge eines etwaigen späteren Vertrauensmissbrauchs im Verhältnis zwischen den Eheleuten entstehen können4.
3.38
Bei der Hereinnahme von Kreditsicherheiten ist die Bank im Allgemeinen ebenfalls nicht verpflichtet, den Sicherungsgeber über die mit der Kreditsicherheit verbundenen Risiken zu informieren5. Es kann die Bank aber im Einzelfall ebenfalls eine Aufklärungs- bzw. Warnpflicht treffen. So kann es beispielsweise geboten sein, dass eine Bank, die auf eine Mithaftung eines nahen Angehörigen des Hauptschuldners nicht verzichten will, über das Risiko der Mithaftung aufklären muss, um sich später nicht dem Einwand der Sittenwidrigkeit ausgesetzt zu sehen, wenn sich die Mithaftung für den Angehörigen als ungewöhnlich belastend darstellt und als Interessenausgleich für die Bank offensichtlich unangemessen ist6. Sofern die Bank eine Verwertung der Sicherheit beabsichtigt, wird der Sicherungsgeber über die Art und Weise sowie über Zeit und Ort zu informieren sein7.
3.39
Einstweilen frei.
3.40
b) Sonstige Verhaltens- und Schutzpflichten Im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bestehen allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten nur in engen Grenzen. Die Kreditinstitute sind im Überweisungs-, Scheckeinziehungs- und Lastschriftverkehr lediglich zum Zwecke eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig8. Sie haben sich bereits wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern9. Ist jedoch der beauftragten Bank der unmittelbar bevorstehende Zusammenbruch des Zahlungsempfängers oder der Zusammenbruch von dessen Bank bekannt, so kann sie unter Umständen nach Treu und Glauben aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis verpflichtet sein, den Auftrag 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 20. BGH v. 19.10.1989 – III ZR 92/88, WM 1990, 98, 99. Vgl. BGH v. 20.11.1958 – VII ZR 4/58, WM 1959, 198, 199. OLG Düsseldorf v. 5.11.1995 – 16 U 19/95, WM 1996, 949, 951; Siol in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 44 Rz. 3. Vgl. BGH v. 22.10.1987 – IX ZR 267/86, NJW 1988, 3205 (Bürgschaft); Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 68 zur Bürgschaft. Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 76. Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 67. In diesem Sinne auch Grundmann in Staub, HGB, 5. Aufl. 2016, Bd. 10/1 2. Teil Rz. 66; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 44 Rz. 77. BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, WM 2008, 1252, 1253.
Mülbert | 183
3.41
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
nicht ohne vorherige Rückfrage beim Auftraggeber auszuführen, um diesen vor einem ersichtlich drohenden Schaden zu bewahren1.
3.42 Bei einer Hausüberweisung, bei der Überweisende und Empfängerin Kreditinstitute sind,
ist die Überweisungsbank ausnahmsweise verpflichtet, das überweisende Kreditinstitut vor Erteilung der Gutschrift auf dem Konto der Empfängerin darauf hinzuweisen, dass die Bankenaufsicht die Schließung der Empfängerbank für den Verkehr mit der Kundschaft angeordnet hat2. Auch kann im Überweisungsverkehr eine Warnpflicht bestehen, wenn die Bank ohne nähere Prüfung bei der normalen Bearbeitung auf Grund objektiv evidenter und massiver Verdachtsmomente den Verdacht einer Veruntreuung hegt3. Die Bank kann zudem im Einzelfall verpflichtet sein, durch geeignete Maßnahmen die Interessen ihres Kunden wahrzunehmen, wenn sich ihr der Verdacht aufdrängt, dass ein Vertreter seine Befugnisse in einer Weise missbraucht, die sich leicht zum Nachteil des Kontoinhabers auswirken könnte, so insbesondere, wenn die Bank ohne Sicherheiten erhebliche Kontoüberziehungen für das Konto einer GmbH zulässt, obschon sie darüber Kenntnis hat, dass die betreffende Gesellschaft noch nicht im Handelsregister eingetragen war4.
3.43 Die Verpflichtung aus dem Darlehensvertrag zur Interessenwahrung und Loyalität umfasst für die kreditgebende Bank zudem die Nebenpflicht, die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers weder durch Tatsachenbehauptungen noch durch Werturteile oder Meinungsäußerungen zu gefährden (Kirch/Deutsche Bank AG und Breuer)5. Dabei ist es nach der Rechtsprechung unbeachtlich, ob die Tatsachenbehauptungen wahr sind6. Äußerungen eines Organs der Bank sind dieser zuzurechnen (§ 31 BGB). Diese Haftung lässt sich im Ergebnis nur damit begründen, dass die zugrunde liegende Vertragsbeziehung als Kreditvertragsverhältnis gerade ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank darstellt7.
3.44 Ist Darlehensnehmer eine Gesellschaft, so besteht die vorgenannte Verpflichtung nur ge-
genüber dem Darlehensnehmer selbst, nicht aber gegenüber dem Gesellschafter oder bei einer bestehenden konzernmäßigen engen Verflechtung gegenüber Konzerngesellschaften. Der Darlehensvertrag ist insoweit mangels Leistungs- und Einwirkungsnähe nicht drittbezogen8. Gesellschafter und Konzerngesellschaften kommen mit der Hauptleistungspflicht der Kreditvergabe nur mittelbar in Berührung und haften nicht für die Erfüllung der Pflichten aus dem Kreditvertrag. Ohne eine Haftung für den Kredit fehlt die Grundlage für eine Begünstigung durch etwaige Schutzwirkungen aus dem Darlehensvertrag9. Einer Drittwirkung steht – jedenfalls bei Unternehmenseigenschaft des Gesellschafters – auch das konzernrechtliche Trennungsprinzip entgegen10.
3.45 Des Weiteren können entsprechende kreditgefährdende Äußerungen einen betriebsbezo-
genen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Darlehensnehmers darstellen und eine Haf1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588, 589 f. BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1410. BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, WM 2008, 1252, 1253. BGH v. 26.4.2004 – II ZR 120/02, WM 2004, 1237, 1238. BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380, 385. BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380, 385. Bitter, WM 2007, 1953, 1956 f. BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380, 386 f. Mülbert in Staudinger, Neubearb. 2015, § 490 BGB Rz. 234. BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380, 385; davor bereits Canaris, ZIP 2004, 1781.
184 | Mülbert
Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
tung aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Recht des Darlehensnehmers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begründen1.
III. Verhaltens- und Schutzpflichten des Kunden Gegenüber den allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank hat der Pflichtenkatalog des Bankkunden einen wesentlich geringeren Umfang. So ist der Kunde insbesondere zur unverzüglichen Mitteilung von Name, Anschrift oder einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht verpflichtet. Die vom Kunden erteilten Aufträge jeder Art müssen ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Auch ist die Bank auf eine etwaige Eilbedürftigkeit der Auftragsausführung besonders hinzuweisen. Mitteilungen der Bank hat der Kunde unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben. Im Übrigen hat der Kunde bei Ausbleiben der von ihm erwarteten Bankmitteilungen Nachricht zu geben. Diese Verhaltenspflichten und Obliegenheiten des Kunden sind in Nr. 11 AGB-Banken zusammengefasst (dazu Rz. 3.461 ff.).
3.46
Neben den in den AGB geregelten Verhaltenspflichten können für den Kunden auch Verhaltens- und Schutzpflichten nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bestehen. So ist der Kunde etwa gehalten, Gefahren vor Fälschungen, Verfälschungen oder anderen Manipulationen weitestgehend zu verhindern2.
3.47
3.48–3.100
Einstweilen frei.
3. Abschnitt: Allgemeine Geschäftsbedingungen (Kropf) Das Kreditgewerbe hat eine Vielzahl einheitlich verwendeter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) geschaffen. Die AGB sind eine wichtige rechtliche Grundlage für die Geschäftsverbindung mit den Bankkunden. Neben den gesetzlichen Regelungen bilden sie den Rechtsrahmen für die Beurteilung der einzelnen Bankgeschäfte. Für das private Bankgewerbe sind dies die AGB-Banken, für die weiteren Säulen der deutschen Kreditwirtschaft die AGB der Genossenschaftsbanken sowie die AGB-Sparkassen. Auf die AGB der anderen Gruppen wird im Rahmen dieser Darstellung eingegangen, wenn und soweit sie wesentlich abweichende Regelungen treffen.
3.101
I. AGB im Verhältnis Bank – Kunde 1. Regelungsbedürfnis Das Bankgeschäft ist durch das Angebot gleichartiger Dienstleistungen gekennzeichnet, das von einer Vielzahl von Kunden in Anspruch genommen wird. Typisches Merkmal des Bankgeschäfts ist somit der massenhafte Abschluss inhaltsgleicher Verträge. Für ein solches Massengeschäft empfiehlt sich die Verwendung eines standardisierten Vertragstextes, weshalb hierzu in der Bankpraxis Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet werden. AGB können damit die Abwicklung von Massenverträgen rationalisieren und vereinfachen, wodurch Rechtssicherheit und Berechenbarkeit hergestellt werden3. Zudem lassen 1 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380, 393 f. 2 Hopt/Roth in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 5761. 3 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB-Banken Rz. 21 ff.
Mülbert/Kropf | 185
3.102
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
sich durch die Verwendung von AGB bank- und kundenbezogene Risiken verteilen und begrenzen sowie die Vertragsbestimmungen rasch an veränderte wirtschaftliche und technische Entwicklungen anpassen.
3.103
Ein Bedürfnis nach einer AGB-mäßigen Regelung kann sich auch daraus ergeben, dass gesetzliche Regelungen für die verschiedenen Vertragstypen nicht ausreichend sind oder den praktischen Bedürfnissen nicht genügen. So ist das Bankgeschäft auch durch eine ständige Weiterentwicklung der Produkte und Innovationen gekennzeichnet, um einerseits einer geänderten Nachfrage und andererseits dem Wettbewerb Rechnung tragen zu können. Häufig enthält das Gesetz für solche neuen Leistungsangebote keine oder nur unzureichende Bestimmungen. An Stelle der fehlenden gesetzlichen Bestimmungen müssen daher AGB-mäßige Regelungen treten oder die bestehenden gesetzlichen Regelungen bedürfen einer Ergänzung durch AGB-Klauseln. Entsprechende Regelungsbedürfnisse können sich beispielsweise für die Nutzung neuer elektronischer Zugangswege des Kunden zur Bank ergeben1. Regelungsgenstand sind dabei insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Sorgfaltspflichten des Kunden und der Haftung. 2. Begriff der AGB a) Grundzüge
3.104
AGB sollen eine Vielzahl von gleichartigen Sachverhalten verbindlich regeln. Die AGBKlauseln werden daher wie Rechtsnormen in generalisierender und abstrahierender Form aufgestellt. Mit Rücksicht auf ihre Funktionsweise hat der BGH die AGB als eine fertig bereitliegende Rechtsordnung bezeichnet, die im Wege der rechtsgeschäftlichen Anerkennung durch den Vertragspartner Geltung erlangt2. Gleichwohl sind AGB nach herrschender Meinung keine Rechtsnormen im engeren Wortsinne, sondern bleiben ihrer Rechtsnatur nach generell-abstrakte Vertragsbestandteile3. Denn ihre Wirksamkeit setzt voraus, dass die Vertragsparteien ihre Geltung vertraglich vereinbart haben und der Vertragspartner des AGB-Verwenders sich den einseitig gestellten AGB rechtsgeschäftlich unterworfen hat.
3.105
Nach der Begriffsbestimmung des § 305 Abs. 1 BGB sind AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei, der Verwender von AGB, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Eine Vertragsbedingung ist eine Erklärung des Verwenders, die den Vertragsinhalt regeln soll. Diese Erklärung muss nach ihrem objektiven Wortlaut den Empfängern den Eindruck vermitteln, dass damit der Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden soll4. Dabei ist es unerheblich, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrages bilden oder in die Vertragsurkunde aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat5. Von der 1 Birkelbach, WM 1996, 2094. 2 BGH v. 19.1.1951 – I ZR 53/50, BGHZ 1, 83, 86; BGH v. 13.12.1968 – I ZR 62/67, WM 1969, 289, 290; BGH v. 4.5.1995 – I ZR 70/93, WM 1995, 1810, 1812. 3 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Einl. Rz. 39. 4 BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, WM 2005, 874, 875. 5 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 34 ff.; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB §§ 305 ff. BGB Rz. 1.
186 | Kropf
Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
Vertragsbedingung sind bloße tatsächliche Hinweise abzugrenzen, die nach ihrem objektiven Wortlaut nicht den Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses regeln1. Da nach der Legaldefinition des § 305 Abs. 1 BGB der Umfang der vorformulierten Vertragsbedingungen für den AGB-Begriff bedeutungslos ist, sind als AGB selbst solche Klauseln anzusehen, die aus nur wenigen Worten bestehen2. Ebenso ist die Schriftart nicht von Belang, weshalb AGB beispielsweise auch jeweils maschinen- oder handschriftlich in den Einzelvertrag aufgenommene Klauseln sein können3. Entscheidend ist, dass die gewünschte Regelung für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. Aus dem Merkmal der Vorformulierung lässt sich nicht auf die Notwendigkeit schriftlicher Fixierung der Bedingungen als Voraussetzung der AGB-Definition schließen4. Es ist daher ausreichend, dass die Vertragsbedingungen zum Zwecke künftiger wiederholter Einbeziehung in Vertragstexte „im Kopf des Verwenders“ gespeichert sind5. Von einer vorformulierten Klausel in diesem Sinne ist auch bei Klauseln mit ausfüllungsbedürftigen Leeräumen und deren Vervollständigung durch einen handschriftlichen Eintrag auszugehen, soweit der Verwender dies von vornherein in einem bestimmten Sinne ausfüllen wollte oder insoweit eine systematische Vorgehensweise des Verwenders gegeben ist6.
3.106
Nach diesem geltenden weiten AGB-Begriff haben bereits sämtliche kundenbezogene rechtsgeschäftliche Regelungen AGB-Charakter, sofern sie generell für das Kundengeschäft entwickelt wurden. Unter den AGB-Begriff können daher nahezu alle von der Bankpraxis entwickelten vorformulierten Klauseln für den Verkehr mit den Kunden sowie alle gegenüber den Kunden verwendeten Bankformulare fallen7. Für die Qualifikation als AGB genügt bereits, dass die Bank die Klauseln zur Verwendung für mehrere Rechtsgeschäfte konzipiert hat8. Gegenüber der früheren Rechtsprechung, wonach zum Nachweis des AGB-Charakters tatsächlich durchgeführte Verwendungsfälle gegeben sein mussten9, genügt nach jüngerer Rechtsprechung allein die Absicht der Mehrfachverwendung. Dabei wird eine beabsichtigte dreimalige Verwendung als ausreichend angesehen10. Hierfür ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen11. Schon in diesem Fall kann ein Interesse des Verwenders an einer einheitlichen Ausgestaltung der Verträge mit dem Kunden unterstellt werden. Die §§ 305 ff. BGB gelten bereits im 1. Verwendungsfall der Bedingungen12. Ist, wie es in der Praxis regelmäßig der Fall sein wird, der vorformulierte Text
3.107
1 Vgl. auch BGH v. 13.7.2008 – VIII ZR 348/06, WM 2008, 1941, 1945 f. 2 Z.B. „Zahlung ohne jeglichen Abzug“ oder „Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Zahlung“, Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 37. 3 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305 BGB Rz. 16; Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305 BGB Rz. 23. 4 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 20. 5 BGH v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, WM 1999, 1067. 6 Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305 BGB Rz. 15; vgl. auch Coester in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 307 BGB Rz. 528 (in Bezug auf Laufzeitklauseln). 7 Vgl. BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875 zu dem AGB-Charakter der früheren Fakultativklausel auf Überweisungsvordrucken; OLG Brandenburg v. 13.11.2001 – 11 U 53/01, WM 2002, 171, 175 zu dem AGB-Charakter der Kontoeröffnungsformulare. 8 Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305 BGB Rz. 19. 9 BGH v. 11.10.1984 – VII ZR 248/83, WM 1984, 1610, 1612. 10 BGH v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, WM 2004, 794, 795; BGH v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, WM 2001, 2352. 11 BGH v. 13.9.2001 – VII ZR 487/99, WM 2001, 2346, 2347. 12 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305 BGB Rz. 9.
Kropf | 187
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
für eine unbestimmte Zahl künftiger Verwendungen bestimmt, so ist das Merkmal der Vielzahl bereits deshalb erfüllt und es kommt nicht darauf an, in wie viele Rechtsgeschäfte der vorformulierte Text de facto Eingang gefunden hat1.
3.108
Nach dem Schutzzweck des AGB-Rechts, die einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit durch eine Vertragspartei zu verhindern, ist nicht die Anzahl der Vertragspartner, sondern die Anzahl der Verträge maßgeblich, weshalb die Absicht einer Vielfachverwendung auch gegenüber nur einem Vertragspartner vorliegen kann2. Ob sich die Absicht einer mehrfachen Verwendung aus dem Rationalisierungsinteresse eines jeden Unternehmens ableiten lässt, Vertragsklauseln mehrfach zu verwenden3, ist fraglich, zumal diese Absicht als innere Tatsache nicht ohne weiteres erkennbar ist, sich regelmäßig nur durch Indizien erschließt und daher unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände zu prüfen ist4. Bei Dritt-AGB wird die Absicht der Mehrfachverwendung als Voraussetzung für das Vorliegen von AGB nicht gefordert5. Der BGH betont insoweit, dass eine Absicht eine Klausel mit dem konkreten Inhalt mehrfach zu verwenden nicht erforderlich sei, sondern vielmehr AGB auch dann vorliegen, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen formuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, welche die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Fall verwenden will6.
3.109
Ebenso in den Schutzbereich des AGB-Rechts können solche vorformulierten Klauseln fallen, die nicht im engeren Sinne Vertragsbedingungen sind, sofern sie im Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung stehen. So sind die Regelungen der §§ 305 ff. BGB mit Blick auf ihren Schutzzweck auch auf eine vom Verwender formulierte einseitige Erklärung des anderen Teils anzuwenden, beispielsweise eine formularmäßige Einwilligungserklärung in die Speicherung und Nutzung kundenbezogener Daten zum Zwecke der Werbung und der Marktforschung7. Entscheidend ist, dass der AGB-Verwender auch bei einseitig von ihm vorformulierten Erklärungen des Kunden einseitig rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht für sich in Anspruch nimmt und hieraus ein Schutzbedürfnis für den anderen Vertragspartner erwächst8. Gleiches gilt für individuell ausgehandelte Regelungen, die als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet sind und gegenüber mehreren Dritten gelten. Dies kann z.B. für einen in einem Emissionsprospekt einer Fondsgesellschaft abgedruckten Mittelverwendungskontrollvertrag, der als ein dem Schutz des Anlegers dienender Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet ist und zwischen Fondsgesellschaft und Mittelverwendungskontrolleur geschlossen wurde, der Fall sein9. Dabei kann der Anleger in gleicher Weise den vorformulierten Bedingungen des Drittschutzes ausgeliefert sein wie bei einem unmittelbaren Vertragsschluss mit dem Schuldner. 1 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 24 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 2 BGH v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, WM 2004, 794, 795. 3 So von Westphalen, NJW 2002, 1688. 4 BGH v. 23.9.1996 – VII ZR 318/95, WM 1997, 126, 127. 5 BGH v. 23.5.2005 – VII ZR 277/04, ZIP 2005, 1604; BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, WM 2010, 725; BGH v. 23.8.2016 – VIII ZR 23/16, NJW-RR 2017, 137; von Westphalen, NJW 2017, 2237. 6 BGH v. 23.8.2016 – VIII ZR 23/16, NJW-RR 2017, 137. 7 BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 12/08, WM 2010, 233, 234; BGH v. 13.7.2008 – VIII ZR 348/06, WM 2008, 1941, 1943; LG Berlin v. 18.11.2009 – 4 O 89/09, RDV 2010, 88. 8 Wahl, WRP 2010, 599, 601; OLG Köln v. 29.4.2009 – 6 U 218/08, RDV 2010, 37, 38; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Einl. BGB Rz. 48. 9 BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, WM 2009, 2363, 2365; hierzu Müller-Christmann, juris PRBKR 3/2010, Anm. 1.
188 | Kropf
Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
Eine bankinterne Anweisung ist keine Vertragsbedingung, welche die Bank ihren Kunden stellt. Es fehlt bereits an einer Bekanntgabe gegenüber dem Bankkunden. Allerdings ist das AGB-Recht anwendbar, wenn mit der Anweisung eine inhaltsgleiche als AGB unwirksame Regelung umgangen werden soll (§ 306a BGB)1. Denn ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB eröffnet gleichermaßen die Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB, wenn die Bank mit einer internen Anweisung bei gleicher Interessenlage dasselbe Ergebnis wie mit einer unwirksamen AGB-Regelung verfolgt, um damit eine gerichtliche AGBrechtliche Überprüfung zu verhindern2.
3.110
Die AGB müssen von einer Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages gestellt werden, § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Tatbestandsmerkmal des Stellens ist erfüllt, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei oder ihres Abschlussgehilfen in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsschluss verlangt werden3. Nach dem Zweck der §§ 305 ff. BGB soll der Vertragspartner des Verwenders von AGB vor einer einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit geschützt werden, denn dieser kann mit Blick auf die einseitige Auferlegung einer vorformulierten Vertragsbedingung gewöhnlich keinen Einfluss auf deren Ausgestaltung nehmen4. Der einseitige Wunsch einer Partei, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden, ist grundsätzlich ausreichend5. Nicht erforderlich für das Stellen von Vertragsbedingungen ist ein Ungleichgewicht zwischen den Vertragsbeteiligten hinsichtlich der vertraglichen Durchsetzungsmacht, so dass Verwender i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB auch eine Vertragspartei sein kann, die der anderen weder wirtschaftlich noch sonst überlegen ist6. Die Einbeziehung der vorformulierten Bedingungen muss daher einer Vertragspartei zugerechnet werden können7. Es ist für die Frage, wer die Vertragsbedingungen gestellt hat und damit als Verwender anzusehen ist, allerdings nicht maßgeblich, wer die Geschäftsbedingungen entworfen hat. Sind die Bedingungen von einem Dritten vorformuliert, kommt es entscheidend darauf an, ob sich eine Vertragspartei die Bedingungen deshalb als von ihr gestellt zurechnen lassen muss, weil die Einbeziehung in die Vertragsverhandlungen auf ihre Initiative zurückgeht und sie die Verwendung zum Vertragsschluss verlangt hat8. Dies kann vor allem im Bereich der Förderkredite relevant sein, da durch die vertragliche Aufforderung gegenüber dem Kreditnehmer die Förderbedingungen als Bestandteil der Kreditzusage verbindlich anzuerkennen, von der Hausbank zum Ausdruck gebracht werde, dass sie die für das Förderprogramm einheitlich geltenden Bedingungen in dem Vertragsverhältnis zwischen Hausbank und Kreditnehmer unter Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht zur Vertragsgrundlage erhebe und eine Wahlmöglichkeit des
3.111
1 BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, WM 2005, 874, 875 für eine interne Anweisung an Stelle einer unzulässigen und unwirksamen Entgeltklausel oder Schadenspauschale in AGB bzgl. einer Gebühr bei Rückgabe einer Lastschrift mangels Deckung. 2 BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, WM 2005, 874, 876. 3 BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, WM 2016, 668; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, WM 2014, 1224. 4 Vgl. BT-Drucks. 7/3919, 15 f. 5 BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, WM 2016, 668; BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, WM 2010, 725. 6 BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, WM 2010, 725, Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305 BGB Rz. 10; Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 23. 7 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 26; Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305 BGB Rz. 21. 8 BGH v. 28.3.2016 – XI ZR 319/14, juris; BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, WM 2016, 668.
Kropf | 189
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Kreditnehmers ausschließe1. Ein Stellen von vorformulierten Vertragsbedingungen des Verwenders beruht somit auf dem Ausnutzen seiner einseitigen Gestaltungsmacht. Ein Stellen in diesem Sinne liegt daher nicht vor, wenn der Einbeziehung der Vertragsbedingungen eine freie Entscheidung des Vertragspartners zugrunde liegt, der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird, in der Auswahl der potentiellen Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen2. Allein durch die Frage nach „Anmerkungen und Änderungswünschen“ wird nach der Rechtsprechung des BGH den vorgenannten Anforderungen noch nicht Genüge getan, so dass es an der Eigenschaft als Klauselverwender nichts ändert, dass die andere Vertragspartei von einer etwaigen Verhandlungs- und Gestaltungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat3.
3.112
Die in der Bankpraxis verwendeten AGB können in folgende Kategorien eingeteilt werden. Die sog. Grund-AGB, die vor allem die grundsätzlichen Rechte und Pflichten des Kunden und der Bank der auf Dauer angelegten Geschäftsverbindung regeln sollen. Die zweite Kategorie von AGB bildet eine Reihe von Sonderbedingungen, die von der Bankpraxis für spezielle Produkt- und Geschäftsbereiche im Laufe der Zeit entwickelt worden sind. Dies gilt z.B. für Sparkonten, Kreditkarten, den Scheckverkehr, das Wertpapiergeschäft oder die Vermietung von Schrankfächern4. Diese Sonderbedingungen enthalten Ergänzungen oder Abweichungen von den Grund-AGB. Eine dritte Kategorie von AGB bilden die Bankformulare mit relevanten Regelungen der Rechtsbeziehungen zwischen Bank und Kunden. Denn die für die Abwicklung des Massenverkehrs gebotene Rationalisierung und weit gehende Standardisierung erfordern eine weitestmögliche formularmäßige Erfassung des Geschäftsverkehrs mit den Kunden. Schließlich sind auch solche Klauseln AGB, die außerhalb von Formularvordrucken entwickelt werden, um bei Bedarf mit dem Kunden vereinbart zu werden. b) AGB vs. Individualabrede
3.113
Nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegen AGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt werden. Aushandeln ist mehr als Verhandeln5. Voraussetzung ist stets, dass ein ergebnisbezogenes Aushandeln „im Einzelnen“ des formulierten Textes der AGB, nicht aber nur ein tätigkeitsbezogenes Verhandeln vorliegt6. Das Erfordernis des Aushandelns kann nach der Rechtsprechung des BGH nur bejaht werden, wenn der Verwender den in seinen AGB-Klauseln enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem anderen Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung der eigenen Interessen einräumt7. Die allgemein geäußerte Bereitschaft des Verwenders, belastende Klauseln abzuändern, genügt nicht8. Der BGH hat in den letzten Jahren die Anforderungen an ein Aushandeln weiter präzisiert bzw. verschärft. Der Vertrags1 BGH v. 28.3.2016 – XI ZR 319/14, juris. 2 BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, WM 2010, 725, 728; BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, WM 2016, 668; BGH v. 28.3.2016 – XI ZR 319/14 – juris; von Westphalen, ZIP 2010, 1110 ff. 3 BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, WM 2016, 668. 4 Übersicht bei Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGBBanken Rz. 4. 5 von Westphalen, NJW 2009, 2977, 2981. 6 von Westphalen, NJW 2016, 2228. 7 BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, WM 2005, 1373, 1375. 8 BGH v. 28.7.2015 – XI ZR 434/15, WM 2015, 1704; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, WM 2017, 1652.
190 | Kropf
Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
partner muss zumindest die reale Möglichkeit haben, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen1. Durch diese Einflussnahme auf die Vertragsgestaltung soll eine in Bezug auf die Vertragsfreiheit hinreichende Vertragsparität gewährleistet werden2. Hierfür genügt es nicht, dass der Verwender dem Kunden lediglich freistellt, ob dieser die AGB annimmt oder nicht gegen sich gelten lassen will. Der Verwender muss sich vielmehr deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären3. Ein Aushandeln setzt zudem voraus, dass erkennbar wurde, dass der Vertragspartner des Verwenders deren Sinn wirklich verstanden hat4. Zwar kann eine vorformulierte Vertragsbedingung ausgehandelt sein, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat. Dazu genügt es nach Ansicht des BGH aber nicht, dass der andere Vertragsteil lediglich die Wahl zwischen bestimmten, von der anderen Seite vorgegebenen Formularalternativen hat. Erforderlich ist vielmehr, dass er, wenn er schon auf die inhaltliche Gestaltung des vorgeschlagenen Formulartextes keinen Einfluss nehmen konnte, in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen5. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob der Klauselverwender für jede der Alternativen ein gesondertes Formular benutzt, alle Alternativen in einem Formular abdruckt und den Kunden die gewünschte Klausel kennzeichnen lässt oder die Wahl zwischen mehreren vorgegebenen Alternativen durch Eintragung in dafür vorgesehene Leerräume des Formulars erfolgt6. Wie der BGH betont, gelten diese Anforderungen auch im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern7. Regelmäßig wird jedenfalls bei erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes von einem Aushandeln auszugehen sein8. Allerdings ist selbst bei Änderungen des Textes zu beachten, dass die entsprechende Klausel ihren Charakter als AGB nur dann verliert, wenn die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgt, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln9. Diese Anforderung ist nicht erfüllt, wenn der Verwender auch nach Vertragsschluss dem Vertragspartner keine Gestaltungsfreiheit eingeräumt, den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel nicht zur Disposition gestellt hat und die Parteien auf dieser Grundlage eine Einigung finden, mit der die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wird10. Selbst bei einer Modifizierung der Vertragsklausel liegt ein Aushandeln noch nicht vor, wenn die für den Vertragspartner des Verwenders nachteilige Wirkung der Klausel im Zuge von Verhandlungen zwar abgeschwächt, der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel vom Verwender jedoch 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BGH v. 22.10.2015 – VII ZR 58/14, MDR 2016, 10. von Westphalen, NJW 2009, 2977, 2981. BGH v. 23.3.2015 – VII ZR 92/14, WM 2015, 867. Hierzu von Westphalen, NJW 2006, 2228, 2228 f.; BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, WM 2005, 1373, 1375. BGH v. 15.2.2017 – IV ZR 91/16, WM 2017, 517; BGH v. 13.3.2018 – XI ZR 291/16, WM 2018, 1046. BGH v. 13.3.2018 – XI ZR 291/16, WM 2018, 1046. BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, WM 2017, 1652. BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, WM 2000, 629, 632; von Westphalen, NJW 2009, 2977, 2981 f.; kritisch hierzu Müller/Griebeler/Pfeil, BB 2009, 2658, 2660 für den unternehmerischen Verkehr. BGH v. 23.3.2015 – VII ZR 92/14, WM 2015, 867. BGH v. 7.3.2013 – VII ZR 162/12, WM 2013, 1905; BGH v. 23.3.2015 – VII ZR 92/14, WM 2015, 867.
Kropf | 191
3.114
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
nicht ernsthaft zur Disposition gestellt wird1. Zu beachten ist, dass auch bei einer unveränderten Übernahme vorformulierter Bedingungen ggf. die Annahme gerechtfertigt sein kann, dass der Kunde eine autonome Entscheidung über den Inhalt des Vertrages getroffen hat. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BGH allenfalls unter besonderen Umständen ein unveränderter Vertragstext dann als Ergebnis eines „Aushandelns“ gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt bzw. der andere Teil nach gründlicher Erörterung von der Sachgerechtigkeit der Regelung überzeugt wird und ihr zustimmt2. Ausreichend mag es daher sein, wenn die Tatsache der unveränderten Übernahme einer Vertragsklausel im Gegenzug zu anderweitigen Verbesserungen der Vertragsgestaltung zugunsten des Vertragspartners geführt hat3. So mag dies auf Tatsachenebene der Umstand kontinuierlicher, über einen längeren Zeitraum andauernder Vertragsverhandlungen nahelegen4. Dasselbe gilt, wenn der Kunde Textvorschläge in die Verhandlungen einbringen konnte, um effektiv seine Interessen durchsetzen zu können5. Soweit nach diesen Grundsätzen eine Individualabrede vorliegt, bleibt hiervon der AGB-Charakter der übrigen Klauseln unberührt, da eine Ausstrahlungswirkung von der Änderung zentraler Klauseln auf den Charakter der nicht in die Verhandlungen einbezogenen Teile nicht besteht6. Umgekehrt können auch einzelne Klauseln in sonst individuell gestalteten Verträgen AGB sein7. Für die Bankpraxis empfiehlt sich zudem eine Dokumentation der Vertragsverhandlungen zum Nachweis eines Aushandelns8.
3.115
Da vorformulierte Klauseln insbesondere der Rationalisierung im Sinne einer möglichst einheitlichen Abwicklung der einzelnen Bankgeschäfte dienen und dieser Rationalisierungszweck durch Modifizierung der AGB-Klauseln im Einzelfall gefährdet oder vereitelt würde, kommt bei derartigen Massengeschäften ein Aushandeln faktisch nicht in Betracht9. Denn hierzu müsste die betreffende Klausel in jedem Einzelfall erkennbar gegenüber dem potentiellen Kunden inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt werden10. Da ein Aushandeln zwischen den Vertragspartnern erfolgen muss, fallen kollektiv auf Verbandsebene ausgehandelte Klauseln nicht unter § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB11.
3.116
Ergänzend zu § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB regelt § 305b BGB den Vorrang der Individualabrede. Anders als bei im Einzelnen ausgehandelten Vertragsbedingungen gilt dieser Vorrang mit Blick auf dessen Schutzzweck auch für solche Abreden, die nicht die Begriffsvoraussetzungen von AGB nach § 305 BGB erfüllen12. Ein Vorrangverhältnis kann nur be1 BGH v. 22.10.2015 – VII ZR 58/14, MDR 2016, 10. 2 BGH v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856; BGH v. 23.3.2015 – VII ZR 92/14, WM 2015, 867. 3 BGH v. 23.3.2015 – VII ZR 92/14, WM 2015, 867. 4 von Westphalen, BB 2010, 195, 197 f.; vgl. auch differenzierend Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, 309, 314. 5 von Westphalen, ZIP 2010, 1110, 1112 f. 6 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 55. 7 BGH v. 23.9.1996 – VII ZR 318/95, WM 1997, 126, 127; Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 33. 8 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB §§ 305 ff. BGB Rz. 5. 9 von Westphalen, NJW 2002, 1688, 1689; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Aufl. 2017, § 5 Rz. 7. 10 LG Köln v. 4.7.2001 – 26 O 87/00, WM 2001, 1946, 1947. 11 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305 BGB Rz. 18. 12 Lapp in jurisPK-BGB, 3. Aufl. 2006, § 305b BGB Rz. 8.
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stehen, wenn sowohl die individuelle Abrede wie auch die AGB wirksam vereinbart worden sind. Besteht demgegenüber ein Widerspruch einzelner Klauseln innerhalb des AGBWerkes, ist § 305c Abs. 2 BGB anwendbar, wonach Zweifel bei der Auslegung von AGB zu Lasten des Verwenders gehen. Individualvereinbarungen, die erst nach Vertragsschluss zustande gekommen sind, haben ebenso Vorrang1. Somit ist ohne Belang, ob die Abweichung zwischen AGB-Inhalt und Individualabrede schon bei Vertragsschluss vorhanden war oder sich erst auf Grund späterer individueller Änderung oder Ergänzung des Vertrags ergab2. Es ist überdies unerheblich, ob diese individuelle und die AGB verdrängende Willenserklärung des AGB-Verwenders schriftlich, mündlich, ausdrücklich oder auch stillschweigend abgegeben wurde3. Der Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede erfordert keineswegs, dass zwischen dem AGB-Verwender und seinem Vertragspartner ausdrücklich oder zumindest stillschweigend eine solche vorrangige Individualabrede getroffen worden ist. Nach allgemeiner Meinung bestehen keine Bedenken, das Vorrangprinzip analog auch auf solche Fälle anzuwenden, in denen nur einseitige individuelle Erklärungen des Verwenders mit dem Inhalt seiner AGB in Widerspruch stehen. Auch hier hat die spezielle Erklärung Vorrang gegenüber der generellen Erklärung4.
3.117
3. Einbeziehung in die bankmäßige Geschäftsverbindung a) Einbeziehungsvoraussetzungen Voraussetzung für die Geltung der AGB ist deren wirksame Einbeziehung in das Vertragsverhältnis. Dies erfolgt durch die sog. Einbeziehungsvereinbarung gem. § 305 Abs. 2 BGB. Danach werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrages, wenn die Bank als Verwender bei Vertragsschluss die – nicht unternehmerisch tätigen – Kunden (vgl. § 310 Abs. 1 BGB) auf die AGB hinweist, die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme verschafft und die Kunden mit der Geltung einverstanden sind. Diese Einbeziehung stellt kein besonderes Rechtsgeschäft dar, sondern ist Teil des jeweiligen Vertrages. Für die Anwendung des § 305 Abs. 2 BGB ist kein Raum, wenn das Rechtsgeschäft unter Verwendung eines Formularvertrages abgeschlossen wird, der in seinem Text sämtliche Vertragsbedingungen enthält und deshalb selbst den gesetzlichen Begriff der AGB erfüllt, im Übrigen aber weitere einzubeziehende Vertragsbedingungen außerhalb des Vertragsformulars nicht gegeben sind5.
3.118
Weitere Einbeziehungsvoraussetzung ist ein ausdrücklicher Hinweis auf die Geltung der AGB. Hierfür bedarf es nicht zwingend der Schriftform. Ein schriftlicher Hinweis muss aber so angeordnet und gestaltet sein, dass ein Durchschnittskunde diesen auch bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit und flüchtiger Betrachtung nicht übersehen kann6. Ein Hinweis auf die AGB in einem Formularvertrag ist regelmäßig hinreichend7. Dabei müssen die einzubeziehenden AGB konkret und zweifelsfrei bezeichnet sein.
3.119
1 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, WM 2005, 2406, 2407; Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305b BGB Rz. 37. 2 Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305b BGB, Rz. 13. 3 Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305b BGB Rz. 5. 4 Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305b BGB Rz. 10a. 5 BGH v. 27.10.1994 – IX ZR 168/93, WM 1994, 2274, 2275. 6 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB §§ 305 ff. BGB Rz. 11. 7 Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305 BGB Rz. 66.
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3.120
Des Weiteren muss dem Kunden möglich sein, in zumutbarer Weise von dem Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Der Vertragspartner soll sich vor Vertragsabschluss mit den AGB vertraut machen können, um die Rechtsfolgen und Risiken eines Vertragsabschlusses abschätzen zu können1. Die konkreten Anforderungen an die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme sind von dem jeweiligen Kommunikationsmittel zwischen Bank und Kunde abhängig. So ist im Präsenzgeschäft neben dem Hinweis auf die Geltung der AGB ausreichend, dass diese zur jederzeitigen Einsichtnahme für den Kunden ausliegen. Eine Aushändigung des AGB-Textes ist nicht erforderlich. Anderes gilt für den Vertragsschluss unter Abwesenden wie beispielsweise mittels Brief oder Internet. Die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme besteht hier nur, wenn dem Kunden vor Vertragsabschluss die betreffenden Bedingungen tatsächlich verfügbar sind, weil sie ihm beispielsweise übermittelt wurden2. Der Hinweis, der AGB-Text könne im Geschäftslokal des Verwenders eingesehen werden oder das Angebot, den AGB-Text auf Anfordern kostenlos zu übersenden, sind nicht hinreichend3.
3.121
Bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern über Finanzdienstleistungen bestehen für Banken bestimmte Informationspflichten nach Maßgabe von § 312d Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246b EGBGB, die vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu erfüllen sind. Die Einbeziehung von AGB in einen solchen Verbrauchervertrag richtet sich allerdings allein nach § 305 BGB4. Die Einhaltung der vorvertraglichen Informationspflichten nach § 312d Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246b EGBGB ist zur Einbeziehung der AGB weder erforderlich noch ausreichend, wobei allerdings die Verletzung einer vorvertraglichen Informationspflicht unter Umständen zur Anwendung von § 305c BGB führen kann5.
3.122
Bei einem Vertragsschluss über das Internet ist für die Möglichkeit der Kenntnisverschaffung ausreichend, wenn die AGB über einen auf der Bestellseite gut sichtbaren Link aufgerufen und ausgedruckt werden können. Denn eine Verlinkung gehört zu den in dem Internet-Medium üblichen Gepflogenheiten, weshalb der Verwender von AGB davon ausgehen darf, dass Verbraucher, die sich zum Zwecke des Vertragsabschlusses dieses Mediums bedienen, mit entsprechenden Links ohne weiteres umgehen können6. Das Aufrufen eines entsprechenden Links entspricht einem Weiterblättern bei einer mehrseitigen gedruckten Unterlage7. Der Hinweis auf die AGB muss für eine wirksame Einbeziehung zumindest derart gestaltet sein, dass er aufgrund seiner Anordnung von einem Durchschnittskunden auch bei flüchtiger Betrachtung nicht übersehen werden konnte8. Ebenso zulässig und wirksam, wenn auch nicht zwingend erforderlich, ist die Einbeziehung von AGB über das sog. click wrapping9. Dabei wird der Vertragspartner bei einem auf elektronischen Wege geschlossenen Vertrag dazu aufgefordert, die verlinkten Bedingungen durch Ankreuzen ei1 BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 12/08, WM 2010, 233, 237. 2 von Westphalen, NJW 2009, 2355, 2356. 3 Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305 BGB Rz. 66; Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305 BGB Rz. 31. 4 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 312d BGB Rz. 4. 5 Wendehorst in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 312d BGB Rz. 13; Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 312d BGB Rz. 4. 6 BGH v. 14.3.2006 – I ZR 75/03, BB 2006, 1990, 1991. 7 Härting, Internetrecht, 6. Aufl. 2017, Rz. 375. 8 LG Essen v. 13.2.2004 – 16 O 416/02, NJW-RR 2003, 1207; Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305 BGB Rz. 33. 9 BGH v. 28.10.2014 – X ZR 79/13, WM 2015, 639; EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-3322/14, EuGH v. 21.5.2015 – C-322/14, BB 2015, 2830; Mann, BB 2017, 2178.
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nes entsprechenden Kästchens zu akzeptieren, da ohne eine Einverständniserklärung zu den AGB die Vertragserklärung nicht abgegeben werden kann. Diese Vorgehensweise bietet den Vorteil, dass hierdurch einerseits dem Hinweiserfordernis des § 305 Abs. 2 Nr. 1 AGB genüge getan und im Übrigen Einverständnis des Vertragspartners mit der Geltung der AGB gem. § 305 Abs. 2 letzter Halbs. BGB eingeholt wird1. Überdies ist dieses Verfahren aus Beweisgründen empfehlenswert. Es kann es für eine wirksame Einbeziehung der AGB auch genügen, wenn diese als Bildschirmtext eingeblendet werden, soweit es sich um relativ kurze Texte handelt, die übersichtlich und klar gegliedert sind und sich problemlos abrufen lassen2. Allerdings bedarf es auch in diesem Fall eines gut sichtbaren Links, sofern nicht die AGB ohne weiteres Zutun des Vertragspartners eingeblendet werden3. Die Kenntnisnahmemöglichkeit setzt Verständlichkeit und Lesbarkeit des Inhalts voraus. Die AGB müssen den Kunden daher in lesbarer Form zugänglich gemacht werden. Die Grenze des Zumutbaren wird überschritten, wenn die AGB wegen Art oder Größe des Schriftbildes nur mit Mühe, beispielsweise nur mit Hilfe einer Lupe, entziffert werden können4. Dabei ist regelmäßig zu berücksichtigen, dass AGB wegen ihrer Komplexheit erhöhte Anforderungen an Konzentration und Verständnis stellen. Bei der Verwendung extrem kleiner Drucktypen ist daher der Verdacht nicht fernliegend, die Gestaltung solle den Kunden bewusst von einem Lesen abhalten5. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Lesbarkeit können neben der Größe des Schriftbildes auch Farbe, Helligkeit des Untergrundes, drucktechnische Sauberkeit und Hintergrundgestaltung, Zeilenanordnung, Papierbeschaffenheit, die Verwendung einer Gliederung oder die gegenüber der Bedeutung des Geschäfts unverhältnismäßige Textlänge sein6. Bei der Verwendung von kleinen Buchstabentypen kann beispielsweise durch ein klares und ggf. farbstarkes Druckbild, fett gedruckte und gut wahrnehmbare Überschriften und größere Zeilenabstände zwischen den Absätzen einzelner Klauseln der Gefahr eines insgesamt verschwommenen Bildes der AGB-Abbildung entgegengewirkt werden7. Dies zeigt, dass sich die Grenzen zwischen Lesbarkeit und Intransparenz nicht in jedem Fall trennscharf bestimmen lassen8.
3.123
Die vorgenannten Einbeziehungsvoraussetzungen sind auch gegenüber sprachunkundigen ausländischen Kunden zu beachten9. Das Verständnis deutschsprachiger AGB kann zwar für sprachunkundige Kunden mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Daraus kann aber nach dem BGH nicht gefolgert werden, dass der Verwender ihnen in solchen Fällen eine Übersetzung zur Verfügung stellen müsste10. Entscheidend ist vielmehr, wel-
3.124
1 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 149a. 2 OLG Köln v. 21.11.1997 – 19 U 128/97, NJW-RR 1998, 1277; Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305 BGB Rz. 36; Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 149a. 3 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 149a. 4 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016 § 305 BGB Rz. 154. 5 LG Köln v. 21.1.2009 – 18 O 351/08, juris = BeckRS 2009, 06841. 6 Vgl. auch BGH v. 13.5.1987 – I ZR 68/85, NJW 1988, 767, 768; BGH v. 3.2.1986 – II ZR 201/ 85, WM 1986, 678 f. 7 OLG Saarbrücken v. 12.3.2008 – 8 U 380/07, BB 2008, 2649, 2650 f. bzgl. 1 mm Zeilenhöhe; vgl. auch für die Darstellung der AGB-Banken BGH v. 14.7.2009 – XI ZR 152/08, WM 2009, 1647, 1649. 8 Ayad, BB 2008, 2651. 9 BGH v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82, WM 1983, 527, 528; OLG München v. 20.3.1975 – 24 U 314/74, WM 1976, 45, 48; LG Köln v. 13.4.1986 – 10 O 10/86, WM 1986, 821, 822. 10 BGH v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82, WM 1983, 527, 528.
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cher Sprache sich die Parteien im Rahmen ihrer rechtsgeschäftlichen Beziehungen bedienen. Wählen sie die deutsche Sprache als Verhandlungs- und Vertragssprache, so akzeptiert der ausländische Partner damit den gesamten deutschsprachigen Vertragsinhalt einschließlich der zugrunde liegenden AGB. Denn wer sich auf einen Vertragsschluss in einer fremden Sprache einlässt, trägt grundsätzlich das Verständigungs- oder Sprachrisiko1. Der Kunde muss sich letztlich so behandeln lassen, wie jemand, der einen Vertrag bewusst nicht liest, diesen aber dennoch unterzeichnet. Daher muss der Kunde auch einen nicht zur Kenntnis genommenen Text der Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen2. Soweit die Bank eine fremdsprachige Fassung der AGB als Lesehilfe zur Verfügung stellt, handelt es sich dabei um eine bloße freiwillige Serviceleistung, auf die der Kunde keinen Anspruch hat.
3.125
Eine andere Beurteilung der Voraussetzungen für eine wirksame Einbeziehung von in deutscher Sprache verfassten AGB kann dann geboten sein, wenn Bank und Kunde in einer fremden Sprache miteinander verhandelt haben. Für die Fälle des Auseinanderfallens von Verhandlungs- und Vertragssprache ist umstritten, ob nur der Hinweis auf die Geltung der AGB nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB in der fremden Verhandlungssprache erfolgen muss3 oder ob zudem der gesamte Vertragstext sowie die AGB in der fremden Sprache formuliert sein müssen, wenn der Vertragspartner die Sprache der AGB nicht beherrscht4.
3.126
Schließlich muss der Kunde mit der Geltung der AGB einverstanden sein, § 305 Abs. 2 letzter Halbs. BGB. Dieses Einverständnis ist als Annahmeerklärung nach den allgemeinen Regelungen über Willenserklärungen nach §§ 145 ff. BGB zu beurteilen5. Das Einverständnis ist formfrei und kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Maßgeblich ist, dass das Verhalten des Kunden den Umständen nach als Einverständnis mit der Geltung der AGB angesehen werden kann. Ein solches konkludentes Einverständnis liegt insbesondere vor, wenn der Kunde seine Vertragserklärung abgibt, nachdem er auf die AGB und die Sonderbedingungen hingewiesen und ihm die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisverschaffung eingeräumt worden ist6. Denn AGB werden auch Bestandteil des Vertrages, wenn der Kunde ein Formular, welches auf die Geltung der AGB hinweist, unterzeichnet, ohne die AGB tatsächlich gelesen zu haben7. Das damit einhergehende Risiko trägt allein der Kunde.
3.127
Werden die Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB nicht erfüllt, so scheitert die Einbeziehung der AGB. In diesem Fall kommt der Vertrag ohne die AGB zustande. Dabei ist unbeachtlich, ob der Verwender seinen Einbeziehungswillen zum Ausdruck gebracht hat. Hier kommt sodann nur noch eine nachträgliche Einbeziehung im Wege einer Vertragsänderung in Betracht8. Von einer gescheiterten Einbeziehung der AGB ist eine funktio1 Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 89; H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Anh. § 305 BGB Rz. 15. 2 BGH v. 27.10.1994 – IX ZR 168/93, WM 1994, 2274 f.; BGH v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82, WM 1983, 527, 528. 3 OLG Hamm v. 10.10.1988 – 2 U 196/87, IPrax 1991, 324. 4 OLG Stuttgart v. 13.3.1987 – 2 U 291/86, IPrax 1988, 293, 294; OLG Hamburg v. 1.3.1979 – 11 U 3279, NJW 1980, 1232; H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Anh. § 305 BGB Rz. 15. 5 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 161. 6 Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305 BGB Rz. 87; Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305 BGB Rz. 41. 7 Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305 BGB Rz. 160. 8 BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 12/08, WM 2010, 233, 237.
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nale Reduktion von § 305 Abs. 2 BGB zu unterscheiden. So hat der BGH in Bezug auf Anleihebedingungen für Inhaberschuldverschreibungen mit Rücksicht auf die Fungibilität und Kapitalmarktfähigkeit der betreffenden Papiere eine strenge Einbeziehungskontrolle nach § 305 Abs. 2 BGB abgelehnt und eine konkludente Einbeziehungsvereinbarung für ausreichend angesehen1. Die Vertragsparteien können für eine bestimme Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter AGB im Voraus vereinbaren, § 305 Abs. 3 BGB. Für den Abschluss einer solchen Pauschal- oder Rahmenvereinbarung müssen die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB erfüllt sein2. Der Verwender muss ausdrücklich auf seine AGB und ebenso ausdrücklich auch darauf hingewiesen haben, dass sie für eine bestimmte Art zukünftiger Geschäfte gelten sollten, wobei nicht ausreichend ist, wenn der Verwender zwar ausdrücklich auf seine AGB hinweist, jedoch sein Wille, sie bestimmten künftigen Rechtsgeschäften zugrunde zu legen, sich nur den Umständen entnehmen lässt3. Dabei darf die Rahmenvereinbarung nur auf die Geltung bestimmter AGB, nicht hingegen auf die jeweils gültigen AGB („in ihrer jeweils geltenden Fassung“), abstellen4. Die so vorweggenommene Einbeziehung bestimmter AGB hat für die Bankpraxis besondere Bedeutung, da der Kunde bei Eröffnung der Kundenverbindung regelmäßig beabsichtigt, künftig eine Vielzahl von Bankgeschäften gleicher oder ähnlicher Art zu tätigen5. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Rahmenvereinbarung auch auf mehrere Arten von Rechtsgeschäften erstrecken, soweit davon typische Bankgeschäfte erfasst sind6. Werden beispielsweise die AGB bei der Eröffnung eines Girokontos als dem erstmaligen Bankgeschäft vereinbart, so gelten diese unter den vorgenannten Voraussetzungen auch für spätere andere typische Bankgeschäfte des Sparverkehrs7. Bei der Änderung von Zahlungsdienstrahmenverträgen, die regelmäßig die geltenden AGB betreffen, ist als den §§ 305 ff. BGB vorrangige Spezialregelung § 675g BGB und die in dieser Vorschrift genannten Anforderungen zu beachten.
3.128
Es ist grundsätzlich möglich, durch Weiterverweisung auf mehrere Klauselwerke Bezug zu nehmen und diese in einem bestimmten Rangverhältnis zur Vertragsgrundlage zu machen (sog. gestaffelte Klauselwerke)8. Diese Staffelverweisung ist aber unzulässig, wenn die Verwendung mehrerer Klauselwerke wegen des unklaren Verhältnisses konkurrierender Regelungen zur Unverständlichkeit führt. Denn das durch Verweisung geschaffene Regelwerk darf nicht so komplex werden, dass es für den Vertragspartner nicht mehr zu durchschauen ist9.
3.129
1 BGH v. 28.3.2005 – XI ZR 363/04, WM 2005, 1567, 1568 ff.; im Übrigen bleibt das AGB-Recht anwendbar, hierzu Podewils, ZHR 174 (2010), 192, 198 ff. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB §§ 305 ff. BGB Rz. 18. 3 Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305 BGB Rz. 91. 4 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305 BGB Rz. 44; Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305 BGB Rz. 90; Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 208; Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305 BGB Rz. 180. 5 Schwintowski Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 1 Rz. 31. 6 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB §§ 305 ff. BGB Rz. 18. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 5 Rz. 22. 8 Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305 BGB Rz. 112, 143. 9 Vgl. BGH v. 21.3.1990 – VII ZR 308/89, WM 1990, 1785; kritisch zur Weiterverweisung Ulmer/ Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 152a.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.130
Gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB gelten die besonderen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB nicht für AGB, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. Der Begriff des Unternehmers richtet sich nach § 14 BGB1. Da im unternehmerischen Geschäftsverkehr ebenso eine auf die Geltung der AGB gerichtete Willensübereinstimmung gegeben sein muss, bedarf es auch hier einer rechtsgeschäftlichen Einbeziehungsvereinbarung2. Diese kann jedoch in Abweichung von § 305 Abs. 2 BGB auch stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten und ohne besonderen Hinweis erfolgen3. Da im Geschäftsverkehr mit Banken die Verwendung von AGB branchenüblich ist, kann von einem unternehmerischen Bankkunden erwartet werden, dass er auch ohne einen besonderen Hinweis mit den AGB rechnen und sie gegen sich gelten lassen muss, wenn er diesen bei Vertragsabschluss nicht widerspricht4. Denn bei Banken ist allgemein bekannt, dass diese ihre Verträge nur unter Einbeziehung ihrer AGB abschließen5.
3.131
Die AGB-Banken und die Sonderbedingungen gelten grundsätzlich auch im Geschäftsverkehr mit anderen Banken6. Voraussetzung hierfür ist, dass zu der anderen Bank eine bankmäßige Geschäftsbeziehung besteht, die Bank als Verwender der AGB die vertragstypische Leistung erbringt und die andere Bank sich in der typischen Kundenrolle befindet7. Dies gilt auch im internationalen Bankverkehr für die Einbeziehung der AGB einer deutschen Bank in das Vertragsverhältnis mit einer ausländischen Bank, wenn von der ausländischen Bank nach den Umständen erwartet werden kann, dass ihr die Branchenüblichkeit der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bekannt ist8. b) Geltung der AGB von Dritten
3.132
Häufig sind Kreditinstitute gehalten, fremde AGB von dritten Stellen zu akzeptieren, die in die Ausführung der Kundenaufträge eingeschaltet sind und ihre Dienstleistungen nur im Rahmen der von ihnen verwendeten AGB erbringen. Dies gilt z.B. für die umfangreichen AGB der Bundesbank, welche u.a. den von der Bundesbank vermittelten Zahlungsverkehr im In- und Ausland regeln. Auch im Auslandsgeschäft haben die Kreditinstitute umfangreiche Klauselwerke bei der Ausführung von Kundenaufträgen zu akzeptieren. Auf Grund des weiten AGB-Begriffes haben sämtliche von dritter Seite aufgestellten vorformulierten Bedingungen AGB-Charakter, wenn sie auf Vorschlag einer Vertragspartei Bestandteil der vertraglichen Beziehung werden sollen.
3.133
Da der Kunde an diesen Ausführungsgeschäften nicht unmittelbar beteiligt ist, stellt sich die Frage nach einer wirksamen Einbeziehung der von den dritten Stellen verwandten AGB in das Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Bank. Voraussetzung für die Geltung 1 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 310 BGB Rz. 2; zur Abgrenzung der Verbrauchereigenschaft BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780. 2 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 170. 3 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 310 BGB Rz. 4. 4 Wurmnest in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 307 BGB Rz. 184; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 5 Rz. 23; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, BankGesch Rz. A/8. 5 von Westphalen, NJW 2005, 1987, 1988; BGH v. 4.3.2004 – IX ZR 185/02, WM 2004, 1177, 1177 f. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, AGB-Banken 1 Rz. 1; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 6 Rz. 8. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 6 Rz. 9. 8 BGH v. 4.3.2004 – IX ZR 185/02, WM 2004, 1177, 1178.
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Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
dieser AGB gegenüber dem Bankkunden ist, dass die Bank diese zum Bestandteil des Vertragsverhältnisses zum Kunden macht. Dies erfolgt über eine entsprechende Vereinbarung, für welche eine Weiterverweisungsklausel in den AGB der Bank genügt1. Werden die AGB des Dritten mangels einer ausdrücklichen Verweisung nicht wirksam in das Vertragsverhältnis zwischen Bank und Kunden einbezogen, fragt sich, ob der Kunde die AGB des Dritten gegen sich wirken lassen muss. Eine solche Drittwirkung von AGB zu Lasten am Vertragsschluss nicht Beteiligter ist grundsätzlich ohne deren Zustimmung ausgeschlossen2. Eine etwaige stillschweigende Ermächtigung durch am Vertrag Unbeteiligte, Ausführungsgeschäfte zu ihren Lasten auf der Grundlage üblicher AGB abzuschließen3, dürfte in derartigen Fällen nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht kommen. So muss für den Kunden erkennbar sein, dass die Bank zur Erfüllung des Kundenauftrages ein Ausführungsgeschäft mit einem Dritten abschließt. Auch bei Zugrundelegung einer stillschweigenden Ermächtigung dürfen die AGB des Dritten für den Kunden weder überraschend noch unangemessen sein. Die betreffenden Regelungen müssen daher mit dem Auftrag des Kunden an seine Bank in einem erkennbaren Zusammenhang stehen und zudem verkehrsüblich sein.
3.134
II. Inhaltskontrolle von AGB Bei der Verwendung von AGB wird der Vertragsinhalt insoweit einseitig von dem AGBVerwender vorformuliert. Da die Interessen der Vertragspartner sehr oft gegenläufig sind, besteht hier typischerweise die Gefahr, dass die Vertragsbedingungen ausschließlich oder übermäßig auf die Interessen des Verwenders zugeschnitten sind und nicht hinreichend auf die Interessen des Vertragspartners Rücksicht nehmen, wie dies jedoch das Gebot von Treu und Glauben erfordert. Aus der Inanspruchnahme einseitiger und überlegener Gestaltungsmacht durch den Verwender erwächst ein entsprechendes Schutzbedürfnis des Vertragspartners, welchem mit einer Inhaltskontrolle der AGB entsprochen werden soll4.
3.135
Vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle5 wurden die Inhalte der von den Verbänden der Kreditwirtschaft empfohlenen AGB-Texte vorab im Wege des behördlichen Freistellungsverfahrens durch die Kartellbehörde überprüft (vgl. § 29 GWB a.F.). Mit der Einführung des Systems der Legalausnahme in § 2 GWB ist dieses Verfahren für die Kreditwirtschaft ersatzlos entfallen6.
3.136
1. Prüfungsmaßstab a) Allgemeine Grundsätze AGB-Klauseln unterliegen einer Inhaltskontrolle durch die Rechtsprechung. Diese wurde zunächst auf § 242 BGB gestützt und erstmals mit dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 5 Rz. 20 f. 2 Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305 BGB Rz. 167; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 168a. 3 Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305 BGB Rz. 167; a.A. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 5 Rz. 21. 4 BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, WM 2009, 2363, 2364. 5 BGBl. I 2005, 1954. 6 Hierzu Lettl, WM 2005, 1585.
Kropf | 199
3.137
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
(heute §§ 307–310 BGB) gesetzlich geregelt. Maßstab für die rechtliche Inhaltskontrolle ist das allgemeine Prinzip der sog. ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit, die verletzt ist, wenn eine bestimmte AGB-Klausel offenbar unbillig ist oder wenn das als Leitbild dienende dispositive Recht über den Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragspartner verdrängt wird, ohne dass in anderer Weise ein angemessener Schutz des Vertragspartners gewährleistet ist.
3.138
In AGB sind Regelungen unwirksam, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen und daher dem allgemeinen Maßstab des § 307 BGB nicht entsprechen oder die nach den Klauselverboten der §§ 308 und 309 BGB unzulässig sind. § 307 BGB ist eine Generalnorm für die richterliche Inhaltskontrolle. Die Klauselkataloge der §§ 308 und 309 BGB beinhalten im Wesentlichen eine Kodifizierung der vor Geltung der gesetzlichen Regelung von der Rechtsprechung aus § 242 BGB entwickelten Rechtsgrundsätze1. Gegenüber dem Klauselkatalog der EG-Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen2 gewähren die Regelungen der §§ 308, 309 BGB einen über die Anforderungen der Richtlinie hinausreichenden Schutz3. In diesem Zusammenhang sind die zahlreichen höchstrichterlichen Urteile zur Klauselkontrolle Vorgaben für eine AGB-mäßige Vertragsgestaltung und daher für die Kautelarpraxis von erheblicher Bedeutung4.
3.139
Vor einer Prüfung der Unwirksamkeit am Maßstab der §§ 307 ff. BGB muss zunächst der Inhalt der betreffenden AGB-Klausel durch Auslegung ermittelt werden5. Dabei ist vorfrageweise zu beachten, ob überhaupt Raum für eine Auslegung gegeben ist. Denn haben die Vertragsparteien eine Klausel übereinstimmend in einem bestimmten Sinne verstanden, so geht dieser übereinstimmende Wille der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor6.
3.140
Muss demgegenüber eine AGB-Klausel ausgelegt werden, ist der Grundsatz der objektiven Auslegung maßgebend. Ausgangspunkt hierfür ist der Wortlaut7. Ist dieser nicht eindeutig, erfolgt die Auslegung ohne Berücksichtigung etwaiger besonderer Umstände des Einzelfalls und unabhängig vom Willen und von den Vorstellungen der jeweiligen Vertragsparteien8. Vielmehr ist eine AGB-Klausel ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern 1 BGH v. 25.10.1984 – VII ZR 95/83, WM 1985, 59, 60; vgl. auch BGH v. 18.1.1996 – IX ZR 69/ 95, WM 1996, 436, 438, wonach das AGB-Gesetz eine über die früher an § 242 BGB ausgerichtete Prüfung hinausgehende strenge, intensivierte Inhaltskontrolle anstrebt. 2 Richtlinie 93/13/EWG, ABl. EG Nr. L 95 v. 21.4.1993, S. 29. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 5 Rz. 77. 4 Vgl. auch von Westphalen, NJW 2009, 2355, 2362: AGB-Recht als „Überrecht“. 5 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 307 BGB Rz. 8. 6 BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643, 1644. 7 BGH v. 30.3.2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, 1500, 1501; BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 539/07, WM 2009, 1460, 1462; OLG Karlsruhe v. 30.3.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741, 1742. 8 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, 1078; BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465, 1467; BGH v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, WM 2008, 1391, 1392; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 5 Rz. 39. Entgegen der objektiven Auslegung sind nach a.A. auch individuelle Umstände des Vertragsschlusses zu berücksichtigen, wenn ihnen ausnahmsweise eine Auslegungsbedeutung abzugewinnen ist, vgl. Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305c BGB Rz. 130.
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Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
unter Abwägung der Interessen der typischerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird1. In diesem Zusammenhang sind der Wortlaut einer Klausel, deren Sinn und Zweck sowie ihre systematische Stellung in den AGB zu berücksichtigen2. Der Bedeutungsgehalt einer Klausel ist auch an dem allgemeinen Sprachgebrauch, dem allgemein verbreiteten Verständnis, der Verkehrsüblichkeit sowie der Frage, ob eine bestimmte Beurteilung einer Klausel regelmäßig fern liegend ist, zu beurteilen3. Verbleiben auch nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungen Zweifel und sind mindestens zwei Auslegungsmethoden rechtlich vertretbar, so gehen diese nach der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders4. Dies bedeutet, dass das Ergebnis der Auslegung zum Vertragsinhalt wird, welches dem Kunden letztlich „am günstigsten“ ist5. Bei einer mehrdeutigen Klausel ist daher von den möglichen Auslegungen diejenige zugrunde zu legen, welche zur Unwirksamkeit der Klausel führt (sog. kundenfeindlichste Auslegung)6. Ist die Klausel nach jeder in Betracht kommenden Auslegung wirksam, so ist die dem Kunden günstigste Auslegung maßgeblich7.
3.141
§ 307 BGB ist auch ein Auffangtatbestand für die Fälle, in welchen nach § 310 Abs. 1 BGB eine Klauselkontrolle nach §§ 308 und 309 BGB ausgeschlossen ist. Für die Klauselkontrolle im unternehmerischen Verkehr bilden die wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) die maßgeblichen Prüfkriterien der richterlichen Inhaltskontrolle. Das dispositive Recht hat insoweit Leitbildfunktion8. Von der Rechtsprechung wird in Verstößen gegen die §§ 308, 309 BGB auch für die unternehmerische Kundschaft eine Indizwirkung für eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners nach § 307 BGB gesehen9. Allerdings kann dort die strittige AGB-Klausel wegen der besonderen Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs auch als angemessen anzusehen sein (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB)10.
3.142
Die Inhaltskontrolle von Klauseln, die gegenüber Unternehmern verwendet werden, kann somit zu einem anderen Ergebnis als bei der Verwendung gegenüber Privatkunden führen. Werden AGB für verschiedene Arten von Geschäften und gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen verwendet, deren Interessen, Verhältnisse und Schutzbedürfnisse generell
3.143
1 BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, WM 2010, 1022, 1024; BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643, 1644; BGH v. 17.12.2008 – VIII 274/06, WM 2009, 312, 323; BGH v. 29.5. 2008 – III ZR 330/07, WM 2008, 1391, 1392; BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, WM 1990 1367, 1368; Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305c BGB Rz. 74 ff. 2 BGH v. 13.3.1990 – VIII ZR 130/89, WM 1990, 1389, 1390. 3 BGH v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, WM 2008, 1391, 1393 für die Begriffe „Bankeinzug“, „abbuchen“ und „einlösen“. 4 BGH v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, WM 2008, 1391, 1393. 5 BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 244/08, NJW 2010, 293, 294; Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305c BGB Rz. 18; vgl. auch von Westphalen, NJW 2009, 2355, 2356. 6 BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, WM 2010, 1022 1025; BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, 1078; BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 539/07, WM 2009, 1460, 1462; BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465, 1467. 7 BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, WM 2010, 1022, 1025. 8 Von Westphalen, NJW 2009, 2977, 2978 f. 9 Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 310 BGB Rz. 27; Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 310 BGB Rz. 12. 10 Vgl. Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 310 BGB Rz. 10; vgl. hierzu auch DaunerLieb/Axer, ZIP 2010, 309, 310 ff.
Kropf | 201
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
unterschiedlich gelagert sind, so ist die Abwägung in den Vertrags- und Fallgruppen vorzunehmen, wie diese sich aus den am Sachgegenstand orientierten typischen Interessenlagen ergeben. Die Inhaltskontrolle von AGB kann daher zu gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen. Darin liegt keine unzulässige geltungserhaltende Reduktion1 (hierzu Rz. 3.162 ff.). So können z.B. bei der Frage, ob eine AGB-Klausel dem Transparenzgebot entspricht, bei Geschäften im unternehmerischen oder im öffentlich-rechtlichen Bereich mit Rücksicht auf die diesbezügliche Regelung in § 310 Abs. 1 BGB geringere Anforderungen gestellt werden2. b) Insbesondere: Verbot der unangemessenenen Benachteiligung
3.144
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Regelungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Verwender der AGB durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen3. Zudem unterliegen in AGB auferlegte Pflichten und Sanktionen einem Übermaßverbot und bedürfen einer konkreten und angemessenen Eingrenzung jedenfalls in den Fällen, in denen die Regelung das Äquivalenzverhältnis der Leistungsbeziehung zum Kunden gravierend verschiebt4. Eine Unangemessenheit liegt nicht vor, wenn höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des AGB-Verwenders die Benachteiligung des Vertragspartners rechtfertigen5. Eine Beurteilung nach diesen Maßstäben erfordert die Ermittlung, Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen6. Neben den typischen Interessen der Vertragsparteien sind die Art des konkreten Vertrages sowie die übrigen AGBRegelungen zu berücksichtigen7. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer AGBRegelung ist allein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, weshalb eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Umstände oder ein Bewertungswandel unberücksichtigt bleiben8. Ebenso wenig spielt das spätere Verhalten der Parteien bei der Vertragsabwicklung für die Beurteilung der Wirksamkeit einer formularmäßigen Klausel eine Rolle9.
3.145
Für eine unangemessene Benachteiligung des Kunden enthält § 307 Abs. 2 BGB eine gesetzliche Vermutung. Danach ist eine solche Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. Hierbei kann es sich auch um eine Nebenpflicht handeln. Nach 1 BGH v. 9.2.1990 – V ZR 200/88, WM 1990, 464, 466. 2 BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, WM 1990, 1367, 1368 f. 3 BGH v. 13.7.2009 – III ZR 299/08, WM 2009, 1945, 1947; BGH v. 1.2.2005 – X ZR 10/04, NJW 2005, 1774, 1775; BGH v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, WM 2003, 448, 449. 4 BGH v. 29.4.2010 – Xa ZR 5/09, WM 2010, 1087, 1090. 5 BGH v. 27.5.2010 – VII ZR 165/09, WM 2010, 1215, 1217; BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237, 1239. 6 BGH v. 27.5.2010 – VII ZR 165/09, WM 2010, 1215, 1217; BGH v. 1.2.2005 – X ZR 10/04, NJW 2005, 1774, 1775. 7 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044, 1048. 8 BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, WM 2010, 1022, 1026; OLG Schleswig v. 23.2.2009 – 5 U 71/ 08, WM 2009, 1193, 1196. 9 BGH v. 5.11.1991 – XI ZR 246/90, WM 1991, 2055, 2056.
202 | Kropf
Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
dem BGH indiziert die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Gegenseite1. Für die Beurteilung, ob Gründe vorliegen, die die betreffende Klausel gleichwohl nicht als unangemessen erscheinen lassen, ist eine umfassende Abwägung der berechtigten Interessen sämtlicher Beteiligten geboten2. Ein wesentliches Indiz einer solchen Unangemessenheit ist die Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen, soweit diese nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, sondern dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleihen3. Geht es dabei um die Angemessenheit einer bestimmten Klausel, so ist der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen. Insbesondere muss auch der Inhalt anderer Klauseln in Betracht gezogen werden4. Im Bankrecht kann eine Klauselkontrolle am Maßstab des § 307 BGB besonderen Schwierigkeiten begegnen, da in vielen Fällen eine gesetzliche Regelung fehlt, welche als Orientierungsmaß für eine Inhaltskontrolle dienen könnte und auch aus der Natur des Vertrages oftmals keine konkreten und verlässlichen Prüfkriterien abzuleiten sind5.
3.146
Eine unangemessene Benachteiligung kann sich gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (Transparenzgebot). Das Transparenzgebot wurde bereits vor dessen Aufnahme in das Gesetz von der Rechtsprechung in den Urteilen zu Zinsberechnung und Wertstellung entwickelt6. Hiernach müssen die AGB vor allem die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar, durchschaubar, richtig und bestimmt formulieren, so dass sie der Durchschnittskunde ohne intensive Beschäftigung und Einholung von Auskünften verstehen kann7. Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für seine Kunden kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht, insbesondere muss die Beschreibung für den anderen Vertragsteil nachprüfbar und nicht irreführend sein8. Dies ist die Grundlage für eine informierte Sachentscheidung des Kunden9. Hierzu zählt auch, dass dem Kunden wirtschaftliche Nachteile und Belastungen deutlich erkennbar sind10. So darf beispielsweise eine kundenbelastende Wirkung einer Klausel nicht verschleiert oder die Rechtslage nicht missverständlich dargestellt werden. Bei der Ausgestaltung von AGB ist daher darauf zu achten, dass der Kunde ihre Bedeutung nicht verkennt, sondern sie möglichst mühelos und ohne weitere Erläuterung versteht11. Der Schutzzweck
3.147
1 BGH v. 17.9.2009 – Xa ZR 40/08, WM 2009, 2398, 2400; BGH v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, WM 2001, 563, 565. 2 BGH v. 17.9.2009 – Xa ZR 40/08, WM 2009, 2398, 2400; BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, WM 2005, 874, 877. 3 BGH v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, WM 1992, 1359, 1360. 4 BGH v. 10.4.1990 – IX ZR 177/89, WM 1990, 1165, 1166. 5 Hierzu Bitter, ZBB 2007, 237, 238 ff., befürwortet daher in diesen Fällen eine ökonomische Sichtweise. 6 BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, WM 1988, 1780 (Zinsberechnungsklausel in Hypothekenbank-AGB); BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (Wertstellungsklausel bei Girokonto in Sparkassen-AGB). 7 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044, 1046; BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126, 128; BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, WM 1990, 1367. 8 BGH v. 14.1.2014 – XI ZR 355/12, WM 2014, 307. 9 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rz. 326. 10 BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237, 1240; BGH v. 30.9.2009 – IV ZR 47/09, NJW 2010, 294, 296. 11 BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, WM 1988, 1780; BGH v. 28.10.1999 – IX ZR 364/97, WM 2000, 64.
Kropf | 203
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
des Transparenzgebotes besteht im Wesentlichen in der zutreffenden und durchschaubaren Vermittlung der mit dem Vertrag einhergehenden Rechte und Pflichten. Dem allgemeinen AGB-rechtlichen Transparenzgebot können spezialgesetzliche Normierungen des Transparenzgebotes vorgehen1. Ein in der AGB-Klausel enthaltener präzisierender Verweis auf gesetzliche Normen begründet regelmäßig keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Vielmehr ist ein derartiger Verweis in AGB nicht Ungewöhnliches, so dass selbst eine dynamische Verweisung auf ein Regelwerk, welches häufig geändert wird, an sich noch keine unangemessene Benachteiligung darstellt, was insbesondere auch dann gilt, wenn der Gesetzestext für jedermann ohne weiteres zugänglich ist2. Überdies könnten ohne derartige Verweisungen allzu detaillierte, unübersichtliche, nur schwer durchschaubare oder auch unvollständige Klauselwerke entstehen, die den Interessen des Kunden abträglich wären3. Intransparent ist eine Klausel insoweit erst dann, wenn sich ihr Regelungsgehalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließt oder die Verweisung auf andere Vorschriften dazu führt, dass die kundenbelastende Wirkung der Klausel unter Berücksichtigung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten mehr verschleiert als offenlegt und der Kunde deshalb an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert wird4.
3.148
Dem Transparenzgebot unterliegt auch die formale Gestaltung. AGB sind daher auch äußerlich, insbesondere hinsichtlich ihres Schriftbildes, Aufbaus sowie der Untergliederungen, lesbar zu gestalten. Dieser Aspekt hat bereits für die Frage der Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme Bedeutung (hierzu Rz. 3.118 ff.). Allerdings schützt § 305 Abs. 2 BGB den Kunden nur in einem Individualverfahren. Demgegenüber lässt sich ein Verbandsklageverfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz zwar nur auf die Unwirksamkeit nach §§ 307–309 BGB stützen (§ 1 UKlaG), eine aus formalen Gründen gegebene Intransparenz kann jedoch auch in diesem Verfahren Relevanz haben, soweit diese Intransparenz zu einer Unwirksamkeit nach § 307 BGB führt5.
3.149
Als Maßstab dafür, ob eine AGB-Klausel den Anforderungen des Transparenzgebotes entspricht, dienen nach der BGH-Rechtsprechung nicht die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten des konkreten Vertragspartners, sondern die des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses6. Es ist daher auf einen gedachten aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen7. Abweichende Anforderungen sind nur bei Geschäften im unternehmerischen oder im öffentlich-rechtlichen Bereich denkbar. Dort ist auch bei der das Transparenzgebot einschließenden Inhaltskontrolle nach § 307 BGB auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB)8. 1 S. z.B. das Transparenzgebot des § 3 SchVG, hierzu Horn, BKR 2009, 446, 453. 2 BGH v. 14.1.2014 – XI ZR 355/12, WM 2014, 307. 3 BGH v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, WM 2017, 427; BGH v. 14.1.2014 – XI ZR 355/12, WM 2014, 307. 4 BGH v. 14.1.2014 – XI ZR 355/12, WM 2014, 307 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 5 Coester in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 307 BGB Rz. 171. Zum Verhältnis des Transparenzgebotes zur Angemessenheitskontrolle Wurmnest in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 20016, § 307 BGB Rz. 56. 6 BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237, 1240; BGH v. 11.2.1992 – XI ZR 151/91, WM 1992, 395, 396. 7 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 307 BGB Rz. 23. 8 BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, WM 1990, 1367, 1368.
204 | Kropf
Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
Ist eine AGB-Klausel infolge undeutlicher Textgestaltung intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB, so kann sie zugleich eine überraschende Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB darstellen. Solche überraschenden Klauseln sind Bestimmungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht. Derartige überraschende Klauseln sind gegeben, wenn ihnen ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnt und zwischen ihrem Inhalt und den Erwartungen des Kunden eine deutliche Diskrepanz besteht1. Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle kann die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel werden lassen. Entscheidend für das Vorliegen einer überraschenden Klausel sind in erster Linie die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge typischerweise zu erwartenden Kundenkreises, wie sie sich aufgrund von dessen Geschäftserfahrung sowie aufgrund der drucktechnischen Gestlatung der fraglichen AGB-Klausel ergeben2.
3.150
Umgekehrt muss eine infolge der Undeutlichkeit der Textgestaltung überraschende AGBKlausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB nicht zwangsläufig, kann aber gerade deshalb zugleich gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen3. Eine inhaltliche Abgrenzung zwischen überraschenden und inhaltlich unangemessenen Klauseln begegnet erheblichen Schwierigkeiten4. Streng genommen könnte die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB erst greifen, wenn die AGB-Klauseln wirksam einbezogen worden sind. Diese Einbeziehung scheitert aber bei überraschenden Klauseln an der Verbotsnorm des § 305c Abs. 1 BGB. In Fällen einer derartigen Überschneidung schließt eine überraschende Klausel ihren inhaltlich unangemessenen Gehalt nicht aus, weshalb im Ergebnis § 305c BGB und § 307 BGB nebeneinander anwendbar sind5. Dies ist insbesondere für das Verbandsklageverfahren nach UKlaG von Bedeutung, da dessen Gegenstand nur unangemessene, nicht aber überraschende Klauseln sein können6. Gegen überraschende Klauseln besteht nur die Möglichkeit des Individualrechtsschutzes7.
3.151
2. Rechtsschutz Eine Inhaltskontrolle von AGB kann im Rahmen eines Individualprozesses zwischen Bank und Kunde erfolgen, in welchem sich die Bank auf die Geltung einer AGB-Klausel beruft. Da das Gericht nur über den konkreten Streitgegenstand des Verfahrens entscheidet, wird in diesem Fall inzidenter über die Wirksamkeit der betreffenden AGB-Klausel entschieden. Beruft sich umgekehrt der Kunde auf den Schutz des AGB-Rechts, muss dieser das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen darlegen und beweisen8. 1 BGH v. 30.9.2009 – IV ZR 47/09, NJW 2010, 294, 295; BGH v. 10.11.1989 – V ZR 201/88, WM 1989, 1926; BGH v. 3.12.1984 – IX ZR 115/83, WM 1985, 155, 156; Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 305c BGB Rz. 10. 2 BGH v. 30.6.1995 – V ZR 184/94, NJW 1995, 2637; BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, NJW 1988, 558; Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305c BGB Rz. 13. 3 Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305c BGB Rz. 5. 4 Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305c BGB Rz. 3; Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305c BGB Rz. 2. 5 Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305c BGB Rz. 5. 6 BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237, 1239. 7 Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305c BGB Rz. 5. 8 BGH v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, WM 1992, 1989; vgl. auch für die Darlegungs- und Beweislast bei sog. Einmalklauseln (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB) BGH v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, WM 2008, 1417.
Kropf | 205
3.152
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.153
Im Individualprozess kommt die kundenfeindlichste Auslegung zum Tragen, wenn diese zur Unwirksamkeit der Klausel führt und damit im Ergebnis für den Kunden am günstigsten ist1. Erweist sich die Klausel demgegenüber auch nach jeder in Betracht kommenden Auslegung als wirksam, ist die dem Kunden günstigste Auslegung maßgeblich2.
3.154
Daneben kann in einem abstrakten Kontrollverfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) von den anspruchsberechtigten Stellen, z.B. Verbraucherschutzverbänden, auf Unterlassung der Verwendung gegenüber Personen, die nicht als Unternehmer handeln, oder auf Widerruf unwirksamer AGB geklagt werden. Dies führt zu einer vom Einzelfall losgelösten und abstrakten gerichtlichen Überprüfung von AGB-Klauseln. Damit wird ein präventiver Schutz verfolgt, um den Rechtsverkehr von sachlich unangemessenen Vertragsbedingungen freizuhalten3. Ein Unterlassungsanspruch kann in diesem Verbandsklageprozess nur auf die Unwirksamkeit von AGB nach §§ 307 bis 309 BGB gestützt werden4. So kann in diesem Verfahren beispielsweise nicht der Vorrang der Individualabrede oder eine etwaige Unwirksamkeit der Einbeziehung von AGB geltend gemacht werden5.
3.155
Der Zweck des Verbandsprozesses, den Rechtsverkehr vor unangemessenen Vertragsklauseln zu schützen, lässt sich am ehesten erreichen, wenn bei mehreren Auslegungsvarianten von einem Verständnis der Klausel ausgegangen wird, welches am ehesten ein Klauselverbot nach §§ 307 bis 309 BGB rechtfertigt. Daher ist im Verbandsprozess ausschließlich die kundenfeindlichste Auslegung geboten6. 3. Sittenwidrigkeit, Ausübungskontrolle
3.156
Die Inhaltskontrolle schließt eine zusätzliche Überprüfung wegen Sittenwidrigkeit i.S.d. § 138 BGB nicht aus. Die Regelungen der §§ 307 bis 309 BGB und § 138 BGB sind unterschiedliche und nebeneinander anwendbare Bewertungsmaßstäbe7. Die Inhaltskontrolle schützt die Interessen der Vertragspartner, während § 138 BGB den Verstoß gegen die allgemeine Rechtsordnung sanktioniert, zu der vor allem die Grundrechte i.S.d. GG gehören. So besteht eine Pflicht der Zivilgerichte zur Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich belasten und das Ergebnis struktureller ungleicher Verhandlungsstärke sind. Bei einer typisierten Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteiles erkennen lässt und bei der die Folgen des Vertrages ungewöhnlich belastend sind, müssen die Zivilgerichte korrigierend eingreifen8. Eine solche ausgeprägte Vertragsunterlegenheit ist beispielsweise bei einem Bürgen gegeben, wenn angesichts des krassen Missverhältnisses zwischen dem Haftungsumfang und seiner Leistungsfähigkeit zu vermuten ist, dass der Bürge sich auf eine solche Verpflichtung nur 1 BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643, 1644 f.; BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465, 1467. 2 BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643, 1645. 3 Micklitz in MünchKomm. ZPO, 5. Aufl. 2017, § 1 UKlaG Rz. 4; Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2013, § 1 UKlaG Rz. 1. 4 Wurmnest in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 307 BGB Rz. 55; Micklitz in MünchKomm. ZPO, 5. Aufl. 2017, § 1 UKlaG Rz. 12. 5 Witt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 1 UKlaG Rz. 13. 6 BGH v. 15.7.2009 – VIII ZR 56/08, WM 2009, 1711, 1715; s. auch Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 305c BGB Rz. 8; Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 305c BGB Rz. 34. 7 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Vor § 307 BGB Rz. 58. 8 BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, WM 1993, 2199, 2202 ff.; vgl. weiter BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, WM 1994, 676, 677.
206 | Kropf
Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
auf Grund emotionaler Bindung an den Hauptschuldner infolge mangelnder Geschäftsgewandtheit eingelassen und die Bank dies in verwerflicher Weise ausgenutzt hat1. Eine weitere Grenze für die Geltung einer AGB-Klausel kann sich schließlich im Einzelfall aus dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB ergeben. Nach § 242 BGB ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbeschränkung und kann daher den Einwand einer missbräuchlichen unzulässigen Rechtsausübung begründen2. Soweit dieser Einwand in einem Einzelfall zum Tragen kommt, erfüllt § 242 BGB nach allgemeiner Meinung auch gegenüber AGB-Klauseln die Funktion eines zusätzlichen Schutzes vor individuellem Rechtsmissbrauch des AGB-Verwenders3. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs einer an sich wirksamen AGB-Klausel dient allein dem Zweck, die Ausübung des Rechts aus einer wirksamen AGB-Klausel zu begrenzen4.
3.157
Im Gegensatz zu der Inhaltskontrolle liegt damit eine einzelfallbezogene Ausübungskontrolle vor, welche erst bei einer nach §§ 307 bis 309 BGB generell wirksamen Klausel möglich ist5. Diese Ausübungskontrolle kommt insbesondere in Betracht, wenn im konkreten Fall wegen seltener Konstellationen oder wegen unübersehbarer Verhältnisse eine generell-abstrakte Präzisierung der Klausel sachbedingt nicht darstellbar ist6. Denn die generelle Ausrichtung der AGB erlaubt nicht die Berücksichtigung jedes einzelnen Interesses und aller fern liegenden Fallgestaltungen7. Diese Ausübungskontrolle gilt auch für den unternehmerischen Verkehr8.
3.158
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann sich auch gegen den Vertragspartner des Verwenders der AGB und damit gegen den Kunden der Bank richten, der vertragliche Rechte aus den AGB geltend macht9. Der Kunde muss dabei die mangelhafte Vertragsgestaltung als solche erkannt und gewollt haben, diese bewusst zum eigenen Vorteil auszunutzen. Zudem muss für die Bank die Vertragsdurchführung schlechthin unzumutbar sein, beispielsweise weil der Kunde den Fehler der Bank in besonderem Maße ausnutzt10.
3.159
III. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB Im Falle der Unwirksamkeit von AGB-Regelungen bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, § 306 Abs. 1 BGB. An die Stelle der unwirksamen Regelung tritt zum Zwecke der Lücken1 BGH v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, WM 2005, 421, 422; BGH v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, WM 1997, 2117, 2118; vgl. auch BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 539/07, WM 2009, 1460, 1463. 2 BGH v. 13.2.2005 – IV ZR 18/04, NJW-RR 2005, 619, 620. 3 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Vor. § 307 BGB Rz. 63 f. 4 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126, 129; BGH v. 23.3.1988 – VII ZR 117/87, WM 1988, 1569, 1571. 5 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Vor. § 307 BGB Rz. 63; Coester in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 307 BGB Rz. 36; Bunte, NJW 1987, 921, 926. 6 Coester in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 307 BGB Rz. 37. 7 BGH v. 1.7.1987 – VIII ZR 117/86, WM 1987, 1131, 1134. 8 Wolf in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 BGB Rz. 30. 9 OLG Karlsruhe v. 30.3.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741, 1743. 10 OLG Karlsruhe v. 30.3.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741, 1743 für eine Bonuszahlung aus einem Sparvertrag.
Kropf | 207
3.160
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
füllung nach § 306 Abs. 2 BGB grundsätzlich das Gesetzesrecht. Eine Unwirksamkeit des gesamten Vertrages kommt nur in Betracht, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Lückenfüllung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei begründen würde, § 306 Abs. 3 BGB. Das Vorliegen einer möglichen unzumutbaren Härte ist anhand einer Interessenabwägung aller im konkreten Fall vorliegenden Umstände im Zeitpunkt der Anspruchstellung festzustellen. Dafür genügt aber nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil, sondern es ist eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses erforderlich1.
3.161
Nicht selten ist der Inhalt von AGB-Klauseln nur teilweise unzulässig. In diesem Fall hängt die weitere Beurteilung davon ab, ob die Klausel teilbar ist2. Lässt sich eine AGB-Klausel inhaltlich und nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in eine inhaltlich zulässige und in eine unzulässige Regelung aufteilen, bleibt der zulässige Teil wirksam3. Die äußerliche Zusammenfassung der Regelungsgegenstände und der sprachliche Zusammenhang stehen dem nicht entgegen. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet die BGHRechtsprechung zu Zinsklauseln im zinsvariablen Geschäft. Eine Zinsklausel lässt sich hiernach in eine Vereinbarung über die Variabilität des Zinssatzes einerseits und eine Bestimmung über das Wie der Zinsanpassung andererseits aufteilen. Danach bleibt die grundsätzliche Entscheidung der Vertragsparteien für eine variable Verzinsung von der Unwirksamkeit einer Zinsanpassungsklausel unberührt4.
3.162
Verbleibt demgegenüber ohne den unzulässigen Teil keine sprachlich und inhaltlich selbständige und sinnvolle Klausel und ist diese daher isoliert betrachtet nicht teilbar, so ist die Klauel im Ganzen unwirksam. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der unwirksame Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass ohne diesen Regelungsteil von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss5. In diesem Zusammenhang ist maßgeblich, ob die Klausel als eine konzeptionelle Einheit zu verstehen ist, was zu einer einheitlichen, die wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien berücksichtigenden Gesamtbeurteilung des Regelungsgefüges zwingt6. Die AGB-Klausel kann in diesem Fall nicht im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion mit entsprechend eingeschränktem Inhalt aufrechterhalten werden. Damit würde eine zunächst unwirksame Klausel auf einen noch zulässigen Inhalt durch richterliche Umgestaltung zurückgeführt werden. Diese geltungserhaltende Reduktion ist nach ständiger BGH-Rechtsprechung und herrschender Meinung unzulässig7. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, gegen Treu und Glauben verstoßende Formularbestimmungen auf das vertretbare Maß abzumildern und eine für den Verwender der Klausel möglichst günstige, rechtlich gerade noch zulässige Fassung zu finden. Eine solche einseitige Wahrung der In1 BGH v. 22.2.2002 – V ZR 26/01, WM 2002, 2337. 2 Vgl. BGH v. 12.2.2009 – VII ZR 39/08, WM 2009, 643, 644; BGH v. 13.1.1992 – IX ZR 113/91, WM 1992, 391, 393; vgl. hierzu Kreft, WM 1992, 1425 ff. 3 BGH v. 13.7.2008 – VIII ZR 348/06, WM 2008, 1941, 1945; Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 306 BGB Rz. 17. 4 BGH v. 10.3.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493, 1494; zu dem Klausel- und Kontroll„splitting“ Bannert, EWiR § 308 BGB 1/09, 11. 5 BGH v. 12.2.2009 – VII ZR 39/08, WM 2009, 643, 644. 6 BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643, 1646; BGH v. 12.2.2009 – VII ZR 39/08, WM 2009, 643, 645. 7 BGH v. 18.11.1988 – V ZR 75/87, WM 1989, 88, 89; BGH v. 13.1.1992 – IX ZR 113/91, WM 1992, 391, 393; BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, WM 1995, 1397, 1402; BGH v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, WM 2001, 563, 565.
208 | Kropf
Allgemeine Geschäftsbedingungen | Teil 3
teressen des AGB-Verwenders ist der Rechtsprechung verwehrt1. Dies gilt in der Regel auch im kaufmännischen Verkehr2. Nach Auffassung des BGH sprechen auch Wortlaut und Zweck der §§ 305 ff. BGB gegen eine Aufrechterhaltung der Klausel mit eingeschränktem Inhalt. Ziel der §§ 305 ff. BGB ist, auf einen angemessenen Inhalt der AGB hinzuwirken. Dem Kunden soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn jeder AGB-Verwender zunächst einmal risikolos bis an die Grenze dessen gehen könnte, was zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise angeführt werden kann3. Erst in einem Prozess würde ein Kunde des AGB-Verwenders den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren.
3.163
Praktische Beispiele für das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion sind die Einschränkung von umfassenden Haftungsausschlüssen oder Aufrechnungsverboten auf zulässige Tatbestände, die Verkürzung überlanger Fristen auf die zulässige Dauer, die Verlängerung zu kurzer Fristen oder die Herabsetzung überhöhter Pauschalen für Schadensersatz oder Nutzungsentschädigung auf die zulässige Höhe4.
3.164
Kein Fall der unzulässigen teleologischen Reduktion liegt vor, wenn eine AGB-Klausel nach ihrem Wortlaut untypische Ausnahmefälle erfasst, welche die Klausel – wäre sie auch hierauf anwendbar – als unangemessene Regelung im Sinne der Inhaltskontrolle erscheinen ließe. Nach herrschender Meinung können solche kritischen Sonderfälle im Wege der gebotenen, an Sinn und Zweck orientierten Auslegung aus dem Anwendungsbereich der Klausel ausgegrenzt werden5. Selbst die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zwingt nicht zur Berücksichtigung aller denkbaren Ausnahmesituationen6. Dies wäre dem Verwender unzumutbar, wenn nicht gar unmöglich. Völlig fern liegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs nicht ernsthaft zu befürchten ist, rechtfertigen kein Klauselverbot7.
3.165
Soweit infolge der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel in dem Vertragsverhältnis eine ausfüllungsbedürftige Lücke entstanden ist, stellt sich die Frage nach deren Vervollständigung. Grundsätzlich ist diese Lücke durch die gesetzlichen Vorschriften zu schließen (§ 306 Abs. 2 BGB). Steht dispositives Gesetzesrecht für die Ersetzung der unwirksamen Klausel nicht zur Verfügung und führt die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Kunden Rechnung tragenden Lösung, kann nach der BGH-Rechtsprechung die Lücke mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden8. Hierfür ist maßgeblich, welche Regelung Bank und Kunde in Kenntnis der Unwirksamkeit der betreffenden
3.166
1 2 3 4 5 6 7 8
BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, WM 1984, 986, 987. BGH v. 4.5.1995 – I ZR 90/93, WM 1995, 1463, 1464. BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, WM 2000, 629, 634. BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, WM 1984, 986, 987; BGH v. 18.4.1989 – X ZR 31/88, WM 1989, 949, 951 zu Aufrechnungsverboten. Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305c BGB Rz. 86. Schlosser in Staudinger, Sonderedition AGB-Recht, Neubearb. 2013, § 305c BGB Rz. 109. BGH v. 5.11.1998 – III ZR 226/97, WM 1999, 133, 134. BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643, 1646; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, WM 2000, 629, 635; BGH v. 1.2.2984 – VIII ZR 54/83, WM 1984, 309, 311 f.; BGH v. 7.3.1989 – KZR 15/87, WM 1989, 1544, 1545; Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 306 BGB Rz. 23.
Kropf | 209
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Klausel nach dem Vertragszweck und nach sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner gewählt hätten1. Stellenweise ist die Rechtsprechung noch restriktiver und verlangt für die Anwendbarkeit der §§ 133, 157 BGB, dass der Wegfall der AGB-Klausel das Äquivalenzverhältnis des Vertrages völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt2.
3.167
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht, wenn zur Vervollständigung der vertraglichen Regelungslücke verschiedene Möglichkeiten einer Gestaltung bestehen und kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, welche Regelung die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen typischerweise bestehenden Interessen getroffen hätten3. Ob in diesem Fall der Vertrag im Ganzen als unwirksam anzusehen ist, hängt davon ab, ob der Vertrag auch ohne eine Schließung der Lücke noch durchführbar ist oder nicht4.
3.168
Die Lückenausfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist von einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion abzugrenzen5. Geltungserhaltende Reduktion und ergänzende Vertragsauslegung unterscheiden sich im Ausgangspunkt ebenso wie in der Zielsetzung und im Ergebnis. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung handelt es sich nicht um eine Rückführung der Klausel auf einen noch wirksamen Kern. Die Klausel bleibt vielmehr in vollem Umfang unwirksam. Anders als bei der geltungserhaltenden Reduktion gilt es daher bei der ergänzenden Vertragsauslegung, in Ausrichtung an dem hypothetischen Parteiwillen und dem Maßstab von Treu und Glauben, eine lückenausfüllende Ersatzregelung zu finden.
3.169
Der Verwender einer unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung ist auf der Grundlage eines Unterlassungsanspruchs nach § 1 UKlaG nicht verpflichtet, Kunden von sich aus darüber aufzuklären, dass die beanstandeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam sind. Zudem entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass die Vorschrift des § 1 UKlaG nur einen Anspruch auf Unterlassung, nicht aber auch auf Folgenbeseitigung begründet6. Auf der Grundlage von § 1 UKlaG kann folglich vom Verwender einer unwirksamen Klausel nicht verlangt werden, dass er bereits bestehende Verträge rückabwickelt oder den Vertragspartner von sich aus auf die Unangemessenheit der Klausel aufmerksam macht. Seine Unterlassungsverpflichtung geht vielmehr lediglich dahin, sich bei der Durchsetzung seiner Rechte nicht auf die unwirksame Klausel zu berufen. Allerdings kann nach Ansicht des BGH ein Verstoß gegen § 307 BGB durch Verwendung von intransparenten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Voraussetzungen einer unlauteren geschäftlichen Handlung gem. § 3 Abs. 1 UWG erfüllen. Der BGH hat nunmehr anerkannt, dass auf eine gem. § 3 Abs. 1 UWG unzulässige Handlung unter Umständen ein Beseitigungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gestützt werden kann7. Dieser Besei1 BGH v. 10.3.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493, 1494. 2 BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, WM 2010, 228, 232; BGH v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, WM 2009, 321 324; BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465, 1469; hierzu auch von Westphalen, WM 2009, 2355, 2357. 3 BGH v. 13.3.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643, 1646 f.; OLG Karlsruhe v. 30.3.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741, 1742; OLG Karlsruhe v. 30.3.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741, 1742; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, WM 2000, 629, 635. 4 Basedow in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 306 BGB Rz. 28. 5 Vgl. hierzu BGH v. 10.3.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493, 1494. 6 BGH v. 12.12.2007 – IV ZR 130/06, BGHZ 175, 28 Rz. 17; BGH v. 12.12.2007 – IV ZR 144/06, NJW-RR 2008, 624 Rz. 22; BGH v. 6.12.2012 – III ZR 173/12, BGHZ 196, 11 Rz. 22. 7 BGH v. 14.12.2017 – I ZR 184/15, WM 2018, 436.
210 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
tigungsanspruch steht nach § 8 Abs. 3 UWG auch einer klagenden Verbraucherzentrale als qualifizierter Einrichtung i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG zu1.
3.170–3.200
Einstweilen frei.
4. Abschnitt: AGB-Banken im Einzelnen Die AGB-Banken wurden nach ihrer zum 31.10.2009 erfolgten Neufassung in den vergangenen Jahren wiederholt modifiziert. Die Änderungen erfolgten aus Anlass der Umsetzung der Europäischen Verbraucherrechterichtlinie2, der Europäischen Richtlinie zur alternativen Streitbelegung von Verbraucherstreitigkeiten3 und der Zweiten Europäischen Zahlungsdiensterichtlinie4, als Reaktion auf die BGH-Rechtsprechung zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit von Klauseln zum Aufwendungsersatz5 sowie aufgrund der Änderung des Statuts des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken e.V.
3.201
Im Folgenden werden die einzelnen Klauseln Nr. 1 bis Nr. 21 der AGB-Banken vorgestellt. Die Genossenschaftsbanken verwenden nahezu inhaltsgleiche AGB. Die AGB-Sparkassen haben eine unterschiedliche Nummerierung und für einzelne Regelungsgegenstände zusätzliche Klauseln. Soweit in den AGB-Sparkassen abweichende Regelungen enthalten sind, wird hierauf jeweils bei den betreffenden Klauseln hingewiesen. Die Darstellung gibt einen Überblick. Besondere Problemstellungen werden in den betreffenden Sachkapiteln vertieft erörtert.
3.202
I. Nr. 1 AGB-Banken: Geltungsbereich und Änderungen (Kropf) 1. Geltungsbereich und Änderungen dieser Geschäftsbedingungen und der Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen (1) Geltungsbereich Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der Bank (im Folgenden Bank genannt). Daneben gelten für einzelne Geschäftsbeziehungen (zum Beispiel für das Wertpapiergeschäft, den Zahlungsverkehr und für den Sparverkehr) Sonderbedingungen, die Abweichungen oder Ergänzungen zu diesen Allgemeinen Geschäftsbedin1 BGH v. 14.12.2017 – I ZR 184/15, WM 2018, 436. 2 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304 v. 22.11.2011, S. 64. 3 Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG vom 18.6.2013, ABl. EU Nr. L 165 v. 18.6.2013, S. 63. 4 Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl. EU Nr. L 337 v. 23.12.2015, S. 35. 5 BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 437/11, WM 2012, 1344.
Kropf | 211
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
tigungsanspruch steht nach § 8 Abs. 3 UWG auch einer klagenden Verbraucherzentrale als qualifizierter Einrichtung i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG zu1.
3.170–3.200
Einstweilen frei.
4. Abschnitt: AGB-Banken im Einzelnen Die AGB-Banken wurden nach ihrer zum 31.10.2009 erfolgten Neufassung in den vergangenen Jahren wiederholt modifiziert. Die Änderungen erfolgten aus Anlass der Umsetzung der Europäischen Verbraucherrechterichtlinie2, der Europäischen Richtlinie zur alternativen Streitbelegung von Verbraucherstreitigkeiten3 und der Zweiten Europäischen Zahlungsdiensterichtlinie4, als Reaktion auf die BGH-Rechtsprechung zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit von Klauseln zum Aufwendungsersatz5 sowie aufgrund der Änderung des Statuts des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken e.V.
3.201
Im Folgenden werden die einzelnen Klauseln Nr. 1 bis Nr. 21 der AGB-Banken vorgestellt. Die Genossenschaftsbanken verwenden nahezu inhaltsgleiche AGB. Die AGB-Sparkassen haben eine unterschiedliche Nummerierung und für einzelne Regelungsgegenstände zusätzliche Klauseln. Soweit in den AGB-Sparkassen abweichende Regelungen enthalten sind, wird hierauf jeweils bei den betreffenden Klauseln hingewiesen. Die Darstellung gibt einen Überblick. Besondere Problemstellungen werden in den betreffenden Sachkapiteln vertieft erörtert.
3.202
I. Nr. 1 AGB-Banken: Geltungsbereich und Änderungen (Kropf) 1. Geltungsbereich und Änderungen dieser Geschäftsbedingungen und der Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen (1) Geltungsbereich Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der Bank (im Folgenden Bank genannt). Daneben gelten für einzelne Geschäftsbeziehungen (zum Beispiel für das Wertpapiergeschäft, den Zahlungsverkehr und für den Sparverkehr) Sonderbedingungen, die Abweichungen oder Ergänzungen zu diesen Allgemeinen Geschäftsbedin1 BGH v. 14.12.2017 – I ZR 184/15, WM 2018, 436. 2 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304 v. 22.11.2011, S. 64. 3 Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG vom 18.6.2013, ABl. EU Nr. L 165 v. 18.6.2013, S. 63. 4 Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl. EU Nr. L 337 v. 23.12.2015, S. 35. 5 BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 437/11, WM 2012, 1344.
Kropf | 211
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
gungen enthalten; sie werden bei der Kontoeröffnung oder bei Erteilung eines Auftrages mit dem Kunden vereinbart. Unterhält der Kunde auch Geschäftsverbindungen zu ausländischen Geschäftsstellen, sichert das Pfandrecht der Bank (Nummer 14 dieser Geschäftsbedingungen) auch die Ansprüche dieser ausländischen Geschäftsstellen. (2) Änderungen Änderungen dieser Geschäftsbedingungen und der Sonderbedingungen werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Hat der Kunde mit der Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung einen elektronischen Kommunikationsweg vereinbart (zum Beispiel das Online-Banking), können die Änderungen auch auf diesem Wege angeboten werden. Der Kunde kann den Änderungen vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens entweder zustimmen oder sie ablehnen. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen. Werden dem Kunden Änderungen von Bedingungen zu Zahlungsdiensten (zum Beispiel Überweisungsbedingungen) angeboten, kann er den von der Änderung betroffenen Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen auch fristlos und kostenfrei kündigen. Auf dieses Kündigungsrecht wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen. 1. Geltungsbereich
3.203
Die AGB gelten für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der Bank, Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 AGB. Kunde ist jeder, der mit der Bank durch die Inanspruchnahme einer bankmäßigen Leistung in rechtsgeschäftlichen Kontakt tritt1. Dies kann auch eine andere Bank sein. Bank ist jede inländische Geschäftsstelle. Die im Ausland unterhaltenen Geschäftsstellen müssen daher die von ihnen verwendeten AGB gesondert vereinbaren. Dabei kann den Besonderheiten der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung Rechnung getragen werden.
3.204
Die AGB-Klausel stellt im Übrigen klar, dass neben den AGB für einzelne Geschäftsbeziehungen Sonderbedingungen gelten, die Abweichungen oder Ergänzungen zu den AGB enthalten (Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 AGB). Hierdurch soll der Eindruck vermieden werden, dass die AGB die alleinige und abschließende AGB-mäßige Vereinbarung darstellen. Auch die Sonderbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB. Zur terminologischen Abgrenzung von diesen Sonder-AGB werden die AGB im herkömmlichen Wortsinne auch als Grund-AGB bezeichnet (hierzu Rz. 3.112).
3.205
Ergibt sich ein Widerspruch zwischen den Grund-AGB und den Sonderbedingungen, so kann das Gebot des Vorranges der Individualabrede des § 305b BGB entsprechend angewendet werden mit der Folge, dass die spezielle Regelung in den Sonderbedingungen der allgemeinen Klausel in den Grund-AGB vorgeht2. Dies gilt auch im Verhältnis der AGB1 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 1 AGB-Banken Rz. 4; Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrecht-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 6 Rz. 7. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 1 AGB-Banken Rz. 34.
212 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Klauseln in den Bankformularen zu den Grund-AGB oder Sonderbedingungen1. Lässt sich durch diesen Vorrang der Widerspruch nicht auflösen oder besteht über das Rangverhältnis Unklarheit, greift die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ein. 2. Einbeziehungsvoraussetzungen Die AGB selbst enthalten keine Einbeziehungsvereinbarungen i.S.d. § 305 Abs. 2 und 3 BGB2. Dies ist in der AGB-Klausel für die Sonderbedingungen ausdrücklich klargestellt. Danach werden diese Sonder-AGB bei der Kontoeröffnung oder bei der Erteilung eines Auftrages mit dem Kunden vereinbart (Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AGB). Die AGB wie auch die Sonderbedingungen werden gegenüber der nicht unternehmerischen Kundschaft nur wirksam, wenn die Einbeziehungsvoraussetzungen nach § 305 Abs. 2 und 3 BGB vorliegen. Danach werden AGB Bestandteil des Vertragsverhältnisses, wenn die Bank den Kunden ausdrücklich auf sie hinweist, ihm die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen und der Kunde mit der Geltung einverstanden ist. Der ausdrückliche Hinweis kann zwar auch mündlich oder durch Aushändigung des AGB-Textes erfolgen. Aus Beweisgründen wird dieser Hinweis jedoch häufig in dem betreffenden Kontoeröffnungs- oder Produktantrag unmittelbar über der Unterschriftszeile des Kunden ausgewiesen.
3.206
Die einzelnen Voraussetzungen einer wirksamen Einbeziehung der AGB in die bankmäßige Geschäftsverbindung sind unter Rz. 3.118 ff. näher dargestellt.
3.207
3. Änderungen der AGB Die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB müssen auch bei einer nachträglichen Änderung von bereits vereinbarten AGB erfüllt werden. Eine solche Änderung ist eine Modifizierung des Vertrages, die den gleichen Grundsätzen unterliegt wie der Vertragsabschluss3. Nr. 1 Abs. 2 AGB regelt die Modalitäten einer bankseitig veranlassten AGB-Änderung. Nach der seit 1.11.2009 geltenden Fassung werden Änderungen der AGB und der Sonderbedingungen dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Durch die damalige Anpassung wurde gegenüber der zuvor bestehenden Formulierung sprachlich klargestellt, dass es sich dabei nicht um eine bloße „Mitteilung“, sondern um ein Angebot der Bank auf eine Vertragsänderung handelt. Mit Wirkung zum 13.1.2018 ist in Bezug auf den Mechanismus zur Einbeziehung von Änderungen als neuer Satz 3 eine Ergänzung eingefügt worden. Diese Regelung geht auf eine Vorschrift in der Richtlinie (EU) 2015/ 2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/ EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/ 64/EG („Zweite Zahlungsdiensterichtlinie“) zurück. Die in Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie für Änderungen von Vertragsbedingungen vorgesehene Regelung ist insoweit in die AGB-Banken übernomen worden.
3.208
Das Änderungsangebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung der Bank und muss daher dem Kunden zugehen. Es bedarf der Textform und kann beispielsweise über einen
3.209
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 6 Rz. 6. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 6 Rz. 6. 3 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 164.
Kropf | 213
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Ausdruck am Kontoauszugsdrucker unterbreitet werden, sofern der Kunde die Nutzung des Kontoauszugsdruckers mit der Bank vereinbart hat. Auch elektronische Speichermedien können die Textform erfüllen, sofern die gespeicherten Daten in Schriftzeichen lesbar sind und der Schriftträger für eine dauerhafte Wiedergabemöglichkeit geeignet ist1. In allen Fällen ist jedenfalls erforderlich, dass das Änderungsangebot tatsächlich in den Machtbereich des Kunden übermittelt wird.
3.210
Die Änderungen können nach Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 AGB auch auf elektronischem Kommunikationsweg angeboten werden, wenn im Rahmen der Geschäftsbeziehung dieser Kommunikationsweg vereinbart wurde. Eine solche Vereinbarung allgemeinen Inhalts ist ausreichend und muss nicht ausdrücklich auch auf die Änderung von AGB bezogen sein. Bloßer gelegentlicher E-Mail-Kontakt ohne die Vereinbarung eines elektronischen Kommunikationsweges ist demgegenüber nicht ausreichend2. Die Voraussetzungen für die Einhaltung der Textform gelten auch für den elektronischen Kommunikationsweg. Ein elektronisch übermitteltes Änderungsangebot muss daher in dauerhafter Weise gespeichert werden können, nachdem es in den Machtbereich des Kunden gelangt ist. Das Angebot ist dann im Machtbereich des Kunden, wenn dieses in eine vom Kunden unterhaltene technische Empfangsvorrichtung eingegangen ist und der Kunde dieses sodann abrufen kann3.
3.211
Um dem Kunden die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme der geänderten Klauseln zu ermöglichen, sind diese dem Kunden zugänglich zu machen und Änderungen zu seinem Nachteil besonders hervorzuheben4. Dies kann z.B. durch eine synoptische Gegenüberstellung, durch eine drucktechnische Hervorhebung der Änderungen oder durch ein Ergänzungsblatt, in welchem die Änderungen im Einzelnen angeführt sind, erfolgen. Eine Veröffentlichung der modifizierten Bedingungstexte auf der Homepage der Bank ist nicht hinreichend, da es in diesem Fall an einer individuellen Ansprache des Kunden fehlt und dieser aktiv werden muss, um sich den geänderten Text zu beschaffen5.
3.212
Nach Nr. 1 Abs. 2 Satz 4 AGB gilt die Zustimmung des Kunden als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung wird die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen (Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 AGB). Dieser Änderungsmechanismus ist an Art. 44 der EU-Zahlungsdiensterichtlinie6 und § 675g Abs. 2 BGB7 angelehnt und erhält damit eine gesetzliche Grundlage. Dem Regelungsgehalt von § 675g Abs. 2 BGB kommt für Vertragsänderungen, die mit einer Genehmigungsfiktion zustande kommen, der Charakter eines gesetzlichen Leitbildes zu. In Abs. 2 der AGB-Klausel wird daher nicht zwischen Zahlungsdiensten und sonstigen Bankgeschäften unterschieden. Vielmehr soll für 1 Einsele in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2015, § 126b BGB Rz. 6. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 1 AGB-Banken Rz. 38; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 1 AGB-Banken Rz. 7. 3 Vgl. Einsele in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2015, § 130 BGB Rz. 18. 4 Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 164. 5 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 7. 6 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt vom 13.11.2007, ABl. EU Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1. 7 § 675g (in Kraft seit 31.10.2009) wurde in das BGB eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29.7.2009, BGBl. I 2009, 2355 ff.
214 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
alle Bedingungsänderungen ein einheitliches Änderungsverfahren gelten. Dem Kunden stehen nunmehr zwei Monate als Ablehnungsfrist zur Verfügung. Diese Frist kann sich in der Praxis verlängern, wenn die Bank ihr Angebot auf Änderung der AGB länger als zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens unterbreitet, da das Ende der Frist stets an den vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens anknüpft. Durch die neue Regelung in Nr. 1 Abs. 2 Satz 3 AGB ist nunmehr klargestellt, dass der Kunde vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung zustimmen oder diese ablehnen kann. Die Genehmigungsfiktion begründet nicht ein einseitiges Recht zur Änderung der bisher vereinbarten AGB und weicht auch nicht von den Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 BGB ab1. Mit Blick auf das für Massengeschäfte bestehende Rationalisierungsbedürfnis ist für die Zustimmung des Kunden aber keine Erklärung notwendig, denn diese wird fingiert. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion in Nr. 1 Abs. 2 AGB entsprechen im Übrigen den AGB-gesetzlichen Voraussetzungen für eine fingierte Einverständniserklärung des Kunden gem. § 308 Nr. 5 BGB2.
3.213
Lehnt der Kunde die Änderungen innerhalb der Ablehnungsfrist ab, so gelten für das hiervon betroffene Vertragsverhältnis die ursprünglich vereinbarten Bedingungen fort3. Die Ablehnungsanzeige des Kunden kann formlos erfolgen, da nach § 675g Abs. 1 BGB das Widerspruchsrecht an keine zwingende Form gebunden ist.
3.214
Die Einverständniserklärung des Kunden kann auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Ein solches konkludentes Einverständnis ist jedoch nicht in jedweder Fortsetzung des Zahlungsverkehrs zu sehen. Für ein Girokonto, über welches täglich Umsätze des bargeldlosen Zahlungsverkehrs gebucht werden und auf dessen tägliche Nutzung der Kunde angewiesen ist, wird man nicht ohne weiteres ein konkludentes Einverständnis annehmen können. Die bloße Fortsetzung des Zahlungsverkehrs lässt nicht den eindeutigen Schluss auf den Rechtsfolgewillen einer Annahme zu. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Ablehnungsfrist als eine Überlegungsfrist dem Kunden ermöglichen soll, seine Entscheidung über die AGB-Änderung in ausreichender Zeit und ggf. nach fachkundiger Beratung zu treffen4. Anders ist die Beurteilung, wenn der Kunde noch vor Ablauf der Ablehnungsfrist Einmalaufträge erteilt, beispielsweise neue Geldanlagegeschäfte beauftragt, deren Ausführung weisungsgemäß erst nach Ablauf der Ablehnungsfrist liegen soll.
3.215
Für die Änderung der Bedingungen zu Zahlungsdiensten, wie z.B. Überweisungsbedingungen, besteht die Besonderheit, dass der Kunde den von der Änderung betroffenen Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen auch fristlos und kostenfrei kündigen kann, Nr. 1 Abs. 2 Satz 6 AGB. Mit dieser in die AGB-Fassung 2009 neu eingefügten Regelung wird das Sonderkündigungsrecht nach § 675g Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Änderung von Bedingungen zu Zahlungsdiensten angewandt. Es ist hierauf beschränkt. Für andere Dienstleistungen der Bank steht dem Kunden kein Sonderkündigungsrecht zu. Der Zahlungsdienstnutzer hat somit die Möglichkeiten, dem Änderungsangebot, auch durch Schweigen, zuzustimmen, zu widerspre-
3.216
1 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 1 AGB-Banken Rz. 7. 2 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 8. 3 BT-Drucks. 16/11643, 103. 4 Vgl. auch BGH v. 17.3.1999 – IV ZR 218/97, WM 1999, 1367, 1369.
Kropf | 215
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
chen oder das betreffende Vertragsverhältnis zu kündigen1. Der AGB-Änderungsmodus gilt ebenso für Firmenkunden. § 675e Abs. 4 BGB sieht die Möglichkeit einer von § 675g Abs. 2 BGB abweichenden Vereinbarung vor, wenn der Zahlungsdienstnutzer nicht ein Verbraucher ist. Hiervon wurde in der AGB-Regelung kein Gebrauch gemacht. 4. AGB-Sparkassen
3.217
Entsprechende Regelungen sind in den AGB-Sparkassen in Nr. 1 Abs. 2 sowie in Nr. 2 enthalten. Der in Nr. 2 AGB-Sparkassen geregelte Änderungsmodus bezieht in Abs. 1 ausdrücklich auch die Einführung zusätzlicher Bedingungen ein. Hinsichtlich der Form des Änderungsangebotes wird abweichend von den AGB-Banken nicht auf die Textform, sondern auf die jeweils gesetzlich zugelassene Form abgestellt.
3.218
In der vor der Neufassung Oktober 2009 geltenden Fassung der Nr. 2 Abs. 1 AGB-Sparkassen war abweichend von Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken geregelt, dass ein Hinweis auf die Änderungen entbehrlich ist, wenn ein solcher unmittelbarer Hinweis mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. In diesem Fall sollte ein deutlich sichtbarer Aushang oder eine Auslegung in den Kassenräumen der Sparkassen genügen. An der Zulässigkeit dieser Regelung wurden mit Blick auf § 308 Nr. 5 BGB Zweifel geäußert, da auf einen ausdrücklichen Hinweis nicht verzichtet werden kann2. Diese Regelung ist in der AGBFassung 2009 nicht mehr enthalten.
3.219
Nr. 2 Abs. 4 AGB-Sparkassen enthält eine gesonderte Klarstellung, dass das Änderungsverfahren gemäß der Abs. 1 und 2 nicht anwendbar ist, soweit abweichende Vereinbarungen getroffen sind. Änderungen von Bedingungen zu Zahlungsdiensten sind davon ausdrücklich ausgenommen (Nr. 2 Abs. 4 Satz 2 AGB-Sparkassen).
3.220–3.230 Einstweilen frei.
II. Nr. 2 AGB-Banken: Bankgeheimnis und Bankauskunft (Merz/Büchel) 2. Bankgeheimnis und Bankauskunft (1) Bankgeheimnis Die Bank ist zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet, von denen sie Kenntnis erlangt (Bankgeheimnis). Informationen über den Kunden darf die Bank nur weitergeben, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten oder der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist. (2) Bankauskunft Eine Bankauskunft enthält allgemein gehaltene Feststellungen und Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, seine Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit; betragsmäßige Angaben über Kontostände, Sparguthaben, Depot- oder sonstige der Bank anvertraute Vermögenswerte sowie Angaben über die Höhe von Kreditinanspruchnahmen werden nicht gemacht. 1 BT-Drucks. 16/11643, 103. 2 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 9.
216 | Kropf/Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
(3) Voraussetzungen für die Erteilung einer Bankauskunft Die Bank ist befugt, über juristische Personen und im Handelsregister eingetragene Kaufleute Bankauskünfte zu erteilen, sofern sich die Anfrage auf ihre geschäftliche Tätigkeit bezieht. Die Bank erteilt jedoch keine Auskünfte, wenn ihr eine anders lautende Weisung des Kunden vorliegt. Bankauskünfte über andere Personen, insbesondere über Privatkunden und Vereinigungen, erteilt die Bank nur dann, wenn diese generell oder im Einzelfall ausdrücklich zugestimmt haben. Eine Bankauskunft wird nur erteilt, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Auskunft glaubhaft dargelegt hat und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange des Kunden der Auskunftserteilung entgegenstehen. (4) Empfänger von Bankauskünften Bankauskünfte erteilt die Bank nur eigenen Kunden sowie anderen Kreditinstituten für deren Zwecke oder die ihrer Kunden. 1. Regelungszweck Von den aus der Geschäftsverbindung herrührenden allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank haben in den AGB-Banken nur das Bankgeheimnis und die Bankauskunft eine Regelung erfahren. Die Regelung des Bankgeheimnisses ist in Nr. 2 Abs. 1 AGB und die der Bankauskunft in Nr. 2 Abs. 2–4 AGB enthalten1.
3.231
2. Bankgeheimnis Der Begriff des Bankgeheimnisses – eine Legaldefinition existiert nicht2 – beinhaltet nicht nur die Pflicht der Bank, Stillschweigen über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen zu wahren, von denen sie Kenntnis erlangt hat (Nr. 2 Abs. 1 AGB). Das Bankgeheimnis berechtigt die Kreditinstitute zudem, Auskünfte gegenüber jedermann und damit grundsätzlich auch gegenüber Behörden zu verweigern. Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise eine ausdrückliche gesetzliche Offenbarungspflicht besteht, der Kunde eingewilligt hat oder das Kreditinstitut aus sonstigen Gründen von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden ist.
3.232
Die Verschwiegenheitspflicht setzt voraus, dass der Bank die geheim zu haltende Tatsache auf Grund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung bekannt geworden ist oder die Bank diese bei Gelegenheit ihrer geschäftlichen Tätigkeit erfahren hat3. Zu einer konkreten Geschäftsbeziehung, etwa der Eröffnung eines Kontos oder eines Depots, braucht es noch nicht gekommen zu sein4. So kommt die Verschwiegenheitspflicht der Bank schon zum Tragen, wenn sie einen Kreditwunsch abgelehnt hat, dem der Kreditsuchende vertrauliche Geschäftsunterlagen beigefügt hatte.
3.233
1 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 3; Weber in BuB, Rz. 1/28; Nobbe, WM 2005, 1537. 2 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, AGB der Banken, Rz. B 11. 3 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830, 833; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGBRecht, AGB der Banken, Rz. B 12; Weber in BuB, Rz. 1/36. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 53.
Merz/Büchel | 217
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.234
Die Verschwiegenheitspflicht setzt weiterhin voraus, dass der Kunde die betreffenden Tatsachen überhaupt geheim zu halten wünscht1. Dies folgt aus der Funktion des Bankgeheimnisses, die u.a. darin besteht, den Kunden vor einer ungewollten Weitergabe der über ihn vorhandenen Informationen zu schützen2. Von einem solchen Wunsch des Kunden ist in der Praxis aber regelmäßig auszugehen, so dass eine Informationsweitergabe grundsätzlich nur in den Fällen der Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 AGB zulässig ist. a) Rechtsnatur des Bankgeheimnisses
3.235
Die Verpflichtung der Bank zur Wahrung des Bankgeheimnisses wird seit jeher als eine Nebenpflicht aus der Geschäftsverbindung zwischen Kunde und Bank eingeordnet3. Die exakte zivilrechtliche Grundlage des Bankgeheimnisses ist in der Literatur nach wie vor nicht abschließend geklärt4. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses eine besondere Ausprägung der allgemeinen Pflicht der Bank, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen5. Unabhängig davon hat der BGH bislang offen gelassen, ob das Bankgeheimnis auf vertraglicher oder gewohnheitsrechtlicher Grundlage beruht6.
3.236
Die im Jahre 1993 ausdrücklich aufgenommene Regelung in Nr. 2 Abs. 1 AGB hat daher nach allgemeiner Meinung lediglich deklaratorische Bedeutung7. Das Bankgeheimnis gilt deshalb auch dann, wenn im Einzelfall die AGB-Banken zwischen der Bank und dem Kunden nicht wirksam vereinbart worden sind8. Die Verschwiegenheitspflicht besteht im Übrigen auch in den Ausnahmefällen, in denen der geschäftliche Kontakt mit der Bank nicht in den Abschluss eines Vertrages einmündet (vgl. auch § 311 Abs. 2 BGB)9.
3.237
Durch die AGB-mäßige Regelung des Bankgeheimnisses sollte der Umfang der Geheimhaltungspflicht schärfer konturiert und dem hohen Stellenwert, der dem Bankgeheimnis unter dem Aspekt des Datenschutzes, des Persönlichkeitsrechts und der Unverletzlichkeit der Pri1 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 362; BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643, 644; BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830, 833; BGH v. 12.5.1958 – II ZR 103/57, NJW 1958, 1232; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 8; Weber in BuB, Rz. 1/37. 2 Nobbe, WM 2005, 1537, 1538. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 1; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 42; Fandrich in von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 10; Hoffmann in BuB, Rz. 2/842; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGBBanken Rz. 1; Weber in BuB, Rz. 1/33. 4 Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 7 ff.; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, AGB der Banken Rz. B 11; Nobbe, WM 2005, 1537, 1539. 5 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 362; BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643, 645. 6 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 362; BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643, 645. 7 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 40; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 1; Hoffmann in BuB, Rz. 2/842; Hopt in Baumbach/ Hopt, AGB-Banken Rz. 1; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 3; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, AGB der Banken Rz. B 11; Weber in BuB, Rz. 1/34; Nobbe, WM 2005, 1537, 1539. 8 Hoffmann in BuB, Rz. 2/842; Nobbe, WM 2005, 1537, 1539. 9 Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 8; Nobbe, WM 2005, 1537, 1539.
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vatsphäre zukommt, sichtbar Rechnung getragen werden1. Schließlich legten auch Auskunftsersuchen ausländischer staatlicher Stellen an inländische Banken wegen auslandsbezogener Geschäftsvorfälle eine ausdrückliche Verankerung in den AGB-Banken nahe2. Diese anfragenden Stellen haben nicht selten bezweifelt, ob die Bank nach deutschem Recht wirklich berechtigt ist, die erbetenen Informationen unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern. Einer Verschwiegenheitspflicht, die lediglich als ungeschriebenes Recht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitet wird, traute das Ausland keine große Durchsetzungskraft zu3. b) Gegenstand des Bankgeheimnisses Der Verschwiegenheitspflicht unterliegen sämtliche kundenbezogene Tatsachen, von denen die Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung Kenntnis erlangt4. Unerheblich ist dabei, ob die Kenntnis auf einer Mitteilung des Kunden, eines Dritten oder auf eigener Wahrnehmung beruht. Es genügt, dass die Kenntnis im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit der Bank erlangt wurde5.
3.238
Zu den kundenbezogenen Tatsachen gehören alle äußeren oder inneren Vorgänge, die der Nachprüfung durch Dritte offen stehen6. Das Bestehen der Geschäftsverbindung mit der Bank fällt damit grundsätzlich unter das Bankgeheimnis. Der Kunde wird aber durch die Angabe seiner Bankverbindung auf seinem Briefbogen und durch Verwendung von Scheck- und Überweisungsformularen vielfach selbst seine Geschäftsverbindung zu seiner Bank offen legen. In diesen Fällen entfällt die Verschwiegenheitspflicht; hier ist die Bankverbindung kein schutzwürdiges Geheimnis mehr7. Allerdings können auch offenkundige und allgemein bekannte Tatsachen unter das Bankgeheimnis fallen, sofern der Kunde gleichwohl die Geheimhaltung wünscht und der Dritte diese erst durch die Bank erfährt8.
3.239
Das Bankgeheimnis erstreckt sich auch auf Wertungen der Bank, also auf subjektive Schlussfolgerungen oder Meinungsäußerungen, die sich meist auf die im Rahmen der Geschäftsverbindung zugänglichen Tatsachen und Informationen stützen (Nr. 2 Abs. 1 AGB)9. Zu diesen Wertungen zählen insbesondere Bonitätsbeurteilungen der Bank10.
3.240
Die Verschwiegenheitspflicht ist zudem nicht auf die reinen Vermögensangelegenheiten beschränkt. Sie erstreckt sich auch auf die Privatverhältnisse des Kunden, wie etwa Erb-
3.241
1 2 3 4 5 6 7 8 9
10
Hoffmann in BuB, Rz. 2/842; Weber in BuB, Rz. 1/34. Sonnenhol, WM 1993, 677, 678. Weber in BuB, Rz. 1/34, 2/842; Bosch, IPrax 1984, 127. BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830, 833; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 7; Weber in BuB, Rz. 1/36. Nobbe, WM 2005, 1537, 1538. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 40. Hoffmann in BuB, Rz. 2/844. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 8; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 49; a.A. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 13. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 40; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 7; Weber in BuB, Rz. 1/36; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 49; Fandrich in von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 10; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Teil 2, (8) Banken (Kreditinstitute) Rz. 10; Hoffmann in BuB, Rz. 2/842; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGBRecht, AGB der Banken Rz. B 12. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 40.
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fälle, Scheidungen oder Unterhaltsverpflichtungen1. Der Verschwiegenheit unterliegen schließlich ebenfalls Unterlassungen des Kunden, etwa dass der Kunde an einem bestimmten Tag keine Kontoverfügung vorgenommen oder einen eingeräumten Kreditrahmen nicht ausgenutzt hat (sog. Negativtatsachen)2. c) Umfang des Bankgeheimnisses
3.242
Die Verschwiegenheitspflicht der Bank besteht gegenüber dem Kunden. Er ist Inhaber des Rechts auf Verschwiegenheit und somit Geheimnisherr3. Im Rahmen der gesetzlichen Grenzen bestimmt er den Umfang der Geheimhaltungspflicht. Die Verschwiegenheitspflicht besteht gegenüber jedermann, selbst gegenüber dem Ehegatten4. Es kommt auf den Willen des Geheimnisherrn an, der aber auch durch seinen gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter5 bzw. die für ihn handelnde Partei kraft Amtes wahrgenommen werden kann. Im Insolvenzverfahren ist daher auf die Befugnisse des (vorläufigen) Insolvenzverwalters abzustellen6. Nach seinem Ableben werden der oder die Erben Geheimnisherren7. Hierbei sind jedoch persönlichkeitsbezogene Geheimnisse denkbar, die nach dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen auch gegenüber den Erben nicht aufgedeckt werden dürfen8.
3.243
Wenngleich die Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich nur den Kunden oder seinen Erben schützen soll, kann das Bankgeheimnis in bestimmten Fallkonstellationen gegenüber einem Nicht-Kunden zum Tragen kommen9. Hier ist vor allem an die Fälle zu denken, in denen ein Kreditinstitut die geheimhaltungspflichtigen Tatsachen im Rahmen der Abwicklung eines Geschäftes erfahren hat, das die Einschaltung mehrerer Kreditinstitute erfordert. Diese Sachverhalte sind vor allem beim bargeldlosen Zahlungsverkehr unter Einschaltung mehrerer Banken gegeben. Bei solchen institutsübergreifenden Geschäftsvorfällen tritt jedes mitwirkende Kreditinstitut in die Geheimhaltungspflicht der anderen mit eingeschalteten Institute ein10.
3.244
Die Verschwiegenheitspflicht besteht selbst innerhalb der Bank. Die Bankmitarbeiter sind insoweit grundsätzlich als Dritte anzusehen, denen gegenüber das Bankgeheimnis zu wahren ist (sog. inneres Bankgeheimnis)11. Hieraus folgt die Unzulässigkeit einer bankweiten 1 Hoffmannin BuB, Rz. 2/844; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 13. 2 Hoffmann in BuB, Rz. 2/844; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 15. 3 Hoffmann in BuB, Rz. 2/846 ff. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 9; Hoffmann in BuB, Rz. 2/851. 5 Eine übliche Kontovollmacht ist aber nicht ausreichend, Hoffmann in BuB, Rz. 2/849. 6 Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 2.355; Huber, ZInsO 2001, 289. 7 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 51; Hoffmann in BuB, Rz. 2/846; Krepold in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 17; Weber in BuB, Rz. 1/39a. 8 Hoffmann in BuB, Rz. 2/848. 9 Weber in BuB, Rz. 1/38; Nobbe, WM 2005, 1537, 1539. 10 BGH v. 12.5.1958 – II ZR 103/57, NJW 1958, 1232; vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 128 ff. wegen der Pflichten gegenüber „unverbundenen Dritten“ (Nicht-Kunden). 11 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 9; Fandrich in von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 10; Hoffmann in BuB, Rz. 2/851; Weber in BuB, Rz. 1/40.
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„Evidenzstelle“, auf die jeder Mitarbeiter Zugriff hat1. Andererseits dürfen den Mitarbeitern, die auf Grund der betrieblichen Gegebenheiten in die Geschäftsabwicklung eingebunden sind, Kundengeheimnisse preisgegeben werden2. Zudem gibt es Abteilungen wie die Revision oder zur Geldwäschebekämpfung, die funktional notwendig3 auf Kundendaten zugreifen können müssen, um ihre gesetzlichen Aufgaben wie nach dem GwG erfüllen zu können. Die Verschwiegenheitspflicht bleibt im Übrigen von der Beendigung der Geschäftsverbindung unberührt4 und wirkt dauerhaft fort.
3.245
d) Durchbrechung des Bankgeheimnisses Die Verschwiegenheitspflicht der Bank ist in bestimmten Fällen eingeschränkt. Nach Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 AGB darf die Bank vertrauliche Informationen über den Kunden weitergeben, wenn der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist oder gesetzliche Bestimmungen dies gebieten5.
3.246
Eine Befreiung vom Bankgeheimnis kann sich in Ausnahmefällen auch aus dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben, das den – auch diese Verschwiegenheitspflicht umfassenden – allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten zugrunde liegt und dem anderen Vertragspartner nur eine diesem zumutbare Verhaltensweise auferlegt. Problematisch sind insoweit die Fallgestaltungen, in denen die Verschwiegenheitspflicht mit einer höherwertigen Warnpflicht gegenüber einem anderen Kunden oder einem ganz überwiegenden Eigeninteresse der Bank an der Offenlegung der geheim zu haltenden Tatsachen kollidiert.
3.247
aa) Einwilligung des Kunden Bei der Einwilligung des Kunden, die die Bank nach der Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 AGB von der Verschwiegenheitspflicht befreit, handelt es sich um eine vorherige Zustimmung i.S.d. § 183 BGB. Neben der ausdrücklichen Zustimmung kann in Ausnahmefällen auch eine konkludente Einwilligung in Betracht kommen6. Nicht ausreichend ist jedoch die mutmaßliche Einwilligung7.
3.248
Eine solche konkludente Entbindung vom Bankgeheimnis ist z.B. gegeben, wenn die Bank im Auftrag des Kunden bestimmte Tatsachen zur Ermöglichung eines Geschäftsabschlusses, insbesondere Referenzauskünfte, einem Dritten mitteilt8. Die Bank darf auch nach allgemeiner Meinung bei der Nichteinlösung eines Schecks (oder Wechsels9) Auskünfte über den
3.249
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 9. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 9; Hoffmann in BuB, Rz. 2/ 852; Weber in BuB, Rz. 1/40. 3 Hoffmann in BuB, Rz. 2/852. 4 Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 18; Weber in BuB, Rz. 1/ 39a. 5 Diese Aufzählung ist nur deklaratorisch, vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 2. 6 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 55; Weber in BuB, Rz. 1/50. 7 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 55; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 12. 8 Weber in BuB, Rz. 1/50. 9 Hoffmann in BuB, Rz. 2/935.
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Scheckaussteller wie dessen Name und Adresse1 an den Inhaber und sonstige Berechtigte ohne dessen ausdrückliche Einwilligung erteilen, soweit diese Auskünfte zur Durchsetzung der scheckrechtlichen Ansprüche unerlässlich sind2. Denn mit der Begebung eines Schecks bringt der Aussteller konkludent zum Ausdruck, dass er sich damit den Gepflogenheiten dieses Zahlungsverkehrssystem unterwirft und damit einverstanden ist, dass die Informationen weitergegeben werden, die der Scheckinhaber im Falle der Nichteinlösung benötigt, um die speziellen scheckrechtlichen Verfahren einzuleiten3. bb) Pflichtenkollision bei Warnpflichten gegenüber anderen Kunden
3.250
Die Bank gerät in eine Pflichtenkollision, wenn ihre Verschwiegenheitspflicht mit der Schutzpflicht aus der Geschäftsverbindung zugunsten eines anderen Kunden kollidiert, weil sie diesen insbesondere vor Geschäftsrisiken zu warnen hat4. Nach dem BGH ist der Konflikt zwischen Aufklärungspflicht und Bankgeheimnis durch Güterabwägung zu lösen5. Bei der gebotenen Güterabwägung kommt es darauf an, ob nach den Umständen des Einzelfalls das Interesse an der Geheimhaltung nach Treu und Glauben den Vorrang vor dem Schutz des anderen Kunden verdient. Hierbei ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang das aufklärungspflichtige Kreditinstitut gezwungen wäre, Einzelheiten seiner Geschäftsverbindung mit einem anderen Bankkunden und über dessen Vermögenslage zu offenbaren6. cc) Überwiegendes Eigeninteresse der Bank
3.251
Die Kreditinstitute können schließlich nach übereinstimmender Meinung aus eigenen überwiegenden Interessen berechtigt sein, unter das Bankgeheimnis fallende Tatsachen offenzulegen7. Dies entspricht dem Rechtsgedanken der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB). Bei diesem besonderen Rechtfertigungsgrund für das Gebiet der Ehrverletzung handelt es sich um ein praktisches Beispiel des allgemeinen Grundsatzes der Güter- und Interessenabwägung.
3.252
Ein solches berechtigtes Interesse ist beispielsweise gegeben, wenn die Offenlegung der geheimhaltungspflichtigen Tatsachen notwendig ist, um in einem Gerichtsverfahren eigene Forderungen gegen den Kunden mit Erfolg einklagen zu können oder um sich gegen Angriffe des Kunden sachgemäß verteidigen zu können8.
3.253
Ein solches überwiegendes Eigeninteresse der Bank an einer Auskunft kann auch bei der Verurteilung durch ein ausländisches Gericht zur Herausgabe bestimmter Unterlagen gegeben sein, wenn bei Missachtung des Urteils eine Bestrafung oder Nachteile für eine aus1 Hoffmann in BuB, Rz. 2/930; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 38. 2 Weber in BuB, Rz. 1/53. 3 Weber in BuB, Rz. 1/53. 4 Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 88. 5 BGH v. 27.11.1990 – XI ZR 308/89, NJW 1991, 693; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 60; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 92. 6 Als Warnpflicht kommt in Betracht, dass das Kreditinstitut vom Zusammenbruch des Begünstigten oder dessen Kreditinstituts weiß, BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, NJW 1987, 317. 7 OLG Köln v. 8.7.1992 – 11 U 43/92, WM 1993, 289, 291; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 62; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 93. 8 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 58; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 97.
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ländische Filiale und Tochtergesellschaft drohen1. Zu diesen Nachteilen gehören die Gefahr für Leib und Leben von Bankmitarbeitern und mögliche Beuge- oder Freiheitsstrafen2. Selbst in diesen Ausnahmefällen kann allerdings nicht generell eine Befugnis zum Geheimnisbruch bejaht werden. Vielmehr bedarf es einer konkreten (einzelfallbezogenen) Abwägung, bei der die Nachteile, die der Bank und den Kunden aus der Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht drohen, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit miteinander zu vergleichen sind3. e) Auskünfte gegenüber staatlichen Stellen Das Bankgeheimnis besteht auch gegenüber staatlichen Stellen, wird aber durch verschiedene gesetzliche Bestimmungen durchbrochen4. In den vergangenen Jahren sind die Befugnisse der Behörden und die damit einhergehenden Melde- und Offenlegungspflichten der Kreditinstitute durch die Verschärfung bestehender oder neue Gesetze stark erweitert worden. Stellvertretend seien hier insbesondere GwG5, FATCA6, CRS (FKAustG)7, StUmgBG8 und die StPO9 genannt.
3.254
aa) Zivilprozess Nach der Zivilprozessordnung (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO und § 384 Nr. 3 ZPO) ist ein Zeuge berechtigt, seine Aussage hinsichtlich solcher Tatsachen zu verweigern, zu deren Geheimhaltung er verpflichtet ist und hinsichtlich solcher Fragen, die er ohne Offenbarung eines Gewerbegeheimnisses nicht beantworten könnte. Zu den hiernach geschützten Geheimnissen gehört auch das Bankgeheimnis. Diese zivilprozessuale Regelung gilt auf Grund gesetzlicher Verweisungen auch im Arbeitsgerichtsprozess, Sozialgerichtsverfahren, Verwaltungsgerichtsverfahren, Insolvenzverfahren sowie in der freiwilligen Gerichtsbarkeit10.
3.255
Bei der Vollstreckung in ein Bankguthaben hat die Bank als Drittschuldnerin auf Verlangen des Gläubigers innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses die sog. Drittschuldnererklärung abzugeben (§ 840 ZPO)11. Die Drittschuldnererklärung
3.256
1 2 3 4 5 6
7 8 9 10 11
Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 62; Bosch, IPRax 1984, 127. Bosch, IPRax 1984, 127. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 62; Bosch, IPRax 1984, 127. Ausführlich hierzu: Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39. Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) vom 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1822. Gesetz zu dem Abkommen vom 31.5.2013 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen vom 10.10.2013, BGBl. II 2013, 1362; Dahm in BuB, Rz. 2/869. Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen (FinanzkontenInformationsaustauschgesetz – FKAustG) vom 21.12.2015, BGBl. I 2015, 2531; Dahm in BuB, Rz. 2/869. Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) vom 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1682; das Gesetz führte u.a. zu wesentlichen Änderungen der AO. Art. 3 des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens (ÜbwRÄndG) vom 17.8.2017, BGBl. I 2017, 3202. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; §§ 118 Abs. 1, 202 SGG; § 98 VwGO; § 113 FamFG; § 4 InsO. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 285.
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darf jedoch nur die nach § 840 Abs. 1 Nrn. 1–5 ZPO zulässigen Fragen beantworten und nicht darüber hinausgehen1. Ob bei einer Pfändung innerhalb eines Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahrens (§ 916, § 930 ZPO) eine Auskunftspflicht besteht, ist umstritten2. Diese Auskunftspflicht besteht dagegen noch nicht bei der Vorpfändung von Forderungen (§ 845 ZPO)3. bb) Strafprozess
3.257
Im Strafverfahren sind Inhaber und Mitarbeiter von Kreditinstituten verpflichtet, als Zeuge vor der Staatsanwaltschaft oder deren beauftragter Ermittlungspersonen (Polizei) (s. dazu auch Rz. 3.259) zu erscheinen und auszusagen (§ 161a, § 163 StPO). Dieselbe Verpflichtung besteht gegenüber dem Ermittlungsrichter (§ 162 StPO) und in der Hauptverhandlung4. Denn das Bankgeheimnis ist nicht im Katalog der zur Zeugnisverweigerung berechtigten Berufsgeheimnisse des § 53 StPO aufgeführt, so dass sich Angestellte von Kreditinstituten bei ordnungsgemäßer Ladung nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können. Ein Aussageverweigerungsrecht für Zeugen besteht daher nur, wenn bei der Beantwortung der Fragen die Gefahr besteht, dass der Zeuge selbst oder ein naher Angehöriger strafrechtlich verfolgt wird.
3.258
Die Staatsanwaltschaft kann beweisrelevante Geschäftsunterlagen der Bank beschlagnahmen (§ 94 Abs. 2, § 98 StPO)5. Sie ist auch ohne Gefahr im Verzuge berechtigt, von Kreditinstituten Kontounterlagen gem. § 95 Abs. 1 StPO heraus zu verlangen. Ein Kreditinstitut, das der Staatsanwaltschaft zur Abwendung der Herausgabe von Unterlagen mit entsprechendem Einverständnis Fotokopien zur Verfügung stellt, ist hierfür gem. § 23 Abs. 2 i.V.m. § 7, § 22 JVEG zu entschädigen.
3.259
Mit der Änderung des § 163 Abs. 3 StPO6 besteht nunmehr entgegen der Kommentierung früherer Auflagen auch eine Erscheinens- und Aussagepflicht als Zeuge bei Vernehmungen durch die Polizei, wenn diese als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft in deren Auftrag handelt. Die Befugnisse der Ermittlungsperson entsprechen dann weitgehend denen der Staatsanwaltschaft. Wie jene kann sie gem. § 94 Abs. 2, § 98 StPO Unterlagen beschlagnahmen. Damit ist die Bank auch gegenüber der Polizei berechtigt, zur Abwendung einer Zeugenladung schriftlich Auskünfte zu erteilen und Unterlagen heraus zu geben. Sie sollte sich allerdings bestätigen lassen, dass die Ermittlungsperson im Auftrag der Staatsanwaltschaft handelt, sofern im Auskunftsersuchen nicht schon ein entsprechender Hinweis enthalten ist7.
3.260
Keine Verletzung des Bankgeheimnisses beinhaltet die Anzeige einer Geldwäsche i.S.d. § 261 StGB. Von dieser strafbefreienden Anzeige ist die Anzeigepflicht für Verdachtsfälle nach § 43 GwG zu unterscheiden, die ebenfalls keine Verletzung des Bankgeheimnisses darstellt8. 1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 54. 2 Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 288. 3 BGH v. 4.4.1977 – VII ZR 217/75, NJW 1977, 1199; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 287. 4 Weber in BuB, Rz. 1/42. 5 Ausführlich hierzu: Dahm in BuB, Rz. 2/890. 6 Art. 3 des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens (ÜbwRÄndG) vom 17.8.2017, BGBl. I 2017, 3202. 7 Enger Siemienowski, BKR 2018, 454, 457, der die Vorlage eines konkreten Auftrags der Staatsanwaltschaft an die Polizei verlangt. 8 Der Anzeigende kann hierfür nicht verantwortlich gemacht werden, es sei denn, die Anzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden, § 48 GwG.
224 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
cc) Steuerrecht Gegenüber den Finanzbehörden ist die gesetzliche Pflicht der Kreditinstitute zur Wahrung des Bankgeheimnisses unterschiedlich gestaltet1. Hier kommt es darauf an, in welchen der verschiedenen Verfahrensarten nach der Abgabenordnung die Auskunft verlangt wird.
3.261
Solche Auskunftsersuchen können im sog. Besteuerungsverfahren an die Kreditinstitute gerichtet werden2. Gemäß § 93 AO ist das Kreditinstitut grundsätzlich verpflichtet, im Besteuerungsverfahren gegen einen Kunden die Auskünfte zu erteilen, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlich sind. Soweit die Voraussetzungen des § 93 AO gegeben sind, kann sich die Bank gegenüber der Finanzverwaltung nicht auf das Bankgeheimnis berufen. Zwar soll ein Kreditinstitut von der Finanzbehörde erst dann um Auskunft gebeten werden, wenn ein Auskunftsersuchen an den von Person bekannten Steuerpflichtigen nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO). Mit dem StUmgBG3 hat der Gesetzgeber aber das steuerliche Bankgeheimnis quasi abgeschafft, indem er § 30a AO ersatzlos gestrichen und einen neuen Abs. 1a in § 93 AO (Sammelauskunftsersuchen) eingefügt hat.
3.262
Die Vorlage von Kontoauszügen als Urkunden i.S.d. § 97 AO kann die Finanzverwaltung im Besteuerungsverfahren eines Bankkunden grundsätzlich erst dann von der Bank verlangen, wenn die Bank eine zuvor erteilte Auskunft über das Konto nach § 93 AO nicht erteilt hat, wenn die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen die Richtigkeit bestehen4.
3.263
Die Abgabenordnung regelt im Übrigen die sog. Steuerfahndung und das spezielle Steuerstrafverfahren (§§ 208 ff., 385 ff. AO). Für diese beiden Verfahrensarten hat der Gesetzgeber das Bankgeheimnis am Weitesten eingeschränkt. So hat die Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren, wenn sie selbständig ermittelt, die Befugnisse der Staatsanwaltschaft (§ 399 AO), die Steuer- und Zollfahndung diejenigen der Polizei. Sie können Zeugen vernehmen und Unterlagen einsehen bzw. beschlagnahmen, weshalb die Bank zur Abwendung einer Durchsuchung und Beschlagnahme berechtigt ist, ohne Verletzung des Bankgeheimnisses entsprechende Auskunftsersuchen zu beantworten und Unterlagen heraus zu geben. Hierfür erhält sie wie im Strafprozess eine Zeugenentschädigung nach dem JVEG (§ 405 AO).
3.264
Mit FATCA, CRS (FKAustG) und StUmgBG sind die Identifizierungs- und Meldepflichten der Kreditinstitute weiter verschärft worden, um im Wesentlichen Kapitaleinkünfte, die im Ausland erzielt werden, besser aufzudecken und zu besteuern. Die Bank muss danach das Land der steuerlichen Ansässigkeit ihrer Kunden feststellen und jährlich Zinsen, Dividenden und Veräußerungserlöse melden5. Zusätzlich hat sie für jeden Kontoinhaber, Verfügungs- und wirtschaftlich Berechtigten die Steuer- bzw. Wirtschafts-Identifikationsnummer zu erheben und zu melden (§ 154 Abs. 2a ff. AO).
3.265
Zu den speziellen Auskunftspflichten gehört weiterhin die Erbschaftsteuermeldung gem. § 33 Abs. 1 ErbStG. Danach sind die Banken verpflichtet, bei Kenntnis vom Tode eines
3.266
1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 47; Dahm in BuB, Rz. 2/869; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 231. 2 Ausführlich hierzu: Dahm in BuB, Rz. 2/870. 3 Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) vom 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1682. 4 BFH v. 24.2.2010 – II R 57/08, DB 2010, 1046. 5 Insbesondere zu FATCA/CRS: Hoffmann in BuB, Rz. 2/869.
Merz/Büchel | 225
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Kunden dem Finanzamt die im Gewahrsam der Bank befindlichen Vermögensgegenstände anzuzeigen, sofern sie einen Wert von 5 000 € (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 ErbStDV) übersteigen1. In die Meldung sind auch Vermögensgegenstände einzubeziehen, die von einer unselbständigen Zweigniederlassung im Ausland verwahrt oder verwaltet werden, selbst wenn dort ein strafbewehrtes Bankgeheimnis zu beachten ist2. dd) Auskunftspflicht gegenüber anderen Verwaltungsbehörden
3.267
Die Bank ist von ihrer Verschwiegenheitspflicht in bestimmtem Umfang auch bei Auskünften an ihre Aufsichtsbehörden befreit. So kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) von den Kreditinstituten Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten sowie die Vorlegung der Bücher und Schriften verlangen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 KWG). Diese Befugnis steht auch der Deutschen Bundesbank zu, soweit sie im Rahmen der Bankenaufsicht tätig wird (§ 44 Abs. 1 KWG). Weitere Einschränkungen des Bankgeheimnisses stellen Auskunftsverlangen der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (§ 30 Abs. 3 GwG) und der automatisierte Abruf von Kontoinformationen dar (§ 24c KWG).
3.268
Des Weiteren können die Deutsche Bundesbank und die anderen in § 23 AWG bezeichneten Behörden zur Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs Auskünfte von den Beteiligten einholen. Im Sozialrecht darf die Agentur für Arbeit im Rahmen der Bedürfnisprüfung für die Arbeitslosenhilfe unmittelbar Auskunft über das Vermögen des Arbeitslosen, seines Ehegatten, Lebenspartners oder Partners bei Kreditinstituten einholen (§ 315 SGB III). Das gilt entsprechend auch für Arbeitslosengeld II (Harz IV) nach § 60 SGB II. Steht dem Sozialversicherungsträger im Zusammenhang mit überzahlten Renten ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger der Zahlungen zu, hat dieser einen Auskunftsanspruch gegen die Bank, soweit dies zur Verwirklichung des Rückerstattungsanspruchs erforderlich ist (§ 118 Abs. 4 SGB VI). f) Auskünfte gegenüber sonstigen Dritten
3.269
Entgegen der Rechtslage vor dem 25.5.2018 ist eine Einwilligung des Kunden bei Anfragen oder Meldungen an Auskunfteien (z.B. SCHUFA) nach Art. 6 Abs. 1 lit. b und f DSGVO3 nicht mehr erforderlich. Der Datenaustausch dient dabei auch der Erfüllung gesetzlicher Pflichten des Kreditinstituts zur Durchführung der Kreditwürdigkeitsprüfung des Kunden, § 505a BGB, § 18a KWG. Die Einwilligung wird durch eine Information der Bank in den Produktanträgen und durch ein entsprechendes ausführliches Informationsblatt der Auskunftei ersetzt. Der Kunde erhält damit umfangreiche Informationen zur Rechtsgrundlage und seinen Rechten (z.B. Recht auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung, Art. 15 bis 18 DSGVO). Er kann nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO der Datenverarbeitung zwar formfrei widersprechen, der Widerspruch ist aber nur bei einem überwiegenden berechtigten Interesse beachtlich. Einwilligungen vor dem Inkrafttreten der DSGVO behalten weiterhin ihre Gültigkeit. Sie können wie bisher widerrufen werden. 1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 52; Dahm in BuB, Rz. 2/906; zum Konflikt zwischen erbschaftsteuerrechtlicher Anzeigepflicht und ausländischem Bankgeheimnis s. Gärditz, WM 2010, 437. 2 BFH v. 16.11.2016 – II R 29/13, DStRE 2017, 408. 3 Verordnung (EU) 2016/679 vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/ 46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).
226 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 MarkenG ist die Bank verpflichtet, Auskunft über Name und Anschrift des Kontoinhabers an den Markenrechteinhaber zu erteilen, wenn das Konto für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde1. Problematisch ist dabei, wie die Bank prüfen kann, ob eine offensichtliche Rechtsverletzung vorliegt. Die Auskunft ist allerdings auf den Namen und die Anschrift beschränkt, denn mehr benötigt der geschädigte Rechteinhaber nicht, um gegen den zunächst unbekannten Schädiger vorgehen zu können2.
3.270
g) Unterrichtung des Kunden Die Banken sind zwar nicht verpflichtet, aber grundsätzlich berechtigt, ihre Kunden über angeordnete oder durchgeführte Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte zu informieren3. Besteht jedoch Anlass zu der Annahme, dass die Unterrichtung des Kunden die Ermittlungen gefährdet oder Vermögenswerte oder Beweismittel beiseite geschafft werden, ist im Einzelfall dem begründeten Ersuchen der Ermittlungsbehörde um Geheimhaltung zu entsprechen4.
3.271
Eine andere Rechtslage ist bei einer Anzeige wegen des Verdachts auf eine Finanztransaktion im Sinne der strafbaren Geldwäsche (§ 261 StGB) gegeben. Hier ist dem anzeigenden Kreditinstitut gesetzlich untersagt, den Kunden über seine Verdachtsanzeige oder über ein daraufhin eingeleitetes Ermittlungsverfahren bzw. über ein Auskunftsverlangen zu unterrichten (§ 47 GwG).
3.272
h) Sanktionen bei Verletzung des Bankgeheimnisses Eine Verletzung des Bankgeheimnisses begründet einen Anspruch des Kunden gegen die Bank auf Ersatz eines dadurch entstandenen materiellen Schadens (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 BGB). Darüber hinaus kann dem Kunden ein Recht zur fristlosen Kündigung der Geschäftsbeziehung aus wichtigem Grund mit der Folge zustehen, dass der Kunde einen aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung resultierenden Schaden liquidieren kann5. Die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund liegen allerdings nicht bei jeder schuldhaften Verletzung des Bankgeheimnisses durch die Bank vor6. Vielmehr muss der Kunde darlegen und beweisen, dass durch die Verletzung des Bankgeheimnisses besondere wirtschaftliche oder sonstige Interessen betroffen sind, so dass eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung für den Kunden unzumutbar ist7. Das Bankgeheimnis steht einer Abtretung von notleidenden und nicht notleidenden Darlehensforderungen aber nicht entgegen, das heißt, eine Abtretung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das Bankgeheimnis nichtig8. 1 2 3 4 5 6 7 8
BGH v. 21.10.2015 – I ZR 51/12, NJW 2016, 2190; Hoffmann in BuB, Rz. 2/856g. BGH v. 21.10.2015 – I ZR 51/12, NJW 2016, 2190 Rz. 25. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 206. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rz. 206. Nobbe, WM 2005, 1537, 1547. Nobbe, WM 2005, 1537, 1548. OLG Karlsruhe v. 25.6.2001 – 9 U 143/00, WM 2001, 1803, 1804. BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 363; BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643, 644; BVerfG v. 11.7.2007 – 1 BvR 1025/07, WM 2007, 1694; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 40; Fandrich in von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 10; Nobbe, WM 2005, 1537.
Merz/Büchel | 227
3.273
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.274
An einem strafrechtlichen Schutz des Bankgeheimnisses, wie er zum Teil im Ausland besteht, fehlt es in Deutschland1. § 203 Abs. 1 StGB stellt die unbefugte Offenbarung eines anvertrauten oder sonst bekannt gewordenen fremden Geheimnisses durch die in Nr. 1 bis 6 aufgeführten Berufsangehörigen unter Strafe. Zu den unter dieser Strafvorschrift aufgeführten Berufsangehörigen fallen aber nicht die Vorstandsmitglieder oder Angestellte eines privaten Kreditinstituts, einer Genossenschaftsbank oder einer öffentlich organisierten Sparkasse oder Landesbank2. Eine analoge Anwendung des § 203 Abs. 1 StGB scheidet wegen Art. 103 Abs. 2 GG von vornherein aus3. Mangels erkennbarer Sachgründe, etwa einer besonderen Schutzbedürftigkeit der Kunden einer öffentlich-rechtlich organisierten Sparkasse oder Landesbank, hat die gesetzgeberische Grundentscheidung gegen einen strafrechtlichen Schutz des Bankgeheimnisses in § 203 Abs. 1 StGB auch für § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu gelten4. Denn der Begriff des Geheimnisses wird in § 203 StGB in identischer Weise verstanden5. Anderenfalls würde ohne rechtfertigenden Grund die Verletzung des Bankgeheimnisses durch private Kreditinstitute und durch öffentlich-rechtlich organisierte Sparkassen ungleich behandelt. Eine unterschiedliche strafrechtliche Behandlung des Bankgeheimnisses würde zudem gegen das auch im Strafrecht zu beachtende Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen6.
3.275
Ein gewisser Schutz des Bankgeheimnisses ergibt sich aus § 42, § 43 BDSG. Danach wird die vorsätzliche oder fahrlässige unbefugte Weitergabe personenbezogener Daten als Ordnungswidrigkeit oder sogar als Straftat geahndet. 3. Bankauskunft
3.276
Kreditinstitute werden häufig um Auskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kunden angesprochen, weil sie hierfür besonders geeignet erscheinen. Sie sind regelmäßig hierüber gut unterrichtet und können diese Verhältnisse infolge ihrer eigenen wirtschaftlichen Erfahrungen meistens auch richtig beurteilen. Bankauskünfte sind im Geschäftsleben ein wichtiges Instrument zur raschen Information über die Kreditwürdigkeit eines Geschäftspartners7. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das Bankauskunftsverfahren zu einer praktischen Handhabung entwickelt, die dem Interesse des Auskunftsbegehrenden und dem des angefragten Kunden unter voller Beachtung der Grundsätze des Bankgeheimnisses in gleicher Weise Rechnung trägt. Mit der Einführung eines genau reglementierten Verfahrens konnte auch ein unkontrolliertes und rechtlich angreifbares Auskunftswesen vermieden werden8.
3.277
Eine Bankauskunft enthält vorwiegend eine objektive Darstellung einer gegebenen tatsächlichen oder sicheren zukünftigen Sach- oder Rechtslage. Der Auskunftsersuchende wird über Tatsachen, die ihm bisher unbekannt waren, aufgeklärt und unterrichtet. Die Bewertung dieser Fakten und die praktischen Folgerungen hieraus bleiben jedoch dem 1 Vgl. Art. 47 Schweizerisches Bankgesetz; §§ 23, 34 Abs. 1 Österreichisches Kreditwesengesetz; zum Konflikt zwischen erbschaftsteuerrechtlicher Anzeigepflicht und ausländischem Bankgeheimnis s. Gärditz, WM 2010, 437. 2 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 362; BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643, 645. 3 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 363; BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643, 645; Nobbe, WM 2005, 1537, 1542. 4 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 362; Nobbe, WM 2005, 1537, 1543. 5 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 362; Nobbe, WM 2005, 1537, 1543. 6 Nobbe, WM 2005, 1537, 1543. 7 Horn, WM 1984, 449, 459. 8 Hoffmann in BuB, Rz. 2/946.
228 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Auskunftssuchenden weitgehend überlassen. Aber auch die Bankauskunft erschöpft sich nicht in reinen Tatsachenmitteilungen. Sie enthält häufig wertende allgemeine Aussagen über die Geschäftsverbindung. a) Befugnis zur Erteilung einer Bankauskunft Die Regelung in Nr. 2 Abs. 3 AGB enthält die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bankauskunft1. Danach ist die Bank befugt, über juristische Personen und im Handelsregister eingetragene Kaufleute Bankauskünfte zu erteilen, sofern sich die Anfrage auf ihre geschäftliche Tätigkeit bezieht und der Bank keine anders lautende Weisung des Kunden vorliegt (Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 AGB)2. Bankauskünfte über andere Personen und Vereinigungen erteilt die Bank nur dann, wenn diese generell oder im Einzelfall ausdrücklich zugestimmt haben (Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 AGB).
3.278
Dabei wird eine Bankauskunft nur erteilt, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Auskunft glaubhaft dargelegt hat und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange des Kunden der Auftragserteilung entgegenstehen (Nr. 2 Abs. 3 Satz 4 AGB). Die Einwilligung des Kunden rechtfertigt jedoch nicht jede Auskunft. Im Einzelfall kann die Bank verpflichtet sein, eine Güterabwägung vorzunehmen und trotz Einwilligung des Kunden die Auskunft zu verweigern3. Diese Einschränkung gilt auch bei Auskünften über Geschäftskunden4.
3.279
aa) Auskünfte über Geschäftskunden Mit der Differenzierung nach Kaufleuten und sonstigen Kunden ist den Bedenken der Datenschutzaufsichtsbehörden Rechnung getragen worden5. Bei Kaufleuten besteht eine durch Handelsbrauch begründete Vermutung, dass sie mit der Erteilung von Bankauskünften über sich einverstanden sind. Da diese Kundengruppe in großem Umfang selbst Auskunft über Geschäftspartner einholt, rechnet sie demgemäß auch damit, dass umgekehrt andere sich über ihre Bonität bei der kontoführenden Bank vergewissern6. Mit Rücksicht auf dieses mutmaßliche Einverständnis bedarf es also keiner ausdrücklichen Einwilligung zur Offenlegung geheimhaltungspflichtiger Tatsachen7. Eine Rückfrage der Bank vor Auskunftserteilung ist daher regelmäßig nicht erforderlich8. Insoweit ist Nr. 2 Abs. 3 AGB nur deklaratorischer Natur, wenn sich Anfragen auf die geschäftliche Tätigkeit des angefragten Kunden beziehen9. 1 Einen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft begründet die Klausel dagegen nicht, Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, AGB der Banken Rz. B 16. 2 Eine Bankauskunft über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist trotz Rechtsfähigkeit nur nach vorheriger Zustimmung zulässig, Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 4. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 23; Hoffmann in BuB, Rz. 2/958. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 23. 5 Weber in BuB, Rz. 1/61. 6 Hoffmann in BuB, Rz. 2/951; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 40 Rz. 18; Weber in BuB, Rz. 1/64. 7 Bei eindeutig negativer Auskunft wird teilweise eine mutmaßliche Einwilligung abgelehnt, vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 4. 8 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 4; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGBRecht, AGB der Banken Rz. B 15. 9 Hoffmann in BuB, Rz. 2/952; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 40 Rz. 18; a.A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 56.
Merz/Büchel | 229
3.280
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.281
Eine Bankauskunft über Kaufleute ist jedoch durch die AGB-Klausel nur gedeckt, wenn der Angefragte gegenüber der Bank auch tatsächlich als Geschäftskunde aufgetreten ist. Unterhält ein Vollkaufmann ein Privatkonto bei der Bank, so darf über ihn wie bei der nicht-kaufmännischen Kundschaft nur mit seiner Einwilligung Auskunft erteilt werden. Im Zweifel dürfte aber nach der Vermutungsregelung des § 344 HGB davon auszugehen sein, dass die Bankverbindung dem Betrieb des Handelsgewerbes zuzuordnen ist und deshalb von dem mutmaßlichen Einverständnis gem. Nr. 2 Abs. 3 AGB ausgegangen werden kann1. bb) Auskünfte über Privatkunden und sonstige Kunden
3.282
Bei Auskünften über Privatkunden und sonstige Kunden setzt die Bankauskunft voraus, dass der Kunde „generell oder im Einzelfall ausdrücklich zugestimmt hat“ (vgl. Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 AGB)2. Zu den sonstigen Kunden rechnen Gewerbetreibende, Handwerker und Freiberufler3. Die Differenzierung nach juristischen Personen und im Handelsregister eingetragenen Kaufleuten einerseits und den sonstigen Kunden andererseits ist im Interesse eines leicht nachvollziehbaren Abgrenzungsmerkmals erfolgt4.
3.283
Bei der erforderlichen Zustimmung handelt es sich um eine Einwilligung im Sinne einer vorherigen Zustimmung gem. § 183 BGB. Die erforderliche „Ausdrücklichkeit“ der Einwilligung schließt im Übrigen aus, dass sich die Bank auf ein stillschweigendes oder nur mutmaßliches Einverständnis beruft5. Zulässig ist aber eine ausdrücklich mündlich oder formularmäßig erteilte Einwilligung6. b) Inhalt der Bankauskunft
3.284
Nr. 2 Abs. 2 AGB umschreibt den zulässigen Inhalt einer Bankauskunft. Danach sind Bankauskünfte allgemein gehaltene Feststellungen und Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, seine Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit. Hierzu gehört auch der Ruf des Kunden im Geschäftsleben sowie eine abschließende Kreditbeurteilung, die die in dem Auskunftsersuchen zumeist gestellte Frage beantwortet, ob der Angefragte für einen bestimmten Betrag gut ist. Weiter gehende Auskünfte, z.B. über private Verhältnisse oder über die Eignung für andere Geschäfte, sind dagegen unzulässig7. Betragsmäßige Angaben über Kontostand, Sparguthaben, Depot und sonstige der Bank anvertrauten Vermögenswerte sowie Angaben über die Höhe von Kreditinanspruchnahme werden nicht gemacht (vgl. Nr. 2 Abs. 2 Halbs. 2 AGB). Dementsprechend werden keine konkreten Fakten, Zahlen oder Vermögenswerte genannt. Nach dem BGH sind jedoch Scheck- und Lastschriftrückgaben sowie Wechselproteste zu erwähnen8. 1 Hoffmann in BuB, Rz. 2/950; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 40 Rz. 16. 2 Teilweise wird eine generelle Zustimmung für unwirksam erachtet, vgl. Hopt in Baumbach/ Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 5. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 20. 4 Weber in BuB, Rz. 1/61. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 21; Hoffmann in BuB, Rz. 2/955. 6 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 55; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 21; Hoffmann in BuB, Rz. 2/957. 7 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 3. 8 BGH v. 5.7.1962 – VII ZR 199/60, WM 1962, 1110, 1111; Weber in BuB, Rz. 1/57.
230 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Die Bankauskunft wird lediglich auf Grund der Kenntnisse erteilt, die die auskunftsgebende Geschäftsstelle hat1. Es werden weder Rückfragen beim Kunden noch eine Auswertung der Tagespresse oder sonstige Veröffentlichungen vorgenommen. Auch werden keine Recherchen, etwa mit Hilfe von Wirtschaftsauskunfteien, angestellt. Demgemäß stützen sich die Bonitätsurteile lediglich auf das Faktenwissen derjenigen Geschäftsstelle, die die Bankauskunft formuliert. Dabei ist die auskunftsgebende Geschäftsstelle verpflichtet, auch solche Informationen zu berücksichtigen, die aus einer zentralen Datei der Bank unschwer abgerufen werden können2. Ein weiter gehendes Wissen von Mitarbeitern anderer Niederlassungen einer Filialbank braucht dagegen nicht berücksichtigt zu werden. Eine solche Wissenszurechnung stünde zudem im Widerspruch zum „inneren Bankgeheimnis“3. Die Bankauskunft kann und will nicht für sich in Anspruch nehmen, ein unter allen Gesichtspunkten objektiv richtiges Urteil abzugeben4. Die Bank, die nur einen unvollständigen Einblick in die finanziellen Verhältnisse des Angefragten hat und deshalb zu einem abschließenden Bonitätsurteil außer Stande ist, muss dies unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Irreführend wäre es deshalb, wenn sich eine Bank, bei der lediglich ein Sparkonto geführt wird, in der Auskunft darauf beschränken würde, dass die Geschäftsverbindung auf Guthabenbasis geführt wird.
3.285
c) Empfänger von Bankauskünften Nr. 2 Abs. 4 AGB bezeichnet den Personenkreis, der eine Bankauskunft einholen darf. Danach werden Bankauskünfte nur an eigene Kunden sowie andere Kreditinstitute für deren Zweck oder den ihrer Kunden erteilt. Die Bank erteilt daher keine Bankauskünfte unmittelbar an Dritte, sondern nur im Wege der Bank-zu-Bank-Auskunft5. Diese Bank-zuBank-Auskunft entspricht einer jahrzehntelangen nationalen und internationalen Übung, die sich zu einer rechtlich nicht fassbaren Standespflicht des Kreditgewerbes verfestigt hat. Die Funktionsfähigkeit des Bankauskunftsverfahrens hängt von der wechselseitigen Mitwirkung der Kreditinstitute ab6. Für die Erteilung von Bank-zu-Bank-Auskünften haben die Spitzenverbände des Kreditgewerbes „Grundsätze über die Erteilung von Bankauskünften“ entwickelt7. Hierdurch wird die formelle zwischenbetriebliche Abwicklung des Auskunftswesens geregelt.
3.286
d) Berechtigtes Interesse Bankauskünfte werden im Übrigen nur erteilt, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Auskunft glaubhaft darlegt (Nr. 2 Abs. 3 Satz 4 AGB). Ein solches Interesse ist insbesondere zu bejahen, wenn der Auskunftsempfänger mit dem Angefragten Geschäfte tätigen wird, bei denen er vorzuleisten hat, oder wenn Wechsel angekauft werden sollen, aus denen der Angefragte haftet8. 1 2 3 4 5 6
Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 40 Rz. 5. Hoffmann in BuB, Rz. 2/997. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 40 Rz. 5. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 40 Rz. 5. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 7. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 7 Rz. 25; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 40 Rz. 26. 7 Abgedruckt bei Weber in BuB, Rz. 1/76. 8 Weber in BuB, Rz. 1/72.
Merz/Büchel | 231
3.287
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
e) Keine schutzwürdigen Belange des Kunden
3.288
Des Weiteren dürfen keine schutzwürdige Belange des Kunden der Auftragserteilung entgegenstehen (Nr. 2 Abs. 3 Satz 4 AGB). Dieses Erfordernis gilt für Privatkunden und für Geschäftskunden gleichermaßen. Liegen schutzwürdige Belange des Kunden vor, hat eine Interessenabwägung stattzufinden1. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jede negative Auskunft gegen schutzwürdige Belange des Kunden verstößt2. f) Haftung für fehlerhafte Auskünfte
3.289
Die Bank haftet gegenüber ihrem Kunden, wenn sie über ihn eine fehlerhafte Auskunft schuldhaft erteilt hat3, nach § 280 Abs. 1 BGB. Eine solche Fehlerhaftigkeit ist gegeben, wenn sie dem subjektiven Erkenntnisstand der auskunftsgebenden Stelle der Bank nicht entspricht oder das vorhandene Wissen bei der Formulierung der Auskunft nicht zutreffend umgesetzt worden ist4.
3.290
Darüber hinaus haftet die Bank auch gegenüber dem Auskunftsersuchenden uneingeschränkt. Durch die Bankauskunft kommt (stillschweigend) ein haftungsbegründender Auskunftsvertrag zustande, auf den der haftungsausschließende § 675 Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist5. Ist der Auskunftsersuchende eine Bank, so kommt dieser Auskunftsvertrag grundsätzlich mit ihr zustande, auch wenn die Auskunft für ihren Kunden eingeholt wird6.
3.291
Nach der früheren Rechtsprechung konnte ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Bankauskunft vom Kunden der anfragenden Bank nur geltend gemacht werden, wenn ihm dieser Ersatzanspruch zuvor von seiner anfragenden Bank abgetreten worden ist. Die Bank konnte aber diesen Anspruch auch im Wege der Schadensliquidation im Drittinteresse für ihren Kunden geltend machen7. In der neueren Rechtsprechung wird die Haftung der auskunftgebenden Bank gegenüber dem geschädigten Dritten auf der Grundlage eines Auskunftsvertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bejaht8. 4. AGB-Sparkassen
3.292
Die Verpflichtung, das Bankgeheimnis zu wahren, ist in Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 AGB-Sparkassen geregelt. Im Gegensatz zu den AGB-Banken enthalten die AGB-Sparkassen keine De1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 63; Fandrich in von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 12. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 63; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 6. 3 Zur Haftung für unrichtige Bankauskunft: Hoffmann in BuB, Rz. 2/1035; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 40 Rz. 47; Berger, ZBB 2001, 238. 4 BGH v. 5.12.2000 – XI ZR 340/99, WM 2001, 134, 136; Weber in BuB, Rz. 1/59. 5 BGH v. 27.6.1989 – XI ZR 52/88, WM 1989, 1409, 1411; BGH v. 16.10.1990 – XI ZR 165/88, WM 1990, 1990, 1991. 6 In Ausnahmefällen wurde die anfragende Bank als Stellvertreterin ihres Kunden angesehen und bei falscher Auskunft eine unmittelbare Haftung der auskunftsgebenden Bank gegenüber dem Kunden der anfragenden Bank bejaht, BGH v. 25.2.1980 – II ZR 134/79, WM 1980, 527; BGH v. 16.10.1990 – XI ZR 165/88, WM 1990, 1990; BGH v. 5.12.2000 – XI ZR 340/99, ZIP 2001, 108, 109 zur Auskunftshaftung der Bank gegenüber ihr unbekannten Anlegern. 7 BGH v. 6.3.1972 – II ZR 100/69, WM 1972, 583, 585; Breinersdorfer, WM 1991, 977, 978; Breinersdorfer, WM 1992, 1557, 1561; Musielak, WM 1999, 1593, 1594. 8 Berger, ZBB 2001, 238, 241.
232 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
finition des Bankgeheimnisses. Inhaltliche Unterschiede zu dem Bankgeheimnis nach den AGB-Banken resultieren daraus aber nicht. Das Bankauskunftsverfahren ist in Nr. 3 AGBSparkassen geregelt und entspricht mit geringen Abweichungen den Regelungen in den AGB-Banken. Die AGB-Sparkassen enthalten jedoch noch die zusätzliche Regelung, wonach bei mündlichen Auskünften die Sparkasse sich noch eine schriftliche Bestätigung vorbehält. Die Praxisrelevanz dieser Regelung dürfte allerdings gering sein, da Bankauskünfte fast ausnahmslos schriftlich erteilt werden1. Einstweilen frei.
3.293–3.300
III. Nr. 3 AGB-Banken: Haftung der Bank; Mitverschulden des Kunden (Kropf) 3. Haftung der Bank; Mitverschulden des Kunden (1) Haftungsgrundsätze Die Bank haftet bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen für jedes Verschulden ihrer Mitarbeiter und der Personen, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen hinzuzieht. Soweit die Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen oder sonstige Vereinbarungen etwas Abweichendes regeln, gehen diese Regelungen vor. Hat der Kunde durch ein schuldhaftes Verhalten (zum Beispiel durch Verletzung der in Nummer 11 dieser Geschäftsbedingungen aufgeführten Mitwirkungspflichten) zu der Entstehung eines Schadens beigetragen, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, in welchem Umfang Bank und Kunde den Schaden zu tragen haben. (2) Weitergeleitete Aufträge Wenn ein Auftrag seinem Inhalt nach typischerweise in der Form ausgeführt wird, dass die Bank einen Dritten mit der weiteren Erledigung betraut, erfüllt die Bank den Auftrag dadurch, dass sie ihn im eigenen Namen an den Dritten weiterleitet (weitergeleiteter Auftrag). Dies betrifft zum Beispiel die Einholung von Bankauskünften bei anderen Kreditinstituten oder die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren im Ausland. In diesen Fällen beschränkt sich die Haftung der Bank auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung des Dritten. (3) Störung des Betriebs Die Bank haftet nicht für Schäden, die durch höhere Gewalt, Aufruhr, Kriegs- und Naturereignisse oder durch sonstige von ihr nicht zu vertretende Vorkommnisse (zum Beispiel Streik, Aussperrung, Verkehrsstörung, Verfügungen von hoher Hand im Inoder Ausland) eintreten. 1. Haftungsgrundsätze Die Haftungsklauseln in Nr. 3 Abs. 1 AGB haben weitgehend nur klarstellende Bedeutung. Die Bank haftet gem. §§ 276, 278 BGB für jedes Verschulden ihrer Mitarbeiter und der Personen, die sie zur Erfüllung hinzuzieht. Diese grundsätzliche Haftung der Bank gilt nicht, wenn Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen, beispielsweise Sonderbedingungen zum Zahlungsverkehr oder sonstige Vereinbarungen, etwas Abweichendes regeln. 1 Weber in BuB, Rz. 1/79.
Merz/Büchel/Kropf | 233
3.301
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.302
Erfüllungsgehilfen sind nicht nur Mitarbeiter der Bank. In Ausnahmefällen können es auch sonstige von der Bank eingeschaltete Dritte sein. Ob eine solche Erfüllungsgehilfenschaft vorliegt, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten des Sachverhaltes ab. Erfüllungsgehilfe ist regelmäßig, wer mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird1. Dabei muss der Dritte in Ausübung der ihm übertragenen Tätigkeit und nicht nur bei Gelegenheit der ihm obliegenden Verrichtungen gehandelt haben2. Dies ist der Fall, wenn das Handeln des Dritten in dem für die Anwendbarkeit des § 278 BGB erforderlichen unmittelbaren sachlichen inneren Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die dem Dritten im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren3. Der Schuldner hat in diesem Rahmen auch für strafbares Verhalten seiner Hilfspersonen einzustehen. Dies gilt selbst dann, wenn die Hilfspersonen den Weisungen oder Interessen des Schuldners vorsätzlich zuwiderhandeln, um eigene Vorteile zu erzielen4.
3.303
Eine Erfüllungsgehilfenhaftung kommt nicht in Betracht, wenn der Schaden des Kunden nicht auf einer vertraglichen Verpflichtung der Bank aus einem Bankgeschäft beruht. Dies ist insbesondere bei der allgemeinen gesetzlichen Verkehrssicherungspflicht der Fall, wie sie sich gem. § 823 Abs. 1 BGB aus der Eröffnung von Geschäftslokalen ergibt5. Hat beispielsweise die Bank einen Handwerker mit Renovierungsarbeiten in ihrem Geschäftslokal beauftragt und erleidet ein Kunde infolge dieser Arbeiten einen Schaden, so ist der Handwerker kein Erfüllungsgehilfe, sondern nur ein Verrichtungsgehilfe i.S.d. § 831 BGB. Eine Schadensersatzpflicht der Bank entfällt, wenn sie den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB führen kann6.
3.304
Der Bankmitarbeiter kann in seltenen Ausnahmefällen auch persönlich nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3 BGB haften. Diese persönliche Haftung eines Vertreters wird bejaht, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat oder dem Verhandlungsgegenstand besonders nahesteht, weil er wirtschaftlich selbst stark an dem Vertragsschluss interessiert ist und aus den Geschäften eigenen Nutzen erstrebt7. Dabei reicht es nicht aus, dass der Vertragspartner dem verhandelnden Vertreter besonderes Vertrauen entgegenbringt. Der Vertreter muss dieses Vertrauen auch in Anspruch nehmen. Hierzu muss er durch sein Verhalten Einfluss auf die Entscheidung des anderen nehmen. Der Verhandelnde muss daher über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts bieten8.
3.305
Auch das Mitverschulden des Kunden ist in enger Anlehnung an das Gesetz (§ 254 BGB) geregelt. Hat der Kunde hiernach durch ein schuldhaftes Verhalten zu der Entstehung eines Schadens beigetragen, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, in welchem Umfang Bank und Kunde den Schaden zu tragen haben (Nr. 3 Abs. 1 Satz 3 AGB). Ein solches Mitverschulden kommt insbesondere in Betracht, wenn der Kunde ge1 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 278 BGB Rz. 7; Grundmann in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 278 BGB Rz. 20. 2 Löwisch in Staudinger, Neubearb. 2014, § 278 BGB Rz. 52. 3 BGH v. 17.12.1992 – III ZR 133/91, WM 1993, 658, 659. 4 BGH v. 8.10.1991 – XI ZR 207/90, WM 1991, 1912, 1914. 5 Grundmann in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 278 BGB Rz. 15. 6 Wagner in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 831 BGB Rz. 54 f. 7 BGH v. 29.1.1992 – VIII ZR 80/91, WM 1992, 699, 700. 8 BGH v. 7.12.1992 – II ZR 179/91, WM 1993, 295, 298.
234 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
gen seine Mitwirkungspflichten schuldhaft verstoßen hat, wie sie in Nr. 11 AGB geregelt sind. 2. Begrenzte Haftung bei weitergeleiteten Kundenaufträgen Für den sog. weitergeleiteten Auftrag ist in Nr. 3 Abs. 2 AGB eine Beschränkung der Haftung der Bank auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung der von ihr eingeschalteten Dritten geregelt. Der Begriff des weitergeleiteten Auftrages selbst wird in Abs. 2 als ein Auftrag umschrieben, der seinem Inhalt nach typischerweise in der Form ausgeführt wird, dass die Bank einen Dritten mit der weiteren Erledigung betraut und den Auftrag durch eine Weiterleitung im eigenen Namen an den Dritten erfüllt. Der Begriff „typischerweise“ ist objektiv zu verstehen1, weshalb ein weitergeleiteter Auftrag stets gegeben ist, wenn keine Möglichkeit zu einer eigenen Durchführbarkeit des Auftrages besteht und daher die Einschaltung eines Dritten zwangsläufig ist. Hiernach ist die Bank zu einer eigenen Ausführung des Auftrages außer Stande und daher von vornherein gezwungen, einen Dritten zu beauftragen2. Ob die Weiterleitung typischerweise erfolgt, ist daher nicht Gegenstand einer etwaigen Ermessensentscheidung der Bank3.
3.306
Mit der Weiterleitung an einen sorgfältig ausgewählten und unterwiesenen Auftragnehmer hat die erstbeauftragte Bank ihre Vertragspflicht erfüllt4. Daher kann eine nachgeschaltete Bank nicht mehr als ihr Erfüllungsgehilfe angesehen werden, für dessen Verschulden sie nach § 278 BGB zu haften hätte5. Die erstbeauftragte Bank haftet somit nur für eigenes Verschulden bei der Auswahl und Unterweisung des nachgeschalteten Auftragnehmers6. Zwischen dem Kunden und der nachgeschalteten, zweitbeauftragten Stelle entstehen keine vertraglichen Beziehungen7.
3.307
Als praktische Anwendungsfälle eines weitergeleiteten Auftrages im Bankgeschäft sind in Nr. 3 Abs. 2 Satz 2 AGB die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren im Ausland8 sowie die Einholung von Bankauskünften bei fremden Banken angeführt. Ein weiteres Beispiel ist die Ausführung der für eine bestimmte Wertpapierbörse erteilten Kauf- oder Verkaufsaufträge. Diese kann die erstbeauftragte Bank nicht selbst ausführen, wenn sie dort nicht zum Börsenhandel zugelassen ist, wie dies insbesondere bei ausländischen Ausführungsplätzen fast regelmäßig zutrifft9. Insgesamt ist von einem eher engen Anwendungs-
3.308
1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB-Banken Nr. 3 Rz. 89; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 14. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 8 Rz. 38. 3 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 14. 4 Vgl. BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797, 798 für den mehrgliedrigen bargeldlosen Zahlungsverkehr; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB-Banken Nr. 3 Rz. 86; Hansen, BB 1989, 2418, 2419; Hüffer, WM 1987, 641, 643. 5 OLG Frankfurt v. 11.4.2000 – 5 U 211/98, WM 2000, 1636, 1638. 6 OLG Nürnberg v. 9.10.2001 – 3 U 1752/01, WM 2001, 2440, 2441. 7 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB-Banken Nr. 3 Rz. 86. 8 Für die Einschaltung von ausländischen Banken zur Aufbewahrung von Wertpapieren im Ausland vgl. Coing, WM 1977, 466, 472. 9 A.A. Bitter, ZBB 2007, 237, 253 f.; vgl. auch LG Nürnberg-Fürth v. 14.3.2001 – 3 O 7620/00, wonach für die Beauftragung eines Zwischenkommissionärs in solchen Fällen ein weitergeleiteter Auftrag gegeben ist.
Kropf | 235
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
bereich auszugehen. So wird von Teilen im Schrifttum gefordert, dass aus objektiver Sicht des Kunden ein Wille der Bank zur Übernahme einer eigenen Verpflichtung nicht zu erwarten sein darf und die Bank für den Kunden daher nur tätig wird, um für diesen den eigentlichen Geschäftsbesorger zu suchen1.
3.309
Bei der Einschaltung eines Dritten kann es sich auch um eine gestattete Substitution i.S.v. § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln. Auch in diesem Fall haftet die Bank wie bei einem weitergeleiteten Auftrag nur für eine sorgfältige Auswahl und Unterweisung der von ihr beauftragten Bank (§ 664 Abs. 1 Satz 2 BGB)2. Aus haftungsrechtlicher Sicht besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied. In den Fällen einer zulässigen Substitution hat die Bank anders als bei den nur weiterzuleitenden Aufträgen eine eigene Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Erledigung der vom Kunden erwünschten Geschäftsbesorgung übernommen3. Der Bank ist vielmehr nur gestattet, die Geschäftsbesorgung vollständig oder teilweise einem Dritten unter dessen alleiniger Verantwortung zu überlassen. Die Bank schuldet zunächst die vom Kunden gewünschte Geschäftsbesorgung, bis sie einen Substituten auf Grund der Gestattung durch ihren Kunden beauftragt hat. Daher führt erst die Substitutionsvornahme zu einer Haftungsbeschränkung, nicht aber bereits die Gestattung4.
3.310
Von der Substitution ist die Heranziehung eines Gehilfen zu unterscheiden5. Überträgt die beauftragte Bank das beauftragte Geschäft nicht im Rahmen einer zulässigen Substitution einem Dritten, sondern schaltet sie für die beauftragte Geschäftsbesorgung eine andere Bank als Gehilfin ein, so wird für sie eine Haftungspflicht für das Verschulden dieser Bank als ihres Erfüllungsgehilfen begründet (§ 664 Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 278 BGB).
3.311
Eine für die Substitution erforderliche Gestattung käme für das Bankgeschäft mit Blick auf die massenhaft anfallenden Geschäftsvorfälle grundsätzlich nur als eine AGB-mäßige Gestattung in Betracht. Die Zulässigkeit einer solchen Substitutionsklausel in AGB begegnet jedoch rechtlichen Bedenken, da sie den Bankkunden nach allgemeiner Meinung unangemessen i.S.v. § 307 BGB benachteiligt6. Letztlich wird mit der Vornahme einer Substitution eine Haftungsbegrenzung beabsichtigt. Denn eine Haftung für das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen entfällt im Falle einer Substitutionsvornahme7. Dagegen kann die Haftung für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Erfüllungsgehilfen AGB-mäßig nicht ausgeschlossen werden (§ 309 Nr. 7 BGB). Selbst die hiernach grundsätzlich zulässige Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit ist aber ausgeschlossen, wenn die eingeschaltete Bank zur Erfüllung einer sog. Kardinalpflicht hinzugezogen wird. Vor diesem Hintergrund besteht das Risiko der Unwirksamkeit einer Substitutionsklausel wegen unzulässiger Umgehung des weit gehenden gesetzlichen Verbotes einer AGB-mäßigen Freizeichnung von der Haftung für Erfüllungsgehilfen8.
1 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 19; Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 23. 2 Schäfer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 664 BGB Rz. 15; Martinek/Omlor in Staudinger, Neubearb. 2017, § 664 BGB Rz. 12. 3 Vgl. Einsele, AcP 199 (1999), 145, 176. 4 Martinek/Omlor in Staudinger, Neubearb. 2017, § 664 BGB Rz. 12. 5 Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 664 BGB Rz. 2; Hansen, BB 1989, 2418, 2418 f. 6 Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 664 BGB Rz. 3. 7 Vgl. auch Martinek/Omlor in Staudinger, Neubearb. 2017, § 664 BGB Rz. 18. 8 Vgl. Hansen, BB 1989, 2418, 2422.
236 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
3. Haftungsausschluss bei Störung des Bankbetriebs In Nr. 3 Abs. 3 AGB wird klargestellt, dass die Bank nicht für Schäden haftet, die durch höhere Gewalt, Aufruhr, Kriegs- und Naturereignisse oder durch sonstige von ihr nicht zu vertretende Vorkommnisse eintreten. Damit wird deklaratorisch festgehalten, dass eine Haftung für unabwendbare Zufallsschäden ausscheidet1. Hierzu nennt die Klausel beispielhaft Streik, Aussperrung, Verkehrsstörung sowie Verfügungen von hoher Hand im In- und Ausland. Unter höherer Gewalt sind außergewöhnliche Ereignisse zu verstehen, die unter den gegebenen Umständen auch durch äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden können. Schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus2.
3.312
Die Haftungsklausel soll das Risiko von Zufallsschäden auf den Kunden verlagern. Auf eine Betriebsstörung, die die Bank zu vertreten hat, ist demzufolge die Haftungsfreizeichnung nicht anwendbar3. Dasselbe gilt, wenn die Bank in Ausnahmefällen ohne Verschulden auf Grund einer Gefährdungshaftung schadensersatzpflichtig ist oder sonst das allgemeine Betriebsrisiko zu tragen hat4.
3.313
Der Haftungsausschluss bei Störungen des Bankbetriebes steht nach ganz überwiegender Auffassung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 307 ff. BGB. Der Ausschluss der Haftung folgt regelmäßig bereits schon aus § 275 Abs. 1 BGB, der den Schuldner von seiner Verpflichtung befreit, wenn die Leistung unmöglich ist, oder aus dem fehlenden Verschulden5. Die Haftungsklausel begründet demnach für die Bank keine neue Rechtsposition6.
3.314
4. AGB-Sparkassen Abweichend von Nr. 3 Abs. 2 AGB-Banken enthalten die AGB-Sparkassen in Nr. 19 Abs. 2 eine über die Fälle eines weitergeleiteten Auftrages hinausgehende Regelung, wonach die Sparkasse Aufträge bei Fehlen einer gegenteiligen Weisung ganz oder teilweise auf Dritte zur selbständigen Erledigung übertragen darf, soweit dies unter Berücksichtigung der Art des Auftrages und der Interessen von Sparkasse und Kunde erforderlich erscheint. Gegen die Wirksamkeit dieser Regelung bestehen Bedenken, da damit letztlich ein Ermessensspielraum der Sparkasse eröffnet ist, dem das gesetzliche Leitbild des § 664 Abs. 1 BGB entgegensteht7. Der Kunde ist hiernach gehalten, einer Übertragung durch eine gegenteilige Weisung zu widersprechen. Demgegenüber sieht das Gesetz die Unübertragbarkeit des Auftrages vor. Einstweilen frei.
3.315
3.316–3.320
1 2 3 4 5
Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 3 AGB-Banken Rz. 8. BGH v. 24.9.1981 – IX ZR 93/80, BGHZ 81, 353, 355. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 3 AGB-Banken Rz. 8. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 3 AGB-Banken Rz. 8. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 3 AGB-Banken Rz. 91. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 8 Rz. 41. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 8 Rz. 43; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 15.
Kropf | 237
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
IV. Nr. 4 AGB-Banken: Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden (Kropf) 4. Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden, der kein Verbraucher ist Ein Kunde, der kein Verbraucher ist, kann gegen Forderungen der Bank nur aufrechnen, wenn seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Diese Aufrechnungsbeschränkung gilt nicht für eine vom Kunden zur Aufrechnung gestellte Forderung, die ihren Rechtsgrund in einem Darlehen oder einer Finanzierungshilfe gemäß §§ 513, 491 bis 512 BGB hat. 1. Regelungszweck
3.321
Als Folge der Entscheidung des BGH vom 20.3.20181 zu Nr. 11 AGB-Sparkassen (s. im Detail unter Rz. 3.461 ff.) ist in Nr. 4 AGB hinsichtlich des Anwendungsbereichs der in der Vorschrift geregelten Aufrechnungsbeschränkung des Kunden eine Differenzierung nach Kundengruppen bzw. nach dem Rechtsgrund der vom Kunden zur Aufrechnung gestellten Forderung eingefügt worden. Nr. 4 AGB regelt in der seit Juli 2018 geltenden Fassung in Satz 1 eine Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis des Kunden, der kein Verbraucher ist. Der Kunde kann gegen Forderungen der Bank nur mit bankseitig unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufrechnen. Für den Kunden soll die Möglichkeit zu einer Aufrechnung auf Fälle beschränkt werden, denen ein eindeutiger Sachverhalt zugrunde liegt. Mit dieser Regelung soll die Bank davor geschützt werden, dass ein zahlungsunfähiger oder -unwilliger Kunde versucht, gegen Forderungen der Bank mit erdichteten oder sonstigen unbegründeten Gegenforderungen aufzurechnen und sich dadurch seiner Zahlungspflicht zu entziehen2. Es handelt sich um ein vertraglich vereinbartes Aufrechnungsverbot, welches die materiell-rechtliche Wirksamkeit einer Aufrechnung und nicht nur deren Geltendmachung in einem Rechtsstreit ausschließt, weshalb das Gericht den Aufrechnungsausschluss von Amts wegen zu berücksichtigen hat3. Der neu eingefügte Satz 2 beinhaltet nunmehr einen partiellen Ausschluss der in Satz 1 geregelten Beschränkung der Befugnis zur Aufrechnung durch unternehmerische Kunden i.S.v. § 14 BGB. Dies betrifft Forderungen von Existenzgründern, welche unter den tatbestandlichen Voraussetzungen von § 513 BGB in ihrer Schutzbedürftigkeit Verbrauchern gleichgestellt werden, ohne dass sie Verbraucher i.S.v. § 13 BGB sind. Forderungen von Kunden, die Verbraucher sind, werden hingegen vom Anwendungsbereich der Nr. 4 AGB vollständig ausgenommen. Dies ist die Konsequenz aus der vom BGH vertretenen Ansicht, dass bereits durch eine in der bisherigen Regelung im Umfang des Satz 1 vorgesehene Aufrechnungsbeschränkung eine unzulässige Erschwerung der Ausübung des Verbraucherwiderrufsrechts eintrete. Der Ausschluss von Verbrauchern sowie die Ausnahmeregelung in Satz 2 gehen in ihrem Anwendungsbereich über den explizit vom BGH entschiedenen Fall der aufgrund Ausübung des Widerrufsrechts entstehenden Forderungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis hinaus, indem sämtliche Forderungen des Verbrauchers bzw. des Existenzgründers, soweit er diesem gleichgestellt ist, nicht von der Beschränkung der Befugnis zur Aufrechnung erfasst werden.
3.322
In AGB-rechtlicher Hinsicht werden bezüglich der Aufrechnungsbeschränkung gegenüber Kunden, die keine Verbraucher sind, bzw. betreffend Forderungen, die ihren Rechtsgrund 1 BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 309/16, WM 2018, 1049. 2 BGH v. 18.3.2002 – XI ZR 160/01, WM 2002, 1654, 1655. 3 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 22.
238 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
nicht in einem Darlehen oder einer Finanzierungshilfe i.S.v. §§ 513, 491–512 BGB haben, die Grenzen des § 309 Nr. 3 BGB gewahrt. Danach ist eine Bestimmung in AGB unwirksam, durch die dem Vertragspartner die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Gegen die Zulässigkeit des eingeschränkten Aufrechnungsverbotes in Nr. 4 AGB bestehen daher im Ergebnis keine rechtlichen Bedenken1. Das Zurückbehaltungsrecht des Kunden gegenüber der Bank wird durch die Klausel demgegenüber nicht eingeschränkt, weshalb das Klauselverbot des § 309 Nr. 2 BGB nicht einschlägig ist2. 2. Voraussetzungen für eine Aufrechnung des Kunden Nr. 4 AGB regelt im Anwendungsbereich der Aufrechnungsbeschränkung nur die Grenzen der Befugnis, gegen Forderungen der Bank aufzurechnen, weshalb für eine Aufrechnung des Kunden die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 387 ff. BGB erfüllt sein müssen3. Es sind dies die Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen, die Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Gegenforderung sowie die Erfüllbarkeit der Hauptforderung4. Für das Gegenseitigkeitsverhältnis ist es nicht ausreichend, dass der Kunde über eine Forderung gegen die Bank nur verfügungsbefugt ist, er muss vielmehr selbst Inhaber der betreffenden Forderung sein. Wechselseitige Zahlungsansprüche müssen im Hinblick auf die Gleichartigkeit auf dieselbe Währung lauten5. Neben diesen allgemeinen Voraussetzungen treten die besonderen Voraussetzungen einer Aufrechnungsbefugnis nach Nr. 4 AGB. Der Kunde kann, soweit er kein Verbraucher ist bzw. es sich nicht um Forderungen i.S.v. Nr. 4 Satz 2 AGB handelt, allein mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufrechnen.
3.323
Eine unbestrittene Forderung des Kunden ist gegeben, wenn über Grund und Höhe keine Meinungsverschiedenheiten bestehen und die Bank der Kundenforderung daher kein rechtlich erhebliches Gegenvorbringen wie beispielsweise rechtsvernichtende oder aufschiebende Einreden entgegensetzt. Ein bloßes formelles, willkürliches, grundloses oder unhaltbares Bestreiten der Bank gegenüber zweifelsfreien Forderungen des Kunden ist unbeachtlich6. Vielmehr ist ein substantiiertes Bestreiten erforderlich, welches bezüglich der vorgetragenen Tatsachen eine Beweisaufnahme notwendig werden lässt7.
3.324
Im Einzelfall kann es treuwidrig und mit Blick auf § 242 BGB unzulässig sein, wenn sich die Bank auf den Aufrechnungsausschluss beruft. Dies gilt insbesondere, wenn der Kunde mit entscheidungsreifen Gegenforderungen, die nur noch nicht rechtskräftig festgestellt
3.325
1 BGH v. 17.2.1986 – II ZR 285/84, WM 1986, 477, 478. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 4 AGB-Banken Rz. 1; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 4 AGB-Banken Rz. 93; Fuchs in Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGBWerke (8) Rz. 17. 3 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 4 AGB-Banken Rz. 93. 4 Zu den allgemeinen Aufrechnungsvoraussetzungen näher Schlüter in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 387 BGB Rz. 6 ff.; Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 387 BGB Rz. 3 ff. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 9 Rz. 9. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 9 Rz. 16. 7 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 4 AGB-Banken Rz. 94; vgl. auch BGH v. 18.3.2002 – XI ZR 160/01, WM 2002, 1654, 1655.
Kropf | 239
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
sind, aufrechnet1. Ein Fall eines individuellen Rechtsmissbrauchs liegt des Weiteren vor, wenn die Gegenforderung des Kunden auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, für welche die Bank zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist2. In diesem Fall verstößt die Geltendmachung des Aufrechnungsverbotes seitens der Bank gegen das Schikaneverbot3.
3.326
Das Aufrechnungsverbot hat keine Geltung, wenn sich die Bank im Insolvenzverfahren oder im Liquidationsstadium befindet4. Zu diesem Ergebnis führt letztlich eine Auslegung der Aufrechnungsklausel, welche sich an der durch die Insolvenz bedingte veränderte Interessenlage der Parteien orientiert. So ist zu berücksichtigen, dass ohne eine Aufrechnung der Kunde die Bankforderung in voller Höhe zu erfüllen hätte, demgegenüber seine eigene Forderung nur in Höhe der Insolvenzquote beglichen würde5.
3.327
Schließlich ist eine einseitige Aufrechnung des Kunden mit seiner Gegenforderung ausgeschlossen, wenn die betreffende Forderung kontokorrentpflichtig ist und daher in das Kontokorrentkonto des Kunden eingestellt wird. Wegen der aus der Kontokorrentabrede sich ergebenden Kontokorrentbindung können die Einzelansprüche nicht mehr selbständig geltend gemacht werden (hierzu Rz. 3.857 ff.)6. Dies bedeutet, dass während der Kontokorrentperiode eine einseitige Aufrechnung mit kontokorrentpflichtigen Forderungen ausgeschlossen ist. Nr. 4 AGB ist daher für ein Girokonto mit einer Kontokorrentabrede nicht anwendbar. Allerdings bleibt es den Parteien des Kontokorrents unbenommen, Ansprüche durch einen gesonderten Aufrechnungsvertrag vor Ablauf der Rechnungsperiode miteinander zu verrechnen und damit die betreffenden Ansprüche einverständlich aus dem Kontokorrent heraus zu nehmen7.
3.328
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenats zur inhaltlich entsprechenden Regelung in Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken a.F.8 und des XI. Zivilsenats zu Nr. 11 Abs. 1 AGBSparkassen9 sowie auch der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum10 hat der BGH in der zuvor bereits angesprochenen Entscheidung vom 20.3.201811 die Klausel in Nr. 11 Abs. 1 AGB-Sparkassen a.F. bei Bankgeschäften mit Verbrauchern für AGB-rechtlich unwirksam erklärt. Nach Ansicht des XI. Zivilsenats stellte das in den Grenzen des § 309 Nr. 3 BGB für sämtliche Kunden geltende Aufrechnungsverbot gegenüber Verbrauchern eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Die Klausel sei derart offen formuliert gewesen, dass sie auch Forderungen erfasste, die dem Verbraucher 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
11
BGH v. 17.2.1986 – II ZR 285/84, WM 1986, 477, 478. BGH v. 7.3.1985 – III ZR 90/83, WM 1985, 866, 868. Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 2 Rz. 36. BGH v. 12.10.1983 – VIII ZR 19/82, WM 1983, 1359. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 4 AGB-Banken Rz. 98. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, § 355 HGB Rz. 7. Langenbucher in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2018, § 355 HGB Rz. 57; Hopt in Baumbach/ Hopt, 38. Aufl. 2018, § 355 HGB Rz. 14. BGH v. 17.2.1986 – II ZR 285/84, WM 1986, 477. BGH v. 18.6.2002 – XI ZR 160/01, WM 2002, 1654. Findeisen, WM 2016, 2286; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 4 AGB-Banken Rz. 1; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 17; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Aufl. 2017, § 9 Rz. 3. BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 309/16, WM 2018, 1049.
240 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
im Rahmen des von § 355 Abs. 3 Satz 1, § 357a BGB geregelten Rückabwicklungsverhältnisses nach Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts erwachsen und mit denen er gegen Ansprüche der Bank aufrechnen könne. Unter expliziter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zur beschränkten Aufrechnungsbefugnis des Kunden hält der XI. Zivilsenat die Klausel nunmehr für unzulässig. Das Aufrechnungsverbot führe entgegen der gesetzlichen Maßgabe des § 361 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach von den Vorschriften der §§ 355 ff. BGB, mithin auch § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB, nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden dürfe, zu einer unzulässigen Erschwerung des Widerrufsrechts. Indem die Klausel dem Verbraucher die Möglichkeit zur Aufrechnung abschneidet, so der BGH weiter, werde er dazu gezwungen, seine Ansprüche aus dem Rückabwicklungsverhältnis aktiv im Klageweg geltend zu machen, was ihm in der Regel zusätzlich die Aufbringung des Gerichtskostenvorschusses abverlange. Darüber hinaus beschränke das Aufrechnungsverbot die Verteidigungsmöglichkeiten des Verbrauchers gegen eine seitens des Kreditinstituts erhobene Klage auf die Erhebung einer Widerklage. In diesem Falle kann sich der Verbraucher nach Ansicht des BGH allein schon im Hinblick auf die erhaltene Darlehensvaluta mit einer erheblichen Forderung des Kreditinstituts konfrontiert sehen, ohne dass ihm die Möglichkeit offensteht, diese Forderung aktiv im Wege der Aufrechnung zu vermindern. Aufgrund des Aufrechnungsverbots wäre es ihm schließlich unmöglich, durch die sogar rückwirkende (§ 389 BGB) Tilgung der Hauptforderung den Anfall solcher Zinsen wenigstens anteilsmäßig zu verhindern. Diese vom BGH festgestellten nachteiligen Auswirkungen der angefochtenen Klausel können den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten bzw. die praktische Durchsetzung seiner Forderung erschweren, weshalb der XI. Zivilsenat in der Vereinbarung dieses Aufrechnungsverbots eine nach § 361 Abs. 2 Satz 1 BGB unzulässige Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts gesehen hat, so dass die angefochtene Klausel zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden führe. Da die Regelung in Nr. 4 AGB-Banken im Wesentlichen wortgleich zu Nr. 11 Abs. 1 AGBSparkassen ist, betraf die Entscheidung im genannten Umfang auch diese Klausel und führte zu der zuvor dargestellten inhaltlichen Modifizierung des Regelungsinhalts. Das Urteil des BGH kann in seiner Begründung jedoch nicht überzeugen. Wie auch der BGH einräumt, entsprach die bisherige AGB-Klausel den Vorgaben des § 309 Nr. 3 BGB, wonach nach ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit bei einer Bestimmung besteht, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Mit anderen Worten ist nach der gesetzlichen Wertung jedoch eine AGB-Regelung zulässig, die eine Aufrechnungsmöglichkeit auf unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Ansprüche beschränkt. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass es sich bei den in § 309 BGB zusammengefassten absolut unzulässigen Klauseln nach dem Willen des historischen Gesetzgebers überwiegend um Konkretisierungen des in der Generalklausel des § 307 Abs. 2 BGB enthaltenen allgemeinen Gedankens handelt, d.h. es handelt sich bei den verbotenen Vertragsbestimmungen überwiegend um solche, die mit wesentlichen Grundsätzen der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sind oder auf eine Aushöhlung von Kardinalpflichten und -rechten hinauslaufen1. Die Wertungen des § 307 Abs. 2 BGB sind somit in ausreichendem Maße gewürdigt. Zum anderen hat der historische Gesetzgeber bei der Einführung der Regelung bereits die Interessen des Verbrauchers ausdrücklich und hinreichend berücksichtigt. So wird in der Gesetzesbegründung zu § 309 Nr. 3 BGB (vormals § 11 Nr. 3 AGBGB) festgestellt, dass der Verbraucher durch einen Ausschluss der 1 BT-Drucks. 7/3919, 24.
Kropf | 241
3.329
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Aufrechnung keinen endgültigen Rechtsverlust erleide und auch nicht außer Acht bleiben könne, dass die Erklärung der Aufrechnung mit angeblichen Gegenansprüchen seitens des Kunden dazu missbraucht werden könne, die Begleichung einer Schuld hinauszuzögern1. Sodann schlussfolgert der Gesetzgeber, dass es geboten sei den Ausschluss der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen für unzulässig zu erklären. Wenn eine aufrechenbare Forderung eindeutig feststehe, wäre es rechtsmissbräuchlich, die Aufrechnung als einfache Methode des Forderungsausgleichs nicht zuzulassen2. Die Gesetzgebungmaterialien bringen somit eindeutig zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber bereits eine umfassende Abwägung zwischen den Interessen des Unternehmers und des Verbrauchers in Bezug auf eine Aufrechnungsbefugnis vorgenommen hat. Vor dem Hintergrund, dass § 309 BGB eine Konkretisierung der Regelung in § 307 Abs. 2 BGB darstellt, sind auch dessen Wertungen im Rahmen einer vom BGH als notwendig erachteten zusätzlichen Inhaltskontrolle zu berücksichtigen. Wenn im Umkehrschluss vom Gesetzgeber ein Ausschluss der Aufrechnungsbefugnis des Verbrauchers bei dessen bestrittenen bzw. nicht rechtskräftig festgestellten Ansprüchen im Rahmen eines Interessenausgleichs als zulässig erachtet wird, so muss dieser gesetzliche Leitgedanke auch Eingang in die Interessenabwägung nach § 307 Abs. 2 BGB finden. Es sind keine nachvollziehbaren Gründe ersichtlich, weshalb Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach Ausübung eines Verbraucherwiderrufrechts einen weitergehenden Schutz bedürfen würden. Dies widerspricht letztendlich der dargestellten gesetzgeberischen Wertung zu AGB-Klauseln mit Aufrechnungsverboten. Das Klauselverbot in § 309 Nr. 3 BGB ist bereits explizit, wie sich aus § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB entnehmen lässt, auf Vertragsverhältnisse mit Verbrauchern und damit deren Schutz ausgerichtet. Da der BGH jedoch unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung und entgegen dieser klaren gesetzgeberischen Intention die Regelung in Nr. 4 AGB a.F. im Rechtsverkehr mit Verbrauchern für unzulässig erachtete, wurde seitens der privaten Geschäftsbanken eine an den Entscheidungsgründen orientierte Anpassung der Vorschrift vorgenommen. 3. AGB-Sparkassen
3.330
Aufgrund der BGH-Entscheidung vom 20.3.2018 (s. Rz. 3.321, Rz. 3.328) ist der Inhalt von Nr. 11 AGB-Sparkassen modifiziert worden, indem Abs. 1 entsprechend den Entscheidungsgründen des Urteils angepasst und Abs. 2 ersatzlos gestrichen wurde. Nr. 11 Abs. 2 AGB-Sparkassen a.F. enthielt die Regelung einer Tilgungsbestimmung. Danach durfte die Sparkasse, vorbehaltlich einer anderen Tilgungsbestimmung des Kunden oder einer abweichenden zwingenden gesetzlichen Regelung, bestimmen, auf welche von mehreren fälligen Forderungen Zahlungseingänge, die zur Begleichung sämtlicher Forderungen nicht ausreichen, zu verrechnen sind. Die neue Fassung der Nr. 11 Satz 1 AGB-Sparkassen entspricht Nr. 4 Satz 1 AGB-Banken. Satz 2 schränkt die Anwendung der Regelung von Satz 1 ein, soweit die Tatbestandsvoraussetzungen der § 513 BGB erfüllt sind, mithin Unternehmer, welche in der Phase der Existenzgründung der Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern bei der Gewährung von Darlehen, eines Zahlungsaufschubs oder einer sonstigen Finanzierungshilfe für die Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit oder einem zu diesem Zweck abgeschlossenen Ratenlieferungsvertrag gleichgestellt werden. Satz 3 lässt gesetzliche Aufrechnungsverbote unberührt.
3.331–3.334 Einstweilen frei. 1 BT-Drucks. 7/3919, 29. 2 BT-Drucks. 7/3919, 29.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
V. Nr. 5 AGB-Banken: Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden (Kropf) 5. Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden Nach dem Tod des Kunden hat derjenige, der sich gegenüber der Bank auf die Rechtsnachfolge des Kunden beruft, der Bank seine erbrechtliche Berechtigung in geeigneter Weise nachzuweisen. Wird der Bank eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag) nebst dazugehöriger Eröffnungsniederschrift vorgelegt, darf die Bank denjenigen, der darin als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichnet ist, als Berechtigten ansehen, ihn verfügen lassen und insbesondere mit befreiender Wirkung an ihn leisten. Dies gilt nicht, wenn der Bank bekannt ist, dass der dort Genannte (zum Beispiel nach Anfechtung oder wegen Nichtigkeit des Testaments) nicht verfügungsberechtigt ist, oder wenn ihr dies infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist. 1. Regelungszweck Verstirbt ein Kunde, bedarf es einer Klärung der Verfügungsberechtigung. Der Bank können in einem Nachlassfall grundsätzlich verschiedene mögliche Berechtigte gegenüberstehen. Neben dem Erben können dies im Einzelfall insbesondere Mitkontoinhaber, Bevollmächtigte, Drittbegünstigte, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter sein. In Fällen mit Auslandsbezug können Erbschaftsverwalter oder sonstige auf Grund völkerrechtlicher Abkommen Berechtigte, wie beispielsweise Konsuln, der Bank gegenüber auftreten. Zum Zwecke einer zweifelsfreien schuldbefreienden Leistung ist die Bank auf einen ausreichenden Nachweis der Verfügungsberechtigung angewiesen. Anderenfalls besteht das Risiko einer doppelten Inanspruchnahme.
3.335
Nr. 5 AGB regelt in diesem Zusammenhang die Legitimation des Erben und des Testamentsvollstreckers. Die Klausel ist mit Wirkung zum 14.3.2014 aufgrund des BGH-Urteils vom 8.10.20131 zur Parallelregelung in Nr. 5 AGB-Sparkassen neu gefasst worden. Den Verstoß gegen § 307 BGB sah der BGH darin, dass die Klausel in ihrer alten Fassung in Abweichung von der gesetzlichen Regelung die Banken dazu berechtige, nach ihrem Ermessen die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen, und zwar unabhängig davon, ob im konkreten Einzelfall das Erbrecht auch auf anderen Art nachgewiesen werden könnte2. Da die Bestimmung nicht festlege, so der BGH weiter, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen ein Erbschein verlangt werden dürfe, gebe sie dem Klauselverwender die Möglichkeit im Zweifel stets die Vorlage eines Erbscheins zu fordern. Der BGH kam in seiner Entscheidung schließlich zu dem Schluss, dass ein uneingeschränktes Recht einer Bank, einen Erbschein zu verlangen, erheblich von der gesetzlichen Rechtslage abweiche und folglich – auch wenn die Bank ein berechtigtes Interesse an der Vermeidung einer doppelten Inanspruchnahme durch den Scheinerben und den wahren Erben habe – keinen Bestand haben könne, da es die Interessen des wahren Erben an einem möglichst kostengünstigen Nachweis der Erbenstellung und einer schnellen Nachlassregulierung vollständig außer Acht lasse3.
3.336
1 BGH v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, WM 2013, 2163. 2 BGH v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, WM 2013, 2163. 3 BGH v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, WM 2013, 2163.
Kropf | 243
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
2. Geeignerter Nachweis der Erbfolge und der Verfügungsberechtigung
3.337
Aufgrund der Ausführungen des BGH in den Urteilsgründen der Entscheidung vom 8.10. 2013 ist die Klausel in Nr. 5 AGB in ihrem Satz 1 angepasst worden. Nunmehr wird bestimmt, dass nach dem Tod des Kunden derjenige, der sich gegenüber der Bank auf die Rechtsnachfolge des Kunden beruft, der Bank seine erbrechtliche Berechtigung in geeigneter Weise nachzuweisen hat. Durch diese Neuausgestaltung wird der Maßgabe des BGH, wonach die Bank AGB-rechtlich nicht stets bzw. einschränkungslos – ohne Beschränkung auf Zweifelsfälle – die Vorlage eines Erbscheins verlangen könne, inhaltlich und sprachlich Rechnung getragen, indem Satz 1 allgemein darauf hinweist, dass die erbrechtliche Legitimation im Einzelfall „in geeigneter Weise“ nachzuweisen ist. Damit wird lediglich der allgemeine Grundsatz nachgebildet, dass derjenige, welcher ein Recht für sich in Anspruch nimmt, dieses zu beweisen hat, so dass es sich inhaltlich um eine deklaratorische Klausel handelt, welche allein am Transparenzgebot zu messen ist1. Diesem Maßstab hält die Klausel auch stand, da es sich, mangels Möglichkeit für jeden Einzelfall klar umrissene Kriterien für den Nachweis der Verfügungsberechtigung zu erbringen, um eine unvermeidbare Generalisierung handelt2.
3.338
Als sicherer Nachweis für die Verfügungsberechtigung als Erbe dient der Erbschein, weil diese Urkunde öffentlichen Glauben genießt. Deshalb kann sich die Bank unbedingt auf die Richtigkeit des Urkundeninhalts verlassen, sofern sie nicht die Unrichtigkeit kennt oder weiß, dass das Nachlassgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat (§ 2366 BGB)3. Voraussetzung für diesen Gutglaubensschutz ist eine Verfügung, welche sich auf einen Nachlassgegenstand bezieht. Dies ist beispielsweise bei einer Sicherungszession oder einer Grundschuldbestellung zugunsten der Bank durch den Erbscheinserben der Fall. Ebenso erfolgt eine Leistung an den Erbscheinserben mit befreiender Wirkung (§ 2367 BGB). Dagegen greift der Schutz des öffentlichen Glaubens des Erbscheins nicht ein, wenn die Bank mit dem Erbscheinserben neue Rechtsgeschäfte tätigt, die nur schuldrechtliche Wirkungen haben. Durch solche schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte wird der wahre Erbe nicht verpflichtet, da der öffentliche Glaube nur die dingliche Nachlassinhaberschaft fingiert, welche für ein Verpflichtungsgeschäft nicht erforderlich ist4.
3.339
Ein Risiko für die Bank besteht in den Fällen einer Kraftloserklärung eines unrichtigen Erbscheins durch das Nachlassgericht nach § 2361 Abs. 2 BGB. Mit Wirksamwerden des betreffenden Beschlusses des Nachlassgerichtes entfallen die Wirkungen der §§ 2365 bis 2367 BGB und damit auch der Gutglaubensschutz5, so dass die Bank auch bei Leistung unter Vorlage eines noch im Umlauf befindlichen, für kraftlos erklärten Erbscheines nicht geschützt ist.
3.340
Soweit eine Testamentsvollstreckung angeordnet ist, steht die Verfügungsberechtigung über die zum Nachlass gehörenden Gegenstände und damit auch über die Forderungen gegen die Bank allein dem Testamentsvollstrecker zu. Den Erben ist ihre Verfügungsbefug1 Wurmnest, WM 2015, 1597. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB-Banken Rz. 102; Wurmnest, WM 2015, 1597. 3 Vgl. Weidlich in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 2366 BGB Rz. 2. 4 Herzog in Staudinger, Neubearb. 2016, § 2367 BGB Rz. 12; Grziwotz in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 2367 BGB Rz. 6. 5 Weidlich in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 2361 BGB Rz. 1; Grziwotz in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 2361 BGB Rz. 1.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
nis durch Gesetz und gegenüber jedermann wirksam entzogen (§§ 2205, 2211 BGB)1. Zum Nachweis des ausschließlichen Verfügungsrechts des Testamentsvollstreckers bedarf es eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Dieses genießt wie der Erbschein öffentlichen Glauben (§ 2368 Abs. 3 BGB). Anders als beim Erbschein erstreckt sich der Gutglaubensschutz auch auf schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte des Testamentsvollstreckers2. Hintergrund hierfür ist, dass er den Nachlass zu verwalten hat und die hierfür erforderlichen Verbindlichkeiten für den Nachlass eingehen darf (§§ 2205, 2206 BGB). Unter Berücksichtigung der vorgenannten BGH-Rechtsprechung kann die Vorlage eines Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses von einer Bank nicht ausnahmslos und ungeachtet der Gegebenheiten des konkreten Nachlassfalles verlangt werden. Vielmehr ist im Hinblick auf die Auswahl der zum Zweck eines Nachweises des Verfügungsrechts anzufordernden Unterlagen eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen3. Dabei ist grundsätzlich das Interesse an einer Vereinfachung gegen das Missbrauchsrisiko abzuwägen. Auch hier sind letztlich die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Kriterien für die Ermessensausübung können im Einzelfall die Höhe der bei der Bank unterhaltenen Nachlasswerte, das Alter eines Testaments, unklare Formulierungen, die Kosten eines Erbscheins sowie die Frage, ob eine nur privatschriftliche oder eine öffentliche Verfügung von Todes wegen vorliegt, sein4.
3.341
Welche weiteren erbrechtlichen Nachweise über den Erbschein und das Testamentsvollstreckerzeugnis hinaus geeignet sind, die Verfügungsbefugnis nachzuweisen, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls.Die Vorlage eines Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses kann im konkreten Fall entbehrlich sein, wenn der Bank andere erbrechtliche Nachweise, – wie etwa eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag) des verstorbenen Kontoinhabers nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift – vorgelegt werden und sich die Verfügungsberechtigung der Erben bereits durch anderweitige Nachweise zufriedenstellend nachweisen lässt und nach der Vorlage jener Dokumente keine Zweifel an der Verfügungsberechtigung der Erben bestehen. Der BGH hat überdies die Vorlage eines eröffneten öffentlichen Testaments als in der Regel ausreichenden Nachweis für die Rechtsnachfolge angesehen5. Eröffneten öffentlichen Testamenten ist im Verhältnis Bank und Kontoinhaber eine widerlegbare Vermutung zum Nachweis der Erbfolge beizumessen, die darauf beruht, dass das öffentliche Testament grundsätzlich nur durch einen Notar errichtet werden kann und es den Vorzug rechtskundiger Beratung (§§ 17, 30 BeurkG) aufweist sowie grundsätzlich in besondere amtliche Verwahrung genommen wird (§ 34 Abs. 2 Satz 4 BeurkG)6. Diese Vermutungswirkung kommt hingegen einem eigenhändigen Testament im Verhältnis Bank und Kontoinhaber nicht zu, da bei diesen die Gefahr der Rechtsunkenntnis, unklarer Formulierung,
3.342
1 Zimmermann in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 2211 BGB Rz. 2; Weidlich in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 2211 BGB Rz. 1. 2 Herzog in Staudinger, Neubearb. 2016, § 2368 BGB Rz. 27; Grziwotz in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 2368 BGB Rz. 48; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 10 Rz. 18. 3 AG Mannheim v. 2.2.2007 – 3 C 196/06, WM 2007, 2240, 2242; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 5 AGB-Banken Rz. 1; Keim, WM 2006, 753, 755. 4 Keim, WM 2006, 753, 757; Starke, NJW 2005, 3184, 3186; vgl. auch AG Mannheim v. 2.2.2007 – 3 C 196/06, WM 2007, 2240, 2241 f., wonach ein privatschriftliches Testament für einen Erbnachweis unzureichend sei. 5 BGH v. 7.3.2005 – XI ZR 311/04, WM 2005, 1432. 6 BGH v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, WM 2016, 868.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
des Urkundenverlusts, seiner Unterdrückung oder der Fälschung höher ist1. Ein eröffnetes eigenhändiges Testament ist daher dann ein geeigneter Nachweis, wenn es im konkreten Einzelfall die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist, wobei die Bank keine gesteigerte Auslegungspflicht trifft2. Die Bank hat bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Gewissheit über die Person des Erben das Recht, weitere Urkunden und die Abgabe weiterer Erklärungen zu verlangen3. An der Geeignetheit dürfte es hingegen fehlen, wenn sich der Erbe aus der letztwilligen Verfügung erst im Wege der erläuternden oder ergänzenden Auslegung anhand der gesetzlichen Auslegungsregeln bestimmen lässt, da es dann an einer eindeutigen Erbeinsetzung in der vorgelegten Verfügung von Todes wegen fehlt und einer Bank im Massenverkehr eine Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregeln nicht zuzumuten ist4. 3. Leistungsbefreiung der Bank
3.343
Die Bank kann nach Nr. 5 Satz 2 AGB, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung in Form eines Testaments oder Erbvertrages nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift vorgelegt wird, denjenigen, der darin als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichnet ist, als Berechtigten ansehen, ihn verfügen lassen und insbesondere mit befreiender Wirkung an ihn leisten.
3.344
Im Gegensatz zur vorherigen Fassung des Satzes 2, welcher das ausdrückliche Recht eines Verzichts der Bank auf die Vorlage eines Erbscheins enthielt, ist in der neuen Ausgestaltung der Regelung eine Leistungsbefreiuungsklausel enthalten. Diese gesteht der Bank bei Vorlage einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift der letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag) nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift einen Gutglaubensschutz zu, die Bank denjenigen, der darin als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichnet ist, als Berechtigten ansehen, ihn verfügen lassen und insbesondere mit befreiender Wirkung an ihn leisten darf. Diese Regelung geht somit über den im Bürgerlichen Gesetzbuch gewährten Gutglaubensschutz der §§ 2366, 2367 i.V.m. § 2368 hinaus.
3.345
In Bezug auf die Frage nach der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der Klausel ist zu berücksichtigen, dass nach Ansicht des BGH im Rahmen der Prüfung einer unangemessen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB es auf die Interessen des (wahren) Erben, der im Wege der Universalsukzession (§ 1922 BGB) in die Stellung des Erblassers als Vertragspartner der Bank eingerückt ist, bei der anzustellenden Interessenabwägung ankommt5. Da durch die Regelung in Satz 2 jedoch die Bank nicht in jedem Fall von der Leistung befreit wird, sondern nur wenn sich der Scheinerbe durch eine Verfügung des Erblassers legitimieren kann, nicht hingegen bspw. bei gesetzlicher Erbfolge, ist die Klausel mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vereinbar und folglich wirksam6. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Bank keine Möglichkeit hat, sich außerhalb eines Erbscheinverfah1 2 3 4 5
Weidlich in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 2231 BGB Rz. 2. BGH v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, WM 2016, 868. Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 39. Litzenburger, MittBayNot 2014, 349; Wurmnest, WM 2015, 159. BGH v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, WM 2013, 2166; a.A. OLG Celle v. 26.4.1995 – 3 U 113/94, NJW 1998, 82, 84. 6 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB-Banken Rz. 107; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 10 Rz. 30; Wurmnest, WM 2015, 1597; a.A. scheinbar Nouvertné, BKR 2014, 493.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
rens Gewissheit über den wahren Erben zu verschaffen, so dass ihr keine andere Möglichkeit bleibt, als bei Vorlage des Testaments oder Erbvertrags mit befreiender Wirkung an den sich legitimierenden Erben zu leisten1. Schließlich soll mit dieser AGB-Klausel ein ausgewogener Ausgleich zwischen den Interessen des wahren Erben und der Bank geschaffen werden, die auf eine schuldbefreiende Leistung besonderen Wert legen muss. An diese Regelung ist auch der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger des Kontoinhabers gebunden. Im Ergebnis trägt der Erbe das Risiko, dass der Erblasser nicht eindeutig und zweifelsfrei seine Verfügung von Todes wegen formuliert hat. Ohnehin ist nicht auszuschließen, dass sich ein Scheinerbe eines Erbrechts berühmt und etwas aus der Erbschaft erlangt. Nach der Wertung des Gesetzgebers in § 2018 BGB ist in diesem Fall aber unmittelbar zwischen dem Erbschaftsbesitzer und dem wahren Erben abzuwickeln. Eine etwaige benachteiligende Wirkung von Nr. 5 Satz 2 AGB könnte daher ohnehin nur den wahren Erben treffen, nicht jedoch den Kunden der Bank2. Die befreiende Wirkung tritt jedoch nicht ein, wenn der Bank bekannt ist, dass der dort Genannte etwa nach Anfechtung oder wegen Nichtigkeit des Testaments nicht verfügungsberechtigt ist oder wenn ihr dies infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist (Nr. 5 Satz 3 AGB). Dieser Ausschluss einer Leistungsbefreiung ist in AGB-rechtlicher Hinsicht vor dem Hintergrund geboten, dass die befreiende Wirkung im Gesetz selbst nicht vorgesehen ist3.
3.346
Die Bank kann zum Legitimationsnachweis weitere Urkunden verlangen, wenn dies für die Prüfung der Verfügungsberechtigung erforderlich ist, weil beispielsweise bestehende Zweifel nicht aufgelöst werden konnten. Dies entspricht letztlich dem allgemeinen Grundsatz, wonach sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen wie die Legitimation von der anspruchsstellenden Partei darzulegen und beweisen sind. Beispiele solcher weiteren Urkunden sind das Zeugnis über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft oder die Erklärung des Testamentsvollstreckers zur Annahme seines Amtes (§ 2202 BGB).
3.347
Vorgenannte Grundsätze gelten auch bei einem Auskunftsverlangen gegen die Bank. Hier sind an den Legitimationsnachweis der auftretenden Person bereits aus Gründen des Bankgeheimnisses entsprechende Anforderungen wie an den Berechtigungsnachweis im Falle einer Verfügung zu stellen.
3.348
Die Bank ist im Übrigen auch ohne Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zu Zahlungen aus den bei ihr unterhaltenen Nachlasswerten berechtigt, die von den Erben ohnehin zu leisten sind, wie dies z.B. für Beerdigungskosten und die Erbschaftsteuer gilt.
3.349
4. Rechtslage bis zu einer Klärung der Verfügungsbefugnis Solange die Verfügungsberechtigung nach dem Ableben des Kunden nicht ausreichend nachgewiesen ist, braucht die Bank nicht an den wahren oder vermeintlichen Erben zu leisten. Bis zur Vorlage der für einen zweifelsfreien Nachweis erforderlichen Urkunden besteht ein Leistungsverweigerungsrecht der Bank4. Insbesondere gerät die Bank nicht in Verzug, 1 2 3 4
Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 10 Rz. 30. OLG Celle v. 23.4.1995 – 3 U 113/94, NJW 1998, 82, 84. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 5 AGB-Banken Rz. 3. AG Mannheim v. 2.2.2007 – 3 C 196/06, WM 2007, 2240, 2242.
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3.350
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
wenn sie von der Person des Erben unverschuldet keine Kenntnis hat oder sich Zweifel an der Verfügungsberechtigung trotz pflichtgemäßer Bemühungen der Bank nicht haben ausräumen lassen1. In diesem Fall ist die Leistungsverzögerung von der Bank nicht zu vertreten.
3.351
Bei fortbestehender Ungewissheit über die Person des Gläubigers kann die Bank von ihrer gesetzlichen Befugnis zur Hinterlegung gem. § 372 Satz 2 BGB der bei ihr befindlichen Nachlasswerte Gebrauch machen2. Dabei müssen die Zweifel im Zeitpunkt der Hinterlegung noch fortbestehen3. 5. AGB-Sparkassen
3.352
Da die Entscheidung des BGH die Regelung in Nr. 5 Abs. 1 AGB-Sparkassen unmittelbar betraf, ist die Klausel in der Folge entsprechend angepasst worden. Die neue Fassung des Abs. 1 entspricht Nr. 5 Satz 1 AGB-Banken, jedoch wird auf den Zusatz „in geeigneter Weise“ verzichtet. Überdies ist im Rahmen der Neufassung der frühere in Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 enthaltene Zusatz „fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen“ ersatzlos gestrichen worden. Abs. 2 von Nr. 5 AGB-Sparkassen in seiner neuen Fassung ist im Wesentlichen inhaltsgleich zu Nr. 5 Satz 2 und 3 AGBBanken. Darüber hinaus besteht für den Fall, dass der Sparkasse sonstige ausländische Urkunden als Ausweis der Person oder zum Nachweis einer Berechtigung vorgelegt werden, eine gesonderte Regelung in Abs. 3. Hiernach prüft die Sparkasse die Eignung der Urkunden zum Nachweis. Für Eignung, Wirksamkeit, Vollständigkeit sowie richtige Übersetzung und Auslegung der Urkunde haftet die Sparkasse nur bei Fahrlässigkeit. Ist die Urkunde insgesamt gefälscht, haftet die Sparkasse jedoch verschuldensunabhängig4. Nach diesen Maßgaben steht der Sparkasse eine Leistungsbefugnis zu und sie kann an die in den Urkunden als Berechtigte bezeichnete Personen mit befreiender Wirkung leisten.
3.353–3.360 Einstweilen frei.
VI. Nr. 6 AGB-Banken: Maßgebliches Recht und Gerichtsstand (Kropf) 3. Maßgebliches Recht und Gerichtsstand bei kaufmännischen und öffentlich-rechtlichen Kunden (1) Geltung deutschen Rechts Für die Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und der Bank gilt deutsches Recht. (2) Gerichtsstand für Inlandskunden Ist der Kunde ein Kaufmann und ist die streitige Geschäftsbeziehung dem Betriebe seines Handelsgewerbes zuzurechnen, so kann die Bank diesen Kunden an dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht oder bei einem anderen zuständigen Gericht verklagen; dasselbe gilt für eine juristische Person des öffentlichen Rechts und für 1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 5 AGB-Banken Rz. 101; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 10 Rz. 11. 2 Keim, WM 2006, 753, 754; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 5 AGB-Banken Rz. 101. 3 Wenzel in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 372 BGB Rz. 10. 4 Aden, NJW 1993, 832, 834.
248 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
öffentlich-rechtliche Sondervermögen. Die Bank selbst kann von diesen Kunden nur an dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht verklagt werden. (3) Gerichtsstand für Auslandskunden Die Gerichtsstandsvereinbarung gilt auch für Kunden, die im Ausland eine vergleichbare gewerbliche Tätigkeit ausüben, sowie für ausländische Institutionen, die mit inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder mit einem inländischen öffentlich-rechtlichen Sondervermögen vergleichbar sind. 1. Regelungsgegenstand Nr. 6 AGB enthält eine Rechtswahlklausel und Gerichtsstandsvereinbarungen, welche nur für die darin angeführten Kundengruppen Geltung haben.
3.361
2. Rechtswahlklausel Nach Nr. 6 Abs. 1 AGB gilt für die Geschäftsverbindung zwischen Kunde und Bank deutsches Recht. Diese freie Rechtswahl entspricht dem Grundsatz der Privatautonomie und kann auch durch eine Rechtswahlklausel in AGB getroffen werden1. Die Regelung begegnet im Ergebnis keinen AGB-rechtlichen Bedenken2. Insbesondere wird damit nicht eine unangemessene Benachteiligung begründet. Denn die Rechtswahlklausel entspricht der auf alle nach dem 17.12.2009 vereinbarten Schuldverhältnisse anwendbaren Regelung des Art. 3 Abs. 1 Rom I-Verordnung3 sowie dem davor geltenden Art. 27 EGBGB und setzt die danach bestehende Möglichkeit einer freien Rechtswahl konkret um4. Nr. 6 Abs. 1 AGB trägt auch dem Aspekt der nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom I-Verordnung gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit Rechnung5. Wegen der Vereinbarung des Geltungsbereiches der gesamten AGB-Banken in Nr. 1 Abs. 1 AGB gilt auch die Rechtswahlklausel nur für die Geschäftsverbindung mit inländischen Geschäftsstellen der Bank.
3.362
Nach deutschem Internationalen Privatrecht wäre auch ohne diese Rechtswahlklausel sowie im Falle deren unwirksamen Einbeziehung in das Vertragsverhältnis mit dem Kunden grundsätzlich deutsches Recht anwendbar. Denn nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-Verordnung unterliegt ein grenzüberschreitender Dienstleistungsvertrag ohne Rechtswahlklausel dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hierunter fallen Finanzdienstleistungen wie auch Geschäftsbesorgungsverträge6. Der Begriff der Finanzdienstleistung ist weit zu verstehen und erfasst grundsätzlich jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung oder Geldanlage7. Für Bankgeschäfte ist das sich hieraus ergebende Recht regelmäßig das Recht
3.363
1 Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rom I-VO Rz. 42; Thorn in Palandt, 77. Aufl. 2018, Art. 3 Rom I (IPR) Rz. 1, 6. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 6 AGB-Banken Rz. 1. 3 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.3.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 v. 4.7.2008, S. 3. Hierzu näher Pfeiffer, EuZW 2008, 622. 4 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 6 AGB-Banken Rz. 111 (für Art. 27 EGBGB). 5 Einsele, WM 2009, 289, 290. 6 Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 625. 7 Einsele, WM 2009, 289, 291 f.
Kropf | 249
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
am Sitz der kontoführenden Bank1. Lässt sich der konkrete Vertrag ausnahmsweise in keinen der in Art. 4 Abs. 1 lit. a bis h Rom I-Verordnung angeführten Vertragstypen einordnen oder liegt ein gemischter Vertrag vor, so ist nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-Verordnung das Recht des Staates maßgeblich, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auch hiernach gilt generell das Recht am Ort der Haupt- oder Zweigniederlassung der Bank, da die berufstypische Leistung der Bank für das Vertragsverhältnis prägend ist2.
3.364
Die Rechtswahlklausel ist grundsätzlich auch für Verbraucherverträge anwendbar, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Rom I-Verordnung3. Die Rechtswirkungen sind jedoch wie auch bereits in der Vorgängerregelung des Art. 29 EGBGB zugunsten des Verbrauchers eingeschränkt4. Denn die Rechtswahl darf gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-Verordnung nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-Verordnung anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Hiernach wird an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers und den zwingenden, da nicht abdingbaren Schutz seiner heimischen Rechtsordnung angeknüpft5. Das anwendbare Recht ist im Wege eines Günstigkeitsvergleichs des gewählten Rechts mit dem nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-Verordnung anwendbaren Recht zu bestimmen6. Reicht der Schutz der ausländischen Rechtsordnung weiter als der nach deutschem Recht, so werden die deutschen Regelungen verdrängt.
3.365
Art. 6 Abs. 2 Rom I-Verordnung gilt jedoch in den Fällen des Art. 6 Abs. 4 lit. a bis e Rom I-Verordnung nicht. Hier sind insbesondere die beiden finanzmarktbezogenen Regelungen in lit. d und e zu beachten, mit welchen die Anwendung nur eines Rechts für Finanzmarktinstrumente und Finanzmarktsysteme ohne Rücksicht auf die Aufenthaltsrechte privater Beteiligter, insbesondere zum Zwecke eines fungiblen Handels, sichergestellt werden soll7. Demgegenüber besteht für die Erbringung von Finanzdienstleistungen in Abs. 4 lit. d eine Rückausnahme, die sich daraus erklärt, dass hierbei wiederum individuelle und verbraucherbezogene Aspekte im Vordergrund stehen8. Damit gilt für die Erbringung von Finanzdienstleistungen Art. 6 Abs. 1 bis 3 Rom I-Verordnung. Hierzu zählen insbesondere Anlageberatungsverträge, Verwahrungs- und Depotverträge einschließlich der Depotführung und -verwaltung9. 3. Gerichtsstand bei kaufmännischen und öffentlich-rechtlichen Kunden
3.366
Nr. 6 Abs. 2 AGB enthält Gerichtsstandsvereinbarungen für Prozesse mit Kaufleuten sowie mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts und mit öffentlich-rechtlichen Son1 2 3 4 5 6
Thorn in Palandt, 77. Aufl. 2018, Art. 4 Rom I (IPR) Rz. 13. Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 4 Rom I-VO Rz. 87. Thorn in Palandt, 77. Aufl. 2018, Art. 6 Rom I (IPR) Rz. 8. Einsele, WM 2009, 289, 292. Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 6 Rom I-VO Rz. 54. Einsele, WM 2009, 289, 293; Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 6 Rom I-VO Rz. 59. 7 Mankowski, RIW 2009, 98, 117; Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 6 Rom I-VO Rz. 31, 35. 8 Mankowski, RIW 2009, 98, 105; Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 6 Rom I-VO Rz. 33. 9 Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 6 Rom I-VO Rz. 33.
250 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
dervermögen. Unter Kaufleuten sind Gerichtsstandsvereinbarungen nach der ZPO in AGB grundsätzlich zulässig1. Die Klausel entspricht der Regelung des § 38 Abs. 1 ZPO und wird daher als mit § 305c Abs. 1, § 307 BGB vereinbar angesehen2. Demgegenüber zählt zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der Grundsatz, dass Prozesse im nichtkaufmännischen Rechtsverkehr durch Parteivereinbarung dem gesetzlichen Gerichtsstand nur in bestimmten Ausnahmefällen entzogen werden dürfen3. Dies erklärt sich aus den Gefährdungen, die einer schwächeren und geschäftsunerfahrenen Partei hieraus entstehen können4. Daher wird ein Gerichtsstand für Verträge mit Verbrauchern durch Nr. 6 Abs. 2 AGB nicht begründet. Bei Prozessen mit in- oder ausländischen Privatkunden sind deshalb die allgemeinen Gerichtsstände maßgeblich5. Für Klagen der Bank gegen Privatkunden ist regelmäßig deren Wohnsitzgericht zuständig (§ 13 ZPO). Die Staatsangehörigkeit des Kunden ist dabei unerheblich. Umgekehrt kann der Kunde die Bank am Gesellschaftssitz (§ 17 ZPO) oder am Sitz der kontoführenden Niederlassung verklagen (§ 21 ZPO).
3.367
a) Inlandskunden Klagen der Bank (Aktivprozesse) können bei dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht oder an einem anderen zuständigen Gericht, insbesondere am allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes erhoben werden (Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 AGB). Diese Klausel gilt aber nur für streitige Geschäftsbeziehungen, die dem Betrieb eines Handelsgewerbes zuzurechnen sind. Wegen der Anknüpfung an den Geschäftsbetrieb ist bei Einzelkaufleuten eine Abgrenzung zwischen den Handelsgeschäften und der privaten Sphäre des Bankkunden erforderlich. Hierfür sind die allgemeinen Regeln der §§ 343, 344 HGB maßgeblich6. Im Zweifelsfalle gilt die widerlegbare Vermutung der Zugehörigkeit eines Geschäftes zum Handelsgewerbe des Kaufmannes (§ 344 Abs. 1 HGB).
3.368
Klagen der in Nr. 6 Abs. 2 AGB bezeichneten Kunden gegen die Bank (Passivprozesse) können nur bei den für die kontoführenden Niederlassungen zuständigen Gerichten erhoben werden (Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 AGB). Davon unberührt bleiben die Fälle eines gesetzlich geregelten ausschließlichen Gerichtsstandes, § 40 Abs. 2 Nr. 2 ZPO7.
3.369
b) Auslandskunden In Nr. 6 Abs. 3 AGB wurde die Gerichtsstandsvereinbarung mit Kunden, die im Ausland eine vergleichbare gewerbliche Tätigkeit ausüben, sowie mit in Abs. 3 näher bestimmten 1 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Einl v § 1 HGB Rz. 86. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 6 AGB-Banken Rz. 2; Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 2 Rz. 48; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 6 AGB-Banken Rz. 114. 3 Vgl. BGH v. 23.1.1983 – VIII ZR 342/81, WM 1983, 308, 311. 4 Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 38 ZPO Rz. 1. 5 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 28; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 11 Rz. 19. 6 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 6 AGB-Banken Rz. 114. 7 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 6 AGB-Banken Rz. 117.
Kropf | 251
3.370
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ausländischen Institutionen parallel zu der für Inlandskunden geltenden Regelung in Abs. 2 ausgestaltet. Somit ist auch hier der Gerichtsstand des für die kontoführende Stelle zuständigen Gerichts maßgeblich. Wegen der Beschränkung des Geltungsbereiches der AGB-Banken auf die Geschäftsverbindung mit inländischen Geschäftsstellen der Bank (Nr. 1 Abs. 1 AGB) ist dies stets ein deutsches Gericht. Für die Frage eines etwaigen Formerfordernisses gilt auch für die Auslandskunden die auf inländische Kunden bezogene Regelung des § 38 Abs. 1 ZPO, wonach Gerichtsstandsvereinbarungen formfrei wirksam sind1. 4. AGB-Sparkassen
3.371
Nr. 6 AGB-Sparkassen enthält im Wesentlichen entsprechende Regelungen. Die Rechtswahlklausel in Nr. 6 Abs. 1 AGB-Sparkassen regelt zusätzlich einen auf entgegenstehendes zwingendes Gesetzesrecht bezogenen Vorbehalt. Darüber hinaus ist in Abs. 2 die Sparkasse als Erfüllungsort für Sparkasse und Kunde festgelegt. Dies betrifft die Frage, wo der jeweilige Schuldner seine Leistungshandlung vornehmen muss2. In der Gerichtsstandsklausel der Nr. 6 Abs. 3 AGB-Sparkassen wird nicht wie in den AGB-Banken ausdrücklich zwischen Inlands- und Auslandskunden unterschieden. Davon unabhängig stimmt der Regelungsinhalt mit Nr. 6 Abs. 2 und 3 AGB-Banken im Wesentlichen überein3.
3.372–3.374 Einstweilen frei.
VII. Nr. 7 AGB-Banken: Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufendender Rechnung) (Kropf) 7. Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufender Rechnung) (1) Erteilung der Rechnungsabschlüsse Die Bank erteilt bei einem Kontokorrentkonto, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, jeweils zum Ende eines Kalenderquartals einen Rechnungsabschluss; dabei werden die in diesem Zeitraum entstandenen beiderseitigen Ansprüche (einschließlich der Zinsen und Entgelte der Bank) verrechnet. Die Bank kann auf den Saldo, der sich aus der Verrechnung ergibt, nach Nummer 12 dieser Geschäftsbedingungen oder nach der mit dem Kunden anderweitig getroffenen Vereinbarung Zinsen berechnen. (2) Frist für Einwendungen; Genehmigung durch Schweigen Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Rechnungsabschlusses hat der Kunde spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach dessen Zugang zu erheben; macht er seine Einwendungen in Textform geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung. Auf diese Folge wird die Bank bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinweisen. Der Kunde kann auch nach Fristablauf eine Berichtigung des Rechnungsabschlusses verlangen, muss dann aber beweisen, dass zu Unrecht sein Konto belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt wurde. 1 Vorbehaltlich der § 38 Abs. 1 ZPO vorgehenden Regelung des Art. 17 EuGVÜ, hierzu Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 11 Rz. 16 f. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 11 Rz. 20. 3 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 29.
252 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
1. Erteilung eines Rechnungsabschlusses Die AGB-Klausel erfasst Rechnungsabschlüsse bei Konten, die in laufender Rechnung gem. § 355 HGB geführt werden (Kontokorrent). Nr. 7 AGB setzt damit eine bestehende Kontokorrentabrede voraus. Solche Kontokorrentabreden werden in der Bankpraxis ausdrücklich in den standardisierten Formularen für die Eröffnung von Girokonten getroffen. Nach der gesetzlichen Regelung erfolgt der Rechnungsabschluss mangels abweichender Vereinbarung einmal jährlich (§ 355 HGB). Die AGB-Klausel regelt hierzu, dass der Rechnungsabschluss jeweils zum Ende eines Kalenderquartals erfolgt, sofern mit dem Kunden nichts anderes vereinbart ist1.
3.375
Bei dem Kontokorrent werden die beiderseitigen Forderungen und Leistungen aus den einzelnen Geschäften mit den Bankkunden als bloße Buchungsposten in die laufende Rechnung gestellt, um in den vereinbarten Zeitabständen verrechnet zu werden. Auf diesen Verrechnungszweck des Kontokorrents weist die AGB-Klausel ausdrücklich hin. Diese Verrechnung führt zu einem kausalen Saldo und vollzieht sich automatisch infolge der mit der Kontokorrentabrede verknüpften antizipierten Verrechnungsvereinbarung jeweils am Ende der Rechnungsperiode2. Für die nach § 355 Abs. 1 HGB erforderliche Feststellung des Abschluss-Saldos bedarf es eines Saldoanerkenntnisses durch den Kunden. Der Rechnungsabschluss i.S.d. § 355 HGB ist somit auf die Herbeiführung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des Kunden im Sinne der Abgabe eines solchen Anerkenntnisses gerichtet, das die bisherigen kontokorrentgebundenen Einzelforderungen ersetzt3. Es verbleibt sodann lediglich der Anspruch aus dem abstrakten Saldoanerkenntnisvertrag (§ 781 BGB). Zu den Merkmalen des Kontokorrents im Einzelnen Rz. 3.853 ff.
3.376
Mit der AGB-Klausel wird der Kunde auch darüber informiert, dass die Bank auf den Saldo, der sich aus der Verrechnung ergibt, die vereinbarten Zinsen berechnen kann (Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 AGB). Dies gilt auch insoweit, als in den Rechnungsabschluss fällige Zinsansprüche der Bank eingeflossen sind. Diese Berechnung von Zinseszinsen sieht § 355 Abs. 1 HGB ausdrücklich vor, der als spezielle Bestimmung das allgemeine Zinseszinsverbot des § 248 Abs. 1 BGB bei Kontokorrentverhältnissen verdrängt4. Dabei können Zinsen vom Tage des Rechnungsabschlusses an berechnet werden (vgl. § 355 Abs. 1 HGB).
3.377
2. Prüfung und Einwendungen Nach Zugang des Rechnungsabschlusses hat der Kunde diesen auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Diese Überprüfungspflicht ergibt sich bereits aus § 242 BGB5. Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit sind spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach dessen Zugang zu erheben. Die Einwendungen bedürfen keiner bestimmten Form. Sie können auch formlos erhoben werden6. Bei schriftlichen Einwendun1 Die bloße Vereinbarung eines monatlichen Sammelauszugs begründet nicht ohne weiteres eine abweichende Vereinbarung, s. OLG Hamm v. 23.3.2010 – I-34 U 7/09, ZInsO 2010, 951, 952. 2 BGH v. 18.4.1989 – XI ZR 133/88, WM 1989, 807, 809; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, WM 2002, 951, 953; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 72. 3 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936, 937. 4 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 76. 5 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 129; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 12 Rz. 11. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 12 Rz. 12; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, AGB-Banken Rz. 130.
Kropf | 253
3.378
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
gen reicht die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung aus. Der Kunde ist für die Rechtzeitigkeit seiner Einwendungen beweispflichtig. Im Ergebnis trägt damit die Bank das Verzögerungsrisiko auf dem Postweg, nicht jedoch das Verlustrisiko1. 3. Saldoanerkenntnis durch Schweigen
3.379
In der Übermittlung des Rechnungsabschlusses liegt das Angebot der Bank auf einen Vertragsabschluss über die Anerkennung des von ihr ermittelten Saldos2. Dieses Angebot nimmt der Kunde stillschweigend an, wenn er Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nicht spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses erhebt. Denn nach Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 AGB gilt das Unterlassen dieser Einwendungen als Genehmigung. Das Saldoanerkenntnis bedarf nicht der ansonsten vorgeschriebenen Schriftform, weil es auf Grund einer Abrechnung erteilt wurde (§ 782 Alt. 1 BGB).
3.380
Die nach der AGB-Klausel fingierte Genehmigungserklärung des Kunden ersetzt eine konkludente oder ausdrückliche Erklärung der Annahme3. Diese Genehmigungsfiktion ist auch mit Blick auf das AGB-rechtliche Verbot von fingierten Erklärungen gem. § 308 Nr. 5 BGB unbedenklich. Danach sind solche Fiktionen nur zulässig, wenn dem Kunden eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und der AGB-Verwender sich verpflichtet, den Kunden bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens hinzuweisen. Diesen Voraussetzungen einer zulässigen Genehmigungsfiktion entspricht die AGB-Klausel4. Die Verpflichtung, den Kunden auf die Genehmigungswirkung seines Schweigens besonders hinzuweisen, wird regelmäßig durch einen ausdrücklichen Hinweis in dem übermittelten Rechnungsabschluss erfüllt. Die Sechs-Wochen-Frist für die Einwendungen wird allgemein als angemessen angesehen5.
3.381
Voraussetzung für die Wirkung der Genehmigungsfiktion ist der Zugang des Rechnungsabschlusses beim Kunden. Die Beweislast für diesen Zugang trägt die Bank6. Einer etwaigen in der Klausel geregelten Fiktion eines Zugangs stünde das Verbot von Zugangsfiktionen gem. § 308 Nr. 6 BGB entgegen, da der Rechnungsabschluss im Kontokorrentverhältnis als Erklärung von besonderer Bedeutung im Sinne des vorgenannten Klauselverbotes angesehen wird7. Der Zugang des Rechnungsabschlusses ist daher nach dem allgemeinen Begriff des Zugangs (§ 130 BGB) zu beurteilen8. Soweit mit dem Kunden die Zusendung 1 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8), Rz. 22; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 131. 2 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936, 937. 3 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8), Rz. 22. 4 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 133; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8), Rz. 22. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 2; von Westphalen, NJW 2001, Beilage zu Heft 43, S. 16; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8), Rz. 22. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 2. 7 BGH v. 4.7.1985 – III ZR 144/84, WM 1985, 1098, 1099. 8 Näher hierzu Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 12 Rz. 16 ff.
254 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
der für ihn bestimmten Mitteilungen vereinbart ist, ist der Rechnungsabschluss an dem Tage zugegangen, an dem dieser in seinen Herrschaftsbereich gelangt ist1. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Kunden kommt es nicht an. Kann die Bank den Zugang des Rechnungsabschlusses nicht beweisen, so kommt ein Anerkenntnis nach den allgemeinen Regeln über konkludente Erklärungen in Betracht, wenn dem Kunden der Saldo auf andere Weise, etwa durch frühere Korrespondenz im Wesentlichen bekannt geworden und ein konkreter Anknüpfungspunkt für die Konkludenz seines Verhaltens gegeben ist2. Falls ein Rechnungsabschluss tatsächlich nicht zugeht, ist der Kunde nach Nr. 11 Abs. 5 AGB gehalten, die Bank unverzüglich zu benachrichtigen. Für die Fiktion des Schweigens als einer rechtsgeschäftlichen Genehmigung sind zwar alle für sonstige Rechtsgeschäfte geltenden Unwirksamkeitsgründe denkbar. Sie haben aber bei dem bankgeschäftlichen Kontokorrent keine wesentliche praktische Bedeutung3. So kommt insbesondere keine Irrtumsanfechtung (§ 119 BGB) in Betracht. Die Annahme des Kunden, der anerkannte Saldo sei richtig und vollständig, ist ein unbeachtlicher Motivirrtum. Ebenso scheidet eine Anfechtung wegen eines Irrtums über die Bedeutung des Schweigens aus4.
3.382
4. Rückforderungsanspruch Ist der anerkannte Abschlusssaldo unrichtig, weil das Konto des Kunden zu Unrecht belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt worden ist, kann das Anerkenntnis nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückgefordert werden5. Denn eine Belastungsbuchung ohne eine entsprechende materiell-rechtliche Forderung der Bank wird durch die Genehmigung des Abschlusssaldos nicht rechtmäßig6. Ein solcher Bereicherungsanspruch steht auch der Bank zu, wenn sie dem Kunden zu Unrecht eine Gutschrift erteilt hat7. Umgekehrt besteht ein Bereicherungsanspruch des Kunden, wenn eine ihm zustehende Forderung dem Konto nicht gutgeschrieben worden ist.
3.383
Macht der Kunde seinen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch geltend, so muss er nach allgemeinen Grundsätzen die Unrichtigkeit des Abschlusssaldos darlegen und beweisen8. Entsprechend dieser Rechtslage weist die AGB-Klausel aus Gründen der Transparenz darauf hin, dass der Kunde die Berichtigung des Rechnungsabschlusses auch nach Ablauf der für Einwendungen vorgesehenen Sechs-Wochen-Frist verlangen kann. Hierbei muss der Kunde beweisen, dass zu Unrecht sein Konto belastet oder eine
3.384
1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 131. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 12 Rz. 22; für eine konkludente Annahme nur nach Ablauf von sechs Wochen Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 63. 3 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 84. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 6. 5 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936, 937; BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273, 2274; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 137. 6 BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273, 2274; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 137. 7 OLG Düsseldorf v. 18.4.1985 – 6 U 7/85, WM 1985, 690. 8 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 7 AGB-Banken Rz. 137.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt worden ist (Nr. 7 Abs. 2 Satz 4 AGB). Die Genehmigungsfiktion der Nr. 7 Abs. 2 AGB bewirkt daher im Ergebnis eine Beweislastumkehr zu Lasten des Kontoinhabers1. 5. AGB-Sparkassen
3.385
Nr. 7 Abs. 1 AGB-Sparkassen enthält anders als die AGB-Banken eine ausdrückliche Kontokorrentabrede für ein Konto zur Abwicklung des laufenden Geschäfts- und Zahlungsverkehrs. Neben der Regelung zur quartalsweisen Erteilung eines Rechnungsabschlusses regelt Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 AGB-Sparkassen zusätzlich, dass bei Vorliegen eines berechtigten Interesses einer der Vertragsparteien der Rechnungsabschluss auch zu sonstigen Terminen erteilt wird.
3.386
Abweichend von Nr. 7 Abs. 2 AGB-Banken war der Kunde nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Sparkassen a.F. gehalten, Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse schriftlich, oder bei Vereinbarung des elektronischen Kommunikationsweges auf diesem Wege, zu erheben. Nach teilweise vertretener Auffassung benachteiligte diese Regelung den Kunden unangemessen2. Diese Formvorgabe für Einwendungen ist inzwischen aufgehoben worden. Nr. 7 Abs. 3 Satz 5 AGB-Sparkassen enthält zusätzlich die Regelung, wonach sowohl der Kunde als auch die Sparkasse eine Richtigstellung des Rechnungsabschlusses auf Grund gesetzlicher Ansprüche verlangen können, wenn sich nachträglich dessen Unrichtigkeit herausstellt. Vertragliche Ansprüche werden in diesem Zusammenhang nicht genannt.
3.387–3.390 Einstweilen frei.
VIII. Nr. 8 AGB-Banken: Storno- und Berichtigungsbuchungen der Bank (Kropf) 8. Storno- und Berichtigungsbuchungen der Bank (1) Vor Rechnungsabschluss Fehlerhafte Gutschriften auf Kontokorrentkonten (zum Beispiel wegen einer falschen Kontonummer) darf die Bank bis zum nächsten Rechnungsabschluss durch eine Belastungsbuchung rückgängig machen, soweit ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zusteht (Stornobuchung); der Kunde kann in diesem Fall gegen die Belastungsbuchung nicht einwenden, dass er in Höhe der Gutschrift bereits verfügt hat. (2) Nach Rechnungsabschluss Stellt die Bank eine fehlerhafte Gutschrift erst nach einem Rechnungsabschluss fest und steht ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zu, so wird sie in Höhe ihres Anspruchs sein Konto belasten (Berichtigungsbuchung). Erhebt der Kunde gegen die Berichtigungsbuchung Einwendungen, so wird die Bank den Betrag dem Konto wieder gutschreiben und ihren Rückzahlungsanspruch gesondert geltend machen. 1 BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273, 2274. 2 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8), Rz. 22; a.A. BGH v. 28.1.2014 – XI ZR 424/12, WM 2014, 456 zu Nr. 7 Abs. 3 AGB-Sparkassen 2002.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
(3) Information des Kunden; Zinsberechnung Über Storno- und Berichtigungsbuchungen wird die Bank den Kunden unverzüglich unterrichten. Die Buchungen nimmt die Bank hinsichtlich der Zinsberechnung rückwirkend zu dem Tag vor, an dem die fehlerhafte Buchung durchgeführt wurde. 1. Stornobuchung vor Rechnungsabschluss Nr. 8 AGB regelt die Befugnis der Bank, fehlerhafte Gutschriften auf Kontokorrentkonten unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich durch eine betragsmäßig entsprechende Belastungsbuchung zu korrigieren. Die Rückabwicklung soll damit vereinfacht werden. Mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtswirkungen ist zwischen Storno- und Berichtigungsbuchung zu unterscheiden.
3.391
a) Stornorecht Fehlerhafte Gutschriften darf die Bank bis zum nächsten Rechnungsabschluss durch eine einfache Belastungsbuchung rückgängig machen, soweit ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zusteht (Nr. 8 Abs. 1 AGB). Der Gutschrift auf Girokonten liegt nach allgemeiner Meinung ein abstraktes Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntnis i.S.d. §§ 780, 781 BGB zugrunde, das dem Kontoinhaber einen Zahlungsanspruch gewährt1. Die Rückgängigmachung dieser Gutschrift bedeutet, dass der durch die Gutschrift verschaffte abstrakte Zahlungsanspruch nachträglich beseitigt wird2.
3.392
Die Stornierung verändert damit die materielle Rechtslage. Der BGH hat das Stornorecht als eine vertraglich eingeräumte Befugnis der Bank zu einem einseitigen Widerruf des der Kontogutschrift zugrunde liegenden Schuldversprechens eingeordnet3. Da das Widerrufsrecht ein einseitiges rechtsgeschäftliches Gestaltungsrecht ist, wird bei dessen Ausübung auf die Rechtsstellung des Erklärungsempfängers ohne dessen Zutun eingewirkt4. Dagegen soll die Stornoklausel der Bank keine neue materielle Forderung verschaffen5. Hiermit werden im Ergebnis auch die Angemessenheit und Wirksamkeit der Klausel begründet6. Demgegenüber dürfte eine anspruchsbegründende Wirkung mit § 307 BGB unvereinbar sein7.
3.393
1 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322; BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908; BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998; an dieser Qualifizierung hat sich durch die Zahlungsdiensterichtlinie nichts geändert, hierzu Grundmann, WM 2009, 1109, 1113. 2 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908. 3 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998; vgl. weiter OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398, 2399; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen,Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 145; für die Qualifizierung als ein vertragliches Anfechtungsrecht Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 448; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 1. 4 Ellenberger in Palandt, 77. Aufl. 2018, Überbl v § 104 BGB Rz. 17. 5 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908. 6 Borges, ZIP 2006, 1983, 1985; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 1. 7 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 145.
Kropf | 257
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
b) Voraussetzungen
3.394
Voraussetzung für das Stornorecht ist, dass der Bank gegenüber dem Kontoinhaber ein bereicherungsrechtlicher Rückgewähranspruch (§ 812 BGB) zusteht1. Eine entsprechende Beschränkung ist in Nr. 8 Abs. 1 AGB ausdrücklich geregelt. Das Stornorecht ist damit von vornherein beschränkt und nur auf fehlerhafte Gutschriften anwendbar, weshalb Nr. 8 Abs. 1 AGB nicht als Tatbestand einer Haftungsfreizeichnung missverstanden werden darf2. Die Haftung der Bank für eine schuldhafte Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit einer Gutschriftserteilung bleibt hiervon unberührt.
3.395
Das Stornorecht ermöglicht der Bank, ihren bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe einseitig im Wege der Selbsthilfe auf einfache Weise durchzusetzen3. Denn mit der Beseitigung des aus der fehlerhaften Gutschrift resultierenden Zahlungsanspruchs führt die Bank den Ausgleich für die mit dieser Gutschriftsbuchung verbundene Vermögenseinbuße herbei. Damit verschafft das Stornorecht der Bank eine eigenständige und von den Unsicherheiten des Bereicherungsrechts unabhängige Rechtsstellung4. Insbesondere ist dem Kunden der Einwand des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) abgeschnitten, sofern der Kunde bereits über die Gutschrift verfügt hat5.
3.396
Der Bereicherungsanspruch der Bank infolge einer fehlerhaften Gutschrift ist nach herrschender Meinung auch kontokorrentfähig und -pflichtig6. Der Anspruch entspringt der Geschäftsverbindung, dessen Einbeziehung in die kontokorrentmäßige Verrechnung auf Grund der mit dem Kunden getroffenen Kontokorrentabrede bei Abschluss des Girovertrages erfolgt (dazu Rz. 3.853 ff.).
3.397
Beispiele für Rückgewähransprüche, die infolge fehlerhafter Gutschrift zu einer Stornierung berechtigen, sind technische Irrtümer wie eine irrtümliche Doppelbuchung. Dem liegt stets ein Versehen der Bank zugrunde. Umstritten ist, ob die Klausel darüber hinaus auf weitere Mängel, wie beispielsweise im Falle eines gefälschten Überweisungsauftrages, anwendbar ist. Dabei ist zu berücksichtigten, dass sich auch bei Fehlen eines Überweisungsauftrages die Interessenlage der Beteiligten nicht von derjenigen im Falle eines bloßen technischen Fehlers unterscheidet7. Weder nach dem Wortlaut von Nr. 8 AGB, der ohne weiteres alle Buchungen erfasst, noch nach Sinn und Zweck des Stornorechts ist eine Einschränkung des Anwendungsbereiches geboten. Auch ist der Empfänger nicht 1 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908; OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398, 2399; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 54. 2 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 29. 3 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908; OLG Hamm v. 27.3.1985 – 20 U 315/84, WM 1985, 1065; OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398, 2399. 4 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908. 5 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 13 Rz. 20; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 433; a.A. Blaurock, NJW 1984, 1, 4 Fn. 30, da der Bereicherungsanspruch nicht auf Geld, sondern auf die Aufhebung des mit der Gutschrift verbundenen abstrakten Schuldversprechens gerichtet ist. 7 LG Bonn v. 29.12.2006 – 3 O 236/06, BKR 2007, 519, 520 für eine Überweisung im OnlineBanking mit ausgespähter PIN und TAN; ebenso OLG Hamburg v. 2.8.2006 – 1 U 75/06, ZIP 2006, 1981, 1982.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
schutzwürdig. Das Stornorecht ist daher in sämtlichen Fällen anwendbar, in denen der Bank bereits ein materiell-rechtlicher Rückgewähranspruch gegen den Kunden zusteht1. In AGB-rechtlicher Hinsicht stellt das Stornorecht im Ergebnis keine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar. Zwar wird auf eine separate Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs aus § 812 BGB verzichtet, die Beweislast bleibt davon jedoch unberührt. Der Entreicherungseinwand wäre zudem ohnehin nur in der vergleichsweise kurzen Rechnungsperiode des Kontokorrents möglich.
3.398
Eine Stornierung ist auch möglich, wenn das auf der fehlerhaften Gutschrift beruhende Kontoguthaben bereits ausgezahlt worden ist. Im Übrigen kann das Stornorecht auch bei nicht ausreichendem Kontoguthaben ausgeübt werden2. Es ist daher unschädlich, dass die Stornierung in diesen Fällen einen Schuldsaldo auf dem Girokonto entstehen lässt3. Dies erklärt sich aus dem Zweck des Stornorechts, den Bereicherungsanspruch der Bank aus der fehlerhaften Gutschrift einseitig durch eine einfache Gegenbuchung im Wege einer Selbstausführung durchsetzen zu können. Das Stornorecht knüpft an das einer Gutschrift zugrunde liegende Schuldversprechen (§ 780 BGB), nicht hingegen an die einem Kontoguthaben zugrunde liegende Saldoforderung oder ein unzutreffendes Saldoanerkenntnis an.
3.399
Das Stornorecht findet keine Anwendung bei Spar- und Festgeldkonten. Denn mit der Stornobuchung soll das Schuldversprechen widerrufen werden, das der fehlerhaften Gutschrift zugrunde liegt. Solche für den Kunden anspruchsbegründenden Schuldversprechen werden nur bei Girokonten, nicht aber bei Spar- und Festgeldkonten erteilt. Denn Spareinlagen und Termingelder werden allgemein als Darlehen des Kunden an die Bank eingeordnet4. Maßgeblich für den Umfang des Rückzahlungsanspruchs des Darlehensgebers (§ 488 BGB) ist nicht die Buchung auf dem Spar- oder Termingeldkonto, sondern die Überlassung des Darlehensbetrages durch den Kunden. Die Gutschriften auf Spar- und Termingeldkonten haben deshalb anders als die Gutschriften auf Girokonten nur deklaratorische Bedeutung. Eine fehlerhafte Buchung kann die Bank somit durch eine entsprechende Gegenbuchung korrigieren.
3.400
Nach der BGH-Rechtsprechung erlischt das Stornorecht mit dem nächsten Rechnungsabschluss des kontokorrentmäßig geführten Girokontos5. Für die Ausübung des Stornorechts fehlt es sodann an einer widerrufbaren Forderung des Kunden. Denn mit dem Anerkenntnis des Saldos aus einem Rechnungsabschluss erlöschen die hiervon erfassten gegenseitigen Ansprüche durch Verrechnung. Es verbleibt somit nur der Anspruch aus dem Saldoanerkenntnis (§ 781 BGB), der als eine neue, auf einem selbständigen Verpflichtungsgrund beruhende und vom früheren Schuldgrund losgelöste Forderung an die Stelle der bisherigen Einzelforderungen tritt6. Mit dem Erlöschen der Einzelforderungen ist auch
3.401
1 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 1; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 149. 2 OLG Hamburg v. 2.8.2006 – 1 U 75/06, ZIP 2006, 1981, 1982; OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398, 2399; a.A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 452, wonach die Bank in diesem Fall auf die allgemeinen Anspruchsgrundlagen angewiesen sei. 3 OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398, 2399; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 2; Blaurock, NJW 1984, 1, 7. 4 Weidenkaff in Palandt, 77. Aufl. 2018, Vorb v § 488 BGB Rz. 23; Berger in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, vor § 488 BGB Rz. 66 f. 5 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998. 6 BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, WM 1999, 784; s. hierzu auch Schimansky in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 81.
Kropf | 259
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
die der fehlerhaften Gutschrift zugrunde liegende Forderung untergegangen, auf deren Beseitigung das Stornorecht abzielt1.
3.402
Ohne diese zeitliche Grenze für das Stornorecht könnte die Bank in eine hierdurch zwischenzeitlich begründete günstige Rechtslage des Kunden eingreifen2. Einer solchen Eingriffsbefugnis stünden im Ergebnis aus AGB-rechtlicher Sicht die Regelungen der § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 310 Abs. 1 BGB entgegen3. 2. Berichtigungsbuchung nach Rechnungsabschluss a) Abgrenzung zum Stornorecht
3.403
Stellt die Bank eine fehlerhafte Gutschrift erst nach einem Rechnungsabschluss fest, so kann sie das auf diesen Zeitpunkt befristete Stornorecht nicht mehr ausüben. Denn in diesem Fall ist die fehlerhafte Gutschrift bereits in ein Saldoanerkenntnis des Kunden eingegangen. Soweit der Bank ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zusteht, wird sie in Höhe ihres Anspruchs sein Girokonto belasten (Nr. 8 Abs. 2 AGB). Diese sog. Berichtigungsbuchungen liegen regelmäßig auch im Interesse des Kunden. Denn der jeweilige (Tages-)Saldo soll möglichst das richtige Kontoguthaben ausweisen, um auch für den Kunden eine verlässliche Dispositionsgrundlage zu bilden.
3.404
Erhebt der Kunde gegen eine solche Berichtigungsbuchung Einwendungen, wird die Bank den Betrag dem Konto wieder gutschreiben und ihren Rückzahlungsanspruch gesondert geltend machen (Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 AGB). Diese Geltendmachung erfolgt sodann außerhalb der kontokorrentmäßigen Verrechnung, erforderlichenfalls muss der Anspruch im Wege einer Bereicherungsklage geltend gemacht und bewiesen werden, dass die Gutschrift ohne Rechtsgrund erfolgt ist. b) Rechtliche Konstruktion
3.405
Buchungstechnisch unterscheiden sich Storno- und Berichtigungsbuchung nicht. Dagegen liegt in rechtlicher Hinsicht in der Berichtigungsbuchung ein Angebot der Bank auf Abschluss einer Stornierungsvereinbarung, die auf eine Herausnahme des betreffenden Postens aus dem anerkannten Saldo gerichtet ist4. Widerspricht der Kunde der Belastungsbuchung, so fehlt es an dem für den Abschluss eines Stornierungsvertrags erforderlichen Einverständnis des Kunden. Einwendung ist daher nur eine untechnische Bezeichnung; die „Einwendung“ ist als fehlendes Einverständnis des Kunden zu verstehen5. Hat die Bank die Rückgutschrift erteilt, kann der Kontoinhaber hierüber gleichwohl nicht verfügen, wenn die Bank ihrerseits im Wege der Einrede nach § 821 BGB ihren eigenen Bereicherungsanspruch entgegenhält6. 1 2 3 4
Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 13 Rz. 13. BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998. BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 4; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 159. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 4. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 4; Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 13 Rz. 19.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Anders als beim Stornorecht ist gegenüber diesem Berichtigungsanspruch der Einwand der weggefallenen Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB zulässig1. Der Kunde muss zudem nach Nr. 8 Abs. 3 AGB über die Berichtigungsbuchung unterrichtet werden und kann der Belastungsbuchung widersprechen. Daher begründet dieser Berichtigungsanspruch im Ergebnis keine unangemessene Benachteiligung des Kunden2.
3.406
3. Unterrichtungspflicht und valutagerechte Buchung Über Storno- und Berichtigungsbuchungen wird die Bank den Kunden unverzüglich unterrichten, Nr. 8 Abs. 3 Satz 1 AGB. Eine Unterrichtung in einem Kontoauszug ist hinreichend, soweit ein eindeutiger Hinweis auf den Fehler angegeben wird3. Bei einer Verletzung dieser Benachrichtigungspflicht kann sich die Bank schadensersatzpflichtig machen4.
3.407
Die Bank nimmt die Stornierungs- und Berichtigungsbuchungen hinsichtlich der Zinsberechnung rückwirkend zu dem Tag vor, an dem die fehlerhafte Buchung vorgenommen wurde, sog. valutagerechte Buchung (Nr. 8 Abs. 3 Satz 2 AGB). Hierdurch soll der Kunde wirtschaftlich so gestellt werden, als wäre die fehlerhafte Buchung nicht erfolgt und so behandelt werden, wie er bei ordnungsmäßiger Buchung stünde5. Umstritten ist, ob diese valutagerechte Stornierungs- und Berichtigungsbuchung auch angemessen ist, wenn hierdurch ein Debetsaldo entsteht6.
3.408
4. AGB-Sparkassen Nach dem Wortlaut von Nr. 8 Abs. 1 AGB-Sparkassen hat die Sparkasse das Recht zu einer Stornobuchung wegen Gutschriften, die ohne einen verpflichtenden Auftrag gebucht werden, soweit ihr ein Rückforderungsanspruch gegen den Kunden zusteht. Hiervon sind nicht ausschließlich technische Buchungsfehler erfasst7. Abweichend von den AGB-Banken wird dem Kunden nicht ausdrücklich der Bereicherungseinwand genommen8. Anstelle der Bezeichnung „Berichtigungsbuchung“ findet sich in Nr. 8 Abs. 2 AGB-Sparkassen der Begriff „Korrekturbuchung“. Die Regelungen zu einer Korrekturbuchung nach Rechnungsabschluss in Nr. 8 Abs. 2 AGB-Sparkassen stimmen inhaltlich mit den AGB-Banken überein.
3.409
Anders als Nr. 8 Abs. 3 AGB-Banken regelt Nr. 8 Abs. 3 AGB-Sparkassen keine Verpflichtung, über Storno- und Korrekturbuchungen den Kunden unverzüglich außerhalb des Kontoauszuges zu unterrichten. Vielmehr werden Storno- und Korrekturbuchungen nur im Kontoauszug gekennzeichnet. Bzgl. der Wirksamkeit dieser Regelung werden stellen-
3.410
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 13 Rz. 17. 2 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 30. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 6; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 163. 4 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 164; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 6. 5 Westermann, WM 1993, 1865, 1870. 6 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 31; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 13 Rz. 25. 7 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 39; Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 51. 8 Näher hierzu Aden, NJW 1993, 832, 835.
Kropf | 261
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
weise Zweifel vorgetragen, da fraglich sei, ob der Kunde damit sein Widerspruchsrecht gegen eine Korrekturbuchung nach Rechnungsabschluss zweifelsfrei erkenne1.
3.411–3.414 Einstweilen frei.
IX. Nr. 9 AGB-Banken: Einzugsaufträge (Kropf) 9. Einzugsaufträge (1) Erteilung von Vorbehaltsgutschriften bei der Einreichung Schreibt die Bank den Gegenwert von Schecks und Lastschriften schon vor ihrer Einlösung gut, geschieht dies unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung, und zwar auch dann, wenn diese bei der Bank selbst zahlbar sind. Reicht der Kunde andere Papiere mit dem Auftrag ein, von einem Zahlungspflichtigen einen Forderungsbetrag zu beschaffen (zum Beispiel Zinsscheine), und erteilt die Bank über den Betrag eine Gutschrift, so steht diese unter dem Vorbehalt, dass die Bank den Betrag erhält. Der Vorbehalt gilt auch dann, wenn die Schecks, Lastschriften und anderen Papiere bei der Bank selbst zahlbar sind. Werden Schecks oder Lastschriften nicht eingelöst oder erhält die Bank den Betrag aus dem Einzugsauftrag nicht, macht die Bank die Vorbehaltsgutschrift rückgängig. Dies geschieht unabhängig davon, ob in der Zwischenzeit ein Rechnungsabschluss erteilt wurde. (2) Einlösung von Lastschriften und vom Kunden ausgestellter Schecks Lastschriften sowie Schecks sind eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag – bei SEPA-Firmenlastschriften nicht spätestens am dritten Bankarbeitstag – nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. Barschecks sind bereits mit Zahlung an den Scheckvorleger eingelöst. Schecks sind auch schon dann eingelöst, wenn die Bank im Einzelfall eine Bezahltmeldung absendet. Schecks, die über die Abrechnungsstelle der Bundesbank vorgelegt werden, sind eingelöst, wenn sie nicht bis zu dem von der Bundesbank festgesetzten Zeitpunkt zurückgegeben werden. 1. Überblick
3.415
Nr. 9 AGB ist eine für den bargeldlosen Zahlungsverkehr und die Kontoführung relevante Regelung. Darin wird der Begriff der Einlösung für verschiedene Sachverhalte von Kontogutschriften und- belastungen näher geregelt. Gegenstand von Nr. 9 Abs. 1 AGB ist die Erteilung von Vorbehaltsgutschriften. Dem liegt ein Sachverhalt zugrunde, in welchem der Kunde in seiner Eigenschaft als Gläubiger und Einreicher bestimmter Inkassopapiere seiner Bank den Auftrag zu Einzug und Gutschrift des Gegenwertes erteilt. Die Bank wird dabei als Inkassobeauftragte ihres Kunden tätig.
3.416
Demgegenüber betrifft die Regelung in Nr. 9 Abs. 2 AGB die Einlösung von Schecks und Lastschriften zu Lasten des Kunden. Die Regelung ist im Jahr 2014 neu gefasst worden, indem Satz 2 a.F. entfiel und Satz 3 bis 5 a.F. zu Satz 2 bis 4 n.F. wurden. In. Satz 1 ist 1 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2018, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 32; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 39; a.A. Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 52.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
zudem mit Wirkung zum 13.1.2018 ein Einschub eingefügt worden. Anders als in Abs. 1 ist der Kunde in diesem Fall Zahlungspflichtiger und die Bank nimmt eine Belastungsbuchung in ihrer Eigenschaft als Zahlstelle vor. Beide den Abs. 1 und 2 zugrunde liegenden typischen Geschäftsbesorgungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nimmt die Bank aber zugleich wahr, wenn Gläubiger und Schuldner das Girokonto bei ihr unterhalten. Die Rechtsverhältnisse des Lastschrifteinzuges und des Scheckinkassos sind systematisch in den Rz. 4.401 ff. und Rz. 4.471 ff. dargestellt.
3.417
2. Vorbehaltsgutschriften Nr. 9 Abs. 1 AGB regelt die Erteilung von Vorbehaltsgutschriften, wenn der Kunde Schecks, Lastschriften oder andere Papiere zum Zwecke der Gutschrift einreicht. Schreibt die mit dem Einzug beauftragte Bank den Gegenwert dieser Papiere bereits vor Einlösung (regelmäßig bei Einreichung) dem Kundenkonto gut, so erfolgt dies nach Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 AGB unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung (Vorbehaltsgutschrift oder E.v.-Gutschrift). Die Gutschrift steht somit unter dem Vorbehalt, dass die Bank den verbuchten Betrag von der Zahlstelle des Zahlungspflichtigen auf dem Einzugsweg als Inkassoerlös erhält. Auch nach Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie1 sind die bisherigen E.v.Gutschriften weiterhin möglich2.
3.418
Eine E.v.-Gutschrift wird auch in den Fällen erteilt, in denen die Inkassopapiere bei der Inkassobank selbst zahlbar sind (Nr. 9 Abs. 1 Satz 3 AGB). Diese Klausel gilt gleichermaßen für das innerbetriebliche Inkasso wie auch den außerbetrieblichen Einzug unter Mitwirkung verschiedener Banken3. Dabei ist es unerheblich, ob das Inkassopapier bei einer anderen als bei der kontoführenden Filiale des Zahlungspflichtigen eingereicht wird4.
3.419
Umstritten ist, ob die Vorbehaltsgutschrift dogmatisch als eine Gutschrift unter der auflösenden Bedingung der Nichteinlösung oder unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung anzusehen ist5. Diese Einordnung kann praktische Bedeutung im Vollstreckungs- oder Insolvenzverfahren erlangen6. Die BGH-Rechtsprechung ist in der dogmatischen Einordnung der Vorbehaltsgutschrift nicht einheitlich7.
3.420
Der Hintergrund einer Vorbehaltsgutschrift wird mit Blick auf den Pflichtenkreis der Inkassobank als Inkassobeauftragte verständlich. Die Bank ist zur Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten verpflichtet (§§ 667, 675 BGB). Dieser Herausgabeanspruch entsteht aber bei einem Einzugsauftrag erst, wenn der Inkassoerlös bei der Bank eingegangen ist und sie damit buchmäßig Deckung für die zu erteilende Kontogutschrift erhalten hat. Denn erst dann hat die Bank etwas aus der Geschäftsbesorgung erlangt, das sie an ihren Kunden herauszugeben hat (§ 667 BGB). Vor Eingang des Inkassoerlöses schuldet
3.421
1 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt vom 13.11.2007, ABl. EU Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1. 2 BT-Drucks. 16/11643, 112. 3 BGH v. 13.3.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1326. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 14 Rz. 15. 5 Nobbe in FS A. Krämer, 2009, S. 497, 501. 6 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083, 1085. 7 Für eine auflösende Bedingung BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1411; Nobbe in FS A. Krämer, 2009, S. 497, 501; Nobbe, WM 2009, 1537; für eine aufschiebende Bedingung BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083, 1085.
Kropf | 263
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
die Bank den einzuziehenden Betrag weder bedingt noch betagt1. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, bei Erteilung eines Inkassoauftrages die Gutschrift unter dem Vorbehalt der Einlösung des Inkassopapiers zu erteilen. Diese Regelung ist auch angemessen i.S.v. § 307 BGB, da die Bank mehr leistet, als sie nach Auftragsrecht zu leisten verpflichtet ist2.
3.422
Die Erteilung einer Vorbehaltsgutschrift erfolgt freiwillig, der Kunde hat hierauf keinen Anspruch3. Gleichwohl entsprechen E.v.-Gutschriften der banküblichen Praxis4. Würde eine Gutschrift erst nach Einlösung der Inkassopapiere erfolgen, müsste die Bank die täglichen Zahlungseingänge daraufhin überprüfen und erforderlichenfalls bei der Zahlstelle des Schuldners rückfragen, ob eine Einlösung erfolgt ist. Dies wäre angesichts der Massenhaftigkeit der Inkassoaufträge mit einem unvertretbaren Zeit- und Kostenaufwand verbunden5. Die Banken vertrauen daher darauf, dass die Inkassopapiere regelmäßig eingelöst zu werden pflegen und erteilen im Hinblick auf diese spätere Einlösung eine vorläufige Gutschrift.
3.423
Werden Schecks oder Lastschriften nicht eingelöst oder erhält die Bank den Betrag aus dem Einzugsauftrag nicht, macht die Bank die Vorbehaltsgutschrift rückgängig (Nr. 9 Abs. 1 Satz 4 AGB). Diese Befugnis steht der Bank auch nach einem zwischenzeitlichen Rechnungsabschluss zu (Nr. 9 Abs. 1 Satz 5 AGB). Die Bank ist somit bei dieser Belastungsbuchung nicht an die zeitliche Grenze des Stornorechts bei fehlerhaften Buchungen gem. Nr. 8 Abs. 1 AGB-Banken gebunden6. Auch diese Regelung ist AGB-rechtlich unbedenklich, da der Kunde wegen des erkennbaren Vorbehaltes jederzeit mit einer Stornierung zu rechnen hat7.
3.424
Mit einer vorzeitigen Verfügung über eine E.v.-Gutschrift ist ein Kreditrisiko verbunden, wenn und soweit das Girokonto bei Bekanntwerden der Nichteinlösung kein ausreichendes Guthaben für die Rückgängigmachung der E.v.-Gutschrift gem. Nr. 9 Abs. 1 Satz 4 AGB ausweist. Umstritten ist, ob für den Fall der Nichteinlösung konkludent ein Kreditvertrag geschlossen wird. Nach herrschender Meinung kann in der Inanspruchnahme einer E.v.-Gutschrift der konkludente Abschluss eines Kreditvertrages für den Fall des Ausbleibens der Deckung erblickt werden, mit der Folge, dass die Bank einen Rückzahlungsanspruch gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB erwirbt8. Dem entspricht der Wunsch des Kunden, sofort über eine Vorbehaltsgutschrift zu verfügen. 3. Einlösung von Lastschriften und vom Kunden ausgestellter Schecks
3.425
Nr. 9 Abs. 2 AGB legt den konkreten Zeitpunkt der Einlösung von Schecks und Lastschriften fest. Die Einlösung setzt nach der BGH-Rechtsprechung die Bekundung des Ein1 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083, 1085; BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057. 2 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 40. 3 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 9 AGB-Banken Rz. 176. 4 BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970, 971. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 14 Rz. 10. 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 61 Rz. 32. 7 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 33; BGH v. 3.5.1997 – XI 135/96, BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 135/96, WM 1997, 1194, 1196 f. 8 OLG Hamm v. 28.3.1995 – 31 U 4/95, WM 1995, 1441, 1442; Nobbe in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 61 Rz. 50; Ellenberger in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 58 Rz. 13.
264 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
lösungswillens der kontoführenden Bank des Zahlungspflichtigen voraus1. Grundsätzlich wird der Einlösungswille durch eine Belastungsbuchung bekundet. Dies gilt nicht, wenn trotz einer Belastungsbuchung ein anderer Willensentschluss der Bank erkennbar ist, wie beispielsweise im Falle eines erklärten Einlösungsvorbehaltes2. Mit der Einlösung wird die Belastungsbuchung wirksam3. Diese Grundsätze bilden den Hintergrund für die Klausel in Nr. 9 Abs. 2 AGB, in welchen für verschiedene Sachverhalte der Einlösungswille der Bank erklärt wird. Dabei sind verschiedene Tatbestände einer Einlösung zu unterscheiden4: Nach der Grundregel in Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB ist der Zeitpunkt der Einlösung auf den zweiten Bankarbeitstag nach der Belastungsbuchung hinausgeschoben. Daneben werden in den Sätzen 2 bis 4 Fälle angeführt, in denen abweichend von der Zwei-Tages-Regelfrist des Satzes 1 von einem früheren Zeitpunkt der Einlösung auszugehen ist5. Es handelt sich dabei um die Einlösung bei Barschecks (Satz 2), um die im Einzelfall erfolgte Absendung einer Bezahltmeldung für einen Scheck (Satz 3) sowie um über die Abrechnungsstelle der Bundesbank vorgelegte Schecks (Satz 4). Etwaige Bedenken in AGB-rechtlicher Hinsicht bestehen nach allgemeiner Auffassung nicht6.
3.426
Nach der Grundregel in Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB liegt Lastschriften sowie Schecks eine Einlösung vor, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. Mit dieser AGB-Klausel wird nur der früheste Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Belastungsbuchung und damit der Einlösung festgelegt7. Durch einen deutlich erkennbaren individuellen Einlösungsvorbehalt kann dieser Zeitpunkt noch weiter hinausgeschoben werden8. Mit Wirkung zum 13.1.2018 ist als Einschub in Satz 1 eine Anpassung zum Einlösungszeitpunkt vorgenommen worden. Diese Ergänzung dient der Umsetzung der Verlängerung der Rückgabefrist im SEPA-Firmenlastschriftregelwerk von 2 auf 3 Tagen. Es wird dadurch die Erweiterung der Rückggaberegelung im Regelwerk des European Payments Council (EPC) nachvollzogen. Für den Fall der SEPA-Firmenlastschrift stellt die Änderung des Abs. 2 Satz 1 somit einen Gleichlauf zwischen der in den AGB-Banken beschriebenen Einlösungswirkung und der Rückgabemöglichkeiten im Interbankenverhältnis her. Im Falle einer Beibehaltung der bisherigen Regelung hätte sich der Nachteil ergeben, dass die Banken in Deutschland auf die Ausschöpfung der 3-Tagesfrist für Nichteinlösungsentscheidungen verzichten und den bisherigen Stand von 2 Tagen fortsetzen. Daraus könnten wiederum Probleme entstehen, wenn eine Zahlstelle unter Hinweis auf das SEPA-Regelwerk gleichwohl eine Lastschrift am dritten Tage wegen Nichteinlösung zurückgeben möchte und die 1. Inkassostelle unter Hinweis auf die AGB-Banken eine solche Rückgabe wegen bereits erfolgter Einlösung ablehnt. Insofern war eine Anpassung der Vorschrift geboten.
3.427
1 2 3 4 5 6 7 8
BGH v. 13.3.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1326. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 14 Rz. 31. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 14 Rz. 6, 28. S. näher bei Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 55. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 9 AGB-Banken Rz. 4. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 33. BGH v. 13.3.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1326. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 9 AGB-Banken Rz. 187.
Kropf | 265
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.428
Die bisherige in Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB vorgesehene Unterscheidung zwischen Einzugsermächtigungs- und Abbuchungsauftragslastschriften ist entfallen. Dies ist darin begründet, dass beide Verfahren mit Wirkung zum 1.2.2014 nicht mehr zur Verfügung stehen. Das Einzugsermächtigungsverfahren ist zu diesem Datum im SEPA-Basislastschriftverfahren aufgegangen, während das Abbuchungsauftragsverfahren auf das SEPA-Basislastschriftverfahren umgestellt wurde und seit dem genannten Zeitpunkt nicht mehr genutzt werden darf. Für den Zeitpunkt der Einlösung wird nunmehr zwischen SEPA-Basislastschriften und SEPA-Firmenlastschriften in der in Abs. 2 Satz 1 genannten Weise differenziert. Der Zeitpunkt der Einlösung ist von besonderer Relevanz, weil damit die Bank des Zahlers einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB gegen den Kunden erwirbt, welcher durch Belastung auf dessen Girokonto geltend macht, wobei zu beachten ist, dass die Einlösung unabhängig davon ist, ob im Valutaverhältnis der Schuldner dem Gläubiger auch tatsächlich den mit der Lastschrift eingezogenen Betrag schuldet1.
3.429
Mit der zweitägigen Frist sollen die Voraussetzungen für eine Nachdisposition geschaffen werden, da bei Einsatz zentraler Datenverarbeitungsanlagen die Ordnungsmäßigkeit technischer Belastungsbuchungen wie die Frage nach der Deckung und den Gültigkeitsvoraussetzungen des Schecks erst anschließend innerhalb der zweitägigen Frist überprüft wird2. Die endgültige Bekundung des Einlösungswillens liegt nach der AGB-Klausel in der bis zum Ablauf der Stornofrist unterbliebenen Stornierung der technischen Belastungsbuchung3. Unbeachtlich für den Einlösungswillen sind in diesem Fall Buchung und die Erteilung eines Tagesauszuges4. Die Klausel gilt aber ebenso für Fälle, in denen tatsächlich eine Prüfung vor der Belastungsbuchung im Wege einer Vordisposition erfolgt ist5.
3.430
Nr. 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AGB schaffen für Schecks jeweils einen gesonderten und vorverlegten Einlösungstatbestand. Wird ein Scheck vom Inhaber bei der bezogenen Bank zur Zahlung vorgelegt, erfolgt eine Barauszahlung. Hier liegt die Bekundung des Einlösungswillens in der Übereignung von Bargeld. Mit dieser Übereignung ist der Scheck eingelöst6. Dabei ist es unerheblich, ob das Konto des Ausstellers Deckung aufweist und ob und wann es belastet wird7. Nr. 9 Abs. 2 Satz 2 AGB, wonach Barschecks bereits mit Zahlung an den Scheckvorleger eingelöst sind, stellt deshalb nur klar, dass das Erfordernis der Belastung des Ausstellerkontos und der Ablauf der zweitägigen Stornofrist der Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB für Barauszahlungen nicht gilt.
3.431
Die Einlösung ist auch dann erfolgt, wenn die bezogene Bank im Einzelfall eine Bezahltmeldung an den Adressaten abgesandt hat (Nr. 9 Abs. 2 Satz 3 AGB). Mit dieser Absendung bekundet die bezogene Bank ihren unbedingten Einlösungswillen8. Die Bezahltmeldung führt die Einlösung schon vor ihrem Zugang beim Adressaten herbei9. Eine darüber1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, SB Lastschrift Rz. 62. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 14 Rz. 31 f. 3 BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450, 451; BGH v. 13.3.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1326. 4 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 41. 5 BGH v. 13.3.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1326. 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 60 Rz. 192; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 14 Rz. 38. 7 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1411. 8 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 9 AGB-Banken Rz. 193. 9 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 14 Rz. 40.
266 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
hinausgehende Bekundung des Einlösungswillens ist nicht erforderlich1. Insbesondere kommt es nicht auf die Belastung des Ausstellerkontos oder auf den Ablauf der zweitägigen Stornierungsfrist der Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB an2. Nr. 9 Abs. 2 Satz 4 AGB enthält eine Sonderregelung für den Zahlungsverkehr über die Abrechnungsstellen der Bundesbank. Zum 3.9.2007 haben die Spitzenverbände der Kreditinstitute und die Bundesbank ein Verfahren zum sog. Imageschützten Scheckeinzug eingeführt, welches sich dadurch auszeichnet, dass der Scheck zwar bei der ersten Inkassostell verbleibt, dass aber an seiner Stelle der Bezogenen über die Bundesbank eine Bilddatei mit dem vollständig eingescannten Scheck übermittelt wird, welches die Vorder- und Rückseite des Schecks enthalten muss3. Rechtsgrundlagen für den Zahlungsverkehr über die Abrechnungsstellen der Bundesbank sind Art. 31 Abs. 2 ScheckG, Art. 38 Abs. 3 WG i.V.m. der Verordnung über Abrechnungsstellen im Scheckverkehr vom 5.10.2005. Die Abrechnung erfolgt im Wege eines Zahlungsausgleichs durch Verrechnung der Beträge, welche die Abrechnungsteilnehmer für die an sie ausgelieferten und von ihnen eingelieferten Abrechnungspapiere schulden bzw. fordern (sog. Skontration)4. Der Ausgleich bei der Abrechnung ist als „Einlösung“ anzusehen5. Die Einlösung von Schecks steht unter der auflösenden Bedingung, dass dieser am folgenden Geschäftstag nach Maßgabe der Geschäftsbestimmungen der Abrechnungsstelle zurückgegeben wird6. Auf dieser Besonderheit weist Nr. 9 Abs. 2 Satz 4 AGB den Kunden aus Transparenzgründen hin, indem dort geregelt ist, dass Schecks, die über die Abrechnungsstelle der Bundesbank vorgelegt werden, eingelöst sind, wenn sie nicht bis zu dem von der Bundesbank festgelegten Zeitpunkt an die Abrechnungsstelle zurückgegeben werden7.
3.432
4. AGB-Sparkassen Die Regelungen in Nr. 9 AGB-Sparkassen entsprechen weitestgehend Nr. 9 AGB-Banken. Die E.v.-Gutschrift erfolgt nach Nr. 9 Abs. 1 AGB-Sparkassen ausdrücklich „unter dem Vorbehalt der Einlösung und des Eingangs des Gegenwertes“. Zudem wird für die Fälle der Nichteinlösung von Schecks und Lastschriften oder des ausbleibenden Gegenwertes aus einem Einzugspapier auf die Regelung Nr. 23 AGB-Sparkassen verwiesen, in deren Abs. 2 die Rückbelastung näher geregelt ist. Allerdings enthält Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGBSparkassen im Gegensatz zur Regelung in den AGB-Banken keinen abweichenden Einlösungszeitpunkt für SEPA-Firmenlastschriften. Einstweilen frei.
3.433
3.434–3.440
1 OLG Frankfurt v. 24.9.1985 – 5 U 240/83, WM 1986, 351. 2 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 135/96, WM 1997, 1194, 1196; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 60 Rz. 206. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 14 Rz. 41. 4 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 9 AGB-Banken Rz. 194. 5 BGH v. 28.9.1972 – II ZR 109/70, WM 1972, 2379. 6 BGH v. 26.1.1987 – II ZR 121/86, WM 1987, 400. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 14 Rz. 41.
Kropf | 267
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
X. Nr. 10 AGB-Banken: Fremdwährungsgeschäfte und Risiken bei Fremdwährungskonten (Kropf) 10. Fremdwährungsgeschäfte und Risiken bei Fremdwährungskonten (1) Auftragsausführung bei Fremdwährungskonten Fremdwährungskonten des Kunden dienen dazu, Zahlungen an den Kunden und Verfügungen des Kunden in fremder Währung bargeldlos abzuwickeln. Verfügungen über Guthaben auf Fremdwährungskonten (zum Beispiel durch Überweisungen zu Lasten des Fremdwährungsguthabens) werden unter Einschaltung von Banken im Heimatland der Währung abgewickelt, wenn sie die Bank nicht vollständig innerhalb des eigenen Hauses ausführt. (2) Gutschriften bei Fremdwährungsgeschäften mit dem Kunden Schließt die Bank mit dem Kunden ein Geschäft (zum Beispiel ein Devisentermingeschäft) ab, aus dem sie die Verschaffung eines Betrages in fremder Währung schuldet, wird sie ihre Fremdwährungsverbindlichkeit durch Gutschrift auf dem Konto des Kunden in dieser Währung erfüllen, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist. (3) Vorübergehende Beschränkung der Leistung durch die Bank Die Verpflichtung der Bank zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungsguthabens (Absatz 1) oder zur Erfüllung einer Fremdwährungsverbindlichkeit (Absatz 2) ist in dem Umfang und solange ausgesetzt, wie die Bank in der Währung, auf die das Fremdwährungsguthaben oder die Verbindlichkeit lautet, wegen politisch bedingter Maßnahmen oder Ereignisse im Lande dieser Währung nicht oder nur eingeschränkt verfügen kann. In dem Umfang und solange diese Maßnahmen oder Ereignisse andauern, ist die Bank auch nicht zu einer Erfüllung an einem anderen Ort außerhalb des Landes der Währung, in einer anderen Währung (auch nicht in Euro) oder durch Anschaffung von Bargeld verpflichtet. Die Verpflichtung der Bank zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungsguthabens ist dagegen nicht ausgesetzt, wenn sie die Bank vollständig im eigenen Haus ausführen kann. Das Recht des Kunden und der Bank, fällige gegenseitige Forderungen in derselben Währung miteinander zu verrechnen, bleibt von den vorstehenden Regelungen unberührt. (4) Wechselkurs Die Bestimmung des Wechselkurses bei Fremdwährungsgeschäften ergibt sich aus dem „Preis- und Leistungsverzeichnis“. Bei Zahlungsdiensten gilt ergänzend der Zahlungsdiensterahmenvertrag. 1. Funktion und Leistungsumfang eines Fremdwährungskontos
3.441
Wird bei einer inländischen Bank ein Fremdwährungskonto unterhalten, so erfolgen Gutschriften wie Belastungen und damit auch der Ausweis des jeweiligen Kontoguthabens in der jeweiligen ausländischen Währung. Für diese Fremdwährungskonten enthält Nr. 10 AGB Regelungen, die den wirtschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten dieser Kontoart Rechnung tragen sollen. Nr. 10 Abs. 1 AGB regelt in einer Leistungsbeschreibung den Zweck eines Fremdwährungskontos und stellt die Abwicklung von Aufträgen über das Währungskonto dar. Es dient dazu, Zahlungen an den Kunden und Verfügungen des Kunden in fremder Währung bargeldlos abzuwickeln und ermöglicht damit die Teil268 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
nahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr1. Anders als bei einem Euro-Girokonto sind jedoch Ein- und Auszahlungen nach Nr. 10 Abs. 1 Satz 1 AGB ausgeschlossen2. Damit wird die unbare Erfüllung als alleinige Erfüllungsmodalität vereinbart3. Dieser Beschränkung stehen die Regelungen des Zahlungsdiensterechts in den §§ 675c ff. BGB nicht entgegen. Auch nach Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie ins deutsche Recht ist weiterhin eine Abweichung von § 675t Abs. 2 BGB rechtlich zulässig. Diese Vorschrift regelt die Pflichten des Zahlungsdienstleisters eines Zahlungsdienstnutzers, für den ein Konto geführt wird, bei zulässigen Bareinzahlungen auf das Konto. § 675e Abs. 3 BGB ermöglicht ausdrücklich abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Zahlungsempfängers bei Bareinzahlungen, die nicht in Euro erfolgen. Diese Möglichkeit zur Abbedingung nach § 675e Abs. 3 BGB kann grundsätzlich auch durch Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen umgesetzt werden4.
3.442
Gegenüber einem Euro-Girokonto besteht bei einem inländischen Fremdwährungskonto die Besonderheit, dass die Bank gehalten ist, zur Deckung des Währungsguthabens ein entsprechendes Kontoguthaben bei einer ausländischen Bank zu führen (Nostrokonto)5. Nur ein solches ausländisches Deckungsguthaben ermöglicht die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr in der jeweiligen Währung. Mit dem Deckungsguthaben vermeidet die inländische Bank das Risiko, bei einzelnen Verfügungen des Kunden jeweils die Währung zu dem aktuell geltenden und möglicherweise schlechteren Kurs beschaffen zu müssen.
3.443
Mit Blick auf diese Verbindung von inländischem Fremdwährungskonto und im Ausland unterhaltenem Deckungsguthaben weist die AGB-Klausel darauf hin, dass Verfügungen der Bankkunden über Guthaben auf Fremdwährungskonten regelmäßig unter Einschaltung von Banken im Heimatland der Währung abgewickelt werden (Nr. 10 Abs. 1 Satz 2 AGB). Dabei handelt es sich aber nicht um die Vereinbarung einer Substitution gem. § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB oder eines weitergeleiteten Auftrags gem. Nr. 3 Abs. 2 AGB (dazu Rz. 3.306 ff.)6. Die Einschaltung von Banken im Währungs-Heimatland ist demgegenüber nicht notwendig, wenn eine vollständige Abwicklung innerhalb des eigenen Hauses, beispielsweise durch eine hausinterne Umbuchung von dem Fremdwährungskonto des Auftraggebers auf das des Empfängers, erfolgen kann7.
3.444
2. Gutschriften bei Fremdwährungsgeschäften Nach Nr. 10 Abs. 2 AGB wird die Bank ihre Fremdwährungsverbindlichkeiten gegenüber dem Kunden auch ohne besondere Weisung durch Gutschrift auf dessen Fremdwährungskonto erfüllen. Nr. 10 Abs. 2 AGB regelt damit den Pflichteninhalt der Bank8. Zu diesen Fremdwährungsverbindlichkeiten gehören insbesondere auf fremde Währung lautende 1 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 116 Rz. 1. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 1; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 202. 3 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 116 Rz. 49. 4 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 675e BGB Rz. 4. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 15 Rz. 3. 6 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 207. 7 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 3; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 207. 8 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 15 Rz. 9.
Kropf | 269
3.445
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Zahlungsansprüche des Kunden. Ebenso erfolgen solche Gutschriften, wenn der Kunde die Bank mit einem Devisenkauf beauftragt hat1. Dies ist in Nr. 10 Abs. 2 GB klargestellt. Die Regelung in Nr. 10 Abs. 2 AGB steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer hiervon abweichenden Vereinbarung.
3.446
Eine Ersetzungsbefugnis nach § 244 BGB, wonach die Zahlung einer in einer anderen Währung als Euro ausgedrückten und im Inland zahlbaren Geldschuld auch in Euro erfolgen kann, gilt für echte Währungsverbindlichkeiten nicht, vielmehr handelt es sich um eine effektive Valutaschuld2. Die Bank kann ihre Fremdwährungsschuld daher nicht wahlweise in Euro leisten. 3. Beschränkung und Aussetzung der Leistungspflicht der Bank
3.447
Mit Blick auf die Notwendigkeit von im Ausland unterhaltenen Deckungsguthaben hat die Frage der Verteilung des politisch bedingten Währungsrisikos zwischen den Parteien besondere Bedeutung. Ausländisches Deckungsguthaben ist politisch bedingten Maßnahmen oder Ereignissen im Heimatland der Währung ausgesetzt. Hierunter sind insbesondere Enteignungen, Beschlagnahme oder politisch motivierte Devisenbeschränkungen wie auch Krieg, Aufruhr, politisch bedingte Streiks oder staatliche Moratorien zu verstehen3. Diese Risiken können sich auch infolge devisen- oder währungsrechtlicher Maßnahmen von Drittstaaten realisieren4. Nicht hierunter fallen nichtpolitische Transferrisiken wie beispielsweise Diebstahl, Zerstörung oder eine selbständige Auslandsfilialinsolvenz5.
3.448
Das Risiko aus diesen Maßnahmen und Ereignissen trifft nach Nr. 10 Abs. 3 AGB für die Fremdwährungskonten den Kunden und nicht seine inländische Bank. Danach ist die Verpflichtung zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungskontos in dem Umfang und so lange ausgesetzt, wie die Bank wegen politisch bedingter Maßnahmen oder Ereignissen im Heimatland der Währung nicht oder nur eingeschränkt über das dort unterhaltene Deckungsguthaben verfügen kann6. In dem Umfang und solange diese Maßnahmen oder Ereignisse andauern, ist die Bank auch nicht zu einer Erfüllung an einem anderen Ort außerhalb des Landes der Währung in einer anderen Währung, insbesondere nicht in Euro oder durch Anschaffung von Bargeld verpflichtet (Nr. 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 AGB), weshalb die nach Nr. 10 Abs. 1 und 2 AGB bestehende Verbindlichkeit der Bank vorübergehend oder dauernd unmöglich ist (§ 275 BGB)7.
3.449
Diese Einschränkung der Leistungspflicht der Bank und die damit verbundene Risikotragung für den Kunden sind nach allgemeiner Auffassung in AGB-rechtlicher Hinsicht an1 Dabei ergibt sich die Bestimmung des Umrechnungskurses bei solchen Fremdwährungsgeschäften nach dem Abs. 4 der Nr. 10 AGB-Banken aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 4; Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 116 Rz. 87; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 208. 3 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 116 Rz. 107; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 210. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 5. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 5. 6 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 116 Rz. 108 f. 7 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 5; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 210.
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gemessen und insgesamt zulässig, zumal der Kunde das Währungsrisiko mit veranlasst hat und in Nr. 10 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 AGB Rückausnahmen geregelt sind1. Die Klausel entspricht damit der auftragsrechtlichen Risikoabgrenzung. Zudem würde der Kunde dasselbe politische Währungsrisiko tragen, unterhielte er selbst ein entsprechendes Kontoguthaben im Land der Währung. Wird die Verfügungsmöglichkeit der inländischen Bank hinsichtlich ihres ausländischen Deckungsguthabens eingeschränkt, so kann gleichwohl über das Guthaben auf dem Fremdwährungskonto unter bestimmten Voraussetzungen verfügt werden. So darf der Kunde weiterhin solche Verfügungen treffen, die die Bank vollständig im eigenen Haus ausführen kann (Nr. 10 Abs. 3 Satz 3 AGB). Es handelt sich dabei um Fälle, in denen das Kontoguthaben lediglich auf das Fremdwährungskonto eines anderen Bankkunden übertragen werden soll. Bei einem solchen hausinternen Kontoübertrag bleibt das von der Bank im Währungs-Heimatland unterhaltene Devisenguthaben völlig unberührt. Es bedarf insbesondere keiner Mitwirkung der ausländischen Bank, bei der das Deckungsguthaben unterhalten wird. Die inländische Bank hat bei dem hausinternen Kontoübertrag dem begünstigten Bankkunden lediglich eine Kontogutschrift zu erteilen und nimmt zugleich eine korrespondierende Belastungsbuchung auf dem Fremdwährungskonto ihres Auftraggebers vor (§ 670 BGB). Der Gutschriftsempfänger erlangt einen Herausgabeanspruch (§ 667 BGB), bei dessen Geltendmachung die Bank wiederum ihre AGB-mäßig beschränkte Leistungspflicht einwenden kann2.
3.450
Unberührt von den Auswirkungen der politisch bedingten Maßnahmen oder Ereignisse auf das ausländische Deckungsguthaben bleibt auch das Recht der Kunden und der Bank, fällige gegenseitige Forderungen in derselben Währung miteinander zu verrechnen (Nr. 10 Abs. 3 Satz 4 AGB). Diese AGB-Klausel betrifft die einseitige Aufrechnungsbefugnis, soweit sie dem Kunden oder der Bank zusteht. Eine solche Befugnis setzt nach dem gesetzlichen Tatbestand voraus, dass die gegenseitig geschuldeten Leistungen ihrem Gegenstand nach gleichartig sind (vgl. § 387 BGB). Geldforderungen müssen auf dieselbe Währung lauten3.
3.451
Ungleichartige Ansprüche können im Wege eines Aufrechnungsvertrages miteinander verrechnet werden. Ein solcher Vertrag ist nach allgemeiner Meinung nicht an die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer einseitigen Aufrechnung gem. § 387 BGB gebunden4.
3.452
4. Umrechnungskurs bei Fremdwährungsgeschäften Nach Nr. 10 Abs. 4 AGB ergibt sich die Bestimmung des Umrechnungskurses bei Fremdwährungsgeschäften aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank. Die Regelung erklärt sich aus dem mit Einführung des Euro zum 1.1.1999 einhergehenden Wegfall der amtlichen Feststellung der Devisenkurse und schafft für die Umrechnung eine neue vertragliche Grundlage5. Dabei werden in dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank 1 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8), Rz. 34; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 211. 2 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 116 Rz. 114. 3 Vgl. auch Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 387 BGB Rz. 9. 4 Schlüter in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 387 BGB Rz. 51. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 10 AGB-Banken Rz. 12; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 15 Rz. 4, 21.
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3.453
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
keine tagesaktuellen Kurse ausgewiesen, sondern generell ein institutsspezifischer Umrechnungsmodus für die Abrechnung der Kundengeschäfte in fremder Währung definiert, aus dem der konkrete Umrechnungskurs im Einzelfall bestimmt werden kann. Hierzu werden im Preis- und Leistungsverzeichnis üblicherweise das maßgebliche Devisen-Fixing (z.B. Haus-Fixing, Währungskurse der EZB etc.), der Abrechnungstermin sowie der Ort der Veröffentlichung der Abrechnungskurse (z.B. Internetadresse) angegeben.
3.454
Im Zuge der Neufassung der AGB-Banken im Jahr 2009 ist Nr. 10 Abs. 4 um den Satz 2 ergänzt worden, wonach bei Zahlungsdiensten ergänzend der Zahlungsdiensterahmenvertrag gilt. Gemäß § 675g Abs. 3 BGB werden Änderungen von Wechselkursen ohne vorherige Benachrichtigung wirksam, soweit dies im Zahlungsdiensterahmenvertrag vereinbart wurde und die Änderungen auf den dort vereinbarten Referenzwechselkursen beruhen. Vor diesem Hintergrund wird ergänzend auf die Regelungen des Zahlungsdiensterahmenvertrages verwiesen. Der Gesetzgeber hat von einer Unterrichtungspflicht über die Änderung von Wechselkursen abgesehen, da eine solche Pflicht die Zahlungsdienstleister mit Blick auf die in kurzen Abständen sich ändernden Wechselkurse zu stark belastet hätte1. 5. AGB-Sparkassen
3.455
In den AGB-Sparkassen sind Konten in ausländischer Währung sowie Fremdwährungsgeschäfte und deren Risiken in den Nr. 12 bis 15 geregelt. Sie entsprechen inhaltlich weitgehend Nr. 10 AGB-Banken mit der Ausnahme, dass eine Entsprechung zu Nr. 10 Abs. 2 AGB-Banken in den AGB-Sparkassen fehlt.
3.456
Nr. 12 AGB-Sparkassen beschreibt ähnlich wie Nr. 10 Abs. 1 AGB-Banken den Zweck von Konten in ausländischer Währung. Nr. 13 AGB-Sparkassen hat die Leistungsbefreiung der Sparkasse bei Geschäften in ausländischer Währung zum Gegenstand und stimmt inhaltlich mit Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken überein. Nr. 14 AGB-Sparkassen enthält die Befugnis der Sparkasse, Geldbeträge in ausländischer Währung mangels ausdrücklicher gegenteiliger Weisung des Kunden in Euro gutzuschreiben, sofern sie nicht für den Kunden ein Konto in der betreffenden Währung führt. Nr. 15 AGB-Sparkassen verweist ebenso wie Nr. 10 Abs. 4 AGB-Banken für die Bestimmung des Wechselkurses auf das Preis- und Leistungsverzeichnis2 und für Zahlungsdienste ergänzend auf den Zahlungsdiensterahmenvertrag.
3.457–3.460 Einstweilen frei.
XI. Nr. 11 AGB-Banken: Mitwirkungspflichten des Kunden (Kropf) 11. Mitwirkungspflichten des Kunden (1) Mitteilung von Änderungen Zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Geschäftsverkehrs ist es erforderlich, dass der Kunde der Bank Änderungen seines Namens und seiner Anschrift sowie das Erlöschen oder die Änderung einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht (insbesondere einer Vollmacht) unverzüglich mitteilt. Diese Mitteilungspflicht besteht auch dann, wenn die Vertretungsmacht in ein öffentliches Register (zum Beispiel in das 1 BT-Drucks. 16/11643, 104. 2 Danco, ZBB 2002, 136 f.
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Handelsregister) eingetragen ist und ihr Erlöschen oder ihre Änderung in dieses Register eingetragen wird. Darüber hinaus können sich weitergehende gesetzliche Mitteilungspflichten, insbesondere aus dem Geldwäschegesetz, ergeben. (2) Klarheit von Aufträgen Aufträge müssen ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Nicht eindeutig formulierte Aufträge können Rückfragen zur Folge haben, die zu Verzögerungen führen können. Vor allem hat der Kunde bei Aufträgen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben, insbesondere der Kontonummer und Bankleitzahl oder IBAN1 und BIC2 sowie der Währung zu achten. Änderungen, Bestätigungen oder Wiederholungen von Aufträgen müssen als solche gekennzeichnet sein. (3) Besonderer Hinweis bei Eilbedürftigkeit der Ausführung eines Auftrags Hält der Kunde bei der Ausführung eines Auftrags besondere Eile für nötig, hat er dies der Bank gesondert mitzuteilen. Bei formularmäßig erteilten Aufträgen muss dies außerhalb des Formulars erfolgen. (4) Prüfung und Einwendungen bei Mitteilungen der Bank Der Kunde hat Kontoauszüge, Wertpapierabrechnungen, Depot- und Erträgnisaufstellungen, sonstige Abrechnungen, Anzeigen über die Ausführung von Aufträgen sowie Informationen über erwartete Zahlungen und Sendungen (Avise) auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben. (5) Benachrichtigung der Bank bei Ausbleiben von Mitteilungen Falls Rechnungsabschlüsse und Depotaufstellungen dem Kunden nicht zugehen, muss er die Bank unverzüglich benachrichtigen. Die Benachrichtigungspflicht besteht auch beim Ausbleiben anderer Mitteilungen, deren Eingang der Kunde erwartet (Wertpapierabrechnungen, Kontoauszüge nach der Ausführung von Aufträgen des Kunden oder über Zahlungen, die der Kunde erwartet). 1. Bedeutung der Regelung Die Klausel enthält einige wesentliche Mitwirkungspflichten des Kunden, deren Verletzung typischerweise die Bank oder den Kunden selbst schädigen kann3. Die einzelnen Kundenpflichten sind nicht abschließend angeführt. Weitergehende Pflichten aus der Geschäftsverbindung oder aus Gesetz bleiben davon unberührt4.
3.461
Die Rechtsnatur dieser Kundenpflichten wird unterschiedlich beurteilt. Einige der Klauseln sind vertragliche Nebenpflichten des Kunden. Insoweit konkretisieren die Klauseln die allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten, wie sie der Geschäftsverbindung oder den konkreten Schuldverhältnissen entspringen können, die bei der Inanspruchnahme einer Bankdienstleistung im Rahmen der Geschäftsverbindung vertraglich begründet werden
3.462
1 International Bank Account Number (Internationale Bankkontonummer). 2 Bank Identifier Code (Bank-Identifizierungs-Code). 3 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 218. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 2.
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(dazu Rz. 3.19 ff.). Deren Nichtbeachtung kann im konkreten Einzelfall einen Schadensersatzanspruch der Bank begründen1. Soweit zugleich auch ein Pflichtverstoß der Bank vorliegt, bemisst sich die Schadensverteilung nach den Grundsätzen des Mitverschuldens.
3.463
Hiervon sind die Klauseln zu unterscheiden, die eine Obliegenheit des Kunden begründen2, aus deren Nichtbeachtung keine Schadensersatzpflicht gegenüber der Bank, sondern ein Rechtsverlust oder ein sonstiger rechtlicher Nachteil folgt3. Die Beachtung einer solchen Obliegenheit ist ein Gebot des eigenen Interesses, deren Verletzung insbesondere ein schadensminderndes Mitverschulden i.S.v. § 254 BGB darstellen kann. Entsprechendes ist in Nr. 3 Abs. 1 AGB geregelt, welche ausdrücklich auf die in Nr. 11 AGB aufgeführten Mitwirkungspflichten Bezug nimmt. Auch soweit sich die Mitwirkungspflichten der Nr. 11 AGB im konkreten Einzelfall als eine regressbewehrte Verhaltens- und Schutzpflicht oder zumindest als eine Obliegenheit des Kunden darstellen, haben diese Klauseln klarstellende Funktionen und sind insoweit deklaratorischer Natur4. 2. Mitwirkungspflichten des Kunden im Einzelnen a) Mitteilung von Änderungen
3.464
Zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Geschäftsverkehrs hat der Kunde der Bank Änderungen seines Namens und seiner Anschrift sowie das Erlöschen oder die Änderung einer gegenüber der Bank bestehenden Vertretungsbefugnis, insbesondere einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht, unverzüglich mitzuteilen. Große praktische Bedeutung hat die Mitteilung der geänderten Anschrift. Dies ist nicht nur erforderlich, damit die Bank ihre vielfältigen Mitteilungspflichten möglichst zeitnah erfüllen kann. So muss die Bank bei der Ausführung von grenzüberschreitenden Kundenaufträgen die maßgeblichen außensteuer- und außenwirtschaftlichen Bestimmungen beachten. Auch kann die Verlegung des Wohnsitzes vom Inland ins Ausland den Kunden zum Steuer- oder Devisenausländer werden lassen, was z.B. für die Inanspruchnahme eines ermäßigten Quellensteuersatzes aus einem Doppelbesteuerungsabkommen entscheidend sein kann. Ein besonderes Interesse an der Mitteilung des geänderten Wohnsitzes hat die Bank bei den Rechnungsabschlüssen für die kontokorrentmäßig geführten Girokonten. Das in dem übermittelten Abschlusssaldo liegende Vertragsangebot der Bank nimmt der Kunde durch Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen an, Nr. 7 Abs. 2 AGB (dazu Rz. 3.379). Diese rechtsgeschäftliche Bedeutung des Schweigens setzt jedoch voraus, dass der Abschlusssaldo dem Kunden an die zutreffende Anschrift übermittelt worden ist.
3.465
Im Einzelfall kann sich die Pflicht des Kunden zur unverzüglichen Mitteilung der neuen Anschrift als eine Verhaltens- und Schutzpflicht zugunsten der Bank darstellen, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch der Bank begründet5. Dies ist z.B. der Fall, wenn 1 Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 2 Rz. 90; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 218. 2 Für eine grundsätzliche Einordnung als Gläubigerobliegenheiten Casper in Derleder/Knops/ Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 58. 3 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, Einl. v. § 241 BGB Rz. 13. 4 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 218; Merkel, WM 1993, 725. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 16 Rz. 4; Merkel, WM 1993, 725, 726.
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der Bank infolge der unterlassenen Mitteilung der Anschriftsänderung die Kosten für einen nicht zustellbaren Mahnbescheid und Anfragen beim Einwohnermeldeamt entstanden sind1. b) Änderung einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht Bei der Geschäftsverbindung mit Privatkunden entspricht die in Nr. 11 Abs. 1 AGB geregelte Pflicht zur Mitteilung des Erlöschens einer gegenüber der Bank erteilten Vollmacht der gesetzlichen Regelung des § 171 Abs. 2 BGB. Eine Kundgebung der Bevollmächtigung i.S.v. § 172 Abs. 2 BGB erfolgt, wenn der Kunde einer anderen Person Kontovollmacht erteilt. Andererseits muss sich die Bank das ihr nicht mitgeteilte Erlöschen der Vollmacht entgegenhalten lassen, wenn ihr auf andere Weise der Widerruf der Vollmacht bekannt geworden oder infolge von Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist (§ 173 BGB). Trifft die Bank in diesen Fällen eine Schadensersatzverpflichtung, so ist die unterlassene Mitteilung des Kunden als Mitverschulden zu berücksichtigen2.
3.466
Bei Firmenkunden ist zu berücksichtigen, dass die Bank sich gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 HGB die handelsregisterliche Eintragung des Erlöschens der Vertretungsmacht 15 Tage nach ihrer Bekanntmachung entgegenhalten lassen muss, selbst wenn sie diese Veröffentlichung nicht kannte. Ein über Abs. 2 Satz 2 hinausgehender Vertrauensschutz gegen den Registerinhalt besteht nicht ohne weiteres, sondern ist nur aufgrund spezieller Vertrauensschutzgesichtpunkte denkbar3. Die Mitteilungspflicht des Kunden i.S.d. Nr. 11 Abs. 1 AGB soll diese gesetzliche Rechtsscheinhaftung nicht einschränken, sondern durch ein Mitverschulden gem. § 254 BGB begrenzen4. Dies ist insbesondere in den Fällen relevant, in denen die Bank den nicht mehr Vertretungsberechtigten weiter über das Firmenkonto verfügen lässt.
3.467
c) Weitergehende gesetzliche Mitteilungspflichten Am Ende von Nr. 11 Abs. 1 AGB wird der Kunde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich weitergehende gesetzliche Mitteilungspflichten, insbesondere aus dem Geldwäschegesetz, ergeben können. Nr. 11 AGB wurde um diesen Satz in der Neufassung der AGB-Banken 2009 ergänzt. Hintergrund hierfür sind die durch die Umsetzung der Dritten EUGeldwäscherichtlinie5 in 2008 neu gefassten Regelungen des Geldwäschegesetzes6. Diese Regelungen sind wiederum durch das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen vom 23.6.2017 angepasst worden. Nach den geldwäscherechtlichen Vorgaben ist der Kontoinhaber verpflichtet, sich im Laufe der Geschäftsbeziehung ergebende Änderungen der gemachten Pflichtangaben der Bank gegenüber unverzüglich anzuzeigen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 GwG).
1 2 3 4
KG v. 3.12.1984 – 12 U 1397/84, WM 1985, 714, 716. Merkel, WM 1993, 725, 726. Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 15 HGB Rz. 15. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 220; Merkel, WM 1993, 725, 726. 5 Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, ABl. EU Nr. L 309 v. 25.11.2005, S. 15. 6 BGBl. I 2008, 1690 ff.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
d) Klarheit von Aufträgen
3.469
Nach Nr. 11 Abs. 2 Satz 1 AGB müssen Aufträge ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Den Kunden trifft damit eine allgemeine Klarheitspflicht1. Sind Aufträge mehrdeutig formuliert, sind diese nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auszulegen. Durfte die Bank hiernach den Auftrag in einem bestimmten Sinne verstehen, muss der Kunde dies grundsätzlich gegen sich gelten lassen, und die Folgen gehen zu seinen Lasten2. Objektiv mehrdeutige Aufträge können an den Kunden mit einem entsprechenden Hinweis zurückgegeben oder durch eine Rückfrage bei dem Kunden geklärt werden3. Nr. 11 Abs. 2 Satz 2 AGB weist den Kunden deshalb darauf hin, dass dies zu Verzögerungen führen kann.
3.470
Das Klarheitsgebot ist eine Obliegenheit, deren Nichtbeachtung ein anrechenbares Mitverschulden begründet, wenn der Bank bei der Erledigung des unklaren Auftrages ein haftungsbegründendes Verschulden vorgeworfen werden kann4. e) Besondere Hinweise bei der Ausführung eines Auftrages
3.471
Hält der Kunde bei der Ausführung eines Auftrages besondere Eile für geboten, so hat er dies der Bank gesondert mitzuteilen. Bei formularmäßig erteilten Aufträgen muss dies außerhalb des Formulars erfolgen. Dies bedeutet nicht zwingend Schriftform5. Die Klausel erfasst nur solche Aufträge, die in kürzerer Zeit als banküblich zu erledigen sind6. Durch diese Regelung wird die Bank nicht von ihrer Pflicht entbunden, Aufträge des Kunden in der banküblichen Eile pünktlich zu besorgen7. Wünscht der Kunde jedoch eine von der im Massengeschäft banküblichen Bearbeitungszeit abweichende eiligere Auftragsausführung, die über das übliche Maß hinausgeht, muss er die Bank darauf gesondert hinweisen8. Soweit der Bank ein Verschulden vorgeworfen werden kann, ist die Unterlassung eines Hinweises auf die Eilbedürftigkeit als Mitverschulden des Kunden zu berücksichtigen9. f) Unterlassene Einwendungen
3.472
Der Kunde hat die in Nr. 11 Abs. 4 AGB näher bezeichneten Mitteilungen der Bank auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit unverzüglich zu prüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben. Anders als die unterlassene Beanstandung eines fehlerhaften Rechnungsabschlusses für Kontokorrentkonten (vgl. Nr. 7 Abs. 2 AGB) hat eine unterbliebene Kundenreklamation gegen die von Nr. 11 Abs. 4 AGB erfassten Mitteilungen der Bank keine rechtsgeschäftliche Bedeutung. In der unterlassenen Reklamation einer feh1 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 4. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 223. 3 OLG München v. 9.3.1995 – 32 U 5600/94, WM 1995, 1017, 1018; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 16 Rz. 12. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 16 Rz. 13; Merkel, WM 1993, 725, 726. 5 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 37. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 7. 7 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 48. 8 Merkel, WM 1993, 725, 726. 9 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 16 Rz. 25.
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lerhaften Mitteilung i.S.d. Nr. 11 Abs. 4 AGB liegt daher keine Genehmigung der zugrunde liegenden Auftragsausführung der Bank. So bedeutet beispielsweise das Schweigen des Kunden kein Einverständnis mit der in einem unrichtigen Tagesauszug für ein Girokonto dokumentierten weisungswidrigen Auftragsausführung der Bank1. Mit Rücksicht auf diese unterschiedlichen Rechtsfolgen ist die unterbliebene Einwendung gegen einen fehlerhaften Rechnungsabschluss in einer eigenständigen Klausel der AGB (Nr. 7 Abs. 2 AGB) geregelt2. Umstritten ist, ob die Prüf- und Reklamationspflicht eine Verhaltens- und Schutzpflicht ist, deren Nichterfüllung eine Pflichtverletzung i.S.v. § 280 Abs. 1 BGB oder nur die Verletzung einer Obliegenheit darstellt3. Für die Übersendung eines Kontoauszuges hat die Rechtsprechung erkannt, dass der Kunde auf Grund des Girovertragsverhältnisses in einem gewissen Maß zur Kontrolle der ihm in den Kontoauszügen mitgeteilten Kontobewegungen und Kontostände verpflichtet ist. Verletzt der Kunde diese Schutzpflicht, so ist er der Bank nach § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet4. Eine solche Schädigung kann insbesondere darin bestehen, dass der gutgläubige Kunde über einen gutgeschriebenen Betrag verfügt hat und er deshalb den Einwand der weggefallenen Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) geltend machen könnte.
3.473
g) Benachrichtigung der Bank bei Ausbleiben von Mitteilungen Sofern Rechnungsabschlüsse und Depotaufstellungen dem Kunden nicht zugehen, muss er die Bank unverzüglich benachrichtigen. Da diese Mitteilungen periodisch anfallen, kennt der Kunde den Zeitpunkt ihrer regelmäßigen Übermittlung und ist insoweit in einer entsprechenden Erwartungshaltung. Diese Benachrichtigungspflicht besteht auch bei einem Ausbleiben anderer Mitteilungen, deren Eingang der Kunde erwartet, beispielsweise weil der Kunde selbst Kontoumsätze veranlasst hat.
3.474
Mit dieser AGB-Klausel wird dem Kunden keine unbegrenzte Kontrollpflicht auferlegt, da die Benachrichtigungspflicht nach dem Wortlaut der Klausel auf solche Mitteilungen beschränkt ist, die der Kunde erwartet. Allgemein kann von dem Bankkunden nicht erwartet werden, dass er jeden einzelnen Buchungsvorgang rechnerisch konrolliert und schon das Ausbleiben eines einzelnen oder einzelner Kontoauszüge bemerkt oder beanstandet. Dagegen ist ihm zuzumuten, einem auffälligen Ausbleiben von Kontoauszügen Bedeutung beizumessen und sich sodann bei der Bank insoweit nach den Gründen zu erkundigen5.
3.475
1 BGH v. 24.3.1985 – II ZR 277/84, WM 1985, 905, 906; OLG Hamm v. 14.3.1986 – 20 U 290/85, WM 1986, 704, 706; OLG München v. 9.3.1995 – 32 U 5600/94, WM 1995, 1017, 1018. Dasselbe gilt für das Schweigen auf einen fehlerhaften Rechnungsabschluss, der materiell nicht gerechtfertigte Buchungen enthält, s. BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273, 2274; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 78. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 231. 3 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 38. 4 OLG Brandenburg v. 14.5.2007 – 3 W 19/07, WM 2007, 2150, 2151; BGH v. 20.11.1990 – XI ZR 107/89, WM 1991, 57, 60; OLG Hamm v. 14.3.1986 – 20 U 290/85, WM 1986, 704, 707. 5 OLG Düsseldorf v. 13.7.1987 – 6 U 327/86, WM 1987, 1215, 1217; vgl. weiter BGH v. 25.1.1985 – III ZR 138/84, WM 1985, 511.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.476
Die Regelung dieser Mitwirkungspflicht des Kunden wird allgemein als wirksam angesehen, weil sie sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) und der allgemeinen Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 BGB) ableiten lässt1. Die Verletzung der Benachrichtigungspflicht kann eine Schadensersatzpflicht nach § 280 Abs. 1 BGB begründen2. In der Bankpraxis wird die Pflichtverletzung des Kunden infolge Verschuldens der Bank häufig nur als Mitverschulden anrechenbar sein. 3. AGB-Sparkassen
3.477
In den AGB-Sparkassen sind die Mitwirkungspflichten des Kunden insbesondere in Nr. 20 geregelt. Dabei werden die Pflichten im Einzelnen in dem nicht abschließenden Katalog der Nr. 20 Abs. 1 lit. a bis h AGB-Sparkassen aufgeführt. Die vormals in Abweichung von Nr. 11 Abs. 1 AGB-Banken in Nr. 20 Abs. 1 lit. a AGB-Sparkassen enthaltene Bestimmung, wonach der Kunde gehalten war, eine Änderungsmitteilung in schriftlicher Form oder auf elektronischem Kommunikationsweg, soweit dieser vereinbart wurde, vorzunehmen, ist inzwischen gestrichen worden. Nr. 20 Abs. 1 lit. c AGB-Sparkassen enthält eine den AGB-Banken fremde Sorgfaltspflicht des Kunden, wonach der Kunde bei telefonischen oder auf anderen technischen Wegen erteilten Aufträgen oder Weisungen dafür zu sorgen hat, das sich keine Übermittlungsfehler, Missverständnisse, Missbräuche oder Irrtümer ergeben. Die damit verbundene Risikoabwälzung für auch aus der Sphäre der Sparkasse herrührende Mängel wird stellenweise als rechtlich angreifbar beurteilt3. Die Klausel in Nr. 20 Abs. 1 lit. d AGB-Sparkassen, welche eine Verpflichtung zur Verwendung von Vordrucken bei bestimmten Geschäften vorsah, ist mit Wirkung zum 15.4. 2016 ersatzlos gestrichen worden. Hintergrund ist, dass die aufgezählten Fälle hauptsächlich den Zahlungsverkehr betrafen, für welchen anerkannt ist, dass die Verwendung von Vordrucken formularmäßig vereinbart werden darf und im Übrigen die einschlägigen Sonderbedingungen ohnehin entsprechende Klauseln vorsehen4.
3.478
Abweichend von Nr. 11 Abs. 1 AGB-Banken gelten der Sparkasse einmal bekannt gegebene Vertretungs- oder Verfügungsbefugnisse nach Nr. 4 Abs. 1 AGB-Sparkassen solange, bis der Sparkasse eine Mitteilung über das Erlöschen oder eine Änderung schriftlich oder, soweit vereinbart, auf elektronischem Kommunikationsweg zugeht, es sei denn, der Sparkasse sind die Änderungen bekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt. Dies gilt ausdrücklich auch, wenn die Befugnisse in einem öffentlichen Register eingetragen sind und eine Änderung veröffentlicht ist.
3.479
In Nr. 20 Abs. 2 AGB-Sparkassen ist die Haftung des Kunden wegen der schuldhaften Verletzung seiner Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten unter Berücksichtigung der Grundsätze des Mitverschuldens gem. § 254 BGB geregelt.
3.480–3.484 Einstweilen frei.
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 16 Rz. 31; Merkel, WM 1993, 725, 727. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 10; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 11 AGB-Banken Rz. 234. 3 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Besondere Klauseln, Vertragstypen und AGB-Werke (8) Rz. 40. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 16 Rz. 37.
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XII. Nr. 12 AGB-Banken: Zinsen, Entgelte und Auslagen (Kropf) 12. Zinsen, Entgelte und Auslagen (1) Zinsen und Entgelte im Geschäft mit Verbrauchern Die Höhe der Zinsen und Entgelte für die üblichen Bankleistungen, die die Bank gegenüber Verbrauchern erbringt, einschließlich der Höhe von Zahlungen, die über die für die Hauptleistung vereinbarten Entgelte hinausgehen, ergeben sich aus dem „Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft“ und ergänzend aus dem „Preis- und Leistungsverzeichnis“. Wenn ein Verbraucher eine dort aufgeführte Hauptleistung in Anspruch nimmt und dabei keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, gelten die zu diesem Zeitpunkt im Preisaushang oder Preis- und Leistungsverzeichnis angegebenen Zinsen und Entgelte. Eine Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers gerichtet, kann die Bank mit dem Verbraucher nur ausdrücklich treffen, auch wenn sie im Preisaushang oder im Preis- und Leistungsverzeichnis ausgeweisen ist. Für die Vergütung der nicht im Preisaushang oder im Preis- und Leistungsverzeichnis aufgeführten Leistungen, die im Auftrag des Verbrauchers erbracht werden und die, nach den Umständen zu urteilen, nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind, gelten, soweit keine andere Vereinbarung getroffen wurde, die gesetzlichen Vorschriften. (2) Zinsen und Entgelte im Geschäft mit Kunden, die keine Verbraucher sind Die Höhe der Zinsen und Entgelt für die üblichen Bankleistungen, die die Bank gegenüber Kunden, die keine Verbraucher sind, ergeben sich aus dem „Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft“ und aus dem „Preis- und Leistungsverzeichnis“, soweit der Preisaushang und das Preis- und Leistungsverzeichnis übliche Bankleistungen, die keine Verbraucher sind (zum Beispiel Geschäftskunden), ausweisen. Wenn ein Kunde, der kein Verbraucher ist, eine dort aufgeführte Bankleistung in Anspruch nimmt und dabei keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, gelten die zu diesem Zeitpunkt im Preisaushang oder im Preis- und Leistungsverzeichnis angegebenen Zinsen und Entgelte. Im Übrigen bestimmt die Bank, sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde und gesetzliche Bestimmungen dem nicht entgegenstehen, die Höhe von Zinsen und Entgelten nach billigem Ermessen (§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches). (3) Nicht entgeltfähige Leistung Für eine Leistung, zu deren Erbringung die Bank kraft Gesetzes oder auf Grund einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist oder die sie im eigenen Interesse wahrnimmt, wird die Bank kein Entgelt berechnen, es sei denn, es ist gesetzlich zulässig und wird nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung erhoben. (4) Änderung von Zinsen; Kündigungsrecht des Kunden bei Erhöhung Die Änderung der Zinsen bei Krediten mit einem veränderlichen Zinssatz erfolgt auf Grund der jeweiligen Kreditvereinbarungen mit dem Kunden. Die Bank wird dem Kunden Änderungen von Zinsen mitteilen. Bei einer Erhöhung kann der Kunde, sofern nichts anderes vereinbart ist, die davon betroffene Kreditvereinbarung innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntgabe der Änderung mit sofortiger Wirkung künKropf | 279
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digen. Kündigt der Kunde, so werden die erhöhten Zinsen für die gekündigte Kreditvereinbarung nicht zugrunde gelegt. Die Bank wird zur Abwicklung eine angemessene Frist einräumen. (5) Änderung von Entgelten bei typischerweise dauerhaft in Anspruch genommenen Leistungen Änderungen von Entgelten für Bankleistungen, die von Kunden im Rahmen der Geschäftsverbindung typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden (zum Beispiel Konto- und Depotführung), werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Hat der Kunde mit der Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung einen elektronischen Kommunikationsweg vereinbart (zum Beispiel das Online-Banking), können die Änderungen auch auf diesem Wege angeboten werden. Der Kunde kann den Änderungen vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens entweder zustimmen oder sie ablehnen. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen. Werden dem Kunden die Änderungen angeboten, kann er den von der Änderung betroffenen Vertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen auch fristlos und kostenfrei kündigen. Auf dieses Kündigungsrecht wird ihn die Bank in ihrem Angebot hinweisen. Kündigt der Kunde, wird das geänderte Entgelt für die gekündigte Geschäftsbeziehung nicht zugrunde gelegt. Die vorstehende Vereinbarung gilt gegenüber Verbrauchern nur dann, wenn die Bank Entgelte für Hauptleistungen ändern will, die vom Verbraucher im Rahmen der Geschäftsverbindung typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden. Eine Vereinbarung über die Änderung eines Entgelts, das auf eine über die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers gerichtet ist, kann die Bank mit dem Verbraucher nur ausdrücklich vereinbaren. (6) Ersatz von Aufwendungen Ein möglicher Anspruch der Bank auf Ersatz von Aufwendungen richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften. (7) Besonderheiten bei Verbraucherdarlehensverträgen und Zahlungsdiensteverträgen mit Verbrauchern für Zahlungen Bei Verbraucherdarlehensverträgen und Zahlungsdiensteverträgen mit Verbrauchern für Zahlungen richten sich die Zinsen und die Kosten (Entgelte, Auslagen) nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen und Sonderbedingungen sowie ergänzend nach den gesetzlichen Vorschriften. Die Änderung von Entgelten von Zahlungsdiensterahmenverträgen (z.B. Girovertrag) richtet sich nach Absatz 5. 1. Regelungsgegenstände
3.485
Nr. 12 AGB regelt die Belastung des Kunden mit Zinsen, Entgelten und Aufwendungen. Entgelt ist die in einem Vertrag vereinbarte Gegenleistung für eine vertragliche Leistung1. Als Preis wird diese Gegenleistung in Geld ausgedrückt2. Zinsen sind das nach Laufzeit 1 Roller, BKR 2008, 221, 222. 2 Nobbe, WM 2008, 185, 186.
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bemessene, gewinn- und umsatzunabhängige Entgelt für die zeitweise Überlassung von Kapital1. Aufwendungen sind Vermögensopfer des Beauftragten, die dieser zum Zweck der Ausführung des Auftrags aus sich nimmt, wobei dies aus eigenem Antrieb oder auf Weisung des Auftraggebers der Fall sein kann oder weil sie sich als notwendige Folge der Ausführung des Auftrags ergeben. Sie müssen überdies nachweisbar für den konkreten Einzelfall entstanden sein2. Nr. 12 AGB unterscheidet systematisch zwischen dem Geschäft mit Verbrauchern und Geschäften mit Kunden, die keine Verbraucher sind. Weiterhin erfolgt eine Unterscheidung zwischen Einmalleistungen und Dauerleistungen der Bank. Diese Unterscheidungen haben auch Bedeutung für Änderungen von Zinsen und Entgelten im Laufe einer Geschäftsbeziehung. Im Einzelnen haben die Abs. 1 bis 3 die Erhebung von Zinsen und Entgelten im Geschäft mit und ohne Verbraucher und die Abs. 4 und 5 die Änderung von Zinsen und Entgelten zum Gegenstand. Abs. 6 regelt einen Auslagenersatz der Bank. Abs. 7 enthält Sonderregelungen für Verbraucherdarlehensverträge und Zahlungsdiensteverträge mit Verbrauchern. Aufgrund gesetzlicher Änderung im Verbraucherrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH sind die Abs. 1, 2, 5, 6 und 7 von Nr. 12 AGB in den zurückliegenden Jahren umfassend modifiziert bzw. angepasst worden.
3.486
2. Zinsen und Entgelte im Geschäft mit und ohne Verbraucher a) Zinsen und Entgelte im Geschäft mit Verbrauchern Die mit Wirkung zum 15.7.2014 neu gefasste Regelung in Nr. 12 Abs. 1 und 2 AGB knüpft als Differenzierungskriterium nicht mehr (wie bisher) an eine Differenzierung zwischen „(1) Zinsen und Entgelten im Privatkundengeschäft“ und „(2) Zinsen und Entgelten außerhalb des Privatkundengeschäfts“ an, sondern differenziert zukünftig – gemäß den gesetzlichen Maßgaben in §§ 13, 312a Abs. 3 BGB – zwischen „(1) Zinsen und Entgelten im Geschäft mit Verbrauchern“ und „(2) Zinsen und Entgelten im Geschäft mit Kunden, die keine Verbraucher sind“. Nr. 12 Abs. 1 AGB enthält eine originäre Preisvereinbarung3. Danach ergeben sich, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung, die Höhe der Zinsen und Entgelte für die im Geschäft mit Verbrauchern üblichen Kredite und Leistungen aus dem Preisaushang der Bank sowie ergänzend aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis. Maßgeblich ist nach Satz 2 die Fassung des jeweiligen Preisverzeichnisses im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits oder der Bankleistung.
3.487
Hintergrund für den Ausweis der Entgelte in bestimmten Preisverzeichnissen ist das Preisangabenrecht, wonach der Anbieter von Leistungen ein Preisverzeichnis mit den Preisen für seine wesentlichen Leistungen aufzustellen hat, § 5 Abs. 1 PAngV. Dieses ist im Geschäftslokal und, sofern vorhanden, zusätzlich im Schaufenster oder Schaukasten anzubringen. Dies erfordert einen Aushang4. Für Kredite sind zudem die besonderen Regelungen des § 6 PAngV zu beachten. Die Bank erfüllt diese Preisangabepflicht mit dem in Nr. 12 Abs. 1 Satz 1 AGB angeführten „Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft“.
3.488
1 2 3 4
Berger in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 488 BGB Rz. 154. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 17 Rz. 71. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 12 AGB-Banken Rz. 1. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 5 PAngV Rz. 3.
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3.489
Nr. 12 Abs. 1 AGB gilt nur im Geschäft mit Verbrauchern. Der Begriff des Verbrauchers entspricht demjenigen in § 13 BGB. Hierunter ist jede natürliche Person zu fassen, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
3.490
Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis sind selbst Allgemeine Geschäftsbedingungen1. Für deren Geltung ist daher deren wirksame Einbeziehung in das Vertragsverhältnis mit dem Kunden erforderlich, § 305 Abs. 2 BGB (dazu Rz. 3.118 ff.). Gegenstand der Einbeziehungsvereinbarung sind somit Nr. 12 Abs. 1 AGB sowie die in Satz 1 ausdrücklich angeführten Preisverzeichnisse. Ein Verweis in AGB auf weitere Bedingungswerke ist grundsätzlich zulässig2 (sog. gestaffelte Klauselwerke, dazu Rz. 3.129). Nr. 12 Abs. 1 Satz 2 AGB stellt klar, dass mit dem Kunden getroffene Individualabreden vorgehen (§ 305b BGB).
3.491
Neu eingefügt worden ist mit Wirkung zum 15.7.2014 auch die Regelung in Nr. 12 Abs. 1 Satz 3 AGB. Sie trägt der durch das am 13.3.2014 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnraumvermittlung neu eingeführten gesetzlichen Vorgabe des § 312a Abs. 3 BGB Rechnung. Satz 3 übernimmt dessen Wortlaut, wodurch gewährleistet werden soll, dass die in § 312a Abs. 3 BGB enthaltene gesetzliche Differenzierung zwischen „Hauptleistungen“ und „einer über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehenden Zahlung des Verbrauchers“ gesetzeskonform abgebildet wird. Dies hat zur Konsequenz, dass ein im Preis- und Leistungsverzeichnis einer Bank enthaltenes Entgelt, welches unter die genannte gesetzliche Regelung fällt, von der Bank mit dem Kunden ergänzend ausdrücklich vereinbart werden muss, ungeachtet der Tatsache, dass es im Preisaushang bzw. Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank ausgewiesen ist. Kommt eine solche „ausdrückliche Vereinbarung“ nicht zustande, ergibt sich gem. § 312a Abs. 6 BGB die Rechtsfolge, dass der Vertrag zwar im Übrigen wirksam bleibt, der Bank allerdings kein Entgeltanspruch für die in Rede stehende, unter § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB fallende Leistung zusteht. Es erscheint allerdings zumindest zweifelhaft, ob und inwieweit Satz 3 in der Bankpraxis ein bedeutender Anwendungsbereich zukommt. Dies ist sowohl der Entstehungsgeschichte der zugrunde liegenden Vorschrift des § 312a Abs. 3 BGB als auch spezialgesetzlichen Vorschriften im Bankgeschäftsverkehr mit Verbrauchern geschuldet3. Aufgrund bereits existierender Spezialnormen im Verbraucherdarlehensrecht (vgl. § 492 BGB, Art. 247 § 6 i.V.m. § 3 Nr. 10 EGBGB) zur ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung von sämtlichen Kosten, insbesondere auch in Bezug auf Zusatzverträge, wird in diesem Bereich die allgemeine Verbrauchervorschrift des § 312a Abs. 3 BGB verdrängt, da ohne ausdrückliche Vereinbarung in schriftlicher Form im Rahmen von Verbraucherdarlehensverträgen kein Entgelt vom Kreditinstitut gegenüber einem Verbraucher erhoben werden kann. Entsprechendes gilt im Zahlungsdiensterecht aufgrund der auch nach Ansicht des Gesetzgebers vorrangigen Regelung des § 675g Abs. 2 BGB4. Bedeutung zukommen könnte der neuen Regelung des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB in der Praxis gegebenenfalls im Bereich der Wertpapiergeschäfte. Jedoch verbleibt es auch dort bei der Schwierigkeit einen konkreten Anwendungsbereich für die Regelung zu finden. Diese Problematik ergibt sich im Bereich der Finanzdienstleis1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 12 AGB-Banken Rz. 241. 2 Cahn, WM 2010, 1197, 1198. 3 Vgl. Kropf, BKR 2014, 309. 4 BT-Drucks. 17/12637, 53.
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tungen, für welche die § 312a Abs. 3 BGB zugrunde liegende Vorschrift der europäischen Verbraucherrechterichtlinie1 eingeführt worden ist, daraus, dass die Konstellationen in der Praxis in der Regel anders gelagert sein werden, als es die Norm des § 312a Abs. 3 BGB zum Ausdruck bringt. Will beispielsweise der Kunde eine zusätzliche Bankleistung, neben der vertragstypisch geschuldeten Hauptleistung in Anspruch nehmen, so erfolgt dies auf seine eigene Veranlassung durch entsprechende Beauftragung der Bank, so dass der Kunde infolgedessen die Entgeltpflicht eigenständig auslöst, ohne dass es zu einer überraschenden Zahlungspflicht durch einen „untergeschobenen“ Vertragsbestandteil kommt2. Es wird sich somit erst in der Praxis herausstellen müssen, ob für die mit der Regelung erfassten Konstellationen tatsächlich ein Anwendungsbereich besteht. Für eine in den vorgenannten Verzeichnissen nicht angeführte Leistung der Bank, die im Auftrag des Verbrauchers erbracht wird, gelten nach Nr. 12 Abs. 1 Satz 4 AGB die gesetzlichen Vorschriften, soweit keine anderweitige Regelung mit dem Kunden vereinbart ist. Satz 4 ist ebenfalls mit Wirkung zum 15.7.2014 neu gefasst worden. Unverändert kommt Satz 4 die Funktion einer Auffangregelung für die Fälle einer fehlenden anderweitigen Absprache mit dem Kunden zu. Sie bringt zum Ausdruck, dass der Preisaushang bzw. das Preis- und Leistungsverzeichnis keinen abschließenden Regelungscharakter haben und für eine Entgelterhebung bezüglich von dort nicht aufgeführten Leistungen soweit keine andere Vereinbarung getroffen worden sind, die gesetzlichen Vorschriften gelten. Ihr kommt insbesondere für Fälle eine Bedeutung zu, in denen die Leistung der Bank für eine Aufnahme in den Preisaushang oder das Preis- und Leistungsverzeichnis nicht geeignet ist, weil sie sich einer Typisierung entzieht oder ein Entgelt wegen des ungewissen Arbeitsaufwands seitens der Bank nicht im Voraus berechnet werden kann3. Die Regelung in Nr. 12 Abs. 1 Satz 4 AGB führt insoweit die bisher in Nr. 12 Abs. 1 Satz 3 AGB enthaltene Regelung fort. Tatbestandlich ist neben einem Auftrag des Verbrauchers erforderlich, dass die Erbringung der Leistung, nach den Umständen zu urteilen, nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften erhalten neben den Regelungen zum Verbraucherdarlehensrecht und dem Zahlungsdiensterecht insbesondere § 612 BGB wie auch die im HGB geregelten Preisbestimmungsrechte des § 354 HGB Bedeutung. Ein gesetzlicher Vergütungsanspruch der Bank entsteht nicht nur bei Dienstleistungen im Sinne des Dienstvertrages (§ 612 BGB), sondern bei jeder berechtigten und für das Bankgeschäft typischen Geschäftsbesorgung. Dieser Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB kann sowohl eine dienst- wie auch eine werkvertragliche Vertragsbeziehung zugrunde liegen4. Danach ist jede fremdnützige, im Interesse eines Anderen liegende Tätigkeit vergütungspflichtig, soweit sie dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Kunden entspricht. Im Übrigen bringt die Vorschrift des § 354 HGB zum Ausdruck, dass bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung der Bank als Kaufmann seitens des Kunden die übliche Vergütung zu zahlen ist. Der Kunde hat mit einer Entgeltforderung zu rechnen. Für die Anwendbarkeit des § 354 HGB ist es gem. 1 Art. 22 der europäischen Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates sowie zur Aufhe-bung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. 2 Kropf, BKR 2014, 309. 3 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 12 AGB-Banken Rz. 243. 4 Heermann in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 675 BGB Rz. 2 ff.
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§ 345 HGB unerheblich, ob auch der andere Teil, der die Vergütung leisten soll, Kaufmann ist1. Die Regelung des § 354 HGB kann bei der AGB-Kontrolle als gesetzliches Leitbild dienen2. b) Zinsen und Entgelte im Geschäft mit Kunden, die keine Verbraucher sind
3.493
Nr. 12 Abs. 2 AGB ist, wie die zuvor erläuterten Regelungen in Abs. 1, mit Wirkung zum 15.7.2014 neu gefasst worden. Dies betrifft zum einen die Anpassung der Überschrift als auch die Einfügung der Sätze 1 und 2 in Ergänzung zur bisherigen Regelung, die nunmehr im neuen Satz 3 verankert ist. Der Anwendungsbereich des Abs. 2 ist negativ formuliert, indem die Regelung Zinsen und Entgelte im Geschäft mit Kunden erfasst, die keine Verbraucher sind. Mit anderen Worten erfasst Abs. 2 Geschäfts- und Unternehmenskunden, wozu alle Kaufleute i.S.v. §§ 1–6 HGB, aber auch die Angehörigen der Freien Berufe zählen.
3.494
Satz 1 bringt zum Ausdruck, dass der Preisaushang bzw. das Preis- und Leistungsverzeichnis – dies gilt auch im Bereich der Kunden, die nicht Verbraucher sind – lediglich der Ort sind, an dem die „üblichen“ Leistungen ausgewiesen werden. Der Preisaushang bzw. das Preis- und Leistungsverzeichnis haben folglich für den Geschäftsbereich ohne Beteiligung von Verbrauchern auf der Kundenseite keinen abschließenden Regelungscharakter. Für die Bepreisung von dort nicht aufgeführten Leistungen gelten vielmehr ergänzend, soweit zwischen Bank und Kunde keine andere Vereinbarung getroffen wurde, die gesetzlichen Vorschriften. Handelt es sich um eine dort aufgeführte Leistung und haben die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen, gelten die zu diesem Zeitpunkt im Preisaushang oder Preis- und Leistungsverzeichnis angegebenen Zinsen und Entgelte (Nr. 12 Abs. 2 Satz 2 AGB). Außerhalb des Geschäfts mit Verbrauchern ist die Bank im Übrigen generell befugt, die Höhe der Zinsen und der Entgelte nach ihrem billigen Ermessen gem. § 315 BGB festzusetzen, wenn hierüber keine Vereinbarungen mit dem Kunden getroffen worden sind und gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen (Nr. 12 Abs. 2 Satz 3 AGB) Auch wenn es tatbestandlich nicht ausdrücklich genannt ist, bedarf es eines Tätigwerdens der Bank im Auftrag des Kunden bzw. einer Tätigkeit, die dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen entspricht. Im Zusammenhang mit der Festsetzung des Entgelts schuldet die Bank eine Abrechnung, in welcher gegenüber dem Kunden die Leistungen und Entgelte im Einzelnen angeführt und näher bestimmt werden3.
3.495
Bei der Festsetzung des Entgelts ist die Bank der Billigkeitskontrolle unterworfen, § 315 Abs. 3 BGB. Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank haben hinsichtlich der Billigkeitskontrolle indizielle Bedeutung4. Durch die Bindung der Bank an den Maßstab der Billigkeit wird letztlich eine etwaige unangemessene Benachteiligung des Kunden vermieden, weshalb die Regelung der Nr. 12 Abs. 2 Satz 3 AGB in AGB-rechtlicher Hinsicht keinen Bedenken begegnet5. Ob eine bankseitige Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, ist am Maßstab der von der Rechtsprechung zu § 315 BGB entwickelten Kriterien zu prüfen. 1 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 23/06, WM 2007, 703, 707; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2018, § 354 HGB Rz. 5; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, § 354 HGB Rz. 2. 2 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 23/06, WM 2007, 703, 707 f.; Cahn, WM 2010, 1197, 1202; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2018, § 354 HGB Rz. 3. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 12 AGB-Banken Rz. 5. 4 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 54. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 17 Rz. 21.
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c) Nicht entgeltfähige Leistungen Nach Nr. 12 Abs. 3 AGB wird die Bank kein Entgelt berechnen für eine Leistung, zu deren Erbringung sie kraft Gesetzes oder auf Grund einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist. Selbiges gilt für Leistungen, die die Bank im eigenen Interesse wahrnimmt. Anderes gilt nur, wenn eine Entgelterhebung gesetzlich zulässig ist und die Bepreisung nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung erfolgt (Nr. 12 Abs. 3 letzter Halbs. AGB). Dieser einschränkende Halbsatz macht deutlich, dass Abs. 3 einer im Gesetz ausnahmsweise zugelassenen Vergütung für die Erfüllung einer Nebenpflicht, wie insbesondere in bestimmten Fällen im Zahlungsdiensterecht (dazu Rz. 4.207 ff.), nicht entgegensteht.
3.496
Nr. 12 Abs. 3 AGB wurde zum 1.11.2009 neu eingefügt. In der Sache handelt es sich hierbei um eine rein vorsorgliche Klarstellung, welche insbesondere mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH1 zur Frage der Zulässigkeit von Entgelten in den AGB-Text aufgenommen wurde. Die Regelung gilt sowohl für das Privatkunden- wie auch für das Unternehmenskundengeschäft.
3.497
3. Änderung von Zinsen und Entgelten a) Allgemeine Grundsätze Für die Gestaltung langfristiger Leistungsbeziehungen ist ein Preisanpassungsmechanismus ein unverzichtbares Instrument2. Dies gilt auch für Verträge mit Banken, die eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung mit ihren Kunden darstellen. Von der Rechtsprechung wird anerkannt, dass Preisanpassungs- oder -änderungsklauseln dazu geeignet sind, das Gleichgewicht von Preis und Leistung bei langfristigen Verträgen zu wahren3. Denn ein Preisanpassungsrecht bewahrt den Verwender vor Einbußen, indem etwaige Kostensteigerungen zum Zwecke der Gewinnerhaltung an den Kunden weitergegeben werden können, und den Kunden davor, dass der Verwender eine etwaige spätere Kostenerhöhung bereits bei Vertragsschluss einkalkuliert4. So haben die Banken ein berechtigtes Interesse, bei langfristigen Verträgen einen veränderlichen Preis oder Zins zu vereinbaren und beispielsweise ihre Kreditzinssätze den veränderlichen Gegebenheiten des Kapitalmarktes auch bei bestehenden Verträgen anzupassen5.
3.498
Gleichwohl unterliegen auch Preisänderungs- sowie Zinsänderungsvorbehalte der AGBrechtlichen Inhaltskontrolle6. Eine Preisanpassungsklausel darf es der Bank nicht ermöglichen, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den ursprünglich vereinbarten Preis ohne Begrenzung zu erhöhen und auf diese Weise einen zusätzlichen Gewinn
3.499
1 Insbesondere BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077; allgemein zu der Rechtsprechung des BGH zu Bankentgelten näher Rz. 3.746 ff. 2 Borges, DB 2006, 1199. 3 BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 326/08, WM 2010, 1037, 1043; BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, 1080; BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, WM 2007, 2202, 2204. 4 BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 326/08, WM 2010, 1038, 1043; BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044, 1048. 5 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, 1080; BGH v. 4.12.1990 – XI ZR 340/89, WM 1991, 179, 181. 6 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, 1079; BGH v. 21.9.2005 – VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, 2336 ff.; Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 586.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
zu erzielen1. Ebenso ist eine Preisanpassungsklausel wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden unwirksam, welche die Bank nur berechtigt, Kostensteigerungen an den Kunden weiterzureichen, ohne gleichzeitig verpflichtet zu sein, bei sinkenden eigenen Kosten den Preis für den Kunden ohne Ermessen entsprechend herabzusetzen2. Denn dadurch könnte die Bank das ursprünglich vereinbarte vertragliche Äquivalenzverhältnis zu ihren Gunsten einseitig verändern. Eine Preisanpassungsklausel muss aber das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahren3. Demzufolge muss das Recht des Klauselverwenders zu einer Preisanpassung mit einer Pflicht zu einer Preissenkung zugunsten des Kunden einher gehen4.
3.500
Diese Maßstäbe gelten nach der Rechtsprechung auch für ein einseitiges Zinsanpassungsrecht der Bank, da dieses nur eine spezielle Ausprägung des Preisanpassungsrechts darstellt5. Für die Zinsanpassung gelten keine anderen Kriterien als für die Preisanpassung anderer Anbieter von Leistungen, wie z.B. bei Kauf- und Werkverträgen, weshalb fortan Zinsanpassungsklauseln und sonstige Preisänderungsklauseln den gleichen Voraussetzungen unterstehen. So sind insbesondere hinsichtlich der Transparenz besondere Anforderungen zu beachten, deren Wahrung sicherstellen soll, dass für den Kunden die mögliche künftige Preisentwicklung vorhersehbar und kalkulierbar ist. Zu diesem Zweck müssen Preisanpassungsklauseln eine öffentlich zugängliche Referenzgröße, feste Prüfungsintervalle sowie ggf. eine feste Anpassungsmarge regeln6. Im Ergebnis gilt es, in der Preisanpassungsklausel einen Anpassungsmodus festzuschreiben, der eine einseitige Möglichkeit der Einflussnahme verhindert, für den Kunden transparent ist und die Interessen beider Vertragsparteien gleichberechtigt berücksichtigt7. b) Änderung von Zinsen bei Krediten
3.501
Gemäß Nr. 12 Abs. 4 AGB erfolgt eine Änderung des Zinses bei Krediten mit einem veränderlichen Zinssatz auf Grund der jeweiligen Kreditvereinbarung mit dem Kunden. Die Voraussetzungen und Modalitäten einer Zinsanpassung müssen somit andernorts nach den vorgenannten Grundsätzen geregelt sein. Nr. 12 Abs. 4 AGB selbst enthält keine Zinsanpassungsregelung8. Die Bank muss eine Änderung des Zinssatzes dem Kunden mittei1 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, 1080 zu Nr. 17 Abs. 2 Satz 1 AGB-Sparkassen a.F., wonach mangels anderweitiger Vereinbarung Entgelte im Privat- und Geschäftskundenbereich unter Berücksichtigung der Marktlage und des Aufwandes nach gem. § 315 BGB nachprüfbarem Ermessen festgelegt und geändert werden; s. auch BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044, 1049; BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 326/08, WM 2010, 1038, 1043. 2 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, 1080; s. auch BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, WM 2010, 228, 230 sowie BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, WM 2010, 481, 483. 3 BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, WM 2010, 228, 230; BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465, 1467; BGH v. 19.11.2008 – VIII ZR 138/07, WM 2009, 134, 138; BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933, 936; BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044, 1048. 4 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, WM 2010, 481, 483; von Westphalen, BB 2009, 1440. 5 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, 1080 f. unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; der BGH hatte unbeschränkte Zinsanpassungsklauseln im Kreditgeschäft einschränkend ausgelegt und im Ergebnis nicht beanstandet, BGH v. 3.3.1986 – III ZR 195/84, WM 1986, 580. 6 J. Wittig/Hertel, jurisPR-BKR 8/2009, Anm. 1, C.; vgl. auch BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933, 935 f. für eine Zinsänderungsklausel in einem langfristigen Sparvertrag. 7 Kessel/Schwedler, BB 2010, 585, 590. 8 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 12 AGB-Banken Rz. 9; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 12 AGB-Banken Rz. 249.
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len, Nr. 12 Abs. 4 Satz 2 AGB. Eine Mitteilungspflicht der Bank besteht hingegen nicht bei Änderungen der Angaben im Preisaushang sowie Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank. Im Falle einer Erhöhung des Kreditzinssatzes steht dem Kunden, vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen, ein Kündigungsrecht zu, wonach der Kunde den Kreditvertrag innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe der Änderung mit sofortiger Wirkung zu kündigen berechtigt ist1, Nr. 12 Abs. 4 Satz 3 AGB. Nimmt der Kunde dieses Kündigungsrecht wahr, dürfen die erhöhten Zinsen für die gekündigte Kreditvereinbarung nicht zugrunde gelegt werden. Für die Abwicklung des kundenseitig gekündigten Vertragsverhältnisses räumt die Bank eine angemessene Frist ein, um damit auf die berechtigten Interessen des Kunden Rücksicht zu nehmen.
3.502
Die Änderung von anderen Entgelten ist in Nr. 12 Abs. 5 AGB gesondert geregelt. Das Kündigungsrecht nach Nr. 12 Abs. 4 AGB ist keine Einschränkung der gesetzlichen Vorschriften (§ 489 BGB), sondern als deren Ergänzung zu verstehen.
3.503
c) Änderung von Entgelten im Übrigen Für die Änderung von Entgelten, welche nicht Kreditzinsen betreffen, ist danach zu unterscheiden, ob hiervon eine Einmalleistung der Bank oder eine typischerweise dauerhaft in Anspruch genommene Leistung der Bank betroffen ist. Einmalleistungen der Bank sind solche Geschäftsvorfälle, die Gegenstand eines einzelnen Auftrags an die Bank und in sich abgeschlossen sind2. Das Entgelt für standardisierte Einmalleistungen ergibt sich aus dem Preisaushang sowie dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank. Demgegenüber liegen Dauerleistungen typischerweise Dauerschuldverhältnisse zugrunde, welche die Bank, wie beispielsweise bei der Konto- oder Depotführung, zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet. Auch für Dauerleistungen gelten die in Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank ausgewiesenen Entgelte.
3.504
Daneben wird in Nr. 12 Abs. 5 AGB mit dem Kunden ein Änderungsmodus für die Entgelte von Dauerleistungen vereinbart. Danach werden Änderungen dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Ist mit der Bank ein elektronischer Kommunikationsweg vereinbart, kann das Änderungsangebot der Bank auch auf diesem Wege erfolgen. Die Rechtswirkungen hängen von der Reaktion des Kunden ab. Wie in Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken ist als neuer Satz 3 die Klarstellung eingefügt worden, dass der Kunde der Änderung vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens entweder zustimmen oder sie ablehnen kann. Zeigt der Kunde seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung an, gilt dies nach Nr. 12 Abs. 5 Satz 4 AGB als Zustimmung. Das Widerspruchsrecht des Kunden endet somit nicht zwingend mit Ablauf der Zwei-MonatsFrist, sondern mit Ende des Tages, der dem Wirksamwerden der Änderung vorangeht. Der hier in Anlehnung an § 675g Abs. 2 BGB vereinbarte Änderungsmodus entspricht dem in Nr. 1 Abs. 2 AGB geregelten Verfahren zur Änderung von AGB und ist rechtlich
3.505
1 Vgl. auch BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, WM 2010, 481, 483 sowie BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, WM 2010, 228, 231, wonach ein angemessener Ausgleich der mit einer Preisänderungsklausel verbundenen Nachteile durch ein Kündigungsrecht voraussetzt, dass der Kunde vorab über die berechtigte Preiserhöhung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 17 Rz. 17.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
zulässig (dazu Rz. 3.208 ff.). § 675g Abs. 2 BGB beansprucht zwar unmittelbar für die Änderung von Zahlungsdiensterahmenverträgen Geltung. Es ist jedoch anerkannt, dass der in § 675g Abs. 2 BGB geregelte Änderungsmechanismus darüber hinaus auf Entgeltvereinbarungen Anwendung findet1. Auch der Gesetzgeber hat die Vorschrift als besondere sektorale Regelung für die Vereinbarung von Entgelten qualifiziert2. Durch den tatbestandlich vorgesehenen Mechanismus wird ein Interessenausgleich zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstenutzer geschaffen, dem ein Leitbildcharakter für Änderungen von Entgeltvereinbarungen beigemessen werden kann. Es ist daher konsequent, dieses gesesetzliche Leitbild auch auf Entgelte für andere dauerhaft erbrachte Dienstleistungen der Bank anzuwenden, die nicht Bestandteil eines Zahlungsdiensterahmenvertrags sind bzw. nicht den Vorschriften der §§ 675c ff. BGB unterliegen. Entgegen teilweise in der Bankpraxis von Verbraucherverbänden vorgetragenen Bedenken, bestehen daher keine rechtlichen Einwände gegen die AGB-rechtliche Zulässigkeit von Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken. Aufgrund des § 675g Abs. 2 BGB innewohnenden gesetzlichen Leitbilds, welches – wie erläutert – auch in der AGB-Regelung Niederschlag gefunden hat, fehlt es bereits an einer Abweichung von dem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, die Voraussetzung einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders gem. § 307 BGB ist.
3.506
Die Möglichkeit der Bank zur Änderung ist, wie bei der Änderung von Zinsen nach Nr. 12 Abs. 4 AGB, mit einem Kündigungsrecht des Kunden verbunden. So steht im Falle eines Änderungsangebotes dem Kunden ein auf den von der Änderung betroffenen Vertrag bezogenes fristloses und kostenfreies Kündigungsrecht zu. Übt der Kunde dieses Kündigungsrecht aus, wird das geänderte Entgelt für die gekündigte Geschäftsbeziehung nicht zugrunde gelegt (Nr. 12 Abs. 5 Satz 8 AGB).
3.507
In den Sätzen 9 und 10 sind mit Wirkung zum 15.7.2014 (vgl. Rz. 3.491) inhaltliche Ergänzungen für Verbraucher eingefügt worden. Diese Ergänzungen sind ausweislich des Wortlauts der Regelung für Entgelte bei typischerweise dauerhaft in Anspruch genommenen Leistungen aufgenommen worden und sollen die in den Anwendungsbereich des § 312a Abs. 3 BGB fallenden Konstellationen erfassen bzw. einen etwaigen Verstoß gegen diese Vorschrift verhindern. Auch hier ist jedoch anzunehmen, dass es sich um eine Regelung mit einem geringen Anwendungsbereich handeln dürfte (vgl. Rz. 3.491). In der Bankpraxis wird es sich bei Entgelten für typischerweise dauerhaft in Anspruch genommene Leistungen i.S.d. Nr. 12 Abs. 5 AGB in aller Regel um Entgelte für „Hauptleistungen“ handeln (z.B. die Entgelte für die Konto- und Depotführung). Eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers, wie sie der Tatbestand des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB verlangt, dürfte in der Form einer typischerweise dauerhaft in Anspruch genommenen Leistung i.S.d. Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken in der Praxis kaum vorkommen. Die Regelung entspricht im Übrigen derjenigen in Abs. 1 Satz 3. 4. Ersatz von Auslagen
3.508
Die Pflicht des Kunden zum Ersatz von Auslagen ist in Nr. 12 Abs. 6 AGB geregelt. Die Regelung ist im Anschluss an die Entscheidung des BGH vom 8.5.20123 als rein deklaratorische Regelung ausgestaltet worden. Die Klausel war bis zu dieser Entscheidung des 1 Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 675g BGB Rz. 1. 2 BT-Drucks. 17/12637, 53. 3 BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 437/11, WM 2012, 1344.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
XI. Zivilsenats sowohl von der höchstrichterlichen Rechtsprechung1 als auch von der Literatur2 als mit AGB-Recht vereinbar und damit als wirksam angesehen worden, da die Regelung den Kunden nur mit Kosten belaste, die er ohnehin nach den gesetzlichen Vorschriften zu tragen habe. Entgegen der Rechtsprechung des III. Zivilsenats aus dem Jahr 1988 hielt der XI. Zivilsenat die bisherige Klausel zum Auslagenersatzanspruch der Bank wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für unzulässig, weil die Regelung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen unvereinbar sei. Bei Nr. 12 Abs. 6 AGB-Banken a.F. handele es sich nach der (nunmehrigen) Ansicht des BGH nicht um eine rein deklaratorische Regelung zur Konkretisierung des § 670 BGB, sondern um eine Nebenabrede, die gem. § 307 Abs. 3 BGB von Rechtsvorschriften abweicht. Der erste Klauselbestandteil, welcher eine allgemeine Auslagenersatzklausel für Auslagen enthielt, welche anfallen, wenn die Bank im Auftrag des Kunden oder in seinem mutmaßlichen Interesse tätig wird (insbesondere für Ferngespräche, Porti), hielt der BGH für unzulässig, weil nicht darauf abgestellt werde, ob die entstandenen Auslagen nach dem gesetzlichen Maßstab des § 670 BGB erstattungsfähig sind. Eine Bank habe einen Anspruch auf Auslagenersatz, wenn ihr dieser aufgrund eines Auftrags gem. §§ 662 ff. BGB oder einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677, 683 BGB zugewiesen ist, wobei jeweils für den Aufwendungsersatz die Vorschrift des § 670 BGB maßgeblich ist, wonach der Beauftragte nur für solche Aufwendungen Ersatz verlangen kann, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf.
3.509
Der zweite Klauselbestandteil wiederum, welcher einen Auslagenersatz speziell für die Bestellung, Verwaltung, Freigabe oder Verwertung von Sicherheiten enthielt, wurde vom BGH für unzulässig erklärt, da es der Bank entgegen § 670 BGB ermöglicht werde, dem Kunden Auslagen für Tätigkeiten in Rechnung zu stellen, die sie vorwiegend im eigenen Interesse vornehme. So fehle es bei der Bestellung, Verwaltung und Verwertung von Sicherheiten an einer vom Darlehensnehmer beauftragten Geschäftsbesorgung durch die Bank sowie an einem für den Kunden erbrachten Vermögensopfer. Schließlich urteilte der BGH, dass eine Auslagenerstattung durch den Kunden für die Bestellung, Freigabe oder Verwertung von Sicherheiten nur in Betracht komme, wenn und soweit ein Kostenersatz für den jeweiligen Gläubiger – außerhalb der Regelung des § 670 BGB – gesetzlich vorgesehen ist. Die Geschäftsbanken haben daraus die Konsequenzen gezogen und die Auslagenersatzklausel der AGB auf einen Verweis auf den Aufwendungsersatz nach den gesetzlichen Vorschriften beschränkt.
3.510
5. Besonderheiten bei Verbraucherdarlehensverträgen und Zahlungsdiensteverträgen Nr. 12 Abs. 7 AGB ist erstmals in der AGB-Neufassung 2009 aufgenommen worden. Mit Wirkung zum 13.1.2018 ist Abs. 7 neu gefasst worden. Die die bisherige in der Entgeltregelung enthaltene Differenzierung betreffend Zahlungen innerhalb Deutschlands und in andere EWR-Staaten wurde aufgrund der Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereichs des Zahlungsdiensterechts auf bestimmte Drittstaatensachverhalte im Zuge dessen gestrichen. Zweck der Regelung ist es, Verbraucherdarlehensverträge und Zahlungsdiensteverträge mit Verbrauchern für Zahlungen vom Anwendungsbereich des Nr. 12 auszunehmen. Es erfolgt insoweit eine Klarstellung, dasssich die betreffenden Zinsen und 1 BGH v. 10.11.1988 – III ZR 215/87, WM 1989, 129 in Bezug auf die „Vorgängerregelung“ in Nr. 22 Abs. 2 AGB-Banken. 2 Vgl. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 17 Rz. 63.
Kropf | 289
3.511
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Kosten (Entgelte und Auslagen) nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen und Sonderbedingungen sowie ergänzend nach den gesetzlichen Vorschriften richten.
3.512
Als gesetzliche Entgeltregelungen im vorgenannten Sinne kommen für das Zahlungsdiensterecht im Zusammenhang mit der Erfüllung gesetzlicher Nebenpflichten für die Belastung des Kunden mit einem Entgelt folgende Rechtsnormen in Betracht. Nach § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB ist eine Vereinbarung über Entgelte für die berechtigte Ablehnung der Ausführung eines Zahlungsauftrages zulässig. Gleiches gilt gem. § 675p Abs. 4 Satz 3 BGB für die Bearbeitung eines Widerrufs eines Zahlungsauftrags nach Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist sowie gem. § 675y Abs. 5 Satz 5 BGB für die Leistungen des Zahlungsdienstleister im Rahmen der Wiederbeschaffung eines Zahlungsbetrages gem. den Sätzen 2–4 nach einer fehlerhaften Ausführung wegen einer vom Zahlungsdienstnutzer fehlerhaft angegebenen Kundenkennung. Diese drei Entgelttatbestände sind Ausnahmen von dem in § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB normierten Grundsatz, dass der Zahlungsdienstleister für die Erfüllung seiner gesetzlichen Nebenpflichten im Zusammenhang mit einem Zahlungsdienstevertrag von dem Zahlungsdienstnutzer ein Entgelt nicht beanspruchen darf. Voraussetzung für einen Anspruch der Bank ist neben der gesetzlichen Zulässigkeit stets eine Entgeltvereinbarung zwischen den Parteien, welche auch als AGB erfolgen kann1. Das vereinbarte Entgelt muss nach § 675f Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.
3.513
Speziell für die Bepreisung von Informationspflichten gilt § 675d Abs. 3 BGB, wonach Entgeltvereinbarungen zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer im Zusammenhang mit der Erteilung der gesetzlich vorgeschriebenen Unterrichtung des Zahlungsdienstnutzers2 zulässig sind, wenn der Kunde die betreffenden Informationen häufiger, in größerem Umfang oder in anderer Form als gesetzlich vorgesehen gesondert verlangt3. Auch in diesem Fall muss das Entgelt angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein (§ 675d Abs. 3 Satz 2 BGB).
3.514
Für die Änderung von Entgelten ist als Satz 2 ebenfalls mit Wirkung zum 13.1.2018 eine Ergänzung für Zahlungsdiensterahmenverträge eingefügt worden. Sie verfolgt den Zweck, die Abs. 5 und 7 in Nr. 12 klarer voneinander abzugrenzen. Ändert die Bank z.B. Entgelte für die Kontoführung, ist Nr. 12 Abs. 5 AGB maßgeblich; werden hingegen seitens der Bank Entgelte für einzelne Transaktionen geändert, ist über Nr. 12 Abs. 7 AGB die jeweilige Entgeltanpassungsklausel in den Sonderbedingungen relevant. 6. AGB-Sparkassen
3.515
Nr. 17 AGB-Sparkassen entspricht weitgehend Nr. 12 AGB-Banken. Die Regelung betreffend Aufwendungen ist in einer eigenen Klausel in Nr. 18 AGB-Sparkassen enthalten und wurde, wie die Regelung in den AGB-Banken, aufgrund der BGH-Rechtsprechung vom 8.5.2012 ebenfalls als rein deklaratorische Vorschrift ausgestaltet. Bezüglich des Privatkundengeschäfts unterscheidet Nr. 17 AGB-Sparkassen sprachlich zwischen dem Geschäftsverkehr mit Verbrauchern und außerhalb des Geschäftsverkehrs mit Verbrauchern. Außerhalb des Geschäftsverkehrs mit Verbrauchern bestimmen sich die Zinsen 1 Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 675f BGB Rz. 22. 2 Informationspflichten bei der Erbringung von Zahlungsdienstleistungen nach Art. 248 §§ 1 bis 16 EGBGB. 3 BT-Drucks. 16/11643, 100.
290 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
und Entgelte für in Anspruch genommene Kredite und Leistungen nach der getroffenen Vereinbarung, ergänzend nach dem jeweils aktuellen Preis- und Leistungsverzeichnis, Nr. 17 Abs. 2 AGB-Sparkassen. In einem eigenem Absatz regelt Nr. 17 Abs. 3 AGB-Sparkassen ohne Anknüpfung an die Verbraucher-Eigenschaft, dass für Leistungen ohne eine Entgeltvereinbarung oder ohne einen Ausweis in den Preisverzeichnissen, die im Auftrag des Kunden oder in dessen mutmaßlichem Interesse erbracht werden und die, nach den Umständen zu urteilen, nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind, die Sparkasse ein nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen angemessenen Entgelt verlangen kann (vgl. Nr. 12 Abs. 1 Satz 3 AGB-Banken für das Privatkundengeschäft). Die Besonderheiten bei Verbraucherdarlehensverträgen und bei Zahlungsdienstverträgen mit Verbrauchern sind jeweils in einem eigenen Absatz (Nr. 17 Abs. 7 und 8 AGBSparkassen) geregelt. Ebenso wie in Nr. 12 Abs. 7 AGB-Banken ist in der Regelung für Zahlungsdienstverträge mit Verbrauchern in Nr. 17 Abs. 8 AGB-Sparkassen keine ausdrückliche Einschränkung auf den Europäischen Wirtschaftsraum sowie EWR-Währungen enthalten. Für die Änderung von Entgelten bei Zahlungsdienstverträgen mit Verbrauchern wird vorbehaltlich bestehender vertraglicher Vereinbarungen und besonderer Bedingungen auf den Änderungsmodus des Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen verwiesen, der weitestgehend Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken entspricht. Mit Wirkung zum 13.6.2014 ist Abs. 6 modifiziert worden. Hintergrund war das nationale Umsetzungsgesetz zur europäischen Verbraucherrechterichtlinie und der im Zuge dessen erfolgten Einführung des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB. Aufgrund dieser Vorschrift ist der Änderungsmechanismus in Nr. 17 Abs. 6 AGBSparkassen vorsorglich auf zwei Konstellationen beschränkt worden. Erfasst werden demnach nur noch Änderungen von Entgelten für Hauptleistungen, die von der Regelung des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB nicht erfasst sind sowie Änderungen von Entgelten im Rahmen von Zahlungsdiensterahmenverträgen, für welche in § 675g BGB eine § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB vorgehende Spezialregelung besteht.
3.516
3.517–3.520
Einstweilen frei.
XIII. Nr. 13 AGB-Banken: Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (Merz/Federlin) 13. Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (1) Anspruch der Bank auf Bestellung von Sicherheiten Die Bank kann für alle Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung die Bestellung bankmäßiger Sicherheiten verlangen, und zwar auch dann, wenn die Ansprüche bedingt sind (zum Beispiel Aufwendungsersatzanspruch wegen der Inanspruchnahme aus einer für den Kunden übernommenen Bürgschaft). Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank übernommen (zum Beispiel als Bürge), so besteht für die Bank ein Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten im Hinblick auf die aus der Haftungsübernahme folgende Schuld jedoch erst ab ihrer Fälligkeit. (2) Veränderung des Risikos Hat die Bank bei der Entstehung von Ansprüchen gegen den Kunden zunächst ganz oder teilweise davon abgesehen, die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten zu verlangen, kann sie auch später noch eine Besicherung fordern. Voraussetzung hierfür Kropf/Merz/Federlin | 291
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ist jedoch, dass Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine erhöhte Risikobewertung der Ansprüche gegen den Kunden rechtfertigen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn – sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nachteilig verändert haben oder sich zu verändern drohen, oder – sich die vorhandenen Sicherheiten wertmäßig verschlechtert haben oder zu verschlechtern drohen. Der Besicherungsanspruch der Bank besteht nicht, wenn ausdrücklich vereinbart ist, dass der Kunde keine oder ausschließlich im Einzelnen benannte Sicherheiten zu bestellen hat. Bei Verbraucherdarlehensverträgen besteht der Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nur, soweit die Sicherheiten im Kreditvertrag angegeben sind. Übersteigt der Nettodarlehensbetrag 75.000 Euro, besteht der Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung auch dann, wenn in einem vor dem 21. März 2016 abgeschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag oder in einem ab dem 21. März 2016 abgeschlossenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne von § 491 Abs. 2 BGB keine oder keine abschließenden Angaben über Sicherheiten enthalten sind. (3) Fristsetzung für die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten Für die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten wird die Bank eine angemessene Frist einräumen. Beabsichtigt die Bank, von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung nach Nr. 19 Absatz 3 dieser Geschäftsbedingungen Gebrauch zu machen, falls der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nicht fristgerecht nachkommt, wird sie ihn zuvor hierauf hinweisen.
3.521
Die Kreditinstitute haben grundsätzlich ein berechtigtes Interesse, sich vor der Nichterfüllung ihrer berechtigten Forderungen aus dem Bankgeschäft zu schützen1. Damit ist auch die AGB-mäßige Verankerung eines Besicherungsanspruchs grundsätzlich gerechtfertigt. Während der originäre Besicherungsanspruch („Bestellung von Sicherheiten“) gem. Nr. 13 Abs. 1 AGB-Banken ohne besonderen Anlass geltend gemacht werden kann, ist nach Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken der Nachbesicherungsanspruch („Verstärkung von Sicherheiten“) von einem erhöhten Risiko abhängig, um Bedenken aus der Sicht der Angemessenheitskontrolle (§ 307 BGB) von vornherein auszuschließen2. 1. Originärer Besicherungsanspruch
3.522
Die Bestellung von Sicherheiten kann nur für Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung verlangt werden3 – in diesem Sinne ist auch Nr. 13 Abs. 1 Satz 1 1 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 39/83, WM 1983, 1406 = NJW 1984, 728; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 265; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 1; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/356; Fandrich in von Westphalen, Bankenund Sparkassen-AGB, Rz. 67; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Teil 2, (8) Banken, Rz. 57; Krings, ZBB 1992, 326, 330; Merkel, WM 1993, 725, 729. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 2; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 261. 3 BGH v. 17.12.1980 – VIII ZR 307/79, NJW 1981, 756; BGH v. 8.5.1987 – V ZR 89/86, BGHZ 101, 29, 34; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13
292 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
AGB-Banken gefasst. Ansprüche, die der Bank nur zufällig und ohne inneren Zusammenhang mit dem Geschäftsverkehr erwachsen sind, werden von der Sicherungsklausel nicht erfasst. Dies gilt insbesondere für deliktische Ansprüche ohne Bezug zur Geschäftsverbindung1. Die Sicherheitenbestellung kann auch für bedingte Forderungen verlangt werden. Die Besicherungsklausel erwähnt ausdrücklich den auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) wegen der Inanspruchnahme aus einer für den Kunden übernommenen Bürgschaft.
3.523
Im Unterschied zu früheren Fassungen werden die befristeten Forderungen (vgl. § 163 BGB) nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Sie haben nur geringe praktische Bedeutung und fallen zudem unter die in der Sicherungsklausel enthaltene allgemeine Formulierung der „Ansprüche“ der Bank2. Nicht erfasst sind dagegen künftige Ansprüche der Bank. Hier ist das Sicherungsinteresse noch zu unbestimmt3.
3.524
Der Anspruch der Bank auf Bestellung von Sicherheiten ist an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft. Dieser Anspruch besteht ohne weiteres, ohne dass es also eines besonderen Anlasses bedarf (vgl. hierzu auch Rz. 8.6 ff.). Hierin unterscheidet sich der originäre Besicherungsanspruch von dem Nachbesicherungsanspruch gem. Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken (vgl. hierzu Rz. 3.529 ff.). Der originäre Besicherungsanspruch besteht sofort und ist grundsätzlich unabhängig von den tatsächlichen Vermögensverhältnissen bzw. der wirtschaftlichen Situation des Darlehensnehmers. Das Recht der Bank, Sicherheiten zu verlangen, findet seine Grenze allerdings stets im Sicherungsinteresse – die Geltendmachung des Anspruchs darf nicht zu einer Übersicherung führen (vgl. hierzu auch Rz. 8.35 ff.)4.
3.525
1
2
3
4
AGB-Banken Rz. 266; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/366; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 5; Fandrich in von Westphalen, Bankenund Sparkassen-AGB, Rz. 67; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Teil 2, (8) Banken, Rz. 57; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, Nr. 13 AGB-Banken Rz. B 61. Vgl. BGH v. 8.5.1987 – V ZR 89/86, BGHZ 101, 29 ff. = NJW 1987, 2228, 2229 = WM 1987, 802; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGBBanken Rz. 266; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 5; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/366; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Teil 2, (8) Banken, Rz. 57. Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 266; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 5; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 265. Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 266; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 5; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/366a; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 265. Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/362b; Hopt in Baumbach/ Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 3; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 10; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 265.
Merz/Federlin | 293
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
a) Erfordernis einer bankmäßigen Sicherheit
3.526
Die vom Kunden zu bestellende Sicherheit muss „bankmäßig“ sein (Nr. 13 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken). Es darf sich also nicht um eine im Bankgeschäft ganz unübliche oder gar um eine für die Bank ungeeignete Sicherheit handeln1. Diesbezüglich mag es im Laufe der Zeit durchaus zu Veränderungen in der Bewertung der „Bankmäßigkeit“ einer Sicherheit kommen. Sofern eine Aufbewahrung durch die Bank nach der Natur der Sicherheit erforderlich ist, muss dies Platz sparend und kostengünstig möglich sein. Im Übrigen kommen für eine bankmäßige Besicherung regelmäßig nur leicht und zeitnah verwertbare Vermögenswerte in Betracht („geldnahe Sicherheiten“)2 – auch für die regulatorische Anerkennungsfähigkeit der Besicherung als Kreditrisikominderungstechnik ist dies eine entsprechende Voraussetzung (vgl. Art. 194 Abs. 3 lit. b) VO (EU) Nr. 575/2013 [CRR] und die allgemeinen Ausführungen hierzu unter Rz. 8.2 ff.). Für eine bankmäßige Sicherheitsleistung grundsätzlich ungeeignet sind deshalb nicht-marktgängige oder verderbliche Waren sowie (Geld-)Forderungen gegen Dritte, deren Durchsetzbarkeit infolge eines Abtretungsverbots, einer Aufrechnungslage oder bestehender Einwendungsmöglichkeiten oder auch aufgrund tatsächlicher Hinderungsgründe zweifelhaft ist. Die Bestellung anderer als bankmäßiger Sicherheiten, auf die die Bank weder einen Anspruch hat noch verpflichtet ist, diese anzunehmen, bleibt allerdings durch Individualvereinbarung möglich3. b) Konkretisierung durch den Bankkunden
3.527
Die Sicherungsklausel gewährt der Bank nach allgemeiner Meinung keinen Anspruch auf Bestellung einer bestimmten Sicherheit, sondern nur einen Anspruch auf bankmäßige Sicherheiten überhaupt4. Der Kunde hat also die freie Wahl zwischen mehreren in Betracht kommenenden geeigneten Sicherungsmitteln5. Hierbei handelt es sich nicht um eine Wahlschuld im engeren Wortsinne (§ 262 BGB), sondern um eine Konkretisierung im Sinne der die Sicherheitsleistung regelnden §§ 232 ff. BGB6. 1 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 268; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 8; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 266; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/368; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, AGB-Recht, Nr. 13 AGB-Banken Rz. B 61. 2 BGH v. 5.10.1989 – III ZR 34/88, NJW 1990, 1356; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 3; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/368; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 8. 3 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 268; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 9; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67. 4 BGH v. 18.12.1980 – III ZR 157/78, NJW 1981, 1363; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 14; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 3; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 273. 5 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 273; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 15; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/363; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 5; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 15; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/363.
294 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
c) Keine Überprüfungs- und Aufklärungspflichten der Bank Die Bank ist gegenüber dem Kreditnehmer nicht verpflichtet, die Werthaltigkeit einer ihr bestellten Sicherheit zu prüfen. Auch soweit sie eine solche Prüfung bei einer von einem Dritten bestellten Sicherheit vornimmt, erfolgt diese ausschließlich im eigenen und generell nicht im Kundeninteresse1. Weiterhin besteht auch keine Pflicht der Bank, den Sicherungsgeber ungefragt über den Umfang des Risikos oder die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu unterrichten2. Aufklärungspflichten werden praktisch nur bei fahrlässiger Verursachung von Fehlvorstellungen beim Kunden relevant3.
3.528
2. Nachbesicherungsanspruch Hat die Bank bei der Entstehung von Ansprüchen gegen den Kunden zunächst ganz oder teilweise davon abgesehen, die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten zu verlangen, kann sie auch später noch eine Besicherung fordern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Umstände (neu) eintreten oder (der Bank) bekannt werden, die eine erhöhte Risikobewertung der Ansprüche gegen den Kunden rechtfertigen (Nr. 13 Abs. 2 Satz 2 AGBBanken). Die Bank hat aber (auch in dieser Konstellation) keinen Anspruch auf eine konkrete Sicherheit, sondern lediglich einen Anspruch auf eine bankmäßige Sicherheit, das heißt, die Auswahl der Sicherheit liegt beim Kunden4. Deshalb handelt es sich nach h.M. um eine inkongruente Deckung5. Anstelle die Verstärkung von Sicherheiten durch die Bestellung von neuen Sicherheiten zu verlangen, kann die Bank indes auch vorhandene Sicherheiten, etwa ein auf Grundlage des Nr. 14 AGB-Banken bestelltes Pfandrecht (vgl. hierzu Rz. 3.546 ff.) durch Kontensperre aktivieren6.
3.529
Im Unterschied zum originären Besicherungsanspruch erfordert der Nachsicherungsanspruch also einen besonderen Anlass, der an objektivierte Voraussetzungen geknüpft ist7. Die Nachbesicherungsklausel erwähnt zwei nicht abschließend gemeinte Beispiele, die eine erhöhte Risikobewertung rechtfertigen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nachteilig verändert haben oder sich zu verändern drohen oder sich die vorhandenen Sicherheiten wertmäßig verschlechtert haben oder zu verschlechtern drohen. Im Falle der (auch drohenden) Verschlechterung bestellter Sicherheiten ermöglicht die Regelung in Nr. 13 Abs. 2 Satz 2 AGB-Banken, die den gesamten Wert der gestellten Sicherheiten berücksichtigt, eine flexible und damit regelmäßig an-
3.530
1 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGH v. 27.5.2008 – XI ZR 132/07, WM 2008, 1260; BGH v. 3.6. 2008 – XI ZR 131/07, WM 2008, 1394; zu den Prüfungs- und Aufklärungspflichten der Bank: von Heymann/Merz in Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, S. 212 ff. 2 BGH v. 16.1.1996 – XI ZR 151/95, WM 1996, 475; BGH v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, WM 2006, 377. 3 BGH v. 9.4.1987 – III ZR 126/85, WM 1987, 1546, 1547; Grundmann in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2015, Rz. I 148. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl. 2016, Rz. 6.133. 5 Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl. 2016, Rz. 6.133 m.w.N. 6 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, WM 2004, 666; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7; vgl. hierzu auch Rz. 8.647. 7 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 275; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 20; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/370; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 69; Merkel, WM 1993, 725, 729.
Merz/Federlin | 295
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
gemessene Risikobewertung und ist insofern gegenüber einer Vereinbarung von starren Beleihungsgrenzen (sog. Loan-To-Value-Klauseln) regelmäßig vorteilhaft1. Die „nachteilige Veränderung“ oder „wertmäßige Verschlechterung“ im Sinne der Nachbesicherungsklausel ist von einem schwächeren Grad als die „wesentliche Verschlechterung“ der Vermögenslage des Kunden im Sinne des außerordentlichen Kündigungsrechts der Bank gem. Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB-Banken2. Diese Abstufung ermöglicht es der Bank, im Interesse des Kunden die außerordentliche Kündigung durch Geltendmachung des Nachbesicherungsanspruches zu vermeiden3.
3.531
Nicht ausreichend für einen Nachbesicherungsanspruch ist eine rein subjektiv geänderte Risikoeinschätzung, eine Änderung der internen Bewertungsgrundsätze oder eine vorsichtigere Geschäftspolitik der Bank. Die erhöhte Risikobewertung muss sich anhand von nachvollziehbaren objektiven Umständen ergeben. Im Zweifelsfalle trägt die Bank die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen ihres Nachbesicherungsanspruchs.
3.532
Damit ist zugleich der Rechtsprechung Rechnung getragen worden, wonach die Bank bei der Geltendmachung ihres Anspruches auf Sicherheitenverstärkung an die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebunden ist4. Treuwidrig ist es insbesondere, wenn das Verlangen der Bank nach weiteren Sicherheiten zu ihrer Übersicherung führen würde5 – vgl. hierzu auch Rz. 8.17. 3. Grenzen des Besicherungsanspruchs
3.533
Der Anspruch auf Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten ist in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. a) Vorrang der Individualabrede
3.534
Der Besicherungsanspruch der Bank besteht in den Fällen nicht, in denen ausdrücklich vereinbart worden ist, dass der Kunde keine oder ausschließlich im Einzelnen benannte Sicherheiten zu bestellen hat (Nr. 13 Abs. 2 Satz. 4 AGB-Banken). Hierin liegt eine individuelle Vertragsabrede, die Vorrang vor den Regelungen der AGB-Banken hat (§ 305b BGB). Für einen solchen Ausschluss des Nachbesicherungsanspruchs genügt es freilich 1 Zur (auch AGB-rechtlichen) Wirksamkeit von Loan-To-Value-Klauseln vgl. Schmid-Burgk, WM 2015, 57, 58 ff. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 275; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 19; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/371. 3 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 275; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 19; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/371; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 69. 4 BGH 18.12.1980 – III ZR 157/78, NJW 1981, 1363. 5 BGH 18.12.1980 – III ZR 157/78, NJW 1981, 1363. Nach dem OLG Hamm verletzt eine Bank ihre Vertragspflichten gegenüber dem Kunden nicht, wenn sie die Verstärkung von Kreditsicherheiten fordert, obwohl die Voraussetzungen für ein solches Verlangen nicht gegeben ist, soweit unstreitig eine Unterdeckung besteht und solange das Verlangen nicht völlig willkürlich erscheint, OLG Hamm v. 7.5.2001 – 31 U 196/00, WM 2001, 2438, 2439.
296 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
nicht, dass im Kreditvertrag bestimmte Sicherheiten vorgesehen sind1. Der Abschluss einer bestimmten Sicherungsabrede bedeutet daher grundsätzlich keinen Verzicht auf weitere, insbesondere bereits bestehende Sicherheiten. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur für den Fall, in dem die zu stellenden Sicherheiten ausdrücklich abschließend aufgezählt werden2. Denn nach dem BGH besteht für eine Bank ohne besonderen Grund kein Anlass, von vornherein auf die Hereinnahme der als Sicherheit geeigneten Vermögenswerte zu verzichten3.Vor diesem Hintergrund ist insbesondere an die Annahme, die Bank habe sich im Einzelfall ausnahmsweise bereit erklärt, auf ihr AGB-Pfandrecht zu verzichten oder dieses abzubedingen4, hohe Anforderungen zu stellen. Auch die Bezeichnung als „Blankokredit“ wird nicht ohne weiteres dahingehend zu verstehen sein, dass die Bank – ungeachtet des Umstands, dass sich aus der Bezeichnung ergibt, dass sie keine weiteren (oder „besonderen“) Sicherheiten verlangt – auch auf ihr AGB-Pfandrecht verzichtet5. b) Erlöschen des Besicherungsanspruchs Der Besicherungsanspruch der Bank erlischt, wenn der realisierbare Wert der bestellten Sicherheiten die Deckungsgrenze im Sinne einer Sicherungsobergrenze überschreitet. So bestimmen die AGB der Kreditwirtschaft, dass die Bank ihren Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten so lange geltend machen kann, bis der realisierbare Wert aller Sicherheiten dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung entspricht (Nr. 16 Abs. 1 AGB-Banken). Der realisierbare Wert einer Sicherheit ist der Betrag, der bei deren Verwertung erlöst wird6. Soweit eine abweichende Deckungsgrenze im Einzelfall vereinbart worden ist, hat diese Sonderabsprache Vorrang (Nr. 16 Abs. 3 AGB-Banken).
3.535
Der Besicherungsanspruch entfällt aber auch, soweit eine Freigabepflicht der Bank besteht. In diesem Fall stünde der Geltendmachung des Besicherungsanspruchs die Arglisteinrede gem. § 242 BGB entgegen. Dieser Einwand besteht aber nicht in allen Fällen, in denen die bestellten Sicherheiten die vereinbarte Deckungsgrenze überschreiten und damit der Besicherungsanspruch schon nach Nr. 16 Abs. 1 AGB-Banken entfällt. Denn nicht jedes Überschreiten dieser Sicherungsobergrenze begründet bereits eine Freigabeverpflichtung der Bank. Der Freigabeanspruch des Kunden setzt vielmehr voraus, dass der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft überschreitet. Die Arglisteinrede kommt also beim Überschreiten der Deckungsgrenze nur in den Fällen zum Tragen, in denen hierdurch zugleich eine Freigabepflicht der Bank begründet wird.
3.536
1 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 22 und 27; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 276; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7. 3 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701. 4 Auch ohne Vereinbarung des AGB-Pfandrechts könnte die Bank im Wege der Aufrechung auf die vom Kunden bei ihr unterhaltenen Guthaben zur Befriedigung ihrer Forderungen gegen diesen zugreifen – dies indes nur bei Vorliegen einer Aufrechnungslage unter den in § 387 ff. BGB genannten Voraussetzungen. 5 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 298; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 316; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 7. 6 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; vgl. hierzu Serick, BB 1998, 801; Roth, JZ 1998, 462.
Merz/Federlin | 297
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
c) Sonderregelung für Verbraucherkredite
3.537
Bei Krediten, die unter die Normen der §§ 491 ff. BGB (Verbraucherdarlehensverträge) fallen, besteht ein Anspruch der Bank auf die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten dem Grundsatz nach nur, soweit die Sicherheiten im Kreditvertrag angegeben sind (Nr. 13 Abs. 2 Satz 5 AGB-Banken). Hierdurch soll der Verbraucher davor bewahrt werden, nach Abschluss des Darlehensvertrags durch die Forderung der Bank nach (zusätzlichen) im Darlehensvertrag nicht genannten Sicherheiten überrascht zu werden1. § 494 Abs. 6 Satz 2 letzter Halbs. BGB a.F. (der bis einschließlich 20.3.2016 Gültigkeit entfaltete) enthielt noch die Vorgabe, dass bei fehlender Angabe über die zu bestellenden Sicherheiten eine Sicherheitsleistung nur verlangt oder nachgefordert werden konnte, wenn der Nettokreditbetrag 75.000 € übersteigt2. Die gesetzliche Regelung wurde mit Wirkung zum 21.3.2016 an die neuen gesetzlichen Vorgaben zur Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie geändert, mit der Konsequenz, dass auch die Regelung in Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken angepasst worden ist, um der geänderten Rechtslage Rechnung zu tragen. Während der in Rede stehende Anspruch auf Sicherheitenbestellung bzw. -verstärkung für Verbraucherdarlehensverträge, deren Nettodarlehensvertrag 75 000 € übersteigt, die bis zum 20.3.2016 abgeschlossen worden sind, generell gilt (und auch fortbesteht), ist dieser Anspruch für ab dem 21.3.2016 abgeschlossene Verbraucherdarlehensverträge auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge i.S.v. § 491 Abs. 2 BGB beschränkt. Für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge i.S.v. § 491 Abs. 3 BGB besteht dieser Anspruch dagegen nicht. d) Eingeschränkter Besicherungsanspruch gegen Bürgen
3.538
Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank z.B. in Gestalt einer Bürgschaft oder Garantie übernommen, so kann die Bank die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten für die aus der Haftungsübernahme folgende Schuld erst ab deren Fälligkeit beanspruchen (Nr. 13 Abs. 1 Satz 2 AGBBanken). Hierdurch wird der BGH-Rechtsprechung Rechnung getragen, wonach der Bürge nach dem gesetzlichen Leitbild die verbürgte Forderung nur persönlich sichern und daher konkrete Vermögenswerte erst aufzuwenden brauchen soll, wenn seine Bürgschaftsverbindlichkeit fällig geworden ist3.
1 BGH v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07, NJW 2008, 3208, 3209 = WM 2008, 1679 = BGH 177, 345 ff. 2 Gleichwohl bestellte Sicherheiten können jedoch nicht nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten heraus verlangt werden, vgl. BGH v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07, NJW 2008, 3208 = WM 2008, 1679 = BGH 177, 345 ff., zumindest für Personalsicherheiten (in dem zugrunde liegenden Fall handelte es sich um ein abstraktes Schuldversprechen) da diese – so der BGH, a.a.O., – ihren Rechtsgrund in sich selbst tragen. Im Übrigen – so der BGH – verstoße diese Sichtweise auch nicht gegen den mit der Vorschrift (in dem zugrunde liegenden Falle noch §§ 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1g und 6 Abs. 2 Satz 6 VerbrKrG a.F.) verfolgten Schutzzweck, da eine vom Verbraucher vor oder nach Abschluss des Darlehensvertrags bestellte (weitere) Sicherheit hiervon vornherein nicht erfasst werde; ebenso Peters in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Aufl. 2017, § 81 Rz. 269. 3 BGH v. 11.10.1984 – IX ZR 73/83, NJW 1985, 45; BGH v. 10.11.1988 – III ZR 215/87, NJW 1989, 1284; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 6; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 17; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 266; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/367; Merkel, WM 1993, 725, 729.
298 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
e) Fristgewährung für die Sicherheitsleistung Die Bank hat dem Kunden eine angemessene Frist einzuräumen, um dem Sicherheitenverlangen der Bank Rechnung tragen zu können (Nr. 13 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken). Mit dieser Regelung wird dem Verbot, den Besicherungsanspruch zur Unzeit geltend zu machen, wie auch der Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 242 BGB) Rechnung getragen, da die aus der Nichtbeachtung des Anspruchs auf Sicherheitenbestellung folgende Kündigungsmöglichkeit der Bank eine einschneidende Rechtsfolge für den Kreditnehmer darstellt1. Die Dauer der dem Kunden einzuräumenden Frist bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung sowohl der Interessen des Kunden als auch der Interessen der Bank, wobei in der Regel eine Mindestfrist von acht (gegenüber Kaufleuten) bis 14 Tagen (gegenüber Privatkunden) geboten, aber auch ausreichend sein dürfte2.
3.539
4. Nichterfüllung des Besicherungsanspruchs als Kündigungsgrund Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die eine Laufzeit oder eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart worden ist, fristlos kündigen, wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt (Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 Unterpunkt 3 AGB-Banken). Nach der Sicherungsklausel ist eine solche außerordentliche Kündigung aber nur zulässig, wenn die Bank den Kunden zuvor hierauf hinweist (Nr. 13 Abs. 3 Satz 2 AGB-Banken). Dieser Hinweis kann mit der Anforderung der Bestellung weiterer Sicherheiten verbunden werden3. Erfolgt das Nachbesicherungsverlangen zunächst ohne einen entsprechenden Hinweis und weist die Bank ihren Kunden erst im Nachgang hierauf hin, ist eine erneute Fristsetzung erforderlich, die dann freilich kürzer bemessen werden kann, weil dem Kunden die Verpflichtung zur Bestellung bzw. Verstärkung von Sicherheiten bekannt ist und er nicht von einem sanktionslosen Verhalten bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung ausgehen kann4. Die wechselseitigen Verweisungen in Nr. 13 Abs. 3 und Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 Unterpunkt 3 AGB-Banken lassen die enge Verknüpfung von Besicherungsanspruch und außerordentlichem Kündigungsrecht der Bank transparent werden. Ungeachtet dessen können der Bank bestellte Sicherheiten den Ausschluss des Kündigungsrechts nur so lange rechtfertigen, wie auch die Aussicht besteht, dass der Kreditnehmer seine – durch die Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse offensichtlich gewordene – Krise auch überwinden wird5.
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 29 m.w.N.; M. Casper in Derleder/Knops/Bamberger, 3. Aufl. 2017, § 3 Rz. 98; vgl. auch BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701, 2703. 2 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 278; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 29; von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke (Stand 2014), Rz. 125; M. Casper in Derleder/Knops/Bamberger, 3. Aufl. 2017, § 3 Rz. 98. 3 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/379. 4 So i.E. auch Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 31; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 279. 5 OLG Schleswig v. 4.10.2010 – 5 U 34/10, WM 2010, 2260, 2261; vgl. auch OLG Saarbrücken v. 6.9.2018 – 4 W 19/18, NJW-Spezial, 2018, 726.
Merz/Federlin | 299
3.540
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
5. AGB-Sparkassen
3.541
In den AGB-Sparkassen ist nur der Nachbesicherungsanspruch geregelt (Nr. 22 AGBSparkassen), da der originäre Besicherungsanspruch als gegeben unterstellt wird1. Die Voraussetzungen für den Nachbesicherungsanspruch entsprechen der Regelung in den AGBBanken. Im Gegensatz zu der Klausel in den AGB-Banken wird jedoch der Nachbesicherungsanspruch in den AGB-Sparkassen nicht auf bankübliche Sicherheiten beschränkt. Auch fehlt eine Nr. 13 Abs. 3 AGB-Banken entsprechende ausdrückliche Regelung für das Erfordernis der Fristsetzung zur Sicherheitenbestellung.
3.542–3.545 Einstweilen frei.
XIV. Nr. 14 AGB-Banken: Vereinbarung eines Pfandrechts zu Gunsten der Bank (Merz/Federlin) 14. Vereinbarung eines Pfandrechts zugunsten der Bank (1) Einigung über das Pfandrecht Der Kunde und die Bank sind sich darüber einig, dass die Bank ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen erwirbt, an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird. Die Bank erwirbt ein Pfandrecht auch an den Ansprüchen, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen oder künftig zustehen werden (zum Beispiel Kontoguthaben). (2) Gesicherte Ansprüche Das Pfandrecht dient der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der Bank mit ihren sämtlichen in- und ausländischen Geschäftsstellen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kunden zustehen. Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank übernommen (zum Beispiel als Bürge), so sichert das Pfandrecht die aus der Haftungsübernahme folgende Schuld jedoch erst ab ihrer Fälligkeit. (3) Ausnahmen vom Pfandrecht Gelangen Gelder oder andere Werte mit der Maßgabe in die Verfügungsgewalt der Bank, dass sie nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden dürfen (zum Beispiel Bareinzahlung zur Einlösung eines Wechsels), erstreckt sich das Pfandrecht der Bank nicht auf diese Werte. Dasselbe gilt für die von der Bank selbst ausgegebenen Aktien (eigene Aktien) und für die Wertpapiere, die die Bank im Ausland für den Kunden verwahrt. Außerdem erstreckt sich das Pfandrecht nicht auf die von der Bank selbst ausgegebenen eigenen Genussrechte/Genussscheine und nicht auf die verbrieften und nicht verbrieften nachrangigen Verbindlichkeiten der Bank. (4) Zins- und Gewinnanteilscheine Unterliegen dem Pfandrecht der Bank Wertpapiere, ist der Kunde nicht berechtigt, die Herausgabe der zu diesen Papieren gehörenden Zins- und Gewinnanteilscheine zu verlangen. 1 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.16), Rz. 1/380.
300 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Die AGB-Pfandrechtsklausel in Nr. 14 AGB-Banken ist nach der ständigen Rechtsprechung auch des BGH wirksam, weil sie weder überraschend noch unangemessen i.S.d. § 305c BGB bzw. § 307 BGB ist1. Die Pfandrechtsklausel beruht auf dem berechtigten Interesse der Bank an der Absicherung ihrer gegen den Kunden gerichteten Ansprüche, insbesondere ihrer Kreditforderungen. Dieses verständliche Sicherungsinteresse der Bank ist nach dem BGH für den Kunden auch vorhersehbar und deshalb eben nicht überraschend2. Die Pfandrechtsklausel benachteiligt den Bankkunden grundsätzlich auch nicht unangemessen i.S.d. § 307 BGB3. Die Pfandrechtsklausel bietet dem Kunden schließlich erhebliche Vorteile, da hierdurch auch kurzfristig entstehende Forderungen der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung ohne weitere Maßnahmen gedeckt werden können4. Ohne das AGB-mäßig begründete Pfandrecht könnte ein Kunde nicht ohne weiteres im Wege einer Kontoüberziehung einen Dispositionskredit in Anspruch nehmen. Er müsste vielmehr zunächst für die Bestellung einer Sicherheit sorgen, selbst wenn sich dafür geeignete Wertgegenstände bereits in der Verfügungsgewalt der Bank befinden. Der Kunde ist auch gegenüber einer übermäßigen Ausübung des Pfandrechts geschützt5. Die Bank ist nämlich verpflichtet, den Kunden über seine vom Pfandrecht erfassten Werte frei disponieren zu lassen, solange ein Sicherungsbedürfnis fehlt. Erst wenn ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis gegeben ist, kann die Bank von ihrem AGB-Pfandrecht Gebrauch machen, indem sie keine Verfügungen des Kunden mehr zulässt („externe Kontosperre“) – dies zur Sicherung einer späteren Verwertung gem. § 1281 Satz 2 Halbs. 1 BGB allerdings auch schon vor Pfandreife, also etwa vor einer Kündigung des gesicherten Kredits6.
3.546
1. Einigung über den Pfandrechtserwerb Ausgangspunkt der Bestellung des AGB-Pfandrechts ist Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken7. Danach sind sich der Kunde und die Bank darüber einig, dass die Bank ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen erwirbt, an denen eine inländische Geschäftsstelle im 1 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; BGH v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, WM 1995, 375, 377; Wolfgang Wiegand in Staudinger, Neubearb. 2019, Anh. zu § 1257 BGB Rz. 15; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 1, 6; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 281; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1.382-1/383; Werhahn/ Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 281; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 1. 2 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/382-1/383; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 6; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Teil 2, (8) Banken Rz. 59; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 72. 3 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/382-1/383; zur Frage der Kündigung des zugrunde liegenden Pfandrechtsbestellungsvertrages zugunsten eines anderen Bankkunden nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes oder bei Eintritt besonderer Umstände (z.B. Ehescheidung) mit Wirkung für die Zukunft vgl. BGH v. 7.10.2002 – II ZR 74/00, WM 2002, 2367, 2368. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 1; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 282. 5 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701. 6 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, WM 2004, 666; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl. 2016, Rz. 6.443 f. 7 Zum Verhältnis des AGB-Pfandrechts zur gesonderten Verpfändung von Werten, die auch dem AGB-Pfandrecht unterfallen vgl. Rz. 8.645 f.
Merz/Federlin | 301
3.547
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird (Nr. 14 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken). Im Übrigen erwirbt die Bank ein Pfandrecht auch an den Ansprüchen, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen oder – wie insbesondere beim Guthaben auf dem Girokonto – künftig zustehen werden (Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken). Die nach § 1205 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Verpfändungsabsprache liegt demnach in Gestalt einer vorweggenommenen Einigung bereits in der Anerkennung der AGB mit der Pfandklausel1. Unschädlich ist dabei, dass die antizipierte Einigung über die Pfandrechtsbestellung auch Wertpapiere des Kunden erfasst, die erst künftig in den Besitz der Bank gelangen2.
3.548
Pfandrechte sind in ihrer Entstehung, in ihrem Fortbestand, in der Zuständigkeit und im Untergang von der Entstehung, Existenz und Zuständigkeit der gesicherten Forderung abhängig (Grundsatz der Akzessorietät)3 – dies gilt grundsätzlich auch für das AGB-Pfandrecht. Bei einer Übertragung der Forderung gilt dem Grundsatz nach, dass das Pfandrecht der Forderung folgt, das Pfandrecht also kraft Gesetzes gem. § 1250 Abs. 1 und § 401 BGB auf den neuen Gläubiger übergeht. Das AGB-Pfandrecht besteht indes zur Sicherung einer Mehrzahl von Forderungen, nämlich sämtlicher gegenwärtiger und künftiger Ansprüche der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung. Werden in einer solchen Konstellation einzelne Forderungen aus dem pfandgesicherten Forderungskreis von der Bank an einen Dritten abgetreten, geht das AGB-Pfandrecht nicht mit auf den neuen Gläubiger über, sofern die der Sicherung zugrundeliegende Geschäftsverbindung bestehen bleibt4. 2. Haftungsobjekte
3.549
Das AGB-Pfandrecht erstreckt sich auf die Wertpapiere und sonstigen beweglichen Sachen, an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird (Nr. 14 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken). Im Übrigen erwirbt die Bank ein Pfandrecht auch an den Ansprüchen, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen oder künftig zustehen werden (Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken), also insbesondere Ansprüche auf und aus Gutschriften auf dem (laufenden) Konto. Der Anspruch auf Gutschrift unterliegt zwar der Kontokorrentbindung, dieser Anspruch ist indes gleichwohl pfändbar, so dass die Kontokorrentbindung dem AGB-Pfandrecht der Bank an diesem Anspruch nicht entgegensteht5. Auch 1 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, NJW 1998, 2592 = AG 1998, 342; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2657; Wolfgang Wiegand in Staudinger, Neubearb. 2019, Anh. zu § 1257 BGB Rz. 3 f.; Brinkmann in Uhlenbruck, 15. Aufl. 2019, § 50 InsO Rz. 14; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/384. 2 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/384; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 284; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 13; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, Nr. 14 AGB-Banken Rz. B 66; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 72. 3 Wolfgang Wiegand in Staudinger, Neubearb. 2019, § 1204 BGB Rz. 10. 4 Wolfgang Wiegand in Staudinger, Neubearb. 2019, § 1250 BGB Rz. 6; J. Schmidt in Erman, 15. Aufl. 2017, § 1250 BGB Rz. 5. 5 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, WM 2017, 446, 447 = ZIP 2017, 533 m. Anm. Langenbucher/ Lerp, WuB 2017, 353; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, WM 2008, 204, 205 = NJW 2008, 430; BGH v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, NJW 1985, 1218, 1219 = WM 1984, 344.
302 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
die Verpfändung von Einlageforderungen gegen die kontoführende Bank ist als „Pfandrecht an eigener Schuld“ rechtlich zulässig1. Nach der Pfandklausel ist es ausreichend, wenn der Besitz an den Pfandgegenständen durch eine beliebige inländische Geschäftsstelle erlangt wird. Diese Regelung berücksichtigt, dass alle rechtlich unselbständigen Geschäftsstellen (Filialen/Zweigstellen) als Einheit anzusehen sind, weil sie Teil ein und derselben juristischen Person sind und das Pfandrecht eben der Bank als juristischer Person in ihrer Gesamtheit bestellt wird2. Das Pfandrecht erfasst jedoch nicht die im Besitz einer ausländischen Geschäftsstelle befindlichen Wertpapiere und Sachen. Denn zur Wirksamkeit der Verpfändung wäre nach internationalem Privatrecht erforderlich, dass das für die ausländische Geschäftsstelle maßgebliche Recht (Art. 43 Abs. 1 EGBGB) berücksichtigt worden ist3.
3.550
Das Pfandrecht erfasst jedoch nur solche Wertpapiere und Sachen, die entweder durch den Kunden selbst oder durch Dritte im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung in den Besitz der Bank gelangt sind (Nr. 14 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken). Die Bank muss also den Besitz an den Wertgegenständen mit Willen des Kunden erlangt haben. Dabei braucht sich der Wille des Kunden nicht auf einen bestimmten Gegenstand zu konkretisieren4. Außerdem ist nach dem BGH der erforderliche Besitzverschaffungswille des Kunden kein rechtsgeschäftlicher, sondern nur ein natürlicher Wille, den auch ein Geschäftsunfähiger haben kann5. Unerheblich ist auch, ob die Pfandgegenstände erst nach Begründung der Bankforderung, also etwa nach der Auszahlung der Kreditvaluta, in den Besitz der Bank gelangt sind6.
3.551
Mit Rücksicht auf die spezifischen Voraussetzungen für den Erwerb von Pfandrechten ist zwischen der Verpfändung von Wertpapieren, sonstigen beweglichen Sachen, Kontoguthaben und sonstigen Forderungen zu unterscheiden (§§ 1204 ff., 1273 ff. BGB) – vgl. hierzu Rz. 8.653 ff. Für den Rang eines Pfandrechts7 ist der Zeitpunkt seiner Bestellung maßgebend (§ 1209 BGB). Bestellt wird das Pfandrecht im Zeitpunkt der Einigung. Der Rang des AGB-Pfandrechts bestimmt sich daher nach dem Zeitpunkt, in dem die AGB anerkannt worden sind8.
3.552
1 BGH v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, NJW 1985, 863, 864; Brinkmann in Uhlenbruck, 15. Aufl. 2019, § 50 InsO Rz. 14; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 295; Merkel in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 93 Rz. 62; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 7; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Teil 2, (8) Banken, Rz. 59. 2 OLG München v. 16.6.1994 – 6 U 4509/93, WM 1995, 429 m. Anm. Schebesta, WuB I A 2. Nr. 14 AGB-Banken 1993 1.95; OLG Bamberg v. 29.9.1988 – 1 U 195/87, WM 1990, 1019, 1021; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 20; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 287 f.; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/391; von Westphalen, WM 1980, 1406, 1422. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 21; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/391. 4 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/392-1/393; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 287. 5 BGH v. 25.4.1988 – II ZR 17/87, WM 1988, 859, 862; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 287; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/392; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2712. 6 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701. 7 Vgl. hierzu Rz. 8.627. 8 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/387; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 31.
Merz/Federlin | 303
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3. Ausnahmen vom Pfandrecht a) Besondere Zweckbestimmung des Kunden
3.553
Für bestimmte Fälle ist das Pfandrecht ausdrücklich ausgeschlossen worden (Nr. 14 Abs. 3 AGB-Banken). Die Pfandrechtsklausel kommt vor allem in den Fällen nicht zum tragen, in denen Gelder oder andere Wertgegenstände mit der Maßgabe in die Verfügungsgewalt der Bank gelangen, dass sie nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden dürfen. Durch Nr. 14 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken werden vom Pfandrecht ausdrücklich alle Vermögenswerte ausgenommen, welche die Bank mit einer besonderen Zweckbestimmung erworben hat, welche auch nur einseitig vom Kunden erklärt werden kann. Die AGB der Kreditwirtschaft erwähnen als Beispiel hierfür die Bareinzahlung zur Einlösung eines Wechsels. Diese Einschränkung der Pfandrechtsklausel ist Ausfluss der Rechtsprechung des BGH, derzufolge Werte, die der Bank mit einer Einschränkung in Form einer besonderen Zweckbestimmung zugeleitet worden sind, im Falle der Ablehnung des Kundenauftrages nicht dem Pfandrecht unterliegen1.
3.554
Die Zweckbestimmung kann grundsätzlich im Vorwege einseitig durch den Kunden vorgenommen werden. Diese besondere Zweckbestimmung kann ausdrücklich erfolgen; es genügt aber auch ein stillschweigend erklärter Vorbehalt, so dass er der Bank aus den Umständen erkennbar wird2. Angesichts des legitimen Sicherungsinteresses der Bank sind aber an das Zustandekommen eines Ausschlusses des AGB-Pfandrechts durch eine einseitige Erklärung des Kunden strenge Anforderungen zu stellen3.
3.555
Die den Pfandrechtserwerb ausschließende Zweckbestimmung durch den Kunden kann sich aus Bankgeschäften mit unterschiedlichem Inhalt ergeben. So kann eine Bargeldeinzahlung mit der Maßgabe erfolgen, den empfangenen Betrag zur Einlösung eines fällig werdenden Wechsels (Nr. 14 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken) zu verwenden oder an einen Dritten weiterzuleiten. Hier machen die enge zeitliche Verknüpfung und die betragsmäßige Übereinstimmung der Bank den Zusammenhang erkennbar4.
3.556
Kein Pfandrecht entsteht auch an Wertgegenständen, die der Bank ausdrücklich nur vorübergehend zur Aufbewahrung übergeben worden sind. Allerdings dürfte ein solcher Fall 1 BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688, 689 = NJW 1985, 1954 ff.; vgl. auch Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 10; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 306. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 10; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 307; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 43. 3 BGH v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, WM 1995, 375, 377 = NJW 1995, 1085 ff. = BGHZ 128, 295 ff.; vgl. hierzu Neuhof, NJW 1995, 1068 ff.; BGH v. 26.11.1973 – II ZR 117/72, WM 1974, 155, 157; BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688, 689; OLG Dresden v. 25.1.2001 – 16 U 2113/00, WM 2001, 803, 804; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 46; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 307; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 294. 4 BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688, 689 = NJW 1985, 1954 ff.; OLG Düsseldorf v. 23.6.1988 – 10 U 23/88, WM 1988, 1688, 1689; LG Zweibrücken v. 16.12.1986 – 3 S 101/86, WM 1987, 1010; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 11; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 47; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 307a.
304 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
der offenen Verwahrung, etwa bis die Reparaturarbeiten an dem Safe in der Wohnung des Kunden beendet worden sind, in der Praxis nur selten vorkommen. Der widerspruchslosen Entgegennahme stünde hier die Anwendbarkeit der Pfandrechtsklausel entgegen1. An dem Inhalt eines vermieteten Schließfachs kann die Bank dagegen ohnehin kein Pfandrecht erwerben. Hier fehlt es nach allgemeiner Meinung an dem erforderlichen Allein- oder Mitbesitz der Bank. Der Bank verbleibt lediglich die Möglichkeit, ein mögliches Zurückbehaltungsrecht für aus dem Mietvertrag resultierende konnexe Forderungen geltend zu machen2. Hat die Bank den Wechsel diskontiert, so darf sie den Gegenwert nicht unter Berufung auf das AGB-Pfandrecht einbehalten, weil Grundlage der Diskontierung die freie Verfügbarkeit über den Erlös für den Einreicher ist3. Ebenso wenig erwirbt die Bank ein AGBPfandrecht an Wechseln, die der Kunde zum Diskont eingereicht hat, wenn die Bank die Diskontierung ablehnt (vgl. Nr. 15 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AGB-Banken)4. Gibt die Bank den Wechsel trotz abgelehnter Diskontierung in der Folge nicht zurück, und fordert der Kunde auch nicht die entsprechende Rückgabe, kann in diesem Unterlassen der Rückforderung nach dem BGH ein nachträgliches Einverständnis des Kunden zum Erwerb von treuhänderischem Sicherungseigentum der Bank erblickt werden5.
3.557
Vom AGB-Pfandrecht ebenfalls nicht erfasst werden die Guthaben auf einem offenen Treuhandkonto, etwa Rechtsanwalts- und Notaranderkonten oder Verwalterkonten von Wohnungseigentümergemeinschaftsverwaltern gem. § 27 Abs. 5 WEG. Diese Kontoart setzt aber voraus, dass sowohl Kunde wie auch Bank den erkennbaren Willen haben, ein solches Konto zu errichten6. Hierbei wird nicht notwendigerweise eine entsprechende ausdrückliche Bezeichnung vorausgesetzt, der erkennbare Wille beider Seiten zur Errichtung eines solchen Treuhandkontos muss sich dann aber aus den Umständen ergeben. Erforderlich ist also zumindest eine diesbezügliche konkludente Treuhandvereinbarung bei
3.558
1 BGH v. 21.10.1958 – VIII ZR 208/57, WM 1958, 1480; BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688, 689; vgl. auch Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 307a unter „Verwahrung“; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 11. 2 Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rz. 2659; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB (Stand 10/2009), Rz. 73; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 290. 3 BGH v. 17.9.1984 – II ZR 23/84, WM 1984, 1391, 1392 = NJW 1985, 196 f.; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 53; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 307a unter „Besondere Rechtsnatur des Geschäfts“; Brinkmann in Uhlenbruck, 15. Aufl. 2019, § 50 InsO Rz. 14; Brünink in Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, 10. Aufl. 2017, § 12 Rz. 21. 4 BGH v. 6.5.1968 – II ZR 228/65, WM 1968, 695; BGH v. 24.2.1986 – II ZR 144/85, WM 1986, 610, 611 = NJW-RR 1986, 980 f.; OLG Hamburg v. 27.1.1987 – 12 U 50/85, WM 1988, 571, 574 f.; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 307a unter „Besondere Rechtsnatur des Geschäfts“. 5 BGH v. 29.9.1969 – II ZR 51/67, NJW 1970, 42; BGH v. 24.2.1986 – II ZR 144/85, WM 1986, 610, 611; vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 11. 6 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 104/71, WM 1973, 894, 895; BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688, 689 = NJW 1985, 1954 ff.; BGH v. 13.10.1987 – VI ZR 270/86, WM 1987, 1457, 1459 = NJW 1988, 263 ff.; BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, WM 1990, 1954, 1955 = NJW 1991, 101 f.; OLG Hamm v. 11.2.1999 – 27 U 283/98, WM 1999, 1111, 1112; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 284; Brünink in Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, 10. Aufl. 2017, § 12 Rz. 19 f.
Merz/Federlin | 305
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
der Kontoeröffnung1. Wird für die Bank nicht erkennbar, dass die auf dem Konto eingehenden Guthaben dem Kunden nur als Treuhänder zur Verfügung stehen (sog. verdecktes Treuhandkonto), ist das AGB-Pfandrecht an sich nicht ausgeschlossen. Die Bank wird sich aber nicht ohne weiteres auf dieses AGB-Pfandrecht berufen können, wenn die Bank in Erfüllung ihrer Pflichten nach dem Geldwäschegesetz in den Kontoführungsunterlagen einen Dritten als wirtschaftlich Berechtigten erfasst und ihr mithin die wirtschaftliche Fremdinhaberschaft bekannt ist2. Ein späterer Hinweis des Kunden auf die Treuhandeigenschaft des Kontos schließt lediglich die nach erfolgter Offenlegung eingegangenen Gelder vom Pfandrecht aus3. b) Auslandsverwahrte Wertpapiere
3.559
Das Pfandrecht erfasst auch keine Wertpapiere, die die Bank für den Kunden im Ausland verwahrt (Nr. 14 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AGB-Banken), weil nach internationalem Privatrecht hierfür grundsätzlich das Recht der belegenen Sache gilt (Art. 43 Abs. 1 EGBGB). An den im Ausland verwahrten Wertpapieren erwirbt der Depotinhaber kein rechtsformales (Mit-)Eigentum, das mit dem AGB-Pfandrecht belastet werden könnte (vgl. Nr. 12 Abs. 3 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte)4. Der Kunde erlangt nur die wirtschaftliche Stellung eines Eigentümers. Infolge dieser AGB-Regelung wird zwischen dem Kunden und seiner Bank ein Treuhandverhältnis begründet, auf Grund dessen dem Kunden als Treugeber der auftragsrechtliche Herausgabeanspruch zusteht (§§ 667, 675 BGB). Hierüber erhält der Depotkunde eine Gutschrift in Wertpapierrechnung. Soll dieses Guthaben in Gestalt von Gutschriften in Wertpapierrechnung der Bank haften, so bedarf es einer ausdrücklichen Verpfändung des dem Kunden hieraus zustehenden auftragsrechtlichen Herausgabeanspruchs (§ 667 BGB)5. Das AGB-Pfandrecht erfasst zwar grundsätzlich alle Ansprüche, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen. Der Herausgabeanspruch bei Gutschriften in Wertpapierrechnung ist aber auf Wertpapiere gerichtet, die die Bank als treuhänderischer (Mit-)Eigentümer für den Kunden verwahrt. Mit Rücksicht auf die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ist deshalb aus Gründen der Vorsicht davon auszugehen, dass die Ausschlussregelung in Nr. 14 Abs. 3 Satz 2 AGB-Banken auch für den Herausgabeanspruch bei den Gutschriften in Wertpapierrechnung für auslandsverwahrte Kundenpapiere zu gelten hat, weil die Bank auch in diesen Fällen ungeachtet ihres Treuhandeigentums an den Wertpapieren diese Werte zur Verfügung ihrer Depotkunden bereit hält. c) Eigene Aktien und gleichgestellte Bankverbindlichkeiten
3.560
Von dem AGB-Pfandrecht sind auch eigene Aktien der Bank ausgenommen (Nr. 14 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 AGB-Banken). Mit dieser formularmäßigen Regelung wird den gesetz1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 284; Fischer, WuB I A Nr. 19 AGB Banken 3.85. 2 Vgl. auch Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 307a unter „Treuhandkonten“; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/412. 3 BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, WM 1990, 1954, 1955; Brünink in Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, 10. Aufl. 2017, § 12 Rz. 20. 4 Abgedruckt in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2018, S. 2221; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, unter Ziff. VII. 5 Vgl. auch Brünink in Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, 10. Aufl. 2017, § 12 Rz. 95.
306 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
lichen Beschränkungen für den Pfandrechtserwerb Rechnung getragen. Nach dem Aktiengesetz (§§ 71e Abs. 1 Satz 2, 71 Abs. 2 Satz 1 AktG) darf der Gesamtbetrag der verpfändeten eigenen Aktien zusammen mit anderen eigenen Aktien 10 % des Grundkapitals der Gesellschaft nicht überschreiten. Die Beschränkung gilt gem. §§ 71e Abs. 1 Satz 1, 71d Satz 2 AktG auch für die Inpfandnahme von der Bank emittierter Aktien durch abhängige oder im Mehrheitsbesitz der Bank stehenden Unternehmen. Ohne den bankmäßigen Ausschluss des Pfandrechtserwerbs bei eigenen Aktien würde deswegen die Gefahr bestehen, dass eine als Aktiengesellschaft organisierte Bank die 10 %-Grenze überschreitet1. Dieselbe Ausnahme für den Pfandrechtserwerb gilt gem. Nr. 14 Abs. 3 Satz 3 AGB-Banken für die von der Bank selbst ausgegebenen eigenen Genussrechte oder Genussscheine sowie die nachrangigen verbrieften und nicht verbrieften Verbindlichkeiten der Bank. Dies beruhte ursprünglich auf der Regelung in § 10 Abs. 5 Satz 6 KWG (für Genussrechte) bzw. § 10 Abs. 5a Satz 6 KWG (für nachrangige Verbindilichkeiten) in der bis zur 6. KWG-Novelle gültgen Fassung, mit der die Inpfandnahme von solchen bankaufsichtsrechtlichen Eigenmitteln in entsprechender Anwendung der §§ 71a, 71d und 71e AktG Beschränkungen unterzogen worden war. Bis zum 31.12.2013 sah dann § 10 Abs. 2 Satz 10 KWG a.F. einen Kapitalabzug von in Pfand genommenen Eigenmitteln vor. Auch nach Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) mit Wirkung zum 1.1.2014 und der Streichung der genannten Regelung im KWG, ist von der Regelung in den AGB-Banken nicht abgewichen worden.
3.561
d) Urkunden ohne Wertpapiercharakter Das AGB-Pfandrecht erfasst auch nicht die im Besitz der Bank befindlichen Urkunden, die Forderungen des Kunden gegen Dritte dokumentieren2. Praktische Beispiele sind vor allem Lebensversicherungspolicen oder von anderen Banken ausgestellte Sparbücher. Diese Dokumente sind keine Wertpapiere im engeren Wortsinne wie die auf den Inhaber oder an Order lautenden Papiere. Deshalb müssten die in diesen Dokumenten verbrieften Forderungen des Kunden gegen einen Dritten wie auch die anderen unverbrieften Forderungen verpfändet werden. Hierfür ist jedoch eine Anzeige an den Drittschuldner erforderlich (§ 1280 BGB), die regelmäßig den Interessen des Kunden widerspräche. Sofern auch die in solchen Dokumenten verbrieften Forderungen der Bank im Einzelfall als Sicherheit dienen sollen, bietet sich insofern eine regelmäßig nur eine entsprechende Einigung zwischen Kunde als Sicherungsgeber und Bank als Sicherungsnehmerin erfordernde Sicherungsabtretung an3.
3.562
e) Gesetzliche Einschränkungen Der Ausschluss des AGB-Pfandrechts kann sich auch daraus ergeben, dass die gesetzliche Regelung eine Zweckbestimmung für bestimmte Gelder vornimmt. Eine solche gesetzliche Zweckbestimmung hat der BGH etwa für Baugeldforderungen i.S.d. § 1 Abs. 2 des Geset1 Oechsler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2016, § 71e AktG Rz. 24; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 11. 2 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 289; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 2; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/395; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 22; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 73. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 2 a.E.; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 289; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/395; Merkel, WM 1993, 725, 730.
Merz/Federlin | 307
3.563
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
zes über die Sicherung der Bauforderungen angenommen1. Eine entsprechende gesetzliche Zweckbestimmung ergibt sich auch aus § 850k ZPO für das Pfändungsschutzkonto2: Wird einem Pfändungsschutzkonto eine Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch oder Kindergeld gutgeschrieben, darf die Bank die Forderung, die durch die Gutschrift entsteht, für die Dauer von 14 Tagen seit der Gutschrift nur mit solchen Forderungen verrechnen und hiergegen nur mit solchen Forderungen aufrechnen, die ihr als Entgelt für die Kontoführung oder aufgrund von Kontoverfügungen des Berechtigten innerhalb dieses Zeitraums zustehen3. Bis zur Höhe des danach verbleibenden Betrages der Gutschrift ist das Kreditinstitut innerhalb von 14 Tagen seit der Gutschrift nicht berechtigt, die Ausführung von Zahlungsvorgängen wegen fehlender Deckung abzulehnen, wenn der Berechtigte nachweist oder dem Kreditinstitut sonst bekannt ist, dass es sich um die Gutschrift einer Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch oder von Kindergeld handelt. Bei einem Pfändungsschutzkonto besteht an den vom gesetzlichen Pfändungsfreibetrag geschützten Guthaben kein AGB-Pfandrecht, da diese Guthaben nicht der Pfändung unterworfen sind. Der Kontoinhaber kann daher über das pfändungsfreie Guthaben grundsätzlich frei verfügen4. Dies schließt jedoch nicht aus, dass fällige Kreditraten weiterhin vereinbarungsgemäß vom Pfändungsschutzkonto eingezogen werden, da nur eine Verrechnung auf Grund des AGBPfandrechts nicht möglich ist5. Darüber hinaus kann gem. § 850k Abs. 6 Satz 3 ZPO das Entgelt für die Kontoführung verrechnet werden6. 4. Gesicherte Forderungen
3.564
Das Pfandrecht dient der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der Bank mit ihren sämtlichen in- und ausländischen Geschäftsstellen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen (Nr. 14 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken). Mit dieser Anknüpfung des Sicherungszwecks an die sich aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung ergebenden Ansprüche der Bank wird dem Erfordernis der Bestimmbarkeit der abzusichernden künftigen und bedingten Forderungen Rechnung getragen7. Der formularmäßig vereinbarte weite Sicherungszweck ist weder überraschend noch unbillig8. Denn bei Identität von Schuldner und Sicherungsgeber liegt das übernommene Risiko im Einflussbereich des Sicherungsgebers und ist damit hinsichtlich der Gegenwart überschaubar und für die Zukunft vermeidbar9. 1 BGH v. 13.10.1987 – VI ZR 270/86, WM 1987, 1457 = NJW 1988, 263 ff.; vgl. auch Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 307a unter „Gesetzliche Einschränkungen“. 2 Zum Pfändungsschutzkonto: Ahrens, NJW 2010, 2001; Büchel, ZInsO 2010, 20; Büchel, BKR 2009, 358; Lücke, BKR 2009, 457. 3 Zu der vergleichbaren Situation unter Geltung der zwischenzeitlich aufgehobenen Regelung des § 55 Abs. 1 SGB I s. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 54; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 307a unter „Sozialleistungen“; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/415. 4 Vgl. Smid in MünchKomm. ZPO, 5. Aufl. 2016, § 850k ZPO Rz. 56. 5 Büchel, BKR 2009, 358, 363. 6 Lücke, BKR 2009, 458, 460. 7 BGH v. 17.12.1980 – VIII ZR 307/79, WM 1981, 162; BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, WM 1983, 926; BGH v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, WM 1985, 78, 79. 8 BGH v. 8.5.1987 – V ZR 89/86, WM 1987, 802, 803; BGH v. 18.11.1988 – V ZR 75/87, WM 1989, 88, 90; BGH v. 23.5.2000 – XI ZR 214/99, WM 2000, 1328; BGH v. 20.3.2002 – IV ZR 93/01, WM 2002, 1117, 1118; vgl. auch Wolfgang Wiegand in Staudinger, Neubearb. 2019, § 1204 BGB Rz. 24. 9 BGH v. 23.5.2000 – XI ZR 214/99, WM 2000, 1328.
308 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
a) Filialklausel Die Sicherung durch das Pfandrecht beschränkt sich nicht nur auf die Forderungen, die bei der Zweigstelle entstanden sind, die auch das Pfandrecht erworben hat, sondern auf Ansprüche sämtlicher Geschäftsstellen der Bank im In- und Ausland. Gesichert sind also auch alle Ansprüche der ausländischen Geschäftsstellen. Sämtliche inländischen und ausländischen Geschäftsstellen, die rechtlich unselbständig sind, bilden eine Einheit, weil sie nur Teile ein- und derselben juristischen Person sind1. Um eine Bewertung als überraschende Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB zu vermeiden, wird dies in Nr. 14 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken ausdrücklich klargestellt und in Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 AGB-Banken nochmals besonders herausgestellt2. Während diese Filialklausel auch die Ansprüche ausländischer Geschäftsstellen absichert, beschränkt sich die Reichweite der Pfandrechte hinsichtlich der von ihm erfassten Wertgegenstände auf die Wertpapiere und sonstigen Sachen, die sich im Besitz der inländischen Geschäftsstellen befinden – vgl. hierzu Rz. 3.549 f.
3.565
b) Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung Der weite Sicherungszweck der Pfandklausel erfährt insoweit eine sachgerechte Einschränkung, als die gesicherten Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung stammen müssen3. Als bankmäßige Geschäftsverbindung wird die tatsächliche Beziehung zwischen dem Kunden und der Bank angesehen, die auf eine unbestimmte Vielzahl von Geschäftsvorfällen angelegt ist4. Zu den gesicherten Ansprüchen der Bank zählen insofern Ansprüche aus laufender Rechnung und Kreditgwährung, insbesondere auch Rückzahlungsverpflichtungen aus einer geduldeten Überziehung5. Im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung liegt auch ein Anspruch der Bank aus Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 684 BGB6. Die Qualifikation eines aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung stammenden Anspruchs wird auch nicht durch die Kündigung der Geschäftsverbindung beeinträchtigt7. Dagegen werden deliktsrechtliche Ansprüche, die der Bank nur zufällig und ohne inneren Zusammenhang mit dem Geschäftsverkehr erwachsen, nicht durch das AGB-Pfandrecht abgesichert8.
3.566
Das AGB-Pfandrecht sichert grundsätzlich auch solche Forderungen, die nicht unmittelbar im Rahmen der Geschäftsverbindung mit dem Kunden entstanden sind, sondern die Bank
3.567
1 OLG Bamberg v. 29.9.1988 – 1 U 195/87, WM 1990, 1019, 1021; Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rz. 2670; von Westphalen, WM 1980, 1406, 1422; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 40. 2 Vgl. hierzu Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, 6. Aufl. 2013, AGB-Recht, Rz. B 67. 3 BGH v. 21.12.1984 – V ZR 204/83, WM 1985, 116 = NJW 1985, 849 f. 4 BGH v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, WM 2007, 874, 875 m.w.N. 5 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 301; OLG Hamm v. 24.9.1990 – 31 U 118/90, WM 1991, 847. 6 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 301; OLG München v. 26.3.1991 – 18 U 6302/90, WM 1991, 1415. 7 Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 311; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 301. 8 Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rz. 2673; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 311a; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB (Stand 10/2009), Rz. 74; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 301.
Merz/Federlin | 309
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
von Dritten erworben hat1. Erforderlich ist jedoch, dass dieser Erwerb nach allgemeiner Verkehrsanschauung in banküblicher Weise etwa im Rahmen eines Diskontgeschäfts mit einem anderen Kunden oder auf Grund einer Globalzession eines anderen Kreditnehmers geschehen ist. Wenn sich der Kunde am Geschäftsleben beteiligt, muss er damit rechnen, dass gegen ihn gerichtete Forderungen im Rahmen normaler Umsatz- und Sicherungsgeschäfte auf andere Gläubiger und damit auch auf eine Bank übergehen. Durch einen solchen Forderungsübergang kann im Übrigen im Verhältnis zwischen Kunde und seiner erwerbenden Bank eine Aufrechnungslage entstehen, die eine pfandrechtsähnliche Wirkung hat, so dass die Erstreckung des AGB-Pfandrechts auf solche von Dritten erworbenen Forderungen grundsätzlich nicht anstößig sein kann2. Zur Abgrenzung der Sachverhalte, in denen der Berufung auf das AGB-Pfandrecht der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegenstehen würde, vgl. Rz. 8.121 ff. c) Nicht durch das AGB-Pfandrecht gesicherte Forderungen
3.568
Bestimmte Kategorien von Forderungen der Bank werden durch das AGB-Pfandrecht nicht abgesichert. Dies beruht vor allem auf der einschränkenden Auslegung der Pfandrechtsklausel durch die Rechtsprechung. Beispiele hierfür sind die Zahlungsansprüche gegen Firmen und Gesellschaften, für deren Verbindlichkeiten der Kunde persönlich kraft Gesetzes haftet (vgl. hierzu nachfolgend unter Rz. 3.569), und eine vertragliche Haftungsübernahme des Kunden für einen anderen Kunden (Nr. 14 Abs. 2 Satz 2 AGB-Banken, vgl. hierzu nachfolgend unter Rz. 3.570)3. Dasselbe gilt für den Erwerb der Forderung nach einer Pfändung des von der Pfandrechtsklausel erfassten Guthabens auf dem Girokonto durch einen Gläubiger des Kunden (vgl. hierzu nachfolgend unter Rz. 3.571 f.). aa) Forderung auf Grund Gesellschafterhaftung
3.569
Seit der Überarbeitung der AGB-Banken im Jahre 1993 erstreckt sich das AGB-Pfandrecht nicht mehr auf Ansprüche gegen Firmen und Gesellschaften, für deren Verbindlichkeiten der Kunde persönlich haftet4. Der BGH hatte insofern nämlich Zweifel dahingehend geäußert, ob eine solch weitgehende Haftung in einer AGB-mäßigen Sicherungsabrede der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB standhalten würde5. Ansprüche der Bank gegen eine 1 BGH v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, WM 2007, 874, 875; BGH v. 28.4.1987 – VI ZR 1, 43/86, WM 1987, 834, 835 = NJW 1987, 2997 ff.; Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rz. 2672; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 302; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 313; Brinkmann in Uhlenbruck, 15. Aufl. 2019, § 50 InsO Rz. 14. 2 Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rz. 2672; vgl. auch OLG Koblenz v. 28.10.2009 – 2 U 300/09, WM 2010, 550, 551. 3 Zur Frage der Anwendbarkeit der Nr. 14 Abs. 2 Satz 2 AGB Banken auf Ansprüche der Bank gegen den Kunden auf Grund einer für diesen übernommenen Bürgschaft (Avalkredit) vgl. BGH v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, WM 1998, 2463; OLG München v. 13.11.2007 – 5 U 4097/07, WM 2008, 122. 4 Merkel, WM 1993, 725, 730; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 320; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/403; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 8. 5 BGH v. 9.3.1987 – II ZR 186/86, WM 1987, 571, 572 = NJW 1987, 1893 f. = BGHZ 100, 126 ff.; LG Hamburg v. 14.11.1995 – 317 O 89/95, WM 1996, 1628, 1629; für Nr. 21 Abs. 3 Satz 2 AGBSparkassen ausdrücklich offen gelassen: BGH v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, WM 2007, 874, 876; vgl. auch Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 19 Rz. 7.
310 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
GmbH & Co. KG, für die eine GmbH als persönliche Gesellschafterin haftet, gehören indes noch zur Geschäftsverbindung der Bank mit der GmbH und werden mithin vom AGB-Pfandrecht erfasst. In diesem Fall erschöpft sich die Funktion einer Komplementär-GmbH, jedenfalls soweit sie keine eigene Geschäftstätigkeit betreibt, in der Stellung als persönlich haftende Gesellschafterin, so dass vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund es sachgerecht erscheint, die Ansprüche gegen die GmbH & Co. KG auch der Komplementär-GmbH zuzurechnen1. Dies lässt sich indes nicht ohne weiteres auf sämtliche Ansprüche der Bank gegen Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf Grund persönlicher Haftung nach § 128 Satz 1 HGB übertragen. bb) Haftungsübernahme zugunsten anderer Bankkunden Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank übernommen, so sichert das Pfandrecht die aus der Haftungsübernahme folgende Zahlungsverbindlichkeit erst ab ihrer Fälligkeit (Nr. 14 Abs. 2 Satz 2 AGB-Banken). Dies gilt insbesondere, wenn sich der Kunde für einen anderen Bankkunden verbürgt hat2. Nach dem gesetzlichen Leitbild der Bürgschaft braucht ein Bürge vor Fälligkeit seiner Bürgschaftsschuld nämlich weder konkrete Vermögenswerte aufzuwenden noch den Zugriff der Bank auf die vom AGB-Pfandrecht erfassten Werte zu dulden3. Diesem gesetzlichen Leitbild wird dadurch Rechnung getragen, dass die Bank bis zur Fälligkeit ihrer Bürgschaftsforderung das AGB-Pfandrecht nicht geltend machen kann. Auch insoweit bleibt aber die rangwahrende Wirkung der in den AGB erhaltenen antizipierenden Pfandrechtsbestellung erhalten (§ 1209 BGB)4.
3.570
cc) Forderungserwerb nach Pfändung des Kontoguthabens durch Drittgläubiger Das AGB-Pfandrecht hat grundsätzlich Vorrang vor dem gesetzlichen Pfändungspfandrecht, das ein (weiterer) Gläubiger des Bankkunden im Falle einer Vollstreckung in dessen Girokonto erwirbt (§ 804 Abs. 1 ZPO). Damit stellt sich die Frage, inwieweit sich die Bank als Drittschuldnerin aus dem ihrem vorrangigen Pfandrecht unterworfenen Giroguthaben mit Wirkung gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger wegen Forderungen befriedigen darf, die sie erst nach Entstehung des (nachrangigen) Pfändungspfandrechts erworben hat. Nach dem BGH ist diese Frage anhand des für solche Kontokorrentguthaben geschaffenen § 357 Satz 1 HGB zu beantworten, der als spezielle Norm die pfandrechtliche Be1 BGH v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, WM 2007, 874, 875; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 8; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 302. 2 Zur Frage der Anwendbarkeit der Nr. 14 Abs. 2 Satz 2 AGB Banken auf Ansprüche der Bank gegen den Kunden auf Grund einer für diesen übernommenen Bürgschaft (Avalkredit), vgl. BGH v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, WM 1998, 2463 = ZIP 1999, 79 f. 3 BGH v. 10.11.1988 – III ZR 215/87, WM 1989, 129, 131 = NJW 1989, 1284 f.; BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 142/89, WM 1990, 1910, 1911 = NJW 1991, 100; Fischer in Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, 10. Aufl. 2017, § 9 Rz. 3. 4 Köndgen, NJW 1992, 2263, 2267; a.A. Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 305, demzufolge das Pfandrecht erst mit Entstehen und Fälligwerden der Bürgschaftsschuld entstehen soll; so auch Brünink in Lwowski/ Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, 10. Aufl. 2017, § 12 Rz. 59; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/402.
Merz/Federlin | 311
3.571
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
stimmung des § 1209 BGB verdrängt, wonach das Rangverhältnis konkurrierender Pfandrechte nach dem Zeitpunkt ihrer Bestellung bestimmt wird1.
3.572
Nach dieser handelsgesetzlichen Spezialnorm kann bei einem Kontokorrentverhältnis, wie es mit einem Girokonto verbunden ist, die Bank als Drittschuldner dem Pfandgläubiger Schuldposten, die nach der Pfändung durch neue Geschäfte entstehen, nicht in Rechnung stellen. Der Vollstreckungsgläubiger soll davor geschützt sein, dass ihm durch Schaffung neuer Schuldposten das Guthaben entzogen wird2. Diesem Zweck des § 357 Satz 1 HGB widerspräche es, wenn die Bank das gepfändete Kontoguthaben auf Grund ihres Pfandrechts mit Wirkung gegenüber dem Pfändungsgläubiger um den Betrag einer Gegenforderung verringern dürfte, die sie gem. §§ 670, 675 BGB dadurch erworben hat, dass sie einen Anspruch ihres Kunden nach der Kontopfändung getilgt hat. In diesen Fällen ist der Bank eine Berufung auf ihr vorrangiges Pfandrecht verwehrt3. Etwas anderes gilt nur für Geschäfte, die auf Grund einer schon vor der Pfändung des Kontoguthabens bestehenden Verpflichtung der Bank vorgenommen werden4. 5. Zins- und Gewinnanteilscheine
3.573
Das Pfandrecht an einem Wertpapier erstreckt sich gem. § 1296 Satz 1 BGB nur dann auf die dazugehörigen Zins- und Gewinnanteilscheine, wenn diese neben dem Wertpapier übergeben wurden. Trotz der Mitübergabe hat der Verpfänder bei Fälligkeit der Zinsund Gewinnanteilscheine grundsätzlich einen Herausgabeanspruch, sofern dieser nicht abbedungen ist (§ 1296 Satz 2 BGB). Von dieser Möglichkeit wird in Nr. 14 Abs. 4 AGB-Banken Gebrauch gemacht, indem der Herausgabeanspruch des Kunden ausgeschlossen wird5. Aber auch ohne diese explizite Regelung wäre die Bank gegen den Herausgabeanspruch geschützt, da der Anspruch dem allgemeinen Pfandrecht der Bank an Ansprüchen des Kunden gegen die Bank unterworfen wäre6. 6. AGB-Sparkassen
3.574
Das AGB-Pfandrecht ist in Nr. 21 AGB-Sparkassen geregelt und entspricht im Wesentlichen der Regelung in Nr. 14 AGB-Banken. Anders als in den AGB-Banken begründet Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen ein Pfandrecht an „Werten jeder Art“. Die Bedeutung die1 BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 129/96, WM 1997, 1324, 1326 = NJW 1997, 2322 ff.; Bunte in AGBBanken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 296; Brünink in Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, 10. Aufl. 2017, § 12 Rz. 27. 2 BGH v. 13.3.1981 – I ZR 5/79, BGHZ 80, 172 ff. = WM 1981, 542 = NJW 1981, 1611 ff.; BGH v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, BGHZ 84, 371 ff. = WM 1982, 816 = NJW 1982, 2193 ff.; vgl. hierzu K. Schmidt, JuS 1983, 66 ff. 3 BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 129/96, WM 1997, 1324, 1326; Brünink in Lwowski/Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, 10. Aufl. 2017, § 12 Rz. 27. 4 Vgl. hierzu auch Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 296 a.E. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 13; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 309; a.A. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Teil 2, (8) Banken Rz. 61 a.E. 6 Kümpel, WM 1978, 970; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 309; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/417.
312 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
ses Begriffes wird durch eine längere Aufzählung in Nr. 21 Abs. 1 Satz 2 AGB-Sparkassen näher konkretisiert, wodurch etwaige Zweifel an der Wirksamkeit dieser Klausel ausgeräumt werden1. Die in Nr. 21 Abs. 2 AGB-Sparkassen geregelten Ausnahmen stimmen inhaltlich mit Nr. 14 Abs. 3 AGB-Banken überein. Dass die Inpfandnahme der eigenen Aktien in der Aufzählung der Ausnahmen vom Pfandrecht fehlt, hängt mit der Rechtsform der Sparkassen zusammen2.
3.575–3.580
Einstweilen frei.
XV. Nr. 15 AGB-Banken: Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln (Merz/Federlin) 15. Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln (1) Sicherungsübereignung Die Bank erwirbt an den ihr zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln im Zeitpunkt der Einreichung Sicherungseigentum. An diskontierten Wechseln erwirbt die Bank im Zeitpunkt des Wechselankaufs uneingeschränktes Eigentum; belastet sie diskontierte Wechsel dem Konto zurück, so verbleibt ihr das Sicherungseigentum an diesen Wechseln. (2) Sicherungsabtretung Mit dem Erwerb des Eigentums an Schecks und Wechseln gehen auch die zugrunde liegenden Forderungen auf die Bank über; ein Forderungsübergang findet ferner statt, wenn andere Papiere zum Einzug eingereicht werden (zum Beispiel Lastschriften, kaufmännische Handelspapiere). (3) Zweckgebundene Einzugspapiere Werden der Bank Einzugspapiere mit der Maßgabe eingereicht, dass ihr Gegenwert nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden darf, erstrecken sich die Sicherungsübereignung und die Sicherungsabtretung nicht auf diese Papiere. (4) Gesicherte Ansprüche der Bank Das Sicherungseigentum und die Sicherungsabtretung dienen der Sicherung aller Ansprüche, die der Bank gegen den Kunden bei Einreichung von Einzugspapieren aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder die infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere oder diskontierter Wechsel entstehen. Auf Anforderung des Kunden nimmt die Bank eine Rückübertragung des Sicherungseigentums an den Papieren und der auf sie übergegangenen Forderungen an den Kunden vor, falls ihr im Zeitpunkt der Anforderung keine zu sichernden Ansprüche gegen den Kunden zustehen oder sie ihn über den Gegenwert der Papiere vor deren endgültiger Bezahlung nicht verfügen lässt. Die Vertragsbeziehungen zwischen Kunde und Bank, auf Grund deren die Bank Besitz an den Wertpapieren und Einzugspapieren (Inkassopapieren) erlangt, sind von unterschiedlicher Rechtsnatur. Die von der Pfandrechtsklausel (Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken) erfassten 1 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/418-1/419. 2 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07.14), Rz. 1/418-1/419.
Merz/Federlin | 313
3.581
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Wertpapiere besitzt die Bank im Rahmen ihres Depotgeschäfts als Verwahrer (§ 688 BGB). Der Besitz an den diskontierten Wechseln wird der Bank dagegen bei der Erfüllung der Lieferverpflichtung des Kunden aus dem Kaufvertrag (§ 433 BGB) verschafft, der dem Wechseldiskontgeschäft zugrunde liegt. Schließlich erlangt die Bank den Besitz an den zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln sowie an den sonstigen Inkassopapieren anlässlich der ihr erteilten Inkassoaufträge (§ 675 BGB).
3.582
Mit dem Inkasso- und Diskontgeschäft ist regelmäßig eine Kreditgewährung verbunden1. Die AGB-mäßig vereinbarten Sicherungsrechte an den Inkassopapieren und diskontierten Wechseln sollen deshalb dem aus diesen geschäftlichen Beziehungen resultierenden Sicherungsbedürfnis der Bank angemessen Rechnung tragen. 1. Erwerb von Sicherungseigentum
3.583
Werden der Bank Schecks und Wechsel zum Einzug eingereicht, so erwirbt sie Sicherungseigentum an diesen Urkunden (Nr. 15 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken). Diese AGB-Klausel enthält die antizipierte Einigung über die Eigentumsübertragung2. Während bei Inhaberschecks für die Erlangung des erforderlichen Besitzes die Einreichung der Scheckurkunde ausreicht, ist für Orderpapiere zusätzlich ein Indossament erforderlich (Art. 11 WG; Art. 14 ScheckG)3. Mit der Vereinbarung einer solchen Vollrechtsübertragung wird das speziell für Scheckinkasso vorgesehene Vollmachtsindossament (Art. 23 ScheckG) ausgeschlossen4.
3.584
Diese AGB-mäßige Sicherungsübereignung entspricht, wie der BGH5 wiederholt bestätigt hat, einer allgemeinen Gepflogenheit im Bankverkehr, zum Einzug eingereichte Schecks mangels abweichender Vereinbarung mit dem Einreicher als Mittel für die eigene Sicherung entgegenzunehmen und sich diese Papiere daher sicherungshalber übereignen zu lassen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen Wechsel der Bank nicht zum Diskont, sondern zum Inkasso eingereicht werden6. Durch eine Sicherungsübertragung wird der Scheckaussteller auch nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Wenn der Scheckaussteller dadurch Gefahr läuft, Einwendungen gegen den Scheckeinreicher zu verlieren (Art. 22 ScheckG), dann ist dies eine spezifische Folge des Scheckrechts, mit der jeder Scheckaussteller rechnen muss, der einen Scheck begibt7.
3.585
Nr. 15 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AGB-Banken bestimmt ausdrücklich, dass der Bank das Sicherungseigentum an dem beim Wechselankauf erworbenen Eigentum verbleibt, wenn sie 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 1. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 1; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 13; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/433; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 314; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, Nr. 15 AGB-Banken Rz. B 72. 3 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/433; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 314; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 14. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 14. 5 BGH v. 11.11.1976 – II ZR 2/75, WM 1977, 49, 50; BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970, 971. 6 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057, 1058. 7 BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970, 971.
314 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
den nicht eingelösten Wechsel dem Konto zurückbelastet. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Bank als Käuferin uneingeschränkte Eigentümerin der Wechselurkunde (Nr. 15 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AGB-Banken). Mit einer Rückbelastung des Wechsels entsteht zwischen Kunde und Bank ohne weiteres ein Treuhandverhältnis, wie es bei der Bestellung von nicht akzessorischen Sicherheiten etwa in Gestalt der Sicherungsübereignung, Sicherungszession oder Sicherungsgrundschuld zustande kommt1. 2. Sicherungsabtretung Eine Sicherungszession ist in Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken für die Forderungen des Kunden vereinbart, die den an die Bank übereigneten Schecks und Wechseln zugrunde liegen. Damit erhält die Bank eine direkte Zugriffsmöglichkeit gegen die Drittschuldner, die ihr Ausfallrisiko bei Nichteinlösung der Inkassopapiere verringern soll2. Eine solche Verknüpfung von Sicherungseigentum an den zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln mit der Sicherungsabtretung der zugrunde liegenden Forderungen ist auch nach Auffassung des BGH rechtlich unbedenklich3. Mit den abgetretenen Forderungen gehen kraft Gesetzes auch die für diese bestellten akzessorischen Sicherheiten auf die Bank über (§ 401 BGB)4. Im Zweifel ist dabei anzunehmen, dass auch künftige Zinsen mit abgetreten sind5. Der Forderungserwerb der Bank kann durch ein Abtretungsverbot (§ 399 BGB) verhindert oder zumindest nach § 354a HGB eingeschränkt sein. Bei Lastschriften kann jedoch die Auslegung des Abtretungsverbotes ergeben, dass eine Abtretung der Forderung an die Bank zulässig sein soll6. Im Übrigen kann die Abtretung an dem entgegenstehenden ausländischen Recht scheitern, das auf die Forderung anwendbar ist7.
3.586
Soweit der Bank keine Schecks und Wechsel, sondern sonstige Inkassopapiere zum Einzug eingereicht werden, werden die in diesen Urkunden verbrieften Forderungen des Kunden gegen Dritte der Bank ebenfalls sicherungshalber abgetreten (Nr. 15 Abs. 2 letzter Halbs. AGB-Banken). Die für eine Forderungsabtretung erforderliche Einigung zwischen Zedenten und Zessionar gem. § 398 BGB kann wie die dingliche Einigung über den Eigentumsübergang (§ 929 BGB) AGB-mäßig erfolgen8. Nach zessionsrechtlichen Grundsätzen ist der gut-
3.587
1 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/442. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 25. 3 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057, 1058; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/446; Merkel, WM 1993, 725, 731. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 26; Bunte in AGB-Banken, AGBSparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 325; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/449; Grüneberg in Palandt, 78. Aufl. 2019, § 401 BGB Rz. 3. 5 BGH v. 18.5.1961 – VII ZR 39/60, BGHZ 35, 173; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 325; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/452; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 26; Grüneberg in Palandt, 78. Aufl. 2019, § 401 BGB Rz. 6. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 29; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 327; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/454; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 603. 7 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057, 1058; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 30. 8 BGH v. 25.4.1988 – II ZR 17/87, WM 1988, 861, 862.
Merz/Federlin | 315
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
gläubige Erwerb ausgeschlossen, wie er bei wertpapiermäßig verbrieften Forderungen wegen der hier anwendbaren sachenrechtlichen Vorschriften (§§ 932 ff. BGB) möglich ist1.
3.588
Die Zessionsklausel erwähnt beispielhaft Lastschriften und kaufmännische Handelspapiere. Nach dem BGH sind unter diesen Handelspapieren die Inkassopapiere im Sinne der „Einheitlichen Richtlinien für Inkassi“ zu verstehen2. Die Zessionsklausel erfasst also Zahlungsquittungen, Rechnungen, Verlade-, Dispositions- oder ähnliche Dokumente3.
3.589
Eine Sicherungsübereignung wie bei den Schecks und Wechseln kommt bei den sonstigen Inkassopapieren nicht in Betracht. Sie gehören nicht zu den Wertpapieren im engeren Wortsinne wie die auf den Inhaber oder an Order lautenden Papiere. Möglich wäre zwar, die in diesen sonstigen Inkassopapieren verbrieften Forderungen zu verpfänden. Zur Wirksamkeit einer solchen Verpfändung wäre jedoch eine Anzeige an den Drittschuldner erforderlich (§ 1280 BGB), die aber regelmäßig den Interessen des Kunden widerspräche. Deshalb werden solche Forderungen des Kunden gegen seine Schuldner durch eine Sicherungszession gem. §§ 398 ff. BGB auf die Bank übertragen. Die Wirksamkeit einer solchen Zession ist im Unterschied zu einer Verpfändung von der Offenlegung gegenüber dem Drittschuldner unabhängig. 3. Sonderregeln für zweckgebundene Inkassopapiere
3.590
Werden der Bank Schecks, Wechsel oder sonstige Inkassopapiere mit der Maßgabe eingereicht, dass ihr Gegenwert nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden darf, werden diese Papiere von der AGB-mäßig vereinbarten Sicherungsübertragung und -abtretung nicht erfasst (Nr. 15 Abs. 3 AGB-Banken). Bei einer solchen Zweckbestimmung ist auch das Entstehen des AGB-Pfandrechts ausdrücklich ausgeschlossen (Nr. 14 Abs. 3 AGB-Banken). Insoweit deckt sich die Rechtslage in Nr. 14 Abs. 3 AGB-Banken mit der in Nr. 15 Abs. 3 AGB-Banken4. Diese Einschränkung der Übereignungs- und Abtretungsklausel ergibt sich nach der BGH-Rechtsprechung schon daraus, dass der Kunde der Bank Wertgegenstände mit einer besonderen Zweckbestimmung zuleitet. Hier kommt es zu einem stillschweigenden Ausschluss des AGB-Pfandrechts5. 4. Enger Sicherungszweck
3.591
Mit Rücksicht auf die BGH-Rechtsprechung6 ist der Sicherungszweck der übereigneten Schecks und Wechsel und der sicherungshalber abgetretenen Forderungen eng begrenzt. 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 24. 2 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057, 1058. 3 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057, 1058; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 28. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 31. 5 BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6, 7; BGH v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, WM 1995, 375, 377; nach Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 31 liegt hier eine Individualweisung des Kunden vor, die aus dem Gedanken des Vorranges der Individualabrede (§ 305b BGB) eine wirksame Sicherungsübereignung oder -zession ausschließt. 6 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083, 1085; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 36; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 331; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 81; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/459; Merkel, WM 1993, 725, 731.
316 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Dies entspricht dem Zweck des Inkasso- und Diskontgeschäfts, den Kunden Geldmittel zu verschaffen1. Das AGB-mäßig vereinbarte Sicherungseigentum und die Sicherungsabtretung dienen daher nur der Sicherung der Ansprüche, die der Bank gegen den Kunden bei Einreichung von Inkassopapieren aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder die infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Inkassopapiere oder diskontierter Wechsel entstehen (Nr. 15 Abs. 4 AGB-Banken). Dieser enge Sicherungszweck hat jedoch nur eine schuldrechtliche Wirkung zwischen Bank und Kunden dahin gehend, dass eine Zugriffsmöglichkeit der Bank auf die ihr übereigneten Schecks und Wechsel und auf die an sie abgetretenen Forderungen ausgeschlossen wird. Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz wie auch der zessionsrechtliche Bestimmbarkeitsgrundsatz erfordern es, dass die Sicherungsübertragung und die Sicherungsabtretung lückenlos alle zum Einzug eingereichten Schecks und Wechsel und die unter die AGB-Klausel fallende Forderung des Kunden gegen die Drittschuldner erfassen2. Dem sachenrechtlichen Erfordernis der ausreichenden Bestimmtheit der zu übereignenden Sachen wäre nicht Rechnung getragen worden, wenn die Übereignung von einem entsprechenden Schuldsaldo bei Einreichung der Inkassopapiere oder der späteren Rückbelastung dieser Papiere auf dem Girokonto des Kunden abhängig gemacht worden wäre. Nach gefestigter Rechtsprechung sind bei der Sicherungsübereignung einer Sachgesamtheit die zu übereignenden Gegenstände im Zeitpunkt der Einigung so bestimmt zu bezeichnen, dass jeder, der die Vereinbarung der Vertragsparteien kennt, ohne Heranziehung weiterer Umstände feststellen kann, auf welche Gegenstände sie sich bezieht3.
3.592
5. Freigabepflicht Im Vergleich zum AGB-Pfandrecht trifft die Bank bei der Bestellung von Sicherungsrechten an Einzugspapieren und diskontierten Wechseln eine erweiterte Freigabepflicht4. Auch hierdurch sollte der BGH-Rechtsprechung, die für das Inkasso- und Diskontgeschäft nur ein eingeschränktes Sicherungsbedürfnis der Bank anerkennt, entsprochen werden5. Nach der getroffenen Regelung nimmt die Bank auf Anforderung des Kunden eine Rückübertragung des Sicherungseigentums an den Wertpapieren und der auf sie übergegangenen Forderungen an den Kunden vor, falls ihr im Zeitpunkt der Anforderung kein zu sichernder Anspruch gegen den Kunden zusteht oder sie ihn über den Gegenwert der Inkassopapiere vor deren endgültiger Bezahlung nicht verfügen lässt (Nr. 15 Abs. 4 Satz 2 AGBBanken). Der Freigabeanspruch besteht also stets dann, wenn die Bank dem Kunden zwar die übliche E.v.-Gutschrift erteilt hat, ihn aber darüber nicht hat verfügen lassen6. Unschädlich ist nach dem BGH, dass die Freigabe nur auf Anforderung des Kunden erfolgt7. 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 37. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 12, 41; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/425-427, 1/464; Merkel, WM 1993, 725, 731. 3 BGH v. 4.10.1993 – II ZR 156/92, WM 1993, 2161. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 12, 36. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 12; Merkel, WM 1993, 725, 732. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 40; Merkel, WM 1993, 725, 731. 7 BGH v. 2.2.1984 – IX ZR 8/83, WM 1984, 357; BGH v. 20.3.1985 – VII ZR 342/83, NJW 1985, 1836; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 20 Rz. 41.
Merz/Federlin | 317
3.593
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6. AGB-Sparkassen
3.594
Die Sicherungsrechte im Einzugsgeschäft sind in Nr. 25 AGB-Sparkassen geregelt. Abweichend von der Regelung in Nr. 15 AGB-Banken erwirbt die Sparkasse Sicherungseigentum mit der Einreichung zum Einzug nur aufschiebend bedingt für den Fall der Nichteinlösung und nur dann, wenn die Sparkasse Forderungen gegen den Einreicher aus Vorausverfügung hat (Nr. 25 Abs. 1 AGB-Sparkassen). Eine inhaltsgleiche Regelung besteht für die dem Einzugspapier zugrunde liegende Forderungen (Nr. 25 Abs. 2 AGB-Sparkassen). Im Übrigen ist der Sicherungszweck in Nr. 25 AGB-Sparkassen enger definiert, da nur die Ansprüche aus der Vorausverfügung, nicht aber die sonstigen Forderungen der Sparkasse abgesichert werden1.
3.595–3.600 Einstweilen frei.
XVI. Nr. 16 AGB-Banken: Begrenzung des Besicherungsanspruchs und Freigabeverpflichtung (Merz/Federlin) 16. Begrenzung des Besicherungsanspruchs und Freigabeverpflichtung (1) Deckungsgrenze Die Bank kann ihren Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten so lange geltend machen, bis der realisierbare Wert aller Sicherheiten dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (Deckungsgrenze) entspricht. (2) Freigabe Falls der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend übersteigt, hat die Bank auf Verlangen des Kunden Sicherheiten nach ihrer Wahl freizugeben, und zwar in Höhe des die Deckungsgrenze übersteigenden Betrages; sie wird bei der Auswahl der freizugebenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden und eines dritten Sicherungsgebers, der für die Verbindlichkeiten des Kunden Sicherheiten bestellt hat, Rücksicht nehmen. In diesem Rahmen ist die Bank auch verpflichtet, Aufträge des Kunden über die dem Pfandrecht unterliegenden Werte auszuführen (zum Beispiel Verkauf von Wertpapieren, Auszahlung von Sparguthaben). (3) Sondervereinbarungen Ist für eine bestimmte Sicherheit ein anderer Bewertungsmaßstab als der realisierbare Wert oder ist eine andere Deckungsgrenze oder ist eine andere Grenze für die Freigabe von Sicherheiten vereinbart, so sind diese maßgeblich.
3.601
Nr. 16 Abs. 1 AGB-Banken enthält die Definition der Deckungsgrenze, die sowohl für den Besicherungsanspruch der Bank als auch für den Freigabeanspruch des Kunden maßgeblich ist. So wird durch diese Sicherungsobergrenze der Umfang des Anspruchs der Bank auf Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten eingeschränkt. Nach Nr. 16 Abs. 1 AGBBanken kann die Bank ihren Besicherungsanspruch nur so lange geltend machen, bis der realisierbare Wert aller Sicherheiten dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung entspricht. 1 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/465.
318 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Die Deckungsgrenze begrenzt also den Besicherungsanspruch der Bank und konkretisiert zugleich den Entstehungstatbestand für den Freigabeanspruch des Kunden. Dieser Anspruch auf Freigabe entsteht, wenn der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend überschreitet (Nr. 16 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken). Nicht jede Überschreitung der Deckungsgrenze, die den Besicherungsanspruch der Bank erlöschen lässt (Nr. 16 Abs. 1 AGB-Banken), lässt also zugleich den Freigabeanspruch des Sicherungsgebers entstehen. Die Freigabeverpflichtung wird erst durch ein dauerhaftes Überschreiten der Deckungsgrenze begründet (sog. Freigabegrenze)1. Deckungsgrenze und die davon zu unterscheidende Freigabegrenze können also im Einzelfall auseinander fallen2. Beide Grenzen liegen aber eng beieinander und berühren sich, wenn der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend überschreitet.
3.602
Das Erfordernis eines dauerhaften Überschreitens der Deckungsgrenze für den Freigabeanspruch des Kunden ist im Übrigen sachgerecht. Erledigt sich die Übersicherung in einem angemessenen Zeitraum, besteht kein anerkennenswertes praktisches Bedürfnis, dem Sicherungsgeber auch für diese Fälle einen Freigabeanspruch zu gewähren. Hiergegen sprechen vor allem der zeitliche und kostenmäßige Aufwand, der mit solchen Teilfreigaben verbunden wäre.
3.603
Dieser Freigabeklausel in den AGB der Kreditwirtschaft kommt allerdings nur eine sekundäre Bedeutung zu. Im Regelfall werden in den einzelnen Sicherungsverträgen besondere auf die jeweilige Kreditsicherung bezogene Deckungsgrenzen für die Freigaberegelung vorgesehen, die als Individualabsprache Vorrang haben (Nr. 16 Abs. 3 AGB-Banken)3.
3.604
Der Zweck des Freigabeanspruchs ist es, den Sicherungsgeber insbesondere bei der Bestellung nicht-akzessorischer Sicherheiten in Gestalt der Sicherungsübereignung, Sicherungszession und der Sicherungsgrundschuld davor zu schützen, dass seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit über Gebühr eingeschränkt wird4. Die Bank hat aber die überschüssigen Sicherheiten nur auf Verlangen des Kunden freizugeben (Nr. 16 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken).
3.605
1. Freigabeanspruch durch Auslegung des Sicherungsvertrages Die ausdrückliche Einräumung eines Freigabeanspruchs in den AGB oder in dem einzelnen Sicherungsvertrag ist nach der Rechtsprechung des BGH entbehrlich5. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ergibt sich dieser Freigabeanspruch des Sicherungsgebers 1 Zur terminologischen Unterscheidung der Freigabegrenze von der Deckungsgrenze: BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 26; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 353. 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232. 3 Merkel, WM 1993, 725, 732; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 34; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 338; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Teil 2, (8) Banken Rz. 64; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/485c. 4 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 20; Serick, BB 1998, 801; Roth, JZ 1998, 462; Saenger, ZBB 1998, 174. 5 Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung einer zulässigen Deckungsgrenze ist der Sicherheitenbestellungsvertrag also wirksam.
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3.606
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
aus dem fiduziarischen Charakter der Sicherungsabrede sowie der Interessenlage der Vertragsparteien1. Ein Bestellungsvertrag über Sicherheiten begründet also auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung ein Treuhandverhältnis. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um einen Individualvertrag handelt und ob eine einzelne Sicherheit oder revolvierende Globalsicherheiten bestellt worden sind2.
3.607
Aus der Treuhandnatur des Sicherungsvertrages ergibt sich die Pflicht des Sicherungsnehmers zur Rückgabe der Sicherheiten bereits vor Beendigung des Vertrages, wenn und soweit sie endgültig nicht mehr benötigt werden3. Werden also Sicherheiten nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt, hat der Sicherungsgeber einen vom Ermessen der Bank unabhängigen Freigabeanspruch auch dann, wenn der Sicherungsvertrag keine oder lediglich eine ermessensabhängige Freigabeverpflichtung enthält. Einen Ermessensspielraum hat die Bank nur bei der Entscheidung, welche von mehreren Sicherheiten sie freigeben will. Dies folgt aus § 262 BGB und entspricht dem Rechtsgedanken des § 1230 Satz 1 BGB4. 2. Begriff der Deckungsgrenze
3.608
Die AGB der Kreditinstitute definieren die Deckungsgrenze als den Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (Nr. 16 Abs. 1 AGB-Banken). Zugleich wird aber klargestellt, dass bei Vereinbarung einer anderen Deckungsgrenze diese Sonderabsprache maßgeblich ist (Nr. 16 Abs. 3 AGB-Banken). Solche individuellen Deckungsgrenzen müssen allerdings den Anforderungen entsprechen, die der BGH für die Angemessenheit der Vereinbarung einer Deckungsgrenze entwickelt hat5. Bei der Ermittlung einer angemessenen Sicherungsobergrenze ist der Zweck der nicht-akzessorischen Sicherheiten zu berücksichtigen. Sie sollen die Bank vor Forderungsausfällen schützen, zugleich aber die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Schuldners nicht über Gebühr einschränken6. Die Deckungsgrenze muss deswegen einerseits an die gesicherten Forderungen, andererseits an den realisierbaren Wert der bestellten Sicherheiten (Sicherungswert) anknüpfen. Im Regelfall verändern sich diese beiden Größen im Laufe der Geschäftsbeziehung. Dem berechtigten Sicherungsinteresse der Bank trägt deshalb grundsätzlich nur eine prozentuale, abstrakt-generelle Deckungsgrenze angemessen Rechnung. Eine betragsmäßige Deckungsgrenze kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein bestimmter Kreditrahmen eingeräumt worden ist oder die Höhe der gesicherten Forderungen unverändert bleibt7. 1 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 345; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/470; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 84; Saenger, ZBB 1998, 174; Serick, BB 1998, 801. 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; BGH v. 14.5.1996 – XI ZR 257/94, WM 1996, 1128, 1130; BGH v. 6.3.1997 – IX ZR 74/95, NJW 1997, 1570. 3 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232. 4 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; BGH v. 6.3.1997 – IX ZR 74/95, NJW 1997, 1570; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 20; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 2; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, Nr. 16 AGB-Banken Rz. B 76; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 84. 5 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 4. 6 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232. 7 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232.
320 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Nach der Rechtsprechung des BGH wird dem berechtigten Sicherungsinteresse der Bank erst mit einer Deckungsgrenze von 110 % Rechnung getragen1. Eine Deckungsgrenze von nur 100 % wäre nicht ausreichend, weil erfahrungsgemäß bei der Versilberung von Sicherheiten Kosten für deren Feststellung und Verwertung und in einzelnen Fällen, vor allem bei abgetretenen Forderungen, auch Kosten der Rechtsverfolgung anfallen. Dies mindert den Verwertungserlös, der für die Verrechnung auf die gesicherten Forderungen zur Verfügung steht. Diese Kosten lassen sich im Interesse der Rechtssicherheit pauschalieren. Ein weiterer Aufschlag auf die Deckungsgrenze zur Abdeckung von Unsicherheiten bei Verwertung der Sicherungsgegenstände oder von Zinsen ist jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht anzuerkennen. Die Gefahr eines Mindererlöses muss vielmehr bei der Ermittlung des realisierbaren Sicherungswertes berücksichtigt werden2. Soweit die Bank bei der Verwertung sicherungsübereigneter Waren die Umsatzsteuer auszugleichen hat (§§ 170 Abs. 2, 171 Abs. 2 Satz 3 InsO), ist diesen Zahlungen durch einen entsprechenden Aufschlag auf die Deckungsgrenze von 110 % Rechnung zu tragen3.
3.609
Die angemessene Deckungsgrenze von 110 % kann bei formularmäßig bestellten globalen Sicherheiten nicht durch eine Klausel ersetzt werden, die die Freigabe in das Ermessen der Bank stellt. Eine solche Regelung schränkt wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Sicherungsvertrages ergeben, ein und gefährdet regelmäßig das Erreichen des Zwecks des Sicherungsvertrages (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Sie benachteiligt deshalb den Sicherungsgeber unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB4. Wird der Bank in dem Sicherungsvertrag ein solcher unangemessener Ermessensspielraum eingeräumt, so ist allerdings nur diese Klausel unwirksam. Auch bei revolvierenden Globalsicherheiten führt diese Ermessensklausel nicht zur Gesamtnichtigkeit des Sicherungsvertrages. Vielmehr tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel die Deckungsgrenze von 110 %, mithin der Rechtszustand, der ohne die nichtige Klausel besteht (§ 306 Abs. 2 BGB)5.
3.610
3. Bewertung der Sicherheiten Bei der Bewertung der Sicherheiten sind alle der Bank bestellten Sicherheiten zu berücksichtigen (Nr. 16 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken). Hierzu gehören also auch die vom AGBPfandrecht erfassten Werte und die AGB-mäßig bestellten Sicherungsrechte an Einzugspapieren und diskontierten Wechseln6. Ob der Umfang bestehender Bürgschaften mit in die Bewertung einzubeziehen ist, richtet sich nach dem BGH unter Beachtung von Sinn und Zweck der getroffenen Vereinbarung sowie Treu und Glauben allein nach den jewei1 Die Regelung in Nr. 16 Abs. 1 AGB-Banken, die keinen pauschalen Aufschlag von 10 % auf die Deckungssumme vorsieht, bleibt damit unter den vom BGH akzeptierten Kriterien, vgl. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Teil 2, (8) Banken Rz. 68; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 83. 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; Ganter, WM 1996, 1705, 1710. 3 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; Saenger, ZBB 1998, 174, 180. 4 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232. 5 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; BGH v. 6.3.1997 – IX ZR 74/95, NJW 1997, 1570; BGH v. 5.5.1998 – XI ZR 234/95, WM 1998, 1280, 1281; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 383. 6 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/483; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 340; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 14; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 341.
Merz/Federlin | 321
3.611
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ligen Umständen des Einzelfalls1. Die Voraussetzungen dafür können nicht durch eine Freigabeklausel mit zahlenmäßig bestimmter Deckungsgrenze im Voraus sachgerecht geregelt werden.
3.612
Da sich für die Kreditsicherungspraxis angesichts der nicht vorhersehbaren Marktentwicklungen und Preisschwankungen keine allgemein gültigen, branchenunabhängigen (festen) Maßstäbe für die Bewertung der Sicherheiten entwickeln lassen, ist die bloße Festlegung einer Deckungsgrenze von 110 % der gesicherten Forderung weder sach- noch praxisgerecht2. Zur raschen Durchsetzung des Freigabeanspruchs, der den Sicherungsgeber vor einer unangemessenen Einschränkung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit schützen soll, bedarf es vielmehr einer Orientierungshilfe für diese Bewertung3. Anderenfalls hätte der Freigabeanspruch keine nennenswerte praktische Bedeutung. Würde die Einholung eines kosten- und zeitaufwendigen Sachverständigen-Gutachtens in jedem Streitfall notwendig, würde dies den Sicherungsgeber regelmäßig davon abhalten, seinen Freigabeanspruch geltend zu machen. Das Hauptproblem des Freigabeanspruchs des Sicherungsgebers liegt deshalb in einer sach- und praxisgerechten Erleichterung der Bewertung der bestellten Sicherheiten4.
3.613
Nach der Rechtsprechung des BGH lässt sich aus §§ 232 ff. BGB die widerlegliche Vermutung ableiten, dass dem Sicherungsinteresse der Bank durch einen Abschlag eines Drittels vom Nennwert abgetretener Forderungen oder vom Schätzwert sicherungsübereigneter Waren ausreichend Rechnung getragen wird5. Denn bei Verpfändung geeigneter Sachen kann nach § 237 Satz 1 BGB Sicherheit nur i.H.v. zwei Dritteln des Schätzwertes geleistet werden. Der regelmäßige Sicherungswert ist deshalb bei beweglichen Sachen durch Anknüpfung an den Schätzwert und bei abgetretenen Forderungen an den Nennwert zu bemessen, wobei ein pauschaler Risikoabschlag von einem Drittel vorzunehmen ist6.
3.614
Der Bewertungsabschlag von einem Drittel gem. § 237 Satz 1 BGB führt bei beweglichen Sachen dazu, dass dem Sicherungsgeber ein Freigabeanspruch regelmäßig erst zusteht, wenn der Marktpreis bzw. der Einkaufs- oder der Herstellungspreis der sicherungsübereigneten Waren, soweit sie zu berücksichtigen sind und andere Sicherheiten nicht zur Verfügung stehen, 150 % der gesicherten Forderung ausmacht. Entsprechendes gilt bei Globalzessionen für den Nennwert der berücksichtigungsfähigen Forderungen7. 1 BGH v. 28.4.1994 – IX ZR 248/93, WM 1994, 1161, 1163; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 14; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen. Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 341. 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232. 3 Saenger, ZBB 1998, 174, 176; Pfeiffer, WM 1995, 1565, 1567; Rellermeyer, WM 1994, 1009. 4 Saenger, ZBB 1998, 174, 180. 5 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 341; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/480; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 16; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 83; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, Nr. 16 AGB-Banken Rz. B 76. 6 Der Sicherheitsaufschlag von 10 % für etwa anfallende Feststellungs-, Verwertungs- und Rechtsverfolgungskosten ist hierin bereits enthalten, Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/480; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, Nr. 16 AGB-Banken Rz. B 76. 7 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232.
322 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Der Zuschlag von 50 % kann jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nur eine Orientierungshilfe darstellen. Dies umso mehr, als §§ 232 ff. BGB nicht auf Globalabtretungen und Sicherungsübereignungen zugeschnitten sind und keine für alle Sachverhalte passende Regelung enthalten. Aus der Bewertungsvorschrift des § 237 Satz 1 BGB kann aber eine widerlegliche Vermutung abgeleitet werden, dass derjenige, der behauptet, ein Abschlag von einem Drittel oder eine Freigabegrenze von 150 % – bezogen auf den Nennwert von Forderungen und den Marktpreis bzw. den Einkaufs- oder Herstellungspreis von Waren – sei im Streitfalle unangemessen, dies substantiiert darzulegen oder zu beweisen hat. Dies gilt auch dann, wenn der Abschlag bzw. die Deckungsgrenze in dem formularmäßigen Sicherungsvertrag ohne Rücksicht auf die konkrete Risikolage anders festgelegt worden ist (§ 307 BGB).
3.615
Die Maßgeblichkeit dieses gesetzlichen Abschlags lässt sich nicht schon mit dem allgemeinen Vorbringen entkräften, bei der Verwertung von Sicherungsgut werde oft nur die Hälfte des Verkehrswertes erzielt1. Zur Durchsetzung eines von § 237 Satz 1 BGB abweichenden Bewertungsabschlags sind deshalb hierfür konkrete (Erfahrungs-)Tatsachen nachzuweisen. Diese müssen belegen, dass der gesetzliche Abschlag den besonderen Verhältnissen der Branche oder des Sicherungsgebers überhaupt nicht gerecht wird, sondern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gem. § 287 ZPO erheblich anders zu bemessen ist und deshalb zu einem ganz anderen Sicherungswert führen muss2.
3.616
4. Wahlrecht der Bank Die Bank kann nach ihrer Wahl bestimmen, welche Sicherheiten sie freigeben will (Nr. 16 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken). Bei diesem Auswahlrecht handelt es sich um eine Wahlschuld nach § 262 BGB3. Der Kunde hat also keinen Anspruch auf Freigabe einer bestimmten Sicherheit.
3.617
Auch die Ausübung dieses Wahlrechts steht aber unter dem Gebot von Treu und Glauben4. Die AGB-Banken stellen deshalb ausdrücklich klar, dass die Bank bei der Auswahl der freizugebenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden und eines dritten Sicherungsgebers Rücksicht nehmen wird. In diesem Rahmen ist die Bank auch verpflichtet, Aufträge des Kunden über die dem Pfandrecht unterliegenden Werte auszuführen, insbesondere Wertpapiere zu verkaufen und Sparguthaben auszuzahlen (Nr. 16 Abs. 2 Satz 2 AGB-Banken). Die gebotene Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange dritter Sicherungsgeber bedeutet aber nicht, dass deren Sicherheiten zuerst freigegeben werden müssten, weil sie der abgesicherten Kreditgewährung ferner stehen als der Kreditnehmer5.
3.618
1 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232. 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227, 232. 3 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 28; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 350; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/485; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 2. 4 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 28; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 350; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/485a. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 31; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/485b; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, Nr. 16 AGB-Banken Rz. B 78.
Merz/Federlin | 323
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
5. AGB-Sparkassen
3.619
Der Freigabeanspruch ist in Nr. 22 Abs. 2 AGB-Sparkassen geregelt und entspricht trotz des unterschiedlichen Wortlauts der Regelung in Nr. 16 AGB-Banken1.
3.620–3.624 Einstweilen frei.
XVII. Nr. 17 AGB-Banken: Verwertung von Sicherheiten (Merz/Federlin) 17. Verwertung von Sicherheiten (1) Wahlrecht der Bank Wenn die Bank verwertet, hat sie unter mehreren Sicherheiten die Wahl. Sie wird bei der Verwertung und bei der Auswahl der zu verwertenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden und eines dritten Sicherungsgebers, der für die Verbindlichkeiten des Kunden Sicherheiten bestellt hat, Rücksicht nehmen. (2) Erlösgutschrift nach dem Umsatzsteuerrecht Wenn der Verwertungsvorgang der Umsatzsteuer unterliegt, wird die Bank dem Kunden über den Erlös eine Gutschrift erteilen, die als Rechnung für die Lieferung der als Sicherheit dienenden Sache gilt und den Voraussetzungen des Umsatzsteuerrechts entspricht.
3.625
Bei der Überarbeitung der AGB-Banken im Jahre 1993 sind die Regelungen der Sicherheitenverwertung grundlegend neu konzipiert worden, so dass sich Nr. 17 AGB-Banken seitdem auf allgemeine Grundsätze beschränkt. Geblieben sind nur das Auswahlrecht unter mehreren Sicherheiten (Nr. 17 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken) und das Gebot zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange des Kunden bei der Auswahl und Verwertung der Sicherheiten (Nr. 17 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken). Diese beiden Grundsätze gelten bezüglich aller zugunsten der Bank bestellten Sicherheiten2. Weitere Verwertungsregelungen enthalten die üblichen formularmäßigen Sicherheitenverträge. Dort kann auch den Besonderheiten der jeweiligen Sicherheitenart Rechnung getragen werden, ohne gegen das Gebot übersichtlicher AGB-Regelungen zu verstoßen3.
3.626
Soweit in den gesonderten Sicherheitenverträgen keine besonderen Verwertungsregelungen getroffen worden sind, sind die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze anwendbar4. Dabei kommt den pfandrechtlichen Bestimmungen auch für die nicht-akzessorischen Sicherheiten in einem gewissen Umfang Leitbildfunktion zu5. Dies gilt insbesondere für die sog. Pfandreife, die besagt, dass die Verwertung grundsätzlich die Fälligkeit der gesicherten Forderung der Bank voraussetzt (§ 1228 Abs. 2 Satz 1 BGB)6. Ein Verzug des Kunden ist also grundsätzlich nicht erforderlich. 1 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/485d. 2 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/486; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 358; Merkel, WM 1993, 725, 733. 3 Werhahn/Schebesta, AGB und die Sonderbedingungen der Banken, Rz. 358. 4 Zur Verwertung verpfändeter Aktien: Wittig in FS Kümpel, 2003, S. 587. 5 Kümpel, WM 1978, 970, 973. 6 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/488; Damrau in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 1228 BGB Rz. 8.
324 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Erhebliche praktische Bedeutung hat die pfandrechtliche Verwertungsvorschrift des § 1234 Abs. 1 BGB, wonach die Verwertung dem Verpfänder vorher anzudrohen ist. Der Verkauf der Sicherheiten darf nicht vor Ablauf eines Monats nach der Androhung erfolgen (§ 1234 Abs. 2 BGB). Diese Monatsfrist reduziert sich bei Sicherheitenbestellungen, die auch für den Sicherungsgeber ein Handelsgeschäft (§§ 343, 344, 345 HGB) darstellen, auf eine Woche (§ 368 Abs. 1 HGB). Diese Wartefrist bis zur angedrohten Verwertung verschafft dem Sicherungsgeber eine letzte Chance, sich durch Erfüllung der fälligen Bankforderungen die hierfür haftenden Vermögensgegenstände zu erhalten.
3.627
Diese grundsätzliche Verpflichtung zur Androhung der Verwertung kommt nach dem BGH insbesondere bei nicht offen gelegten Zessionen zum Tragen. Bei solchen stillen Zessionen hat der Kunde ein dringendes schützenswertes Interesse, rechtzeitig vor der Offenlegung und Einzahlung benachrichtigt zu werden, um die ihm drohenden weit reichenden Folgen einer Offenlegung möglichst abwenden zu können1. Eine solche Androhung kann nach § 1234 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB aber unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Dies trifft insbesondere auf den Fall zu, dass gegen den Kunden das Insolvenzverfahren eingeleitet worden ist.
3.628
1. Auswahlrecht der Bank Sind der Bank mehrere Sicherheiten bestellt, so steht ihr bei der Verwertung ein Auswahlrecht zu (Nr. 17 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken). Dieses Auswahlrecht entspricht dem § 1230 BGB, wonach der Pfandgläubiger mangels anderweitiger Vereinbarung unter mehreren Pfandrechten auswählen darf, die verkauft werden sollen. Umstritten ist, ob dieses Auswahlrecht ein Wahlrecht i.S.d. § 262 BGB ist, wie es der BGH bejaht hat2.
3.629
Dieses Wahlrecht gilt auch im Verhältnis unterschiedlicher Sicherungsinstrumente untereinander und damit auch beim Zusammentreffen dinglicher Sicherheiten mit Bürgschaften3. Auch die Rechtsprechung geht grundsätzlich von einer Gleichstufigkeit aller Sicherheiten aus und gewährt deshalb eine Ausgleichspflicht entsprechend den Regeln der Gesamtschuld (§ 426 Abs. 1 BGB)4.
3.630
2. Gebot zur Rücksichtnahme Die Ausübung des Auswahlrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB)5. Dies ist in Nr. 17 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken ausdrücklich klargestellt worden. Pro1 BGH v. 26.1.1989 – III ZR 46/88, NJW-RR 1989, 1009; BGH v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626; BGH v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, NJW 1994, 2754; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 22 Rz. 8, 26; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 366; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/493. 2 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701, 2703; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/491; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, Nr. 17 AGB-Banken Rz. B 82; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, Teil 2, (8) Banken Rz. 66; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 87. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 22 Rz. 15; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 359; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/491. 4 BGH v. 9.10.1990 – XI ZR 200/89, NJW-RR 1991, 170; BGH v. 29.6.1989 – IX ZR 175/88, NJW 1989, 2530. 5 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701.
Merz/Federlin | 325
3.631
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
blematisch wäre es deshalb, wenn die Bank sich nicht aus einem ihr verpfändeten Sparoder Festgeldguthaben befriedigen würde und stattdessen einen verpfändeten Anspruch auf den Rückkaufswert einer Lebensversicherung einziehen würde1.
3.632
Das Gebot der Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen des Kunden und eines vom Kunden verschiedenen (Dritt-)Sicherungsgebers gilt aber nicht nur für die Auswahl unter mehreren Sicherheiten, sondern für die gesamte Verwertung2. a) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gebot des milderen Mittels
3.633
Die Bank muss bei der Verwertung der Sicherheiten auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren3. Es bedarf deshalb stets einer Prüfung der Notwendigkeit einer solchen Verwertung4. Droht z.B. eine wertmäßige Verschlechterung der bestellten Sicherheiten, so steht der Bank ein Anspruch auf Verstärkung der Sicherheiten zu (Nr. 13 Abs. 2 Satz 3 AGB-Banken). Dieser Neubesicherungsanspruch der Bank soll gerade der Vermeidung der Verwertung der bereits bestellten Sicherheiten dienen. Deshalb ist eine Verwertung in solchen Fällen regelmäßig nur verhältnismäßig, wenn das Verlangen nach Verstärkung der Sicherheiten erfolglos geblieben ist5.
3.634
Auch ist die Bank an das Prinzip des milderen Mittels gebunden, wie es in § 777 ZPO zum Ausdruck gekommen ist. Hiernach kann der Schuldner der Zwangsvollstreckung in sein übriges Vermögen im Wege der Erinnerung (§ 766 ZPO) widersprechen, wenn die zugrunde liegende Forderung durch den Wert der den Gläubigern verpfändeten Sachen gedeckt ist. Die Verwertung der Sicherheiten ist deshalb geboten, wenn sie gegenüber einer Vollstreckung in das sonstige Vermögen das mildere Mittel darstellt6.
3.635
Schließlich kann die Verwertung rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Bank ohne eigenes Sicherungsinteresse allein zur Wahrung der Interessen Dritter verwertet7. Der Sicherungsgeber braucht es nach der BGH-Rechtsprechung nicht hinzunehmen, dass die von ihm gestellten Sicherheiten dazu benutzt werden, um Drittinteressen wahrzunehmen, die mit seinem Verhältnis zur Bank nichts zu tun haben8.
1 Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 359; Merkel, WM 1993, 725, 733. 2 BGH v. 7.5.1987 – IX ZR 198/85, NJW 1987, 1291; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 360. Zu der Frage, ob die Bank im Einzelfall eine Obliegenheit zur Verwertung von Sicherheiten treffen kann: Koziol in FS Schimansky, 1999, S. 355. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 22 Rz. 20; Bunte in AGB-Banken, AGBSparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 361; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/498. 4 Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 36. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 22 Rz. 18; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 361; a.A. Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/498. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 22 Rz. 20. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 22 Rz. 19. 8 BGH v. 20.3.1991 – IV ZR 50/90, NJW 1991, 1946.
326 | Merz/Federlin
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
b) Gebot der bestmöglichen Verwertung Die Bank hat sich grundsätzlich um die Erzielung eines möglichst hohen Preises zur Tilgung ihrer Forderung zu bemühen1. Andererseits ist im Regelfall zugunsten der Bank zu berücksichtigen, dass die Sicherheiten wegen der Zahlungsschwierigkeiten und der Vermeidung eines weiteren Zinsschadens möglichst kurzfristig zu verwerten sind2. Ein Verstoß gegen das Gebot der bestmöglichen Verwertung kommt demnach nur in Betracht, wenn die Bank bewusst eine andere vorteilhaftere Verwertungsmöglichkeit nicht genutzt hat, die für sie auch zumutbar war3. Die Bank ist jedoch nicht verpflichtet, eine von ihr vorgesehene Verwertung von Sicherheiten zu unterlassen oder aufzuschieben, wenn der Sicherungsgeber pauschal behauptet, es gebe bessere Verwertungsmöglichkeiten4.
3.636
3. Umsatzsteuerrechtliche Erlösgutschrift Verwertet die Bank die ihr übereigneten Sachen im Wege des freihändigen Verkaufs, so stellt dies eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung an den Käufer dar. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt hierin zugleich eine steuerpflichtige Lieferung des Sicherungsgebers an die Bank5. Der Sicherungsgeber als Leistungserbringer hätte deshalb der Bank eine die Umsatzsteuer gesondert ausweisende Rechnung zu erteilen (§ 14 Abs. 2 UStG). Als eine solche Rechnung gilt aber auch eine Gutschrift, mit der ein Unternehmer (hier die Bank) über eine steuerpflichtige Lieferung abrechnet, die an ihn ausgeführt wird. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen Sicherungsgeber und Bank Einverständnis über diese Form der Abrechnung besteht (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG). Hierzu bestimmt Nr. 17 Abs. 2 AGB-Banken, dass die Bank bei umsatzsteuerpflichtigen Sicherheitenverwertungen dem Kunden über den Erlös eine Gutschrift erteilen wird, die als Rechnung für die Lieferung der als Sicherheit dienenden Sache gilt und den Voraussetzungen des Umsatzsteuerrechts entspricht.
3.637
4. AGB-Sparkassen Nr. 21 Abs. 5 AGB-Sparkassen enthalten lediglich Verwertungsregelungen für das Pfandrecht und die Sicherungsabtretung. Hinsichtlich anderer Sicherheiten wird im Zweifel unterstellt, dass entweder in dem jeweiligen Sicherheitenvertrag entsprechende Verwertungsregelungen existieren oder die Verwertung sich auf die gesetzlichen Regelungen stützt6. Neben der Nennung der Voraussetzungen für die Verwertung (Nichtleistung trotz Fällig1 BGH v. 7.5.1987 – IX ZR 198/85, NJW-RR 1987, 1291; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 363; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/501; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 365. 2 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/501; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 364; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 22 Rz. 23. 3 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/501; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 365. 4 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen und Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 17 AGBBanken Rz. 365; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 22 Rz. 24. 5 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/508; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 376. 6 Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 07/14), Rz. 1/507.
Merz/Federlin | 327
3.638
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
keit und Mahnung mit angemessener Nachfrist) ist u.a. auch das Gebot der Rücksichtnahme verankert. Schließlich behält sich die Sparkasse die Möglichkeit vor, Verwertungserlöse, die nicht zur Befriedigung sämtlicher Forderungen ausreichen, nach billigem Ermessen zu verrechnen und damit eine von § 366 BGB abweichende Verrechnungsreihenfolge zu bestimmen1.
3.639–3.640 Einstweilen frei.
XVIII. Nr. 18 AGB-Banken: Kündigungsrechte des Kunden (Merz/Büchel) 18. Kündigungsrechte des Kunden (1) Jederzeitiges Kündigungsrecht Der Kunde kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen (z.B. den Scheckvertrag), für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. (2) Kündigung aus wichtigem Grund Ist für eine Geschäftsbeziehung eine Laufzeit oder eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart, kann eine fristlose Kündigung nur dann ausgesprochen werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Kunden, auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Bank, unzumutbar werden lässt, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen. (3) Gesetzliche Kündigungsrechte Gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt. 1. Überblick
3.641
Die bankmäßigen Geschäftsbeziehungen zwischen Kunde und Bank sind häufig auf Dauer angelegt. Dies gilt insbesondere für die Konto- und Depotverbindung sowie das Kreditkartenverhältnis, aber auch für bestimmte Darlehensarten. Mit der Entwicklung digitaler Dienste – auch außerhalb des eigentlichen Bankgeschäftes – kommen immer neue, in der Regel für unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertragsbeziehungen hinzu. Es besteht deshalb ein generelles Bedürfnis, eine Beendigung der einzelnen Geschäftsbeziehungen durch Kündigung herbeiführen zu können und dieses Kündigungsrecht in den AGB-Banken zu regeln. Soweit die Kündigungsklausel in Nr. 18 AGB-Banken von Geschäftsbeziehungen spricht, ist hiermit eine auf Dauer angelegte Vertragsbeziehung gemeint. Das Erfordernis einer solchen auf Dauer angelegten Vertragsbeziehung wird in der Weise angesprochen, dass als Beispiel der hiervon erfassten Geschäftsbeziehungen der auf Dauer angelegte Scheckvertrag erwähnt wird, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt (Nr. 18 Abs. 1, Nr. 19 Abs. 1 AGB)2.
3.642
Das in Nr. 18 AGB-Banken geregelte Kündigungsrecht des Kunden unterscheidet zwischen der ordentlichen Kündigung (Abs. 1), der außerordentlichen Kündigung (Abs. 2) und der 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 22 Rz. 40. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 23 Rz. 7; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 378.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Regelung des Verhältnisses zu den gesetzlichen Kündigungsregeln (Abs. 3). Die Rechtsfolgen einer Kündigung sind in den AGB-Banken dagegen nicht geregelt. Diese lassen sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ableiten1 oder sind insbesondere bei Verbrauchern (zwingend) gesetzlich für einzelne Vertragsbeziehungen vorgegeben (z.B. § 500, § 501, § 675h Abs. 3 BGB). Zum Teil finden sich AGB-mäßige Kündigungsrechte auch in den Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen. Ein praktisches Beispiel bildet Nr. 16 der Bedingungen für Kreditkarten („Kündigung des Karteninhabers“).
3.643
2. Jederzeitiges Kündigungsrecht Ist für die jeweilige Geschäftsbeziehung weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart, so steht dem Kunden nach Nr. 18 Abs. 1 AGB das ordentliche Kündigungsrecht zu. Dieses Recht ergibt sich bereits aus dem Grundsatz, dass bei einem unbefristeten Dauerschuldverhältnis jeder Vertragspartner nach Treu und Glauben berechtigt ist, den Vertrag nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes mit Wirkung für die Zukunft zu beenden2. Der Kunde kann im Unterschied zur Bank dieses Kündigungsrecht jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ausüben. Ist dagegen für eine Geschäftsbeziehung eine Laufzeit oder eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart worden, ist in diesen Fällen nur eine Kündigung gemäß der getroffenen Vereinbarung oder eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zulässig. Die Vereinbarung einer abweichenden Kündigungsregelung kann auch in AGB getroffen werden3. Dabei muss die Bank zwingende gesetzliche Vorgaben beachten. So darf bei einem Zahlungsdiensterahmenvertrag mit einem Verbraucher keine längere Kündigungsfrist als von einem Monat vereinbart werden, § 675h Abs. 1 Satz 2 BGB.
3.644
Problematisch sind die Fälle, in denen die gekündigte Geschäftsbeziehung zwangsläufig Auswirkungen auch auf andere Geschäftsbeziehungen hat. Dies gilt insbesondere bei der Kündigung eines laufenden Kontos, das häufig die vertragliche Rechtsgrundlage für andere Geschäftsbeziehungen bildet. Ist dem Kunden auf dem laufenden Konto eine Überziehungsmöglichkeit eingeräumt worden (§ 504 BGB) und kündigt der Kunde das laufende Konto, so erstreckt sich die Kündigung des laufenden Kontos zwangsweise auch auf die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit4. Denn die gesetzliche Definition der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit setzt zwingend das Vorhandensein eines laufenden Kontos voraus5.
3.645
Will der Kunde einzelne Geschäftsbeziehungen kündigen, kommt es außerdem darauf an, ob es sich bei diesen Leistungen nach dem Willen der Vertragsparteien um selbständige Verträge wie beim Kreditkartenvertrag oder teilbare, selbständige Vertragsbestandteile wie bei einzelnen Leistungen in Electronic Banking-Verträgen handelt oder ob die Leistun-
3.646
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 23 Rz. 14 ff.; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 382; Fandrich in von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 90; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, AGB der Banken, Rz. B 85; Wulfers in BuB, Rz. 1/527. 2 BGH v. 10.6.1985 – III ZR 63/84, WM 1985, 1059; OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 23 Rz. 1. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 23 Rz. 6; Fandrich in von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 90. 5 Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
gen so miteinander verbunden sind, dass nur der gesamte Vertrag gekündigt werden kann. So können regelmäßig einzelne Vertragsbestandteile wie Lastschriftabbuchungen oder die Möglichkeit, Überweisungen auszuführen, bei Zahlungsdiensterahmenverträgen nicht gesondert gekündigt werden1. Dagegen ist die Umwandlung eines Giro- in ein Pfändungsschutzkonto als Zusatzleistung oder -vereinbarung selbständig kündbar, die Kündigung führt zu einer Rückumwandlung in das ursprüngliche Girokonto2. Dabei können die Parteien in AGB vereinbaren, dass die Kündigung nur zum Ende des laufenden Monats möglich ist3. 3. Kündigung aus wichtigem Grund
3.647
Das in Nr. 18 Abs. 2 AGB geregelte außerordentliche Kündigungsrecht des Kunden knüpft an das Vorliegen eines wichtigen Grundes an. Ein solcher wichtiger Grund liegt nach der AGB-Klausel nur vor, wenn es dem Kunden auch unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Belange der Bank unzumutbar ist, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen. Dieses Kündigungsrecht ist von geringer praktischer Bedeutung4, weil der Kunde nur selten an einer Aufkündigung der Geschäftsbeziehung interessiert ist5. 4. Gesetzliche Kündigungsrechte
3.648
Die Regelung in Nr. 18 Abs. 3 AGB soll klarstellen, dass gesetzliche Kündigungsrechte des Kunden durch diese Regelung nicht eingeschränkt werden sollen6. Dies gilt sowohl für die außerordentlichen Kündigungsrechte (z.B. § 314 BGB, § 490 Abs. 2 BGB) als auch für die ordentlichen Kündigungsrechte (z.B. § 488 Abs. 3 BGB, § 489 BGB, § 500 Abs. 1 BGB, § 675h Abs. 1 BGB) des Kunden. 5. Kündigungsrecht nach Nr. 26 AGB-Sparkassen
3.649
Während die AGB-Banken seit 1993 die Kündigungsrechte des Kunden (Nr. 18 AGB-Banken) und der Bank (Nr. 19 AGB-Banken) getrennt regeln, um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB besser zu entsprechen, sind die Kündigungsrechte des Kunden und der Sparkasse in den AGB-Sparkassen nach wie vor zusammen gefasst (Nr. 26 AGB-Sparkassen). Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Regelungen bezüglich des Kündigungsrechts des Kunden jedoch im Wesentlichen nicht7.
3.650–3.654 Einstweilen frei. 1 Zur Frage der Teilbarkeit s. auch BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, WM 2006, 179, auch wenn diese Entscheidung noch zur alten Rechtslage vor den Zahlungsdiensterichtlinien 1 und 2 ergangen ist. 2 BGH v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, WM 2015, 822. 3 BGH v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, WM 2015, 822. 4 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 380. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 23 Rz. 13; Wulfers in BuB, Rz. 1/ 526b. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 18 AGB-Banken Rz. 3; Sonnenhol, WM 2002, 1259. 7 Wulfers in BuB, Rz. 1/542-1/553; im Grundsatz so auch Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 23 Rz. 18 mit dem Hinweis auf die Bedenklichkeit hinsichtlich der für den Kunden sofortigen Fälligkeit aller Beträge ohne Abwicklungsfrist gem. Nr. 26 Abs. 4 Satz 1 AGB-Sparkassen.
330 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
XIX. Nr. 19 AGB-Banken: Kündigungsrechte der Bank (Merz/Büchel) 19. Kündigungsrechte der Bank (1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages (zum Beispiel laufendes Konto oder Kartenvertrag) und eines Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens zwei Monate. (2) Kündigung unbefristeter Kredite Kredite und Kreditzusagen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, kann die Bank jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Die Bank wird bei der Ausübung dieses Kündigungsrechts auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Soweit das Bürgerliche Gesetzbuch Sonderregelungen für die Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrages vorsieht, kann die Bank nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen. (3) Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist Eine fristlose Kündigung der gesamten Geschäftsverbindung oder einzelner Geschäftsbeziehungen ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der der Bank deren Fortsetzung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden unzumutbar werden lässt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, – wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung oder über andere mit Risiken für die Bank verbundene Geschäfte (z.B. Aushändigung einer Zahlungskarte) von erheblicher Bedeutung waren; bei Verbraucherdarlehen gilt dies nur, wenn der Kunde für die Kreditwürdigkeitsprüfung relevante Informationen wissentlich vorenthalten oder diese gefälscht hat und dies zu einem Mangel der Kreditwürdigkeitsprüfung geführt hat, oder – wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens oder die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist, oder – wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 Abs. 2 dieser Geschäftsbedingungen oder auf Grund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt. Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer vertraglichen Pflicht, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, es sei denn, dies ist wegen der Besonderheiten des Einzelfalles (§ 323 Absätze 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches) entbehrlich. Merz/Büchel | 331
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
(4) Kündigung von Verbraucherdarlehensverträgen bei Verzug Soweit das Bürgerliche Gesetzbuch Sonderregelungen für die Kündigung wegen Verzuges mit der Rückzahlung eines Verbraucherdarlehensvertrages vorsieht, kann die Bank nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen. (5) Kündigung eines Basiskontovertrages Einen Basiskontovertrag kann die Bank nur nach den zwischen der Bank und dem Kunden auf Grundlage des Zahlungskontengesetzes getroffenen Vereinbarungen und den Bestimmungen des Zahlungskontengesetzes kündigen. (6) Abwicklung nach einer Kündigung Im Falle einer Kündigung ohne Kündigungsfrist wird die Bank dem Kunden für die Abwicklung (insbesondere für die Rückzahlung eines Kredits) eine angemessene Frist einräumen, soweit nicht eine sofortige Erledigung erforderlich ist (zum Beispiel bei der Kündigung des Scheckvertrages die Rückgabe der Scheckvordrucke). 1. Überblick
3.655
Das in Nr. 19 AGB geregelte Kündigungsrecht der Bank unterscheidet zwischen der ordentlichen Kündigung unbefristeter Geschäftsbeziehungen (Abs. 1), der ordentlichen Kündigung unbefristeter Kredite (Abs. 2), der außerordentlichen Kündigung (Abs. 3), der Kündigung von Verbraucherdarlehensverträgen bei Verzug (Abs. 4), der Kündigung eines Basiskontovertrages (Abs. 5) und der Regelung zur Abwicklung einer Geschäftsbeziehung nach einer Kündigung (Abs. 6). Abgesehen von der Abwicklungsfrist bei einer Kündigung ohne Kündigungsfrist sind die Rechtsfolgen einer Kündigung in den AGB-Banken nicht geregelt. Diese lassen sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ableiten1. 2. Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
3.656
Wie der Kunde hat auch die Bank ein ordentliches Kündigungsrecht für die Geschäftsverbindung und für solche Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart worden ist2. Dieses Recht ergibt sich bereits aus dem Grundsatz, dass bei einem unbefristeten Dauerschuldverhältnis jeder Vertragspartner nach Treu und Glauben berechtigt ist, den Vertrag nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes mit Wirkung für die Zukunft zu beenden3. Soweit die Kündigungsklausel der Nr. 19 AGB von Geschäftsbeziehungen spricht, ist hiermit eine auf Dauer angelegte Vertragsbeziehung gemeint. Das Erfordernis einer solchen auf Dauer angelegten Vertragsbeziehung wird in der Weise angesprochen, dass als Beispiel der hiervon erfassten Geschäftsbeziehungen der auf Dauer angelegte Scheckvertrag erwähnt wird, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt (Nr. 19 Abs. 1 AGB)4. 1 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 9. 2 Zur Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz: OLG Köln v. 17.11.2000 – 13 W 89/00, WM 2001, 504. 3 BGH v. 10.6.1985 – III ZR 63/84, WM 1985, 1059, 1061; OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 390; Wulfers in BuB, Rz. 1/554 m.w.N. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 23 Rz. 7; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 378.
332 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Will die Bank einzelne Geschäftsbeziehungen kündigen, kommt es wie bei der Kündigung durch den Kunden darauf an, ob es sich bei diesen Leistungen nach dem Willen der Vertragsparteien um selbständige Verträge oder teilbare, selbständige Vertragsbestandteile handelt oder ob die Leistungen so miteinander verbunden sind, dass nur der gesamte Vertrag gekündigt werden kann (wie üblicherweise bei Zahlungsdiensterahmenverträgen1).
3.657
Die Bank kann im Unterschied zum Kunden eine Geschäftsbeziehung, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart worden ist, jederzeit nur unter Einhaltung einer angemessenen Frist kündigen. Für die Unbedenklichkeit des ordentlichen Kündigungsrechts der Bank spricht neben der unternehmerischen Dispositionsfreiheit der Umstand, dass die Bank bei der Bemessung der Kündigungsfrist auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht zu nehmen hat (Nr. 19 Abs. 1 Satz 2 AGB). Welche Kündigungsfrist angemessen ist, hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab2. Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages (§ 675f Abs. 2 BGB, z.B. laufendes Konto oder Kartenvertrag) und eines Depots ist eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Monate vorgesehen (Nr. 19 Abs. 1 Satz 3 AGB). Damit entspricht die Frist den gesetzlichen Vorgaben für Zahlungsdiensterahmenverträge gem. § 675h Abs. 2 Satz 2 BGB und ist in den AGB der Bank auch wirksam mit dem Kunden vereinbart3.
3.658
Bis zur Einführung des Basiskontos4 sollten die Banken die Besonderheiten beim Girokonto für Jedermann beachten. Eine Kündigung des Girokontos für jedermann nach Nr. 19 Abs. 1 AGB war nicht auf Grund der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA – heute: Die Deutsche Kreditwirtschaft, DK) aus dem Jahr 1995 ausgeschlossen. Zum einen stellte die ZKA-Empfehlung nur eine Bitte des ZKA an die Mitglieder dar und zum anderen hatten sich die Kreditinstitute in der Regel auch nicht in einer einklagbaren Weise zur Einhaltung der ZKA-Empfehlung verpflichtet5. Bei der mitunter anzutreffenden Bezeichnung der ZKA-Empfehlung als „Selbstverpflichtung“ handelte es sich daher lediglich um eine plakative Verkürzung des Sachverhalts6. Davon unabhängig war es aus Banksicht empfehlenswert, nur in den in der ZKA-Empfehlung genannten Gründen von der Möglichkeit einer Kündigung Gebrauch zu machen. Mit dem Basiskonto steht nunmehr ein gesetzlich geregelter Anspruch auf ein Girokonto für jedermann mit speziellen Kündigungsgründen zur Verfügung. Die ZKA-Empfehlung hat sich damit erledigt. Sofern keine besonderen Kündigungsgründe oder die ZKA-Empfehlung mit dem Kunden vereinbart worden sind, können diese Verträge nach Nr. 19 Abs. 1 AGB wie andere auch gekündigt werden. Der Kunde kann dann aber einen Anspruch auf Abschluss eines Basiskontovertrages – auch bei derselben, kündigenden Bank – haben.
3.659
Das Gleiche gilt für Girokonten, die als Pfändungsschutzkonto (§ 850k ZPO) geführt werden7. Das Pfändungsschutzkonto ist kein eigenständiges, vom ursprünglichen Konto ver-
3.660
1 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, WM 2006, 179, s. auch Rz. 3.646. 2 Der BGH hat in einem Einzelfall zwei Wochen für ausreichend erachtet, BGH v. 11.12.1990 – XI ZR 54/90, WM 1991, 317, 318. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 23 Rz. 12. 4 Zur Kündigung von Basiskonten s. Rz. 3.678. 5 Damit bestand beim Girokonto für Jedermann grundsätzlich kein Kontrahierungszwang, LG Berlin v. 12.8.2008 – 10 S 4/08, juris und BeckRS 2009, 06446; Lücke, BKR 2009, 457; a.A. LG Berlin v. 24.4.2003 – 21 S 1/03, BKR 2004, 127; zum Kontrahierungszwang der öffentlich-rechtlichen Sparkassen: Geschwandtner/Bornemann, NJW 2007, 1253. 6 OLG Bremen v. 22.12.2005 – 2 U 67/05, BKR 2006, 294, 295; Lücke, BKR 2009, 457. 7 Zum Pfändungsschutzkonto: Ahrens, NJW 2010, 2001; Büchel, ZInsO 2010, 20; Büchel, BKR 2009, 358; Lücke, BKR 2009, 457.
Merz/Büchel | 333
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
schiedenes Konto oder Aliud. Bei der Umwandlung eines Giro- in ein Pfändungsschutzkonto handelt es sich lediglich um eine Zusatzleistung oder -vereinbarung zum ursprünglichen Girokonto1. Deshalb kann die Bank das als Pfändungsschutzkonto geführte Konto nach den Vereinbarungen und Grundsätzen des ursprünglichen Girokontos kündigen2. Bei einem Basiskonto sind die besonderen Kündigungsgründe zu beachten3, bei einem Girokonto für jedermann gelten die vorstehenden Ausführungen. Einen Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos als Pfändungsschutzkonto hat der Kunde aber nur bei gleichzeitiger Eröffnung des Kontos als Basiskonto, § 33 Abs. 1 Satz 3 ZKG.
3.661
Eine Kündigung eines Girokontos durch eine Sparkasse wegen politischer Betätigung ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht zulässig, solange das BVerfG die Verfassungswidrigkeit der Partei nicht festgestellt hat4. Diese Entscheidung kann grundsätzlich nicht auf private Banken übertragen werden, da private Banken keine öffentlichen Aufgaben wahrnehmen. Eine Ausnahme besteht für privatrechtlich organisierte Kreditinstitute, die ausschließlich von der öffentlichen Hand beherrscht werden5. Denn auch diese Kreditinstitute haben nach der Rechtsprechung des BGH das in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Willkürverbot zu beachten.
3.662
Die Bank muss bei der ordentlichen Kündigung nach Nr. 19 Abs. 1 AGB keine Interessenabwägung vornehmen. Sie ist hierbei auch nicht an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz zur gleichmäßigen Behandlung sämtlicher Vertragspartner gebunden6. Die Kündigung muss zudem nicht begründet werden, selbst wenn es sich beim Vertragspartner um einen Verbraucher handelt7. Ausnahmen bilden nur die Kündigung eines Basiskontos8 oder durch eine Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts, die wegen der Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG nur beim Vorliegen eines sachlichen Grundes kündigen darf9. Die Sparkasse ist – anders als die Bank – wegen der Notwendigkeit des Vorliegens eines sachlichen Grundes zudem gehalten, die Kündigung zu begründen10. 3. Kündigung unbefristeter Kredite
3.663
Eine abweichende Sonderregelung des ordentlichen Kündigungsrechts enthält Nr. 19 Abs. 2 AGB für unbefristete Kredite und Kreditzusagen. Hiervon sind insbesondere Kredit- bzw. Dispositionslinien erfasst, die generell unbefristet oder „bis auf weiteres“ zugesagt werden11. Im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern gelten daneben auch Sonderbedingungen der Banken, die weitere Einzelheiten regeln12. Die Kündigung darf bei unbefristeten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
BGH v. 10.2.2015 – XI ZR 187/13, WM 2015, 822. OLG Dresden v. 10.4.2018 – 14 U 82/16, ZIP 2018, 1919. Zur Kündigung von Basiskonten s. Rz. 3.678. BGH v. 11.3.2003 – XI ZR 403/01, WM 2003, 823; Unger-Hellmich/Stephan, BKR 2009, 441. BGH v. 2.12.2003 – XI ZR 397/02, BKR 2004, 160; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 12a. BGH v. 15.1.2013 – XI ZR 22/12, WM 2013, 316. BGH v. 15.1.2013 – XI ZR 22/12, WM 2013, 316 Rz. 15. Zur Kündigung von Basiskonten s. Rz. 3.678. BGH v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, WM 2015, 1379 Rz. 12; Nr. 26 Abs. 1 Satz 1 AGB-Sparkassen ist entsprechend angepasst worden. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 59c. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 13. Z.B. Bedingungen für die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit, Bedingungen für geduldete Überziehungen; zu weiteren Besonderheiten s. auch Rz. 3.665.
334 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Krediten im Unterschied zu den sonstigen Fällen der ordentlichen Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist erfolgen. Gegen die formularmäßige Vereinbarung des jederzeitigen Kündigungsrechts bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Das jederzeitige Kündigungsrecht der Bank nach Nr. 19 Abs. 2 AGB ist bereits durch die Rechtsprechung für wirksam erklärt worden1. Dies wird durch die Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz insoweit bestätigt, als § 490 BGB nach der amtlichen Überschrift nur außerordentliche Kündigungen erfasst und ordentliche Kündigungsrechte, wie z.B. das jederzeitige Kündigungsrecht aus Nr. 19 Abs. 2 AGB, nicht berührt2. Auch nach Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie3 ist die Regelung in Nr. 19 Abs. 2 AGB wirksam und benachteiligt den Darlehensnehmer nicht unangemessen wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dies folgt aus § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB, der weitere Erleichterungen von §§ 491 ff. BGB für eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten enthält, bei denen das Darlehen nach seiner Auszahlung binnen drei Monate oder nach Aufforderung, also nach fristloser Kündigung durch die Bank, zurückzuzahlen ist4. Dieses ordentliche Kündigungsrecht darf jedoch nicht willkürlich und ohne Rücksichtnahme darauf ausgeübt werden, ob dem Kunden vermeidbare und durch das Bankinteresse nicht gerechtfertigte Nachteile zugefügt werden5. So darf eine ordentliche Kündigung nach der Rechtsprechung nicht zur Unzeit, nicht rechtsmissbräuchlich oder unter Missachtung der Pflicht zur Rücksichtnahme (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB) erfolgen6. Dementsprechend bestimmt Nr. 19 Abs. 2 Satz 2 AGB, dass die Bank bei der Ausübung dieses Kündigungsrechts auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen wird. Deshalb hat die Bank vor der Kündigung eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen7. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass die Kündigung nicht fristlos, sondern nur mit einer angemessenen Frist ausgesprochen wird.
3.664
Soweit das BGB Sonderregelungen für die Kündigung eines Verbraucherdarlehens vorsieht, kann die Bank nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen. Dies wird in Nr. 19 Abs. 2 Satz 3 AGB ausdrücklich klargestellt. Hierbei handelt es sich um eine deklaratorische AGB-Bestimmung. Sie soll Zweifel oder Missverständnisse über den Vorrang der zwingenden Vorschriften ausräumen. Bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag geht z.B. die Mindestkündigungsfrist von zwei Monaten nach § 499 Abs. 1 BGB vor. Bei einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit (Dispositionskredit) oder geduldeten Überziehung
3.665
1 LG Köln v. 25.2.1998 – 26 O 90/97, WM 1998, 1067 = WuB I A 2. Nr. 19 AGB-Banken 1993 2.98 (Livonius). 2 BT-Drucks. 14/6040, 254; Wittig/Wittig, WM 2002, 145. 3 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29.7.2009, BGBl. I 2009, 2355. 4 BT-Drucks. 16/11643, 90; Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105. 5 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234; BGH v. 19.9.1979 – III ZR 93/76, 1979, 1176, 1179; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 15; Bunte, AGBBanken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 396 ff.; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 394; Wulfers in BuB, Rz. 1/561 ff. 6 OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 17 ff.; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 398 ff.; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, AGB der Banken Rz. B 89; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken Rz. 386; Wulfers in BuB, Rz. 1/561 ff. 7 BGH v. 30.5.1985 – III ZR 112/84, WM 1985, 1128, 1136; OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486.
Merz/Büchel | 335
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
hingegen verbleibt es nach § 504 Abs. 1 Satz 4 und § 505 Abs. 4 BGB bei der Möglichkeit zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nach Nr. 19 Abs. 2 Satz 1 AGB. 4. Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
3.666
Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann die Bank die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen1 fristlos kündigen. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist zwingend und besteht selbst dann, wenn eine Laufzeitvereinbarung oder eine anderweitige Kündigungsregelung getroffen worden ist2. Ein wichtiger Grund im Sinne des außerordentlichen Kündigungsrechts liegt vor, wenn es der Bank unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist, die Geschäftsbeziehung bis zu der vereinbarten Beendigung fortzusetzen3. Ein Verschulden des Kunden an dem Kündigungsgrund ist nicht erforderlich4.
3.667
Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB enthält einige Regelbeispiele, in denen ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung gegeben ist. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, was sich aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ und der Regelbeispieltechnik ergibt5. Wenn auch die für das Kündigungsrecht aufgezählten wichtigen Gründe nicht abschließend sind, kommen nur solche sonstigen Gründe in Betracht, die in ihrer Bedeutung den ausdrücklich genannten Gründen gleichkommen6. Hierzu zählen nach allgemeiner Meinung auch Vollstreckungsmaßnahmen sowie Scheck- und Wechselproteste7. a) Kündigung wegen unrichtiger Angaben
3.668
So liegt ein wichtiger Grund vor, wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögenslage gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung oder über andere mit Risiken für die Bank verbundene Geschäfte von erheblicher Bedeutung sind. Die Klausel erwähnt hierzu beispielhaft die Aushändigung einer Zahlungskarte. Den „unrichtigen Angaben“ im Sinne der AGB-Klausel steht die pflichtwidrige Unterlas1 Wie bei der ordentlichen Kündigung kommt es bei der außerordentlichen Kündigung einzelner Geschäftsbeziehungen auf deren (Teil-)Selbständigkeit an, vgl. auch Rz. 3.646. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 2. 3 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234, 235; BGH v. 19.9.1985 – III ZR 213/83, NJW 1986, 46; BGH v. 9.7.1991 – XI ZR 72/90, NJW 1991, 2559; Beispiele für einen wichtigen Grund nach OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486: schwerwiegende Verletzung von vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten, unberechtigte Vorwürfe, Beleidigungen; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 407; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 4; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Teil 2, (8) Banken (Kreditinstitute) Rz. 70; Wulfers in BuB, Rz. 1/575-1/576. 4 Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 402. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 29; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 407; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 5; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 404; Wulfers in BuB, Rz. 1/595. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 42; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 402; Wulfers in BuB, Rz. 1/595; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, AGB der Banken Rz. B 90. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 42; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 422; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 412.
336 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
sung vollständiger Aufklärung gleich1. Der Kunde ist verpflichtet, die kreditgewährende Bank über alle erkennbar für ihre Kreditentscheidung erheblichen Tatsachen, insbesondere über die für die Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit und Bonität wesentlichen Umstände aufzuklären2. Die unrichtigen Angaben bzw. die verschwiegenen Umstände müssen im Übrigen für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung von erheblicher Bedeutung gewesen sein (Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 1. Spiegelstrich AGB)3. Sie müssen sich entweder auf die Sicherheit der Kredite auswirken oder Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Kunden begründen4. Bei einem Verbraucherdarlehensvertrag kommt kündigungserschwerend hinzu, dass ein außerordentliches Kündigungsrecht der Bank nur dann gegeben ist, wenn der Kunde die für die Kreditwürdigkeitsprüfung relevanten Informationen wissentlich vorenthalten oder gefälscht und dies zu einem Mangel der Kreditwürdigkeitsprüfung geführt hat. Diese Ergänzung war durch das Umsetzungsgesetz zur EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie ab 21.3.2016 erforderlich geworden und spiegelt den neuen § 499 Abs. 3 BGB wider. Danach genügt es nicht mehr, wenn der Kunde beispielsweise seine Gehaltsabrechnung gefälscht hat. Die Fälschung muss außerdem zu einem Mangel der Kreditwürdigkeitsprüfung geführt haben. Maßstab für die Prüfung ist § 505b Abs. 1–3 BGB5.
3.669
b) Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung Die Bank darf auch fristlos kündigen, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens oder die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist (Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Spiegelstrich AGB). Diese Regelung entspricht im Wesentlichen der in § 490 Abs. 1 BGB, wonach eine Kündigung nur zulässig ist, wenn der Rückerstattungsanspruch auch unter Verwertung der Sicherheit gefährdet wird und damit zugunsten eines Ausschlusses eines Kündigungsrechtes bei hinreichender Sicherheit entschieden ist6. Wann sich die Vermögenssituation des Darlehensnehmers so verschlechtert, dass die Rückerstattung des Darlehens gefährdet und damit wesentlich ist, lässt sich weder Nr. 19 Abs. 3 AGB noch § 490 Abs. 1 BGB entnehmen. Von daher ist eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles und eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien auch weiterhin erforderlich7. Eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse kann folglich nicht allein rechnerisch ermittelt werden, auch wenn zur Ermittlung ein Vergleich der objektiven Vermögenslage bei Vertragsabschluss und der aktuellen vorzunehmen ist8. Anzeichen für eine Verschlechterung sind insbeson1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 31; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 409; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 405. 2 BGH v. 26.9.1985 – III ZR 229/84, WM 1985, 1437; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 30; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 408; Wulfers in BuB, Rz. 1/584. 3 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 408; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 5a; Wulfers in BuB, Rz. 1/584. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 30. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 30. 6 BT-Drucks. 14/6857, 32; kritisch hierzu: Sonnenhol, WM 2002, 1259, 1264. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 33. 8 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 33; Regenfus, ZBB 2015, 383.
Merz/Büchel | 337
3.670
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
dere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie Kontopfändungen oder die Beantragung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden.
3.671
Auch die Frage der Werthaltigkeit einer Sicherheit wirft Probleme auf. Durch die Regelung des § 490 Abs. 1 BGB, die in Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Spiegelstrich AGB umgesetzt wurde, können sich bei der Bewertung von Sicherheiten insoweit Probleme ergeben, als sich allgemein gültige Maßstäbe für die die Bewertung von Sicherheiten bei Eintritt des Sicherungsfalles als entscheidenden Zeitpunkt nicht im Voraus festlegen lassen1. Zur Bewertung von Sicherheiten können als Orientierung jedoch die Grundsätze des BGH herangezogen werden, die er im Rahmen der Freigabe bei revolvierenden Globalsicherheiten aufgestellt hat2: bei marktüblichen Waren deren Verkehrswert, ansonsten der Warenschätzwert im Zeitpunkt der Entscheidung über die Werthaltigkeit der Sicherheit und bei Forderungen grundsätzlich deren Nennwert.
3.672
Die Verschlechterung der Werthaltigkeit einer Sicherheit stellt für sich allein genommen keinen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Hierbei kommt es zudem insbesondere darauf an, ob der Darlehensnehmer zahlungsfähig und -willig ist, da es zu einer Verwertung von Sicherheiten erst im Falle einer Nichtzahlung bei Fälligkeit des Darlehens kommen kann3. Die alleinige Verschlechterung der Werthaltigkeit von Sicherheiten führt jedoch zu einem Anspruch der Bank gegen den Darlehensnehmer auf Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 AGB. Kommt der Kunde der Aufforderung unberechtigt nicht nach, kann sich daraus ein Kündigungsgrund wegen ausbleibender Nachbesicherung ergeben (s. nachstehend unter Rz. 3.674).
3.673
Ausreichend für das außerordentliche Kündigungsrecht ist, dass eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers oder des Wertes einer Sicherheit „droht“ (Nr. 19 Abs. 3 AGB). Dieses Drohen der Verschlechterung ist aber nach objektiv nachvollziehbaren Maßstäben zu ermitteln4. Eine allgemeine Verschlechterung der Wirtschaftslage oder eine Verschlechterung innerhalb der Branche ist nicht ausreichend5. Diese Anforderungen, die für die Praxis von besonderem Interesse sind6, sind der Vorschrift des § 490 Abs. 1 BGB nachgebildet. Hiernach ist ein Kreditinstitut vor einer Kreditkündigung aus wichtigem Grund stets gehalten, die Werthaltigkeit der Sicherheiten zu prüfen und eine Prognose darüber anzustellen, ob eine Gefährdung ihres Rückzahlungsanspruchs auch bei Verwertung der Sicherheiten gegeben ist. Jedoch besteht andererseits keine Pflicht zur Verwertung von Dritten gestellter Personal- oder Realsicherheiten7. c) Kündigung wegen ausbleibender Sicherheitenbestellung oder Nachbesicherung
3.674
Schließlich erwähnt die AGB-Klausel als einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung, wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von 1 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, BGHZ 137, 212, 230; vgl. Rz. 3.609. 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, BGHZ 137, 212, 234. 3 Ungeheuer, Das allgemeine Darlehensrecht, in Schimmel/Buhlmann (Hrsg.), Frankfurter Handbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, S. 563. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 37; Hopt in Baumbach/ Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 5b; Freitag, WM 2001, 2370, 2373; Wulfers in BuB, Rz. 1/591. 5 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 417. 6 Sonnenhol, WM 2002, 1259. 7 Kritisch hierzu: Sonnenhol, WM 2002, 1259, 1264.
338 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Sicherheiten oder auf Grund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt. Wie bereits dem Wortlaut der Nr. 19 Abs. 3 AGB entnommen werden kann, besteht das außerordentliche Kündigungsrecht nur dann, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für den Anspruch der Bank auf Bestellung oder Verstärkung gem. Nr. 13 AGB gegeben sind. Auch darf das Verlangen nach zusätzlichen Sicherheiten nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, etwa weil die verlangten Sicherheiten zu einer Übersicherung führen und damit einen Freigabeanspruch des Kunden begründen oder die Bank einen ihr zurechenbaren Vertrauenstatbestand verletzen würde1. Die Bank hat im Übrigen dem Kunden für die verlangte Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten eine angemessene Frist einzuräumen (Nr. 13 Abs. 3 Satz 1 AGB). Sie muss schließlich den Kunden auf die beabsichtigte Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts zuvor hinweisen (Nr. 13 Abs. 3 Satz 2 AGB).
3.675
d) Vorherige Abmahnung Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer vertraglichen Pflicht, ist die Kündigung nach Nr. 19 Abs. 3 Satz 3 AGB erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Eine Abmahnungspflicht ist ausnahmsweise dann nicht erforderlich, wenn diese wegen der Besonderheiten des Einzelfalls (§ 323 Abs. 2 und 3 BGB) entbehrlich ist. Danach ist eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich, wenn der Darlehensnehmer z.B. die Rückführung der Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB), wenn die im Rahmen des Darlehensvertrages als Dauerschuldverhältnis geschuldete Fixschuld nicht rechtzeitig erbracht wird (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB) oder im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Von einer Aufzählung der insoweit in Betracht kommenden Tatbestände ist aus Gründen der Übersichtlichkeit abgesehen worden2. Die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung ist i.S.v. Nr. 19 Abs. 3 Satz 1 AGB jedoch dann zumutbar, wenn erwartet werden kann, dass sich der Kunde nach einer Abmahnung wieder vertragsgetreu verhalten wird3.
3.676
5. Kündigung von Verbraucherdarlehen bei Verzug Soweit in § 498 BGB Sonderregelungen für die Kündigung wegen Verzuges mit der Rückzahlung eines Verbraucherdarlehens vorgesehen sind, kann die Bank nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen (vgl. hierzu Rz. 5.322). Dies wird in Nr. 19 Abs. 4 AGB ausdrücklich klargestellt. Hierbei handelt es sich um eine deklaratorische AGB-Bestimmung. Sie soll Zweifel oder Missverständnisse über den Vorrang der zwingenden Vorschriften ausräumen4. 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 41; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 419; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 408. 2 Sonnenhol, WM 2002, 1259, 1265. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 43; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 415. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 51; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 419.
Merz/Büchel | 339
3.677
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6. Kündigung eines Basiskontovertrages
3.678
Mit dem am 19.6.2016 in Kraft getretenen Zahlungskontengesetz (ZKG) ist ein gesetzlicher Anspruch des Verbrauchers auf ein Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen eingeführt worden. Dieses Basiskonto kann nur unter den Voraussetzungen des § 42 ZKG gekündigt werden. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen dem vereinbarten ordentlichen Kündigungsrecht (§ 42 Abs. 2 ZKG), dem ordentlichen Kündigungsrecht auch ohne Vereinbarung (§ 42 Abs. 3 ZKG) und dem außerordentlichen Kündigungsrecht (§ 42 Abs. 4 ZKG). Die Kündigungsmöglichkeiten sind abschließend geregelt1. Die Kündigung ist in Textform zu erklären, § 43 Abs. 1 Satz 1 ZKG. Abweichend zur Kündigung nach Nr. 19 Abs. 1 AGB muss die Kündigung des Basiskontos grundsätzlich begründet werden, § 43 Abs. 2 Satz 1 ZKG. Die Regelung in Nr. 19 Abs. 5 AGB ist wegen der zwingenden Vorschriften des ZKG (§ 4) zwar deklaratorisch, wegen der Abgrenzung zu den Abs. 1–4 aber zweckmäßig. Die AGB der Sparkassen haben bisher auf eine entsprechende Regelung verzichtet. 7. Abwicklung nach einer Kündigung
3.679
Im Falle einer Kündigung ohne Kündigungsfrist hat die Bank dem Kunden eine angemessene Frist für die Abwicklung der Geschäftsbeziehung einzuräumen, soweit nicht eine sofortige Erledigung erforderlich ist (Nr. 19 Abs. 6 AGB). Diese Verpflichtung gilt sowohl für die fristlose ordentliche als auch für die fristlose außerordentliche Kündigung einer Geschäftsbeziehung2. Angemessen ist die Frist im Sinne dieser Vorschrift, wenn dem Kunden, der seinerseits mit der gebotenen Eile zu handeln hat, ausreichend Zeit zur Verfügung steht, sich um eine andere Bankverbindung zu bemühen3. Als praktisches Beispiel für das Erfordernis eine sofortige Erledigung erwähnt die AGB-Klausel die Rückgabe der Scheckvordrucke bei einer Kündigung des Scheckvertrages. 8. Kündigungsrecht nach Nr. 26 AGB-Sparkassen
3.680
Während in den AGB-Banken seit 1993 die Kündigungsrechte des Kunden (Nr. 18 AGBBanken) und der Bank (Nr. 19 AGB-Banken) klauselmäßig getrennt sind, um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB besser zu entsprechen, sind die Kündigungsrechte des Kunden und der Sparkasse in den AGB-Sparkassen nach wie vor zusammen geregelt (Nr. 26 AGB-Sparkassen). Auch inhaltlich gibt es einige Unterschiede. So kann die Sparkasse zwar grundsätzlich auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen (ausgenommen ist der Zahlungsdiensterahmenvertrag, der ebenfalls nur mit einer Mindestfrist von zwei Monaten gekündigt werden kann), nach der Entscheidung des BGH4 aber nur beim Vorliegen eines sachgerechten Grundes, Nr. 26 Abs. 1 Satz 1 AGB-Sparkassen. Darüber hinaus ist in den AGB-Sparkassen das Kündigungsverbot zur Unzeit ausdrücklich enthalten (Nr. 26 Abs. 1 Satz 2 AGB-Sparkassen), während nach den AGB-Banken die Bank bei der Bemessung der Kündigungsfrist auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen wird (Nr. 19 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken). Die Regelung zur Kündigung aus wichtigem Grund stimmt im Wesentlichen überein, allerdings enthalten die AGB1 2 3 4
Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 52a. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 436; Wulfers in BuB, Rz. 1/605. Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, Rz. 438; Wulfers in BuB, Rz. 1/607. BGH v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, WM 2015, 1379.
340 | Merz/Büchel
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
Sparkassen weitere Beispiele für das Vorliegen eines wichtigen Grundes1. Eine Regelung zur Kündigung eines Basiskontos fehlt dagegen ganz. Nach wie vor enthalten die AGBSparkassen keine Abwicklungsfrist. Ungeachtet dessen ist eine Sparkasse ebenfalls verpflichtet, dem Kunden eine ausreichende Frist zur Abwicklung einzuräumen2.
3.681–3.690
Einstweilen frei.
XX. Nr. 20 AGB-Banken: Einlagensicherungsfonds (Kropf) 20. Einlagensicherungsfonds (1) Schutzumfang Die Bank ist dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. angeschlossen. Der Einlagensicherungsfonds sichert gemäß seinem Statut – vorbehaltlich der darin vorgesehenen Ausnahmen – Einlagen, d.h. Guthaben, die sich im Rahmen von Bankgeschäften aus Beträgen, die auf einem Konto verblieben sind, oder aus Zwischenpositionen ergeben und die nach den geltenden Bedingungen von der Bank zurückzuzahlen sind. Nicht gesichert werden unter anderem die zu den Eigenmitteln der Bank zählenden Einlagen, Verbindlichkeiten aus Inhaber- und Orderschuldverschreibungen sowie Einlagen von Kreditinstituten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, Finanzinstituten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, Wertpapierfirmen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2004/39/EG und Gebietskörperschaften. Einlagen von anderen Gläubigern als natürlichen Personen und rechtsfähigen Stiftungen werden nur geschützt, wenn (i) es sich bei der Einlage um keine Verbindlichkeit aus einer Namensschuldverschreibung oder einem Schuldscheindarlehen handelt und (ii) die Laufzeit der Einlage nicht mehr als 18 Monate beträgt. Auf Einlagen, die bereits vor dem 1. Januar 2020 bestanden haben, findet die Laufzeitbeschränkung keine Anwendung. Nach dem 31. Dezember 2019 entfällt der Bestandsschutz nach vorstehendem Satz, sobald die betreffende Einlage fällig wird, gekündigt werden kann oder anderweitig zurückgefordert werden kann, oder wenn die Einlage im Wege einer Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge übergeht. Verbindlichkeiten der Banken, die bereits vor dem 1. Oktober 2017 bestanden haben, werden nach Maßgabe und unter den Voraussetzungen der bis zum 1. Oktober 2017 geltenden Regelungen des Statuts des Einlagensicherungsfonds gesichert. Nach dem 30. September 2017 entfällt der Bestandsschutz nach dem vorstehenden Satz, sobald die betreffende Verbindlichkeit fällig wird, gekündigt oder anderweitig zurückgefordert werden kann, oder wenn die Verbindlichkeit im Wege einer Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge übergeht. (2) Sicherungsgrenzen Die Sicherungsgrenze je Gläubiger beträgt bis zum 31. Dezember 2019 20 %, bis zum 31. Dezember 2024 15 % und ab dem 1. Januar 2025 8,75 % der für die Einlagensiche1 Zu den Bedenken gegen die weiteren Gründe: Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rz. 61 f. 2 Wulfers in BuB, Rz. 1/608.
Merz/Büchel/Kropf | 341
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
rung maßgeblichen Eigenmittel der Bank im Sinne von Art. 72 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013. Für Einlagen, die nach dem 31. Dezember 2011 begründet oder prolongiert werden, gelten, unabhängig vom Zeitpunkt der Begründung der Einlage, die jeweils neuen Sicherungsgrenzen ab den vorgenannten Stichtagen. Für Einlagen, die vor dem 31. Dezember 2011 begründet wurden, gelten die alten Sicherungsgrenzen bis zur Fälligkeit der Einlage oder bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin. Diese Sicherungsgrenze wird dem Kunden von der Bank auf Verlangen bekannt gegeben. Sie kann auch im Internet unter www.bankenverband.de abgefragt werden. (3) Geltung des Statuts des Einlagensicherungsfonds Wegen weiterer Einzelheiten der Sicherung wird auf § 6 des Statuts des Einlagensicherungsfonds verwiesen, das auf Verlangen zur Verfügung gestellt wird. (4) Forderungsübergang Soweit der Einlagensicherungsfonds oder ein von ihm Beauftragter Zahlungen an einen Kunden leistet, gehen dessen Forderungen gegen die Bank in entsprechender Höhe mit allen Nebenrechten Zug um Zug auf den Einlagensicherungsfonds über. (5) Auskunftserteilung Die Bank ist befugt, dem Einlagensicherungsfonds oder einem von ihm Beauftragten alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. 1. Hinweis auf den Einlagensicherungsfonds und den Schutzumfang
3.691
Nr. 20 AGB dient der Information des Kunden über die Zugehörigkeit zu einer freiwilligen Sicherungseinrichtung der Bank. Die Sicherungseinrichtung soll die geschützten Kunden unmittelbar vor den Nachteilen einer Insolvenz ihrer Bank schützen1. In Nr. 20 Abs. 1 AGB wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bank dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. angeschlossen ist. Hintergrund dieser Information ist § 23a Abs. 1 Satz 1 KWG, wonach die Bank ihre Kunden, die nicht Institute sind, vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung in Textform in leicht verständlicher Form über die für die Sicherung geltenden Bestimmungen einschließlich Umfang und Höhe der Sicherung zu informieren hat. Diese Pflicht soll es Anlegern und Einlagegläubigern ermöglichen, die Ausahl der von ihnen in Anspruch genommenen Institute sachkundig zu treffend und ihnen im Krisenfall einen Überblick über die von ihnen zu ergreifenden Maßnahmen zu ermöglichen2. Die hiernach gebotene leichte Verständlichkeit der Information kann auch dadurch gewahrt sein, wenn die Information in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank erteilt und der Kunde hierauf gesondert hingewiesen wird3. Die Informationspflicht besteht auch gegenüber den Kunden, denen kein Entschädigungsanspruch zusteht4.
3.692
Die Regelung der Nr. 20 AGB hat mit Wirkung zum 1.10.2017 eine weitreichende Änderung erfahren. Unverändert geblieben im Vergleich zur vorherigen Fassung sind lediglich 1 Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 23 KWG Rz. 17. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 446. 3 BGH v. 14.7.2009 – XI ZR 152/08, WM 2009, 1647, 1649. 4 Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 23 KWG Rz. 49.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
die Abs. 4 und 5. Hintergrund der Anpassung war eine Änderung des Statuts des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken e.V. Gemäß § 5 des Statuts des Einlagensicherungsfonds sind die Mitgliedsbanken verpflichtet, die in dieser Regelung enthaltene Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen. Dieser Vorgabe entspricht die neue Fassung von Nr. 20 AGB. Der Einlagensicherungsfonds sichert alle Verbindlichkeiten, die in der Bilanzposition „Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ auszuweisen sind. Hierzu zählen insbesondere Sicht-, Termin- und Spareinlagen einschließlich der auf den Namen lautenden Sparbriefe. In Nr. 20 Abs. 1 AGB wird der Schutzumfang des Einlagensicherungsfonds definiert. Bis auf den ersten Satz wurde der Passus völlig neu gefasst. Gesichert sind Einlagen. Dazu zählen Sicht-, Termin- und Spareinlagen1. In Nr. 20 Abs. 1 Satz 2 AGB wird der neue Einlagenbegriff des Statuts des Einlagensicherungsfonds positiv definiert. In Nr. 20 Abs. 1 Satz 3 AGB wird die Aufzählung der bereits bisher ausgeschlossenen Einlagen um die Einlagen von Finanzinstituten, Wertpapierfirmen und Gebietskörperschaften ergänzt. Diese Ausnahmen entsprechen der Wertung, welche auch der Gesetzgeber im Einlagensicherungsgesetz (EinSiG) vorgenommen hat. Gemäß § 6 Nr. 1, 5, und 10 EinSiG sind die Einlagen der genannten Kundengruppen nicht entschädigungsfähig. Dabei handelt es sich um diejenigen Einlagen, die von der Entschädigung durch die gesetzlichen Einlagensicherungssysteme ausgeschlossen sind, weil sie als grundsätzlich weniger schutzbedürftig angesehen werden. Diese nationale Regelung im EinSiG geht wiederum auf Art. 5 der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.4.2014 über Einlagensicherungssysteme (Einlagensicherungsrichtlinie) zurück. In Erwägungsgrund 31 wird zum Ausdruck gebracht, dass bestimmte Einleger von der Einlagensicherung ausgenommen werden sollen, wozu insbesondere staatliche Stellen oder andere Finanzinstitute zählen, weil deren im Vergleich zu allen anderen Einlegern geringe Zahl bei einem Ausfall eines Kreditinstituts die Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems mindert und staatliche Stellen darüber hinaus einen weitaus leichteren Zugang zu Krediten als Bürger haben. Nr. 20 Abs. 1 Satz 4 AGB bestimmt, dass – mit Ausnahme von natürlichen Personen und rechtsfähigen Stiftungen als Einleger – mit Wirkung zum 1.10.2017 Verbindlichkeiten aus Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen nicht mehr sowie alle Einlagen ab dem 1.1.2020 nur noch geschützt werden, wenn diese eine Laufzeit von nicht mehr als 18 Monaten aufweisen. Nr. 20 Abs. 1 Satz 5 AGB enthält eine Bestandsschutzregelung hinsichtlich der Laufzeitbeschränkung für Einlagen, welche vor dem 1.1.2020 bestanden haben. Dieser Bestandsschutz entfällt ab dem 1.1.2020 gem. Nr. 20 Abs. 1 Satz 6 AGB jedoch, wenn die betreffende Einlage bzw. Verbindlichkeit fällig wird, gekündigt oder zurückgefordert werden kann oder übergeht. Die Regelungen in Nr. 20 Abs. 1 Satz 9 ff. AGB hinsichtlich der Zweigniederlassungen und der abweichenden Sicherungsgrenze sind gestrichen worden.
3.693
Der bisherige Abs. 2, welcher die Ausnahmen vom Einlegerschutz enthalten hat, ist gestrichen worden. Für diese Regelung besteht kein Bedarf mehr, da dieser Aspekt in der neuen Fassung von Nr. 20 AGB in Abs. 1 enthalten ist. Nr. 20 Abs. 2 AGB regelt nunmehr die Sicherungsgrenze der Einlagensicherung. Im Rahmen dessen sind die bisher in Abs. 1 Sätze 3 bis 7 enthaltenen Regelungen zur Sicherungsgrenze in den neuen Abs. 2 übernommen und modifiziert worden. Gestrichen wurde der Hinweis auf die bis zum 31.12.2014 geltende Sicherungsgrenze. Darüber hinaus ist der bisher in Abs. 1 Satz 3 enthaltene Begriff
3.694
1 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 2.
Kropf | 343
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
des „haftendes Eigenkapital“ der Bank als Bezugsgröße für die Sicherungsgrenze ersetzt worden. Stattdessen bemisst sich die in Prozenten ausgedrückte Sicherungsgrenze in der neuen Fassung nach den für die Einlagensicherung maßgeblichen Eigenmittel der Bank. Die Eigenmittel eines Instituts ergeben sich aus der Summe von Kernkapital und Ergänzungskapital (Art. 72 CRR).
3.695
Im Übrigen nimmt die AGB-Klausel Bezug auf das Statut des Einlagensicherungsfonds, das dem Kunden auf Verlangen zur Verfügung gestellt wird (Nr. 20 Abs. 3 AGB). Der Umfang der geschützten Forderungen ist in § 6 des Einlagensicherungsstatuts genau beschrieben. Darin sind sowohl Ausnahmen von der Einlagensicherung wie auch Sonderregelungen für bestimmte Kontoformen wie Anderkonten und Gemeinschaftskonten geregelt1. In Nr. 20 Abs. 3 AGB ist ohne inhaltliche Veränderung die Begrifflichkeit „Sicherungsumfang“ durch „Sicherung“ ersetzt worden.
3.696
Der AGB-mäßige Hinweis auf die freiwillige Einlagensicherung enthält nach überwiegender Meinung nicht nur eine Tatsachenerklärung. Er begründet vielmehr eine wesentliche Vertragspflicht der Bank, sich dem Einlagensicherungsfonds anzuschließen. Eine Verletzung dieser Pflicht berechtigt zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund2.
3.697
Mit der AGB-Regelung wird ein vertraglicher Zahlungsanspruch der Kunden gegen den Bundesverband der deutschen Banken nicht begründet. § 6 des Statuts des Einlagensicherungsfonds, auf den Nr. 20 Abs. 3 AGB für den Schutzumfang ausdrücklich verweist, schließt einen Rechtsanspruch auf ein Eingreifen oder auf Leistungen des Fonds ausdrücklich aus. Hierfür sind vor allem steuer- und versicherungsaufsichtsrechtliche Gründe maßgeblich. Mit diesem Ausschluss soll der Einlagensicherungsfonds von der Körperschaftsowie der Vermögen- und Gewerbesteuer befreit werden. Auch hätte ein solcher Rechtsanspruch den Fonds möglicherweise der Versicherungsaufsicht unterstellt3. 2. Forderungsübergang
3.698
Soweit der Einlagensicherungsfonds oder ein von ihm Beauftragter Zahlungen an einen Kunden leistet, gehen dessen Forderungen gegen die Bank in entsprechender Höhe mit allen Nebenrechten Zug um Zug auf den Fonds über (Nr. 20 Abs. 4 AGB). Dabei handelt es sich um eine aufschiebend bedingte antizipierte Forderungsabtretung (§ 398 BGB)4. Diese Vorausabtretung ist zweifach aufschiebend bedingt. Sie wird erst wirksam, wenn der Kunde eine von der Einlagensicherung geschützte Forderung gegen die Bank erworben hat und ihm später eine Entschädigung aus dem Fonds gezahlt worden ist. Die Vorausabtretung ist auch hinreichend bestimmt, weil die Forderung im Zeitpunkt der Entschädigung und damit ihres Übergangs nach Art und Höhe konkretisiert ist5. Gemäß §§ 398, 401 BGB 1 Hierzu näher Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 462 ff. 2 Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 2 Rz. 158; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 4; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 450. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 25 Rz. 20; Steuer, WM 1998, 2449. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 6. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 6; Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 25 Rz. 33.
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AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
werden von dem Forderungsübergang auch die für die Forderung bestellten Sicherungsrechte erfasst. Die in Nr. 20 Abs. 4 AGB enthaltene konkludente Abtretungserklärung des Kunden wird – sofern im Zusammenhang mit einer späteren Abwicklung der Entschädigung weitere Erklärungen nicht abgegeben werden – durch Bewirken der Entschädigung angenommen. Da jedoch die rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die zwischen dem Einlagensicherungsfonds und dem geschützten Kunden im Rahmen der Entschädigungszahlungen gewechselt werden, regelmäßig eine ausdrückliche Zession der abgelösten Forderung vorsehen, dürfte die praktische Bedeutung dieser Abtretungs-Klausel im Ergebnis gering sein1.
3.699
Dem Erwerb der geschützten Forderung liegt ein Forderungskauf zugrunde2. Damit ist ein Rechtsgrund für den Forderungsübergang geschaffen, der Bereicherungsansprüche des Kunden ausschließt.
3.700
3. Befreiung vom Bankgeheimnis Die Bank ist befugt, dem Einlagensicherungsfonds oder einem von ihm Beauftragten alle für die Abwicklung der Entschädigung erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, Nr. 20 Abs. 5 AGB. Mit dieser Regelung wird die Bank vom Bankgeheimnis befreit3. Das insolvente Institut kann deshalb den Einlagensicherungsfonds auch über etwaige Gegenforderungen, insbesondere aus Krediten, Haftungsübernahmen sowie Sicherheitenstellung unterrichten, die die Entschädigungsleistung mindern oder den Zeitpunkt der Entschädigung bis zur Erledigung des Sicherungszwecks verzögern können4.
3.701
4. AGB-Sparkassen Nr. 28 AGB-Sparkassen ist mit Wirkung zum 13.4.2016 geändert worden. Hintergrund war die Umsetzung des Einlagensicherungsgesetzes. In Abs. 1 der neuen Fassung wird auf die freiwillige Institutssicherung durch Zugehörigkeit der Sparkasse zum institutsbezogenen Sicherungssystem der Deutschen Sparkassen-Finanzgruppe hingewiesen. Nr. 28 Abs. 2 AGB-Sparkassen wiederum sieht Hinweise auf die gesetzliche Einlagensicherung vor. Sollte ausnahmsweise die Institutssicherung nach Abs. 1 nicht eingreifen, hat der Kunde gegen das Sicherungssystem einen Erstattungsanspruch bezüglich seiner Einlagen i.S.v. § 2 Abs. 3–5 EinSiG. Dabei ist die Obergrenze des § 8 EinSiG zu berücksichtigen. Schließlich enthält Nr. 28 Abs. 3 AGB-Sparkassen eine Regelung zu den Informationsbefugnissen der Sparkasse. Einstweilen frei.
3.702
3.703–3.704
1 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 480. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 6. 3 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 521; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 20 AGB-Banken Rz. 7. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 25 Rz. 35.
Kropf | 345
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
XXI. Nr. 21 AGB-Banken: Ombudsmannverfahren und außergerichtliche Streitschlichtung (Kropf) 21. Beschwerde- und Alternative Streitbeilegungsverfahren Der Kunde hat folgende außergerichtliche Möglichkeiten: Der Kunde kann sich mit einer Beschwerde an die im Preis- und Leistungsverzeichnis genannte Kontaktstelle der Bank wenden. Die Bank wird Beschwerden in geeigneter Weise beantworten, bei Zahlungsdiensteverträgen erfolgt dies in Textform (zum Beispiel mittels Brief, Telefax oder E-Mail). Die Bank nimmt am Streitbeilegungsverfahren der Verbraucherschlichtungsstelle „Ombudsmann der privaten Banken“ (www.bankenombudsmann.de) teil. Dort hat der Verbraucher die Möglichkeit, zur Beilegung einer Streitigkeit mit der Bank den Ombudsmann der privaten Banken anzurufen. Betrifft der Beschwerdegegenstand eine Streitigkeit über einen Zahlungsdienstevertrag (§ 675f des Bürgerlichen Gesetzbuches), können auch Kunden, die keine Verbraucher sind, den Ombudsmann der privaten Banken anrufen. Näheres regelt die „Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe“, die auf Wunsch zur Verfügung gestellt wird oder im Internet unter www.bankenverband.de abrufbar ist. Die Beschwerde ist in Textform (zum Beispiel mittels Brief, Telefax oder E-Mail) an die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband deutscher Banken e.V., Postfach 04 03 07, 10062 Berlin, Fax: (030) 1663-3169, E-Mail: [email protected], zu richten. Ferner besteht für den Kunden die Möglichkeit, sich jederzeit schriftlich oder zur dortigen Niederschrift bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Graurheindorfer Straße 108, 53117 Bonn, über Verstöße der Bank gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), die §§ 675c bis 676c des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder gegen Artikel 248 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) zu beschweren. Die Europäische Kommission hat unter http://ec.europa.eu/consumers/odr/ eine Europäische Online-Streitbeilegungsplattform (OS-Plattform) errichtet. Die OS-Plattform kann ein Verbraucher für die außergerichtliche Beilegung einer Streitigkeit aus Online-Verträgen mit einem in der EU niedergelassenen Unternehmen nutzen.
3.705
Nr. 21 AGB wurde erstmals in die Neufassung zum 31.10.2009 aufgenommen. Hintergrund hierfür waren die vorvertraglichen Hinweispflichten auf das Ombudsmannverfahren in Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB1 (für Verbraucherdarlehensverträge) sowie Art. 248 § 4 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB (für die Erbringungen von Zahlungsdienstleistungen). In diesem Kontext wurde in die AGB-Banken ein allgemeiner Hinweis auf die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitschlichtung über den Ombudsmann der privaten Banken aufgenommen. In den vergangenen Jahren ist die Regelung in zwei Schritten deutlich umgestaltet worden. Bereits mit Wirkung zum 21.3.2016 wurde Nr. 21 AGB angepasst. Hintergrund war die Umsetzung der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
1 Art. 247 EGBGB ist am 11.3.2010 in Kraft getreten und wurde eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29.7. 2009, BGBl. I 2009, 2355.
346 | Kropf
AGB-Banken im Einzelnen | Teil 3
vom 21.5.2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG vom 18.6. 2013 ins nationale Recht durch das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen („Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG“). In einem zweiten Schritt sind mit Wirkung zum 13.1.2018 im Zuge der Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichltinie ins nationale Recht weitere Anpassungen vorgenommen worden. In Nr. 21 AGB werden in der aktuellen Fassung alle Regelungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung zusammengefasst, die bislang jeweils in den einzelnen Bedingungen zum Zahlungsverkehr enthalten waren. Dabei wird auch § 62 ZAG n.F. berücksichtigt, wonach sich der Kunde mit Beschwerden an die Bank bei einer hierzu gesondert eingerichteten Stelle wenden kann. Die erweiterte Klausel in Nr. 21 AGB beschreibt nunmehr alle Möglichkeiten der Einreichung von Beschwerden und der außergerichtliche Streitschlichtung in der Weise, dass der Kunde sich an die Beschwerdestelle der Bank, den Ombudsmann der privaten Banken sowie in bestimmten Fällen an die Bankenaufsicht und Schlichtungsplattform der Europäischen Kommission wenden kann. Die Regelungen zur außergerichtlichen Streitschlichtung in den jeweiligen Bedingungen zum Zahlungsverkehr sind gestrichen worden, um Wiederholungen zu vermeiden.
3.706
Nr. 21 Satz 1 AGB berücksichtigt, dass gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie bzw. § 62 Abs. 2 ZAG bei grenzüberschreitend agierenden Banken gewährleistet sein muss, dass in jedem relevanten EU-Mitgliedstaat eine Beschwerdestelle benannt wird. Durch die Einführung von Satz 2 wird die Vereinbarungsmöglichkeit in § 62 Abs. 3 Satz 1 ZAG n.F. wahrgenommen. Danach hat ein Zahlungsdienstleister hat Beschwerden der Zahlungsdienstnutzer in Papierform oder im Falle einer Vereinbarung zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer auf einem anderen dauerhaften Datenträger zu beantworten. Den Anforderungen von § 62 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 ZAG wird mit der Maßgabe einer Beantwortung in Textform entsprochen.
3.707
Nach § 36 Abs. 1 VSBG haben Banken als Unternehmer in Form einer allgemeinen Informationspflicht Verbrauchern zum einen „klar und verständlich“ davon in Kenntnis zu setzen, dass sie freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Verpflichtung an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilnehmen, und zum anderen haben sie auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen. Zugleich ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 VSBG die Anschrift und Website der betreffenden Schlichtungsstelle anzugeben. Diese Informationen haben auf einer Website und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmers zu erfolgen. Um den genannten Anforderungen zu genügen ist der (bisherige) Hinweis in Nr. 21 AGB sprachlich an die Vorgaben von § 36 VSBG angepasst worden.
3.708
Das Ombudsmannverfahren steht dem Bankkunden grundsätzlich zur Verfügung, wenn dieser Verbraucher ist1. Die Verbrauchereigenschaft (§ 13 BGB) ist jedoch keine Voraussetzung für eine Streitschlichtung, wenn der Beschwerdegegenstand das Recht der Zahlungsdienste (§§ 675c bis 676c BGB) betrifft. Wegen der Details wird der Kunde auf die Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe verwiesen. Diese Verweisung entspricht dem Anliegen, die Grund-AGB nicht zu überfrachten.
3.709
1 Näher hierzu Höche in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 3 Rz. 48 ff.
Kropf | 347
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.710
Die in Nr. 21 Abs. 4 AGB enthaltene Klausel war bislang in den Sonderbedingungen für den Zahlungsverkehr enthalten und wurde zur Vermeidung von Wiederholungen dort herausgelöst und in die AGB-Banken aufgenommen.
3.711
Der letzte Satz in Nr. 21 AGB dient der Umsetzung der Informationspflicht nach der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21.5.2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Verordnung über OnlineStreitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten).
3.712–3.720 Einstweilen frei.
5. Abschnitt: Entgelte im Bankgeschäft (Wittig) Schrifttum zum 5. Abschnitt: Becher/Krepold, Gesetzgebung und Rechtsprechung – Das Bearbeitungsentgelt im Spannungsfeld von Privatautonomie und AGB-Recht, BKR 2014, 45; Billing, Zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit eines Bearbeitungsentgelts bei Darlehensverträgen, WM 2013, 1777 (Teil I) und WM 2013, 1829 (Teil II); Bitter/Linardatos, Erdachte Leitbilder im Darlehensrecht, ZIP 2018, 2249; Casper/Möllers, Kennt der Darlehensvertrag nur Zinsen? – Überlegungen anlässlich der Debatte um die AGB-rechtliche Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten, BKR 2014, 59; Casper/ Möllers, Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten bei gewerblichen Darlehensverträgen, WM 2015, 1689; Feldhusen, Bearbeitungsgebühren bei Förderdarlehen, WM 2015, 1397; Feldhusen, Aufwandspauschalen bei Bausparverträgen in der Sparphase, WM 2017, 1490; Fornasier, Die Inhaltkontrolle von Entgeltklauseln im Lichte des europäischen Zahlungsdiensterechts, WM 2013, 205; Grüneberg, Aktuelle Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH, Teil I, WM 2017, 1; Güngör, Die Zulässigkeit von Bereitstellungszinsen bei Immobiliardarlehen, VuR 2013, 410; Guggenberger, Nebenentgelte im Bankgeschäft, AGB-Kontrolle und Markttransparenz, BKR 2017, 1; Haertlein, Die AGB-rechtliche Bewertung von Darlehensentgelten in Bausparverträgen, WM 2014, 189; Hanke/Adler, Keine Gleichbehandlung von Unternehmern und Verbrauchern bei der Rückforderung von Bearbeitungsentgelten, WM 2015, 1313; Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, 397; Kropf/Habl, Aktuelle Entwicklungen zur Zulässigkeit von Bankentgelten, BKR 2015, 316; Kropf, Der Auszahlungsabschlag bei Förderkrediten, BKR 2015, 60; Müller, Bankentgelte im Schlichtungsverfahren, WM 2018, 741; Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185; Piekenbrock, Laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte bei Verbraucherdarlehensverträgen aus deutscher und europäischer Sicht, WM 2012, 2349; Schmieder, Formularmäßig erhobene Bearbeitungsgebühren bei Verbraucherdarlehen – Zugleich Besprechung des Urteils des OLG Dresden vom 29.9.2011, WM 2011, 2320; Schultheiß, Der Folgenbeseitigungsanspruch bei unwirksamen AGB, WM 2019, 9; Spannenberg, Laufzeitunabhängige „Individualbeiträge“ bei Verbraucherdarlehen – zugleich Besprechung des Urteils des OLG Düsseldorf vom 28.4.2016, WM 2017, 664; Weber, Inhaltskontrolle von Bearbeitungsentgelten im Kreditgeschäft – von der Dogmatik zur Interessenslage und zurück, BKR 2013, 450.
I. Einführung 3.721
Seit Jahrzehnten befasst sich die Rechtsprechung mit der rechtlichen Zulässigkeit von Entgelten, die die Kreditwirtschaft für ihre Leistungen gegenüber ihren Kunden aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Rechnung stellt. Die Zulässigkeit von Bankentgelten zählt damit zu dem am meisten „umkämpften“ Rechtsgebiet1 der Rechtsprechung. Die Frage der Zulässigkeit von Bankentgelten beschäftigt aber nicht nur die Gerichte, sondern 1 Kropf/Habl, Aktuelle Entwicklungen zur Zulässigkeit von Bankentgelten, BKR 2015, 316.
348 | Kropf/Wittig
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.710
Die in Nr. 21 Abs. 4 AGB enthaltene Klausel war bislang in den Sonderbedingungen für den Zahlungsverkehr enthalten und wurde zur Vermeidung von Wiederholungen dort herausgelöst und in die AGB-Banken aufgenommen.
3.711
Der letzte Satz in Nr. 21 AGB dient der Umsetzung der Informationspflicht nach der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21.5.2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Verordnung über OnlineStreitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten).
3.712–3.720 Einstweilen frei.
5. Abschnitt: Entgelte im Bankgeschäft (Wittig) Schrifttum zum 5. Abschnitt: Becher/Krepold, Gesetzgebung und Rechtsprechung – Das Bearbeitungsentgelt im Spannungsfeld von Privatautonomie und AGB-Recht, BKR 2014, 45; Billing, Zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit eines Bearbeitungsentgelts bei Darlehensverträgen, WM 2013, 1777 (Teil I) und WM 2013, 1829 (Teil II); Bitter/Linardatos, Erdachte Leitbilder im Darlehensrecht, ZIP 2018, 2249; Casper/Möllers, Kennt der Darlehensvertrag nur Zinsen? – Überlegungen anlässlich der Debatte um die AGB-rechtliche Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten, BKR 2014, 59; Casper/ Möllers, Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten bei gewerblichen Darlehensverträgen, WM 2015, 1689; Feldhusen, Bearbeitungsgebühren bei Förderdarlehen, WM 2015, 1397; Feldhusen, Aufwandspauschalen bei Bausparverträgen in der Sparphase, WM 2017, 1490; Fornasier, Die Inhaltkontrolle von Entgeltklauseln im Lichte des europäischen Zahlungsdiensterechts, WM 2013, 205; Grüneberg, Aktuelle Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH, Teil I, WM 2017, 1; Güngör, Die Zulässigkeit von Bereitstellungszinsen bei Immobiliardarlehen, VuR 2013, 410; Guggenberger, Nebenentgelte im Bankgeschäft, AGB-Kontrolle und Markttransparenz, BKR 2017, 1; Haertlein, Die AGB-rechtliche Bewertung von Darlehensentgelten in Bausparverträgen, WM 2014, 189; Hanke/Adler, Keine Gleichbehandlung von Unternehmern und Verbrauchern bei der Rückforderung von Bearbeitungsentgelten, WM 2015, 1313; Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, 397; Kropf/Habl, Aktuelle Entwicklungen zur Zulässigkeit von Bankentgelten, BKR 2015, 316; Kropf, Der Auszahlungsabschlag bei Förderkrediten, BKR 2015, 60; Müller, Bankentgelte im Schlichtungsverfahren, WM 2018, 741; Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185; Piekenbrock, Laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte bei Verbraucherdarlehensverträgen aus deutscher und europäischer Sicht, WM 2012, 2349; Schmieder, Formularmäßig erhobene Bearbeitungsgebühren bei Verbraucherdarlehen – Zugleich Besprechung des Urteils des OLG Dresden vom 29.9.2011, WM 2011, 2320; Schultheiß, Der Folgenbeseitigungsanspruch bei unwirksamen AGB, WM 2019, 9; Spannenberg, Laufzeitunabhängige „Individualbeiträge“ bei Verbraucherdarlehen – zugleich Besprechung des Urteils des OLG Düsseldorf vom 28.4.2016, WM 2017, 664; Weber, Inhaltskontrolle von Bearbeitungsentgelten im Kreditgeschäft – von der Dogmatik zur Interessenslage und zurück, BKR 2013, 450.
I. Einführung 3.721
Seit Jahrzehnten befasst sich die Rechtsprechung mit der rechtlichen Zulässigkeit von Entgelten, die die Kreditwirtschaft für ihre Leistungen gegenüber ihren Kunden aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Rechnung stellt. Die Zulässigkeit von Bankentgelten zählt damit zu dem am meisten „umkämpften“ Rechtsgebiet1 der Rechtsprechung. Die Frage der Zulässigkeit von Bankentgelten beschäftigt aber nicht nur die Gerichte, sondern 1 Kropf/Habl, Aktuelle Entwicklungen zur Zulässigkeit von Bankentgelten, BKR 2015, 316.
348 | Kropf/Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
auch die Schlichtungsstellen der Verbände der Kreditwirtschaft, wie der Bericht von Ombudsfrau Müller der privaten Banken anschaulich darstellt1. Von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind Vertragsbestimmungen und darauf beruhende Entgelte abzugrenzen, die zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt werden, denn ausgehandelte Vertragsbedingungen sind keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, so dass auf sie das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Anwendung findet. Selbst Vertragsbestimmungen, die in einer Vielzahl von Verträgen verwendet werden oder verwendet werden sollen, stellen dann Individualvereinbarungen dar, wenn sie im Einzelnen ausgehandelt wurden2.
3.722
Nach der Rechtsprechung des BGH („BGH“) sind an das Aushandeln von Vertragsbestimmungen hohe Anforderungen zu stellen. Ein bloßes „Verhandeln“ über eine Klausel, mit dem Ziel, diese in ihrem Kern zu erhalten und allenfalls günstigere Konditionen für den Vertragspartner einzuräumen, genügt diesen Anforderungen nicht3. Ein Aushandeln von Vertragsbestimmungen i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegt nur vor, wenn der Verwender den „gesetzesfremden Kerngehalt“, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen4. Der Verwender muss sich also deutlich und ernsthaft zur Änderung einzelner Klauseln bereit erklären5. Das Verhandeln über die Höhe eines grundsätzlich verlangten und für den Vertragsabschluss vorausgesetzten Entgelts soll dagegen nicht die Anwendbarkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließen, denn damit kommt allenfalls die allgemein geäußerte Bereitschaft zum Ausdruck, eine belastende Klausel zu ändern6, aber nicht die Bereitschaft, die Klausel ernsthaft zur Disposition zu stellen. Für das Vorliegen des Aushandelns trägt der Verwender einer Vertragsbestimmung die Darlegungs- und Beweislast7. Für den Beweis des Aushandelns reicht es nicht, wenn in einem Gesprächsprotokoll durch den Vertragspartner des AGB-Verwenders bestätigt wird, dass die einzelnen Vertragsklauseln „ausgiebig und ernsthaft verhandelt worden“ seien8. Eine solche Bestätigung müsse für die Darlegung bedeutungslos bleiben, weil andernfalls die Gefahr der Manipulation und der Umgehung des Schutzes des §§ 305 ff. BGB bestünde, wenn der Verwender allein durch eine solche Klausel die Darlegung eines Aushandelns stützen könnte9. Diese Anforderungen an das Aushandeln von Vertragsbestimmungen gelten auch für den Geschäftsverkehr mit Unternehmern10.
3.723
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Müller, Bankentgelte im Schlichtungsverfahren, WM 2018, 741. Basedow in MünchKomm. BGB, 8. Aufl. 2019, § 305 BGB Rz. 35. Basedow in MünchKomm. BGB, 8. Aufl. 2019, § 305 BGB Rz. 35. BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16 Rz. 16, juris = BeckRS 2018, 14438; BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 790/16 Rz. 33, juris = ZIP 2018, 1389; BGH v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, WM 2014, 838 Rz. 27 = ZIP 2014, 924; Basedow in MünchKomm. BGB, 8. Aufl. 2019, § 305 BGB Rz. 35. BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 790/16 Rz. 33, juris = ZIP 2018, 1389; BGH v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, WM 2014, 838 Rz. 27 = ZIP 2014, 924. BGH v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025, 3026 Rz. 23 = ZIP 2015, 1720. BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 790/16, BKR 2018, 333, 336 Rz. 33 = ZIP 2018, 1389; BGH v. 20.3. 2014 – VII ZR 248/13, WM 2014, 838 Rz. 27 = ZIP 2014, 924. BGH v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, WM 2014, 838 Rz. 27 = ZIP 2014, 924. BGH v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, WM 2014, 838 Rz. 27 = ZIP 2014, 924. BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 24 m.w.N. = ZIP 2017, 1654; BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16 Rz. 16, juris = BeckRS 2018, 14438.
Wittig | 349
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.724
Ein Aushandeln liegt schließlich auch dann nicht vor, wenn der Verwender dem Vertragspartner mehrere inhaltlich unterschiedliche Formularverträge über einen Darlehensvertrag vorlegt, zwischen denen der Darlehensnehmer frei entscheiden kann. Die Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen macht die von dem Kunden ausgewählte Alternative grundsätzlich noch nicht zu einer Individualabrede1. Keine Bedeutung hat, ob der Klauselverwender für jede der Alternativen ein gesondertes Formular benutzt, alle Alternativen in einem Formular abdruckt und den Kunden die gewünschte Klausel kennzeichnen lässt oder die Wahl zwischen mehreren vorgegebenen Alternativen durch Eintragung in dafür vorgesehene Leerräume des Formulars erfolgt2.
3.725
Unter Berücksichtigung dieser hohen Anforderungen an ein, den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB ausschließendes Aushandeln i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, wird es der Kreditwirtschaft im standardisierten Bankgeschäft daher regelmäßig schwerfallen, ein Aushandeln zur Überzeugung der Gerichte darzulegen und zu beweisen. Die nachfolgende Darstellung befasst sich nur mit Entgeltklauseln, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden.
II. Grundsätze für die AGB-mäßige Vereinbarung von Entgelten im Bankgeschäft 3.726
Im standardisierten Bankgeschäft mit Privatkunden (in der Regel Verbraucher i.S.d. § 13 BGB) und Geschäfts- und Firmenkunden (Unternehmer i.S.d. § 14 BGB) verwendet die Kreditwirtschaft regelmäßig Formularverträge oder Musterverträge, die zwar um die individuellen Kundenangaben und Einzelheiten zum Vertragsinhalt (z.B. Höhe des Nettodarlehensbetrags oder Höhe der Sollzinsen) ergänzt werden können, aber darüber hinaus in den Vertragsbestimmungen, mit denen das jeweilige Vertragsverhältnis geregelt wird, im Wesentlichen unverändert bleiben. 1. Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen
3.727
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei („Verwender“) bei Abschluss eines Vertrags stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bei Verbraucherverträgen (§ 310 Abs. 3 BGB) besteht die widerlegliche Vermutung, dass eine Vertragsbedingung durch den Unternehmer gestellt ist, sofern sie nicht durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wird, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH sind Vertragsbedingungen vorformuliert, wenn sie für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind. Für die Erfüllung dieser Voraussetzungen ist es ausreichend, wenn eine Vertragsbedingung zum Zweck der wiederholten Verwendung und Einführung in Vertragstexte „im Kopf des Verwenders“ gespeichert ist3. Unerheblich ist, ob bei Abschluss des betreffenden Vertrags regelmäßig das umstrittene Entgelt in Höhe festgelegter Prozentsätze ver1 OLG Düsseldorf v. 28.4.2016 – 6 U 152/15, WM 2016, 664, 667. 2 BGH v. 13.3.2018 – XI ZR 291/16, NJW-RR 2018, 814, 815 Rz. 16 = ZIP 2018, 1123. 3 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 417 Rz. 20 = ZIP 2014, 1369 mit Verweis auf BGH v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, BGHZ 141, 108, 111.
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Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
langt oder das Entgelt im Einzelfall anhand der Daten des konkreten Vertrags nach bestimmten Vorgaben errechnet wird1. Damit ist grundsätzlich bei Vertragsabschlüssen, bei denen die Kreditinstitute Muster- oder Formularverträge verwenden, der Anwendungsbereich des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB eröffnet, es sei denn, das Kreditinstitut kann darlegen und beweisen, dass die relevante Vertragsbedingung mit dem Kunden ausgehandelt wurde. 2. Abgrenzung zwischen Preishauptabreden und Preisnebenabreden Der BGH hat im Rahmen seiner Entgeltrechtsprechung Kategorien entwickelt, nach denen er die Überprüfbarkeit von Preisabreden nach ihrer Vereinbarkeit mit Rechtsvorschriften differenziert2. So unterscheidet er bei formularmäßigen Entgeltklauseln zwischen sog. Preishauptabreden und Preisnebenabreden3.
3.728
a) Preishauptabreden Unter den Preishauptabreden werden Vereinbarungen verstanden, mit denen Art und Umfang der Hauptleistung des Kreditinstituts aus dem gegenständlichen Vertrag zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden und die hierfür vom Kunden geschuldete Vergütung festgelegt werden4. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei Preishauptabreden um Klauseln, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung regeln5. Preishauptabreden unterliegen grundsätzlich nicht der materiellen Inhaltskontrolle6, sondern finden ihre rechtliche Grenze in der nach § 138 BGB zu beurteilenden Sittenwidrigkeit. Innerhalb dieser Grenzen obliegt es allein dem Willen der Vertragsparteien und damit der grundrechtlich geschützten Privatautonomie, den Preis für die vereinbarte Hauptleistung des Kreditinstituts vertraglich zu vereinbaren.
3.729
b) Preisnebenabreden Daneben bestehen nach der Rechtsprechung des BGH – grundsätzlich kontrollfähige – Preisnebenabreden, wonach der Kunde zusätzlich zu dem Preis als Gegenleistung für die von dem Kreditinstitut zu erbringende Hauptleistung7 eine weitere Zahlung schuldet. Preisnebenabreden sind Entgeltregelungen für Leistungen, die das Kreditinstitut als Rechtsunterworfener zu erbringen hat, ohne dass dafür eine besondere Vergütung geschuldet wird8. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass an ihre Stelle bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB treten, so dass eine Inhaltskontrolle problemlos möglich ist9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16 Rz. 13, juris = BeckRS 2018, 14438. Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, 397, 398. Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185, 186. Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, 397, 398. BGH v. 25.10.2016 – XI ZR 9/15, NJW 2017, 1018, 1019 Rz. 22 = ZIP 2017, 73; BGH v. 25.10. 2016 – XI ZR 387/15, BeckRS 2016, 110516 Rz. 19 = ZIP 2017, 170. Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185, 186. Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185, 186. Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185, 186. Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185, 186 m.w.N.
Wittig | 351
3.730
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.731
Ob es sich im Einzelfall um eine Preishauptabrede oder um eine Preisnebenabrede handelt, ist nach der Rechtsprechung des BGH durch Auslegung zu ermitteln1. Die Auslegung hat sich nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich danach zu richten, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird2. Außer Betracht bleiben dabei nur solche Auslegungsmöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und daher nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind3. Sind mehrere Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, kommt die Unklarheitenregelung nach § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Danach ist die scheinbar „kundenfeindlichste“ Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste, da sie möglicherweise die Inhaltskontrolle erst ermöglicht oder zu einer unangemessenen Benachteiligung und damit der Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel führt4. c) Entgeltfähige Neben- und Sonderleistungen
3.732
Wird mit dem weiteren Entgelt dagegen eine Neben- oder Sonderleistung bepreist, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse des Kunden erbracht wird und zu der der AGB-Verwender nicht aufgrund des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses zu erbringen verpflichtet ist, handelt es sich nicht um eine Preisnebenabrede, sondern ebenfalls um eine Preishauptabrede, wenn für die Preisgestaltung keine gesetzliche Bestimmung existiert5. Sie unterliegt nicht der materiellen Inhaltskontrolle, sondern findet, wie die Preishauptabrede, ihre Grenzen in der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB. d) Unzulässige Preisnebenabreden
3.733
Der BGH hat in seiner Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Preisnebenabreden Grundsätze entwickelt, nach denen Preisnebenabreden unwirksam sein können: – Danach gilt, dass die Bepreisung von Arbeiten, die keine (Dienst)leistung für den Kunden sind, unzulässig ist6. Der Begriff der Leistung steht für den AGB-Verwender bzw. das Kreditinstitut nicht zur Disposition und kann von ihm nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen festgelegt werden, sondern ist anhand von § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu prüfen und zu klären7. – Eine Preisnebenabrede ist unangemessen und damit unwirksam, wenn mit ihr vertraglich geschuldete Nebenleistungen oder die Erfüllung von Pflichten zur Vermeidung von sekundär vertraglichen Schadensersatzansprüchen vergütet werden sollen8. 1 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16 Rz. 21, juris = BeckRS 2018, 14438. 2 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16 Rz. 21, juris = BeckRS 2018, 14438; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 418 Rz. 34 = ZIP 2014, 1369. 3 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 418 Rz. 34 m.w.N. = ZIP 2014, 1369. 4 BGH v. 25.10.2016 – XI ZR 9/15, NJW 2017, 1018, 1019 Rz. 23 m.w.N. = ZIP 2017, 73. 5 BGH v. 25.10.2016 – XI ZR 9/15, NJW 2017, 1018, 1019 Rz. 22 = ZIP 2017, 73; BGH v. 25.10. 2016 – XI ZR 387/15, BeckRS 2016, 110516 Rz. 19 = ZIP 2017, 170. 6 BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, WM 2005, 272, 273 = ZIP 2005, 245; BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, WM 2005, 874, 876 = ZIP 2005, 798; BGH v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, WM 2011, 263, 268 Rz. 43; BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, WM 2012, 2381, 2383 Rz. 18 ff. = ZIP 2012, 2489. 7 Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185, 186. 8 BGH v. 21.4.2009 – VI ZR 304/07, WM 2009, 1077 Rz. 12 = ZIP 2009, 1151; BGH v. 22.5.2012 – XI ZR 290/11, WM 2012, 1383, 1384 Rz. 13.
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Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
– Eine Preisnebenabrede ist unwirksam, wenn der Verwender damit ein Entgelt für die Erfüllung eigener gesetzlicher Pflichten verlangt1. – Entgeltklauseln sind nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam, wenn durch sie dem Kunden im Ergebnis eine Haftung ohne Verschulden auferlegt werden soll2. – Außerdem sind Klauseln unzulässig, die eine zeitanteilige Erstattung eines nach einem bestimmten Zeitraum bemessenen Entgelts bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags ausschließen3. Wann und bei welchen Bankentgelten diese von der Rechtsprechung entwickelten Prinzipien zur Anwendung kommen, wird in diesem Abschnitt unter IV. (Rz. 3.742) im Einzelnen behandelt.
III. Vereinbarungen mit Verbrauchern über zusätzliche Zahlungspflichten gem. § 312a Abs. 3 BGB Seit Umsetzung der VerbraucherrechteRL4 ins deutsche Recht5 findet sich in § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB eine Regelung zu Vereinbarungen über eine Zahlung des Verbrauchers, die über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgeht. Eine solche Vereinbarung ist nur wirksam, wenn sie mit dem Verbraucher ausdrücklich getroffen wird. Erfolgt die Vereinbarung zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr, wird diese Vereinbarung nur Vertragsbestandteil, wenn der Unternehmer die Entgeltvereinbarung nicht durch eine technische Voreinstellung herbeiführt (§ 312a Abs. 3 Satz 2 BGB).
3.734
1. Anwendungsbereich und Regelungszweck Diese Regelung, die für entgeltliche Verbraucherverträge gilt (§ 312 Abs. 1 BGB), geht auf Art. 22 VerbraucherrechteRL zurück und dient der Umsetzung dieser Vorschrift6. Art. 22 VerbraucherrechteRL verlangt die ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers zu jeder Extrazahlung, die über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung des Unternehmers hinausgeht. In dem Regierungsentwurf des Umsetzungsgesetzes war das Zusatzentgelt noch auf die Entgeltzahlung für eine vom Unternehmer zu erbringende Nebenleistung beschränkt worden7. Die Beratungen im Rechtsausschuss führten zu der Beschlussempfehlung, dass zur korrekten Umsetzung des Art. 22 VerbraucherrechteRL die der Um1 BGH v. 15.7.1997 – XI ZR 269/96, juris Rz. 16 = ZIP 1997, 1638. 2 BGH v. 9.4.2002 – XI ZR 245/01, juris LS. 3 Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185, 191; Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, 397, 399; OLG Frankfurt v. 14.12.2000 – 1 U 108/99, WM 2001, 987. 4 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/ 577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304 v. 22.11.2011, S. 64. 5 Gesetz zur Umsetzung der VerbraucherrechteRL und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.9.2013, BGBl. I 2013, 3642. 6 BT-Drucks. 17/13951, 63. 7 BT-Drucks. 17/12637, 7 und 39 f.
Wittig | 353
3.735
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
setzung dienende neue Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht auf vom Unternehmer zu erbringende Nebenleistungen beschränkt werden dürfe, sondern alle zusätzlichen Zahlungen, die der Verbraucher für die Leistung des Unternehmers zu entrichten habe, erfassen müsse. Dabei sei nicht zwischen der Hauptleistung und einer Nebenleistung zu unterschieden, weil in der Praxis nicht nur für eine Nebenleistung ein Extraentgelt verlangt wird1. Neben dem Preis für die Hauptleistung könnten es sich z.B. um zusätzliche Bearbeitungsoder Verwaltungskosten handeln, die der Unternehmer für die Erbringung seiner Leistung in Rechnung stellen wolle2.
3.736
Unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien zum § 312a Abs. 3 BGB wurde in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber das Verlangen von Bearbeitungs- und Verwaltungskosten neben dem Preis für die Hauptleistung generell für zulässig hält und dies durch die Schaffung des § 312a Abs. 3 BGB in der verabschiedeten Fassung zum Ausdruck bringen wollte3. Dieser Auffassung hat der BGH jedoch eine Absage erteilt4. Durch § 312a Abs. 3 BGB sind die formalen Anforderungen an die Vereinbarung von „Extrazahlungen“ verschärft worden. Festlegungen zur materiell-rechtlichen Wirksamkeit solcher Entgelte bei einzelnen Vertragstypen wollte der Gesetzgeber jedoch nicht treffen5. 2. Anforderungen an eine wirksame Vereinbarung von Zusatzzahlungen
3.737
Damit die Pflicht zur Zusatzzahlung wirksamer Vertragsbestandteil eines entgeltlichen Verbrauchervertrags (§ 312 Abs. 1 BGB i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB) wird, muss die Vereinbarung darüber mit dem Verbraucher ausdrücklich getroffen werden. Der Begriff „ausdrücklich“ wird weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung näher definiert. Da die Regelung dem Zweck dienen soll, dem Verbraucher nicht eine zusätzliche Entgeltpflicht im Zusammenhang mit der Hauptleistung oder für eine nicht gewollte Nebenleistung unerkannt „unterzuschieben“, ist der ausdrücklichen Vereinbarung nur Genüge geleistet, wenn der Verbraucher in für ihn verständlicher Weise über die Zusatzzahlung informiert wird und ihm Gelegenheit gegeben wird, diese ggf. abzulehnen. Die ausdrückliche Vereinbarung kann zwar grundsätzlich mündlich erfolgen, sie wird aber in der Praxis im Interesse beider Parteien als Beleg für die getroffene Vereinbarung in nachvollziehbarer Weise dokumentiert werden.
3.738
Wird die Vereinbarung im elektronischen Geschäftsverkehr getroffen, darf der Unternehmer die Zusatzzahlung technisch nicht vorbelegen („opt-out“ Verfahren). Bei diesem Verfahren kann der Verbraucher die Zusatzzahlung nur vermeiden, wenn er die technische Vorbelegung durch sein aktives Handeln löscht. Wirksam ist dagegen das „opt-in“ Verfahren, bei dem der Verbraucher auf der Webseite erkennen kann, ob und wofür eine Zusatzzahlung verlangt wird, um entscheiden zu können, ob er bereit ist, dieser Zahlung durch das aktive Setzen eines Hakens oder Kreuzes zuzustimmen. 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bandrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 17 Rz. 64. 2 BT-Drucks. 17/13951, 63. 3 Becher/Krepold, Gesetzgebung und Rechtsprechung – Das Bearbeitungsentgelt im Spannungsfeld von Privatautonomie und AGB-Recht, BKR 2014, 45, 51. 4 BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 157/16, NJW 2018, 383, 385 Rz. 36 = ZIP 2017, 2343; BGH v. 13.5. 2014 – XI ZR 405/12, NJW 2014, 2420, 2429 Rz. 72 = ZIP 2014, 1266; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BKR 2017, 453, 457 Rz. 42 = ZIP 2017, 1610; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 50 = ZIP 2017, 1654. 5 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, NJW 2014, 2420, 2429 Rz. 72 = ZIP 2014, 1266.
354 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
Auch im Papier gestützten Geschäftsverkehr ist ein aktives Handeln des Verbrauchers erforderlich, um eine ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers rechtswirksam zu erlangen. Denn der Verbraucher stimmt einer Zusatzzahlung nur ausdrücklich zu, wenn er ein formularmäßig vorgesehenes Angebot über eine entgeltliche Nebenleistung aktiv auswählen und zum Zeichen seiner Zustimmung ein in einem Formular hierfür vorgesehenes Feld ankreuzen kann. Ähnlich verhält es sich im Präsenzgeschäft, wenn der Unternehmer ein beschreibbares, elektronisch hinterlegtes Formular zur Vereinbarung einer gegenüber dem Verbraucher zu erbringenden entgeltlichen Leistung verwendet. Hier muss der Unternehmer sicherstellen, dass bei Befüllung des technisch hinterlegten Formulars der Verbraucher mündlich um seine Zustimmung für die Vereinbarung des Zusatzentgelts gebeten wird. Der Unternehmer wird die Zustimmung in dem Formular dokumentieren und vor Unterzeichnung des Formulars den Verbraucher ausdrücklich über den vereinbarten Umfang der Leistung und das vereinbarte Entgelt hinweisen müssen, wenn er den Anforderungen an eine ausdrückliche Vereinbarung genügen will. Eine im Kleingedruckten enthaltene oder automatisch angekreuzte bzw. angedruckte Zusatzzahlung in einem papierhaften Formular, unabhängig davon, ob handschriftlich befüllt oder, ob die Erstellung des Formulars unter Nutzung eines elektronischen Systems erfolgt, wird daher den Anforderungen des § 312a Abs. 3 BGB jedenfalls dann nicht genügen, wenn der Verbraucher nicht die Gelegenheit erhält, seine Zustimmung zur Zusatzzahlung bewusst und aktiv zu erklären.
3.739
Obwohl die VerbraucherrechteRL nach Art 3 Abs. 3d) VerbraucherrechteRL auf Finanzdienstleistungen keine Anwendung findet, hat der deutsche Gesetzgeber die Finanzdienstleistungen insgesamt in den Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes einbezogen. Er hielt den Verbraucher bei dem Abschluss von Finanzdienstleistungsverträgen außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers für ebenso schutzbedürftig wie bei dem Abschluss von Finanzdienstleistungen im Fernabsatz1. Ohne diese Erstreckung des Umsetzungsgesetzes auf Finanzdienstleistungsverträge i.S.d. § 312 Abs. 5 Satz 1 BGB fände § 312a Abs. 3 BGB nach dem Willen des Richtliniengebers auf Finanzdienstleistungen keine Anwendung.
3.740
Werden die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt, wird die Vereinbarung über das zusätzliche Entgelt nicht Vertragsbestandteil und der Verbraucher schuldet das Zusatzentgelt nicht. Der Vertrag bleibt im Übrigen aber wirksam und der Unternehmer zur Erbringung seiner Leistung verpflichtet (§ 312a Abs. 6 BGB).
3.741
IV. Zulässigkeit von Aufwendungsersatzansprüchen Grundsätzlich kann einem Kreditinstitut neben dem Entgelt für die vereinbarte Leistung ein Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen gem. §§ 670, 675, 683 BGB zustehen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken und der Raiffeisen- und Volksbanken und der Sparkassen ist daher eine Regelung enthalten, wonach sich die Kreditinstitute einen Aufwendungsersatzanspruch nach den gesetzlichen Regelungen gegenüber ihren Kunden vorbehalten (Nr. 12 Abs. 6 AGB-Banken und Nr. 18 AGB-Sparkassen). Diese in beiden Bedingungswerken gleichlautende Regelung ist rein deklaratorischer Natur und als solche einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen2. 1 BT-Drucks. 17/12637, 33. 2 BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 61/11, BKR 2012, 390 Rz. 14 = ZIP 2012, 1224; BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 437/11, WM 2012, 1344, 1346 Rz. 15.
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3.742
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.743
Auch wenn es sich bei einer Regelung über einen Aufwendungsersatzanspruch nicht um eine Preisabrede über eine von dem Kreditinstitut zu erbringende Dienstleistung handelt1, so gelten für eine AGB-Klausel über den Aufwendungsersatzanspruch die Grundsätze des dispositiven Rechts, wenn sie dispositives Recht ergänzt oder ändert. Eine solche Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Die vom BGH entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit von Bankentgelten sind dabei im Wesentlichen übertragbar. Räumt eine Klausel über den Aufwendungsersatz dem Kreditinstitut einen Anspruch auf Ersatz aller ihr bei der Geschäftsbesorgung im Auftrag oder im mutmaßlichen Interesse entstandenen Aufwendungen ein, ist die Klausel unwirksam2, weil dem Verwender damit ein Erstattungsanspruch zugesprochen wird, der ihm nach dem Gesetz nicht zusteht.
3.744
Nach § 670 BGB kann Aufwendungen nur derjenige ersetzt verlangen, der eine fremdnützige Tätigkeit ausführt und dabei insbesondere nach Weisung im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§§ 675, 665 BGB) oder Auftrags (§ 662 BGB) oder zumindest im mutmaßlichen Fremdinteresse (§§ 677, 683 BGB) handelt3. Aufwendungen darf der Beauftragte ersetzt verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach einem subjektiv-objektiven Maßstab zu beurteilen und danach anzunehmen, wenn der Beauftragte freiwillige Vermögensopfer erbringt, die nach seinem verständigen Ermessen zur Verfolgung des Auftragszwecks geeignet und notwendig erscheinen und in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Geschäftsführung für den Geschäftsherrn stehen4. Fehlt es an der objektiven Notwendigkeit der Aufwendungen, ist eine andere Beurteilung des Beauftragten nur dann i.S.d. § 670 BGB gerechtfertigt, wenn er sie nach sorgfältiger, den Umständen des Falles gebotener Prüfung trifft. Entspricht eine Klausel diesem gesetzlichen Maßstab nicht, sondern räumt dem Kreditinstitut Ansprüche auf Ersatz aller ihr bei Geschäftsbesorgungen im Auftrag oder im mutmaßlichen Interesse stehenden Aufwendungen ein, ist die Klausel unwirksam5. In seinen Entscheidungen zu den Aufwendungsersatzansprüchen eines Kreditinstituts nach den AGB-Banken und AGB-Sparkassen a.F. hat der BGH zwischen den Begriffen „Auslage“ und „Aufwendung“ nicht unterschieden, sondern gleichbehandelt. Begründet hat er diese Entscheidung damit, dass auch der Durchschnittskunde, auf dessen Verständnismöglichkeit es bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ankommt, zwischen den beiden Begriffen nicht unterscheidet6.
3.745
Soweit eine der Inhaltskontrolle unterliegende Klausel über einen Aufwendungsersatzanspruch auch Vermögensopfer erfasst, die zu eigenen Zwecken erbracht werden, handelt es sich dabei um keine ersatzfähigen Aufwendungen im Rechtssinne. Regelungen über Aufwendungsersatzansprüche dürfen nach der Rechtsprechung nicht im Ergebnis dazu führen, dass Aufwände, zu denen das Kreditinstitut vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist oder, die es im ausschließlich eigenen oder überwiegend eigenen Interesse erbringt7, auf den Kunden abgewälzt werden. Insoweit legt der BGH bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Aufwendungsersatzansprüchen, die einem Kreditinstitut aufgrund Allgemeiner Ge1 BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 61/11, BKR 2012, 390, 392 Rz. 18 = ZIP 2012, 1224. 2 BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 61/11, BKR 2012, 390, 392 Rz. 22 = ZIP 2012, 1224. 3 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16, juris = BeckRS 2018, 14438 Rz. 25; BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 437/11, WM 2012, 1344 Rz. 41. 4 BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 61/11, BKR 2012, 390, 392 Rz. 20 = ZIP 2012, 1224. 5 BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 61/11, BKR 2012, 390, 392 Rz. 22 = ZIP 2012, 1224. 6 BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 61/11, BKR 2012, 390 = ZIP 2012, 1224. 7 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16, juris = BeckRS 2018, 14438 Rz. 25.
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Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
schäftsbedingungen geschuldet werden, diesselben Grundsätze zugrunde wie bei den Bankentgelten.
V. Entgelte für einzelne Bankgeschäfte – Kreditgeschäft, Konten und Zahlungsverkehr und Wertpapiergeschäft 1. Bankentgelte im Kreditgeschäft Die Rechtsprechung zu den Bankentgelten im Kreditgeschäft nimmt einen großen Raum in der Entgeltrechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte ein. Von grundsätzlicher Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Entscheidungen des BGH zu den Bearbeitungskosten im Kreditgeschäft mit Verbrauchern1 und im Kreditgeschäft mit Unternehmern2. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Entgelten im Kreditgeschäft ist seit diesen Entscheidungen auf die dort entwickelten Grund-sätze zu den beidseitigen Pflichten der Vertragsparteien zurückzugreifen, so dass diese Entscheidungen diesem Abschnitt vorangestellt werden.
3.746
a) Allgemeine Grundsätze zur Beurteilung von formularmäßigen Entgeltvereinbarungen im Kreditgeschäft Bei den Entscheidungen zu Bearbeitungskosten im Kreditgeschäft mit Verbrauchern und im Kreditgeschäft mit Unternehmern hat der BGH die Anforderungen an die rechtliche Zulässigkeit von laufzeitunabhängigen Einmalentgelten neben einem laufzeitabhängigen Zins konkretisiert. Dabei hat er seine bisherige Rechtsprechung, wonach einmalige, laufzeitunabhängige Einmalentgelte unbeanstandet geblieben waren, ausdrücklich aufgegeben3.
3.747
Die streitgegenständliche Klausel, mit der ein einmaliges, laufzeitunabhängiges „Bearbeitungsentgelt EUR“ für die „Kapitalüberlassung“ geschuldet wurde4, hat der BGH als Preisnebenabrede eingestuft und damit der AGB-mäßigen Prüfung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unterworfen. Bei der Auslegung dieser Vertragsbestimmung hat der BGH maßgeblich auf den Wortlaut „Bearbeitungsentgelt“ abgestellt und festgestellt, dass das Kreditinstitut dem Wortlaut nach zu urteilen, ein zusätzliches Entgelt zur Abgeltung ihres Bearbeitungsaufwands im Zusammenhang mit der Kreditgewährung und der Auszahlung der Darlehensvaluta verlange5. Klauseln, mit denen der Verwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten auf den Kunden abwälzt, die der Verwender im eigenen Interesse erbringt, sind hingegen der Inhaltskontrolle unterworfen6 und nicht als Preishauptabrede einzuordnen.
3.748
Die so als Preisnebenabrede qualifizierte Klausel ist nach Auffassung des BGH unwirksam, weil sie gegen das vom Gesetzgeber mit § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB festgelegte Leitbild ver-
3.749
1 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, WM 2014, 1224 = ZIP 2014, 1266; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415 = ZIP 2014, 1369. 2 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, WM 2017, 1652 = ZIP 2017, 1654; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BKR 2017, 453 = ZIP 2017, 1610. 3 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 418 Rz. 32 = ZIP 2014, 1369. 4 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415 Rz. 2 = ZIP 2014, 1369. 5 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 418 Rz. 36 = ZIP 2014, 1369. 6 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 418 Rz. 33 = ZIP 2014, 1369.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
stößt, denn das Entgelt für die Gewährung der Möglichkeit zur Kapitalnutzung sei nach dieser Vorschrift laufzeitabhängig ausgestaltet1. Diese Rechtsprechung wird in der Literatur nicht von allen geteilt, sondern zum Teil kritisch gesehen2.
3.750
Der BGH hat jedoch die Frage, ob dem § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB als nicht zwingende Vorschrift Leitbildbildfunktion zukommt, dahingehend entschieden, dass mit der seit 1.1.2002 geltenden Vorschrift des § 488 Abs. 1 BGB der Gesetzgeber nicht nur das entgeltliche Darlehen als Regelfall gesetzlich regeln wollte, sondern darüber hinaus auch die „charakteristischen Hauptleistungspflichten beim Darlehen“ herausgestellt habe3. Nach § 488 Abs. 1 BGB ist der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Diese Pflicht umfasst die Pflicht zur Überlassung oder Verschaffung des Darlehensbetrags und die Pflicht zur Belassung des Darlehensbetrags während der Vertragslaufzeit4. Die Pflicht zur Überlassung kann der Darlehensgeber auf verschiedene Weise erfüllen, z.B. durch Übergabe von Bargeld, Überweisung, Gutschrift, Gewährung eines Kontokorrentkredits oder Einräumung eines Überziehungskredits5. Erfüllt hat der Darlehensgeber seine Pflicht erst, wenn der Darlehensbetrag aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Darlehensnehmer endgültig zugeflossen ist6. Der Darlehensnehmer ist dagegen verpflichtet, als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Geldbetrags einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das Darlehen zurückzuzahlen.
3.751
Die Kapitalüberlassung und die fortdauernde Kapitalbelassung zählen nach § 488 Abs. 1 BGB zu den gesetzlichen Hauptleistungspflichten des Darlehensgebers, die im synallagmatischen Verhältnis zur Zinszahlungspflicht des Darlehensnehmers stehen7. Zins im Rechtssinne ist nach der Rechtsprechung die nach der Laufzeit des Darlehens bemessene, gewinn- und umsatzunabhängige Vergütung für die Möglichkeit des Gebrauchs auf Zeit überlassenen Kapitals8. Eine Klausel, nach der ein zusätzliches laufzeitunabhängiges Entgelt, das ohne erkennbare echte Gegenleistung vom Darlehensnehmer geschuldet wird, weicht nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des BGH von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) ab. Die unangemessene Benachteiligung wird hierdurch indiziert9.
3.752
Der BGH hat damit den Prüfungsmaßstab für formularmäßige Entgeltklauseln, nach denen für die Darlehensgewährung neben einem Zins (in der Regel dem Sollzins i.S.d. § 489 Abs. 5 BGB) ein weiteres Entgelt geschuldet werden soll, vorgegeben. Danach gilt prinzipiell, dass mit dem vom Schuldner geschuldeten Zins die Hauptleistungspflichten des Darlehensgebers, wie Kapitalüberlassung oder -verschaffung und Kapitalbelassung während der Vertragslaufzeit, einschließlich etwaiger, aus dem Darlehensvertrag geschuldeter Nebenpflichten, vollständig abgegolten werden. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 423 Rz. 74 ff. = ZIP 2014, 1369. Bitter/Linardatos, Erdachte Leitbilder im Darlehensrecht, ZIP 2018, 2249. BGH v. 15.3.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 423 Rz. 75 = ZIP 2014, 1369. BT-Drucks. 14/6040, 252; Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018, § 488 BGB Rz. 24. BT-Drucks. 14/6040, 253; Berger in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 488 BGB Rz. 27 ff. Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018, § 488 BGB Rz. 24. BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 420 Rz. 55 = ZIP 2014, 1369. BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 420 Rz. 52 = ZIP 2014, 1369. BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 420 Rz. 76 = ZIP 2014, 1369.
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Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
Eine Aufteilung dieser vom Darlehensnehmer geschuldeten Zinszahlungspflicht in ein einmaliges, laufzeitunabhängiges Entgelt und ein laufzeitabhängiges Entgelt ist nach der Auffassung des BGH nicht zulässig, weil die einzelnen Hauptleistungspflichten des Darlehensgebers nicht sonderentgeltfähig sind und keine Sonderleistungen darstellen1. Zulässig ist es dagegen, den Zins in laufzeitabhängige Zahlungsbestandteile aufzuspalten, wie es z.B. beim Disagio der Fall ist2.
3.753
Wird dennoch formularmäßig ein zusätzliches laufzeitunabhängiges Entgelt verlangt, muss diesem eine echte Gegenleistung gegenüberstehen, andernfalls unterliegt jede weitere Entgeltklausel als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle, wenn sie von dispositivem Recht abweicht oder dieses ergänzt. Einmalige, laufzeitunabhängige Entgelte, mit denen der Darlehensgeber versucht, die Kosten für die Kreditwürdigkeitsprüfung, Beschaffung der Darlehensvaluta, Einholung von Sicherheiten, Anlegen einer Kreditakte, Ausfertigung eines Darlehensvertrags, Einrichtung eines Kreditkontos, also Aufgaben, die der Darlehensgeber im eigenen Interesse, aufgrund vertraglicher Nebenpflichten oder gesetzlicher Pflichten erbringt, auf den Darlehensnehmer abzuwälzen, benachteiligen den Darlehensnehmer unwirksam, weil sie gegen das Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen und damit den Darlehensnehmer unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
3.754
Der Klauselverwender kann die gesetzliche Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung widerlegen. Eine solche Widerlegung käme in Betracht, wenn die Klausel auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung den Kunden nicht unangemessen benachteiligt, wovon auszugehen wäre, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild sachlich gerechtfertigt oder der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt wird3. Dabei muss im Rahmen der Angemessenheitsprüfung bei gebotener überindividueller und generalisierender Betrachtungsweise ein allgemein eintretender Vorteil des Kunden festgestellt werden, der der Indizwirkung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB entgegenstehen könnte4. Soll die den Vertragspartner benachteiligende Abweichung vom dispositiven Recht durch Gewährung anderer rechtlicher Vorteile kompensiert werden, ist eine solche Kompensation nur dann dazu geeignet, die Unangemessenheit zu beseitigen, wenn sie von dem Klauselverwender selbst gewährt werden5.
3.755
Im Licht dieser Rechtsprechung werden die nachstehenden Entgelte im standardisierten Kreditgeschäft in alphabetischer Reihenfolge betrachtet. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern beschränkt sich auf solche, die als üblich gelten oder durch die Rechtsprechung bekannt geworden sind.
3.756
Etwaige Entgelte im strukturierten Kreditgeschäft sind nicht Gegenstand dieser Betrachtung. b) Beispiele Entgelte im standardisierten Kreditgeschäft Agio: Im Gegensatz zu dem Disagio (oder Damnum) wird das – im Kreditgeschäft eher selten vorkommende – Agio (oder Aufgeld) auf den Darlehensnennbetrag aufgeschlagen und bei Valutierung oder bei Abschluss des Darlehensvertrags von dem Kreditinstitut einbehal1 2 3 4 5
BGH BGH BGH BGH BGH
v. v. v. v. v.
13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 421 Rz. 58 = ZIP 2014, 1369. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 420 Rz. 51 = ZIP 2014, 1369. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 49 = ZIP 2017, 1654. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 58 = ZIP 2017, 1654. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 52 = ZIP 2017, 1654.
Wittig | 359
3.757
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ten oder eingezogen. Es gilt als eine Vorauszahlung auf den Vertragszins und ist laufzeitabhängig ausgestaltet. Wird der Darlehensbetrag vorzeitig zurückgeführt, wird daher bei der Berechnung einer etwaig anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung das Agio berücksichtigt und anteilig zurückerstattet. Das Agio ist unter diesen Voraussetzungen rechtlich zulässig.
3.758
Aufhebungsentgelt (auch Vorfälligkeitsentgelt): Ein Kreditinstitut kann ein Entgelt für die vorzeitige, im gegenseitigen Einvernehmen getroffene Vereinbarung über die Aufhebung eines zeitlich befristeten Darlehensvertrags verlangen, soweit dem Darlehensnehmer kein Anspruch auf die vorzeitige Beendigung zusteht oder das Kreditinstitut mit der vorzeitigen Aufhebung nicht eine vertragliche oder gesetzlich geschuldete Pflicht erfüllt. Eine Aufhebung liegt vor allem dann vor, wenn dem Darlehensnehmer kein gesetzliches Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB und § 490 Abs. 2 BGB oder vorzeitiges Erfüllungsrecht nach § 500 Abs. 2 BGB zusteht oder kein vertraglicher Anspruch besteht, den Vertrag vor Ablauf der Vertragslaufzeit durch Aufhebungsvereinbarung zu beenden. Außerdem kann es sich um den Fall handeln, in dem der Darlehensnehmer zwar ein Kündigungsrecht nach § 490 Abs. 2 BGB hat, sich aber nicht an die dort vorgesehene Kündigungsfrist von drei Monaten halten will oder aufgrund anderweitig eingegangener Verpflichtungen nicht halten kann und deswegen die sofortige vorzeitige Aufhebung verlangt und der Darlehensgeber sich auf die vorzeitige Aufhebung des Vertrags entgegenkommender Weise einlässt.
3.759
Die Beendigung kann in diesem Fall durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags erfolgen und von der Zahlung eines frei verhandelbaren Aufhebungsentgelts1, dem Preis2 für die Zustimmung des Kreditinstituts zur vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags, abhängig gemacht werden. Hier liegt eine Preishauptabrede über eine Sonderleistung des Darlehensgebers vor, denn zu der vorzeitigen Beendigung eines befristet abgeschlossenen Darlehensvertrags ist der Darlehensnehmer nur dann auf Verlangen des Darlehensnehmers verpflichtet, wenn der Darlehensnehmer einen gesetzlichen Kündigungsgrund hat oder ihm die vorzeitige Beendigung auf Verlangen vertraglich zugestanden worden war. Liegen die Voraussetzungen für eine wirksame Aufhebungsvereinbarung vor, unterliegt die Entgeltklausel nicht der Inhaltskontrolle, sondern ist nur nach den Regeln des § 138 BGB überprüfbar3. Die Vereinbarung über das Aufhebungsentgelt kann wegen sittenwidriger Überhöhung nichtig sein, wenn das von dem Kreditinstitut geforderte Entgelt die nach den Vorgaben der Rechtsprechung berechnete Vorfälligkeitsentschädigung um 100 % übersteigt oder wenn eine erhebliche Überschreitung vorliegt und weitere subjektive Momente hinzukommen, die im Zusammenwirken mit der Überschreitung das Sittenwidrigkeitsurteil rechtfertigen4. Anders als bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung, braucht der Darlehensgeber bei der Berechnung eines Aufhebungsentgelts jedoch nicht etwaig im Darlehensvertrag vereinbarte Sondertilgungsrechte zu berücksichtigen5. Für die vorzeitige Aufhebung bzw. Beendigung kann das Kreditinstitut darüber hinaus ein Bearbeitungsentgelt verlangen, weil die Bearbeitung des Aufhebungsverlangens im ausschließlichen Interesse des Kunden liegt.
3.760
Betrifft die Aufhebungsvereinbarung einen festverzinslichen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag, den der Verbraucher nicht nach § 500 Abs. 2 BGB vorzeitig erfüllen kann, weil er kein berechtigtes Interesse darlegen kann, handelt es sich bei einer Aufhebung ge1 2 3 4 5
BGH v. 19.1.2016 – XI ZR 388/14, WM 2016, 457, 459 Berger in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 490 BGB BGH v. 19.1.2016 – XI ZR 388/14, WM 2016, 457, 459 Berger in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 490 BGB BGH v. 19.1.2016 – XI ZR 388/14, WM 2016, 457, 459
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Rz. 23 = ZIP 2016, 515. Rz. 40. Rz. 23 = ZIP 2016, 515. Rz. 40. Rz. 23 = ZIP 2016, 515.
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
gen Zahlung eines Entgelts um einen entgeltlichen Verbrauchervertrag i.S.d. § 312 Abs. 1 BGB, auf den § 312a Abs. 3 BGB Anwendung findet. Das ggf. neben dem Aufhebungsentgelt verlangte Bearbeitungsentgelt kann als Zusatzzahlung nur ausdrücklich vereinbart werden, weil es andernfalls nicht geschuldet wird (§ 312a Abs. 6 BGB). Auszahlungskosten: Eine Entscheidung darüber, ob ein Kreditinstitut die Auszahlung eines Darlehens gesondert bepreisen kann, hat der BGH noch nicht getroffen. Allerdings hat er in seinen Entscheidungen zu den einmaligen, laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelten ausgeführt, dass mit diesem Entgelt neben allgemeinen Betriebskosten Tätigkeiten vergütet werden sollen, die zum einen keine Sonderleistungen darstellen und zum anderen Tätigkeiten sind, die das kreditgebende Kreditinstitut im eigenen Interesse oder aufgrund von Rechtspflichten vornimmt. Unter den unter beispielhaft aufgezählten Arbeiten nennt der BGH ausdrücklich die „Auszahlung der Valuta“1. Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen zu laufzeitunabhängigen Einmalentgelten im Zusammenhang mit Darlehensverträgen sind formularmäßige Klauseln, nach denen Kosten für die Auszahlung des Darlehens berechnet werden können, als Preisnebenabreden einzuordnen, die der Inhaltskontrolle unterliegen. Mit dem Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB wäre eine solche Klausel nicht vereinbar, da der Darlehensgeber bei einem abgeschlossenen Darlehensvertrag die Überlassung der Darlehensvaluta schuldet und mit der Auszahlung des vereinbarten Geldbetrags lediglich seine gesetzliche Hauptleistungspflicht nach § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt2.
3.761
Anders könnte eine solche Klausel beurteilt werden, wenn der Darlehensgeber mit der Auszahlung nicht nur seine Hauptleistung erfüllt, sondern darüber hinaus noch Tätigkeiten übernimmt, die er im Interesse des Darlehensnehmers ausführt und zu denen er aufgrund des gesetzlichen Leitbilds nach § 488 BGB nicht verpflichtet ist. Eine solche Tätigkeit läge z.B. vor, wenn er für den Darlehensnehmer das Vorliegen von Fälligkeitsvoraussetzungen für Zahlungen prüft, die der Darlehensnehmer mit der Darlehensvaluta zu bezahlen beabsichtigt. Eine solche, im Interesse des Darlehensnehmers stehende Prüfungstätigkeit zählt nicht zu den Haupt- oder Nebenpflichten des Darlehensgebers, die er aufgrund des Darlehensvertrags schuldet, so dass das Kreditinstitut dem Darlehensnehmer gegenüber eine echte Sonderleistung erbringt, die es gesondert in Rechnung stellen kann.
3.762
Bearbeitungskosten3 (-entgelt4, -provision5 oder -gebühr6): Die Berechnung von laufzeitunabhängigen Einmalzahlungen unter den vorstehenden Bezeichnungen war über Jahrzehnte hinweg eine von der Rechtsprechung gebilligte7 und in der Kreditwirtschaft übliche Praxis, die für Verbraucherdarlehensverträge durch die Rechtsprechung des BGH im Mai 20148 und im Kreditgeschäft mit Unternehmern im Juli 20169 ihr Ende fand.
3.763
1 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, WuB 2018, 72, 75 mit Anm. Nobbe = ZIP 2017, 1610. 2 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 421 Rz. 58 = ZIP 2014, 1369. 3 BGH v. 16.10.2018 – XI ZR 281/17, juris = BeckRS 2018, 27446 Rz. 24; BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16, juris = BeckRS 2018, 14438. 4 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415 = ZIP 2014, 1369. 5 BGH v. 13.3.2018 – XI ZR 291/16, NJW-RR 2018, 814 = ZIP 2018, 1123. 6 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 = ZIP 2017, 1654. 7 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 418 Rz. 32 = ZIP 2014, 1369 mit Verweis auf ältere Rechtsprechung des BGH. 8 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415 = ZIP 2014, 1369; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, WM 2014, 1224 = ZIP 2014, 1266. 9 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 = ZIP 2017, 1654; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BKR 2017, 453 = ZIP 2017, 1610.
Wittig | 361
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.764
Im Mai 2014 entschied der BGH, dass die AGB-mäßige Vereinbarung eines laufzeitunabhängig zu zahlenden, einmaligen Bearbeitungsentgelts in Verbraucherdarlehensverträgen unzulässig sei, weil sie mit dem gesetzlichen Leitbild des § 488 BGB nicht zu vereinbaren ist (s. Rz. 3.749 ff.). Nach diesem schulde der Darlehensnehmer neben der Rückzahlung des Darlehensbetrags nur den vertraglich vereinbarten Zins. Der BGH hatte die streitgegenständliche Klausel „Bearbeitungsentgelt EUR“ wörtlich anhand des Begriffs ausgelegt und kam dabei zu dem Ergebnis, dass sich der Klauselverwender, wie der Begriff des Bearbeitungsentgelts unschwer erkennen ließe, Tätigkeiten bezahlen lassen wolle, die er aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten oder im ausschließlich eigenen Interesse ohnehin erbringen müsse oder wolle. All diese Tätigkeiten stellen nach dem Verständnis der vom BGH entwickelten Grundsätze keine Sonderleistungen für den Darlehensnehmer dar und sind somit bereits durch die Zahlung des geschuldeten Zinses abgedeckt. Als Preisnebenabrede, die gegen das gesetzliche Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt und damit von dispositivem Recht abweicht, sei die Unangemessenheit der Klausel indiziert (§ 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Sämtliche vorgebrachten Argumente, die gegen die Unangemessenheit einer solchen Klausel vorgetragen wurden, verwarf der BGH und fasste im Ergebnis zusammen, dass Gründe, die die Klausel bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung gleichwohl als angemessen erscheinen ließen, weder dargetan worden noch als solche ersichtlich seien1.
3.765
Wie die Entscheidungen des BGH zeigen, spielt es in seiner rechtlichen Beurteilung keine Rolle, wie die einmalig zu zahlenden, laufzeitunabhängig ausgestalteten Entgelte in der Praxis bezeichnet werden. Solange mit den als „Bearbeitungskosten“, „Bearbeitungsgebühr“, „Bearbeitungsprovision“ oder „Bearbeitungsentgelt“ ausgewiesenen Zahlungen keine echten Sonderleistungen des Darlehensgebers gegenüberstehen, wird der BGH bei ihrer Beurteilung auf den Wortlaut abstellen und in ihnen Preisnebenabreden sehen, die von dispositivem Recht abweichen.
3.766
Nachdem der BGH die Unzulässigkeit von Bearbeitungsentgelten bei formularmäßig vereinbarten Verbraucherdarlehen mit dem Verstoß gegen das Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB begründet und diesen zur Grundnorm des Darlehensrechts2 erhoben hatte, war es konsequent, dass der BGH diese Rechtsprechung auf laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte oder sonstige laufzeitunabhängige Einmalentgelte in formularmäßigen Kreditverträgen mit Unternehmern übertragen hat3.
3.767
Der BGH beurteilte die Bearbeitungsentgelte im Kreditgeschäft mit Nicht-Verbrauchern bzw. mit Unternehmern ebenfalls als unzulässig, weil die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts auch für die Bearbeitung eines Unternehmerdarlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sei und den Darlehensnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige4. Klauseln, nach denen für die Bearbeitung von Unternehmerdarlehensverträgen ein laufzeitunabhängiges Entgelt verlangt wird, dienen dem Kreditinstitut dazu, Kosten für die Erfüllung einer Hauptleistungspflicht auf den Darlehensnehmer abzuwälzen, und sind daher unwirksam. Denn es gehört zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Gesetzesrechts, dass 1 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 423 Rz. 76 = ZIP 2014, 1369. 2 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 423 Rz. 75 = ZIP 2014, 1369. 3 Nobbe, WuB 2/2018, 72, 75; Lammeyer/Singbartl, Anmerkung zu BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/ 15, BKR 2017, 453, 462 = ZIP 2017, 1610. 4 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16, juris = BeckRS 2018, 14438 Rz. 27.
362 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
jeder Rechtsunterworfene für Tätigkeiten, zu denen er gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt, kein gesondertes Entgelt verlangen kann1. Bei einem Abweichen von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung wird die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners indiziert2. Diese gesetzliche Vermutung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB der Unangemessenheit ist widerlegt, wenn die Klausel auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung den Kunden nicht unangemessen benachteiligt. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild sachlich gerechtfertigt oder der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist3. Die im Zusammenhang mit Unternehmerdarlehensverträgen vorgetragenen Argumente zur Widerlegung der Unangemessenheit einer solchen Klausel, hat der BGH in einer ausführlichen Interessenabwägung berücksichtigt und im Ergebnis für nicht tragfähig erachtet4. Weder die Möglichkeit, die Bearbeitungskosten steuersenkend berücksichtigen5 oder sie im Rahmen der eigenen Preisgestaltung an Kunden weitergeben6 zu können, waren Aspekte, die bei der Interessenabwägung dazu führten, die Unangemessenheit der Klausel in Frage zu stellen. Auch wirtschaftliche Überlegungen des Darlehensgebers, den Anfangsaufwand bei der Kreditvergabe durch die Einmalzahlung am Anfang der Kreditbeziehung bezahlt zu erhalten, vermochten den BGH nicht zu überzeugen. Die Tatsache, dass bei der Einräumung einer Kreditlinie, der Darlehensgeber nicht sicher sein könne, überhaupt einen Zins zu erhalten, weil es dem Darlehensgeber frei stünde, den Kredit überhaupt oder nur für kurze Zeiträume in Anspruch zu nehmen, ließ der BGH nicht gelten7. Der Darlehensgeber müsse solche Zinsausfälle in seine gesamte Preiskalkulation einbeziehen und ggf. durch eine Mischkalkulation insgesamt einen höheren Zins vereinbaren8. Eine laufzeitunabhängige Einmalzahlung in Form eines Bearbeitungsentgelts sei dadurch jedenfalls nicht gerechtfertigt.
3.768
Die in einem Arbeitgeberdarlehensvertrag enthaltene Klausel über eine laufzeitunabhängige „Kostenbeteiligung“ des Darlehensnehmers ist unwirksam, wenn mit ihr der Aufwand des Darlehensgebers zur Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht abgedeckt werden soll9. Mit der einmalig zu entrichtenden, laufzeitunabhängigen Kostenbeteiligung verstößt die Klausel gegen das Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, der auch für den streitgegenständlichen Darlehensvertrag gilt. Die Tatsache, dass es sich bei dem Darlehensgeber nicht um ein Kreditinstitut handelte, sondern um eine Sozialeinrichtung zur betrieblichen Altersversorgung spielte bei der Bewertung keine Rolle. Auch für diese Art von Darlehen ist § 488 BGB als Basisnorm anzusehen. Die Vereinbarung einer laufzeitunabhängigen Kostenbeteiligung verstößt gegen § 488 Abs. 1 BGB und weicht somit von wesentlichen
3.769
1 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16, juris = BeckRS 2018, 14438 Rz. 28. 2 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16, juris = BeckRS 2018, 14438 Rz. 28; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, WM 2017, 1643 Rz. 39 = ZIP 2017, 1610; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, WM 2017, 1643 Rz. 39 = ZIP 2017, 1610. 3 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 49 = ZIP 2017, 1654. 4 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 50 – 87 = ZIP 2017, 1654; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BKR 2017, 453, 457 Rz. 41–79 = ZIP 2017, 1610. 5 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 53 = ZIP 2017, 1654. 6 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 52 = ZIP 2017, 1654. 7 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 81 = ZIP 2017, 1654. 8 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 233/16, BeckRS 2017, 121112 Rz. 84 = ZIP 2017, 1654; BGH v. 25.10. 2016 – XI ZR 9/15, WM 2017, 80 Rz. 38 = ZIP 2017, 73. 9 BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 157/16, BeckRS 2017, 132064 Rz. 23, 27 = ZIP 2017, 2343.
Wittig | 363
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen ab. Diese Abweichung benachteiligt den Darlehensnehmer unangemessen. Das Vorliegen von Gründen, die gegen eine unangemessene Benachteiligung sprechen können, hat der BGH erwogen, aber im Ergebnis verneint. So sei die Tatsache, dass das Arbeitgeberdarlehen zu einem günstigeren Zinssatz als dem marktüblichen Zins gewährt wurde, für sich genommen, ohne Belang. Ein im Verhältnis zum Marktzins günstigerer Zins könne die Unangemessenheit nur entfallen lassen, wenn der günstige Zinssatz im Rahmen und zur Umsetzung staatlicher Wirtschaftsförderung dient und die streitige Klausel dem Klauselverwender durch Förderbedingungen vorgegeben wird1. Dies sei bei einem Arbeitgeberdarlehen nicht der Fall, denn die Darlehensvergabe an den Arbeitnehmer beruht nicht auf einem staatlichen Auftrag zur finanziellen Förderung wirtschaftspolitischer Ziele. Dem Darlehensgeber sei es nicht verwehrt gewesen, die Bedingungen für die Darlehensgewährung hinsichtlich der Erhebung der Gebühren frei zu bestimmen2.
3.770
Über die Wirksamkeit eines einmaligen laufzeitunabhängigen „Individualbeitrags“ für ein Verbraucherdarlehen brauchte der BGH nicht zu entscheiden, da die Revision vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurde und somit die Entscheidung des OLG Düsseldorf3, wonach die Vereinbarung über den Individualbeitrag unwirksam war, rechtskräftig wurde. Gegenstand des Rechtsstreits war ein Angebot des Kreditinstituts, wonach Verbraucher auf demselben Formular zwischen einem „Basis-Kredit“ mit einer laufzeitabhängigen Vergütung und einem „Individual-Kredit“ mit einer Mischform zwischen laufzeitabhängiger und laufzeitunabhängiger Vergütung wählen konnten. Die Tatsache, dass der Darlehensnehmer zwischen den beiden Vertragsformen entscheiden konnte, hat das Gericht nicht daran gehindert, von der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen auszugehen. Die Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen macht die vom Kunden gewählte Alternative grundsätzlich noch nicht zur Individualabrede4. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen grundsätzlich auch vor, wenn der Kunde zwischen mehreren vom Verwender vorgegebenen Alternativen wählen kann, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Verwender für jede Alternative ein gesondertes Formular verwendet hat oder ob er alle Alternativen in einem Formular abdruckt und den Kunden die gewünschte kennzeichnen lässt5. Nach der Beurteilung des OLG Düsseldorf stellte die Klausel über den Individualbeitrag in ihrer kundenfeindlichsten Auslegung eine kontrollfähige Preisnebenabrede dar, da sich der Darlehensgeber mit dem einmaligen, laufzeitunabhängigen Individualbeitrag keine echte Neben- oder Zusatzleistung für ihre Kunden, sondern die Kapitalbelassung oder eigenen Aufwand vergüten lässt6. Als laufzeitunabhängiges Entgelt verstößt die Klausel über den Individualbeitrag gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, so dass die unangemessene Benachteiligung der Klausel indiziert sei. Gründe, die gegen die Unangemessenheit der Klausel sprächen, habe die Darlehensgeberin nicht schlüssig dargetan, noch seien sie anderweitig ersichtlich7. 1 BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 157/16, BeckRS 2017, 132064 Rz. 35 = ZIP 2017, 2343. 2 BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 157/16, BeckRS 2017, 132064 Rz. 35 = ZIP 2017, 2343. 3 OLG Düsseldorf v. 28.4.2016 – 6 U 152/15, WM 2017, 664; Spannenberg, Laufzeitunabhängige „Individualbeiträge“ bei Verbraucherdarlehen – zugleich Besprechung des Urteils des OLG Düsseldorf vom 28.4.2016, WM 2017, 664. 4 OLG Düsseldorf v. 28.4.2016 – 6 U 152/15, WM 2017, 664, 668. 5 OLG Düsseldorf v. 28.4.2016 – 6 U 152/15, WM 2017, 664, 668. 6 OLG Düsseldorf v. 28.4.2016 – 6 U 152/15, WM 2017, 664, 668. 7 OLG Düsseldorf v. 28.4.2016 – 6 U 152/15, WM 2017, 664, 672.
364 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
Für Fragen sorgen die Entscheidungen des BGH zu Bearbeitungskosten für formularmäßig abgeschlossene Avalkredite1. Gegenstand der Entscheidungen waren Rahmenkreditzusagen, die der Darlehensnehmer sowohl als Gelddarlehen als auch als Avalkredite2 in Anspruch kann. Der BGH sah die formularmäßige Vereinbarung von Bearbeitungskosten in beiden Fällen als Preisnebenabreden an, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen und den Vertragspartner – auch als Unternehmer – unangemessen benachteiligen. Die Tatsache, dass die Kreditzusagen u.a. auch als Avalkredit in Anspruch genommen werden konnten, rechtfertigte nach Ansicht des BGH keine andere Bewertung, denn für die hinausgelegten Avale erhielte das Kreditinstitut eine laufzeitabhängige Avalprovision und für die Ausfertigung des in Auftrag gegebenen Avals eine Ausfertigungsgebühr. Soweit das Kreditinstitut darüber hinaus noch Bearbeitungskosten verlange, wolle es sich damit Tätigkeiten vergüten lassen, die es im überwiegend eigenen Interesse oder in Erfüllung gesetzlicher oder nebenvertraglicher Pflichten erbringe. Die Erhebung der Bearbeitungskosten sei damit unwirksam und für den Darlehensnehmer unangemessen benachteiligend3.
3.771
Die Bearbeitungskosten für einen Bauträgerkredit, der auch als Aval in Anspruch genommen werden kann, unterliegen ebenfalls der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB und halten dieser nicht stand. Die von dem Kreditinstitut vorgetragenen Argumente, dass es neben der Überlassung des Kapitals weitere im Interesse des Darlehensnehmers liegende Tätigkeiten, wie Bautenstandskontrollen, Prüfung von Rechnungen, Notarurkunden, Baugenehmigungen, Bauplänen und Sicherheiten, ausgeführt habe, sah der BGH nicht als anerkennungsfähige Sonderleistungen an, da diese Tätigkeiten im Regelfall im Interesse des Kreditinstituts lägen; soweit sie auch dem Darlehensnehmer zugutekommen können, stelle dies lediglich einen reflexartigen Nebeneffekt dar, der nicht genügt, sie als für den Darlehensnehmer erbrachte, gesondert vergütungsfähige Leistungen einzuordnen4.
3.772
Laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte, die Kreditinstitute bei Abschluss eines Darlehensvertrags über einen Förderkredit formularmäßig vereinbaren und bei Auszahlung des Darlehensbetrags einbehalten, unterliegen zwar grundsätzlich der AGB-Kontrolle und müssen sich am Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB messen lassen, halten dieser Kontrolle aber nach der Rechtsprechung des BGH stand und benachteiligen den Darlehensnehmer nicht unangemessen5. Gegenstand der Entscheidungen waren Vertragsklauseln, wonach die kreditgebenden Kreditinstitute nach Maßgabe der Förderbedingungen in dem Darlehensvertrag mit dem (End-)Darlehensnehmer vereinbarten, dass bei Auszahlung des Darlehens 4 % des Darlehensnennbetrags von dem Kreditinstitut einbehalten werden. Eine anteilige Rückerstattung des einbehaltenen Betrags sahen die Vertragsbestimmungen nicht vor. Die 4 % teilten sich auf in 2 % Bearbeitungskosten und 2 % Risikoprämie für die Einräumung eines jederzeit möglichen Sondertilgungsrechts.
3.773
1 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16, juris = BeckRS 2018, 14438; BGH v. 16.10.2018 – XI ZR 281/ 17, juris. 2 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16, juris = BeckRS 2018, 14438; BGH v. 16.10.2018 – XI ZR 281/ 17, juris. 3 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16, juris = BeckRS 2018, 14438 Rz. 27. 4 BGH v. 16.10.2018 – XI ZR 281/17, juris Rz. 25. 5 BGH v. 16.2.2016 – XI ZR 96/15, WM 2016, 704; BGH v. 16.2.2016 – XI ZR 454/15, WM 2016, 699; BGH v. 16.2.2016 – XI ZR 63/15, BeckRS 2016, 6441; BGH v. 16.2.2016 – XI ZR 73/15, BeckRS 2016, 6442; BGH v. 5.7.2016 – XI ZR 101/16, BKR 2016, 470; BGH v. 5.7.2016 – XI ZR 350/15, BeckRS 2016, 15528.
Wittig | 365
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.774
Bei der rechtlichen Beurteilung hat der BGH die beiden Teilentgelte einer gesonderten Betrachtung unterworfen. Die Regelung, die das Teilentgelt Bearbeitungskosten betraf, unterliegt als Preisnebenabrede der AGB-Kontrolle1 und verstößt als laufzeitunabhängiges Entgelt grundsätzlich gegen das gesetzliche Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach der Darlehensnehmer für die Überlassung und Belassung des Darlehensbetrags nur den laufzeitabhängigen Zins schuldet. Die Unangemessenheit der Klausel ist damit grundsätzlich indiziert, kann aber nach der Rechtsprechung des BGH ausnahmsweise widerlegt werden. Die Einbehaltung der Bearbeitungskosten beruht auf den Bedingungen der Förderbank im Rahmen eines Programms, das der Förderung wirtschaftspolitischer Ziele dient. Die Bearbeitungsgebühr ist Teil der Förderbedingungen für die Vergabe besonders zinsgünstiger Darlehen, auf die das Kreditinstitut und der Darlehensnehmer keinen Einfluss haben. Das Kreditinstitut leitet die Bearbeitungsgebühr an das Förderinstitut weiter und verfolgt daher mit der Einbehaltung keine eigenen erwerbswirtschaftlichen Ziele. Die an das Förderinstitut weitergeleiteten Bearbeitungskosten gelten den Aufwand, den das Förderinstitut im Vorfeld der Kreditvergabe hat, ab und sind daher nicht unangemessen2.
3.775
Neben den Bearbeitungskosten sahen die Förderbedingungen noch einen Risikoaufschlag von weiteren 2 % des Darlehensnennbetrags vor, die die Förderbank für die Einräumung eines jederzeit möglichen, unentgeltlichen Sondertilgungsrechts verlangte. Hierin sah der BGH eine entgeltfähige Sonderleistung, da das Förderinstitut zur Einräumung eines solchen jederzeit möglichen Sondertilgungsrechts nicht verpflichtet ist. Als Preishauptabrede ist eine solche Klausel einer AGB-Kontrolle entzogen3. Für Darlehensverträge, die bis 10.6. 2010 abgeschlossen wurden, ist eine solche Klausel daher nicht zu beanstanden4. Für Verbraucherdarlehensverträge, die seit dem 11.6.2010 abgeschlossen wurden, ist eine solche Klausel jedoch unwirksam, weil sie weder mit § 500 Abs. 2 BGB noch mit § 502 Abs. 2 BGB vereinbar ist5.
3.776
Bereitstellungsprovision oder Bereitstellungszinsen: Das Verlangen einer Bereitstellungsprovision oder von Bereitstellungszinsen ist dagegen nach der Rechtsprechung des BGH6 zulässig und unterliegt als Entgelt für die Bereithaltung des zugesagten Darlehenskapitals zum Abruf durch den Darlehensnehmer nicht der AGB-Kontrolle. Als entgeltfähige Sonderleistung ist eine, auch formularmäßig getroffene, Vereinbarung über die Bereitstellungszinsen nach § 138 BGB zu messen. Maßstab für die Prüfung der Sittenwidrigkeit ist der vereinbarte Sollzins, der auf den in Anspruch genommenen Darlehensbetrag berechnet wird (§ 489 Abs. 5 BGB).
3.777
Vereinzelt wird die Meinung vertreten, dass es sich bei der Abrede über die Zahlung einer Bereitstellungsprovision oder von Bereitstellungszinsen um eine Preisnebenabrede handelt, mit der ein pauschalierter Schaden für die Nicht- oder verspätete Abnahme geltend gemacht werden soll7. Dieser Meinung ist nicht zu folgen. Die Bereitstellungsprovision ist das Entgelt für die vertragliche Leistung des Darlehensgebers, dem Darlehensnehmer das Darlehen auf Abruf – im Zweifel für die Dauer der gesamten Vertragslaufzeit – bereit1 2 3 4 5 6 7
BGH v. BGH v. BGH v. BGH v. BGH v. BGH v. Güngör,
16.2.2016 – XI ZR 454/15, WM 2016, 699, 702 Rz. 36. 16.2.2016 – XI ZR 454/15, WM 2016, 699, 704 Rz. 48. 16.2.2016 – XI ZR 454/15, WM 2016, 699, 701 Rz. 25. 16.2.2016 – XI ZR 454/15, WM 2016, 699, 701 Rz. 26. 16.2.2016 – XI ZR 96/15, WM 2016, 704, 705 Rz. 21 ff. 6.3.1986 – III ZR 234/84, WM 1986, 577, 579 = ZIP 1986, 833. Die Zulässigkeit von Bereitstellungszinsen bei Immobiliardarlehen, VuR 2013, 410, 413.
366 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
zuhalten. Üblich und von der Rechtsprechung nicht beanstandet, ist eine Bereitstellungsprovision von 3 Prozent p.a. auf den jeweils nicht in Anspruch genommenen Darlehensbetrag1. Cap-Prämie oder Zinsbegrenzungsprämie: Eine einmalige, laufzeitunabhängige Cap-Prämie oder Zinsbegrenzungsprämie bei Vereinbarung einer Zinsober- und Zinsuntergrenze (sog. Collar) bei einem variabel verzinslichen Verbraucherdarlehen ist nach der Rechtsprechung des BGH unwirksam2. Nach Auffassung des BGH handelt es sich bei den streitgegenständlichen Klauseln um Preisnebenabreden, die der AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 und 2 BGB unterliegen. Im Wege der Auslegung kam der BGH zu dem Ergebnis, dass ein rechtlich nicht vorgebildeter Durchschnittskunde die Klausel so versteht, dass dem Kreditinstitut mit der Cap-Prämie bzw. der Zinsbegrenzungsgebühr allein ein Ausgleich für entgehende Zinsmehreinnahmen verschafft werden soll3. Somit stellt die Cap-Prämie oder Zinsbegrenzungsgebühr ein weiteres (Teil-)Entgelt dar, das der Darlehensnehmer zusammen mit dem Zins als Gegenleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta schuldet4. Der BGH kam bei kundenfeindlichster Auslegung der zugrunde liegenden Vereinbarungen weiter zu der Einschätzung, dass die Cap-Prämie bzw. Zinsbegrenzungsgebühr laufzeitunabhängig ausgestaltet sind, weil sie nach den Vertragsbedingungen bei Abschluss des Darlehensvertrags zur Zahlung fällig wurden und eine Regelung über eine anteilige Rückerstattung bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrags während der Cap-Vereinbarung nicht vorgesehen war. Bei diesem Klauselverständnis bewertete der BGH die laufzeitunabhängige Cap-Prämie bzw. Zinsbegrenzungsgebühr als neben dem Zins zu zahlendes zusätzliches Teilentgelt für die Verschaffung der Darlehensvaluta. Da nach dem gesetzlichen Leitbild von § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB nur ein laufzeitabhängiges Entgelt, nämlich der Zins geschuldet wird, verstoßen beide Klausel gegen dieses Leitbild, so dass die Unangemessenheit der Klausel indiziert sei. Da der BGH Gründe, die die Unangemessenheit widerlegen, nicht erkennen konnte und sie nach seiner Auffassung auch nicht vorgetragen worden waren, befand er die Vereinbarungen über die Cap-Prämie bzw. Zinsbegrenzungsgebühr für unwirksam.
3.778
Bis zu dieser Entscheidung galten laufzeitunabhängig ausgestaltete Cap-Prämien oder Zinsbegrenzungsprämien (-gebühren) als Entgelte für die von den Kreditinstituten über die reine Zurverfügungstellung der Darlehensvaluta hinausgehende Sonderleistung einer Zinsbegrenzungsabrede im Zusammenhang mit variabel verzinsten Darlehen5 und wurden damit als wirksam erachtet. Darlehensgebühr: Gegenstand der Entscheidung waren die Bedingungen einer Bausparkasse, nach der bei Beginn der Auszahlung des Bauspardarlehens eine Darlehensgebühr fällig und dem Bauspardarlehen zugeschlagen wurde. Diese bei Auszahlung einzubehaltende, laufzeitunabhängige Darlehensgebühr hat der BGH6 für unwirksam erachtet. Als Preisnebenabrede unterliege sie der gerichtlichen Inhaltskontrolle. Die Darlehensgebühr stelle 1 BGH v. 6.3.1986 – III ZR 234/84, WM 1986, 577, 579 = ZIP 1986, 833; OLG Naumburg v. 9.10. 2003 – 2 U 13/03, WM 2004, 782. 2 BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 790/16, NJW 2018, 2950 mit Anm. von Bausch = ZIP 2018, 1389; a.A. Weiß/Reps, Zinsbegrenzungsvereinbarungen und -prämien in AGB, WM 2016, 1865. 3 BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 790/16, NJW 2018, 2950, 2953 Rz. 41 = ZIP 2018, 1389. 4 BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 790/16, NJW 2018, 2950, 2953 Rz. 41 = ZIP 2018, 1389. 5 LG Frankfurt v. 16.9.2015 – 2-19 O 41/15, ZIP 2015, 2314, 2315; Weiß/Reps, Zinsbegrenzungsvereinbarungen und -prämien in AGB, WM 2016, 1865. 6 BGH v. 8.11.2016 – XI ZR 552/15, juris.
Wittig | 367
3.779
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
kein Entgelt für eine konkrete vertragliche Sonderleistung der Bausparkasse dar. Stattdessen wolle sich die Bausparkasse mit der Gebühr ihren Verwaltungsaufwand, der für Tätigkeiten der Klauselverwenderin im Zusammenhang mit den Bauspardarlehen anfällt, abgelten lassen. Werden aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen Aufwände für Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt, zu denen der Verwender entweder gesetzlich verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt, seien solche Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung nicht vereinbar. Da mit dieser Klausel genau dies erreicht werden solle, benachteilige sie die Kunden unangemessen. Die Unangemessenheit der Vertragsbedingung sei auch nicht dadurch widerlegt, weil eine Bausparkasse sie erhebe. Dem kollektiven Gesamtinteresse der Bauspargemeinschaft käme die Darlehensgebühr nicht zugute, weil sie keinen Beitrag zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bausparwesens leistet. Die von der Bausparkasse erhobene Darlehensgebühr diene allein deren Ertragsinteresse und stelle damit eine unangemessene Benachteiligung des Darlehensnehmers dar.
3.780
Disagio oder Damnum: In der Rechtsprechung1 als zulässig anerkannt ist ein Disagio, auch Damnum genannt. Dabei handelt es sich um Abschläge von dem Darlehensnennbetrag von bis zu 10 %, die bei Auszahlung des Darlehens von dem Darlehensgeber einbehalten werden. Nach der Rechtsprechung werden sie als zinsähnliches Teilentgelt für die zeitweilige Kapitalnutzung in Gestalt eines Einmalentgelts angesehen, das in der Regel integraler Bestandteil der lauzeitabhängigen Zinskalkulation ist2 und bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrags anteilig zurückerstattet wird. Darüber hinaus ist ein Disagio bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 BGB oder § 502 BGB zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung handelt es sich um ein zulässiges, weil laufzeitabhängiges Teilentgelt für die Überlassung der Darlehensvaluta, mit der der Darlehensgeber in zulässiger Weise seinen Preis aufspaltet3.
3.781
Kreditprovision (laufzeitabhängig): Die laufzeitabhängig ausgestaltete Kreditprovision wird auf den nicht in Anspruch genommenen Darlehensbetrag berechnet und ist daher ein mit der Bereitstellungsprovision vergleichbares Entgelt, das für die Bereithaltung des Darlehenskapitals und der Aufrechterhaltung der Kreditzusage zum jederzeitigen Abruf der Darlehensvaluta verlangt wird. Damit lässt sich der Darlehensgeber die Belassung des zwar noch nicht ausgezahlten, aber fest zugesagten Darlehenskapitals während der Vertragslaufzeit vergüten. Dem Darlehensnehmer steht es dann grundsätzlich frei, ob er das Darlehen in Anspruch nimmt oder von einer Inanspruchnahme absieht.
3.782
Kontoführungsgebühr: Vereinzelt wird für die Führung von Darlehenskonten eine Kontoführungsgebühr verlangt. Der BGH4 hat eine solche Kontoführungsgebühr für unzulässig erachtet; die Führung eines Kreditkontos erfolge im ausschließlichen Interesse des Darlehensgebers und diene insbesondere der ordnungsgemäßen Verbuchung der Darlehensraten und somit der Verwaltung des Darlehens. Für den Kreditnehmer sei die Führung eines Kreditkontos ohne Belang und nicht von Interesse, daher handele es sich nicht um eine vergütungsfähige Sonderleistung, die der Darlehensgeber im Interesse des Darle1 St. Rspr. BGH v. 29.5.1990 – XI ZR 231/89, BGHZ 111, 287, 289 f.; BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 200/99, WM 2000, 1243, 1244 = ZIP 2000, 1101; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 420 Rz. 51 = ZIP 2014, 1369. 2 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 420 Rz. 51 = ZIP 2014, 1369. 3 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, 420 Rz. 51 = ZIP 2014, 1369. 4 BGH v. 7.6.2011 – XI ZR 388/10, WM 2011, 1329, 1332 Rz. 28 ff. = ZIP 2011, 1299.
368 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
hensnehmers erbringe. Die AGB-mäßige Vereinbarung von Kontoführungsgebühren für ein Kreditkonto ist daher unwirksam. Gleiches gilt, wenn eine Bausparkasse für die Kontoführung eines Bauspardarlehenskontos eine Jahreskontoführungsgebühr verlangt, selbst wenn diese von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden ist1. Die Erhebung dieser Gebühr stellt kein Entgelt für eine im Interesse des Bauspardarlehensnehmers erbrachte Sonderleistung dar, insbesondere komme sie nicht dem Kollektiv der Bausparer zugute. Die Kontoführungsgebühr ist stattdessen als eine zusätzliche Ertragsquelle für die Bausparkasse zu bewerten, die den Darlehensnehmer unangemessen benachteiligt. Nicht zu verwechseln sind damit aber die Kosten oder Entgelte für ein laufendes Kontokorrentkonto, auf dem ein Kredit, wie z.B. eine Kredit- oder Barlinie oder eine eingeräumte Überziehungsmöglichkeit i.S.v. § 504 BGB zur Verfügung gestellt wird. Denn in diesem Fall stehen der Kontovertrag über das Kontokorrent- und Zahlungskonto – als Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675f Abs. 2 BGB) – und der Kreditlinienvertrag als eigenständige Verträge nebeneinander und sind unabhängig voneinander zu vergüten. Für die Führung des Kontokorrent- oder Zahlungskontos kann der Darkehensgeber eine Kontoführungsgebühr verlangen, die nicht als Preisnebenabrede zu dem Darlehensvertrag anzusehen ist.
3.783
Sonstige Entgelte für (echte) Sonderleistungen: Betrachtet man sich die Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit von zusätzlichen Entgelten im Zusammenhang mit Darlehensverträgen und seine in diesem Zusammenhang entwickelten Grundsätze, dann ist der Darlehensgeber gehalten, alle üblicherweise im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag anfallenden Arbeiten und Leistungen durch den vertraglich vereinbarten Zins (also einer laufzeitabhängigen Vergütung) abgelten zu lassen. Zu diesen üblichen Tätigkeiten gehören Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Vertragsanbahnung, Prüfung der Kreditwürdigkeit, Vorbereitungshandlungen zum Abschluss des Darlehensvertrags, die Beschaffung der Valuta bzw. die Sicherstellung der Refinanzierung, die Hereinnahme und Prüfung der Sicherheiten, die Verwaltung und Überwachung des Darlehens und der Sicherheiten sowie schließlich die Rückübertragung der Sicherheiten, wenn sich deren Sicherungszweck erledigt hat.
3.784
Dagegen sind Tätigkeiten, die durch einen abweichenden Verlauf des Darlehensvertrags verursacht werden, nicht durch den vertraglich vereinbarten Zins abgegolten. Es ist daher zulässig, dass der Darlehensgeber sich den Mehraufwand, den er durch eine, vom Darlehensnehmer gewünschte Stundungsvereinbarung erleidet, bezahlen lassen darf. Auch die erneute Prüfung einer Sicherheit, die dem Darlehensgeber gegen Tausch der bereits bestellten angeboten wird, ist nicht durch den Zins abgegolten. Gleichwohl kann der Darlehensnehmer von dem Darlehensgeber die Fortsetzung des Darlehensvertrags verlangen, wenn er dem Darlehensgeber eine Sicherheit anbietet, die in ihrem Wert vergleichbar ist oder sogar einen höheren Wert hat2. Wünscht der Darlehensnehmer eine in seinem Interesse liegende Treuhandvereinbarung bei Ablösung eines Darlehens Zug-um-Zug gegen Abtretung einer Grundschuld, kann der Darlehensgeber für die Vereinbarung der Treuhandabrede und deren Überwachung ein Entgelt verlangen, weil er eine entgeltfähige Zusatzleistung gegenüber dem Kunden erbringt3.
3.785
1 BGH v. 9.5.2017 – XI ZR 308/15, WM 2017, 1349, 1351 Rz. 20 und 29 ff. = ZIP 2017, 1313. 2 BGH v. 3.2.2004 – XI ZR 398/02, WM 2004, 780, 782 = ZIP 2004, 801. 3 OLG Köln v. 27.5.2009 – 13 U 202/08, BKR 2011, 244; Nobbe, Zulässigkeiten von Bankentgelten, WM 2008, 185, 194; a.A. OLG Hamm v. 4.12.2018 – 19 U 27/18, juris.
Wittig | 369
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.786
Beendet der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag vorzeitig bei Vorliegen eines berechtigten Interesses nach § 490 Abs. 2 BGB oder nimmt der Darlehensnehmer das Darlehen endgültig nicht ab, kann der Darlehensgeber die Kosten als weitere Schadensposition geltend machen, die ihm durch die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bzw. der Nichtabnahmeentschädigung entstehen1. Dieser Betrag kann als Berechnungsaufwand nach § 287 ZPO geschätzt werden und ist als absoluter Betrag geltend zu machen2 und nicht als Prozentsatz vom Vorfälligkeitsschaden. Anders beurteilt sich die Rechtslage bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB im Falle der vorzeitigen Erfüllung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach § 500 Abs. 2 BGB. Der Aufwand, der bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB anfällt, wird nicht als schadenserhöhende Position angesehen, so dass dieser auch nicht als absoluter Betrag in Rechnung gestellt werden kann3.
3.787
Schätzkosten (oder Wertermittlungskosten): Die rechtliche Zulässigkeit einer AGB-Klausel über die Berechnung von Schätzkosten oder Wertermittlungskosten im Zusammenhang mit der Bewertung eines Grundstücks, das zugunsten der kreditgebenden Bank mit einem Grundpfandrecht belastet wird, wird unterschiedlich beurteilt. Nach neueren Entscheidungen wird die formularmäßige Berechnung von „Schätzgebühren“4, „Kosten für Gutachtenerstellung“5 oder „Besichtigungsgebühr“6 als Preisnebenabrede qualifiziert, mit der das Kreditinstitut sich Tätigkeiten vergüten lässt, die es im eigenen Interesse durchführt. Eine solche Preisnebenabrede, die dazu dient, Kosten für die Durchführung von im eigenen Interesse liegender Tätigkeiten auf den Kunden abzuwälzen, seien mit den von Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar und daher unwirksam. Ältere Entscheidungen des OLG München7 und des OLG Naumburg haben derartige Klauseln dagegen für zulässig erachtet bzw. als für nicht zu beanstanden8 bewertet.
3.788
Die Rechtsmeinungen zur Zulässigkeit der Berechnung von Wertermittlungskosten sind nicht einheitlich und gehen auch in der Literatur9 auseinander. Keine Berücksichtigung findet in der Diskussion der Umstand, dass Wertermittlungen ab einer gewissen Betragshöhe oder in Abhängigkeit von der Art der Immobilie durch qualifizierte Gutachter i.S.d. § 6 BelWertV zu erstellen sind. Für die Bewertung entsteht dem Kreditinstitut daher ein Aufwand für Tätigkeiten, die es regelmäßig nicht aufgrund eigener banküblicher Expertise erbringen kann, sondern durch entsprechend zertifizierte und erfahrene Sachverständige durchführen lassen muss. Händigt das Kreditinstitut darüber hinaus das Sachverständigengutachten dem Kunden aus, erhält der Darlehensnehmer eine Leistung, die über die Zurverfügungstellung der Darlehensvaluta hinausgeht. Für eine solche Sonderleistung kann das Kreditinstitut ein zusätzliches Entgelt verlangen. 1 2 3 4 5 6 7 8
BGH v. 7.11.2000 – XI ZR 27/00, WM 2001, 20, 24 = ZIP 2001, 20. BGH v. 7.11.2000 – XI ZR 27/00, WM 2001, 20, 24 = ZIP 2001, 20. OLG Frankfurt v. 17.4.2013 – 23 U 50/12, WM 2013, 1351, 1354 = ZIP 2013, 1160. OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – 6 U 17/09, WM 2010, 215, 216 = ZIP 2010, 365. LG Dortmund v. 6.1.2015 – 25 O 184/14, juris = BeckRS 2015, 8458. OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – 6 U 17/09, WM 2010, 215, 216 = ZIP 2010, 365. OLG München v. 25.8.1999 – 19 U 2173/99, WM 2000, 130, 132. OLG Naumburg v. 9.10.2003 – 2 U 13/03, WM 2004, 782, 783; OLG München v. 25.8.1999 – 19 U 2173/99, WM 2000, 130, 132. 9 Gegen die Wirksamkeit: Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185, 194; für die Wirksamkeit: Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 78 Rz. 122; Kropf/Habl, Aktuelle Entwicklungen zur Zulässigkeit von Bankentgelten, BKR 2015, 316, 322.
370 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
Vertragsausfertigungs- oder Vertragsabschlusskosten: Kosten für die Vertragsausfertigung oder für den Abschluss des Darlehensvertrags sind mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Mit dem Abschluss des Darlehensvertrags erfüllt der Darlehensgeber eine Tätigkeit, die in seinem Interesse steht, denn damit schafft er die rechtliche Grundlage und Voraussetzung, für die Zurverfügungstellung der Valuta den Zins zu erwirtschaften. Der Abschluss des Vertrags stellt daher keine im Interesse des Kunden liegende Sonderleistung dar, für die zusätzlich zum Zins ein weiteres Entgelt verlangt werden kann.
3.789
Auch die Ausfertigung eines Darlehensvertrags ist nicht zusätzlich bepreisbar, weder im standardisierten Geschäftsverkehr mit Unternehmern noch im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern. Nach BTO 1.2.10 bis 1.2.12 MaRisk1 hat ein beaufsichtigtes Kreditinstitut im Kreditgeschäft standardisierte Kreditvorlagen zu verwenden, die vor der Verwendung rechtlich geprüft werden müssen. Im standardisierten Kreditgeschäft wird daher ein Kreditinstitut auf diese Vorlagen zurückgreifen, um die mit dem Darlehensnehmer getroffenen Vereinbarungen über Darlehenshöhe, Zinsen, Laufzeiten und Rückzahlungsmodalitäten, also die wesentlichen Vertragsbestimmungen, dokumentieren und bei Bedarf darlegen und beweisen zu können. Zwar kann ein Darlehensvertrag nach § 488 BGB grundsätzlich mündlich wirksam zustande kommen, in der Kreditpraxis wird jedoch regelmäßig ein unterzeichnetes Vertragsdokument erstellt, mit dem das Kreditinstitut vor allem aufsichtsrechtliche Pflichten und damit überwiegend eigene Interessen erfüllen wird. Im Kreditgeschäft mit Verbrauchern ist ein Darlehensgeber darüber hinaus gesetzlich verpflichtet, die Vertragsbedingungen in einem schriftlich abzuschließenden Darlehensvertrag zu dokumentieren (§ 492 Abs. 1 BGB) und dem Darlehensnehmer eine Abschrift des Darlehensvertrags zur Verfügung zu stellen (§ 492 Abs. 3 Satz 1 BGB). Mit der Erstellung einer Vertragsausfertigung oder Abschrift erfüllt daher der Darlehensgeber eine gesetzlich Nebenpflicht, für die kein zusätzliches Entgelt verlangt werden kann. Eine dahingehende Vergütungsvereinbarung wäre wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam.
3.790
Überziehungszinsen: Anerkannt ist, dass der Darlehensgeber für die nicht abgesprochene Überziehung eines Kontos oder einer Kreditlinie auf einem laufenden Konto, im Verbraucherdarlehensrecht auch geduldete Überziehungsmöglichkeit (§ 505 BGB) genannt, einen höheren Zins als den üblichen Sollzins für eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten verlangen kann2. Begründet wird dies damit, dass der Darlehensgeber ohne vorherige Absprache mit einer Inanspruchnahme von Krediten konfrontiert wird, die einen höheren Arbeitsaufwand und ggf. höher Refinanzierungskosten mit sich bringen können, so dass ein höherer Zinssatz gerechtfertigt ist.
3.791
Ein Mindestpreis für geduldete Überziehungen ist nach der Rechtsprechung des BGH dagegen rechtlich nicht zulässig3. Der BGH hatte sich mit zwei verschiedenen Vertragsklauseln zu befassen, bei denen für eine geduldete Überziehung ein monatlicher Mindestpreis von 2,95 € bzw. ein vierteljährlicher Mindestpreis von 6,90 € verlangt wurde. Beide Kreditinstitute sahen in ihren Vertragsbedingungen vor, dass der Mindestpreis entfiel, wenn die Summe der Überziehungszinsen in dem Rechnungsabschnitt, in dem es zu einer geduldeten Überziehung gekommen war, höher war als der Mindestpreis. In diesem Fall
3.792
1 Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 09/2017 (BA) v. 27.10.2017 – BA 54 FR 2210-2017/0002, Mindestanforderungen an das Risikomanagement. 2 BGH v. 14.4.1992 – XI ZR 196/91, juris Rz. 18. 3 BGH v. 25.10.2016 – XI ZR 9/15, WM 2017, 80, 83 Rz. 30–33 = ZIP 2017, 73.
Wittig | 371
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
sollte der Darlehensnehmer nur die Überziehungszinsen zu zahlen haben. Die beiden Entgelte, der Mindestpreis einerseits und die Überziehungszinsen andererseits sollten nach beiden Bedingungswerken nicht kumulativ, sondern alternativ in Rechnung gestellt werden können. Das OLG Düsseldorf1 hatte die Klausel über 2,95 € für eine geduldete Überziehung im Monat für wirksam erachtet und dem Entgelt eine laufzeitabhängige Komponente beigemessen, weil das Monatsentgelt bei der in Rechnungstellung der Überziehungszinsen in Anrechnung kam. Das OLG Frankfurt2 dagegen hielt die Klausel für den Mindestpreis unter allen Gesichtspunkten nach der Rechtsprechung des BGH zu Bearbeitungskosten für unwirksam, weil sie den Darlehensnehmer unangemessen benachteilige.
3.793
Der BGH hat sich der Auffassung des OLG Frankfurt angeschlossen und dessen Entscheidung bestätigt und die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben. Der BGH räumte zwar ein, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für geduldete Überziehungen enthaltenen Regelungen rechtlich vertretbar als Preishauptabrede angesehen werden könnten3, sie aber bei kundenfeindlichster Auslegung dahingehend zu verstehen seien, dass die Klauselverwender den mit der Bearbeitung von geduldeten Überziehungen einhergehenden Aufwand auf den Kunden abwälzen wollen und damit Tätigkeiten vergütet verlangen, die sie im eigenen Interesse erbringen4. Obwohl § 505 BGB als Gegenleistung für die geduldete Überziehung lediglich von einem Entgelt spricht, beurteilte der BGH die Wirksamkeit der Klauseln nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 BGB. Danach schuldet der Darlehensnehmer für die Überlassung der Darlehensvaluta nur den geschuldeten Zins und nicht einen laufzeitunabhängigen Mindestpreis.
3.794
Beide Vertragsbedingungen über einen Mindestpreis sah der BGH damit als unangemessen benachteiligend und unwirksam an. Der Mindestpreis sei auch nicht damit zu rechtfertigen, dass das Kreditinstitut nicht wissen könne, ob es mit den laufenden Überziehungszinsen ihre mit der Bearbeitung von geduldeten Überziehungszinsen zusammenhängenden Kosten decken könne. Dem hielt der BGH entgegen, dass ein Kreditinstitut grundsätzlich frei sei, seine Zinsen so zu kalkulieren, dass es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, mit dem Produktangebot zur Verfügung zu stehen. Ggf. müsse das Kreditinstitut durch eine Mischkalkulation5 bei der Preisbildung die Zinsen so anheben, dass auch kurzfristige Inanspruchnahmen berücksichtigt werden und die Ertragslage auskömmlich ist. 2. Entgelte für Kontoführung und Zahlungsverkehr a) Rechtliche Grundlagen für Entgelte für Kontoführung und Zahlungsverkehr
3.795
Die Eröffnung eines Girokontos oder Kontokorrentkontos (auch laufendes Konto genannt), das für den Zahlungsverkehr zugelassen und geeignet ist, dürfte der häufigste Anlass sein, der zu einer Geschäftsverbindung zwischen einem Kreditinstitut und einem Kunden führt. Bei einem Girokonto handelt es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag nach § 675f Abs. 2 BGB. Bei dem Abschluss eines solchen Kontovertrags werden regelmäßig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken (Privatbanken und Volksund Raiffeisenbanken) oder der Sparkassen als geltendes Regelwerk für die Geschäftsbezie1 2 3 4 5
OLG OLG BGH BGH BGH
Düsseldorf v. 16.7.2015 – 6 U 94/14, WM 2015, 2085 = ZIP 2016, 158. Frankfurt v. 4.12.2014 – 1 U 170/13, WM 2015, 721 = ZIP 2015, 673. v. 25.10.2016 – XI ZR 9/15, WM 2017, 80, 82 Rz. 25 = ZIP 2017, 73. v. 25.10.2016 – XI ZR 9/15, WM 2017, 80, 82 Rz. 28 = ZIP 2017, 73. v. 25.10.2016 – XI ZR 9/15, WM 2017, 80, 83 Rz. 38 ff. = ZIP 2017, 73.
372 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
hungen sowie zahlreiche Sonderbedingungen zu weiteren Zahlungsdiensten (wie Überweisungsverkehr, Lastschriftverfahren, Kartenzahlungen) nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB einbezogen. Grundsätzlich steht es jedem Kreditinstitut frei, eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen der Kundenverbindung zugrunde zu legen, dennoch verwenden die Kreditinstitute häufig weitgehend die von ihren Verbänden vorgeschlagenen1. In Nr. 12 Abs. 1 und 2 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 1 und 2 AGB-Sparkassen werden auf die Zinsen und Entgelte für übliche Bankleistungen verwiesen, wie sie sich aus dem Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft und im Übrigen aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis ergeben. In den Allgemeinen Geschäftsbedingung der Banken wird in Nr. 12 Abs. 1 AGB-Banken bei Entgelten für übliche Bankleistungen gegenüber Verbrauchern zwischen den Entgelten für Hauptleistungen und den zusätzlichen Zahlungen, die über die Zahlung für die Hauptleistung hinausgehen, sprachlich differenziert. Im Hinblick auf die Vereinbarung einer Zusatzleistung wird im Geschäftsverkehr mit einem Verbraucher darauf hingewiesen, dass eine solche nur ausdrücklich erfolgen kann. Damit wird § 312a Abs. 3 BGB Rechnung getragen; über die gesetzliche Vorschrift hinaus geht dieser Hinweis jedoch nicht, er gibt lediglich die Rechtslage wieder und hat daher nur deklaratorischen Inhalt. Ein entsprechender Hinweis fehlt in den AGB-Sparkassen.
3.796
Stattdessen findet sich in den AGB-Sparkassen eine Klausel, die wiederum nicht in den AGB-Banken enthalten ist. So wird in Nr. 17 Abs. 4 AGB-Sparkassen geregelt, dass die Sparkasse für Tätigkeiten, zu denen sie bereits gesetzlich oder aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist oder die sie im eigenen Interesse erbringt, kein Entgelt berechnen wird, es sei denn, das Verlangen eines Entgelts ist gesetzlich zulässig und wird nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen erhoben. Auch mit dieser Bedingung wird lediglich die durch die Rechtsprechung entwickelte Rechtslage widergespiegelt, so dass sie ebenfalls von rein deklaratorischer Natur ist2.
3.797
Wie eingangs bereits ausgeführt, unterliegen Preishauptabreden grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle. Seit den Umsetzungen der ersten bzw. der zweiten ZahlungsdiensteRL zum 1.10.20093 und zum 13.1.20184 gilt, dass der Zahlungsdienstnutzer dem Zahlungsdienstleister zur Zahlung des vereinbarten Entgelts für einen Zahlungsdienst verpflichtet ist (§ 675f Abs. 5 Satz 1 BGB). Für die Erfüllung von Nebenpflichten kann der Zahlungsdienstleister grundsätzlich kein Entgelt verlangen5, sondern hat nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, wenn ein solches ausdrücklich gesetzlich zugelassen ist und zwischen dem Zahlungsdienstleister und dem Zahlungsdienstnutzer vereinbart wird (§ 675f Abs. 5 Satz 2 BGB). Darüber hinaus muss dieses Entgelt angemessen sein und sich an den tatsächlichen Kosten ausrichten (§ 675f Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 BGB). Mit der Umsetzung des Zahlungsdiensterechts in den §§ 675a bis 676c BGB bleibt unverändert das gesetzliche Leitbild bestehen, wonach die Erhebung von Entgelten für Nebenleistungen von Kreditinstituten regelmäßig unzulässig ist6. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Entgelten im Zusammenhang mit der Führung von Zahlungskonten sind darüber hinaus die Vorschriften
3.798
1 2 3 4 5 6
Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was BGBl. I 2009, 2355. BGBl. I 2017, 2446. BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2016 Rz. 30 BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2016 Rz. 30
nicht?, BKR 2015, 397, 398. nicht?, BKR 2015, 397, 399. = ZIP 2017, 1992. = ZIP 2017, 1992.
Wittig | 373
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
des Zahlungskontengesetzes1 zu beachten. Welche Leistungen zu den Zahlungsdiensten zählen, richtet sich nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 8 ZAG. Darüber hinaus veröffentlicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach § 47 Abs. 1 ZKG die Liste der repräsentativsten, mit einem Zahlungskonto verbundenen Dienste. b) Einzelne Beispiele für zulässige und unzulässige Entgelte
3.799
Die nachstehenden Beispiele, die wieder alphabetisch angeordnet sind, und der bereits oben erwähnte Bericht über die Schlichtungsverfahren beim Verband der privaten Banken2 zeigen, dass trotz der gesetzlichen Vorgaben, die streitigen Fragen zur Zulässigkeit von Entgelten im Bankgeschäft nicht weniger geworden sind.
3.800
Bankkarte (oder Zahlungsinstrument): Bei der Bankkarte handelt es sich regelmäßig um eine Girocard oder Debitkarte, mit der der Kontoinhaber über sein Kontoguthaben oder eine eingeräumte Überziehungsmöglichkeit verfügen kann. Ein Anspruch auf Aushändigung einer solchen Karte besteht nur, wenn zwischen dem Kreditinstitut und dem Kontoinhaber ein Kartenvertrag abgeschlossen wird3. Daran hat sich auch durch § 38 Abs. 2 Nr. 2c) ZKG nichts geändert, da die Ermöglichung von Zahlungsvorgängen mittels einer Zahlungskarte nur insoweit gesetzlich gefordert wird, als sie Verbrauchern als Inhabern von Zahlungskonten allgemein angeboten werden (§ 38 Abs. 4 Satz 1 ZKG). Behält sich daher ein Kreditinstitut die Ausgabe einer Zahlungskarte unter dem Vorbehalt des Abschlusses eines solchen Vertrags bei allen Verbrauchern als Kontoinhaber vor, verstößt das Kreditinstitut nicht gegen § 38 Abs. 2 Nr. 2c) ZGK, wenn es die Ausgabe einer Zahlungskarte bei einem Basiskonto von dem Abschluss eines Kartenvertrags abhängig macht4.
3.801
Ein Entgelt für die Erstellung einer Ersatzbankkarte kann ein Kreditinstitut auch dann nicht verlangen, wenn in der Klausel geregelt wird, dass das Entgelt nicht zu entrichten ist, wenn die Notwendigkeit der Ersatzausstellung „nicht im Verantwortungsbereich der Bank“ liegt5. Mit einer solchen Klausel wälze die Klauselverwenderin den Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten auf den Kunden ab. Gemäß § 675l Satz 2 BGB sei der Karteninhaber verpflichtet, den Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder die sonstige nicht autorisierte Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments unverzüglich anzuzeigen, sobald er von einem dieser Umstände Kenntnis erlangt hat. Der Zahlungsdienstleister wiederum ist gem. § 675m Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB verpflichtet, die Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments durch Sperrung zu verhindern. Die Ausgabe einer Ersatzkarte sei zumindest in den Fällen des Verlusts oder des Diebstahls eine zwangsläufige Folge der Erfüllung dieser Pflicht6. Die Klausel, wonach für die Ersatzkarte ein Entgelt verlangt werden kann, obwohl die Zurverfügungstellung von Gesetzes wegen unentgeltlich zu erfolgen hat, ist der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgesetzt. Da die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar sei und den Kunden unangemessen benachteilige7, sei die Klausel unwirksam. 1 2 3 4 5 6 7
BGBl. I 2017, 2446. Müller, Bankentgelte im Schlichtungsverfahren, WM 2018, 741. Casper in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 675f BGB Rz. 30. Casper in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 675f BGB Rz. 30. BGH v. 20.10.2015 – XI ZR 166/14, juris Rz. 14. BGH v. 20.10.2015 – XI ZR 166/14, juris Rz. 27. BGH v. 20.10.2015 – XI ZR 166/14, juris Rz. 30; a.A. OLG Köln v. 19.3.2014 – 13 U 46/13, juris.
374 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
Barein- und Barauszahlungen: Bei den Entgelten für Barein- und Barauszahlungen muss zwischen der Rechtslage vor Inkrafttreten der Zahlungsdienstegesetze und nach deren Inkrafttreten unterschieden werden.
3.802
In einer Entscheidung zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Zahlungsdienstegesetze hatte der BGH entschieden, dass der Vorgang der Bareinzahlung am Bankschalter auf ein eigenes Girokonto und der Vorgang der Barauszahlung vom eigenen Girokonto nicht gesondert entgeltpflichtig sind, weil die kontoführende Bank aufgrund des Girovertrags zu einer Entgegennahme der Einzahlung und zur Auszahlung des Barbetrags verpflichtet ist1. War eine wirksame Vereinbarung über Buchungsentgelte getroffen worden, konnte jedoch ein Entgelt für die Barein- oder -auszahlung verlangt werden, soweit diese Vorgänge gleichzeitig als Buchungen angesehen werden. Eine Vereinbarung über Buchungsentgelte ist nach der Rechtsprechung des BGH zur alten Rechtslage wirksam, wenn in der Buchungsentgeltklausel eine Regelung enthalten ist, wonach fünf Freiposten pro Monat kostenfrei sind2.
3.803
Mit der Umsetzung der beiden Zahlungsdiensterichtlinien haben sich hinsichtlich der Entgelte für Bareinzahlungen und Barabhebungen vom Girokonto am Bankschalter Änderungen ergeben. Nach § 675f Abs. 5 Satz 1 BGB ist der Zahlungsdienstnutzer verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Zu den Zahlungsdiensten gehören auch Bareinzahlungen auf das eigene und Barauszahlungen vom eigenen Girokonto am Bankschalter3 (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZAG), so dass die alte Rechtsprechung des BGH auf die geltende Rechtslage nicht übertragbar ist. Ein Kreditinstitut, das diese Zahlungsdienste ausführt, kann daher mit dem Zahlungsdienstnutzer wirksam ein Entgelt für die zu erbringende Leistung vereinbaren und dieses für die erbrachte Leistung in Rechnung stellen.
3.804
Die Barauszahlungen am Geldausgabeautomaten hat der BGH als Sonderleistung anerkannt und damit der Inhaltskontrolle entzogen4.
3.805
Buchungsposten: Nach der Rechtsprechung des BGH zur Rechtslage vor der Umsetzung der ZahlungsdiensterichteRL waren Entgelte für einzelne Buchungsposten grundsätzlich zulässig, soweit einem Verbraucher im Monat mindestens fünf Freiposten im Monat gewährt wurden. Diese galten mit dem monatlichen Kontoführungsentgelt als abgegolten. Weitere Buchungen konnten dem Kontoinhaber nach dieser Rechtsprechung aber in Rechnung gestellt werden.
3.806
Nach einer Entscheidung des BGH5 zu einer Entgeltklausel zu Buchungsposten im Preisund Leistungsverzeichnis einer Bank ist eine solche Klausel jedoch unwirksam, wenn sie zum Nachteil des Verbrauchers von § 675y Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 BGB abweicht. Eine nachteilige Abweichung besteht dann, wenn der Zahlungsdienstleister unterschiedslos für sämtliche Buchungen ein Entgelt verlangt, einschließlich solcher, die er fehlerhaft ausführt und zu denen er aufgrund von § 675y BGB zur Durchführung gesetzlich verpflichtet ist, um eine vorangegangene fehlerhafte Buchung zu korrigieren. Gegenstand der Entscheidung war die Klausel „Preis pro Buchungsposten: 0,35 Euro“ im Preisaushang
3.807
1 2 3 4 5
BGH BGH BGH BGH BGH
v. v. v. v. v.
7.5.1996 – XI ZR 217/95, NJW 1995, 2032, 2033 = ZIP 1996, 1079. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, NJW 1995, 2032, 2033 = ZIP 1996, 1079. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, NJW 2015, 1440, 1441 Rz. 15 = ZIP 2015, 517. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, NJW 1995, 2032, 2033 = ZIP 1996, 1079. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, VuR 2015, 304 = ZIP 2015, 517.
Wittig | 375
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
einer Bank. Der BGH hielt diese Klausel nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB für kontrollfähig, weil sie von gesetzlichen Vorschriften abweicht. Den Inhalt der Klausel hat er durch Auslegung ermittelt und ist dabei von der Verständnismöglichkeit eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel ausgegangen1. Danach sei die Klausel so zu verstehen, dass mit ihr auch Buchungen vergütet werden sollen, die bei der fehlerhaften Ausführung eines Zahlungsauftrags und deren Korrektur auf den sachlich richtigen Stand anfallen. Damit treffe sie eine für den Kunden nachteilige Regelung, weil sie gegen (halb-)zwingendes Recht verstößt und den Kunden damit unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt.
3.808
Trägt eine Buchungsentgeltklausel dem § 675y BGB und seinem Regelungsgehalt jedoch Rechnung, können einzelne Buchungen, soweit sie sich auf Zahlungsdienste richten, weiterhin entgeltpflichtig sein2.
3.809
Dauerauftrag (Aussetzung und Löschung eines Dauerauftrags): Eine Klausel, nach der für die Aussetzung und Löschung eines Dauerauftrags ein Entgelt i.H.v. 2 € verlangt werden kann, ist unwirksam3, weil mit ihr von der gesetzlichen Preisregelung des § 675f Abs. 5 Satz 2 BGB (§ 675 Abs. 4 Satz 2 BGB a.F.) abgewichen wird. Nach der Auffassung des BGH sind die Aussetzung oder die Löschung eines Dauerauftrags als Widerruf des auf Ausführung des Dauerauftrages gerichteten Zahlungsauftrags i.S.d. § 675 Abs. 4 Satz 2 BGB (§ 675 Abs. 3 Satz 2 BGB a.F.) zu verstehen. Die Berücksichtigung des Widerrufs eines Zahlungsauftrags stellt eine Nebenleistung i.S.d. § 675f Abs. 5 Satz 2 BGB dar, die grundsätzlich unentgeltlich zu erbringen ist. Nur in den in § 675p Abs. 4 Satz 1 BGB genannten Fällen darf ein Entgelt für den Widerruf eines Zahlungsauftrags vereinbart und verlangt werden (§ 675p Abs. 4 Satz 3 BGB). Weil die streitgegenständliche Klausel jedoch unterschiedslos die Erhebung eines Entgelts für jeden Widerruf eines Dauerauftrags vorsieht, weicht sie von § 675f Abs. 5 Satz 2 BGB (§ 675 Abs. 4 Satz 2 BGB a.F.) ab und unterliegt damit der Inhaltskontrolle4.
3.810
Kontoführung (Girokonto, Pfändungsschutzkonto und Basiskonto). Für die Führung eines Kontokorrent- oder Girokontos als Zahlungsdiensterahmenverträge i.S.d. § 675f Abs. 2 BGB kann ein Kreditinstitut mit dem Zahlungsdienstnutzer (Kontoinhaber) ein Entgelt vereinbaren. Als Preishauptabrede ist diese Vereinbarung grundsätzlich einer AGB-mäßigen Inhaltskontrolle entzogen und nach § 138 BGB zu messen.
3.811
Anders verhält es sich ggf. bei einer Entgeltklausel über das Entgelt für die Führung eines Pfändungsschutzkontos (§ 850k ZPO). Auf jederzeit zulässiges Verlangen des Kontoinhabers ist das Kreditinstitut verpflichtet, das für den Kunden geführte Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln (§ 850k Abs. 7 Satz 2 ZPO). Da das Kreditinstitut mit der Umwandlung eine gesetzliche Pflicht erfüllt, kann es für die Umwandlung kein gesondertes Entgelt verlangen5. 1 BGH v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, VuR 2015, 304, 305 = ZIP 2015, 517. 2 Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, 397, 402; BGH v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, mit Anm. Maier, VuR 2015, 304, 306 = ZIP 2015, 517. 3 BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2018 Rz. 51 = ZIP 2017, 1992; a.A. für die Aussetzung eines Dauerauftrags, Kropf/Habl, Aktuelle Entwicklungen zur Zulässigkeit von Bankentgelten, BKR 2015, 316, 318. 4 BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2019 Rz. 53 = ZIP 2017, 1992. 5 Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, 397, 404.
376 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
Bei dem Pfändungsschutzkonto handelt es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag i.S.d. § 675f Abs. 2 BGB, für das das Kreditinstitut grundsätzlich ein Entgelt vereinbaren und berechnen darf. Allerdings darf das Entgelt nicht höher sein als das Entgelt, das das Kreditinstitut für die Führung eines „normalen“ Kontos mit vergleichbarem Leistungsinhalt verlangt. Das gilt unabhängig davon, ob das Pfändungsschutzkonto neu oder auf Verlangen des Kunden erst durch Umwandlung eines bestehenden Kontos eingerichtet wird. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine AGB-Klausel unwirksam, „wenn hiernach der Kunde bei Umwandlung seines schon bestehenden Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto ein über der für das Girokonto zuvor vereinbarten Kontoführungsgebühr liegendes Entgelt zu zahlen hat oder das Kreditinstitut bei der Neueinrichtung eines Pfändungsschutzkontos ein Entgelt verlangt, das über der Kontoführungsgebühr für ein Neukunden üblicherweise als Gehaltskonto angebotenes Standardkonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt liegt“1. Mit einer solchen Vereinbarung wird der Kunden unangemessen benachteiligt, weil das Kreditinstitut die Bearbeitung von Pfändungen gesetzlich schulde und auch ohne die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos keine gesonderte Zahlung für die Bearbeitung verlangen könne2.
3.812
Gemäß § 31 Abs. 1 ZKG3 hat ein Verbraucher (§ 13 BGB) gegenüber einem Kreditinstitut, das Zahlungskonten Verbrauchern anbietet, einen Anspruch auf die Einrichtung eines Basiskontos, wenn sein dahingehend gerichteter Antrag alle Voraussetzungen des § 33 ZKG erfüllt. Für die Erbringung der Dienste nach § 38 ZKG kann das Kreditinstitut als Verpflichteter i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 1 ZKG ein Entgelt verlangen, soweit es angemessen ist (§ 41 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB). Für die Beurteilung der Angemessenheit sind als Bewertungsparameter insbesondere die marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten zu berücksichtigen (§ 41 Abs. 2 Satz 2 ZKG)4. Danach müssen die Entgelte einem Marktvergleich standhalten und nicht einem Binnenvergleich, wonach der Preis für das Basiskonto mit den Preisen für andere Kontoangebote des Kreditinstituts verglichen wird5. Bei der Beurteilung des Nutzerverhaltens muss das Leistungsangebot nach § 38 ZKG, zu dem das Kreditinstitut gesetzlich verpflichtet ist, Berücksichtigung finden. Um das Nutzerverhalten dieser Kundengruppe beurteilen zu können, ist es erforderlich und geboten, einen Musternutzer zu definieren, der dem Durchschnitt des Nutzerverhaltens der gesamten Zielgruppe entspricht6. Dabei darf das Kreditinstitut bei der Preisbemessung sich nicht nur an den Kunden orientieren, die ihre Bankgeschäfte in Papierform erledigen und zusätzlichen Hilfebedarf bei der Abwicklung ihrer Bankgeschäfte haben, sondern muss das Nutzerverhalten der Kundengruppen einbeziehen, die eine hohe Affinität zu Smartphones und anderen digitalen Medien haben7. Im Hinblick auf die Preisbemessung i.S.d. § 41 ZKG gilt nicht der Grundsatz einer Meistbegünstigungsvorgabe8. Darüber hinaus darf eine Vereinbarung keine Vertragsstrafe im Zusammenhang mit dem Basiskontenvertrag enthalten (§ 41 Abs. 3 ZKG).
3.813
1 BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, ZIP 2012, 2489 und BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 145/12, GWR 2012, 45 (Leitsatz); BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2019 Rz. 54 = ZIP 2017, 1992. 2 BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, WM 2012, 2381, 2386 Rz. 45 = ZIP 2012, 2489. 3 BGBl. I 2016, 720. 4 LG Köln v. 23.10.2018 – XI ZR 21 O 53/17, juris Rz. 44. 5 LG Köln v. 23.10.2018 – XI ZR 21 O 53/17, juris Rz. 45. 6 OLG Schleswig-Holstein v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, juris Rz. 115. 7 OLG Schleswig-Holstein v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, juris Rz. 113. 8 LG Köln v. 23.10.2018 – XI ZR 21 O 53/1, juris Rz. 43.
Wittig | 377
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.814
Höchstrichterlich ist die Frage der Angemessenheit des Entgelts für ein Basiskonto noch nicht entschieden worden. Der Grundpreis von 5,90 € im Monat1 bzw. ein monatlicher Preis von 8,95 € für das Basiskontomodell „Basiskonto Pauschal“2 wurden von der Rechtsprechung für wirksam erachtet. Das zuletzt genannte jedoch nur, weil das betreffende Kreditinstitut neben diesem Preismodell noch das „Basiskonto Einzelpreis“ für 3,95 € ins Angebot aufnahm, um ein für die Bank kostengünstigeres Nutzerverhalten berücksichtigen zu können3. Eine Preisklausel über eine monatliche Grundgebühr von 8,99 € im Zusammenspiel mit den Kosten von 1,50 € pro beleghafter Überweisung wurde dagegen für unwirksam erachtet, weil sie gegen § 41 Abs. 2 ZKG verstößt4. Sind die Vereinbarungen über das Entgelt für die Führung eines Basiskontos oder die Vereinbarung über die Erstattung von Kosten unwirksam, bleibt die Wirksamkeit des Vertrags über das Basiskonto davon unberührt (§ 41 Abs. 4 ZKG) und das Kreditinstitut zur Erbringung der damit zusammenhängenden Leistungen verpflichtet.
3.815
Kreditkarte: Bei dem Vertrag über eine Kreditkarte handelt es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag i.S.v. § 675f Abs. 2 BGB5, für den das kartenausgebende Kreditinstitut ein Entgelt verlangen kann. Ein zu Beginn eines Jahres zu entrichtendes Jahresentgelt für eine Kreditkarte ist grundsätzlich zulässig, soweit in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen wird, dass bei einer unterjährigen Beendigung des Kreditkartenvertrags die Bank eine anteilige Rückerstattung dieses Entgelts vornehmen wird6. Dieser durch die Rechtsprechung entwickelte Grundsatz findet sich in § 675h Abs. 3 Satz 2 BGB wieder, wonach für Zahlungsdiensterahmenverträge im Voraus gezahlte Entgelte, die auf die Zeit nach Beendigung des Vertrags fallen, anteilig zurückzuerstatten sind. Davon unabhängig werden die zusätzlichen Kosten für den Einsatz der Kreditkarte im Ausland als zulässig angesehen. Sie unterliegen nicht der richterlichen Inhaltskontrolle7.
3.816
Kontoauszüge: Für die Erstellung und Zusendung von Kontoauszügen, um damit die Informationspflichten nach § 675d BGB i.V.m. Art. 248 §§ 1 bis 16 EGBGB und § 10 ZKG zu erfüllen, darf der Zahlungsdienstleister grundsätzlich kein Entgelt verlangen. Davon abweichend kann der Zahlungsdienstleister ein Entgelt vereinbaren, wenn die Informationen auf Verlangen des Zahlungsdienstnutzers erbracht werden und der Zahlungsdienstleister, die Informationen häufiger erbringt als gesetzlich geschuldet (§ 675d Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB), eine Information erbringt, die über die gesetzlichen geschuldeten hinausgeht (§ 675d Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB) oder die Informationen mithilfe anderer als der im Zahlungsdiensterahmenvertrag vereinbarten Kommunikationsmittel erbringt (§ 675 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BGB). Das Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein. Das Verlangen eines Entgelts für die Zusendung von Kontoauszügen, die zwar vereinbarungsgemäß zum Abruf im Kontoauszugsdrucker hinterlegt, aber vom Kunden nicht ausgedruckt worden waren, wurde für unwirksam erachtet8. Zum einen verfolge die Bank mit der Zusendung der Kontoauszüge nach Ablauf der in der Klausel enthaltenen Frist von 30 Bankarbeitstagen eigene Interessen, weil sie 1 2 3 4 5 6 7 8
LG Köln v. 23.10.2018 – XI ZR 21 O 53/17, juris. OLG Schleswig-Holstein v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, juris. OLG Schleswig-Holstein v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, juris, Rz. 133. LG Frankfurt v. 8.5.2018 – 2-28 O 98/17, juris Rz. 38. Casper in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 675f BGB Rz. 20. OLG Frankfurt v. 14.12.2000 – 1 U 108/99, juris. BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, juris. LG Frankfurt v. 8.4.2011 – 2-25 O 260/10, juris.
378 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
daraus das Anerkenntnis für die Rechnungsabschlüsse erlange1. Zum anderen fehle es bereits an dem tatbestandlich vorausgesetzten Verlangen des § 675d Abs. 4 Satz 1 BGB, denn das Nichtabholen der Kontoauszüge könne nicht als Verlangen des Kunden zur Zusendung ausgelegt werden2. Für die nochmalige Erstellung von Kontoauszügen kann ein Kreditinstitut ein an § 675d Abs. 1 Satz 2 BGB zu messendes Entgelt verlangen, da es sich hierbei um eine qualifizierte Information nach § 675d Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB handelt. Als solche unterliegt sie der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Ein Entgelt von 15 € pro Kontoauszug für die Nacherstellung von Kontoauszügen hielt der BGH jedoch für unangemessen, weil sich das Entgelt nicht an den tatsächlich entstehenden Kosten orientiere3.
3.817
Kontopfändung: Für die Bearbeitung einer Pfändung eines Kontos darf ein Kreditinstitut kein zusätzliches Entgelt verlangen, weil es alle Tätigkeiten, die in diesem Zusammenhang anfallen, wie z.B. Abgabe der Drittschuldnererklärung, Sperre und Überwachung des Kontos, entweder aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung (§ 840 ZPO) oder im eigenen Interesse vornimmt4.
3.818
Lastschriften (SEPA-Basis-Lastschrift, Einzugsermächtigung-/Abbuchungsauftragslastschrift: Nach der früheren Rechtsprechung des BGH waren Klauseln, die ein Entgelt für die Nichtausführung von Lastschriften mangels Deckung5 oder ein Entgelt für die Benachrichtigung über die Nichteinlösung einer Lastschrift6 vorsahen, wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam. Mit der Nichteinlösung einer Lastschrift erfülle das Kreditinstitut eigene Interessen und mit der Benachrichtigung eine eigene gesetzliche Pflicht, die entweder aus einer selbständigen girovertraglichen Schutz- und Treuepflicht (§ 242 BGB) oder einer gesetzlichen Informationspflicht des Beauftragten aus dem bestehenden Girovertrag gem. § 675 Abs. 1, § 666 BGB abgeleitet wurde.
3.819
Gemäß § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB kann das Kreditinstitut mit dem Zahlungsdienstnutzer im Rahmen eines Zahlungsdiensterahmenvertrags ein Entgelt für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung eines Zahlungsauftrags i.S.v. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB, worunter auch eine Lastschrift zählt, vereinbaren. Hierbei handelt es sich um eine der ausdrücklich gesetzlich geregelten Ausnahmen, wonach der Zahlungsdienstleister für die Ausführung einer Nebenleistung ein Entgelt verlangen darf. Ein solches Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten ausgerichtet sein (§ 675f Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 BGB). Diesen Anforderungen genügt eine Klausel, nach der ein Kreditinstitut für die Benachrichtigung über die Nichtausführung einer Überweisung oder die Nichteinlösung einer Lastschrift 5 € verlangen kann, nach der Auffassung des BGH nicht7. Für die Kalkulation dieses Entgelts dürfen nur Kosten des Zahlungsdienstleisters herangezogen werden, die unmittelbar der Unterrichtung des Zahlungsdienstnutzers zugeordnet werden können und mit dieser in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Gemeinkosten, die etwa
3.820
1 2 3 4
LG Frankfurt v. 8.4.2011 – 2-25 O 260/10, juris Rz. 48. LG Frankfurt v. 8.4.2011 – 2-25 O 260/10, juris Rz. 50. BGH v. 17.12.2013 – XI ZR 66/13, juris Rz. 19. BGH v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, WM 1999, 1271; OLG Dresden v. 10.4.2018 – 14 U 82/16, WM 2018, 1304. 5 BGH v. 21.10.1997 – XI ZR 5/97, juris; BGH v. 21.10.1997 – XI ZR 296/96, juris. 6 BGH v. 22.5.2012 – XI ZR 290/11, juris; BGH v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, juris; BGH v. 28.2. 1989 – XI ZR 80/88, juris. 7 BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2016 Rz. 31 = ZIP 2017, 1992.
Wittig | 379
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Ablehnung anfallen, müssen außer Betracht bleiben1.
3.821
Zu demselben Ergebnis kam der BGH bei den Entgelten für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung der Ausführung eines Überweisungsauftrags mangels Deckung2.
3.822
Nachforschung und Reklamationen (Entgelt für Nachforschung/Nachfrage und Reklamationen): Klauseln, mit denen Privatkunden sowohl in Fällen einer Inlandsüberweisung in anderen EWR-Währungen sowie bei Überweisungsaufträgen in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, als auch in Fällen einer Überweisung innerhalb Deutschlands in Drittstaatenwährungen für Reklamationen/Nachfragen oder Nachforschungen neben den ohnehin für diese Überweisungen bzw. Zahlungseingängen darüber hinaus gesondert anfallenden Gebühren mit einer gesondert anfallenden Gebühr belastet werden, benachteiligen den Kunden unangemessen und sind daher unwirksam3. Mit derartigen Klauseln lässt sich das Kreditinstitut als Zahlungsdienstleister Tätigkeiten vergüten, die bereits nebenvertraglich geschuldet werden und daher keine Sonderleistungen gegenüber dem Kunden darstellen4. Voraussetzung für den Auskunftsanspruch als nebenvertragliche Pflicht des Leistungspflichtigen ist, dass eine besondere rechtliche Beziehung zwischen dem Auskunftsfordernden und dem in Anspruch Genommenen besteht und es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, dass der Auskunftsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Nichtbestehen seiner Rechte im Ungewissen ist und der in Anspruch Genommene aber in der Lage ist, unschwer die verlangte Auskunft zu erteilen5. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Gericht bejaht und insbesondere zahlreiche Fallgestaltungen für das in „entschuldbarer Weise“ bestehende Interesse des Kunden an einer Auskunft über den Stand des Überweisungsvorgangs oder an einer Reklamation zu einer erteilten Abrechnung angeführt und damit die Unangemessenheit eines zusätzlichen Entgelts für das Erbringen einer nebenvertraglichen Pflicht begründet. Der Einwand und Verweis auf das Verursacherprinzip, nach dem die Tätigkeit aufgrund des Auskunftsbegehrens des Kunden erbracht werde, bewertete das OLG Frankfurt als nicht taugliches Kriterium, um die Unangemessenheit der Klauseln zu beseitigen6.
3.823
smsTan (Entgelt pro per SMS gesendete Tan): Nach der Rechtsprechung des BGH benachteiligt eine im Preisaushang enthaltene Klausel einen Verbraucher unangemessen, wenn das Entgelt für jede zugesandte smsTan zu entrichten ist und die Klausel nicht danach differenziert, ob der Kunde die zugesandte Tan verwendet hat oder verwenden konnte. Grundsätzlich zählt die Ausgabe eines Zahlungsauthentifizierungsmittels, wie es das Online-Banking mittels PIN und TAN darstellt, zu den entgeltfähigen Zahlungsdiensten gem. § 675f Abs. 5 Satz 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ZAG. Eine Klausel, mit der unterschiedslos jede Zusendung einer smsTan in Rechnung gestellt werden kann, unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil sie mit dieser Reichweite gegen die Vorgaben von § 675f Abs. 5 Satz 1 BGB (§ 675f Abs. 4 Satz 1 BGB a.F.) verstößt7. Voraussetzung für 1 BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2016 Rz. 33 = ZIP 2017, 1992. 2 BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2016 Rz. 33 = ZIP 2017, 1992. 3 OLG Frankfurt v. 17.4.2013 – 23 U 50/12, WM 2013, 1351, 1352 = ZIP 2013, 1160, rechtskräftig s. BGH v. 14.1.2014 – XI ZR 180/13, BeckRS 2014, 1128. 4 OLG Frankfurt v. 17.4.2013 – 23 U 50/12, WM 2013, 1351, 1352 = ZIP 2013, 1160. 5 OLG Frankfurt v. 17.4.2013 – 23 U 50/12, WM 2013, 1351, 1352 = ZIP 2013, 1160. 6 OLG Frankfurt v. 17.4.2013 – 23 U 50/12, WM 2013, 1351, 1353 = ZIP 2013, 1160. 7 BGH v. 25.7.2017 – XI ZR 260/15, NJW 2017, 3222, 3224 Rz. 26.
380 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
die zulässige Erhebung eines Entgelts ist nach der Rechtsprechung des BGH, dass die smsTan auch tatsächlich für die Erteilung eines Zahlungsauftrags verwendet wurde. Hat der Zahlungsdienstnutzer die zugesandte smsTan nicht verwendet, weil er einen begründeten Verdacht eines Phishingsvorgangs befürchtete oder die smsTan aufgrund technischer Defekte nicht nutzbar war, so wurde die Leistung nicht erbracht und ist auch nicht zu bezahlen. Eine Klausel, die diesem Umstand nicht Rechnung trägt, weicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzer von § 675f Abs. 5 Satz 1 BGB (§ 675f Abs. 4 Satz 1 BGB a.F.) ab, weil sie eine Entgeltpflicht des Kunden auch dann vorsieht, wenn kein Zahlungsdienst erbracht wurde1. 3. Wertpapier-/Depotgeschäft a) Grundsätzliche Entgeltpflicht im Wertpapier- und Depotgeschäft Grundsätzlich ist die Entgeltvereinbarung im Zusammenhang mit der Führung eines Wertpapierdepots und der Ausführung von Aufträgen zum Erwerb oder dem Verkauf von Wertpapieren der Inhaltskontrolle durch die Gerichte entzogen, weil es sich um Preishauptabreden handelt. Die Führung eines Wertpapierdepots für einen Kunden ist eine Leistung des Kreditinstituts, für die es in Abhängigkeit des Wertpapierbestandes ein Entgelt verlangen darf2. Dem Erwerb oder Verkauf eines Wertpapiers liegen entweder ein Kommissionsgeschäft nach § 383 Abs. 1 HGB oder ein Kaufvertrag (sog. Festpreisgeschäft) zugrunde. Je nach Rechtsgrundlage hat das Kreditinstitut einen Anspruch auf eine Provision für das durchgeführte Kommissionsgeschäft nach § 396 Abs. 1 HGB und auf den Ersatz seiner Aufwendungen (§ 396 Abs. 2 HGB). Vereinbaren das Kreditinstitut und der Kunde einen Kaufvertrag, schuldet der Erwerber des Wertpapiers die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises, in der die Vergütung des Kreditinstituts enthalten ist3.
3.824
Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich mit einzelnen AGB-mäßigen Entgeltklauseln im Zusammenhang mit dem Wertpapier- und Depotgeschäft. Auf etwaige Informations- oder Aufklärungspflichten soll in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden.
3.825
b) Einzelne Entgelte im Zusammenhang mit dem Wertpapier- und Depotgeschäft Depotübertrag: Eine AGB-mäßige Klausel, mit der ein Entgelt für die Übertragung von Wertpapieren in ein anderes Depot innerhalb der eigenen Organisation des Kreditinstituts oder in ein bei einem Fremdinstitut geführtes Depot verlangt werden kann, ist unwirksam4. Mit dem Verlangen der Übertragung der im Depot verbuchten Wertpapiere mache der Depotinhaber lediglich seinen gesetzlichen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB gegen das verwahrende Kreditinstitut geltend. Ein Kreditinstitut erfülle damit eine nebenvertraglich geschuldete Pflicht, wenn es dem Herausgabeverlangen des Depotinhabers Folge leiste und die Wertpapiere zugunsten eines anderen Depots überträgt.
3.826
Wertpapierorder (Gebühr für den Widerruf einer Wertpapierorder): Bei einer Klausel im Verkehr mit Verbrauchern, wonach ein Entgelt für die „Änderung, Streichung einer
3.827
1 2 3 4
BGH v. 25.7.2017 – XI ZR 260/15, NJW 2017, 3222, 3224 Rz. 37. Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, 397, 405. Schäfer in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 12 Rz. 25. BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 49/04, juris.
Wittig | 381
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
(Wertpapier-)Order“ i.H.v. 5 € erhoben werden kann, handelt es sich nicht um eine Preishauptabrede, sondern um eine Preisnebenabrede, die der Inhaltskontrolle unterliegt1. Eine solche Klausel differenziere nicht danach, ob das Wertpapiergeschäft im Wege eines Festpreisgeschäfts oder im Wege eines Kommissionsgeschäfts erfolge. Bei einem Kommissionsgeschäft nach §§ 383 ff. HGB könne der Kommissionsvertrag bis zu seiner Ausführung jederzeit gem. § 627 Abs. 1 BGB gekündigt werden, weswegen die Streichung einer Wertpapierorder eine Kündigung darstellt2. Der Kündigung des Kommissionsvertrags hat der Kommissionär als nebenvertragliche Pflicht Folge zu leisten und ihr im Verhältnis zum Kommittenten Rechnung zu tragen3. Die streitgegenständliche Klausel sieht dagegen für diesen Fall ein Entgelt vor und unterliegt damit der Inhaltskontrolle. Danach ist sie unwirksam, weil sie gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht, da sie einen Aufwand des Kreditinstituts für die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden abwälzt4. Damit werde die unangemessene Benachteiligung indiziert; Umstände, die diese Vermutung widerlegen, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
3.828
Zeichnungsgebühr: Ein formularmäßig vereinbartes und „maßvolles“ Zeichnungsentgelt von 5 € pro Nichtausführung eines Auftrags für den Erwerb von Aktien aus einer Neumission ist nach der Rechtsprechung des BGH wirksam5. Zwar handelt es sich bei der im Preisverzeichnis des beklagten Kreditinstituts enthaltenen Klausel um eine von dispositivem Recht (§ 396 HGB) abweichende Regelung und damit um eine Preisnebenabrede, die der Inhaltskontrolle unterliegt. Aber nicht jede Abweichung einer AGB-Klausel von dispositivem Recht führe zu deren Unangemessenheit6 und damit zur Unwirksamkeit. Diese Rechtsfolge träte nur ein, wenn die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts nicht im Einklang steht und darüber hinaus den Kunden nach Treu und Glauben unangemessen benachteiligt7. Diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des BGH nicht vor. Das beklagte Kreditinstitut konnte zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass der Auftraggeber durch die Klausel nicht unangemessen benachteiligt wird, weil die Erfahrung gezeigt habe, dass bei Neuemissionen von Aktien häufig eine so hohe Anzahl von Überzeichnungen vorliegt, dass die Bemühungen des Kreditinstituts als Kommissionär um den Erwerb von Aktien für den Auftraggeber häufig ins Leere liefen und nur ein geringer Bruchteil der Aufträge erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Die durch die abgeschlossenen Aktienkaufverträge vereinnahmte Provision deckte die Kosten für die vergeblich und erfolglos gebliebenen Bemühungen des Kreditinstituts als Kommissionär nicht ab. Es sei daher nicht unangemessen, wenn das Kreditinstitut für diese Situation ein Entgelt vereinbart, das auch dann zu zahlen ist, wenn der Auftrag zum Erwerb von Aktien aus Neuemissionen wegen Überzeichnung der Neuemission nicht erfolgreich durchgeführt werden kann8.
1 2 3 4 5 6 7 8
BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH juris.
v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2019 Rz. 56 = ZIP 2017, 1992. v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2019 Rz. 59 = ZIP 2017, 1992. v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2019 Rz. 60 = ZIP 2017, 1992. v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2020 Rz. 67 = ZIP 2017, 1992. v. 28.1.2003 – XI ZR 156/02, WM 2003, 673. v. 28.1.2003 – XI ZR 156/02, WM 2003, 673, 674. v. 28.1.2003 – XI ZR 156/02, WM 2003, 673, 674, 675. v. 28.1.2003 – XI ZR 156/02, WM 2003, 673, 675; LG Bamberg v. 25.6.2013 – 1 O 489/12,
382 | Wittig
Entgelte im Bankgeschäft | Teil 3
4. Sonstige Tätigkeiten im Geschäftsverkehr mit Bankkunden Abschlussgebühren für einen Bausparvertrag: Eine AGB-Klausel, nach der mit „Abschluss des Bausparvertrages eine Abschlussgebühr von 1 % der Bausparsumme“ fällig wird, unterliegt zwar als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle, hält dieser aber stand1. Die Genehmigung des der Klausel zugrunde liegenden Bauspartarifs durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) führt nicht dazu, dass sie bereits deswegen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB entzogen wird2. Vielmehr gilt, dass sich die Bausparkasse mit der Abschlussgebühr keine vertraglich geschuldete Gegenleistung abgelten lassen wolle und insoweit die Vertragsbedingung, mit der die Abschlussgebühr erhoben wird, als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle unterliegt. Als solche Preisnebenabrede ist sie aber nicht mit wesentlichen gesetzlichen Grundprinzipien unvereinbar, weil sie als „Vertriebsgebühr“ die Kosten der Bausparkasse für die Gewinnung von Neukunden deckt, die wiederum der Gemeinschaft der Bausparer zugutekommt. Eine als Preisnebenabrede anzusehende Klausel ist dann nicht unangemessen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingung gerechtfertigt ist3. Die durchzuführende Interessenabwägung führt danach zu dem Ergebnis, dass die Gewinnung von Neukunden sowohl im Interesse der Neukunden als auch der Bestandskunden dient, weil beide Gruppen sich an der Gemeinschaft der Bausparer beteiligen, um von den Vorteilen des kollektiven Zwecksparens zu profitieren4. Die Verteilung der Vertriebskosten auf alle Bausparer ist daher gerechtfertigt und stellt damit keine unangemessene Benachteiligung dar.
3.829
Erbfallmeldung oder Nachlassbearbeitung: Für die typischerweise bei einem Erbfall anfallenden Tätigkeiten eines Kreditinstitutes darf dieses formularmäßig kein Entgelt verlangen, weil es damit entweder gesetzlich geschuldete, eigene oder nebenvertragliche Pflichten erfüllt5. So ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wonach ein Entgelt für die Anzeige eines Erbfalls ans Finanzamt anfällt6, weil das Kreditinstitut damit eine eigene gesetzliche Pflicht nach § 33 ErbStG erfüllt. Auch die Umschreibung eines Kontos auf den oder die Erben stellt keine Sonderleistung gegenüber den Erben dar, weil es dabei um eine vertraglich geschuldete Nebenleistung handelt, für die das Kreditinstitut kein zusätzliches Entgelt verlangen kann7. Eine Klausel, wonach pauschal für die Bearbeitung des Nachlasses je nach Aufwand ein Entgelt verlangt werden kann, ist bereits wegen fehlender Transparenz unwirksam8. Den Einwand des Klauselverwenders, für Tätigkeiten, die gesetzlich oder nebenvertraglich geschuldet werden, werde kein gesondertes Entgelt verlangt, ließ das Gericht nicht gelten.
3.830
Dagegen wurde eine Klausel, wonach Sonderleistungen, wie z.B. die Verteilung des Nachlasses nach Erbquoten, im Zusammenhang mit der Nachlassbearbeitung in Rechnung gestellt werden, für wirksam erachtet9. Nach der Verständnismöglichkeit eines durchschnitt-
3.831
1 2 3 4 5 6 7
BGH v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, WM 2011, 263. BGH v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, WM 2011, 263, 264 Rz. 17. BGH v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, WM 2011, 263, 269 Rz. 48. BGH v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, WM 2011, 263, 269 Rz. 49. Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, 397, 406. LG Dortmund v. 16.3.2001 – 8 O 57/01, WM 2001, 1296. LG Dortmund v. 16.3.2001 – 8 O 57/01, WM 2001, 1296. LG Frankfurt v. 27.1.2000 – 2/2 O 46/ 99, WM 2000, 1893. 8 LG Frankfurt v. 27.1.2000 – 2/2 O 46/99, WM 2000, 1893, 1895. 9 OLG Frankfurt v. 23.6.2010 – 9 U 154/09, juris = BeckRS 2011, 13505.
Wittig | 383
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
lichen Verbrauchers sei unter dem Begriff „Sonderleistung“ hinreichend deutlich zu verstehen, dass es sich gerade nicht um Leistungen handelt, die aufgrund gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten unentgeltlich erbracht werden müssen, sondern um zusätzliche, nicht vertraglich und nicht gesetzlich ohnehin geschuldete Leistungen, für die der Leistungserbringer nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Entgelt verlangen kann. Der Begriff „Sonderleistung“ werde auch in der Rechtsprechung zur Abgrenzung von unentgeltlich geschuldeten Leistungen verwendet1. In dem anschließenden Revisionsverfahren erging ein Anerkenntnisurteil, so dass die Entscheidung des OLG Frankfurt nicht rechtskräftig wurde2.
3.832
Freistellungsaufträge: Die Verwaltung von Freistellungsaufträgen erbringt ein Kreditinstitut aufgrund einer gesetzlich bestehenden Pflicht nach § 44a EStG. Eine AGB-mäßige Regelung, wonach für die damit einhergehenden Tätigkeiten eine Vergütung verlangt werden kann, ist daher unwirksam3.
3.833–3.840 Einstweilen frei.
6. Abschnitt: Kontobeziehung (Kropf) I. Begriff des Kontos 3.841
Das Konto wird grundsätzlich definiert als die in der Buchführung übliche zweiseitige Verrechnungsform zur art- und wertmäßigen Erfassung von Geschäftsvorfällen, womit bei jedem Konto eine Soll- und Habenseite besteht4. Es stellt somit einen Ausschnitt aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Kunden dar, soweit es sich in Buchungen von Forderungen zugunsten des einen oder anderen Beteiligten niederschlägt5. In der Bankpraxis werden Konten in der Regel in laufender Rechnung geführt, so dass gem. § 355 HGB die aus der Bankgeschäftsverbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden (vgl. Rz. 3.862). Die Vertragsparteien schließen insoweit ausdrücklich oder auch konkludent eine Kontokorrentabrede.
3.842
Aus bilanzrechtlicher Sicht der kontoführenden Bank handelt es sich bei einem Bankkonto um ein Handelsbuch i.S.v. § 238 HGB, das den Geschäftsverkehr dokumentiert und somit Auskunft über die Handelsgeschäfte der Bank gibt6. Aus der Einordnung eines Bankkontos als Handelsbuch i.S.v. § 238 HGB ergeben sich für die kontoführende Bank im Rahmen ihrer Buchführung weitergehende Pflichten. Gemäß § 257 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 HGB sind Handelsbücher für eine Dauer von 10 Jahren aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist beginnt gem. § 257 Abs. 5 HGB mit dem Schluss des Kalenderjahres, in wel1 2 3 4 5
OLG Frankfurt v. 23.6.2010 – 9 U 154/09, juris = BeckRS 2011, 13505. BGH v. 8.2.2011 – XI ZR 232/10, WM 2011, 399. BGH v. 15.7.1997 – XI ZR 269/96, NJW 1997, 2752 = ZIP 1997, 1638. Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/71. Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 1 Rz. 123. 6 Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 1 Rz. 123; Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 29 Rz. 1.
384 | Wittig/Kropf
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
lichen Verbrauchers sei unter dem Begriff „Sonderleistung“ hinreichend deutlich zu verstehen, dass es sich gerade nicht um Leistungen handelt, die aufgrund gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten unentgeltlich erbracht werden müssen, sondern um zusätzliche, nicht vertraglich und nicht gesetzlich ohnehin geschuldete Leistungen, für die der Leistungserbringer nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Entgelt verlangen kann. Der Begriff „Sonderleistung“ werde auch in der Rechtsprechung zur Abgrenzung von unentgeltlich geschuldeten Leistungen verwendet1. In dem anschließenden Revisionsverfahren erging ein Anerkenntnisurteil, so dass die Entscheidung des OLG Frankfurt nicht rechtskräftig wurde2.
3.832
Freistellungsaufträge: Die Verwaltung von Freistellungsaufträgen erbringt ein Kreditinstitut aufgrund einer gesetzlich bestehenden Pflicht nach § 44a EStG. Eine AGB-mäßige Regelung, wonach für die damit einhergehenden Tätigkeiten eine Vergütung verlangt werden kann, ist daher unwirksam3.
3.833–3.840 Einstweilen frei.
6. Abschnitt: Kontobeziehung (Kropf) I. Begriff des Kontos 3.841
Das Konto wird grundsätzlich definiert als die in der Buchführung übliche zweiseitige Verrechnungsform zur art- und wertmäßigen Erfassung von Geschäftsvorfällen, womit bei jedem Konto eine Soll- und Habenseite besteht4. Es stellt somit einen Ausschnitt aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Kunden dar, soweit es sich in Buchungen von Forderungen zugunsten des einen oder anderen Beteiligten niederschlägt5. In der Bankpraxis werden Konten in der Regel in laufender Rechnung geführt, so dass gem. § 355 HGB die aus der Bankgeschäftsverbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden (vgl. Rz. 3.862). Die Vertragsparteien schließen insoweit ausdrücklich oder auch konkludent eine Kontokorrentabrede.
3.842
Aus bilanzrechtlicher Sicht der kontoführenden Bank handelt es sich bei einem Bankkonto um ein Handelsbuch i.S.v. § 238 HGB, das den Geschäftsverkehr dokumentiert und somit Auskunft über die Handelsgeschäfte der Bank gibt6. Aus der Einordnung eines Bankkontos als Handelsbuch i.S.v. § 238 HGB ergeben sich für die kontoführende Bank im Rahmen ihrer Buchführung weitergehende Pflichten. Gemäß § 257 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 HGB sind Handelsbücher für eine Dauer von 10 Jahren aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist beginnt gem. § 257 Abs. 5 HGB mit dem Schluss des Kalenderjahres, in wel1 2 3 4 5
OLG Frankfurt v. 23.6.2010 – 9 U 154/09, juris = BeckRS 2011, 13505. BGH v. 8.2.2011 – XI ZR 232/10, WM 2011, 399. BGH v. 15.7.1997 – XI ZR 269/96, NJW 1997, 2752 = ZIP 1997, 1638. Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/71. Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 1 Rz. 123. 6 Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 1 Rz. 123; Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 29 Rz. 1.
384 | Wittig/Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
chem die letzte Eintragung im Handelsbuch gemacht worden ist. Überdies finden die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) Anwendung. Als kodifizierter Bestandteil der GoB ist die Bank gem. § 239 Abs. 2 HGB dazu verpflichtet, die Buchungen auf Konten in Form von Handelsbüchern vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Für die ordnungsgemäße Aufbewahrung sind insbesondere auch die Grundsätze der Unveränderlichkeit und Nachvollziehbarkeit einzuhalten. Diese Grundsätze sind bei elektronischer Buchführung selbstverständlich ebenso einzuhalten wie dies (vormals) bei beleghafter Buchführung der Fall war1. Mit der Umsetzung der Payment Service Directive I2 ins deutsche Recht mit Wirkung zum 31.10.2009 ist der Begriff des „Zahlungskontos“ neu eingeführt worden. Das Zahlungskonto ist im Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) legaldefiniert. Gemäß § 1 Abs. 3 ZAG handelt es sich dabei um ein Konto, welches auf den Namen eines oder mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautet und der Ausführung von Zahlungsvorgängen dient sowie die Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister innerhalb der Geschäftsbeziehung buch- und rechnungsmäßig darstellt und für den Zahlungsdienstnutzer dessen jeweilige Forderung gegenüber dem Zahlungsdienstleister bestimmt. Das in der Bankpraxis bekannte und übliche Girokonto ist insofern eine besondere Kontoart, als dass es die rechtlich, technisch und von ihren Möglichkeiten her am weitesten entwickelte Form eines Zahlungskontos darstellt, wobei das Zahlungskonto allerdings nur als Grundbaustein des bei Banken geführten Girokontos fungiert3. Das Girokonto geht in seinen Funktionen über ein „reines“ Zahlungskonto hinaus, da nicht nur der Zahlungsverkehr zwischen Zahler und Zahlungsempfänger abgewickelt wird, sondern auch Zahlungsvorgänge durchgeführt werden, die im Zusammenhang mit vertraglich mit dem Kunden vereinbarten Dienstleistungen einer Bank stehen und nicht von den im ZAG geregelten Zahlungsdiensten erfasst werden. Zusammenfassend lässt sich somit in Hinsicht auf eine Begriffsbestimmung festhalten, dass ein Girokonto vom Begriff des Zahlungskontos i.S.d. ZAG erfasst wird, jedoch in seiner marktüblichen Ausgestaltung weitere Funktionen für den Kontoinhaber ermöglicht. Aufgrund der weiterhin zentralen Bedeutung in der Bankpraxis soll daher im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen das Girokonto als Zahlungsverkehrskonto zugrunde gelegt werden. Konstitutives Merkmal eines Zahlungskontos im Sinne der Payment Service Directive I ist die Möglichkeit, Zahlungsvorgänge an Dritte bzw. von Dritten auszuführen und zu empfangen, so dass ein Sparkonto, welches zwar durch eine tägliche Fälligkeit der Einlagen gekennzeichnet ist, nicht unter den Begriff des Zahlungskontos fällt, wenn von diesem Zahlungsvorgänge (Einzahlungen und Abhebungen) nicht unmittelbar, sondern nur über ein Zwischenkonto vorgenommen werden können4.
3.843
In der Bankpraxis haben sich verschiedene Arten bzw. Formen von Bankkonten, die als Kontokorrentkonten geführt werden, herausentwickelt. Diese unterscheiden sich in ihrer
3.844
1 Vgl. insoweit auch Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD), herausgegeben vom Bundesministerium der Finanzen am 14.11.2014. 2 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/ EG un2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. EU Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1. 3 BT-Drucks. 16/11613, 35. 4 EuGH v. 4.10.2018 – C-191/17, NJW 2018, 3697.
Kropf | 385
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Vertragsgestaltung bspw. nach der Anzahl der Kontoinhaber (Gemeinschaftskonto), dem besonderen Zweck der Kontoführung (Treuhandkonto bzw. Anderkonto) oder der Dispositionsbefugnis (Sperrkonto). Die jeweiligen Charakteristika bzw. Eigenheiten der unterschiedlichen Kontoarten werden in einem eigenen Abschnitt ausführlich dargestellt (vgl. Rz. 3.991 ff.).
II. Girokonto und Kontokorrent 1. Vertragliche Grundlagen
3.845
Bei einem Girokonto als Zahlungsverkehrskonto sind verschiedene Vertragsverhältnisse zwischen Bank und Kunde zu unterscheiden bzw. auseinanderzuhalten. Dies erklärt sich daraus, dass jedes der Vertragsverhältnisse unterschiedliche Funktionen erfüllt. Der Zahlungsdiensterahmenvertrag ist Grundlage der Kontoführung und dient der Schaffung und dem Transport von Giralgeld. Abhängig davon, ob das Girokonto kreditorisch oder debitorisch geführt wird, ist von diesem Vertragsverhältnis die vertragliche Grundlage für Einund Auszahlungen von einem Girokonto, mithin die Grundlage für die kundenseitige Geltendmachung eines Rückgewähr- bzw. Auszahlungsanspruchs, zu trennen. a) Zahlungsdiensterahmenvertrag
3.846
Der Zahlungsdiensterahmenvertrag ist als Vertragstypus mit Wirkung zum 31.10.2009 neu ins Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt worden. Der BGH hat den Zahlungsdiensterahmenvertrag als einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit werk- und dienstvertraglichem Charakter qualifiziert1. Der Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f BGB bildet als ein gegenseitiges Dauerschuldverhältnis den Rahmen für die Erbringung verschiedener Zahlungsdienste der Bank gegenüber dem jeweiligen Kunden2. Die sich aus diesem für eine Bank ergebenden grundlegenden Vertragspflichten bestimmt § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach wird durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen. Von einem Zahlungsvorgang im vorgenannten Sinne wird gem. § 675f Abs. 3 Satz 1 BGB jede Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger erfasst. Ein Zahlungsvorgang ist somit die rein tatsächliche Durchführung in Form der buchhalterischen Verschiebung von Bar- oder Buchgeld, welcher einem vom Kunden per Weisung beauftragten Zahlungsdienst innewohnt. Mit anderen Worten verpflichtet sich die kontoführende Bank durch den Zahlungsdiensterahmenvertrag für den Kontoinhaber eingehende Beträge dessen Girokonto gutzuschreiben oder im Falle ausreichender Kontodeckung Belastungsbuchungen aufgrund von Überweisungen oder der Einlösung von Lastschriften vorzunehmen.
3.847
In Bezug auf das Verhältnis des „herkömmlichen“ Girovertrags zum Zahlungsdiensterahmenvertrag ist zugrunde zu legen, dass im Zeitpunkt der Einführung der §§ 675c ff. BGB bestehende Girokontoverträge, welche die Ausführung von Zahlungsvorgängen zum Gegenstand haben, als Zahlungsdiensterahmenverträge i.S.d. § 675f Abs. 2 BGB einzuordnen 1 BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, WM 2012, 2381. 2 Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/74.
386 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
sind1. Den Parteien steht es offen, einen Zahlungsdiensterahmenvertrag mit weiteren vertraglichen Abreden zu kombinieren bzw. zu ergänzen. So bestimmt § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB, dass ein Zahlungsdiensterahmenvertrag auch Bestandteil eines sonstigen Vertrags sein oder mit einem anderen Vertrag zusammenhängen kann. Neben der Erbringung von Zahlungdienstleistungen kann eine Bank somit auch weitere Bankdienstleistungen, wie bspw. Kreditverträge oder Scheckinkasso, als Nebenabrede zum Zahlungsdiensterahmenvertrag mit ihren Kunden vereinbaren. Die Beendigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags kann grundsätzlich einvernehmlich oder durch einseitige Erklärung einer der Vertragsparteien erfolgen. Im Rahmen der Vertragsfreiheit steht es der Bank und dem Kunden frei, den Vertrag durch eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung zu beenden. Bei der einseitigen Beendigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags ist zwischen einer ordentlichen Kündigung und einer außerordentlichen Kündigung zu unterscheiden. Der Kunde als Zahlungsdienstenutzer kann eine ordentliche Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675h Abs. 1 BGB jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist erklären. Dieses Recht besteht auch bei befristeten Verträgen. Eine Kündigungsfrist kann zwar vertraglich, mithin auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, vereinbart werden, jedoch darf diese gem. § 675h Abs. 1 Satz 2 BGB nicht mehr als einen Monat betragen. Eine längere Frist wäre ausweislich des insoweit eindeutigen Gesetzeswortlauts unwirksam. Dies gilt auch, soweit § 675h BGB gem. § 675e Abs. 4 BGB gegenüber Unternehmen abdingbar ist, da Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich die Unwirksamkeit anordnet2. Der Bank als Zahlungsdienstleister ist hingegen gesetzlich kein ordentliches Kündigungsrecht eingeräumt. Ausweislich § 675h Abs. 2 Satz 1 BGB bedarf es vielmehr einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Bank und Kunde. Die Kündigungsfrist muss gem. § 675h Abs. 2 Satz 2 BGB mindestens zwei Monate betragen. Im Falle einer fehlenden Vereinbarung, hätte die Bank kein ordentliches Kündigungsrecht3. Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung ist in der privaten Kreditwirtschaft in Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken umgesetzt. Diese Möglichkeit besteht nach dem Gesetzeswortlaut allerdings nur bei unbefristet abgeschlossenen Zahlungsdiensterahmenverträgen. Umstritten ist insoweit, ob dennoch ein ordentliches Kündigungsrecht auch bei befristeten Verträgen vereinbart werden kann. Aufgrund des Wortlauts der Regelung geht die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum davon aus, dass der Bank nur ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht4. Das ordentliche Kündigungsrecht der Bank kann jedoch trotz Vereinbarung ausgeschlossen sein, wenn dessen Ausübung gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) verstößt oder diese rechtsmissbräuchlich ist (§ 242 BGB)5. Für die außerordentliche Kündigung enthält das Zahlungsdiensterecht in den §§ 675c ff. BGB keine spezialgesetzliche Regelung. Insoweit greifen die allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts für die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund6. Grundlage einer außerordentlichen Kündigung kann somit § 314 BGB bzw. Nr. 18 Abs. 2 bzw. Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken sein. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des 1 2 3 4
BT-Drucks. 16/11643, 102. Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 675h BGB Rz. 2. BT-Drucks. 16/11643, 104. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 33b; Herresthal, WM 2013, 773; Schindele in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl. 2013, § 675h BGB Rz. 17; a.A. Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 675h BGB Rz. 3. 5 Vgl. dazu BGH v. 15.1.2013 – XI ZR 22/12, WM 2013, 313. 6 BT-Drucks. 16/11643, 104.
Kropf | 387
3.848
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Kunden endet der Zahlungsdiensterahmenvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 115 Abs. 1, § 116 Satz 1 InsO. Eine Ausnahme gilt insoweit für den Zahlungdiensterahmenvertrag, der Grundlage eines Pfändungsschutzkontos ist. Nach wohl h.M. wird aus der Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, welche § 850k ZPO ausdrücklich einbezieht, geschlossen, dass das Konto nicht zur Insolvenzmasse gehört und daher insolvenzfest ist1.
3.849
Mit Beendigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags, sei es durch Kündigung oder aufgrund Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Kontoinhabers, verliert das Konto seine Funktion als Zahlungsverkehrskonto. Die kontoführende Bank ist deswegen grundsätzlich nicht verpflichtet, nachträglich für den (ehemaligen) Kontoinhaber eingehende Beträge auf dem Konto zu verbuchen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH folgt daraus jedoch nicht, dass die Bank dem Kontoinhaber gegenüber nach Erlöschen des Zahlungsdiensterahmenvertrags nicht mehr als dessen Zahlstelle fungieren konnte2. Vielmehr ist eine Bank trotz des erloschenen Zahlungsdiensterahmenvertrags in dessen Nachwirkung noch befugt, im Interesse des Kunden eingehende Zahlungen weiterhin für diesen entgegenzunehmen, allerdings musste sie diese dem bisherigen Konto entsprechend § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB gutschreiben3. Eine Gutschrift setzt zwar grundsätzlich einen bestehenden Zahlungsdiensterahmenvertrag voraus, jedoch schließt dies nicht aus, dass ein abstraktes Schuldanerkenntnis gem. § 780 BGB auch durch die Buchung auf ein nachvertraglich fortgeführtes Konto nach allgemeinen Grundsätzen zustande kommen kann4. Die Bank kann somit weiterhin eingehende Zahlungen entgegennehmen und verbuchen bzw. diese an den Kontoinhaber nach § 667 BGB herausgeben. Überdies kann die Bank eingehende Zahlungen auch mit einem etwaig noch nicht vom Kontoinhaber ausgeglichenen Soll-Saldo verrechnen, soweit nicht die Verrechnungsverbote des § 96 Abs. 1 Nr. 1, 3 InsO eingreifen5. Im Übrigen ergeben sich die Rechtsfolgen der Kündigung aus § 675h Abs. 3 BGB. Regelmäßig erhobene Entgelte sind demgemäß nur anteilig bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zu entrichten, im Voraus gezahlte Entgelte, welche auf die Zeit nach Vertragsbeendigung fallen, sind anteilig zu erstatten. Dies betrifft insbesondere solche Entgelte, die jeweils für eine bestimmte Zeitspanne erhoben werden, wie bspw. monatliche Kontoführungsentgelte6. b) Unregelmäßiger Verwahr- bzw. Darlehensvertrag
3.850
Wird ein Girokonto vom Kontoinhaber kreditorisch geführt, handelt es sich bei diesem Kontoguthaben regelmäßig um Sichteinlagen. Sichteinlagen sind Verbindlichkeiten einer Bank gegenüber ihrem Kunden, welche täglich fällig sind bzw. fällig gestellt werden können („bei Sicht“)7. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH weisen Girokonten, sei es als Privatkonten oder als Geschäftskonten, aufgrund der Möglichkeit des Kontoinhabers 1 Günther, ZInsO 2013, 859; Büchel, ZInsO 2010, 20; Bitter, ZIP 2011, 149; Casse, ZInsO 2012, 1402; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 34. 2 BGH v. 5.12.2006 – XI ZR 21/06, WM 2007, 348; BGH v. 5.3.2015 – IX ZR164/14, BGH v. 5.3. 2015 – IX ZR 164/14, WM 2015, 733. 3 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR164/14, WM 2015, 733. 4 BGH v. 5.12.2006 – XI ZR 21/06, WM 2007, 348. 5 Herresthal in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 675h BGB Rz. 12. 6 Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 675h BGB Rz. 5; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 36a. 7 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 130.
388 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
jederzeit von Bargeld zu Bargeld zurück zu wechseln, eine Verwahrungsfunktion auf1. Die Sichteinlagen zugrunde liegende Vertragsbeziehung zwischen Bank und Kunde wird wegen des zugunsten des Kunden bestehenden jederzeitigen Rückforderungsrechts nach h.M. als unregelmäßige Verwahrung gem. § 700 BGB qualifiziert2. Auch nach Einführung des neuen Zahlungsdiensterechts in den §§ 675c ff. BGB wird dieses im Verhältnis zum Zahlungsdiensterahmenvertrag eigenständige Vertragsverhältnis als erforderlich angesehen. Da der Zahlungsdiensterahmenvertrag den Auszahlungsanspruch des Kunden gegen die Bank aus dem Girokonto nicht regelt und dieser im Übrigen auch kein Guthaben des Kunden voraussetzt, weil auch bei Bestehen eines Überziehungskredites bargeldlose Zahlungen des Kunden ausgeführt werden können, ist der Zahlungsdiensterahmenvertrag von dem Vertragsverhältnis zu unterscheiden, welches hinsichtlich des Guthabens abgeschlossen wird, das der Kunden für seine bargeldlosen Zahlungen bei der Bank unterhält3. Zudem muss es sich bei Geldern auf einem Girokonto nicht zwingend um Einlagen handeln, die ausschließlich zur Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs i.S.v. §§ 675f ff. BGB eingesetzt werden, sondern es kann sich auch um finanzielle Mittel handeln, die der Bestreitung des Lebensbedarfs dienen und deshalb „aufbewahrt“ werden, um bei Bedarf abgehoben zu werden4. Aufgrund der zumindest seit 11.3.2014 andauernden „neuen“ Leitzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) besteht in der Bankpraxis vermehrt das Bedürfnis zwischen Bank und Kunde, Änderungen an den bestehenden Vertragsverhältnissen bei Sichteinlagen im Falle von Guthaben zu vereinbaren. Dies ist im Wesentlichen darin begründet, dass Banken für die kurzfristige Anlage überschüssiger Liquidität, welche über die nationalen Notenbanken beim Eurosystem vorgenommen wird (sog. Einlagefazilität), einen Zinssatz i.H.v. 0,4 % zu zahlen haben5. Da aufgrund dieser geldpolitischen Maßnahme der EZB den Banken bei bestehenden Guthaben auf Girokonten mitunter erhebliche Kosten entstehen können, haben sich unter Umständen im Einzelfall die Parteiinteressen bei Sichteinlagen im Verhältnis zur Situation im traditionellen Zinsumfeld verändert. Insbesondere auch unter Berücksichtigung des dispositiven Charakters der Vorschriften zur unregelmäßigen Verwahrung i.S.v. § 700 BGB ist es den Vertragsparteien durchaus möglich im Rahmen der Privatautonomie eine vom gesetzlichen Leitbild des Darlehensrechts, auf welches das Regelungsregime der unregelmäßigen Verwahrung verweist, abweichende Vertragsgestaltung zu vereinbaren. Geht es dem Kunden bei Geldbeträgen, die er „auf Sicht“ bei seiner Bank auf einem Girokonto einlegt, primär um eine sichere Verwahrung des Geldes und steht auch, wie stets bei Zahlungsverkehrskonten, die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit zwecks Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs im Vordergrund, so ist eine auf diesen Parteiwillen gestützte Vertragsvereinbarung in Form des Abschlusses eines Kapitalverwahrungsvertrags sui generis zwischen Bank und Kunde rechtlich zulässig und möglich6. In der Konsequenz kann in diesen Fällen die Bank auf Grundlage des Kapitalverwahrungs1 Vgl. zuletzt BGH v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, WM 2015, 1704. 2 BGH v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, NJW 1982, 2193; BGH v. 30.11.1993 – XI ZR 80/93, WM 1993, 2237; BGH v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, WM 2015, 1704; Servatius in Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 134; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 1b; Henssler in MünchKomm. BGB, 3. Aufl. 2012, § 700 BGB Rz. 1, 15; Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 675f BGB Rz. 30; a.A. Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/79c. 3 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, § 3 Rz. 5. 4 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 1b. 5 Vgl. eingehend Kropf, WM 2017, 1185. 6 Kropf, WM 2017, 1185.
Kropf | 389
3.851
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
vertrags sui generis auch ein Entgelt für die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung verlangen. Ein solches Verwahrentgelt ist eine zulässige Preishauptabrede, welche der AGB-Inhaltskontrolle entzogen ist1.
3.852
Anders sind die vertraglichen Abreden von Bank und Kunde im Falle eines debitorisch geführten Girokontos zu qualifizieren. In diesen Fällen gewährt die Bank ihrem Kunden aufgrund eines mit dem Zahlungsdiensterahmenvertrag verbundenen, ausdrücklich oder stillschweigend geschlossenen (Kontokorrent-)Kreditvertrages einen verzinslichen Kredit2. 2. Kontokorrentabrede
3.853
Mit dem Abschluss eines Zahlungsdiensterahmenvertrages als Grundlage für die Errichtung eines Girokontos wird in der Praxis in aller Regel auch eine Kontokorrentabrede zwischen der kontoführenden Bank und dem Kunden vereinbart. Dieser Regelfall ergibt sich bereits aus dem gesetzlich geregelten Inhalt eines Zahlungsdiensterahmenvertrags. Gemäß § 675f Abs. 2 BGB wird der Zahlungsdienstleister durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen. Ein Zahlungskonto ist wiederum laut gesetzlicher Definition in § 1 Abs. 3 ZAG ein Konto, das die Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister innerhalb der Geschäftsbeziehung buch- und rechnungsmäßig darstellt. Die buchung- und rechnungsmäßige Darstellung von Forderungen und Verbindlichkeiten erfordert eine Kontokorrentabrede. Dieses Verständnis der gesetzlichen Regelung wird auch durch die Darlegungen in der Gesetzesbegründung bestätigt, wonach ein Zahlungskonto „jede laufende Rechnung zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer für die Durchführung von Zahlungsvorgängen“ ist3. Da, wie bereits ausgeführt (Rz. 3.843), das Zahlungskonto der „Grundbaustein“ für ein Girokonto ist, handelt es sich bei diesem letztendlich stets um ein Kontokorrentkonto. Auch die der Bankgeschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunden zugrunde gelegten AGB-Banken gehen in Nr. 7 vom Bestehen eines Kontos in laufender Rechnung aus. a) Begriff, Funktion und Wesen des Kontokorrents
3.854
Der Begriff des Kontokorrents wird in § 355 Abs. 1 HGB legaldefiniert. Danach handelt es sich um eine laufende Rechnung (= Kontokorrent), wenn jemand mit einem Kaufmann derart in Geschäftsverbindung steht, dass die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden.
3.855
Die Vereinbarung eines Kontokorrents zwischen den Vertragsparteien erfüllt grundsätzlich verschiedene grundlegende Funktionen. Zum einen wird die Vereinfachung des Zahlungsund Abrechnungsverkehrs zwischen den Vertragspartnern einer Geschäftsverbindung mit wiederkehrenden Leistungen bezweckt, indem eine Vielzahl von Zahlungsvorgängen auf 1 Kropf, WM 2017, 1185; Edelmann, BB 2018, 394. 2 BGH v. 30.11.1993 – XI ZR 80/93, WM 1993, 2237; BGH v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, WM 2015, 1704. 3 BT-Drucks. 16/11613, 35.
390 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
eine Saldoforderung reduziert wird und zum anderen geht damit auch eine Vereinheitlichung der rechtlichen Behandlung der Saldoforderung einher, da die Forderungen nach der Saldierung einer einheitlichen Behandlung unterworfen werden1. Das Wesen der Kontokorrentabrede besteht darin, das die in die laufende Rechnung aufgenommenen beiderseitigen Ansprüche und Leistungen durch Anerkennung des Saldos als Einzelforderungen untergehen und sodann nur ein Anspruch aus dem Saldoanerkenntnis übrigbleibt, der als neue, auf einem selbständigen Verpflichtungsgrund beruhende, vom früheren Schuldgrund losgelöste Forderung an die Stelle der bisherigen Einzelforderungen tritt2. Durch die Kontokorrentabrede werden die einzelnen Gut- und Lastschriften – mit dem Ziel der Verrechnung und Saldofeststellung – in einer einheitlichen Rechnung zusammengefasst wobei die daraus entstehende Kontokorrentbindung für die nach der zugrunde liegenden Abrede erfassten Ansprüche und Leistungen ohne Rücksicht auf die Buchung eintritt, so dass der – rein technische – Vorgang der Buchung mithin weder erforderlich noch für sich allein geeignet wäre, kontokorrentrechtliche Wirkungen zu erzeugen3. Während die Belastungsbuchung ein Realakt mit rein deklaratorischer Bedeutung ist4, stellt die Gutschrift regelmäßig ein – kontokorrentgebundenes – Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen der Bank gegenüber dem Kunden dar5.
3.856
b) Kontokorrentbindung der Einzelforderung Besteht, wie in der Regel bei einem Girokonto, eine Kontokorrentabrede, so unterliegen nach § 355 HGB die sich aus der Geschäftsverbindung ergebenden gegenseitigen Ansprüche und Leistungen der Kontokorrentbindung6. Kontokorrentpflichtige Einzelforderungen können grundsätzlich nicht selbständig, sondern nur durch Einstellung in das Kontokorrent zur Verrechnung im Rahmen der bei Schluss einer Abrechnungsperiode oder bei Beendigung des Kontokorrentverhältnisses vorzunehmenden Saldofeststellung geltend gemacht werden7. Durch die Einstellung ins Kontokorrent werden die Einzelforderungen daher „gelähmt“, ohne allerdings in ihrem rechtlichen Bestand oder ihrer Rechtsnatur beeinträchtigt zu werden8. Eine Gutschrift auf dem Girokonto führt demnach nicht zur Tilgung einer einzelnen Sollbuchung, sondern beide Buchungen stellen Rechnungsposten dar, die bei der nächsten Saldierung miteinander verrechnet werden9. Ebenso wenig kommt bei bestehender Kontokorrentabrede zwischen Bank und Kunden § 366 BGB, welcher die Anrechnung von Teilleistungen regelt, zur Anwendung. Die Zahlungen erfolgen bei bestehendem Kontokorrentverhältnis zur Verrechnung und dienen nicht der Tilgung bestimmter in die laufende Rechnung aufgenommener Forderungen10. 1 Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 1 Rz. 177. 2 BGH v. 28.3.1968 – I ZR 156/66, NJW 1968, 2100. 3 BGH v. 23.10.1958 – II ZR 127/57, WM 1959, 81. 4 BGH v. 18.4.1989 – XI ZR 133/88, ZIP 1989, 827. 5 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, NJW 1988, 1320; BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, WM 2002, 951. 6 BGH v. 27.1.1982 – VIII ZR 28/81, ZIP 1982, 292. 7 BGH v. 19.12.1969 – I ZR 33/68, WM 1970, 184. 8 Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 1 Rz. 189. 9 Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/99. 10 BGH v. 10.7.1961 – II ZR 222/59, WM 1961, 1043.
Kropf | 391
3.857
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.858
Da die einzelne, ins Kontokorrent eingestellte Forderung nicht geltend gemacht werden kann, ist sie auch nicht einklagbar, was jedoch nicht die Möglichkeit ausschließt, eine Feststellungsklage über das Bestehen einer kontokorrentgebundenen Forderung zu erheben1.
3.859
Folge der Kontokorrentzugehörigkeit einer Forderung ist deren Unabtretbarkeit und deren Unpfändbarkeit, was nach ständiger Rechtsprechung des BGH aus der Vorschrift des § 357 HGB folgt, weil diese Vorschrift nur die Saldopfändung zulassen will und sie überflüssig wäre, wenn eine Pfändung der einzelnen kontokorrentgebundenen Forderungen möglich wäre2. Die Unabtretbarkeit von Einzelforderungen im Kontokorrent führt dazu, dass diese gem. § 1274 Abs. 2 BGB auch nicht verpfändet werden können. Überdies folgt aus der Kontokorrentbindung einer Kontokorrentabrede, dass eine einseitige Aufrechnung mit den kontokorrentzugehörigen Forderungen ausgeschlossen ist3. Eine Aufrechnung mit einer kontokorrentzugehörigen Forderung ist insoweit ebenso ausgeschlossen wie die Erklärung einer Aufrechnung gegen eine kontokorrentzugehörige Forderung4.
3.860
Eine Ausnahme von den vorgenannten Grundsätzen ist jedoch beim sog. Tagessaldo anerkannt. Unter einem Tagessaldo ist ein reiner Postensaldo zu verstehen, der zur Erleichterung des Überblicks und der Zinsberechnung ermittelt wird und dessen Bedeutung sich darauf beschränkt, Auszahlungen zu verhüten, die nicht durch ein Guthaben gedeckt sind5. Bei Ansprüchen des Bankkunden auf das Tagesguthaben, handelt es sich um Zahlungsansprüche, die sich nicht aus der Kontokorrentabrede herleiten, sondern aus der mit dem Zahlungsdiensterahmenvertrag verbundenen unregelmäßigen Verwahrung gem. § 700 BGB6. Bei solchen Forderungen ist der Bankkunde zur jederzeitigen Geltendmachung gegenüber der Bank berechtigt7. Der Anspruch auf den Tagessaldo ist als solcher allein auf die Rückzahlung der vom Bankkunden geleisteten Einlage, d.h. auf Auszahlung des Guthabenüberschusses, gerichtet. Darüber hinaus lässt sich diese Ausnahme von der Kontokorrentgebundenheit des Tagessaldo seit Geltung des neuen Zahlungsdiensterechts mit Wirkung zum 31.10.2009 aus der Vorschrift des § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB herleiten, wonach der Zahlungsdienstleister dem Zahlungsempfänger den Zahlungsbetrag unverzüglich verfügbar machen muss, nachdem er auf dem Konto des Zahlungsdienstleister eingegangen ist, mithin eine jederzeitige Verfügbarkeit über den Tagessaldo geschuldet wird8.
3.861
Aus der Kontokorrentbindung ergeben sich schließlich auch Besonderheiten in Bezug auf die Verjährung von Forderungen der Vertragsparteien. Da die einzelnen ins Kontokorrent eingestellten Forderungen nicht eigenständig geltend gemacht oder eingeklagt werden können, ist deren Verjährung gem. § 205 BGB analog gehemmt. Die Verjährungshemmung dauert bis zum Ende des Kontokorrentverhältnisses bzw. bis zum Ende der Rechnungsperiode an, in der sie in das Kontokorrent hätten eingestellt werden müssen9. Da das am Ende der Rechnungsperiode entstehende Saldo als neuer Rechnungsposten in die 1 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 173. 2 BGH v. 27.1.1982 – VIII ZR 28/81, ZIP 1982, 292. 3 BGH v. 19.12.1969 – I ZR 33/68, WM 1970, 184. 4 Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Bankvertragsrechts, 4. Aufl. 2005, Rz. 105. 5 BGH v. 28.3.1968 – I ZR 156/66, NJW 1968, 2100. 6 BGH v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, ZIP 1982, 932. 7 BGH v. 28.3.1968 – I ZR 156/66, NJW 1968, 2100. 8 Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/94a. 9 BGH v. 29.3.1973 – I ZR 120/72, DB 1973, 1842.
392 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
nächste Rechnungsperiode vorgetragen wird, besteht die Verjährungshemmung somit folgerichtig bis zum Ende des gesamten Kontokorrentverhältnisses1. c) Verrechnung § 355 Abs. 1 HGB bestimmt für ein bestehendes Kontokorrent, dass die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung ausgeglichen werden. In der Kontokorrentabrede ist nach der der Rechtsprechung des BGH eine antizipierte Verrechnungsvereinbarung enthalten, die meist dahin zu verstehen ist, dass sich die Verrechnung am Ende einer Rechnungsperiode automatisch vollzieht2. Diese Vereinbarung hat zum Inhalt, dass künftige Forderungen lediglich zur Verrechnung zu stellen sind mit der Folge, dass sie nicht mehr selbständig geltend gemacht oder abgetreten werden können und als gestundet zu gelten haben3. Es findet beim Kontokorrent somit eine Verrechnung der Posten zur Ermittlung des Saldos statt, der in regelmäßigen Zeitabständen von der Bank festgestellt und dem Kunden übermittelt wird (Perioden-Kontokorrent)4. Beim Bankkontokorrent erfolgt die Verrechnung zum Ende der jeweils vereinbarten Rechnungsperiode, wobei dies regelmäßig das Ende des Kalenderquartals ist (vgl. Rz. 3.375). Die Verrechnung der einzelnen wechselseitigen Forderungen im Kontokorrent bewirkt, dass diese gem. § 362 BGB erlöschen. Solange die Verrechnung nicht stattgefunden hat, stehen die aus Ein- und Ausgängen herrührenden einzelnen Posten einander im Kontokorrent gleichwertig gegenüber, denn eine Tilgung tritt gem. § 355 Abs. 1 HGB erst mit dem Rechnungsabschluss ein, der die beiderseitigen Forderungen und Leistungen durch Verrechnung ausgleicht. Nach der Rechtsprechung des BGH wird die Verrechnung nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit aller kontokorrentfähigen und -pflichtigen Ansprüche vorgenommen, woraus eine Nichtanwendbarkeit der §§ 366, 367 BGB folgt (verhältnismäßige Gesamtaufrechnung)5.
3.862
Von der Verrechnung erfasst werden alle kontokorrentfähigen und – pflichtigen Forderungen, soweit sie verrechnungsfähig sind, wobei irrtümlich ins Kontokorrent eigenstellte Forderungen nicht getilgt werden, solange der falsch festgestellte Saldo nicht anerkannt ist6. Grundvoraussetzung der Einstellung einer Forderung aus der Bankgeschäftsbeziehung ins Kontokorrent ist somit deren Kontokorrentfähigkeit. Kontokorrentfähig sind nur solche Leistungen und Ansprüche, über die die Parteien im Voraus durch die Kontokorrentabrede verfügen können, wobei einer solchen Forderung die Kontokorrentfähigkeit fehlt, die noch nicht fällig oder aufschiebend bedingt sind7. Der Gegenstand der Kontokorrentabrede hängt grundsätzlich vom Willen der Parteien ab, jedoch ist ohne besondere Vereinbarung davon auszugehen, dass automatisch die aus der Geschäftsverbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen, die über ein bestimmtes Konto abgewickelt werden, einbezogen sind8. Im Fall eines Girokontos ergeben sich die Leistungen
3.863
1 BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, NJW 1978, 538; Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Bankvertragsrechts, 4. Aufl. 2005, Rz. 105. 2 BGH v. 18.4.1989 – XI ZR 133/88, ZIP 1989, 827. 3 BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, NJW 1979, 1658. 4 BGH v. 21.12.1970 – II ZR 52/68, WM 1971, 178. 5 BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, WM 1999, 784. 6 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 47. 7 Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/93a. 8 BGH v. 23.10.1958 – II ZR 127/57, WM 1959, 81.
Kropf | 393
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
und Ansprüche aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag1. Von der Verrechnung im Kontokorrent erfasst werden seitens der Bank daher bspw. Entgelte, Zinsen sowie Aufwendungsersatzansprüche gem. § 675c Abs. 1 i.V.m. § 670 BGB und auf Kundenseite die zu seinen Gunsten erfolgenden Gutschriften.
3.864
Nach früherer Rechtslage konnte im Kontokorrent keine Verrechnung mit Sozialleistungen und Kindergeld vorgenommen werden, da diese unpfändbar waren und demnach gem. § 394 BGB auch nicht der Verrechnung unterlagen. Die Verrechnungsverbote für Sozialleistungen gem. § 55 SGB I und Kindergeld gem. § 76a EStG gelten seit 1.1.2012 allerdings nur noch bei Bestehen eines Pfändungsschutzkontos gem. § 850k Abs. 6 ZPO (vgl. Rz. 3.1070). Besteht kein Pfändungsschutzkonto kann die Bank auch mit diesen Gutschriften eine Verrechnung im Kontokorrent vornehmen. d) Feststellung der kausalen Saldoforderung
3.865
Die gesetzliche Regelung zum Kontokorrent in § 355 HGB sieht in Abs. 2 die Erteilung eines jährlichen Rechnungsabschlusses vor. Die Parteien der Kontokorrentabrede können jedoch auch eine andere Vereinbarung treffen. Die Erteilung des Rechnungsabschlusses erfolgt in der Bankpraxis abweichend von der Maßgabe des § 355 Abs. 2 HGB ausweislich Nr. 7 Abs. 1 AGB-Banken jeweils zum Ende eines Kalenderquartals. Im Rahmen des Rechnungsabschlusses werden die in der Rechnungsperiode von drei Monaten entstandenen beiderseitigen Ansprüche von Bank und Kunden miteinander verrechnet. Dies umfasst auch die von der Bank berechneten Zinsen und Entgelte. Die Bank ist gem. Nr. 7 Abs. 1 Satz 3 AGB-Banken überdies berechtigt auf den entstandenen Saldo gegenüber dem Kunden Zinsen zu berechnen. Gemäß § 355 Abs. 1 HGB ist die Verzinsung auch zulässig, wenn im Saldo Zinsen enthalten sind. Dabei handelt es sich um eine Ausnahme vom Zinseszinsverbot gem. § 248 BGB2. Die Befugnis zur Zinseszinsberechnung endet mit der Beendigung des Kontokorrentverhältnisses3.
3.866
Die Erteilung des Rechnungsabschlusses muss gegenüber dem Bankkunden auch als solcher mit hinreichend deutlicher Kennzeichnung erfolgen. Allein aus der vierteljährlichen Abrechnung der Zinsen und Entgelte und deren Einstellung ins Kontokorrent kann nicht hergeleitet werden, dass die Übersendung eines Kontoauszugs mit den abgerechneten Zinsen und Entgelten auf die Herbeiführung eines Saldoanerkenntnisses im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Genehmigung gerichtet war, vielmehr wird dadurch grundsätzlich lediglich der Abrede genügt, die beiderseitigen, von der Kontokorrentabrede ergriffenen Forderungen und Leistungen in das Kontokorrent aufzunehmen und auf dieser Grundlage den Tagessaldo zu bilden4.
3.867
Der Anspruch des Kunden auf Erteilung von Rechnungsabschlüssen ist ein selbständiger Anspruch aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag (§§ 666, 675 BGB), welcher der Information des Kunden als Auskunftsberechtigten über die Geschäfte, welche die Bank als Auskunftsverpflichtete in seinem Interesse geführt hat, dient5. Dieser Anspruch des Kun1 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 175. 2 Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 1 Rz. 201. 3 Vgl. auch BGH v. 20.5.2003 – XI ZR 235/02, WM 2003, 1418 ff. 4 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, NJW 1985, 3010. 5 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 90/05, WM 2005, 2375.
394 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
den besteht daher auch dann, wenn das Konto kein Guthaben aufweist. Da eine Bank mit der Erteilung des Rechnungsabschlusses einer ihr obliegenden Pflicht nachkommt, kann für die Ausführung dieser Tätigkeit vom Kunden kein gesondertes Entgelt verlangt werden1. Wie bereits erläutert, erfolgt die Verrechnung am Ende der Rechnungsperiode automatisch, da zwischen Bank und Kunde eine antizipierte Verrechnungsvereinbarung mit diesem Inhalt zugrunde zu legen ist. Gesonderter Erklärungen zur Herbeiführung der Verrechnung bedarf es demnach nicht. In Höhe des Überschusses aus der Verrechnung entsteht eine kausale Saldoforderung, im Übrigen erlöschen die sich betragsmäßig deckenden Einzelforderungen2. Der aus der Erteilung des Rechnungsabschlusses entstehende kausale Saldo wäre grundsätzlich eigenständig abtretbar und auch einklagbar. Dem steht jedoch in der Bankpraxis regelmäßig entgegen, dass zwischen den Parteien vereinbart ist, den kausalen Saldo in die nächste Rechnungsperiode vorzutragen bzw. einzustellen. Dadurch verliert die kausale Saldoforderung ihre Selbständigkeit und unterliegt ebenfalls der Kontokorrentbindung3.
3.868
Nicht gleichzusetzen ist der Rechnungsabschluss mit der Erteilung von Kontoauszügen. Nach der Rechtsprechung des BGH dient der Tagesauszug rein tatsächlichen Zwecken, so dass sich seine Bedeutung für den Kunden in der Mitteilung der auf dem Konto vorgenommenen Buchungen erschöpft, und der in ihm ausgewiesene Saldo, der sog. Tagessaldo, lediglich ein rechnerisch ermittelter Postensaldo ist, der zur Erleichterung des Überblicks und der Zinsberechnung ermittelt wird und kenntlich macht, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Kunde im Rahmen der Giroabrede Abhebungen von seinem Konto tätigen kann4. Demgegenüber ist der Rechnungsabschluss i.S.v. § 355 Abs. 2 HGB auf die Herbeiführung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des Kunden, nämlich auf die Abgabe des Saldoanerkenntnisses, gerichtet, das die bisherigen kontokorrentgebundenen Einzelforderungen untergehen lässt und an ihre Stelle eine neue Forderung, die Saldoforderung, setzt. Im Unterschied zur Übermittlung eines periodischen Rechnungsabschlusses kann das Schweigen des Kunden auf die Übersendung eines Tagesauszuges nicht als Billigung der darin mitgeteilten Buchungen oder gar als Genehmigung rechtsgrundloser Belastungsbuchungen angesehen werden5. Nach der Rechtsprechung wird jedoch von dem Kunden ein gewisses Maß der Kontrolle der in den Tagesauszügen mitgeteilten Kontobewegungen und Kontostände sowie eine unverzügliche Beanstandung erkannter Fehlbuchungen verlangt6. Dementsprechend regeln die AGB-Banken in dem Katalog der Mitwirkungspflichten des Kunden in Nr. 11 Abs. 4 eine entsprechende Prüfungspflicht (dazu Rz. 3.472 f.).
3.869
e) Saldoanerkenntnis Zu unterscheiden von der Feststellung des kausalen Saldos am Ende der vereinbarten Rechnungsperiode durch Verrechnung ist das Saldoanerkenntnis. Das Saldoanerkenntnis 1 Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 1 Rz. 196; Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/101b; Mayen in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 82. 2 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, WM 2002, 951. 3 BGH v. 25.3.2009 – IX ZR 98/08, WM 2009, 1515; BGH v. 9.12.1971 – III ZR 58/69, WM 1972, 283. 4 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, NJW 1985, 3010. 5 BGH v. 24.3.1985 – II ZR 277/84, WM 1985, 905, 906. 6 BGH v. 20.11.1990 – XI ZR 107/89, WM 1991, 57, 60.
Kropf | 395
3.870
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
tritt als zusätzliches Ereignis neben die Verrechnung, die bereits die Ermittlung der kausalen Saldoforderung zur Folge hat1.
3.871
Beim Saldoanerkenntnis handelt es sich um ein Schuldanerkenntnis i.S.v. § 781 BGB2. In der Zusendung des periodischen Rechnungsabschlusses liegt das Angebot der Bank an den Kunden auf Abschluss eines Anerkenntnisvertrages3. Der Kunde muss dieses Angebot auf Herbeiführung des Schuldanerkenntnisses annehmen. Für die Annahmeerklärung ist keine bestimmte Form vorgesehen. Eine ausdrückliche Annahme erfolgt in der Bankpraxis jedoch regelmäßig nicht. Einem Schweigen des Kunden kommt nach den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen keine Erklärungswirkung zu und genügt somit nicht einer Annahme. Das Schuldanerkenntnis kommt vielmehr über die Genehmigungsfiktion, welche in Nr. 7 Abs. 2 AGB-Banken geregelt ist, zustande. Demgemäß gilt der Rechnungsabschluss als genehmigt, wenn der Kunde nicht innerhalb von 6 Wochen nach dessen Zugang in Textform Einwendungen erhoben hat. Dem steht die Regelung des § 676b Abs. 2 BGB nicht entgegen. Die in dieser Vorschrift bestimmte Ausschlussfrist von 13 Monaten für die Geltendmachung von Einwendungen, soll ein früheres Anerkenntnis durch Schweigen nicht ausschließen4. Die Fiktionswirkung der unterlassenen Erhebung von Einwendungen als Genehmigungserklärung bzw. Annahme des Angebots ist auch AGB-rechtlich wirksam. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB vor, da der Kunde von der Bank bei Erteilung des Rechnungsabschlusses auf die Fiktionswirkung der unterlassenen Erklärung besonders hingewiesen wird. Dies sieht Nr. 7 Abs. 2 Satz 3 AGB-Banken ausdrücklich vor.
3.872
Die Wirkung der Anerkennung des Saldo besteht nach ständiger Rechtsprechung des BGH darin, dass im Rahmen einer Novation die in das Kontokorrent aufgenommenen beiderseitigen Forderungen untergehen, der Anspruch aus dem Saldoanerkenntnis übrigbleibt und dieser als neue, auf einem selbständigen Verpflichtungsgrund beruhende, vom früheren Schuldgrund losgelöste Forderung an die Stelle der bisherigen Einzelforderungen tritt5. Das zwischen Kunde und Bank auf diese Weise geschlossene Schuldanerkenntnis bewirkt das Erlöschen der im Rechnungsabschluss zu Unrecht unberücksichtigt gebliebenen Forderungen. Das Zustandekommen des Schuldanerkenntnisses führt jedoch nicht dazu, dass der Kunde mit etwaigen Einwendungen gegen die Richtigkeit ausgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt im Schuldanerkenntnis gerade keine rechtsgeschäftliche Genehmigung rechtswidriger anderweitiger Verbuchungen von Beträgen, die bei ordnungsmäßigem Vorgehen der Bank dem Konto hätten gutgeschrieben werden müssen6. Das Schuldanerkenntnis hat somit nicht zur Folge, dass unzutreffende Buchungen während der Rechnungsperiode rechtmäßig werden. Die zugrunde liegenden Forderungen können weiter überprüft werden. Insoweit sieht Nr. 7 Abs. 2 Satz 4 AGB-Banken ausdrücklich vor, dass der Kunden auch nach Ablauf der sechswöchigen Frist noch eine 1 Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/102. 2 BGH v. 2.11.1967 – II ZR 46/65, NJW 1968, 33; BGH v. 9.12.1971 – III ZR 58/69, WM 1972, 283. 3 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, NJW 1985, 3010. 4 BT-Drucks. 16/11643, 119; Casper in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 676b BGB Rz. 16; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 80; Nobbe in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl. 2013, § 676b BGB Rz. 13; wohl auch Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 676b BGB Rz. 4. 5 BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, WM 1999, 784; BGH v. 4.7.1985 – IX ZR 135/84, WM 1985, 969; BGH v. 13.3.1981 – I ZR 5/79, NJW 1981, 1611; BGH v. 28.3.1968 – I ZR 156/66, NJW 1968, 2100; BGH v. 28.11.1957 – VII ZR 42/57, NJW 1958, 217. 6 BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273.
396 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
Berichtigung verlangen kann, er muss dann aber darlegen und beweisen, dass sein Konto zu Unrecht belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt worden ist. Das Zustandekommen des Schuldanerkenntnisses hat daher eine Beweislastumkehr zur Folge Die Partei, zu deren Gunsten sich aus dem Abschlusssaldo ein Überschuss ergibt, braucht nicht die Einzelpositionen des Kontokorrents darzulegen und zu beweisen, sondern kann sich auf das abstrakte Saldoanerkenntnis berufen1. Die Unrichtigkeit des Schuldanerkenntnisses hat daher der Kunde zu beweisen. Bei einem inhaltlich falschen Saldoerkenntnis kann der Kunde das Anerkenntnis nach § 812 Abs. 2 BGB kondizieren, soweit er darlegt und beweist, dass der Saldo falsch berechnet wurde oder Einzelforderungen nicht bestanden2. Grundsätzlich kann einer Kondiktion § 814 BGB (Kenntnis der Nichtschuld) entgegenstehen. Erforderlich ist insoweit nach ständiger Rechtsprechung eine positive Kenntnis des Leistenden von der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung; Rechts- oder Tatsachenirrtümer schließen die Anwendung des § 814 BGB aus3. Kennenmüssen genügt im Rahmen des § 814 BGB nicht, selbst wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht4. Die Kondiktion des Saldoanerkenntnisses ist allerdings mit Ablauf der 13-monatigen Ausschlussfrist des § 676b Abs. 2 BGB ausgeschlossen5. Ist die Saldoforderung demgegenüber höher als dies tatsächlich der materiellen Lage entspricht, kann der Schuldner dem Gläubiger der Saldoforderung die Einrede nach § 821 BGB entgegenhalten und zusätzlich sein Anerkenntnis gem. § 812 Abs. 2 BGB herausverlangen.
3.873
Das Saldoanerkenntnis unterliegt der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren gem. §§ 195, 199 BGB, wobei allerdings der Beginn der Verjährungsfrist des anerkannten Saldos bis zum Ende des Kontokorrents gehemmt ist. Die Saldoforderung wird auf die neue Rechnungsperiode vorgetragen und unterliegt damit wieder der Kontokorrentbindung (vgl. Rz. 3.861)6.
3.874
Das Saldoanerkenntnis verschafft damit auch prozessuale Vorteile. Wer eine Guthabenforderung aus einem Girokonto einklagt, kann sich darauf beschränken, das Letzte Saldoanerkenntnis und etwaige danach eingetretene Änderungen des Saldos substantiiert darzutun. Ohne Saldoanerkenntnis muss der Kläger die seit Beginn des Kontokorrentverhältnisses in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen im Einzelnen darlegen. Hierzu hat er auch sämtliche Kontobewegungen, also auch die Passivposten so vorzutragen, dass das Gericht die geltend gemachte Saldoforderung in allen ihren Grundlagen vollständig sowohl rechnerisch wie auch rechtlich überprüfen kann7.
3.875
f) Beendigung der Kontokorrentabrede Die Beendigung der Kontokorrentabrede kann verschiedene Hintergründe haben. Diese kann grundsätzlich, was in der Bankpraxis ein eher seltener Fall sein wird, gem. § 355 1 2 3 4 5
BGH v. 11.5.1999 – IX ZR 423/97, WM 1999, 1499. BGH v. 18.3.1991 – XI ZR 159/90, WM 1991, 1630. BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 933. BGH v. 9.12.1971 – III ZR 58/69, WM 1972, 283. Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 781 BGB Rz. 9; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 84. 6 BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, NJW 1978, 538. 7 BGH v. 28.5.1991 – XI ZR 214/90, WM 1991, 1294, 1295; OLG Koblenz v. 25.1.1996 – 5 U 714/ 95, WM 1997, 1566, 1567.
Kropf | 397
3.876
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Abs. 3 HGB separat gekündigt werden. Im Rahmen der Privatautonomie kann die Kontokorrentabrede auch durch einvernehmliche Vertragsaufhebung beendet werden. In der Regel wird sich die Beendigung der Kontokorrentabrede jedoch dann ergeben, wenn der der Kontoführung zugrunde liegende Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675h BGB von einer der Vertragsparteien ordentlich gekündigt worden ist. Infolgedessen endet auch das Kontokorrent. Entsprechendes gilt, wenn die gesamte Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunde beendet wird. Kraft gesetzlich angeordneter Rechtsfolge erlischt überdies die Kontokorrentabrede gem. §§ 115, 116 InsO bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ohne dass es einer Kündigungserklärung bedarf1. Die mit der Kontokorrentabrede einhergehende Verrechnungsabrede wird wegen § 91 InsO mit der Verfahrenseröffnung wirkungslos, weshalb in der Folge ein außerordentlicher Saldenabschluss auf den Tag der Verfahrenseröffnung durchzuführen ist2.
3.877
Folge der Beendigung des Kontokorrents ist gem. § 355 Abs. 3 HGB die Fälligkeit des Saldos. Der fällige Zahlungsanspruch auf den Überschuss bedarf keiner gesonderten Feststellung, sondern ist bereits vor formeller Feststellung des Saldos entstanden3. Bei einem Saldo zugunsten des insolventen Kontoinhabers ist der Saldo an dessen Insolvenzverwalter auszukehren, einen Saldo zugunsten der Bank müsste diese als Insolvenzforderung geltend machen4. Mit Beendigung des Kontokorrents endet schließlich auch die Befreiung vom Zinseszinsverbot des § 248 Abs. 1 BGB5.
III. Grundzüge des Zahlungskontengesetzes 3.878
In Umsetzung der Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.7.2014 über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (nachfolgend „Zahlungskontenrichtlinie“) hat der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2016 das Zahlungskontengesetz („ZKG“) erlassen. Das ZKG beinhaltet als wesentliche Bestimmungen die folgenden drei Regelungsabschnitte: Informationspflichten des Zahlungsdienstleisters gegenüber Verbrauchern, Vorgaben zur Gewährung von Kontowechselhilfe für Verbraucher sowie den Anspruch von Verbrauchern auf Abschluss eines Basiskontovertrags (vgl. hierzu Rz. 3.1078). Daüber hinaus enthält das ZKG gesetzliche Vorgaben zur Entgelterhebung. Die mit dem Inkrafttreten des ZKG für die Praxis einhergehenden, besonders relevanten Neuerungen werden nachfolgend dargestellt. 1. Informationspflichten des Zahlungsdienstleisters
3.879
Einer der Kernbereiche des ZKG sind die neu eingeführten Informationspflichten von Zahlungsdienstleistern gegenüber Verbrauchern. Diese untergliedern sich in Entgeltinformationen und allgemeine Informationspflichten.
1 Ellers in Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016, § 116 InsO Rz. 21. 2 BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, NJW 1978, 538. 3 BGH v. 23.11.2010 – XI ZR 82/08, juris. 4 Ellers in Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016, § 116 InsO Rz. 15. 5 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 47 Rz. 93.
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Kontobeziehung | Teil 3
a) Entgeltinformationen Als vorvertragliche Informationspflicht obliegt es Zahlungsdienstleistern gem. § 5 ZKG rechtzeitig vor Abschluss eines Zahlungsdiensterahmenvertrags i.S.v. § 675f Abs. 2 BGB über die Führung eines Zahlungskontos mit einem Verbraucher diesen über Entgelte für mit einem Zahlungskonto verbundene Dienste zu informieren. Die Europäische Banking Authority (EBA) hat auf Grundlage von Art. 5 Abs. 6 RL 2014/92/EU (Zahlungskontenrichtlinie) einen Entwurf zur Festlegung eines standardisierten Formats für die Präsentation der Entgeltinformation verabschiedet (sog. Implementing Technical Standards – ITS). Nach Übernahme der ITS durch die Europäische Kommission, mithin deren Inkrafttreten, haben diese verbindliche Wirkung in den Mitgliedstaaten und müssen folglich von den Zahlungsdienstleistern umgesetzt werden. Diese Entgeltinformation des Verbrauchers hat unentgeltlich zu erfolgen. Dienste, welche mit einem Zahlungskonto verbunden sind, ist jeder Dienst im Zusammenhang mit der Eröffnung, dem Führen oder dem Schließen eines Zahlungskontos. Erfasst sind somit insbesondere auch die Zahlungsdienste i.S.v. § 1 Abs. 2 ZAG i.V.m. § 675c Abs. 3 BGB. Besondere Bedeutung ist der Tatsache beizumessen, dass diese vorvertragliche Informationspflicht die nach sonstigen Vorschriften bestehenden vorvertraglichen Informationspflichten eines Zahlungsdienstleisters unberührt lässt. Dies betrifft insbesondere die rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Zahlungsdienstnutzers mitzuteilenden Informationen nach Art. 248 § 4 EGBGB. Die Pflicht zur vorvertraglichen Entgeltinformation nach § 5 ZKG tritt somit neben nach anderen gesetzlichen Vorschriften begründete Informationspflichten, wobei es sich um eine spezifische vorvertragliche Pflicht für Zahlungsdiensterahmenverträge zwischen Zahlungsdienstleistern und Verbrauchern über die Führung von Zahlungskonten handelt1.
3.880
Die vorvertragliche Pflicht ist vom Zahlungsdienstleister durch Mitteilung gegenüber dem Verbraucher zu erfüllen. Es genügt somit kein bloßes Bereitstellen der Entgeltinformationen, sondern es wird vielmehr gefordert, dass der Zahlungsdienstleister für den Zugang beim Verbraucher zu sorgen hat, ohne dass der Verbraucher sie ausdrücklich anfordern muss2. Für die in der Bankpraxis inzwischen weit verbreitete Mitteilung von Informationen in elektronischer Form bedeutet dies, dass bspw. die bloße Schaffung der Möglichkeit des Herunterladens von der Internet-Homepage des Zahlungsdienstleisters nicht genügt, während dagegen eine Zusendung durch den Zahlungsdienstleister an ein vom Verbraucher angegebenes elektronisches Postfach ausreichend wäre3. Als vorvertragliche Pflicht wird die Entgeltinformation tatbestandlich von § 241 Abs. 2 i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB erfasst, so dass bei einer schuldhaften Pflichtverletzung, die zu einem kausalen Vermögensschaden beim Verbraucher geführt hat, grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.
3.881
Neben der vorvertraglichen Pflicht zur Entgeltinformation besteht für Zahlungsdienstleister zusätzlich nach § 10 ZKG eine Pflicht zur Information über Entgelte gegenüber Verbrauchern während des laufenden Vertragsverhältnisses sowie bei dessen Beendigung. In Abgrenzung zur vorvertraglichen Entgeltinformation wird diese Informationspflicht als Entgeltaufstellung vom Gesetzgeber legaldefiniert. Ausweislich Erwägungsgrund 19 RL 2014/92/EU soll die Entgeltaufstellung dem Verbraucher als wiederkehrende Information über im vergangenen Bezugszeitraum angefallene Entgelte und aufgelaufene Zinsen sowohl
3.882
1 BT-Drucks. 18/7204, 59. 2 BT-Drucks. 18/7204, 60. 3 BT-Drucks. 18/7204, 60.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
den Vergleich verschiedener Anbieter erleichtern und damit eine mögliche Entscheidung über den Anbieterwechsel vorbereiten als auch eine Überprüfung des eigenen Nutzungsverhaltens ermöglichen. Wie im Falle der vorvertraglichen Entgeltinformation hat die EBA auch für die Entgeltaufstellung technische Durchführungsstandards zur Festlegung eines standardisierten Formats für die Präsentation der Entgeltaufstellung erlassen, welche nach Inkrafttreten von den Zahlungsdienstleistern anzuwenden sind (vgl. Rz. 3.880). Grundlage für den Erlass der ITS war insoweit Art. 5 Abs. 4 RL 2014/92/EU (Zahlungskontenrichtlinie). Die Pflicht zur Entgeltaufstellung nach § 10 ZKG findet ergänzend zu den Informationspflichten betreffend zu entrichtender Entgelte nach Ausführung einzelner Zahlungsvorgänge gem. Art. 248 § 7 Nr. 3, § 8 Nr. 3 EGBGB Anwendung. Die unterschiedlichen Pflichten grenzen sich inhaltlich insoweit ab, als dass die Entgeltaufstellung sämtliche Entgelte für Zahlungsdienste und Paketpreise bezüglich der Führung eines Zahlungskontos erfasst.
3.883
Die Entgeltaufstellung bei laufendem Vertragsverhältnis hat mindestens jährlich und ebenfalls, wie auch im Falle der vorvertraglichen Information, unentgeltlich zu erfolgen. Es steht Zahlungsdienstleistern jedoch frei, auch häufiger eine aktuellere Entgeltaufstellung zur Verfügung zu stellen1. Aus dem Tatbestand des § 10 ZKG ergeben sich zwei zentrale Unterschiede zur vorvertraglichen Entgeltinformation: Zum einen bezieht sich die Entgeltaufstellung auf tatsächlich bereits angefallene Entgelte und zum anderen ist die Information nicht durch Mitteilung zu erfüllen, sondern es genügt ein „zur Verfügung stellen“. Der letztgenannten Anforderung ist genüge getan, wenn neben der Bereitstellung der Information durch den Zahlungsdienstleister noch eine aktive Beteiligung des Verbrauchers erfolgen muss, indem dieser bspw. die Informationen ausdrücklich vom Zahlungsdienstleister anfordert oder von der Internet-Homepage des Zahlungsdienstleisters herunterlädt2. Als grundsätzliche Maßgabe hat die Entgeltaufstellung über sämtliche Entgelte, Kosten und Vertragsstrafen, die für oder in Bezug auf mit dem Zahlungskonto verbundene Dienste angefallen sind, sowie gegebenenfalls über angefallene Sollzinsen bei Überziehungen beziehungsweise Guthabenzinsen für Einlagen zu informieren.
3.884
Der Mindestinhalt einer Entgeltaufstellung ergibt sich aus § 11 ZKG. Aus der Verwendung des Wortes „mindestens“ in § 11 Abs. 1 Satz 1 ZKG ergibt sich, dass die Inhalte der Entgeltaufstellung auch darüber hinausgehen können. Der in Abs. 1 Satz 1 ZKG genannte Bezugszeitraum für die Inhalte der Entgeltaufstellung ist mindestens der Zeitraum seit der letzten Entgeltaufstellung3. Wie im Falle der vorvertraglichen Entgeltinformation ist auch bei der Entgeltaufstellung für die Bezeichnung der maßgeblichen Zahlungskontendienste die standardisierte Zahlungskontenterminologie zu verwenden, sind die Entgelte in der zwischen Zahlungsdienste und Verbraucher vereinbarten Währung anzugeben sowie die Angabe in deutscher Sprache abzufassen. § 8 und § 12 ZKG sind insoweit deckungsgleich.
3.885
In Bezug auf Form und Gestaltung der Entgeltaufstellung bestehen im Wesentlichen diejenigen Maßgaben, wie sie auch in § 9 ZKG zur Entgeltinformation niedergelegt sind. Im Übrigen sind auch bei der Entgeltaufstellung die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, wenn das von der BaFin veröffentlichte Muster für Entgeltaufstellungen verwendet worden ist.
1 BT-Drucks. 18/7204, 65. 2 BT-Drucks. 18/7204, 60. 3 BT-Drucks. 18/7204, 65.
400 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
b) Allgemeine Informationspflichten Neben den unter a) (Rz. 3.880–3.885) zuvor dargestellten Informationspflichten von Zahlungsdienstleistern gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Entgelten, werden nach den Maßgaben des § 14 ZKG zusätzliche allgemeine Informationspflichten statuiert, welche von Zahlungsdienstleistern zu erfüllen sind, die am Markt Zahlungskonten für Verbraucher anbieten. Diese allgemeinen Informationspflichten sind wiederum ergänzend zu § 675a BGB zu erfüllen. Die Informationspflichten nach § 14 ZKG gelten für die Zahlungsdienstleister unabhängig vom Vorliegen vertraglicher oder auch nur vorvertraglicher Beziehungen zu den berechtigten Verbrauchern, so dass es sich vielmehr um allgemeine Informationspflichten handelt, die in ihrer Rechtsnatur den Informationspflichten nach § 675a BGB entsprichen und diese um spezifische auf Zahlungskonten für Verbraucher bezogene Informationen ergänzen1. Wie auch im Falle der Entgeltinformation und der Entgeltaufstellung sind die Zahlungsdienstleister verpflichtet die Informationspflicht unentgeltlich zu erfüllen, da es sich um eine gesetzliche Nebenpflicht handelt.
3.886
Dem Inhalt nach beziehen sich die allgemeinen Informationspflichten auf die diversen Regelungsabschnitte des ZKG. Zum einen betreffen sie die Entgeltinformation und zum anderen die Ausgestaltung bzw. die Abschlussvoraussetzung eines Basiskontovertrags sowie schließlich die Maßgaben bezüglich einer Kontowechselhilfe. Zusätzlich ist ein Glossar zu mit einem Zahlungskonto verbundenen Diensten zur Verfügung zu stellen. Diesbezüglich werden die gesetzlichen Anforderungen an Gestaltung und Inhalt erfüllt, wenn das von der BaFin veröffentlichte Muster zur Anwendung kommt.
3.887
Als Grundsatz für die Art und Weise der Information bestimmt § 14 Abs. 1 Satz 1 ZKG, dass die geschuldeten Informationen leicht zugänglich in Textform zur Verfügung zu stellen sind. Für das „zur Verfügung stellen“ gelten wiederum die bereits im Zusammenhang mit der Entgeltaufstellung genannten Anforderungen (vgl. Rz. 3.883). In Bezug auf die Erfüllung der allgemeinen Informationspflicht betreffend die Entgeltinformation, die Kontowechselhilfe sowie das Glossar bestehen gem. § 14 Abs. 3 ZKG spezielle Anforderungen. Zum einen sind diese in den Geschäftsräumen des Zahlungsdienstleisters dem Verbraucher zu Verfügung zu stellen. Zum anderen sind sie im Falle eines Internetauftritts des Zahlungsdienstleisters zusätzlich auch dort zur Verfügung zu stellen. Für die Information hinsichtlich des Glossars kann der Verbraucher zudem verlangen, dass ihm diese mitgeteilt und nicht lediglich zur Verfügung gestellt wird. Die bloße Bereitstellung seitens des Zahlungsdienstleisters, welche eine aktive Handlung des Verbrauchers erfordert, genügt insofern nicht.
3.888
2. Kontowechselhilfe Die Kontowechselhilfe wird in § 20 Abs. 1 ZKG als die Verpflichtung von Zahlungsdienstleistern legaldefiniert, im Zusammenhang mit einem Wechsel von einem beim übertragenden Zahlungsdienstleister geführten Zahlungskonto zu einem empfangenden Zahlungsdienstleister geführten Zahlungskonto dem Verbraucher gegenüber auf dessen Wunsch Unterstützungsleistungen zu erbringen. Voraussetzung für das Bestehen einer Verpflichtung zur Gewährung einer Kontowechselhilfe ist jedoch das Vorliegen einer diesbezüglichen Ermächtigung durch den Verbraucher als Inhaber des betroffenen Zahlungskontos. Zusätzlich müssen die beteiligten Zahlungsdienstleister in Deutschland ansässig 1 BT-Drucks. 18/7204, 67.
Kropf | 401
3.889
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
sein und das zu übertragende Zahlungskonto muss bei beiden Zahlungsdienstleistern in derselben Währung geführt werden.
3.890
Die Ermächtigung zur Kontowechselhilfe muss den in § 21 ZKG bestimmten Anforderungen entsprechen. Formale Anforderung ist zum einen die Einhaltung der Schriftform und zum anderen die Verwendung der deutschen Sprache, falls keine davon abweichende Vereinbarung zwischen den beteiligten Parteien getroffen worden ist. Inhaltlich muss das auf Wunsch des Verbrauchers zu übermittelnde Formular für die Ermächtigung zur Kontowechselhilfe die Erteilung der in § 21 Abs. 2 ZKG genannten Angaben ermöglichen. Die Erfüllung dieser Anforderung wird in der Praxis insoweit erleichtert, als dass dieser genüge getan ist, wenn das in Anlage 1 zum ZKG vorgesehene Formular verwendet wird. In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung in der deutschen Kreditwirtschaft besteht in Bezug auf die Erteilung der Ermächtigung zur Kontowechselhilfe gem. § 21 Abs. 4 ZKG die Möglichkeit, dass diese vom Verbraucher als Inhaber des betroffenen Kontos auch im Online-Banking vorgenommen werden kann. Insoweit soll im Falle eines bestehenden Online-Banking-Zugangs die Erteilung der Ermächtigung, vergleichbar wie bei der Auslösung eines Zahlungsauftrages, mittels TAN-Bestätigung möglich sein1.
3.891
Das Verfahren zur Durchführung der Kontowechselhilfe ist in den §§ 22–24 ZKG geregelt. Der Kontowechsel wird nach Erhalt einer diesbezüglichen Ermächtigung vom neuen bzw. empfangenden Zahlungsdienstleister des Verbrauchers eingeleitet. Dies erfolgt in Form einer Aufforderung an den alten bzw. übertragenden Zahlungsdienstleister des Verbrauchers, bestimmte Leistungen im Rahmen des Kontowechsels zu erbringen, wobei deren Inhalt vom Umfang der Ermächtigung des Kontoinhabers abhängt. Die Leistungsaufforderung hat innerhalb von 2 Geschäftstagen nach Erhalt der Ermächtigung zu erfolgen. Da das ZKG keine eigenständige Definition des Geschäftstags enthält, ist davon auszugehen, dass i.S.v. § 675n Abs. 1 Satz 4 BGB Geschäftstag jeder Tag ist, an dem der an der Ausführung eines Zahlungsvorgangs beteiligte Zahlungsdienstleister den für die Ausführung von Zahlungsvorgängen erforderlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Dies entspricht auch der Definition in Art. 2 Nr. 24 RL 2014/92/EU (Zahlungskontenrichtlinie). Überdies ist die Leistungspflicht des übertragenden Zahlungsdienstleisters davon abhängig, dass die entsprechenden Informationen bei diesem auch vorliegen. Mit anderen Worten ist der übertragende Zahlungsdienstleister auch über die Regelung des §§ 22, 23 ZKG nicht zu weitergehenden Leistungen verpflichtet, als sie dieser aufgrund der ihm vorliegenden Informationen zu erfüllen vermag. Bestehen mithin bspw. bei vom Gläubiger des Verbrauchers eingeleiteten SEPA-Lastschriften keine Dateien mit Informationen, welche Mandate der Zahler an welche Zahlungsempfänger erteilt hat, oder sind diese für ihn nicht sonst problemlos verfügbar, kann dem übertragenden Zahlungsdienstleister keine Verpflichtung auferlegt werden, entsprechende Angaben zu übermitteln2. Zentraler Bestandteil der Pflichten des übertragenden Zahlungsdienstleister ist es, dem empfangenden Zahlungsdienstleister sowie dem Verbraucher innerhalb von 5 Geschäftstagen seit Zugang der Aufforderung Listen und Informationen zu bestehenden Daueraufträgen und Lastschriftmandanten sowie eingehenden Überweisungen und vom jeweiligen Zahlungsempfänger veranlassten Lastschriften der vorangegangen 13 Monate zu übermitteln. Auch im Übrigen gilt für die weiteren Kooperationspflichten des übertragenden Zahlungsdienstleister der vorgenannte Grundsatz, wonach die Pflichten auf das tatsächlich und rechtliche Mögliche begrenzt sind, was insbesondere in Bezug auf die Möglichkeiten der automatischen Um1 BT-Drucks. 18/7204, 72. 2 BT-Drucks. 18/7204, 72.
402 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
leitung eingehender Überweisungen oder Lastschriften auf das beim empfangenden Zahlungsdienstleister geführte Konto des Verbrauchers und die damit korrelierende Verpflichtung, Zahlungseingänge nach dem gem. § 21 Abs. 2 Nr. 4 ZKG bestimmten Datum nicht mehr zu akzeptieren, von Bedeutung ist1. Der Abschluss der Kontowechselhilfe gem. § 24 ZKG erfolgt wiederum durch den empfangenden Zahlungsdienstleister, welcher – abhängig vom Umfang der Ermächtigung des Verbrauchers – entsprechend der vom übertragenden Zahlungsdienstleister erhaltenen Liste und Informationen u.a. die Einrichtung der entsprechenden Zahlungsaufträge (Lastschriften, Daueraufträge) vorzunehmen hat. Dies hat innerhalb von 5 Geschäftstagen nach deren Erhalt zu erfolgen. Zu diesen Pflichten gehört auch gem. § 24 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 ZKG den Schuldnern des Verbrauchers für deren Überweisungen sowie dessen Zahlungsgläubigern für deren Lastschriftabbuchungen die neue Kontoverbindung mitzuteilen und die dazugehörige Ermächtigung des Verbrauchers vorzulegen. Alternativ dazu kann der Verbraucher gem. § 24 Abs. 2 ZKG verlangen, dass ihm vom neuen Zahlungsdienstleister Musterschreiben zur Verfügung gestellt werden, die die neuen Kontoverbindungsangaben sowie das in der Ermächtigung hierzu bestimmte Datum enthalten, ab dem Lastschriften von dem betreffenden Zahlungskonto abzubuchen sind.
3.892
Von besonderer Relevanz ist im Zusammenhang mit der Erfüllung der gesetzlichen Pflichten zur Kontowechselhilfe für die beteiligten Zahlungsdienstleister, dass diese bei einer Verletzung ihrer Pflichten einer Haftung als Gesamtschuldner für die dem Verbraucher entstandenen Schäden unterliegen. Jeder Zahlungsdienstleister kann folglich gem. § 421 BGB vom Verbraucher auf den vollen Betrag seiner Schadensersatzforderung in Anspruch genommen werden. Durch die Verweisung in § 25 ZKG finden insoweit die Vorschriften des Schadensersatzrechts nach den Regelungen des allgemeinen Schuldrechts im BGB Anwendung. Tatbestandlich setzt ein Anspruch des Kunden somit nach § 280 Abs. 1 BGB eine schuldhafte Verletzung der gesetzlichen Pflichten seitens der Zahlungsdienstleister voraus, welche bei diesem zu einem kausalen Vermögensschaden geführt hat. Auf der Rechtsfolgenseite richtet sich der Umfang des Schadensersatzes nach §§ 249 ff. BGB. Beispielhaft nennt Erwägungsgrund 33 RL 2015/92/EU (Zahlungskontenrichtlinie) allgemein als Maßgabe, dass dem Verbraucher durch Fehler der Zahlungsdienstleister keine finanziellen Verluste entstehen sollen, die mit der Zahlung zusätzlicher Entgelte, Zinsen oder anderer Kosten sowie mit Geldstrafen, finanziellen Sanktionen oder anderen Arten finanzieller Nachteile aufgrund von Verzögerungen bei der Ausführung von Zahlungen zusammenhängen.
3.893
3. Entgelterhebung Auch bei Basiskonten muss die kontoführende Bank ihre Dienstleistungen nicht kostenfrei erbringen. Gemäß § 41 Abs. 1 ZKG ist der Kontoinhaber verpflichtet, an das kontoführende Institut für die Erbringung von Diensten auf Grund des Basiskontovertrags das vereinbarte Entgelt zu entrichten. Die Entgeltzahlungspflicht des Kontoinhabers setzt folglich eine Entgeltvereinbarung mit der Bank voraus. Fehlt es an einer Entgeltvereinbarung für die Erbringung von Zahlungsdiesten aufgrund des Basiskontovertrags, wird vom Kontoinhaber auch kein diesbezügliches Entgelt geschuldet2. Diese Maßgabe findet sowohl auf die Zahlungsdienste nach § 38 ZKG als auch auf vereinbarte weitere Dienstleistungen nach § 39 ZKG Anwendung. 1 BT-Drucks. 18/7204, 72. 2 BT-Drucks. 18/7204, 85.
Kropf | 403
3.894
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.895
Für die Entgeltvereinbarung sieht das Gesetz jedoch eine Beschränkung hinsichtlich der Höhe vor. Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 ZKG muss das Entgelt für die Erbringung von Dienstleistungen angemessen sein. Die betragsmäßige Schranke gilt ausweislich des Gesetzeswortlautes allerdings nur für die Zahlungsdienste nach § 38 ZKG, nicht hingegen für zusätzlich nach § 39 ZKG vereinbarte Dienstleistungen des Zahlungsdienstleisters. Insoweit können Entgelte somit frei vereinbart werden. Die kontoführende Bank ist hingegen nicht verpflichtet, bei der Entgeltgestaltung auch für Inhaber von Basiskonten besonders günstige Entgeltkonditionen anzubieten, die sie für andere Konten anbietet. Es besteht somit keine Meistbegünstigungsvorgabe für Basiskonten1. Das Entgelt für ein Basiskonto kann vielmehr dasjenige eines Standardgirokontos durchaus übersteigen2. Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 ZKG sollen für die Beurteilung der Angemessenheit insbesondere die marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten berücksichtigt werden. Es erscheint in diesem Zusammenhang zumindest zweifelhaft, ob die Vorstellung des Gesetzgebers, dass ein Entgelt angemessen ist, wenn es im Durchschnitt die Kosten der Banken deckt und diesen einen angemessenen Gewinn sichert, sich in der Praxis aufgrund der derzeitigen Martkverhältnisse ohne weiteres umsetzen lässt3. Darüber hinaus wird in Bezug auf das Nutzerverhalten vorgeschlagen, zu berücksichtigen, ob Konten allgemein nur in geringem Umfang oder nur über bestimmte Medien genutzt werden4. Schließlich ist fraglich, was der Bezugspunkt für die Angemessenheitskontrolle der Entgeltvereinbarung ist. In Betracht kommt ein objektiver Maßstab oder ein individueller Maßstab der das Basiskonto führenden Bank. Auch wenn sich aus der Gesetzesbegründung die Tendenz zu einem objektiven Maßstab erkennen lässt, ist ein konkreter Maßstab anhand der Kosten der jeweiligen Bank vorzuziehen, da zum einen das zu berücksichtigende Nutzerverhalten nur die Nutzer der konkreten kontoführenden Stelle meinen kann und zum anderen eine Bank die bei einem objektiven Maßstab relevante Kostenstruktur derjenigen Banken am Markt, welche Basiskonten anbieten, nicht zu ermitteln vermag5. In der bislang ergangenen Instanzrechtsprechung hat sich diesbezüglich bisher noch keine einheitliche bzw. herrschende Auffassung herausentwickelt. Zum Teil wird ein Binnenvergleich abgelehnt und ein Marktvergleich mit der Kostenstruktur der von anderen Banken angebotenen Konten mit vergleichbaren Leistungen als maßgeblich angesehen6, während andererseits in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten wird, dass entsprechend der BGH-Rechtsprechung zu Entgelten bei P-Konten auf einen institutsinternen Maßstab abzustellen ist, der dem objektiven Korrektiv des „marktüblichen Entgelts“ unterliegt, um eine Umgehung des Kontrahierungszwangs zu verhindern7. Schließlich wird für die Beurteilung der Angemessenheit in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung die Einbeziehung des Nutzerverhaltens eines sog. „Musternutzers“ eines Basiskontos vertreten. Demgemäßg ist im Sinne eines Mittelwegs das unterschiedliche Nutzerverhalten der gesamten Zielgruppe in Gestalt sowohl von Onlinenutzern als auch Nutzern beleghafter Bankgeschäfte sowie auch Nutzern, bei denen Unterstützungsleistungen notwendig sind, zu berücksichtigen, so dass die Höhe 1 BT-Drucks. 18/7204, 85; OLG Schleswig v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, juris; LG Köln v. 23.10.2018 – 21 O 53/17, WM 2018, 2245, OLG Frankfurt/M. v. 27.2.2019 – 19 U 104/18, ZIP 2019, 560. 2 OLG Schleswig v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, juris; LG Köln v. 23.10.2018 – 21 O 53/17, WM 2018, 2245. 3 Zweifelnd insoweit Findeisen, WM 2016, 1765, 1773. 4 Findeisen, WM 2016, 1765, 1773. 5 Herresthal, WM 2016, 133, 141; a.A. Artz, ZBB 2016, 191, 195. 6 LG Frankfurt/M. v. 8.5.2018 – 28 O 98/17, ZIP 2018, 1281. 7 OLG Schleswig, v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, juris.
404 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
des Entgelts das durchschnittliche Nutzerverhalten aller Kontoinhaber angemessen widerzuspiegeln habe1. Der Gesetzgeber hat über das Kriterium der Angemessenheit eine richterliche Entgeltkontrolle für Preisabreden der Vertragsparteien eingeführt, die als Ausdruck der Vertragsfreiheit gerade frei vereinbart werden können sollen. Dies bringt auch § 307 Abs. 3 BGB für in AGB enthaltene Entgeltvereinbarungen zum Ausdruck, indem Preisabreden, die unmittel die Vergütung einer Leistung regeln, einer Inhaltskontrolle entzogen sind. Es wird somit eine dem deutschen Privatrecht für Hauptleistungen fremde Preiskontrolle geschaffen2. Demzufolge handelt es sich bei § 41 ZKG um eine gesetzliche Preisregelung, anhand welcher eine Kontrolle der Entgeltgestaltung von Banken gewährleistet werden soll3. Bisher bestand eine gesetzliche „Deckelung“ der Entgelthöhe nur für die Erbringung von gesetzlichen Nebenpflichten im Zahlungsdiensterecht. Entgelte für Zahlungsdienste unterlagen hingegen keiner betraglichen Beschränkung. Kritisch ist dieser Konstrollmaßstab insbesondere auch deshalb, weil, wie ausgeführt, die Einhaltung der Angemessenheitsgrenze bei der Entgelterhebung in der Praxis nur mit Schwierigkeiten umgesetzt werden kann. § 41 Abs. 2 ZKG sind keine harten Kriterien oder konkrete Bezugspunkte zu entnehmen, anhand deren die Preisgestaltung vorgenommen werden kann.
3.896
Ein Verstoß gegen die Angemessenheitsgrenze des § 41 Abs. 2 ZKG führt dies zur Unwirksamkeit der entsprechenden Entgeltvereinbarung. Bei § 41 Abs. 2 Satz 1 ZKG handelt es sich um ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB4. Die Unwirksamkeit der Entgeltvereinbarung lässt die Wirksamkeit des Basiskontovertrags im Übrigen allerdings gem. § 41 Abs. 4 ZKG unberührt. Aufgrund der Konturenlosigkeit müssen die kontoführenden Banken das Risiko einer unwirksamen Entgeltvereinbarung tragen, wenn das betreffende Entgelt als nicht angemessen beurteilt wird5. Über einer Entgeltvereinbarung hängt somit das Damoklesschwert, dass die Führung des Basiskontos unentgeltlich zu erbringen ist. Der betroffenen Bank verbleibt lediglich der allgemeine Kostenerstattungsanspruch nach § 675 i.V.m. § 670 BGB6. Wie es auch bei der betragsmäßigen Beschränkung bei Entgelten für die Erbringung gesetzlichen Nebenpflichten betreffend „Angemessenheit“ und „Ausrichtung an den tatsächlichen Kosten“ i.S.v. 675f Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 BGB der Fall war, wird sich eine Klärung für die Praxis erst durch die Rechtsprechung der Zivilgerichte ergeben. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen die Beschränkungen des § 41 ZKG für Entgelterhebungen nicht abschließend sein, vilemehr treten diese neben die allgemeinen Regelungen des Zahlungsdiensterechts in den §§ 675c ff. BGB sowie die Vorschriften der AGB-Inhaltskontrolle des § 307 BGB7.
3.897
IV. Kontoinhaberschaft Die Kontoinhaberschaft betrifft den Aspekt, welche Person aus dem Kontovertragsverhältnis mit der Bank in Bezug auf das Konto Rechte geltend machen kann bzw. wem die Er1 LG Köln v. 23.10.2018 – 21 O 53/17, WM 2018, 2245; OLG Schleswig v. 8.5.2018 – 2 U 6/17, juris. 2 Vgl. dazu auch Herresthal, WM 2016, 133, 141. 3 LG Köln v. 23.10.2018 – 21 O 53/17, WM 2018, 2245; LG Frankfurt/M. v. 8.5.2018 – 28 O 98/17, ZIP 2018, 1281. 4 BT-Drucks. 18/7204, 86. 5 Findeisen, WM 2016, 1765, 1773. 6 Gondert/Huneke, VuR 2016, 323, 328; Rott, VuR 2016, 3, 6. 7 BT-Drucks. 18/7204, 85.
Kropf | 405
3.898
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
füllung sich im Einzelnen aus der Vertragsbeziehung ergebender Pflichten obliegt. Die Kontoinhaberschaft ist somit sowohl aus der Perspektive des Bankkunden als auch aus der Perspektive der Bank von Interesse. Darüber hinaus ist die Kontoinhaberschaft auch als Anknüpfungspunkt für die Anwendung bestimmter gesetzlicher Vorschriften von Relevanz. Dies betrifft die Frage von aufsichtsrechtlichen oder steuerrechtlichen Identifizierungspflichten der Bank als kontoführende Stelle. Insbesondere im Rahmen des sog. Know-your-Customer-Checks, welchen die Banken auf Basis des Geldwäschegesetzes (GwG) durchzuführen haben, ist für das jeweilige Konto der tatsächliche Kontoinhaber festzustellen. 1. Kontofähigkeit
3.899
Inhaber eines Kontos kann nur eine Person sein, welche nach den jeweils maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften auch Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Ausschlaggebend ist somit auch in Bezug auf die Kontoinhaberschaft das Bestehen bzw. die Innehabung der Rechtsfähigkeit seitens des Vertragspartners der Bank. Die Rechtsfähigkeit des Kunden im Bereich der Kontoeröffnung und Kontoführung ist folglich die Grundvoraussetzung für die sog. Kontofähigkeit. In der Bankpraxis ergibt sich diesbezüglich eine große Bandbreite an Fallkonstellationen, welche abhängig ist von der Person, auf welche das Konto eröffnet werden soll. Insoweit sollen nachfolgend die unterschiedlichen Konstellationen anhand von Fallgruppen übersichtsartig dargestellt werden. a) Natürliche Personen
3.900
Bei natürlichen Personen ist die Kontofähigkeit unzweifelhaft gegeben. Die in § 1 BGB verliehene Rechtsfähigkeit besteht ab der Vollendung der Geburt. Die sich im Rechtsverkehr mitunter bei natürlichen Personen ergebenden Einschränkungen betreffen nicht die Kontofähigkeit, sondern vielmehr die Verfügungsbefugnis über das auf die jeweilige natürliche Person lautende Konto. Dies kann in der fehlenden oder beschränkten Geschäftsfähigkeit sowie psychischen Krankheiten oder körperlichen Behinderungen von Volljährigen begründet sein (vgl. Rz. 3.944). b) Gesellschaften und sonstige Personenzusammenschlüsse
3.901
Im Bereich des nationalen (deutschen) Gesellschaftsrechts ist das Vorliegen der Kontofähigkeit als Voraussetzung der Kontoinhaberschaft weitestgehend unproblematisch. Für die Kapitalgesellschaften AG und GmbH als juristische Personen sowie für die Personenhandelsgesellschaften ist die Rechtsfähigkeit jeweils gesetzlich bestimmt. Darüber hinaus kann ein Konto auch auf die Vorgesellschaft einer GmbH (sog. GmbH in Gründung) als notwendiges Durchgangsstadium einer GmbH vor deren Eintragung im Handelsregister eröffnet werden. Die GmbH in Gründung ist eine Gesellschaftsform sui generis, die bereits Rechts- und damit Kontofähigkeit aufweist1. Abweichend davon ist allerdings die rechtliche Beurteilung in Bezug auf Niederlassungen von Kaufleuten, sei es Einzelkaufleute oder die zuvor genannten Formkaufleute. Niederlassungen sind rechtlich nicht verselbständigt, sondern weisen lediglich eine im Vergleich zur Hauptverwaltung organisatorische Eigenständigkeit auf. Mangels Rechtsfähigkeit fehlt ihnen somit eine (eigenständige) Kontofähigkeit. 1 BGH v. 2.5.1966 – II ZR 329/63, NJW 1966, 1311.
406 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Grundform der Personenhandelsgesellschaften ist die Kontofähigkeit zumindest seit der höchstrichterlichen Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit einer sog. Außen-GbR oder Außengesellschaft ebenfalls zu bejahen1. Die Außen-GbR kann somit auf sich ein Einzelkonto eröffnen, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Rechtsfähigkeit der dahinterstehenden Gesellschafter der GbR bedarf. Im Zuge dieser Rechtsprechungsentwicklung ist auch die Kontofähigkeit des nicht rechtsfähigen Vereins i.S.v. § 54 BGB anerkannt worden. Auch wenn dies aufgrund der Bezeichnung auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen mag, ist dies letztendlich nur konsequent, da auf den nicht rechtsfähigen Verein kraft gesetzlicher Verweisung in § 54 Satz 1 BGB die Vorschriften zur GbR Anwendung finden. Praxisrelevanz hat diese Rechtsentwicklung vor allem auch für politische Parteien oder Gewerkschaften, die im Regelfall als nicht rechtsfähige Vereine organisiert sind.
3.902
Die Rechtsfähigkeit als Voraussetzung der Kontofähigkeit ist überdies nunmehr auch gesetzlich für die Wohnungseigentümergemeinschaften anerkannt. § 10 Abs. 6 Satz 2 WEG bestimmt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Inhaberin der gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten ist. Die Gemeinschaft weist somit eine rechtliche Verselbständigung im Verhältnis zu den in ihr zusammengeschlossenen Wohnungseigentümern auf.
3.903
Eine praxisrelevante Besonderheit ergibt sich in Fällen von nicht rechtsfähigen Stiftungen, welche auch Treuhandstiftungen genannt werden. Mangels Rechtsfähigkeit kann ein Konto nicht auf die Stiftung als Kontoinhaber eröffnet werden. Der nicht rechtsfähigen Stiftung liegt regelmäßig ein Treuhandverhältnis zugrunde. Im Rahmen der Errichtung wird das Stiftungsvermögen von dem oder den Stiftern zu einem bestimmten Zweck auf einen Dritten in der Funktion eines Treuhänders übertragen. Das Konto ist somit auf den Treuhänder zu eröffnen. Auch steuerlich gelten Besonderheiten, die von großer Relevanz für die Bankpraxis sind. Ist das Konto, entsprechend der zuvor erläuterten Grundsätze, mangels eigener Rechtsfähigkeit nicht auf die Treuhandstiftung, sondern auf den Namen des Treuhänders eröffnet und geführt und ist das Konto eindeutig als Treuhandkonto gekennzeichnet und damit vom Vermögen des Treuhänders zu unterscheiden sowie steuerlich der Stiftung zuzuordnen, so kann gem. § 44a Abs. 6 Satz 3 EStG auch dem Treuhänder eine Nichtveranlagungsbescheinigung i.S.d. § 44a Abs. 4 EStG erteilt werden.
3.904
c) Öffentlicher Sektor (Public Sector) Bei Kunden aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich können sich in der Bankpraxis bezüglich der Bestimmung der Kontoinhaberschaft besondere Herausforderungen stellen. Dies ist darin begründet, dass im Public Sector die Kunden der unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Verwaltung häufig nicht durch den jeweiligen Träger von Rechten und Pflichten an einer Vertragsbeziehung (sog. Rechtsträger) teilnehmen, sondern vielmehr anhand mit ihnen verbundener Institutionen auftreten bzw. tätig werden. Häufig handelt es sich dabei zwar um organisatorisch mit einer gewissen Eigenständigkeit ausgestatte Einrichtungen. Diese weisen jedoch keine rechtliche Selbständigkeit auf, so dass ihnen die Rechtsund damit auch Kontofähigkeit letztendlich nicht zuteilwerden kann.
3.905
Die zuvor dargestellte Thematik kann anhand verschiedener Beispiele veranschaulicht werden. Sowohl auf staatlicher wie auch kommunaler Ebene nehmen die jeweiligen Gebiets-
3.906
1 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, WM 2001, 408.
Kropf | 407
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
körperschaften als unbestritten rechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts durch mit für den einschlägigen Bereich mit entsprechender Zuständigkeit ausgestattete Behörden am Rechtsverkehr teil. Dabei kann es sich um Ministerien, Finanzämter oder auch Regierungen als staatliche Mittelbehörden handeln. Als weiteres Beispiel sind die kommunalen Eigenbetriebe in den deutschen Bundesländern zu nennen. Die jeweiligen Kommunalordnungen bzw. Eigenbetriebsverordnungen bestimmen explizit, dass es sich bei diesen um nicht rechtsfähige Sondervermögen der Kommune handelt, die lediglich finanzwirtschaftlich verselbständigt sind, mithin im Kommunalhaushalt gesondert ausgewiesen werden müssen. Eine weitere nicht selten vorkommende Konstellation ist schließlich die Kontoeröffnung im diplomatischen bzw. konsularischen Bereich. Aus nationaler Perspektive handelt es sich bei Botschaften oder Konsulaten ausländischer Staaten um Behörden des jeweiligen Entsendestaates, welche keine rechtliche Eigenständigkeit aufweisen1. In der Bankpraxis sind noch viele weitere Fallgruppen relevant, auf welche hier nicht im Detail eingegangen werden kann, die jedoch letztendlich sämtlich nach dem gleichen Prinzip behandelt werden sollten, wonach in Bezug auf die Kontoinhaberschaft der jeweilige Rechtsträger zu identifizieren ist2. Kontoeröffnung erfolgt sodann auf diesen Rechtsträger, welche die Rechts- und Kontofähigkeit aufweist. 2. Grundsätze der Kontoinhaberschaft a) Bestimmung des Kontoinhabers
3.907
Abgesehen von der Grundvoraussetzung der Kontofähigkeit, ist in der Bankpraxis die Bestimmung des Kontoinhabers von zentraler Bedeutung. Aus Feststellung der Person des Kontoinhabers lässt sich beantworten, wer gegenüber der Bank hinsichtlich des Kontos verfügungsberechtigt ist und an wen die Bank schuldbefreiend leisten kann. Die Kontoinhaberschaft ist ebenso relevant für das Recht von Gläubigern eine Zwangsvollstreckung zu betreiben, die Rechtsnachfolge im Erbfall oder das Recht der kontoführenden Bank auf das Kontoguthaben, bspw. durch Geltendmachung ihres AGB-Pfandrechts, Zugriff zu nehmen. Schließlich ist die Kontoinhaberschaft auch maßgeblich für die Frage, wer der Bank im Falle eines debitorischen Kontos für dessen Ausgleich haftet.
3.908
In der Rechtsprechung des BGH ist für die Bestimmung der Kontoinhaberschaft und damit für die Gläubigerposition des Bankguthabens als Grundsatz anerkannt, dass es nicht entscheidend ist, wer in der Kontobezeichnung aufgeführt ist oder aus wessen Mitteln die eingezahlten Gelder stammen3. Maßgebend für die Frage, wer der Bank gegenüber berechtigter Kontoinhaber geworden ist, ist vielmehr, wer bei der Kontoerrichtung als Forderungsberechtigter auftritt oder bezeichnet wird4. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ist somit zu prüfen, wer nach dem erkennbaren Willen des die Kontoeröffnung beantragenden Kunden Gläubiger der Bank sein sollte5. Die Bank darf im Regelfall und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände allerdings davon ausgehen, dass der 1 Vgl. Rundschreiben des Auswärtigen Amtes v. 15.9.2008 zur Behandlung von Diplomaten und bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland, Abschnitt III. A. II. 2 Eine tabellarische Übersicht zu den einzelnen Fallgruppen findet sich bei Habl/Kropf in Hellner/ Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/687. 3 BGH v. 10.10.1966 – II ZR 290/63, DB 1966, 1965. 4 BGH v. 12.10.1987 – II ZR 98/87, NJW 1988, 709. 5 BGH v. 22.9.1975 – II ZR 51/74, WM 1975, 1200; BGH v. 25.3.1956 – II ZR 270/65, NJW 1956, 1593.
408 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
das Konto Errichtende auch Kontoinhaber werden möchte, mithin ein Eigenkonto errichtet werden soll1. Es besteht insoweit eine Vermutung dafür, dass die in der Kontobezeichnung benannte Person auch Kontoinhaber und damit Vertragspartner der Bank ist2. Insbesondere bei der Eröffnung eines Girokontos kommt der Bezeichnung des Kontoinhabers mehr als eine bloße Indizwirkung zu, da der Giroverkehr auf eine rasche und unkomplizierte Abwicklung angelehnt ist, so dass ein starkes praktisches Bedürfnis für einfache und klare Rechtsverhältnisse besteht3. Dem entspricht es, so der BGH, wenn der formelle Kontoinhaber, der sich aus der Kontobezeichnung ergibt, auch als Gläubiger angesehen wird. Besonderheiten bei der Bestimmung des Kontoinhabers ergeben sich aus der Abgrenzung von einem Eigenkonto und einem Fremdkonto. Im Regelfall wird bei Errichtung eines Kontos der Verfügungsberechtigte auch der Kontoinhaber sein. Vertragspartner der Bank und Inhaber der Einlagenforderung sind identisch. In diesem Fall handelt es sich um ein Eigenkonto. Es gibt jedoch auch Konstellationen, in denen die Kontoinhaberschaft und die Verfügungsberechtigung auseinanderfallen. Dies ist dann der Fall, wenn derjenige, der das Konto eröffnet, lediglich eine Verfügungsberechtigung erhält und im Übrigen ein Dritter Kontoinhaber wird4. Dann handelt es sich um ein Fremdkonto. Dies kann in der Praxis bspw. durch einen Vertrag zugunsten Dritter zwischen dem das Konto Errichtenden und der Bank verwirklicht werden, aus welchem ein Dritter Kontoinhaber und Gläubiger der Einlagenforderung wird, während der Errichtende sich eine Verfügungsberechtigung vorbehält5. Ebenso kann sich die Verfügungsberechtigung der das Konto errichtenden Person aus wirksamer Verfügungsermächtigung gem. § 185 BGB ergeben6. Ein Auseinanderfallen von Kontoinhaberschaft und Verfügungsberechtigung kann schließlich auch dann bestehen, wenn der Kontoinhaber seine Forderungen gegenüber der kontoführenden Bank an einen Dritten gem. § 398 BGB abgetreten hat. Eine Abtretung lässt die Kontoinhaberschaft unberührt, jedoch geht die Forderungsinhaberschaft auf den Zessionar über.
3.909
Charakteristisch für ein Fremdkonto ist folglich, dass die Einlagenforderung einem anderen zusteht als demjenigen, der die Verfügungsmacht über das Konto – im eigenen oder im fremdem Konto – ausübt7. Maßgeblich ist für die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkonto, wer nach dem erkennbaren Willen des Errichtenden Gläubiger der Bank werden sollte (vgl. Rz. 3.908). Nicht ausschlaggebend für die Einordnung als Eigen- oder Fremdkonto ist hingegen, aus wessen finanziellen Mitteln die auf das Konto eingezahlten Gelder stammen8. Ein Konto kann somit auch dann ein Eigenkonto sein, wenn es mit fremden Geldern errichtet worden ist. Im Falle eines Fremdkontos ergeben sich aus der Abweichung von Verfügungsberechtigung und Forderungsinhaberschaft verschiedene Auswirkungen. Die kontoführende Bank kann bspw. mangels Gegenseitigkeit nicht mit einer Forderung aus dem Verhältnis zum Verfügungsberechtigten gegen ihre Verbindlichkeit aus dem Fremdkonto aufrechnen. Überdies können Gläubiger des Verfügungsberechtigten
3.910
1 2 3 4 5
BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, WM 1990, 1954. Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 29 Rz. 10. BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 15/95, WM 1996, 249. Schwintowski, Bankrecht,5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 31. Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 1 Rz. 138. 6 Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, 4. Aufl. 2005, Rz. 235. 7 Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, 4. Aufl. 2005, Rz. 235. 8 BGH v. 9.2.1972 – VIII ZR 128/70, WM 1972, 383.
Kropf | 409
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
nicht in die Guthabenforderung des Fremdkontos pfänden, da die Forderungsinhaberschaft beim Kontoinhaber liegt, so dass dieser eine Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben könnte. Kein Fall des Auseinanderfallens von Verfügungsbefugnis und Kontoinhaberschaft liegt vor, wenn der Kontoinhaber einem Dritten eine Kontovollmacht erteilt. Der Kontoinhaber als Vollmachtgeber bleibt trotz Bevollmächtigung eines Dritten über sein Konto verfügungsberechtigt. Der Bevollmächtigte übt im Wege eines abgeleiteten Rechts nur die Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers auf Grund der Vollmacht aus. Der Bevollmächtigte handelt gem. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB im fremden Namen des Kontoinhabers, mit der Folge, dass diesen die Rechtswirkungen der Vertretererklärung treffen. Eine verdrängende Bevollmächtigung gibt es nach h.M. nicht1. b) Pflicht zur Identifizierung
3.911
Die Bank ist bereits aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften, namentlich der Abgabenordnung und dem Geldwäschegesetz, verpflichtet, den Inhaber eines Kontos zweifelsfrei festzustellen und zu identifizieren. aa) Abgabenordnung (1) Überblick
3.912
Nach § 154 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) gilt der Grundsatz der formalen Kontenwahrheit. Demgemäß darf niemand auf einen falschen oder erdichteten Namen für sich oder einen Dritten ein Konto errichten. Dieses Verbot, falsche oder erdichtete Namen zu verwenden, richtet sich an denjenigen, der als Kunde bei einer Bank ein Konto errichten lassen will oder Buchungen vornehmen lässt. § 154 AO verlangt allerdings nur, dass keine falschen oder erdichteten Namen verwendet werden, nicht hingegen, dass die zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen erkennbar gemacht werden, so dass es nicht darauf ankommt, ob derjenige, der ein Konto errichtet, unerkannt für Rechnung eines Dritten handelt, und wie das Innenverhältnis zu diesem Dritten aussieht2. Die Stellung als Verfügungsberechtigter i.S.v. § 154 AO bestimmt sich nicht nach den zugrunde liegenden Beziehungen im Innenverhältnis oder den wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern allein nach der formalen Position des Kontoinhabers gegenüber der Bank3. Die materielle Kontenwahrheit ist folglich unerheblich. Die Bank als kontoführende Stelle trifft gem. § 154 Abs. 2 AO die Pflicht, sich vor Kontoerrichtung Gewissheit über die Person und Anschrift jedes Verfügungsberechtigten und jedes wirtschaftlich Berechtigten im Sinne des Geldwäschegesetzes zu verschaffen und die entsprechenden Angaben in geeigneter Form, bei Konten auf dem Konto, festzuhalten. Nach bisheriger Rechtslage beschränkte sich die Legitimationsprüfung auf die Person des Kontoinhabers und ggf. anderer Verfügungsberechtigter. Der zu identifizierende Personenkreis ist durch Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) vom 15.3.2017 auf wirtschaftliche Berechtigte i.S.d. Geldwäschegesetzes (GwG) erweitert worden.
3.913
Konkretisiert werden die Pflichten der Bank durch den Anwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen zu § 154 AO vom 11.12.2017 (AEAO). Konto i.S.d. § 154 1 Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, 4. Aufl. 2005, Rz. 240. 2 BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 237/93, AG 1995, 35 = WM 1994, 2270; Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 31 Rz. 2. 3 Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 31 Rz. 2.
410 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
Abs. 2 AO, dessen Errichtung die Prüfungspflicht der Bank auslöst, ist jede für einen Dritten im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung geführte Rechnung, in der Zu- und Abgänge der Vermögensgegenstände erfasst werden. Hierzu zählen auch Kredit- und Darlehenskonten sowie Konten über ausländische Währung oder über elektronisches Geld1. Eine Kontoeröffnung auf den Namen eines Dritten ist zulässig, soweit die Existenz des Dritten nachgewiesen wird2. Vom Begriff des „Verfügungsberechtigten“ werden sowohl der Gläubiger der Forderung (Kontoinhaber) und seine gesetzlichen Vertreter als auch jede andere Person, die zur Verfügung über das Konto bevollmächtigt ist (Kontovollmacht) erfasst3. Personen, die aufgrund Gesetzes oder Rechtsgeschäfts zur Verfügung berechtigt sind, ohne dass diese Berechtigung der kontoführenden mitgeteilt worden ist, gelten nicht als Verfügungsberechtigte i.S.v. § 154 Abs. 2 Nr. 1 AO. Der Begriff des wirtschaftlich Berechtigten i.S.v. § 154 Abs. 2 Nr. 1 AO wiederum entspricht demjenigen gemäß der Legaldefinition des § 3 GwG (vgl. Rz. 3.929). Zu den wirtschaftlich Berechtigten zählen insbesondere auch die fingierten wirtschaftlich Berechtigten i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 4 GwG4. (2) Umfang und Zeitpunkt der Legitimationsprüfung Bei natürlichen Personen als Verfügungsberechtigte i.S.v. § 154 Abs. 2 Nr. 1 AO hat die Legitimationsprüfung anhand eines Abgleichs mit einem amtlichen Ausweispapier oder einem Ausweisersatzpapier zu erfolgen. Dabei müssen als Angaben des Verfügungsberechtigten Vorname und Nachname, der Geburtsort, das Geburtsdatum, die Staatsangehörigkeit und eine Wohnanschrift oder, sofern kein fester Wohnsitz mit rechtmäßigem Aufenthalt in der Europäischen Union besteht und die Überprüfung der Identität im Rahmen des Abschlusses eines Basiskontovertrags i.S.v. § 38 ZKG erfolgt, die postalische Anschrift, unter der der Vertragspartner sowie die gegenüber dem Verpflichteten auftretende Person erreichbar sind, erhoben werden. Ein vorübergehender Wohnsitz, wie bspw. eine Hoteladresse, genügt den Anforderungen an die Feststellung einer Wohnanschrift hingegen nicht5. Als Name muss entweder der bürgerliche Name i.S.v. § 12 BGB oder die Firma des Vollkaufmanns i.S.v. § 17 HGB angegeben werden6. Wird die Kontoeröffnung, wie bspw. bei sog. Direktbanken, ohne Vorlage eines Legitimationspapiers oder brieflich beantragt, kann die Legitimationsprüfung durchgeführt werden, indem die Kontoeröffnungsunterlagen oder eine unverzügliche Bestätigung über die erfolgte Kontoeröffnung per Einschreiben gegen Rückschein versandt werden (sog. PostIdentService)7. Beim wirtschaftlich Berechtigten genügt die Erhebung (mindestens eines) Vornamen, der Nachname und die Anschrift8. Der Vertragspartner der Bank hat dieser die hierzu erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Eine eigenständige Überprüfung der Rechtsbeziehungen hat die Bank folglich nicht vorzunehmen. Im Falle der zulässigen Kontoeröffnung auf den Namen eines Dritten müssen die Angaben über Person und Anschrift sowohl des Kontoinhabers sowie auch desjenigen, der das Konto errichtet, festgehalten werden. Sollte der Verfügungsberechtigte noch nicht feststehen (z.B. der unbekannte Erbe), reicht es aus, wenn die Bank sich zunächst Gewissheit über die Person 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Ziff. 3 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017. Vgl. Ziff. 2 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017. Vgl. Ziff. 4 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017. Vgl. Ziff. 5 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017. Vgl. Ziff. 7.1.1 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017. Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 31 Rz. 9. Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 31 Rz. 18. Vgl. Ziff. 7.3 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017.
Kropf | 411
3.914
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
und Anschrift des das Konto Errichtenden (z.B. des Nachlasspflegers) verschafft; die Legitimation des Kontoinhabers ist sobald wie möglich nachzuholen1.
3.915
Handelt es sich beim Verfügungsberechtigten um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts kann die Identifizierungspflicht seitens der Bank vereinfacht erfüllt werden. Es genügt insoweit die Bezugnahme auf eine amtliche Veröffentlichung oder ein amtliches Register (bspw. das Handelsregister) unter Angabe der Register-Nr2.
3.916
Wie nach bisheriger Fassung des AEAO bestehen in bestimmten Fällen gewisse Erleichterungen in Bezug auf die Identifizierungspflichten der Bank. Rechtliche Grundlage ist dafür § 154 Abs. 2d) AO. Im Gegensatz zur vorherigen Rechtslage, nach welcher sich die Erleichterungen bei der Legitimationsprüfung auf bestimmte Fallgruppen von Verfügungsberechtigten bezog, ermöglicht die Ermächtigung in Abs. 2d) nunmehr auch für bestimmte Fallgruppen von wirtschaftlich Berechtigten i.S.d. GwG Ausnahmen vorzusehen3. Dementsprechend kann nach Nr. 11.1 AEAO in den dort enumerativ aufgelisteten Fällen auf die Identifizierung seitens der Bank verzichtet werden. Als besonders relevante Praxisfälle seien an dieser Stelle die Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder, wenn die Voraussetzungen für die gesetzliche Vertretung bei Kontoeröffnung durch amtliche Urkunden nachgewiesen werden (lit. b)), Vormundschaften und Pflegschaften einschließlich Amtsvormundschaften und Amtspflegschaften, sowie rechtliche Betreuung (§§ 1896 ff. BGB) (lit. b)), Parteien kraft Amtes (Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker und ähnliche Personen) (lit. c)), Pfandnehmer (insbesondere in Bezug auf Mietkautionskonten, bei denen die Einlage auf einem Konto des Mieters erfolgt und an den Vermieter verpfändet wird) (lit. d)), sowie Vollmachten auf den Todesfall (auch nach diesem Ereignis) (lit. e)) genannt. Darüber hinaus bestehen, wie nach bisheriger Fassung des AEAO, bei der Legitimationsprüfung von Vertretern Erleichterungen (Ziff. 11.1 lit. h)–k) AEAO). So kann bei der Vertretung juristischer Personen des öffentlichen Rechts (einschließlich Eigenbetriebe), bei der Vertretung von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen, bei den als Vertretern eingetragenen Personen, die in öffentlichen Registern (Handelsregister, Vereinsregister) eingetragene Firmen oder Personen vertreten, sowie bei der Vertretung von Unternehmen, sofern mindestens fünf verfügungsberechtigte Personen gegeben sind, die in öffentliche Register eingetragen sind bzw. bei denen eine Legitimationsprüfung stattgefunden hat, auf eine Identifizierung verzichtet werden. Vom öffentlichen Register i.S.v. Ziff. 11.1 lit. j) AEAO sind auch ausländische Register bzw. Verzeichnisse erfasst, die eine dem inländischen Handelsregister ähnliche Zweckbestimmung aufweisen, so dass auch bei in öffentlichen Registern eingetragenen Vertreter ausländischer Unternehmen oder Personen auf eine Legitimationsprüfung verzichtet werden kann4. Ein Ausnahme gilt allerdings dann, wenn das ausländische Unternehmen nicht im ausländischen Register eingetragen ist oder das Register nicht die Vertretungsberechtigten ausweist, was dazu führt, dass die kontoeröffnende Bank sich die Unterschrift und die Legitimation des ausländischen Vertreters über eine Korrespondenzbank oder von einer öffentlichen Stelle im Land des Vertreters bestätigen lassen muss5.
3.917
Derartige Erleichterungen bestehen auch für die Identifzierung des seit Inkraftreten des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes ebenfalls zu prüfenden wirtschaftlich Berechtig1 2 3 4 5
Vgl. Ziff. 7.2 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017. Vgl. Ziff. 7.1.2 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017. BT-Drucks. 18/12127, 54. Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 31 Rz. 29. Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 31 Rz. 29.
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Kontobeziehung | Teil 3
ten. So kann gem. Ziff. 11.2 Satz 1 AEAO auf die Identifizierung verzichtet werden, wenn (i) der wirtschaftlich Berechtigte zugleich Verfügungsberechtigter ist und für ihn nach Nr. 11.1 Satz 1 AEAO auf eine Legitimationsprüfung verzichtet wird, (ii) nach dem GwG auf die Erfassung und Aufzeichnung des wirtschaftlich Berechtigten verzichtet werden darf (z.B. Mietkautionskonten auf den Namen des Vermieters, Anderkonten von Berufsträgern, sonstige Konten mit geringem Risiko des Missbrauchs) sowie (iii) im Falle der Wohnungseigentümer hinsichtlich des Kontos der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die steuerrechtliche Identifizierungspflicht ist grundsätzlich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfüllen. Ausweislich § 154 Abs. 2 AO hat der Verpflichtete sich vor der Führung eines Kontos Gewissheit über Namen und Anschrift zu verschaffen. Die Identifizierung ist somit vor Beginn der Geschäftsbeziehung vorzunehmen. Dies wird regelmäßig mit dem Zeitpunkt der Errichtung des Kontos einhergehen. Die Legitimationsprüfung muss zudem bei der Übernahme eines Kontos von einer anderen Bank durchgeführt werden, wobei eine Ausnahme greift, wenn bei derselben kontoführenden Stelle der Bank bereits ein anderes Konto besteht, so dass die Person und die Anschrift des Verfügungsberechtigten zur Gewissheit bekannt sind1. Nicht ausgeschlossen wird durch § 154 AO, dass ein Konto schon vor Abschluss der Legitimationsprüfung errichtet wird, allerdings muss diese unverzüglich nachgeholt werden und abgeschlossen sein, bevor Verfügungen über das Konto zugelassen werden; im Zweifel ist von der kontoführenden Bank ein entsprechender Sperrvermerk anzubringen2. Neu eingeführt worden ist durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzt eine Aktualisierungspflicht in § 154 Abs. 2 Satz 4 AO. Danach ist die Geschäftsbeziehung kontinuierlich zu überwachen und die betreffend Verfügungsberechtigten und wirtschaftliche Berechtigten zu erhebenden Daten sind in angemessenem zeitlichem Abstand zu aktualisieren. Dies betrifft den Namen und die Anschrift. Damit ist vom Gesetzgeber eine Angleichung an die Pflichten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 GwG hergestellt worden3.
3.918
(3) Aufzeichnungspflicht und Auskunftsbereitschaft In Bezug auf die erhobenen Angaben im Rahmen der Identifizierung unterliegt die Bank einer Aufzeichnungspflicht. Gemäß § 154 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO sind die Angaben zum Verfügungsberechtigten und wirtschaftlich Berechtigten in geeigneter Form, bei Konten auf dem Konto, festzuhalten. Dabei ist zu beachten, dass es unzulässig ist, Name und Anschrift des Verfügungsberechtigten lediglich in einer vertraulichen Liste zu führen und das eigentliche Konto nur mit einer Nummer zu kennzeichnen; die Führung sog. Nummernkonten ist folglich verboten4. Nach bisheriger Rechtslage vor Inkrafttreten des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes war anerkannt, dass die Angaben auf dem Kontostammblatt vorgenommen werden können. Dies brachte Nr. 5 des AEAO a.F. zum Ausdruck. Da sich am Erfordernis des Festhaltens auf dem Konto durch das Inkrafttreten des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes nichts geändert hat5, ist von einer Fortgeltung dieser Maßgabe auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der neuen Fassung des AEAO vom 11.12.2017 auszugehen. Im Falle der EDV-mäßigen Bearbeitung einer Kontoeröffnung durch die kontoführende Bank ist dieser Anforderung genügt, wenn auf dem Kontoeröffnungsantrag le1 Hoffmann/Hoffmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/37f; Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 31 Rz. 6. 2 Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 31 Rz. 8. 3 Vgl. BT-Drucks. 18/12127, 53 noch bezugnehmend auf § 3 Abs. 1 Nr. 4 GwG a.F. 4 Vgl. Ziff. 8.1 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017. 5 BT-Drucks. 18/11132, 29.
Kropf | 413
3.919
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
diglich der Name vermerkt wird und die weiteren Identifikationsmerkmale in einer Datenbank gespeichert werden, welche eine jederzeitige Abrufbarkeit gewährleistet1.
3.920
Schließlich hat die kontoführende Bank gem. § 154 Abs. 2 Satz 3 AO ihre Auskunftbereitschaft sicherzustellen. Sie ist verpflichtet, den Finanzbehörden jederzeit Auskunft darüber geben zu können, über welche Konten oder Schließfächer eine Person verfügungsberechtigt ist oder welche Wertsachen eine Person zur Verwahrung gegeben oder als Pfand überlassen hat. Die Bank als Verpflichtete i.S.v. § 154 AO muss daher ein Verzeichnis der Verfügungsberechtigten und der wirtschaftlich Berechtigten führen, um jederzeit über die Konten und Schließfächer eines Verfügungsberechtigten oder eines wirtschaftlich Berechtigten Auskunft geben zu können2. Die Sicherstellung der Auskunftsbereitschaft ist auch dann gewahrt, wenn aufgrund eines bereits bestehenden Kontos bei derselben kontoführenden Bank auf eine Legitimationsprüfung bei Kontoeröffnung verzichtet wurde, aber auf dem neuen Konto bzw. auf den betreffenden Unterlagen ein Hinweis auf das erste Konto angebracht wird3. Eine Ausnahme von der Pflicht zur Sicherstellung der Auskunftsbereitschaft besteht für die Fälle der erleichterten Identifizierungsprüfung nach Ziff. 11.1 und Ziff. 11.2 AEAO. In Bezug auf die Auskunftsbereitschaft ist im Übrigen von Bedeutung, dass die kontoführende Bank einer Aufbewahrungspflicht unterliegt. Die Verpflichtung zur Herstellung der Auskunftsbereitschaft besteht gem. § 147 Abs. 3 AO noch sechs Jahre nach Beendigung der Geschäftsbeziehung sowie bei Bevollmächtigten sechs Jahre nach Erlöschen der Vollmacht, wobei diese Frist mit Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem die Geschäftsbeziehung beendet wurde oder die Vollmacht erloschen ist4. (4) Rechtsfolgen eines Verstoßes
3.921
Bei einem Verstoß gegen den Grundsatz der formalen Kontowahrheit gem. § 154 Abs. 1 AO, darf das Kontoguthaben gem. § 154 Abs. 3 AO nur mit Zustimmung des für die Einkommen- und Körperschaftsteuer des Verfügungsberechtigten zuständigen Finanzamts herausgegeben werden. Der Verstoß führt somit zu einer Kontosperre. Wird dieser Kontosperre vorsätzlich oder grob fahrlässig zuwidergehandelt, haftet derjenige nach Maßgabe des § 72 AO. Zudem handelt es sich bei einem vorsätzlichen oder leichtfertigen Verstoß gegen die Pflichten aus § 154 Abs. 1–2c) AO gem. § 379 Abs. 2 Nr. 2 AO um eine Ordnungswidrigkeit. Für Banken ist insoweit bedeutend, dass der Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 379 Abs. 2 Nr. 2 AO durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz erweitert worden ist. Bisher stellte nur ein Verstoß gegen die Pflicht zur Kontowahrheit nach § 154 Abs. 1 AO eine Ordnungswidrigkeit dar, wobei es sich nur um eine Pflicht handelte, die sich nicht an die kontoführende Bank richtete. Nunmehr sind auch die vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung der den Banken obliegenden Pflichten nach § 154 Abs. 2–2c) AO erfasst. bb) Geldwäschegesetz
3.922
Neben der steuerlichen Legitimationsprüfung nach § 154 AO bestehen unabhängig davon weitere Identifizierungspflichten nach den Vorgaben des GwG. Dass beide Regelungen mit unterschiedlichen Schutzzwecken nebeneinander stehen ist durch das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften ver1 2 3 4
Hoffmann/Hoffmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/37d. Vgl. Ziff. 9.1 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017. Hoffmann/Hoffmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/37e. Vgl. Ziff. Nr. 9.1 AEAO zu § 154 AO v. 11.12.2017.
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Kontobeziehung | Teil 3
deutlicht worden, durch das § 154 AO im Jahr 2017 neu gefasst wurde1. Verpflichtet zur Identifizierung sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GwG u.a. auch Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG. Als allgemeine Sorgfaltspflicht gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG hat die kontoführende Bank die Identifizierung des Vertragspartners und gegebenenfalls der für ihn auftretenden Person sowie die Prüfung, ob die für den Vertragspartner auftretende Person hierzu berechtigt ist, vorzunehmen. Darüber hinaus besteht gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 GwG die Pflicht zur Abklärung, ob der Vertragspartner für einen wirtschaftlich Berechtigten handelt, und, soweit dies der Fall ist, die Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten, wobei dies in Fällen, in denen der Vertragspartner keine natürliche Person ist, die Pflicht, die Eigentums- und Kontrollstruktur des Vertragspartners mit angemessenen Mitteln in Erfahrung zu bringen, umfasst. Die Identifizierung i.S.d. GwG besteht zum einen aus der Feststellung der Identität durch Erheben von Angaben und zum anderen aus der Überprüfung der Identität. Diese allgemeinen Sorgfaltspflichten sind in den Fällen des § 10 Abs. 3 GwG zu erfüllen. Für den Kontobereich ist vor allem Nr. 1 von Relevanz, mithin die Erfüllung der Pflichten bei der Begründung einer Geschäftsbeziehung. Gemäß der Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 4 GwG ist unter einer Geschäftsbeziehung i.S.d. GwG jede Beziehung zu verstehen, die unmittelbar in Verbindung mit den gewerblichen oder beruflichen Aktivitäten der Verpflichteten steht und bei der beim Zustandekommen des Kontakts davon ausgegangen wird, dass sie von gewisser Dauer sein wird. Vertragliche Beziehungen, die keinen Bezug zu den geschäftstypischen Aufgaben oder Leistungen des Verpflichteten aufweisen oder die allein der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, unterfallen nicht einer Geschäftsbeziehung2. Hauptanwendungsfall ist die Kontoeröffnung i.S.v. § 154 AO. Kann eine Bank ihre nachfolgend dargestellten Sorgfaltspflichten zur Identifizierung des Vertragspartners, ggf. der für diese auftretenden Personen, sowie des wirtschaftliche Berechtigten tatsächlich oder rechtlich nicht durchführen, besteht eine Beendigungsverpflichtung gem. § 10 Abs. 9 GwG. Ist somit die Bank nicht in der Lage, die allgemeinen Sorgfaltspflichten zu erfüllen, so darf die Geschäftsbeziehung nicht begründet oder nicht fortgesetzt werden und es darf keine Transaktion durchgeführt werden. Soweit eine Geschäftsbeziehung bereits besteht, ist sie ungeachtet anderer gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen durch Kündigung oder auf andere Weise zu beenden. Diese Verpflichtung besteht hingegen nicht, wenn die nach § 154 Abs. 2a AO in Bezug auf jeden wirtschaftlich Berechtigten i.S.d. GWG zu erhebenden Angaben nicht erhoben werden können, da es sich dabei um steuerrechtlich geforderte Angaben aus einem im Verhältnis zum Geldwäscherecht unterschiedlichen Regelungskreis handelt3. Eine Bank als nach dem GwG Verpflichtete kann sich hingegen nicht auf § 10 Abs. 9 GwG berufen, wenn die Nichtdurchführbarkeit der Identifizierung auf Umständen basiert, welche aus ihrer Sphäre stammen4. Bei der Ausübung dieser Verpflichtung ist allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die Verpflichtung kann daher entfallen kann, wenn nach Abwägung des wirtschaftlichen Interesses der Bank an der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit dem Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsrisiko des jeweiligen Vertragspartners und der jeweiligen Transaktion eine Beendigung unangemessen wäre, wobei zu beachten 1 Hoffmann/Hoffmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/34. 2 BT-Drucks. 16/9038, 29. 3 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 57. 4 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 57.
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3.923
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ist, dass die Verpflichtung zur Kündigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung jedoch auch in diesen Fällen eintritt, wenn die Sorgfaltspflichtverletzungen nachhaltig und andauernd sind1. Wird unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von einer Beendigung der Geschäftsbeziehung abgesehen, so ist diese Entscheidung, welche der schriftlichen Zustimmung eines Mitglieds der Leitungsebene der Bank bedarf, individuell zu begründen sowie zu dokumentieren2. (1) Identifizierung des Vertragspartners
3.924
Vertragspartner der zur Identifizierung verpflichteten Bank ist jede natürliche oder juristische Person, mit der eine Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 3 GwG geschlossen wird3. Zugrunde zu legen ist diesbezüglich ein zivilrechtliches Verständnis, so dass es maßgeblich auf die Vertragsbeziehung, welche der Geschäftsverbindung mit der Bank zugrunde liegt, ankommt. Beispielhaft ist somit im Kontobereich der Vertragspartner des Konto- bzw. Zahlungsdiensterahmenvertrags zu identifizieren. Kein Vertragspartner in diesem Sinne ist bspw. der Empfänger einer Überweisung oder ein Verfügungsberechtigter, welcher nicht selbst Vertragspartner ist4. Überdies sind gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 GwG für den Vertragspartner „auftretende Personen“ im Falle der Begründung einer Geschäftsbeziehung für den Vertragspartner zu identifizieren, unabhängig davon, ob diese als rechtsgeschäftlicher Vertreter oder als Bote des Vertragspartners auftreten5. Eine auftretende Person ist diejenige Person, welche vorgibt, im Namen des Vertragspartners zu handeln, wobei dies keine körperliche Anwesenheit vor Ort voraussetzt6. Als auftretende Personen, die einer Identifizierungspflicht unterliegen, werden von der BaFin insbesondere rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter im Fall der Begründung einer Geschäftsbeziehung für den Vertretenen, gesetzliche Vertreter im Falle der Begründung einer Geschäftsbeziehung für den Vertretenen (bspw. Organmitglieder, Eltern, Vormund, Betreuer) sowie Boten angesehen7. Im Gegensatz dazu besteht keine Identifizierungspflicht nach dem GwG bei Vertretern und Boten, die für einen Kunden auf dessen Konto bei der kontoführenden Bank Geld einzahlen oder überweisen, weil es sich in diesen Fällen nach Ansicht der BaFin um eine Transaktion innerhalb einer bestehenden Geschäftsverbindung handele, bei welcher vielmehr die Vollmacht/Beauftragung zu überprüfen ist8.
3.925
Der Umfang der Identifizierungspflicht des Vertragspartners und einer für ihn auftretenden Personen ergibt sich aus § 11 Abs. 4 GwG. Danach sind bei natürlichen Personen von der Bank Vorname und Nachname, Geburtsort, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und eine Wohnanschrift oder, sofern kein fester Wohnsitz mit rechtmäßigem Aufenthalt in 1 BT-Drucks. 16/9038, 36; BT-Drucks. 18/11555, 117. 2 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 58. 3 BT-Drucks. 16/9038, 33. 4 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 32. 5 DK-Hinweise zur Umsetzung des Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (Stand: 20.11.2017), S. 2. 6 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 32. 7 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 32. 8 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 32 f.
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der Europäischen Union besteht und die Überprüfung der Identität im Rahmen des Abschlusses eines Basiskontovertrags i.S.v. § 38 ZKG erfolgt, die postalische Anschrift, unter der der Vertragspartner sowie die gegenüber dem Verpflichteten auftretende Person erreichbar ist, als Daten zu erfassen. Dabei ist es für die Identitätsfeststellung grundsätzlich ausreichend, dass die Angaben aus den verwendeten Legitimationsdokumenten übernommen werden, wobei die Art der Erfassung freigestellt ist, so dass Kopien oder eine elektronische bzw. schriftliche Erfassung in Betracht kommt Als Bestandteil der Aufzeichnungspflichten nach § 8 GwG sind bei normalem Risiko zur Erfüllung der Pflicht zur Erhebung von Angaben und Einholung von Informationen über Vertragspartner, gegebenenfalls über die für die Vertragspartner auftretenden Personen und wirtschaftlich Berechtigten, von der Bank auch die Art, die Nummer und die Behörde, die ein von einer zu identifizierenden natürlichen Person zur Überprüfung ihrer Identität vorgelegtes Dokument ausgestellt hat, aufzuzeichnen, § 8 Abs. 2 Satz 1 GwG.In diesen Fällen sowie bei Vorlage von Unterlagen zur Überprüfung der Identität einer juristischen Person haben die Banken gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 GwG das Recht und die Pflicht, vollständige Kopien dieser Dokumente oder Unterlagen anzufertigen oder sie vollständig optisch digitalisiert zu erfassen. Die Vollständigkeit von Kopien/Scans ist gegeben, wenn diejenigen Seiten der zur Identifizierung vorgelegten Dokumente, die identifizierungsrelevante Angaben enthalten, vollständig kopiert/gescannt werden. Vollständig zu kopieren sind somit z.B. bei einem Personalausweis Vorder- und Rückseite und bei einem Reisepass die Integrierte Personaldaten-Karte, wobei das Lichtbild sowie sämtliche Angaben gut erkennbar sein müssen1. Bei einer juristischen Person oder Personengesellschaft sind gem. § 11 Abs. 4 Nr. 2 GwG als Angaben die Firma, der Name oder eine Bezeichnung, die Rechtsform, eine (etwaig vorhandene) Registernummer, die Anschrift des Sitzes oder der Hauptniederlassung und die Namen der Mitglieder des Vertretungsorgans oder der gesetzlichen Vertreter zu dokumentieren. Handelt es sich beim Mitglied des Vertretungsorgans oder beim gesetzlichen Vertreter um eine juristische Person, sind von dieser wiederum die vorgenannten Daten zu erheben. Die Art und Weise der Erhebung von Angaben juristischer Personen und Personengesellschaft ist grundsätzlich freigestellt, so dass insbesondere die Erstellung von Kopien der Registerunterlagen bzw. eine elektronische oder schriftliche Erhebung möglich sind2. Für die in der Praxis im Rahmen der Kontoführung besonders relevanten Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) sowie Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) gelten insoweit Besonderheiten, als dass die Identifizierung der GbR anhand des Gesellschaftsvertrags erfolgen kann und bei fehlendem erhöhten Risiko eine Identifizierung der hinsichtlich der Geschäftsverbindung verfügungsberechtigten Personen genügt sowie eine Erfassung sämtlicher Mitglieder nicht erforderlich ist, während bei einer WEG diese anhand eines Protokolls der Eigentümerversammlung identifiziert werden kann und im Übrigen für die weitere Identifizierung und Erfassung die vorgenannten Grundsätze der GbR gelten3. Zur Regelung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 GwG a.F. entsprach es der Auffassung des Gesetzgebers, dass es, wenn es sich beim Vertragspartner um ein Unternehmen handelt, unabhängig von dessen Rechtsform für die Feststellung der Identität bei der Vertretung von Unternehmen entsprechend des AEAO ausreicht, wenn lediglich Angaben zu fünf Vertretern erhoben werden, soweit diese in öffentliche Register eingetragen sind 1 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 33. 2 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 37. 3 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 37.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
bzw. bei denen eine Legitimationsprüfung stattgefunden hat (vgl. Rz. 3.9161. Da die Regelung des § 11 Abs. 4 Nr. 2 GwG mit dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 Nr. 2 GwG a.F. übereinstimmt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese Erleichterung gem. Nr. 11.1 lit. k) AEAO auch nach der Gesetznovelle aufgrund der Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie fortbesteht. Da allerdings nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 GwG auch für den Vertragspartner auftretende Personen zu identifizieren sind, bedarf es insoweit noch einer Klärung durch das BMF bzw. die BaFin (vgl. Rz. 3.924).
3.926
Anhand welcher Dokumente und Unterlagen die Identifizierungspflicht seitens der Bank zu erfüllen ist, richtet sich nach § 12 Abs. 1 und 2 GwG. Für natürliche Personen gelten die Vorgaben des § 12 Abs. 1 GwG. Zu den in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG genannten Mitteln zur Überprüfung der Identität zählen auch ein inländischer oder nach ausländerrechtlichen Bestimmungen anerkannter oder zugelassener Pass, ein Personalausweis oder Pass- oder Ausweisersatz, wobei die Gültigkeit der Ausweisdokumente Voraussetzung für ihre Eignung im Rahmen der Überprüfung der Identität ist2. Der Führerschein ist hingegen zur Identifizierung nicht ausreichend3. Abgewichen werden kann von den gesetzlichen Vorgaben zu den Identifizierungsdokumenten bei der Kontoeröffnung auf Minderjährige, bei welchen grundsätzlich die Geburtsurkunde in Verbindung mit der Überprüfung der Identität des gesetzlichen Vertreters anhand eines Dokuments oder Nachweises gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–4 GwG ausreicht sowie bei der Identifizierung von Älteren bzw. in ihrer Beweglichkeit eingeschränkten Kunden, bei welchen risikobasiert auch abgelaufene Ausweispapiere herangezogen werden können und im Falle eines Betreuungsverhältnisse, bei welchen statt des Betreuten der Betreuer in Verbindung mit dem Betreuungsbeschluss identifiziert werden kann4. Die Überprüfung der Identität kann – neben den sonstigen in § 12 Abs. 1 GwG geregelten Fällen – gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 GwG auch anhand eines elektronischen Identitätsnachweises oder einer qualifizierten elektronischen Signatur sowie unter Einsatz des sog. Videoidentifizierungsverfahrens gem. den Anforderungen aus dem BaFin-Rundschreiben 3/2017 (GW) vom 10.4.2017 erfolgen. Im Falle der elektronischen Signatur ist zu beachten, dass die Validierung der Signatur und eine Referenzüberweisung erforderlich sind5. Unter einer Referenzüberweisung ist eine Transaktion zu verstehen, die unmittelbare von einem Zahlungskonto i.S.d. § 17 Abs. 17 ZAG erfolgt, das auf den Namen des Vertragspartners lautet und bei einem Verpflichteten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 3 GwG oder bei einem Kreditinstitut, das in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den EWR oder einem Drittstaat ansässig ist, in dem das Kreditinstitut Sorgfalts- und Aufbewahrungspflichten unterliegt, die den in der Richtlinie (EU) 2015/849 (Vierte Geldwäscherichtlinie) festgelegten Sorgfalts- und Aufbewahrungspflichten entsprechen und deren Einhaltung in einer mit Kapitel IV Abschnitt 2 der Vierten Geldwäscherichtlinie im Einklang stehenden Weise beaufsichtigt wird6. Die Identitätsprüfung bei juristischen Personen erfolgt gem. § 12 Abs. 2 GwG anhand eines Auszugs aus dem Handels- oder Genos1 2 3 4
BT-Drucks. 16/9038, 36 f. BT-Drucks. 18/11555, 118. Hoffmann/Hoffmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/66c. Auslegungs- und Anwendungshinweise der Deutschen Kreditwirtschaft zur Verhinderung der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und „sonstigen strafbaren Handlungen“ (Stand 1.2.2014), S. 14. 5 BT-Drucks. 18/11555, 118. 6 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 35.
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senschaftsregister bzw. einem vergleichbaren amtlichen Register oder anhand von Gründungsdokumenten bzw. von gleichwertigen beweiskräftigen Dokumenten oder schließlich einer eigenständigen dokumentierten Einsichtnahme des Verpflichteten in die Registeroder Verzeichnisdaten. In letztgenannter Variante der Identitätsprüfung muss sichergestellt werden, dass die Bank bzw. ihre Mitarbeiter die Einsichtnahme selbst vornehmen und entsprechend dokumentieren1. Die Dokumentation der Einsichtnahme kann anhand des Ausdrucks des elektronischen Auszugs als Nachweis über die erfolgte Einsichtnahme vorgenommen werden2. Neben dem im Gesetzestext ausdrücklich genannten Handelsoder Genossenschaftsregister kommen auch das Partnerschaftsregister, das Vereinsregister, die Stiftungsverzeichnisse sowie vergleichbare ausländische Register und Verzeichnisse in Betracht3. Bei ausländischen Registern ist vorab deren Gleichwertigkeit in Bezug auf das deutsche Register zu überprüfen, wobei im Sinne eines Stufenverhältnisses die Vorlage privatrechtlicher Dokumente nicht ausreicht, sofern zur Überprüfung auf ein gleichwertiges amtliches Register oder Verzeichnis zurückgegriffen werden kann4. Relevant ist in der Praxis schließlich der Zeitpunkt der Erfüllung der geldwäscherechtlichen Identifizierungspflichten. Im Kontoverkehr besteht eine Identifizierungspflicht des Vertragspartners und der für den Vertragspartner „auftretenden Person“ gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 GwG vor Begründung der Geschäftsbeziehung mit der Bank. Dabei kann als Faustformel der Grundsatz Anwendung finden, dass der Kundenannahmeprozess (Erfassung aller wesentlichen Daten, insbesondere Kundenidentifizierung) abgeschlossen sein muss, bevor der Vertragspartner eine Abverfügungsmöglichkeit (Barabhebungen, Überweisungen etc.) über das Konto erhält. Unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 GwG kann die Identifizierung auch noch während der Begründung der Geschäftsbeziehung abgeschlossen werden.
3.927
(2) Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten Neben der Identifizierung des Vertragspartners ist eine Bank gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 GwG dazu verpflichtet, das Bestehen eines wirtschaftlich Berechtigten des Vertragspartners festzustellen und sodann nach Maßgabe des § 11 Abs. 5 GwG zu identifizieren. Die Intention dieser Identifizierungspflicht besteht sowohl (allgemein) darin Strohmanngeschäften entgegenzuwirken und denjenigen „sichtbar“ zu machen, in dessen wirtschaftlichen und rechtlichen Interesse eine Transaktion erfolgt, als auch darin, zu verhindern, dass verschachtelte Konzernstrukturen genutzt werden, um sie für Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu missbrauchen und um Personen zu verschleiern, welche maßgeblichen Einfluss auf die Kundenbeziehung nehmen können5. Beim Begriff des wirtschaftlich Berechtigten ist grundsätzlich zu beachten, dass das GwG eine eigene (sui generis) Definition des wirtschaftlich Berechtigten aufweist, bei der es im Gegensatz zum Steuerrecht (insbesondere die Abgabenordnung) ausschließlich auf die im Hintergrund stehende (n) natürliche(n) Person(en) ankommt, während z.B. im Steuerrecht unmittelbar das direkte Steuersubjekt, mithin auch eine juristische Person/Gesellschaft, wirtschaftlich Berech1 BT-Drucks. 18/11555, 118. 2 Auslegungs- und Anwendungshinweise der Deutschen Kreditwirtschaft zur Verhinderung der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und „sonstigen strafbaren Handlungen“ (Stand 1.2.2014), S. 15. 3 BT-Drucks. 16/9038, 38. 4 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 38. 5 BT-Drucks. 16/9038, 30; BT-Drucks. 18/11555, 108.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
tigter ist, wohingegen beim GwG bei zwischengeschalteten juristischen Personen/Organisationen grundsätzlich durch diese hindurch auf die dahinter stehende natürliche Person gesehen werden muss1.
3.929
Für den Begriff des wirtschaftlich Berechtigten enthält § 3 GwG eine Legaldefinition. Gemäß Abs. 1 der Vorschrift handelt es sich dabei um die natürliche Person, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Vertragspartner letztlich steht, oder die natürliche Person, auf deren Veranlassung eine Transaktion letztlich durchgeführt oder eine Geschäftsbeziehung letztlich begründet wird. Grundsätzlich bedeutet das Abstellen auf die Begriffe „Kontrolle“ und „Veranlassung“, dass die natürliche Person erfasst werden soll, welche auf die Kundenbeziehung zur Bank bzw. auf Transaktionen tatsächlich maßgeblich Einfluss nehmen kann2. Nicht erfasst vom Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 GwG werden in der Regel juristische Personen des öffentlichen Rechts, da es bei diesen regelmäßig keine natürliche Personen gibt, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle juristische Personen des öffentlichen Rechts stehen und überdies aufgrund Amtsträgerschaft ein Handeln auf Veranlassung grundsätzlich nicht gegeben ist, mit der Folge, dass eine Identifizierung eines wirtschaftlich Berechtigten in diesen Fällen nicht erforderlich ist3. Die Begriffe der unmittelbaren und mittelbaren Kontrolle sind in § 3 Abs. 2 Satz 1 GwG näher definiert. Bei juristischen Personen außer rechtsfähigen Stiftungen und bei sonstigen Gesellschaften, die nicht an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 5 des WpHG notiert sind und keinen dem Gemeinschaftsrecht entsprechenden Transparenzanforderungen im Hinblick auf Stimmrechtsanteile oder gleichwertigen internationalen Standards unterliegen, zählt zu den wirtschaftlich Berechtigten jede natürliche Person, die unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 Prozent der Kapitalanteile hält, mehr als 25 Prozent der Stimmrechte kontrolliert oder auf vergleichbare Weise Kontrolle ausübt. Die Begriffe der Kontrolle und mittelbaren Kontrolle sind in § 3 Abs. 2 Satz 2, 3 GwG näher definiert. Die Bank ist gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 GwG insoweit verpflichtet, die Eigentums- und Kontrollstruktur des Vertragspartners mit angemessenen Mitteln in Erfahrung zu bringen und zu durchdringen. Dabei ist von Relevanz, dass gem. § 3 Abs. 2 GwG nicht nur die Kapitalanteile, sondern auch die jeweiligen Stimmrechte zu berücksichtigen sind, mit der Folge, dass eine ausschließliche Betrachtung von Kapitalanteilen nicht die gesetzlichen Pflichten erfüllt, so dass ein alleiniges Abstellen auf die Angaben zu den Kapitalanteilen eines Unternehmens im Handelsregister kein ausreichendes Bild über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 GwG liefern4. Bei rechtsfähigen Stiftungen und Rechtsgestaltungen, mit denen treuhänderisch Vermögen verwaltet oder verteilt oder Verwaltung oder Verteilung durch Dritte beauftragt wird, oder bei diesen vergleichbaren Rechtsformen enthält § 3 Abs. 3 GwG eine Sonderregelung.
3.930
Eine Besonderheit bei der Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten ergibt sich aus dem gesetzlichen Auffangtatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 4 GwG. Diese Vorschrift beinhaltet eine Pflicht zur Identifizierung eines fiktiven wirtschaftlich Berechtigten. Diese Pflicht 1 Auslegungs- und Anwendungshinweise der Deutschen Kreditwirtschaft zur Verhinderung der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und „sonstigen strafbaren Handlungen“ (Stand 1.2.2014), S. 19. 2 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 39. 3 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 39. 4 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 41.
420 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
besteht immer (erst) dann, wenn ein wirtschaftlich Berechtigter auch nach erfolgter umfassender Prüfung in Bezug auf Eigentum oder Kontrolle nicht ermittelt werden kann oder ein Fall vorliegt, in dem bereits aufgrund der Struktur des Vertragspartners kein wirtschaftlich Berechtigter vorhanden sein kann1. Kann somit nach umfassender Prüfung keine natürliche Person als wirtschaftlich Berechtigter festgestellt werden oder bestehen Zweifel daran, dass es sich bei einer als wirtschaftlich Berechtigter festgestellten Person um einen solchen handelt, gelten qua Fiktion die gesetzlichen Vertreter, geschäftsführenden Gesellschafter oder Partner als wirtschaftlich Berechtigter. Diese Pflicht zur Feststellung und Identifizierung des fiktiven wirtschaftliche Berechtigten besteht nicht für Rechtspersonen, die nicht unter die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 2 Satz 1 GwG und § 3 Abs. 3 Satz 1 GwG fallen, da für diese bereits keine Pflicht zur Prüfung des wirtschaftlich Berechtigten im Hinblick auf Kontrolle oder Eigentum besteht2. Soweit bei Bestandskunden der Bank bislang keine wirtschaftlich Berechtigten erfasst wurden, sind die fiktiven wirtschaftlich Berechtigten nachträglich zu erfassen3. Bei der Identitätsprüfung des wirtschaftlichen Berechtigten gelten gem. § 11 Abs. 5 GwG abweichende Vorgaben im Vergleich zum Vertragspartner (vgl. Rz. 3.925). Die Feststellung der Identität hat grundsätzlich anhand des Namens zu erfolgen, während weitere Identifizierungsmerkmale dann zu erheben sind, wenn dies in Ansehung des im Einzelfall bestehenden Risikos der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung angemessen ist. Die Bank muss somit den Nachnamen und mindestens einen Vornamen erheben, wohingegen weitere Identifizierungsmerkmale wie beispielsweise Anschrift, Geburtstag und Staatsangehörigkeit nur zu erheben sind, soweit dies mit Blick auf das im Einzelfall bestehende Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsrisiko angemessen ist4. Gemäß § 11 Abs. 5 Satz 3 GwG obliegt es der Bank sich durch risikoangemessene Maßnahmen zu vergewissern, dass die zur Identifizierung erhobenen Angaben zutreffend sind. Die Angemessenheit der Maßnahmen richtet sich, wie zuvor erwähnt, zunächst nach dem Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsrisiko der Geschäftsbeziehung bzw. Transaktion, wobei zu berücksichtigen, welche Erkenntnismöglichkeiten der Bank als Verpflichteter zur Klärung des Sachverhalts zur Verfügung stehen; es ist insoweit der Bank überlassen, ob sie für die Feststellung und Überprüfung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten öffentliche Aufzeichnungen nutzt, ihre Kunden um zweckdienliche Daten bittet oder die Informationen auf andere Art und Weise beschafft5. Eine Empfehlung zur Vorgehensweise bei der Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten, insbesondere die einzelnen Schritte bei der Prüfung der Eigentums- und Kontrollstrukturen, können den Auslegungs- und Anwendungshinweise der Deutschen Kreditwirtschaft zur Verhinderung der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und „sonstigen strafbaren Handlungen“entnommen werden. Praxisrelevante Erleichterungen bei der Identitätsfeststellung des wirtschaftlich Berechtigten ergeben sich bspw. für Anderkonten. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 GwG gelten vereinfachte Sorgfaltspflichten, soweit die Bank – unter Berücksichtigung der in den Anlagen 1 und 2 zum GwG genannten Risikofaktoren – feststellt, dass in bestimmten Bereichen, insbesondere im Hinblick auf Kunden, 1 DK-Hinweise zur Umsetzung des Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (Stand 20.11.2017), S. 1. 2 DK-Hinweise zur Umsetzung des Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (Stand 20.11.2017), S. 1 f. 3 BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gem. § 51 Abs. 8 GwG (Stand: Dezember 2018), S. 46. 4 BT-Drucks. 16/9038, 38. 5 BT-Drucks. 16/9038, 38.
Kropf | 421
3.931
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Transaktionen und Dienstleistungen oder Produkte, nur ein geringes Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung besteht. Hat die Bank ein solches geringeres Risiko nachvollziehbar feststellt hat, ist es daher im Rahmen der Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten von Anderkonten, die von Angehörigen rechtsberatender Berufe geführt werden, ausreichend, wenn sichergestellt ist, dass die Bank Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten (etwa in Form einer Liste) auf Nachfrage unverzüglich erhält1.
3.932
Für den Zeitpunkt der Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten gelten, da es sich ebenfalls um eine allgemeine Sorgfaltspflicht i.S.d. § 10 Abs. 1 GwG handelt, die Maßgaben zur Identifizierung des Vertragspartners. Im Kontoverkehr ist dies im Wesentlichen der gesetzliche Tatbestand des § 10 Abs. 3 Nr. 1 GwG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 GwG. Die Identifizierung hat somit auch beim wirtschaftlich Berechtigten grundsätzlich vor Begründung der Geschäftsbeziehung zu erfolgen. Hauptanwendungsfall ist folglich auch die Kontoeröffnung. (3) Ausnahmen von der Identifizierungspflicht
3.933
Nach § 11 Abs. 3 GwG kann unter gewissen Voraussetzungen von der Erfüllung der zuvor genannten Identifizierungspflichten abgesehen werden. Dies erfordert zum einen, dass die zu identifizierende Person bereits bei früherer Gelegenheit von der Bank im Rahmen der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten identifiziert worden ist und zum anderen, dass die Identifizierung aufgezeichnet worden ist. Nicht als Fall einer früheren Identifizierung ist allerdings die Legitimationsprüfung nach § 154 AO anzusehen. Da diese Prüfungen unabhängig voneinander bestehen und unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen, entbindet eine bereits durchgeführte steuerrechtliche Legitimationsprüfung nicht von einer Identifizierung nach dem GwG2. Wird seitens der Bank nach § 11 Abs. 3 Satz 1 GwG von einer erneuten Identifizierung abgesehen, so sind gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 GwG der Name des zu Identifizierenden und der Umstand, dass er bei früherer Gelegenheit identifiziert worden ist, aufzuzeichnen. Die Dauer und die Berechnung der Aufbewahrungsfrist bestimmen sich nach § 8 Abs. 4 GwG. Als Gegenausnahme ist allerdings zu beachten, dass gem. § 11 Abs. 3 Satz 2 GwG eine erneute Durchführung der Identifizierung zu erfolgen hat, wenn die Bank aufgrund der äußeren Umstände Zweifel hegen muss, ob die bei der früheren Identifizierung erhobenen Angaben weiterhin zutreffend sind. (4) Ermittlung des Geschäftszwecks
3.934
Als allgemeine Sorgfaltspflicht obliegt einer Bank gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 GwG überdies die Pflicht zur Einholung von Informationen über den Zweck und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung. Diese Pflicht gilt allerdings nur dann, wenn sich diese Informationen im Einzelfall nicht bereits zweifelsfrei aus der Geschäftsbeziehung ergeben. Die Abklärung des Hintergrunds der Geschäftsbeziehung ist nach Ansicht des Gesetzgebers Kernstück von unternehmensinternen Customer Due Diligence-Maßnahmen und soll die Bank als Verpflichtete besser in die Lage versetzen, ein Risikoprofil über ihre jeweiligen Vertragspartner zu entwickeln3. Bei Konten wird sich der Zweck der Geschäftsbeziehung regelmäßig bereits aus dem jeweiligen Kontoprodukt ergeben. Eine gesonderte Einholung 1 DK-Hinweise zur Umsetzung des Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (Stand 20.11.2017), S. 2; Auslegungs- und Anwendungshinweise der Deutschen Kreditwirtschaft zur Verhinderung der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und „sonstigen strafbaren Handlungen“ (Stand 1.2.2014), S. 43. 2 Hoffmann/Hoffmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/67. 3 BT-Drucks. 16/9038, 33.
422 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
von Informationen kann dann erforderlich sein, wenn sich der Zweck nicht unmittelbar selbst aus der Geschäftsbeziehung ergibt. So kann in der Praxis bspw. bei Geschäftsbeziehungen mit natürlichen Personen und nichtgeschäftlicher Nutzung grundsätzlich angenommen werden, dass der Zweck die allgemeine private Nutzung (Zahlungsverkehr etc.) ist, so dass grundsätzlich kein Bedarf nach weiteren Informationen besteht, solange die Ergebnisse der laufenden Überwachung keinen Anlass zum Zweifel geben1. (5) Verstoß gegen die Identifizierungspflicht Wenn die Bank vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG eine Identifizierung des Vertragspartners oder einer für den Vertragspartner auftretenden Person nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise vornimmt, oder entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 GwG nicht prüft, ob der Vertragspartner für einen wirtschaftlich Berechtigten handelt bzw. sie vorsätzlich oder entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 GwG den wirtschaftlich Berechtigten nicht identifiziert, so begeht sie eine Ordnungswidrigkeit nach § 56 GwG. Der Umfang des Bußgeldes richtet sich nach den Maßgaben des § 56 Abs. 2, 3 GwG. Eine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung der Bank nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Vorschriften des GwG kommt hingegen nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei den Vorschriften nicht um Schutzgesetze, da aus den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen sei, dass den Identifizierungspflichten des GwG nach dem Willen des Gesetzgebers zumindest auch die Funktion zukommen soll, die Vermögensinteressen der durch die Vortaten Geschädigten zu schützen2. Soweit die Identifizierungspflichten auch eine Sicherstellung der inkriminierten Gelder ermöglichen, kann nach Ansicht des BGH nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber neben der Abschöpfung der illegalen Gewinne auch den Schutz einzelner Geschädigter bezwecke3.
3.935
V. Vertretungs- und Verfügungsbefugnisse Dritter Im Regelfall stehen Inhaberschaft und Verfügungsbefugnis bei einem Bankkonto derselben Person zu. Es gibt allerdings auch viele praxisrelevante Konstellationen, in denen die Verfügungsbefugnis nicht bzw. nicht allein vom Kontoinhaber ausgeübt wird. Dies kann darauf beruhen, dass der Kontoinhaber ohne Vertretungsorgane im Rechts- und damit auch im Bankgeschäftsverkehr nicht handlungsfähig ist (organschaftliche Vertretungsmacht), dass bei natürlichen Personen als Kontoinhaber gesetzliche Beschränkungen bezüglich der Verfügungsbefugnis vorgehen sind (gesetzliche Vertretungsmacht) oder schließlich, dass der Kontoinhaber weiteren Personen per rechtsgeschäftlicher Erklärung die Berechtigung zur Verfügung über sein Konto eingeräumt hat (rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht). Nachfolgend werden diesbezüglich die praxisrelevantesten Fälle sowie rechtlichen Fragestellungen dargestellt.
3.936
1. Organschaftliche Vertretungsmacht Person(handels)gesellschaften, juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts als Kontoinhaber werden im Rechtverkehr und damit auch gegenüber der Bank grundsätz1 Auslegungs- und Anwendungshinweise der Deutschen Kreditwirtschaft zur Verhinderung der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und „sonstigen strafbaren Handlungen“ (Stand 1.2.2014), S. 17. 2 BGH v. 3.5.2008 – XI ZR 56/07, WM 2008, 1252. 3 BGH v. 3.5.2008 – XI ZR 56/07, WM 2008, 1252.
Kropf | 423
3.937
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
lich durch ihre jeweiligen Leitungsorgane vertreten. Dabei sind als Grundsätze für die organschaftliche Vertretung die folgenden Maßgaben in der Bankpraxis zu berücksichtigen.
3.938
Bei den Personen(handels)gesellschaften findet in Bezug auf die organschaftliche Vertretung der Grundsatz der Selbstorganschaft Anwendung. Mit anderen Worten ist es unzulässig, sämtliche Gesellschafter von der Vertretung auszuschließen und diese auf Dritte zu übertragen1. Es muss stets wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter für die Gesellschaft vertretungsberechtigt sein. Unberührt bleibt davon selbstverständlich die Möglichkeit, Nichtgesellschaftern Vollmachten zur rechtsgeschäftlichen Vertretung der Gesellschaft (auch gegenüber der Bank) einzuräumen. Die teilrechtsfähige GbR wird im Rechtsverkehr durch den oder die Geschäftsführer vertreten. Nach den Regelungen der §§ 709, 714 BGB besteht grundsätzlich eine Gesamtvertretung. Da die Regelungen der §§ 705 ff. BGB jedoch weitestgehend dispositiver Natur sind, können im Gesellschaftsvertrag auch einzelne Gesellschafter zum vertretungsberechtigten Geschäftsführer ernannt werden. Schwierigkeiten kann in der Praxis die Vertretungsberechtigung bei einer GbR insoweit bereiten, als dass eine Änderung der organschaftlichen Vertreter jederzeit ohne Eintragung in einem öffentlichen Register oder von Formvorgaben erfolgen kann. Bei der OHG und der KG gilt gem. § 125 Abs. 1 Halbs. 1, § 161 Abs. 2 HGB als Regelfall für die organschaftliche Vertretung die Einzelvertretungsberechtigung durch jeden Gesellschafter, wobei es sich bei der KG zwingend um einen Komplementär handeln muss (vgl. § 170 HGB). Alternativ kann auch eine Gesamtvertretung durch mehrere Gesellschafter bestimmt werden. Als Abwandlung der Gesamtvertretung kommt schließlich auch eine sog. unechte oder gemischte Gesamtvertretung i.S.v. § 125 Abs. 3 HGB in Betracht. Dabei handelt es sich um eine Gesamtvertretung von Gesellschaftern mit einem oder mehreren Prokuristen. Allerdings ist auch bei dieser Gestaltungsmöglichkeit der Grundsatz der Selbstorganschaft als Grenze zu berücksichtigen. Demnach ist darauf zu achten, dass bei einer OHG oder KG gegenüber der Bank stets auch eine organschaftliche Vertretung ohne Prokuristen möglich sein muss, mithin durch einen oder mehrere vertretungsberechtigte Gesellschafter allein. Es ist hingegen unzulässig, alle oder den einzigen vertretungsberechtigten Gesellschafter an die Mitwirkung eines Prokuristen zu binden2. Der Umfang der organschaftlichen Vertretungsmacht ist bei der OHG und der KG im Verhältnis zu Dritten, mithin auch der kontoführenden Bank, gem. § 126 HGB unbeschränkbar.
3.939
Für Kapitalgesellschaften ist die organschaftliche Vertretung gesetzlich weitestgehend identisch geregelt. Bei einer GmbH hat bei nur einem bestellten Geschäftsführer dieser Einzelvertretungsberechtigung, im Falle mehrerer Geschäftsführer sieht das gesetzliche Grundmodell in § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eine Gesamtvertretung vor. Von diesem Grundsatz lässt das Gesetz ausdrücklich Abweichungen zu, die jedoch im Gesellschaftsvertrag geregelt sein müssen. Auch bei der GmbH besteht analog § 135 Abs. 3 HGB die Möglichkeit einer unechten Gesamtvertretung mit einem Prokuristen3. Allerdings gilt hier ebenfalls die zuvor genannte Grenze, dass die unechte Gesamtvertretung unzulässig ist, wenn die Gesellschaft nur einen, nicht wenigstens auch alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer hat4. Es muss folglich eine Vertretung allein durch den oder die Geschäftsführer vorgesehen sein. 1 BGH v. 20.5.2016 – V ZB 142/15, WM 2016, 1973; BGH v. 5.10.1981 – II ZR 203/80, ZIP 1982, 578. 2 BGH v. 3.2.1958 – II ZR 210/56, NJW 1958, 668. 3 Oetker in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016, § 35 GmbHG Rz. 59. 4 OLG München v. 25.7.2017 – 31 Wx 194/17, ZIP 2017, 1855.
424 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
Im Übrigen ist auch die organschaftliche Vertretungsmacht des GmbH-Geschäftsführers gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG gegenüber einer Bank unbeschränkbar. Dem entsprechen die Regelungen zur Vertretung einer AG. Vertretungsorgan der AG ist der Vorstand gem. § 78 AktG. Der Alleinvorstand hat Alleinvertretungsberechtigung, während der gesetzliche Regelfall eines mehrköpfigen Vorstands die Gesamtvertretung ist. Eine davon abweichende Satzungsregelung ist gem. § 78 Abs. 2 Satz 1 AktG ausdrücklich zugelassen. Bei der unechten Gesamtvertretung gem. § 78 Abs. 3 AktG muss ebenfalls eine organschaftliche Vertretung der AG allein durch Vorstandsmitglieder möglich sein. Schließlich ist auch der Umfang der organschaftlichen Vertretungsberechtigung des Vorstands gegenüber der Bank gem. § 82 AktG nicht beschränkbar. Die betreffend des Umfangs unbeschränkbare Vertretungsberechtigung der Leitungsorgane bei einer OHG, KG, GmbH und AG findet im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit einer Bank ihre Grenzen nach den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht. (vgl. Rz. 3.981 ff.).
3.940
Gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsleitungsorgane können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen1. Dies ergibt sich gesetzlich bereits bspw. aus § 125 Abs. 2 Satz 2, § 150 Abs. 2 Satz 1 HGB, § 78 Abs. 4, § 269 Abs. 4 AktG und § 25 Abs. 3 GenG. Diese Möglichkeit besteht grundsätzlich auch im Bankgeschäftsverkehr. Allerdings ist von Bankenseite zu beachten, dass diese Ermächtigung nicht unbeschränkt zulässig ist. Die Ermächtigung zur Alleinvertretung dient zwar zur Erleichterung des Rechtsverkehrs, jedoch wird die Gesamtvertretung zum Schutze der vertretenen Gesellschaft vor den Vertretern erteilt, so dass sie von diesen nicht selbst geändert werden kann. Ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer darf seine Vertretungsmacht daher nicht in vollem Umfang einem anderen Geschäftsführer übertragen oder diesen bevollmächtigen, ihn in seiner Eigenschaft als Mitgeschäftsführer allgemein zu vertreten2. Dies würde die die gesetzlichen Schranken durchbrechen und dem Sinn der Gesamtvertretung zuwiderlaufen3. Die Ermächtigung eines Gesamtvertreters zur Alleinvertretung darf auch nicht einen derartigen Umfang annehmen, dass sie tatsächlich auf eine allgemeine Ermächtigung hinausläuft. Eine Ermächtigung zur Alleinvertretung muss sich demnach auf einen bestimmten Kreis von Bankgeschäften beschränken und eine Allgemeinermächtigung, die etwa den gesamten Geschäftsverkehr eines Unternehmens mit der Bank erfasst, ist in der Regel nicht zulässig4.
3.941
Im Kontoverkehr wird in der Praxis die Angabe der Vertretungsberechtigten von Gesellschaften häufig über von der Bank vorgehaltene Formulare nebst sog. Unterschriftsprobenblätter erfolgen. Darin werden sämtliche für die jeweilige Gesellschaft bestellten Vertreter angegeben. Für die Bank kann dies mitunter in Bezug auf die bestehenden Vertretungsberechtigungen rechtliche Risiken minimieren. Die Einreichung eines solchen Vertretungsberechtigungsformulars ist als Mitteilung einer Bevollmächtigung i.S.v. § 171 BGB zu qualifizieren. Unter Rechtsscheingesichtspunkten kann die Bank somit gem. § 171 Abs. 2
3.942
1 BGH v. 12.12.1960 – II ZR 255/59, NJW 1961, 506; BGH v. 3.3.1975 – II ZR 80/73, NJW 1975, 1117; BGH v. 19.2.1982 – II ZR 53/81, WM 1982, 425. 2 BGH v. 31.3.1954 – II ZR 57/53, NJW 1954, 1158; BGH v. 12.12.1960 – II ZR 255/59, NJW 1961, 503. 3 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 98. 4 BGH v. 25.11.1985 – II ZR 115/85, AG 1986, 259 = WM 1986, 315.
Kropf | 425
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
BGB auf den Fortbestand der Vertretungsberechtigung vertrauen, bis ihr in gleicher Weise das Erlöschen angezeigt wurde. Diese Wirkung kommt dem Unterschriftenblatt auch in dem Fall zu, dass die Bestellung eines Prokuristen oder eines sonstigen Vertreters – auch soweit er Organ ist – unwirksam ist und infolge fehlender handelsregisterlicher Eintragung der Schutz des § 15 HGB nicht besteht1.
3.943
Im Kundensegment der öffentlichen Kunden sind in Bezug auf das Vertreterhandeln gewisse Besonderheiten in der Bankpraxis zu berücksichtigen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts werden, genauso wie juristische Personen des Privatrechts, im Rechtsverkehr von ihren gesetzlichen Vertretungsorganen vertreten. Welche Person dies im Einzelfall ist, bestimmt sich nach den einschlägigen Rechtsgrundlagen der jeweiligen juristischen Person2. Banken als Geschäftspartner von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich verpflichtet, sich über die Vertretungsmacht der im Geschäftsverkehr auftretenden Personen zu vergewissern, insbesondere, weil etwaige Mängel der Vertretungsmacht der zur Vertretung berufenen Organe nicht durch den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben geheilt werden können. So kann es vor allem bei Gebietskörperschaften auf den unterschiedlichen staatlichen Ebenen vorkommen, dass organisatorisch verselbstständigte Verwaltungseinrichtungen für diese im Rechtsverkehr handeln. Die Erklärungen werden dann im Regelfall gerade nicht vom gesetzlichen Vertretungsorgan des Rechtsträgers abgegeben, sondern von einem Mitarbeiter der handelnden staatlichen Stelle. Es ist stets darauf zu achten, dass eine Zurechnung der Erklärung zur vertretenen Gebietskörperschaft vorgenommen werden kann. Dies erfordert grundsätzlich einen Nachweis der Delegation der Vertretungsberechtigung des gesetzlichen Vertretungsorgans an einen rechtsgeschäftlichen Vertreter. Die lückenlose Vertretungsberechtigungskette kann mitunter in der Praxis Schwierigkeiten aufweisen. Bspw. wird jedoch bei der Verwendung eines Dienstsiegels durch den jeweils im Rechtsverkehr Handelnden von einer Verbindlichkeit und damit von einer Zurechenbarkeit der Erklärung zu dem dahinterstehenden Rechtsträger ausgegangen werden können. Das Siegel dient insoweit als Rechtsscheinträger. 2. Gesetzliche Vertretungsmacht
3.944
Bei der Führung von Konten für geschäftsunfähige oder beschränkt geschäftsfähige Kunden ergeben sich Rechtsfragen hinsichtlich der erforderlichen rechtsgeschäftlichen Vertretung des Kontoinhabers. Die jeweils kraft Gesetzes vertretungsberechtigten Personen sind in ihrer Vertretungsmacht vielfach, etwa durch das Erfordernis einer Genehmigung des Familiengerichtes, beschränkt. Der Umfang ihrer Vertretungsmacht hat daher insbesondere für die Fragen Bedeutung, ob der Abschluss eines Bankgeschäftes durch den gesetzlichen Vertreter rechtswirksam ist und ob die Bank durch Leistung an den Vertreter von ihrer Leistungspflicht frei wird. a) Minderjährige Kontoinhaber
3.945
Minderjährige Personen können aufgrund ihrer Rechtsfähigkeit ebenso wie Volljährige Inhaber eines Kontos sein. Sie bedürfen allerdings der Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters. Die gesetzliche Vertretung eines Minderjährigen obliegt im Regelfall den Eltern als 1 Roth/Stöhr in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/754. 2 Eine Übersicht zu den unterschiedlichen Kundengruppen findet sich bei Habl/Kropf in Hellner/ Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/687.
426 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
Teil der elterlichen Sorge gem. § 1626 Abs. 1 Satz 1, § 1629 Abs. 1 BGB. Die elterliche Sorge umfasst gem. § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB auch die Vermögenssorge des Kindes. Der Kontoverkehr im Rahmen der Geschäftsbeziehung mit einer Bank als Teil der Vermögenssorge ist somit ebenfalls von der gesetzlichen Vertretung durch die Eltern erfasst. Dabei ist zwischen minderjährigen Personen zu unterscheiden, welche das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben und damit gem. § 104 Nr. 1 BGB geschäftsunfähig sind sowie denjenigen, die das siebente Lebensjahr vollendet haben und folglich bereits gem. § 106 BGB beschränkte Geschäftsfähigkeit aufweisen. Die Willenserklärungen von geschäftsunfähigen Minderjährigen sind gem. § 105 BGB nichtig, so dass es stets im Verhältnis zur Bank der gesetzlichen Vertretung bedarf. Beschränkt Geschäftsfähige bedürfen gem. § 107 BGB zu Willenserklärungen, durch die sie nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen, der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Fehlt die erforderliche Einwilligung der Eltern als gesetzliche Vertreter, so ist das Rechtsgeschäft bis zu dessen Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter gem. § 108 BGB schwebend unwirksam. Die gesetzliche Vertretung wird von den Eltern gem. § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB gemeinschaftlich ausgeübt. Die Trennung oder die Scheidung der Eltern ändert grundsätzlich nicht die gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis. Unbenommen bleibt es den Eltern sich in Sorgeangelegenheiten auch gegenseitig zu bevollmächtigten oder zu ermächtigen, da der Gesamtvertretung auch genügt wird, wenn ein Elternteil allein auftritt, aber zugleich in Vertretung des anderen Elternteils handelt1. Somit bestehen grundsätzlich auch keine Bedenken, wenn ein Elternteil, für beide Eltern handelnd, als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen bei einer Kontoeröffnung auftritt, da diesem Handeln der rechtsgeschäftliche Wille zu entnehmen ist, gem. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB Willenserklärungen für den gesetzlich Vertretenen abzugeben2. Fehlt es allerdings an der vom allein auftretenden Elternteil behaupteten Bevollmächtigung des anderen Elternteils, finden die §§ 177 ff. BGB Anwendung3.
3.946
Die gesetzliche Vertretungsbefugnis der Eltern unterliegt jedoch gewissen Beschränkungen. Zum einen besteht ein Ausschluss der gesetzlichen Vertretungsmacht gem. § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB in den Fällen, welche in § 1795 BGB geregelt sind. Die Erteilung von Überweisungsaufträgen für das Konto des Minderjährigen oder Auszahlungen werden allerdings nicht von § 1795 Abs. 2, § 181 BGB erfasst, da es sich nicht um Insichgeschäfte der Eltern handelt, sondern die betreffenden Rechtsgeschäfte vielmehr zwischen dem Minderjährigen und der Bank geschlossen werden4. Zum anderen bedürfen die Eltern zu bestimmten Rechtsgeschäften des Minderjährigen nach Maßgabe des § 1643 Abs. 1 BGB einer Genehmigung des Familiengerichts. Dies ist in den gesetzlich geregelten Fällen des § 1821 BGB und nach § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB der Fall. Im Bereich des Kontogeschäfts ist letztendlich im Wesentlichen § 1822 Nr. 8 BGB von Relevanz. Danach bedarf die Aufnahme eines Kredites des Minderjährigen der familiengerichtlichen Genehmigung. Ohne Genehmigung des Familiengerichts muss die Kontoführung daher auf Guthabenbasis geführt werden. Die Anlage von Geld des Minderjährigen hat gem. § 1642 BGB nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zu erfolgen. Diese gesetzliche Vorgabe für die Vermögenssorge hat jedoch keine Rechtswirkungen im Außenverhältnis zur Bank, so dass ein Verstoß keine Auswirkungen auf die Rechtswirksamkeit
3.947
1 2 3 4
Götz in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 1629 BGB Rz. 5 f. OLG Saarbrücken v. 28.12.2007 – 4 U 8/07, NJW-RR 2008, 954. Götz in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 1629 BGB Rz. 5. BGH v. 15.3.2004 – XI ZR 220/03, WM 2004, 1543.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
des betreffenden Rechtgeschäfts hat. Verstoßen die Eltern als gesetzliche Vertreter im Einzelfall gegen ihre Pflicht aus § 1642 BGB, insbesondere, wenn das Geld des Kindes für persönliche Zwecke verbraucht wird, kommen Schadensersatzansprüche des Kindes nach Maßgabe des § 1664 BGB in Betracht, da die elterliche Vermögenssorge eine fremdnützige Verwaltung mit dem Ziel der Bewahrung des Kindesvermögens zum Nutzen des Kindes ist. Im Übrigen finden die für einen Vormund sowie einen Betreuer geltenden Vorgaben zur mündelsicheren Anlage nach § 1807 BGB auf die gesetzliche Vertretung der Eltern keine Anwendung. Keine gesetzlichen Beschränkungen bestehen jedoch für die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern bei der Erteilung von Überweisungsaufträgen vom Konto des Minderjährigen1.
3.948
Die Eröffnung eines Kontos ist selbst im Falle eines kostenlosen Kontomodells für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da er gegenüber der kontoführenden Bank rechtliche Verpflichtungen eingeht. Bereits durch die im Rahmen der Kontoeröffnung erfolgende Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben sich für den minderjährigen Kontoinhaber Pflichten und Obliegenheiten unterschiedlichster Art, die nicht lediglich rechtliche Vorteile mit sich bringen, so dass bei einer Kontoeröffnung auf einen Minderjährigen in jedem Falle die gesetzlichen Vertreter ihre Zustimmung erteilen müssen2.
3.949
Die zur Kontoeröffnung erteilte Zustimmung der gesetzlichen Vertreter bedeutet nicht ohne weiteres, dass der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige jegliche Kontoverfügung ohne deren Zustimmung vornehmen kann3. Vom Minderjährigen erteilte Zahlungsaufträge in Form von Überweisungen sind nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da die Bank einen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670, 675c Abs. 1 BGB erwirbt. Zahlungsaufträge sind als Weisungen unter dem Zahlungsdiensterahmenvertrag einseitige Rechtsgeschäfte, die gem. § 111 BGB ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters unwirksam sind. Ebenso wenig lediglich rechtlich vorteilhaft sind Bareinzahlungen des Minderjährigen auf sein Konto. Durch die Einzahlung verliert dieser das Eigentum am Bargeld, so dass es hierzu der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf4. Aufgrund der mit dem Einsatz einer ec-Karte verbundenen Möglichkeit der faktischen Krediteinräumung und diese zu Geldabhebungen sowie für Zahlungen an Point-of-Sale-Kassen eingesetzt werden können, bedarf deren Überlassung an einen minderjährigen Kontoinhaber der familiengerichtlichen Genehmigung5.
3.950
Besonderheiten sind überdies bei Auszahlungen vom Konto eines beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen zu beachten. Mit einer Auszahlung von einem kreditorisch geführten Girokonto handelt es sich um die Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs des Kontoinhabers nach § 700 Abs. 1 Satz 1, § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters kann die Bank jedoch diese Leistungspflicht mangels Empfangszuständigkeit des Minderjährigen gegenüber diesem nicht erfüllen. Der Schutzzweck der §§ 107 ff. BGB greift insoweit ein, als dass mit der Erfüllung ein rechtlicher Nachteil in Form des Erlöschens der Forderung verbunden ist, welcher auch auf die Annahme einer Leistung als 1 BGH v. 15.3.2004 – XI ZR 220/03, WM 2004, 1543. 2 Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 1. 3 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 41; Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 8. 4 Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 1. 5 Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 13.
428 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
Erfüllung zutrifft1. Außer Betracht zu bleiben hat dabei, dass der Minderjährige bei der Auszahlung auch etwas erlangt, was bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gleich- oder gar höherwertig ist, da § 107 BGB voraussetzt, dass der Minderjährige lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt2. Der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige kann jedoch im Kontoverkehr nach Maßgabe des § 113 BGB eine partielle Geschäftsfähigkeit erlangen. Danach ist der Minderjährige bei einer Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters in Dienst oder in Arbeit zu treten, für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen. Von dieser partiellen Geschäftsfähigkeit ist auch die Eröffnung von Lohn- und Gehaltskonten wegen der heute ganz allgemein üblichen bargeldlosen Lohnzahlung erfasst, da der Kontoeröffnungsvertrag eine mittelbare Verbindung zum Arbeitsverhältnis darstellt, die für den Anwendungsbereich des § 113 BGB ausreicht3. Ohne weitere Zustimmung des gesetzlichen Vertreters kann der Minderjährige von diesem Konto auch Barabhebungen vornehmen, soweit es sich um Verfügungen über sein vom Arbeitergeber dorthin überwiesenen Lohn handelt. Da für die kontoführende Bank eine entsprechende Kontrolle der Abhebungen nicht praktikabel ist, empfiehlt es sich für die Bank hierzu eine Einwilligungserklärung der gesetzlichen Vertreter einzuholen4. Nicht mehr gedeckt von der Ermächtigung nach § 113 BGB sind Überweisungsaufträge des Minderjährigen gegenüber der Bank, da es insoweit an der erforderlichen Verbindung zwischen Arbeitsverhältnis und Überweisung fehlt5. Die partielle Geschäftsfähigkeit führt überdies nicht dazu, dass der Minderjährige Geschäfte wirksam vornehmen kann, welche nach § 1822 BGB der Genehmigung des Familiengerichts bedürfen. Dies betrifft insbesondere die Einräumung eines Überziehungskredits auf dem Gehaltskonto des Minderjährigen, für welche dieser weiterhin sowohl der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters als auch der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.
3.951
Ferner kann sich eine beschränkte Verfügungsbefugnis über das Kontoguthaben für den Minderjährigen grundsätzlich auch über den sog. Taschengeldparagraphen des § 110 BGB ergeben. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift in der Regel nicht geeignet ist, in der täglichen Bankpraxis die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter für eine Kontoeröffnung und für Kontoverfügungen zu ersetzen, da einer Bank regelmäßig die Kenntnis darüber fehlen wird, ob die Mittel auf dem zu eröffnenden Konto zur freien Verfügung des Minderjährigen stehen; insbesondere kann aus den äußeren Umständen bei einer Kontoeröffnung oder Kontoverfügung nicht ohne weiteres auf eine freie Mittelüberlassung geschlossen werden6.
3.952
Von der Rechtsprechung anerkannt ist die grundsätzliche Zulässigkeit einer Generaleinwilligung zu einem Kreis von zunächst noch nicht individualisierten Geschäften, welche
3.953
1 BGH v. 21.4.2015 – XI ZR 234/14, WM 2015, 1329. 2 BGH v. 21.4.2015 – XI ZR 234/14, WM 2015, 1329. 3 Roth/Stöhr in Hellner/Steuer, Bankrecht und Banpraxis, Rz. 2/470a; Servatius in Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 41; Joeres in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 9; Ellenberger in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 113 BGB Rz. 4. 4 Roth/Stöhr in Hellner/Steuer, Bankrecht und Banpraxis, Rz. 2/470a. 5 Ellenberger in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 113 BGB Rz. 4; Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 9. 6 Roth/Stöhr in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/470b.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
allerdings im Interesse des Minderjährigenschutzes einer Konkretisierung bedarf und im Zweifel eng auszulegen ist1. In einer Verlautbarung vom 22.3.1995 zu „Bankgeschäften mit Minderjährigen“ hat Vorgängerinstitution der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BaKred), rechtliche Rahmenbedingungen gesetzt, wonach in Kontoeröffnungsverträgen keine pauschalen Formulierungen verwendet werden dürfen, die wegen der unüberschaubaren und uneingeschränkten Genehmigung von im Einzelnen unbekannten bzw. nicht bestimmbaren Verfügungen der gesetzlichen Wertentscheidung des Minderjährigenrechts widersprechen, wohingegen eine allgemeine Einwilligung zur Vornahme bestimmter Kontoverfügungen (z.B. Barzahlungen, Überweisungen, Daueraufträge) zulässig ist.Die banküblichen Formulare sehen eine entsprechende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vor, wonach es dem Minderjährigen gestattet ist, über das Konto bzw. über sein Kontoguthaben durch Barein und -auszahlungen sowie Überweisungen und Daueraufträge ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu verfügen2. Diese Verfügungsbefugnis ist jedoch jederzeit widerruflich mit der Folge, dass der Minderjährige sodann nicht mehr verfügungsbefugt ist. Eine derartig ausgestaltete Generalermächtigung für einen bestimmten Kreis von Rechtsgeschäften ist unproblematisch und daher wirksam3. b) Kontoinhaber unter Betreuung aa) Überblick
3.954
Für den Fall, dass eine volljährige Person auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, wird gem. § 1896 BGB vom Betreuungsgericht auf deren Antrag oder von Amts wegen für diese ein Betreuer bestellt. Die gesetzliche Regelung zur Anordnung einer Betreuung setzt somit keine Geschäftsunfähigkeit der betroffenen Person voraus. Bei einem Betreuten kann folglich trotz Bestellung eines Betreuers die volle Geschäftsfähigkeit weiterhin bestehen.
3.955
Die Anordnung einer Betreuung ist geprägt von dem in § 1896 Abs. 2 BGB niedergelegten Erforderlichkeitsgrundsatz. Es bedarf zum einen des Unvermögens der betroffenen Person ihre eigenen Angelegenheiten zu besorgen (subjektive Betreuungsbedürftigkeit) sowie zum anderen ein sich aus der jeweiligen Lebenssituation des Betroffenen ergebender konkreter Bedarf einer Betreuung (objektiver Handlungsbedarf)4. Im Bankverkehr hat insbesondere die in § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB enthaltene Einschränkung besondere Bedeutung. Danach darf kein Betreuer bestellt werden, wenn die betreffenden Angelegenheiten der Vermögenssorge ebenso gut durch einen Bevollmächtigten des Kontoinhabers besorgt werden können. In diesem Fall ist die Anordnung einer Betreuung nachrangig zu einer wirksam erteilten Vollmacht5. Gleichgültig ist dabei, ob es sich um eine Vollmacht für den Fürsorgefall handelt. Die Regelung der Angelegenheiten des Kontoinhabers kann im Rechtsverkehr regelmäßig dann nicht ebenso gut vom Bevollmächtigten besorgt werden, wenn die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr eingeschränkt ist, entweder, weil 1 Ellenberger in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 107 BGB Rz. 9 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 2 Vgl. Ziff. 3 Musterformular Eröffnung Konten für Minderjährige, abgedruckt in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/474. 3 Vgl. auch Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 7. 4 Schwab in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 1896 BGB Rz. 40. 5 BGH v. 7.8.2013 – XII ZB 671/12, NJW 2013, 3373.
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Kontobeziehung | Teil 3
Dritte die Vollmacht unter Berufung auf Bedenken gegen die Wirksamkeit zurückgewiesen haben oder weil entsprechendes konkret zu besorgen ist1. In der Bankpraxis stellt sich diese Problematik regelmäßig für Konto- oder Vorsorgevollmachten, welche der Kontoinhaber Dritten erteilt hat, an deren wirksamer Erteilung wegen möglicher Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers allerdings Zweifel bestehen. Im Rahmen des Kontoverkehrs ist die Anordnung einer Betreuung für den Kontoinhaber dann von Relevanz, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers entweder sämtliche Angelegenheiten des Betreuten oder dessen Vermögenssorge umfasst. Der Betreuer erhält über seine Bestellung vom Betreuungsgericht eine Bestellungsurkunde. Diese Urkunde hat u.a. gem. § 290 Satz 2 Nr. 3 FamFG auch den Aufgabenkreis des Betreuers anzugeben. Für Verfügungen über ein Konto des Betreuten hat sich der Betreuer gegenüber der Bank daher stets anhand seiner Bestellungsurkunde sowie seines Ausweises zu legitimieren. Allerdings ist zu beachten, dass die Bestellungsurkunde des Betreuers weder materiellrechtliche Wirkung noch einen irgendwie gearteten Rechtsschein entfaltet, so dass die kontoführende Bank das Risiko trägt, dass der Betreuer trotz Vorlage der Bestellungsurkunde im Zeitpunkt der Verfügung nicht mehr verfügungsbefugt war, da dessen Amt unabhängig von der Rückgabe der Urkunde endet2.
3.956
bb) Rechtsstellung des Betreuers Der Betreuer handelt in dem ihm vom Betreuungsgericht übertragenen Aufgabenkreis als gesetzlicher Vertreter des betreuten Kontoinhabers. Gemäß § 1902 BGB vertritt er diesen gerichtlich und außergerichtlich. In Bezug auf die Rechtsstellung des Betreuers unterscheidet das Gesetz zwischen befreiter und nicht befreiter Betreuung. Diese Unterscheidung ist von zentraler Bedeutung für die Dispositionsbefugnis des Betreuers gegenüber der kontoführenden Bank. Die gesetzlichen Vorgaben zum Betreuungsrecht verweisen insoweit aus § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB insbesondere auch in die für den Vormund geltenden Vorgaben der §§ 1806 ff. BGB für die Anlage von Mündelgeld und die Verfügung über Forderungen des Mündels. Diese Vorschriften gelten sinngemäß auch für die Betreuung eines Volljährigen.
3.957
Der nicht befreite Betreuer unterliegt den gesetzlichen Vorgaben der §§ 1806 ff. BGB in Bezug auf das Vermögen des Betreuten. Eine wesentliche Beschränkung des nicht befreiten Betreuers besteht in Bezug auf die Vermögensanlage. Nach § 1806 BGB hat er das zum Vermögen des Betreuten gehörende Geld verzinslich anzulegen. Grundsätzlich ist der numerus clausus von Anlagearten nach § 1807 BGB zu berücksichtigen. Zwecks Ermöglichung einer umfassenden Kontrolle der Vermögensanlage, hat der nicht befreite Betreuer sich gem. § 1810 BGB das betreffende Rechtsgeschäft als mündelsichere Vermögensanlage vom Familiengericht genehmigen zu lassen, um eine fehlerhafte Anwendung des § 1807 BGB zu vermeiden. Dabei handelt es sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift („soll“), so dass ein Verstoß gegen das Genehmigungserfordernis nicht zur Unwirksamkeit des Anlagegeschäfts führt. Ein zwingendes Genehmigungserfordernis durch das Familiengericht besteht gem. § 1811 BGB hingegen für nicht befreite Betreuer, wenn diese andere als mündelsichere Wertpapiere für den Betreuten erworben wollen. Das Betreuungsgericht hat andere als die in § 1807 BGB bestimmten Arten verzinslicher Anlagegeschäfte zu gestatten. Eine besondere Prüfungspflicht, ob der Betreuer die gesetzlichen Anlagevorschriften ein-
3.958
1 BGH v. 3.2.2016 – XII ZB 425/14, NJW 2016, 1514. 2 Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 23.
Kropf | 431
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
hält hat die Bank allerdings nicht, weil das Anlagegeschäft auch bei Fehlen der Erlaubnis nach § 1811 BGB wirksam ist1.
3.959
Für die Durchführung des Zahlungsverkehrs über ein laufendes Konto des Betreuten gilt jedoch seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts zum 1.9.2009 eine wichtige Erleichterung. Die in § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB enthaltene Genehmigungspflicht durch das Betreuungsgericht für Verfügungen von mehr als 3.000 € findet keine Anwendung auf Girokonten des Betreuten, sondern nur für Spareinlagen. Verfügungen über ein Girokonto durch den Betreuer sind daher, unabhängig vom Betrag, stets genehmigungsfrei. Vorhandene Guthaben sind folglich unabhängig von ihrer Höhe und ohne, dass es darauf ankommt, von wem das Geld auf das Konto eingezahlt wurde, genehmigungsfrei auszuzahlen2. Die Befreiung von der Genehmigungspflicht erfasst nach dem gesetzgeberischen Willen allerdings nicht nur die Auszahlung des Guthabens von einem Girokonto, sondern alle üblichen Nutzungen eines solchen Kontos, insbesondere die Überweisung von Geld, in der zugleich auch eine Annahme der von der Bank dem Betreuten geschuldeten Leistung i.S.v. § 1813 Abs. 1 Halbs. 1 BGB liegt3. Dementsprechend erscheint es überzeugend zu vertreten, dass der Betreuer auch mit der unmittelbaren Überweisung des Geldbetrags an einen Gläubiger des Betreuten eine Verfügung über dessen Forderung gegen die Bank vornimmt, in der eine Annahme i.S.d. Vorschrift zu sehen ist4. Umstritten ist für den verbleibenden Anwendungsbereich, ob es bezüglich dieses Betrages auf die einzelne Verfügung oder auf das vorhandene Kontoguthaben ankommt. Nach der wohl herrschenden Meinung ist nicht auf die Höhe der einzelnen Verfügung, sondern auf die Höhe des gesamten Anspruchs aus dem Kontoguthaben abzustellen5. Mit anderen Worten ist bei einer Verfügung des Betreuers über ein Sparkonto auf das jeweilige Guthaben abzustellen, so dass bei einem Kontostand von weniger als 3.000 € der Betreuer alleine verfügen kann und bei einem Guthaben von mehr als 3.000 € bei jeglicher Verfügung immer die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich ist.
3.960
Diese Einschränkungen der gesetzlichen Vertretung eines betreuten Kontoinhabers bestehen nicht für befreite Betreuer. Kraft Gesetzes sind gem. § 1908i Abs. 2 Satz 2 BGB befreite Betreuer zum einen der Vater, die Mutter, der Ehegatte, der Lebenspartner oder ein Abkömmling des betreuten Kontoinhabers. Zum anderen sind dies auch Vereinsbetreuer und der Behördenbetreuer sowie ein Verein als Betreuer. Im Rahmen der befreiten Betreuung gelten gem. §§ 1857a, 1852 Abs. 2 BGB weder die Beschränkungen bei der Anlage von Geld gem. §§ 1809, 1810 BGB noch die Genehmigungserfordernisse des § 1812 Abs. 1 BGB. Von besonderer Relevanz im Kontoverkehr ist somit, dass der befreite Betreuer auch keiner Genehmigung durch das Betreuungsgericht für Verfügungen von über 3.000 € bei Sparkonten bedarf.
3.961
In seinem Aufgabenkreis hat der Betreuer überdies die Befugnis vom Betreuten erteilte Vollmachten zu widerrufen. So können bei einer für den Bereich der Vermögenssorge an1 Schwab in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 1811 BGB Rz. 12; Joeres in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 31. 2 Götz in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 1813 BGB Rz. 4. 3 BT-Drucks. 16/10798, 24. 4 Götz in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 1813 BGB Rz. 4. 5 OLG Karlsruhe v. 27.10.2000 – 11 Wx 108/00, WM 2001, 1899; OLG Köln v. 20.3.1994 – 16 Wx 86/94, WM 1994, 1560; Götz in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 1813 BGB Rz. 3; Roth/Stöhr in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/454.
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Kontobeziehung | Teil 3
geordneten Betreuung vom Betreuer bestehende Bank- oder Kontovollmachten für das Konto des betreuten Kontoinhabers nach den allgemeinen Grundsätzen widerrufen werden1. Die Betreuung endet automatisch mit dem Tod der betreuten Person. Eine gerichtliche Entscheidung ist nicht erforderlich2. Nach § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1893 Abs. 1, § 1698b BGB besteht aber ein Notgeschäftsführungsrecht des Betreuers. Hiervon sind alle Bankgeschäfte erfasst, die unaufschiebbar sind, beispielsweise die Entgegennahme von Geldern und deren kurzfristige Anlage3. Dieses Notgeschäftsführungsrecht erlischt, sobald der Erbe anderweit Fürsorge treffen kann.
3.962
cc) Rechtsstellung des betreuten Kontoinhabers Durch die Anordnung einer Betreuung verliert der Kontoinhaber nicht seine Geschäftsfähigkeit. Er kann folglich grundsätzlich weiterhin umfassend über sein Konto verfügen. Dies hat zur Folge, dass es in der Praxis durchaus auch zu konkurrierenden bzw. widersprechenden Weisungen von Betreuer und Betreutem gegenüber der Bank kommen kann. Da die Vertretungsmacht des Betreuers nicht vom Betreuten abgeleitet ist, kann dieser als Kontoinhaber auch nicht die Weisung des Betreuers gegenüber der Bank widerrufen, jedoch ist aus § 1901 Abs. 2 BGB, wonach der Betreuer den Wünschen des Betreuten grundsätzlich zu entsprechen hat, abzuleiten, dass im Zweifel dem Willen des betreuten Kontoinhabers der Vorrang einzuräumen ist4.
3.963
Da allein mit der Anordnung einer Betreuung vom Betreuungsgericht keine Entscheidung über die Geschäftsfähigkeit getroffen ist, besteht für die Bank allerdings auch ein entsprechendes latentes Risiko. Es besteht mithin die Gefahr, dass der betreute Kontoinhaber unerkannt geschäftsunfähig ist und die von ihm im Zustand der Geschäftsunfähigkeit über sein Konto vorgenommenen Verfügungen somit unwirksam sind und von der Bank rückabzuwickeln wären. Den daraus entstehenden Schaden hätte letztendlich die Bank zu tragen. Zur Vermeidung dieses Risiko hilft es einer Bank nach Bekanntwerden einer Betreuung und bestehenden Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Kontoinhabers auch nicht weiter, vor Kontoverfügungen die Zustimmung des Betreuers einzuholen, da diese die Nichtigkeitsfolge des § 105 BGB nicht beseitigen kann.
3.964
Die Rechtsstellung des betreuten Kontoinhabers verändert sich allerdings dann, wenn vom Betreuungsgericht eine Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt des Betreuers gem. § 1903 BGB angeordnet worden ist. Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat zur Folge, dass der Kontoinhaber für Willenserklärungen gegenüber der Bank, die den Aufgabenkreis der Vermögenssorge betreffen, der Einwilligung, mithin der vorherigen Zustimmung, des Betreuers bedürfen. Ob ein Einwilligungsvorbehalt besteht, ergibt sich aus der Bestellungsurkunde des Betreuers, welche gem. § 290 Satz 2 Nr. 4 FamFG den Einwilligungsvorbehalt und die Bezeichnung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen ausweisen soll.
3.965
Durch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts erlangt der betreute Kontoinhaber in dessen Geltungsbereich eine vergleichbare Rechtsstellung wie ein beschränkt geschäfts-
3.966
1 2 3 4
Schwab in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 1896 BGB Rz. 53. Schwab in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 1908d BGB Rz. 2. Klüsener in Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2014, § 1893 BGB Rz. 3. Joeres in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 30 Rz. 22.
Kropf | 433
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
fähiger Minderjähriger1. Die insoweit angenäherte Rechtsstellung des Betreuten zeigt die in § 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene Verweisung auf eine entsprechende Geltung der §§ 108 bis 113, § 131 Abs. 2 BGB. Der Betreute unter Einwilligungsvorbehalt soll wie ein Minderjähriger davor geschützt werden, über sein Vermögen nicht interessengerecht zu verfügen und sich über seine Leistungsgrenze hinaus zu verschulden2. Ohne Zustimmung des Betreuers durch den betreuten Kontoinhaber im Kontoverkehr vorgenommene Geschäfte sind daher schwebend unwirksam (§ 108 BGB) oder nichtig (§ 111 BGB). Insbesondere verliert der Kontoinhaber bei einer Betreuung unter Einwilligungsvorbehalt, ebenso wie ein Minderjähriger, die Empfangszuständigkeit für Leistungen der Bank, so dass Barauszahlungen vom Konto an den Betreuten keine Erfüllungswirkung haben, wenn die Einwilligung vom Betreuer verweigert wird3. Der Bank verbleibt in diesem Falle nur die Geltendmachung bereicherungsrechtlicher Ansprüche in Bezug auf das vom Betreuten rechtsgrundlos erlangte Eigentum an den Geldscheinen. Im Übrigen besteht auch trotz Einwilligungsvorbehalt das Risiko der Geschäftsunfähigkeit des Kontoinhabers fort (vgl. Rz. 3.964). Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat keine Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit, mithin bleiben die § 104 Nr. 2, § 105 Abs. 1 BGB enthaltenen Regelungen maßgeblich, so dass die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen auch dann nichtig ist, wenn ein Einwilligungsvorbehalt besteht und der Betreuer in die Erklärung einwilligt4. 3. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht
3.967
Eine zugunsten eines Dritten bestehende Verfügungsmacht über ein Konto kann auch auf Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht bestehen. Gemäß der Legaldefinition in § 166 Abs. 1 BGB handelt es sich dabei um eine Vollmacht. Die Bevollmächtigung erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Kontoinhabers und bedarf keiner Annahme durch den Bevollmächtigten. Auch bei im Kontoverkehr erteilten Vollmachten ist bei der Erteilung zwischen Innenvollmachten (= gegenüber dem Bevollmächtigten) und Außenvollmachten (= gegenüber der Bank) zu unterscheiden. Diese Unterscheidung hat für den Fortbestand der Vollmacht wesentliche Bedeutung. Eine Außenvollmacht bleibt gem. § 170 BGB der Bank gegenüber bestehen, bis ihr deren Erlöschen angezeigt worden ist. Im Falle einer Innenvollmacht besteht diese bei Kundgebung der Vollmacht oder Aushändigung einer Vollmachtsurkunde solange fort, bis ein Widerruf in derselben Weise wie die Kundgebung erfolgt (§ 171 Abs. 2 BGB) bzw. die Vollmachtsurkunde an den Vollmachtgeber zurückgegeben oder diese für kraftlos erklärt worden ist (§ 172 Abs. 2 BGB). Die Vollmachtserteilung kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent seitens des Kontoinhabers vorgenommen werden. Die in der Bankpraxis häufig verwendeten Unterschriftenprobenblätter, in denen Dritte als für das Konto des Vollmachtgebers zeichnungsberechtigt angegeben werden, sind als kundgetane Innenvollmacht des Kontoinhabers auszulegen5. Vollmachten im Kontoverkehr unterscheiden sich sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Ausgestaltung hinsichtlich Zwecks und Inhalt. Neben der Konto- oder Bankvollmacht, die speziell eine Vertretungsberechtigung des Bevollmächtigten gegenüber der Bank für Konto- oder Bankgeschäfte beinhaltet, kann sich eine Vertre1 2 3 4 5
BT-Drucks. 11/4528, 138; BGH v. 21.4.2015 – XI ZR 234/14, WM 2015, 1329. BGH v. 21.4.2015 – XI ZR 234/14, WM 2015, 1329. BGH v. 21.4.2015 – XI ZR 234/14, WM 2015, 1329. Götz in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 1903 BGB Rz. 10. Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 85.
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Kontobeziehung | Teil 3
tungsberechtigung auch aus Vollmachten ergeben, die nicht ausschließlich für die Bankgeschäftsbeziehung des Vollmachtgebers vorgesehen sind, deren Umfang diese Geschäfte aber ebenfalls erfassen. a) Umfang, Nachweis und Bestand von Kontovollmachten Auch im Falle einer speziellen Kontovollmacht ist für das Bestehen von Verfügungsbefugnissen Dritter über ein Konto der Umfang der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht maßgeblich. Regelmäßig wird eine vom Kontoinhaber erteilte Kontovollmacht dem Bevollmächtigten die Berechtigung einräumen, über ein von ihm genanntes Konto Rechtsgeschäfte abzuwicklen. Sollte der Umfang der Kontovollmacht in Bezug auf die zulässigen Rechtsgeschäfte nicht weitreichend bzw. umfassend gefasst sein, ist im Einzelfall zu überprüfen, ob die gewünschte Verfügung dem Grunde und ggf. der Höhe nach erfasst ist. Zu beachten ist in der Bankpraxis, dass im Allgemeinen durch eine Kontovollmacht dem Bevollmächtigten nicht das Recht eingeräumt wird, das Konto ohne Beteiligung des Vollmachtgebers aufzulösen oder auf eine andere Art und Weise in dessen Vertragsstellung einzugreifen1. Eine Kontovollmacht wird daher üblicherweise nur die Berechtigung enthalten, Verfügungen über das Guthaben oder über eingeräumte Kredite vorzunehmen2. Besteht im Einzelfall keine Vertretungsberechtigung der gegenüber der Bank handelnden Person, so trägt das daraus resultierende Risiko nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich die Bank3. Daraus ergibt sich, dass eine Bank im Einzelfall ein berechtigtes Interesse geltend machen kann, eine kontobezogene Weisung aufgrund begründeter Zweifel am Bestand einer Vollmacht zu verweigern. Dies kann für Banken insbesondere im Zusammenhang mit Kontovollmachten von Relevanz sein, in welchen der Vertretene für die Ausübung der Vertretungsberechtigung des Vertreters bestimmte Bedingungen vorgesehen hat, welche im Außenverhältnis zum Vertragspartner Wirkung entfalten. Um Abgrenzungsschwierigkeiten bezüglich der konkreten Vertretungsberechtigung aus einer Kontovollmacht und den daraus resultierenden Überprüfungsaufwand sowie ggf. Risiken einer fehlenden Vertretungsmacht zu vermeiden, sind in der Kreditwirtschaft von den privaten Geschäftsbanken Musterformulare für Kontovollmachten entwickelt worden, welche im Einzelnen eine Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Vertretererklärungen beinhalten. Diese können vom Kunden verwendet und bei der kontoführenden Bank in der EDV „hinterlegt“ werden.
3.968
Die Bank ist jedenfalls bei einer bestehenden Vertragsbeziehung grundsätzlich verpflichtet, ein Handeln durch einen rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter zuzulassen und zu akzeptieren4. Dies entspricht im Allgemeinen dem Verkehrsbedürfnis. Sie ist gehalten, Aufträge des Kunden entgegenzunehmen und zu bearbeiten und hat grundsätzlich kein Wahlrecht darüber, welche Aufträge unerledigt bleiben oder zurückgewiesen werden sollen. Hieraus resultiert die vertragliche Nebenpflicht, mit Aufträgen, welche durch einen ordnungsgemäß legitimierten Vertreter erteilt werden, gleichermaßen zu verfahren. Entsprechendes ergibt sich zudem aus der kaufmännischen Sorgfaltspflicht der Bank5. Ein gene-
3.969
1 BGH v. 24.3.2009 – XI ZR 191/08, WM 2009, 980. 2 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 92. 3 BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712. 4 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 81. 5 Tersteegen, NJW 2007, 1717, 1718.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
reller vertraglicher Ausschluss der Stellvertretung durch AGB wäre wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden gem. § 307 BGB unzulässig1.
3.970
Die Beschränkungen des § 181 BGB durch das Verbot des Selbstkontrahierens gelten auch für Vollmachten im Bankverkehr. Bei zentralen Bereichen einer Kontovollmacht liegt ein Fall des § 181 BGB jedoch nicht vor. Dies betrifft zum einen Überweisungen auf ein eigenes Konto des Bevollmächtigten, da der Zahlungsauftrag als einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber der Bank, nicht aber gegenüber dem Überweisungsempfänger vorgenommen wird, so dass weder eine unmittelbare noch eine analoge Anwendung des § 181 BGB in Betracht kommt2. Dies gilt ebenso für Barabhebungen vom Konto des Vollmachtgebers durch den Bevollmächtigten, da es sich dabei um ein Rechtsgeschäft zwischen der Bank und dem durch den Kontobevollmächtigten vertretenen Kontoinhaber handelt3.
3.971
Ein Widerruf der Vollmacht, welche der Kontoinhaber gegenüber dem Bevollmächtigten erteilt hat, kann von diesem grundsätzlich jederzeit im Innenverhältnis erklärt werden, ohne dass die kontoführende Bank davon Kenntnis erlangen muss (vgl. Rz. 3.972). Es ist daher in der Bankpraxis aus Risikogesichtspunkten zwingend erforderlich, dass der Bevollmächtigte bei jeder Verfügung über das Konto des Vollmachtgebers die Vollmachtsurkunde im Original bzw. bei notariellen Urkunden eine Ausfertigung der Bank vorlegt. Die Vorlage des Originals der Vollmacht schützt die Bank insoweit, als gem. § 172 Abs. 2 BGB ein Rechtsschein für das Fortbestehen der Vollmacht begründet wird. Die Vertretungsmacht bleibt folglich so lange bestehen, bis die Vollmachtsurkunde entweder dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird. Überdies kann die kontoführende Bank ohne Vorlage der Vollmachtsurkunde im Kontoverkehr bei einseitigen Rechtsgeschäften des Bevollmächtigten dieses gem. § 174 BGB zurückweisen. Relevante einseitige Rechtsgeschäfte in diesem Sinne sind im Kontoverkehr vor allem Überweisungen, welche als Zahlungsaufträge eine Weisung i.S.v. § 665 BGB darstellen. Die Vorlage einer Telefaxkopie durch den Bevollmächtigten ist bspw. keine Originalurkunde i.S.v. § 174 BGB4. Der Aspekt der Prüfung des Bestands der Vollmacht im Zeitpunkt der Verfügung bzw. der Abgabe der Vertretererklärung wird von den in der Bankpraxis üblichen Musterformularen für Kontovollmachten erleichtert, da bis zu einer gegenteiligen Anzeige vom Fortbestand der anhand des Vollmachtsvordrucks bei der kontoführenden Stelle eingereichten Kontovollmacht ausgegangen werden darf. Die Banken haben daher ein berechtigtes Interesse an der Verwendung dieser Formulare.
3.972
Das Erlöschen der Vollmacht ist regelmäßig in der Vollmachtsurkunde geregelt. Hat der Vollmachtgeber von einer entsprechenden Regelung abgesehen, bestimmt sich gem. § 168 Satz 1 BGB das Erlöschen nach dem der Erteilung der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Mit anderen Worten erlischt die Vollmacht, wenn auch das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigem beendet wird5. Unabhängig von dem Fortbestehen des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, kann eine Vollmacht 1 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 82. 2 BGH v. 27.3.1958 – II ZR 31/57, WM 1958, 552; BGH v. 25.2.1982 – III ZR 188/81, WM 1982, 549; BGH v. 15.3.2004 – XI ZR 220/03, WM 2004, 1543. 3 Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, 4. Aufl. 2004, Rz. 169; Dauber in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 32 Rz. 20. 4 BGH v. 10.10.2017 – XI ZR 457/16, WM 2017, 2256; Ellenberger in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 174 BGB Rz. 5. 5 Ellenberger in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 168 BGB Rz. 1.
436 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
gem. § 168 Satz 2 BGB vom Vollmachtgeber widerrufen werden. Der Widerruf als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung kann vom Kontoinhaber sowohl gegenüber dem Bevollmächtigten als auch gegenüber der kontoführenden Bank erklärt werden. Ist die Kontovollmacht als Außenvollmacht erteilt worden, besteht diese gem. § 170 BGB solange fort, bis der Bank deren Erlöschen angezeigt worden ist. Der Kunde ist nach Nr. 11 Abs. 1 AGB-Banken gehalten, im Interesse einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Geschäftsverkehrs das Erlöschen oder die Änderung einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht, insbesondere einer Vollmacht, unverzüglich mitzuteilen (dazu Rz. 3.464 f.). Die Pflicht zu dieser Änderungsmitteilung besteht gem. Nr. 11 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken auch dann, wenn die Vertretungsmacht in ein öffentliches Register, wie beispielsweise in das Handelsregister, eingetragen ist und ihr Erlöschen oder ihre Änderung in diese Register eingetragen wird. Diese Mitteilungspflicht ist keine bloße Obliegenheit, sondern vielmehr eine echte Rechtspflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch der Bank zur Folge haben kann1.
3.973
b) Besondere Arten von Vollmachten im Kontoverkehr Neben der „klassischen“ Konto- oder Bankvollmacht – sei es individuell erstellt oder über ein Bankformular – als Grundlage einer Vertretungsmacht im Kontoverkehr gibt es weitere Arten von Vollmachten, welche für die Erteilung von Vertretungsberechtigungen zugunsten Dritter über ein Konto dienen. Sofern nachfolgend nicht Abweichendes dargestellt wird, gelten die zuvor genannten Grundsätze für diese Arten von Vollmachten ebenfalls.
3.974
Als besondere Art der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht werden im Bankgeschäftsverkehr vermehrt auch Vorsorgevollmachten als Möglichkeit der Bevollmächtigung Dritter verwendet. Die Vorsorgevollmacht ist ein Instrument privater Vorsorge und ermöglicht dem Vollmachtgeber hinsichtlich seiner persönlichen Bedürfnisse ein hohes Maß an Selbstbestimmung. Sie ist auf den Fall zugeschnitten, dass der Vollmachtgeber nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen. Mit einer Vorsorgevollmacht kann die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen vermieden werden (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Diese können ebenfalls privatschriftlicher Natur sein, allerdings werden häufig entsprechende Musterformulare verwendet, welche mitunter von staatlichen Institutionen bereitgestellt werden. Ein derartiges Musterformular wird bspw. auch vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur Verfügung gestellt2. Vorsorgevollmachten enthalten in der Regel auch die Bevollmächtigung zur Übernahme der Vermögensangelegenheiten durch den Bevollmächtigten, so dass grundsätzlich der Kontoverkehr auch erfasst ist. Im Übrigen können Vorsorgevollmachten wie „reguläre“ Bankvollmachten speziell auch sämtliche Geschäftsbeziehungen mit einer Bank oder ähnlich einer Kontovollmacht bestimmte bei einer Bank geführte Konten des Vollmachtgebers einbeziehen3. Insoweit besteht für die kontoführende Bank allerdings häufig das Risiko, dass bei einer als Innenvollmacht erteilten Vorsorgevollmacht nicht beurteilt werden kann, in welchem
3.975
1 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 99; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, AGB-Banken Nr. 11 Rz. 219; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, AGB-Banken 11 Rz. 9. 2 Vgl. https://www.bmjv.de/DE/Themen/VorsorgeUndPatientenrechte/Betreuungsrecht/Betreuungs recht.html;jsessionid=77031FC0CF73BBF4394D68A209B36FE3.2_cid297?nn=6765634#[Thema1]. 3 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 115.
Kropf | 437
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
geistigen Zustand der Kontoinhaber im Zeitpunkt der Bevollmächtigung war und somit das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit, mit der Folge einer unwirksamen Bevollmächtigung, nicht ausgeschlossen werden kann. Daher ist es empfehlenswert als Bank eine separate Kontovollmacht zu erbitten, welche der Kontoinhaber in der Bankfiliale ausstellt und der Bankmitarbeiter sich im Zuge dessen ein eigenes Bild von dessen Gesundheitszustand machen kann1. Allerdings ist natürlich zu berücksichtigen, dass ein Bankmitarbeiter nicht zweifelsfrei die Geschäftsfähigkeit eines Kunden festzustellen vermag, so dass auch hier ein Restrisiko für die Bank verbleibt2. Bei Vorsorgevollmachten ist häufig die Bevollmächtigung an den Eintritt einer bestimmten Bedingung geknüpft, welche Voraussetzung für das Bestehen der Vertretungsberechtigung ist. Dies ist üblicherweise ein gesundheitlicher Zustand, welcher es dem Kontoinhaber nicht mehr erlaubt, seine Angelegenheiten, insbesondere die Vermögenssorge, selbst zu regeln. Dies erschwert Banken die Handhabung der Verfügungsberechtigung über das Konto, da – ebenso wie im Falle der Geschäftsunfähigkeit – nicht ohne weiteres von einem Bankmitarbeiter beurteilt werden kann, ob diese Bedingung eingetreten ist. Insofern empfiehlt es sich, dass vom Bevollmächtigten, der sich auf den Eintritt der Bedingung beruft, ein ärztlicher Nachweis, der den bedingten Gesundheitszustand bestätigt, verlangt wird.
3.976
Eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht mit umfassender Vertretungsberechtigung ist die Generalvollmacht. Sie berechtigt den Bevollmächtigten regelmäßig zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte für den Vertretenen, soweit eine Vertretung zulässig ist. Demzufolge ist von einer Generalvollmacht auch, mangels abweichender Regelung, die Berechtigung des Bevollmächtigten erfasst, den Kontoinhaber in seinen Vermögensangelegenheiten gegenüber der Bank zu vertreten. Bei organschaftlicher Vertretung einer Gesellschaft ist allerdings zu beachten, dass diese vom Geschäftsleistungsorgan nicht per Generalvollmacht auf einen Dritten übertragen werden kann3. Bspw. ist die Befugnis des Geschäftsführers einer GmbH zur organschaftlichen Willenserklärung unübertragbar, so dass infolgedessen der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht nicht im Ganzen durch einen anderen ausüben lassen kann4. Dies gilt auch, wenn die Generalvollmacht widerruflich und zeitlich begrenzt erteilt wird5. Eine der Bank angezeigte Generalvollmacht ist daher gegenüber dem organschaftlichen Vertreter der Kundin als unwirksam und damit unzulässig zurückzuweisen.
3.977
Darüber hinaus sind als rechtsgeschäftliche Vertretungsberechtigung im Kontoverkehr auch die speziellen Vollmachten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs von Relevanz. Dies sind die Prokura i.S.v. § 48 HGB sowie die Handlungsvollmacht i.S.v. § 54 HGB. Ein Prokurist ist insbesondere zu allen Arten von außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, ermächtigt, worunter auch der der Kontoverkehr des Kaufmanns als Vollmachtgeber fällt. Bei der Prokura besteht darüber hinaus die Besonderheit, dass deren Umfang im Außenverhältnis gegenüber Dritten gem. § 50 Abs. 1 HGB nicht wirksam beschränkt werden kann. Sollten bestimmte Grenzen der Vertretungsberechtigung eines Prokuristen vereinbart worden sein, entfalten 1 Vgl. in diesem Sinne auch die Empfehlung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, wonach der Kontoinhaber zur Erteilung einer Kontovollmacht die Bank/Sparkasse in Begleitung der zu bevollmächtigenden Person persönlich aufsuchen sollte. 2 So auch Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 113. 3 Ellenberger in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 167 BGB Rz. 7. 4 BGH v. 18.7.2002 – III ZR 124/01, WM 2003, 747. 5 BGH v. 19.3.1975 – II ZR 110/73, WM 1975, 790.
438 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
diese nur Wirkung im Innenverhältnis zum Kontoinhaber und nicht im Verhältnis zur Bank. Der Umfang einer Handlungsvollmacht hängt wiederum davon ab, welche Art von Handlungsvollmacht erteilt worden ist. Im Falle einer allgemeinen Handlungsvollmacht i.S.v. § 54 Abs. 1 Var. 1 HGB erstreckt sich die Vertretungsberechtigung auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt. Insofern besteht für den Kontoverkehr im Wesentlichen kein Unterschied im Vergleich zur Prokura. Beschränkungen in der Vertretungsberechtigung eines Handlungsbevollmächtigten, welche über die gesetzlichen Vorgaben aus § 54 Abs. 2 HGB hinausgehen, muss eine Bank als Dritter nur gegen sich gelten lassen, wenn sie diese kannte oder kennen musste. Eine Vollmacht für den Kontoverkehr kann schließlich vom Kontoinhaber auch dergestalt erteilt werden, dass sie es dem Bevollmächtigten ermöglicht, nach dem Tod des Kontoinhabers gegenüber der Bank Rechtsgeschäfte vorzunehmen, welche Rechtswirkungen gegenüber dessen Erben erzeugen. Dies ist der Fall bei einer transmortalen Vollmacht (über den Tod hinaus) sowie bei einer postmortalen Vollmacht (bezogen auf den Todesfall). Die postmortale und die transmortale Vollmacht unterscheiden sich nur in Bezug auf den Beginn der Vertretungsberechtigung, wobei im Übrigen vertretungsrechtlich die gleichen Grundsätze gelten1. Die postmortale Vollmacht, bewirkt keinerlei Änderung in der rechtlichen Zuordnung der Bankguthaben des Kontoinhabers, da sie nach wie vor dem Erblasser zustehen und mit dem Erbfall auf dessen Erben übergehen (§ 1922 Abs. 1 BGB), so dass sie auch nicht auch nicht der Vorschrift des § 2301 BGB unterfällt2. Das Erlöschen von Vollmachten richtet sich gem. § 168 Satz 1 BGB nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, so dass im Zweifel eine Vollmacht gem. §§ 675, 672 Satz 1 BGB nicht mit Tod des Kontoinhabers und Vollmachtgebers erlischt, sondern als transmortale Vollmacht zugunsten des Bevollmächtigten fortbesteht. Eine über den Tod hinaus bestehende Geltung der Vollmacht kann auch explizit vom Vollmachtgeber bestimmt werden. Eine entsprechende Regelung ist bspw. in den Musterformularen für Kontovollmachten der privaten Kreditwirtschaft enthalten3. Der Umfang solcher post- und transmortaler Vollmachten ergibt sich aus deren jeweiligen Inhalt, wobei diese grundsätzlich nicht das Recht beinhalten ein Konto aufzulösen oder anderweitig die Rechtstellung des Kontoinhabers zu verändern, so dass insbesondere keine Berechtigung zur Umschreibung des Kontos auf den Bevollmächtigten besteht; dies gilt insbesondere auch für eine dem Ehegatten erteilt Vollmacht4. Im Verhältnis zu den Erben des Kontoinhabers treffen die kontoführende Bank keine Prüfungspflichten. Der Bank obliegen bis zum Widerruf der Vollmacht keine Warte- oder Rückfragepflichten zur Sicherung der Erbeninteressen, insbesondere braucht sich sie auch nicht über das Innenverhältnis zwischen dem Erben und dem Bevollmächtigten Gedanken zu machen5. Allein der sich aus dem durch die Gesamtrechtsnachfolge mitunter ergebende Interessenwechsel bezüglich der Ausübung der Vollmacht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Bis zum Widerruf der Vollmacht durch den Erben ist im Zweifel allein der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Erblassers und nicht der des Erben für den Bevollmächtigten maßgeblich6. Eine Rückfrage- oder Wartepflicht der Bank 1 Dauber in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 32 Rz. 43. 2 BGH v. 23.2.1983 – IVa ZR 186/81, NJW 1983, 1487. 3 Vgl. Ziff. 5. Musterformular für Konto-/Depotvollmacht abgedruckt in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/787. 4 BGH v. 24.3.2009 – XI ZR 191/08, WM 2009, 980. 5 BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190. 6 BGH v. 24.3.2009 – XI ZR 191/08, WM 2009, 980.
Kropf | 439
3.978
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
besteht nur dann, wenn die Voraussetzungen für einen Vollmachtmissbrauch oder Anhaltspunkte für einen wirksamen Widerruf der Vollmacht vorliegen1. Eine etwaige Schutzwürdigkeit der Erben steht nicht entgegen, da es gerade Zweck einer postmortalen (oder auch transmortalen) Vollmacht ist, es dem Bevollmächtigten zu ermöglichen, unabhängig vom Willen der Erben und auch vor deren Ermittlung tätig werden zu können2. Transund postmortale Vollmachten sind ebenso grundsätzlich jederzeit widerruflich, wie es bei sonstigen Vollmachten der Fall ist. Nach dem Tod des Kontoinhabers geht das Recht zum Widerruf der Vollmacht auf die Erben über, welche in die Rechtsposition des Kontoinhabers eintreten. Das Widerrufsrecht kann im Falle einer Miterbengemeinschaft von jedem Miterben einzeln und mit Wirkung nur für sich allein erkläert werden, mit der Folge, dass der Bevollmächtigte von der Vollmacht nur noch gemeinsam mit dem widerrufenden Miterben Gebrauch machen kann3. Der Bevollmächtigte kann nur noch diejenigen Erben vertreten, welche die Vollmacht nicht widerrufen haben. c) Form der Vollmacht
3.979
Für die Erteilung von Vollmachten ist im Kontoverkehr grundsätzlich keine besondere Form erforderlich. Dies ergibt sich bereits aus § 167 Abs. 2 BGB, wonach die Vollmacht auch nicht der Form bedarf, welche für das Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist, auf das sich die Vollmacht bezieht. Aus Nachweisgründen sollte in der Bankpraxis jedoch stets auf die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht durch den Bevollmächtigten bestanden werden (vgl. Rz. 3.971). Dabei genügt regelmäßig die Erteilung der Vollmacht in privatschriftlicher Form, soweit ohne Zweifel für die Bank erkennbar ist, dass die Vollmacht vom Kontoinhaber ausgestellt worden ist. Daneben werden Vollmachten im Kontoverkehr häufig auch notariell beglaubigt oder beurkundet. Dies ist vor allem bei Generalvollmachten, welche ein Kontoinhaber Dritten erteilt, der Fall, so dass dem Kontoinhaber durch den Notar nochmals die Bedeutung seiner Willenserklärung vor Augen geführt wird. Die notarielle Beurkundung von Vollmachten kann für Banken insoweit vorteilhaft sein, als dass sich der beurkundende Notar vom Bestehen der erforderlichen Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers zu überzeugen hat. Gemäß § 11 Abs. 1 BeurkG hat ein Notar die Beurkundung abzulehen, wenn einem Beteiligten nach seiner Überzeugung die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt; Zweifel an der erforderlichen Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten soll der Notar in der Niederschrift feststellen. Dies kann insbesondere bei der Erteilung von Vorsorgevollmachten von Relevanz sein (vgl. Rz. 3.975). Auch wenn ein Notar im Regelfall nicht über fachmedizinische Kenntnisse verfügt, so wird aufgrund seiner Festellung jedoch zumindest eine Vermutung bestehen, dass im Zeiptunkt der Erklärung des Vollmachtgebers dessen Geschäftsfähigkeit vorlag4.
3.980
Mitunter erfolgt die Beglaubigung oder auch Beurkundung einer Kontovollmacht in deutschen Konsularvertretungen im Ausland, wenn sich die Kontoinhaber zur Zeit der Bevollmächtigung im Ausland befinden. Dies ist insofern unproblematisch als das § 2 KonsG Beurkundungen und Beglaubigungen als gesetzliche Aufgabe den Konsularbeamten zuweist und die von einem Konsularbeamten aufgenommenen Urkunden gem. § 10 Abs. 2 KonsG den von einem inländischen Notar aufgenommenen gleichgestellt werden. 1 2 3 4
BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190. BGH v. 18.4.1969 – V ZR 179/65, NJW 1969, 1245. Dauber in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 32 Rz. 51. Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 118.
440 | Kropf
Kontobeziehung | Teil 3
4. Missbrauch der Vertretungsmacht Auch im Bereich des Kontogeschäftsverkehrs besteht beim Handeln Dritter gegenüber der Bank das Risiko eines Missbrauchs der (grundsätzlich) eingeräumten Vertretungsmacht. Der Missbrauch einer Vertretungsmacht liegt dann vor, wenn der Handelnde im Rahmen seines rechtlichen Könnens (Außenverhältnis) die Grenzen des rechtlichen Dürfens (Innenverhältnis) überschreitet. Bei einer Verletzung der Pflichten aus dem Innenverhältnis durch den Vertreter ist das Vertreterhandeln grundsätzlich wirksam. Beschränkungen der Vertretungsberechtigung im Verhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter sind daher für deren Ausübung grundsätzlich irrelevant1. Diese Konstellation ist somit von Fällen zu unterscheiden, in denen der Handelnde die Grenzen seines rechtlichen Könnens aus der ihm eingeräumten Vertretungsmacht überschreitet. Dabei handelt es sich vielmehr um ein Handeln ohne Vertretungsmacht i.S.v. §§ 177 ff. BGB. Der Missbrauch einer Vertretungsmacht kann im Rahmen der Kontogeschäftsbeziehung sowohl bei einer gesetzlichen als auch bei einer organschaftlichen wie selbstverständlich auch bei einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht auftreten.
3.981
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat grundsätzlich der Vertretene, im Kontobereich also der Kontoinhaber, das Risiko des Missbrauchs der Vertretungsmacht zu tragen, da den Vertragspartner des Vertretenen keine Prüfungspflicht trifft, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von seiner nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen2. Insbesondere trifft somit eine Bank grundsätzlich in Bezug auf das der Vertretungsmacht zugrundliegende Innenverhältnis keine Rückfragepflicht gegenüber dem Kunden3. Eine Ausnahme gilt letztendlich nur dann, wenn sich der Bank der Verdacht eines Missbrauchs der Vertretungsmacht aufdrängen muss. Der vertretene Kontoinhaber ist gegen einen erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht daher nur dann geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass bei der Bank als Vertragspartner begründete Zweifel bestehen müssen, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt, wofür eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs notwendig ist4. Somit ist eine objektive Evidenz im vorgenannten Sinne dann gegeben, wenn es sich nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage beim Vertretenen geradezu aufdrängt5.
3.982
Für eine Evidenz des Missbrauchs einer Vertretungsmacht genügt dabei allein noch nicht, dass sich der Vertretungsberechtigte Vermögenswerte des Vertretenen auf eigene Konten übertragen lässt, da dies noch keine massiven Verdachtsmomente bei der kontoführenden Bank erregen muss6. Ebenso wenig stellt eine Barauszalhung an den Vertretungsberechtigten, selbst im Falle eines ungewöhnlich hohen Betrages, für sich allein ein
3.983
1 BGH v. 29.3.1999 – XI ZR 277/98, WM 1999, 1617. 2 BGH v. 29.3.1999 – XI ZR 277/98, WM 1999, 1617; BGH v. 15.3.2004 – XI ZR 220/03, WM 2004, 1546; BGH v. 1.6.2010 – XI ZR 389/09, WM 2010, 1218; BGH v. 14.6.2016 – XI ZR 189/ 14. 3 BGH v. 22.3.2004 – XI ZR 90/03, WM 2004, 1625. 4 BGH v. 28.4.1992 – XI ZR 164/91, WM 1992, 1362; BGH v. 19.4.1994 – XI ZR 18/93, WM 1994, 1204; BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190; BGH v. 22.3.2004 – XI ZR 90/03, WM 2004, 1625. 5 BGH v. 1.6.2010 – XI ZR 389/09, WM 2010, 1218. 6 BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190; BGH v. 15.3.2004 – XI ZR 220/03, WM 2004, 1543.
Kropf | 441
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
hinreichendes Verdachtsmoment dar1. Anhand der vorgenannten Grundsätze der BGHRechtsprechung empfiehlt es sich in der Bankpraxis etwaige massive Verdachtsmomente auf Basis des konkret vorliegenden Geschehensablaufes zu beurteilen. Es müssen sich im Einzelfall starke Verdachtsmomente ergeben, die für eine Zweckentfremdung von auf dem Konto bestehender Guthaben und deren Entziehung durch den Vertreter gegenüber dem Vertretenen unter Missbrauch der Vertretungsmacht sprechen.
3.984
Eine weitere Schranke zugunsten des Vertretenen findet das Risiko des Missbrauchs der Vertretungsmacht in Fällen, in denen der Vertreter kollusiv mit dem Vertragspartner zum Nachteil des Vertretenen ein Rechtsgeschäft abschließt bzw. vornimmt. Liegt eine derartige Kollusion vor, verstößt das Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten und ist gem. § 138 BGB nichtig2.
3.985
Bei einer im Außenverhältnis unbeschränkbaren organschaftlichen Vertretungsmacht von Geschäftsleistungsorgangen von Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) oder Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) bedarf es für das Vorliegen einer Evidenz des Missbrauchs der Vertretungsmacht entgegen eines teilweise abweichenden Verständnisses der BGHRechtsprechung keiner weitergehenden Voraussetzungen des Organhandelns3. Für die Annahme eines Missbrauchs der Vertretungsmacht bedarf es als tatbestandliche Voraussetzung keines bewusst nachteiligen Handelns des Vertretungsorgans zu Lasten der vertretenen Gesellschaft4. Der Unternehmensgegenstand als solcher beschränkt im Übrigen nicht den Umfang der Vertretungsmacht, da in der deutschen Rechtsordnung bewusst von einer Umsetzung der ultra-vires-Doktrin abgesehen worden ist5. Die Grenzen findet die Vertretungsmacht in diesen Fällen daher in den zuvor genannten Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht.
3.986–9.990 Einstweilen frei.
7. Abschnitt: Besondere Kontoarten (Kropf) 3.991
Die Praxis kennt eine Vielzahl von Kontoarten. Zum einen sind diese dadurch gekennzeichnet, dass auf Kundenseite mehrere Personen/Rechtssubjekte beteiligt sind, beispielsweise weil mehrere Personen Kontoinhaber sind oder weil einem Dritten zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Kontoguthaben zugewendet werden soll. Anderen Kontoarten ist gemeinsam, dass sie nicht für eine beliebige Verwendung, sondern für ganz konkrete Zwecke des Kontoinhabers bestimmt sind. Hier sind vor allem das Treuhandkonto, das Anderkonto und das Sperrkonto zu nennen. Die Rechtsverhältnisse der verschiedenen Kontoarten werfen eine Reihe von Rechtsfragen auf, die nachfolgend im Einzelnen erörtert werden.
1 2 3 4 5
BGH v. 18.11.1985 – II ZR 113/85, WM 1986, 418. Vgl. nur BGH v. 14.3.2016 – XI ZR 189/14 m.w.N. aus der Rechtsprechung. Vgl. dazu Ellenberger in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 164 BGB Rz. 14. BGH v. 19.3.2006 – II ZR 337/05, WM 2006, 1524. Vgl. Oetker in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016, § 35 GmbHG Rz. 43.
442 | Kropf
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
hinreichendes Verdachtsmoment dar1. Anhand der vorgenannten Grundsätze der BGHRechtsprechung empfiehlt es sich in der Bankpraxis etwaige massive Verdachtsmomente auf Basis des konkret vorliegenden Geschehensablaufes zu beurteilen. Es müssen sich im Einzelfall starke Verdachtsmomente ergeben, die für eine Zweckentfremdung von auf dem Konto bestehender Guthaben und deren Entziehung durch den Vertreter gegenüber dem Vertretenen unter Missbrauch der Vertretungsmacht sprechen.
3.984
Eine weitere Schranke zugunsten des Vertretenen findet das Risiko des Missbrauchs der Vertretungsmacht in Fällen, in denen der Vertreter kollusiv mit dem Vertragspartner zum Nachteil des Vertretenen ein Rechtsgeschäft abschließt bzw. vornimmt. Liegt eine derartige Kollusion vor, verstößt das Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten und ist gem. § 138 BGB nichtig2.
3.985
Bei einer im Außenverhältnis unbeschränkbaren organschaftlichen Vertretungsmacht von Geschäftsleistungsorgangen von Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) oder Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) bedarf es für das Vorliegen einer Evidenz des Missbrauchs der Vertretungsmacht entgegen eines teilweise abweichenden Verständnisses der BGHRechtsprechung keiner weitergehenden Voraussetzungen des Organhandelns3. Für die Annahme eines Missbrauchs der Vertretungsmacht bedarf es als tatbestandliche Voraussetzung keines bewusst nachteiligen Handelns des Vertretungsorgans zu Lasten der vertretenen Gesellschaft4. Der Unternehmensgegenstand als solcher beschränkt im Übrigen nicht den Umfang der Vertretungsmacht, da in der deutschen Rechtsordnung bewusst von einer Umsetzung der ultra-vires-Doktrin abgesehen worden ist5. Die Grenzen findet die Vertretungsmacht in diesen Fällen daher in den zuvor genannten Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht.
3.986–9.990 Einstweilen frei.
7. Abschnitt: Besondere Kontoarten (Kropf) 3.991
Die Praxis kennt eine Vielzahl von Kontoarten. Zum einen sind diese dadurch gekennzeichnet, dass auf Kundenseite mehrere Personen/Rechtssubjekte beteiligt sind, beispielsweise weil mehrere Personen Kontoinhaber sind oder weil einem Dritten zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Kontoguthaben zugewendet werden soll. Anderen Kontoarten ist gemeinsam, dass sie nicht für eine beliebige Verwendung, sondern für ganz konkrete Zwecke des Kontoinhabers bestimmt sind. Hier sind vor allem das Treuhandkonto, das Anderkonto und das Sperrkonto zu nennen. Die Rechtsverhältnisse der verschiedenen Kontoarten werfen eine Reihe von Rechtsfragen auf, die nachfolgend im Einzelnen erörtert werden.
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BGH v. 18.11.1985 – II ZR 113/85, WM 1986, 418. Vgl. nur BGH v. 14.3.2016 – XI ZR 189/14 m.w.N. aus der Rechtsprechung. Vgl. dazu Ellenberger in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 164 BGB Rz. 14. BGH v. 19.3.2006 – II ZR 337/05, WM 2006, 1524. Vgl. Oetker in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016, § 35 GmbHG Rz. 43.
442 | Kropf
Besondere Kontoarten | Teil 3
I. Gemeinschaftskonto 1. Grundlagen Ein Gemeinschaftskonto ist eine Kontoform, bei welcher die Kontoinhaberschaft und damit auch die Verfügungsbefugnis über das jeweilige Konto mehreren Personen eingeräumt ist. Davon abzugrenzen sind Konstellationen, in welchen der Kontoinhaber eine rechtsfähige Personenmehrheit bzw. ein rechtsfähiger Personenzusammenschluss ist. Diese Abgrenzungsfrage betrifft in der Bankpraxis im Wesentlichen die unterschiedlichen Gesamthandsgemeinschaften, welche im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sind. Sämtliche Gesamthandsgemeinschaften weisen als Merkmal auf, dass bestimmte Vermögensrechte einer Gemeinschaft von Personen zustehen. Zu unterscheiden sind dabei die eheliche Gütergemeinschaft gem. § 1419 BGB, die Erbengemeinschaft gem. § 2032 BGB sowie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gem. §§ 705 ff. BGB. Die eheliche Gütergemeinschaft und die Erbengemeinschaft sind als solche nicht rechtsfähig, so dass auf sämtliche Mitglieder ein Gemeinschaftskonto zu eröffnen ist. Aufgrund der rechtlichen Verselbständigung einer als Außengesellschaft auftretenden GbR i.S.e. Teilrechtsfähigkeit von den in der Gesellschaft zusammengeschlossenen Gesellschaftern, ist die GbR als Verbund der Gesellschafter alleiniger Vermögensinhaber des Gesellschaftsvermögens. Die Kontoeröffnung auf eine Außen-GbR hat daher konsequenterweise als Einzelkonto lautend auf die GbR zu erfolgen, mithin nicht als Gemeinschaftskonto auf die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Da die GbR ausweislich § 105 Abs. 3 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB die gesetzliche Grundform auch für die Personenhandelsgesellschaften bildet, handelt es sich auch bei Konten für eine OHG oder eine KG um Einzelkonten lautend auf die jeweilige Gesellschaft als Rechtsträgerin. Schließlich ist dieser Grundsatz auch bei der Wohnungseigentümergemeinschaft als weiterer in der Bankpraxis relevanter Zusammenschluss von Personen zu berücksichtigen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche ist gem. § 10 Abs. 6 WEG Vermögensträgerin (vgl. Rz. 3.903).
3.992
Für Gemeinschaftskonten haben sich in der Praxis zwei unterschiedliche Gestaltungsformen herausentwickelt, welche sich durch ihre für die jeweilige Kontoführung charakteristische Bezeichnung abgrenzen lassen. Dabei wird unterschieden zwischen einem Gemeinschaftskonto als „Oder“-Konto und einem solchen als „Und“-Konto. Die unterschiedliche Bezeichnung bringt die Art der Verfügungsbefugnis durch die jeweiligen Kontoinhaber des Gemeinschaftskontos zum Ausdruck. Häufige Anwendungsfälle von Gemeinschaftskonten in der Bankpraxis sind solche, die von Ehegatten eröffnet werden. Gemeinschaftskonten sind allerdings selbstverständlich auch in sämtlichen anderen Konstellationen denkbar, in welchen mehrere Personen als gemeinschaftliche Kontoinhaber ein Konto eröffnen wollen. Kein Gemeinschaftskonto in diesem Sinne stellen hingegen Sperrkonten dar, bei welchen die Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers – zumeist auf rechtsgeschäftlicher Grundlage – an die Zustimmung eines Dritten gebunden und somit eingeschränkt ist, der Dritte allerdings keine eigene Gläubigerposition gegenüber der Bank erlangt (vgl. Rz. 3.1053). Diese Kontoart unterliegt eigenständigen Grundsätzen, die von denjenigen eines Gemeinschaftskontos zu unterscheiden sind.
3.993
Entsprechend der vorgenannten Gestaltungsformen sollen nachfolgend die praxisrelevanten Unterschiede in der Kontoführung eines „Oder“-Konto sowie eines „Und“-Konto herausgearbeitet und dargestellt werden.
3.994
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
2. Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsberechtigung („Oder“-Konto) a) Rechtsstellung des einzelnen Mitkontoinhabers
3.995
Im Rahmen der vertraglichen Abrede zu einem Oder-Konto wird jedem der Mitkontoinhaber eine Einzelverfügungsberechtigung eingeräumt. Im Außenverhältnis zur Bank nehmen die Mitkontoinhaber eines Oder-Kontos bei kreditorischer Kontoführung die Stellung als Gesamtgläubiger i.S.v. § 428 BGB ein1. Jeder Mitkontoinhaber ist insoweit selbständig aus eigenem Recht hinsichtlich des gesamten Guthabens gegenüber der Bank forderungsberechtigt2. Es bestehen mehrere selbständige, allein abtretbare Forderungen der Mitkontoinhaber, die lediglich durch die Einheitlichkeit der Tilgungswirkung gem. § 429 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB miteinander verbunden sind3. Das Auszahlungsverlangen eines Mitkontoinhabers lässt die Einzelverfügungsbefugnis des anderen Mitkontoinhabers und die damit verbundene Empfangszuständigkeit, Leistungen mit Erfüllungswirkung entgegenzunehmen, unberührt, so dass auf das selbständige Forderungsrecht eines Mitkontoinhabers auch nicht durch ein zeitlich früheres Leistungsverlangen eingewirkt werden kann4. Die Einzelverfügungsberechtigung der Mitkontoinhaber bei einem Oder-Konto beruht somit nicht auf einer gegenseitig eingeräumten Ermächtigung, sondern auf einer eigenen Forderungsinhaberschaft. Das Forderungsrecht eines Gesamtgläubigers erlischt erst dann, wenn das Leistungsverlangen des anderen Gesamtgläubigers tatsächlich erfüllt wurde5. Dies hat zur Konsequenz, dass die Mitkontoinhaber eines OderKonto keine Bruchteilsgemeinschaft i.S.v. § 741 BGB bilden, da es an dem tatbestandlichen Erfordernis eines „gemeinschaftlichen Rechts“ mangelt. Im Falle eines debitorischen Kontostands kann die kontoführende Bank von jedem der Mitkontoinhaber als Gesamtschuldner gem. § 421 BGB die Erfüllung der Verbindlichkeit in voller Höhe verlangen6.
3.996
Die kontoführende Bank kann jedoch entgegen der gesetzlichen Regelung des § 428 BGB bei einem Oder-Konto nicht „nach ihrem Belieben“ an jeden der Gläubiger leisten. Dieses Wahlrecht wird in dem Kontovertrag verkehrstypisch dahingehend abbedungen, dass die Bank nur an denjenigen leisten kann, der die Leistung fordert, mithin an den Gläubiger, der von ihr aufgrund seiner Einzelverfügungsberechtigung Zahlung verlangt7. Die Bank leistet an diesen mit schuldbefreiender Wirkung, wohingegen eine Leistung an den nicht fordernden Gesamtgläubiger keine schuldbefreiende Wirkung hätte8. Es handelt sich in der Bankpraxis daher zwischen kontoführender Bank und den Mitkontoinhabern um eine modifizierte Gesamtgläubigerschaft. 1 BGH v. 31.3.2009 – XI ZR 288/08, WM 2009, 887; LG Frankfurt/M. v. 4.11.2003 – 21 O 155/03, WM 2004, 1282; Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 675f BGB Rz. 32; Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 35 Rz. 7; Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 18. 2 BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067; BGH v. 25.6.2002 – XI ZR 218/01, WM 2002 1683. 3 OLG Dresden v. 21.2.2001 – 18 U 1948/00, WM 2001, 1148; Hadding/Häuser in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 35 Rz. 8. 4 BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 30/16, WM 2018, 1352. 5 BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 30/16, WM 2018, 1352. 6 BGH v. 3.3.1997 – XI ZR 133/96, WM 1997, 1280. 7 BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 30/16, WM 2018, 1352; OLG Dresden v. 21.2.2001 – 18 U 1948/00, WM 2001, 1148; Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 35 Rz. 7; Gößmann/Walgenbach in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/139. 8 BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 30/16, WM 2018, 1352.
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Aufgrund der jeweils unabhängigen Forderungsinhaberschaft kann es in der Bankpraxis zu konkurrierenden Zahlungsaufträgen, mithin Weisungen der Mitkontoinhaber gegenüber der Bank kommen, ohne dass es sich um widersprüchliche Weisungen handelt. Insofern stellt sich die Frage, an welchen der Gläubiger die Bank zuerst leisten muss. Die Konstellation konkurrierender Weisungen kann letztendlich in der Regel nur dann in der Bankpraxis virulent werden, wenn es sich um taggleiche Weisungen der Mitkontoinhaber handelt und keine ausreichende Deckung auf dem Oder-Konto für die Ausführung beider Zahlungsvorgänge vorhanden ist. Dies ergibt sich bereits aus den kurzen Ausführungsfristen für Zahlungsaufträge von einem Geschäftstag ab dem Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrags gem. § 675s Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Lösung dieses „Konflikts“ kann nicht pauschal anhand der Anwendung eines strikten Prioritätsgrundsatzes zugunsten des zuerst eingegangenen Zahlungsauftrages erfolgen, sondern auf Basis der banküblichen Bearbeitung von eingehenden Zahlungsaufträgen bzw. ausgelösten Zahlungsvorgängen. Maßgeblich ist insoweit auch, ob die jeweilige Weisung die für die Durchführung des Zahlungsauftrages vereinbarten Voraussetzungen (notwendige Angaben etc.) erfüllt. Ein Zahlungsverlangen ist nur dann zu berücksichtigen, wenn es vertragsgemäß ist, so dass anderenfalls keine Ausführungspflicht begründet wird, welche die kontoführende Bank verpflichten könnte, eine später eingegangene Weisung unbeachtet zu lassen1. Ein ausschließlich auf Basis des Eingangs bestehender Prioritätsgrundsatz ist in den marktüblichen Kontoverträgen nicht vereinbart. Beiden Mitkontoinhaber steht, wie zuvor erläutert, ein eigenständiges und unabhängiges Forderungsrecht zu, so dass die Bank auch schuldbefreiend an den jeweiligen Mitkontoinhaber leisten darf2. Es ist demnach im Einzelfall die Durchführung derjenigen Weisung abzulehnen, bei welcher im Zeitpunkt der banküblichen Bearbeitung keine ausreichende Deckung auf dem Konto mehr besteht. Die bankübliche Bearbeitung kann davon abhängen, auf welchem Wege der Zahlungsauftrag bei der kontoführenden Bank eingeht, mithin beleghaft oder über das Online-Banking. Im Übrigen steht es aus den genannten Gründen nicht entgegen einer zeitlich späteren Auszahlung am Geldautomaten des einen Kontoinhabers noch auszuführen, wenn der zeitlich vorangehende Überweisungsauftrag des anderen Kontoinhabers noch nicht disponiert worden ist.
3.997
Ob und inwieweit die kontoführende Bank den Widerruf einer Weisung durch den jeweils anderen Mitkontoinhaber beachten muss, bestimmt sich nach den einschlägigen Vorschriften des Zahlungsdiensterechts. Zentrale Norm ist insoweit § 675p BGB, wonach ein Zahlungsauftrag grundsätzlich nur bis zu dessen Zugang beim Zahlungsdienstleister widerrufen werden kann. Nach diesem Zeitpunkt kann ein Mitkontoinhaber somit keine dem ursprünglichen Zahlungsauftrag des anderen Mitkontoinhabers widersprechende Weisung mehr erteilen.
3.998
Da die Mitkontoinhaber eines Oder-Kontos als (modifizierte) Gesamtgläubiger zu qualifizieren sind, richtet sich deren Innenverhältnis nach der Regelung des § 430 BGB. Danach sind die Mitkontoinhaber im Verhältnis zueinander am Kontoguthaben zu gleichen Teilen berechtigt, soweit nicht eine davon abweichende Beteiligung vereinbart worden ist. § 430 BGB ist eine eigenständige Anspruchsgrundlage für den Gesamtgläubiger, der aus einer Leistung des Schuldners weniger als die Hälfte erhalten hat, wobei es bei Oder-Konten
3.999
1 BGH v. 20.3.2018 – XI ZR 30/16, WM 2018, 1352. 2 So im Ergebnis auch Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 35 Rz. 7; Gößmann/Walgenbach in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/140; mit gewissen Differenzierungen Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 18; LG Frankfurt v. 4.11.2003 – 21 O 155/03, WM 2004, 1282.
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weder entscheidend auf die Herkunft der Mittel noch darauf ankommt, aus welchen Gründen das Gemeinschaftskonto überhaupt errichtet worden ist1. Insbesondere bei der in der Bankpraxis als Regelfall anzusehenden Konstellation eines zwischen Ehegatten bestehenden Oder-Kontos kann im Innenverhältnis grundsätzlich eine Ausgleichspflicht eines Ehegatten nach § 430 BGB in Betracht kommen, soweit er von dem Guthaben mehr für sich allein verwendet hat, als ihm nach der rechtlichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses zusteht2. Dieser Ausgleichsanspruch wird grundsätzlich auch nicht durch die Regelungen des Zugewinnausgleichs verdrängt3. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen, dass während intakter Ehe der Mitkontoinhaber in der Regel eine Ausgleichspflicht ausscheidet, da aus ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarungen, Zweck und Handhabung des Kontos oder Vorschriften über die eheliche Lebensgemeinschaft (z.B. § 1357 BGB) zu folgern ist, dass i.S.v. § 430 BGB „ein anderes bestimmt ist“, so dass in der Mehrzahl der Fälle für die Ausgleichspflicht ohnehin nicht die Auslegungsregel des § 430 BGB maßgebend ist, sondern die rechtliche Ausgestaltung des Innenverhältnisses der Kontoinhaber4. Für Verfügungen nach dem Zeitpunkt der Trennung der Ehegatten können allerdings Ausgleichsansprüche entstehen. Entnimmt bspw. ein Ehegatte nach der endgültigen Trennung mehr als die Hälfte, besteht regelmäßig ein Ausgleichsanspruch des anderen Ehegatten, wohingegen ein Ausgleichsanspruch nur dann nicht besteht, wenn die Kontoverfügung von einer anderweitigen Bestimmung erfasst ist5. Hat ein Ehegatte nach der Trennung das gesamte auf dem Konto befindliche Guthaben abgehoben und wird er auf hälftige Herausgabe in Anspruch genommen, so muss er gegebenenfalls den Beweis für seine Behauptung einer anderen Bestimmung i.S.d. § 430 BGB führen6. Eine Ausgleichspflicht kann hingegen vor allem dann bestehen, wenn zwei Personen – außerhalb einer Ehe – ein gemeinsames Konto unterhalten und eine der beiden praktisch über das gesamte Kontoguthaben verfügt, da für diese Fälle die folgende Annahme zugrunde gelegt werden kann: Je höher der Betrag der Verfügung ist, desto naheliegender erscheint es, eine eigensüchtige Verfügung anzunehmen und folglich der Verzicht auf den Ausgleichsanspruch von der ursprünglichen Motivation und dem Willen der Kontoinhaber nicht mehr gedeckt ist7. b) Umwandlung in ein Und-Konto
3.1000 Nach den marktüblichen Kontoverträgen bei Oder-Konten hat jeder der Mitkontoinhaber
ein Widerrufsrecht bezüglich der Einzelverfügungsberechtigung. Das Widerrufsrecht kann gegenüber der Bank mit Wirkung für die Zukunft ausgeübt werden, mit der Folge, dass ab Unterrichtung die beiden Mitkontoinhaber nur noch gemeinsam über das Gemeinschaftskonto verfügen können8. Durch die Ausübung des Widerrufsrechts durch einen der Mitkontoinhaber wird somit das Oder-Konto in ein Und-Konto umgewandelt. 1 BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, WM 1990, 239. 2 BGH v. 19.4.2000 – XII ZR 62/98, WM 2000, 1253; BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, WM 1990, 239. 3 BGH v. 30.9.1987 – IVb ZR 94/86, NJW 1988, 133; BGH v. 5.10.1988 – IVb ZR 52/87, NJW-RR 1989, 63. 4 BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, WM 1990, 239; so auch BFH v. 22.8.2007 – II R 33/06, NJW 2008, 254. 5 OLG Bremen v. 4.3.2014 – 4 UF 181/13, NJW 2014, 2129. 6 OLG Bremen v. 4.3.2014 – 4 UF 181/13, NJW 2014, 2129. 7 Gößmann/Walgenbach in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/160. 8 Vgl. Ziff. 5 der Musterverträge des Bank-Verlags für Oder-Konten, abgedruckt in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/164.
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Die vorgenannte Vertragspraxis steht entgegen vereinzelter Auffassungen im Schrifttum1 nicht im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung. Der BGH hatte bereits zu Beginn der 1990er Jahre entschieden, dass die Umwandlung eines Oder-Kontos in ein Und-Konto nur im Wege einer Änderung der Kontoverträge und nicht durch einseitige Erklärung eines der Kontoinhaber erfolgen kann, vielmehr setze eine derartige Umwandlung eine Einigung der kontoführenden Bank mit allen Kontoinhabern und nicht nur mit einem Kontoinhaber voraus2. Es müsse zwischen den Vertragsparteien ein entsprechender Änderungsvertrag geschlossen werden. Dieser Rechtsprechung steht jedoch die in der Bankpraxis übliche Vertragsgestaltung nicht entgegen. Der BGH hat in der einschlägigen Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass im Kontoeröffnungsvertrag die gegenseitige Einräumung des Rechts das Oder-Konto mit der Bank ohne Mitwirkung des jeweils anderen Kontoinhabers in ein Und-Konto umzuwandeln, möglich ist3. Dieser Möglichkeit einer antizipierten Einigung über die Änderung des Kontovertrages entspricht die in der Bankpraxis gefundene Lösung, welche im Übrigen auch keine unangemessene Benachteiligung der Kontoinhaber zur Folge hat, da beide Kontoinhaber – mithin auch der die Einzelverfügungsberechtigung Widerrufende – künftig nur noch gemeinsam verfügen können4.
3.1001
c) Einzelfragen der Kontoführung In dem Kontoeröffnungsformular kann geregelt werden, dass eine Kontovollmacht nur von allen Kontoinhabern gemeinschaftlich erteilt werden kann. Die Einzelverfügungsbefugnis bei Oder-Konten setzt Vertrauen in die Zuverlässigkeit der anderen Verfügungsberechtigten voraus. Eine Mitwirkung aller Kontoinhaber erscheint daher bei einer Vollmachtserteilung interessengerecht. Dementsprechend kann das Erlöschen einer Vollmacht vorgesehen werden, auch wenn nur ein Kontoinhaber die Vollmacht widerruft.
3.1002
Die Kündigung eines Oder-Kontos kann trotz Einzelverfügungsberechtigung nur von beiden Kontoinhabern gemeinsam gegenüber der Bank erklärt werden. Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung ist in den in der Bankpraxis gängigen Kontoeröffnungsformularen enthalten.
3.1003
Eine formularmäßige gegenseitige Bevollmächtigung, in unbegrenzter Höhe Verbindlichkeiten zu Lasten des gemeinschaftlichen Kontos einzugehen, würde für den jeweils anderen Kontoinhaber ein unkalkulierbares Haftungsrisiko begründen. Eine solche Klausel ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB)5. Auch bräuchte der Kontoinhaber mit einer solch weitreichenden Klausel nicht zu rechnen (§ 305c Abs. 1 BGB). Eine Befugnis zu Kreditaufnahmen oder -erweiterungen muss daher im Ergebnis begrenzt sein. Vor diesem Hintergrund enthält das übliche Kontoeröffnungsformular regelmäßig eine Regelung, wonach sich die Haftung nur auf Verbindlichkeiten aus dem Gemeinschaftskonto selbst erstreckt. Hierbei handelt es sich vornehmlich um Entgeltforderungen und etwaige Überziehungskredite, die durch Verfügungen über dieses Konto ohne ausreichendes Guthaben entstanden sind. Kontoüberziehungen sind zudem
3.1004
1 In diesem Sinne Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 19. 2 BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067; BGH v. 9.11.1992 – II ZR 219/91, WM 1993, 141. 3 BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067. 4 So auch Gößmann/Walgenbach in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/148; Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 35 Rz. 15. 5 BGH v. 22.1.1991 – XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 314.
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nur vorübergehend und im banküblichen Rahmen möglich. Die Grenze der von den anderen Kontoinhabern stillschweigend geduldeten Überziehungen liegt nach der Rechtsprechung bei drei Nettomonatsgehältern oder beim dreifachen Monatseinkommen der Kontoinhaber1. In dem Kontoeröffnungsformular kann zudem geregelt sein, dass jeder Kontoinhaber berechtigt ist, über die auf dem Gemeinschaftskonto eingeräumten Kredite jeder Art zu verfügen. d) Zwangsvollstreckung und Insolvenz eines Mitkontoinhabers
3.1005 Da die Mitkontoinhaber eines Oder-Kontos Gesamtgläubiger i.S.v. § 428 BGB sind und
jeder der Mitkontoinhaber eine eigenständige Forderungsinhaberschaft innehat (vgl. Rz. 3.995), unterliegen die jeweiligen Forderungen auch der Pfändung durch die Gläubiger der jeweiligen Mitkontoinhaber. Es bedarf somit auch nur eines Vollstreckungstitels gegen den jeweiligen Forderungsschuldner und nicht gegen beide Mitkontoinhaber. Konsequenz der eigenen Forderungsinhaberschaft des Mitkontoinhabers als Pfändungsschuldner ist, dass der andere Mitkontoinhaber gegen die Forderungspfändung keine Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben kann. Er kann sich nicht auf ein die Veräußerung hinderndes Recht berufen, da schuldnereigenes Vermögen gepfändet wird2. Insbesondere handelt es sich bei dem zwischen den Gesamtgläubigern im Innenverhältnis bestehenden Ausgleichsanspruch nach § 430 BGB lediglich um einen schuldrechtlichen Anspruch.
3.1006 Davon zu trennen ist die Frage, ob die Bank noch an den anderen Mitkontoinhaber leisten
kann, wenn die Guthabenforderung aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen weiteren Mitkontoinhaber gepfändet ist. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist diese Frage für das Oder-Konto noch nicht explizit entschieden worden. Dabei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Pfändung bei Gesamtgläubigern gem. § 429 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §§ 425, 422 BGB keine Gesamtwirkung entfaltet. Vielmehr wird nur die Forderung des Pfändungsschuldners gepfändet3. Die Pfändung einer Forderung hat gem. § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO zunächst nur die Wirkung, dass die Bank als Drittschuldnerin nicht mehr an den Vollstreckungsschuldner leisten darf. Dies schließt allerdings eine Leistung an den anderen Mitkontoinhaber, welcher von der Forderungspfändung nicht betroffen ist, nicht aus, da dessen Verfügungsbefugnis unberührt bleibt4. Die Einzelwirkung der Pfändung ermöglicht es folglich der Bank, ungehindert durch § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO weiterhin befreiend Guthaben an die übrigen Gläubiger auszuzahlen oder ihnen gegenüber Gutschriften auf einen Schuldsaldo des Oder-Kontos zu verrechnen, so dass eine Widerspruchsbefugnis der übrigen Gläubiger gegen die Pfändung aus ihrem Außenverhältnis zur Bank somit nicht in Betracht kommt5. Der BGH hat jedoch allgemein in Bezug auf die Zwangsvollstreckung in Forderungen von Gesamtgläubigern entschieden, dass der Schuldner gegenüber einem der Gesamtgläubiger schon nach dem Gesetz (§ 428 BGB) immer berechtigt ist, insbesondere auch dann nach seinem Belieben mit befreiender Wirkung 1 OLG Nürnberg v. 21.3.1990 – 4 U 3979/89, WM 1990, 1370, 1372; OLG Köln v. 7.10.1998 – 5 U 88/98, WM 1999, 1003, 1004. 2 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 35 Rz. 11a; Gößmann/Walgenbach in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/152. 3 BGH v. 18.5.1998 – II ZR 380/96, WM 1998, 1533. 4 So auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 3 Rz. 40; Engel/Hüppe in Assies/ Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 2. Kap. Rz. 86. 5 BGH v. 3.3.2002 – IX ZR 169/01.
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die geschuldete Leistung zu erbringen, wenn ein anderer Gesamtgläubiger gegen ihn bereits Klage erhoben oder die Zwangsvollstreckung eingeleitet hat1. Der Pfändungsgläubiger, so der BGH, sei nur zur Geltendmachung des Rechts seines Schuldners, in dessen Recht er eingesetzt ist, im eigenen Namen ermächtigt, so dass der Schuldner stets eine Pfändung bei einem seiner Gesamtgläubiger dadurch ins Leere gehen lassen könne, dass er an den anderen Gläubiger zahlt. Da es sich bei einem Oder-Konto jedoch nur um eine modifizierte Gesamtgläubigerschaft handelt (vgl. Rz. 3.996), mithin die Bank nicht nach ihrem Belieben an jeden der Gläubiger leisten kann, erscheint es überzeugend zugrunde zu legen, dass zumindest ab einem entsprechenden Zahlungsverlangen des Pfändungsgläubigers seitens der Bank nicht mehr an den anderen Mitkontoinhaber schuldbefreiend geleistet werden kann2. Eine entsprechende Rechtslage findet auf die Fälle einer Vorpfändung der Kontoguthabenforderung Anwendung. Die Vorpfändung gem. § 845 ZPO bewirkt jedoch lediglich, dass allein die Wirkungen einer Pfändung auf den Zeitpunkt der Vorpfändung zurückdatiert werden, wodurch der Pfändungsgläubiger allerdings noch nicht die Rechtsstellung erlangt, die Forderung allein einziehen3. Vor Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann der andere Mitkontoinhaber somit wirksam zu seinen Gunsten verfügen4.
3.1007
Im Fall der Insolvenz eines der Mitkontoinhaber des Oder-Kontos gelten für die Rechte aus dem Gemeinschaftskonto Besonderheiten. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 InsO erfolgt die Teilung oder sonstige Auseinandersetzung bei einer Bruchteilsgemeinschaft oder einer Gesamthandsgemeinschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens. In den Anwendungsbereich dieser Norm fallen auch sonstige Gemeinschaftsverhältnisse ohne eine körperliche Struktur, wie Gemeinschaftskonten in Form von Oder-Konten5. Auseinandersetzungsansprüche des nicht insolventen Mitkontoinhabers sind daher nicht als Insolvenzforderungen zu behandeln. Die Auseinandersetzung erfolgt vielmehr nach den jeweils einschlägigen materiell-rechtlichen Vorschriften. Dementsprechend erlischt auch der dem Gemeinschaftskonto zugrunde liegende Zahlungsdiensterahmenvertrag nicht gem. §§ 115, 116 InsO6.
3.1008
Im Übrigen verliert der insolvente Mitkontoinhaber seine Verfügungsbefugnis über das Konto, welche gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht. Der nicht insolvente Mitkontoinhaber kann weiterhin selbständig, unbeschränkt und zu eigenen Gunsten verfügen. Die Abverfügung durch den Mitkontoinhaber kann der Insolvenzverwalter letztendlich nur verhindern, wenn er sich entweder selbst das vorhandene Kontoguthaben auszahlen lässt oder die Einzelverfügungsberechtigung des anderen Mitkontoinhabers widerruft7.
3.1009
1 BGH v. 11.7.1979 – VIII ZR 215/78, NJW 1979, 2038. 2 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 3 Rz. 40; Gößmann/Walgenbach in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/150; Engel/Hüppe in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 2. Kap. Rz. 86; noch weitgehender Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 35 Rz. 11b, wonach erst die Bewirkung der Auszahlung eine Leistung an den Mitkontoinhaber verhindert. 3 OLG Dresden v. 21.2.2001 – 18 U 1948/00, WM 2001, 1148. 4 Gößmann/Walgenbach in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/150. 5 Ampferl in Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016, § 84 InsO Rz. 3 m.w.N. 6 Ellers in Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016, § 116 InsO Rz. 17 m.w.N. 7 Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl. 2016, Rz. 2.130.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Zeitlich vor der Insolvenzeröffnung vom insolventen Mitkontoinhaber noch erteilte Zahlungsaufträge bleiben gem. § 116 Satz 3 InsO unberührt, sie bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. e) Verfügungsbefugnis im Erbfall
3.1010 In der Bankpraxis besonders relevante Fragestellungen können sich im Zusammenhang mit
Gemeinschaftskonten ergeben, wenn einer der beiden Mitkontoinhaber eines Oder-Konto verstirbt. Für den überlebenden Mitkontoinhaber ändert sich dessen Rechtsposition durch den Erbfall nicht, d.h. er ist weiterhin allein und unbeschränkt über das Gemeinschaftskonto verfügungsberechtigt1. Der oder die kraft gesetzlicher Erbfolge bzw. letztwilliger Verfügung bestimmten Erben treten gem. § 1922 BGB in die Rechtsposition des verstorbenen Mitkontoinhabers ein. Der bisherige Mitkontoinhaber bildet somit nunmehr mit dem oder den Erben die Mitkontoinhaberschaft bei einem Oder-Konto. Der neu durch den Nachlassfall hinzugetretene Mitkontoinhaber kann dieselben Rechte ausüben, wie sie zuvor dem Erblasser eingeräumt waren. Dies setzt jedoch voraus, dass er in einer der in Nr. 5 AGB-Banken vorgesehenen Möglichkeiten für eine erbrechtliche Legitimation seine Erbenstellung nachgewiesen hat. Nach erfolgreicher Legitimation kann der Rechtsnachfolger über das Oder-Konto verfügen, mithin das Guthaben abverfügen; die Bank leistet dabei mit schuldbefreiender Wirkung2. Bei einer Erbengemeinschaft als Mitkontoinhaber ist allerdings zu beachten, dass sämtliche Erben die Einzelverfügungsberechtigung über das Oder-Konto gem. § 2040 BGB nur gemeinsam ausüben können. Eine dieser Gesetzeslage entsprechende Regelung ist auch in den marktüblichen Bankformularen zu Oder-Konten enthalten. Dort heißt es, dass die Rechte des Verstorbenen durch dessen Erben gemeinschaftlich wahrgenommen werden. Dies hat für Verfügungen über das Oder-Konto zur Folge, dass die Erben sämtliche auf Basis der Einzelverfügungsberechtigung vorgenommene Verfügungen des (überlebenden) Mitkontoinhaber hinnehmen müssen, während sie selbst nur dann in gleicher Weise über das Kontoguthaben verfügen können, wenn sie die Verfügung gemeinsam treffen3.
3.1011 Rechtliche Besonderheiten ergeben sich für die Kontoführung, wenn der Erbe oder die
Miterben eigene, mithin nicht dem Nachlass zugeordnete Geschäfte über das OderKonto abwickeln. In diesem Fall sind die Rechte und Pflichten aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag, welcher dem Konto zugrunde liegt, nicht mehr dem Nachlass zuzuordnen, vielmehr treten die betreffenden Miterben in eine eigene persönliche Rechtsbeziehung zur Bank4. Die Rechtsstellung des überlebenden Mitkontoinhabers wird durch diese Zuordnung nicht berührt, so dass dieser seine Einzelverfügungsberechtigung über das Oder-Konto behält5.
3.1012 Sowohl der überlebende Mitkontoinhaber als auch der Erbe als Mitkontoinhaber kann die
Einzelverfügungsberechtigung über das Oder-Konto widerrufen. Folge ist auch hier, dass das Konto in ein Und-Konto umgewandelt wird, die Mitkontoinhaber nur noch gemeinsam 1 BGH v. 18.1.2000 – XI ZR 160/99, WM 2000, 469; Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 18. 2 Ott-Eulberg/Schebesta in Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch, Erbrecht und Banken, 3. Aufl. 2017, § 3 Rz. 107. 3 Ott-Eulberg/Schebesta in Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch, Erbrecht und Banken, 3. Aufl. 2017, § 3 Rz. 114. 4 BGH v. 18.1.2000 – XI ZR 160/99, WM 2000, 469. 5 BGH v. 18.1.2000 – XI ZR 160/99, WM 2000, 469.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
verfügen können und demzufolge beide sich über sämtliche weiteren Verfügungen einigen müssen. Besonderheiten bestehen insoweit, wenn mehrere Erben als Erbengemeinschaft in die Rechtsposition des vormaligen Kontoinhabers eingetreten sind. In diesem Fall ist zu beachten, dass gesetzlich gem. § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB eine gemeinschaftliche Nachlassverwaltung durch die Erbengemeinschaft vorgesehen ist, so dass ein Widerruf der Einzelverfügungsbefugnis des Mitkontoinhabers grundsätzlich ein gemeinschaftliches Handeln sämtlicher Miterben erforderlich machen würde. In den in der Bankpraxis üblichen Kontoeröffnungsformularen wird allerdings eine abweichende Regelung getroffen, als dass jedem Miterben ein alleiniges Widerrufsrecht bezüglich der Einzelverfügungsberechtigung eingeräumt wird1. Rechtsfolge des Widerrufs durch einen Miterben ist dessen Mitwirkungserfordernis bei jeder Verfügung über das Oder-Konto, nicht hingegen der das Widerrufsrecht nicht ausübenden Miterben. Anders gelagert ist die Rechtslage, wenn sämtliche Miterben ihr Widerrufsrecht bezüglich der Einzelverfügungsberechtigung ausüben. In diesem Falle können sämtliche Kontoinhaber nur noch gemeinschaftlich über das Konto verfügen. Mit anderen Worten ist durch den gemeinschaftlichen Widerruf das Oder-Konto in ein Und-Konto umgewandelt worden. 3. Konto mit gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung („Und-Konto“) a) Rechtsstellung des einzelnen Mitkontoinhabers Im Unterschied zu einem Gemeinschaftskonto in Form eines Oder-Kontos haben die Mitkontoinhaber eines Und-Kontos keine Einzelverfügungsberechtigung. Vielmehr haben sie nur eine gemeinsame Verfügungsberechtigung. Durch die ausschließlich gemeinsame Verfügungsbefugnis werden die mit einem Gemeinschaftskonto verbundenen Risiken der Kontoinhaber verringert. Aus dieser auch stets in den Kontoeröffnungsverträgen vereinbarten gemeinschaftlichen Verfügungsberechtigung ergibt sich, dass es sich nicht um eine Mitgläubigerschaft i.S.v. § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, bei welcher jeder einzelne Gläubiger die Leistung an alle fordern kann. Die Mitkontoinhaber sind, soweit sie keine Gesamthandsgemeinschaft in Form einer ehelichen Gütergemeinschaft oder einer Erbengemeinschaft bilden, daher rechtlich als eine Bruchteilsgemeinschaft nach den §§ 741 ff. BGB zu qualifizieren2. Im Gegensatz zum Oder-Konto bestehen somit nicht mehrere selbständige Forderungen der Mitkontoinhaber auf eine Leistung der Bank, sondern nur eine Forderung, die den mehreren Inhabern gemeinschaftlich zusteht3.
3.1013
Aus der Qualifizierung als Bruchteilsgemeinschaft folgt, dass gem. § 744 Abs. 1 BGB den Mitkontoinhabern das Guthaben des Und-Kontos nur gemeinschaftlich zusteht. In den Fällen einer Gesamthandgemeinschaft ist das Kontoguthaben als Bestandteil des Gesamthandsvermögens ebenfalls gemeinschaftliches Vermögen. Die kontoführende Bank kann dementsprechend mit befreiender Wirkung auch nur an alle Mitkontoinhaber gemeinschaftlich, nicht aber an einen von ihnen allein leisten4. Verfügt dennoch nur einer der
3.1014
1 Vgl. Ziff. 7 Abs. 2 Satz 2 des Formulars für Oder-Konten, abgedruckt in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/164. 2 BGH v. 12.1.1987 – II ZR 99/86, WM 1987, 318; BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067; Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 13; Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, 4. Aufl. 2005, Rz. 232. 3 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 35 Rz. 17. 4 BGH v. 28.1.1980 – II ZR 39/79, WM 1980, 438; BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Mitkontoinhaber eines Und-Kontos über das Kontoguthaben, so ist dessen Verfügung schwebend unwirksam, die Guthabenforderung besteht fort und die Kontobelastung ist von der kontoführenden Bank rückgängig zu machen1. Eine alleinige Verfügung eines Mitkontoinhabers hat für die Bank zur Folge, dass der entsprechende Zahlungsauftrag nicht mit Wirkung gegen die Kontoinhaber ausgeführt werden kann und eine etwaig ausgeführte Überweisung des Betrages wird den Inhabern des Gemeinschaftskontos nicht als deren Leistung an die Zahlungsempfängerin zugerechnet, weil diese die Zahlung nicht veranlasst haben2.
3.1015 Wie bei einem Oder-Konto haften auch bei einem als Und-Konto geführten Gemein-
schaftskonto die Mitkontoinhaber für einen debitorischen Kontostand als Gesamtschuldner i.S.v. § 421 BGB. Die kontoführende Bank kann somit jeden der Mitkontoinhaber auf den vollen Betrag der Forderung in Anspruch nehmen. Soweit es sich bei den Mitkontoinhabern um eine Erbengemeinschaft handelt, besteht die gemeinschaftliche Haftung aufgrund der Bestimmung einer gesamtschuldnerischen Haftung in § 2058 BGB. b) Entstehungstatbestände
3.1016 Ein Und-Konto wird durch Abschluss eines entsprechenden Kontovertrages zwischen al-
len Kontoinhabern und der Bank begründet, in welchem die gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis ausdrücklich geregelt ist. Der Wille der das Konto eröffnenden Personen muss für die Bank erkennbar auf die Stellung als (bloßer) Mitinhaber der Guthabenforderung gerichtet sein.
3.1017 Des Weiteren kann ein Und-Konto durch eine Umwandlung eines bestehenden Oder-
Kontos entstehen. Dies ist zum einen durch einen hierauf gerichteten Änderungsvertrag zwischen Bank und den Inhabern des Oder-Kontos möglich. In der Bankpraxis wird diese Vertragsänderung regelmäßig durch Ausübung eines in dem Kontovertrag des Oder-Kontos mit allen Kontoinhabern vereinbarten Rechtes zum Widerruf der Einzelverfügungsbefugnis erfolgen (dazu Rz. 3.1000).
3.1018 Schließlich kann die gemeinsame Verfügungsberechtigung über ein Gemeinschaftskonto
auch kraft Gesetzes entstehen. Das praktisch wichtigste Beispiel hierfür ist das Konto einer Einzelperson, die von mehreren Personen beerbt wird. Hier wird das Einzelkonto des verstorbenen Kontoinhabers zwangsläufig zu einem Konto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung aller Erben3. Denn die Bank darf kraft Gesetzes nur noch an alle Erben gemeinschaftlich leisten. Auch dürfen Miterben über die zum Nachlass gehörende Forderung nur gemeinschaftlich verfügen (§ 2040 Abs. 1 BGB). c) Einzelfragen der Kontoführung
3.1019 In der Bankpraxis erfolgt die Kontoführung üblicherweise auf Basis entsprechner Musterformulare4. Dort ist u.a. ausdrücklich die bereits zuvor erwähnte Gesamtschuldnerschaft gem. § 421 BGB bezüglich der Haftung für Verbindlichkeiten aus dem Und-Konto ver-
1 2 3 4
BGH v. 28.1.1980 – II ZR 39/79, WM 1980, 438. BGH v. 28.1.1980 – II ZR 39/79, WM 1980, 438. Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 13. Kontoeröffnungsformular Gemeinschaftskonto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung („Und-Konto“), abgedruckt in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/165.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
einbart1. Anders als bei einem Oder-Konto ist das Risiko einer Haftung eines Mitkontoinhabers für Verbindlichkeiten der anderen Kontoinhaber allerdings erheblich gemindert, da die Einräumung und Inanspruchnahme eines Überziehungskredits nur durch gemeinsames Handeln sämtlicher Kontoinhaber erfolgen kann. In den banküblichen Kontoformularen für Und-Konten sind überdies Regelungen zur Erteilung und Ausübung von Vollmachten enthalten. So kann eine Kontovollmacht nur von allen Kontoinhabern gemeinschaftlich erteilt werden. Jeder Mitkontoinhaber ist jedoch berechtigt, für seine Befugnisse ohne Mitwirkung der anderen Kontoinhaber Vollmacht zu erteilen. Der Bevollmächtigte kann seine Vertretungsbefugnis allerdings nur gemeinsam mit den anderen Mitkontoinhabern ausüben. Hingegen führt der Widerruf durch einen der Kontoinhaber zum Erlöschen der Vollmacht. Über den Widerruf ist die Bank unverzüglich und aus Beweisgründen möglichst schriftlich zu unterrichten.
3.1020
Regelungen werden üblicherweise auch zur Übermittlung von Benachrichtigungen und Kontoauszügen getroffen. Unmittelbare Benachrichtungen (z.B. bei der Nichtausführung von Zahlungsverkehrsaufträgen) werden demnach von der Bank an eine mit den Mitkontoinhabern vereinbarte Postanschrift übermittelt. Konto- und Kreditkündigungen sowie die Ankündigung solcher Maßnahmen werden jedoch jedem Konto-/Depotinhaber zugeleitet. Zusätzlich wird jedem Mitkontoinhaber das Recht eingeräumt, zu verlangen, dass ihm künftig alle Konto-/Depotmitteilungen zusätzlich übermittelt werden. Kontoauszüge werden in der zwischen Bank und den Mitkontoinhabern vereinbarten Form übermittelt.
3.1021
d) Vollstreckung und Insolvenz eines Mitkontoinhabers Aufgrund der gemeinsamen Verfügungsberechtigung der Mitkontoinhaber eines UndKontos kann im Gegensatz zur Rechtslage bei einem Oder-Konto durch Gläubiger nicht mit einem nur gegen einen der Mitkontoinhaber gerichteten Vollstreckungstitel das Kontoguthaben gepfändet werden. Die Pfändung der Guthabenforderung setzt vielmehr einen Vollstreckungstitel gegen sämtliche Mitkontoinhaber und einen entsprechenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss voraus2. Aufgrund eines nur gegen einen der Mitkontoinhaber gerichteten Vollstreckungstitels kann allerdings dessen Anteil am Gesamthandvermögen oder dessen Anteil an der Bruchteilsgemeinschaft gepfändet werden. Eine unmittelbare Pfändung eines Teils der Guthabenforderung aus dem Und-Konto kann auf diese Weise allerdings nicht vorgenommen werden3.
3.1022
Im Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines der Mitkontoinhaber gelten im Wesentlichen die zuvor zum Oder-Konto genannten Grundsätze (vgl. Rz. 3.1008). Dies ist darin begründet, dass die Mitkontoinhaber eine Gesamthands- oder Bruchteilsgemeinschaft in Bezug auf die Guthabenforderung bilden und somit ebenfalls in den Anwendungsbereich des § 84 InsO fallen. Die auf den Insolvenzverwalter übergehende Ver-
3.1023
1 Kontoeröffnungsformular Gemeinschaftskonto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung („UndKonto“), abgedruckt in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/165. 2 Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 33 Rz. 113; Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 17; Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, 4. Aufl. 2005, Rz. 233; Gößmann/Walgenbach in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/153. 3 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 35 Rz. 24a; Gößmann/Walgenbach in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/153.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
fügungsbefugnis kann jedoch von diesem jedoch nur gemeinsam mit dem anderen Mitkontoinhaber ausgeübt werden. Der Insolvenzverwalter ist somit wie zuvor der Insolvenzschuldner an die Beschränkungen durch die gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis bei einem Und-Konto gebunden. e) Verfügungsbefugnis im Erbfall
3.1024 Für den Fall des Todes eines der Mitkontoinhaber des Und-Kontos ist in den Musterformularen der Kreditwirtschaft eine allgemeine Regelung für die Konto(fort)führung bzw. Kontoauflösung enthalten. Dort heißt es diesbezüglich wie folgt: „Nach dem Tod eines Kontoinhabers können die anderen Kontoinhaber nur zusammen mit den Erben über die Konten […] verfügen oder diese auflösen.“1
3.1025 Wird der verstorbene Mitkontoinhaber von einem Alleinerben beerbt, ändert sich an der zu Lebzeiten beider Mitkontoinhaber bestehenden Verfügungsbefugnis nichts. Der Alleinerbe und der überlebende Mitkontoinhaber sind nur gemeinsam über das Und-Konto verfügungsbefugt. Handelt es hingegen um eine Erbengemeinschaft, so wird die Verfügungsbefugnis von den Miterben und dem überlebenden Mitkontoinhaber gemeinschaftlich wahrgenommen.
II. Treuhandkonto 1. Begriff
3.1026 Nach (wohl) allgemeinem Verständnis, handelt es sich bei einem Treuhandkonto um eine „Schöpfung der Bankpraxis“, für die keine umfassende gesetzliche Regelung besteht, sondern deren Ausformung vielmehr durch von der Rechtsprechung entwickelte Prinzipien vollzogen worden ist2. Das ursprünglich vom Reichsgericht3 aufgestellte Unmittelbarkeitsprinzip, wonach für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses erforderlich sei, dass das Treugut vom Treugeber unmittelbar in das Vermögen des Treuhänders übergegangen sein muss, hat in der Praxis in Bezug auf das Treuhandkonto an Bedeutung verloren. Der BGH lässt es vielmehr genügen, das Dritte bestimmungsgemäß auf das Treuhandkonto, welches zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt ist, einzahlen oder auf das Treuhandkonto eine Zahlung auf eine Forderung erfolgt, die nicht in der Person des Treuhänders, sondern unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden ist4. 2. Grundprinzipien a) Arten des Treuhandverhältnisses
3.1027 Das Treuhandverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder kann in Bezug auf die Rechtsposition des Treuhänders verschiedene Gestaltungsformen aufweisen. Dabei wird 1 Vgl. Ziff. 6 des Formulars Eröffnung von Gemeinschaftskonten abgedruckt in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/165. 2 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 37 Rz. 1; Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 43; Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/240. 3 RGZ 84, 214. 4 BGH v. 7.7.2005 – III ZR 422/04, WM 2005, 1793.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
unterschieden zwischen der Ermächtigungstreuhand und der fiduziarischen Vollrechtstreuhand. Bei einem Treuhandkonto liegt in der Bankpraxis im Regelfall eine fiduziarische Vollrechtstreuhand zugrunde. Bei einer Ermächtigungtreuhand bleibt der Treugeber rechtlicher Eigentümer/Inhaber des Treuguts, es erfolgt kein Rechtsübergang auf den Treuhänder1. Der Treuhänder wird vielmehr vom Treugeber gem. § 185 Abs. 1 BGB zur Verfügung über das Treugut als Nichtberechtigter ermächtigt. Der Treuhänder handelt dabei auf Grundlage der Ermächtigung im eigenen Namen und kann im Außenverhältnis (bspw. gegenüber der Bank) wirksam über das fremde Treugut verfügen.
3.1028
Im Unterschied dazu ist der Treuhänder bei der fiduziarischen Vollrechtstreuhand selbst Inhaber des Treuguts. Er ist in Bezug auf das Treugut vollumfänglich verfügungsbefugt. Eine Beschränkung seiner Verfügungsbefugnis im Außenverhältnis ist aufgrund der Vorschrift des § 137 BGB nicht möglich. Dem Treuhänder steht somit im Außenverhältnis eine umfassende Rechtsstellung zu, welche im Innenverhältnis zum Treugeber Beschränkungen unterliegen kann, so dass es sich um eine überschießende Rechtsmacht des Treuhänders handelt2. In Bezug auf Treuhandkonten ist die Vereinbarung einer fiduziarischen Vollrechtstreuhand zwischen Treugeber und Treuhänder in der Bankpraxis der absolute Regelfall. Für die weitere Darstellung des Treuhandkontos wird daher nachfolgend die Vollrechtstreuhand zugrunde gelegt.
3.1029
b) Arten von Treuhandkonten Bei einem Treuhandkonto wird zwischen verschiedenen Arten der Kontoführung unterschieden. Es kann sich um ein offenes oder um ein verdecktes Treuhandkonto handeln. Die vom Kontoinhaber gewählte Ausgestaltung ist für seine Rechtsbeziehung zur kontoführenden Bank von zentraler Bedeutung.
3.1030
aa) Offenes Treuhandkonto Ein offenes Treuhandkonto ist dadurch gekennzeichnet, dass die Eröffnung und Führung des Kontos im fremden Interesse vom Kontoinhaber gegenüber der Bank von Anfang an offengelegt wird. Der Treuhänder macht insofern gegenüber der Bank deutlich, dass das Konto ausschließlich zur Aufnahme fremder Gelder dient, welche er nur in seiner Funktion als Treuhänder erhalt3. Maßgeblich für die Qualifizierung als Treuhandkonto ist die Kenntnis der Bank über die Rechtsstellung des Treuhänders, so dass zur Wahrung des Offenkundigkeitsgrundsatzes entweder das Treuhandkonto erkennbar als solches bezeichnet werden muss4 oder der Bank deutlich gemacht wird, dass auf dem Konto ausschließlich Werte gelangen sollen, die dem Kontoinhaber nur als Treuhänder zustehen5.
3.1031
Bei einem offenen Treuhandkonto werden sowohl das Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht sowie auch das nach Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken bestehende Pfandrecht der
3.1032
1 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 58. 2 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 48. 3 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 37 Rz. 39 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 4 BGH v. 25.3.1973 – II ZR 104/71, NJW 1973, 1754. 5 BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Bank am Kontoguthaben ausgeschlossen1. Nach der Rechtsprechung des BGH ergibt sich dieser Ausschluss der bankseitigen Rechte im Wege der Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB aus dem Umstand, dass der Treuhandcharakter des Kontos der Bank im Zeitpunkt der Kontoeröffnung bekannt war und somit der Schluss gezogen werden kann, dass der Bank der Zugriff auf das Guthaben des Treuhandkontos zur Befriedigung eigener Forderungen verwehrt sein soll2. Die vorgenannten Rechte der Bank kann diese bei einem offenen Treuhandkonto nur wegen solcher Forderungen geltend machen, die im Zusammenhang mit Vorgängen auf dem Treuhandkonto selbst stehen, nicht aber wegen Ansprüchen gegen den Treuhänder persönlich (z.B. aus einem eigenen Konto des Treuhänders)3. bb) Verdecktes Treuhandkonto
3.1033 In Abgrenzung zum offenen Treuhandkonto handelt es sich um ein verdecktes Treuhandkonto, wenn der Treuhandcharakter des Kontos bei der Errichtung unbekannt geblieben ist, weil der Kontoinhaber gegenüber der Bank seine Rechtstellung als Treuhänder nicht offengelegt hat4. Bei einem verdeckten Treuhandkonto bestehen die zuvor dargestellten Einschränkungen der Rechte des kontoführenden Kreditinstituts nicht. Die Parteien des Treuhandverhältnisses können sich im Fall eines verdeckten Treuhandkontos gerade nicht darauf berufen, dass die Guthabenforderung auf dem Konto wirtschaftlich zum Vermögen des Treugebers gehöre, vielmehr kann die Bank von einem normalen Eigenkonto ausgehen, wenn bei Errichtung des Kontos der besondere Zweck nicht mitgeteilt worden ist, so dass die bei einem offenen Treuhandkonto vorausgesetzte stillschweigende Vereinbarung zur Einschränkung der Rechte der Bank nicht besteht5. cc) Treuhandsammelkonto
3.1034 Unter einem Treuhandsammelkonto ist die Errichtung und Führung eines Treuhandkontos für mehrere Treugeber zu verstehen. Derartige Treuhandsammelkonten sind grundsätzlich rechtlich zulässig. In der Praxis sind dies bspw. Mietkautionssammelkonten, auf welchem von einem Vermieter die Kautionsgelder mehrerer Mieter angelegt werden6. Der Treuhandcharakter geht nicht bereits deshalb verloren, weil auf dem Konto die Gelder mehrerer Treugeber vorhanden sind. Die Treuhandbindung des Treuhänders muss nicht nur für einen Treugeber bestehen, erforderlich ist vielmehr, dass das Konto offen ausgewiesen oder sonst nachweisbar ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt ist7. Das Treuhandkonto kann somit auch für mehrere Treugeber geführt werden, solange das Konto als Ganzes von der Treuhandbindung erfasst ist8. Bei einem Treuhandsammelkonto geht auch nicht allein durch die Anlage mehrerer Treugelder der insolvenzrechtliche Schutz in Form eines Aussonderungsrechts gem. § 47 InsO verloren, auch wenn es zur Vermischung verschiedener Treugüter kommt. Trotz Vermischung von Fremdgeldern entsteht an dem Konto als Ganzen eine treuhänderische 1 BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 15/95 WM 1996, 249; BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688. 2 BGH v. 22.3.1987 – III ZR 263/85, WM 1987, 922; BGH v. 23.4.1983 – III ZR 218/82, WM 1983, 873; BGH v. 25.3.1973 – II ZR 104/71, NJW 1973, 1754. 3 Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/245a. 4 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 37 Rz. 43. 5 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 37 Rz. 43. 6 Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/254c. 7 BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 49/10, WM 2011, 798. 8 BGH v. 24.3.2003 – IX ZR 120/02, WM 2003, 1641.
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Bindung1. Der Aussonderungsanspruch setzt bei einem Treuhandverhältnis voraus, dass die auszusondernden Gegenstände bestimmt oder bestimmbar sind (Bestimmtheitserfordernis), woraus folgt, dass das Treugut vom eigenen Vermögen des Treuhänders getrennt gehalten werden muss, da bei einer Vermischung mit dem Vermögen des Treuhänders sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen lässt, was das Treugut ist2. Eine Vermischung zwischen Treugut und dem Vermögen des Treuhänders erfolgt, wenn dieser seinen eigenen Zahlungsverkehr über das Treuhandsammelkonto laufen lässt und es somit auch als Eigenkonto nutzt. In diesem Fall würde wegen Vermischung mit eigenem Vermögen des Treuhänders das Aussonderungsrecht der Treugeber verloren gehen, da die Rechtsordnung eine Aussonderung wegen eines bloßen Geldsummenanspruchs nicht kennt3. Schließlich ist auch aufsichtsrechtlich nach dem GwG die Führung eines Treuhandsammelkontos nicht per se unzulässig, vielmehr ist die Nutzung eines Kontos für mehrere wirtschaftliche Berechtigte nicht verboten, solange sämtliche wirtschaftlich Berechtigten ordnungsgemäß identifiziert werden4.
3.1035
3. Rechtsbeziehungen der Bank zum Treuhänder und Treugeber
Bank Ke
in
Ve
rtr
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ver
häl
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s
Treuhänder (Kontoinhaber) Innenverhältnis (Treuhandvertrag)
Außenverhältnis (Zahlungsdiensterahmenvertrag)
Treugeber
a) Treuhänder – Bank Der Treuhänder ist aus einem Treuhandkonto gegenüber der Bank genauso wie bei einem (sonstigen) Eigenkonto umfassend verfügungsberechtigt. Er hat die alleinige Kontoinhaberschaft über das Treuhandkonto inne. Die vollumfängliche Verfügungsbefugnis des Treuhänders entstammt seiner Rechtsposition aus der fiduziarischen Vollrechtstreuhand (vgl. Rz. 3.1029). 1 2 3 4
Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/254c. BGH v. 24.3.2003 – IX ZR 120/02, WM 2003, 1641. BGH v. 24.3.2003 – IX ZR 120/02, WM 2003, 1641. Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/242d.
Kropf | 457
3.1036
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.1037 Auch wenn der Bank bei einem offenen Treuhandkonto die zugrunde liegende Treuhand-
abrede zwischen Treuhänder und Treugeber, mithin der Treuhandcharakter des Kontos bekannt ist, obliegen der Bank keine Prüfung- oder Überwachungspflichten in Bezug auf die Kontoverfügungen des Treuhänders. Insbesondere muss die kontoführende Bank nicht überprüfen, ob der Treuhänder die Bindungen, welchen er ggf. im Verhältnis zum Treugeber aus dem Treuhandvertrag unterliegt, auch tatsächlich einhält. Diese Pflichten des Treuhänders betreffen ausschließlich das Innenverhältnis zum Treugeber, an welchem die Bank nicht als Vertragspartei beteiligt ist. Insbesondere kann die Bank wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen die im Innenverhältnis bestehende Treuhandabrede keine Zahlungsaufträge des Treuhänders zurückweisen. Gemäß § 675o Abs. 2 BGB unterliegt die Bank einer Ausführungspflicht und diese ist nur dann berechtigt einen Zahlungsauftrag abzulehnen, wenn die im Zahlungsdiensterahmenvertrag festgelegten Ausführungsbedingungen nicht erfüllt sind oder die Ausführung gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt. So ist auch in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass der Treugeber in den Schutzbereich des Vertrags über ein Treuhandkonto grundsätzlich nicht einbezogen ist, da Banken im automatisiert abgewickelten Zahlungsverkehr nur sehr eingeschränkt Prüfpflichten übernehmen können und der Treugeber eine Übernahme derartiger Prüfpflichten von der Bank auch nicht erwarten kann1. b) Treugeber – Bank
3.1038 Zwischen Treugeber und der das Treuhandkonto führenden Bank besteht keine vertrag-
liche Rechtsbeziehung. Der Treugeber kann folglich keine Recht und Ansprüche gegenüber der Bank in Bezug auf das Treuhandkonto geltend machen. Dies betrifft sowohl die Verfügungsbefugnis über das Konto als auch Auskünfte über den Kontostand etc. Entsprechende Auskunftsersuchen hat der Treugeber im Innenverhältnis gegenüber dem Treuhänder zu stellen. Spiegelbildlich hat der Treugeber allerdings gegenüber der Bank keine zivilrechtlichen Pflichten. Er haftet demnach auch nicht für einen etwaig bestehenden Schuldsaldo auf dem Treuhandkonto2. 4. Zwangsvollstreckung in ein Treuhandkonto
3.1039 In Bezug auf die Zwangsvollstreckung in ein offenes Treuhandkonto bestimmen sich die
Rechtswirkungen danach, ob Gläubiger des Treuhänders oder des Treugebers die Zwangsvollstreckung betreiben. Bei einer Zwangsvollstreckung gegen den Treuhänder sind grundsätzlich auch dessen Guthabenforderungen auf einem Treuhandkonto erfasst, da er im Verhältnis zur Bank alleiniger Forderungsinhaber ist. Der Treugeber kann allerdings Abwehrrechte gegen die Pfändung und Überweisung des Kontoguthabens geltend machen, da ihm aufgrund des bestehenden Treuhandverhältnisses zum Vollstreckungsschuldner eine Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO offensteht. Für das Bestehen des Rechts zur Erhebung einer Drittwiderspruchsklage durch den Treugeber kommt es nach der Rechtsprechung des BGH nicht darauf an, ob das Treuhandverhältnis zum Kontoinhaber offengelegt worden ist, so dass eine Drittwiderspruchsklage auch im Falle eines verdeckten Treuhandkontos erhoben werden könnte3.
3.1040 Im Rahmen einer Zwangsvollstreckung der Gläubiger des Treugebers in das Treuhandkonto des Treuhänders ist zu berücksichtigen, dass alleiniger Kontoinhaber und damit 1 BGH v. 22.3.2010 – VI ZR 212/09, WM 2010, 1393. 2 Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/243. 3 BGH v. 1.7.1993 – IX ZR 251/92, WM 1993, 1524.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
auch alleiniger Inhaber der Forderung aus dem Kontoguthaben gegenüber der Bank der Treuhänder ist. Die Vollstreckungsgläubiger des Treugebers können somit nicht das Kontoguthaben auf dem Treuhandkonto pfänden, vielmehr geht mangels Forderungsinhaberschaft des Treugebers die Pfändung ins Leere. Den Vollstreckungsgläubigern des Treugebers steht somit nur die Möglichkeit offen, den Rückgewähranspruch des Treugebers gem. § 667 BGB gegenüber dem Treuhänder zu pfänden1. Die Bank, der als Drittschuldnerin ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Vollstreckungsgläubiger des Treugebers zugestellt wird, hat ausschließlich ein Kontovertragsverhältnis zum Treuhänder, so dass sie aufgrund des im Verhältnis zum Treuhänder bestehenden Bankgeheimnisses den Pfändungsgläubigern keine Auskunft über das Bestehen eines Treuhandverhältnisses und damit die Stellung des Treugebers als wirtschaftlich Berechtigten erteilen darf2. Vielmehr darf die Bank nur auf das Fehlen der Kontobeziehung zum Treugeber als Vollstreckungsschuldner verweisen. 5. Treuhandkonto in der Insolvenz Die Auswirkungen einer Insolvenzeröffnung auf ein bestehendes Treuhandkonto unterscheiden sich danach, ob der Treuhänder oder der Treugeber insolvent geworden ist.
3.1041
Die Insolvenz des Treuhänders hat besondere Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zum Treugeber. Das Treuhandverhältnis zwischen diesen Parteien, welches dem offenen Treuhandkonto zugrunde liegt, ist als ein Auftragsverhältnis gem. § 662 BGB oder im Falle der Entgeltlichkeit als ein Geschäftsbesorgungsverhältnis gem. § 675 BGB zu qualifizieren. Der Treugeber hat gem. § 667 BGB gegenüber dem Treuhänder einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch in Bezug auf das Treugut, welches Gegenstand des Treuhandverhältnisses ist. Dieser Rückgewähranspruch wird in der Rechtsprechung des BGH eine dingliche Komponente beigemessen, so dass der Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders ein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO erlangt3. Dieses Aussonderungsrecht in Bezug auf das Kontoguthaben steht dem Treugeber allerdings nicht gegenüber der Bank, sondern ausschließlich gegenüber dem Insolvenzverwalter des Treuhänders zu4. Eine Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der Bank auf Auskehrung des Kontoguthabens auf dem Treuhandkonto kommt daher nicht in Betracht. Im Verhältnis des Treuhänders als Kontoinhaber zur Bank erlischt der zugrunde liegenden Zahlungsdiensterahmenvertrag bei Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders gem. §§ 115, 116 InsO.
3.1042
Die Insolvenz des Treugebers hat keine Auswirkungen auf das Kontovertragsverhältnis zwischen Treuhänder und Bank. Ebenso wenig treten Rechtswirkungen im Verhältnis zur kontoführenden Bank ein, da der Treugeber in keiner Rechtsbeziehung zur Bank steht. Im Verhältnis zum Treuhänder erlischt gem. §§ 115, 116 InsO das Treuhandverhältnis mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers. Der Insolvenzverwalter des Treugebers, auf welchen gem. § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldvermögen übergeht, kann gegenüber dem Treuhänder die Herausgabe des Treuguts in Gestalt des Guthabens auf dem Treuhandkonto zur Insolvenzmasse verlangen5.
3.1043
1 BGH v. 5.11.1953 – IV ZR 95/53, NJW 1954, 190; Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 37 Rz. 69. 2 Fischbeck in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/247d. 3 BGH v. 24.3.2003 – IX ZR 75/01, NJW 2003, 3414. 4 Kamm, Kontoführung in der Insolvenz, S. 114 m.w.N. 5 BGH v. 12.7.2012 – IX ZR 213/11, WM 2012, 1493.
Kropf | 459
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
III. Anderkonto 1. Überblick
3.1044 Bei Anderkonten handelt es sich um Treuhandkonten für bestimmte Berufsgruppen.
Dementsprechend gelten grundsätzlich die zuvor für allgemeine Treuhandkonten dargestellten Prinzipien auch für Anderkonten. Nachfolgend werden daher nur die Besonderheiten bezüglich der Eröffnung und Führung von Anderkonten dargestellt. Die Besonderheiten ergeben sich im Wesentlichen aus den berufsrechtlichen Regelungen der Kontoinhaber. Anderkonten stehen Berufsträgern offen, die einer Berufsaufsicht durch Kammern unterliegen, da die für die Errichtung von Anderkonten notwendige Sicherheit sowie das erforderliche Maß an Zuverlässigkeit nur bei denjenigen Berufsgruppen vorausgesetzt werden kann, welche einer gesetzlichen Berufsaufsicht unterworfen sind1. Zulässige Anderkonteninhaber sind daher Notare und Rechts- und Patentanwälte sowie auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, nicht hingegen jedoch Insolvenzverwalter oder lediglich der staatlichen Gewerbeaufsicht unterliegende Berufsgruppen wie Makler, Bauträger bzw. Architekten2.
3.1045 Bei einem Anderkonto handelt es sich um ein offenes Treuhandkonto, da der Bank die
Treuhänderstellung des Berufsträgers stets bekannt ist. Dies ergibt sich bereits aus der Begriffsbestimmung und des Prozedere bei der Kontoeröffnung gemäß den in der Bankwirtschaft üblichen Anderkontobedingungen. Überdies liegt einem Anderkonto abredegemäß stets eine Vollrechts-Treuhand und keine Ermächtigungs-Treuhand zugrunde3. Auch bei Anderkonten als besonderen Berufsgruppen offenstehenden Treuhandkonten ist der Berufsträger als Treuhänder somit Vollrechtsinhaber und gegenüber der kontoführenden Bank allein berechtigt und verpflichtet. Der Treugeber bzw. Mandant hat bei Anderkonten keine Rechte oder Ansprüche gegenüber der kontoführenden Bank, sei es in Bezug auf Auskünfte oder sei es gar betreffend Verfügungen über das Kontoguthaben. 2. Besonderheiten bei Rechtsanwalts- und Notaranderkonten
3.1046 Im Rahmen der Kontoeröffnung von Anderkonten hat der Kontoinhaber jeweils den
Treugeber als wirtschaftlich Berechtigten des Kontoguthabens gegenüber der Bank mitzuteilen. Bei Rechtsanwaltsanderkonten ergeben sich im Vergleich zu Notaranderkonten gewisse Eigenheiten. Rechtsanwälten ist es gem. Nr. 2 Abs. 2 der Anderkontobedingungen gestattet, Sammelanderkonten zu eröffnen Dabei handelt es sich um Anderkonten, die der Verwahrung von Vermögenswerten verschiedener Mandanten dienen. Allerdings sind Sammelanderkonten nur für die nicht dauerhafte Verwahrung von Mandantenwerten nutzbar. Rechtsanwälte unterliegen gem. § 43a Abs. 5 BRAO der Pflicht fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen. Demnach dienen Sammelanderkonten nur als Durchlaufkonten, da die Gelder entweder auf ein Einzelanderkonto des betreffenden Mandanten oder ggf. auch auf ein Einzelkonto des Anwalts weiterzuleiten sind, falls es sich um Gelder, die für den Anwalt bestimmt sind, handelt. Diese Eigenschaft wird auch dadurch verdeutlicht, dass der Kontoinhaber gem. Ziff. 5 der Kontobedingungen dafür zu sorgen hat, dass auf einem Sammelanderkonto 1 Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/259. 2 Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/259 f. 3 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 38 Rz. 2.
460 | Kropf
Besondere Kontoarten | Teil 3
Werte über 15.339 € für einen einzelnen Mandanten als Treugeber nicht länger als einen Monat verbleiben. Abweichend von Einzelanderkonten müssen der oder die wirtschaftlich Berechtigten nur auf Verlangen der kontoführenden Bank mitgeteilt werden. Notaren ist hingegen die Eröffnung und Führung von Sammelanderkonten gesetzlich gem. § 54b Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 BeurkG untersagt, so dass für jedes Treuhandverhältnis ein gesondertes Notaranderkonto zu eröffnen ist. Die Verfügungsbefugnis über Anderkonten von Rechtsanwälten und Notaren ist ausweislich der gängigen Kontobedingungen in Bezug auf den berechtigten Personenkreis eingeschränkt. Bei Notaren darf gem. Ziff. 11 Abs. 1 der Kontobedingungen aufgrund der Bestimmung des § 54b Abs. 3 BeurkG grundsätzlich nur der Notar persönlich, dessen amtlich bestellter Vertreter oder der Notariatsverwalter über das Notaranderkonto verfügen. Sollte der Notar entgegen der genannten Vorschrift die Verfügungsbefugnis auf eine Notargehilfin übertragen, wäre dies eine Amtspflichtverletzung1. Ebenso wenig darf ein Notar einem anderen Notar oder Anwalt Vollmacht über sein Anderkonto erteilen oder für die Zeit seiner Abwesenheit von ihm blanko unterschrieben Überweisungsträger bereitstellen2. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der persönlichen Amtsausübung bei hoheitlich tätig werden Notaren. Davon abweichend bestimmt § 54b Abs. 3 Satz 2 BeurkG, dass die Landesregierungen ermächtigt sind, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass Verfügungen auch durch einen entsprechend bevollmächtigten anderen Notar erfolgen dürfen. Auf Basis dieser Verordnungsermächtigung hat bisher nur der Stadtstaat Hamburg eine entsprechende Regelung erlassen3. Bei Rechtsanwaltsanderkonten darf gem. Nr. 7 der Sonderbedingungen eine Kontovollmacht nur einem (anderen) Rechtsanwalt, einem Notar, einem Notarassessor, einem Patentanwalt, einem Wirtschaftsprüfer, einem vereidigten Buchprüfer, einem Steuerberater oder einem Steuerbevollmächtigten erteilt werden. Es handelt sich dabei um eine abschließende Aufzählung von Berufsträgern, welchen eine Vollmacht erteilt werden darf. Eine Vollmacht an einen Bürovorsteher des Rechtsanwalts ist daher unzulässig4.
3.1047
Für die laufende Kontoführung eines Rechtsanwalts- oder Notaranderkontos unterliegt die kontoführende Bank keinen Prüfungspflichten in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Verfügungen des jeweiligen Kontoinhabers im Verhältnis zu Dritten. Diesen Ausschluss regeln nochmals explizit Nr. 9 bzw. Nr. 7 der jeweils einschlägigen Anderkontobedingungen. Dabei handelt es sich jedoch letztendlich um eine rein deklaratorische Regelung, da es sich bei Anderkonten von Berufsträgern stets um offene Treuhandkonten handelt, denen eine Vollrechtsinhaberschaft in Bezug auf das Kontoguthaben zugrunde liegt. Eine Bank unterliegt keinen Schutz- oder Prüfpflichten zugunsten des Treugebers, da sie mit diesem in keiner vertraglichen Beziehung steht (vgl. Rz. 3.1038). Lediglich in absoluten Ausnahmebzw. Sonderfällen, in denen die Bank positive Kenntnis eines offensichtlichen Pflichtenverstoßes des Kontoinhabers aus dem Treuhandverhältnis hat, dieser sich mithin geradezu aufdrängt, kann es in Einzelfallen angezeigt sein, eine Verfügung nicht auszuführen, da anderenfalls eine deliktische Schadensersatzhaftung gegenüber dem Treugeber u.U. nach
3.1048
1 BGH v. 30.4.2008 – III ZR 262/07, WM 2008, 1135. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, SB Ander Notar Rz. 15. 3 Vgl. Verordnung über die Befugnis zur Verfügung über Notaranderkonten v. 13.10.1998, HmbGVBl. 1998, 209. 4 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, SB Ander RA Rz. 27; Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/290.
Kropf | 461
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
§ 826 BGB in Betracht kommen könnte. Dabei handelt es sich in der Praxis jedoch um besonders gelagerte Einzelfälle1.
3.1049 Die Anderkontobedingungen für Rechtsanwälte (Nr. 12) und Notare (Nr. 10) bestimmen
ferner nochmals ausdrücklich, dass die kontoführende Bank auf die Geltendmachung des Rechts zur Aufrechnung sowie auch von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten verzichtet, es sei denn es handelt sich um Forderungen, die in Bezug auf das Anderkonto selbst entstanden sind. Dabei handelt es sich wiederum um eine rein deklaratorische Regelung, da es sich bei Anderkonten um offene Treuhandkonten handelt, bei denen sich nach der Rechtsprechung des BGH aus der Auslegung des Kontovertrags bereits regelmäßig ein solcher Wille der Bank ergibt (vgl. Rz. 3.1032). Die im zweiten Halbsatz der Klausel enthaltene Ausnahme betrifft alle Hauptansprüche aus der Führung des Anderkontos, insbesondere dies sich daraus ergebenden Nebenkosten wie Zinsen, Entgelte, Provisionen und Auslagen, wobei zu beachten ist, dass die Aufrechnungsbefugnis und das Pfandrecht auf das Anderkonto beschränkt sind, bei welchem die Forderungen entstanden sind2.
3.1050 Erleichterungen bestehen in Bezug auf die Eröffnung weiterer Anderkonten. Auf Wunsch des Anwalts bzw. Notars eröffnet die Bank weitere Anderkonten ohne einen schriftlichen Kontoeröffnungsantrag3. Weitere Anderkonten des jeweiligen Kontoinhabers sind daher auch auf Basis mündlicher bzw. telefonischer Weisung möglich, ohne dass dabei ein erneuter ausdrücklicher Hinweis der Bank auf die Geltung der Kontobedingungen nach § 305 Abs. 2 BGB erforderlich wäre4.
3.1051 Im Falle einer Pfändung des Guthabens auf einem Anderkonto wird die Bank den pfän-
denden Gläubiger im Rahmen der Drittschuldnererklärung i.S.v. § 840 ZPO auf die Eigenschaft als Anderkonto hinweisen. Auch wenn die Forderungen aus einem Anderkonto von Rechtsanwälten oder Notaren weder abtretbar noch verpfändbar sind, unterliegen sie dennoch gem. § 851 Abs. 2 ZPO der Pfändung5. Da folglich die Forderungen aus einem Anderkonto von einer Pfändung der Gläubiger des Anderkontoinhabers erfasst sein können, steht dem Treugeber nur die Möglichkeit offen, eine Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO zu erheben. Der in den Anderkontobedingungen vorgesehene Hinweis der Bank auf das Bestehen von Rechten Dritter aufgrund der Treuhandeigenschaft des Kontos, schafft die Möglichkeit die Erhebung einer Drittwiderspruchsklage zu verhindern, da auf diese Weise der Gläubiger den Pfändungszugriff nochmals überprüfen und sodann die Forderungen freigeben kann. Auf die Rechte des Treugebers eines Anderkontos kann sich die Bank gegenüber den Pfändungsgläubigern des Kontoinhabers allerdings nicht berufen6.
3.1052 Schließlich bestehen bei Anderkonten von Rechtsanwälten und Notaren Besonderheiten in
Bezug auf die Rechtsnachfolge in die Kontoinhaberschaft. Im Falle des Todes des Inhabers eines Rechtsanwaltsanderkontos geht die Kontoinhaberschaft und Verfügungsbefugnis nicht auf dessen Erben als Gesamtrechtsnachfolger gem. § 1922 BGB über. Die Guthabenforderung eines Anderkontos fällt somit nicht in den Nachlass, so dass auch nicht mit den
1 Vgl. zu den einzelnen denkbaren Fallgruppen Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/300a ff. 2 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, SB Ander RA Rz. 42. 3 Vgl. Nr. 2 Abs. 3 bzw. Nr. 2 Satz 3 der Sonderbedingungen für Rechtsanwälte bzw. Notare. 4 Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, SB Ander RA Rz. 19. 5 KG v. 3.12.2012 – 24 U 124/11, WM 2013, 1407, 1409. 6 BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 23/05, WM 2006, 2229; KG v. 3.12.2012 – 24 U 124/11, WM 2013, 1407, 1410.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
Erben eine andere Person als diejenige, auf welche das Anderkonto eröffnet worden ist, die Dispositionsbefugnis erhält1. Nr. 13 Abs. 1 der Anderkontobedingungen für Rechtsanwälte enthält insoweit eine Sonderregelung, welche auf § 55 BRAO beruht. Die Landesjustizverwaltung hat einen Abwickler für das Kanzleianderkonto zu bestellen. Bis dahin geht die Kontoinhaberschaft auf die zuständige Rechtsanwaltskammer über. Bezüglich der rechtlichen Gestaltung des Übergangs der Kontoinhaberschaft auf die Berufskammer handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall, §§ 328, 331 BGB2. Sobald ein Kanzleiabwickler gem. § 55 BRAO bestellt worden ist, rückt dieser gem. Nr. 13 Abs. 1 der Anderkontobedingungen in die Rechtsstellung des Kontoinhabers ein. Eine vergleichbare Systematik findet Anwendung, wenn der Kontoinhaber aus der Rechtsanwaltschaft ausscheidet oder ein Berufs- bzw. Vertretungsverbot gegen ihn verhängt wird3. Entsprechende Regelungen bestehen nach Nr. 11 Abs. 4 der Anderkontobedingungen für Notare, auch wenn dort der Fall des Ablebens des Kontoinhabers nicht explizit geregelt ist. Die zuständige Notarkammer wird Kontoinhaber und damit Vertragspartner der Bank in Bezug auf das Notaranderkonto, bis die Landesjustizverwaltung einen Notariatsverwalter bestellt oder einem anderen Notar die Verfügungsbefugnis übertragen hat. Auch im Rahmen der Rechtsnachfolge ist insoweit zu berücksichtigen, dass gem. § 54b Abs. 3 Satz 1 BeurkG über ein Notaranderkonto nur der Notar persönlich, dessen amtlich bestellter Vertreter oder der Notariatsverwalter verfügen darf. Ein Eintritt der Erben in die Kontoinhaberstellung wäre daher mit den berufsrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar. Ein bestellter Notariatsverwalter hat sich mit einer Bestallungsurkunde, die für den Beginn seiner Amtstätigkeit konstitutiv ist, zu legitimieren. Durch seine Bestellung geht die Kontoinhaberschaft am Anderkonto auf ihn über, so dass es keiner weiteren Erklärungen in Bezug auf die Kontoinhaberschaft bedarf4. Im Falle einer vorläufigen Amtsenthebung des Kontoinhabers als Notar, verliert dieser seine Verfügungsbefugnis über das Konto, weil er gem. § 55 Abs. 2 Satz 3 BNotO seine Amtsgeschäfte gem. § 23 BNotO nicht mehr ausüben darf. Dies umfasst u.a. die Zuständigkeit des Notars Geld zur Aufbewahrung oder zur Ablieferung an Dritte zu übernehmen. An dessen Stelle ist (wiederum) ein Notariatsverwalter oder Notarvertreter zu bestellen.
IV. Sperrkonto 1. Überblick Bei einem Sperrkonto als Sonderform eines Girokontos handelt es sich um eine Kontoart, bei welcher die Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers beschränkt ist. Die Beschränkung der Verfügungsbefugnis kann unterschiedliche rechtliche Grundlagen haben. Zum einen kann diese auf einer gesetzlichen Regelung beruhen und zum anderen auf einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung des Kunden mit der Bank. Nicht erfasst sind vom allgemeinen Begriffsverständnis eines Sperrkontos hingegen rechtliche Gestaltungen, die besonderen, eigenständigen Regelungen unterliegen5. Dies betrifft bspw. die Vereinbarung eines 1 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 38 Rz. 11. 2 Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/315c; Bunte, AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, SB Ander RA Rz. 44; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Ander Rz. 1. 3 Vgl. Nr. 13 Abs. 2 Anderkontobedingungen für Rechtsanwälte. 4 Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/317b m.w.N. 5 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 36 Rz. 2; so letztendlich auch Gößmann/Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/387 ff.
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3.1053
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Gemeinschaftskontos in Gestalt eines Und-Kontos, bei welchem die Mitkontoinhaber nur gemeinsam über das Konto verfügen können oder auch die Einräumung von dinglichen Rechten an einem Kontoguthaben durch dessen rechtsgeschäftliche Verpfändung an einen Dritten, welche gem. § 1281 BGB zur einer Einschränkung des alleinigen Verfügungsrechts des Kontoinhabers führt.
3.1054 Unter einem Sperrkonto ist somit in der Bankpraxis nur eine solches Eigenkonto zu ver-
stehen, bei welchem die Beschränkung der Verfügungsbefugnis darauf beruht, dass die kontoführende Bank entweder allein mit dem Kontoinhaber oder noch zusätzlich mit einem Dritten als Sperrbegünstigten eine Sperrvereinbarung getroffen hat oder dass eine Sperre kraft Gesetzes oder aufgrund gerichtlicher oder behördlicher Maßnahmen eingreift1. 2. Rechtsgeschäftliche Vereinbarung a) Ausgestaltung
3.1055 Die Begründung eines Sperrkontos auf Basis rechtgeschäftlicher Vereinbarung kann so-
wohl durch Abschluss eines Vertrags zugunsten Dritter i.S.v. § 328 Abs. 1 BGB als auch über eine Selbstbeschränkung des Kontoinhabers im Wege einer Absprache entweder mit der Bank oder mit dem Sperrbegünstigten erfolgen2. Der Abschluss einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, auf deren Basis sich der Kontoinhaber in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt, ist, soweit diese schuldrechtlich Wirkungen entfalten soll, rechtlich zulässig und daher auch rechtswirksam. § 137 Satz 2 BGB bestimmt, dass eine Verpflichtung, über ein Recht nicht zu verfügen, wirksam eingegangen werden kann. Im Rahmen einer Sperrvereinbarung sind unterschiedliche Gestaltungen der Beschränkung möglich. Regelmäßig besteht die Beschränkung in der Praxis darin, dass die Dispositionsbefugnis des Kontoinhabers an die Zustimmung eines Dritten gebunden ist. Grundsätzlich denkbar ist allerdings auch, dass der Kontoinhaber erst bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder bei Erreichen eines bestimmten Termins verfügen darf3. b) Wirkungen
3.1056 In der Bankpraxis stillt sich bei Sperrkonten die grundsätzliche Frage, ob den zugrunde lie-
genden Sperrvereinbarungen dingliche oder schuldrechtliche Wirkungen zukommen. Als Ausgangspunkt ist zu beachten, dass gem. § 137 Satz 1 BGB durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht weder beschränkt noch ausgeschlossen werden kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in § 399 BGB bestimmten Zulässigkeit eines Abtretungsverbots. § 399 BGB bringt zwar zum Ausdruck, dass das Verfügungsrecht über eine Forderung grundsätzlich wirksam ausgeschlossen werden kann, jedoch ist im kaufmännischen Verkehr § 354a HGB zu beachten. Gemäß dieser Vorschrift ist auch bei Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses die Abtretung gleichwohl wirksam, wenn das der Forderung zugrunde liegende Rechtsgeschäft für beide Parteien ein Handelsgeschäft ist. Zutreffend wird daher darauf hingewiesen, dass durch diese Regelung die teilweise einer einer Kontosperre zuerkannte dingliche Wirkung entkräftet wird4. Überdies erlaubt § 399 Alt. 2 BGB nur Abreden, die zivilrechtliche Verfügungen über
1 2 3 4
Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 36 Rz. 4. Canaris in Staub Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, 4. Aufl. 2005, Rz. 252 ff. Gößmann/Habl in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/379. Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 36 Rz. 13.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
die Forderung, mithin ihre Übertragung oder Belastung, auschließen oder einschränken1. Insofern ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Zahlungsauftrag i.S.v. § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB um eine schuldrechtliche Weisung des Kontoinhabers an die Bank handelt und nicht um eine Verfügung über eine Forderung i.S.v. § 399 BGB. Als Regelfall in der Bankpraxis ist daher bei einer rechtsgeschäftlichen Sperrvereinbarung die rein schuldrechtliche Wirkung anzusehen; eine dingliche Wirkung wird nur bei einer Verbindung mit einer Sicherungsabtretung oder Verpfändung des Kontoguthabens gegeben sein2. Abhängig davon, welche rechtliche Ausgestaltung im Rahmen der Kontoeröffnung gewählt worden ist, kann sich die kontoführende Bank bei einem Verstoß gegen die Sperrvereinbarung, mithin bei Ausführung einer Verfügung des Kontoinhabers ohne Zustimmung des Sperrbegünstigten, ggf. schadensersatzpflichtig gegenüber dem Sperrbegünstigen machen. Dies setzt allerdings rechtlich voraus, dass der Sperrbegünstige aufgrund der Sperrvereinbarung ein eigenes Forderungsrecht gegen die Bank auf Beachtung der Sperre erworben hat. Dies kann entweder durch einen dreiseitigen Vertrag zwischen Bank, Kontoinhaber und Sperrbegünstigten oder durch einen Vertrag zwischen Bank und Kontoinhaber, der den Sperrbegünstigen ein echtes Forderungsrecht i.S.v. § 328 Abs. 1 BGB einräumt, vereinbart werden3. In Zweifelsfällen bedarf es einer Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB, ob dem Sperrbegünstigen gegenüber der Bank ein eigenes Forderungsrecht zustehen soll.
3.1057
3. Behördliche, gerichtliche oder gesetzliche Beschränkung Neben einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung sind grundsätzlich auch behördlich oder gerichtlich angeordnete Kontosperren denkbar. Eine gesetzliche Anordnung eines Sperrkontos kommt nur in bestimmten Sonderfällen vor. So regelte bspw. das zum 22.7.2013 außer Kraft getretene Investmentgesetz in dessen § 24 Abs. 2 Satz 1, dass die Depotbank ein Investmentvermögen auf einem Sperrkonto zu verwahren hat. In dem zum 4.7.2013 in Kraft getretenen Kapitalanlagegesetzbuch wird in diversen Vorschriften die Einrichtung bzw. Führung eines Sperrkontos oder eines gesperrten Kontos geregelt, bspw. in § 69 Abs. 4 Satz 2, § 71 Abs. 2 Satz 2 KAGB. Bei der in § 17 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) vorgesehenen Einzahlung auf einem „Sperrkonto“ handelt es sich allerdings nicht um ein Sperrkonto im vorgenannten Sinne. § 17 Abs. 5 VOB/B sieht vor, dass im Rahmen der Sicherheitsleistung der Auftragnehmer den Betrag auf einem Sperrkonto einzuzahlen hat, über das beide nur gemeinsam verfügen können („Und-Konto“). Über den Klammerzusatz wird somit deutlich, dass es sich um ein Gemeinschaftskonto handelt, für welche besondere Bestimmungen zur Kontoführung bestehen.
3.1058
4. Besonderheiten bei Zwangsvollstreckung und Insolvenz Für die in der Bankpraxis als Regelfall zugrunde zu legende Ausgestaltung, gemäß welcher die Sperrvereinbarung eine rein schuldrechtliche Wirkung entfaltet und der Sperrbegünstigte somit an dem jeweiligen Kontoguthaben auch eine lediglich schuldrechtliche Berechtigung erlangt, sind Besonderheiten im Falle der Zwangsvollstreckung gegen den Kontoinhaber bzw. bei dessen Insolvenz zu berücksichtigen. 1 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 36 Rz. 13. 2 BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 54/85, WM 1986, 749. 3 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 36 Rz. 5; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 3 Rz. 49.
Kropf | 465
3.1059
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3.1060 Vollstrecken die Gläubiger des Kontoinhabers in das Sperrkonto, so kann der Sperrbegünstigte weder eine Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben noch kann er ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung gem. § 805 ZPO geltend machen. Dies ist darin begründet, dass hat er lediglich schuldrechtliche Unterlassungsansprüche gegen den Kontoinhaber und ggf. die kontoführende Bank hat, aber gerade kein dingliches Recht an der Einlage, welches einer Pfändung und Überweisung entgegenstehen könnte1. Allerdings wäre auch im praktisch seltenen Fall einer dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkung zu beachten, dass diese einer Forderungspfändung durch Gläubiger des Kontoinhabers nicht entgegenstehen würden. § 851 Abs. 2 ZPO bestimmt, dass auch eine nach § 399 BGB nicht übertragbare Forderung insoweit gepfändet und überwiesen werden kann, als der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist. Eine Forderungspfändung wäre somit selbst bei dinglicher Wirkung der Verfügungsbeschränkung nur dann ausgeschlossen, wenn die dem Vollstreckungsgläubiger geschuldete Sache bspw. nicht unter § 811 Abs. 1 ZPO fällt. 3.1061 Bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kontoinhabers, kommt dem Sperrbegünstigten keine bevorrechtigte Rechtsstellung an dem Kontoguthaben des Sperrkontos zuteil. Da dem Sperrbegünstigen, wie ausgeführt, nur eine schuldrechtliche Berechtigung eingeräumt ist, wird das Kontoguthaben Bestandteil der Insolvenzmasse i.S.v. § 35 InsO. Er erlangt weder ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO noch ein Absonderungsrecht nach § 49 InsO. Seine Rechtsstellung wäre nur dann abweichend zu beurteilen, wenn ihm neben den Rechten aus der Sperrvereinbarung auch das Konto verpfändet worden ist2. Zu berücksichtigen ist im Insolvenzfall darüber hinaus, dass die Sperrvereinbarung auch nach Insolvenzeröffnung weiterhin ihre Wirkung entfaltet. Dies hat zur Folge, dass der gem. § 80 InsO verfügungsberechtigte Insolvenzverwalter ebenso wie zuvor der Kontoinhaber an die Sperrvereinbarung gebunden ist, da der Insolvenzverwalter nur diejenigen Rechte ausüben kann, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung dem Kontoinhaber zustanden3. Der Insolvenzverwalter muss sich daher die Einrede der Bank wegen der bestehenden Sperrvereinbarung entgegenhalten lassen und sich im Verhältnis zum Sperrbegünstigten bemühen, dessen Zustimmung zur Aufhebung der Sperre zu erhalten4.
V. Pfändungsschutzkonto 3.1062 Mit Wirkung zum 1.7.2010 ist das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes in Kraft getreten, welches in § 850k ZPO das Recht auf Führung eines Pfändungsschutzkontos („P-Konto“) einführte. Auch wenn es sich nach der Rechtsprechung des BGH bei einem P-Konto nicht um eine eigene Kontoart handelt5, soll das P-Konto aufgrund seiner großen Praxisbedeutung und der im Rahmen der Kontoführung geltenden Besonderheiten im Rahmen dieses Abschnitts zu „Besonderen Kontoarten“ dargestellt und erläutert werden.
1 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 3 Rz. 49; Hadding/Häuser in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 36 Rz. 16; Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 49. 2 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 36 Rz. 17; Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rz. 49. 3 Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl. 2016, Rz. 2.161. 4 Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl. 2016, Rz. 2.161. 5 BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, WM 2012, 2381.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
1. Vertragliche Grundlage Ein P-Konto i.S.v. § 850k ZPO ist ein „normales“ Girokonto, welches einen erweiterten Leistungsumfang der kontoführenden Bank beinhaltet. Die Vereinbarung zwischen Bank und Kunden über die Führung eines Girokontos als P-Konto beinhaltet nicht den Abschluss eines selbständigen, vom schon bestehenden bzw. neu abzuschließenden Girovertrag zu trennenden Zahlungsdiensterahmenvertrag mit besonderen Hauptleistungspflichten1. Das P-Konto findet daher seine Grundlage lediglich in einer die Art und Weise der Kontoführung betreffenden Zusatzabrede zum Zahlungsdiensterahmenvertrag über das vorhandene oder neu einzurichtende Girokonto, so dass der gesetzliche Pfändungsschutz als eine Zusatzleistung bereitgestellt wird, die auf dem Zahlungsdiensterahmenvertrag aufbaut2. Der Leistungsinhalt eines P-Kontos deckt sich grundsätzlich mit den Leistungen, welche die kontoführende Bank aufgrund des Zahlungsdiensterahmenvertrages bei der Führung eines herkömmlichen Girokontos erbringt, wobei diese durch die Pflicht der Bank ergänzt werden, die jeweiligen Pfändungsfreibeträge entsprechend den Vorgaben des § 850k ZPO zu berücksichtigen bzw. diese bei der Ausführung von Zahlungsaufträgen sowie bei der Verrechnung eigener Forderungen zu beachten3.
3.1063
Da es sich bei einem P-Konto folglich um ein auf einem Zahlungsdiensterahmenvertrag basierendes herkömmliches Girokonto handelt, welches durch eine Zusatzabrede über die Führung als P-Konto ergänzt wird, kann die kontoführende Bank die Kontobeziehung auch durch eine Kündigung beenden. Dementsprechend ist daher nach zutreffender Ansicht weder die ordentliche bankseitige Kündigung des Kontovertrages anlässlich eines Verlangens nach einer Umwandlung des bestehenden Girokontos in ein P-Konto – gleich ob das Guthaben gepfändet ist oder nicht – ausgeschlossen noch eine spätere ordentliche Kündigung4. Weder dem Wortlaut des § 850k Abs. 7 ZPO noch den Gesetzesmaterialien ist ein entsprechendes Kündigungsverbot der kontoführenden Bank zu entnehmen. Somit finden die Kündigungsregelungen des § 675h Abs. 2 BGB, Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken auf ein P-Konto Anwendung. Eine Einschränkung der bankseitigen Kündigungsmöglichkeit besteht hingegen dann, wenn ein Basiskonto gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 ZKG als Pfändungsschutzkonto geführt wird. In diesem Fall ist der Bank eine Kündigung des P-Kontos ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 42, 43 ZKG möglich (vgl. Rz. 3.1089 ff.).
3.1064
2. Einrichtung eines P-Kontos Jede natürliche Person kann als Bankkunde gem. § 850k Abs. 7 Satz 2 ZPO jederzeit die Einrichtung eines P-Kontos von seiner Bank verlangen. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine Kontoeröffnung, sondern ein Recht ein bestehendes Konto umzuwandeln. Abweichendes gilt allerdings im Falle eines Verbrauchers, welcher einen gesetzlichen Anspruch auf Eröffnung eines Basiskontos hat (vgl. Rz. 3.1078). Ein Basiskonto kann auch als Pfändungsschutzkonto geführt werden5. Der Anspruch auf Führung eines P-Konto besteht nur in Bezug auf Girokonten, mithin Zahlungsverkehrskonten, nicht hingegen für 1 2 3 4
BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, WM 2012, 2381. BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, WM 2012, 2381. BGH v. 13.7.2013 – XI ZR 260/12, WM 2013, 1793. Herresthal, WM 2013, 773, 778; offengelassen in BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, WM 2012, 2381 sowie BGH v. 13.7.2013 – XI ZR 260/12, WM 2013, 1793. 5 BT-Drucks. 18/7204, 84.
Kropf | 467
3.1065
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Spar- oder Termingeldkonten1. Pfändungsschutz wird durch ein P-Konto nur gewährt, wenn es kreditorisch geführt wird, mithin ein Kontoguthaben ausweist. Dies ergibt sich bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO. Auf einen Pfändungsschutz für debitorisch geführte P-Konten hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet2. Umstritten ist daher, ob eine Umwandlung in ein P-Konto auch dann vom Kontoinhaber gefordert werden kann, wenn das betreffende Konto debitorisch geführt wird. In der Bankpraxis hat sich als in der überwiegenden Anzahl gängige Vorgehensweise bei Einrichtigung debitorisch geführter Girokonten als P-Konto die Aufspaltung in zwei Konten etabliert (sog. „Zwei-Konten-Modell“)3. Dabei unterscheidet sich das Zwei-Konten-Modell durch zwei Gestaltungsvarianten. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass bei Eröffnung des P-Kontos bestehende Soll in ein weiteres, neu eingerichtetes Konto umzubuchen. Zum anderen wird alternativ auch ein Neukonto als P-Konto eröffnet und der debitorische Kontostand auf dem Altkonto belassen.
3.1066 Die Umwandlung in ein P-Konto kann von der kontoführenden Bank auch noch nach
Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verlangt werden. Gemäß § 850k Abs. 1 Satz 4 besteht ein rückwirkender Pfändungsschutz, soweit die Umwandlung vor Ablauf von vier Wochen seit der Zustellung an die Bank als Drittschuldner erfolgt. Eine Umwandlung nach diesem Zeitpunkt ist nur noch mit Wirkung für die Zukunft möglich4. Der Anspruch auf Umwandlung in ein P-Konto unterliegt allerdings zwei Beschränkungen. Zum einen darf jede Person gem. § 850k Abs. 8 Satz 1 nur ein P-Konto unterhalten. Bei Abschluss der Abrede zur Führung eines P-Kontos hat der Kunde gegenüber der Bank gem. § 850k Abs. 8 Satz 2 zu versichern, dass er kein weiteres P-Konto unterhält. Ohne diese vom Kunden verpflichtend abzugebende Versicherung, darf die Bank das P-Konto nicht einrichten5. Die Banken dürfen Auskunfteien, bspw. der SCHUFA Holding AG, eine Mitteilung machen, dass für den betroffenen Kunden ein P-Konto geführt wird. Eine Mitteilungspflicht besteht allerdings nicht. Diese Angabe der kontoführenden Bank darf die jeweilige Auskunftei gem. § 850k Abs. 8 Abs. 4 ZPO anderen Banken zwecks Überprüfung der Richtigkeit der kundenseitigen Versicherung i.S.v. § 850k Abs. 8 Satz 2 ZPO übermitteln. Die Bankauskunft der Auskunftei darf nur das Kriterium „Pfändungsschutz ja/nein“ enthalten und nur für die Überprüfung des Bestehens bzw. Nichtbestehens eines anderen P-Kontos verwendet werden, nicht hingegen für die Beantwortung von Anfragen zur Kreditwürdigkeit oder für die Berechnung von Score-Werten6. Sollte die kontoführende Bank entgegen der Versicherung des Kontoinhabers erfahren, dass dieser bei einer anderen Bank ein weiteres P-Konto führt, wird sie dieser Umstand zur Erklärung einer außerordentlichen Kündigung des Kontovertragsverhältnisses berechtigten7.
3.1067 Zum anderen kann ein P-Konto nur als Einzelkonto und nicht als Gemeinschaftskonto
geführt werden. Dies ergibt sich insoweit eindeutig aus dem Wortlaut des § 850k Abs. 7
1 Seiler in Thomas/Putzo, 38. Aufl. 2017, § 850k ZPO Rz. 2; Herget in Zöller, 32. Aufl. 2018, § 850k ZPO Rz. 1. 2 BT-Drucks. 16/12714, 19. 3 Vgl. institut für finanzdienstleistungen e.V., Evaluierung des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009 Schlussbericht v. 1.2.2016, S. 58. 4 BVerfG v. 25.8.2014 – 1 BvR 2243/14, NJW 2014, 3771; Seiler in Thomas/Putzo, 38. Aufl. 2017, § 850k ZPO Rz. 9. 5 Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 33 Rz. 33. 6 BT-Drucks. 16/12714, 21. 7 Bach-Heuker in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/1311; Bitter in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 33 Rz. 36a.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
Satz 1 ZPO, welcher den Anspruch auf Umwandlung in ein P-Konto nur dann gewährt, wenn der Kunde „eine natürliche Person“ ist. Sollte das Guthaben auf einem Gemeinschaftskonto – sei es in Form eines Oder-Konto oder sei es als Und-Konto – gepfändet worden sein, kann dieses nicht mehr dadurch dem Pfändungszugriff entzogen werden, dass das Gemeinschaftskonto in Einzel-P-Konten umgewandelt werden. Der ansonsten auf einem P-Konto, welches als Einzelkonto geführt ist, nach der Umwandlung bestehende rückwirkende Pfändungsschutz des § 850k Abs. 1 Satz 4 ZPO greift in diesem Falle nicht. Unberührt bleibt davon die Möglichkeit, dass der Kontoinhaber eines P-Kontos einem Dritten (z.B. dem Ehegatten) per Kontovollmacht eine Verfügungsbefugnis über das Konto einräumt1. 3. Umfang des Pfändungsschutzes a) Pauschaler Schutzumfang Ein P-Konto gewährt dem jeweiligen Kontoinhaber einen automatischen Pfändungsschutz in Höhe des monatlichen Freibetrags nach § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Pfändungsschutz über das P-Konto knüpft im Gegensatz zur vorherigen Rechtslage nicht an die Art der Einkünfte an, so dass es für das Eintreten des Pfändungsschutzes keiner entsprechenden Prüfung bedarf. Unerheblich ist demzufolge die Herkunft der Mittel, mithin, ob es sich um Einkünfte aus abhängiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit oder um sonstige Einkünfte (bspw. Vermietung und Verpachtung oder Versorgungsbezüge) handelt2. Es bedarf somit keines Antrages des Kontoinhabers im Falle einer Pfändung des Kontoguthabens. Der Schutzumfang setzt sich zusammen aus einem pauschalierten Sockelbetrag in Gestalt des monatlichen Freibetrags sowie ggf. hinzukommenden Aufstockungs- und Übertragungsbeträgen. Der Freibetrag unterliegt jeweils zum 1. Juli jedes zweiten Jahres einer Anpassung. Derzeit beträgt der Freibetrag 1.178,59 € (Stand: 1.7.2019). Zu den Aufstockungsbeträgen, welche dem Pfändungsschutz unterliegen, gehören u.a. auch einmalige Sozialleistungen i.S.v. § 54 Abs. 2 SGB I, die i.V.m. § 850k Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu einer Erhöhung des monatlichen Freibetrags führen. Davon erfasst sind bspw. die auf § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II beruhende Erstausstattung für die Wohnung, welche eine von dem Regelbedarf nicht umfasste einmalige Leistung darstellt und die demnach gesondert von dem Regelbedarf erbracht wird3.
3.1068
Auf Antrag kann das Vollstreckungsgericht gem. § 850k Abs. 4 ZPO einen abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. Es soll durch diese Regelung sichergestellt werden, dass das Vollstreckungsgericht in den vom Gesetz für den allgemeinen Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen und gleichgestellter Einkünfte vorgesehenen Fällen auch bei der Kontopfändung einen anderen pfändungsfreien festlegen kann4. Der pfändungsfreie Betrag kann demnach auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers infolge besonderer Verhältnisse im Einzelfall erhöht oder herabgesetzt werden5. Bei der Festsetzung des pfändungsfreien Betrags ist nach der Rechtsprechung des BGH insbesondere auch der sich aus § 42 Abs. 4 SGB II ergebende Pfändungsschutz zu berücksichtigen, auch wenn diese Vorschrift
3.1069
1 Herget in Zöller, 32. Aufl. 2018, § 850k ZPO Rz. 17; Bitter, ZIP 2011, 149, 151; Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 33 Rz. 33c. 2 Grüneberg, WM 2018, 2157. 3 BGH v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, ZIP 2017, 2290. 4 BT-Drucks. 16/7615, 20. 5 Grüneberg, WM 2018, 2157, 2158.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
in der Verweisung des § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht enthalten ist, weil es sich dabei nicht um eine abschließende Aufzählung handelt1. Nach der gesetzgeberischen Intention dienen die Lebensunterhaltsleistungen nach dem SGB II – insbesondere Arbeitslosengeld II und Sozialgeld – der Sicherung des Existenzminimums und sollen daher bei den leistungsberechtigten Personen verbleiben, so dass es nach Ansicht des Gesetzgebers letztendlich sachgerecht erscheint, die Leistungen von vornherein als unpfändbar auszugestalten2. Es spreche daher kein Grund dafür, den durch § 850k Abs. 4 ZPO bezweckten grundsätzlichen Gleichlauf des Pfändungsschutzes auf dem P-Konto mit dem allgemeinen Pfändungsschutz in der Weise zu durchbrechen, dass der sich aus § 42 Abs. 4 SGB II ergebende Pfändungsschutz unbeachtlich wäre3.
3.1070 Ein besonderer Pfändungsschutz wird gem. § 850k Abs. 6 ZPO für Gutschriften, bei de-
nen es sich um Geldleistungen nach dem SGB oder um Kindergeld handelt, gewährt. Mit diesen Zahlungseingängen darf die kontoführende Bank innerhalb der ersten 14 Tage nicht mehr mit eigenen Forderungen auf- bzw. verrechnen, soweit es sich bei diesen nicht um Kontoführungsentgelte oder Aufwendungsersatzansprüche aufgrund von Verfügungen des Kontoinhabers innerhalb dieses Zeitraums handelt. Kontoführungsentgelte können auch dann komplett verrechnet werden, wenn diese – wie in der Bankpraxis üblich – quartalsweise fällig werden4. Diese Regelung ersetzt die bis zum 1.1.2012 in § 55 SGB I sowie § 76a EStG verankerten Pfändungsverbote, so dass seit diesem Zeitpunkt ein Schutz für derartige Leistungen nur noch über die Einrichtung eines P-Kontos erlangt werden kann. Aufgrund des Verrechnungsverbots für einen Zeitraum von 14 Tagen kann der Kunde somit Gutschriften aus Sozialleistungen und Kindergeld abverfügen, selbst wenn das P-Konto debitorisch geführt wird. Ein weitergehender Pfändungsschutz ist für debitorische Konten nicht besonders geregelt, so dass die kontoführende Bank an der kontokorrentmäßigen Verrechnung unter Einbeziehung des auf das debitorische P-Konto überwiesene Arbeitseinkommen oder anderer Einkünfte nicht gehindert ist5. Durch die Regelung eines Verrechnungsverbots soll dem Kunden ausreichend Zeit verschafft werden, die Leistungen abzuheben und damit der Verrechnung zweckgebundener, existenzsichernder Beträge zu entgehen6. Im Umfang des Verrechnungsverbots kann die kontoführende Bank auch nicht von ihrem AGB-Pfandrecht Gebrauch machen7. Für andere Beträge als Sozialleistungen und Kindergeld gilt das Verrechnungsverbot des § 850k Abs. 6 ZPO nicht8. b) Verfügungsmöglichkeiten des Kontoinhabers
3.1071 Der Pfändungsschutz wird dergestalt verwirklicht, dass der Kontoinhaber des P-Kontos
über das Guthaben jeweils bis zum Ende des Kalendermonats in Höhe des monatlichen Freibetrags verfügen kann und das Guthaben insoweit nicht von der Pfändung erfasst wird. Verbraucht der Kontoinhaber den Freibetrag im jeweiligen Kalendermonat nicht vollständig, so wird diese Guthaben gem. § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO im Folgenden Kalen-
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BGH v. 24.1.2018 – VII ZB 27/17, WM 2018, 734. BT-Drucks. 18/8041, 56. BGH v. 24.1.2018 – VII ZB 27/17, WM 2018, 734. Bitter, ZIP 2011, 149, 156. Herget in Zöller, 32. Aufl. 2018, § 850k ZPO Rz. 15; Bitter, ZIP 2011, 149, 156. BT-Drucks. 16/12714, 20. Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 33 Rz. 35d. Seiler in Thomas/Putzo, 38. Aufl. 2017, § 850k ZPO Rz. 34; Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 33 Rz. 35c.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
dermonat zusätzlich zu dem monatlichen Freibetrag nicht von der Pfändung erfasst. In Höhe des nicht in Anspruch genommenen Betrags erhöht sich somit der Freibetrag im nächsten Monat, so dass durch diesen Übertrag nicht ausgenutzter Guthaben dem Kontoinhaber ein Ansparen ermöglicht wird1. Der Kontoinhaber kann daher auf dem P-Konto ständig ein Guthaben in Höhe des doppelten monatlichen Freibetrags zzgl. eines etwaigen Aufstockungsbetrags unterhalten, wobei der Ansparbetrag aus dem Vormonat nicht mehrfach übertragen werden kann2. Wird auch im Folgemonat der übertragene Freibetrag nicht vollständig abverfügt, so entfällt mit Ablauf des zweiten Monats der Pfändungsschutz für den noch nicht ausgeschöpften Freibetrag aus dem Vormonat und dieses pfändungsfrei übertragene Guthaben ist an den Pfändungsgläubiger auszuzahlen3. Im Übrigen werden auch die zuvor erwähnten Gutschrift aus einmaligen Sozialleistungen auf dem P-Konto nach § 850k ZPO nur zeitlich beschränkt geschützt, nämlich nach § 850k Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 ZPO im Zuflussmonat sowie im ersten Folgemonat4. Auch für Guthaben aus Geldleistungen nach sozialrechtlichen Vorschriften besteht demnach kein zeitlich unbefristeter Pfändungsschutz. Maßgeblich ist insoweit der Monat des Zahlungseingangs, woran sich auch nichts durch die Vorgabe des § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO ändert, welche bestimmt, dass die Bank dem Kontoinhaber gegenüber zur Leistung des von der Pfändung infolge von § 850k Abs. 2 ZPO nicht erfassten Guthabens nur insoweit verpflichtet ist, als sie durch eine Bescheinigung der in der Vorschrift genannten Einrichtungen nachweist, dass das Guthaben nicht von der Pfändung erfasst war. Bei § 850k Abs. 5 Satz 2 und 3 ZPO handelt es sich nur um eine Schutzvorschrift zugunsten der Bank, auf welche sich der Kontoinhaber nicht berufen kann5. Der Kontoinhaber hat über sein Konto verfügt, wenn die kontoführende Bank den Zahlungsvorgang ausgeführt und auf dem Konto eine belastende Buchung vorgenommen hat, wodurch der Auszahlungsanspruch des Kunden gem. § 362 Abs. 1 BGB erlischt6. Keine Verfügung i.S.v. § 850k Abs. 1 ZPO ist hingegen der Versuch einer Kontoabhebung, so dass bei einer Verweigerung der Ausführung eines Zahlungsvorgangs trotz eines Auszahlungsbegehrens des Kunden durch die Bank keine Verfügung vorliegt7. Verfügungen des Kontoinhabers über das auf dem P-Konto vorhandene pfändungsfreie Guthaben, welches sich aus im laufenden Monat gutgeschriebenen Beträgen und aus dem übertragenen Guthaben aus dem Vormonat i.S.v. § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO zusammensetzt, sind zunächst auf das übertragene Restguthaben aus dem Vormonat und erst nach dessen Erschöpfung auf den neuen Sockelfreibetrag des aktuellen Monats anzurechnen (sog. First-in-first-outPrinzip)8.
3.1072
Nur noch rechtshistorische Bedeutung hat mittlerweile die ursprünglich nach Einführung des P-Kontos bestehende sog. Monatsanfangsproblematik. Dabei ging es um Konstellationen, in welchen Zahlungseingänge am Ende des laufenden Kalendermonats eingingen, je-
3.1073
1 Bitter, ZIP 2011, 149, 153. 2 Grüneberg, WM 2018, 2157, 2159. 3 BGH v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, ZIP 2017, 2290; BGH v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14, WM 2015, 177; BT-Drucks. 16/12714, 19. 4 BGH v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, ZIP 2017, 2290. 5 BGH v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, ZIP 2017, 2290. 6 Grüneberg, WM 2018, 2157, 2159. 7 BGH v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, ZIP 2017, 2290. 8 BGH v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17, ZIP 2017, 2290; BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15, ZIP 2017, 2292; BGH v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14, WM 2015, 177.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
doch für den Folgemonat bestimmt waren, so dass diese einer bestehenden Pfändung unterfallen konnten, wenn der Kontoinhaber den Freibetrag des noch laufenden Monats bereits verbraucht hatte. Der Gesetzgeber hat insoweit nachträglich zwei Bestimmungen eingeführt, welche der Klarstellung und letztendlich Lösung der Problematik dienten. So ist § 835 ZPO um einen neuen Abs. 4 erweitert worden, der bestimmt, dass bei Pfändung und Überweisung eines künftigen Guthabens auf einem P-Konto der Drittschuldner (die Bank), erst nach Ablauf des nächsten auf die jeweilige Gutschrift folgenden Kalendermonats an den Pfändungsgläubiger leisten darf. Zudem wurde die Definition des Freibetrags i.S.v. § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO insoweit ergänzt, als dass nach Abs. 1 Satz 2 zum Guthaben gem. Satz 1 auch das Guthaben nach § 835 Abs. 4 ZPO gehört. Durch die Frist des § 835 Abs. 4 Satz 1 ZPO wird sichergestellt, dass am Ende eines Kalendermonats auf dem P-Konto eingehende Zahlungen, die für den Folgemonat und zur Sicherung des Pfändungsschutzes des Kontoinhabers bestimmt sind, diesem nicht durch eine Weiterleitung an den Gläubiger entzogen werden1. Mit diesen Neuregelungen wird somit zum einen klargestellt, dass sich das verfügbare Guthaben auch aus dem Guthaben speisen kann, welches aufgrund der automatischen Auszahlungssperrfrist nicht an den Pfändungsgläubiger ausbezahlt worden ist und zum anderen wird auf diese Weise das zurückgehaltene Guthaben in Höhe des individuellen monatlichen Freibetrags mit dem Beginn des neuen Monats nicht von der Pfändung erfasst2.
3.1074 Es besteht zudem die Möglichkeit einer Verknüpfung des gem. § 835 Abs. 4 ZPO i.V.m.
§ 850k Abs. 1 Satz 2 ZPO gesperrten Guthabens mit dem Übertragungsrecht nach § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO. Da ein Guthaben aus Gutschriften im Vormonat einem Guthaben aus Gutschriften im laufenden Monat gleichstehen soll, darf insofern auch bezüglich der Möglichkeit, Guthaben pfändungsfrei in den nachfolgenden Monat zu übertragen, kein Unterschied bestehen; anderenfalls würde der Kontoinhaber bzw. Pfändungsschuldner der seine Einkünfte bereits im Vormonat erhält bezüglich der Möglichkeit Guthaben nach der Maßgabe des § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO anzusparen im Verhältnis zu einem Schuldner, der die Leistung im bestimmungsgemäßen Monat erhält, ohne rechtfertigenden Grund benachteiligt3. Die Kombination von § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO mit § 850k Abs. 1 Satz 2, § 835 Abs. 4 ZPO führt nicht zu einer vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen zweimaligen Übertragungsmöglichkeit, da die Zurechnung von Einkünften des Vormonats zu Guthaben, aus dem der Freibetrag gem. § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO verfügt werden kann, im Gegensatz zur Regelung des § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht den monatlichen Freibetrag erhöht und mithin auch nicht das Ansparen von Guthaben über diesen Freibetrag hinaus ermöglicht4.
3.1075 Im Falle von Barabhebungen des Kontoinhabers an einem Geldautomaten der kontoführenden Bank ist für das Vorliegen einer Verfügung i.S.v. § 850k Abs. 1 ZPO der Zeitpunkt der Abhebung des Geldes als solcher maßgeblich, da bei Geldabhebungen am Bankautomaten alle Tage, an denen der jeweilige Bankautomat betrieben wird, Geschäftstage i.S.v. § 675n Abs. 1 Satz 4 BGB sind, mithin auch Samstage, Sonntage und Feiertage5. Der Zahlungsauftrag des Kontoinhabers i.S.v. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB, den dieser mit der Eingabe des gewünschten Geldbetrags und der PIN an dem betreffenden Geldautomaten erteilt hat, geht der Bank gem. § 675n Abs. 1 Satz 1 BGB mit dieser Eingabe zu und
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BT-Drucks. 17/4776, 8. BT-Drucks. 17/4776, 8. BGH v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14, WM 2015, 177. BGH v. 4.12.2014 – IX ZR 115/14, WM 2015, 177. BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15, ZIP 2017, 2292.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
wird demzufolge wirksam1. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Bank den Zahlungsvorgang erst zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Konto verbucht, da § 675n Abs. 1 Satz 4 BGB allein darauf abstellt, dass derjenige Geschäftsbetrieb unterhalten wird, der für die Ausführung von Zahlungsvorgängen erforderlich ist, wozu bei Barabhebungen am Geldautomaten nur die Abhebung des Geldes selbst gehört2. Abweichend kann sich hingegen ggf. die Rechtslage bei einer Barabhebung an einem institutsfremden Geldautomaten darstellen. Geht der Zahlungsauftrag der kontoführenden Bank nicht während des Geschäftsbetriebs zu, sind die Voraussetzungen des § 675n Abs. 1 Satz 4 BGB nicht erfüllt, weil diese durch einen fremden Geldautomaten keinen eigenen Geschäftsbetrieb zur Ausführung eines in der Abhebung von Bargeld an diesem Geldautomaten liegenden Zahlungsauftrag ihres Kunden unterhält, so dass dann der Tag der Buchung des Zahlungsvorgangs auf dem belasteten Konto maßgeblich ist, worin die Verfügung i.S.v. § 850k Abs. 1 ZPO liegt3.
VI. Basiskonto nach dem Zahlungskontengesetz 1. Historie Bis zum Inkrafttreten des Zahlungskontengesetzes (vgl. Rz. 3.878) bestand keine gesetzliche Verpflichtung einer privaten Geschäftsbank, einen Kontovertrag zum Abschluss eines Girokontos als laufendes Zahlungsverkehrskonto abzuschließen. Verbraucher hatten daher auch keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch. Seit 1995 bestand allerdings eine sog. freiwillige Selbstverpflichtung der im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) organisierten Verbände der deutschen Kreditwirtschaft. Diese basierte auf einer Empfehlung des ZKA und beinhaltete eine Selbstverpflichtung, jedem, der dies beantragt und sich per Personalausweis oder anderweitig legitimieren kann, ein Girokonto zur Verfügung zu stellen. Der Kunde sollte dadurch die Möglichkeit erhalten, Gutschriften entgegenzunehmen, Bareinund auszahlungen vorzunehmen sowie am Überweisungsverkehr teilzunehmen. Bei diesem Konto handelte es sich um „Girokonto für Jedermann“, welches auf Guthabenbasis, mithin ohne Möglichkeit der Ausnutzung eines Überziehungskredites, zur Verfügung gestellt wurde. Eine Ausnahme galt laut der Selbstverpflichtung wie auch der ZKA-Empfehlung in Fällen der Unzumutbarkeit der Kontoführung. Dies betraf u.a. Fälle des Missbrauchs von Bankleistungen für gesetzeswidrige Zwecke oder auch Falschangaben zu für das Vertragsverhältnis wesentlichen Umständen. Der zuvor als freiwillige Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft ausgestaltete „Anspruch“ auf ein Girokonto für Jedermann, ist nunmehr als gesetzlich verankerte Pflicht von den Banken umzusetzen.
3.1076
2. Ausgestaltung des Anspruchs auf ein Konto a) Begriffsbestimmung Das Basiskonto wird in § 30 Abs. 2 Satz 1 ZKG legaldefiniert als bei einem Institut geführtes Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen, welches zum einen die Erbringung gesetzlich im ZKG näher bestimmter Zahlungsdienste ermöglichen muss und zum anderen auf Grund eines Basiskontovertrags geführt wird, der entweder aufgrund des gesetzlich in § 31 Abs. 1 Satz 1 ZKG determinierten Anspruch auf Abschluss eines solchen 1 Grüneberg, WM 2018, 2157, 2159. 2 BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15, ZIP 2017, 2292. 3 Grüneberg, WM 2018, 2157, 2160.
Kropf | 473
3.1077
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Vertrages oder auf Basis eines von der Bank angebotenen Zahlungsdiensterahmenvertrags über die Führung eines Basiskontos unter ausdrücklicher Bezeichnung des Zahlungskontos als Basiskonto geschlossen worden ist. Unter einem Institut im Sinne dieser Definition ist ein „Kreditinstitut“ zu verstehen, welches ein Unternehmen ist, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren1. Aufgrund der als Mindestvorgabe genannten Dienstleistungen, welche auf Grundlage des Basiskontos erbracht werden können müssen, sind diverse in der Bankpraxis gebräuchliche Kontoformen vom Anwendungsbereich eines Zahlungskontos mit grundlegenden Funktionen ausgenommen. Dies betrifft ausweislich Erwägungsgrund 12 RL 2014/92/EU (Zahlungskontenrichtlinie) bspw. Sparkonten, Tagesgeldkonten, Kreditkartenkonten, auf welche Geldbeträge ausschließlich zum Zweck der Tilgung von Kreditkartenschulden eingezahlt werden, oder E-Geld-Konten, soweit sie nicht auf täglicher Basis für Zahlungsvorgänge genutzt werden und sämtliche der Mindestdienstleistungen umfassen. b) Anspruch auf Vertragsabschluss
3.1078 Tatbestandlich setzt der Anspruch auf Vertragsabschluss mehrere Bedingungen voraus.
Ausweislich § 31 Abs. 1 Satz 1 ZKG muss das jeweilige Institut als Verpflichteter (überhaupt) Zahlungskonten für Verbraucher anbieten. Dies setzt weitergehend voraus, dass der Anspruchsberechtigte einen Antrag auf Abschluss eines Basiskontovertrags stellt, der den in § 33 ZKG genannten Inhalten entspricht. Das grundgesetzlich einem deutschen Kreditinstitut als Ausfluss der Privatautonomie grundsätzlich zustehende Recht auf Vertragsfreiheit, welches auch die Vertragsabschlussfreiheit erfasst, wird somit durch den im ZKG verankerten Anspruch auf ein Basiskonto eingeschränkt. Der Gesetzgeber hat folglich aus Gründen des Verbraucherschutzes, namentlich der „Grundversorgung mit einem Zahlungskonto für alle“, einen sachlich begrenzten Kontrahierungszwang betreffend den Abschluss eines Zahlungsdiensterahmenvertrags i.S.v. § 675f BGB eingeführt2. Dieser Kontrahierungszwang umfasst die Pflicht, grundsätzlich allen sich rechtmäßig im Gebiet der EU aufhaltenden Verbrauchern (vgl. Rz. 3.1079) ein auf Guthabenbasis geführtes Zahlungskonto einzurichten3. Ein derartig hinsichtlich der Adressaten umfassender Kontrahierungszwang ist der deutschen Privatrechtsordnung fremd und daher als äußerst bedenklich einzustufen, da es für die privaten Geschäftsbanken einen starken Eingriff in ihr Geschäftsmodell darstellt. Kontrahierungspflichten oblagen bisher ausweislich der Landesparkassengesetze ausschließlich den als Anstalten des öffentlichen Rechts organisierten Sparkassen. Dieser Umstand ist allerdings deren besonderem öffentlichen Auftrag geschuldet, wonach diese „auf der Grundlage der Markt- und Wettbewerbserfordernisse für ihren Geschäftsbezirk den Wettbewerb zu stärken und die angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise […] mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen auch in der Fläche sicherzustellen haben.“4 Insbesondere, wie die Vorschriften des Sparkassengesetzes betonen, unterstützen Sparkassen somit die Aufgabenerfüllung der Kommunen im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich. Derartigen Pflichten unterliegen pri-
1 Vgl. § 2 Abs. 5 ZKG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012. 2 BT-Drucks. 18/7204, 75 f. 3 BT-Drucks. 18/7204, 73. 4 S. statt aller § 1 Verordnung über die Organisation und den Geschäftsbetrieb der Sparkassen in Bayern.
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vate Geschäffsbanken hingegen nicht. Mit der Einführung des Anspruchs auf ein Basiskonto werden somit den Banken neben der bereits bestehenden Pflicht zur Führung von Pfändungsschutzkonten somit letztendlich weitere sozialstaatliche Leistungen übertragen, deren Erbringung grundsätzlich nicht in ihren Aufgabenbereich fällt. In einer freien Wirtschaftsordnung stellt die autonome Wahl des Vertragspartners eine zentrale Säule der unternehmerischen Tätigkeit dar. Dieses Recht ist nunmehr in Fällen von Basiskonten für Verbraucher stark eingeschränkt, was sich umso stärker auswirkt, als dass der Gesetzgeber zusätzlich eine Begrenzung der Entgelterhebung für Dienstleistungen unter dem Basiskontovertrag gesetzlich geregelt hat (vgl. dazu bereits Rz. 3.895) Folge der gesetzlichen Regelung ist somit, dass die Privatautonomie hinsichtlich des Ob des Vertragsschlusses und des Wie, mithin seiner Ausgestaltung, weitestgehend beschränkt wird, da der Gesetzgeber nicht nur den Anspruch auf Vertragsschluss und desssen Voraussetzungen, sondern acuh den Inhalt des abzuschließenden Vertrags sowie die Modalitäten einer etwaigen Vertragsbeendigung gesetzliche festgeschrieben hat1. Schließlich muss es sich für das Bestehen eines Anspruchs auf Vertragsabschluss beim Anspruchsberechtigten um einen Verbraucher handeln, der einen rechtmäßigen Aufenthalt in der EU hat, wobei davon auch Personen erfasst werden, die ohne festen Wohnsitz oder Asylsuchende sind sowie Personen ohne Aufenthaltstitel, welche aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden können. Vom Begriff des sich rechtmäßig in der EU aufhaltenden Verbrauchers sind sowohl Unionsbürger als auch Drittstaatsangehörige, die bereits in den Genuss von Rechten aus Unionsrechtsakten kommen sowie außerdem Asylsuchende i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention bzw. anderer völkerrechtlicher Verträge erfasst, wobei ebenso nach deutschem Ausländerrecht geduldete Personen, deren Aufenthalt ausländerrechtlich nicht als rechtmäßig angesehen wird, als Anspruchsberechtigten i.S.d. Norm gelten2. Schließlich fallen unter den Berechtigtenkreis eines Basiskontos auch Obdachlose sowie Asylsuchende, die nach Registrierung durch die Erstaufnahmeeinrichtung noch keinen festen Wohnsitz haben3.
3.1079
c) Ausschluss des Anspruchs Trotz des gesetzlich gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 ZKG bestehenden Anspruchs auf Abschluss eines Basiskontovertrags, kann in Ausnahmefällen die Ablehnung der Kontoeröffnung durch die Bank zulässig sein. Ausweislich § 34 Abs. 1 ZKG ist eine Ablehnung jedoch ausschließlich aus den in §§ 35-37 ZKG genannten Gründen möglich. Als Konsequenz aus dieser Regelung ist daher zu beachten, dass eine Ablehnung aus anderen Gründen, als den gesetzlich normierten, unzulässig ist4. Die Ablehnung des Antrags des Kunden muss spätestens zehn Geschäftstage nach dessen Eingang bei der Bank erklärt werden und muss, ohne Erhebung eines Entgelts, mit einer Unterrichtung über die Ablehnungsgründe in Textform verbunden werden. Entscheidend für die Fristwahrung ist der Zugang der Erklärung innerhalb des Zeitraums beim Kunden, wobei der Fristlauf mit Eingang des Antrags auf Vertragsabschluss bei der Bank zu laufen beginnt5. Die Maßgabe der Textform ist eingehalten, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 126b BGB erfüllt sind. Eine Unterrichtung kann gem. § 34 Abs. 3 Satz 2 ZKG nur unterbleiben, wenn und soweit 1 2 3 4 5
Herresthal, BKR 2016, 133, 137. BT-Drucks. 18/2704, 73. BT-Drucks. 18/2704, 73. BT-Drucks. 18/2704, 77. BT-Drucks. 18/2704, 77.
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3.1080
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
die öffentliche Sicherheit gefährdet oder gegen ein Verbot der Informationsweitergabe verstoßen würde.
3.1081 Das Recht zur Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung eines Basiskontovertrags kann gem.
§ 35 ZKG mit einem bereits vorhandenen Basiskonto begründet werden. Dies setzt voraus, dass der Kunde bereits bei einem anderen in Deutschland ansässigen Kreditinstitut ein Basiskonto führt und er zudem auch die in § 38 Abs. 2 ZKG genannten Zahlungsdienste tatsächlich nutzen kann. Um eine „aktives Basiskonto“ im vorgenannten Sinne handelt es sich bspw. nicht, wenn der Kontoinhaber keine Zahlungsaufträge erteilen oder auslösen kann, weil das Zahlungskonto wegen Pfändungen seiner Gläubiger „blockiert“ ist, wobei jedoch wiederum eine tatsächliche Nutzungsmöglichkeit dann gewährleistet ist, wenn das Basiskonto als P-Konto i.S.v. § 850k ZPO geführt oder eine Umwandlung in ein P-Konto vorgenommen wird, die vor Ablauf von vier Wochen seit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an die kontoführende Bank bewirkt worden ist1. Eine Ablehnung wegen eines bereits vorhandenen Basiskontos ist allerdings gem. § 35 Abs. 2 ZKG ausgeschlossen, wenn der Kontovertrag gekündigt wurde oder der Kunden von der Schließung dieses Konto benachrichtigt wurde. Um dieses Ablehnungsrecht auch wirksam ausüben zu können, ist die Bank, bei welcher der Antrag auf ein Basiskonto gestellt wurde, berechtigt, entsprechende Erkundigungen bzw. Nachforschungen anzustellen. Ausweislich § 35 Abs. 2 Satz 2 ZKG darf sich eine Bank zu diesem Zwecke auch an Stellen wenden, welche geschäftsmäßig personenbezogene Daten, die zur Bewertung der Kreditwürdigkeit herangezogen werden dürfen, zum Zweck der Übermittlung erhebt, speichert oder ändert. In Deutschland wird es sich dabei im Wesentlichen um Auskunfteien wie die Schufa Holding AG handeln. Im Falle eines Widerspruchs zwischen den Angaben der Auskunftei und denjenigen des Kunden, soll die Bank diesen Widerspruch nach erneuter Nachfrage beim Kunden ggf. durch zusätzliche Maßnahmen, wie der Einhaltung von Auskünften bei einer anderen Bank, bei der ein Konto geführt werden soll, aufklären2. Zumindest soll es einer Bank, welcher die Auskunftseinholung vereitelt wurde, weil der Kunde die Zustimmung zur Auskunftseinholung bei Drittbanken verweigert, gestattet sein, annehmen zu dürfen, dass tatsächlich ein anderweitiges Basiskonto vorhanden ist3. Dementsprechend würde eine Zustimmungsverweigerung des ein Basiskonto beantragenden Kunden einen Ablehnungsgrund nach § 35 ZKG begründen und die darauf basierend von der angefragten Bank erklärte Ablehnung rechtfertigen.
3.1082 Als weiteren Ablehnungsgrund sieht § 36 Abs. 1 ZKG Konstellationen vor, in denen der
anfragende Kunde sich strafbaren Verhaltens schuldig gemacht hat (Nr. 1) bzw. die Bank einen Zahlungsdienstrahmenvertrag über die Führung eines Basiskontos im letzten Jahr vor Beantragung des (neuen) Basiskontos berechtigterweise gekündigt hat (Nr. 2) sowie die Bank ihre Sorgfaltspflichten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1-3 GWG oder nach § 25j KWG nicht erfüllen kann oder bei der Ablehnungsbegründung gegen das Verbot nach § 12 Abs. 1 GWG verstoßen würde (Nr. 3). Für eine Ablehnung i.S.v. Nr. 1 muss es sich um eine vorsätzliche Straftat handeln, welche gegen die zwecks Kontoeröffnung angefragte Bank, deren Mitarbeiter oder Kunden in Bezug auf deren Stellung bei der Bank begangen worden ist. In Erwägungsgrund 47 RL 2014/92/EU (Zahlungskontenrichtlinie) sowie der Gesetzesbegründung zum nationalen Umsetzungsgesetz wird als Beispiel ein gegen die Bank gerichteter (schwerer) Finanzbetrug genannt. Letztendlich sollte jedoch ausweislich des Gesetzeswortlauts jedes gegen die genannten Geschädigten gerichtetes vorsätzliches Vermögensdelikt als 1 BT-Drucks. 18/2704, 78. 2 BT-Drucks. 18/2704, 79. 3 BT-Drucks. 18/2704, 79.
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Ablehnungsgrund genügen. Die Darlegungslast für das Vorliegen einer derartigen Straftat obliegt der angefragten Bank, wobei sich nur diejenige Bank darauf berufen kann, die oder deren Mitarbeiter oder Kunden Geschädigte der Straftat sind1. Problematisch ist bei diesem Ablehnungsgrund für die Praxis, dass die Anforderungsschwelle gesetzlich (zu) hoch angesetzt wird, da eine Ablehnung nur im Falle einer Verurteilung der Straftat eingreift. Es erscheint jedoch schwerlich nachvollziehbar, wenn eine Bank „sehenden Auges“ im Falle eines begründeten Tatverdachts einer Straftat dennoch ein Konto eröffnen müsste. Auch in Bezug auf den Ablehnungsgrund Nr. 3 können sich praktische Schwierigkeiten ergeben, als dass die Ablehnung innerhalb von 10 Geschäftstagen nach Eingang des Kundenantrags erklärt werden muss. Insoweit stellt sich die Frage, ob der Fristlauf in Fällen, in denen die Unterlagen vom Kunden erst später vorgelegt werden, nicht erst später beginnen muss. Schließlich ist als letzter Grund für Ablehnung die frühere bankseitige Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags über ein Basiskonto wegen Zahlungsverzuges des Kontoinhabers gesetzlich in § 37 ZKG anerkannt. Es muss sich allerdings um ein Basiskonto handeln, welches bei der sich auf den Ablehnungsgrund berufenden Bank geführt worden ist. Darüber hinaus muss es sich um eine Verzugskündigung handeln, die darin begründet war, dass der Kontoinhaber mit der Errichtung eines nicht unerheblichen Teils der für die Kontoführung geschuldeten Entgelte oder Kosten über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten in Verzug war und dieser Betrag 100 € überstieg sowie davon auszugehen war, dass bei Fortführung des Basiskontos weitere nicht gesicherte Forderungen entstehen würden. Es genügt somit nicht jede vorangehende Verzugskündigung eines Basiskontovertrags, sondern nur eine solche, welche sich auf die gesetzlich genannten qualifizierten Verzugstatbestände i.S.v. § 42 Abs. 3 Nr. 2 ZKG berufen kann.
3.1083
3. Umfang der Zahlungsdienste a) Überblick Gesetzlich wird in § 38 ZKG vorgegeben, wie ein Basiskonto als Mindeststandard ausgestaltet sein muss. Bei den Vorgaben handelt es sich um halbzwingendes Recht, so dass keine Abweichungen zu Lasten des Verbrauchers zulässig sind, im Übrigen sind die Regelungen aber nicht abschließend2. Gesetzessystematisch handelt es sich auch beim Basiskontovertrag um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag, so dass für die nicht im ZKG geregelten Vertragsaspekte insbesondere das Zahlungsdiensterecht der §§ 675c ff. BGB sowie die bei Erbringung von Zahlungsdiensten geltenden Informationspflichten nach Art. 248 EGBGB Anwendung finden. Wie sich aus § 39 ZKG entnehmen lässt, steht es den Vertragsparteien überdies frei, weitere Leistungen als die in § 38 ZKG vorgesehenen Mindestleistungen zu vereinbaren. Demzufolge enthält § 38 Abs. 2 ZKG keinen abschließenden Katalog an Bankdienstleistungen bei der Führung eines Basiskontos. In der Praxis ist zu beachten, dass auch nach Inkrafttreten des ZKG nicht jedes Zahlungskonto eines Verbrauchers ein Basiskonto i.S.v. §§ 30 ff. ZKG ist. Vielmehr finden die Vorgaben der §§ 38-45 ZKG keine Anwendung, wenn der Zahlungsdiensterahmenvertrag nicht spezifisch vom Verbraucher mit der kontoführenden Bank unter ausdrücklicher Geltendmachung seines gesetzlichen Anspruchs auf ein Basiskonto geschlossen wird und die Eröffnung eines solchen Konto auch nicht von der betreffenden Bank angeboten wurde3. 1 BT-Drucks. 18/2704, 79. 2 BT-Drucks. 18/7204, 80. 3 BT-Drucks. 18/7204, 80.
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3.1084
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b) Leistungsumfang im Einzelnen
3.1085 Als Grundsatz für den verpflichtenden Leistungsumfang eines Basiskontos ist in der
Bankpraxis zugrunde zu legen, dass die Zahlungsdienste stets in dem Umfang dem Kontoinhaber zu Verfügung zu stellen sind, wie diese Verbrauchern als Inhaber sonstiger Zahlungskonten allgemein angeboten werden. Insofern enthält § 38 Abs. 4 ZKG ein Diskriminierungsverbot in Bezug auf den Mindestumfang nach § 38 Abs. 2 und 3 ZKG. Eine unzulässige Diskriminierung in diesem Sinne soll gegeben sein, wenn Inhabern von Basiskonten im Vergleich zu Zahlungskonten, die keine Basiskonten sind, nur ein deutlich geringerer Verfügungsrahmen beim Einsatz einer Girocard (Ausführung von Zahlungsvorgängen mittels einer Zahlungskarte, § 38 Abs. 2 Nr. 2c) ZKG) eingeräumt wird, mithin der Betrag, zu welchem die Karte maximal genutzt werden kann1. Allerdings besteht keine Pflicht, den Inhabern von Basiskonten über diesen Mindestumfang hinaus weitere Zahlungsdienstleistungen wie eine Kreditkarte oder Überziehungsmöglichkeiten anzubieten, so dass für die Beurteilung einer etwiagen benachteiligenden Abweichung solche Zusatzdienstleistungen nicht von Relevanz sind2. Überdies ist dem ZKG keine über die allgemeine Art und Weise der Ausführung von Zahlungsdiensten hinausgehenden Maßgabe der Ausgestaltung zu entnehmen, so dass eine Bank bspw. nicht verpflichtet ist, dem Inhaber eines Basiskontos Barein- und auszahlungen am Bankschalter anzubieten, wenn diese von ihr per se nur am Geldautomaten angeboten werden3. D.h. mit anderen Worten, dass Banken durch die gesetzlichen Vorgaben zum Leistungsumfang nicht dazu verpflichtet werden, den Inhabern eines Basiskontos mehr Leistungen anzubieten, als es nach ihrem grundsätzlichen Geschäftsmodell der Fall ist. Den Leistungsumfang eines nach § 38 Abs. 2 ZKG zu erbringenden Zahlungsdienstes bestimmt somit weiterhin die betreffende Bank selbst auf Basis des im Allgemeinen Verbrauchern für deren Zahlungskonten unterbreiteten Leistungsangebots. Dies ist in der Praxis vor allem für sog. Direktbanken von Relevanz, welche kein Filialnetz unterhalten. Jedoch ist dabei zu beachten, dass die für den Inhaber eines Basiskontos zu erbringenden Zahlungsdienste gem. § 38 Abs. 4 Satz 2 ZKG nicht im Sinne eines Kontingents beschränkt werden dürfen.
3.1086 Das Basiskonto muss gem. § 38 Abs. 1 ZKG zwingend in Euro geführt werden. Dies gilt
allerdings nicht durchweg für die einzelnen auf Grundlage des Basiskontovertrags zu erbringende Zahlungsdienste. So muss bspw. bei Barauszahlungen an Geldautomaten im Ausland dem Kontoinhaber auch die Nutzung von Zahlungsdiensten in einer anderen Währung ermöglicht werden4. Im Übrigen übernimmt das ZKG in § 38 Abs. 2 als Beschreibung der zwingend zu ermöglichenden Zahlungsdienste die entsprechenden gesetzlichen Tatbestände in § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZAG, welche gem. § 675c Abs. 3 BGB die maßgeblichen Begriffsbestimmungen für das Zahlungsdiensterecht in den §§ 675c ff. BGB enthalten. Insofern bestehen inhaltlich keine Abweichungen.
3.1087 Eine besondere Vorgabe zum inhaltlichen Umfang der zu erbringenden Zahlungsdienste
ist in § 38 Abs. 3 Satz 1 ZKG für das Ein- und Auszahlungsgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 ZAG enthalten. Danach müssen Barauszahlungen dem Kontoinhaber innerhalb des EWG nicht nur an Bankschaltern, sondern auch außerhalb der Geschäftszeiten an Geldautomaten des kontoführenden Instituts oder eines Geldautomatennetzwerks, welchem dieses In-
1 2 3 4
LG Leipzig v. 13.6.2018 – 5 O 2018/17, ZIP 2018, 1967. LG Leipzig v. 13.6.2018 – 5 O 2018/17, ZIP 2018, 1967. Herresthal, BKR 2016, 133, 137. BT-Drucks. 18/7204, 81.
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stitut angehört, möglich sein. In der Praxis ist dies bspw. die Abhebung an Geldautomaten der sog. cash group als Zusammenschluss privater Geschäftsbanken, an deren Automaten die Kunden der angeschlossenen Banken (wechselseitig) kostenlos abheben können, der Fall. Allerdings müssen Barauszahlungen an institutsfremden Schaltern wie auch an Geldautomaten eines entsprechenden Netzwerks nur dann für Inhaber von Basiskonten ermöglicht werden, wenn auch derartige Vereinbarungen zwischen der kontoführenden Bank und anderen Zahlungsdienstleistern bestehen1. Im Übrigen greift auch im Fall des § 38 Abs. 3 Satz 1 ZKG wieder der zuvor genannte Grundsatz des § 38 Abs. 4 ZKG, wonach die kontoführende Bank nicht speziell für Inhaber einer Basiskonto besondere Einrichtungen schaffen oder erweitern muss, um Abhebungen an Schaltern oder institutsfremden Geldautomaten zu ermöglichen, wenn entsprechend dem Geschäftsmodell derartige Möglichkeiten nicht oder nur begrenzt vorhanden sind (vgl. Rz. 3.1085). Schließlich ist bei der Führung eines Basiskontos zu beachten, dass dieses für den Kontoinhaber nicht zu Bedingungen geführt wird, welche im Vergleich zu sonstigen für Verbraucher angebotenen Zahlungskonten benachteiligend sind. § 40 ZKG bestimmt insoweit ein allgemeines Benachteiligungsverbot, welche unabhängig von den Maßgaben zum Leistungsumfang des § 38 ZKG, insbesondere auch von dessen Abs. 4, besteht. Unter den Bedingungen der Kontoführung eines Basiskontos sind nicht nur Vertragsbedingungen in Gestalt von AGB, sondern auch rein faktische Umstände im Zusammenhang mit der Nutzung des Basiskontos zu verstehen2. Ersteres steht folglich insbesondere verglichen mit den allgemeinen AGB der kontoführenden Bank benachteiligenden AGB für Basiskonten entgegen, Letzteres einer abweichenden Ausgestaltung des Verfügungsrahmens, der die Durchführung des Vertragsverhältnisses betrifft3.
3.1088
4. Einschränkung der Kontokündigung Während dem Inhaber eines Basiskontos ein ordentliches Kündigungsrecht nach § 675h Abs. 1 BGB eingeräumt ist, bestehen für eine bankseitige Kündigung erhebliche Beschränkungen. Die Kündigungsmöglichkeiten der kontoführenden Bank sind ausweislich § 42 Abs. 1 ZKG abschließend in den nachfolgenden Abs. 2–4 geregelt. Dabei wird unterschieden nach einer Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindesten zwei Monaten (Abs. 2, 3) und einer Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (Abs. 4), wobei im Rahmen der Kündigung mit Kündigungsfrist wiederum in Bezug auf das Kündigungsrecht danach differenziert wird, ob die Vertragsparteien ein Kündigungsrecht der kontoführenden Bank vertraglich vereinbart haben. In Bezug auf die Vereinbarung ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese nicht in den AGB-Banken erfolgen kann, sondern über ein separates Dokument vorzunehmen ist. Da in sämtlichen Fällen ein Kündigungsgrund vorliegen muss, ist das grundsätzlich nach § 675h Abs. 2 BGB sowie Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken vorgesehene voraussetzungslose ordentliche Kündigungsrecht, mithin eine Kündigung ohne Vorliegen von Gründen, bei Basiskontoverträgen letztendlich inexistent. Der Gesetzgeber versteht zwar die in § 42 Abs. 2 ZKG verankerte Kündigungsmöglichkeit als ordentliches Kündigungsrecht der Bank, jedoch ist die Ausübung des Kündigungsrechts stets an einen der in Nr. 1–4 enumerativ aufgelisteten Kündigungsgründe gebunden. Als Folge der gesetzlich abschließend geregelten Kündigungsrechte in Bezug auf ein Basiskonto sind die in den AGB-Banken verankerten Kündigungsrechte um die 1 BT-Drucks. 18/7204, 82. 2 BT-Drucks. 18/7204, 84. 3 LG Leipzig v. 13.6.2018 – 5 O 2018/17, ZIP 2018, 1967.
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3.1089
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
folgende Klausel in Nr. 19 Abs. 5 ergänzt worden (s. auch Rz. 3.678): Einen Basiskontovertrag kann die Bank nur nach den zwischen der Bank und dem Kunden auf Grundlage des Zahlungskontengesetzes getroffenen Vereinbarungen und den Bestimmungen des Zahlungskontengesetzes kündigen.
3.1090 Ebenso wie den zulässigen Ablehnungsgründen (vgl. Rz. 3.1080 ff.) ist auch bei der ab-
schließenden Auflistung von Kündigungsrechten äußerst bedenklich, dass kein Kündigungsrecht aus sonstigem wichtigem Grund besteht. Als allgemeiner dem Zivilrecht innewohnender Grundsatz bei Dauerschuldverhältnissen besteht gem. § 314 BGB ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn eine Fortführung des Vertrags einer Partei unzumutbar ist. Dadurch dass der kontoführenden Bank die Berufung auf einen sonstigen wichtigen Grund abgeschnitten ist, werden die Interessen des Kunden absolut gesetzt, während die berechtigten Interessen der Bank an einer (sonstigen) außerordentlichen Kündigung letztendlich ignoriert werden1.
3.1091 In der Bankpraxis besonders relevante Kündigungstatbestände aus dem Katalog des § 42 Abs. 2–4 ZKG sollen nachfolgend näher erläutert werden:
3.1092 Nach § 42 Abs. 2 Nr. 3 ZKG kann ein Kündigungsrecht vereinbart werden, wenn der Kon-
toinhaber die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Abschluss eines Basiskontovertrags gem. § 31 Abs. 1 Satz 2 ZKG nicht mehr erfüllt. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn der Kontoinhaber in der EU keinen rechtmäßigen Aufenthalt mehr hat und seiner Abschiebung auch keine rechtlichen oder tatsächlichen Gründe entgegenstehen bzw. der Kontoinhaber das Konto überwiegend für gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeiten nutzt, mithin die Verbrauchereigenschaft entfällt.
3.1093 Eine weitere auf Vereinbarung basierende Kündigungsmöglichkeit besteht gem. § 42
Abs. 2 Nr. 4 ZKG, wenn der Kontoinhaber eine Bedingungsänderung nach § 675g BGB abgelehnt hat, welche die Bank sämtlichen Inhabern eines bei ihr geführten Basiskontos wirksam angeboten hat. Das Erfordernis der Wirksamkeit des Änderungsangebots in Bezug auf das Bedingungswerk hat insbesondere vor dem Hintergrund der Benachteiligungsverbote des ZKG nach den §§ 38–40 ZKG Bedeutung. Erfasst sind von dem Kündigungsrecht somit Fälle, in denen das Änderungsangebot für sämtliche von Verbrauchern geführte Zahlungskonten unterbreitet wird, so dass Inhaber von Basiskonten nicht schlechter gestellt werden, als die Inhaber anderer Zahlungskonten2. Anders gelagert kann der Sachverhalt allerdings sein, wenn die Bedingungsänderungen nur gegenüber den Inhabern von Basiskonten erfolgen sollen. Um in diesen Fällen ein unwirksames Änderungsangebot wegen Verstoßes gegen § 38 Abs. 4 ZKG zu vermeiden, müssen die neuen Bedingungen derart ausgestaltet sein, dass sie auch gegenüber Inhaber sonstiger Verbraucherzahlungskonten angeboten werden könnten, was insbesondere dann erfüllt ist, wenn die Änderung der Kontoführungsbedingungen eine für den Kontoinhaber insgesamt auswirkungsneutrale Änderung speziell der Führung von Basiskonten beinhaltet3.
3.1094 Auch ohne entsprechende Vereinbarung besteht auf gesetzlicher Grundlage u.a. ein außerordentliches Kündigungsrecht unter Einhaltung einer Frist von zwei Monaten gem. § 42 Abs. 3 Nr. 2 ZKG, wenn der Kontoinhaber mit einem nicht unerheblichen Teil der der
1 In diesem Sinne zutreffend Herresthal, BKR 2016, 133, 140. 2 BT-Drucks. 18/7204, 89. 3 BT-Drucks. 18/7204, 89.
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Besondere Kontoarten | Teil 3
kontoführenden Bank geschuldeten Entgelte und Kosten über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten im Zahlungsrückstand ist. Dabei muss zusätzlich der Zahlungsrückstand 100 € übersteigen sowie zu besorgen sein, dass aus der Kontoführung weitere Forderungen entstehen, deren Erfüllung durch den Basiskontoinhaber nicht gesichert ist. Das Merkmal des nicht unerheblichen Teils geschuldeter Entgelte oder Kosten ist sowohl relativ – bezogen auf die Gesamthöhe der geschuldeten Entgelte oder Kosten – als auch absolut zu verstehen, so dass bei einem Zahlungsrückstand i.H.v. weniger als 100 € eine Kündigung regelmäßig nicht in Betracht kommt1.
VII. Konto zugunsten Dritter 1. Grundlagen In der Bankpraxis werden von Kunden mitunter besondere rechtliche Gestaltungsformen gewählt, um das bei einer Bank unterhaltene Kontoguthaben einem Dritten zur Verfügung zu stellen. Das Konto zugunsten Dritter ist dabei eine Kontogestaltung, die es dem Kontoinhaber ermöglicht einem Dritten das Forderungsrecht am Kontoguthaben zukommen zulassen2. Häufigster Fall ist die vor allem im familiären Bereich angewendete Möglichkeit des Abschlusses eines Vertrags zugunsten Dritter, mit welchem dem Begünstigten zu einem bestimmten Zeitpunkt das Kontoguthaben durch ein eigenes Forderungsrecht gegen die kontoführende Bank zugewandt wird. Ein allgemein üblicher Anwendungsfall ist der Abschluss eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall. Darüber hinaus kann als Eintritt für den Rechtserwerb aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter neben dem Todesfall des Kunden natürlich auch jedes andere denkbare Ereignis gewählt werden. Als Praxisfall ist dies häufig der Eintritt der Volljährigkeit eines Angehörigen des Bankkunden.
3.1095
Derartige Verträge zugunsten Dritter sind nicht nur bei Sparkonten, sondern auch im Bereich von Zahlungsverkehrs(kontokorrent)konten grundsätzlich zulässig und möglich. Bei Zahlungsverkehrskonten ist allerdings zu beachten, dass ohne Mitwirkung des Begünstigten nur eine Guthabenforderung zugewandt werden kann, da es sich anderenfalls um einen im deutschen Zivilrecht unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter handeln würde. Aufgrund seiner großen Praxisrelevanz soll der Schwerpunkt der Darstellung nachfolgend auf einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall gelegt werden. Die einem Vertrag zugunsten Dritter zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen werden dabei anhand dieser Fallkonstellation erläutert.
3.1096
2. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall Hintergrund dieser rechtlichen Gestaltung ist im Regelfall, dass der Bankkunde den Wunsch hegt, einem Dritten seine als Kontoguthaben geführten Vermögenswerte zuzuwenden. Durch den Vertrag zugunsten Dritter kann sowohl der Rückgewähranspruch aus der Einlage des Kontos als auch die gesamte Kontoinhaberschaft übertragen werden3. Die Besonderheit des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall i.S.d. §§ 328, 1 BT-Drucks. 18/7204, 90. 2 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 64. 3 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 64.
Kropf | 481
3.1097
Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
331 BGB ist die Möglichkeit, dass der Kunde ohne die Beachtung besonderer erbrechtlicher oder schenkungsrechtlicher Formvorschriften dem Begünstigten außerhalb des Erbgangs eine Zuwendung machen kann1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterliegen derartige Verträge zugunsten Dritter den allgemeinen Regelungen für Rechtsgeschäfte unter Lebenden, nicht aber dem Erbrecht2. Demgemäß ist es in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH beständig abgelehnt worden, derartige Verträge zugunsten Dritter in Anlehnung an § 2301 Abs. 1 BGB den erbrechtlichen Formvorschriften für Verfügungen von Todes wegen zu unterwerfen, auch wenn es sich im Verhältnis zwischen dem Versprechensempfänger und dem Begünstigten, im Valutaverhältnis, um eine unentgeltliche Zuwendung handelte3. Gemäß § 331 BGB erwirbt der Dritte einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die versprechende Bank mit dem Tod des Versprechensempfängers. Der Anspruch erwächst im Weg des sog. „Von-selbst-Erwerbs“, mithin ohne weiteres Zutun, und steht dem Begünstigen ohne Durchgangserwerb durch das Vermögen des Versprechensempfängers zu, so dass weder die Forderung noch das zu ihrer Erfüllung geleitete in den Nachlass des Versprechensempfängers fallen. Bei einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall sind die einzelnen Rechtsbeziehungen zwischen den beteiligten Parteien auseinander zu halten, welche im Folgenden näher dargestellt werden. Deckungsverhältnis
Versprechender (Bank)
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Versprechensempfänger (Kunde)
Valutverhältnis (z.B. Schenkung)
3.1098
Begünstigter (Dritter)
a) Deckungsverhältnis
3.1099 Das Deckungsverhältnis besteht zwischen der Bank als Versprechendem und dem Konto-
inhaber als Versprechensempfänger. Inhalt dieser Vertragsbeziehung ist das Versprechen der Bank im Todesfall an dem vom Versprechensempfänger benannten Dritten aus dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Kontoguthaben zu leisten. Der Kontoinhaber kann allerdings über das Guthaben des vom Vertrag zugunsten Dritter erfassten Kontos zu Lebzeiten weiterhin frei verfügen. Der Dritte als Begünstigter des Vertrages zwischen Bank und Kunde hat bis zum Eintritt des Todesfalls weder ein Recht noch eine Anwartschaft, son1 Barleon in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, Kap. 6 Rz. 102. 2 S. zuletzt BGH v. 23.11.2003 – IV ZR 438/02, WM 2004, 271. 3 BGH v. 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, ZIP 1984, 162; BGH v. 14.7.1976 – IV ZR 123/75, WM 1976, 1130; BGH v. 30.10.1974 – IV ZR 172/73, NJW 1975, 382.
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dern lediglich die Hoffnung auf einen künftigen Rechtserwerb1. Der Kunde kann das Konto sogar kündigen und damit auflösen, so dass der Vertrag zugunsten Dritter letztendlich ins Leere geht. Dies gilt selbst in den Fällen, in denen er den Vertrag zu seinen Gunsten mitunterzeichnet hat2. Rechtlich zulässig wäre im Deckungsverhältnis auch die Zuwendung des Kunden an den Dritten an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. Eine Möglichkeit ist die Vereinbarung einer sog. Überlebensbedingung, wonach die Zuwendung nur erfolgt, wenn der Begünstigte den Kontoinhaber überlebt; zusätzlich kann für den Fall des Vorversterbens ein Ersatzberechtigter bestimmt werden oder die Vereinbarung getroffen werden, dass der Vertrag gegenstandslos wird3. Ist im Deckungsverhältnis keine Regelung für den Fall des Vorversterbens getroffen worden, ist im Zweifel davon auszugehen, dass das Forderungsrecht dem Kunden als Versprechensempfänger oder dem Nachlass zufällt4. b) Valutaverhältnis Zu beachten ist, dass der Erwerb des Forderungsrechts mit dem Todesfall des Versprechensempfängers im Verhältnis zu dessen Erben nur dann gesichert ist, wenn das Valutaverhältnis wirksam ist. Anderenfalls hat der Dritte zwar das Forderungsrecht gegen die Bank wirksam erworben, jedoch muss er damit rechnen, dass er das aufgrund dieses Anspruchs Erhaltene nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB an die Erben des Versprechensempfängers herausgeben muss, welche ihm die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegenhalten können5. Der Vertrag zugunsten Dritter als Verfügung über die Kontoforderung schafft noch keinen Rechtsgrund im Verhältnis zu den Erben des Versprechensempfängers.
3.1100
Rechtsgrund für die Zuwendung im Valutaverhältnis ist in der Bankpraxis regelmäßig eine Schenkung, jedoch sind natürlich auch andere Rechtsgründe denkbar6. Wenn es sich, wie zumeist, um eine unentgeltliche Zuwendung des Kunden an den Dritten handelt, wird jedoch im Regelfall von einer Schenkung als Rechtsgrund auszugehen sein. Das rechtswirksame Zustandekommen eines Schenkungsvertrags gem. § 516 Abs. 1 BGB bedarf einer entsprechenden Einigung der Parteien. Dies setzt den Zugang wie auch die Annahme des Schenkungsversprechens beim bzw. durch den Dritten voraus. Dies kann insoweit zu rechtlichen Folgeproblemen führen, als dass mitunter der Zuwendende zu Lebzeiten verhindern möchte, dass der Dritte als Begünstigter von der Zuwendung erfährt.
3.1101
Unschädlich ist grundsätzlich, wenn der Schenkungsvertrag zu Lebzeiten noch nicht rechtswirksam zustande gekommen ist. In ständiger Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass regelmäßig in den Vertrag zugunsten Dritter zwischen Kunden und Bank auch ein vom Kunden an die Bank erteilter Auftrag enthalten ist, das Schenkungsangebot nach
3.1102
1 BGH v. 17.2.1982 – VIII ZR 286/80, NJW 1982, 1808; Grüneberg in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 331 BGB Rz. 3. 2 Barleon in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, Kap. 6 Rz. 108. 3 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kap. 35 Rz. 73. 4 BGH v. 12.5.1993 – IV ZR 227/92, WM 1993, 1273. 5 BGH v. 30.10.1974 – IV ZR 172/73, NJW 1975, 382; BGH v. 14.7.1976 – IV ZR 123/75, WM 1976, 1130. 6 Barleon in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, Kap. 6 Rz. 103.
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Teil 3 | Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Kenntnis vom Tod des Kunden an den Dritten als Begünstigten zu übermitteln1. Dabei handelt es sich um einen sog. postmortalen Übermittlungsauftrag. Übermittelt die Bank somit die Drittbegünstigungserklärung an den Dritten, so liegt hierin ein wirksames Schenkungsangebot des Kunden an den Dritten2. Ein hingegen zu Lebzeiten vom Kunden abgegebenes Schenkungsangebot erlischt gem. § 130 Abs. 2 BGB nicht durch dessen Tod, vielmehr ist es für die Wirksamkeit einer Willenserklärung ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach Abgabe der Willenserklärung verstirbt. Das Schenkungsangebot ist zudem gem. § 153 BGB auch nach dem Tod des Kunden noch annahmefähig. Grundsätzlich müsste die Annahme gegenüber den Erben erklärt werden, jedoch genügt unter den Voraussetzungen des § 151 BGB auch die erkennbare Bestätigung des Annahmewillens. Das Schenkungsangebot kann der Dritte somit auch gem. § 130 Abs. 1, §§ 153, 151 BGB stillschweigend annehmen, da davon auszugehen ist, dass der Kunde auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet hat3.
3.1103 Ebenso wenig steht die in § 518 Abs. 1 BGB für den wirksamen Abschluss eines Schen-
kungsvertrags bestimmte notarielle Beurkundung des Schenkungsversprechens dem Zustandekommen des Vertrags entgegen. Gemäß § 518 Abs. 2 BGB kann ein Mangel der Form durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt werden. Mit Leistung der Bank an den Begünstigten tritt folglich eine Heilung des Formmangels ein. Die Bewirkung der Leistung erfolgt gem. § 331 Abs. 1 BGB bei einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall im Zeitpunkt des Todes des Kunden. Die Schenkung ist vollzogen und der Formmangel geheilt worden, wenn der Begünstigte den versprochenen Anspruch gegen die Bank mit dem Tode des Erblassers erworben hat4. Die versprochene Leistung ist somit im Zeitpunkt des Zugangs des Schenkungsversprechens auf Basis des postmortalen Übermittlungsauftrags bereits bewirkt und die Erklärung bei Zugang folglich auch schon von ihrem Formmangel geheilt5. c) Widerrufsrecht
3.1104 In der Bankpraxis ist allerdings zu beachten, dass solange das Schenkungsangebot dem
Dritten noch nicht zugegangen ist, der Kunde sowohl sein Schenkungsangebot als auch den postmortalen Übermittlungsauftrag gem. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB widerrufen kann. Dieses Widerrufsrecht steht überdies auch den Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Kunden zu. Das Widerrufsrecht fällt in den Nachlass und kann von den Erben bis zum Zugang beim Begünstigten noch ausgeübt werden6.
3.1105 Um diesen denkbaren „Wettlauf“7 zwischen der das Schenkungsangebot des Kunden über-
mittelnden Bank und den sich um den Widerruf dieses Angebots bemühenden Erben des Kunden zu verhindern, bestehen in der Praxis bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten. Da-
1 BGH v. 14.7.1976 – IV ZR 123/75, WM 1976, 1130; BGH v. 30.10.1974 – IV ZR 172/73, WM 1975, 115. 2 BGH v. 21.5.2008 – IV ZR 238/06, WM 2008, 1700. 3 BGH v. 30.10.1974 – IV ZR 172/13, NJW 1975, 382; BGH v. 29.5.1984 – IX ZR 86/82, WM 1984, 1190. 4 BGH v. 14.7.1976 – IV ZR 123/75, WM 1976, 1130; BGH v. 25.4.1975 – IV ZR 63/74 NJW 1975, 1360. 5 Weller in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/412. 6 BGH v. 30.10.1974 – IV ZR 172/13, NJW 1975, 382. 7 BGH v. 14.7.1976 – IV ZR 123/75, WM 1976, 1130.
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bei ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Ausschluss des Widerrufsrechts der Erben zwischen Kunden und Bank im Vertrag zugunsten Dritter nicht rechtswirksam vereinbart werden kann. Der BGH hat einen entsprechenden formularmäßigen Ausschluss des Widerrufsrechts der Erben für unwirksam erklärt, da der Erblasser nicht ohne weiteres anordnen könne, dass zwar er, nicht aber die Erben widerrufen dürfen, vielmehr kann der Erblasser die Erben nur über sich selbst als seine Rechtsnachfolger, nicht aber sie allein belasten, wenn er nicht die Form der letztwilligen Verfügung wählt oder die Erben an der entsprechenden Vereinbarung beteiligt1. Eine zulässige und rechtswirksame Möglichkeit besteht jedoch darin, dass der aus dem Vertrag zugunsten Dritter Begünstigte bereits zu Lebzeiten des Kunden am Zustandekommen des Vertrags beteiligt wird. Im Wege dieser Beteiligung kann der Dritte das zugrunde liegende Schenkungsangebot des Kunden zu dessen Lebzeiten bereits annehmen2. Der Vorteil an dieser Gestaltung liegt darin, dass im Falle des späteren Ablebens des Kunden der Begünstigte die Forderung aus dem Kontoguthaben mit Rechtsgrund erwirbt, da die Einigung über die unentgeltliche Zuwendung bereits zu Lebzeiten zustande gekommen und das Widerrufsrecht der Erben dadurch ausgeschlossen ist3. Eine entsprechende Klausel ist in den Formularmustern der privaten Kreditwirtschaft auch enthalten. Darin heißt es: „Die Vereinbarung wird in Gegenwart des Begünstigten geschlossen, der die Zuwendung hiermit annimmt.“
3.1106
Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit beinhaltet einen Widerrufsverzicht, welcher durch den Kunden erklärt wird. Dies Variante wird vielfach gewählt, wenn der Kunden vermeiden will, dass der Begünstigte schon zu Lebzeiten von dem Vertrag zugunsten Dritter Kenntnis erlangt4. Im Gegensatz zur gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung unzulässigen alleinigen Bindung der Erben, geht in dieser Gestaltungsvariante der Kunde mit dem erklärten unwiderruflichen Schenkungsangebot eine Selbstbindung ein, welche im Wege der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB auch die Erben bindet. Mit Abschluss des Vertrages zugunsten Dritter, der ein unwiderrufliches Schenkungsangebot enthält, sind demnach sowohl der Kunden als auch die Erben gebunden5. Auch in dieser Variante ist der Rechtserwerb zunächst rechtsgrundlos, da es im Zeitpunkt des Todes noch an einer wirksamen Einigung über eine unentgeltliche Zuwendung fehlt, jedoch können die Erben das wirksame Zustandekommen der Schenkung nicht mehr verhindern, wenn die Bank gegenüber dem Begünstigten ihrem postmortalen Übermittlungsauftrag nachkommt.
3.1107
Die Formularvordrucke in der privaten Bankwirtschaft sehen für diesen Fall einen entsprechende Klausel mit dem folgenden Wortlaut vor: „Ich verzichte auf mein Recht zum Widerruf dieses Schenkungsangebots (§ 130 BGB) und erteile Ihnen unwiderruflich den Auftrag, dieses Angebot nach meinem Ableben dem Begünstigten zu übermitteln; an diesen Widerrufsverzicht sind auch meine Erben als meine Rechtsnachfolger gebunden.“6 Die Unwiderruflichkeit des Schenkungsangebots ändert jedoch nichts an dem bis zum Eintritt des Ablebens fortbestehenden unbeschränkten Verfügungsrecht des Kunden über das dem Ver-
3.1108
1 2 3 4 5 6
BGH v. 14.7.1976 – IV ZR 123/75, WM 1976, 1130. OLG Düsseldorf v. 31.5.1996 – 22 U 236/95, WM 1997, 867. Schebesta in Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch, Erbrecht und Banken, 3. Aufl. 2017, § 5 Rz. 28. Schebesta in Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch, Erbrecht und Banken, 3. Aufl. 2017, § 5 Rz. 30. OLG Celle v. 20.12.1995 – 3 U 275/94, WM 1996, 851. S. Formular des Bankverlags Vertrag zugunsten Dritter (Kontoguthaben/Sparbriefe), abgedruckt in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/420.
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trag zugunsten Dritter zugrunde liegenden Kontoguthaben (s. Rz. 3.1099). Darüber hinaus sehen die Formulare vor, dass der Kunde gegenüber der Bank auch auf das Recht verzichtet, seinen postmortalen Übermittlungsauftrag zu widerrufen. Damit ist auch den Erben als Gesamtrechtsnachfolger die Möglichkeit des Auftragswiderrufs nach § 671 Abs. 1 BGB genommen. 3. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten
3.1109 Grundsätzlich bestehen für den Kontoinhaber, abgesehen vom Vertrag zugunsten Dritter,
noch weitere Möglichkeiten durch Verfügung unter Lebenden auf den Todesfall Dritten Kontoguthaben zuzuwenden. Da sich diese jedoch als Gestaltungsmöglichkeit in der Bankpraxis letztendlich nicht durchgesetzt haben, sollen diese nachfolgend nur kursorisch dargestellt werden.
3.1110 Der BGH hat die Möglichkeit anerkannt, dass eine Schenkung von Todes wegen durch
die Errichtung eines Oder-Kontos vorgenommen werden kann1. Da es sich bei einem Oder-Konto hinsichtlich der Kontoinhaber um Gesamtgläubiger handelt (vgl. Rz. 3.995), kann ein Gesamtgläubiger seine Forderung auf den einzigen anderen Gesamtgläubiger übertragen, so dass dieser alleiniger Gläubiger gegenüber der Bank wird. Der BGH lässt es für das Vorliegen einer Abtretung genügen, dass der einvernehmliche Wille der Parteien besteht, der Forderungsübergang solle mit dem Tode des Verfügenden eintreten, wobei mit der Errichtung des Oder-Kontos bereits alles dafür Erforderliche veranlasst ist. Nicht erforderlich sei hingegen nach dem BGH eine Kenntnis der Konstruktion einer aufschiebend bedingten Abtretung als der für den Schenkungsvollzug erforderlichen dinglichen Übertragung. Schuldrechtlich handelt sich dabei um eine Schenkung unter Lebenden auf den Todesfall, so dass die §§ 2301 ff. BGB keine Anwendung finden. Allerdings muss gem. § 2301 Abs. 2 BGB die Zuwendung der Guthabenforderung des Gesamtgläubigers an den anderen Gesamtgläubiger schon zu Lebzeiten vollzogen sein. Durch die schon zu Lebzeiten erfolgte Mitverfügungsbefugnis über das gesamte Kontoguthaben hat der Zuwendende nach Ansicht des BGH bereits zu Lebzeiten das für den Vollzug der Schenkung i.S.v. § 518 Abs. 2 BGB erforderliche Vermögensopfer erbracht2.
3.1111 Überdies besteht ausweislich der BGH-Rechtsprechung die Möglichkeit, seitens des Konto-
inhabers ein Schenkungsversprechen gegenüber dem Zuwendungsempfänger bezüglich des Guthabens zu erklären, wobei der Schenkungsvollzug durch postmortale Vollmacht des Versprechensempfängers erfolgt3. Das Bankguthaben wird auf den Tod des Kontoinhabers zugewendet und dem Begünstigen eine Vollmacht erteilt, mit welcher er nach dem Tod des Kontoinhabers gegenüber der Bank auftreten sowie das Guthaben auf sich übertragen kann. Mit der Verfügung auf Grundlage der Vollmacht wird die Schenkung vollzogen und die Formnichtigkeit gem. § 518 Abs. 2 BGB geheilt4.
1 BGH v. 13.4.1986 2 BGH v. 13.4.1986 3 BGH v. 18.5.1988 1994, 2190. 4 BGH v. 18.5.1988
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– IVa ZR 198/84, WM 1986, 783. – IVa ZR 198/84, WM 1986, 783. – IVa ZR 36/87, WM 1988, 984; BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM – IVa ZR 36/87, WM 1988, 984.
4. Teil Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) 1. Abschnitt: Grundlagen . . . . . . I. Abgrenzung zu Bankgeschäften II. EU-Richtlinien als prägende Elemente des Rechts der Zahlungsdienste . . . . . . . . . . . . . III. Buchgeld als Kontoguthaben . . IV. Kontobelastung als Deckung für Buchgeldzahlung . . . . . . . . V. Mitwirkungserfordernis der Zahlungsdienstleister . . . . . . . VI. Zugang des Publikums zum bargeldlosen Zahlungsverkehr . VII. Abgrenzung zur Bargeldzahlung VIII. Erfordernis des Einverständnisses des Buchgeldempfängers . . 1. Nachteile einer Buchgeldzahlung für den Buchgeldempfänger . . . . 2. Einverständnis durch konkludentes Verhalten . . . . . . . . . . . IX. Rechtliche Einordnung des Zahlungsvorganges . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur der Kontogutschrift . 2. Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kontogutschrift . . . . . . . . . a) Manuelle Gutschriftsbuchung . b) EDV-Gutschrift . . . . . . . . . . aa) Maßgeblichkeit der autorisierten Abrufpräsenz . . . bb) Einheitlicher Zeitpunkt für alle EDV-Gutschriften c) Erteilung von Vorbehaltsgutschriften . . . . . . . . . . . . 3. Die Wertstellung (Valutierung) der Kontobuchungen . . . . . . . . 4. Belastungsbuchung im Recht der Zahlungsdienste . . . . . . . . . X. Buchgeldzahlung zur Erfüllung von Geldschulden . . . . . . . . . . 1. Tilgungszeitpunkt . . . . . . . . . . a) Gutschrift auf Gläubigerkonto als spätester Zeitpunkt . . . . . b) Deckungseingang bei Gläubigerbank als maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtzeitigkeit der Buchgeldzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . .
__ __ _ _ __ _ _ _ __ __ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _
4.1
2. Abschnitt: Die Überweisung . . . .
4.1
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 4.4 4.6 4.8
4.13 4.14 4.21 4.22 4.25 4.27 4.28 4.40 4.42 4.43 4.46 4.49 4.51 4.54 4.61 4.63 4.66 4.67 4.69 4.70
II. Die Überweisung im Recht der Zahlungsdienste . . . . . . . . . . . . 1. Die für Überweisungen relevanten Regelungen über Zahlungsdienste . 2. Informationspflichten . . . . . . . . . 3. Die Vertragsstruktur . . . . . . . . . 4. Entgeltregelungen . . . . . . . . . . . 5. Die Autorisierung . . . . . . . . . . . 6. Die Ausführung von Zahlungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ersatzansprüche . . . . . . . . . . . . 8. Beweisregelungen . . . . . . . . . . . 9. Erstattungsansprüche . . . . . . . . . 10. Haftungsregelungen . . . . . . . . . . III. Rechtsbeziehung zwischen überweisendem Kunden und seinem Zahlungsdienstleister . . . . . . . . 1. Abgrenzung zum Zahlungsdienstevertrag (§ 675f BGB) . . . . . 2. Inhalt der Geschäftsbesorgungspflicht der Bank . . . . . . . . . . . . a) Gesetzlich geregelte Geschäftsbesorgungspflicht . . . . . . . . . . b) Pflicht zum Ausgleich der Verspätungsfolgen . . . . . . . . . c) Zahlungsauftrag als weitergeleiteter Auftrag . . . . . . . . . . d) Quasi-Erfüllungsgehilfenhaftung der Überweiserbank mittels Garantiehaftung . . . . . . . . . . . 3. Grundsatz der Formfreiheit . . . . . 4. Daueraufträge und sonstige Auftragsformen . . . . . . . . . . . . . 5. Gefälschte oder verfälschte Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gesetzliche Nebenpflichten aus dem Zahlungsauftrag . . . . . . . . . a) Einhaltung der Ausführungsfristen (§ 675s Abs. 1 BGB) . . . b) Rückfrage- und Benachrichtigungspflichten des erstbeauftragten Instituts bei Überweisungen (§§ 666 und 675o Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Vorschussleistung des Buchgeldzahlers . . . . . . . . . . .
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4.91 4.91 4.93
4.93 4.99 4.114 4.123 4.127 4.140 4.152 4.157 4.159 4.163
4.180 4.185 4.189 4.193 4.195 4.196 4.198 4.199 4.201 4.203 4.207 4.208
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4.209 4.213
Werner | 487
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) d) Weisungswidrige Auftragsausführung . . . . . . . . . . . . . . e) Verhaltens-(Schutz-)Pflichten des Zahlungsinstituts und des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Warnpflichten des Zahlungsinstituts . . . . . . . . . . bb) AGB-mäßige Verhaltensund Schutzpflichten des Girokunden . . . . . . . . . . . 7. Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrages . . . . . . . . . . . . a) Kündigungsmöglichkeit des Zahlungsdiensterahmenvertrags und Widerrufsmöglichkeit des Zahlungsauftrags des Überweisenden . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnung des Zahlungsauftrags durch das Zahlungsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Haftungsrechtliche Aspekte . . . . . a) Verschuldensunabhängige Haftung bei verzögerter oder gekürzter Auftragsausführung . . b) Schadensersatzpflicht wegen Verschuldens bei Auftragsausführung . . . . . . . . . . . . . . c) Zahlungsauftrag zwischen beteiligten Zahlungsinstituten mit Schutzwirkung für Buchgeldzahler . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbeziehungen zwischen mitwirkenden Zahlungsinstituten . . 1. Selbständige Vertragsverhältnisse zwischen den beteiligten Instituten (Interbankenverhältnis) . . . . . . . . 2. Anschaffung der Deckung für den Überweisungsauftrag . . . . . . . . . 3. Buchgeldzahlung unter Mitwirkung der Deutschen Bundesbank .
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4.215 4.216 4.218 4.221 4.225
_ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __
4.226 4.228 4.229 4.232 4.234
4.243 4.244 4.245 4.254 4.258
V. Zahlungsinstitut des Buchgeldempfängers als Letztbeauftragter in der Girokette . . . . . . . . . . . . 4.260 1. Maßgeblichkeit des Namens des Buchgeldempfängers . . . . . . . . . 4.262 2. Unmaßgeblichkeit des Verwendungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . 4.266 VI. Rechtsbeziehung zwischen Buchgeldempfänger und seinem Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . . . 4.267 1. Anspruch auf Gutschrift des Überweisungsbetrages . . . . . . . . . 4.272 2. Anspruch aus der Gutschrift . . . . 4.283
488 | Werner
3. Zurücküberweisung einer Kontogutschrift durch Buchgeldempfänger . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Zurückweisungsrechts . . . . . . . . . . b) Reichweite des Zurückweisungsrechts . . . . . . . . . . 4. Verhaltens-(Schutz-)Pflichten des Zahlungsdienstnutzers . . . . 5. Beendigung des Girovertrages . .
_ _ _ __
4.288 4.293 4.295 4.301 4.302
VII. Erfüllungswirkung der Kontogutschrift im Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger . . . . . . . . 4.307 VIII. Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungen . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . a) Komplexer Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlegende Korrektur der Rechtsprechung durch Bankrechtssenat des BGH . . . . . . c) Bestimmung der bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehung . . . . . . . . . . . . . aa) Bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff als Rechtsbegriff . . . . . . . . . bb) Überweisung als Simultanleistung im Valutaund Deckungsverhältnis . cc) Zwischengeschaltete Institute regelmäßig als Leistungs„mittler“ . . . . . 2. Rechtswidrig belasteter Girokunde als Bereicherungsgläubiger a) Fehlerhaftes Valutaverhältnis . b) Fehlerhaftes Deckungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mängelbehaftetes Valutaund Deckungsverhältnis (sog. Doppelmangel) . . . . . . 3. Zahlungsinstitut des rechtswidrig belasteten Girokunden als Bereicherungsgläubiger . . . . a) Bereicherungsanspruch gegen den Girokunden . . . . . . . . . b) Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger . aa) Belastetem Girokunden nicht zurechenbare Fehlüberweisung . . . . . . . . .
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4.313 4.313 4.315 4.317 4.320 4.322 4.326 4.329 4.331 4.332 4.334 4.336 4.337 4.338 4.341 4.342
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) | Teil 4 bb) Unbeachtlichkeit der „Gutgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers . . cc) Belastetem Girokunden zurechenbare Fehlüberweisung . . . . . . . . . . . . . dd) Kenntnis des Überweisungsempfängers von der Fehlerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsposition des Empfängerinstituts beim Bereicherungsausgleich . a) Empfängerinstitut als Bereicherungsgläubiger . . . . . . . . . . . . b) Empfängerinstitut als bloßer „Leistungsmittler“ . . . . . . . . . 5. Ergebnis der bereicherungsrechtlichen Bewertung von Fehlüberweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . 6. AGB-mäßiges Stornorecht . . . . . . a) Zweck des Stornorechts . . . . . . b) Zeitliche Befristung des Stornorechts . . . . . . . . . . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ __ _ _ _ _ __ _ _ _ _ __ _ __ _ __ _
4.350 4.352 4.354 4.356 4.357 4.361 4.369 4.370 4.373 4.377
3. Abschnitt: Lastschriftverfahren . . 4.401 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . 1. Lastschrift als „rückläufige“ Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorzüge des Lastschriftverfahrens 3. Grundstrukturen der Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einstellung des Einziehungsermächtigungs- und des Abbuchungsauftragsverfahrens aufgrund der MigrationsVO . b) Vielzahl nachgeordneter Inkassoverhältnisse . . . . . . . .
. 4.401 . 4.403 . 4.405 . 4.408
. 4.409 . 4.410
II. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und seinem Institut . . 1. Schriftform für Inkassovereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erteilung von E.v.-Gutschriften . . 3. Haftung des Gläubigerinstituts für nachgeordnete Inkassoinstitute . . . III. Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und seinem Zahlungsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. SEPA-Lastschriftverfahren . . . . . . a) Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . b) Ablauf des SEPA-Lastschriftverfahrens . . . . . . . . . . . . . . c) Lastschriftrückgabe . . . . . . . . . 2. Benachrichtigungspflicht bei Nichteinlösung . . . . . . . . . . . . .
4.411 4.414 4.415 4.421
4.422 4.423 4.423 4.426 4.434 4.440
IV. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner (Valutaverhältnis) . . . . . . . . . . . 1. Pflichten aus der Lastschriftabrede a) Gläubigerpflichten . . . . . . . . . b) Schuldnerpflichten . . . . . . . . . 2. Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner V. Rechtsbeziehungen im Interbankenverhältnis . . . . . . . . . . . 1. Rückgabe von Lastschriften . . . . . 2. Wiedervergütung eingelöster Lastschriften . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter? . . . . .
__ __ _ __ _ _
4.441 4.443 4.444 4.448 4.449 4.450 4.453 4.455 4.456
VI. Schadensersatzansprüche wegen missbräuchlichen Verhaltens im Rahmen des Lastschriftverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.457
__ _ _ _ _ _ __ __ _ _ _ _ __ _ _
4. Abschnitt: Scheckinkasso . . . . . . 4.471 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . 4.471 II. Inkassoverhältnis zwischen Scheckinhaber und erster Inkassostelle . . . . . . . . . . . . . . 1. Erteilung einer Vorbehaltsgutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten der Inkassobank bei Nichteinlösung . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsstellung der Inkassostelle bei unterbliebener Scheckeinlösung . . III. Scheckvertragliche Beziehung zwischen Scheckaussteller und bezogener Bank . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur des Scheckvertrages . . 2. Rechte und Pflichten der Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Barauszahlung . . . . . . . . . . . . b) Erteilung einer Kontogutschrift durch die bezogene Bank . . . . . c) Einlösung beim Scheckeinzug im bargeldlosen Zahlungsverkehr . . 4. Ansprüche der bezogenen Bank aus der Scheckeinlösung . . . . . . . a) Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) . . . . . . . . . . . . . b) Bereicherungsanspruch . . . . . . 5. Schecksperre . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fälschung und Verfälschung von Schecks . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.478 4.483 4.488 4.491
4.497 4.498 4.501 4.504 4.508 4.510 4.512 4.514 4.514 4.516 4.518 4.520
Werner | 489
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) IV. Rechtsbeziehungen zwischen Scheckberechtigtem und bezogener Bank . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende scheckrechtliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertraglicher Zahlungsanspruch des Scheckberechtigten . . . . . . . . a) Einlösungszusage der bezogenen Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Scheckbestätigung . . . . . . . . .
_ _ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ __ __ __ _ __ _
4.521 4.522 4.523 4.523 4.526
V. Zahlungsverkehrsabkommen für den beleghaften Scheckeinzug . . . 4.527 5. Abschnitt: Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.541 I. EZÜ-Verfahren . . . . . . . . . . . . 4.543 II. EZL-Verfahren . . . . . . . . . . . . . 4.546 6. Abschnitt: Kontobezogenes Online-Banking . . . . . . . . . . . . 4.551 I. Einführung des Bildschirmtext(Btx-)Verfahrens 1984 als Vorgänger zum Online-Banking . . . . 4.553 II. Institutsspezifisches Leistungsangebot der Kreditwirtschaft . . . 4.555 III. Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Nutzers . . . . . . 4.558 IV. Besondere rechtliche Aspekte des Online-Banking . . . . . . . . 1. Abgabe und Zugang der Willenserklärungen des Kunden . . . . . . 2. Leistungsumfang und finanzielle Nutzungsgrenze . . . . . . . . . . . 3. Die Online-Banking-Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Informationspflichten . . . . . . . . 5. Zugang von Aufträgen . . . . . . . 6. Ausführungsfristen . . . . . . . . . 7. Bearbeitung anhand einer Kundenkennung . . . . . . . . . . . 8. Geheimhaltungspflichten . . . . . . 9. Sperrmöglichkeit . . . . . . . . . . . 10. Haftungsfragen . . . . . . . . . . . . 11. Die speziellen Haftungsregelungen in den Online-BankingBedingungen . . . . . . . . . . . . . a) (Technische) Verfahren des Online-Banking . . . . . . . . . . b) Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . c) Haftung des Online-BankingNutzers . . . . . . . . . . . . . . .
490 | Werner
. 4.564 . 4.566 . 4.570 . . . . . . . .
4.571 4.576 4.577 4.578 4.579 4.580 4.587 4.589
. 4.592 . 4.592 . 4.593 . 4.601
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7. Abschnitt: Kartengesteuerte Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . 4.621 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedürfnis nach Automatisierung der Zahlungsvorgänge . . . . . . . . 2. Internationales edc-System (electronic debit card) . . . . . . . . 3. Chipkarten der Kreditwirtschaft mit unternehmensbezogenen Zusatzanwendungen . . . . . . . . . . 4. Zahlungskarte als Instrument kartengesteuerter Zahlungssysteme 5. Verwendung einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) . . . . II. AGB-mäßige Sonderbedingungen für die Nutzung der girocard . . . 1. Wesentliche Regelungspunkte . . . a) Finanzielle Nutzungsgrenzen . . b) Umrechnung von Fremdwährungsbeträgen . . . . . . . . . . . . c) Rückgabe, Sperre und Einziehung der Karte . . . . . . . . . . . d) Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten des Karteninhabers . . e) AGB-Klauseln zur Erfüllung der Aufklärungspflicht der kartenausgebenden Bank . . . . . 2. Haftungsregelungen für missbräuchliche Verwendung der Karte a) Verteilung des Schadensrisikos aus einer missbräuchlichen Verwendung der Karte . . . . . . b) Abhängigkeit der Risikoverteilung vom vertragsmäßigen Kundenverhalten . . . . . . . . . . c) Differenzierungen bei der Kundenhaftung . . . . . . . . . . . d) Vereinbarkeit mit dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . e) Angemessenheit der Schadensverteilung . . . . . . . . . . . . . . . III. Garantiefunktion der girocard . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . 2. Garantievertrag zwischen Zahlungsempfänger und bezogener Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung der Garantie von Bürgschaft und Schuldbeitritt . . b) Zustandekommen des Garantievertrages . . . . . . . . . . . . . . . c) Garantiehaftung auf Grund Rechtsscheinhaftung . . . . . . . .
4.621 4.621 4.622 4.630 4.634 4.644 4.646 4.650 4.651 4.655 4.656 4.657 4.661 4.664 4.666 4.667 4.669 4.677 4.678 4.680 4.686 4.687 4.688 4.693 4.694
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) | Teil 4
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3. Vertrag über die girocard mit dem Kontoinhaber (Deckungsverhältnis) . . . . . . . . . . . . . . . . 4.699 4. Einwendungen des bezogenen Instituts gegen die Garantieinanspruchnahme . . . . . . . . . . . 4.708 IV. Bargeldloses Zahlen an automatisierten Kassen des electronic cash-Systems . . . . . . . . . 1. Grundstrukturen des electronic cash-Systems . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zum elektronischen Lastschriftverfahren und zur elektronischen Geldbörse . b) Clearing der electronic cash-Umsätze durch Lastschrifteinzug . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlagen des electronic cash-Systems . . . . . . . . . . . . . . 3. Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts als Garantieverpflichtung . . . . . . . . . . . . a) Zahlungsgarantie als Abgrenzungsmerkmal zum elektronischen Lastschriftverfahren . . b) Garantieverpflichtung auf Grund des Gesamtgefüges der bargeldlosen Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . .
4.712 4.714 4.716 4.718 4.720 4.726 4.728
4.729
V. Elektronisches SEPA-Lastschriftverfahren (SEPA-ELV) . . . . . . . 4.735 VI. Zahlungskarte als Bedienungsmedium für Geldautomaten . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Konstruktion der Bargeldauszahlung an institutseigenen Geldautomaten . . . . . . 3. Benutzung institutsfremder Geldautomaten . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Erstattungsanspruchs des automatenbetreibenden Instituts . . . . . b) Erfüllungswirkung der Auszahlung im Verhältnis Kunde/ kartenausgebendes Institut . . 4. Verschaffung des Eigentums an dem ausgegebenen Bargeld . . . . 5. Beweisfragen . . . . . . . . . . . . .
. 4.741 . 4.742 . 4.749 . 4.753 . 4.754 . 4.759 . 4.763 . 4.764
VII. GeldKarte als elektronische Geldbörse . . . . . . . . . . . . . . . . 4.766 1. „Chipgeld“ als Bargeldersatz . . . . 4.769 2. GeldKarte als „vorausbezahlte“ Geldbörse . . . . . . . . . . . . . . . . 4.773
3. Rechtliche Parallelen zur Grundstruktur des kartengesteuerten Zahlungsverkehrs . . . . . . . . . . . a) Erteilung eines Zahlungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung einer abstrakten Zahlungsverbindlichkeit des kartenausgebenden Institutes . . aa) Zustandekommen des Zahlungsanspruchs . . . . . . bb) Übernahme einer Zahlungsgarantie . . . . . . . . . . . . . 4. Haftung des Kontoinhabers für missbräuchliche Verwendung der GeldKarte . . . . . . . . . . . . . . . . 5. GeldKartengeschäft als genehmigungspflichtiger Zahlungsdienst . . 6. E-Geld-Geschäft und Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinien . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
4.776 4.777 4.782 4.783 4.787 4.788 4.792 4.796
8. Abschnitt: Kreditkartengeschäft . 4.801 I. 1. 2. 3.
Wirtschaftliche Funktionen . Universales Zahlungsmittel . . Bargeldservice . . . . . . . . . . . Inanspruchnahme des Karteninhabers . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kreditfunktion . . . . . . . . . .
. . . 4.806 . . . 4.809 . . . 4.812 . . . 4.814 . . . 4.817
II. Rechtsnatur des Kreditkartengeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Inhaber der Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Belastungsbeleges . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis . . . . . 2. Rechtsbeziehungen zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . a) Zahlungsgarantie des Kartenemittenten . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldversprechen (§ 780 BGB) als kein adäquates Sicherungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . c) Begründung des Garantieanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . d) Forderungskauf statt Zahlungsgarantie? . . . . . . . . . . . . . . . e) Haftung für Schäden aus missbräuchlicher Verwendung der Kreditkarte durch Dritte . . . . .
4.821 4.823 4.831 4.834 4.840 4.843 4.847 4.853 4.857 4.863
III. Eigenemission von Kreditkarten durch Kreditinstitute . . . . . . . . 4.869
Werner | 491
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
9. Abschnitt: Drittdienstleister . . . . 4.881 I. Zahlungsauslösedienst . . . . . . . . 4.881 II. Kontoinformationsdienst . . . . . . 4.897 III. Drittemittent von Zahlungskarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.910 10. Abschnitt: Folgen der RTS 2018/ 389 für die starke Kundenauthentifizierung und die Drittdienste . 4.921 I. Regelungsbereiche der RTS 2018/389 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.921 II. Anforderungen an die starke Kundenauthentifizierung . . . . . . 4.924 III. Ausnahmen von der starken Kundenauthentifizierung . . . . . . 4.927 IV. Anforderungen an die personalisierten Sicherheitsmerkmale . . . 4.935 V. Regelungen zur dezidierten Schnittstelle für Drittdienste . . . 4.937 11. Abschnitt: Reisescheck . . . . . . . . 4.941 I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . 4.945 II. Rechtsbeziehung zwischen Ersterwerber und Emittent . . . . . 4.949 III. Übertragung von Reiseschecks . . 4.953 IV. Rechtsbeziehung zwischen Emittent und der einlösenden oder in Zahlung nehmenden Stelle . . . 4.955 V. Einlösung abhanden gekommener Reiseschecks . . . . . . . . . . . . 4.958 VI. Inkasso von Reiseschecks . . . . . . 4.961
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12. Abschnitt: Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins) . . . . . . . 4.966 I. Funktion des Netzgeldes beim bargeldlosen Zahlungsvorgang . . 4.966 II. Abweichende Grundkonzeption verschiedener Netzgeldsysteme . . 4.968 13. Abschnitt: Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs . . . . . . . . 4.971 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 4.971 II. 1. 2. 3. 4. 5.
PayPal . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur des PayPal-Verfahrens . Regelungen zum Käuferschutz . . Regelungen zum Verkäuferschutz Haftung in Missbrauchsfällen . . . Sonderfall: Kauf auf Rechnung . .
. . . . . .
III. Paydirekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Struktur des paydirekt-Verfahrens . 2. Risikoübernahmeregelungen . . . . a) Käuferschutz . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnungsgründe der Zahlerbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftungsregelungen . . . . . . . . . . a) Haftung des Zahlers für nicht autorisierte Zahlungen . . . . . . b) Übertragung der Haftungsgrundsätze aus dem OnlineBanking – Anwendung der Grundsätze zum Beweis des ersten Anscheins? . . . . . . . . . . c) Zahlungssicherheit für den Zahlungsempfänger . . . . . . . .
4.972 4.972 4.980 4.982 4.985 4.986 4.990 4.990 4.994 4.994 4.995 4.996 4.996
_ __ _
4.999
4.1004
IV. SOFORT Überweisung . . . . . . . 4.1006 V. Direktüberweisung . . . . . . . . . . 4.1016
Schrifttum: Albrecht, Zur Haftung von Banken gegenüber Nichtkunden im Zahlungsverkehr, 1988; Baas/Buck-Heeb/Werner, Anlegerschutzgesetze, 2019; Barth, Wertstellung und Überweisungslaufzeit im Zahlungsverkehr – Zwingt die Rechtsprechung zu neuen geschäftspolitischen Überlegungen?, in Marburger Beiträge zum Genossenschaftswesen 18, 1990, S. 20; Berghaus, Fälschungs- und Missbrauchsrisiken im Scheck- und Überweisungsverkehr, Bankrecht 1998 (RWS-Forum 12), 1998, 39; Blaurock, Prüfungspflicht und Haftung der Empfängerbank beim beleggebundenen Überweisungsverkehr und beim beleglosen Datenträgeraustausch, ZBB 1990, 83; Blaurock, Haftung der Banken beim Einsatz neuer Techniken im Zahlungsverkehr, CR 1989, 561; Blaurock/Andre, Prüfungspflicht und Haftung der Empfängerbank beim beleggebundenen Überweisungsverkehr und beim beleglosen Datenträgeraustausch, ZBB 1990, 83; Böger, Neue Regelungen für den Zahlungsverkehr, Bankrechtstag 2016, 193; Braun, Rechtliche Folgen einer Überweisung bei unzureichender Information des Empfängers, ZIP 1996, 617; Bülow, Scheckrechtliche Anweisungen und Überweisungsvertrag, WM 2000, 58; Bundschuh, Haftung der Banken im Zahlungs- und Scheckverkehr – Ein Rechtsprechungsbericht, RWS-Forum 1: Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, 1987, S. 5; Bydlinski, Bemerkungen zum Regierungsentwurf eines Überweisungsgesetzes, WM 1999, 1064; Bydlinski, Rechtsfragen des internationalen Überweisungsverkehrs: Die EG-Richtlinie vom 27.1.1997 über grenzüberschrei-
492 | Werner
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) | Teil 4 tende Überweisungen, Rostocker Schriften zum Bankverkehr, Heft 3, 1998, 35; Canaris, Der Bereicherungsausgleich im bargeldlosen Zahlungsverkehr, WM 1980, 354; Canaris, Die girovertragliche „Fakultativklausel“ im Lichte des AGB-Gesetzes, ZIP 1986, 1021; Canaris, Die Auswirkungen von Verfügungsverboten vor Konkurs- und Vergleichseröffnung im Girovertragsrecht, ZIP 1986, 1225; Danwerth/Hildner, Nach dem Pyrrhussieg vor dem KG Berlin – Neue Lösungsansätze zur Regulierung von Bitcoins, BKR 2019, 57; Diestelmeier, Die Stellung des zwischengeschalteten Kreditinstituts im bargeldlosen Zahlungsverkehr am Beispiel von Giroüberweisung, Lastschrift- und Scheckinkasso, Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso, Diss. 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Werner | 493
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) schaftlicher Last, WM 1995, 1341; Hofmann, Das neue Haftungsrecht im Zahlungsverkehr, BKR 2018, 62; Huber, Grenzüberschreitender Zahlungsverkehr und Valutaverhältnis (underlying obligation), in Hadding/Schneider, Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, 1992, S. 33; Hüffer, Haftungsfragen im Bankrecht, WM 1987, 641; Hüffer, Die Haftung gegenüber dem ersten Auftraggeber im mehrgliedrigen Zahlungsverkehr, ZHR 151 (1987), 93; Joust/Dikomey, Bereicherungsausgleich bei fehlgeleiteter Überweisung auf ein überschuldetes Konto des Gläubigers, JuS 1988, 104; Kahler/Werner, Electronic Banking und Datenschutz, 2008; Keding, Die aufsichtsrechtliche Behandlung von Machine-to-Machine-Zahlungen unter Rückgriff auf Peer-to-Peer-Netzwerke, WM 2018, 64; Klamt/Koch, Das neue Überweisungsrecht, DB 1999, 943; Klamt/Koch, Das neue Überweisungsgesetz, NJW 1999, 2776; Klanten, Haftungsrisiken der Sparkassen im Zahlungsverkehr, Sparkasse 1993, 84; Köndgen, Bankhaftung – Strukturen und Tendenzen, in Köttgen (Hrsg.), Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, 1987, 133; Koller, Der Vorschuss bei der Giroüberweisung, der Geldkarte und dem Netzgeld, FS Schimansky, 1999, S. 209; Koller, Grundstrukturen des Bankhaftungsrechts unter besonderer Berücksichtigung des Zahlungsverkehrs, RWS-Forum 1: Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, 1987, S. 21; Koller, Die Bedeutung der dem Überweisungsbegünstigten erteilten Gutschrift im Giroverkehr, BB 1972, 678; Koller/Faust, Die Haftung der Erstbank für Verschulden der Zwischenbank bei der Giroüberweisung, ZBB 1989, 63; Krepold/Fischbeck/Kropf/Werner, Bankrecht, 2. Aufl. 2018; Krumm, Ansprüche des Kreditinstituts bei fehlerhafter Ausführung von (An-)Weisungen des Kunden im Zahlungsverkehr, WM 1990, 1609; Kübler, Der Einfluß der Konkurseröffnung auf den Überweisungsverkehr des Gemeinschuldners, BB 1976, 801; Kümpel, Zur Bankenhaftung nach dem neuen Überweisungsrecht, WM 2000, 797; Kümpel, Die begrenzte Haftung der Bank bei weitergeleiteten Kundenaufträgen, WM 1996, 1893; Kunz, Rechtliche Rahmenbedingungen für Mobile Payment – Ein Blick auf die Anforderungen zur starken Kundenauthentifizierung, CB 2018, 393; Kupisch, Der Bereicherungsanspruch der Bank bei irrtümlicher Durchführung der widerrufenen Anweisung, ZIP 1983, 1412; Kupisch, Bankanweisung und Bereicherungsausgleich, WM-Sonderbeil. 3/1979; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, Münchener Universitätsschriften Bd. 160, 2001; Langenbucher/Gößmann/Werner, Zahlungsverkehr, 2004; Lauer, Probleme bei Finanzierungsbestätigungen, WM 1985, 705; van Look, Die Banküberweisung und Schuldrechtsreform, FS Kümpel, 2003, S. 329; Meder, Annahme durch Schweigen bei Überweisungsvertrag und Gutschrift, JZ 2003, 443; Merkel, Nichtausführung von Aufträgen bei fehlender Kontodeckung – Zur Haftung des Bankkunden wegen girovertraglicher Pflichtverletzung, FS Kümpel, 2003, S. 365; Metz, Banken und Verbraucher, FS Schimansky, 1999, 83; Möschel, Dogmatische Strukturen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, AcP 186 (1986), 187; Möschel, Fehlerhafte Banküberweisung und Bereicherungsausgleich, JuS 1972, 297; Nobbe, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Überweisungsverkehr, WMSonderbeil. 4/2001; Obermüller, Insolvenzrechtliche Wirkungen des Überweisungsgesetzes, ZInsO 1999, 690; Obermüller, Zahlungsverkehr bei Insolvenz des Empfängers – Warnpflichten der Empfängerbank?, ZIP 1981, 1045; Omlor, Geld und Währung als Digitalisate, JZ 2017, 754; Omlor, Zahlungsdiensteaufsichtsrecht im zivilrechtlichen Pflichtengefüge, WM 2018, 57; Omlor, Online-Banking unter Geltung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD II), WM 2010, 105; Reifner, Das neue Überweisungsgesetz – Ein Paradestück für unzureichende Gesetzgebung im Verbraucherschutz, VuR 1999, 387; Reiser, Fortschreitende Beleglosigkeit im Zahlungsverkehr durch EZÜ- und EZL-Abkommen, WM 1990, 745; Risse, Haftung der Banken nach dem neuen Überweisungsrecht, BB 1999, 2201; Rohe, Netzverträge 1998; Rösler/Werner, Erhebliche Neuerungen im zivilen Bankrecht: Umsetzung von Verbraucherkredit- und Zahlungsdiensterichtlinie, BKR 2009, 1; Salje, Von der Unterschrift zu „Oberschrift“ auf Überweisungsformularen, DB 1990, 309; Sander, DS-GVO vs. PSD 2: Was dürfen die Betreiber von Kontoinformationsdiensten?, BKR 2019, 66; Schebesta, Rechtsfragen bei ZPDKonten sowie „Und“-Konten, WM 1985, 1329; Schimansky, Das neue Überweisungsrecht, Bankrecht 2000 (RWS-Forum 17), 2000, 1; Schimansky, Das Recht der Überweisung ab 1. Januar 2001, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 20, 2000, 49; Schimansky, Bankentgelte, Wertstellung, Bankrecht 1998 (RWS-Forum 12), 1998, 1; Uwe H. Schneider, Die Angleichung des Rechts der grenzüberschreitenden Überweisungen, EuZW 1997, 589; Schnepp, Der Bereicherungsanspruch einer Bank bei irrtümlicher Durchführung eines widerrufenen Auftrages, WM 1985, 1249; Schönle, Ort und Zeit bei geldloser Zahlung, FS Winfried Werner, 1984, S. 817; Schröter, Bankenhaftung im mehrgliedrigen Zahlungsverkehr, ZHR 151 (1987), 118; Schürmann, Haftung im mehrgliedrigen bargeldlosen Zah-
494 | Werner
Grundlagen | Teil 4 lungsverkehr, 1994; Schulz, Das neue Recht der Banküberweisung, ZBB 1999, 287; Seiler, Der Bereicherungsausgleich im Überweisungsverkehr, 1998; Terpitz, Rücküberweisung überzahlter Sozialleistungen im Todesfall, WM 1992, 2041; Terpitz, Rückzahlung überzahlter Renten – Vereinbarungen der kreditwirtschaftlichen Verbände über die Rückzahlung von Renten im Todesfall, WM 1987, 393; Trölitzsch/Jaeger, Belege im bargeldlosen Zahlungsverkehr: Grenzen der Rationalisierung im Privatkundengeschäft der Kreditinstitute, BB 1994, 2152; Vogel, Ist die Quittierung der Entgegennahme von Überweisungsaufträgen durch Banken und Sparkassen überflüssig?, DB 1997, 1758; Vollrath, Die Endgültigkeit bargeldloser Zahlungen, 1997; Walkhoff, Weichenstellungen im Zahlungsverkehr – Neues Zahlungsverkehrskonzept und Neuordnung der Wertstellungsregelungen, Sparkasse 1989, 246; Wallach, Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992; Werner, Rechtliche Neuerungen im Lastschriftverfahren – insbesondere das SEPA-Lastschriftverfahren, BKR 2010, 9; Werner, Electronic Banking, Köln 2009; Werner, Neue Zahlungsverkehrssysteme, Bankrechtstag 2016, S. 145; Werner, Neue Möglichkeiten für Zahlungsdienstnutzer im Recht der Zahlungsdienste nach Umsetzung der PSD II, ZBB 2017, 345; von Westphalen, Verspätete Überweisungen – Einige Bemerkungen zur Rechtslage, BB 2000, 157; Wilkens, Das Überweisungsgesetz, MDR 1999, 1236; Zahrte, Neuerungen im Zahlungsdiensterecht, NJW 2018, 33; Zahrte, Haftungsdiensterecht beim CEO-Fraud, BKR 2019, 126.
1. Abschnitt: Grundlagen I. Abgrenzung zu Bankgeschäften Während zu den Bankgeschäften im engeren Sinne des Kataloges der erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 KWG a.F.) auch die „Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs“ – das sog. Girogeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG a.F.) – gehörte, ist nach Inkrafttreten des Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes vom 25.6.20091 zum 31.10.2009 zu differenzieren: Durch dieses Gesetz ist für Zahlungsdienstleistungen ein eigenes Aufsichtsrecht geschaffen worden, das Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz – ZAG), das den Zahlungsverkehr außerhalb des KWG regelt. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG bestimmt deshalb, dass nur noch das Scheckeinzugs-, das Wechseleinzugs- und das Reisescheckgeschäft als Bestandteile des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu den erlaubnispflichtigen Bankgeschäften gehören, während es sich bei dem bargeldlosen Zahlungsverkehr im Übrigen um dem ZAG unterfallende Zahlungsdienste handelt, die einer Erlaubnis nach §§ 10, 12 ZAG bedürfen. Mit Umsetzung der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie2 in nationales Recht ist das ZAG zum 13.1.2018 neu gefasst worden3. Dadurch sind als weitere dem Gesetz unterfallende Unternehmen neben den Zahlungsinstituten und den E-Geldinstituten die Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdienste erbringende Institute gem. § 1 Abs. 33 und Abs. 34 ZAG eingeführt worden, die ebenfalls Zahlungsdienste erbringen, wie sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und Nr. 8 ZAG ergibt. Während es sich bei den Zahlungsauslösediensten um erlaubnispflichte Zahlungsdienstleistungen handelt, ist für die ausschließliche Erbringung von Kontoinformationsdiensten gem. § 34 Abs. 1 ZAG lediglich eine Registrierung erforderlich. 1 Gesetz zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz, BGBl. I 2009, 1506). 2 Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 202/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl. EU Nr. L 337 v. 23.12.2015, S. 35. 3 Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie, BGBl. I 2017, 2446; s. dazu Omlor, WM 2018, 57.
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4.1
Grundlagen | Teil 4 lungsverkehr, 1994; Schulz, Das neue Recht der Banküberweisung, ZBB 1999, 287; Seiler, Der Bereicherungsausgleich im Überweisungsverkehr, 1998; Terpitz, Rücküberweisung überzahlter Sozialleistungen im Todesfall, WM 1992, 2041; Terpitz, Rückzahlung überzahlter Renten – Vereinbarungen der kreditwirtschaftlichen Verbände über die Rückzahlung von Renten im Todesfall, WM 1987, 393; Trölitzsch/Jaeger, Belege im bargeldlosen Zahlungsverkehr: Grenzen der Rationalisierung im Privatkundengeschäft der Kreditinstitute, BB 1994, 2152; Vogel, Ist die Quittierung der Entgegennahme von Überweisungsaufträgen durch Banken und Sparkassen überflüssig?, DB 1997, 1758; Vollrath, Die Endgültigkeit bargeldloser Zahlungen, 1997; Walkhoff, Weichenstellungen im Zahlungsverkehr – Neues Zahlungsverkehrskonzept und Neuordnung der Wertstellungsregelungen, Sparkasse 1989, 246; Wallach, Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992; Werner, Rechtliche Neuerungen im Lastschriftverfahren – insbesondere das SEPA-Lastschriftverfahren, BKR 2010, 9; Werner, Electronic Banking, Köln 2009; Werner, Neue Zahlungsverkehrssysteme, Bankrechtstag 2016, S. 145; Werner, Neue Möglichkeiten für Zahlungsdienstnutzer im Recht der Zahlungsdienste nach Umsetzung der PSD II, ZBB 2017, 345; von Westphalen, Verspätete Überweisungen – Einige Bemerkungen zur Rechtslage, BB 2000, 157; Wilkens, Das Überweisungsgesetz, MDR 1999, 1236; Zahrte, Neuerungen im Zahlungsdiensterecht, NJW 2018, 33; Zahrte, Haftungsdiensterecht beim CEO-Fraud, BKR 2019, 126.
1. Abschnitt: Grundlagen I. Abgrenzung zu Bankgeschäften Während zu den Bankgeschäften im engeren Sinne des Kataloges der erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 KWG a.F.) auch die „Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs“ – das sog. Girogeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG a.F.) – gehörte, ist nach Inkrafttreten des Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes vom 25.6.20091 zum 31.10.2009 zu differenzieren: Durch dieses Gesetz ist für Zahlungsdienstleistungen ein eigenes Aufsichtsrecht geschaffen worden, das Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz – ZAG), das den Zahlungsverkehr außerhalb des KWG regelt. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG bestimmt deshalb, dass nur noch das Scheckeinzugs-, das Wechseleinzugs- und das Reisescheckgeschäft als Bestandteile des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu den erlaubnispflichtigen Bankgeschäften gehören, während es sich bei dem bargeldlosen Zahlungsverkehr im Übrigen um dem ZAG unterfallende Zahlungsdienste handelt, die einer Erlaubnis nach §§ 10, 12 ZAG bedürfen. Mit Umsetzung der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie2 in nationales Recht ist das ZAG zum 13.1.2018 neu gefasst worden3. Dadurch sind als weitere dem Gesetz unterfallende Unternehmen neben den Zahlungsinstituten und den E-Geldinstituten die Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdienste erbringende Institute gem. § 1 Abs. 33 und Abs. 34 ZAG eingeführt worden, die ebenfalls Zahlungsdienste erbringen, wie sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und Nr. 8 ZAG ergibt. Während es sich bei den Zahlungsauslösediensten um erlaubnispflichte Zahlungsdienstleistungen handelt, ist für die ausschließliche Erbringung von Kontoinformationsdiensten gem. § 34 Abs. 1 ZAG lediglich eine Registrierung erforderlich. 1 Gesetz zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz, BGBl. I 2009, 1506). 2 Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 202/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl. EU Nr. L 337 v. 23.12.2015, S. 35. 3 Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie, BGBl. I 2017, 2446; s. dazu Omlor, WM 2018, 57.
Werner | 495
4.1
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
II. EU-Richtlinien als prägende Elemente des Rechts der Zahlungsdienste 4.2
Die erste Zahlungsdiensterichtlinie1 regelte insbesondere in den Titeln III und IV die zivilrechtlichen Anforderungen, die zur Schaffung eines einheitlichen Euro-Zahlungsraums („Single Euro Payment Area – SEPA“) als erforderlich angesehen wurden, damit EUbzw. EWR-weit ein einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen werden konnte. Durch diesen sollten einheitliche pan-europäische Zahlungsverfahren eingeführt werden, die in allen EU-/EWR-Staaten einheitlich angewendet werden und einheitlichen rechtlichen Regelungen unterliegen. Die Richtlinie enthielt deshalb sehr genaue Regelungen und machte enge Vorgaben für die einzelnen Verfahren, die von den nationalen Gesetzgebern umgesetzt werden mussten. Diese Vorgaben bezogen sich neben vorvertraglichen und vertraglichen Informationspflichten insbesondere auf Regelungen über die Bereitstellung und Handhabung der entsprechenden Zahlungsverfahren und enthalten genaue Festlegungen hinsichtlich der Entgeltlichkeit, zur Autorisierung, zum Widerruf, zum Einsatz der Zahlungsinstrumente, zu den Ausführungsfristen, zu den Wertstellungszeitpunkten, zu den Leistungsstörungen, aber auch zu Erstattungsansprüchen und zur Haftung. Eingeführt wurden die neuen zivilrechtlichen Regelungen durch spezielle Vorschriften im BGB als Teil des Titels 12, der sich mit dem Auftrag, dem Geschäftsbesorgungsvertrag und den Zahlungsdiensten beschäftigt. Folglich finden sich die entsprechenden Regelungen in einem Untertitel 3 und stehen neben den Regelungen zum Auftrag und zum Geschäftsbesorgungsvertrag. Die §§ 675b bis 676c BGB, von denen sich die Regelungen §§ 675c bis 676c BGB mit den Zahlungsdiensten beschäftigen, sind an die Stelle der bisherigen Vorschriften der §§ 676 bis 676h BGB getreten. Sie ersetzen damit insbesondere die Regelungen zum Überweisungsvertrag gem. §§ 676a ff. BGB a.F., zum Zahlungsvertrag gem. §§ 676d f. BGB a.F., zum Girovertrag gem. §§ 676 f. BGB a.F. sowie der fälschlich dem Girovertrag zugeordneten Regelung zum Missbrauch von Zahlungskarten in § 676h BGB a.F. Am 25.11.2015 ist die „Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments über Zahlungsdienste im Binnenmarkt zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/ EG“2 (im Weiteren PSD II) erlassen worden, die bis zum 13.1.2018 in nationales Recht umgesetzt werden musste, so dass bis zu diesem Zeitpunkt die §§ 675c ff. BGB und Art. 248 EGBGB anzupassen waren. Die Zahlungsdiensterichtlinie Nr. 2007/64/EG wurde aufgehoben und durch diese Zweite EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD II) ersetzt. Die PSD II führte u.a. zu Änderungen der Informationspflichten, der Haftung und des Aufsichtsrechts. Zur fristgerechten Umsetzung der Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber das Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie vom 17.7.20173 erlassen. Der deutsche Gesetzgeber hat zu diesem Zweck insbesondere das ZAG vollständig neu gefasst und die Regelungen zu den Zahlungsdiensten in §§ 675c bis 676c BGB überarbeitet und ergänzt. Insbesondere sind die neuen Zahlungsdienste wie der Zahlungsauslöse- und der Kontoinformationsdienst im ZAG der Regulatorik für Zahlungsdienstleister unterworfen worden. Die zivilrechtlichen Regelungen zur Einschaltung solcher Dienste sind im BGB umgesetzt worden. Zivil- und Aufsichtsrecht greifen ineinander. Ebenso werden dort die Änderungen zu den Erstattungsansprüchen und zur Haftung sowie zu den Informationspflichten umgesetzt. 1 Zur Vorgeschichte des EU-Rechts für die Entstehung des aktuellen nationalen Rechts vgl. die 4. Aufl., Rz. 7.103 ff. 2 ABl. EU Nr. L 337 v. 23.12.2015, S. 35. 3 BGBl. I 2017, 2446.
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Grundlagen | Teil 4
Die beiden EU-Zahlungsdiensterichtlinien setzen die Tradition entsprechender Richtlinien, durch die versucht wurde und wird, den nationalen Zahlungsverkehr EU- bzw. EWRweit zu regeln, fort. Die auf die Zahlungsdiensterichtlinie zurückzuführenden Regelungen ersetzen die bisherigen §§ 676a bis 676h BGB, die zur Umsetzung der „Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über grenzüberschreitende Überweisungen (Überweisungsrichtlinie)“ sowie des Art. 8 der „Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz“ und Art. 8 der „Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher“ in das BGB eingeführt worden waren. Insbesondere die Überweisungsrichtlinie, auf der das am 21.7.1999 erlassene und zum 14.8.1999 in Kraft getretene Überweisungsgesetz beruhte, hatte zur Zielsetzung, zumindest den Überweisungsverkehr im Hinblick auf die Laufzeit sowie die Entgeltberechnung innerhalb der EU- und EWR-Staaten zu vereinfachen. Für inländische Überweisungen galt das Überweisungsgesetz im Übrigen erst seit 1.1.2002, so dass diese gesetzlichen Regelungen für den inländischen Zahlungsverkehr nicht einmal acht Jahre in Kraft waren. Die durch das Überweisungsgesetz eingeführten Differenzierungen in Überweisungsvertrag, Zahlungsvertrag und Girovertrag sind wieder aufgegeben worden, alle drei Glieder einer Zahlungskette werden durch einheitliche und vom Zahlungsverfahren unabhängige Vertragstypen geregelt.
4.3
III. Buchgeld als Kontoguthaben Beim bargeldlosen Zahlungsverkehr erhält der Gläubiger an Stelle von Bargeld eine entsprechende Gutschrift auf seinem Girokonto. Das dadurch erzeugte Kontoguthaben wird auch als Giralgeld oder Buchgeld bezeichnet1. Aus diesem Kontoguthaben können Geldschulden bezahlt werden. Durch Abhebungen ist eine „Umwandlung“ des Buchgelds in Bargeld jederzeit möglich.
4.4
Davon zu unterscheiden ist das elektronische Geld. Dieses wird von Zahlungsdienstleistern gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZAG gegen Vorausbezahlung in Form digitaler Werteinheiten – in der Regel auf dem Chip einer Zahlungskarte (Kartengeld) – zur Verfügung gestellt. Eine Legal-Definition des E-Gelds findet sich in § 1 Abs. 1 Satz 4 ZAG. E-Geld ist danach „jeder elektronisch, darunter auch magnetisch, gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung an den Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des § 675f Absatz 4 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem Emittenten angenommen wird.“ Durch die Übertragung der E-Geldeinheiten wird folglich ein Anspruch gegen den Emittenten auf Buchgeld übertragen.
4.5
IV. Kontobelastung als Deckung für Buchgeldzahlung Die Erteilung einer Gutschrift auf einem Girokonto, bei der es sich um einen Zahlungsvorgang gem. § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB handelt, begründet eine Zahlungsverpflichtung des Zahlungsdienstleisters gegenüber seinem Kontoinhaber als Buchgeldempfänger im Sinne 1 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1423 = NJW 1994, 2357 ff.; vgl. hierzu Schnauder, ZIP 1994, 1069 ff.; Sonderdruck der Deutschen Bundesbank Nr. 7, 6. Aufl. 1993, S. 20.
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4.6
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
eines abstrakten Schuldversprechens oder Schuldanerkenntnisses gem. §§ 780, 781 BGB1. Dieser Anspruch wird begründet im Rahmen eines Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675f Abs. 2 BGB, der auch die Führung eines Kontos erfasst. Der Anspruch aus dem abstrakten Schuldversprechen entsteht aber erst zu dem Zeitpunkt der Verfügbarmachung gem. § 675t Abs. 1 BGB2.
4.7
Die „Übertragung“ von Buchgeld von einem Konto auf ein anderes Konto durch einen Zahlungsvorgang gem. § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB stellt keine gem. § 398 BGB dar. Der Buchgeldempfänger erhält das Buchgeld dadurch, dass ihm sein Zahlungsinstitut eine Gutschrift auf seinem Girokonto erteilt und damit einen hierdurch erst entstandenen abstrakten Zahlungsanspruch verschafft. Das Empfängerinstitut wiederum erhält von dem ihm in der Girokette vorgeschalteten Institut entsprechendes Buchgeld als „Deckung“. Diese Deckung beruht auf einer Belastung des Girokontos des Buchgeldzahlers. Rechtlich gesehen liegt in der „Übertragung“ von Kontoguthaben eine rechtskonstitutive Begründung neuen Giroguthabens des Buchgeldempfängers und eine entsprechende Verringerung des Giroguthabens des Buchgeldzahlers vor. Dagegen werden keine Forderungen des Zahlungspflichtigen gegen sein Institut auf Buchgeld an den Empfänger übertragen, da diesem ein Anspruch gegen sein und nicht das Institut des Zahlers entsteht3.
V. Mitwirkungserfordernis der Zahlungsdienstleister 4.8
Der bargeldlose Zahlungsverkehr setzt Konten zur Übertragung von Buchgeld voraus, wobei es dazu immer ein Zahler- und ein Empfängerkonto geben muss, deren Inhaber nicht zwingend der Schuldner und der Gläubiger einer Zahlung sein müssen; es reicht aus, wenn die Übertragung nur über institutseigene Konten der eingebundenen Zahlungsinstitute erfolgt, die Bargeldzahlungen zur Übertragung entgegennehmen und/oder auszahlen. Bei der Übertragung von Buchgeldzahlungen handelt es sich um einen erlaubnispflichtigen Zahlungsdienst gem. §§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 10 ZAG.
4.9
Der dem Girokonto zugrunde liegende Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675f Abs. 2 BGB) verpflichtet das Zahlungsinstitut, sämtliche Zahlungsverkehrsvorgänge zugunsten ihres Zahlungsdienstnutzers oder zu seinen Lasten auf dessen (Giro-) Konto zu verbuchen. Dementsprechend sind die für den Zahlungsdienstnutzer bestimmten Geldeingänge dem Konto gutzuschreiben, Überweisungsaufträge im Rahmen des Giroguthabens oder eines eingeräumten Kredites auszuführen und die den Zahlungsdienstnutzer betreffenden Lastschriften bei ausreichendem Guthaben oder entsprechender Krediteinräumung einzulösen4. Ein Kreditinstitut ist darüber hinaus regelmäßig zusätzlich auch verpflichtet, die vom Kunden eingereichten Schecks einzuziehen (Scheckinkasso).
4.10 Die den bargeldlosen Zahlungsverkehr vermittelnden Institute schaffen die technisch-or-
ganisatorische Verknüpfung zwischen dem Girokonto des Buchgeldzahlers und dem des Zahlungsempfängers als den beiden Endpunkten des Zahlungsvorganges. Dabei ist die Anzahl der mitwirkenden Institute von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig. 1 Nach der vom BGH vertretenen Ansicht handelt es sich um ein Schuldversprechen (Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16). 2 Omlor in Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, Vorbem. zu §§ 675c–676c BGB Rz. 96. 3 Vgl. Omlor in Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, Vorbem. zu §§ 675c–676c BGB Rz. 73. 4 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 1b.
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Grundlagen | Teil 4
Haben Buchgeldempfänger und Buchgeldzahler das Girokonto bei demselben Institut, genügt eine einfache Umbuchung durch Gutschriftserteilung und korrespondierende Kontobelastung (sog. Kontoübertrag oder Hausüberweisung). Von Filialüberweisungen spricht man dagegen, wenn bei einem Filialinstitut mit mehreren regionalen Buchungsstellen die Umbuchung nicht von derselben Buchungsstelle vorgenommen werden kann.
4.11
Unterhalten dagegen Buchgeldempfänger und Buchgeldzahler das Girokonto bei verschiedenen Instituten, kommt es zu einem außen- oder zwischenbetrieblichen Zahlungsvorgang. Bei einem solchen mehrgliedrigen Zahlungsverkehr kommt es häufig zur Zwischenschaltung weiterer Institute (sog. Kettenüberweisung)1. Dieser institutsübergreifende Zahlungsverkehr setzt Verrechnungs„netze“ und standardisierte Kommunikationsformen voraus. Hierzu sind zahlreiche Abkommen und Vereinbarungen für das gesamte Kreditgewerbe von den Spitzenverbänden der einzelnen Institutsgruppen abgeschlossen worden, die in der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) – der früheren Zentralen Kreditwirtschaft – zusammengeschlossen sind2.
4.12
VI. Zugang des Publikums zum bargeldlosen Zahlungsverkehr Die Kontoverbindung als eine unverzichtbare Voraussetzung für die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr und dessen wachsende Bedeutung auch für breite Bevölkerungsschichten hat zu rechtspolitischen Initiativen geführt, das Recht auf ein Girokonto auf Guthabenbasis gesetzlich zu verankern. Durch das auf die EU-Zahlungskontenrichtlinie3 zurückgehende Zahlungskontengesetz (ZKG)4 ist das Recht auf ein Girokonto für jeden Verbraucher wirksam verankert worden.
4.13
VII. Abgrenzung zur Bargeldzahlung Im Rahmen des Geldgiroverkehrs wird dem Gläubiger Buch-(Giral-)Geld in Form einer Kontogutschrift statt Bargeld verschafft. Unter Bargeld sind Banknoten und Geldmünzen zu verstehen. Wegen seiner Körperlichkeit wird das Bargeld auch als Sachgeld bezeichnet im Unterschied zum unkörperlichen Buchgeld des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Form von Kontogutschriften.
4.14
Mit der Einführung des Euro hat die Europäische Zentralbank (EZB) das ausschließliche Recht zur Genehmigung der Ausgabe von Banknoten innerhalb der Europäischen Union. Zu dieser Ausgabe sind die EZB und die nationalen Zentralbanken berechtigt. Die emittierten Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten (Art. 128 Abs. 1 AEUV, Art. 16 EZB-Satzung). Die Mitgliedstaaten haben weiterhin das Recht zur Ausgabe von Münzen. Der EU-Rat kann nach Anhörung der EZB Maßnahmen erlassen, um die Stückelung und die technischen Merkmale für den Umlauf bestimmter Münzen soweit zu harmonisieren, wie dies für den reibungslosen Um-
4.15
1 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 46 Rz. 6. 2 Vgl. hierzu Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 46 Rz. 7. 3 Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.7.2014 über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen, ABl. EU Nr. L 257 v. 28.8.2014, S. 214. 4 Gesetz über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen vom 11.4.2016, BGBl. I 2016, 720.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
lauf innerhalb der Gemeinschaft erforderlich ist (Art. 128 Abs. 2 Satz 2 AEUV). Der Umfang solcher Emissionen bedarf jedoch der Genehmigung der EZB (Art. 128 Abs. 2 Satz 1 AEUV). Diese Münzen haben als einzige in allen Mitgliedstaaten die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels (Art. 11 der EG-Verordnung Nr. 974/98 des EG-Rates v. 20.5. 1998 über die Einführung des Euro [Euro-Einführungs-VO]). Mit Ausnahme der emittierenden Behörde und der Personen, die in den nationalen Rechtsvorschriften der ausgebenden Mitgliedstaaten speziell benannt werden, ist niemand verpflichtet, mehr als fünfzig Münzen bei einer einzelnen Zahlung anzunehmen (Art. 11 Euro-Einführungs-VO). Für die Ausgabe von Münzen galt bisher das Münzgesetz v. 8.7.1950, das durch das Münzgesetz v. 16.12.19991 (MünzG) ersetzt wurde.
4.16 Die im bargeldlosen Zahlungsverkehr erteilten Kontogutschriften stellen dagegen kein gesetzlich anerkanntes Zahlungsmittel dar2. Dieser Kontogutschrift liegt nach Rechtsprechung3 und herrschender Lehre4 ein Forderungsrecht gegen das kontoführende Institut in Form eines abstrakten Zahlungsanspruches im Sinne eines Schuldversprechens oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) zugrunde. Aus der Sicht der privatrechtlichen Geldtheorie ist also zu konstatieren, dass die Entwicklungen im technisch-organisatorischen Bereich wie auch das immense Volumen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht dazu geführt haben, das Giralgeld „ohne die Krücke der Vorstellung eines Forderungsrechts zu denken“, wie dies einmal als konsequente Weiterentwicklung des Geldbegriffs erwartet worden ist5. 4.17 Die Funktion des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, die Bargeldzahlung durch Verschaffung von Buch-(Giral-)Geld zu ersetzen, erfordert, dass dem Zahlungsempfänger eine ähnliche sichere Rechtsposition wie beim Erhalt von Bargeld eingeräumt wird6. Das Buchgeld soll wie bares Geld verwertet werden können7. Dies setzt voraus, dass der Buchgeldempfänger einen rechtlich selbständigen Zahlungsanspruch gegen das kontoführende Institut erwirbt, der keinen Einwendungen und Einreden weder aus seinem Valutaverhältnis zum Buchgeldzahler noch aus dem zwischen dem Buchgeldzahler und seinem kontoführenden Institut bestehenden Deckungsverhältnisses ausgesetzt ist8. Auch muss ausgeschlossen sein, dass die Kontogutschrift durch eine Willenserklärung, etwa eines Widerrufs der zugrunde liegenden Überweisung9, wieder beseitigt werden kann10. Anderenfalls wäre die Verkehrsfähigkeit des Buchgeldes erheblich beeinträchtigt11. Dies spricht dafür, der Kontogutschrift im bargeldlosen Zahlungsverkehr einen solchen abstrakten Zahlungsanspruch zugrunde zu legen, wie er durch ein Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis begründet wird. 1 BGBl. I 1999, 2401. 2 Vgl. BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559, 560 = BGHZ 87, 156 ff. = NJW 1983, 1605 ff. 3 Nach der BGH-Rechtsprechung liegt ein Schuldversprechen vor (Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16 m.w.N.). 4 Vgl. Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1150. 5 Vgl. Reinhardt in FS Boehmer, 1954, S. 60, 71; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1155. 6 OLG Frankfurt v. 22.1.1985 – 5 U 77/84, WM 1985, 512, 513; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 410; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1150. 7 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. 8 Bröker, WM 1995, 468, 469. 9 Aus § 675p Abs. 1 BGB folgt, dass der Widerruf eines Zahlungsauftrags nur noch sehr kurz möglich ist, bis zu dessen Eingang beim Zahlungsdienstleister des Zahlers. 10 Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. C/14. 11 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 410.
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Grundlagen | Teil 4
Diese Abstraktheit zeigt sich darin, dass der Rechtsgrund für diesen Zahlungsanspruch nicht in dem Schuldversprechen oder -anerkenntnis liegt, sondern außerhalb dieser Rechtsgeschäfte, beim bargeldlosen Zahlungsverkehr regelmäßig im Valutaverhältnis zwischen Buchgeldempfänger und Buchgeldzahler.
4.18
Für die Entstehung von Buch-(Giral-)Geld im Sinne eines eigenständigen abstrakten, jederzeit disponiblen Zahlungsanspruches ist es im Übrigen nicht ausreichend, dass dem Kunden des Zahlungsdienstleisters eine kontomäßige Gutschrift erteilt wird. Hierzu bedarf es vielmehr der Eröffnung eines Girokontos, das den Abschluss eines entsprechenden Zahlungsdienstrahmenvertrags, des Girovertrags, voraussetzt. Nur ein solches Vertragsverhältnis verpflichtet das Zahlungsinstitut zur Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs1. Keine Girokonten stellen deshalb Konten dar, bei denen der Kontoinhaber zwar über sein Guthaben jederzeit verfügen kann, aber nur durch Barabhebungen oder durch Übertrag auf ein bestimmtes („Referenz“-Giro-)Konto. Hier fehlt es an der girovertraglichen Vereinbarung, die erforderlich ist, um einem Kontoguthaben die Rechtsqualität von Buchgeld zubilligen zu können2.
4.19
Aus diesem Grund stellt auch eine Gutschrift auf einem Konto „pro Diverse“ kein Buchgeld dar, selbst wenn aus der Sicht des Instituts eine nicht nur vorläufige Buchung vorgenommen werden soll3.
4.20
VIII. Erfordernis des Einverständnisses des Buchgeldempfängers Eine Geldschuld kann nach der BGH-Rechtsprechung grundsätzlich nur in bar erfüllt werden, also durch Übereignung von gesetzlichen Zahlungsmitteln4. Der Gläubiger gerät daher grundsätzlich nicht in Annahmeverzug (§ 293 BGB), wenn er die Bezahlung der Schuld durch Gutschrift auf dem Girokonto zurückweist. Die Zahlung mit Buchgeld hat folglich schuldbefreiende Wirkung nur in den Fällen, in denen die Parteien dies ausdrücklich oder stillschweigend (konkludent) vereinbart haben5. Dann steht die Kontogutschrift der Barzahlung völlig gleich6. Soweit für die Buchgeldzahlung ein Girokonto bestimmt worden ist, tritt die Tilgungswirkung nur bei einer Kontogutschrift auf diesem Konto ein7. Bezeichnet der Gläubiger dieses Konto versehentlich falsch, trägt er im Ergebnis die durch eine darauf erteilte Gutschrift entstandene Verlustgefahr (analog § 270 Abs. 3 BGB)8. 1 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126, 128 = BGHZ 106, 259 ff. = NJW 1989, 582 f.; vgl. hierzu Bunte, JR 1989, 375 f. 2 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 2. 3 BGH v. 12.5.1958 – II ZR 103/57, WM 1958, 776; BGH v. 4.12.1958 – II ZR 60/57, WM 1959, 113; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 463; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22. 4 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559, 560 = BGHZ 87, 156 ff. = NJW 1983, 1605 ff.; BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875, 876 = BGHZ 98, 24 ff. = NJW 1986, 2428 ff. 5 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559, 560; BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875, 876; BGH v. 28.10.1998 – VIII ZR 157/97, WM 1999, 11 = NJW 1999, 210 f. Nach Schmieder muss eine Überweisung, sofern sich nach der Verkehrsanschauung keine eindeutige Barleistungspflicht ergibt, zulässig sein, wenn sie nicht im Einzelfall ausdrücklich oder konkludent ausgeschlossen wird (Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 181); vgl. weiter von Dücker, WM 1999, 1257. 6 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 21. 7 BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875. 8 BFH v. 10.11.1987 – VII R 171/84, WM 1988, 252, 253 m.w.N.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22.
Werner | 501
4.21
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
1. Nachteile einer Buchgeldzahlung für den Buchgeldempfänger
4.22 Das Erfordernis eines Einverständnisses mit der Buchgeldzahlung erklärt sich daraus, dass
diese Form der Schuldentilgung auch Nachteile für den Gläubiger haben kann1. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Konto, auf das der überwiesene Geldbetrag verbucht wird, einen Schuldsaldo ausweist, so dass für den Kunden kein verfügbares Kontoguthaben entstehen kann. Dies gilt nach h.M. auch insoweit, als die Gutschrift aus der Überweisung des Arbeitseinkommens in Höhe der durch § 850k ZPO vollstreckungsgeschützten Teilbetrages resultiert2.
4.23 Nachteile für den Empfänger des Buchgeldes können sich auch ergeben, wenn sein Zah-
lungskonto von einem Gläubiger gepfändet worden ist. In einem solchen Fall könnte der Buchgeldempfänger nicht ohne weiteres über den überwiesenen Betrag wieder verfügen, wie dies dem Gläubiger bei einer Erfüllung der Geldverbindlichkeit mit Bargeld stets möglich ist. Aus diesem Grunde hat der BGH auch die frühere Fakultativklausel auf den Überweisungsvordrucken – hier befand sich hinter der Bezeichnung des Kontos des Überweisungsbegünstigten der ausgedruckte Hinweis: „oder einem anderen Konto des Empfängers“ – wegen unangemessener Benachteiligung des Begünstigten für unwirksam nach § 9 AGBG a.F. (= § 307 BGB) erkannt3.
4.24 Es ist daher auch umstritten, ob das kontoführende Zahlungsinstitut einen Überweisungsbetrag, der einem bestimmten Verwendungszweck dient, wie z.B. das im bargeldlosen Zahlungsverkehr überwiesene Kindergeld, einem guthabenlosen Konto des kindergeldberechtigten Vaters gutschreiben und sodann hiergegen mit ihrer Gegenforderung aus einem gewährten Kredit aufrechnen kann4. Hier könnte eine Berufung der Bank auf ihre Befugnis aus dem Girovertrag zur kontomäßigen Gutschrift eingehender Beträge einen sog. individuellen Rechtsmissbrauch i.S.d. § 242 BGB darstellen. 2. Einverständnis durch konkludentes Verhalten
4.25 Ein stillschweigendes Einverständnis des Gläubigers mit der Zahlung von Buchgeld statt
mit Bargeld liegt in der Regel in der Bekanntgabe des Zahlungskontos auf Briefen, Rechnungen, Preislisten und dergleichen. Dasselbe gilt, wenn der Zahlungsempfänger schon früher Überweisungen des Überweisenden widerspruchslos entgegengenommen hat oder die Überweisung nicht unverzüglich nach Übermittlung des Kontoauszuges mit der diesbezüglichen Gutschriftsbuchung zurückgewiesen hat5. Liegt auf diese Weise das stillschweigende Einverständnis des Gläubigers vor, tritt mit der Gutschrift die Erfüllungswirkung ein. Dabei kann es nach der BGH-Rechtsprechung dahingestellt bleiben, ob hier eine Leistung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB oder eine Leistung an Erfüllungs statt i.S.d. § 364 Abs. 1 BGB vorliegt6. 1 2 3 4 5
BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875, 877; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 470. LG Landshut v. 8.3.2001 – 13 S 189/01, WM 2001, 1151, 1152. BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875, 876 f. = BGHZ 98, 24 ff. = NJW 1986, 2428 ff. Vgl. AG Marbach v. 23.9.1986 – C 334/86, WM 1987, 283. OLG Karlsruhe v. 2.11.1996 – 4 U 49/95, WM 1996, 2007; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 471 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 21. 6 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559, 560 = BGHZ 87, 156 ff. = NJW 1983, 1605 ff.; BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875, 876; BGH v. 28.10.1998 – VIII ZR 157/97, WM 1999, 11; nach Nobbe liegt eine Leistung an Erfüllungs statt vor (WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 21 m.w.N.); vgl. Meder, NJW 1993, 3245, 3246 Fn. 14, 15 m.w.N. Nach Gößmann/van Look ist diese Streitfrage bei der Umsetzung der EG-Überweisungsrichtlinie durch § 676f BGB zugunsten des § 362 Abs. 1 BGB entschieden worden (WM 2000, Sonderteil Nr. 1, 21).
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Grundlagen | Teil 4
Wird ein spezielles Zahlungsverfahren – wie z.B. PayPal – vereinbart, ist die Leistung des Schuldners vereinbarungsgemäß bewirkt, wenn das geschuldete Entgelt auf das spezielle Konto des Zahlungsdienstes bezahlt worden ist1. In einigen Fallkonstellationen ist jedoch ein solches Einverständnis des Gläubigers mit der Erfüllung der Zahlungsverbindlichkeiten durch Verschaffung von Buchgeld nicht erforderlich. Denn das Gesetz hat in bestimmten Fällen die Zahlung von Buchgeld der Barzahlung ausdrücklich gleichgestellt. So kann z.B. der Aktionär seine Einlagenverpflichtung durch Gutschrift auf ein Bank- oder Postgirokonto der Gesellschaft erfüllen (§ 54 Abs. 3 AktG). Nach der Abgabenordnung können Steuerschulden auf einem Girokonto des Finanzamtes beglichen werden (vgl. § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO). Umgekehrt sind auch Zahlungen der Finanzverwaltung grundsätzlich bargeldlos zu leisten (§ 224 Abs. 3 Satz 1 AO). Tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung kann bestimmt werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt durch Überweisung auf ein Konto des Arbeitnehmers zahlt. Der größte Teil der Arbeitnehmer besitzt inzwischen ein Lohn- oder Gehaltskonto.
4.26
IX. Rechtliche Einordnung des Zahlungsvorganges Bei der Buchgeldzahlung wird dem Zahlungskonto des Buchgeldempfängers eine Gutschrift erteilt und auf dem Girokonto des Buchgeldzahlers eine entsprechende Belastungsbuchung vorgenommen. Die rechtliche Einordnung dieser beiden wirtschaftlich zusammengehörenden Kontobuchungen betrifft zentrale Fragestellungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Dies gilt vor allem für die Gutschriftserteilung. Wegen der fehlenden gesetzlichen Regelung hat die Rechtsprechung die rechtlichen Maßstäbe zu konkretisieren, an denen sich die Rechtspraxis orientieren kann2.
4.27
1. Rechtsnatur der Kontogutschrift Einvernehmen besteht, dass das der Kontogutschrift zugrunde liegende Forderungsrecht eine abstrakte Zahlungsverbindlichkeit des kontoführenden Kreditinstitutes aus einem Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) darstellt.
4.28
Während der BGH es dahingestellt sein lässt, welche dieser beiden Rechtsfiguren der Gutschriftsbuchung zugrunde liegt, sieht das Schrifttum in der Kontogutschrift ein Schuldversprechen3. Die Unterscheidung zwischen selbständigem Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis ist freilich nur äußerer Natur4. Inhaltlich und in der Praxis fließen beide Vertragstypen ineinander.
4.29
Mit Rücksicht auf den Rechtscharakter des Schuldversprechens wie des Schuldanerkenntnisses beruht der Anspruch des Buchgeldempfängers aus der Kontogutschrift und damit
4.30
1 Zu Paypal BGH v. 22.11.2017 – VIII ZR 213/16 und VIII ZR 83/16 und hier Rz. 4.972 ff. 2 Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1152. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 415; Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. C/14; Wallach, Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992, S. 8 m.w.N.; BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 spricht ebenfalls nur von Schuldversprechen; vgl. weiter Böker, WM 1995, 468, 469; nach Nobbe stellt die Gutschrift ein Schuldversprechen dar (WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16). 4 Sprau in Palandt, § 780 BGB Rz. 1.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
des Buchgelds auf einem vertragsrechtlichen Entstehungstatbestand. Wie dieser Tatbestand unter Berücksichtigung der tatsächlichen Abläufe im bargeldlosen Zahlungsverkehr und den hierbei berührten Interessen sämtlicher an der Buchgeldzahlung Beteiligter verwirklicht wird, ist umstritten. Nach Ansicht des BGH wird im Anschluss an Schönle der anspruchsbegründende vertragsrechtliche Entstehungstatbestand schon bei Einrichtung des Zahlungskontos verwirklicht. Bei dem hierin liegenden konkludenten Abschluss des Girovertrages werde zugleich ein Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis global und aufschiebend bedingt vereinbart. Diese Bedingung trete mit der jeweiligen Kontogutschrift ein. Die Gutschrift sei die Rechtshandlung, die das global abgegebene Schuldversprechen des kontoführenden Instituts dem Inhalt und der Höhe nach konkretisiert1.
4.31 Diese Rechtshandlung unterscheidet sich von einem einseitigen Rechtsgeschäft dadurch,
dass ihre Rechtsfolgen unabhängig vom Willen des Handelnden eintreten, während das Rechtsgeschäft rechtliche Wirkungen nur begründet, weil sie gewollt sind2. Die Rechtswirkung der Kontogutschrift würde deshalb kraft Gesetzes eintreten (§ 158 Abs. 1 BGB). Nach dieser Konstruktion bedarf es für das Entstehen des Anspruches aus der Gutschrift schon deshalb keiner Kontomitteilung an den Begünstigten, weil die Kontogutschrift keine Willenserklärung darstellt, zu deren Wirksamwerden nach allgemeinen Grundsätzen der Zugang beim Erklärungsempfänger erforderlich ist (§ 130 BGB).
4.32 Gegen diese rechtliche Konstruktion der Kontogutschrift spricht jedoch, dass die dem Buchgeldempfänger später durch Gutschriftsbuchungen zu verschaffenden Zahlungsansprüche noch inhaltlich, insbesondere betragsmäßig zu konkretisieren sind. Eine solche Konkretisierung ist aber der rechtsgeschäftlichen Bedingung wesensfremd3. Es bedarf deshalb einer den jeweiligen Gutschriftbetrag beziffernden Erklärung des kontoführenden Zahlungsinstitutes, die eine Willenserklärung darstellt4.
4.33 Nach der herrschenden Literaturmeinung im Anschluss an Koller5 verfügen die Zahlungsinstitute über ein „ausfüllendes Gestaltungsrecht“.
4.34 Gegen die Annahme eines solchen Gestaltungsrechts spricht auch nicht, dass das konto-
führende Institut zur Gutschrift des für den Kontoinhaber eingegangenen Geldbetrages und damit zur Ausübung ihres Gestaltungsrechts verpflichtet ist. Eine solche Verpflich-
1 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. unter Bezugnahme auf Schönle in FS Werner, 1984, S. 817, 826; Hefermehl in FS Möhring, 1975, S. 381, 390. Nach Wallach (Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992, S. 11) ist jedoch die Funktion einer inhaltlichen Konkretisierung der rechtsgeschäftlichen Bedingungen wesensfremd. 2 Grüneberg in Palandt, Überbl. v. § 104 BGB Rz. 4. 3 Wallach, Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992, S. 11; vgl. weiter Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1151. 4 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 11. 5 Koller, BB 1972, 687, 692; Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 217; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1151 m.w.N.; Hadding/Häuser, WM 1989, 589, 591; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 417; Wallach, Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992, S. 10 f. Nach Gernhuber ist der forderungsbegründende Akt bei der Gutschrift ein einseitiges Rechtsgeschäft der Bank (Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2. Aufl. 1994, S. 209 f.). Nach Meder bedarf es einer Annahme der in der Gutschriftserteilung liegenden Willenserklärung der Bank, die mit dem Schweigen auf die Kontogutschrift erklärt wird (WM 1999, 2137, 2138).
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tung besteht auch beim Leistungsbestimmungsrecht des § 315 BGB, das eine praktische bedeutsame Variante der Gestaltungsrechte darstellt1. Mit dem Girovertrag wird zugleich rahmenartig ein abstraktes Schuldversprechen vereinbart und den Zahlungsinstituten die Befugnis eingeräumt, durch rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts den Anspruch aus der Gutschrift im Einzelfall nach Inhalt und Höhe zu konkretisieren. Zu einer solchen Konkretisierung der Leistungspflicht kommt es, wenn einem der Vertragspartner das Recht zusteht, „die geschuldete Leistung zu bestimmen“ (§ 315 BGB), und er von diesem Gestaltungsrecht Gebrauch macht2. Bei diesem Leistungsbestimmungsrecht handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung3.
4.35
Dieses Zugangserfordernis entspricht nicht der Interessenlage des Kontoinhabers. Das zugrunde liegende Forderungsrecht soll baldmöglichst wirksam entstehen, damit verfügbares Giroguthaben vorhanden ist4. Dieser Zeitpunkt für den Erwerb würde jedoch hinausgeschoben werden, wenn hierfür der Zugang der Mitteilung über diese Kontogutschrift durch den sog. Tagesauszug zu ihrem Wirksamwerden erforderlich wäre.
4.36
Der Anspruch aus der Kontogutschrift entsteht deshalb nach allgemeiner Meinung durch die Gutschrift als solche5. Es bedarf also keiner Annahmeerklärung des Buchgeldempfängers oder dessen Kenntnis6. Die Gutschriftsbuchung braucht ihm nicht einmal mitgeteilt zu werden7.
4.37
Die Entstehung des Zahlungsanspruchs schon im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kontogutschrift bedeutet, dass das Zugangerfordernis, wie es in § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB für das Wirksamwerden einer Willenserklärung gegenüber Abwesenden normiert ist, als stillschweigend abbedungen gilt8. Die Regelung des § 130 BGB ist nach allgemeiner Meinung nicht zwingend. Deshalb können über das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen abweichende Vereinbarungen getroffen werden9. Zulässig ist die Abrede, dass die Willenserklärung schon vor ihrem Zugang zu einem anderen früheren Zeitpunkt wirksam werden soll10, z.B. schon bei ihrer Abgabe11.
4.38
Für das Wirksamwerden der Kontogutschrift genügt andererseits nicht allein ihre technische Ausführung. Hinzukommen muss, dass das Zahlungsinstitut auch den hierfür erforderlichen Rechtsbindungswillen verlautbart hat12. So dürfte es zulässig sein, sich gegen-
4.39
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Gottwald in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 315 BGB Rz. 1. Vgl. Grüneberg in Palandt, § 315 BGB Rz. 11. Gottwald in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 315 BGB Rz. 33. Hadding/Häuser, ZHR 145 (1981), 138, 159. Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16 m.w.N. BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 52; BGH v. 9.3.1951 – I ZR 38/50, NJW 1951, 437. Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 217. RGZ 108, 91, 96; Hefermehl in Soergel, BGB, 13. Aufl. 1999, § 130 BGB Rz. 18; Ellenberger in Palandt, § 130 BGB Rz. 19. Einsele in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2013, § 130 BGB Rz. 12 m.w.N.; Hefermehl in Soergel, BGB, 13. Aufl. 1999, § 130 BGB Rz. 7. Krüger-Nieland in RGRK-BGB, § 130 BGB Rz. 28; Flume, Allgemeiner Teil des BGB, Bd. III, 1992, S. 227. BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322; Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 226; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1155.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
über ihren Zahlungsdienstnutzern in ausreichend transparenter Form, etwa in den übersandten Kontoauszügen, vorzubehalten, dass die darin ausgewiesenen Gutschriften erst wirksam werden, wenn sie nicht innerhalb von zwei Tagen nach dem darin bezeichneten Buchungsdatum storniert werden. 2. Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kontogutschrift
4.40 Unabhängig von der rechtlichen Begründung, wie der Anspruch aus der Gutschrift im Einzelnen entsteht, kann die Gutschrift nach alledem erst dann wirksam werden, wenn sich der erforderliche Rechtsbindungswille des kontoführenden Instituts manifestiert hat1. Deshalb kann der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Gutschrift nicht einheitlich bestimmt werden, sondern ist auch von dem angewandten Buchungsverfahren abhängig2.
4.41 Einer wirksamen Gutschrift liegt ein Forderungsrecht aus einem Schuldversprechen oder
Schuldanerkenntnis und damit aus einem Vertragsverhältnis zugrunde. Zum Wesen jeden Vertrages gehört aber die rechtliche Bindung der Partner. Es bedarf daher zumindest eines konkludenten Verhaltens, das den erforderlichen Bindungswillen manifestiert. a) Manuelle Gutschriftsbuchung
4.42 In der Vergangenheit erfolgten Buchungen überwiegend manuell. In diesem Fall manifestierte sich der Rechtsbindungswille des kontoführenden Instituts im Zeitpunkt der Buchung der Gutschrift3.
b) EDV-Gutschrift
4.43 Durch die automatisierte Verarbeitung von Buchungen ist die Bestimmung des Gut-
schriftszeitpunkts nicht mehr rechtlich so eindeutig4. Die Eingabe des Buchungsbeleges in den Rechner (Computer) oder die Gutschriftsbuchung können noch nicht als Äußerung des Rechtsbindungswillens angesehen werden; durch die Automatisierung fallen die Vornahme der Kontogutschrift als Buchungsvorgang und die Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Kontogutschrift häufig zeitlich auseinander. Unabhängig davon steht dem Kontoinhaber gem. § 675t Abs. 1 BGB der Anspruch auf die Verfügbarmachung des Zahlungsbetrags ab dem Eingang auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters zu, was aus der Sicht des Zahlungsdienstnutzers – unabhängig vom nach Außen manifestierten Rechtsbindungswillen – der Zeitpunkt ist, ab dem die Buchung auf dem Konto sichtbar wird.
4.44 Etwas anderes gilt nur für die Bareinzahlung auf das eigene Konto. Hier entstehen bereits
mit der Einzahlung und nicht erst mit der Gutschrift Forderungsrechte gegen das Institut in Gestalt von jederzeit verfügbarem (Sicht-)Guthaben5. Anders als bei Gutschriften im bargeldlosen Zahlungsverkehr hat daher die Gutschriftsbuchung bei Bareinzahlungen stets 1 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f.; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1155. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16. 3 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322; Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. C/14; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16. 4 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 29. 5 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126, 128 = BGHZ 106, 259 ff. = NJW 1989, 582 f. (Wertstellungsurteil).
506 | Werner
Grundlagen | Teil 4
nur deklaratorische Rechtsnatur1. Dagegen ist die Bareinzahlung auf ein fremdes Konto insoweit wie eine Überweisung zu behandeln, bei der die Kontogutschrift konstitutiv ist2. Beim automatisierten belegbegleitenden Zahlungsverkehr kann deshalb nicht schon der Gutschriftserteilung ein Rechtsbindungswille des Zahlungsinstituts entnommen werden, wenn die Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Kontogutschrift erst nach der Verbuchung erfolgt. Bei einer solchen Nachdisposition ist für das Wirksamwerden einer Gutschriftsbuchung also nicht bereits die Eingabe der Daten aus den Buchungsbelegen in einen Computer ausreichend, weil sie ohne Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit geschieht3. Auch die sich anschließende EDV-mäßige Buchung auf dem Girokonto kann nicht bereits als wirksame Gutschriftserteilung angesehen werden. In diesen beiden Zeitpunkten befindet sich die Gutschriftserteilung noch im Stadium der bloßen Erklärungsvorbereitung und nicht in dem allein entscheidenden Stadium der Erklärungsabgabe der kontoführenden Stelle4.
4.45
aa) Maßgeblichkeit der autorisierten Abrufpräsenz Die bisherige Formel, der Rechtsbindungswille des Zahlungsinstituts sei „spätestens mit der vorbehaltlosen Absendung der Kontoauszüge an den Überweisungsempfänger bzw. deren Bereitstellung zur Abholung manifestiert“, erscheint jedoch angesichts der technischen Weiterentwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu unscharf, um in den echten Grenzfällen, in denen es auf die genaue Fixierung des Entstehungszeitpunktes der Kontogutschrift ankommt, klare Verhältnisse zu schaffen.
4.46
So besteht insbesondere eine nicht unwesentliche Zeitspanne zwischen dem heute voll automatisierten Ausdruck der Kontoauszüge, ihrer Kuvertierung und Frankierung sowie dem Abtransport zur Post. Der genaue Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kontogutschrift kann aber aus vielfältigen Rechtsgründen erheblich sein. Für den Widerruf spielt dies aber keine entscheidende Rolle mehr, denn gem. § 675p Abs. 1 BGB ist dieser jetzt nur noch bis zum Eingang des Zahlungsauftrags beim Zahlungsinstitut des Zahlers möglich, soweit nichts Abweichendes vereinbart worden ist5.
4.47
Nach Ansicht des BGH soll generell der Zeitpunkt maßgebend sein, in dem nach dem Willen des Zahlungsinstituts die Daten der Gutschrift zur vorbehaltlosen Bekanntgabe an den Überweisungsempfänger zur Verfügung gestellt werden6 und die autorisierte Abrufpräsenz vorliegt7. Im früheren Recht spielte diese Frage insbesondere eine Rolle für die
4.48
1 BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 96/78, WM 1979, 533, 534; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 70. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 424; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 53. 3 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. Vgl. weiter OLG Zweibrücken v. 12.1.1984 – 4 U 136/82, WM 1984, 531, 532; Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 225; a.A. OLG Hamm v. 8.6.1977 – 11 U 28/77, WM 1977, 1238, 1239. 4 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322. 5 Vgl. BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. zur früheren Rechtslage, wonach die „Abrufpräsenz“ für den Zeitpunkt des Ausschlusses des Widerrufs maßgeblich war. 6 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322; BGH v. 23.11.1999 – XI ZR 98/99, ZIP 2000, 123; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 52. 7 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320; BGH v. 23.11.1999 – XI ZR 98/99, ZIP 2000, 123; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16; Omlor in Staudinger, § 675t BGB Rz. 7.
Werner | 507
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Rückruf einer Überweisung möglich war und vom Empfängerinstitut beachtet werden musste1. Für den Widerruf im aktuellen Recht spielt diese Frage aber keine Rolle mehr; § 675p Abs. 1 BGB sieht für den gesetzlichen Regelfall den Ausschluss des Widerrufsrechts des Zahlers ab dem Zeitpunkt vor, ab dem der Zahlungsauftrag beim Zahlerinstitut gem. § 675n Abs. 1 BGB zugegangen ist. Damit liegt eine weitgehende Unwiderruflichkeit2 vor, so dass es auf die Abrufpräsenz nicht ankommt. Gleichwohl ist die autorisierte Abrufpräsenz maßgeblich für den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch des Kontoinhabers aus der Gutschrift entsteht, da § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB nur den Anspruch auf die Gutschrift begründet3. bb) Einheitlicher Zeitpunkt für alle EDV-Gutschriften
4.49 Bei einer im elektronischen Datenverkehr durchgeführten Überweisung, bei der die Da-
ten ohne vorherige Überprüfungsmöglichkeit durch das Empfängerinstitut in dessen Datenbestand übertragen werden und deshalb die Überweisungsbeträge elektronisch gebucht auf deren Kundenkonten erscheinen, steht die elektronische Gutschrift regelmäßig unter dem Vorbehalt der sog. Nachdisposition, in der die Übereinstimmung von Kontonummer und Empfängerbezeichnung, die Einhaltung des Abkommens über den Überweisungsverkehr und das Vorliegen eines Widerrufs geprüft wird4. Hier wird die Gutschrift erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem das Empfängerinstitut durch einen Organisationsakt (Datenfreischaltung) mit Rechtsbindungswillen die Gutschriftsdaten durch vorbehaltlose Bekanntmachung dem Überweisungsempfänger zur Verfügung stellt5. Im Falle einer Zahlung im SEPA-Raum in Euro bedarf es einer Nachdisposition nicht mehr, da die in den Zahlungsvorgang eingebundenen Zahlungsdienstleister gem. § 675r BGB berechtigt sind, Zahlungen alleine anhand einer Kundenkennung auszuführen, so dass das Empfängerinstitut keinen Kontonummer-Namensvergleich ausführen muss. Davon darf gem. § 675e Abs. 2 Nr. 2 BGB nur bei Drittstaatensachverhalten i.S.d. § 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden6.
4.50 Diese autorisierte Abrufpräsenz erfordert einen entsprechenden Organisationsakt des
Zahlungsdienstleisters in Form einer EDV-mäßigen „Freischaltung“ der Buchungsdaten, mit der der genaue Entstehungszeitpunkt der Kontogutschrift möglichst nachvollziehbar fixiert wird. Diese „Freischaltung“ kann der Buchgeldempfänger auf Grund seines girovertraglichen Anspruchs auf Gutschrift der für ihn eingegangenen Beträge verlangen7. Von der Abrufpräsenz zu unterscheiden ist die der Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrags. Allerdings spielt die Abrufpräsenz im Recht der Zahlungsdienste im Hinblick auf die Widerruflichkeit keine Rolle mehr. Gemäß § 675p Abs. 1 BGB endet die Widerruflichkeit eines Zahlungsauftrags grundsätzlich mit dem Zugang beim Zahlungsdienstleister des Zahlers. Bei über den oder von dem Zahlungsempfänger oder Zahlungsauslösedienstleister ausgelöste Zahlungen (z.B. bei der Lastschrift) ist gem. § 675p Abs. 2 Satz 2 BGB der Wi1 Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675p BGB Rz. 4. 2 Omlor in Staudinger, § 675p BGB Rz. 5. 3 Vgl. dazu Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675t BGB Rz. 4 ff.; Omlor in Staudinger, § 675t BGB Rz. 7; Meder, WM 1999, 2137. 4 BGH v. 23.11.1999 – XI ZR 98/99, ZIP 2000, 123; Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 228. 5 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, S. 17. 6 Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675r BGB Rz. 20. 7 Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1153; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 52; Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 228.
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Grundlagen | Teil 4
derruf ausgeschlossen, sobald der Zahlungsauftrag selbst oder die Zustimmung zu seiner Ausführung beim Zahlungsempfänger eingegangen sind. Längere Widerrufsfristen kommen gem. § 675p Abs. 2 und Abs. 3 BGB nur in Betracht, wenn ein bestimmter Fälligkeitsoder Ausführungstag ausdrücklich vereinbart wird. § 675p Abs. 4 Satz 1 BGB erlaubt weiterhin eine Vereinbarung zwischen dem Zahlungsdienstleister und seinem Nutzer, auch einen anderen Zeitpunkt für den Widerruf zu vereinbaren. Für den Fall der Vereinbarung einer solchen Widerrufsmöglichkeit ist der Zahlungsdienstleister gem. § 675p Abs. 4 Satz 3 BGB berechtigt, dafür ein Entgelt in Rechnung zu stellen. c) Erteilung von Vorbehaltsgutschriften Das Zahlungsinstitut des Zahlungsempfängers kann im Rahmen der ihm erteilten (bargeldlosen) Inkassoaufträge, in der Regel beim Einzug von Lastschriften oder Schecks, da bei Überweisungen die Gutschrift erst mit Deckungseingang erfolgt, Gutschriften unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass es Deckung aus dem bei ihm eingehenden Inkassoerlös erhält – „Eingang vorbehalten“ (E.v.) – vornehmen. Für diesen Fall enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute üblicherweise folgende Regelung, wie sie in Nr. 9 Abs. 1 AGB-Banken vorgeschrieben ist:
4.51
„Schreibt die Bank den Gegenwert von Schecks und Lastschriften schon vor ihrer Einlösung gut, geschieht dies unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung, und zwar auch dann, wenn diese bei der Bank selbst zahlbar sind. Reicht der Kunde andere Papiere mit dem Auftrag ein, von einem Zahlungspflichtigen einen Forderungsbetrag zu beschaffen (zum Beispiel Zinsscheine), und erteilt die Bank über den Betrag eine Gutschrift, so steht diese unter dem Vorbehalt, dass die Bank den Betrag erhält. Der Vorbehalt gilt auch dann, wenn die Schecks, Lastschriften und anderen Papiere bei der Bank selbst zahlbar sind. Werden Schecks oder Lastschriften nicht eingelöst oder erhält die Bank den Betrag aus dem Einzugsauftrag nicht, macht die Bank die Vorbehaltsgutschrift rückgängig. Dies geschieht unabhängig davon, ob in der Zwischenzeit ein Rechnungsabschluss erteilt wurde.“ Der auftragsrechtliche Anspruch des Kunden auf den Inkassoerlös (§ 667 BGB), den das Zahlungsinstitut auf Grund der girovertraglichen Vereinbarung dem Girokonto gutzuschreiben hat, entsteht gem. § 675t Abs. 1 BGB erst, wenn es von dem auf dem Einzugswege ihm unmittelbar vorgeschalteten Zahlungsdienstleister Deckung erhalten hat1. Vor diesem Zeitpunkt kann die unter Vorbehalt erteilte Gutschrift jederzeit wieder storniert werden2.
4.52
Durch die Regelung in den AGB-Banken wird eine auflösende Bedingung vereinbart. Eine aufschiebend bedingte Kontogutschrift wäre nicht kontokorrentfähig und könnte damit auch nicht verrechnet werden3. Die E.v.-Gutschriften werden jedoch sofort in das Kontokorrent mit einer bestimmten Wertstellung für die Zinsberechnung eingestellt und fließen zudem in den für den Kunden verfügbaren Tagessaldo4.
4.53
1 2 3 4
Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675t BGB Rz. 12. S. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/11643, 112. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 52 f. Die Einräumung dieser Verfügungsmöglichkeit über den „E.v.“ gutgeschriebenen Betrag beinhaltet deshalb ein Angebot zur Kreditgewährung (Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 166).
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
3. Die Wertstellung (Valutierung) der Kontobuchungen
4.54 Die Wertstellung (Valutierung) einer Buchung auf einem Girokonto ist der Kalendertag,
an den die Zinsberechnung anknüpft. Nach § 675t Abs. 1 BGB ist in den Fällen, in denen keine Währungsumrechnung erfolgen muss oder es sich nur um eine solche handelt, die zwischen dem Euro und einer anderen EWR-Währung oder zwischen zwei EWR-Währungen erfolgt, die Gutschrift unverzüglich durch Buchung auf dem Empfängerkonto vorzunehmen, nachdem der Zahler des Zahlungsdienstleisters den Betrag erhalten hat. Maßgeblich für die Zinsberechnung ist dabei gem. § 675t Abs. 1 Satz 2 BGB der Tag, an dem der für den Empfänger bestimmte Betrag auf einem Konto des Empfängerinstituts eingegangen ist. Dies gilt auch – wie sich aus § 675e Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 BGB ergibt – für Zahlungseingänge, die nicht in Euro erfolgen.
4.55 Die Wertstellung hat gem. § 675t Abs. 1 BGB spätestens an dem Geschäftstag zu erfolgen, an dem der überwiesene Betrag bei dem Zahlungsdienstleister des Überweisungsempfängers eingeht und dieser deshalb einen Anspruch auf Gutschrift erwirbt, für die der eingegangene Betrag als buchungsmäßige Deckung dient1. Dieser Anspruch auf Gutschrifterteilung entsteht gem. § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB mit Eingang dieser buchmäßigen Deckung bei dem kontoführenden Institut2. Denn das Empfängerinstitut hat solche eingehenden Beträge sofort an den hieraus begünstigten Kontoinhaber in Form einer Kontogutschrift herauszugeben (§§ 667, 675, 271 Abs. 1 BGB)3. Bei Bareinzahlungen hat die Wertstellung gem. § 675t Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Tag der Einzahlung zu erfolgen, da ab diesem Zeitpunkt das Empfängerinstitut über den Betrag verfügen kann4. Bei Einzahlungen auf das Girokonto eines unternehmerischen Kunden hat die Verfügbarkeit sowie die Wertstellung gem. § 675t Abs. 2 Satz 2 BGB spätestens auf den nächsten Geschäftstag zu erfolgen. Ausnahmen sind gem. § 675e Abs. 3 BGB bei Bareinzahlungen nicht nur auf Konten von Unternehmern, sondern auch von Verbrauchern zulässig, soweit es sich um Zahlungsvorgänge handelt, die in einer Nicht-Euro-Währung erfolgen.
4.56 Bei Belastungsbuchungen ist der korrekte Wertstellungstag gem. § 675t Abs. 3 BGB frühestens der Tag, an dem der Zahlungsdienstleister für Rechnung seines Kunden eine Leistung erbracht hat und das Zahlungskonto mit dem Zahlungsbetrag belastet hat. Vor Zugang des Zahlungsauftrags beim Zahlungsdienstleister des Zahlers darf die Belastung nicht erfolgen, woraus folgt, dass Vorschüsse nicht zulässig sind5.
4.57 Das Wertstellungsdatum als Tag des Überweisungseingangs bei dem kontoführenden Institut ist unabhängig vom Buchungstag, an dem lediglich die Verbuchung des überwiese-
1 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192, 1193 = BGHZ 135, 316 ff. = NJW 1997, 2042 f.; vgl. hierzu Borges, WM 1998, 105 ff.; BGH v. 17.6.1997 – XI ZR 239/96, WM 1997, 1661, 1662 = NJW 1997, 3168 f. 2 Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675t BGB Rz. 11. 3 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192, 1193; BGH v. 17.6.1997 – XI ZR 239/96, WM 1997, 1661, 1662. 4 Omlor in Staudinger, § 675t BGB Rz. 14. 5 Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675t BGB Rz. 31; vor Einführung des § 675t Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Umsetzung der PSD II war die Frage, ob § 675t Abs. 3 BGB einen Anspruch auf Vorschuss ausschließe, umstritten, vgl. dazu den Anspruch auf Vorschuss ausschließend, Grundmann, WM 2009, 1109, 1113; Langenbucher in Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, 3. Kap. § 675t BGB Rz. 13; Casper in MünchKomm. BGB, § 675t BGB Rz. 23; dagegen bejahend Bartels, WM 2010, 1828, 1830 und Omlor in Staudinger, § 675t BGB Rz. 17.
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Grundlagen | Teil 4
nen Betrages als Kontobewegung vollzogen wird1. Ist die Überweisung beim Empfängerinstitut erst nach dem sog. Buchungsschnitt eingegangen, muss die erst am nächsten Geschäftstag erfolgende Gutschrift aufgrund des § 675t Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Eingangstag zurückvalutiert werden. § 675n BGB, der eine Verschiebung um einen Geschäftstag erlaubt, ist nicht anwendbar, da er sich auf Zahlungsaufträge und damit auf die Ausgangsund nicht auf die Eingangsseite bezieht. Abweichende Vereinbarungen davon sind, wie sich aus den Regelungen in § 675e BGB ergibt (in keinem der zulässigen Ausnahmefälle wird § 675t Abs. 1 Satz 2 BGB als abdingbar erwähnt), selbst im Verhältnis zu Unternehmern nicht zulässig. Die Wertstellung besagt noch nichts über den zulässigen Inhalt der Verzinsungsvereinbarung. Sie dient lediglich als zeitlicher Anknüpfungspunkt für die Zinsberechnung2.
4.58
Bei der Wertstellung handelt es sich um keine aufschiebende Bedingung gem. §§ 163, 158 BGB, die die Wirksamkeit einer Kontogutschrift auf dessen Zeitpunkt hinausschieben würde. Deshalb ist die Wertstellung keine Rechtshandlung i.S.d. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Das Datum der Wertstellung gibt nur den Tag an, an dem der Kontoinhaber über den gutgeschriebenen Betrag verfügen kann, ohne dem kontoführenden Institut Überziehungszinsen zahlen zu müssen3. Verfügt der Kontoinhaber über den Gutschriftsbetrag vor einem evtl. späteren Wertstellungstag, geht diese Kontobewegung als Sollposten in den Saldo des Abschlusstages ein und wird zinswirksam erst durch den Habenposten im Saldo des Wertstellungstages der Gutschrift ausgeglichen. Für die Zwischenzeit sind, soweit der für die Verzinsung maßgebliche Zwischensaldo negativ gewesen ist, Sollzinsen und gegebenenfalls auch Überziehungsprovisionen zu zahlen4. Im Anwendungsbereich des § 675t BGB bleibt dafür aber kaum Raum. Eine entsprechende Fallgruppe würde eine Gutschrift vor Zahlungseingang beim Empfängerinstitut voraussetzen, die in der Praxis kaum vorkommen dürfte.
4.59
In der Vergangenheit nutzten die Zahlungsinstitute Vereinbarungen über eine herausgeschobene Wertstellung zur Generierung von „Wertstellungsgewinnen“. Die seit Umsetzung der ersten Zahlungsdiensterichtlinie eingeführten gesetzlichen Regelungen lassen praktisch keinen Spielraum mehr für entsprechende Wertstellungsvereinbarungen. Gemäß § 675t Abs. 1 Satz 2 BGB muss die Wertstellung als Zinsbeginn an dem Geschäftstag erfolgen, an dem der Zahlungsbetrag auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers eingegangen ist. Gemäß § 675t Abs. 2 Satz 1 BGB gilt dies auch für Bareinzahlungen auf ein Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers, sofern dieser ein Verbraucher ist, bei Nicht-Verbrauchern ist bei Bareinzahlungen der nachfolgende Geschäftstag gem. § 675t Abs. 2 Satz 2 BGB der maßgebliche. Wie sich aus § 675e Abs. 4 BGB ergibt, sind diese Wertstellungsregelungen auch für Unternehmer gem. § 14 BGB nicht abdingbar.
4.60
4. Belastungsbuchung im Recht der Zahlungsdienste Auf Grund des § 675t Abs. 3 Satz 2 BGB ist die frühere Praxis, das Girokonto vor Ausführung einer Zahlung mit einem Vorschuss gem. § 669 BGB in Höhe des Zahlungs1 2 3 4
Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 55 ff. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 55 ff. BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133, 134. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 55 ff.
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4.61
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
betrags zu belasten1, nicht mehr zulässig2. Der die Zahlung ausführende Zahlungsdienstleister kann nur noch einen Aufwendungsersatzanspruch geltend machen, in dem er die Belastungsbuchung zeitgleich oder nach der Gutschrift beim nachfolgenden Institut geltend macht3. § 675t Abs. 3 Satz 2 BGB stellt dies ausdrücklich klar.
4.62 Kann die Überweisung nicht ausgeführt werden, z.B. weil der Überweisungsbegünstigte
kein Konto unterhält, ist die Belastungsbuchung rückgängig zu machen. Der Zahlungsdienstleister des Überweisenden muss dann die Belastungsbuchung, soweit der Überweisungsbetrag bereits an das nachfolgende Institut weitergeleitet worden ist, rückgängig machen und diesen, da er zur Durchführung des Überweisungsauftrages nicht benötigt wurde, wieder herausgeben (§ 667 BGB)4. Da in diesem Fall eine nicht erfolgte Ausführung vorliegt, ergibt sich der Anspruch auf die Erstattung aus § 675v Abs. 1 Satz 1 BGB. Da das Konto gem. § 675v Abs. 1 Satz 2 BGB wieder auf den gleichen Stand wie vor dem Zahlungsversuch zu bringen ist, folgt daraus auch die valutengerechte Wiedergutschrift5.
X. Buchgeldzahlung zur Erfüllung von Geldschulden 4.63 Buchgeldzahlungen dienen gewöhnlich der Bezahlung von Geldschulden, die aus dem Va-
lutaverhältnis des Buchgeldzahlers zum Buchgeldempfänger herrühren. Solche Zahlungsverbindlichkeiten stellen regelmäßig sog. Schickschulden dar. Im Unterschied zu den Holschulden und Bringschulden fallen bei den Schickschulden der Leistungsort als der Ort, an dem der Leistungspflichtige die geschuldeten Leistungshandlungen zu erbringen hat, und der Ort des Leistungserfolges auseinander (§ 270 Abs. 4 BGB). Der Leistungserfolg, d.h. die wirksame Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Empfängerkonto, gehört also nicht mehr zur Leistungshandlung des Schuldners. Seine Leistungspflicht ist vielmehr erfüllt, wenn er die Überweisung veranlasst hat, vorausgesetzt, dass der geschuldete Betrag später dem Girokonto des Gläubigers gutgeschrieben wird6.
4.64 Keine Schickschulden stellen die Zahlungsverbindlichkeiten des kontoführenden Zahlungs-
dienstleisters aus Giroguthaben dar, die sich bei der täglichen Saldierung der auf den Girokonten verbuchten Buchgeldeingänge ergeben. Diesen Tagessalden liegen Rückforderungsansprüche des Kontoinhabers im Sinne der unregelmäßigen Verwahrung zugrunde, auf die verwahrungsrechtliche Sonderregelungen anwendbar sind. Danach hat die Rückgabe der hinterlegten Sache am Ort der „Aufbewahrung“ (kontoführende Niederlassung) zu erfolgen (§ 697 BGB i.V.m. § 700 Abs. 1 Satz 3 BGB). Diese Rückzahlungspflicht stellt eine Holschuld dar, auf die § 270 BGB deshalb nicht anwendbar ist7.
4.65 Mit Rücksicht auf dieses Auseinanderfallen von Leistungsort und Ort des Leistungserfolges bestimmt § 270 Abs. 1 BGB, dass der Schuldner Geld im Zweifel auf seine Gefahr und
1 2 3 4
Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 345. Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675t BGB Rz. 31. BR-Drucks. 848/08, 184. BGH v. 28.11.1977 – II ZR 122/76, WM 1978, 367; OLG Zweibrücken v. 12.1.1984 – 4 U 136/ 82, WM 1984, 531 m.w.N. 5 von Westphalen in Erman, § 675y BGB Rz. 195; Zetzsche in MünchKomm. BGB, 7. Aufl., § 675y BGB Rz. 22; Omlor in Staudinger, § 675y BGB Rz. 10; Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675y BGB Rz. 11. 6 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22. 7 Sprau in Palandt, § 697 BGB Rz. 1.
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seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln hat. Dementsprechend treffen auch den Buchgeldzahler die „Transport“gefahr auf dem Überweisungswege sowie die hierbei entstehenden Kosten im Verhältnis zum Zahlungsempfänger. 1. Tilgungszeitpunkt Das Transportrisiko der Schickschuld entfällt mit ihrer Tilgung. Damit stellt sich die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erfüllungswirkung einer Buchgeldzahlung.
4.66
a) Gutschrift auf Gläubigerkonto als spätester Zeitpunkt Nach ganz überwiegender Literaturmeinung tritt die Forderungstilgung spätestens mit der Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Girokonto des Buchgeldempfängers ein. Denn in dieser Kontogutschrift wird die forderungstilgende Erfüllung der Geldschuld aus dem (Valuta-)Verhältnis zwischen Buchgeldzahler (Schuldner) und Buchgeldempfänger (Gläubiger) erblickt1. Diese Gutschriftsbuchung verschafft dem Buchgeldempfänger gegen das kontoführende Institut einen abstrakten Zahlungsanspruch im Sinne eines Schuldversprechens oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB). Aus der Sicht des Buchgeldempfängers tritt also ein „Schuldnerwechsel“ ein.
4.67
Hierbei handelt es sich aber um keine Schuldübernahme i.S.d. §§ 414 ff. BGB. Denn mit der Kontogutschrift wird eine neue (abstrakte) Zahlungsverbindlichkeit des kontoführenden Instituts als neue Schuldnerin begründet.
4.68
b) Deckungseingang bei Gläubigerbank als maßgeblicher Zeitpunkt Schon nach dem Recht vor Umsetzung der (erste) EU-Zahlungsdiensterichtlinie war unklar, ob nicht eine dogmatisch sauberere Lösung für eine interessengerechte Verteilung des Transportrisikos einer Buchgeldzahlung gebietet, die Tilgung der zugrunde liegenden Geldschuld auf den Zeitpunkt vorzuverlegen, zu dem die (geldmäßige) Deckung bei dem kontoführenden Institut des Buchgeldempfängers eingeht2. Nach dem für solche Schickschulden geltenden § 270 BGB müsste der Buchgeldzahler das Insolvenzrisiko des Zahlungsdienstleisters des Buchgeldempfängers tragen. Dieses Risiko trägt aber auch nach der herrschenden Meinung nicht der Buchgeldzahler, sondern der Buchgeldempfänger, obwohl nach dieser Literaturmeinung der Tilgungszeitpunkt auf den Zeitpunkt der Erteilung der Kontogutschrift hinauszuschieben ist3. Dieser Widerspruch zur gesetzlichen Regelung wird vermieden, wenn der Tilgungszeitpunkt schon auf den Eingang der Deckung bei der Empfängerbank vorverlegt wird.
1 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BFH v. 10.11.1987 – VII R 171/84, WM 1988, 252; EuGH v. 22.10.1998 – Rs. C-10/97 bis C-22/97, NJW 1999, 201; EuGH v. 3.4.2008 – Rs. C-306/06, NJW 2008, 1935; OLG Frankfurt v. 26.9.1997 – 8 U 130/97, NJW 1998, 387; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 476; Grüneberg in Palandt, § 362 BGB Rz. 9. 2 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 188. 3 Vgl. Caspar in MünchKomm. BGB, § 675f BGB Rz. 67; Langenbucher in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 3. Kap. § 675y BGB Rz. 24; nach Bittner müsste sich der Buchgeldempfänger überdies ein Verschulden seiner kontoführenden Bank gem. § 278 BGB anrechnen lassen, wenn hierdurch die Verschaffung der sich anschließenden Kontogutschrift scheitert (Bittner in Staudinger, § 270 BGB Rz. 21).
Werner | 513
4.69
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
2. Rechtzeitigkeit der Buchgeldzahlung
4.70 Soweit die Buchgeldzahlung auf dem Überweisungswege erfolgt, liegt das Risiko der rechtzeitigen Veranlassung beim Schuldner, da der Buchgeldzahler für eine rechtzeitige Beauftragung seines kontoführenden Instituts sorgen muss. Insofern ist auf der Grundlage des aktuellen Rechts die Geldschuld als „modifizierte Bringschuld“ anzusehen1. 4.71 Grundlage dafür, dass bei Zahlungen mittels Überweisung die Rechtzeitigkeit der Leistung nicht bereits dann vorlag, wenn der Zahlungspflichtige den Zahlungsauftrag innerhalb der Zahlungsfrist erteilt hatte, war eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 20082. Danach folgt aus Art. 3 Abs. 1c ii der Zahlungsverzugsrichtlinie3, dass es für die Rechtzeitigkeit einer Zahlung auf den Erhalt des Geldbetrags durch den Empfänger ankommt. Auch wenn diese Richtlinie sich ausdrücklich nur auf den Geschäftsverkehr bezieht, ist sie doch auch auf Zahlungen von Verbrauchern übertragbar, zumal es zum einen in der Hand des Auftraggebers einer Überweisung liegt, wann und wen er mit der Ausführung einer solchen Zahlung beauftragt, und im Übrigen steht ihm gem. § 675y Satz 2 BGB auch ein Anspruch auf Folgeschäden gegen das erstbeauftragte Institut zu, wenn die Zahlung von einem in die Kette eingebundenen Institut u.a. nicht rechtzeitig ausgeführt wurde4. Eines solchen Anspruchs auf Folgeschäden bedürfte es nicht, wenn – wie nach früherer herrschender Lehre5 – die Rechtzeitigkeit der Auftragserteilung für die Rechtzeitigkeit der Leistung ausreichend wäre. 4.72 Auf dieser Grundlage liegt im Valutaverhältnis die Rechtzeitigkeit dann vor, wenn die Voraussetzungen für die Verfügbarkeit gem. § 675t Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 BGB geschaffen worden sind, d.h. der Anspruch auf die Gutschrift entstanden ist. Ab diesem Zeitpunkt hat das Empfängerinstitut dafür einzustehen, dass aus dem Anspruch auf die Gutschrift ein Anspruch aus der Gutschrift wird. 4.73 Bei einer Hausüberweisung entsteht bereits mit der Belastung des Auftraggeberkontos der Anspruch des Buchgeldempfängers auf Gutschrift i.S.d. § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB. Mit der Verschaffung eines solchen Anspruchs, den das Institut sodann mit der Gutschrift auf dem Girokonto des Buchgeldempfängers erfüllt, ist die Zahlung im Valutaverhältnis rechtzeitig bewirkt6. 4.74 Auch bei einer außerbetrieblichen Überweisung – hier werden die Girokonten des Buchgeldzahlers und des Buchgeldempfängers nicht bei demselben Institut geführt – kommt es für die Rechtzeitigkeit auf die „Absendung“ des geschuldeten Geldbetrages an. Dabei bejaht die herrschende Meinung die Rechtzeitigkeit der Leistung, sofern der Überweisungsauftrag innerhalb der Zahlungsfrist bei dem Institut des Buchgeldzahlers eingeht und ausreichend Deckung vorhanden ist oder ggf. ein entsprechender Kreditrahmen zur Verfügung steht und der geschuldete Betrag später dem Konto des Gläubigers zur Verfügung steht7. 1 Vgl. Omlor in Staudinger, Vorbem. zu §§ 675c–676c BGB Rz. 84 m.w.N. 2 EuGH v. 3.4.2008 – Rs. C-306/06, Slg. 2008 I-1923 = NJW 2008, 1935 = WM 2008, 678 = ZIP 2008, 732. 3 Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr vom 29.6. 2000, ABl. EU Nr. L 200 v. 8.8.2000, S. 35. 4 Vgl. Omlor in Staudinger, Vorbem. §§ 675c–676c BGB Rz. 84. 5 Vgl. zusammenfassend m.w.N. Omlor in Staudinger, Vorbem. §§ 675c–676c BGB Rz. 83; Grundmann, WM 2000, 2269, 2283; von Westphalen, BB 2000, 157. 6 Zur früheren Rechtsansicht, dass dadurch mehr bewirkt ist, als nach der qualifzierten Schickschuld gem. § 270 Abs. 1 BGB gefordert: Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 194. 7 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 194; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22.
514 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
Maßgeblich ist dabei aber, dass bei einem ordnungsgemäßen Ablauf der Zahlungsbetrag fristgemäß dem Konto des Zahlungsempfängers gutgeschrieben werden kann. Zahlungen, die so veranlasst werden, dass die Fristen gem. § 675s BGB nicht eingehalten werden können (oder müssen), sind in jedem Fall verspätet, wenn die Zahlung nicht zum vereinbarten oder festgelegten Termin beim Empfänger eingeht, denn im Valutaverhältnis tritt Erfüllung erst ein, wenn der geschuldete Betrag dem Konto des Empfängers vorbehaltlos gutgeschrieben worden ist1. Etwas anderes gilt nur, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner eine ausdrücklich eine besondere Vereinbarung über die Rechtzeitigkeit der Zahlung getroffen worden ist, wofür die Vereinbarung einer Zahlungsfrist alleine nicht genügt. Gewollt sein kann im Einzelfall, dass dem Gläubiger bis zum Fristablauf die Gutschrift auf seinem Girokonto erteilt und damit auch der Leistungserfolg eingetreten sein muss. Insbesondere kann die Zahlungspflicht des Versicherers davon abhängen, dass die fällige Prämie noch vor Fristablauf seinem Girokonto gutgeschrieben worden ist. § 36 Abs. 1 VVG regelt die Prämienverbindlichkeit als eine qualifizierte Schickschuld.
4.75
An die Kontogutschrift knüpft auch die Regelung der Abgabenordnung über den Erfüllungszeitpunkt an. Nach § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO gilt eine Zahlung im bargeldlosen Zahlungsverkehr an dem Tag als entrichtet, an dem der Betrag der Finanzbehörde auf einem ihrer Konten gutgeschrieben wird. Die Verpflichtungen nach der AO gehen hier den zivilrechtlichen Regelungen vor; folglich darf sich der Zahlungspflichtige nicht darauf verlassen, dass die Zahlung innerhalb der sich aus § 675s BGB ergebenden Fristen bewirkt wird. Als im Verhältnis zum Finanzamt für die Rechtzeitigkeit Verantwortlicher muss er folglich sicherstellen, dass nicht nur der Anspruch auf die Gutschrift innerhalb der Zahlungsfrist für den Empfänger begründet wird, sondern auch die Zahlung aus der Gutschrift. Da das erstbeauftragte Institut üblicherweise nicht die Fristen für Zahlungen kennt, die die Finanzbehörde Steuerpflichtigen gesetzt hat, muss der Auftraggeber zur Sicherstellung der Rechtzeitigkeit ggf. mit seinem Institut ausdrücklich vereinbaren, bis zu welchem Zeitpunkt eine Zahlung endgültig auf dem Empfängerkonto bewirkt sein muss.
4.76
4.77–4.90
Einstweilen frei.
2. Abschnitt: Die Überweisung I. Einführung Bei einer Überweisung2 beauftragt der Buchgeldzahler sein Zahlungsinstitut, einen bestimmten Betrag zu Lasten seines Girokontos an den Buchgeldempfänger zu übertragen. Ausgangspunkt dieses bargeldlosen Zahlungsvorganges ist das Girokonto des Buchgeld1 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rz. 22 f.; BGH v. 5.10.2016 – VIII ZR 222/ 15, BGHZ 212, 140 Rz. 23; BGH v. 22.11.2017 – VIII ZR 213/16 Rz. 18 und BGH v. 22.11.2017 – VIII ZR 83/16 Rz. 19; Grüneberg in Palandt, § 362 BGB Rz. 10 f.; Fezer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl., § 362 BGB Rz. 21, 25a. 2 Eine Übersicht der Rechtsprechung des BGH zum Überweisungsverkehr in der Zeit vom 1.10.1950 bis 31.3.2001 von Nobbe, ehemals Vors. Richter des Bankrechtssenats des BGH, ist abgedruckt in WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4. Dabei werden auch wesentliche Aspekte des neuen Überweisungsrechts erörtert, die zu einer veränderten Rechtslage geführt haben. Vgl. weiter Schimansky zum Überweisungsrecht ab 1.1.2001 in Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 20, 2003, S. 49 ff. Zu den Auswirkungen der Schuldrechtsreform s. van Look in FS Kümpel, 2003, S. 329 ff.
Werner | 515
4.91
Die Überweisung | Teil 4
Maßgeblich ist dabei aber, dass bei einem ordnungsgemäßen Ablauf der Zahlungsbetrag fristgemäß dem Konto des Zahlungsempfängers gutgeschrieben werden kann. Zahlungen, die so veranlasst werden, dass die Fristen gem. § 675s BGB nicht eingehalten werden können (oder müssen), sind in jedem Fall verspätet, wenn die Zahlung nicht zum vereinbarten oder festgelegten Termin beim Empfänger eingeht, denn im Valutaverhältnis tritt Erfüllung erst ein, wenn der geschuldete Betrag dem Konto des Empfängers vorbehaltlos gutgeschrieben worden ist1. Etwas anderes gilt nur, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner eine ausdrücklich eine besondere Vereinbarung über die Rechtzeitigkeit der Zahlung getroffen worden ist, wofür die Vereinbarung einer Zahlungsfrist alleine nicht genügt. Gewollt sein kann im Einzelfall, dass dem Gläubiger bis zum Fristablauf die Gutschrift auf seinem Girokonto erteilt und damit auch der Leistungserfolg eingetreten sein muss. Insbesondere kann die Zahlungspflicht des Versicherers davon abhängen, dass die fällige Prämie noch vor Fristablauf seinem Girokonto gutgeschrieben worden ist. § 36 Abs. 1 VVG regelt die Prämienverbindlichkeit als eine qualifizierte Schickschuld.
4.75
An die Kontogutschrift knüpft auch die Regelung der Abgabenordnung über den Erfüllungszeitpunkt an. Nach § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO gilt eine Zahlung im bargeldlosen Zahlungsverkehr an dem Tag als entrichtet, an dem der Betrag der Finanzbehörde auf einem ihrer Konten gutgeschrieben wird. Die Verpflichtungen nach der AO gehen hier den zivilrechtlichen Regelungen vor; folglich darf sich der Zahlungspflichtige nicht darauf verlassen, dass die Zahlung innerhalb der sich aus § 675s BGB ergebenden Fristen bewirkt wird. Als im Verhältnis zum Finanzamt für die Rechtzeitigkeit Verantwortlicher muss er folglich sicherstellen, dass nicht nur der Anspruch auf die Gutschrift innerhalb der Zahlungsfrist für den Empfänger begründet wird, sondern auch die Zahlung aus der Gutschrift. Da das erstbeauftragte Institut üblicherweise nicht die Fristen für Zahlungen kennt, die die Finanzbehörde Steuerpflichtigen gesetzt hat, muss der Auftraggeber zur Sicherstellung der Rechtzeitigkeit ggf. mit seinem Institut ausdrücklich vereinbaren, bis zu welchem Zeitpunkt eine Zahlung endgültig auf dem Empfängerkonto bewirkt sein muss.
4.76
4.77–4.90
Einstweilen frei.
2. Abschnitt: Die Überweisung I. Einführung Bei einer Überweisung2 beauftragt der Buchgeldzahler sein Zahlungsinstitut, einen bestimmten Betrag zu Lasten seines Girokontos an den Buchgeldempfänger zu übertragen. Ausgangspunkt dieses bargeldlosen Zahlungsvorganges ist das Girokonto des Buchgeld1 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rz. 22 f.; BGH v. 5.10.2016 – VIII ZR 222/ 15, BGHZ 212, 140 Rz. 23; BGH v. 22.11.2017 – VIII ZR 213/16 Rz. 18 und BGH v. 22.11.2017 – VIII ZR 83/16 Rz. 19; Grüneberg in Palandt, § 362 BGB Rz. 10 f.; Fezer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl., § 362 BGB Rz. 21, 25a. 2 Eine Übersicht der Rechtsprechung des BGH zum Überweisungsverkehr in der Zeit vom 1.10.1950 bis 31.3.2001 von Nobbe, ehemals Vors. Richter des Bankrechtssenats des BGH, ist abgedruckt in WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4. Dabei werden auch wesentliche Aspekte des neuen Überweisungsrechts erörtert, die zu einer veränderten Rechtslage geführt haben. Vgl. weiter Schimansky zum Überweisungsrecht ab 1.1.2001 in Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 20, 2003, S. 49 ff. Zu den Auswirkungen der Schuldrechtsreform s. van Look in FS Kümpel, 2003, S. 329 ff.
Werner | 515
4.91
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
zahlers, dem gem. § 675f Abs. 2 letzte Alt. BGB ein Zahlungsdiensterahmenvertrag zugrunde liegt. Abgeschlossen ist die Überweisung mit Gutschrift auf dem Empfängerkonto, obwohl das erstbeauftragte Institut, wie sich aus § 675y Abs. 1 Satz 5 BGB ergibt, nur die fehlerfreie, vollständige und rechtzeitige Gutschrift auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers schuldet. Die Zahlung wird hier – anders als z.B. bei der Lastschrift oder auch dem Scheck – über den Zahler und nicht den Zahlungsempfänger ausgelöst. Definiert wird die Überweisung in § 1 Abs. 2 ZAG und enthält die vorstehend aufgezeigten Punkte als konstituierende Bestandteile einer Überweisung1.
4.92 Die kontoführenden Institute stehen in (Giro-)Vertragsverhältnissen zu den Zahlern und
Zahlungsempfängern, sofern sie für diese jeweils Zahlungskonten führen. Dasselbe gilt für die Rechtsverhältnisse der mitwirkenden Zahlungsinstitute untereinander2. In diesen „Interbanken“-verhältnissen schließen die Zahlungsinstitute die Verträge zwecks Ausführung der ihnen erteilten Aufträge nicht im Namen ihrer Girokunden, sondern im eigenen Namen. Ausnahmen können sich nur aus § 2 Abs. 1 Nr. 7 ZAG ergeben, der bestimmt, dass Zahlungen innerhalb einen Zahlungssystems nicht als Zahlungsdienste gelten. Dies kann beispielsweise Interbankenverhältnisse wie das SEPA-Inlandsüberweisungsabkommen betreffen, zumal diese Abkommen häufig umfassende Regelungen über das Verhältnis der Institute untereinander enthalten. Das Recht der Zahler und der Zahlungsempfänger bleibt davon jedoch unberührt. Ebenso die im Gesetz ausdrücklich geregelten Ausgleichsansprüche gem. § 676a BGB der Zahlungsdienstleister untereinander, zumal diese Vorschrift gem. § 675e Abs. 4 BGB nicht ausgeschlossen werden kann3. Außerdem fallen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 12 ZAG nicht unter das Recht der Zahlungsdienste Zahlungsvorgänge, die Zahlungsdienstleister untereinander auf eigene Rechnung ausführen4, d.h. nicht bei Zahlungen im Interbankenverhältnis, die von Zahlern veranlasst worden sind, die keine Zahlungsdienstleister sind. Hier bleibt es bei Anwendung der Regelungen zu den Zahlungsdiensten, es sei denn, es liegt eine Zahlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 ZAG im Rahmen eines Zahlungs- oder Wertpapierabwicklungssystems vor.
II. Die Überweisung im Recht der Zahlungsdienste 1. Die für Überweisungen relevanten Regelungen über Zahlungsdienste
4.93 Zunächst einmal ergibt sich aus § 675c Abs. 1 BGB, dass es sich bei dem Vertrag, der auf Zahlungsdienste abzielt, um den Unterfall eines Geschäftsbesorgungsvertrags handelt, so dass dessen allgemeine Regelungen gem. §§ 663, 665 bis 670 sowie 672 bis 674 BGB Anwendung finden, sofern es keine speziellen Vorschriften zum Zahlungsdienst gibt oder diese auf Grund ihres Sinngehalts nicht anwendbar sind.
4.94 In § 675d Abs. 6 BGB wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen § 675d Abs. 1 bis 5 BGB – die Regelungen über die Unterrichtungspflichten bei Zahlungsdiensten – nicht an-
1 Vgl. dazu Werner in Krepold/Fischbeck/Kropf/Werner, Bankrecht, 2. Aufl. 2018, S. 56 f.; Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675f BGB Rz. 113 ff. 2 Vgl. dazu Werner in Krepold/Fischbeck/Kropf/Werner, Bankrecht, 2. Aufl. 2018, S. 67; Langenbucher in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 3. Kap. § 676a BGB Rz. 3. 3 Vgl. Langenbucher in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 3. Kap. § 676a BGB Rz. 3. 4 S. dazu BaFin-Merkblatt – Hinweise zum Zahlungsaudiensteaufsichtsgesetz (ZAG) v. 22.12.2011, i.d.F. v. 29.11.2017, Ziff. 3 l).
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Die Überweisung | Teil 4
zuwenden sind. Allerdings bezieht sich dies nur auf die Informationspflichten. Die Ausnahme bezieht sich nur auf die Teile eines Zahlungsvorgangs, die außerhalb des EWR getätigt werden, wenn die Zahlung in einer Nicht-EWR-Währung erfolgt und die Zahlungsdienstleister des Zahlers sowie des Empfängers ihren Sitz in dem EWR haben, wenn bei einem Zahlungsvorgang mindestens einer der Zahlungsdienstleister seinen Sitz innerhalb und einer außerhalb des EWR oder keiner der Beteiligten seinen Satz innerhalb des EWR hat. Für beide Ausnahmen, die auch Inlandsbezug haben, werden die Informationspflichten auch für den Inlandsbezug eingeschränkt, aber nicht ausgeschlossen. Auch sie fallen zukünftig in den Anwendungsbereich der Informationspflichten. Aber auch soweit Teile des Zahlungsvorgangs innerhalb des EWR ausgeführt werden, gelten die Informationspflichten nicht unbeschränkt; im Falle des § 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BGB sind Art. 248 § 4 Abs. 1 Nr. 2e, § 6 Nr. 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB, die alle die Angabe der maximalen Ausführungsfrist vorschreiben, auf die im EWR ausgeführten Teile des Zahlungsvorgangs nicht anwendbar. Dies folgt daraus, dass die sich aus § 675s Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB ergebenden Ausführungsfristen gem. § 675s Abs. 3 BGB auf Zahlungen gem. § 675d Abs. 6 Satz 1 BGB nicht anwendbar sind. Gleiches gilt gem. § 675d Abs. 6 Satz 3 BGB für den Fall des § 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1b EGBGB, d.h. wenn wenigstens einer der beteiligten Zahlungsdienstleister seinen Sitz innerhalb und einer außerhalb des EWR hat, hinsichtlich der sich aus Art. 248 § 4 Abs. 1 Nr. 5g EGBGB – die Bedingungen für die Erstattung gem. § 675x BGB – ergebenden Informationspflichten. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass gem. § 675x Abs. 6 BGB auf den Fall des § 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1b BGB § 675x Abs. 1 BGB auf die Zahlungsbestandteile innerhalb des EWR nicht anwendbar ist und von § 675x Abs. 2 bis 5 BGB abgewichen werden kann. Außerdem folgt aus dem neu gefassten § 675e Abs. 2 BGB, dass im Falle des § 675d Abs. 1 Nr. 1 und 2 EGBGB – also den vorstehend dargestellten Fallgruppen – die Anwendung bestimmter Regelungen zum Zahlungsverkehr, § 675s Abs. 1 BGB – die Regelungen zu den Ausführungsfristen –, § 675t Abs. 2 BGB – die Regelung über die Verfügbarmachung von eingezahltem Bargeld –, § 675y Abs. 1 bis 4 BGB – die Haftung für nicht erfolgte, fehlerhafte oder verspätete Zahlungen – sowie § 675z Satz 3 BGB – die Haftung für zwischengeschaltete Zahlungsdienstleister – ausgeschlossen ist und hinsichtlich der anderen Regelungen davon zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden kann.
4.95
Es werden dabei die PSD II-Anforderungen umgesetzt, wonach der Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelungen zu den Zahlungsdiensten auch auf innerhalb der EU getätigte Bestandteile von Zahlungsvorgängen in Nicht-EWR-Währungen ausgeweitet werden soll, soweit die Zahlungsdienstleister ihren Sitz in der EU haben und auf innerhalb der EU getätigte Bestandteile von Zahlungsvorgängen in allen Währungen, sofern nur einer der beteiligten Zahlungsdienstleister innerhalb der EU belegen ist (one-leg-transactions). § 675e Abs. 2 Nr. 2 BGB sieht deshalb vor, dass nur dann von den §§ 675c bis 676c BGB abgewichen werden kann, wenn der Anwendungsbereich der PSD II nicht eröffnet ist. Dies erfasst zum einen die Teile von Zahlungstransaktionen, die bei „one-leg transactions“ außerhalb des EWR abgewickelt werden sowie die Zahlungsvorgänge, an denen gem. § 675d Abs. 6 Satz 1 BGB kein im EWR belegener Zahlungsdienstleister beteiligt ist. Deshalb können diese Regelungen abbedungen werden. Aus dem Ausschluss von § 675y Abs. 1 bis 4 BGB folgt die Unanwendbarkeit der verschuldensunabhängigen Haftung des Zahlungsdienstleisters des Zahlers für die fehlerhafte, nicht erfolgte oder verspätete Ausführung von Zahlungsvorgängen, auch soweit die Zahlung von oder über den Zahlungsempfänger ausgelöst worden ist. Es bleibt damit zwar im Grundsatz bei dem Ansatz im aktuellen Recht, die verschuldensunabhängige Haftung des Zahlungsdienstleisters des Zahlers hier auszuschließen.
4.96
Werner | 517
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.97 Da jedoch die verschuldensunabhängige Haftung jetzt ausdrücklich auch auf verspätete
Zahlungen erweitert worden ist, musste folgerichtig der Ausschluss dieser Haftung weiter als bisher gefasst werden. Deshalb erstreckt er sich jetzt zusätzlich auf die verspätete Ausführung und die Einbindung von mit Umsetzung der PSD II zusätzlich zulässigen Zahlungsauslösediensten. Im früheren Recht ist die Anwendung von § 675q BGB – die Regelung zu Entgelten bei Zahlungsvorgängen – ausgeschlossen. Jetzt gilt sie auch für die Zahlungsvorgänge, die keine EWR-Berührung haben, jedoch kann, wie sich aus § 675e Abs. 2 Nr. 2 BGB ergibt, zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers davon abgewichen werden. Im Übrigen folgt aus der Neufassung von § 675q Abs. 3 und 4 BGB, dass der Anwendungsbereich der Regelung bei reinen Drittstaatsachverhalten ausgeschlossen ist. Auch die Änderungen zur Wertstellung und Verfügbarmachung in § 675t Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 3 BGB werden ebenso wie die früheren Regelungen § 675t Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 BGB in § 675e Abs. 3 BGB in § 675e Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht für unabdingbar erklärt.
4.98 Schließlich erlaubt § 675e Abs. 4 BGB im Zahlungsdienstegeschäftsverkehr mit einem
Zahlungsdienstnutzer, der nicht Verbraucher ist, in erheblichem Umfange auch für Zahlungen innerhalb der EU- bzw. EWR-Staaten von den zwingenden gesetzlichen Regelungen abzuweichen. Diese Vorschrift bleibt inhaltlich durch die Umsetzung der PSD II unberührt, lediglich redaktionell wird sie geändert, um den Anpassungen von § 675c bis 676c BGB Rechnung zu tragen. Außerdem erlaubt weiterhin auch § 675i BGB im Falle von Kleinbetragsinstrumenten oder E-Geld (dieser Begriff ersetzt den des „elektronischen Gelds“) von zwingenden Vorschriften abzuweichen, wie dies in § 675i Abs. 2 BGB im Einzelnen aufgelistet ist. 2. Informationspflichten
4.99 Gemäß § 675d Abs. 1 Satz 1 BGB treffen die Unterrichtungspflichten gem. Art. 248 §§ 1 bis 12, 13 Abs. 1, 3 bis 5 und §§ 14 bis 16 EGBGB einen Zahlungsdienstleister, gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer bestimmte Informationen im Zusammenhang mit der Zahlungsdienstleistung zu erbringen.
4.100
Gemäß Art. 248 Abschnitt 2 (§§ 3 ff.) und Abschnitt 3 (§§ 12 ff.) EGBGB wird zwischen dem Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 BGB und dem Einzelzahlungsvertrag gem. § 675f Abs. 1 BGB differenziert, wobei primär die Informationspflichten an den Zahlungsdiensterahmenvertrag anknüpfen und solche für Einzelzahlungsverträge nur dann gelten, wenn diese nicht Teil eines Zahlungsdiensterahmenvertrages sind. Im Übrigen verdrängen die Spezialregelungen zu den Informationspflichten bei Zahlungsdiensten gem. Art. 248 §§ 1 f. EGBGB konkurrierende Informationspflichten zum Fernabsatz gem. § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 §§ 1 und 2 EGBGB, sofern Pflichten nicht bei den Informationspflichten zu den Zahlungsdienstleistungen geregelt werden. Gemäß § 675d Abs. 2 BGB treffen Drittdienste, d.h. Zahlungsauslösedienste und Kontoinformationsdienste spezielle Informationspflichten gem. Art. 248 §§ 13 Abs. 1 bis 3 und 13 bzw. §§ 4 und 13 Abs. 1 EGBGB.
4.101
Für Zahlungsdiensterahmenverträge werden zunächst in Art. 248 § 4 EGBGB vorvertragliche Informationspflichten festgelegt, die sich insbesondere auf – den Zahlungsdienstleister – die Nutzung des entsprechenden Zahlungsdienstes – die Entgelte, Zinsen und Wechselkurse 518 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
– die Kommunikation – Schutz- und Abhilfemaßnahmen – Änderungen der Vertragsbedingungen, die Kündigung, das anwendbare Recht und das zuständige Gericht sowie – Rechtsbehelfe beziehen. Dabei werden die Anforderungen äußerst detailliert beschrieben. Ergänzt werden diese vorvertraglichen Informationspflichten nur durch die in Art. 248 § 5 EGBGB festgelegte Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass während der Vertragslaufzeit der Zahlungsdienstnutzer jederzeit die Übermittlung von Vertragsbedingungen sowie der in Art. 248 § 4 EGBGB festgelegten Informationen in Textform verlangen kann.
4.102
Außerdem ergibt sich aus Art. 248 § 6 EGBGB, dass vor Ausführung eines vom Zahler ausgelösten Zahlungsvorgangs innerhalb eines Zahlungsdiensterahmenvertrages der Zahler vom Zahlungsdienstleister verlangen kann, u.a. über die maximale Ausführungsfrist des Zahlungsvorgangs sowie die in Rechnung zu stellenden Entgelte und deren Aufgliederung unterrichtet zu werden. Die während der einzelnen Zahlungsvorgänge zu erfüllenden Informationspflichten ergeben sich aus Art. 248 §§ 7 bis 13 und 14 ff. EGBGB, wobei zwischen Informationen an den Zahler (Art. 248 § 7 EGBGB) und den Zahlungsempfänger (Art. 248 § 8 EGBGB) unterschieden wird. Ergänzt wurden Art. 248 § 13a EGBGB – die Informationspflichten gegenüber Zahler und Zahlungsempfänger nach Auslösung eines Zahlungsauftrags über einen Zahlungsauslösedienstleister – und Art. 248 § 17a EGBGB – die Informationspflichten des Bargeldabhebungsdienst.
4.103
Der Zahlungsdienstleister ist gem. Art. 248 § 7 EGBGB gegenüber dem Zahler nach Belastung von dessen Kontos verpflichtet, ihm folgende Informationen zukommen zu lassen:
4.104
– Die Kennung des Zahlungsvorgangs, um dem Zahler die Identifizierung des betreffenden Vorgangs zu ermöglichen; außerdem sind ggf. Angaben zum Zahlungsempfänger erforderlich. – Den Zahlungsbetrag in der Währung, in der entweder das Konto belastet wird oder in der die Zahlung erfolgt. – Alle zu zahlenden Entgelte und deren Aufschlüsselung sowie Zinsen und ggf. Wechselkurse. – Das Wertstellungsdatum der Belastung oder das Datum des Zugangs des Zahlungsauftrages. Weiterhin sind gem. Art. 248 § 8 EGBGB Informationspflichten gegenüber dem Zahlungsempfänger zu erfüllen. Diesem müssen mitgeteilt werden: – Die Kennung des Zahlungsvorgangs sowie weitere, mit dem Zahlungsvorgang übermittelte Angaben. – Der Zahlungsbetrag. – Die zu entrichtenden Entgelte in aufgeschlüsselter Form sowie Zinsen und ggf. Wechselkurse. – Das Wertstellungsdatum der Gutschrift. Werner | 519
4.105
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.106
Sollte ein Einzelzahlungsvertrag zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlenden vereinbart worden sein, der nicht in einen Zahlungsdiensterahmenvertrag eingebettet ist, ergeben sich die besonderen Informationspflichten aus Art. 248 §§ 13 Abs. 1, 3 bis 5 sowie 14 und 15 EGBGB, wobei gem. Art. 248 § 12 EGBGB die sich aus § 13 Abs. 1, 3 bis 5 EGBGB sowie den Vertragsbedingungen ergebenden vorvertraglichen Informationen in leicht zugänglicher Form zur Verfügung zu stellen sind, ohne dass jedoch – im Gegensatz zu den Informationspflichten im Zahlungsdiensterahmenvertrag – die Textform, wie sie für den Zahlungsdiensterahmenvertrag in Art. 248 § 3 EGBGB vorgeschrieben ist, eingehalten werden muss. Sollte jedoch der Zahler ein entsprechendes Verlangen stellen, hat der Zahlungsdienstnutzer die Informationen und Vertragsbedingungen ebenfalls in Textform zur Verfügung zu stellen.
4.107
Gemäß Art. 248 § 13 EGBGB ist der Zahler darüber zu unterrichten, welche Informationen oder Kundenkennungen er zur Verfügung stellen muss, damit eine ordnungsgemäße Ausführung des Zahlungsauftrags möglich ist. Außerdem muss ein Zahlungsauslösedienst bestimmte Informationen über sich selbst zur Verfügung stellen.
4.108
Weiterhin ist der Zahlende über die maximale Ausführungsfrist für den zu erbringenden Zahlungsdienst zu unterrichten.
4.109
Außerdem stehen ihm auch hier Informationen über die Entgelte in aufgeschlüsselter Form sowie ggf. über Wechselkurse zu. Zinsen werden nicht erwähnt, weil es sich beim Einzelzahlungsvertrag um einen nicht in einen Zahlungsdiensterahmenvertrag eingebetteten Vertrag handelt, so dass es zu keinen Zinsbelastungen auf einem Girovertrag, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag handeln würde, kommen kann.
4.110
Schließlich enthält Art. 248 § 13 Abs. 1 Satz 2 EGBGB einen Verweis auf Art. 248 § 4 Abs. 1 EGBGB und damit auf die vorvertraglichen Informationspflichten beim Zahlungsdiensterahmenvertrag, die, soweit sie von Relevanz sind, ebenfalls ergänzend gelten.
4.111
Sobald der Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag erhalten hat, werden die sich aus Art. 248 § 14 EGBGB ergebenden Informationspflichten ausgelöst, wobei es für diese keine spezielle Form gibt. Es handelt sich dabei um – die dem Zahlungsvorgang zugeordnete Kennung, die es dem Zahler ermöglichen soll, den Zahlungsvorgang zu identifizieren, – die Angaben zum Zahlungsempfänger, – den Zahlungsbetrag in der Währung des Zahlungsauftrages, – die Höhe der vom Zahler für den Zahlungsvorgang zu entrichtenden Entgelte ggf. in aufgeschlüsselter Form, – ggf. den Wechselkurs, den der Zahlungsdienstleister des Zahlers dem Zahlungsvorgang zugrundgelegt hat, – das Datum des Zugangs des Zahlungsauftrages.
4.112
Art. 248 § 15 EGBGB legt schließlich die Informationen fest, die beim Einzelzahlungsvertrag dem Zahlungsempfänger nach Ausführung des Zahlungsvorgangs übermittelt werden müssen. Sie sind weitgehend mit den entsprechenden Informationspflichten im Rahmen eines Zahlungsdiensterahmenvertrages identisch, enthalten Unterschiede allerdings insofern, als Leistungen, die mit dem Zahlungsdiensterahmenvertrag verbunden sind, im Falle des Einzelvertrages nicht erbracht werden, insbesondere Inbezugnahmen auf Gutschriften, 520 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
da der Einzelzahlungsvertrag weder beim Zahlenden noch beim Zahlungsempfänger ein Konto zwingend voraussetzt.
4.113
Dem Zahlungsempfänger sind deshalb Informationen über – die Kennung des Zahlungsvorgangs sowie ggf. weitere mit dem Zahlungsvorgang übermittelte Angaben zur Verfügung zu stellen; – er ist über den Zahlungsbetrag in der Währung zu unterrichten, in dem ihm dieser zur Verfügung gestellt wird; – ihm müssen die von ihm zu entrichtenden Entgelte und ggf. deren Aufschlüsselung im Zusammenhang mit dem Zahlungsvorgang zur Verfügung gestellt werden; – ggf. ist eine Unterrichtung über den Wechselkurs erforderlich, den der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers dem Zahlungsvorgang zugrunde gelegt hat; – er ist über das Wertstellungsdatum der Gutschrift zu informieren. 3. Die Vertragsstruktur Der Zahlungsdienstevertrag gem. § 675f BGB untergliedert sich in den Einzelzahlungsvertrag gem. § 675f Abs. 1 BGB sowie den Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 BGB. Während sich der Einzelzahlungsvertrag lediglich darauf bezieht, einen einzelnen Zahlungsvorgang auszuführen, legt der Zahlungsdiensterahmenvertrag den vertraglichen Rahmen für verschiedene aufeinander folgende Zahlungsvorgänge sowie für ein Zahlungskonto fest. Der Zahlungsdiensterahmenvertrag ersetzt folglich den bisherigen Vertragstypus des Girovertrages, ohne jedoch mit diesem identisch zu sein, da – wie sich aus der Wortwahl in „gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Konto oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen …“ ergibt –, die Führung eines Zahlungskontos für einen Zahlungsdiensterahmenvertrag nicht zwingend erforderlich ist. Darüber hinaus kann er – wie aus § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB folgt – auch Teil eines anderen Vertrags sein oder mit ihm zusammenhängen, so dass der Zahlungsdiensterahmenvertrag eine Vielzahl von Vertragstypen, wie z.B. den bisherigen Dauerauftrag, aber auch einen Vertrag über die Nutzung einer Zahlungskarte, abdecken kann. Wiederbelebt worden ist im Rahmen der auf die erste EU-Zahlungsdiensterichtlinie zurückzuführende Vertragskonstruktion der „Zahlungsauftrag“1, dessen Ende zunächst mit dem Überweisungsvertrag gekommen war, da ja bekanntlich der Überweisungsvertrag als eigenständiger Vertragstyp für die Ausführung einer Überweisung an die Stelle des früheren Zahlungsauftrags, bei dem es sich um eine Weisung innerhalb eines bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages handelte, getreten war. Deshalb sieht § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB wieder einen Zahlungsauftrag vor, bei dem es sich um jeden Auftrag handelt, den ein Zahler seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungsempfänger erteilt.
4.114
Da es sich beim Zahlungsdiensterahmenvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt, wurden in §§ 675g und 675h BGB die Regelungen über die Änderung sowie die Kündigung dieses Vertrages eingeführt. Von besonderer Bedeutung ist hier § 675g Abs. 1 BGB, der für eine Änderung des Rahmenvertrages voraussetzt, dass diese spätestens zwei Monate vor dem Änderungszeitpunkt dem Zahlungsdienstnutzer in Textform zur Verfügung
4.115
1 Omlor in Staudinger, Vorbem. zu §§ 675c–676c BGB Rz. 93.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
gestellt werden muss. Das bemerkenswerte an dieser Regelung besteht darin, dass sie im Grundsatz von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auszugehen scheint, da ein solch langfristiges Änderungsverfahren bisher nur im Rahmen der Anpassung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bekannt war, nicht jedoch auch bei Individualvereinbarungen. Da nach dem Wortlaut § 675g Abs. 1 BGB auch zwingend zu sein scheint, bedeutet dies, dass es nicht möglich ist, einen Zahlungsdiensterahmenvertrag individualvertraglich durch ein abweichendes Verfahren zu ändern. Von einem Sonderfall, wie dem für elektronisches Geld in § 675i Abs. 2 Nr. 1 BGB geregelten Fall einmal abgesehen, folgt aus § 675e Abs. 4 BGB, dass § 675g BGB, und damit auch das Änderungsverfahren, nur dann dispositiv ist, wenn es sich bei dem Zahlungsdienstnutzer um keinen Verbraucher, sondern einen Unternehmer gem. § 14 BGB handelt. In allen anderen Fällen ist damit das Änderungsverfahren zwingend, selbst wenn der Zahlungsdiensterahmenvertrag nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt wird.
4.116
Dass der Gesetzgeber in erster Linie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Augen hatte, dabei gleichzeitig aber auch Anforderungen für den individualvertraglichen Zahlungsdiensterahmenvertrag festgelegt hat, ergibt sich auch aus § 675g Abs. 2 BGB, da es danach rechtlich erlaubt ist zu vereinbaren, dass eine Zustimmung auch durch Schweigen erteilt werden kann. Sofern dies folglich in einer Rahmenvereinbarung vereinbart wird, kann bestimmt werden, dass eine Zustimmungsfiktion durch Schweigen erfolgen kann. Damit ist durch den Gesetzgeber die Frage, ob und in welchem Umfange Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zahlungsverkehr durch Schweigen genehmigt werden können, erledigt worden. Mit der Verpflichtung des Zahlungsdienstleisters in § 675g Abs. 2 Satz 2 BGB, dem Zahlungsdienstnutzer mit dem Angebot zur Vertragsänderung mitzuteilen, welche Folgen sein Schweigen auf das Änderungsangebot hat, hat der Gesetzgeber die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Genehmigung von Belastungen auf Grund von Einziehungsermächtigungen1 für den Zahlungsdiensterahmenvertrag übernommen. Dem Zahlungsdienstnutzer ist ein Recht zur außerordentlichen Kündigung für den Fall des Änderungsverlangens des Zahlungsdienstnutzers eingeräumt worden. Beim Änderungsbegehren bestehen, falls dieses Kraft Vereinbarung auch durch Schweigen genehmigt werden kann, zukünftig vier Alternativen: Zunächst kann der Zahlende die Vertragsänderung ausdrücklich genehmigen. Weiterhin ist eine Zustimmung durch Schweigen bis zum Wirksamwerden der Änderung zum mitgeteilten Termin möglich. Sollte er dem Änderungsbegehren widersprechen, besteht der Vertrag zu den bisherigen Bedingungen fort. Zusätzlich wird ihm aber auch noch das Recht eingeräumt, bis zum vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung das Vertragsverhältnis fristlos zu kündigen. Auf dieses Kündigungsrecht muss der Zahlungsdienstleister den Zahlenden auch ausdrücklich hinweisen. Jedes Änderungsbegehren ist deshalb für einen Zahlungsdienstleister mit dem Risiko verbunden, dass der Zahlungsdienstnutzer dieses dazu nutzt, das Vertragsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden.
4.117
Im Falle einer Änderung von Zinssätzen oder Wechselkursen bedarf es des vorstehend beschriebenen aufwendigen Verfahrens nicht, diese können auch ohne entsprechende vorherige Benachrichtigung unmittelbar wirksam werden, sofern dies im Zahlungsdienstrah1 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 ff.
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menvertrag vereinbart wurde und diese Änderungen auf vereinbarten Referenzzinssätzen oder Referenzwechselkursen beruhen. Allerdings muss gem. Art. 248 § 9 Nr. 2 EGBGB der Zahlungsdienstleister den Zahlungsdienstnutzer unverzüglich nachträglich über eine solche Änderung informieren, sofern diese für den Nutzer nachteilig ist. Auch lösen diese Änderungen kein Recht zur Kündigung aus. Ergänzt wird die Regelung zur Änderung des Zahlungsdienstrahmenvertrages durch § 675h BGB, der das Recht zur ordentlichen Kündigung eines solches Vertrages regelt.
4.118
Danach hat der Zahlungsdienstnutzer das Recht, den Vertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, sofern nicht ausdrücklich eine Kündigungsfrist vereinbart worden ist. Eine solche ist – wie sich aus § 675h Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt – nur wirksam, wenn sie nicht mehr als einen Monat beträgt. Gemäß § 675h Abs. 4 BGB darf für die Kündigung kein vom Zahlungsdienstnutzer zu zahlendes Entgelt vereinbart werden. Gemäß § 675e Abs. 4 BGB ist diese Regelung für Vereinbarungen mit Unternehmern dispositiv.
4.119
Während beim Kündigungsrecht des Zahlungsdienstnutzers nicht zwischen befristeten und unbefristeten Verträgen unterschieden wird, so dass das Recht zur Kündigung auch bei befristeten Verträgen besteht, kann gem. § 675h Abs. 2 BGB der Zahlungsdienstleister den Zahlungsdienstrahmenvertrag nur kündigen, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und ein Kündigungsrecht vereinbart worden ist. In diesem Fall darf die Kündigungsfrist zwei Monate nicht unterschreiten. Außerdem ist die Einhaltung der Textform zu berücksichtigen. Das in § 675h BGB geregelte Kündigungsrecht tritt nicht an die Stelle des in § 676a Abs. 3 und 4 BGB a.F. geregelte frühere Recht zur Kündigung des Überweisungsvertrages, da sich das neue Kündigungsrecht auf den Rahmen für die Ausführung einer solchen Überweisung bezieht. Sofern eine Überweisung vorzeitig beendet werden soll, tritt an die Stelle der Kündigung der Widerruf des Zahlungsauftrages, dessen rechtlicher Rahmen in § 675p BGB geregelt worden ist. Das Recht zur Kündigung des Zahlungsdienstrahmenvertrages ist aber von Bedeutung sowohl für den Kontovertrag als auch für den Dauerauftrag. Letzterer konnte nach dem früheren Recht hinsichtlich aller zukünftigen, noch nicht begonnenen Zahlungen von beiden Parteien jederzeit gekündigt werden. Unberührt von den Regelungen des § 675h BGB bleibt nur das nicht näher geregelte Recht zur außerordentlichen Kündigung, das jeweils eines besonderen Grundes bedarf.
4.120
Schließlich wird in § 675h Abs. 3 BGB klargestellt, dass im Falle einer Kündigung des Zahlungsdienstrahmenvertrages die vereinbarten Entgelte nur anteilig zu zahlen bzw. – sofern es bereits zu einer Vorauszahlung gekommen sein sollte – anteilig zu erstatten sind.
4.121
Während, wie sich aus § 675e Abs. 2 BGB ergibt, für Kleinbetragszahlungen die Regelungen zum Zahlungsdienstvertrag in erheblichem Umfange dispositiv sind, werden die Kündigungsregelungen gem. § 675h BGB davon nicht erfasst, so dass auch bei einem Zahlungsdienstrahmenvertrag, der sich auf Kleinbetragsinstrumente oder elektronisches Geld bezieht, die dargestellten Kündigungsregelungen Anwendung finden.
4.122
4. Entgeltregelungen Zwar greifen die gesetzlichen Regelungen nicht in die Höhe der zu bildenden Preise ein, diesbezüglich besteht weiterhin Vertragsfreiheit, gleichwohl wird festgelegt, welche Leistungen nicht mit einem Preis versehen werden dürfen. Werner | 523
4.123
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.124
§ 675d Abs. 4 BGB legt fest, dass die gem. Art. 248 §§ 1 bis 17a EGBGB zu erbringenden Informationspflichten grundsätzlich unentgeltlich zu leisten sind. Die Vereinbarung eines Entgelts ist nur zulässig, sofern es sich um Informationen handelt, die auf Verlangen des Zahlungsdienstnutzers vom Zahlungsdienstleistenden mit größerer Häufigkeit erbracht werden als die in Art. 248 §§ 1 bis 17a EGBGB vorgesehenen, diese Informationen über die Informationspflichten nach den vorstehend bezeichneten Vorschriften hinausgehen und zur Erbringung Kommunikationswege verwendet werden, die nicht im Zahlungsdienstrahmenvertrag vereinbart worden sind. Außerdem müssen diese Entgelte angemessen sein und haben sich an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters zu orientieren. Dies heißt zwar nicht, dass diese Kosten nicht überschritten werden dürfen, gleichwohl wird eine Preisbildung auf dieser Grundlage nur insofern als angemessen betrachtet werden können, als die tatsächlichen Kosten nicht wesentlich überschritten werden. Nur im Geschäftsverkehr mit Unternehmern kann § 675g BGB insbesondere der gesetzliche Rahmen für die Preisbildung ausgeschlossen werden. Weiterhin stellt § 675d Abs. 5 BGB nochmals klar, dass die sich aus Art. 248 §§ 17 bis 18 EGBGB ergebenden Pflichten von Dritten zu erbringen sind. Letztlich wiederholt § 675d Abs. 5 BGB nur die sich bereits aus Art. 248 §§ 17 bis 18 EGBGB ergebenden Informationspflichten.
4.125
§ 675f Abs. 5 Satz 2 BGB darf für Nebenpflichten nur dann ein Entgelt in Rechnung gestellt werden, wenn das Gesetz dies zulässt, die Parteien es ausdrücklich vereinbart haben und dieses Entgelt „angemessen“ ist und sich an den tatsächlichen Kosten des Dienstleisters ausrichtet. Auf dieser Grundlage hat der BGH die Ansicht vertreten, dass alle Entgeltregelungen unwirksam sind, in die Kosten eingeflossen sind, die nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der entsprechenden Entgeltposition stehen1. Besondere Bedeutung kommt auch § 675f Abs. 6 BGB zu, der es einem Zahlungsdienstleister untersagt, mit dem Zahlungsempfänger eine Vereinbarung zu treffen, wonach es diesem nicht erlaubt ist, für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments eine Ermäßigung oder einen anderen Anreiz anzubieten. Ursprünglich war sogar vorgesehen, auch eine Vereinbarung zu verbieten, durch die ein Zahlungsdienstleister dem Zahlungsempfänger untersagt hätte, für die Nutzung bestimmter Zahlungsinstrumente ein Entgelt zu berechnen. Das Recht zur Gewährung einer Ermäßigung oder eines anderweitigen Anreizes dagegen darf dem Zahlungsempfänger nicht genommen werden. Eine solche Regelung ist zunächst von Bedeutung für die Kreditkartengesellschaften, denn bisher hatten diese im Akquisitionsvertrag ihre Händler verpflichtet, Zahlungen mittels Kreditkarte nicht anders zu behandeln als Barzahlungen, was letztlich bedeutete, dass der Händler weder für die Entgegennahme einer Kreditkartenzahlung ein höheres Entgelt als für eine Barzahlung nehmen durfte, noch berechtigt war, dem Kunden im Falle der Zahlung mittels Bargeld oder eines anderen Zahlungsverfahrens einen günstigeren Preis anzubieten. Aber auch für das electronic-cash-Verfahren hat die Bestimmung Bedeutung, denn gem. Nr. 2 der bisherigen Händlerbedingungen – Bedingungen für die Teilnahme am electronic-cash-System der deutschen Kreditwirtschaft – waren die Händler verpflichtet, Zahlungen im electronic-cash-Verfahren zu Barzahlungspreisen zu akzeptieren. Wie sich aus § 675e Abs. 4 BGB ergibt, ist diese Regelung auch bei Verträgen mit Unternehmen nicht abdingbar, wobei sie auf Grund ihres Inhalts sicherlich auch nur dort von wirklicher Bedeutung ist, so dass diesen zukünftig das Recht, bei Nutzung anderer Zahlungsauthentifizierungsinstrumente eine Ermäßigung zu gewähren, nicht genommen werden kann. Nur die Berechnung eines zusätzlichen Entgelts kann vertraglich im Zahlungsdiensterahmenvertrag zwischen Zahlungsempfänger und sei1 BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013, 2016 ff.
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Die Überweisung | Teil 4
nem Dienstleister ausgeschlossen werden. § 270a BGB, der nicht in das Recht der Zahlungsdienste aufgenommen wurde, da er sich nicht an Zahlungsinstitute, sondern an Zahlungsempfänger wendet, untersagt Vereinbarungen des Zahlungsempfängers mit seinem Zahler, ein Entgelt für die Nutzung einer SEPA-Lastschrift (auch für eine Firmenlastschrift), einer SEPA-Überweisung oder einer Zahlungskarte zu erheben. Allerdings gilt die Regelung hinsichtlich der Karten nur, soweit diese in den Anwendungsbereich der EU-Verordnung 2015/751 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge fallen. Davon werden Zahlungen mittels girocard erfasst. § 675q BGB begründet die Verpflichtung, den Zahlungsbetrag ungekürzt zu übertragen, bis er beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers ankommt. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers ist allerdings befugt, Entgelte vom Überweisungsbetrag abzuziehen, sofern dies mit dem Zahlungsempfänger vereinbart worden ist und die Informationspflichten gem. Art. 248 §§ 8 und 15 EGBGB erfüllt werden. Diese Regelung deckt sich zunächst mit dem Inhalt von § 676b Abs. 2 BGB, die es dem überweisenden Zahlungsinstitut sowie den zwischengeschalteten Instituten ebenfalls untersagte, Entgelte vom Überweisungsbetrag in Abzug zu bringen, auch folgt aus § 676g Abs. 2 BGB, dass ein Zahlungsinstitut berechtigt ist, mit seinem Kunden eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass es für die Entgegennahme von Zahlungen ein Entgelt berechnet. Lediglich bei Zahlungsvorgängen mit Drittstaatenbezug ist, wie sich aus § 676e Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt, das Entgeltabzugsverbot grundsätzlich nicht anzuwenden, während es auch dann, wenn der Zahlungsdienstnutzer kein Verbraucher ist, nicht ab bedungen werden kann, wie sich aus der fehlenden Erwähnung von § 675q in § 676e Abs. 4 BGB ergibt. Auch wenn Zahlungen über Zahlungsinstitute mit Sitz in Staaten außerhalb des EWR abgewickelt werden, legt § 675q Abs. 3 BGB fest, dass dann, wenn die Zahlungsdienstleister des Zahlers und des Zahlungsempfängers ihren Sitz innerhalb des EWR haben, die Zahlungsdienstnutzer die von ihrem Institut erhobenen Entgelte zu tragen haben, diese Zahlungen also diesbzgl. wie Inlandszahlungen behandelt werden. Nur bei „One-Leg-Transkationen“ ist das Entgeltabzugsverbot gem. § 675q Abs. 1 BGB auch auf die Zahlungsvorgänge innerhalb des EWR nicht anwendbar; von der Verpflichtung zur Vereinbarung des Entgeltabzugs bei Zahlungseingängen zu Lasten des Zahlungsempfängers, wenn solche Beträge vom Zahlungseingang in Abzug gebracht werden sollen, kann abgewichen werden.
4.126
5. Die Autorisierung §§ 675j ff. BGB regeln die „Autorisierung von Zahlungsvorgängen“. Darunter ist gem. § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB die Zustimmung eines Zahlers zu einem Zahlungsvorgang zu verstehen. Die Fassung des Begriffs der Autorisierung deckt ein weites Feld von Zustimmungsformen in verschiedenen Zahlungenverfahren ab. Deutlich wird dies anhand von § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Zustimmung sowohl als vorherige Einwilligung als auch – sofern Zahlender und sein Zahlungsdienstleister dies vereinbart haben – nachträgliche Genehmigung erteilt werden kann. Gemäß § 675j Abs. 1 Satz 3 BGB ist es dem Zahlungsdienstleister und seinem Zahlenden freigestellt zu vereinbaren, wie eine entsprechende Zustimmung erteilt werden kann. Sie können deshalb die Zustimmung auch mittels eines Zahlungsinstruments vereinbaren, so dass die Autorisierung auch z.B. mittels einer Zahlungskarte, einer Chipkarte oder eines ähnlichen Instruments erfolgen kann1. Als 1 Vgl. zur Besonderheit der Autorisierung bei den CEO-Fraud-Fällen: Zahrte, BKR 2019, 126, 127; LG Düsseldorf v. 26.10.2018 – 6 O 72/17, BKR 2019, 154, und LG Karlsruhe v. 5.7.2018
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4.127
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Sonderfälle muss gem. § 55 ZAG in den im dortigen Abs. 1 beschriebenen Alternativen die Autorisierung mittels „starker Kundenauthentifizierung“ gem. § 1 Abs. 24 ZAG erfolgen. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 55 ZAG ergibt sich im Übrigen aus Art. 15 Abs. 1 EGBGB i.V.m. mit der delegierten EU-Verordnung 2018/389 der EU-Kommission vom 27.11.2017 und wird der 14.9.2019 sein1.
4.128
Dadurch bleibt das Lastschriftverfahren auch weiterhin zulässig, es setzt lediglich voraus, dass der Zahlende und sein Zahlungsdienstleister eine Vereinbarung darüber treffen, dass zu einer solchen Lastschrift eine Genehmigung auch nachträglich erteilt werden kann. Da jedoch das Lastschriftverfahren zum 2.8.2014 bzw. für Kartenverfahren im Elektronischen Lastschriftverfahren zum 1.2.2016 aufgrund der MigrationsVO eingestellt werden musste2, spielt die Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung für das Lastschriftverfahren keine Rolle mehr, da im SEPA-Verfahren die Belastung aufgrund einer Lastschrift vom Zahler vorautorisiert wird3.
4.129
Die Zustimmung ist grundsätzlich widerruflich, wobei – wie sich aus § 675j Abs. 2 BGB ergibt – dies nur so lange möglich ist, wie auch der Zahlungsauftrag widerrufen werden kann. Damit wird klargestellt, dass es sich bei Zustimmung und Zahlungsauftrag um zwei unterschiedliche Rechtsfiguren handelt, auch wenn sie in der Praxis sicherlich kaum zu unterscheiden sein werden, denn der an einen Zahlungsdienstleister erteilte Überweisungsauftrag, eine bestimmte Zahlung auszuführen, beinhaltet zum einen den Auftrag selbst, gleichzeitig aber auch die Zustimmung, das Konto mit dem Überweisungsbetrag zu belasten. Gemäß § 675p BGB ist der Widerruf nach Zugang des Zahlungsauftrages beim Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht mehr möglich und damit kommt ab diesem Zeitpunkt auch der Widerruf einer Autorisierung nicht mehr in Betracht. Bezogen auf Überweisungen ist dies der Zeitpunkt, zu dem die überweisende Bank den Auftrag von ihren Kunden erhalten hat. Es spielt dafür keine Rolle, ob mit der Ausführung bereits begonnen worden ist oder nicht. Allerdings ist es gem. § 675p Abs. 4 BGB möglich, auch noch einen späteren Widerruf vertraglich zu vereinbaren, so dass vertraglich oder über Allgemeine Geschäftsbedingungen auch weiterhin längere Widerrufsfristen vereinbart werden könnten.
4.130
Für von oder über den Zahlungsempfänger oder einen Zahlungsauslösedienst ausgelöste Zahlungsvorgänge, wie dies z.B. bei der Lastschrift der Fall ist, wird der Zeitpunkt, bis zu dem der Widerruf des Zahlungsauftrages durch den Zahler möglich ist, festgelegt als der Zeitpunkt, zu dem entweder der Zahlungsauftrag oder die Zustimmung zur Ausführung des Zahlungsvorgangs an den Zahlungsempfänger übermittelt wurde. Damit ist der Widerruf ab dem Zeitpunkt ausgeschlossen, ab dem es in den Händen des Zahlungsempfängers liegt, den Zahlungsbetrag einzuziehen. Auch hier spielt es keine Rolle, ob mit der Ausführung des Zahlungsvorgangs bereits begonnen worden ist. Allerdings enthält die Re– 15 O 50/17 KfH, BKR 2019, 151; grundsätzlich ist dabei danach zu unterscheiden, ob ein gefälschter Auftrag vorliegt, dann hat das kontoführende Institut mangels wirksamer Autorisierung gem. § 675u BGB keinen Aufwendungsersatzanspruch und muss evtl. Belastungsbuchungen wieder rückgängig machen, und den Fällen, in denen ein Verfügungsberechtigter getäuscht wurde und einen wirksamen Auftrag erteilt hat. Im ersten Fall können aber Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, wenn der Kontoinhaber schuldhaft zum Missbrauch beigetragen hat. Wird die Zahlung mittels eines Zahlungsinstruments ausgelöst, finden die Regelungen in § 675v BGB Anwendung. 1 Vgl. Werner in Krepold/Fischbeck/Kropf/Werner, Bankrecht, 2. Aufl. 2018, S. 110. 2 Vgl. dazu Werner in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 4. Kap. I Rz. 1 ff. 3 Vgl. dazu Werner in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 4. Kap. I Rz. 55.
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Die Überweisung | Teil 4
gelung für die Lastschrift insofern eine Besonderheit, als hier der Widerruf bis zum Ende des Geschäftstages vor dem vereinbarten Fälligkeitstag möglich ist. Sofern – wie in § 675p Abs. 3 BGB geregelt – ein bestimmter Ausführungstermin vereinbart worden ist, ist der Zahlungsauftrag bis zum Ende des Geschäftstages vor dem vereinbarten Tag widerruflich.
4.131
§ 675p Abs. 5 BGB bestimmt, dass in einem Zahlungsverkehrssystem ein Auftrag zugunsten eines anderen Teilnehmers nach den Regeln des Systems unwiderruflich wird. Die Eigenständigkeit dieser Regelung ist im Lichte des § 2 Abs. 1 Nr. 7 ZAG unklar, wird darin doch festgelegt, dass Zahlungen im Rahmen solcher Systeme als Ausnahmen von Zahlungsdiensten anzusehen sind, so dass § 675p BGB darauf keine Anwendung finden dürfte. Sofern die Zahlung mittels eines Zahlungsinstruments erfolgt, können der Zahler und sein Zahlungsdienstleister gem. § 675k Abs. 1 BGB eine Nutzungsobergrenze vereinbaren. Diese hat zur Folge, dass bei einem Überschreiten des vereinbarten Betrags keine wirksame Autorisierung vorliegt1.
4.132
§ 675k Abs. 2 BGB eröffnet die Möglichkeit zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen ein Zahlungsdienstleister berechtigt ist, das Zahlungsinstrument zu sperren. Den Zahlungsdienstleister trifft die Informationspflicht gegenüber dem Zahler, wenn er eine Sperre des Instruments veranlasst hat. Der Zahlungsdienstleister muss dann den Zahlenden möglichst vor Veranlassung der Sperre, spätestens jedoch unverzüglich danach darüber unterrichten, auch müssen ihm die maßgeblichen Gründe mitgeteilt werden. Diese Unterrichtung kann nur dann unterbleiben, wenn der Zahlungsdienstleister dadurch gegen gesetzliche Verpflichtungen verstoßen würde. Sobald die Gründe für die Sperre nicht mehr vorliegen, ist der Zahlungsdienstleister verpflichtet, die Sperre des Zahlungsinstruments aufzuheben oder dieses durch ein entsprechendes neues Instrument zu ersetzen. Auch darüber muss der Zahler unverzüglich unterrichtet werden.
4.133
§ 675l BGB legt die Sorgfaltspflichten des Zahlungsdienstleisters im Zusammenhang mit Zahlungsinstrumenten fest. Der Zahlende ist danach verpflichtet, nach Erhalt eines Zahlungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor einem unbefugten Zugriff zu schützen. Dies entspricht den Geheimhaltungsverpflichtungen im Zusammenhang mit der PIN im Online-Banking oder im Zusammenhang mit der girocard (Debitkarte). Darüber hinaus ist der Nutzer dieser Instrumente gem. § 675l Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, den Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder auch eine sonst nicht autorisierte Nutzung eines Zahlungsinstruments unverzüglich dem Zahlungsdienstleister oder einer von diesem benannten Stelle anzuzeigen, nachdem er Kenntnis von den entsprechenden Umständen erlangt hat. Als Gegenstück zu den Verpflichtungen des Nutzers eines entsprechenden Zahlungsinstruments enthält § 675m BGB einen umfangreichen Katalog der vom Zahlungsdienstleister einzuhaltenden Sorgfaltspflichten; insbesondere muss er gem. § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB eine jederzeit erreichbare Sperrmöglichkeit zur Verfügung stellen.
4.134
Unter § 675m Abs. 1 Nr. 1 BGB fällt die Pflicht sicherzustellen, dass die personalisierten Sicherheitsmerkmale des Zahlungsinstruments nur der zur Nutzung berechtigten Person zugänglich sind. Dies bedeutet zunächst einmal, dass ein Zahlungsdienstleister vertraglich
4.135
1 Vgl. dazu Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675k BGB Rz. 8; Omlor in Staudinger, § 675k BGB Rz. 4.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
mit seinem Zahlungsdienstnutzer vereinbaren muss, dass entsprechende personalisierte Sicherheitsmerkmale nur von den berechtigten Personen genutzt werden dürfen. Die Regelung besagt aber auch, dass die Sicherheitsmerkmale so ausgestaltet werden müssen, dass es tatsächlich ohne Sorgfaltspflichtverletzung nur dem Nutzer möglich ist, diese zu nutzen. Eine PIN oder ein Passwort, das geheim zu halten und getrennt vom Zahlungsinstrument aufzubewahren ist, erfüllt diese Voraussetzung, dagegen wird die Pflicht dann nicht eingehalten, wenn es sich z.B. um offen auf eine Karte aufgeprägte Daten – wie z.B. die Kreditkartennummer – handelt. Die Verpflichtung besagt weiterhin aber auch, dass das personalisierte Sicherheitsmerkmal nur mit dem einer konkreten Person zugeordneten Zahlungsinstrument verwendbar sein darf, was z.B. bedeutet, dass Passwörter nicht mit beliebig vielen Zahlungsinstrumenten benutzt werden können. Zwar kann einerseits nicht ausgeschlossen werden, dass Passwörter oder PIN häufiger als einmal vorkommen, andererseits aber führt die Verpflichtung dazu, dass die Zahl an PIN oder Passwörtern nicht so stark eingeschränkt werden darf, dass diese mit einer größeren Zahl gleicher Zahlungsinstrumenten funktionieren würden, wie dies z.B. der Fall wäre, wenn PIN nur einoder zweistellig wären. Weiterhin untersagt § 675m Abs. 1 Nr. 2 BGB das unaufgeforderte Übersenden von Zahlungsinstrumenten, soweit es sich dabei nicht um einen Ersatz, worunter auch die Übersendung einer neuen Karte nach Ablauf des Verfallsdatums der alten Karte zu verstehen ist, handelt. Aus dem Begriff „unaufgefordert“ ist zu schlussfolgern, dass eine vereinbarte Zusendung von Zahlungsinstrumenten dagegen unschädlich und zulässig ist. Schließt folglich ein Zahlungsdienstleister mit seinem Kunden einen Zahlungsdienstrahmenvertrag ab, auf Grund dessen eine Karte ausgegeben werden soll und ist dies mit dem Kunden auch so vereinbart worden, wäre in der Übersendung eines entsprechenden Zahlungsinstruments kein Verstoß gegen das gesetzliche Verbot zu sehen, wobei sicherlich jedoch mit dem Empfänger eines solchen Instruments auch vereinbart werden sollte, dass dieses an ihn übersandt wird. Gleichwohl ist fraglich, ob es einer solchen Regelung überhaupt bedurft hätte, denn auch nach gegenwärtigem Recht trägt das Risiko des Verlusts aus der Übersendung eines Zahlungsinstruments unabhängig davon, auf wessen Initiative die Versendung erfolgt ist, der Versender, denn im Falle der Verwendung eines solchen Instruments muss der Zahlungsdienstleister, will er einen Anspruch einen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB geltend machen, im Zweifelsfall den Nachweis führen, dass der Zahlungsdienstnutzer selbst verfügt hat. Kann er diesen Nachweis nicht führen, käme im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses nur ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 241 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB in Betracht, dessen Voraussetzungen der Zahlungsdienstleister ebenfalls nachweisen muss. Sollte folglich ein Zahlungsinstrument versandt werden und unklar bleiben, ob dieses tatsächlich beim Zahlungsdienstnutzer eingegangen ist, liegt das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung beim Zahlungsdienstleister, sofern er nicht den Nachweis führen kann, dass der Zahlungsdienstnutzer das Instrument selbst eingesetzt oder zu seiner missbräuchlichen Verwendung beigetragen hat. Gerade letzteres kann jedoch bei einer unaufgeforderten Zusendung eines Zahlungsinstruments im Hinblick auf die Versendung nicht in Betracht kommen, denn dafür ist nicht der Zahlungsdienstleister verantwortlich.
4.136
Die Aufbewahrungspflichten im Zusammenhang mit einem Zahlungsinstrument werden erst begründet, nachdem der Zahlungsdienstnutzer es nach zulässiger Übersendung gem. § 675m Abs. 1 Nr. 2 BGB entgegengenommen hat, so dass ungesicherte Briefkästen die besonderen Pflichten nicht auslösen können, wenn der Zahlungsdienstnutzer nicht weiß, dass ihm ein Zahlungsinstrument zugestellt worden ist. Sofern sich die unaufgeforderte Übersendung auf den Fall bezieht, dass zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer noch kein Vertragsverhältnis begründet wurde, liegt das Risiko ebenfalls 528 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
beim Zahlungsdienstleister, denn in einem solchen Fall kann mangels Vertragsverhältnisses kein Schadensersatzanspruch gem. § 675v BGB in Betracht kommen. § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB verpflichtet Zahlungsdienstleister dafür Sorge zu tragen, dass der Zahlungsdienstnutzer mit geeigneten Mitteln jederzeit in der Lage ist, die erforderliche Anzeige eines Missbrauchs oder eines Verlusts gem. § 675l Satz 2 BGB zu erstatten oder die Aufhebung einer Sperre gem. § 675k Abs. 2 Satz 5 BGB zu verlangen.
4.137
Gemäß § 675m Abs. 1 Nr. 5 BGB muss der Zahlungsdienstleister die Nutzung eines Zahlungsinstruments verhindern, sobald ihm eine entsprechende Anzeige gem. § 675l Satz 2 BGB zugegangen ist. Eine solche Verpflichtung sahen schon die früheren ec-Karten- sowie die Online-Bedingungen vor.
4.138
Weiterhin enthält § 675m Abs. 1 Satz 2 BGB die Verpflichtung des Zahlungsdienstleisters, dem Zahlungsdienstnutzer auf dessen Wunsch noch für einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten die Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen dieser beweisen kann, dass er eine entsprechende Anzeige gem. § 675l Satz 2 BGB erstattet hat. Auch wenn dies zuvor nicht ausdrücklich geregelt war, war darin sicherlich eine vertragliche Nebenpflicht zu sehen, die ein Zahlungsdienstleister zu erfüllen hatte, falls sein Zahlungsdienstnutzer eine solche Bestätigung z.B. für eine Anzeige bei der Polizei oder um Ersatzleistungen von einer Versicherung zu erhalten, forderte.
4.139
6. Die Ausführung von Zahlungsvorgängen Die Ausführung von Zahlungsvorgängen wird in §§ 675n bis 675t BGB geregelt. Wie sich insbesondere aus den Überschriften zu §§ 675n bis 675p BGB ergibt, gibt es hier die Rechtsfigur des „Zahlungsauftrages“. Ein solcher wird gem. § 675n Abs. 1 BGB wirksam zu dem Zeitpunkt, zu dem er dem Zahlungsdienstleister zugeht. Er ist damit Bestandteil eines Zahlungsdienstvertrages, wobei er sowohl zur Ausführung im Rahmen eines Einzelzahlungsvertrages gem. § 675f Abs. 1 BGB als auch zur Ausführung im Rahmen eines Zahlungsdienstrahmenvertrages gem. § 675f Abs. 2 BGB von Relevanz sein kann. In der bezeichneten Regelung in § 675n Abs. 1 BGB wird weiterhin berücksichtigt, dass entsprechende Aufträge auch außerhalb der Geschäftszeiten zugehen können, beispielsweise wenn sie papierhaft in den Briefkasten des Zahlungsdienstleisters geworfen oder in den elektronischen Briefkasten des Zahlungsdienstleisters eingestellt werden. Um zu vermeiden, dass durch einen solchen Zugang die Zahlungsfristen zu laufen beginnen, obwohl er nicht an einem Geschäftstag erfolgt, bestimmt § 675n Abs. 1 Satz 2 BGB, dass dann, wenn der Zugang auf einen Zeitpunkt fällt, der nicht mehr innerhalb der Zeiten eines Geschäftstags liegt, der Auftrag als am darauf folgenden Geschäftstag zugegangen gilt. Darüber hinaus wird es jetzt gem. § 675n Abs. 1 Satz 3 BGB als zulässig erachtet, bestimmte Termine für den Zugang festzulegen („Cut-Off-Time“), innerhalb deren der Zugang erfolgen muss, damit dieser auf den Geschäftstag des Zugangs fällt, anderenfalls gilt erst der nächste Geschäftstag als Zugang, so dass auch erst an diesem die Fristen zu laufen beginnen. Damit wird die Festlegung eines entsprechenden Zeitpunkts für das Ende der Annahmefrist gesetzlich anerkannt, auch wenn es in der Vergangenheit in der Praxis in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend geregelt worden war und zu keinen grundsätzlichen Beanstandungen geführt hat. Nach den gesetzlichen Regelungen wird klargestellt, dass dieser Zeitpunkt „nahe dem Ende eines Geschäftstages“ liegen muss, so dass die „Cut-Off-Zeit“ nicht zu weit nach vorne gelegt werden darf. In der Vergangenheit galten Annahmefristen, die vor dem Nachmittag begannen, gem. § 307 Werner | 529
4.140
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
BGB als unangemessen1, während der Hinweis auf das nahe Ende wohl dahingehend interpretiert werden muss, dass der Zeitpunkt nicht wesentlich früher als einige wenige Stunden vor Ende des Geschäftstages vorverlegt werden darf. Sollten Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer einen bestimmten Termin für den Beginn der Ausführung einer Zahlung festlegen, beginnen die sich aus § 675s BGB ergebenden Fristen erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen.
4.141
§ 675o Abs. 1 BGB stellt klar, dass der Zahlungsdienstleister im Falle der Ablehnung eines Zahlungsauftrages verpflichtet ist, den Zahlungsdienstnutzer darüber unverzüglich zu unterrichten, wobei auch die Gründe für die Ablehnung eines solchen Auftrages mitzuteilen sind, soweit eine solche Mitteilung nicht gegen gesetzliche Verbote verstößt. Dies bedeutet, dass ein Zahlungsdienstleister – auch soweit es sich dabei um einen Zahlungsauslösedienst handelt2 – einen Zahlungsauftrag nicht willkürlich ablehnen darf, sondern nur, wenn Gründe dafür vorliegen. Ein Zahlungsauftrag darf aufgrund seiner Einbettung in einen Zahlungsdienstevertrag nur dann abgelehnt werden, wenn es dafür spezielle Gründe gibt. Der Zahlungsdienstleister ist, wie § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB ergibt – berechtigt ist, mit dem Zahlungsdienstnutzer in einem Zahlungsdienstrahmenvertrag – also auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – eine Vereinbarung über die Zahlung eines Entgelts für den Fall einer berechtigten Ablehnung eines Zahlungsauftrages zu treffen. Vor Umsetzung der PSD II durfte ein Entgelt für die entsprechende Unterrichtung vereinbart werden. Damit war zunächst die frühere Diskussion, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Institut berechtigt war, seinem Kunden ein Entgelt dafür in Rechnung zu stellen, dass es ihn über die Ablehnung einer Zahlung unterrichtete, zumindest für den Zahlungsauftrag obsolet geworden3. Entsprechende Entgeltklauseln waren auf Grund eines Verstoßes gegen § 9 AGBG a.F. bzw. § 307 BGB als unzulässig angesehen worden4, da danach Kreditinstitute Entgelte nur für Leistungen verlangen durften, die sie auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für einen einzelnen Kunden erbringen. Eine entsprechende Entgeltregelung für eine Benachrichtigung ist dagegen als unzulässig angesehen worden, da es sich dabei um eine Leistung handeln sollte, die die Bank im Zusammenhang mit der Erfüllung eigener Pflichten oder Zwecke erbringe und deshalb unwirksam war5. Für das Lastschriftverfahren war entschieden worden, dass entsprechende Entgelte für die Überprüfung der vorhandenen Kontodeckung auch nicht als pauschalierter Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden durften, da solche Klauseln gegen § 309 Nr. 5 BGB (früher: § 11 Nr. 5 AGBG) verstoßen sollten6. Zwar darf der Zahlungsdienstleister jetzt die Ablehnung selbst, nicht aber mehr die Information über die Ablehnung eines Auftrags mit einem Entgelt belegen. Ob dies auch die Kosten über die Unterrichtung mit umfasst, ist unklar. Nur wenn auch die Unterrichtung des Zahlers als Teil der Bearbeitung der Ablehnung 1 Vgl. dazu Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. 1, 31. 2 Vgl. Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675o BGB Rz. 19. 3 Vgl. zur früheren Rechtsprechung, die es als unzulässig erachtete, dass für die Benachrichtigung eines Kunden von der Nichtausführung einer Überweisung bzw. der Mitteilung der Ablehnung eines Überweisungsvertrages ein Entgelt erhoben wurde, BGH v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, BGHZ 146, 377. 4 Vgl. BGH v. 21.10.1997 – XI ZR 5/97, WM 1997, 2298, 2300 = WuB IV C. § 9 AGBG 3.98 (Grundmann/Burg). 5 BGH v. 21.10.1997 – XI ZR 5/97, WM 1997, 2298, 2299; BGH v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, WM 2001, 563. 6 Vgl. BGH v. 21.10.1997 – XI ZR 5/97, WM 1997, 2298, 2299 f.; LG Düsseldorf v. 27.10.1999 – 12 O 168/99, WM 2000, 351.
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Die Überweisung | Teil 4
angesehen werden kann, wären auch die Kosten für die Unterrichtung „bepreisungsfähig“1. Allerdings legt § 675o Abs. 2 BGB fest, dass ein Zahlungsdienstleister dann nicht berechtigt ist, die Ausführung eines vom Zahlenden autorisierten Zahlungsauftrages abzulehnen, wenn er die Bedingungen für dessen Ausführung, wie sie im Zahlungsdienstrahmenvertrag festgelegt worden sind, erfüllt und die Ausführung auch nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt. Danach scheidet die Ablehnung eines Zahlungsauftrages in dem Moment aus, in dem die vertraglich vereinbarten Bedingungen für dessen Ausführung vorliegen. Dies ist insofern nachvollziehbar, als der Zahlungsauftrag Teil eines Zahlungsdienstevertrags ist, durch den ein Zahlungsinstitut verpflichtet wird, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, so dass es nicht willkürlich die Ausführung eines Zahlungsauftrages verweigern kann, sofern die dafür festgelegten Bedingungen eingehalten werden.
4.142
Sollte es zur berechtigten Ablehnung eines Zahlungsauftrages kommen, beginnt weder die Ausführungsfrist gem. § 675s BGB zu laufen, noch können Haftungs- oder sonstige Ansprüche gem. §§ 675y und 675z BGB begründet werden.
4.143
Das Gegenstück zum Recht des Zahlungsdienstleisters, den Zahlungsauftrag abzulehnen, enthält § 675p BGB, da er das Widerrufsrecht des Zahlungsdienstenutzers regelt. Der Zeitpunkt der Unwiderruflichkeit ist damit sehr weit vorverlagert, da sie bereits mit Eingang des Zahlungsauftrages beim Zahlungsdienstleister des Zahlers eintritt, während nach früherem Recht gem. § 676a Abs. 4 BGB a.F. die Kündigung als Vorläuferin der aktuellen Widerrufsmöglichkeit bis zum Eingang des Überweisungsbetrages beim Institut des Zahlungsempfängers möglich war.
4.144
Gemäß § 675r BGB ist ein Zahlungsdienstleister ausdrücklich berechtigt, einen Zahlungsvorgang ausschließlich anhand von vom Zahlungsdienstnutzer angegebenen Kundenkennungen auszuführen, so dass nicht der Name, sondern die entsprechende Kennung für Ausführung maßgeblich ist. Eine Zahlung auf der Grundlage der dem Zahlungsdienstleister übermittelten Kundenkennung gilt als ordnungsgemäß ausgeführt, selbst wenn die entsprechende Kundenkennung nicht zum Zahlungsempfänger, an den der Zahlungsdienstnutzer eigentlich leisten sollte, gehört, sofern nur der Zahler die Kundenkennung, an die ausgeführt wurde, angegeben hat. Damit gibt es im Anwendungsbereich des § 675r Abs. 1 BGB keine Verpflichtung zum Kontonummer-Namensvergleich mehr, denn nach früherer ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung war ein Kreditinstitut im Falle einer Diskrepanz zwischen Namen und Kontonummer verpflichtet, einen KontonummerNamensvergleich durchzuführen und bei einer Abweichung vorsorglich nachzufragen und den Überweisungsbetrag ggf. einem Konto des angegebenen Empfängers gutzuschreiben2. Durch die EU-MigrationsVO ist für Zahlungen innerhalb des EWR für Euro-Zahlungen die IBAN als Kundenkennung zwingend eingeführt worden, so dass innerhalb des EWR eine Zahlung anhand anderer Kriterien nicht mehr zulässig ist.
4.145
Durch die weitere Regelung in § 675r Abs. 2 BGB, wonach eine Kundenkennung eine Abfolge von Buchstaben, Zahlen oder Symbolen sein kann, die dem Zahlungsdienstnutzer vom Zah-
4.146
1 So Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675o BGB Rz. 14, wonach die Kosten für die Unterrichtung Bestandteil der Bearbeitung der Ablehnung eines Zahlungsauftrags sein sollen. 2 Vgl. BGH v. 28.3.1977 – II ZR 134/75, WM 1977, 580; BGH v. 13.6.1983 – II ZR 226/82, WM 1983, 834; BGH v. 31.1.1972 – II ZR 145/69, WM 1972, 308; OLG Frankfurt v. 4.5.1983 – 17 U 95/82, WM 1983, 743; OLG München v. 10.1.1995 – 25 U 4514/94, WM 1995, 2137.
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lungsdienstleister mitgeteilt wird, war es grundsätzlich möglich, auch die Kontonummer als maßgebliches Kriterium zu vereinbaren, wobei allerdings auch andere Ordnungskriterien zulässig waren und sind. Allerdings wird diese Möglichkeit wieder durch § 675r Abs. 3 BGB verwässert, da danach der Zahlungsdienstleister den Zahler unverzüglich darüber zu unterrichten hat, wenn eine angegebene Kundenkennung „erkennbar“ keinem Zahlungsempfänger oder keinem Zahlungskonto zuzuordnen ist. Dies kann allerdings nur die Fälle betreffen, in denen eine Ausführung anhand dieser Angaben nicht möglich ist, während das Risiko, dass die angegebene Kundenkennung entweder nicht zu demjenigen oder dem Konto gehört, dem sie zugeordnet werden soll, derjenige zu tragen hat, der die Kundenkennung eingegeben hat. Deshalb ergibt sich auch aus § 675r Abs. 3 BGB keine Verpflichtung zur Durchführung des Kontonummer-Namensvergleichs, sondern ein solcher wird sogar ausgeschlossen.
4.147
Die Ausführungsfristen ergeben sich aus § 675s BGB, denn danach hat der vom Zahler beauftragte Zahlungsdienstleister sicherzustellen, dass ein Zahlungsbetrag spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrages folgenden Geschäftstages beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingeht, so dass für Zahlungen – unabhängig davon, ob es sich um institutsinterne oder -externe handelt – das Gleiche Zahlungsziel gilt. Diese kurze Frist findet auch Anwendung auf grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb der EU- und EWR-Staaten. Lediglich dann, wenn sie nicht in Euro erfolgen, ist es erlaubt, eine Frist von maximal vier Geschäftstagen zu vereinbaren. Für in Papierform ausgelöste Zahlungsvorgänge ist eine Fristverlängerung um einen weiteren Geschäftstag zulässig, so dass normale Zahlungen innerhalb von maximal zwei Tagen auszuführen sind.
4.148
Ausnahmen vom Anwendungsbereich dieser sich aus § 675s Abs. 1 BGB ergebenden Fristen folgen aus § 675e Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach sie auf Zahlungsdienste keine Anwendung finden, die unter § 675d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB fallen. Ansonsten gilt die ein- bzw. zweitätige Ausführungsfrist.
4.149
§ 675s Abs. 1 BGB erfasst seinem Wortlaut nach nur Zahlungen, bei denen verschiedene Zahlungsinstitute einen Zahlungsdienstevertrag mit dem Zahler und dem Zahlungsempfänger abgeschlossen haben. Es besteht folglich eine Regelungslücke für Überweisungen innerhalb eines Zahlungsinstituts. Dieser Fall wird von § 675s Abs. 1 nicht erfasst, da es hier lediglich darum geht, dass die Zahlung innerhalb eines Geschäftstages beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingeht. Es bleibt deshalb offen, wie mit innerbetrieblichen Überweisungen zu verfahren ist, denn nach dem Wortlaut würde dies bedeuten, dass das Kreditinstitut nunmehr beliebig entscheiden kann, wann es den Betrag dem Empfängerkonto gutschreibt. Die Gesetzesbegründung sagt dazu allerdings, dass dann, wenn nur ein Zahlungsdienstleister beteiligt ist, es vorrangig auf § 675t Abs. 1 BGB ankommt, da es in diesem Fall keiner Ausführungsregelung bedarf, denn der Zahlungsdienstleister hat in einem solchen Fall den für den Zahlungsempfänger bestimmten Geldbetrag durch den Zahler bereits erhalten. Deshalb kommt es auf die unverzügliche Verfügbarmachung an. Unter Heranziehung des § 675t Abs. 1 BGB dürfte dies der Tag sein, an dem das Konto des Zahlers mit dem Zahlungsbetrag belastet wird, wobei diese Belastung auch dann innerhalb eines Geschäftstages zu erfolgen hat.
4.150
Werden Zahlungsvorgänge in Papierform ausgelöst, ist gem. § 675s Abs. 1 Satz 3 BGB eine grundsätzliche Verlängerung der Ausführungsfrist um einen Geschäftstag durch eine entsprechende Vereinbarung zulässig1. Werden Zahlungen innerhalb des EWR nicht in Euro 1 Grundmann, WM 2009, 1109, 1115; Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675s BGB Rz. 10; Omlor in Staudinger, § 675s BGB Rz. 9.
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Die Überweisung | Teil 4
ausgeführt, können die Parteien dafür gem. § 675s Abs. 1 Satz 2 BGB eine Frist von bis zu vier Geschäftstagen vereinbaren. Von den Ausführungszeiten zu unterscheiden ist die Wertstellung und die Verfügbarkeit über den jeweiligen Zahlungsbetrag. Dieser muss unverzüglich verfügbar gemacht werden, nachdem er auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Empfängers eingegangen ist. Sofern die Gutschrift auf einem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers erfolgen soll – die Zahlung setzt also nicht unbedingt ein Konto voraus, sondern möglich sind auch Zahlungen zum Zwecke der Barabhebung –, hat die Wertstellung als der Zeitpunkt, der für die Berechnung der Zinsen maßgeblich ist, spätestens an dem Geschäftstag zu erfolgen, an dem der Zahlungsbetrag auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers – also nicht dem Konto des Zahlungsempfängers – eingegangen ist. Die Möglichkeit, mit einem Unternehmen gem. § 14 BGB ein anderes Wertstellungsdatum zu vereinbaren, gibt es im aktuellen Recht nicht mehr. Lediglich für Bareinzahlungen kann hinsichtlich der Vereinbarung des Wertstellungsdatums zwischen Verbraucher und Unternehmen unterschieden werden. Während dann, wenn der Verbraucher Bargeld einzahlt, dies dem Zahlungsempfänger unverzüglich nach dem Zeitpunkt der Entgegennahme verfügbar gemacht werden muss, ist es gem. § 675t Abs. 2 Satz 2 BGB zulässig, bei Einzahlungen von Nichtverbrauchern dem Zahlungsempfänger den Geldbetrag spätestens an dem auf die Entgegennahme folgenden Geschäftstag verfügbar zu machen und wertzustellen. Die Bestimmung des Wertstellungsdatums richtet sich dsbei aber nicht nach der Qualifikation des Zahlungsempfängers, sondern des Zahlenden.
4.151
§ 675t Abs. 3 Satz 2 BGB stellt schließlich klar, dass bei Belastungen der Wertstellungstermin niemals früher liegen kann als der Zeitpunkt der Belastung. 7. Ersatzansprüche Zunächst einmal stellt § 675u BGB klar, dass dann, wenn ein Zahlungsvorgang nicht autorisiert worden ist, dem Zahlungsdienstleister kein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen zusteht. Dies hätte keiner ausdrücklichen Regelung bedurft, da ein Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB immer voraussetzt, dass derjenige, gegenüber dem er geltend gemacht wird, eine Zahlung veranlasst haben muss. Allerdings muss die Haftung im Zusammenhang mit den Haftungsausschlüssen gem. § 676b Abs. 2 BGB und § 676c BGB gesehen werden. Im Zuge der Umsetzung der PSD II ist ergänzend geregelt worden, dass dem Erstattungsanspruch unverzüglich, spätestens bis zum Ende des der Anzeige eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs nachfolgenden Geschäftstags nachgekommen werden muss. Nur wenn der Verdacht eines betrügerischen Verhaltens vorliegt, darf der Zahlungsdienstleister die Erstattung verweigern, wenn er den Verdacht bei einer zuständigen Behörde angezeigt hat. Aber auch in diesem Fall muss die Erstattung unverzüglich erfolgen, nachdem sich der Verdacht nicht bestätigt hat.
4.152
Gemäß § 675v Abs. 1 BGB haftet ein Zahler zwar für die missbräuchliche Nutzung eines Zahlungsinstruments1, sofern ihm dieses verloren gegangen oder gestohlen worden ist, jedoch wird die Haftung auf 50 € begrenzt. Dies gilt selbst dann, wenn der Zahler die personalisierten Sicherheitsmerkmale nicht sicher verwahrt hat. Allerdings folgt aus § 675v Abs. 2 BGB, dass eine solche Haftungsbegrenzung dann nicht eingreift, wenn der Zahler in betrügerischer Absicht, vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, so dass die Haf-
4.153
1 Zur Haftung vgl. Hofmann, BKR 2018, 62, 63 ff.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
tungsbegrenzung i.H.v. 50 € nur gilt, wenn eine dieser schwerwiegenden Verschuldensformen nicht vorliegt. Dafür jedoch greift diese Haftung auch dann, wenn den Zahler kein Verschulden trifft. Allerdings bleibt für eine solche Variante kaum Raum, da die Haftung gem. § 675v Abs. 2 Nr. 1 BGB auch ausgeschlossen ist, wenn es dem Zahlungsdienstnutzer nicht möglich war, den Diebstahl, das Abhandenkommen oder die sonstige missbräuchliche Verwendung des Zahlungsinstruments vor der nicht autorisierten Zahlung zu bemerken.
4.154
Hinsichtlich der Haftung bis zu einem Betrag von 50 € ist zwischen verschiedenen Fallgruppen zu unterscheiden. Soweit es zu einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung kommt, muss der Zahler zumindest durch eine nicht sichere Aufbewahrung dazu beigetragen haben, so dass dieser Anspruch wenigstens leichte Fahrlässigkeit voraussetzt. Dagegen ist – wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt – die Haftung für den Missbrauch verloren gegangener oder gestohlener Zahlungsauthentifizierungsinstrumente bis zu einem Betrag von 50 € auch verschuldensunabhängig begründet, es sei denn, dem Inhaber des Instruments war es nicht möglich, den Diebstahl, das Abhandenkommen oder die sonstige missbräuchliche Verwendung vor der ersten nicht autorisierten Verfügung zu bemerken. Folglich ist die Haftungsregelung gestuft. In Abhängigkeit vom Sachverhalt haftet der Zahler sowohl verschuldensunabhängig als auch im Falle leichter Fahrlässigkeit bis zu einem Betrag von 50 €, bei wenigstens groben subjektiven Pflichtverletzungen haftet er unbegrenzt. In beiden Fällen endet die Haftung aber gem. § 675v Abs. 5 BGB, sobald der Inhaber des Zahlungsinstruments den Verlust angezeigt hat. Sollte das Zahlungsinstitut seiner sich aus § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB ergebenden Verpflichtung, eine Möglichkeit zur jederzeitigen Anzeige des Verlustes oder des Missbrauchs eines Zahlungsinstruments erstatten zu können, nicht nachkommen, scheidet die Haftung gem. § 675v Abs. 1 BGB – also bis zu einem Betrag von 50 € – aus. Eine Haftung des Zahlers ist – ebenfalls mit Ausnahme des betrügerischen Handelns – aber gem. § 675v Abs. 4 BGB auch dann ausgeschlossen, wenn der Zahlungsdienstleister des Zahlers eine starke Kundenauthentifizierung gem. § 1 Abs. 24 ZAG nicht verlangt oder der Zahlungsempfänger oder sein Zahlungsdienstleister eine solche Authentifizierung nicht akzeptiert. Auch wenn gem. Art. 15 Abs. 1 des Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes i.V.m. der RTS 2018/389 die Regelungen zur „starken Kundenauthentifizierung“ erst zum 14.9.2019 in Kraft treten, folgt daraus nicht, dass auch die zivilrechtlichen Haftungsregelungen im Zusammenhang mit der „starken Kundenauthentifizierung“ erst ab diesem Zeitpunkt gelten. Zunächst ist § 675v Abs. 4 BGB bereits zum 13.1.2018 mit Umsetzung der PSD II in deutsches Recht wirksam geworden, weiterhin folgt aus § 68 Abs. 4 ZAG, dass hinsichtlich der Anforderungen an die starke Kundenauthentifizierung bis zum Inkrafttreten des § 55 ZAG das Rundschreiben der Bundesanstalt 4/2015 vom 5.5.2015 maßgeblich bleibt.
4.155
Schließlich stellt § 675v Abs. 5 BGB in Satz 3 aber auch klar, dass dann, wenn in betrügerischer Absicht gehandelt wird, die Haftung auch fortbesteht, nachdem eine Anzeige erstattet worden ist oder wenn eine solche nicht erstattet werden kann, weil das Zahlungsinstitut seinen Verpflichtungen zur Schaffung einer Sperrmöglichkeit nicht nachgekommen ist.
4.156
Im Zusammenhang mit Zahlungsauthentifizierungsverfahren ist ein häufiges Problem, ob und wie der Nachweis einer Authentifizierung erbracht werden kann, da es in der Regel weder Zeugen noch Urkunden dafür gibt, durch die belegt werden könnte, dass der Inhaber der personalisierten Sicherheitsmerkmale entweder selbst gehandelt oder durch einen unsorgfältigen Umgang mit diesen zur Schadenverursachung beigetragen hat. Bisher kam in solchen Fällen der „Anscheinsbeweis“1 zur Anwendung, der besagt, dass dann, wenn 1 Vgl. dazu Zahrte, NJW 2018, 337, 340; Hofmann, BKR 2018, 62, 67 ff.
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ein Zahlungsinstrument persönlich zugeordnet ist und mit einem vertretbaren wirtschaftlichen oder technischen Aufwand nicht überwunden werden kann, der Einsatz eines solchen den Beweis des ersten Anscheins dafür begründet, dass der Inhaber dieses Instruments damit zumindest unsorgfältig umgegangen ist1. Allerdings war und ist die Anwendung der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises gerade im Zusammenhang mit Authentifizierungsinstrumenten insbesondere im Online-Banking und girocard-PIN-Verfahren höchst umstritten. § 675w BGB enthält eine Regelung, die sich mit dem Nachweis des Einsatzes eines Authentifizierungsinstruments beschäftigt. Die Vorschrift stellt dabei Mindestanforderungen an die Darlegungs- und Beweislast von Zahlungsdienstleistern auf, sofern zwischen ihnen und einem Zahlungsdienstnutzer die Autorisierung eines Zahlungsvorgangs streitig ist, denn der Zahlungsdienstleister hat nur einen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen gem. §§ 675c, 670 BGB, wenn eine autorisierte Zahlung vorliegt. Anderenfalls muss er dem Zahlungsdienstnutzer gem. § 675u BGB den ggf. bereits belasteten Zahlungsbetrag erstatten. Daran ändert auch die Regelung in § 675w Satz 4 BGB nichts, die dem Zahlungsdienstleister die zusätzliche Verpflichtung auferlegt, unterstützende Beweismittel vorzulegen, um Betrug, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzers nachzuweisen. Allerdings ist offen, wie diese Beweise auszusehen haben. Zumindest folgt daraus nicht, dass der Anscheinsbeweis keine Anwendung mehr finden darf. Dem Zahlungsdienstleister kann allerdings im Fall einer Pflichtverletzung des Zahlungsdienstnutzers im Zusammenhang mit seinem Zahlungsinstrument ein Schadensersatzanspruch gegen den Zahlungsdienstnutzer gem. § 675v BGB zustehen, wobei eine unbegrenzte Haftung wenigstens grobe Fahrlässigkeit voraussetzt, wie sich aus § 675v Abs. 3 BGB ergibt, ansonsten ist sie auf 50 € beschränkt. 8. Beweisregelungen Nach der Gesetzesbegründung soll § 675w BGB festlegen, dass der Zahlungsdienstleister des Zahlers zum Nachweis der Autorisierung eines bereits ausgeführten Zahlungsvorgangs, einer Sorgfaltspflichtverletzung des Zahlers oder eines Handelns in betrügerischer Absicht darlegen und ggf. beweisen muss, dass eine Authentifizierung stattgefunden hat und der Zahlungsvorgang technisch einwandfrei abgelaufen ist. Die Authentifizierung selbst wird in Satz 2 bestimmt als eine formalisierte Prüfung, ob die für eine Ausführung eines Zahlungsvorgangs vereinbarten Instrumente – z.B. in Form von Karten und PIN – verwendet worden sind. Sollte ein Zahlungsvorgang durch ein Zahlungsinstrument ausgelöst worden sein, reicht dies danach nicht allein als Nachweis dafür aus, dass eine entsprechende Autorisierung eines Zahlungsvorgangs, eine Sorgfaltspflichtverletzung oder ein betrügerisches Handeln des Zahlungsdienstnutzers vorliegt. Es soll dadurch verhindert werden, dass ohne konkrete Betrachtung des Einzelfalls allein die Aufzeichnung des Einsatzes eines Zahlungsinstruments einschließlich der Authentifizierung als ausreichend erachtet wird, den Aufwendungsersatzanspruch oder einen Schadensersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters zu begründen. Dem Zahlungsdienstnutzer wird die Möglichkeit eingeräumt, substantiiert und glaubhaft vorzutragen, dass ein Diebstahl oder eine missbräuchliche Verwendung des Zahlungsinstruments vorgelegen hat und ggf. wie der Dieb oder missbräuchliche Verwender Zugang zu den personalisierten Sicherheitsmerkmalen hat erhalten können, ohne dass den Inhaber ein Verschulden trifft. Den Gerichten obliegt es aber gem. § 286 ZPO zu würdigen, ob die Voraussetzungen für den Anscheinsbeweis vorliegen und ob ggf. der Vortrag des Zahlungsdienstnutzers den Anschein einer Auto1 Vgl. m.w.N. BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309 ff.
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4.157
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risierung als Voraussetzung für die Sorgfaltspflichtverletzung erschüttern kann. Daran ändert auch § 675w Satz 4 BGB nichts1, der lediglich sicherstellen soll, dass der Nachweis der Authentifizierung und der technisch ordnungsgemäßen Ausführung alleine noch nicht genügen, um den Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung und insbesondere des Verschuldensgrads nachzuweisen und der Nutzer sich noch auf andere Abläufe berufen kann, wie es ohne sein Zutun oder Verschulden zu einem missbräuchlichen Einsatz seines Zahlungsinstruments hat kommen können2.
4.158
Letztlich widerspricht § 675w BGB nicht der Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis3 insbesondere in den Fällen des Kartenmissbrauchs mittels Eingabe einer PIN. Damit bleibt grundsätzlich der Anscheinsbeweis im elektronischen Zahlungsverkehr oder bei Zahlungen mittels girocard anwendbar. 9. Erstattungsansprüche
4.159
Erstattungsansprüche können in Abhängigkeit von den gesetzlichen Voraussetzungen sowohl bei ordnungsgemäß autorisierten als auch bei nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungen in Betracht kommen. Zunächst besteht gem. § 675x BGB ein Erstattungsanspruch des Zahlers auf den belasteten Zahlungsbetrag, der auf einem autorisierten, von oder über den Zahlungsempfänger ausgelösten Zahlungsvorgang beruht, sofern bei der Autorisierung der genaue Zahlungsbetrag nicht angegeben wurde und dieser den nach seinem bisherigem Ausgabenverhalten, den Bedingungen des Zahlungsdienstrahmenvertrages und den Umständen des Einzelfalls zu erwartenden Zahlungsbetrag übersteigt. Dabei ist in erster Linie an Vorgänge zu denken, bei denen z.B. im Kreditkartenbereich ein blanko unterschriebener Beleg als Sicherheit oder zur Berechnung des zum Zeitpunkt der Unterzeichnung noch nicht endgültig feststehender Betrag beim Zahlungsempfänger hinterlegt wird. Da der Zahler selbst die Ursache für den Zahlungsvorgang gesetzt hat, muss er die Voraussetzungen des Erstattungsverlangens gem. § 675x Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB darlegen und ggf. beweisen. Die Regelung des § 675x Abs. 1 BGB ist gem. § 675e Abs. 4 BGB in Zahlungsdiensteverträgen mit Unternehmern abdingbar, gem. § 675x Abs. 3 BGB kann der Erstattungsanspruch auch mit Verbrauchern ausgeschlossen werden, wenn die Zustimmung zur Ausführung des Zahlungsvorgangs direkt gegenüber dem Zahlungsdienstleister des Zahlers erteilt wird und ggf. – sofern vereinbart – der Zahler von seinem Zahlungsdienstleister oder dem Zahlungsempfänger mindestens vier Wochen vor dem Fälligkeitstermin über den Zahlungsvorgang unterrichtet wird. Dieser Zustimmung kommt insbesondere dann besondere Bedeutung zu, wenn es sich um den Einzug wiederkehrender, insbesondere sich verändernder Beträge handelt. Durch die Regelung in § 675x Abs. 3 BGB kann dann sichergestellt werden, dass der Zahler keinen Erstattungsanspruch geltend machen kann4. Für beide SEPA-Lastschriftverfahren gelten gem. § 675x Abs. 2 BGB Sonderregelungen. Wird der Erstattungsanspruch geltend 1 Vgl. dazu Zahrte, NJW 2018, 337, 340; Hofmann, BKR 2018, 62, 67 ff. 2 Vgl. Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675w BGB Rz. 30 unter Bezugnahme auf die amtl. Begründung, BT-Drucks. 18/11495, 168. 3 Vgl. BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309; BGH v. 29.11.2011 – XI ZR 370/10, WM 2012, 164; BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, BGHZ 208, 331 zur entsprechenden Rechtsprechung im Online-Banking; zusammenfassend Werner in Krepold/Fischbeck/Kropf/Werner, Bankrecht, 2. Aufl. 2018, S. 60 und 93 f. 4 Vgl. Werner in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 4. Kap. § 675x BGB Rz. 36.
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gemacht und ist er begründet, muss die Widergutschrift gem. § 675x Abs. 1 Satz 2 BGB spätestens mit dem Wertstellungsdatum erfolgen, zu dem auch die vorangehende Belastung vorgenommen wurde. Ist dies aus technischen Gründen nicht möglich, muss der Zahler so gestellt werden, als hätte es die entsprechende Belastung nicht gegeben. Für Lastschriften sieht § 675x Abs. 2 BGB sowohl für das SEPA-Basis- als auch das Firmenlastschriftverfahren vor, dass der Zahler ohne Angabe von Gründen auch dann einen Erstattungsanspruch geltend machen kann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind, d.h. kein Erstattungsanspruch bestehen würde. Auch wenn in den SEPA-Verfahren eine Zahlung auf einer Weisung und Autorisierung des Zahlers beruht, steht ihm ein zeitlich befristetes Erstattungsrecht ohne Begründungserfordernisse zu. Der Zahlungsdienstleister des Zahlers wird seinerseits durch die SEPA-Interbanken-Regelungen abgesichert, da er nach diesen im Falle des Widerspruchs einen Anspruch auf Rückvergütung gegen den Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers hat. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers muss sich dann ggf. in einer Inkassovereinbarung ein Rückbelastungsrecht gegen den Zahlungsempfänger ausdrücklich vorbehalten. Ein solches Recht findet sich auch in der aktuellen Inkassovereinbarung zwischen Lastschrifteinreicher und Inkassostelle. In praktischer Hinsicht tritt dieser, für das SEPA-Lastschriftverfahren auf acht Wochen befristete Erstattungsanspruch an die Stelle des Widerrufsrechts im Einziehungsermächtigungslastschriftverfahren. Aus § 675e Abs. 4 BGB folgt, dass im Verhältnis zum Unternehmer gem. § 14 BGB der Erstattungsanspruch ausgeschlossen werden kann, nicht aber im Verhältnis zum Verbraucher gem. § 13 BGB.
4.160
§ 675x Abs. 3 BGB ist bereits weiter ober in Zusammenhang mit § 675x Abs. 1 BGB behandelt worden (s. Rz. 4.159). Die Regelung bleibt auch neben § 675x Abs. 2 BGB – der Spezialregelung für SEPA-Lastschriften – anwendbar1.
4.161
Gemäß § 675x Abs. 4 BGB beträgt die Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen acht Wochen.
4.162
Sollte der Zahler den Anspruch geltend machen, ist der Zahlungsdienstleister verpflichtet, diesem den vollständigen Betrag zu erstatten oder mitzuteilen, aus welchen Gründen er dies ablehnt, wobei dann auch Hinweise auf Beschwerde- und ggf. außergerichtliche Streitbeilegungsstellen gegeben werden müssen. Dabei ist gem. § 675x Abs. 5 BGB eine Frist von zehn Tagen einzuhalten, ohne dass aus der Regelung jedoch ersichtlich wird, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn die Frist nicht eingehalten wird. Eine Erstattung nicht ablehnen darf der Zahlungsdienstleister, wenn eine entsprechende Erstattungspflicht gem. § 675x Abs. 2 BGB für Lastschriften nicht im zulässigen Rahmen – also mit Unternehmern als Zahler – ausgeschlossen worden ist. 10. Haftungsregelungen § 675y BGB schließlich regelt die Haftung des Zahlungsdienstleisters und sonstige Rechtsfolgen im Falle einer nicht erfolgten, verspäteten oder fehlerhaften Ausführung von Zahlungsaufträgen.
4.163
Zunächst einmal folgt aus § 675y Abs. 1 BGB, dass bei Zahlungen, die vom Zahler gegenüber seinem Zahlungsdienstleister ausgelöst werden, wie dies z.B. bei Überweisungen der Fall ist, Auftraggeber von seinem Zahlungsdienstleister im Falle einer nicht erfolgten oder
4.164
1 Vgl. Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675x BGB Rz. 18.
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fehlerhaften Ausführung des Zahlungsauftrages die unverzügliche und ungekürzte Erstattung des Zahlungsbetrages verlangen kann, wobei dann, wenn die Zahlung zu Lasten eines Kontos erfolgt sein sollte, die Gutschrift so vorgenommen werden muss, als habe es den fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang nie gegeben. Daraus folgt eine valutengerechte Gutschrift, da anderenfalls der Kontoinhaber zumindest den Zinsverlust zu tragen hätte. Die Verpflichtung des kontoführenden Instituts des Zahlers besteht gem. § 675y Abs. 1 Satz 3 BGB auch dann, wenn die Zahlung unter Einschaltung eines Zahlungsauslösediensts erfolgt ist. Ist entgegen § 675q Abs. 1 BGB ein Entgelt abgezogen worden, hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers den abgezogenen Betrag dem Zahlungsempfänger unverzüglich zu übermitteln. Dies gilt auch, wenn es sich beim Abzug um kein Entgeltabzug, sondern ein Versehen handelt, denn die Vorschrift, auf die in § 675x Abs. 1 Satz 3 BGB verweist, § 675q Abs. 1 BGB, begründet die Verpflichtung zur ungekürzten Weiterleitung des Zahlungsbetrags, die auch verletzt wird, wenn es zu einem versehentlichen Abzug gekommen ist.
4.165
§ 675y Abs. 2 BGB regelt den Fall, dass der Zahlungsvorgang nicht vom Zahlenden, sondern vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelöst wird. In diesem Fall hat der Zahlungsempfänger bei einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung des Zahlungsauftrages das Recht, von seinem Zahlungsdienstleister zu verlangen, dass der Zahlungsauftrag erneut dem Zahlungsdienstleister des Zahlers übermittelt wird. Es besteht jedoch nur ein Anspruch auf Übermittlung des Zahlungsauftrages, für die Nichtausführung hat das Zahlungsinstitut des Zahlungsempfängers nicht in gleichem Umfange einzustehen wie im Falle eines vom Zahlenden ausgelösten Zahlungsauftrages. Sollte der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers jedoch den Nachweis führen, dass es die ihm obliegenden Pflichten erfüllt hat und es gleichwohl zur nicht ordnungsgemäßen Ausführung des Zahlungsauftrages gekommen ist, hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers dem Zahler den bereits in Abzug gebrachten Betrag zu erstatten, so dass bei diesem Institut das Risiko einer nicht sorgfältigen Ausführung liegt, sofern nicht ein anderes zwischengeschaltetes Institut dafür nachweislich verantwortlich ist. Sollten vom Zahlungsbetrag lediglich Teilbeträge in Abzug gebracht worden sein, hat der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers den abgezogenen Betrag dem Zahlungsempfänger unverzüglich verfügbar zu machen, wenn entsprechende Entgelte entgegen § 675q Abs. 1 und 2 BGB in Abzug gebracht worden sind. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers hat dafür einzustehen, unabhängig davon, wer den Abzug vorgenommen hat. Er haftet deshalb auch für Abzüge durch den Zahlungsdienstleister des Zahlers sowie von zwischengeschalteten Instituten, selbst wenn er seinerseits von diesen in Abzug gebrachten Beträgen nichts erhalten hat. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers kann jedoch gem. § 676a BGB gegen dasjenige Institut, das den Abzug vorgenommen hat, einen Ausgleichsanspruch geltend machen.
4.166
§ 675y Abs. 3 und Abs. 4 BGB regelt die Fälle der verspäteten Ausführung, die bei Umsetzung der PSD I noch ungeregelt geblieben ist. Bei über den Zahlungsdienstleister des Zahlers ausgelösten Zahlungen hat jener gegen das Institut des Zahlungsempfängers einen Anspruch darauf, dass die Gutschrift auf dem Konto des Zahlungsempfängers so vorgenommen wird, als sei die Zahlung ordnungsgemäß ausgelöst worden. Gleiches gilt bei Auslösungen über einen Zahlungsauslösedienst.
4.167
§ 675y Abs. 4 BGB enthält die Parallelregelung für über den Zahlungsempfänger veranlasste Zahlungen; in diesem Fall hat der Zahlungsempfänger gegen seinen Zahlungsdienstleister einen Anspruch darauf, die Gutschrift wie bei einer fristgemäßen Zahlungsausführung vorzunehmen. 538 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
Gemäß § 675y Abs. 5 BGB sind die Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers gegen seinen Zahlungsdienstleister ausgeschlossen, soweit der Zahlungsauftrag nach der vom Zahlungsdienstnutzer angegebenen Kundenkennung ausgeführt worden ist. Sollte diese fehlerhaft sein, hat das daraus resultierende Risiko der Zahler und nicht der Zahlungsdienstleister zu tragen. Allerdings besteht in einem solchen Fall ein Anspruch des Zahlers gegen seinen Zahlungsdienstleister sich darum zu bemühen, den Zahlungsbetrag wieder zu erlangen. Gelingt die Wiederbeschaffung nicht, ist der Zahlungsdienstleister gem. § 675y Abs. 5 Satz 4 BGB verpflichtet, nach einem schriftlichen Antrag des Zahlers diesem alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die dieser braucht, um den Erstattungsanspruch gegen den Empfänger geltend zu machen. Da der Zahlungsdienstleister des Zahlers wiederum nicht über diese Informationen verfügt, es sei denn, er ist auch Institut des Zahlungsempfängers, hat er gegen das Empfängerinstitut gem. § 675y Abs. 5 Satz 3 BGB einen Anspruch auf Mitteilung der Informationen über den Empfänger. Es ist zulässig, im Zahlungsdienstrahmenvertrag für diese Leistungen gem. § 675y Abs. 5 Satz 5 BGB ein Entgelt zu vereinbaren. Das Bankgeheimnis und der Datenschutz haben folglich hinter den Anspruch des Zahlers auf Mitteilung der Empfängerdaten, soweit diese für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs erforderlich sind, zurückzutreten.
4.168
§ 675y Abs. 6 BGB gibt dem Zahlungsdienstnutzer darüber hinaus Ansprüche auf Erstattung der Entgelte und Zinsen, die ihm vom Zahlungsdienstleister im Zusammenhang mit nicht erfolgten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgängen in Rechnung gestellt worden sind oder dessen Konto belastet wurden. Dies entspricht der bisherigen Regelung in § 676b Abs. 3 Satz 1 BGB, da auch danach im Zusammenhang mit nicht erfolgten oder fehlerhaften Zahlungsvorgängen berechnete Entgelte ebenso wie Zinsen zu erstatten sind. Die gesetzlichen Regelungen enthalten hinsichtlich des Zahlungsbetrages keine Haftungsbegrenzung auf 12.500 €, wie diese für Folgeschäden gem. § 675z Satz 2 BGB vereinbart werden kann.
4.169
Aus § 675y Abs. 7 folgt schließlich eine Nachforschungspflicht des Zahlungsdienstleisters bei fehlerhaft oder nicht erfolgter Ausführung eines Zahlungsauftrages. Der Zahlungsdienstleister, dessen Zahlungsdienstnutzer eine Zahlung angestoßen hat, hat seinem Nutzer – unabhängig von sonstigen Ansprüchen – Auskunft darüber zu erteilen, wie der Zahlungsvorgang abgelaufen ist.
4.170
In § 675z werden über §§ 675u und 675y BGB hinausgehende Ansprüche geregelt. Die Vorschrift erfasst deshalb Ansprüche auf eine finanzielle Entschädigung des Zahlungsdienstnutzers, die über die Ansprüche wegen nicht autorisierter, mangelhafter oder verspäteter Ausführung eines Zahlungsauftrages, wie sie sich aus der Zahlungsdienstrichtlinie ergeben, hinausgehen. Dabei gilt der Grundsatz, dass ein Zahlungsdienstnutzer gegen seinen Zahlungsdienstleister wegen einer nicht autorisierten Zahlung oder eines mangelhaft ausgeführten Zahlungsauftrages zunächst einen Anspruch nach den §§ 675u und 675y BGB hat, der allen anderen, auf ähnliche Rechtsfolgen gerichteten Ansprüchen vorgeht. Sollte es folglich nach anderen Regelungen Ansprüche auf Erstattung des Zahlungsbetrages, von Zinsen oder Entgelten geben, werden diese ausgeschlossen, da insofern die §§ 675u und 675y BGB Spezialregelungen darstellen. Folgeschäden z.B. werden jedoch von diesen Bestimmungen nicht erfasst, so dass hier – sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sein sollten – § 280 Abs. 1 BGB weiterhin anwendbar bleibt. Deshalb ist die Möglichkeit vorgegeben, eine vertragliche Haftungsbegrenzung für diese Schäden i.H.v. mindestens 12.500 € zu vereinbaren. Die Haftungsbegrenzung gilt nicht für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, den Zinsschaden und für solche Gefahren, die ein Zahlungsinstitut ausdrücklich übernommen hat.
4.171
Werner | 539
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.172
§ 675z Satz 3 Halbs. 2 BGB stellt weiterhin klar, dass zwischengeschaltete Zahlungsinstitute als Erfüllungsgehilfen des Zahlungsdienstleisters desjenigen Zahlungsdienstnutzers anzusehen sind, der die Zahlung angestoßen hat. Eine Ausnahme ist nur für die Fälle vorgesehen, in denen der Zahlungsdienstnutzer die Einschaltung eines bestimmten zwischengeschalteten Instituts vorgegeben hat und dieses die wesentliche Ursache für den Fehler bei der Ausführung der Zahlung gesetzt hat. In den Fällen, in denen das vom Zahlungsdienstnutzer vorgegebene zwischengeschaltete Institut ein Verschulden trifft, ergibt sich aus § 675z Satz 4 BGB ein eigenständiger Anspruch des Zahlungsdienstnutzers gegen das zwischengeschaltete Institut.
4.173
Schließlich bestimmt § 675z Satz 5 BGB, dass Ansprüche auf den Ersatz von Folgeschäden des Zahlungsdienstnutzers wegen nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung gegen seinen Zahlungsdienstleister nicht bestehen, wenn die mangelhafte Ausführung auf die vom Zahlungsdienstnutzer fehlerhaft angegebene Kundenkennung zurückzuführen ist. Diese Bestimmung korrespondiert mit § 675r BGB, der es grundsätzlich erlaubt, dass zwischen dem Zahlenden und seinem Zahlungsinstitut eine Vereinbarung getroffen werden kann, wonach die Ausführung eines Zahlungsvorgangs anhand von Kundenkennungen erfolgt. Ist eine solche Vereinbarung getroffen worden, sind die zwischengeschalteten Kreditinstitute nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die Kundenkennung zum richtigen Kunden gehört, sie müssen die Zahlung allein anhand dieser Angaben ausführen und haben letztlich nur zu überprüfen, ob es diese gibt, nicht jedoch, wem sie zugeordnet ist.
4.174
Im Übrigen legt § 675z Satz 1 BGB fest, dass es sich bei §§ 675u und 675y BGB hinsichtlich der darin geregelten Zahlungsvorgänge – also von nicht autorisierten Zahlungen sowie nicht erfolgter, fehlerhafter oder verspäteter Ausführung von Zahlungen – um eine abschließende Auflistung handelt. Für diese Ansprüche spielt es keine Rolle, ob die Zahlungen über einen Zahlungsauslösedienst ausgelöst wurden, denn – wie sich z.B. aus §§ 675u Satz 5 und 675y Abs. 1 Satz 3 BGB ergibt – auch in einem solchen Fall ist Anspruchsgegner des Zahlers das erstbeauftragte Institut und nicht der Drittdienst. Der Drittdienst ist allerdings gem. § 676a Abs. 3 BGB dem Zahlungsdienstleister des Zahlers zum Ausgleich verpflichtet, wenn er die Ursache für Ansprüche des Zahlers gegen seinen Dienstleister gesetzt hat.
4.175
§ 676 BGB regelt, dass, wenn zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und einem Zahlungsdienstleister streitig ist, ob ein Zahlungsvorgang ordnungsgemäß ausgeführt worden ist, der Zahlungsdienstleister den Nachweis führen muss, dass es zu einer ordnungsgemäßen Aufzeichnung und Verbuchung des Zahlungsvorgangs gekommen ist und dabei keine Störung vorlag. Diese Regelung ist nicht zu verwechseln mit § 675w BGB, die sich mit dem Nachweis der Authentifizierung beschäftigt, also der Frage, ob ein Zahlungsvorgang mittels Einsatz eines entsprechenden Instruments ordnungsgemäß autorisiert worden ist. Beim Nachweis der Ausführung von Zahlungsvorgängen geht es aber um die Fälle, in denen derjenige, der die Zahlung veranlasst hat, reklamiert, die Zahlung sei nicht, nicht ordnungsgemäß oder verspätet ausgeführt worden.
4.176
§ 676a BGB beschäftigt sich nicht mit dem Rechtsverhältnis zwischen einem Zahlungsdienstnutzer und einem Zahlungsdienstleister, sondern dem zwischen verschiedenen an einer Zahlung beteiligten Zahlungsdienstleistern. Die Regelung gibt dem Zahlungsdienstleister, der gem. §§ 675y und 675z BGB einem Zahlungsdienstnutzer haftet, seinerseits einen Anspruch gegen den Zahlungsdienstleister oder die zwischengeschaltete Stelle, in dessen Verantwortungsbereich die Grundlagen für den Erstattungsanspruch begründet worden 540 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
sind. Dieser direkte Regressanspruch ist verschuldensunabhängig und besteht gegenüber nachgeschalteten Dienstleistern auch dann, wenn der Zahlungsdienstleister des Zahlenden selbst in keiner vertraglichen Beziehung zu diesem steht, etwa weil ein anderer Zahlungsdienstleister zwischengeschaltet worden ist. Neben diesem sich aus § 676 BGB ergebenden Regressanspruch kommen ggf. auch noch andere Ansprüche der Zahlungsdienstleister untereinander in Betracht, da die Zahlungsdienstrichtlinie, deren Umsetzung die neuen zivilrechtlichen Regelungen dienen, nur im Hinblick auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister, nicht jedoch im Verhältnis der Zahlungsdienstleister untereinander abschließend ist. Im Zuge der Umsetzung der PSD II ist die Regelung um Zahlungsauslösedienste erweitert worden. Da das Zahlungsinstitut auch dann gem. § 675y Abs. 1 BGB haftet, wenn der Zahlungsdienstnutzer einen Zahlungsauslösedienst eingeschaltet hat und dieser dafür verantwortlich ist, dass eine Zahlung nicht, fehlerhaft oder verspätet ausgeführt wurde, steht dem erstbeauftragten Institut ein Ausgleichsanspruch auch gegen den Zahlungsauslösedienst gem. § 676a Abs. 1 BGB zu. Ist streitig, ob bei Einschaltung eines Zahlungsauslösediensts überhaupt eine ordnungsgemäße Autorisierung vorliegt, muss der Nachweis dafür gem. § 676a Abs. 2 BGB vom Zahlungsauslösedienst erbracht werden. Gleiches gilt gem. § 676a Abs. 3 BGB auch für den Fall, dass keine ordnungs- oder fristgemäße Ausführung erfolgt ist. In diesem Fall muss der Zahlungsauslösedienst den ordnungsgemäßen Zugang des Zahlungsauftrags beim Zahlungsdienstleister sowie eine ordnungsgemäße Aufzeichnung des Zahlungsvorgangs, aus der sich keine Störungen ergeben, nachweisen. Kann er dies nicht, muss er im Innenverhältnis den Zahlungsdienstleister freistellen. § 676b Abs. 2 Satz 1 BGB legt eine Ausschlussfrist von 13 Monaten für Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers gegen seinen Dienstleister für den Fall fest, dass Zahlungsvorgänge nicht autorisiert oder fehlerhaft ausgeführt worden sind. Auf Grund dessen wird der Zahlungsdienstnutzer gem. § 676b Abs. 1 BGB zunächst verpflichtet, seinem Zahlungsdienstleister die Feststellung eines nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs unverzüglich anzuzeigen. § 676b Abs. 4 BGB erstreckt die Ausschlussfrist auch auf die Fälle, in denen der Zahler einen Zahlungsauslösedienst mit der Zahlungsauslösung beauftragt hat. Voraussetzung für den Fristbeginn ist, dass trotz Einschaltung eines Intermediärs das kontoführende Institut den Zahlungsdienstnutzer gem. Art. 248 §§ 7, 19 oder 14 EGBGB über den Zahlungsvorgang unterrichtet hat.
4.177
Gemäß § 676b Abs. 2 BGB kann der Zahlungsdienstnutzer Ansprüche und Einwendungen gegen seinen Zahlungsdienstleister wegen nicht autorisierter oder fehlerhaft ausgeführter Zahlungsvorgänge dann nicht mehr geltend machen, wenn die entsprechende Anzeige nicht innerhalb eines Zeitraums von 13 Monaten nach der entsprechenden Belastung erfolgt. Nach Ablauf dieser Frist hat der Zahlungsdienstnutzer gegen seinen Zahlungsdienstleister keinen Anspruch auf Korrektur der fehlerhaften Buchung. Die Ausschlussfrist entfaltet ihre Wirkungen kraft Gesetzes und muss nicht als Einrede erhoben werden1.
4.178
§ 676b Abs. 3 BGB sieht vor, dass die Ausschlussfrist auch für Ansprüche auf den Ersatz von Folgeschäden eines nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs gilt, es sei denn, der Zahlungsdienstnutzer war ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Frist gehindert. Dies gilt jedoch nur für die Folgeschäden, für Ansprüche und Einwendungen des Zahlungsdienstnutzers gegen den Zahlungsdienstleister wegen der nicht aus1 Vgl. Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 676b BGB Rz. 8; Omlor in Staudinger, § 676b BGB Rz. 8; Nobbe in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl. 2013, § 676b BGB Rz. 25.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
geführten Zahlung kommt ein Ausschluss bzw. eine Verlängerung der Ausschlussfrist mangels verschuldeter Unkenntnis nicht in Betracht, was sich damit rechtfertigen lässt, dass der Zahlungsdienstnutzer nach Einblick in seinen Kontoauszug unberechtigte Belastungen erkennen kann. § 676b Abs. 5 BGB schließlich legt die Voraussetzungen fest, unter denen eine rechtzeitige Anzeige gem. § 676b Abs. 4 BGB den Ablauf der Ausschlussfrist hindert.
4.179
§ 676c BGB regelt die Haftungsausschlüsse. Folglich scheidet eine Haftung eines Zahlungsdienstleisters dann aus, wenn die die Haftung begründenden Umstände entweder auf höhere Gewalt zurückzuführen sind oder der Zahlungsdienstleister diese auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung herbeiführen musste. Allerdings wird der Begriff der „höheren Gewalt“ auf Grund seiner Unschärfe und unterschiedlichen Interpretation vermieden, stattdessen enthält § 676c Nr. 1 BGB die Bestimmung eines Ereignisses, das als höhere Gewalt angesehen werden kann, wie sie sich in der Zahlungsdienstrichtlinie findet.
III. Rechtsbeziehung zwischen überweisendem Kunden und seinem Zahlungsdienstleister 4.180
Zwischen dem Überweisenden und seinem Zahlungsdienstleister ist ein Zahlungsdienstevertrag gem. § 675f BGB Voraussetzung für die Ausführung von Überweisungen und sonstigen Zahlungsvorgängen. Diesen Vertrag gibt es in Form des Einzelzahlungsvertrags gem. § 675f Abs. 1 BGB und des Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675f Abs. 2 BGB. Im ersten Fall wird durch den entsprechenden Vertrag der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahler eine einzige Zahlung auszuführen, im zweiten Fall besteht ein Rahmenvertrag auf Grund dessen sich der Zahlungsdienstleister verpflichtet hat, für den Zahler verschiedene Zahlungsdienste zu erbringen, wozu auch die Führung eines Zahlungskontos gehören kann. Außerdem erlaubt § 675f Abs. 3 BGB ausdrücklich die Einschaltung von Zahlungsauslösediensten, mit denen ebenfalls der Zahler einen Zahlungsdienstevertrag abschließt, der auf die Auslösung einer oder mehrerer Zahlungen abzielt. Die einzelne Zahlung selbst erfolgt dann auf Grund eines Zahlungsauftrags gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB, den der Zahler dem Zahlungsdienstleister im Rahmen eines Zahlungsdienstevertrags erteilt.
4.181
Der Überweisende kann, soweit vereinbart, dem Zahlungsdienstleister den zu überweisenden Geldbetrag auch in bar zur Verfügung stellen, da die Regelungen zum Zahlungsdienstevertrag ein Konto nicht zwingend vorsehen, sondern ein Zahlungskonto auch Gegenstand eines Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB sein kann, aber nicht muss. Der einzelne Zahlungsvorgang im Rahmen eines Zahlungsdienstvertrags ist also nicht nur auf den praktischen Regelfall der Konto-zu-Konto-Überweisung, sondern auch auf die Barüberweisung zugeschnitten. Das Gesetz ist bereits im Zuge der Umsetzung der ersten PSD zum 31.10.2009 zum früheren Modell des Überweisungsauftrags als auftragsrechtliche Weisung (§ 665 BGB) im Rahmen eines Zahlungsdienstevertrags zurückgekehrt1.
4.182
Die durch das Überweisungsgesetz zum 1.1.2002 eingeführten Regelungen zum Überweisungsvertrag gem. §§ 676a ff. BGB sind zum 1.11.2009 wieder aufgehoben und durch die 1 Begr. RegE des ÜG, BT-Drucks. 14/745, 13.
542 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
Regelungen zum Zahlungsdienstevertag gem. § 675f BGB ersetzt worden. § 675y BGB regelt insbesondere die Ansprüche, die dem Überweisenden bei Leistungsstörungen gegen seine kontoführende Bank zustehen. Es wird dabei letztlich in § 675y Abs. 1 BGB zwischen drei verschiedenen Arten von Leistungsstörungen unterschieden: Die nicht erfolgte, die fehlerhafte und die verspätete Zahlung. Eine nicht erfolgte Zahlung ist z.B. gegeben, wenn ein zwischengeschaltetes Zahlungsinstitut insolvent wird1. Zwar trägt § 675n BGB die Überschrift „Zugang von Zahlungsaufträgen“, regelt aber nur die Konsequenzen des Zugangs, den Zeitpunkt des Zugangs und die Wirksamkeit eines Zahlungsauftrags im Rahmen eines Zahlungsdienste – oder Zahlungsdiensterahmenvertrags. Auf den Zugang selbst finden die allgemeinen Vorschriften (§§ 145 ff., 151 BGB) Anwendung2. Eine stillschweigende Annahme gem. § 151 BGB kann im Beginn der Bearbeitung, z.B. durch Eingabe in die EDV, erblickt werden3. Regelmäßig wird der Überweisungsauftrag gem. § 362 HGB dadurch angenommen, dass das Zahlungsinstitut nach Eingang eines Überweisungsauftrages nicht „unverzüglich antwortet“. Nach dieser Bestimmung gilt Schweigen als Annahme des Antrages4. Dies folgt auch aus § 675o Abs. 1 BGB, der bestimmt, dass der Zahlungsdienstleister verpflichtet ist, den Zahlungsdienstnutzer unverzüglich über die Ablehnung eines Zahlungsauftrags zu unterrichten, wobei diese in jedem Fall innerhalb der sich aus § 675s BGB ergebenden Ausführungsfristen erfolgen muss. „Unverzüglich“ in § 675o BGB bedeutet dabei, dass der Zahlungsdienstleister die sich aus § 675s ergebenden Fristen nicht ausnutzen darf, sondern dass diese die Obergrenze für die Frist zur Mitteilung festlegen. Im Übrigen können mit dem Kunden Einlieferungsschlusszeiten (cut-off-Fristen) für die taggleiche Bearbeitung seines Auftrages (sog. Buchungsschnitt) vereinbart werden, sofern diese – wie sich aus § 675n Abs. 1 Satz 3 BGB ergibt – nahe am Ende des Geschäftstages liegen5.
4.183
Der Zahlungsdienstleister ist grundsätzlich zur Annahme und Ausführung des Überweisungsauftrages verpflichtet, sofern dieser im Rahmen eines als Zahlungsdiensterahmenvetrags gem. § 675f Abs. 2 BGB zu qualifizierenden Girokontos erteilt wird und die sonstigen für die Ausführung vereinbarten Voraussetzungen vorliegen. Aus § 675o Abs. 2 BGB folgt ein Annahmezwang im Hinblick auf den Zahlungsauftrag, sofern die Ausführungsvoraussetzungen vorliegen6, nicht aber zum Abschluss eines Girovertrags. Voraussetzungen dafür ergeben sich ggf. aus dem ZKG, das an anderer Stelle behandelt wird (s. Rz. 3.1076 ff.).
4.184
1. Abgrenzung zum Zahlungsdienstevertrag (§ 675f BGB) Nachdem mit Wirkung zum 1.11.2009 die Differenzierungen zwischen Überweisungsvertrag gem. §§ 676a ff. BGB a.F., Zahlungsvetrag gem. §§ 676d f. BGB a.F. und Girovertrag gem. §§ 676f f. BGB a.F. aufgegeben worden sind, finden auf diese ursprünglich verschiedenen Vertragstypen die Regelungen zum Zahlungsdienstevertrag gem. § 675f BGB Anwendung. Während es sich beim Girovertrag um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt, unterfällt auch das Vertragsverhältnis zwischen 1 2 3 4
Begr. RegE des ÜG, BT-Drucks. 14/745, 22. BT-Drucks. 14/745, 18. Vgl. Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675n BGB Rz. 3 ff. Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 30; Schulz, ZBB 1999, 287, 291; Grundmann, WM 2000, 2269, 2275. 5 BT-Drucks. 16/11643, 107; Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675n BGB Rz. 13 ff. 6 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 4.
Werner | 543
4.185
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
den an der Weiterleitung von Zahlungen betrauten Instituten unter das Recht des Zahlungsdiensterahmenvertrags, es sei denn, es soll ohne Kontovertrag zwischen diesen eine Zahlung weitergeleitet werden, dann liegt ein Einzelvertrag gem. § 675f Abs. 1 BGB vor, während die einzelne Zahlung auf Grund eines Zahlungsauftrags gem. § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB ausgeführt wird, dessen Erteilung im Rahmen eines entsprechenden Zahlungsdienstevertrags erfolgt. Allerdings findet das Recht der Zahlungsdienste auf das Rechtsverhältnis der Zahlungsdienstleister untereinander keine Anwendung, wenn entweder gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 ZAG die Zahlungsabwicklung innerhalb eines Zahlungs- oder Wertpapierabwicklungssystems erfolgt oder es sich gem. § 2 Abs. 1 Nr. 12 ZAG um Zahlungsvorgänge auf eigene Rechnung der Zahlungsdienstleister handelt. Der Zahlungsdienstevertrag ist ein Unterfall des entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages, auf den die auftragsrechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen (§ 675 BGB)1, sofern keine Sonderregelungen gelten.
4.186
Die Überweisungspflicht des kontoführenden Instituts wird durch den Girovertrag zunächst nur gattungsmäßig (sog. Gattungshandlungsschuld)2 bestimmt. Das Tätigwerden des Zahlungsinstituts setzt eine konkretisierende Weisung voraus, die in § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB als „Zahlungsauftrag“ definiert ist. Bei einem entsprechenden Überweisungsauftrag handelt es sich um keinen rechtlich selbständigen Auftrag (§ 662 BGB), sondern um eine im Rahmen eines Zahlungsdienstevertrags erteilte „Weisung“ i.S.d. § 665 BGB3, da – wie sich aus § 675f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt – dieser Vertrag Grundlage für die Ausführung von Zahlungsvorgängen nach Erteilung eines entsprechenden Auftrags ist.
4.187
Solche Weisungen sind einseitige rechtsgeschäftliche Gestaltungserklärungen, durch die der Auftraggeber einzelne Pflichten des Beauftragten bei der Ausführung des Auftrages konkretisiert („aktualisiert“)4. Damit wird die zunächst nur gattungsmäßig bestimmte Geschäftsbesorgungspflicht in eine Spezies-Überweisungspflicht der kontoführenden Stelle verwandelt5. Weisungen sind von der kontoführenden Stelle zu befolgen, wenn der Girovertrag als rechtliche Grundlage für das Weisungsrecht des Girokunden wirksam zustande gekommen ist6. Die Weisungsbefugnis des Girokunden kann deshalb als rechtsgeschäftliches Gestaltungsrecht qualifiziert werden7. Für Zahlungssaufträge gelten im Übrigen die allgemeinen Bestimmungen für Rechtsgeschäfte, insbesondere die Vorschriften über Willensmängel. Solche Weisungen waren also nach herrschender Meinung anfechtbar8. Im Übrigen bedürfen nicht vollgeschäftsfähige Kontoinhaber der Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter.
4.188
Dies gilt auch für beschränkt Geschäftsfähige, die über ihr Lohn- oder Gehaltskonto durch Banküberweisung verfügen wollen. Die Minderjährigen erwerben zwar Teilgeschäftsfähig1 BT-Drucks. 14/745, 10. 2 Hadding/Häuser, ZHR 145 (1981), 138, 140; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 12. 3 Sprau in Palandt, § 665 BGB Rz. 5. Nach Canaris, WM 1980, 354, 357 hat der Überweisungsauftrag eine Doppelnatur (Weisung im auftragsrechtlichen Sinne und abstrakte Anweisung i.S.d. § 783 BGB). Der Begriff der Weisung findet sich u.a. in § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB, §§ 384 Abs. 1, 408 Abs. 1 HGB (Schäfer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 665 BGB Rz. 4). 4 Wittmann in Staudinger, Neubearb. 2006, § 665 BGB Rz. 2; Sprau in Palandt, § 665 BGB Rz. 2. 5 Hadding/Häuser, ZHR 145 (1981), 138, 140. 6 Schäfer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 665 BGB Rz. 4. 7 Schäfer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 665 BGB Rz. 4. 8 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 377 ff.
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keit, wenn sie mit Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter ein Arbeits- oder Dienstverhältnis eingehen. Diese partielle Geschäftsfähigkeit deckt jedoch nach herrschender Meinung nur die Errichtung eines Lohn- oder Gehaltskontos und Barabhebungen von diesem Konto, nicht jedoch die Erteilung von Überweisungsaufträgen1. Andererseits besteht bei Überweisungsaufträgen unter den üblichen Bedingungen für die kontoführende Stelle ein Kontrahierungszwang, weil Zweck des dem Girokonto zugrunde liegenden Girovertrages die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs für den Kontoinhaber ist2. 2. Inhalt der Geschäftsbesorgungspflicht der Bank Die Zahlungsinstitut hat den Zahlungsauftrag, wenn die vereinbarten Ausführungsvoraussetzungen gem. § 675o Abs. 2 BGB vorliegen, unverzüglich und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 HGB) auszuführen.
4.189
Gemäß § 675s Abs. 1 BGB hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers sicherzustellen, dass der Zahlungsbetrag spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt folgenden Geschäftstags beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingeht. Sofern es sich um Zahlungen innerhalb des EWR handelt, die nicht in Euro ausgeführt werden sollen, kann eine Frist von vier Geschäftstagen vereinbart werden, für papierhaft erteilte Aufträge ist grundsätzlich eine Verlängerung um einen Geschäftstag zulässig. Gemäß § 675s Abs. 3 BGB finden die Fristen gem. § 675s Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BGB keine Anwendung auf die Bestandteile einer Zahlung innerhalb des EWR, wenn ein Fall des § 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BGB vorliegt, d.h. bei einem Zahlungsvorgang in der Währung eines Staates außerhalb des EWR, wenn sowohl der Zahlungsdienstleister des Zahlers als auch des Zahlungsempfängers seinen Sitz innerhalb des EWR hat, oder wenn mindestens einer der beteiligten Dienstleister seinen Sitz innerhalb und einer außerhalb des EWR hat. Außerdem ist bei der ersten der vorstehend genannten Alternativen, § 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1a BGB, § 675s Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Bestandteile einer Zahlung innerhalb des EWR nicht anwendbar und § 675s Abs. 2 BGB kann für den EWR-Raum ausgeschlossen werden. Nicht geregelt ist die Fallkonstellation einer Haus- oder Filialüberweisung, da hier der Zahlungsdienstleiser des Zahlungsempfängers bereits über den Betrag verfügt. Aus § 675t Abs. 1 BGB folgt in diesem Fall aber, dass nach Erteilung des Zahlungsauftrags dem Empfänger der Zahlungsbetrag unverzüglich zur Verfügung gestellt werden muss. Wertstellungstag ist dabei der Tag des Zahlungseingangs, in einem entsprechenden fall also der Tag des Zugangs des Überweisungsauftrags, während es bei institutsübergreifenden Zahlungen auf den Tag ankommt, an dem der Zahlungsdienstleiser des Zahlungsempfängers den Betrag gutgeschrieben bekommt.
4.190
Der Zahlungsauftrag begründet keine Ansprüche für den hierdurch begünstigten Buchgeldempfänger, da es sich dabei um eine Weisung innerhalb eines Zahlungsdienstevertrags gem. § 675f BGB handelt, der alleine zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister besteht und unabhängig vom Valutaverhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger ist. Erst dann, wenn der Überweisungsbetrag beim Empfängerinstitut eingegangen ist, entsteht gem. § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB der Anspruch des Zahlungsempfängers auf die Gutschrift.
4.191
1 Ellenberger in Palandt, § 113 BGB Rz. 4 m.w.N.; Vortmann, WM 1994, 965, 966, 967. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 4.
Werner | 545
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.192
Der dem Zahlungauftrag zugrunde liegende Zahlungsvertrag entfaltet auch keine Schutzwirkung zugunsten des Zahlungsempfängers1. Es handelt sich ausschließlich um eine Rechtsbeziehung zwischen dem auftragserteilenden Zahler und seinem kontoführenden Institut2. Der Zahlungsauftrag begründet auch keinen Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 BGB in den Fällen der Avisierung der Überweisung durch den erstbeauftragten Zahlungsdienstleister oder ihren Kunden gegenüber dem Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers3. In einem sog. Eilavis oder Direktavis und seiner Entgegennahme durch das Empfängerinstitut liegt kein Vertrag zugunsten des Zahlungsempfängers4. Hierdurch wird keine rechtliche Verbindlichkeit des Avisierenden begründet5. a) Gesetzlich geregelte Geschäftsbesorgungspflicht
4.193
Das Zahlungsinstitut des Zahlers schuldet im Regelfall nicht nur ein Bemühen um die Ausführung der vom Kunden gewünschten Überweisung, wie es den Pflichten im Dienstvertrag (§ 611 BGB) entspricht. Vielmehr haftet das Zahlungsinstitut für den tatsächlichen Erfolg der Überweisung6, wie sich aus § 675y Abs. 1 Satz 5 BGB ergibt. Insofern schuldet das Institut des Überweisungsauftragsgegners einen Erfolg.
4.194
Der „Erfolg“, den das Institut des Zahlers bei einer institutsübergreifenden Überweisung seinem Girokunden aus dem Zahlungsauftrag schuldet, lässt sich aus der gesetzlichen Umschreibung des Inhalts dieses Rechtsverhältnisses entnehmen. Aus § 675y Abs. 1 und Abs. 3 BGB folgt, dass das überweisende Institut den Überweisungsbetrag rechtzeitig und ungekürzt dem Institut des Begünstigten unmittelbar oder unter Beteiligung zwischengeschalteter Institute zu diesem Zweck übermitteln muss. Diese Übermittlung gem. § 675s Abs. 1 Satz 1 BGB bedeutet, dass eine Gutschrift des Überweisungsbetrages auf einem Girokonto des Empfängerinstituts herbeigeführt wird7. Mit diesem Geldeingang erhält das Empfängerinstitut die erforderliche Deckung für die dem Überweisungsbegünstigten zu erteilende Gutschrift. Nach Deckungseingang ist das Empfängerinstitut gegenüber dem Überweisungsbegünstigten auf Grund des zu ihm bestehenden Girovertragsverhältnisses verpflichtet, auf dessen Girokonto eine entsprechende, die Überweisung vollendende Gutschrift zu erteilen8. 1 Die gegenteilige Auffassung der instanzlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf v. 21.5.1987 – 6 U 197/86, WM 1987, 1008 = NJW-RR 1987, 1327, und OLG Oldenburg v. 14.10.1997 – 9 U 26/97, NJW-RR 1998, 918 = WM 1998, 711) ist nach Meinung von Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 23 und Schmieder (in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 11) nicht haltbar; ebenso BGH v. 27.1.1998 – XI ZR 145/97, NJW 1998, 1640 = WM 1998, 592. 2 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 11. 3 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1410; OLG Düsseldorf v. 21.5.1987 – 6 U 197/86, WM 1987, 1008, 1009. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 397, 404. 5 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 12; vgl. weiter BGH v. 27.1.1998 – XI ZR 145/97, WM 1998, 592, 593, wonach mit dem Stempelaufdruck „angenommen“ auf der Durchschrift des Überweisungsauftrages ohne besondere Anhaltspunkte eine Ausführung dieses Auftrages nicht zugesichert wird. 6 BT-Drucks. 14/745, 11, 16; Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 11, 19, 28; Schulz, ZBB 1999, 287, 290; von Westphalen, BB 2000, 157, 158; Klamt/Koch, NJW, 1999, 2776, 2777; Grundmann, WM 2000, 2269, 2278; Hadding, WM 2000, 2465, 2466. 7 BT-Drucks. 14/745, 18; Bydlinski, WM 1999, 1046, 1049; Schulz, ZBB 1999, 287, 291; Uwe H. Schneider, WM 1999, 2189, 2193; Grundmann, WM 2000, 2269, 2278. 8 Kümpel, WM 2000, 797, 800.
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Die Überweisung | Teil 4
b) Pflicht zum Ausgleich der Verspätungsfolgen Das Überweisungsinstitut hat gem. § 675y Abs. 3 Satz 2 BGB die Pflicht, bei einer verspäteten Überweisung für eine valutengerechte Gutschrift Sorge zu tragen und gem. § 675z Satz 2 BGB Schadensersatz zu leisten, sofern der Schaden schuldhaft verursacht worden ist.
4.195
c) Zahlungsauftrag als weitergeleiteter Auftrag Mit Umsetzung der ersten Zahlungsdiensterichtlinie ist zwar zur Rechtsfigur des Zahlungsauftrags zurückgekehrt worden, gleichwohl hat bei einer Weiterleitung des Überweisungsauftrages das erstbeauftragte Institut die von ihm geschuldete Ausführungspflicht zwar ordnungsgemäß erfüllt1, trotzdem haftet es aber – wie sich aus § 675y Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt – für die vollständige und rechtzeitige Ausführung der Zahlung. Es kann dabei die Frage offen bleiben, ob die/das nachgeschaltete(n) Institut(e) Erfüllungsgehilfe(n) des erstbeauftragten Instituts ist (sind), denn nach § 675z Satz 3 BGB hat das erstbeauftragte Institut das Verschulden einer zwischengeschalteten Stelle wie eigenes zu vertreten, es sei denn, der Zahlungsdienstnutzer hat dieses Institut ausdrücklich vorgegeben.
4.196
Die Zurechnung des Verschuldens einer zwischengeschalteten Bank gem. § 675z Satz 3 BGB kommt gem. §§ 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1a und Nr. 2, 675e Abs. 2 BGB dann nicht in Betracht, wenn Zahlungsdienste in der Währung eines Staates außerhalb der EWR erbracht werden oder bei der Erbringung von Zahlungsdiensten, bei denen der Zahlungsdienstleister des Zahlers oder des Zahlungsempfängers außerhalb des EWR belegen ist. Außerdem kann gem. § 675e Abs. 4 BGB dann, wenn der Zahlungsdienstnutzer kein Verbraucher ist, die Haftung gem. § 675z Satz 3 BGB abbedungen werden. Damit kann nur noch in diesem Fall die Haftung für den Erfüllungsgehilfen wie nach der bis zum 31.10. 2009 geltenden Rechtslage ausgeschlossen werden bzw. kommt gar nicht erst in Betracht2.
4.197
d) Quasi-Erfüllungsgehilfenhaftung der Überweiserbank mittels Garantiehaftung Die Verschuldensregelung stellt aber nur klar, dass das Überweisungsinstitut das Verschulden eines zwischengeschalteten Instituts grundsätzlich wie eigenes Verschulden zu vertreten hat, ohne jedoch hierbei die Frage zu beantworten, ob das nachgeschaltete Institut auch den Status eines Erfüllungsgehilfen des erstbeauftragten Instituts hat. Der Gesetzeswortlaut schließt jedenfalls nicht aus, dass das erstbeauftragte Institut ungeachtet seiner Verschuldenshaftung die Übermittlung des Überweisungsbetrages wie beim weitergeleiteten Auftrag selbst nicht schuldet3. Denn in § 675z Satz 3 BGB heißt es lediglich, dass der Zahlungsdienstleister das Verschulden einer zwischengeschalteten Stelle wie eigenes Verschulden zu vertreten hat. Diese Rechtsfolge entspricht der Erfüllungsgehilfenhaftung i.S.d. § 278 BGB. Bei der Haftungsnorm fehlt aber, wenn das Zahlungsinstitut eine erfolgreiche Weiterleitung des dem Empfängerinstitut zu übermittelnden Überweisungsbetrages durch die zwischengeschaltete Stelle nicht selbst werkvertraglich schuldet, sondern nur „garan1 Hansen, BB 1989, 2418, 2419; Hüffer, WM 1987, 643; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 8 Rz. 33. 2 Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 42. 3 Auch die EG-Überweisungsrichtlinie sah nach Bydlinski keine weiter gehende Geschäftsbesorgungspflicht als beim weitergeleiteten Auftrag vor; anderenfalls wären die zur Auftragsausführung eingeschalteten Banken zwingend als Erfüllungsgehilfen anzusehen (WM 1999, 1046, 1047); Kümpel, WM 2000, 797, 801.
Werner | 547
4.198
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
tiert“, das wesentliche Tatbestandsmerkmal des § 278 BGB, wonach sich der Schuldner des eingeschalteten Dritten zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient haben muss1. Der schon von der EG-Überweisungsrichtlinie und deren Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber angestrebte Schutz der Zahlungsdienstnutzer durch eine Haftung des erstbeauftragten Instituts lässt sich auch nach dem durch die Umsetzung der beiden EU-Zahlungsdiensterichtlinien erstrebten Schutzes dadurch erreichen, dass dem erstbeauftragten Zahlungsinstitut die Haftung für ein Verschulden der zwischengeschalteten Stelle auferlegt wird, ohne diese auch noch zur Erfüllungsgehilfin i.S.d. § 278 BGB werden zu lassen2. Mit dieser Quasi-Erfüllungsgehilfenhaftung lässt sich auch die wirklichkeitsfremde Unterstellung vermeiden, dass sich das erstbeauftragte Zahlungsinstitut bei einer notwendige Mitwirkung einer anderen Stelle zu wesentlich mehr verpflichten will als die Einschaltung einer sorgfältig ausgewählten und unterwiesenen, in die Weiterleitung eingebundenen Stelle. 3. Grundsatz der Formfreiheit
4.199
Weder für Zahlungsdiensteverträge noch für Zahlungsaufträge ergibt sich aus § 675f BGB eine bestimmte Form, so dass sie grundsätzlich auch mündlich und damit auch konkludent abgeschlossen bzw. erteilt werden können3. In der Praxis werden aber einheitliche Formulare, soweit nicht – was mittlerweile häufiger der Fall ist – elektronische Masken im Online-Banking zur Verfügung gestellt werden, verwendet, deren Ausgestaltung sich insbesondere an den von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes vereinbarten „Richtlinien für einheitliche Zahlungsverkehrsvordrucke“ zu orientieren haben4. Diese Formulare sehen eine Zeile für die Unterschrift des Auftraggebers vor. Hierin liegt aber keine Vereinbarung der Schriftform nach § 127 BGB5. Überweisungsformulare, die keine Unterschrift unter dem Text tragen, sondern nur oben am Rand rechts gezeichnet sind („Oberschrift“), begründen z.B. nicht die Vermutung der Echtheit (§§ 440 Abs. 2, 416 ZPO). Es greift auch nicht der Erfahrungssatz ein, dass unterschriebene Urkunden die vollständige Willenserklärung einer Partei richtig wiedergeben6. Das Zahlungsinstitut braucht im Üb1 So Gößmann/van Look zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Überweisungsgesetz. Danach werden Mitarbeiter und Organpersonen zwischengeschalteter Banken „in der Sache Erfüllungsgehilfen gleichgestellt“ und „wie Erfüllungsgehilfen des überweisenden Kreditinstitutes behandelt“ (WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 24, 40). Nach Nobbe, der in der Weiterleitung des Überweisungsbetrages durch die zwischengeschalteten Banken eine eigene werkvertragliche Leistungspflicht der Überweiserbank erblickt, sind die nachgeordneten Banken Erfüllungsgehilfen der Überweiserbank (WM 2000, Sonderbeil. Nr. 4, 8, 9, 19). Vgl. weiter von Westphalen, BB 2000, 157, 159, 162; Klamt/Koch, NJW 1999, 2276, 2278; Schulz, ZBB 1999, 287, 289; Grundmann, WM 2000, 2269, 2279. 2 A.A. Einsele, wonach das faktische Unvermögen der erstbeauftragten Bank zur Gutschriftserteilung auf dem Konto einer anderen Bank nicht dagegen spreche, dass sie sich gleichwohl hierzu verpflichtet mit der Konsequenz, dass die nachgeschalteten Banken zwingend ihre Erfüllungsgehilfen wären (AcP 198 [1998], 143, 175). 3 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 4. 4 Maßgebend sind derzeit die am 16.10.1995 in Kraft getretenen „Richtlinien für einheitliche Zahlungsverkehrsvordrucke“ (1995), die „Richtlinien für eine einheitliche Codierung von zwischenbetrieblichen weiterzuleitenden Zahlungsverkehrsbelegen“ (Codierungsrichtlinien) sowie das seit dem 16.4.1996 geltende „Abkommen zum Überweisungsverkehr“, das Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten begründet (Nr. 6 des Abkommens). 5 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 5. 6 BGH v. 20.11.1990 – XI ZR 107/89, WM 1991, 57; BGH v. 21.1.1992 – XI ZR 71/91, WM 1992, 626.
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Die Überweisung | Teil 4
rigen Aufträge mit faksimiliertem Namenszug nur zu akzeptieren, wenn der Girokunde sie von den damit für sie verbundenen Risiken durch eine entsprechende Erklärung freigestellt hat1. Beim beleglosen Zahlungsverkehr sind die papierhaften Formulare durch elektronische Medien abgelöst worden. Insbesondere in Einzelfällen können jedoch Überweisungsaufträge auch fernmündlich und fernschriftlich erteilt werden2.
4.200
4. Daueraufträge und sonstige Auftragsformen Der Zahlungsdienstevertrag als Einzelzahlungsvertrag ist regelmäßig auf eine einmalige Überweisung gerichtet. Er kann aber auch einen „Dauerauftrag“ für Überweisungen derselben Beträge an denselben Empfänger zu wiederkehrenden Zeitpunkten beinhalten und stellt dann einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 BGB dar3.
4.201
Daneben kennt die Praxis auch die sog. Sammelüberweisung. Sie ist auch nach der gesetzlichen Neuregelung möglich4. Hier wird das erste, die Unterschrift des Auftraggebers tragende Blatt des Überweisungsformulars durch eine Aufstellung der einzelnen Überweisungsbeträge zusammengefasst. Der Sammelüberweisungsauftrag muss aber die Einzelbeträge sowie die Gesamtsumme der beiliegenden Einzelüberweisungsträger enthalten. Die Unterschrift ist unter der Auflistung der Einzelüberweisungen zu leisten5, so dass eine entsprechende Zahl an Zahlungsaufträgen gem. § 675f Abs. 4 BGB innerhalb eines Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675f Abs. 2 BGB oder auch einer entsprechenden Anzahl an Einzelzahlungsverträgen vorliegen.
4.202
5. Gefälschte oder verfälschte Aufträge Wird der Überweisungsauftrag gefälscht oder inhaltlich verfälscht, so ist das Fälschungsrisiko vorrangig vom vermeintlichen erstbeauftragten Zahlungsdienstleister zu tragen. Die frühere Rechtsprechung6, die noch nicht auf der Umsetzung der PSD und der PSD II in nationales Recht beruhte, entspricht hinsichtlich des Ergebnisses – wenn auch nicht der Begründung – dem aktuellen Recht. Der Zahlungsdienstleister darf gem. § 675u Satz 1 BGB nur vom Zahler autorisierte Zahlungsvorgänge ausführen. Eine solche fehlt jedoch bei ge- oder verfälschten Aufträgen. Die Überweisung auf Grund eines gefälschten Auftrages steht einer von vornherein fehlenden Anweisung gleich7. Der Zahlungsdienstleister kann hier keinen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 675, 675f Abs. 3 Satz 2 670 BGB ge1 2 3 4 5 6
Escher-Weingart in BuB, Rz. 6/34. Vgl. BGH v. 11.3.1976 – II ZR 116/74, WM 1976, 904. Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 25. Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 25. BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392, 1293. Vgl. BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392, 1393 m.w.N.; BGH v. 11.10.1994 – XI ZR 238/93, WM 1994, 2073, 2074; BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712, 1713. Zum deliktsrechtlichen Schadensausgleich bei Ausführung gefälschter Überweisungsaufträge vgl. Häuser in FS Kümpel, 2003, S. 219, 221 ff. Vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 368 f.; für den Fall eines gefälschten Überweisungsauftrages auf Grund kollusiven Zusammenwirkens des Gutschriftempfängers mit dem zuständigen Bankangestellten vgl. BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/ 94, WM 1994, 1420, 1422 ff.; vgl. weiter Schnauder, ZIP 1994, 1069. Vgl. weiter LG Lübeck v. 5.3.1993 – 4 O 306/92, WM 1993, 1131. 7 BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712, 1713.
Werner | 549
4.203
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
gen den Kontoinhaber erheben1. § 670 BGB setzt nach seinem eindeutigem Wortlaut einen tatsächlich erteilten Auftrag voraus2. § 675u BGB stellt dies ausdrücklich klar und bestimmt, dass die Rückzahlung spätestens bis zum Ende des Geschäftstags erfolgen muss, an dem dem Zahlungsdienstleister des Überweisenden angezeigt worden ist, dass die Zahlung nicht autorisiert wurde, oder er auf andere Weise davon Kenntnis erlangt hat. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass das Überweisungsinstitut den Verdacht eines betrügerischen Verhaltens durch den Zahler hat; dann muss es aber diesen Verdacht unverzüglich schriftlich der „zuständigen Behörde“ – gemeint sein können nur Staatsanwaltschaft oder Polizei – mitteilen. Sollte sich der Verdacht nicht bestätigen, muss der Zahlungsdienstleister seine Erstattungspflicht unverzüglich prüfen und die Wiedergutschrift vornehmen.
4.204
Das Fälschungsrisiko kann auch nicht durch AGB auf den Zahler abgewälzt werden, denn, wie sich aus § 675e Abs. 4 BGB ergibt, ist § 675u BGB nicht abdingbar. Die gesetzliche Regelung nimmt damit das grundsätzliche Verbot einer verschuldensunabhängigen Sphärenhaftung auf, wie dies anhand der Fälschung von Schecks von der Rechtsprechung entwickelt worden ist3. Deshalb erwirbt der Zahlungsdienstleiter einen Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 675, 675f Abs. 3 Satz 2, 670 BGB selbst dann nicht, wenn er die Fälschung nicht erkennen konnte und diese durch einen Umstand ermöglicht wurde, der in der Sphäre des Kontoinhabers liegt4, es sei denn, dieser hat die Fälschung verschuldet.
4.205
Auch wenn das erstbeauftragte Zahlungsinstitut grundsätzlich das Fälschungsrisiko zu tragen hat, kann sich im Einzelfall eine Haftung des Zahlungsdienstnutzers für einen seinem Institut entstehenden Fälschungsschaden ergeben. Der Girokunde hat die girovertragliche Pflicht, die Gefahr einer Fälschung soweit wie möglich auszuschalten5. Hat er z.B. Überweisungsformulare blanko unterschrieben oder ausgefüllt und wurden die Formulare dann entgegen seines Willens ergänzt, haftet der Kunde wegen eines von ihm veranlassten Rechtsscheins6. Hier hat der Zahlungsdienstnutzer eine Schutzpflicht als Nebenpflicht aus dem Girovertragsverhältnis verletzt und sich deswegen schadenersatzpflichtig gemacht. Die girovertraglichen Pflicht des Kontoinhabers, die Gefahr der Fälschung eines Überweisungsauftrages soweit wie möglich auszuschalten, begründet jedoch keine Verpflichtung, an Personen seines Vertrauens keine Informationen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich näherer Angaben zu seinen Kontoverbindungen zu machen7.
4.206
Wird eine nicht autorisierte Zahlung unter Nutzung eines dem Zahlungsdienstnutzer zugeordneten Zahlungsinstruments ausgelöst, hat zwar sein Zahlungsinstitut gem. §§ 675u, 670 BGB keinen Aufwendungsersatzanspruch gegen ihn, in Betracht kommen kann dann aber eine Haftung gem. § 675v BGB. Darauf wird aber an späterer Stelle eingegangen (s. Rz. 4.589 ff. zum Online-Banking und Rz. 4.664 ff. zur girocard). 1 LG München I v. 15.7.2009 – 28 O 22448/08, WM 2010, 79, 80. 2 BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712, 1713. 3 BGH v. 13.6.1995 – XI ZR 154/94, BGHZ 130, 87, 92 = WM 1995, 1485; BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712, 1713. 4 BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712, 1713. 5 BGH v. 11.10.1994 – XI ZR 238/93, WM 1994, 2073, 2074. 6 BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392, 1393; OLG Koblenz v. 9.12.1983 – 2 U 944/ 82, WM 1984, 206, 208. 7 BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712, 1714.
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Die Überweisung | Teil 4
6. Gesetzliche Nebenpflichten aus dem Zahlungsauftrag Aus dem Zahlungsdienstevertrag erwachsen dem Zahlungsinstitut verschiedene Nebenpflichten.
4.207
a) Einhaltung der Ausführungsfristen (§ 675s Abs. 1 BGB) Aus § 675s Abs. 1 BGB folgt, dass Zahlungen, die vom Zahler ausgelöst wurden, bis zum Ende des auf den Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrags folgenden Geschäftstags ausgeführt sein müssen. Diese Frist gilt für alle Zahlungen innerhalb der EU-/EWR-Staaten in Euro. Sofern es sich um Zahlungen innerhalb der EWR-Staaten handelt, die nicht in Euro erfolgen, kann eine Frist von maximal vier Geschäftstagen vereinbart werden. Damit sind aber nur Zahlungen in anderen EWR-Währungen und nicht in Drittstaatenwährungen gemeint. Dies folgt daraus, dass bei diesen gem. § 675e Abs. 2 Nr. 1 BGB § 675y Abs. 1 BGB nicht anwendbar ist. Für beleghaft erteilte Aufträge ist die Vereinbarung einer Verlängerung aller Zahlungen um einen weiteren Tag zulässig. Für die Fälle des § 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BGB folgt aus § 675s Abs. 3 BGB, dass auch auf die innerhalb des EWR getätigten Bestandteile des Zahlungsvorgangs die eintägige Frist gem. § 675s Abs. 1 Satz 1 BGB sowie die zweitägige Frist gem. § 675s Abs. 1 Satz 3 BGB keine Anwendung finden. Liegt ein Fall des § 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1a BGB vor, findet auch die Möglichkeit der Vereinbarung einer Vier-Tages-Frist gem. § 675s Abs. 1 Satz 2 BGB keine Anwendung, so dass in diesem Fall auch längere Fristen vereinbart werden können.
4.208
b) Rückfrage- und Benachrichtigungspflichten des erstbeauftragten Instituts bei Überweisungen (§§ 666 und 675o Abs. 1 BGB) Die beim Giroverkehr mitwirkenden Zahlungsinstitute müssen sich streng an den ihnen erteilten formalen Auftrag halten (Grundsatz der formalen Auftragsstrenge)1. Deshalb ist nach auftragsrechtlichen Grundsätzen beim auftragserteilenden Zahlenden zurückzufragen, sollten konkrete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des Auftrags bestehen2. An diesen Grundsätzen hat sich auch durch die verschiedenen Neufassungen des Zahlungsdiensterechts im BGB nichts geändert. Allerdings führen die Zweifel und Nachfragen des erstbeauftragen Instituts nicht dazu, dass sich die Ausführungsfristen gem. § 675s BGB dadurch verlängern würden. Aus § 675o Abs. 2 BGB folgt, dass ein Zahlungsauftrag nur abgelehnt werden darf, wenn die vereinbarten Ausführungsbedingungen vorliegen und es keine auf Rechtsvorschriften beruhende Hinderungsgründe gibt. Bestätigen sich die Zweifel des Instituts nicht, darf es die Zahlung nicht ablehnen und muss sie fristgerecht ausführen. Kommt es aufgrund evtl. Nachforschungen des Instituts in diesen Fällen zu Verzögerungen bei der Ausführung, haftet das Institut gem. § 675y Abs. 3 BGB für den Verspätungsschaden. Wenn das Zahlungsinstitut aus besonderen Gründen von dem Auftrag meint abweichen zu müssen, hat es seinen Kunden umgehend zu benachrichtigen und seine Autorisierung der Änderung gem. § 675j Abs. 1 BGB einzuholen. Dies folgt zum einen aus der Pflicht des Beauftragten, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben (§ 666 BGB), zum anderen aber auch aus § 675u BGB, da ein eigenmächtig geänderter Auftrag 1 BGH v. 15.12.1975 – II ZR 28/74, WM 1976, 630, 631; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 = NJW 1987, 317 ff.; BGH v. 12.10.1999 – XI ZR 294/98, WM 1999, 2255; OLG Schleswig v. 27.7.2000 – 5 U 63/99, WM 2001, 812. 2 OLG München v. 9.3.1995 – 32 U 5600/94, WM 1995, 1017, 1018 für den Fall der Mehrdeutigkeit des Überweisungsauftrages.
Werner | 551
4.209
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
nicht autorisiert wäre und keinen Aufwendungsersatzanspruch begründen könnte. Gleichzeitig könnte die Nichtausführung des ursprünglich erteilten Auftrags Ansprüche aus §§ 675y Abs. 1 und 675z BGB begründen. Eine solche Benachrichtigungspflicht obliegt dem Zahlungsinstitut gem. § 675o Abs. 1 Abs. 1 BGB grundsätzlich, wenn es den Zahlungsauftrag nicht ausführen will. Es müssen dabei – soweit dies möglich und rechtlich zulässig ist – die Gründe für die Ablehnung sowie die Berichtigungsmöglichkeiten angegeben werden. Das erstbeauftragte Institut kann für die berechtigte Ablehnung eines Zahlungsauftrags ein Entgelt in Rechnung stellen, sofern dies zuvor mit dem Auftraggeber vereinbart worden ist. Während vor Umsetzung der PSD II die Vereinbarung eines Entgelts für die Benachrichtigung über die Ablehnung zulässig war1, erlaubt die seit 13.1.2018 geltende Fassung des § 675o BGB nur noch die Berechnung eines Entgelts für die Ablehnung. Da nach § 675f Abs. 5 Satz 2 BGB sich die Kosten für entsprechende Entgelte an den „tatsächlichen Kosten“ auszurichten haben, kann das Entgelt nicht so hoch bemessen werden, dass es auch die Unterrichtungskosten mitumfasst, wenn diese nicht Bestandteil der Ablehnung sind2. Wird die Benachrichtigung über die Ablehnung als wesentlicher Bestandteil der „Ablehnung“ betrachtet, lässt sich die Einbeziehung der dafür anfallenden zusätzlichen Kosten in das Entgelt für die Ablehnung rechtfertigen3. Allerdings stellt sich in diesem Fall die Frage, warum der Gesetzgeber die Unterrichtung nicht in die Möglichkeit der Bepreisung mit einbezogen hat, zumal der ursprüngliche Referentenentwurf ausdrücklich beide Tatbestände als entgeltpflichtig enthielt4. Der Wortlaut der aktuellen Vorschrift spricht deshalb eher gegen als für die Einbeziehung der Benachrichtigungskosten in das Entgelt5.
4.210
Hat es das Zahlungsinstitut versäumt, den Zahlungsdienstnutzer über die wegen mangelnden Vorliegens der Ausführungsvoraussetzungen unterbliebene Ausführung seines Zahlungsauftrages zu unterrichten, hat es seine Benachrichtigungspflicht verletzt. Daraus folgt jedoch noch nicht zwingend, dass es dadurch stets schadensersatzpflichtig ist. Denn den Kontoinhaber kann als Auftraggeber ein überwiegendes Mitverschulden gem. § 254 Abs. 1 BGB treffen, wenn er nicht für die vertraglich vereinbarten Ausführungsvoraussetzungen gesorgt hat. Allerdings stellt sich im Lichte des § 675o Abs. 1 Satz 1 BGB die Frage, ob überhaupt und ggf. welcher Raum hier noch für ein Mitverschulden des Zahlers gem. § 254 Abs. 1 BGB bleibt. Muss das Institut die Ablehnung der Zahlung innerhalb der Fristen gem. § 675s Abs. 1 BGB vornehmen, bleibt für ein Mitverschulden des Zahlers kein Raum in all den Fällen, in denen er bei rechtzeitiger Unterrichtung die erforderlichen Ausführungsvoraussetzungen hätte noch schaffen können und ein Schaden dadurch vermieden worden wäre. Für diese Umstände und Voraussetzungen ist er aber darlegungs- und beweispflichtig.
4.211
Ist die Zahlung fehlgeschlagen, muss der Zahler darüber in jedem Falle unterrichtet werden, sofern sein Institut Kenntnis davon erlangt. Das gilt auch bei einer Einzelzahlung, die nicht im Rahmen eins Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675f Abs. 2 BGB – meist eines Girovertragsverhältnisses – sondern eines auf eine einzelne Zahlung gerichteten Ein1 Vgl. BGH v. 12.9.2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013; OLG Bamberg v. 19.10.2011 – 3 U 53/ 11, WM 2011, 2318. 2 Zur sehr engen Auslegung, was unter „tatsächlichen Kosten“ zu verstehen ist, vgl. BGH v. 12.9. 2017 – XI ZR 590/15, WM 2017, 2013. 3 Vgl. Zahrte, NJW 2018, 337, 339: Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675o BGB Rz. 14. 4 Vgl. die Fassung von § 675 Abs. 4 BGB-E im Referentenentwurf des BMJV v. 19.12.2016. 5 Vgl. Werner, WM 2018, 449, 455.
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Die Überweisung | Teil 4
zelzahlungsvertrags gem. § 675f Abs. 1 BGB erfolgt1. Dies folgt auch aus § 675y Abs. 1 BGB, da der Zahlungsdienstleister dem Zahlenden dann, wenn über diesen der Zahlungsvorgang ausgelöst worden ist, den Zahlungsbetrag ungekürzt wieder erstatten muss. Damit dieser Anspruch des Zahlers jedoch erfüllt werden kann, ist es erforderlich, dass er zuvor über die Nicht-Ausführung unterrichtet worden ist. Diese Unterrichtungspflichten ergeben sich nicht aus Art. 248 § 7 und § 14 EGBGB, da diese nur an die erfolgreiche Ausführung eines Zahlungsauftrags anknüpfen. Da allerdings ein Zahlungsauftrag, wie sich aus § 675y Abs. 1 Satz 6 BGB ergibt, erst dann erfolgreich ausgeführt wurde, wenn er auf dem Konto des Empfängerinstituts eingegangen ist, handelt es sich bei einer fehlgeschlagenen Überweisung um eine nicht ausgeführte, denn fehlgeschlagen sein kann sie nur dann, wenn sie nicht auftragsgemäß ausgeführt worden ist. Beruht das Fehlschlagen darauf, dass der Auftraggeber fehlerhafte Angaben gemacht hat, weil z.B. die Kontonummer des Empfängers nicht mehr existiert oder die Angabe fehlerhaft ist, liegt letztlich eine Ablehnung der Ausführung i.S.d. § 675o Abs. 1 BGB vor, so dass dadurch die entsprechenden Unterrichtungspflichten ausgelöst werden. Bei einer erkennbar fehlerhaften Kundenkennung als Grund für die Nichtausführung einer Zahlung folgt die Unterrichtungspflicht des Zahlungsdienstleisters des Zahlers aus § 675r Abs. 3 BGB. Übrig bleiben damit nur die Fälle, in denen entweder der Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht erkannt hat, dass es sich um eine nicht existente Kundenkennung handelt oder das Empfängerkonto zwar existiert, aber für Gutschriften gesperrt ist. Wird die Zahlung vom Empfängerinstitut mangels Existenz eines entsprechenden Kontos zurückgewiesen, wird dieser Fall nicht anders zu behandeln sein als bei einer erkennbar nicht existenten Kundenkennung, so dass die Unterrichtungspflicht aus § 675r Abs. 3 BGB analog folgt. Im Übrigen könnte in der Wiedergutschrift auch ein Zahlungseingang gesehen werden, über den der Zahlungsdienstleister den Zahlungsempfänger gem. Art. 248 §§ 8 und 15 EGBGB unterrichten muss. Dies gilt auch für die Fälle, in denen das Empfängerkonto zwar existiert, aber für Zahlungseingänge gesperrt ist. Da die Gutschrift auf dem Empfängerkonto bei Zahlungen an andere Institute nicht zu den Pflichten des erstbeauftragten Zahlungsdienstleisters gehört, wie sich aus § 675y Abs. 1 Satz 6 BGB ergibt, ist die Zurückweisung durch das Empfängerinstitut wie eine „Gegen“-Zahlung zu behandeln, bei der die Informationspflichten gem. Art. 248 §§ 8 und 15 EGBGB ausgelöst werden, wenn die Zahlung wieder dem Konto des Auftraggebers gutgeschrieben wird. Der Girokunde hat im Übrigen gegen seine kontoführende Stelle gem. § 666 BGB einen Auskunftsanspruch, der auch Vorgänge betrifft, über die sie den Kunden bereits unterrichtet hat2. Dieser Anspruch umfasst nicht nur die Erteilung von Kontoauszügen, sondern auch zusätzliche Auskünfte, soweit sie zur Überprüfung der Richtigkeit einzelner Buchungen erforderlich sind3. Dabei setzt dieser Auskunftsanspruch keinen weitergehenden Anspruch voraus, dessen Vorbereitung die begehrte Auskunft dienen soll4. Auch kann der Girokunde, der von seinem Zahlungsinstitut bereits über bestimmte Vorgänge informiert worden ist, hierüber erneut Auskunft verlangen, wenn er glaubhaft macht, dass ihm die erteilten Informationen verloren gegangen sind und dem Zahlungsisntitut die erneute Auskunftserteilung noch möglich und zumutbar ist5. Dieser Anspruch ist nicht auf den Fall beschränkt, dass dem Kunden die Unterlagen ohne sein Verschulden abhanden ge1 2 3 4 5
Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 3. BGH v. 30.1.2001 – XI ZR 183/00, WM 2001, 621. BGH v. 4.7.1985 – III ZR 144/84, WM 1985, 1098, 1099. BGH v. 28.2.1989 – XI ZR 91/88, WM 1989, 518. BGH v. 28.2.1989 – XI ZR 91/88, WM 1989, 518.
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4.212
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
kommen sind. Wenn sein Auskunftsbegehren nicht mutwillig oder missbräuchlich erscheint, ist es unerheblich, wie und aus welchem Grunde er in die Lage geraten ist, erneut Auskunft zu verlangen1. Welche Informationen einem Zahler oder Zahlungsempfänger vor und nach der Ausführung von Zahlungen zur Verfügung zu stellen ist, ergibt sich aus Art. 248 §§ 4 bis 12, 13 Abs. 1, 3 bis 5 und §§ 14 bis 16 EGBGB. c) Keine Vorschussleistung des Buchgeldzahlers
4.213
Vor Umsetzung der PSD haben Zahlungsinstitute üblicherweise das Konto ihres Girokunden, schon bevor der überwiesene Betrag dem Buchgeldempfänger gutgeschrieben oder an ihn weitergeleitet worden war, mit dem Zahlungsbetrag belastet und damit konkludent einen Vorschuss i.S.d. § 669 BGB geltend gemacht2. Aus § 675t Abs. 3 Satz 3 BGB folgt jedoch, dass eine Belastungsbuchung zur Geltendmachung eines Vorschusses gem. § 669 BGB nicht mehr zulässig ist. Geltend gemacht werden kann nur noch ein Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB zeitgleich oder nachdem die Gutschrift an das in der Zahlungskette nachfolgende Institut weitergeleitet worden ist3. Das erstbeauftragte Zahlungsinstitut muss mit der Belastung allerdings nicht warten, bis die Zahlung beim Zahlungsempfänger angekommen ist; es darf nur nicht vor der Zugang des Zahlungsauftrags die Belastung vorgenommen werden.
4.214
Unterbleibt die Zahlung, etwa weil der Zahlungsempfänger kein Konto unterhält, ist die Belastungsbuchung gem. § 675y Abs. 1 Satz 2 BGB rückgängig zu machen. d) Weisungswidrige Auftragsausführung
4.215
Bei solchen Abweichungen von den Kundenweisungen muss das Zahlungsinstitut ohne Rücksicht auf ein Verschulden die erhaltene Deckung gem. § 675y Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgewähren. Dies entspricht den sich aus §§ 667, 675 BGB ergebenden Rechtsfolgen4. Missachtet dagegen ein dem überweisenden Zahlungsinstitut in der Girokette nachgeschalteten Institut die Weisung des Kunden, hat gleichwohl das Überweisungsinstitut diese Deckung herauszugeben, da § 675y BGB nicht danach differenziert, wer für die nicht weisungsgemäße Ausführung verantwortlich ist. Nur wenn ein vom Zahlungsdienstnutzer vorgegebenes Institut die wesentliche Ursache für die Nichtausführung oder fehlerhafte Ausführung der Zahlung verursacht hat. In diesem Fall haftet dieses Institut gem. § 675z Satz 3 und 4 BGB dem Zahler für evtl. Schäden. Davon erfasst werden jedoch nur solche Schäden, die nicht von § 675y BGB erfasst werden, so dass das erstbeauftragte Institut auch in diesem Fall den Überweisungsbetrag seinem Auftraggeber erstatten muss5. Rückgriffsansprüche des Überweisungsinstituts gegen das verantwortliche zwischengeschaltete Institut ergeben sich aus § 676a BGB. Es besteht jetzt, auch wenn die Institute kein Rechtsverhältnis zueinander haben, ein gesetzlicher Direktanspruch6. 1 BGH v. 28.4.1992 – XI ZR 193/91, WM 1992, 977, 979; BGH v. 30.1.2001 – XI ZR 183/00, WM 2001, 621, 622. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 345; vgl. weiter BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126, 128 = BGHZ 106, 259 ff. = NJW 1989, 582 f., wonach die Bank gem. §§ 669, 675 BGB Vorschuss verlangen konnte. 3 Grundmann, WM 2009, 1109, 1113. 4 BGH v. 17.9.1991 – XI ZR 256/90, WM 1991, 1915, 1917 = NJW 1992, 112 f. 5 Grundmann, WM 2009, 1109, 1115 f. 6 Grundmann, WM 2009, 1109, 1116.
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Die Überweisung | Teil 4
e) Verhaltens-(Schutz-)Pflichten des Zahlungsinstituts und des Kunden Die beiden synallagmatischen Hauptleistungspflichten bei der Überweisung als einem Zahlungsauftrag im Rahmen eines Zahlungsdienstevertrags gem. § 675f BGB, bei dem es sich wiederum um einen Unterfall des entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags gem. § 675 BGB handelt, sind die Pflicht des Zahlungsinstituts zur Ausführung des ihm erteilten Zahlungsauftrages und die Entgeltpflicht des Zahlenden. Diese Hauptpflicht des Zahlungsinstituts beinhaltet eine auf den „Transport“ von Buchgeld gerichtete Geschäftsbesorgung1. Zu dieser Hauptleistungspflicht des Zahlungsinstituts gehören Nebenleistungspflichten wie insbesondere die auftragsrechtliche Benachrichtigungs- und Rechnungslegungspflicht (§ 666 BGB). Bei der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinierichtlinie sind weitere Aufklärungs- und Informationspflichten statuiert worden. So haben Zahlungsinstitute dem Kunden gem. Art. 248 §§ 4 bis 12, 13 Abs. 1, 3 bis 5 und §§ 14 bis 16 EGBGB zusätzliche Informationen u.a. über Ausführungsfristen, Wertstellungszeitpunkte, Referenzkurse und weitere im Verordnungswege bestimmte Einzelheiten zur Verfügung zu stellen.
4.216
Schutzpflichten des erstbeauftragten Instituts gegenüber dem Zahler können sich auch aus dem konkreten Zahlungsauftrag ergeben2. Inhalt und Umfang dieser Pflichten sind aus einer Beurteilung der Interessenlage heraus nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu entwickeln3. So hat z.B. das erstbeauftragte Zahlungsinstitut bei einer außerbetrieblichen Überweisung die Angaben zum Verwendungszweck, die für das Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger wesentlich sind, an das nachgeschaltete Institut weiterzuleiten, da sich diese Verpflichtung aus der Angabe im Überweisungsauftrag ergibt4; die in die Ausführung der Zahlung involvierten Institute haben diesbzgl. eine Transportfunktion.
4.217
aa) Warnpflichten des Zahlungsinstituts Zu diesen Verhaltens-(Schutz-)Pflichten zählen auch Warnpflichten des Zahlungsinstituts5. Hinsichtlich ihres Umfangs ist zu berücksichtigen, dass das Girogeschäft zu dem standardisierten Massengeschäft der Zahlungsinstitute zählt. Dem Girogeschäft liegt daher ein sehr begrenzter Geschäftszweck zugrunde6. Dementsprechend erwachsen den Zahlungsinstituten auch nur eingeschränkte Verpflichtungen aus dem Girogeschäft. Zahlungsinstitute brauchen grundsätzlich keine Erwägungen über die Zweckmäßigkeit von Überweisungsaufträgen anzustellen. Denn sie haben regelmäßig keinen genügenden Einblick in die Motive und Verhältnisse ihrer Kunden, um sich ein klares Urteil über die Zweckmäßigkeit von Kundenaufträgen bilden zu können. Eine solche Pflicht des Zahlungsinstituts wäre zudem mit Zweck und Funktion des Giroverkehrs unvereinbar. Nach Ansicht des BGH werden die Institute im Giroverkehr nur zum Zwecke eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig und haben sich schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorfälle grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern7. 1 2 3 4 5
Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 52. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 94. Grüneberg in Palandt, § 241 BGB Rz. 7. BGH v. 11.3.1976 – II ZR 116/24, WM 1976, 904, 907. Vgl. hierzu Möschel, AcP 186 (1986), 212, der für den automatisierten Zahlungsverkehr auf eine weitere Zurückdrängung von Warnpflichten der Bank gegenüber dem Kunden verweist. 6 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 = NJW 1987, 317 ff.; OLG München v. 9.3. 1995 – 32 U 5600/94, WM 1995, 1017, 1019. 7 BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392, 1394 = NJW-RR 1992, 1264 ff.
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4.218
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.219
In Ausnahmefällen kann jedoch etwas anderes gelten. Eine Warnpflicht kann gegenüber dem Kontoinhaber als Auftraggeber einer Überweisung bestehen, wenn das Zahlungsinstitut Kenntnis von der Zahlungseinstellung des Buchgeldempfängers oder vom unmittelbaren Bevorstehen seines wirtschaftlichen Zusammenbruchs hat. Denn das Zahlungsinstitut kann nicht wissen, ob der Buchgeldzahler möglicherweise vorleistet. In diesem Fall hätte er ohne die Überweisung die Möglichkeit der Insolvenzaufrechnung gehabt, die vor einem Ausfall mit seiner Gegenforderung gegen den Buchgeldempfänger schützen würde. Nach § 96 InsO braucht der zur Aufrechnung befugte Gläubiger seine Forderung nicht im Insolvenzverfahren anzumelden, sondern kann sich durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung gegen den Gemeinschuldner voll befriedigen. In diesen Fällen läuft die Bank daher Gefahr, durch die Vornahme der Überweisung an einer Schädigung des Kunden mitzuwirken1. Diese Warnpflicht entfällt grundsätzlich im Abrechnungsverfahren der Deutschen Bundesbank2.
4.220
Diese Warnpflicht besteht regelmäßig selbst dann, wenn der Überweisungsempfänger ebenfalls Kunde des Zahlungsinstituts ist und sich der Überweisungsvorgang daher innerhalb eines Zahlungsinstitutes ohne Einschaltung anderer Zahlungsinstitute vollzieht. Hier verdrängt die Warnpflicht gegenüber dem Auftraggeber der Überweisung die Pflicht des Instituts gegenüber dem Überweisungsempfänger zur Wahrung des Bankgeheimnisses. Eine solche Warnpflicht des Instituts gegenüber dem Kontoinhaber wird weiter bejaht, wenn sich gegen einen Verfügungsberechtigten über das Konto der Verdacht des Missbrauchs der Vertretungsmacht aufdrängen muss3, etwa bei verdächtigen Verfügungen eines GmbH-Geschäftsführers über das Konto der Gesellschaft. Hier läuft die kontoführende Stelle Gefahr, an einer Schädigung ihres Kunden als Kontoinhaber mitzuwirken. bb) AGB-mäßige Verhaltens- und Schutzpflichten des Girokunden
4.221
Den Zahlungsdienstnutzer trifft die Verpflichtung, die nicht unerheblichen Risiken des erstbeauftragten Zahlungsinstituts im Überweisungsverkehr, insbesondere das Fälschungsrisiko, zu reduzieren, soweit entsprechende Risiken aus seiner Sphäre resultieren4. Deshalb ist der Zahlungsdienstnutzer, der Inhaber eines Girokontos ist, verpflichtet, die Kontoauszüge sowie die darin mitgeteilten Kontobewegungen gem. Nr. 11 Abs. 4 AGB-Banken daraufhin zu kontrollieren, ob er sie veranlasst oder mit entsprechenden Eingängen gerechnet hat. Werden erkannte Fehlbelastungen nicht beanstandet oder erkennt der Kontoinhaber diese schuldhaft nicht, trägt er in Abhängigkeit vom Grad seines Verschuldens einen Teil des Schadens oder auch den ganzen Schaden, der darauf zurückzuführen ist, dass die Bank ausgeführte gefälschte oder verfälschte Aufträge nicht rechtzeitig rückgängig machen konnte5. Einer Überspannung der für den Kunden zumutbaren Kontrolle ist nach der Rechtsprechung durch Anwendung eines vernünftigen Sorgfaltsmaßstabes entgegen zu wirken6. Bei der Erfüllung dieser Verhaltens- und Schutzpflichten haftet der Girokunde auch für seine Hilfspersonen (§ 278 BGB)7. 1 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588, 589; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1410 = NJW 1987, 317 ff. 2 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588, 589. 3 BGH v. 17.11.1975 – II ZR 70/74, WM 1976, 474. 4 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 124. 5 BGH v. 8.10.1991 – XI ZR 207/90, WM 1991, 1912 = NJW 1991, 3208 ff. 6 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998. 7 Zu den Einzelheiten vgl. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 129.
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Zur Vermeidung von Schäden enthalten die AGB der Kreditinstitute bestimmte (Verhaltens-)Pflichten bei der Erteilung von Aufträgen (Nr. 11 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken)1. Danach müssen Aufträge jeder Art ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Nicht eindeutig formulierte Aufträge können Rückfragen zur Folge haben, die zu Verzögerungen führen können. Vor allem hat der Kunde bei Überweisungsaufträgen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Namens des Zahlungsempfängers, der angegebenen IBAN und BIC oder ggf. der Kontonummer und Bankleitzahl2 zu achten. Änderungen, Bestätigungen oder Wiederholungen von Aufträgen müssen als solche gekennzeichnet sein (Nr. 11 Abs. 2 Satz 2 AGB-Banken).
4.222
Hält der Kunde bei der Ausführung eines Auftrages besondere Eile für nötig, weil z.B. ein Überweisungsbetrag dem Empfänger zu einem bestimmten Termin gutgeschrieben sein muss, hat er dies dem Zahlungsinstitut gesondert mitzuteilen. Bei formularmäßig erteilten Aufträgen muss dies außerhalb des Formulars erfolgen (Nr. 11 Abs. 3 AGB-Banken). Die Hinweispflicht betrifft deshalb Aufträge, die schneller als geschäftsüblich ausgeführt werden sollen3.
4.223
Führt die schuldhafte Verletzung der vertraglich vereinbarten Verhaltenspflichten des Zahlungsdienstnutzers zu einem Schaden, geht dieser vorrangig zu seinen Lasten. Hat das Zahlungsinstitut durch ein schuldhaftes Verhalten zu der Entstehung des Schadens beigetragen, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB), in welchem Verhältnis Zahlungsinstitut und Kunde den Schaden zu tragen haben.
4.224
7. Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrages Nach den gesetzlichen Regelungen ist zwischen der Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675h BGB und dem Widerruf des darauf beruhenden Zahlungsauftrags gem. § 675p BGB zu unterscheiden.
4.225
a) Kündigungsmöglichkeit des Zahlungsdiensterahmenvertrags und Widerrufsmöglichkeit des Zahlungsauftrags des Überweisenden Der Zahlungsdienstenutzer kann den Zahlungsdiensterahmenvertragvertrag gem. § 675h Abs. 1 BGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist jederzeit kündigen, selbst wenn er für einen bestimmten Zeitraum geschlossen worden sein sollte, sofern keine Kündigungsfrist vereinbart worden ist. Eine solche darf aber in keinem Fall länger als einen Monat sein. In § 675h Abs. 4 BGB wird klargestellt, dass für eine Kündigung der Zahlungsdienstleister mit dem Zahlungsdienstnutzer kein Entgelt vereinbart werden darf. Allerdings folgt aus § 675e Abs. 4 BGB, dass in Zahlungsdiensteverträgen mit Unternehmern gem. § 14 BGB § 675h BGB – und damit auch das Verbot der Entgeltvereinbarung – abbedungen werden kann. Es ist deshalb in entsprechenden Verträgen mit Unternehmern zulässig, ein Entgelt für die ordentliche Kündigung durch den Zahlungsdienstnutzer zu verein1 Zur Haftung des Bankkunden wegen girovertraglicher Pflichtverletzung vgl. Merkel in FS Kümpel, 2003, S. 365 ff. 2 Nach der Rspr. des BGH muss, wer wie z.B. die Finanzverwaltung professionell am elektronischen Zahlungsverkehr teilnimmt, peinlich darauf achten, dass die zum Zahlungsempfänger gehörende Kundenkennung korrekt angegeben werden (WM 2000, 2255, 2256 noch zur Kontonummer und Bankleitzahl, die für den Zahlungsverkehr innerhalb der EU durch die IBAN und ggf. BIC ersetzt wurden). 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 16 Rz. 22.
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4.226
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
baren. Was die Widerruflichkeit des konkreten Zahlungsauftrags anbetrifft, besteht die gesetzliche Widerrufsmöglichkeit gem. § 675p Abs. 1 BGB bis zum Zugang des Zahlungsauftrags beim Zahlungsdienstleister des Zahlers. Danach muss er nicht mehr beachtet werden, selbst wenn die Zahlung noch nicht ausgeführt worden sein sollte. Diese Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass gem. § 675s BGB die Frist für die Ausführung von Zahlungen innerhalb der EWR-Staaten nur einen Tag beträgt. Um den Anforderungen an die kurze Zahlungsdauer Rechnung zu tragen, müssen die Zahlungsinstitute die Möglichkeit zu einer elektronischen Ausführung von Zahlungen erhalten, die in der Regel ein Eingreifen und Stoppen der Ausführung nach Eingang beim Überweisungsinstitut nicht mehr erlaubt. Der Widerruf ist auch nicht mit der Möglichkeit eines Direktwiderrufs gegenüber dem Begünstigten ausgestattet1. Gemäß § 675p Abs. 4 BGB können der Zahlungsdienstleister und sein Zahlungsdienstenutzer aber weitergehende Widerrufsmöglichkeiten vereinbaren. Es ist auch zulässig, dass die in die Ausführung einer Zahlung eingebundenen Institute davon abweichende Widerrufsmöglichkeiten vorsehen. Für die Erweiterungen der Widerrufsmöglichkeiten darf der Zahlungsdienstleister mit seinem Zahlungsdienstnutzer gem. § 675p Abs. 4 Satz 3 BGB ein Bearbeitungsentgelt vereinbaren.
4.227
Im Rahmen von Zahlungsverkehrssystemen kann ein Auftrag zugunsten eines anderen Teilnehmers an einem solchen System von dem in den Regeln des Systems bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr widerrufen werden, wie sich aus § 675p Abs. 5 BGB ergibt. b) Ablehnung des Zahlungsauftrags durch das Zahlungsinstitut
4.228
Das Zahlungsinstitut des Zahlers ist grundsätzlich nicht berechtigt, einen Zahlungsauftrag abzulehnen, es sei denn, gem. § 675o Abs. 2 BGB liegen die im Zahlungsdiensterahmevertrag festgelegten Voraussetzungen für die Ausführung nicht vor. Danach kommt ein Ablehnung des Zahlungsauftrags durch das Institut des Zahlers nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dazu gehören können die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Überweisenden2 oder die Kündigung eines zur Durchführung der Überweisung erforderlichen Kredits, da es zu den Ausführungsbedingungen gehört, dass die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB geltend machen kann. Grundsätzlich ist das Instiut im Falle der Ablehnung eines Zahlungauftrags aber gem. § 675o Abs. 1 BGB verpflichtet, den Zahler über die Ablehnung sowie die Gründe dafür innerhalb der Ausführungsfristen gem. § 675s BGB mitzuteilen, es sei denn, die Mitteilung der Gründe würde gegen Rechtsvorschriften verstoßen. 8. Haftungsrechtliche Aspekte
4.229
Nach Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in innerdeutsches Recht sieht § 675y Abs. 1 BGB vor, dass der Zahlungsdienstnutzer vom Zahlungsdienstleister im Falle einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung eines Zahlungauftrags die unverzügliche und ungekürzte Erstattung des Zahlungsbetrags verlangen kann. Von einer nicht erfolgten Ausführung kann zunächst ausgegangen werden, wenn die Zahlung nicht innerhalb der sich aus § 675s BGB ergebenden Fristen erfolgt, es sei denn, sie wird danach dennoch aus1 Becher, DStR 1999, 1360, 1364; Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 36; zum früheren Recht vgl. BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1154; Grundmann, WM 2000, 2269, 2276. 2 Vgl. hierzu Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 35.
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geführt; dann liegt ein Fall der verspäteten Ausführung gem. § 675y Abs. 3 BGB vor. Werden Entgelte entgegen § 675q Abs. 1 BGB in Abzug gebracht, liegt zwar auch eine „fehlerhafte“ Ausführung des Zahlungsauftrags vor, doch greift hier die Sonderregelung gem. § 675y Abs. 1 Satz 4 BGB, wonach in diesem Fall der Differenzbetrag vom Zahlungsdienstleister des Zahlers dem Zahlungsempfänger zu erstatten ist. Das erstbeauftragte Institut ist für die Abwicklung der Überweisung verantwortlich, bis der Überweisungsbetrag dem Konto des Zahlungsinstituts des Zahlungsempfängers gutgeschrieben worden ist. Der Grundsatz der verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung des erstbeauftragten Instituts folgt insbesondere aus § 675y BGB. Danach haftet das erstbeauftragte Zahlungsinstitut gegenüber dem Zahler für die Ausführung der Überweisung, d.h. bis zum rechtzeitigen und ungekürzten Eingang des Überweisungsbetrags beim Zahlungsdienstleister des Empfängers. Die Haftung wegen verspäteter, gekürzter oder verlorener Überweisung setzt – wie sich aus § 675y Abs. 1 und Abs. 3 BGB ergibt – kein Verschulden der beteiligten Zahlungsdienstleister voraus. Aus § 675z BGB folgt jedoch, dass andere Ansprüche, die ein Verschulden im Haftungstatbestand voraussetzen, sowie Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung von der gesetzlichen Regelung für diese drei Haftungstatbestände unberührt bleiben. Hier kommen vor allem Ansprüche wegen sonstiger Pflichtverletzungen (§ 280 Abs. 1 BGB) in Betracht, etwa wenn das Institut die Begleitmitteilung zur Person des Überweisenden und zum Verwendungszweck nicht rechtzeitig weiterleitet oder Warnpflichten verletzt1.
4.230
Die verschuldensunabhängige Haftung gem. § 675y Abs. 1 und Abs. 3 BGB entfällt jedoch, wenn die Ursache für den Fehler bei der Abwicklung der Überweisung unter eine Fallvariante des § 676c Nr. 1 BGB fällt, die als höhere Gewalt angesehen werden können. Nach der gesetzlichen Definition sind unter höherer Gewalt Umstände zu verstehen, die „auf einem ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignis beruhen, auf das diejenige Partei, die sich auf dieses Ereignis beruft, keinen Einfluss hat und dessen Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können“2.
4.231
a) Verschuldensunabhängige Haftung bei verzögerter oder gekürzter Auftragsausführung Wird die Überweisung erst nach Ablauf der Ausführungsfrist gem. § 675s Abs. 1 BGB bewirkt, folgt aus § 675y Abs. 3 BGB, dass der Zahler von seinem Zahlungsdienstleister verlangen kann, dass dieser gegenüber dem Zahlungsinstitut des Zahlungsempfängers einen Anspruch darauf geltend macht, den Zahlungsempfänger so zu stellen, wie er gestanden hätte, wäre die Zahlung fristgerecht ausgeführt worden. Sofern die Voraussetzungen für den Verzug vorliegen, kann der Zahler ggf. aber auch Schadensersatzansprüche wegen Verzugs gem. § 286 BGB geltend machen, da gem. § 675z BGB neben der verschuldensunabhängigen Haftung gem. § 675y Abs. 3 BGB auch eine verschuldensabhängige Haftung in Betracht kommen kann3.
4.232
Aus § 675q Abs. 1 BGB folgt, dass Überweisungsbeträge grundsätzlich ungekürzt zu übermitteln und Abweichungen nur im Rahmen des § 675e BGB ausdrücklich vereinbart
4.233
1 Schulz, ZBB 1999, 287, 294; Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 40 ff. 2 Vgl. zur entsprechenden Definition in Art. 9 der EG-Überweisungsrichtlinie als Vorgängerregelung zur Zahlungsdiensterichtlinie Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 8. 3 Vgl. dazu Grundmann, WM 2009, 1109, 1115.
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werden dürfen. Vor allem bei grenzüberschreitenden Überweisungen ist es nicht selten zu sog. doppelten Gebührenbelastungen gekommen. Hieraus können sich insbesondere schädliche Rechtsfolgen ergeben, etwa dass der Überweisende mit der Erfüllung in Verzug gerät oder gewährte Skonti entfallen1. Das Zahlungsinstitut des Zahlers hat deshalb die von ihm selbst oder von zwischengeschalteten Instituten entgegen § 675q Abs. 1 BGB einbehaltenen Beträge ohne zusätzliche Entgelte oder Auslagen dem Begünstigten zu überweisen (§ 675y Abs. 1 Satz 4 BGB). Bei diesem Erstattungsanspruch kommt es auf ein Verschulden des erstbeauftragten Instituts nicht an. Weist das erstbeauftragte Institut gem. § 675y Abs. 1 Satz 5 BGB nach, dass der Zahlungsbetrag ungekürzt beim Dienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist, entfällt die Haftung. Sollte der Zahlungsdienstleister des Empfängers Entgelte in Abzug bringen, steht ihm dieses Recht nur zu, soweit er gem. § 675q Abs. 2 BGB mit seinem Zahlungsdienstenutzer eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat. Andernfalls muss er diese Beträge erstatten. Die Haftung des erstbeauftragten Instituts für zwischengeschaltete Institute ergibt sich aus § 676a BGB, da andernfalls der darin normierte Ausgleichsanspruch nicht erforderlich wäre. Der sich aus § 675y BGB ergebende Anspruch ist – anders als die Money-Back-Garantie gem. § 676b BGB a.F., die diesbzgl. einen Betrag i.H.v. 12.500 € zzgl. Entgelte und Auslagen vorsah – der Höhe nach nicht beschränkt. Nur in den Fällen des § 675e Abs. 2 und Abs. 4 BGB sind Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen zulässig: Im Falle des § 675e Abs. 2 Nr. 1 BGB ist § 675y Abs. 1 BGB nicht anwendbar, im Falle des § 675e Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 BGB kann § 675y BGB in seiner Gesamtheit abbedungen werden. b) Schadensersatzpflicht wegen Verschuldens bei Auftragsausführung
4.234
Wird eine Überweisung von einer zwischengeschalteten Stelle schuldhaft nicht ordnungsgemäß ausgeführt, können bei einer solchen Pflichtverletzung die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs begründet sein. Eine solche fehlerhafte Auftragsausführung liegt insbesondere vor, wenn es ein in der Girokette nachgeordnetes Institut schuldhaft versäumt, die auf Grund des Zahlungsauftrags des vorgeschalteten Instituts geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. Die hierdurch verzögerte Kontogutschrift kann dem Buchgeldzahler z.B. die Möglichkeit des Abzugs eines Skontos nehmen, den ihm der Buchgeldempfänger beim Abschluss des Kaufvertrages für die Zahlung innerhalb einer bestimmten Frist konzediert hat. Zwar hat dafür der erstbeauftragte Zahlungsdienstleister einzustehen, wie sich aus §§ 675y Abs. 3 und 675z BGB ergibt, jedoch steht diesem Institut gegenüber dem Zahlungsinstitut oder der entsprechend zwischengeschalteten Stelle, die die Ursache für die Haftung nach den genannten Vorschriften gesetzt hat, ein Ausgleichsanspruch gem. § 676a BGB zu.
4.235
Die Begründung eines solchen Schadensersatzanspruchs berührt rechtsdogmatische Grundfragen in den Fällen, in denen die fehlerhafte Bearbeitung nicht von dem eigenen Zahlungsdienstleister des Zahlers, sondern von einem nachgeschalteten Institut oder Stelle zu verantworten ist. In diesen Fällen besteht zwischen dem Zahler und der zwischengeschalteten Stelle keine Vertragsbeziehung, auf die ein solcher Schadensersatzanspruch gestützt werden könnte, denn das erstbeauftragte Institut handelt in eigenem Namen, also nur für Rechnung ihres Kunden. Dasselbe gilt für die Überweisungsaufträge, die die zwischengeschalteten Institute den in der Girokette nachgeschalteten Instituten erteilen2. Hier ent1 BT-Drucks. 14/745, 21; Hadding, WM 2000, 2465, 2468 ff. 2 Vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 387.
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Die Überweisung | Teil 4
fällt eine Haftung dieser zwischengeschalteten Stellen gegenüber dem Buchgeldzahler mangels einer vertraglichen Rechtsbeziehung1. Nach früherem Recht – vor Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes – entstand aus einem solchen Verschulden der zwischengeschalteten Stellen kein Schaden, weil solche institutsübergreifenden Überweisungen als (haftungsbegrenzende) weitergeleitete Aufträge eingeordnet worden sind und die Zwischenbanken deshalb keine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) der Überweisungsbank sein konnten2. Die Überweisungsbank schuldete ihrem Girokunden nur die ordnungsgemäße Weiterleitung des ihr erteilten Überweisungsauftrages. Diese Verpflichtung hatte sie damit erfüllt, dass sie eine andere Zwischenbank beauftragte und dieser die erforderliche Deckung zur Verfügung stellte3. Danach konnten deshalb beim mehrgliedrigen Zahlungsverkehr zugunsten des Überweisenden ggf. die Voraussetzungen für die Schadensliquidation im Drittinteresse oder eines Vertrages mit Schutzwirkungen für Dritte gegeben sein4. Dabei ist es sehr umstritten gewesen, ob der Schadensausgleich im mehrgliedrigen Giroverkehr mit der seit langem anerkannten Rechtsfigur der Drittschadensliquidation5 erreicht werden konnte oder hierzu auch Schutzwirkungen der geschäftsbesorgungsrechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen den nachgeschalteten Instituten der Girokette zugunsten des Überweisenden beigelegt werden konnten6. Auch nach der Neuregelung des Überweisungsrechts im Zuge der Umsetzung der beiden Zahlungsdiensterichtlinien und zuvor der Überweisungsrichtlinie hatte diese Streitfrage ihre praktische Bedeutung nicht verloren. Denn das erstbeauftragte Institut kann seine Haftung bei schuldhafter Verletzung der Geschäftsbesorgungspflichten betragsmäßig auf 12.500 € begrenzen, soweit es sich nicht um den reinen Erstattungsanspruch gem. § 675y Abs. 1 BGB handelt. Nach den in § 675e Abs. 2 und Abs. 4 BGB geregelten Fallgruppen kann die Haftung ggf. sowohl hinsichtlich der Reichweite als auch des Umfanges eingeschränkt werden.
4.236
Den Ersatz des Schadens auf Grund eines Vertrages kann grundsätzlich nur derjenige verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt. Tritt dagegen der Schaden bei einem Dritten ein, so haftet ihm der Schädiger in der Regel nur nach Deliktsrecht7. Deshalb hat die Rechtsprechung eine Drittschadensliquidation nur in ganz besonders gelagerten Fällen zugelassen. Wenn das durch den Vertrag geschützte Interesse infolge besonderer Rechtsbeziehungen zwischen dem aus dem Vertrag berechtigten Gläubiger und dem Träger der Interessen dergestalt auf den Dritten verlagert ist, dass der Schaden ihn und nicht den Gläubiger trifft, soll Letzterer berechtigt sein, den Drittschaden geltend zu machen8.
4.237
1 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 139. 2 BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797, 798; Kümpel, WM 1996, 1893, 1894 m.w.N.; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 139; kritisch hierzu Einsele, AcP 198 (1998), 145 ff. 3 BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797, 798; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 139. 4 Hadding in FS Werner, 1984, S. 165, 169 ff.; Hadding, WM 2000, 2465, 2468. 5 Die Drittschadensliquidation war schon bei Schaffung des BGB bekannt. Der Gesetzgeber hat jedoch ausweislich der Protokolle zum BGB für den Fall, dass in der Person des Dritten ein Schaden eintritt, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die bereits damals vorhandene Rechtsprechung zur Schadensliquidation im Drittinteresse und wegen der Schwierigkeiten bei der Gesetzesformulierung von einer gesetzlichen Regelung abgesehen und damit bewusst diesen Komplex weiterhin der Rechtsprechung überlassen (van Gelder, WM 1995, 1253, 1254). 6 Hadding/Häuser, WuB 1 D 1.–6.88 m.w.N. 7 BGH v. 21.5.1996 – XI ZR 199/95, WM 1996, 1618, 1619. 8 BGH v. 21.5.1996 – XI ZR 199/95, WM 1996, 1618, 1619 m.w.N.
Werner | 561
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.238
Rechtsprechung und Schrifttum haben Fallgruppen für bestimmte Situationen entwickelt, in denen der Schaden typischerweise in der Person eines Dritten entsteht und es hier nicht gerechtfertigt ist, den vertragswidrig handelnden Schädiger auf Kosten des Dritten vom Ersatze des dem Letzteren zugefügten Schadens zu entlasten. Diese Sachverhalte können mit den Stichworten „mittelbare Stellvertretung“, „Treuhand“, „obligatorische Gefahrentlastung“ und „Obhut für fremde Sachen“ umschrieben werden1.
4.239
Einvernehmen besteht im Wesentlichen, dass die Drittschadensliquidation auf die Fälle der mittelbaren Stellvertretung anwendbar ist2. Ein „indirekter“ Stellvertreter, wie ihn insbesondere der Kommissionär repräsentiert, handelt im Interesse seines Auftraggebers, aber im eigenen Namen (vgl. § 383 HGB). Deshalb kann ein solcher Stellvertreter, wie insbesondere das erstbeauftragte Institut, den in der Person ihres Girokunden als ihrem Auftraggeber entstandenen Schaden wie einen eigenen geltend machen3. Der „schadenslose Ersatzanspruch“ des mittelbaren Stellvertreters und der „anspruchslose Schaden“ des Auftraggebers wird in der Person des mittelbaren Stellvertreters als Gläubiger des Schadensersatzanspruches zusammengezogen, um eine zufällige Schadensverlagerung vom Gläubiger auf den Dritten zu vermeiden4.
4.240
Diese Voraussetzungen für die Drittschadensliquidation waren nach früherem Recht bis zum Inkfraftreten des Überweisungsgesetzes insbesondere im mehrgliedrigen Giroverkehr erfüllt5. Wie im sonstigen Bankgeschäft handelten auch hier die Kreditinstitute nicht im Namen ihrer (Giro-)Kunden, sondern im eigenen Namen6. In diesen Fällen war durch die Verletzung einer Vertragspflicht nicht die der Schädigerbank in der Girokette vorgeschaltete Zwischenbank als ihre Auftraggeberin im rechtlichen Sinne, sondern unmittelbar und allein der Girokunde als Buchgeldzahler geschädigt worden. Es ging also um den Ersatz des unmittelbar bei diesem Girokunden entstandenen Schadens7.
4.241
Bei einer solchen Drittschadensliquidation musste sich die anspruchsberechtigte Bank freilich bei der Geltendmachung des Drittschadens eine schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch den Überweisenden und dessen Hilfspersonen nach §§ 254, 278 BGB anrechnen lassen8.
1 van Gelder, WM 1995, 1253, 1259. 2 BGH v. 21.5.1996 – XI ZR 199/95, WM 1996, 1618, 1619; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1, Allgemeiner Teil, S. 465; van Gelder, WM 1995, 1253, 1259; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22. 3 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 155 m.w.N.; einschränkend Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 26, 45. 4 van Gelder, WM 1995, 1253, 1259. 5 Nach Hadding handelt es sich bei der Drittschadensliquidation im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr um einen „vereinbarten“ Weg des Ausgleichs von Nachteilen (Drittschadensliquidation und „Schutzwirkungen für Dritte“ im bargeldlosen Zahlungsverkehr in FS Werner, 1984, S. 165, 182 ff.). Nach Schmieder besteht dagegen kein Bedürfnis einer solchen die rechtliche Begründung unterstützenden „Annahme einer vereinbarten Drittschadensliquidation“ (in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 155 f.). 6 Hadding in FS Werner, 1984, S. 165, 177 ff. m.w.N. 7 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, S. 466; Hadding in FS Werner, 1984, S. 165, 181. 8 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 163/88, WM 1989, 1754, 1755; OLG Köln v. 11.10.1988 – 25 U 26/ 87, WM 1989, 93, 96.
562 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
Die aktuellen gesetzlichen Regelungen zum Recht der Zahlungsdienste enthalten eine solche Schadensliquidation im Interesse des Überweisenden nur noch für einen speziellen Sonderfall. Hat der Überweisende die zwischengeschaltete Stelle, die den Schaden schuldhaft verursacht hat, für die Durchführung der Überweisung vorgegeben mit der Folge, dass das erstbeauftragte Institut für das Verschulden dieser ihr nachgeschalteten Stelle im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen gem. § 675z BGB nicht einzustehen hat (§ 675z Satz 3 Halbs. 2 BGB), haftet die vom Zahlungsdienstnutzer vorgegebene Stelle diesem gem. § 675z Satz 4 BGB direkt. Hier sind die Anspruchsvoraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch in der Person des erstbeauftragten Instituts oder einer anderen der schadensverantwortlichen Stelle vorgeordneten Stelle erfüllt. Dagegen liegt der wirtschaftliche Nachteil der fehlerhaften Bearbeitung beim Zahlungsdienstnutzer. Hier kann der Überweisende seinen Schaden unmittelbar gegenüber der von ihm vorgegebenen zwischengeschalteten Stelle geltend machen (§ 675z Satz 4 BGB). Bei diesem Direktanspruch des Überweisenden handelt es sich der Sache nach um eine Drittschadensliquidation1.
4.242
c) Zahlungsauftrag zwischen beteiligten Zahlungsinstituten mit Schutzwirkung für Buchgeldzahler Der BGH hat bislang den Geschäftsbesorgungsverträgen im bargeldlosen Zahlungsverkehr Drittschutzwirkung nur im Lastschriftverfahren und im Scheckeinzugsverfahren zugemessen2. Ein Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung hat die vertraglichen Schutzwirkungen zugunsten Dritter auf den mehrgliedrigen Überweisungsverkehr übertragen und sich dabei auf die BGH-Rechtsprechung zum Lastschriftverfahren berufen3. Bislang ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine entsprechende Ausdehnung der Schutzpflichten nicht erfolgt4. Für eine entsprechende Erweiterung von Schutzpflichten besteht umso we-
1 Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 40/42, wonach in diese Richtung wohl auch die Vorstellungen des Gesetzgebers gehen, nach denen dieser Direktanspruch „sich sonst aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergäbe“ (BT-Drucks. 14/1067, 18); Hadding, WM 2000, 2468. 2 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042 ff.; BGH v. 21.2.1983 – II ZR 142/82, WM 1983, 410, 411; BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391, 1393; BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 243, 246. 3 OLG Düsseldorf v. 11.2.1982 – 6 U 151/81, WM 1982, 575, 576; OLG Düsseldorf v. 21.5.1987 – 6 U 197/86, WM 1987, 1008, 1009; OLG Frankfurt v. 9.2.1984 – 1 U 74/83, WM 1984, 726, 727. Das OLG München v. 4.12.1986 – 1 U 3855/86, WM 1988, 373 hat Schutzpflichten der Empfängerbank aus ihrem Vertragsverhältnis mit der Überweiserbank zugunsten des Überweisenden bejaht. Nach Hadding/Häuser wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung inzwischen eine solche Schutzwirkung für Dritte in den unterschiedlichsten Gestaltungen des Überweisungsverkehrs, wenn auch nicht immer überzeugend, bejaht (Hadding/Häuser, WM 1989, 589, 591). Vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 25, 395; Grüneberg in Palandt, § 328 BGB Rz. 23; Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. C/10. Verneint wird die Schutzwirkung i.E. vom OLG Hamm v. 28.9.1978 – 2 U 30/78, WM 1979, 342; LG Hamburg v. 15.4.1981 – 17 S 159/80, WM 1981, 754, 755 und LG Frankfurt v. 7.7.1982 – 2/4 O 59/82, WM 1982, 1343. Das OLG Schleswig v. 25.8.1983 – 5 U 210/82, WM 1984, 549, 550 hat diese Frage dahingestellt sein lassen. 4 Nach Nobbe ist der Überweisende nicht in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen, den die Überweiserbank im Interbankenverhältnis schließt (WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22). Kritisch gegenüber einer Schutzwirkung zugunsten des Überweisenden auch OLG Düsseldorf v. 26.10. 2000 – 6 U 51/00, WM 2001, 2000, 2001.
Werner | 563
4.243
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
niger Anlass, als auch mit der Drittschadensliquidation vernünftige Ergebnisse erzielt werden können1.
IV. Rechtsbeziehungen zwischen mitwirkenden Zahlungsinstituten 4.244
Beim außerbetrieblichen Überweisungsverkehr stehen für die Weiterleitung von Zahlungen verschiedene Gironetze („Leitwege“) zur Verfügung. Insbesondere gibt es das Gironetz der Deutschen Bundesbank, das Gironetz der Sparkassen mit regionalen Landesbanken/ Girozentralen und das Gironetz der Kreditgenossenschaften mit der DZ-Bank als Zentralbank. 1. Selbständige Vertragsverhältnisse zwischen den beteiligten Instituten (Interbankenverhältnis)
4.245
In der Girokette bestehen jeweils zweiseitige selbständige Geschäftsbesorgungsverhältnisse, die grundsätzlich als Zahlungsdienstevertrag gem. § 675f BGB qualifiziert werden können, zwischen den in einem unmittelbaren geschäftlichen Kontakt stehenden Gliedern2. Denn die zwischengeschalteten Zahlungsdienstleister treten regelmäßig als selbständige Vertragspartner auf und nicht als Stellvertreter oder Boten des erstbeauftragten Instituts bei der Übermittlung ihrer rechtsgeschäftlichen Erklärungen an den Zahlungsdienstleister des Buchgeldempfängers3. Das jeweils nächste Glied in der Girokette hat gegenüber dem vorhergehenden dieselbe auftragsrechtliche Stellung wie das erstbeauftragte Institut gegenüber ihrem Zahlungsdienstnutzer4. Der Überweisende steht nur in einer vertraglichen Beziehung zum überweisenden Institut und hat im Regelfall keine direkten Ansprüche gegen eine der zwischengeschalteten Stellen, da die Überweisung in einer Kette von selbständigen Verträgen weitergeleitet wird5. Allerdings gelten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 ZAG Zahlungsvorgänge, die innerhalb eines Zahlungsabwicklungssystems oder gem. § 2 Abs. 1 Nr. 12 ZAG zwischen Zahlungsdienstleistern, ihren Agenten oder Zweigniederlassungen auf eigene Rechnungen ausgeführt werden, nicht als Zahlungsdienste. In diesem Fall werden zwischen den Beteiligten Geschäftsbesorgungsverträge mit Dienstleistungscharakter gem. §§ 675, 611 ff. BGB abgeschlossen.
4.246
Nach dem Zahlungsdiensterichtlinien-Umsetzungsgesetz kommen die Geschäftsbesorgungsverhältnisse mit der in der Überweisungskette jeweils nachgeordneten Stelle zustande. Hierdurch verpflichtet sich eine zwischengeschaltete Stelle gegenüber der vorgeschalte1 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 153; van Gelder, WM 1995, 1253, 1259; Jung, ZEuP 1996, 659, 670 ff. Ob der BGH diesen beachtlichen Gegenargumenten folgen wird, hat er in seinem Urt. v. 9.5.2000 – XI ZR 276/99, WM 2000, 1380, 1381 ausdrücklich offen gelassen; mit BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281, 288 ff. = WM 2008, 1252, dürfte sich die Diskussion erledigt haben, denn der BGH hat darin die Schutzwirkung zugunsten Dritter abgelehnt, so dass auch für die Drittschadensliquidation kein Raum mehr bleibt, s. dazu Omlor in Staudinger, § 675z BGB Rz. 15 a.E. 2 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f.; BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 163/88, WM 1989, 1754, 1755 = BGHZ 108, 386 ff. = NJW 1990, 250 f.; vgl. hierzu Blaurock, ZBB 1990, 83 ff.; Blaurock, WM 1991, 757; Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 44 m.w.N. 3 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 4 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 133 m.w.N. 5 Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 44.
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Die Überweisung | Teil 4
ten, einen Zahlungsbetrag an eine in der Girokette nachgeordnete Stelle oder an den Zahlungsdienstleister des Überweisungsbegünstigten weiterzuleiten. § 676a BGB enthält Rückgriffsansprüche des erstbeauftragten Instituts gegenüber dem Zahlungsdienstleister, in dessen Verantwortungsbereich die Ursache für seine Inanspruchnahme begründet wurde. Schuldner des Rückgriffsanspruchs ist das Institut, das die Weiterleitung nicht (ordnungsgemäß) ausgeführt, verzögert oder ungerechtfertigte Abzüge vom Zahlungsbetrag vorgenommen hat. Es können danach auch mehrere Institute haften, sofern jedem ein entsprechender Fehler unterlaufen sein sollte. Der Rückgriff setzt kein Verschulden voraus, sofern auch die Inanspruchnahme des erstbeauftragten Instituts kein Verschulden voraussetzt. Dies ergibt sich aus den Regelungen, auf die § 676a BGB Bezug nimmt. Während der Anspruch nach § 675y BGB kein Verschulden voraussetzt, kommt eine Haftung gem. § 675z BGB nur im Falle des Verschuldens in Betracht1. Auf die Ansprüche sind die haftungsausfüllenden Vorschriften der §§ 249 ff. BGB anwendbar. Auch gilt grundsätzlich § 254 BGB, bei dessen Anwendung aber ausschließlich von Verursachungsbeiträgen auszugehen sein wird, soweit es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt.
4.247
Bei unberechtigten Abzügen (§ 675y Abs. 1 Satz 4 BGB) kann das Institut des Überweisenden grundsätzlich als eine Form der Naturalrestitution (§ 249 BGB) von dem zwischengeschalteten Institut eine Nachüberweisung verlangen.
4.248
Auch bei Inanspruchnahme der sich aus § 675y Abs. 1 BGB ergebenden verschuldensunabhängigen Haftung des erstbeauftragten Instituts soll sichergestellt werden, dass der verlorene Betrag letztlich von der Stelle gezahlt wird, der der Fehler unterlaufen ist. Hierbei wird es vor allem bei Einschaltung mehrerer Stellen nicht immer einfach festzustellen sein, bei welcher die Überweisung „hängen geblieben“ ist. § 676a BGB sieht einen Anspruch nur gegenüber dem Institut vor, in dessen Verantwortungsbereich es zur Ursache für die Haftung des erstbeauftragten Instituts gem. §§ 675y und 675z BGB gekommen ist. Folglich muss das erstbeauftragte Institut, will es Rückgriff nehmen, den Schuldner ermitteln. Eine Erleichterung kommt ihm hier nur zugute, wenn ein Zahlungsauslösedienst zwischengeschaltet worden war und dieses als Verursacher in Betracht kommt; gem. § 676a Abs. 2 und Abs. 3 BGB muss in diesem Fall der Intermediär die Autorisierung bzw. die ordnungsgemäße Auftragsweiterleitung und Aufzeichnung und fehlenden Störungen nachweisen.
4.249
Da an Zahlungsaufträgen und Zahlungsdiensteverträgen zwischen Zahlungsdienstleistern keine Verbraucher beteiligt sind, ist es hier – wie sich aus § 675e Abs. 4 BGB ergibt – zulässig, §§ 676v bis 676 BGB abzubedingen, sofern überhaupt das Recht der Zahlungsdienste Anwendung findet, so dass Haftungsbegrenzungen und -ausschlüsse in weiterem Umfange, als im Gesetz vorgesehen, zulässig sind. Allerdings können solche Regelungen nur Wirkungen entfalten, wenn das verantwortliche Institut und das haftende Institut eine unmittelbare Vertragsbeziehung haben oder z.B. durch eine Rahmenvereinbarung – wie z.B. die Interbankenabkommen – miteinander verbunden sind. Die gem. § 675z Satz 2 BGB zulässigerweise vereinbarte Haftungsbegrenzung für die Haftung des erstbeauftragen Instituts gem. § 675z BGB kommt damit mittelbar auch dem Institut zu Gute, gegen das am Ende der Ausgleichsanspruch gem. § 676a BGB besteht.
4.250
Aus § 675y Abs. 5 Satz 2 BGB folgt, dass selbst dann, wenn das beauftragte Zahlungsinstitut nicht gem. § 675y Abs. 1 BGB haftet, da die fehlerhafte Ausführung der Zahlung auf
4.251
1 Grundmann, WM 2009, 1109, 1115 f.
Werner | 565
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
eine fehlerhaft durch den Zahler angegebene Kundenkennung zurück zu führen ist, es sich gleichwohl bemühen muss, den Zahlungsbetrag wieder zu erlangen. Im Übrigen folgt aus § 675y Abs. 7 BGB, dass das Zahlungsinstitut des Zahlungsdienstnutzers, der den entsprechenden Auftrag erteilt hat, der nicht oder fehlerhaft ausgeführt wurde, seinem Auftraggeber auf Verlangen den Zahlungsvorgang nachvollziehen und darüber unterrichten muss.
4.252
Soweit den überweisenden Zahlungsdienstnutzer über den in § 675y Abs. 5 Satz 2 BGB geregelten Sonderfall hinaus ein mitwirkendes eigenes Verschulden trifft, ist der Rückerstattungsanspruch aus § 675y Abs. 1 BGB gem. § 254 Abs. 1 BGB herabzusetzen1. Bei der Bestimmung der Mitverschuldensquote ist in erster Linie auf das Maß der beiderseitigen Schadensverursachung und in zweiter Linie auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens abzustellen. Für die Haftungsverteilung kommt es deshalb wesentlich darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in erheblich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat. des Empfängers, sondern auch die IBAN der Empfängerbank richtig angegeben wird, um Fehlüberweisungen zu vermeiden. Insoweit bestehen nach dem BGH höhere Anforderungen an die Sorgfalt als bei den Privatkunden im beleghaften Überweisungsverkehr, bei dem es entscheidend auf den Namen des Überweisungsbegünstigten ankommt2. Allerdings wird für die vorstehend dargestellten Grundsätze nur noch Raum bleiben, soweit ausnahmsweise keine Ausführung von Zahlungen anhand einer Kundenkennung gem. § 675r BGB erfolgt. Sofern anhand einer Kundenkennung die Zahlung ausgeführt werden darf, folgt aus § 675y Abs. 3 BGB, dass das aus einer fehlerhaften Angabe resultierende Risiko vom Zahler zu tragen ist.
4.253
Die Pflichten im Interbankenverhältnis der Girokette werden konkretisiert durch Abkommen, Vereinbarungen und Richtlinien, die die kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände für ihre Mitgliedsinstitute verbindlich abschließen. Dies gilt insbesondere für das am „Abkommen über die SEPA-Inlandsüberweisung“ in der aktuellen Fassung vom 13.1.2018. Die Empfängerbank oder eine zwischengeschaltete Bank hält sich deshalb im Rahmen des ihr erteilten Auftrages, wenn sie für das jeweilige Verfahren diese Abkommen oder Richtlinien beachtet3. Im Übrigen gilt auch für die Empfängerbank der Grundsatz der formalen Auftragsstrenge. Die zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen der Beteiligten können grundsätzlich keine Beachtung finden4. Kommt es deshalb zu einer weisungswidrigen Fehlleitung eines Überweisungsbetrages durch die Empfängerbank im beleglosen Überweisungsverkehrs, ist der empfangene Betrag wieder zurückzuerstatten (§§ 675u, 667, 675 BGB). Dieser Rückerstattungsanspruch kann an den überweisenden Girokunden abgetreten werden, weil sich das in Abschnitt III Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch enthaltene Abtretungsverbot nach Wortlaut, Sinn und Zweck nur auf Schadenersatzansprüche erstreckt5. Dieser Anspruch kann sich wegen mitwirkenden Verschuldens des Überweisenden ermäßigen6.
1 BGH v. 11.7.2000 – X ZR 126/98, WM 2000, 2255, 2256. 2 BGH v. 11.7.2000 – X ZR 126/98, WM 2000, 2255, 2256. 3 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 163/88, WM 1989, 1754, 1755 = BGHZ 108, 386 ff. = NJW 1990, 250 f. Für das (Magnetband-)Clearing-Verfahren vgl. BGH v. 11.7.2000 – X ZR 126/98, WM 2000, 2255. 4 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19. 5 BGH v. 12.10.1999 – XI ZR 294/98, WM 1999, 2255; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19. 6 Z.B. durch fehlerhafte Angabe der IBAN (BGH v. 12.10.1999 – XI ZR 294/98, WM 1999, 2256 noch zur Bankleitzahl).
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2. Anschaffung der Deckung für den Überweisungsauftrag Die in einen Überweisungsvorgang eingeschalteten Institute brauchen an sie weitergeleitete Zahlungsaufträge erst auszuführen, wenn ihnen die entsprechende Deckung zugeflossen ist. Nach auftragsrechtlichen Grundsätzen hat der Beauftragte zwar einen Anspruch auf Vorschuss gem. § 669 BGB, aus der Regelung in § 675t Abs. 3 BGB folgt für Zahlungsvorgänge, dass eine Belastung nur noch zeitgleich oder nach Zugang des Zahlungsauftrags bei seinem Institut erfolgen darf und zu diesem Zeitpunkt der Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB entsteht1.
4.254
Werden Zahlungen über gegenseitige Kontoverbindungen der Institute untereinander ausgeführt, wird für das Konto innehabende Institut ein sog. Nostro-Konto (italienisch: „unser Konto“) belastet und für die das Empfängerkonto führende Stelle das entsprechende Loro-Konto (italienisch: „ihr Konto bei uns“) erkannt.
4.255
Unterhält das Empfängerinstitut bei dem überweisenden Institut ein Konto, erhält es auf diesem Konto eine entsprechende Gutschrift durch das überweisende Institut. Die Vermögensverschiebung zugunsten des Empfängerinstituts tritt erst ein, wenn die Gutschrift bei dem kontoführenden Institut bewirkt worden ist. Die Gutschrift bei einer nichtkontoführenden Stelle hat nur die Bedeutung einer Kontrollbuchung2. Hat dagegen das überweisende Institut ein Konto bei dem Empfängerinstitut, wird Letzteres das bei ihr unterhaltene Konto mit dem Überweisungsbetrag belasten. Das Empfängerinstitut hat durch die Kontogutschrift bzw. Kontobelastung entsprechendes Buchgeld als Deckung dafür erhalten, dass sie ihrem Kunden wegen des ihr erteilten Überweisungsauftrages eine korrespondierende Kontogutschrift zu erteilen hat3. Erhält das Empfängerinstitut eine Gutschrift vom Überweisungsinstitut, erwirbt es einen Zahlungsanspruch als vermögensrechtlichen Ausgleich für die Eingebung einer entsprechenden Zahlungsverbindlichkeit aus der dem Buchgeldempfänger erteilten Kontogutschrift. Belastet das Empfängerinstitut das bei ihr unterhaltene Konto des überweisenden Instituts, verringert sich entsprechend seine Zahlungsverbindlichkeit gegenüber dem überweisenden Institut. Hierin liegt der Ausgleich für die Eingehung einer Zahlungsverbindlichkeit aus der dem Buchgeldempfänger erteilten Kontogutschrift.
4.256
Fehlt eine unmittelbare Kontoverbindung, werden weitere Institute eingeschaltet, über die die giromäßige Buchgeldzahlung von dem Empfängerinstitut an das überweisende Institut unmittelbar oder mittelbar über weitere zwischengeschaltete Institute geleistet werden kann. Hierbei handelt es sich häufig um die Kopfstelle eines in sich geschlossenen Gironetzes wie bei den Girozentralen der Sparkassen oder der Zentralkassen der Genossenschaftsbanken. Bei einem bargeldlosen Zahlungsverkehr können daher mehr als nur zwei Zahlungsinstitute eingeschaltet werden.
4.257
3. Buchgeldzahlung unter Mitwirkung der Deutschen Bundesbank Zu den Aufgaben der Deutschen Bundesbank gehört neben der Mitwirkung an der vorrangigen Sicherung der Geldwertstabilität und der Kreditversorgung der Wirtschaft „die Sorge für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Aus1 Grundmann, WM 2009, 1109, 1113; BR-Drucks. 848/08, 184. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 3 Vgl. BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 = NJW 1987, 317 ff. zur Anschaffung dieser Deckung durch Belastung des bei der Empfängerbank unterhaltenen Kontos der Bank des Überweisenden.
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4.258
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
land“ (§ 3 BBankG). In Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung unterhielt die Deutsche Bundesbank bis zum Jahre 2000 ein privatrechtlich organisiertes Gironetz und den sog. Abrechnungsverkehr für den bargeldlosen Zahlungsverkehr der Kreditinstitute1. Mit Hilfe dieser Einrichtungen sollten die Laufzeiten im bargeldlosen Zahlungsverkehr im Interesse der Wirtschaft verkürzt werden2.
4.259
Dem Zahlungsverfahren über ein Gironetz der Bundebank liegen Geschäftsbesorgungsverträge zwischen der Bundesbank und den mitwirkenden Instituten als ihren Kontoinhabern zugrunde. Denn die Bundesbank wird bei diesem Inkassoverfahren als selbständig tätig und ist nicht nur lediglich Botin oder Vertreterin der Inkasso- oder Zwischenbank3. Da die Inkassotätigkeit gebühren- und lastenfrei erfolgt, ist das Vertragsverhältnis zur Inkassobank kein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), sondern als schlichtes Auftragsverhältnis (§§ 662 ff. BGB) zu qualifizieren. Wie auch im sonstigen Interbankenverhältnis sind die der Bundesbank erteilten Inkassoaufträge als girovertragliche Weisungen (§ 665 BGB) im Rahmen des bestehenden Girovertragsverhältnisses anzusehen4.
V. Zahlungsinstitut des Buchgeldempfängers als Letztbeauftragter in der Girokette 4.260
Im Rahmen des institutsübergreifenden Überweisungsverkehrs ist das Institut des Buchgeldempfängers in einer doppelten Rolle tätig, wenn es auf dessen Girokonto die Gutschriftsbuchung als Endpunkt des Zahlungsvorganges vornimmt. So ist das Empfängerinstitut zum einen Letztbeauftragter in der Girokette der ihm vorgeschalteten Zahlungsinstitute5. Das Empfängerinstitut steht deshalb als Beauftragter in einem Geschäftsbesorgungsverhältnis zu dem ihm vorgeschalteten Institut, wobei es sich dabei in Abhängigkeit davon, ob es um die Vereinbarung über die Durchführung einer Einzelzahlung oder aufeinander folgender Zahlungsvorgänge geht, um einen Zahlungsdienstevertrag in Form eines Einzelzahlungs- oder Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675f Abs. 1 oder Abs. 2 BGB handelt.
4.261
Das Empfängerinstitut ist auch (Empfangs-)Beauftragter im Rahmen des dem Girokonto zugrunde liegenden Girovertrags zum Kontoinhaber, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt. Auf Grund dieser Vertragsbeziehung ist das Empfängerinstitut verpflichtet, den bei ihr eingegangenen Überweisungsbetrag dem Konto des Buchgeldempfängers gutzuschreiben.
1 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588, 589; vgl. weiter Gramlich, Bundesbankgesetz, Währungsgesetz, Münzgesetz, 1988, § 3 Rz. 30 ff. 2 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391, 1392 = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff. 3 Häuser, WM 1988, 1505, 1508; Bürger, WuB I D 3.–2.86; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 112; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 110. 5 Hadding/Häuser, WM 1988, 1149, 1154; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 387; nach Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 79 ff. ist das Empfängerinstitut gerade auch im Lichte des § 675r BGB, der zur Zahlungsausführung anhand der Kundenkennung berechtigt, nicht verpflichtet, die Kundenkennung mit dem Empfängernamen abzugleichen, es soll jedoch zur Rückfrage beim Zahler verpflichtet sein, wenn es erkannt hat, dass ein anderer Empfänger gemeint ist.
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Die Überweisung | Teil 4
1. Maßgeblichkeit des Namens des Buchgeldempfängers Soweit beleghaft erteilte Überweisungsaufträge ausgeführt werden, war nach früherer ständiger Rechtsprechung der in dem Auftrag bezeichnete Name des Zahlungsempfängers und nicht die Nummer seines Girokontos maßgeblich. Dieses Prinzip des Namenskontos1 wurde daraus abgeleitet, dass der Name im Vergleich zur Kontonummer eine wesentlich sicherere Individualisierung ermöglichen sollte2. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen konnte auch der Kontonummer die ausschlaggebende Bedeutung zukommen3.
4.262
Schrieb die Empfängerbank den Überweisungsbetrag weisungswidrig nicht dem Überweisungsempfänger, sondern der angegebenen Kontonummer gut, musste sie nach früherem Recht die empfangene Deckung der ihr vorgeschalteten Bank erstatten, weil sie keinen verrechenbaren Aufwendungsersatzanspruch (§§ 670, 675 BGB) erwarb4.
4.263
In Anbetracht der sich aus § 675s BGB ergebenden Ausführungsfristen, die spätestens seit 1.1.2012 für Zahlungen innerhalb der EWR-Staaten für nur noch einen Tag betragen dürfen, bleibt für eine beleggebundene Bearbeitung von Überweisungsaufträgen kein Raum mehr. Auf Grund dessen erlaubt § 675r BGB die Ausführung von Zahlungsvorgängen anhand von Kundenkennungen. Damit ist auch die früher von Schimansky vertretene Rechtsansicht, wonach die Kreditwirtschaft nicht die nach dem Girovertrag geschuldeten Prüfungen mit der Begründung entfallen lassen könne, sie ließen sich nach dem Stand der Technik nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand EDV-mäßig erledigen5, obsolet geworden, zumindest soweit es um Zahlungen geht, die anhand von Kundenkennungen ausgeführt werden dürfen. Im EWR-Bereich ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 und 2 i.V.m. Nr. 1a) der EU-MigrationsVO, dass seit dem 1.2.2014 Überweisungen und Lastschriften nur noch anhand der IBAN ausgeführt werden dürfen. Der frühere Ausnahmefall ist damit zum gesetzlichen Regelfall geworden.
4.264
Damit hat der Gesetzgeber die Grundsätze übernommen, die vor Inkrafttreten des § 675r BGB schon im beleglosen Überweisungsverkehr galten6.
4.265
2. Unmaßgeblichkeit des Verwendungszwecks Die Überweisungsformulare enthalten eine besondere Spalte für den Verwendungszweck der Überweisung. Hierdurch soll regelmäßig eine Beziehung der Überweisung zum Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger hergestellt werden, insbesondere wenn mit dem überwiesenen Betrag eine bestimmte Zahlungsverbindlichkeit getilgt werden soll. Die Spalte für den Verwendungszweck hat keine Bedeutung für das Rechtsverhältnis zwischen Buchgeldempfänger und seiner kontoführenden Stelle7. Dies gilt gleichermaßen im Verhältnis des Buchgeldzahlers zum Zahlungsdienstleister des Buchgeld1 OLG Köln v. 11.10.1988 – 25 U 26/87, WM 1989, 93, 95; vgl. weiter OLG Schleswig v. 27.7.2000 – 5 U 63/99, WM 2001, 812, 813. 2 BGH v. 8.10.1991 – XI ZR 207/90, WM 1991, 1912, 1913 m.w.N. = NJW 1991, 3208 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 15. 3 BFH v. 13.6.1997 – VII R 62/96, WM 1998, 1482, 1484; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 15. 4 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19. 5 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 71 ff. 6 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16. 7 BGH v. 30.5.1968 – VII ZR 2/66, WM 1968, 839; BGH v. 11.3.1976 – II ZR 116/74, WM 1976, 904, 905.
Werner | 569
4.266
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
empfängers1. Das Überweisungsformular enthält daher bei der Spalte für den Verwendungszweck auch den eingedruckten Hinweis „Nur für den Empfänger“. Dieser Hinweis entspricht der Stellung der Zahlungsinstitutes bei der Vermittlung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, die bei dessen Durchführung auf die Rechtsbeziehung zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger nicht zu achten haben2. Es besteht nur eine girovertragliche Nebenpflicht der Zahlungsdienstleister zur Weiterleitung solcher Angaben3. Sollen die mitwirkenden Zahlungsinstitute zur Beachtung des Verwendungszwecks verpflichtet sein, muss außerhalb der girovertraglichen Weisung ein gesonderter Auftrag erteilt werden4.
VI. Rechtsbeziehung zwischen Buchgeldempfänger und seinem Zahlungsdienstleister 4.267
Der bargeldlose Zahlungsvorgang als „Transport“ von Buchgeld ist beendet, wenn der überwiesene Betrag dem Girokonto des Zahlungsdienstleisters des Buchgeldempfängers gutgeschrieben worden ist. Diese Gutschrift lässt für den Kontoinhaber den Anspruch auf Verfügbarkeit des für ihn eingegangen Betrags gem. § 675t Abs. 1 BGB entstehen.
4.268
Soweit der Überweisungsbegünstigte kein Girokonto unterhält und sein Zahlungsdienstleister den eingegangenen Betrag auf einem CpD-Konto (Conto pro Diverse) verbucht hat, erwirbt er auch aus dieser Verbuchung einen Anspruch gegen das Institut auf Verfügbarmachung gem. § 675y Abs. 1 Satz 1 BGB, da dieser Anspruch – wie sich aus § 675y Abs. 1 Satz 3 BGB ergibt – nicht zwingend ein Konto des Empfängers erfordert.
4.269
Das dem Girokonto zugrunde liegende Vertragsverhältnis wird herkömmlicherweise als Girovertrag bezeichnet, der der Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dient5. Der Girovetrag wird seit Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in deutsches Recht gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB dem Zahlungsdiensterahmenvertrag zugeordnet.
4.270
Im aktuellen Recht gibt es kaum noch Regelungslücken im Hinblick auf Zahlungsverfahren des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Denn die Regelungen in §§ 675c ff. BGB beziehen sich auf alle Arten von Zahlungsdiensten, so dass sie nicht nur für Überweisungen, sondern für alle Zahlungsverfahren gelten, soweit diese keine Spezialreglung erfahren haben, wie z.B. Wechsel und Scheck im WG und ScheckG.
4.271
Zwar wird der in § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB verwendete Begriff des Zahlungskontos nicht näher definiert, aus der Bestimmung des Girovertrags als Zahlungsdiensterahmenvertrag und damit als Zahlungsdienstevertrag folgt, dass das Zahlungsinstitut gem. § 675f Abs. 1 BGB verpflichtet ist, Zahlungsvorgänge für den Zahlungsdienstenutzer auszuführen. Die Legaldefinition des Zahlungsvorgangs in § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB wiederrum erfasst die Bereitstellung, Übermittlung und Abhebung eines Geldbetrags, womit alle für ein Konto relevanten Vorgänge erfasst werden. 1 OLG Düsseldorf v. 2.4.1987 – 6 U 243/86, WM 1987, 954; Schmieder in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 49 Rz. 84. 2 Vgl. BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 = NJW 1987, 317 ff. 3 BGH v. 11.3.1976 – II ZR 116/24, WM 1976, 904, 907. 4 BGH v. 10.12.1970 – II ZR 132/68, WM 1971, 158, 159; vgl. weiter Schmieder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 84. 5 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126, 128; BGH v. 11.12.1990 – XI ZR 54/90, WM 1991, 317, 318.
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Die Überweisung | Teil 4
1. Anspruch auf Gutschrift des Überweisungsbetrages Der dem Konto zugrunde liegende Girovertrag verpflichtete schon vor der Umsetzung der (ersten) EU-Zahlungsdiensterichtlinie das Empfängerinstitut, die für ihre Kunden eingehenden Beträge entgegenzunehmen und diesem Konto gutzuschreiben. Bei dem Girovertrag als Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 BGB handelt es sich um einen Unterfall des Geschäftsbesorgungsvertrags, auf den die auftragsrechtlichen Bestimmungen gem. §§ 663, 665 bis 670 und 672 bis 674 BGB gem. § 675c Abs. 1 BGB ergänzend Anwendung finden. Danach ist der Beauftragte zur Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten verpflichtet (§ 667 BGB). Die Verpflichtung zur Gutschriftserteilung setzt danach voraus, dass die kontoführende Stelle den Überweisungsbetrag selbst „erlangt“ hat, ihr also „Deckung“ verschafft worden ist. Denn nach der Rechtsansicht des BGH handelt es sich bei diesem Anspruch auf Gutschriftserteilung „um den Anspruch auf Herausgabe dessen, was der Beauftragte durch die Geschäftsbesorgung erlangt hat“1. Dies gilt auch nach aktuellem Recht, nur dass jetzt nicht mehr auf § 675 BGB zurück gegriffen werden muss, da die Zahlungsdienste als Spezialfall der Geschäftsbesorgung in § 675c ff. BGB geregelt worden sind.
4.272
Dieser Anspruch auf Gutschriftserteilung entsteht mit Eingang der buchmäßigen Deckung bei der kontoführenden Stelle2. Denn das Empfängerinstitut hat solche eingehenden Beträge sofort an den hieraus begünstigten Kontoinhaber in Form einer Kontogutschrift gem. § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB herauszugeben. Seit Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in deutsches Recht ergibt sich aus § 675p Abs. 1 BGB, dass – sofern nicht etwas Abweichendes geregelt worden ist – der als Zahler fungierende Zahlungsdienstnutzer den Zahlungsauftrag nicht mehr widerrufen kann, wenn er bei seinem Zahlungsdienstleister eingegangen ist. Es kommt dabei nicht einmal darauf an, dass der Zahlungsdienstleister schon mit der Bearbeitung begonnen hat. Durch diese starke Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit soll sichergestellt werden, dass die Institute die Infrastruktur schaffen, um die sich aus § 675s Abs. 1 BGB sich ergebenden kurzen Ausführungsfristen sicherstellen zu können.
4.273
Bei der Gutschrift handelt es sich um ein abstraktes Zahlungsversprechen gem. § 780 BGB3. Ausgeführt ist diese Buchung mit Herstellung einer autorisierten Abrufpräsenz4.
4.274
Dieser Anspruch auf Erteilung einer Gutschrift auf dem Girokonto ist bei der Umsetzung der (ersten) Zahlungsdiensterichtlinie weiter ausgeformt worden. Danach hat das Empfängerinstitut an dieses weitergeleitete Angaben zur Identifizierung der Person des Überweisenden und zum Verwendungszweck ihrem Girokunden mitzuteilen (Art. 248 § 15 Nr. 1 EGBGB). Die gesetzliche Regelung hat im Übrigen Fristen für eine baldestmögliche Gutschrift vorgegeben. Der bei dem Empfängerinstitut eingegangene Betrag ist dem Kunden gem. § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB unverzüglich zur Verfügung zu stellen, wobei gem. § 675t Abs. 1 Satz 2 BGB darunter der Geschäftstag zu verstehen ist, an dem das Empfängerinstitut den Zahlungsbetrag erhält. Wird der überwiesene Betrag nicht fristgemäß dem Konto des Kunden gutgeschrieben, so hat das Zahlungsinstitut diesem den Überweisungs-
4.275
1 BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, WM 1978, 58, 59. 2 BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6, 7 = NJW-RR 1990, 366 f.; BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192, 1193 = BGHZ 135, 316 ff. = NJW 1997, 2042 f.; vgl. hierzu Borges, WM 1998, 105 ff.; BGH v. 17.6.1997 – XI ZR 239/96, WM 1997, 1661, 1662 = NJW 1997, 3168 f. 3 Grundmann, WM 2009, 1109, 1113. 4 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, BGHZ 103, 143, 147 f. = WM 1988, 321; Möschel, AcP 186 (1986), 187, 204 f.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
betrag mit der Wertstellung gutzuschreiben, die dem Tag entspricht, an dem der Zahlungsdienstleister den für den Zahlungsempfänger bestimmten Betrag seinem Konto gutgeschrieben bekommen hat.
4.276
Für den Zeitpunkt des Eingangs der Deckung und damit des Entstehens des Anspruchs auf Gutschriftserteilung ist nicht erforderlich, dass die kontoführende Stelle hiervon Kenntnis erlangt hat1. Der Eingang der buchmäßigen Deckung erfolgt auf einem (Nostro-)Konto der kontoführenden Stelle bei einem anderen Institut dadurch, dass ihr dieser Gegenwert mit autorisierter Abrufpräsenz gutgeschrieben wird2. Dieser Deckungseingang kann auch dadurch herbeigeführt werden, dass die kontoführende Stelle das bei ihr geführte Konto des Auftraggebers, also regelmäßig der ihr in der Girokette unmittelbar vorgeschalteten Stelle, belastet.
4.277
Ausreichend ist also eine „buchmäßige“ Deckung; eine „wertmäßige“ Deckung ist dagegen nicht erforderlich3. Das Institut haftet also ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden für sein Unvermögen, auf die erlangte Deckung tatsächlich zugreifen zu können. Denn für das Girovertragsverhältnis gilt § 276 Abs. 1 Satz 1 a.E. BGB4.
4.278
Nach auftragsrechtlichen Grundsätzen trägt zwar das Risiko des zufälligen Untergangs oder einer Verschlechterung des „Erlangten“ der Auftraggeber selbst dann, wenn das Erlangte in Geld besteht5. Diese Grundsätze gelten aber lediglich für den schlichten Auftrag, nicht jedoch für das Girovertragsverhältnis, dessen wesentlicher Zweck der „Transport“ von Buchgeld ist6.
4.279
Der auftragsrechtliche Herausgabeanspruch ist nach Rechtsansicht des BGH girovertraglich dahin gehend umgestaltet, dass er „auf Gutschrift auf dem Girokonto gerichtet ist“7. Daran hat sich durch die Einführung des § 675f BGB nichts geändert, der in Abs. 2 Satz 1 BGB den Girovertrag den Regelungen des Zahlungsdiensterahmenvertrags unterstellt, denn dieser Vertragstyp erfasst die Ausführung von Zahlungsvorgängen verschiedenster Art, wozu auch die Gutschrift eingehender Zahlungen gehört.
4.280
Geregelt ist dies in § 675t Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB, der das Recht des Zahlungsempfängers auf Gutschrift und Verfügbarmachung begründet.
4.281
Die auftragsrechtliche Herausgabepflicht des Empfängerinstituts wird im Übrigen noch nicht begründet, wenn das Institut den Buchgeldzahlern des Empfängerinstituts mitteilt, dass sie von einem Kunden beauftragt sei, einen genau bezifferten Betrag auf das Konto eines bestimmten Girokunden des Empfängerinstituts zu überweisen. Dieses Institut hat in diesen Fällen noch keine Deckung erlangt. Denn ein solches Avis begründet im Regelfall keine rechtliche Verpflichtung der avisierenden Stelle gegenüber dem Empfängerinstitut8. Vielmehr stellt das Avis eine schlichte Mitteilung dar, sofern sich aus dem Wortlaut nicht 1 2 3 4 5 6 7
Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 10b. Grundmann, WM 2000, 2269, 2276. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 10b. Steffen in RGRK-BGB, § 667 BGB Rz. 17. BGH v. 14.7.1958 – VII ZR 99/57, WM 1958, 1129. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 46 Rz. 4. BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, WM 1978, 58, 59; BGH v. 28.10.1998 – VIII ZR 157/97, WM 1999, 11; vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 399. 8 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 404.
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Die Überweisung | Teil 4
etwas anderes ergibt. Das avisierende Institut trifft daher auch keine Haftung, wenn es letztlich insbesondere durch Widerruf daran gehindert wird, ihrem Avis die angekündigte Überweisung folgen zu lassen1. Vereinzelt verlangt der Überweisungsbegünstigte, dass sein Schuldner zu seinen Gunsten einen unwiderruflichen Zahlungsauftrag erteilt, der von dem Institut des Überweisenden zu bestätigen ist. In einer solchen Bestätigung kann ein abstraktes Schuldversprechen (§ 780 BGB) des Überweisungsinstituts gegenüber dem Überweisungsbegünstigten gesehen werden2. Hier kommt es ausnahmsweise zu einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Überweisungsinstitut und dem Überweisungsbegünstigten, der sein Girokonto bei einem anderen Institut unterhält. Allerdings ist zweifelhaft, ob ein solcher Widerrufsausschluss zwischen dem Auftraggeber und seinem Institut wirksam vereinbart werden kann. Nach § 675e BGB sind abweichende Regelungen zu dem Recht der Zahlungsdienste gem. §§ 675c ff. BGB nur in eingeschränktem Umfang zulässig. Aus § 675e Abs. 4 BGB folgt, dass § 675p BGB – das Widerrufsrecht – mit Verbrauchern gem. § 13 BGB nicht ausgeschlossen werden kann.
4.282
2. Anspruch aus der Gutschrift Die Gutschriftsbuchung auf dem Girokonto begründet nach allgemeiner Meinung einen abstrakten Zahlungsanspruch i.S.d. §§ 780, 781 BGB3. Diese Kontogutschriften werden häufig missverständlich als Giralgeld oder Buchgeld bezeichnet. Dieses Zahlungsmittel ist durch seine jederzeitige Verfügbarkeit gekennzeichnet, damit es wie Bargeld zur Erfüllung fälliger Zahlungsverbindlichkeiten verwendet werden kann. Hieran fehlt es aber bei für den Girokunden kontomäßig verbuchten Zahlungsansprüchen, weil diese von der Kontokorrentabrede erfasst werden, die regelmäßig mit einem Girokonto verknüpft ist. Denn über kontokorrentgebundene Forderungen kann nicht mehr selbständig verfügt werden. Buch-(Giral-)geld im engeren rechtlichen Sinne stellt vielmehr nur der jederzeit disponierbare Guthabensaldo auf dem Girokonto dar. In diesen sog. Tagessaldo fließen die einzelnen Kontogutschriften nach Verrechnung mit etwaigen Belastungsbuchungen ein4.
4.283
Die rechtserzeugende Wirkung der Gutschriftsbuchung auf dem Girokonto schließt aber nicht aus, dass in sehr begrenzten Ausnahmefällen diese Rechtswirkung wieder einseitig durch die kontoführende Stelle beseitigt werden kann. So kann die kontoführende Stelle bis zum nächsten Rechnungsabschluss das AGB-mäßige Stornorecht ausüben, wenn ihr auf Grund einer fehlerhaften Gutschriftsbuchung ein Bereicherungsanspruch erwachsen ist (vgl. Rz. 4.370 ff.). Im Übrigen kann der Buchgeldempfänger unter bestimmten Voraussetzungen die Gutschrift zurückweisen (vgl. Rz. 4.288 ff.).
4.284
Eine Sonderregelung besteht auch für die Rücküberweisung überzahlter Leistungen aus der Sozialversicherung im Falle des Ablebens des Versicherten (§ 118 Abs. 3 SGB VI, § 96 Abs. 3 SGB VII und § 66 Abs. 2 BVG). Hiernach sind Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten auf ein Girokonto gezahlt worden sind, zurückzuüberweisen5.
4.285
1 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 168 m.w.N. 2 OLG Köln v. 17.9.1993 – 20 U 251/92, ZIP 1993, 1538, 1539. 3 Nach der BGH-Rechtsprechung handelt es sich um ein Schuldversprechen (Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16). 4 Kümpel, WM 2000, 797, 799. 5 Für diese Überweisung steht der Bank kein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen zu; dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BSG v. 20.12.2001 – B 4 RA 126/00 R, WM 2002, 2144, 2145).
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Etwas anderes gilt nur, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt worden ist und die Rücküberweisung nicht aus Guthaben erfolgen kann. Durch die gesetzlichen Regelungen hat der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung einen unmittelbaren Rücküberweisungsanspruch gegen das Institut, auf das die Rentenleistungen überwiesen worden sind1. Dieser Anspruch geht grundsätzlich einem Erstattungs- oder Bereicherungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen die Erben vor. Damit wird zugunsten des Leistungsträgers der Grundsatz durchbrochen, dass Mängel im Valutaverhältnis grundsätzlich auch nur im Valutaverhältnis auszugleichen sind2.
4.286
Der Erstattungsanspruch des Versicherungsträgers überlagert auf Grund seiner öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur die vertragliche Rechtsbeziehung zwischen kontoführender Stelle und dem Kontoinhaber. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darf deshalb die kontoführende Stelle zur Finanzierung ihrer Erstattungspflicht den gegen sie gerichteten Auszahlungsanspruch des Kontoinhabers durch Belastung des Kontos um den Betrag verringern, den sie selbst zur Rücküberweisung der „überzahlten Geldleistung“ an den Versicherungsträger benötigt3. Dieses kontomäßige Belastungsrecht ist hinsichtlich seiner guthabenverringernden Rechtswirkung vergleichbar dem AGB-Stornorecht, mit dem die kontoführende Stelle ihren bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Kontoinhaber ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe im Wege der Selbsthilfe auf einfache Weise durchsetzen kann4. Der spezielle Erstattungsanspruch der Versicherungsträger ermöglicht es dem haftenden Institut – insoweit abweichend vom allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch – sich gegenüber dem Versicherungsträger auf „Entreicherung“ zu berufen. Dieser Einwand greift aber nur, wenn das Konto bei Eingang der Rückforderung des Versicherungsträgers kein zur vollständigen oder teilweisen Erstattung ausreichendes Guthaben ausweist5 und dies auf wirksamen Verfügungen des Kontoinhabers beruht. Denn die kontoführende Stelle darf die überwiesenen Beträge nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden6.
4.287
Soweit die kontoführende Stelle über bestimmte Kontobewegungen dem Versicherungsträger Auskunft erteilen muss (vgl. z.B. § 118 Abs. 3 SGB VI) liegt hierin keine verfassungswidrige Verletzung des Bankgeheimnisses, das auch dann gilt, wenn keine Bank, sondern ein Zahlungsinstitut eingeschaltet ist. Da der Zahlungsdienst ursprünglich Teil der Bankdienstleistungen war, galt für ihn auch das Bankgeheimnis. Durch die Herauslösung aus den zwingend von einem Kreditinstitut zu erbringenden Leistungen und der eigenständigen Regulierung unter dem ZAG ändert sich daran nichts. Deshalb sind auch Zahlungsinstitute, die keine Kreditinstitute sind, an das „Bankgeheimnis“ gebunden, soweit dieses auch in der Vergangenheit schon den Zahlungsverkehr erfasst hat. Diese Auskunftspflicht soll im öffentlichen Interesse eine schnelle Rücküberweisung der überzahlten Rentenbeträge ermöglichen, damit die Gelder möglichst bald dem Versicherungsträger zur Erfüllung seiner Aufgabe wieder zur Verfügung stehen7. 1 LSG Stuttgart v. 29.11.1994 – L 13 J 560/94, WM 1995, 1876, 1878; Schmieder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 173 f. 2 LSG Stuttgart v. 29.11.1994 – L 13 J 560/94, WM 1995, 1876, 1878. 3 BSG v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R, WM 2000, 1847, 1852. 4 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908. 5 BSG v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R, WM 2000, 1847, 1851. 6 BSG v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R, WM 2000, 1847, 1851; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 23. 7 BSG v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R, WM 2000, 1847, 1853.
574 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
3. Zurücküberweisung einer Kontogutschrift durch Buchgeldempfänger Ist der Buchgeldempfänger mit der Buchgeldzahlung nicht einverstanden oder widerspricht diese sogar der getroffenen Absprache, stellt sich die Frage, wie er gegen die dennoch erfolgende Gutschriftsbuchung auf seinem Girokonto geschützt werden kann. Denn eine solche „aufgedrängte“ Gutschrift1 kann für den Buchgeldempfänger unter Umständen, insbesondere bei debitorischem Konto, ungelegen kommen. So kann die kontoführende Stelle die „aufgedrängte“ oder nur versehentlich erteilte Gutschrift zur Rückführung des Schuldsaldos verwenden wollen. Selbst bei einem kreditorischen Girokonto kann diese Gutschrift ungelegen kommen, insbesondere wenn sie von einer Saldopfändung durch den Gläubiger des Buchgeldempfängers erfasst wird.
4.288
Bei solchen debitorischen Girokonten und Kontenpfändungen ist der Buchgeldempfänger in seiner Verfügung über diese Kontoeingänge beschränkt. Andererseits ist aber der Buchgeldempfänger auf Grund der Gutschriftsbuchung bereichert, wenn diese Gutschrift zur Befriedigung der kontoführenden Stelle oder des Pfändungsgläubigers führt2. Denn die Kontogutschrift hat den Zahlungsanspruch des Buchgeldempfängers aus dem Valutaverhältnis wegen seines fehlenden Einverständnisses mit der Buchgeldzahlung nicht getilgt.
4.289
Ist diese Bereicherung des Buchgeldempfängers wie bei „aufgedrängter“ Gutschrift auf Kosten des Buchgeldzahlers erfolgt3, sieht sich der Buchgeldempfänger einem Bereicherungsanspruch des Buchgeldzahlers ausgesetzt4. Der Buchgeldempfänger muss deshalb in der Lage sein, der Zuwendung eines derartigen Zahlungsanspruchs durch seine Erklärung zuvorzukommen, keine Rechte aus der Kontogutschrift herzuleiten5.
4.290
Bei fehlendem Einverständnis mit der Giroüberweisung darf deshalb der Buchgeldempfänger nach Rechtsprechung und überwiegendem Schrifttum die Kontogutschrift zurück überweisen6. Diese Zurücküberweisung hat ex tunc-Wirkung7, wie dies auch für die Ausübung des AGB-mäßigen Stornorechts der kontoführenden Stelle für die Zinsberechnung gilt (vgl. Nr. 8 Abs. 3 AGB-Banken). Nur mit einer solchen Rückwirkung lässt sich dogmatisch begründen, dass etwaige Sicherungsrechte der Bank wegen der fehlenden Tilgungswirkung der Kontogutschrift bestehen bleiben8 und Pfändungsgläubiger nicht auf ein durch die fehlerhafte Gutschrift entstandenes Kontoguthaben zurückgreifen können9. Die Rechtslage soll nach der Ausübung des Zurückweisungsrechts so anzusehen sein, als habe die kontoführende Stelle die Kontogutschrift nie erteilt10.
4.291
Der BGH hat bislang den zeitlichen Rahmen für die Ausübung des Zurückweisungsrechts offen gelassen11. Die Zurückweisung ist jedenfalls dann rechtzeitig, wenn sie unverzüglich
4.292
1 2 3 4 5 6 7 8
Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10 ff. BGH v. 18.4.1985 – VII ZR 309/84, WM 1985, 826 = NJW 1985, 2700. Hadding/Häuser, WM 1989, 589, 591. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 16 f.; Hadding/Häuser, WM 1989, 589, 591. BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560, 1562 = NJW 1990, 323 f. BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560, 1562. Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560, 1562 = NJW 1990, 323 f.; Häuser in WMFestgabe Hellner, 1995, S. 10, 15, 16; Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 423. 9 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 16. 10 Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10, 16. 11 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19.
Werner | 575
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
(„ohne schuldhaftes Zögern“ – § 121 BGB) erfolgt ist1. Nach Ansicht des OLG Celle kommt als zeitliche Schranke nur die der Verwirkung in Betracht2. Diese Problematik wird dadurch relativiert, dass das Zurückweisungsrecht entfällt, wenn der Buchgeldempfänger die Gutschrift durch schlüssiges Verhalten, insbesondere durch Kontoverfügungen angenommen („genehmigt“) hat3. Die kontoführende Stelle ist im Übrigen schutzwürdig, wenn der Buchgeldempfänger mit Rücksicht auf diese Gutschrift weiteren Kredit in Anspruch genommen oder ihm die Bank Sicherheiten freigegeben hat. Hier hat der Buchgeldempfänger mit seinem Verhalten einen Vertrauenstatbestand gesetzt, der die Geltendmachung des Zurückweisungsrechts ausschließt4. a) Rechtsnatur des Zurückweisungsrechts
4.293
Die Rechtsgrundlage dieses ausnahmsweise als Gestaltungsrecht eingeräumte Zurückweisungsrechts5 ist umstritten. Nach Ansicht des BGH ergibt sich diese neue Rechtsfigur aus einer ergänzenden Auslegung des Girovertrages (§ 157 BGB)6. Diese Lösung vermag sich den Bedürfnissen der Interessenlage flexibel anzupassen7. Kontogutschriften stehen deshalb unter der mit dem Girovertrag vereinbarten auflösenden Bedingung (§ 158 BGB), dass das in bestimmten Ausnahmefällen bestehende Zurückweisungsrecht vom Kontoinhaber nicht ausgeübt wird.
4.294
Nach einem Teil der in der Literatur vertretenen Ansicht ergibt sich das Zurückweisungsrecht aus einer analogen Anwendung von § 333 BGB, der ein solches Recht dem Begünstigten aus einem Vertrag zugunsten Dritter zubilligt8. Gegen eine solche Analogie spricht aber, dass der Buchgeldempfänger – anders als der Begünstigte eines Vertrages zugunsten Dritter – an dem Girovertrag, der die Rechtsgrundlage des ihm durch die Gutschriftsbuchung verschafften Zahlungsanspruches bildet, als Vertragspartner beteiligt ist. Überdies will die kontoführende Stelle mit dieser Gutschriftsbuchung ihre girovertragliche Herausgabepflicht (§§ 675c Abs. 1, 675f Abs. 2 Satz 1, 667 BGB) gegenüber ihrem Kunden erfüllen. Angesichts dieses Tilgungszwecks kann die kontoführende Stelle die Kontogutschrift ihrem Girokunden schwerlich aufdrängen, wie dies bei einem Vertrag zugunsten Dritter in der Person des Drittbegünstigten der Fall sein kann9. b) Reichweite des Zurückweisungsrechts
4.295
Umstritten ist, in welchen Fallkonstellationen ein solches Zurückweisungsrecht auch unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der anderen Beteiligten zuzubilligen ist. So 1 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 18; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 2 OLG Celle v. 24.3.1993 – 3 U 140/92, WM 1994, 625, 626. 3 Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10, 16; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 17 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 4 Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10, 16. 5 Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 419. 6 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560, 1562; Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10, 17; Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 419. 7 Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 419 m.w.N.; Meder, WM 1999, 2137 ff. 8 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 473. 9 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 16 ff.; Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10, 15; Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. B 432 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 17.
576 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
kann auch für die kontoführende Stelle des Buchgeldempfängers die girovertragliche Pflicht zur Zurückweisung des gutgeschriebenen Betrages nachteilig sein, wenn sie mit Rücksicht auf die Kontogutschrift ihrem Kunden weitere Kredite gewährt oder eine Sicherheit aufgegeben hat1. Der BGH hat bisher ein solches Zurückweisungsrecht nur anerkannt, wenn es an einem Valutaverhältnis zwischen Buchgeldempfänger und Buchgeldzahler fehlt, das den Rechtsgrund für die Gutschrift bilden könnte2. Das Schrifttum geht jedoch über diesen Ansatz hinaus und bejaht ein generelles Zurückweisungsrecht3. Nach Rechtsansicht des BGH muss jedoch ein solches Zurückweisungsrecht auf Ausnahmefälle begrenzt bleiben, für die ein triftiger, mit dem Willen und der Interessenlage der Girovertragspartner vereinbarter Rechtfertigungsgrund besteht. Ein uneingeschränktes Zurückweisungsrecht würde einen ungehinderten Giroverkehr nicht mehr gewährleisten und den Tagessaldo als Grundlage für die Kontoverfügung entwerten4.
4.296
Die kontoführende Stelle braucht im Übrigen ihr Interesse an einer Verrechnung des Zahlungseinganges mit einem Debetsaldo auf dem Girokonto nicht im Interesse ihres Kunden an der Verhinderung dieser Befriedigungsmöglichkeit zu opfern. Ebenso schutzwürdig sei das Interesse des Pfandgläubigers an der Befriedigung auch aus diesen Zahlungseingängen5.
4.297
Ein Zurückweisungsrecht besteht nach Rechtsansicht des BGH aber in den Fällen, in denen der zurückgewiesene Gutschriftsbetrag dem Kontoinhaber materiell nicht oder nicht mehr zusteht6. Denn das Recht der kontoführenden Stelle zur Erteilung einer Gutschrift lässt sich lediglich für solche Geldeingänge rechtfertigen, die in Wahrheit für den Kontoinhaber bestimmt sind7. Die innere Rechtfertigung für das Zurücküberweisungsrecht liegt mithin im Fehlen eines Valutaverhältnisses, das einen Rechtfertigungsgrund für die Buchgeldzahlung bilden konnte8.
4.298
Besteht dagegen zwischen Buchgeldempfänger und dem Buchgeldzahler ein Valutaverhältnis, kann die Kontogutschrift nach Ansicht von Schmieder nicht zurückgewiesen werden9. In diesen Fällen kann der Buchgeldzahler, insbesondere bei einem rechtzeitigen – dem Buchgeldempfänger unbekannt gebliebenen – Widerruf einen Bereicherungsanspruch erlangen. Soweit diese Buchgeldzahlung nicht im Einverständnis des Empfängers erfolgt ist oder gar den mit dem Buchgeldzahler vereinbarten Zahlungsmodalitäten widerspricht, wird die dem Valutaverhältnis zugrunde liegende Zahlungsverbindlichkeit des Buchgeldzahlers nicht getilgt. Der Buchgeldempfänger wird aber durch die Zugriffsmöglichkeit der kontoführenden Stelle oder des Pfändungsgläubigers auf Kosten des Buchgeldzahlers bereichert10.
4.299
1 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560, 1562 = NJW 1990, 323 f.; Häuser in WMFestgabe Hellner, 1995, S. 10. 2 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560, 1562; Schmieder in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 47 Rz. 17. 3 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 m.w.N. = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f.; vgl. hierzu Häuser, ZIP 1995, 89 ff. 4 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149, 150. 5 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 16 ff. 6 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149, 150 = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f. 7 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 16 ff. 8 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 9 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 16 ff. 10 BGH v. 18.4.1985 – VII ZR 309/84, WM 1985, 826 = NJW 1985, 2700.
Werner | 577
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.300
Der Buchgeldzahler kann jedoch in diesen Fällen nicht mit seinem Bereicherungsanspruch gegen die durch die Kontogutschrift nicht getilgte Forderung des Buchgeldempfängers aus dem Valutaverhältnis aufrechnen. Dieser Aufrechnungsausschluss ist geboten, damit nicht über dieses Erfüllungssurrogat (§ 389 BGB) letztlich doch eine Schuldbefreiung erreicht würde, die bei einer vom Buchgeldempfänger nicht gebilligten Buchgeldzahlung gerade nicht eintreten soll1. 4. Verhaltens-(Schutz-)Pflichten des Zahlungsdienstnutzers
4.301
Aus der girovertraglichen Rechtsbeziehung erwachsen nicht nur dem Zahlungsinstitut Verhaltens- und Schutzpflichten. Dem Zahlungsdienstnutzer obliegt die vertragliche Nebenpflicht, die ihm vom Zahlungsinstitut mitgeteilten Kontobewegungen und Kontostände zu kontrollieren und gegebenenfalls Fehler gegenüber dem Zahlungsdienstleister zu beanstanden. Diese Verhaltenspflicht ist in den AGB-Banken ausformuliert worden. Danach hat der Kunde Kontoauszüge und bestimmte weitere Mitteilungen auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben (Nr. 11 Abs. 4 AGB-Banken). Der Giroverkehr mit seinen massenhaft anfallenden Geschäftsvorgängen kann nur unter dieser Voraussetzung zuverlässig funktionieren2. Bei Verletzung dieser Kontrollpflicht kann sich der Kunde wegen positiver Forderungsverletzung schadensersatzpflichtig machen3. Der Kunde kann sich auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen, wenn er einen ihm irrtümlich gutgeschriebenen Betrag für eine sonst nicht geplante Urlaubsreise ausgegeben hat4. Er muss vielmehr nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen seinem Institut den von ihm abverfügten Betrag wieder anschaffen, wenn der Irrtum dieses Instituts bei der gebotenen Sorgfalt hätte erkannt werden können (§ 276 BGB). 5. Beendigung des Girovertrages
4.302
Der Girovertrag als ein Dauerschuldverhältnis und Unterfall des Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB kann nach allgemeinen Grundsätzen aus wichtigem Grunde fristlos gekündigt werden. Der Kunde kann diese Kontoverbindung auch ohne Vorliegen eines Grundes jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wie sich aus § 675h Abs. 1 BGB ergibt. Gemäß § 675h Abs. 4 BGB darf für die Kündigung des Zahlungsdienstnutzers kein Entgelt vereinbart werden, um das Recht zur Kündigung nicht einzuschränken. Allerdings ist gem. § 675e Abs. 4 BGB diese Regelung abdingbar, so dass der Zahlungsdienstleister mit einem Unternehmer als Zahlungsdienstnutzer für den Fall von dessen fristgemäßer Kündigung ein Entgelt vereinbaren kann.
4.303
Das Zahlungsinstitut kann den Girovertrag gem. § 675h Abs. 2 BGB nur kündigen, wenn dieser Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde und ein Kündigungsrecht vereinbart wurde. Dabei muss die Kündigungsfrist gem. § 675h Abs. 2 Satz 2 BGB mindestens 1 Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10, 12; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 21; BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149. 2 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998, 999; OLG Hamm v. 14.3.1986 – 20 U 290/85, WM 1986, 704, 707. 3 BGH v. 29.1.1979 – II ZR 148/77, WM 1979, 417, 419; BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/84, WM 1985, 905, 907 = BGHZ 95, 103 ff. = NJW 1985, 2326 f. 4 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998, 999.
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Die Überweisung | Teil 4
zwei Monate betragen. Eine Kündigung zur Unzeit ohne wichtigen Grund kann die Bank schadensersatzpflichtig machen (vgl. § 627 Abs. 2 BGB)1. Mit der Beendigung des Girovertrages verliert das Girokonto seine Eigenschaft als Zahlungsverkehrskonto. Der Kunde kann deshalb insbesondere keine Überweisungsaufträge mehr erteilen. Mit Rücksicht auf die sich aus dem bisherigen Girovertragsverhältnis ergebenden nachvertraglichen Schutzpflichten2 ist das Zahlungsinstitut befugt, noch eingehende Überweisungsaufträge für ihren ehemaligen Girokunden entgegenzunehmen3. Sie hat diesen Betrag dem Kunden gem. § 667 BGB herauszugeben4. Im Übrigen hat das ehemalige kontoführende Institut den Kunden von dem Eingang der Buchgeldzahlung zu unterrichten.
4.304
Wird das Girovertragsverhältnis nach dem Tode des Kontoinhabers von einem Vorerben fortgeführt, tritt der Nacherbe in dieses Vertragsverhältnis nicht ein. Die Benutzung des Girokontos durch den Vorerben für den eigenen Zahlungsverkehr gebietet es, die mit diesem Vertragsverhältnis verbundenen Rechte und Pflichten fortan ausschließlich dem Vorerben persönlich und nicht mehr dem Nachlass zuzuordnen (vgl. § 2111 BGB)5.
4.305
Dasselbe gilt für die weitere Benutzung eines Einzel- oder Oder-Kontos für eigene Zwecke durch Miterben6. Hierdurch wird die ererbte Rechtsstellung als Beteiligter des Giroverhältnisses aus dem Nachlass herausgelöst und nunmehr ohne gesamthänderische Bindung (§§ 2038–2041 BGB) selbständig fortgesetzt. Dies läuft letztlich auf eine gegenständliche Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft hinaus7.
4.306
VII. Erfüllungswirkung der Kontogutschrift im Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger Mit der Gutschriftsbuchung auf dem Girokonto des Buchgeldempfängers erlischt nach der Rechtsprechung des BGH und der ganz überwiegenden Literaturmeinung dessen Zahlungsanspruch aus seinem Valutaverhältnis zum Buchgeldzahler8. Denn durch diese Kontogutschrift – genauer mit deren Wirksamwerden – wird dem Buchgeldempfänger ein abstraktes Forderungsrecht aus einem Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) verschafft, das vermögensmäßig an die Stelle des durch diese Buchgeldzahlung getilgten Zahlungsanspruchs aus dem Valutaverhältnis tritt. Aus der Sicht des Buchgeldempfängers vollzieht sich also eine Art Schuldnerwechsel.
4.307
Hierbei handelt es sich aber um keine Schuldübernahme i.S.d. §§ 414 ff. BGB, bei der dieselbe Verbindlichkeit vom neuen Schuldner übernommen wird. Denn mit der forderungstilgenden Kontogutschrift wird eine neue (abstrakte) Zahlungsverbindlichkeit für der kon-
4.308
1 2 3 4 5 6 7 8
Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 33b. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 36. BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, WM 1995, 745. BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, WM 1995, 745; BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, WM 2008, 1442 Rz. 12; BGH v. 5.12.2006 – XI ZR 21/06, WM 2007, 348; Schmieder in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 47 Rz. 36. BGH v. 10.10.1995 – XI ZR 263/94, WM 1995, 2094, 2095. BGH v. 18.1.2000 – XI ZR 160/99, WM 2000, 469. Hadding, WuB I B 2.–2.00. BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BFH v. 10.11.1987 – VII R 171/84, WM 1988, 252; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 476; Grüneberg in Palandt, § 362 BGB Rz. 9.
Werner | 579
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
toführenden Stelle als Schuldnerin begründet. Erst wenn dem Gläubiger ein solcher abstrakter unwiderrufbarer Zahlungsanspruch verschafft wird, kann eine Buchgeldzahlung mittels Überweisung der Barzahlung hinsichtlich der Erfüllung gleich erachtet werden1. Voraussetzung dieser Erfüllungswirkung ist aber, dass der Buchgeldzahler den geschuldeten Betrag dem Buchgeldempfänger „endgültig zur freien Verfügung“ überweist2.
4.309
Unterhält der Überweisungsbegünstigte bei dem Empfängerinstitut kein Girokonto und wird ihm deshalb der Betrag auf einem Konto pro Diverse (CpD) gutgeschrieben, erwirbt er einen Zahlungsanspruch erst, wenn die Bank ihm das Recht einräumt, über den gutgeschriebenen Betrag jederzeit verfügen zu können3. Es kommt dann zum Abschluss eines Zahlungsdienstevertrags in der Form eines Einzelzahlungsvertrags gem. § 675f Abs. 1 Satz 1 BGB, der auf einen Zahlungsvorgang in Form der Entgegennahme einer Zahlung gerichtet ist.
4.310
Schon nach früherem Recht bot es sich an, den Zeitpunkt der Forderungstilgung bereits auf den Eingang der für die Kontogutschrift bestimmten Deckung bei der kontoführenden Stelle des Buchgeldempfängers vorzuverlegen4. Damit wäre zugleich eine dogmatisch saubere Lösung für eine interessengerechte Verteilung des Transportrisikos einer Buchgeldzahlung geschaffen, auf die der für Schickschulden geltende § 270 BGB anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift müsste der Buchgeldzahler das Insolvenzrisiko der kontoführenden Stelle des Buchgeldempfängers tragen, wenn seine Verbindlichkeit erst mit der Kontogutschrift erlischt. Dieses Risiko trägt aber auch nach der herrschenden Meinung nicht der Buchgeldzahler, sondern der Buchgeldempfänger5. Dieser Widerspruch zur gesetzlichen Regelung wird mit einer Vorverlegung des Tilgungszeitpunkts schon auf den Eingang der Deckung bei dem Empfängerinstitut vermieden.
4.311
Für diese zeitliche Vorverlegung sprach überdies, dass der Buchgeldempfänger mit dem Eingang der Deckung bei seiner kontoführenden Stelle bereits den girovertraglichen Herausgabeanspruch (§ 667 BGB) erlangt, der nach dem BGH girovertraglich dahin gehend ausgestaltet ist, dass er auf Gutschrift auf dem Girokonto gerichtet ist6. Der Möglichkeit eines Widerrufs der Banküberweisung bis zur Gutschrift auf dem Konto des Buchgeldempfängers konnte im Übrigen dadurch Rechnung getragen werden, dass der Anspruch aus der Gutschrift durch einen rechtzeitigen Widerruf des Buchgeldzahlers auflösend bedingt angesehen wurde7.
4.312
Gemäß § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht der Anspruch des Zahlungsempfängers auf Verfügbarmachung des Zahlungsbetrags in dem Augenblick, in dem der Zahlungsdienstleister den Zahlungsbetrag auf seinem Konto gutgeschrieben bekommen hat, so dass ab diesem Zeitpunkt die Erfüllungswirkung eintreten kann, sofern der finalen Verfügbarkeit des Zahlungsempfängers keine speziellen Gründe entgegen stehen. 1 BGH v. 21.12.1981 – II ZR 270/79, WM 1982, 291, 293. 2 BGH v. 23.1.1996 – XI ZR 75/95, WM 1996, 438, 439 = NJW 1996, 1207 f.; BGH v. 28.10.1998 – VIII ZR 157/97, WM 1999, 11. 3 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 21, 22. 4 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 188 ff. 5 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 109; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 476. Nach Bittner müsste sich der Buchgeldempfänger überdies ein Verschulden seiner kontoführenden Bank gem. § 278 BGB anrechnen lassen, wenn hierdurch die Verschaffung der sich anschließenden Kontogutschrift scheitert (Bittner in Staudinger, Neubearb. 2014, § 270 BGB Rz. 21). 6 BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, WM 1978, 58, 59. 7 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 190 f.
580 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
VIII. Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungen 1. Allgemeines Wie bei Bargeldzahlungen kann es auch bei Überweisungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr zu einer Zahlung kommen, auf die der Überweisungsempfänger keinen Anspruch hat. Hier bewirkt die Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Girokonto des Überweisungsempfängers eine nicht gerechtfertigte Vermögensverschiebung zu seinen Gunsten. Die Korrektur einer solchen ungerechtfertigten Bereicherung erfolgt durch den gesetzlichen Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB), mit dessen Hilfe ein Rechtserwerb rückgängig gemacht werden kann, der zwar rechtsgültig vollzogen ist, aber eines rechtlichen Grundes (causa) mangelt. Ein solcher Bereicherungsausgleich zugunsten desjenigen, der durch den ungerechtfertigten Rechtserwerb einen entsprechenden Vermögensverlust erlitten hat, kann sich auch bei fehlerhaften Banküberweisungen vollziehen.
4.313
Beauftragt z.B. der Zahlungsdienstenutzer nach Bezahlung einer Geldverbindlichkeit versehentlich seine kontoführende Stelle nochmals mit der Überweisung dieses Geldbetrages an seinen schon befriedigten Gläubiger, ist dieser um den ihm überwiesenen Betrag auf Kosten seines früheren Schuldners ohne rechtlichen Grund bereichert. Diese ungerechtfertigte Vermögensverschiebung soll der entsprechende Bereicherungsanspruch des irrtümlich Überweisenden gegen den Überweisungsempfänger wieder ausgleichen.
4.314
a) Komplexer Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis Der bereicherungsrechtliche Ausgleich bei fehlerhaften Überweisungen gehört wegen der enormen Vielfalt der Fallgestaltungen zu den am meisten erörterten Fragenkomplexen des Bereicherungsrechts, weil sich hier die eigentlichen bereicherungsrechtlichen Probleme stellen. Anders als bei der sich regelmäßig zwischen Gläubiger und Schuldner unmittelbar vollziehenden Barzahlung sind bei einer Überweisung mindestens drei Personen beteiligt. So ist ein Dreiecksverhältnis gegeben, wenn Gläubiger und Schuldner ihr Girokonto bei demselben Institut unterhalten. Sehr häufig werden aber diese beiden Girokonten als Ausgangspunkt und Zielpunkt der Überweisung bei verschiedenen Instituten unterhalten. Hier sind an der Überweisung mindestens vier, wenn nicht sogar weitere Personen beteiligt, wenn hierzu mehrere Zahlungsinstitute zwischengeschaltet werden müssen (sog. Girokette).
4.315
Beim Bereicherungsausgleich im Rahmen solcher Mehrpersonenverhältnisse ist deshalb zu bestimmen, welcher von den beteiligten Personen ein Ausgleichsanspruch gegen den ungerechtfertigt Bereicherten zusteht, weil er als „Leistender“ im Sinne des gesetzlichen Bereicherungsanspruches (§ 812 BGB) einzustufen ist1.
4.316
b) Grundlegende Korrektur der Rechtsprechung durch Bankrechtssenat des BGH Bei der Bestimmung des Bereicherungsgläubigers in dem zu entscheidenden Sachverhalt hat der BGH in der Vergangenheit häufig stereotyp zum Ausdruck gebracht, dass sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Per1 Ist der Leistende im bereicherungsrechtlichen Sinne bestimmt, so kommt dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten“ im Sinne des gesetzlichen Tatbestandes der Leistungskondiktion keine Bedeutung mehr zu (OLG München v. 19.12.1990 – 7 U 5649/89, WM 1993, 412, 413; Sprau in Palandt, § 812 BGB Rz. 31).
Werner | 581
4.317
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
sonen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbiete. Stets komme es auf die Besonderheiten des Einzelfalles an, die für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung derartiger Vorgänge zu beachten seien1.
4.318
Für die Rechtsanwendung war dieses konturlose Abstellen auf die Umstände des Einzelfalles eine keineswegs zufriedenstellende Entscheidungspraxis. Inzwischen ist diese Unsicherheit beim Bereicherungsausgleich im Bereich des Zahlungsverkehrs überwunden. Deshalb verzichtet der für alle Streitigkeiten aus dem Bereich des Zahlungsverkehrs ausschließlich zuständige XI. Zivilsenat des BGH bewusst auf den Vorbehalt, es würden sich „schematische Lösungen“ verbieten2.
4.319
Diese Korrektur der früheren BGH-Rechtsprechung ermöglicht die nachfolgende systematisierende Darstellung des Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungen3. Dabei besteht eine wesentliche Frage darin, ob Bereicherungsgläubiger das erstbeauftragte Institut oder ihr mit dem fehlerhaft überwiesenen Betrag belasteter Girokunde (nachfolgend kurz „beteiligter Girokunde“) ist, so dass dieser zwangsläufig von dem Bereicherungsausgleich behelligt wird. Die erforderliche Mitwirkung des Girokunden lässt zudem die praktische Abwicklung für alle Beteiligten spürbar komplizierter werden. c) Bestimmung der bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehung
4.320
Mit der Ermittlung des „Leistenden“ im Einzelfall werden bei einem Mehrpersonenverhältnis zugleich die bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehungen bestimmt, an der sich der Bereicherungsausgleich zu orientieren hat. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH4 vollzieht sich der Bereicherungsausgleich in den Fällen der Leistung kraft (An-)Weisung, zu denen auch die Überweisung gehört, grundsätzlich innerhalb des jeweiligen (fehlerhaften) Leistungsverhältnisses5. Ist also das Leistungsverhältnis zwischen Überweisendem (Anweisendem) und seinem mit der Überweisung (erst)beauftragten Institut (Angewiesener) fehlerhaft, vollzieht sich der Bereicherungsausgleich zwischen diesen Personen. Bei Fehlern im Leistungsverhältnis zwischen dem Überweisenden (Anweisenden) und dem Überweisungsempfängers (Anweisungsempfänger) ist dieser Ausgleich zwischen diesen vorzunehmen. Sind die beiden Leistungsverhältnisse fehlerhaft, so gilt nichts anderes6.
4.321
Diesem Grundsatz liegen mehrere Wertungen zugrunde. Jede Partei eines fehlerhaften Leistungs-(Kausal-)verhältnisses soll ihre Einwendungen und Einreden gegen die andere Partei geltend machen können und zugleich vor Einwendungen und Einreden geschützt werden, die aus dem Rechtsverhältnis ihres Partners zu einem Dritten herrühren. Im Übrigen soll jeder Partner das Risiko der Zahlungsunfähigkeit derjenigen Person tragen, die sie sich selbst im Rahmen der Privatautonomie als Partner ausgesucht hat7. 1 2 3 4
Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24 mit Zitaten der einschlägigen Entscheidungen. Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. Vgl. Kümpel, WM 2001, 2273 ff. Vgl. die Übersicht der BGH-Rechtsprechung seit 1.10.1950 zum Überweisungsverkehr von Nobbe in WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24 ff. 5 Vgl. BGH v. 25.9.1986 – VII ZR 349/85, WM 1986, 1381, 1382 mit Übersicht der BGH-Rechtsprechung = NJW 1987, 185 ff.; BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1421 = NJW 1994, 2357; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. 6 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. 7 Canaris in FS Larenz, 1973, S. 799, 802 f.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24.
582 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
aa) Bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff als Rechtsbegriff Das bereicherungsrechtliche Leistungsverhältnis im Mehrpersonenverhältnis bestimmt sich nach den Zwecken, den die Beteiligten mit den erfolgten Leistungen erreichen wollten. Denn Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinne ist „jede auf bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung gerichtete Zuwendung“1.
4.322
Die Anknüpfung des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs an die Zweckbestimmung dient dem Ziel, in Mehrpersonenverhältnissen die Zurechnung der sich im realen Leben faktisch vollziehenden Vermögensverschiebungen zu der bereicherungsrechtlich relevanten Leistungsbeziehung zu ermöglichen2.
4.323
Im bargeldlosen Zahlungsverkehr vollzieht sich die bereicherungsrechtliche Vermögensverschiebung faktisch durch die dem Überweisungsempfänger erteilte Kontogutschrift mit deren Wirksamwerden. Denn hierdurch erwirbt der Überweisungsempfänger einen Zahlungsanspruch, der nach allgemeiner Meinung als ein Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) einzustufen ist.
4.324
Beim bereicherungsrechtlichen „Leistungs“begriff handelt es sich um einen Rechtsbegriff, für den es entscheidend darauf ankommt, welchem Beteiligten an dem Mehrpersonenverhältnis die faktische Leistung (Kontogutschrift) bereicherungsrechtlich zuzurechnen ist3. Dies ist im Überweisungsverkehr ganz überwiegend der Inhaber des belasteten Girokontos und nicht die bei der Überweisung mitwirkenden Zahlungsinstitut. Deshalb ist die Überweisung mit ihrem zugrunde liegenden Mehrpersonenverhältnis ein anschauliches Beispiel für ein solches Auseinanderfallen von faktischer Leistung und Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinne.
4.325
bb) Überweisung als Simultanleistung im Valuta- und Deckungsverhältnis Kommt es für den bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff entscheidend auf den mit der Leistung verfolgten Zweck an, ergeben sich bei einer Überweisung im Regelfall zwei Leistungsbeziehungen. Das erstbeauftragte Institut erbringt durch die Ausführung des Überweisungsauftrags eine Leistung an seinen Girokunden als Auftraggeber (Überweisender). Diese Leistungsbeziehung wird als Deckungsverhältnis bezeichnet, weil das Zahlungsinstitut als Leistungsschuldner hieraus den Gegenwert als „Deckung“ für ihre Leistung erhält4.
4.326
Zugleich bewirkt der Überweisende mit dieser ihm von seinem Zahlungsinstitut erbrachten Leistung eine gleiche Leistung an den Überweisungsempfänger dergestalt, dass diesem seine kontoführende Stelle eine Kontogutschrift erteilt5. Die Leistung des Zahlungsdienstleisters an seinen Girokunden fließt also gleichzeitig (simultan) in dessen Valutaverhältnis zwecks Erfüllung seiner darin wurzelnden Zahlungsverbindlichkeit und mutiert dort zu einer Leistung des Überweisenden im Rechtssinne6. Zur Veranschaulichung dieser Simultan-
4.327
1 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1421; Sprau in Palandt, § 812 BGB Rz. 3 m.w.N.; Blaurock, NJW 1984, 1, 3. 2 Schwab in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 812 BGB Rz. 47. 3 Schwab in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 812 BGB Rz. 139 ff. 4 Grüneberg in Palandt, Einf. v. § 328 BGB Rz. 3; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1, Allg. Teil, 14. Aufl. 1987, § 17 Ib, S. 222. 5 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1421 = NJW 1994, 2357 ff.; BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, WM 2001, 1454, 1456 = BGHZ 147, 269 ff. = NJW 2001, 2880 ff.; vgl. hierzu K. Schmidt, JuS 2001, 1122 f. 6 Schnauder, WM 1996, 1069, 1071.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
leistung wird deshalb auch von einer „Umleitung“ der Überweisung auf dem Weg zum Überweisungsempfängers als ihrem Endziel gesprochen. Die Leistungsbeziehung zwischen Überweisenden und Überweisungsempfänger wird als Valuta- oder Zuwendungsverhältnis bezeichnet, weil sich hieraus für die „Zuwendung“ (Kontogutschrift) der Rechtsgrund ergibt, bei dessen Fehlen ein Bereicherungsausgleich geboten ist.
4.328
Die in der Ausführung des Überweisungsauftrags liegende Leistung des erstbeauftragten Instituts beinhaltet also gleichzeitig eine Leistung an ihren Girokunden (Deckungsverhältnis) und dessen Leistung an den Überweisungsempfänger (Valutaverhältnis). Eine solche „Simultan“leistung ist typisch für die Anweisung i.S.d. §§ 783 ff. BGB. Beim Überweisungsauftrag liegt zwar keine Anweisung im Wortsinne vor1. Hieraus ergeben sich aber gleichwohl Parallelen zu den §§ 783 ff. BGB, die das Schrifttum häufig bei der dogmatischen Einordnung der Überweisung heranzieht2. cc) Zwischengeschaltete Institute regelmäßig als Leistungs„mittler“
4.329
Besteht wie im Regelfall einer Ausführung des Überweisungsauftrages eine bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehung im Valutaverhältnis zwischen Überweisenden und Überweisungsempfänger, fehlt es hinsichtlich der sich zwischen diesen beiden Personen vollziehenden „Buchgeld“zahlung regelmäßig an einer bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen dem Überweisungsempfänger und den hierbei zwischengeschalteten Instituten (Giroketten). Denn das erstbeauftragte Zahlungsinstitut will dadurch, dass es der ihr auf dem Überweisungswege nachgeschalteten Stelle Deckung für die dem Überweisungsempfänger zu erteilende Kontogutschrift anschafft, eine Leistung an den Girokunden als ihren Auftraggeber erbringen3. Die in der Girokette jeweils nachgeschaltete Stelle will mit ihrer „Weiterleitung“ des überwiesenen Betrages eine Leistung an die ihr vorgeschaltete Stelle erbringen, die sie hiermit beauftragt hat.
4.330
Die beim bargeldlosen Zahlungsverkehr des erstbeauftragten Instituts nachgeschalteten Institute sind also „Durchgangsstationen“ beim „Transport“ des Buchgeldes vom Girokonto des Überweisenden auf das Girokonto des Überweisungsempfängers. Dies gilt auch für die kontoführende Stelle des Überweisungsempfängers in ihrer Rolle als letztbeauftragtes Institut in der Überweisungskette4. Deshalb sind die Zahlungsinstitute in diesen Fallkonstellationen keine Leistenden i.S.d. § 812 BGB, sondern nur Leistungs„mittler“5. Die für den bargeldlosen Zahlungsverkehr typischen Mehrpersonenverhältnisse lassen sich also im Überweisungsverkehr praktisch auf das Dreiecksverhältnis „rechtswidrig belasteter Girokunde, seine kontoführende (erstbeauftragte) Stelle und Überweisungsempfänger“ reduzieren6. 1 Vgl. BGH v. 16.6.1983 – VII ZR 370/82, WM 1983, 908, 909 = BGHZ 87, 393 ff. = NJW 1983, 2499 ff.; vgl. hierzu Kupisch, ZIP 1983, 1412 ff. Wegen der Unterschiede des Überweisungsauftrages zur bürgerlich-rechtlichen Anweisung vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 322. 2 Nach Schmieder kann das Anweisungsrecht als Argumentationshilfe allenfalls für bereicherungsrechtliche Fehlentscheidungen dienen (in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 10, § 50 Rz. 2). 3 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1421 = NJW 1994, 2357. 4 BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977, 1196, 1197; vgl. weiter Schmieder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 2 ff. 5 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 2, Besonderer Teil, 12. Aufl. 1981, S. 526. Dieselben Grundsätze gelten nach der BGH-Rechtsprechung auch für das Inkasso von Lastschriften als „rückläufige Überweisungen“ und von Schecks. Denn die Rechtsfigur der Leistung kraft (An-) Weisung kann bei allen Varianten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs als rechtliche Klammer dienen (Schwark, ZHR 151 [1987], 325, 342). 6 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 1; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24.
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Die Überweisung | Teil 4
Dementsprechend kommen bei fehlerhaften Überweisungen als Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs regelmäßig der belastete Girokunde oder seine kontoführende Bank in Betracht. In extremen Ausnahmefällen kann ein Bereicherungsanspruch auch des Zahlungsdienstleisters des Überweisungsempfängers gegen dessen Girokunden zustehen. 2. Rechtswidrig belasteter Girokunde als Bereicherungsgläubiger Wie die Bargeldzahlung dient auch die bargeldlose Zahlung im Giroverkehr regelmäßig der Erfüllung von Geldschulden. Aus wirtschaftlicher Sicht stehen deshalb die Leistungsbeziehung zwischen Überweisendem als Schuldner und Überweisungsempfänger (Gläubiger) und damit das sog. Valutaverhältnis ganz im Vordergrund. Buchungstechnisch zeigt sich dies darin, dass Ausgangspunkt der Überweisung das mit dem überwiesenen Betrag belastete Girokonto des Überweisenden und Zielpunkt das Girokonto des Überweisungsempfängers ist. Deshalb hat sich der Bereicherungsausgleich ganz überwiegend in dem zwischen diesen beiden Kontoinhabern bestehenden (Valuta-)Verhältnis zu vollziehen1.
4.331
a) Fehlerhaftes Valutaverhältnis Bereicherungsrechtlich unproblematisch sind die fehlerhaften Überweisungen, wenn das Deckungsverhältnis der erstbeauftragten Stelle zu ihrem belasteten Girokunden mängelfrei ist und deshalb die Fehlerhaftigkeit allein im Valutaverhältnis wurzelt. Wie bei der Barzahlung erwirbt der mit dem Überweisungsbetrag belastete Girokunde einen Bereicherungsanspruch gegen seinen Vertragspartner (Überweisungsempfänger), wenn das Valutaverhältnis fehlerhaft ist, etwa wenn der Rechtsgrund für die Zahlung im Valutaverhältnis nach Erteilung der Kontogutschrift wegen eines wirksamen Rücktritts vom zugrunde liegenden Vertrag wegfällt2. Der Kontogutschrift kann aber der rechtliche Grund bereits bei ihrer Erteilung mangeln, wenn der Überweisende z.B. seinen Gläubiger im Auftragsformular irrtümlich falsch bezeichnet hat und deshalb die fehlgeleitete Überweisung keine Tilgungswirkung im Valutaverhältnis entfalten konnte. Hier ist also Schuldner des bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruches der durch die irrtümliche Kontogutschrift bereicherte Dritte3.
4.332
Ein Bereicherungsanspruch des Buchgeldzahlers gegen den Buchgeldempfänger kann jedoch auch bei einem intakten Valutaverhältnis entstehen. Dies gilt insbesondere, wenn die Überweisung den im Valutaverhältnis getroffenen Absprachen widerspricht. So kann der Überweisungsempfänger Barzahlung verlangt oder ein anderes Girokonto bestimmt haben4. Der Bereicherungsanspruch gründet sich in diesen Fällen darauf, dass der mit der Überweisung bezweckte Erfolg (Tilgung der zugrunde liegenden Geldschuld) nicht eingetreten ist5.
4.333
1 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 1 f.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 28. 3 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 m.w.N. = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f.; vgl. hierzu Häuser, ZIP 1995, 89 ff.; BGH v. 9.5.2000 – XI ZR 276/99, WM 2000, 1379, 1380 = BGHZ 144, 245 ff. = NJW 2000, 2503 f.; vgl. hierzu Schwark, EWiR 2001, 463 f. 4 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908 = BGHZ 87, 246 ff. = NJW 1983, 2501 f. 5 Zu der Frage, ob der Überweisende mit diesem Bereicherungsanspruch gegen seine – wegen der fehlgeschlagenen Tilgung – fortbestehende Geldschuld aus dem Valutaverhältnis aufrechnen kann, vgl. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 28.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
b) Fehlerhaftes Deckungsverhältnis
4.334
Soweit die Überweisung aus der Sicht des Deckungsverhältnisses fehlerhaft ist, etwa wenn die mit der Überweisung beauftragte Stelle den Überweisungsbetrag versehentlich zweimal überwiesen hat, kann sie dem belasteten Girokunden nicht zugerechnet werden. Infolge der hier unzulässigen Zurechenbarkeit hat den Bereicherungsanspruch nicht der Girokunde, sondern sein Zahlungsinstitut (sog. Durchgriffskondiktion)1.
4.335
Der BGH ist mittlerweile im Zusammenhang mit dem Überweisungsverkehr vom „Veranlasserprinzip“ abgerückt. Liegt keine wirksame Autorisierung gem. § 675j Abs. 1 BGB vor oder ist diese wirksam widerrufen worden, steht dem erstbeauftragten Institut ein Anspruch gegen den Empfänger aufgrund der Nichtleistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2 BGB zu, unabhängig davon, ob dieser die mangelnde Autorisierung kannte und unabhängig davon, ob der Zahler die Überweisung veranlasst hat; auch auf die Schutzbedürftigkeit des Zahlungsempfängers soll es nicht mehr ankommen2. c) Mängelbehaftetes Valuta- und Deckungsverhältnis (sog. Doppelmangel)
4.336
Sind fehlerhafte Ausführungen von Überweisungsaufträgen dem Inhaber des belasteten Girokontos als Buchgeldzahlung zuzurechnen, ist es für den Bereicherungsausgleich grundsätzlich unerheblich, ob nur das Valutaverhältnis oder auch das Deckungsverhältnis zwischen Zahlungsinstitut und belastetem Girokunden fehlerhaft ist. Ein solcher sog. Doppelmangel liegt beispielsweise vor, wenn ein Dauerauftrag wegen regelmäßig wiederkehrender Zahlungsverpflichtungen erteilt worden ist und nach seiner Kündigung gem. § 675h Abs. 1 BGB wegen Fortfalls dieser Verbindlichkeiten von dem ursprünglich beauftragten Institut nicht berücksichtigt worden ist3. Der Fall des Doppelmangels weist also grundsätzlich keine bereicherungsrechtlichen Besonderheiten auf4. 3. Zahlungsinstitut des rechtswidrig belasteten Girokunden als Bereicherungsgläubiger
4.337
Das Zahlungsinstitut des Inhabers des belasteten Girokontos kann je nach den Umständen des Einzelfalles einen Bereicherungsanspruch gegen seinen Girokunden oder ausnahmsweise direkt gegen den Überweisungsempfänger erwerben (sog. Durchgriffskondiktion). Hier stellt sich das am meisten erörterte Problem des Bereicherungsanspruchs im Mehrpersonenverhältnis. a) Bereicherungsanspruch gegen den Girokunden
4.338
Das Zahlungsinstitut des belasteten Kontoinhabers will mit der Überweisung seinem Kunden eine Leistung erbringen. In keinem Fall bezweckt dieses Institut eine eigene Leistung an den Überweisungsempfänger. Die Überweisung bezweckt also eine Leistung des Zahlungsdienstleisters in seinem (Deckungs-) Verhältnis zum belasteten Girokunden. Diese 1 BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, WM 2015, 1631, 1633 f.; BGH v. 2.6.2015 – XI ZR 327/14, WM 2015, 1458. 2 Vgl. dazu Kropf, WM 2016, 67, 71 f.; Müller, WM 2016, 809, 813 f. 3 BGH v. 19.1.1984 – VII ZR 110/83, WM 1984, 423, 424 = BGHZ 89, 376 ff. = NJW 1984, 1348 ff.; vgl. hierzu Canaris, JZ 1984, 627 ff. 4 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 3; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24.
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Die Überweisung | Teil 4
Leistung soll zugleich in das Valutaverhältnis zwischen dem Girokunden als Überweisendem und dem Überweisungsempfänger „umgeleitet“ werde, um dort als schuldtilgende Leistung des Girokunden erscheinen zu können. Ist also das Deckungsverhältnis zwischen Zahlungsinstitut und seinem Girokunden fehlerhaft, etwa weil das Institut versehentlich einen rechtzeitig widerrufenen Überweisungsauftrag ausgeführt hat, erwirbt das Institut einen Bereicherungsanspruch gegen seinen Girokunden. Mit Hilfe dieses Bereicherungsanspruchs kann das Zahlungsinstitut sodann den vermögensmäßigen Ausgleich dafür suchen, dass es wegen des weggefallenen Zahlungsauftrags keinen entsprechenden auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 675u, 670 BGB) gegen ihren Girokunden erworben hat.
4.339
Ein solcher Bereicherungsanspruch des Zahlungsinstituts ist insbesondere gegeben, wenn die Kontogutschrift im Valutaverhältnis zwischen belastetem Girokunden und Überweisungsempfänger Tilgungswirkung hatte, der Girokunde also von seiner Schuld befreit und dadurch sein Vermögen vermehrt worden ist. Fehlt es dagegen im Valutaverhältnis an einer solchen Zahlungsverbindlichkeit, erwirbt das Zahlungsinstitut bei fehlerhaftem Deckungsverhältnis einen Anspruch gegen seinen Girokunden auf Abtretung seines Bereicherungsanspruches gegen den Überweisungsempfänger, der seinerseits um die durch die Kontogutschrift rechtsgrundlos empfangene Überweisung bereichert ist („Doppel“kondiktion statt einstufiger „Durchgriffs“kondiktion)1.
4.340
b) Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger Ein Bereicherungsausgleich zwischen dem erstbeauftragten Institut und seinem mit dem überwiesenen Betrag belasteten Girokunden erfolgt nur in den Fällen, in denen die Überweisung diesem Kunden als seine Leistung an den Überweisungsempfänger zuzurechnen ist. Ist eine solche Zurechenbarkeit ausgeschlossen, stellt sich die fehlerhafte Überweisung als eine Leistung des erstbeauftragten Instituts an den Überweisungsempfänger dar mit der Folge, dass sich der Bereicherungsausgleich zwischen diesem Institut und dem Überweisungsempfänger zu vollziehen hat.
4.341
aa) Belastetem Girokunden nicht zurechenbare Fehlüberweisung Wie die umfangreiche Rechtsprechung zeigt, kann es aus den unterschiedlichsten Gründen an einer bereicherungsrechtlichen Leistung fehlen. Ein besonders anschauliches Beispiel ist, wenn der Inhaber des belasteten Girokontos einen wirksamen Überweisungsauftrag überhaupt nicht erteilt hat. Hier hat das erstbeauftragte Institut nur erfolglos versucht, eine Leistung an ihren Kontoinhaber zu erbringen. Denn die Überweisung des Instituts an den Überweisungsempfänger kann seinem Girokunden nicht zugerechnet werden. Der belastete Kunde hat sie nicht veranlasst und auch keinen Anschein dafür gesetzt, die Zahlung sei seine Leistung2.
4.342
Dieses Ergebnis ist allein sach- und interessengerecht3. Das Interesse der Allgemeinheit am ungehinderten Ablauf des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bleibt unberührt. Es fordert nicht, dass auch der Empfänger einer vom belasteten Kontoinhaber nicht veranlassten
4.343
1 BGH v. 1.6.1989 – III ZR 261/87, WM 1989, 1364, 1367 = NJW 1989, 2879 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 430; Blaurock, NJW 1984, 1, 2. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. 3 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Überweisung von Störungen in den Drittbeziehungen möglichst verschont werden müsste. Das Vertrauen des Verkehrs in Buchgeldzahlungen findet dort seine Grenze, wo solche Zahlungen ohne wirksamen Auftrag des belasteten Girokunden erfolgt sind1. Der zu Unrecht belastete Kontoinhaber muss in diesen Fällen von der fehlerhaften Überweisung unbehelligt bleiben. Eine andere Betrachtungsweise lässt nach Ansicht des BGH den in der Rechtsscheinlehre allgemein anerkannten Grundsatz außer Betracht, dass der gutgläubige Vertragsgegner nur dann geschützt werden kann, wenn der andere Vertragsteil den Rechtsschein in zurechenbarer Weise hervorgerufen hat2. Zudem wird der Überweisungsempfänger hinreichend vor den rechtlichen Folgen einer Durchgriffskondiktion das erstbeauftragten Institut durch die Regeln des § 818 Abs. 3 BGB geschützt3.
4.344
Zu diesen, dem belasteten Girokunden nicht zurechenbaren Überweisungen liegt eine umfangreiche Judikatur, insbesondere des BGH, vor. Danach gehören hierzu die „Schein“anweisung4, der versehentlich doppelt ausgeführte Überweisungsauftrag, die Überweisung des zehnfachen Betrages der im Auftrag bezifferten Summe5, die Überweisung an einen anderen als den im Überweisungsauftrag bezeichneten Empfänger6, der gefälschte Überweisungsauftrag7, der Auftrag eines Geschäftsunfähigen8 und die Nichtigkeit des Überweisungsauftrages9. Ebenso wenig kann dem belasteten Kontoinhaber die Erteilung eines Überweisungsauftrages durch einen nicht bevollmächtigten Dritten zugerechnet werden, weil dies der Wertung des § 179 BGB für die Fälle der fehlenden Vertretungsmacht entgegenstünde10.
4.345
Dabei macht es keinen Unterschied, ob für den belasteten Kontoinhaber ein vollmachtloser Einzelvertreter oder lediglich einer von mehreren nur gesamtvertretungsberechtigten Kontobevollmächtigten gehandelt hat. Für eine Zurechnung der vollmachtlosen und deshalb unwirksamen Überweisung mangelt es auch in diesen Fällen an der notwendigen Wertungsbasis, wie sie bei einem rechtzeitigen Widerruf eines Überweisungsauftrages gegeben ist. Hier hat der belastete Kontoinhaber einen zurechenbaren Anlass für die Überweisung und damit eine Ursache für den Anschein gesetzt, dass diese Zahlung seine Leistung sei11. 1 BGH v. 31.5.1976 – VII ZR 218/74, WM 1976, 707. 2 BGH v. 5.11.2002 – XI ZR 381/01, WM 2003, 14, 15. 3 BGH v. 20.3.2001 – XI ZR 157/00, WM 2001, 954, 957 = BGHZ 147, 145 ff. = NJW 2001, 1855 f.; vgl. hierzu Löhnig, JA 2001, 622 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. 4 BGH v. 5.11.2002 – XI ZR 381/01, WM 2003, 14, 15. 5 BGH v. 25.9.1986 – VII ZR 349/85, WM 1986, 1381, 1382 = NJW 1987, 185 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 27. 6 BGH v. 9.3.1987 – II ZR 238/86, WM 1987, 530 ff. = NJW 1987, 1825 f.; BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, WM 1995, 352, 353 = NJW 1995, 1484 ff. 7 BGH v. 20.6.1990 – XII ZR 93/89, WM 1990, 1280, 1281 = NJW-RR 1990, 1200 ff.; BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 = NJW 1994, 2357 ff.; OLG Köln v. 31.5.1996 – 2 U 18/96, WM 1996, 2007, 2009; vgl. OLG Naumburg v. 28.5.1997 – 5 U 46/96 für die Einlösung eines gefälschten Schecks an einen gutgläubigen Schecknehmer (WM 1998, 593, 596). 8 BGH v. 20.6.1990 – XII ZR 98/89, WM 1990, 1531 = BGHZ 111, 382 ff. = NJW 1990, 3194 f.; vgl. hierzu Flume, NJW 1991, 2521 ff. 9 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25, wonach in Ausnahmefällen ein Bereicherungsanspruch des belasteten Kunden sogar möglich erscheint, wenn im Innenverhältnis zur Bank eine Risikoabwälzung auf den Kunden vorliegt ungeachtet dessen, dass die Bank keinen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) gegen ihren Kunden erworben hat. 10 OLG Düsseldorf v. 4.6.1993 – 17 U 214/92, WM 1993, 1327; Blaurock, NJW 1984, 1, 3; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. 11 BGH v. 20.3.2001 – XI ZR 157/00, WM 2001, 954, 956 m.w.N. = BGHZ 147, 145 ff. = NJW 2001, 1855 f.
588 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
Bei den fehlerhaften Überweisungen, die dem belasteten Girokunden nicht zugerechnet werden können, wird deshalb der Überweisungsempfänger durch die Kontogutschrift auf Kosten des Zahlungsdienstleisters und nicht ihres belasteten Girokunden bereichert. Die „Entreicherung“ des Zahlungsdienstleisters als notwendiges Gegenstück zur „Bereicherung“ des Überweisungsempfängers beruht darauf, dass der Zahlungsdienstleister wegen fehlendem Zahlungsauftrags gem. § 675u BGB keinen girovertraglichen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB erwirbt, der die Verminderung seines Vermögens infolge der irrtümlichen Überweisung kompensieren könnte. Dem Zahlungsdienstleister steht deshalb in den Fällen der seinem Girokunden nicht zurechenbaren Überweisungen ein Bereicherungsanspruch unmittelbar gegen den Überweisungsempfänger zu.
4.346
Dementsprechend wird bei diesen Fallkonstellationen auch vom „Direkt“anspruch des Zahlungsdienstleisters und dessen „Durchgriffs“kondiktion gesprochen1. Bei einem Mehrpersonenverhältnis könnte theoretisch der Ausgleich infolge einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung auch mittelbar (indirekt) dadurch vorgenommen werden, dass auch der belastete Girokunde als Bereicherungsschuldner eingestuft wird. Denn solche fehlerhaften Überweisungen führen regelmäßig auch zu einer Bereicherung des belasteten Girokunden. Soweit die Überweisung trotz ihrer Fehlerhaftigkeit die Erfüllung einer Zahlungsverbindlichkeit des belasteten Girokunden aus dem Valutaverhältnis bewirkt, ist der Kunde um diese Schuldbefreiung „bereichert“. Ohne diese Erfüllungswirkung ist der Überweisungsempfänger um die Kontogutschrift „bereichert“, so dass der belastetet Girokunde gegen diesen einen Bereicherungsanspruch erwirbt. Diese Bereicherung kann sodann der zahlungsdienstleister von seinem Girokunden nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen herausverlangen, weil er die versehentliche Belastungsbuchung auf dessen Girokonto rückgängig machen muss und deshalb wegen des von ihm fehlerhaft überwiesenen Betrags „entreichert“ ist („Doppel“kondiktion statt einstufiger „Durchgriffs“kondiktion).
4.347
Der bei einer solchen „Durchgriffs“kondiktion direkt vorzunehmende Bereicherungsausgleich zwischen dem Überweisungsempfänger und dem Zahlungsdienstleister des belasteten Girokunden stellt eine sog. „Nichtleistungs-kondiktion“ dar2. Diese Variante der ungerechtfertigten Bereicherung ist gegeben, wenn sie nicht „durch die Leistung eines anderen“ (sog. Leistungskondiktion), sondern „in sonstiger Weise“ erfolgt ist (vgl. § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2 BGB). Denn der Zahlungsdienstleister will auch in den Fällen eines wegen Zweckverfehlung misslungenen Leistungsversuches stets an seinen belasteten Kunden und nicht etwa an den Überweisungsempfänger (Bereicherungsschuldner) leisten3. Deshalb stellt die dem Überweisungsempfänger verschaffte Kontogutschrift auch keine Leistung des Zahlungsdienstleisters als Dritten i.S.d. § 267 Abs. 1 BGB dar4.
4.348
Soweit dem Zahlungsdienstleister des rechtswidrig belasteten Girokunden ein solcher Direktanspruch gegen den Überweisungsempfänger zusteht, erwirbt der belastete Girokunde keinen Bereicherungsanspruch gegen den Überweiserempfänger, insbesondere scheidet
4.349
1 Eine solche Durchgriffskondiktion ist der Bank auch bei einer Kontopfändung möglich, wenn sie an den Vollstreckungsgläubiger ihres Kontoinhabers (Hauptschuldner) irrtümlich einen das Kontoguthaben übersteigenden Betrag zahlt oder sich bei dieser Zahlung über die Rangfolge der Vollstreckungsgläubiger irrte (OLG Düsseldorf v. 20.8.2001 – 1 U 199/00, WM 2002, 74, 75). 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. 3 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1421 = NJW 1994, 2357 ff. 4 BGH v. 20.3.2001 – XI ZR 157/00, WM 2001, 954, 956 = BGHZ 147, 145 ff. = NJW 2001, 1855 f.
Werner | 589
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
eine „Nichtleistungs“kondiktion des Girokunden gegen den Überweisungsempfänger aus. Denn der Empfänger des Überweisungsbetrages ist auch nicht „in sonstiger Weise“ auf Kosten des hiermit belasteten Girokunden i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB bereichert. Eine solche Bereicherung zu Lasten des Girokunden scheidet aus, da sein Zahlungsdienstleister diese Belastungsbuchung rückgängig machen muss. Denn sie hat infolge fehlenden Zahlungsauftragsauftrages gem. § 675u BGB keinen girovertraglichen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB gegen ihren Kontoinhaber erworben. Deshalb findet die Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers als ein vermögensmehrender Vorgang nicht das erforderliche Gegenstück in einem entsprechendem Vermögensverlust des vermeintlich überweisenden Schuldners. Somit ist der Überweisungsempfänger auf Kosten des Zahlungsdienstleiiters und nicht des von ihm zu Unrecht belasteten Kunden bereichert worden1. bb) Unbeachtlichkeit der „Gutgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers
4.350
Kann die fehlerhafte Überweisung dem belasteten Girokunden nicht zugerechnet werden, ist es unerheblich, wenn sich die Kontogutschrift aus der Sicht des Buchgeldempfängers als eine Zahlung dieses Kontoinhabers darstellt2. Der sog. Empfängerhorizont des Buchgeldempfängers vermag nach dem BGH und dem überwiegenden Schrifttum die fehlende Tilgungs- und Zweckbestimmung des belasteten Girokunden nicht zu ersetzen. Es entspricht einer allgemeinen Erkenntnis der Rechtsscheinlehre, dass der gutgläubige Vertragsgegner bei fehlender Zurechenbarkeit nicht geschützt werden kann3.
4.351
Die „Gutgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers kann also bei der Einzelfallentscheidung nur dann in die Waagschale gelegt werden, wenn die fehlerhafte Überweisung dem belasteten Girokunden zugerechnet werden kann. Infolge dieser Zurechenbarkeit stellt sich sodann diese Überweisung bereicherungsrechtlich als eine Leistung des Girokunden dar, so dass grundsätzlich der Bereicherungsausgleich zwischen dem vermeintlich Überweisenden und dem Überweisungsempfänger vorzunehmen ist. Erst dann stellt sich die Anschlussfrage, ob sich an diesem Ergebnis bei „Bösgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers etwas ändert, weil es in den Fällen der Zurechenbarkeit entscheidend auf den Empfängerhorizont des Überweisungsempfängers ankommen muss (vgl. hierzu nachfolgend). cc) Belastetem Girokunden zurechenbare Fehlüberweisung
4.352
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte sich wiederholt mit Sachverhalten zu beschäftigen, bei denen die fehlerhafte Überweisung dem belasteten Girokunden trotz Fehlens eines wirksamen Überweisungsauftrages zuzurechnen war mit der Folge, dass der Bereicherungsanspruch dem Girokunden zugerechnet wurde. Diese Rechtsprechung hat sich durch das Abrücken des BGH vom „Veranlasserprinzip“ in den Fällen der nicht autorisierten Überweisung erledigt. Dem Zahlungsdienstleister steht in diesem Falle ein unmit1 Vgl. weiter BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1422, wonach auch die mit der ungerechtfertigten Belastungsbuchung verbundene Beeinträchtigung der jederzeitigen Verfügbarkeit von Giroguthaben nicht im kondikitonsrechtlichen Sinne mit der Bereicherung des Überweisungsempfängers aus der zu Unrecht erhaltenen Kontogutschrift korrespondiert. 2 Canaris, JZ 1987, 201. 3 BGH v. 20.3.2001 – XI ZR 157/00, WM 2001, 954, 956 m.w.N. = BGHZ 147, 145 ff. = NJW 2001, 1855 f.; OLG Bamberg v. 23.2.2000 – 8 U 53/99, NJW-RR 2001, 129; vgl. weiter BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, WM 2001, 1454, 1456 = BGHZ 147, 269 ff. = NJW 2001, 2880 ff.; Schnauder, NJW 1999, 2841 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25.
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Die Überweisung | Teil 4
telbarer Kondiktionsanspruch gegen den Zahlungsempfänger gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB zu1. Zu der Kategorie der zurechenbaren fehlerhaften Überweisungen dürften auch sonstige Fälle der nachträglichen Beseitigung des Überweisungsauftrages gehören, selbst wenn dies wie bei der Anfechtung mit rückwirkender Kraft (§ 142 Abs. 1 BGB) geschieht2. Streng genommen war auch hier zunächst ein Zurechnungsgrund vorhanden. Ein solcher ursprünglich wirksam erteilter Überweisungsauftrag könnte es rechtfertigen, diese Leistung dem Inhaber des belasteten Girokontos zuzuordnen. Deshalb ist nach der von Schimansky vertretenen Ansicht auch hier der Bereicherungsausgleich im Deckungsverhältnis zwischen dem belasteten Kontoinhaber und seiner Bank vorzunehmen. Dies entspräche im Übrigen dem Grundgedanken der anfechtungsrechtlichen Schadensersatznorm des § 122 BGB3.
4.353
dd) Kenntnis des Überweisungsempfängers von der Fehlerhaftigkeit Durchgriffskondiktion des Zahlungsdienstleisters bei einer seinem Girokunden zurechenbaren Überweisung ist auch in den Ausnahmefällen gegeben, in denen der Überweisungsempfänger wusste, dass die Überweisung auf einem fehlerhaften Verhalten des Zahlungsdienstleisters beruht. Klassisches Beispiel ist der Fall, in dem dem Überweisungsempfänger der rechtzeitige Widerruf des zu seinen Gunsten erteilten Überweisungsauftrages bekannt war. Hier kann es aus der in diesen Fällen maßgeblichen Sicht des Überweisungsempfängers um keine Leistung des belasteten Kontoinhabers handeln4. Denn der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff erfordert eine auf „bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung gerichtete Zuwendung“.
4.354
Hat der Überweisungsempfänger den rechtzeitigen Widerruf des Überweisungsauftrages durch den hiermit belasteten Kontoinhaber gekannt, kann er in der ihm versehentlich erteilten Kontogutschrift keine Überweisung erblicken, mit der der belastete Kontoinhaber eine für ihn bestimmte Leistung bezweckte. Die „Bösgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers verdrängt also die „Zurechenbarkeit“, die beim Bereicherungsausgleich anlässlich einer fehlerhaften Überweisung das vorrangige Entscheidungskriterium für die Frage darstellt, ob der Bereicherungsanspruch dem belasteten Kontoinhaber oder seinem Zahlungsdienstlesiter zusteht.
4.355
4. Rechtsposition des Empfängerinstituts beim Bereicherungsausgleich Das Zahlungsinstitut des Überweisungsempfängers kann grundsätzlich einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen seinen ungerechtfertigt bereicherten Girokunden erwerben. Im Regelfall nimmt jedoch das Empfängerinstitut am Bereicherungsausgleich nicht teil, weil es als letztes Glied in der Überweisungskette bei der Erteilung der Gutschrift kein Leistender, sondern nur Leistungs„mittler“ im bereicherungsrechtlichen Sinne ist.
4.356
a) Empfängerinstitut als Bereicherungsgläubiger In seltenen Ausnahmefällen erwirbt auch das Zahlungsinstitut des Überweisungsempfängers (Empfängerinstitut) infolge seiner versehentlichen Kontogutschrift einen Bereiche1 2 3 4
BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, WM 2015, 1631 ff. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 19. Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 20. Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 26.
Werner | 591
4.357
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
rungsanspruch gegen seinen Girokunden (Überweisungsempfänger). Diesen Zahlungsanspruch kann es durch Ausübung ihres AGB-mäßigen Stornorechts im Wege der Selbsthilfe durchsetzen.
4.358
Umstritten ist, ob dem Empfängerinstitut zusätzlich zu seinem Bereicherungsanspruch ein mit diesem in Anspruchskonkurrenz stehender vertraglicher Rückzahlungsanspruch zusteht. Bei Bestehen eines solchen vertraglichen Zahlungsanspruches würde der Girokunde trotz Wegfalls der Bereicherung auch bei (unverschuldeter) Unkenntnis der Rechtsgrundlosigkeit rückzahlungspflichtig. Eine solche vertragliche Rückzahlungspflicht würde jedoch die durch §§ 818 Abs. 3, 819 BGB gezogene Opfergrenze überschreiten1.
4.359
Dieser unmittelbare Bereicherungsausgleich in der Leistungsbeziehung zwischen Überweisungsempfänger und seinem Zahlungsinstitut ist insbesondere gegeben, wenn dem Institut kein Auftrag zur Erteilung dieser Kontogutschrift erteilt worden ist, etwa bei einer irrtümlichen Doppelbuchung oder einer Buchung auf einem falschen Konto2.
4.360
Dieser Bereicherungsanspruch des Überweisungsinstituts besteht unabhängig von einem etwaigen Regressanspruch gegen seinen Kontoinhaber, weil dieser die irrtümliche Kontogutschrift schuldhaft (mit)verursacht hat. Ein Schaden entsteht dem Empfängerinstitut aber nur, soweit sein Bereicherungsanspruch nicht durchsetzbar ist. Dieser Ersatzanspruch ist also nur subsidiär3. b) Empfängerinstitut als bloßer „Leistungsmittler“
4.361
Das Empfängerinstitut ist hinsichtlich der bei ihm eingehenden Überweisungen in einer Doppelrolle tätig. Zum einen ist es im Rahmen des Girovertrages mit seinem Kunden zur Entgegennahme der für ihn bestimmten Buchgeldzahlungen ermächtigt4. In dieser Rolle bezweckt das Empfängerinstitut mit der Kontogutschrift seine girovertragliche Verpflichtung gegenüber seinem Kunden zur Herausgabe des für ihn empfangenen Geldbetrages zu erfüllen5. Aus der Sicht dieser Zweckbestimmung für die Erteilung der Kontogutschrift besteht also ein bereicherungsrechtliches Leistungsverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner kontoführenden Stelle.
4.362
Zum anderen bezweckt das Empfängerinstitut mit der Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Girokonto des Überweisungsempfängers, den Auftrag der ihm in der Überweisungs-(Giro-)kette unmittelbar vorgeschalteten Stelle auszuführen. Insoweit befindet sich das Empfängerinstitut in der Rolle des Letztbeauftragten, der die mehrgliedrige Überweisungskette bildenden Institute6. Das Empfängerinstitut wird hierbei als Beauftragter der ihr unmittelbar vorgeschalteten Stelle tätig, der es wegen des zugrunde liegenden Girovertragsverhältnisses die Erteilung der Kontogutschrift schuldet. Bei einer solchen Kontogutschrift handelt es sich um einen vermögensneutralen und damit bereicherungsrechtlich 1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 434. 2 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, WM 1995, 352 = NJW 1995, 1484; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 436. 4 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f.; Hadding/Häuser, WM 1989, 1149, 1154; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 387. 5 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 7. 6 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 158 ff.
592 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
irrelevanten Zahlungsvorgang, wenn das Empfängerinstitut wie regelmäßig von der ihr vorgeschalteten Stelle den Gegenwert als Deckung für die erteilte Gutschrift erhält. Beim Bereicherungsausgleich hat jedoch nach der BGH-Rechtsprechung das zwischen dem Überweisungsempfänger und dem Inhaber des belasteten Girokontos bestehende Leistungs-(Valuta-)Verhältnis den Vorrang. Deshalb steht bereicherungsrechtlich im Vordergrund die Rolle der kontoführenden Stelle des zu Unrecht belasteten Girokunden als erstbeauftragtes Institut in der Überweisungskette, wie sie von den mitwirkenden Instituten als bloße Leistungsmittler gebildet wird. Dagegen tritt die Rolle des Zahlungsdienstleisters des Überweisungsempfängers als letztes Glied der Überweisungskette beim bargeldlosen Zahlungsverkehr stark in den Hintergrund1.
4.363
Nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen erwirbt deshalb das Empfängerinstitut keinen Bereicherungsanspruch, wenn es dem Überweisungsempfänger versehentlich eine Gutschrift erteilt, weil es – und nicht das erstbeauftragte Institut – den noch rechtzeitig bei ihr eingegangenen Rückruf des Überweisungsauftrages durch den hiermit belasteten Girokunden unbeachtet gelassen hat. Wertungsmäßig ist hier der gleiche Sachverhalt wie bei einem bereits von dem erstbeauftragten Institut übersehenen Rückruf des Auftrages gegeben. Im letzteren Fall wird die Überweisung trotz rechtzeitigen Widerrufs dem belasteten Girokunden zugerechnet, weil er den später widerrufenen Auftrag jedenfalls erteilt und damit die fehlerhafte Überweisung initiiert hat, so dass der Fehler letztendlich in dem Rechtsverhältnis zu seinem (erstbeauftragten) Institut wurzelt. Kann also wertungsmäßig die dem Überweisungsempfänger erteilte Gutschrift auch bei der versehentlichen Nichtberücksichtigung eines Widerrufs durch das Empfängerinstitut dem belasteten Girokunden bereicherungsrechtlich zugerechnet werden und hat – wie regelmäßig – der Überweisungsempfänger den Widerruf nicht gekannt, ist der mit dem Überweisungsbetrag belastete Girokunde wiederum am Bereicherungsausgleich beteiligt2.
4.364
Tilgt also die irrtümliche Kontogutschrift eine gegenüber dem Überweisungsempfänger bestehende Zahlungsverbindlichkeit des belasteten Girokunden und bereichert damit diesen in Höhe der versehentlich erteilten Kontogutschrift, hat dieser Girokunde den Betrag zwecks bereicherungsrechtlichen Ausgleichs an das „entreicherte“ Empfängerinstitut zu zahlen. Diese „Entreicherung“ folgt daraus, dass das Empfängerinstitut nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen die seinem Girokunden versehentlich erteilte Kontogutschrift nicht rückgängig machen (stornieren) kann. Infolge der Nichtbeachtung des rechtzeitigen Rückrufs des Überweisungsauftrages kann das Empfängerinstitut aber auch den Gegenwert als Deckung für diese versehentliche Gutschrift weder von der ihm in der Überweisungskette unmittelbar vorgeschalteten Stelle noch von dem erstbeauftragten Institut verlangen.
4.365
Ist dagegen diese Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis des Überweisungsempfängers zu dem belasteten Girokunden nicht eingetreten und steht ihm deshalb weiterhin der Zahlungsanspruch gegen diesen Girokunden zu, ist der Überweisungsempfänger um die ihm versehentlich erteilte Kontogutschrift bereichert. Nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen erwirbt der zu Unrecht belastete Girokunde gegen den Überweisungsempfänger einen entsprechenden Bereicherungsanspruch, der an das Empfängerinstitut zum Aus-
4.366
1 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. 2 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 = BGHZ 87, 246 ff. = NJW 1983, 2501 f.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 26; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 1 f.
Werner | 593
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
gleich seiner versehentlich erteilten Kontogutschrift (direkt oder unter Zwischenschaltung der in der Girokette stehenden Institute) abzutreten ist.
4.367
Im Übrigen muss das erstbeauftragte Institut die Belastungsbuchung auf dem Konto seines Kunden rückgängig machen. Denn ihm steht wegen des rechtzeitigen Widerrufs des Auftrages durch seinen Kunden gegen diesen gem. § 675u BGB kein Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB zu.
4.368
Hier zeigt sich, dass das Empfängerinstitut im Unterschied zu den anderen, ihm in der Überweisungskette vorgeschalteten Stellen in einer Doppelrolle bei einem bargeldlosen Zahlungsvorgang tätig ist: Als letztes Glied (Endbeauftragter) in der Überweisungskette und zugleich als Zahlstelle für den Überweisungsempfänger1. In dieser Rolle als Letztbeauftragter in der Girokette erbringt es mit der Kontogutschrift eine Leistung, die es der ihm vorgeschalteten Stelle auf Grund des zu dieser bestehenden zahlungsdienstvertraglichen Auftragsverhältnisses gem. § 675f Abs. 1 oder Abs. 2, Abs. 4 Satz 2 BGB schuldet. Deshalb vermittelt das Empfängerinstitut aus der bereicherungsrechtlich maßgeblichen Sicht des Überweisungsempfängers eine vom vermeintlich Überweisenden geschuldete Leistung. Nach dieser Sichtweise ist also das Empfängerinstitut bei der Erteilung der Kontogutschrift lediglich Leistungs„mittler“ und kein „Leistender“ im Sinne der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Infolgedessen ist das Empfängerinstitut zwangsläufig in den Bereicherungsausgleich für die fehlerhafte Überweisung mit den sich daraus ergebenden bereicherungsrechtlichen Konsequenzen eingebunden. Hiernach ist der Bereicherungsanspruch dem mit dem Überweisungsbetrag zu Unrecht belasteten Girokunden zuzuweisen, weil ihm die fehlerhafte Überweisung nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zuzurechnen ist, soweit der Überweisungsempfänger nicht ausnahmsweise die Fehlerhaftigkeit kannte und sich auch nicht in Kenntnis aller Umstände bewusst unwissend stellte. 5. Ergebnis der bereicherungsrechtlichen Bewertung von Fehlüberweisungen
4.369
Der Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungen vollzieht sich regelmäßig zwischen dem mit Überweisungsbetrag belasteten Girokunden, dem Überweisungsempfänger und dem erstbeauftragten Institut. Im Regelfall steht dem belasteten Girokunden ein Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger zu. Dagegen kann das erstbeauftragte Institut einen Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger erwerben (Durchgriffskondiktion), wenn die fehlerhafte Überweisung dem hiermit belasteten Girokunden nicht zugerechnet werden kann oder im Falle einer Zurechenbarkeit der Buchgeldempfänger die Fehlerhaftigkeit kannte oder sich in Kenntnis aller Umstände bewusst unwissend stellte. In extremen Ausnahmefällen kann auch die Bank des Überweisungsempfängers gegen diesen unmittelbar einen Bereicherungsanspruch erwerben, den sie durch Ausübung ihres AGB-mäßigen Stornorechts im Wege der Selbsthilfe durchsetzen kann. 6. AGB-mäßiges Stornorecht
4.370
Soweit das Empfängerinstitut infolge der fehlerhaften Gutschriftbuchung einen Bereicherungsanspruch gegen den Kontoinhaber aus eigenem Recht erworben hat, ist es, soweit es sich dabei um ein Kreditinstitut handelt, auf Grund Nr. 8 Abs. 1 AGB-Banken befugt, die 1 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f.
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Die Überweisung | Teil 4
Kontogutschrift im Wege der Selbsthilfe durch eine Belastungsbuchung wieder rückgängig zu machen (sog. Stornierung). Solche Stornobuchungen sind nur auf einem kontokorrentmäßig geführten Girokonto zulässig, da Gutschriftsbuchungen auf diesem Konto Zahlungsansprüche nach §§ 780, 781 BGB begründen und damit stets rechtskonstitutiv sind. Gutschriften auf Spar- und Termingeldkonten sind dagegen nicht rechtsbegründend, sondern deklaratorisch. Guthaben auf diesen Konten werden – im Unterschied zu den Girokonten – als Darlehen eingestuft, bei denen der Rückzahlungsanspruch zumindest nicht in allen Fällen durch die Kontogutschrift begründet wird, wie dies für Giroguthaben gilt.
4.371
Bei dem Stornorecht handelt es sich nach dem BGH um ein eigenständiges, auf dem Girovertrag basierendes Rückbuchungsrecht, das seiner Rechtsnatur nach ein Widerrufsrecht darstellt1. Mit der Ausübung dieses Widerrufsrechts wird der Zahlungsanspruch des Kunden (§§ 780, 781 BGB), der mit der stornierten Gutschriftbuchung begründet worden ist, wieder beseitigt. Das Stornorecht soll dem Zahlungsinstitut ermöglichen, einen Rückgewährsanspruch im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen2. Das Stornorecht kann gem. Nr. 8 Abs. 1 AGB-Banken nur bis zum nächsten Rechnungsabschluss ausgeübt werden. Ist dieser erfolgt, darf es gem. Nr. 8 Abs. 2 AGB-Banken nur mit Zustimmung des Kontoinhabers ausgeübt werden.
4.372
a) Zweck des Stornorechts Das Stornorecht bezweckt, die mit der Geltendmachung solcher Bereicherungsansprüche der kontoführenden Stelle erfahrungsgemäß verbundenen Schwierigkeiten und Risiken zu vermeiden. Hierdurch soll die Rechtsstellung dieses Instituts insbesondere auf eine von den Unsicherheiten des Bereicherungsrechts unabhängige eigenständige Grundlage gestellt werden3. Insbesondere kann der Kontoinhaber nicht den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) einwenden4.
4.373
Die Ausübung des Stornorechts setzt einen Bereicherungsanspruch der kontoführenden Stelle voraus. Die AGB-mäßige Stornoklausel knüpft deshalb das Stornorecht ausdrücklich daran, dass dem Institut „ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zusteht“. Würde dieses Rückbuchungsrecht auch für fehlerhafte Kontogutschriften gelten, in denen der kontoführenden Stelle kein Bereicherungsanspruch gegen den Kontoinhaber zusteht, würde die Stornoklausel eine unangemessene Regelung im Sinne des § 307 Abs. 2 BGB darstellen5.
4.374
Der kontoführenden Stelle des Empfängers steht kein Stornorecht zu, wenn sie einen Überweisungsauftrag trotz rechtzeitigen Widerrufs gegenüber dem erstbeauftragen ausgeführt hat, denn dann handelt es gleichwohl aufgrund eines Auftrags des vorhergehenden Instituts. Infolgedessen hat es keinen bereicherungsrechtlichen Direktanspruch gegen ihren
4.375
1 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998; BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908 = BGHZ 87, 246 ff. = NJW 1983, 2501 f.; von Westphalen, WM 1984, 1, 4; Kümpel, WM 1979, 378. Nach einem Teil der Literatur handelt es sich bei dem Stornorecht um ein Anfechtungsrecht (vgl. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 7 m.w.N.). 2 OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398, 2399. 3 BGH v. 22.1.1993 – V ZR 164/90, WM 1993, 907, 908. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 455; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 14. 5 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908 = BGHZ 87, 246 ff. = NJW 1983, 2501 f.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Kontoinhaber als Überweisungsempfänger, der Bereicherungsausgleich könnte vielmehr nur im Wege der „Doppelkondiktion“ vorgenommen werden1, sofern nicht das vermeintlich erstbeauftragte Institut keinen direkten Bereicherungsanspruch aus Nichtleistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB geltend macht2. Etwas anderes käme nur dann in Betracht, wenn es sich um eine institutsinterne Überweisung handelt; dann hätte das endbegünstigte Institut die Gutschrift ohne wirksamen Auftrag vorgenommen. Ein Stornorecht entfällt im Übrigen auch in den Fällen, in denen die kontoführende Stelle irrtümlich von einem Vorhandensein ausreichender Deckung ausgeht. Hier kann das Institut seinen auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) gegen das ihm in der Überweisungskette vorgeschaltete Stelle geltend machen3. Fehlende Deckung führt selbst dann, wenn diese Voraussetzung für die Ausführung eines Auftrags sein sollte, nicht zur Unwirksamkeit eines Überweisungsauftrags. Eine entsprechende Vereinbarung hätte nur zur Folge, dass das erstbeauftragte Institut gem. § 675o Abs. 2 BGB berechtigt wäre, den Auftrag abzulehnen; unwirksam wird er aber, wenn das kontoführende von seinem Ablehnungsrecht keinen Gebrauch machen sollte, nicht.
4.376
Kein Fall des Stornorechts ist es, wenn ein Zahlungsinstitut durch eine Gegenbuchung eine Gutschriftsbuchung berichtigt, die wie z.B. beim Lastschrifteinzug oder beim Scheckinkasso noch unter dem Vorbehalt des Eingangs des Inkassoerlöses steht und deshalb dem Kontoinhaber im Zeitpunkt der Gegenbuchung noch keinen endgültigen Zahlungsanspruch verschafft hatte4. b) Zeitliche Befristung des Stornorechts
4.377
Nach der BGH-Rechtsprechung erlischt das Stornorecht mit dem nächsten Rechnungsabschluss des kontokorrentmäßig geführten Girokontos5. Die Ansprüche und damit auch der der fehlerhaften Kontogutschrift zugrunde liegende Zahlungsanspruch des Kontoinhabers erlöschen durch den Rechnungsabschluss, so dass dieser Anspruch als Gegenstand des Stornorechts nicht mehr in Betracht kommt6.
4.378
Mit Rücksicht auf diese BGH-Rechtsprechung befristet die Stornoklausel der AGB der Kreditinstitute das Stornorecht bis zum nächsten Rechnungsabschluss. Stattdessen wird der Bank in Nr. 8 Abs. 2 AGB-Banken eine „Berichtigungsbuchung“ gestattet, wenn die fehlerhafte Gutschrift erst nach einem Rechnungsabschluss festgestellt wird. Erhebt der Kunde gegen eine solche Berichtigungsbuchung Einwendungen, so wird die Bank den Betrag dem Konto wieder gutschreiben und ihren Rückzahlungsanspruch gesondert geltend machen. Gegenüber diesem Berichtigungsanspruch ist anders als beim Stornorecht der 1 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 1 f. 2 Vgl. BGH v. 2.6.2015 – XI ZR 327/14, WM 2015, 1458 und BGH v. 16.6.2015 – XI ZR 243/13, WM 2015, 1631. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 2. 4 BGH v. 9.10.1974 – VIII ZR 190/73, WM 1974, 1127, 1129. 5 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998; dagegen hat es der BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907, 908 offen gelassen, ob das Stornorecht auch noch nach Beendigung der Geschäftsverbindung geltend gemacht werden kann, weil die AGB bis zur Abwicklung der Geschäftsverbindung fortgelten. 6 Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 80 ff. Eine weisungswidrig erteilte Kontogutschrift kann jedoch von der Bank bereicherungsrechtlich nicht zurückverlangt werden, wenn sie gegenüber dem Empfänger nachträglich eine Leistungsbestimmung mit Blick auf das Valutaverhältnis trifft (OLG Stuttgart v. 21.9.1988 – 1 U 23/88, WM 1989, 945, 947).
596 | Werner
Die Überweisung | Teil 4
Einwand der weggefallenen Bereicherung (§ 818 BGB) zulässig. Dieser Berichtigungsanspruch stellt deshalb auch keine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar1. In dieser Berichtigungsbuchung liegt ein Angebot an den Kunden auf Abschluss einer Stornierungsvereinbarung. Widerspricht der Kunde der Belastungsbuchung, muss also diese Buchung rückgängig gemacht werden. Die AGB-Klausel spricht von „Einwendungen“ des Kunden gegen die Berichtigungsbuchung, meint hiermit aber ein fehlendes Einverständnis, ohne das die angebotene Stornierungsvereinbarung nicht zustande kommen kann2. Hat die kontoführende Stelle die Rückgutschrift erteilt, kann der Kontoinhaber hierüber gleichwohl nicht verfügen, wenn die Bank dies verweigert (Einrede nach § 821 BGB)3.
4.379
Über diese Berichtigungs- und Stornierungsbuchungen wird das Institut den Kunden unverzüglich unterrichten (Nr. 8 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken). Bei einer Verletzung dieser Benachrichtigungspflicht kann sich die kontoführende Stelle wegen Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig machen.
4.380
Das Zahlungsinstitut nimmt solche Buchungen hinsichtlich der Zinsberechnung4 rückwirkend zu dem Tag vor, an dem die fehlerhafte Buchung erfolgte – sog. valutagerechte Buchungen (Nr. 8 Abs. 3 Satz 2 AGB-Banken). Der Kontoinhaber soll wirtschaftlich so gestellt werden, als wäre die stornierte Gutschriftsbuchung nicht geschehen. Eine solche Berichtigungsbuchung ist auch kontokorrentrechtlich zulässig. Denn der zugrunde liegende Bereicherungsanspruch ist auf Rückzahlung von Buchgeld gerichtet5.
4.381
Dem Stornorecht steht auch nicht die Auszahlung des auf der irrtümlichen Gutschrift beruhenden Guthabens an den Kontoinhaber entgegen6. Im Übrigen kann das Stornorecht nach herrschender Meinung auch bei nicht ausreichendem Kontoguthaben ausgeübt werden. Es ist folglich unschädlich, dass die Stornierung in diesen Fällen einen (ggf. höheren) Schuldsaldo auf dem Girokonto entstehen lässt7.
4.382
Einstweilen frei.
4.383–4.400
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 18. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 4; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 18. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 4; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 18. 4 Zur Frage der Wirksamkeit dieser Zinsberechnung, wenn die Stornierungs- oder Berichtigungsbuchung zu einem Schuld-(Debet-)Saldo geführt hat, vgl. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 25 m.w.N. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 433; a.A. Blaurock, NJW 1984, 1, 4 Fn. 30, der die Kontokorrentfähigkeit verneint, weil der Bereicherungsanspruch nicht auf Geld, sondern auf die Aufhebung des mit der Gutschrift verbundenen abstrakten Schuldversprechens gerichtet sei. Eine solche rein konstruktionsmäßige Betrachtungsweise erscheint jedoch nach Canaris im Hinblick auf die Besonderheiten der Giroüberweisung wenig sachgerecht. Besser sei, einen girorechtlich modifizierten und daher von vornherein auf Rückzahlung von Buchgeld gerichteten Anspruch anzunehmen. 6 LG Berlin v. 8.12.1978 – 21 O 274/78, WM 1979, 322. 7 Vgl. OLG Nürnberg v. 17.8.1977 – 9 U 35/77, WM 1977, 1336; OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398, 2399; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 2; Blaurock, NJW 1984, 1, 7.
Werner | 597
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
3. Abschnitt: Lastschriftverfahren I. Grundsätzliches 4.401
Das Lastschriftverfahren1 ist erst in den sechziger Jahren von der Kreditwirtschaft zu einem einheitlichen Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs entwickelt worden. Seine wirtschaftliche Bedeutung lässt sich an dem wachsenden Anteil am bargeldlosen Zahlungsverkehr ablesen. Der Vorläufer des Lastschrifteinzuges war das Einziehungsverfahren, das insbesondere von Schoele seit dem Jahre 1920 nachdrücklich gefordert worden ist und dem früheren Abbuchungsverfahren entsprach2. Seine rechtliche Anerkennung hat das Lastschriftverfahren in den Regelungen zu den Zahlungsdiensten gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Abs. 21 ZAG §§ 675c ff. BGB gefunden3.
4.402
Mit Umsetzung der ersten EU-Zahlungsdiensterichtlinie in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen der EWR-Staaten ist jdie Rechtsgrundlage für ein einheitliches, EWRweites Lastschriftverfahren geschaffen worden, das seine rechtliche Grundlage in einem europäischen Interbankenabkommen, dem SEPA (= Single European Payment Area)-Rulebook, findet4. 1. Lastschrift als „rückläufige“ Überweisung
4.403
Das Lastschriftverfahren dient – wie die Überweisung – regelmäßig der bargeldlosen Bezahlung von Geldschulden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs besteht aber darin, dass beim Lastschriftverfahren die bargeldlose Zahlung nicht vom Schuldner über sein kontoführendes Institut, sondern über den Gläubiger ausgelöst wird. Beim Lastschriftverfahren verwandelt sich die Geldschuld, wie sie regelmäßig auch einer Überweisung zugrunde liegt, von einer Schickschuld zu einer Holschuld5. Hierzu reicht der Gläubiger die Lastschrift bei seiner kontoführenden Stelle zum Einzug ein. Die Lastschrift wird unmittelbar oder unter Zwischenschaltung weiterer Institute dem kontoführenden Institut des Schuldners zur Einlösung vorgelegt, das dann – sofern die vereinbarten Ausführungsvoraussetzungen vorliegen – die Belastung des Girokontos des Schuldners vornehmen wird.
4.404
Schoele hat deshalb für den Einzug einer Lastschrift die vom BGH übernommene Bezeichnung „rückläufige“ Überweisung verwendet6. Mit dieser Terminologie sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Lastschriftzahlung als bargeldloser Zahlungsvorgang der Überweisung sehr ähnelt, in ihrem buchungstechnischen Ablauf aber in umgekehrter Richtung verläuft7.
1 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, §§ 56 ff.; Krepold in BuB, Rz. 6/300 ff. 2 Hadding/Häuser, WM 1983, Sonderbeil. Nr. 1, 6. 3 Vgl. zu den neuen rechtlichen Regelungen Hadding in FS Hüffer, S. 273 ff. und Werner, BKR 2010, 9 ff. 4 Hadding in FS Hüffer, S. 273, 280 ff.; Werner, BKR 2010, 9, 13 ff. 5 BGH v. 30.1.1985 – IVa ZR 91/83, WM 1985, 461, 462; Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 181. 6 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977 1196, 1197; Hadding/Häuser, WM 1983, Sonderbeil. Nr. 1, 6. 7 Hadding/Häuser, WM 1983, Sonderbeil. Nr. 1, 4.
598 | Werner
Lastschriftverfahren | Teil 4
2. Vorzüge des Lastschriftverfahrens Die weit verbreitete Nutzung des Lastschriftverfahrens erklärt sich nicht nur aus seiner Praktikabilität und Eignung für Rationalisierungsmaßnahmen. Dieses Inkassoverfahren ist auch mit wesentlichen Vorteilen für die Beteiligten verbunden. So hat vor allem der Gläubiger die Möglichkeit der Initiative beim Zahlungseinzug und ist somit nicht mehr darauf angewiesen, die pünktliche Zahlung seiner Schuldner abzuwarten. Das Lastschriftverfahren dient nach Rechtsansicht des BGH im Wesentlichen dem Interesse des Gläubigers an der zügigen und reibungslosen Einziehung seiner Forderungen1.
4.405
Der Zahlungsverpflichtete kann die Initiative seines Gläubigers zur termingerechten Bezahlung seiner Geldschuld abwarten und braucht lediglich ein entsprechendes Guthaben auf seinem für den Lastschrifteinzug bezeichneten Konto zu unterhalten oder zumindest über einen ausreichenden Überziehungskredit zu verfügen.
4.406
Das Lastschriftverfahren birgt freilich für den Lastschriftschuldner das Risiko, dass sein Konto auf Grund einer Lastschrift belastet wird, ohne dass dem Lastschriftgläubiger eine entsprechende Forderung zusteht. Dieses Risiko darf jedoch nicht überbewertet werden. Im Lastschriftverfahren auf Grund eines dem Gläubiger erteilten Mandats steht dem Schuldner gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB ein Erstattungsanspruch gegen sein Institut, die Zahlstelle, zu, damit er von seiner kontoführenden Stelle eine entsprechende Wiedergutschrift erhält (vgl. Rz. 4.455). Diese Möglichkeit kann bei den beiden SEPA-Lastschriftverfahren gem. § 675e Abs. 4 BGB nur dann ausgeschlossen werden, wenn es sich beim Lastschriftschuldner um einen Unternehmer gem. § 14 BGB handelt. Außerdem folgt aus der Beschränkung des § 675x Abs. 2 BGB auf die SEPA-Verfahren, dass diese nicht gilt, wenn der Einzug in einem anderen Verfahren erfolgt. Allerdings ergibt sich aus der MigrationsVO, dass andere, als die SEPA-Verfahren nicht zulässig sind. Hier muss der Schuldner bei einem missbräuchlichen Lastschrifteinzug oder bei einer nicht vertragsgemäßen Leistung des Gläubigers den seinem Girokonto abgebuchten Betrag unmittelbar von seinem Gläubiger zurückfordern, sofern ein wirksames Mandat erteilt worden sein sollte. Ein Erstattungsanspruch gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB ist aber dann ausgeschlossen, wenn der Zahler seine Zustimmung zur Belastung direkt seinem Zahlungsdienstleister und nicht – wie das SEPA-Basislastschriftverfahren dies vorsieht – über den Zahlungsempfänge erteilt.
4.407
3. Grundstrukturen der Lastschriftverfahren Zwischen den als Lastschriftgläubiger und -schuldner beteiligten Zahlungsdienstnutzern und ihren kontoführenden Instituten sowie zwischen den beim Lastschrifteinzug mitwirkenden zwischengeschalteten Instituten bestehen Vertragsverhältnisse, die als Zahlungsdiensterahmenverträge (im Verhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger und ihren Instituten) und Geschäftsbesorgungsverträgen mit Dienstvertragscharakter (die Rechtsverhältnisse der in die Zahlungsabwicklung eingebundenen Institute) gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB bzw. §§ 675, 611 ff. BGB einzuordnen sind. Das Valutaverhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und -schuldner ist dagegen anderen schuldrechtlichen Normen, insbesondere kaufrechtlichen Bestimmungen beim Warenkauf durch den Lastschriftschuldner unterworfen2. 1 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520, 521 = NJW 1989, 1672 f.; BGH v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, WM 1996, 335, 336 = NJW 1996, 988 ff.; vgl. hierzu Häuser, JZ 1997, 957 ff. 2 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 1.
Werner | 599
4.408
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
a) Einstellung des Einziehungsermächtigungs- und des Abbuchungsauftragsverfahrens aufgrund der MigrationsVO
4.409
Das Lastschriftverfahren der Kreditwirtschaft, wie es im Lastschriftabkommen (LSA) geregelt war, kannte zwei Abwicklungsformen, deren rechtliche Grundstruktur sich deutlich voneinander unterschied: Das in der Praxis vorherrschende „Einzugsermächtigungs“verfahren und das „Abbuchungsauftrags“verfahren (Abschnitt I Nr. 1 des LSA). Das Einzugsermächtigungsverfahren setzte voraus, dass der Zahlungspflichtige (Schuldner) den Zahlungsempfänger (Gläubiger) schriftlich „ermächtigte“, die von ihm zu entrichtenden, näher bezeichneten Zahlungen bei Fälligkeit zu Lasten seines Girokontos bei dem hierzu bestimmten Institut durch Lastschrift einzuziehen. Beim Abbuchungsauftragsverfahren erteilte der Schuldner dagegen seiner kontoführenden Stelle (Zahlstelle) einen generelle Auftrag i.S.d. § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB a.F., Lastschriften des im Abbuchungsauftrag bezeichneten Gläubigers zu Lasten seines Girokontos im Rahmen einer vorhandenen Deckung einzulösen1. Im Zuge der MigrationsVO2 mussten beide Verfahren eingestellt werden, wobei das Einziehungsermächtigungsverfahren zum 30.1.2016 und das Abbuchungsauftragsverfahren mit Ablauf des 31.1.2014 eingestellt worden sind3. Aufgrund der MigrationsVO gibt es jetzt nur noch die beiden SEPA-Lastschriftverfahren4. b) Vielzahl nachgeordneter Inkassoverhältnisse
4.410
Mit Rücksicht auf die für den bargeldlosen Zahlungsverkehr notwendige Mitwirkung von Zahlungsinstituten, die auch hier im eigenen Namen handeln, vollzieht sich der Lastschrifteinzug auf der Grundlage einer entsprechenden Vielzahl entgeltlicher Verträge zwischen den Beteiligten gem. §§ 675, 611 ff. BGB. So bestehen zwischen Gläubiger und Schuldner vertragliche Beziehungen zu ihren kontoführenden Instituten. Weitere entsprechende Rechtsverhältnisse werden begründet, wenn zwischen dem Gläubiger- und Schuldnerinstitut kein unmittelbares Girovertragsverhältnis besteht und mithin ein oder mehrere andere Stellen für das Inkassoverfahren zwischengeschaltet werden müssen. Aus rechtlicher Sicht ist von besonderem Interesse das Girovertragsverhältnis zwischen dem Gläubiger und seinem Institut.
II. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und seinem Institut 4.411
Das Girovertragsverhältnis, das zwischen dem Gläubiger und seiner kontoführenden Stelle besteht, gibt dem Gläubiger noch nicht das Recht, Lastschriften zum Einzug einzureichen. Insoweit ergibt sich ein Unterschied zur Einreichung von Schecks zum Inkasso im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs5. Für den Lastschrifteinzug bedarf es vielmehr des Abschlusses einer Inkassovereinbarung, für die das Kreditgewerbe einen weitgehend vereinheitlichten Mustertext verwendet. Der Schuldner muss sowohl im SEPA-Basis- als auch im SEPA-Firmenlastschriftverfahren den Gläubigern den Lastschrifteinzug gestatten. Dieses ausdrückliche Einverständnis ist in der Form eines Mandats nach Ziff. 2.4 bzw. 3.4 der Bedingungen für den Lastschrifteinzug erforderlich. 1 2 3 4 5
BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194, 195; Hadding, WM 1978, 1366 ff. ABl. EU Nr. L 94 v. 30.3.2012, S. 22. Vgl. Werner in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 4. Kap. A Rz. 52. Vgl. Werner in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 4. Kap. A Rz. 54 ff. Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 2.
600 | Werner
Lastschriftverfahren | Teil 4
Der Vereinbarung zwischen dem Schuldner und seinem Zahlungsinstitut über seine passive Teilnahme am Lastschriftverfahren liegen die Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren bzw.die Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Firmenlastschriftverfahren zugrunde. Aufgrund der bestehenden Girovertragsverhältnisse des Zahlers und des Zahlungsempfängers zu ihren jeweiligen kontoführenden Instituten ist es dem Zahler möglich, über sein Giroguthaben auch dadurch zu verfügen, dass er seinem Gläubiger den Lastschrifteinzug zu Lasten seines Girokontos gestattet1. Im Zuge der Umsetzung der (ersten) Zahlungsdiensterichtlinie sind die vorstehend genannten speziellen Lastschriftbedingungen eingeführt worden, die jeder Kontoinhaber mit seinem Institut abschließt und die das Rechtsverhältnis zwischen Zahlstelle und Lastschriftschuldner regeln. Bei den entsprechenden Vereinbarungen handelt es sich um Zahlungsdiensterahmenverträge gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB oder um Zusatzvereinbarungen dazu.
4.412
In der Inkassovereinbarung (Nr. 1 des Bank-Verlag-Musters) verpflichtet sich der Gläubiger üblicherweise gegenüber dem Inkassoinstitut, Lastschriften nur dann zum Einzug einzureichen, wenn ihm eine schriftliche Ermächtigung (Mandat) seines Schuldners als Zahlungspflichtigem, fällige Forderungen von seinem Konto einzuziehen, vorliegt, sofern mit seiner Bank keine andere Form vereinbart worden ist. Die Inkassostelle kann zwar verlangen, dass ihr der Kunde die erforderliche Ermächtigung seiner Schuldner – also ein entsprechendes Mandat – vorlegt. Aufgrund des damit verbundenen Aufwands wird davon aber nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht. Inkassostellen brauchen deshalb nach Ansicht des BGH auch nicht zu prüfen, ob dem Lastschriftgläubiger Einzugsermächtigungen (jetzt: Mandate) erteilt worden sind2. Wegen dieser fehlenden Prüfpflicht haftet das Gläubigerinstitut dem Schuldnerinstitut, wenn es eine Lastschrift einzieht, für die vom Schuldner kein Mandat erteilt worden ist3.
4.413
1. Schriftform für Inkassovereinbarung Die Inkassovereinbarung sieht im Übrigen vor, dass das dem Gläubiger zu erteilende Mandat schriftlich erteilt werden muss, soweit keine andere Form vereinbart worden ist4. Dadurch soll einer möglichen Diskreditierung des Lastschriftverfahrens entgegengewirkt werden, die durch mündlich erteilte Mandate entstehen könnte. In begründeten Ausnahmefällen kann jedoch die Gläubigerbank unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Zahlungsempfänger vereinbaren, dass auch eine nicht schriftlich erteilte Einzugsermächtigung ausreicht. Allerdings kann – wie sich aus § 127 Abs. 2 BGB ergibt – die Schriftform auch durch die „telekommunikative Übermittlung“ ersetzt werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Absprache über die Form zwischen dem Zahler und seinem Institut bedarf. Dadurch ist es dem Zahler möglich, SEPA-Basis-Lastschriftmandate im Internet zu erteilen, ohne dass es einer zusätzlichen Vereinbarung mit seiner kontoführenden Stelle bedarf.
4.414
2. Erteilung von E.v.-Gutschriften Die Beträge der Lastschriften werden unmittelbar nach Einreichung dem Girokonto des Gläubigers gutgeschrieben. Diese Gutschrift erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung 1 2 3 4
Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 43. BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977, 1196, 1199. Vgl. auch Abschnitt 1 Nr. 5 des Lastschriftabkommens. Zur Ersetzung der Schriftform durch die qualifizierte elektronische Signatur vgl. Werner, BKR 2002, 11, 13.
Werner | 601
4.415
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
(§ 158 Abs. 1 BGB) „Eingang vorbehalten“ (E.v.-Gutschriften)1. Das in einer Kontogutschrift liegende Schuldversprechen (§ 780 BGB) steht also unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung der Lastschrift durch die kontoführende Stelle des Schuldners (sog. Zahlstelle)2.
4.416
Die Wertstellung erfolgt gem. § 675t Abs. 1 BGB spätestens an dem Geschäftstag, an dem der Zahlungsbetrag beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist, zumal sich die Frist zur Ausführung aus § 675s Abs. 2 BGB ergibt, die der Zahlerbank keinen Spielraum zur Weiterleitung des Lastschriftbetrags gibt3.
4.417
Bis zur Einlösung der Lastschriften steht aber dem Gläubiger kein Anspruch aus der Gutschrift zu. Das Gläubigerinstitut braucht deshalb keine Verfügungen über diese E.v.-Gutschriften zuzulassen4. Regelmäßig kann aber der Gläubiger zumindest über Teile dieser E.v.-Gutschriften verfügen5. Hierin liegt eine Kreditgewährung; bei Nichteinlösung der Lastschrift steht dem Zahlungsdienstleister sodann der darlehensrechtliche Rückzahlungsanspruch (§ 488 BGB) zu6. Das hierfür bestimmte „Rückbelastungs“recht der Einzugsbedingungen (Nr. 2.7 Abs. 2 für SEPA-Basislastschriften und Nr. 3.7 Abs. 2 für SEPA-Firmenlastschriften) hat insoweit nur deklaratorische Bedeutung7. Wegen des Kreditrisikos solcher vorzeitigen Kontoverfügungen kann die Bank grundsätzlich ihren AGB-mäßigen Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (Nr. 13 Abs. 1 AGB-Banken) geltend machen8. Der Umfang dieses Anspruches richtet sich nicht nur nach dem einzuziehenden Lastschriftvolumen, sondern auch nach dem Bonitätsrisiko des Lastschrifteinreichers9.
4.418
Mit der Einreichung der Lastschriften gehen zugleich die zugrunde liegenden Forderungen auf die Bank über (Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken). Damit erhält die Bank eine direkte Zugriffsmöglichkeit gegen den Lastschriftschuldner, die ihr Ausfallrisiko bei Nichteinlösung der Lastschriften verringern soll10.
4.419
Die E.v.-Gutschrift erstarkt zu einer anspruchsbegründenden Gutschrift durch die Einlösung der Lastschrift, mit der die aufschiebende Bedingung „Eingang vorbehalten“ entfällt. Nach den AGB der Kreditwirtschaft sind Lastschriften – wie auch Schecks – eingelöst, wenn die hierzu erteilte Belastungsbuchung der Schuldnerbank nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. Lastschriften, die über die Abrechnungsstelle einer Landeszentralbank vorgelegt werden, sind eingelöst, wenn sie nicht bis zu dem von der Landeszentralbank festgesetzten Zeitpunkt an die Abrechnungsstelle zurückgegeben werden (Nr. 9 Abs. 2 AGB-Banken). Mit dieser Einlösung entfallen auch alle (Eingangs-)Vorbehalte, unter denen die auf dem Inkassoweg erteilten Gutschriften der mitwirkenden Banken stehen11. Anders als bei der Ausführung eines 1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 570; Krepold in BuB, Rz. 6/393. 2 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 13; van Gelder in FS Schimansky, 1999, S. 127, 141. 3 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 13. 4 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 13, 22. 5 Krepold in BuB, Rz. 6/394. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 572; Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 13. 7 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 572. 8 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 22; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 582. 9 Krepold in BuB, Rz. 6/394. 10 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 32. 11 BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450 = BGHZ 79, 381 ff. = NJW 1981, 1669 ff.
602 | Werner
Lastschriftverfahren | Teil 4
Überweisungsauftrags hat also die Belastungsbuchung der Schuldnerbank wegen dieses Wegfalls des mit den Gutschriftsbuchungen verknüpften Eingangvorbehaltes eine rechtskonstitutive Bedeutung1. Die Einlösung der Lastschriften hat beim SEPA-Verfahren jetzt – anders noch als im Einzugsermächtigungsverfahren – Endgültigkeit im Sinne der Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB zur Folge, wie sie für die beabsichtigte Tilgung des Zahlungsanspruchs im Valutaverhältnis erforderlich ist2. Beim Einziehungsermächtigungsverfahren stand der Anspruch aus der bei Lastschrifteinreichung erteilten E.v.-Gutschrift nicht nur unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung (§ 158 Abs. 1 BGB). Die nach der Einlösung zu einer anspruchsbegründenden Buchung erstarkende E.v.-Gutschrift stand unter der weiteren auflösenden Bedingung der Wiedervergütung wegen Widerspruchs des Kunden gegen die Belastungsbuchung auf seinem Girokonto (§ 158 Abs. 2 BGB)3. Da jedoch im SEPA-Verfahren das Mandat eine Vorautorisierung4 darstellt und lediglich ein eigenständiger Rückerstattungsanspruch gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB vom Zahler gegen die Belastung geltend gemacht werden kann, entfällt hier die auflösende Bedingung des Widerspruchs gegen die ungenehmigte Belastung.
4.420
3. Haftung des Gläubigerinstituts für nachgeordnete Inkassoinstitute Das Gläubigerinstitut hat die Lastschriften nach ihrer Einreichung unverzüglich auf dem hierfür geeigneten Inkassoweg weiterzuleiten. Aus §§ 675y Abs. 2 und Abs. 4 und 675z Satz 3 BGB folgt, dass das Gläubigerinstitut auch für zwischengeschaltete Institute so haftet, als würde es sich dabei um seine Erfüllungsgehilfen handeln.
4.421
III. Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und seinem Zahlungsinstitut Der Schuldner kann auf Grund des zu seiner kontoführenden Stelle bestehenden Girovertragsverhältnisses ohne weiteres am Lastschriftverfahren teilnehmen. Der Girovertrag beinhaltet auch die Befugnis, über das Kontoguthaben mittels Lastschriften zu verfügen. Auf Grund dessen werden mit dem Kontoinhaber verschiedene Bedingungen über die Teilnahme an den Lastschriftverfahren vereinbart, wie die „Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren“ und für Firmenkunden die „Bedingungen für Zahlungen im SEPA-Firmenlastschriftverfahren“.
4.422
1. SEPA-Lastschriftverfahren a) Rechtsgrundlagen Auf Grundlage der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt zur Schaffung einer „Single Euro Payment Area 1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 550. 2 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 22. 3 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828, 829; Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 22; van Gelder, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 7, 17; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 577; Krepold in BuB, Rz. 6/393. 4 Werner in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 4. Kap. A Rz. 56 und § 675x BGB Rz. 29.
Werner | 603
4.423
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
(SEPA)“ v. 13.11.20071 und der Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht durch das VerbrKredRLUG v. 29.7.20092 gibt es erstmals ein einheitliches europäisches Lastschriftverfahren („Pan-European Direct Debit“). Dabei muss zwischen der SEPA-Lastschrift und den rechtlichen Rahmenbedingungen für Lastschriften unterschieden werden, auch wenn der Gesetzgeber, wie sich aus § 675x Abs. 2 BGB ergibt, beide Verfahren ausdrücklich anerkannt hat.
4.424
Die europäischen Bankverbände haben ihre Anforderungen an die beiden SEPA-Lastschriftverfahren, das SEPA-Basislastschrift- und das SEPA-Firmenlastschriftverfahren im „SEPA Direct Debit Scheme Rulebook“ und im „SEPA Business to Business Direct Debit Scheme Rulebook“ (für den reinen Geschäftsverkehr) des European Payments Council (EPC) niedergelegt. Bei der EPC handelt es sich um eine Vereinigung europäischer Banken. „Rulebooks“ legen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Anforderungen an SEPALastschriftverfahren fest, damit innerhalb des SEPA-Raums entsprechende einheitliche Verfahren angeboten werden können. Diese Rulebooks haben jedoch keinen Gesetzescharakter und entfalten Wirkungen nur im Innenverhältnis der Institute untereinander.
4.425
Das Besondere an den beiden SEPA-Lastschriften besteht darin, dass es sich bei ihnen um EU-/EWR-weite, grenzüberschreitende einheitliche Lastschriftverfahren handelt. Allerdings setzt die Teilnahme eines Instituts voraus, dass es dem „SEPA Core Direct Debit Scheme“ beitritt. b) Ablauf des SEPA-Lastschriftverfahrens
4.426
Die Besonderheit der SEPA-Lastschriftverfahren ergibt sich daraus, dass der gesamte Prozess am Belastungstag („Due Date“) ausgerichtet ist, während es sich bei dem Einziehungsermächtigungs- und dem Abbuchungsauftragslastschriftverfahren jeweils um „Sichtverfahren“ handelt, d.h., die Belastung erfolgt mit Vorlage der Lastschrift. Das SEPA-Verfahren sieht dagegen vor, dass der Lastschrifteinreicher ein konkretes Belastungs- und damit Fälligkeitsdatum (Due Date – „D“) vorgibt. An diesem Tag muss die Belastung erfolgen, weshalb das Fälligkeitsdatum, das Settlement-Datum und das Belastungsdatum identisch sind.
4.427
Der Zahlungspflichtige erteilt dem Gläubiger vor Belastung ein „Mandat“, das aber auch die Qualität einer Autorisierung zur Belastung des Schuldnerkontos mittels Lastschrift gem. § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB und das einen Zahlungsauftrag gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB darstellt. Autorisierung und Zahlungsauftrag werden über den Zahlungsempfänger an des Institut des Zahlers – die Zahlstelle – weitergeleitet. Nach Ziff. 2.4 der Muster-Lastschriftbedingungen ist das Mandat schriftlich zu erteilen, soweit zwischen dem Kontoinhaber und Lastschriftschuldner und seinem kontoführenden Institut keine abweichende Form vereinbart wird. Erteilt der Schuldner gegenüber seinem Gläubiger über das Internet ein Mandat, ist die Schriftform nicht gewahrt, denn Schuldner und Gläubiger haben nicht die Befugnis, die Form eines Mandats zu vereinbaren, wie sich aus den Lastschriftbedingungen ergibt. Gleichwohl ist ein solches Mandat nicht unwirksam, denn gem. § 127 Abs. 2 BGB kann die vertraglich vereinbarte Schriftform – wie hier – durch die telekommunikative Übermittlung ersetzt werden. Dadurch ist es auch möglich, Mandate über das Internet zu erteilen. Solche elektronisch erteilten Lastschriftmandate werden auch nicht 1 ABl. EU Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1. 2 BGBl. I 2009, 2355.
604 | Werner
Lastschriftverfahren | Teil 4
von der Verpflichtung zum Einsatz einer starken Kundenauthentifizierung gem. § 55 Abs. 1 ZAG erfasst, denn dies setzt eine Zahlungsauslösung durch den Zahler voraus. Beim SEPA-Basismandat wird die Zahlung jedoch alleine durch und nicht einmal über den Zahlungsempfänger ausgelöst, so dass diese Form der Zahlungsauslösung nicht unter § 55 Abs. 1 ZAG fällt1. Anders verhält es sich beim SEPA-Firmenlastschriftverfahren, da hier das Mandat auch an die Zahlstelle adressiert wird und dadurch der Zahler über den Zahlungsempfänger die Zahlung auslöst. Sofern zwischen dem Lastschriftgläubiger und dem -schuldner nichts Abweichendes vereinbart worden ist, hat dieser jenen zwei Wochen vor dem Fälligkeitsdatum („D-14“) darüber zu unterrichten, dass er dessen Konto belasten wird, wobei diese Erklärung auch in einer anderen Erklärung – z.B. einer Rechnung – enthalten sein kann. Außerdem muss die Lastschrift mit einer eindeutigen Identifizierung („Creditor Identifier“ = CI) des Zahlungsempfängers versehen werden, damit der Zahlungspflichtige die Belastung zuordnen kann. Die Zahlungsausführung erfolgt gem. § 675r Abs. 1 BGB anhand von Kundenkennungen. Die Zahlungsdienstleister haben ihre vertraglichen Leistungen ordnungsgemäß erfüllt, wenn sie sich an die Kundenkennung gehalten und die Lastschrift danach verarbeitet haben.
4.428
Zwar wird auch bei der SEPA-Lastschrift der Zahlungsempfänger ermächtigt, eine Zahlung vom Konto des Zahlungspflichtigen einzuziehen, das dafür in papierhafter oder elektronischer Form zu erteilende Mandat autorisiert gleichzeitig auch das Zahlungsinstitut des Zahlungspflichtigen, dessen Konto zu belasten, so dass dieses das Konto des Zahlungspflichtigen mit dessen Genehmigung belastet. Deshalb handelt es sich bei dem Mandat nicht um eine nachträgliche Genehmigung gem. § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern um eine vorherige Einwilligung. Das Mandat wird in elektronische Datensätze überführt und an die Zahlstelle als Teil der Lastschrifteinreichung übermittelt. Der Lastschriftgläubiger hat das elektronisch oder manuell signierte Mandat, das ihn autorisiert, die Lastschrift anzustoßen und die Zahlstelle ermächtigt, das Konto des Lastschriftschuldners zu belasten, nach den gesetzlichen Vorgaben aufzubewahren. Ihren Inhalt muss er in elektronische Datensätze überführen und unter Einschaltung einer oder mehrerer Inkassostellen der Zahlstelle übermitteln.
4.429
Der Lastschriftgläubiger hat nach den Regelungen im Rulebook vor Ausführung der Belastung verschiedene Fristen zu beachten:
4.430
Zwei Wochen vor der Belastung des Kontos des Lastschriftschuldners muss der Lastschriftgläubiger diesem, sofern nichts Abweichendes vereinbart wurde, eine Vorabinformation übermitteln („D-14“). Danach kann der Lastschriftgläubiger bei seiner Bank, der ersten Inkassostelle, die Lastschrift initiieren. Sofern es sich um die erste oder eine einmalige Lastschrift handelt, muss sie mindestens fünf Tage vor der Belastung des Schuldners bei der ersten Inkassostelle eingereicht werden („D-5“), im „B2B-Bereich“ ist diese Frist auf einen Tag verkürzt. 1 Vgl. dazu auch EBA Final Report vom 23.2.2017 (EBA/RTS/2017/02), Ziff. 2.2.1 Ziff. 13, in der bestimmt wird, dass die Verpflichtung zum Einsatz der „starken Kundenauthentifizierung“ nur für „Push-Zahlungen“, d.h. Zahlungen, die vom Zahler entweder direkt gegenüber seinem Zahlungsdienstleister oder über den Empfänger gegenüber diesem gilt, nicht aber für „Push-Zahlungen“, bei denen die Zahlungsauslösung alleine durch den Empfänger erfolgt.
Werner | 605
4.431
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Bei wiederkehrenden Lastschriften verkürzt sich diese Frist auf zwei Tage („D-2“). Allerdings muss der Einreicher – damit eine Unterscheidung überhaupt möglich ist – die Lastschrift entsprechend als einmalige, erstmalige oder wiederkehrende kennzeichnen. Die erste Inkassostelle reicht danach die Lastschrift unter Nutzung des Clearing & Settlement Mechanismus das bezogene Institut weiter. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Lastschriftdateien für die Belastungsbuchung innerhalb der oben dargestellten Fristen von fünf bzw. zwei Tagen beim bezogenen Institut eingehen.
4.432
Innerhalb der Vorlauffristen kann das bezogene Institut bei seinem Kunden eine Vorabgenehmigung einholen. Wird eine solche eingeholt, entfällt gem. § 675x Abs. 3 BGB der Erstattungsanspruch1, der bei Lastschriften trotz der Autorisierung der Zahlung gem. § 675j Abs. 1 BGB gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 3 BGB innerhalb von acht Wochen geltend gemacht werden kann. Dieser Erstattungsanspruch steht dem Zahler in beiden Lastschriftverfahren zu, wie sich aus § 675x Abs. 2 BGB ergibt, und kann gem. § 675e Abs. 4 BGB nur abbedungen werden, wenn es sich beim Zahler um einen Unternehmer gem. § 14 BGB handelt.
4.433
Die Belastung hat an dem in der Lastschrift vorgegebenen Tag („Due Date“) zu erfolgen. c) Lastschriftrückgabe
4.434
Für die Rückgabe von SEPA-Lastschriften sind verschiedene Gründe im Rulebook vorgesehen. Die Anwendung erfolgt in einem speziellen Verfahren, dem „Exception Handling – Rückgabe der Lastschrift“. In Betracht kommen: – Technische Gründe, – die mangelnde technische Fähigkeit des bezogenen Instituts, Lastschriften entgegen zu nehmen, – die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen des Lastschriftschuldners innerhalb von acht Wochen. Im „B2B-Bereich“ wird es diese Frist von acht Wochen nicht geben. Dies widerspricht nicht deutschem Recht, da der dafür einschlägige § 675x Abs. 2 BGB bei Lastschriften zwar sowohl für das SEPA-Basislastschriftverfahren als auch das SEPAFirmenlastschriftverfahren den achtwöchigen Erstattungsanspruch zwingend vorsieht, gem. § 675e Abs. 4 BGB für das Verfahren mit Unternehmern gem. § 14 BGB aber abbedungen werden kann.
4.435
Sofern der Lastschriftschuldner nachweisen kann, dass der Einzug zu Unrecht erfolgt ist, kann eine Belastung gem. § 676b Abs. 2 BGB während eines Zeitraums von bis zu 13 Monaten zurückgegeben werden. Wenn jedoch innerhalb dieser Frist der Belastete sein Institut nicht über eine nicht autorisierte Belastung unterrichtet, ist der Anspruch ausgeschlossen. Es handelt sich dabei um keine Einrede, die erhoben werden muss, sondern ist von Amts wegen zu beachten2. Allerdings muss auch der zu Unrecht oder fehlerhaft belastete Kontoinhaber seinen Erstattungsanspruch nicht zwingend schlimmstenfalls ge1 Vgl. Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 675x BGB Rz. 18. 2 Vgl. Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 676b BGB Rz. 6 m.w.N. und Rz. 8; Omlor in Staudinger, § 676b BGB Rz. 3 und Rz. 8; von Westphalen in Erman, 15. Aufl. 2017, § 676b BGB Rz. 2; Zetzsche in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 676b BGB Rz. 6; Sprau in Palandt, § 676b BGB Rz. 2.
606 | Werner
Lastschriftverfahren | Teil 4
richtlich geltend machen, um den Fristablauf zu verhindern, sondern es reicht, dass er seinem Institut eine entsprechende Anzeige erstattet1. Während allerdings im Grundsatz beim SEPA-Lastschriftverfahren vorgesehen ist, dass das Institut des Zahlers der Gläubigerbank die Beträge zurückbelasten kann, die sie dem Zahler aus den vorstehend dargelegten Gründen erstattet hat, steht ihr ein solches Recht im „B2B-Bereich“ nicht zu. Ebenso gibt es für den „B2B-Bereich“ keine ausdrücklich Regelung im SEPA-Regelwerk, die dem Zahlungsinstitut des Zahlungsempfängers das Recht einräumen würde, den ursprünglichen Zahlungsempfänger mit den Erstattungsbeträgen zurück zu belasten. Dies schließt entsprechende Ansprüche außerhalb des SEPA-Regelwerks aber nicht aus, da diese Regelung nur interne Wirkungen zwischen den Zahlungsinstituten hat, das Außenverhältnis aber unberührt lässt.
4.436
Für das „Direct Debit-Vefahren“ im Verhältnis zum Verbraucher gibt es nach den Rulebooks verschiedene Rückgabeprozesse („R-Transaktionen“).
4.437
Für die Phase vor Settlement sind folgende Rückgabeprozesse vorgesehen (in dieser Phase als „Reject“ bezeichnet): – Technische Gründe, – Rückruf durch den Lastschrifteinreicher („Revocation“), sofern der Rückruf vor der Annahme durch die erste Inkassostelle erfolgt, – „Request for Cancellation“, wenn der Rückruf durch die 1. Inkassostelle erfolgt, bevor die Lastschrift in den Clearing & Settlement Mechanismus überführt worden ist, – Widerspruch des Lastschriftschuldners („Refusal“), wobei im „B2B-Bereich“ dieser Widerspruch vor Settlement zwingend beachtet und vorrangig bearbeitet werden muss, während ansonsten eine nur eine vorrangige Beachtung in Betracht kommen soll, aber nicht muss, da es ggf. noch den „Return“ gibt.
4.438
Nach Settlement kommen folgende Rückgabegründe in Betracht: – Rückgabe durch das bezogene Institut („Return“), – Rückgabe der Lastschrift durch den Lastschriftschuldner nach Kontobelastung („Refund“), entsprechend dem Widerspruch, – „Reversal“ (optinal), d.h. Rückgabe durch den Lastschrifteinreicher nach Akzeptanz durch die erste Inkassostelle, jedoch spätestens innerhalb von zwei Tagen nach Settlement, sofern erste Inkassostelle ein Reversal-Verfahren anbietet, wozu sie jedoch nicht verpflichtet ist. Grundsätzlich trägt innerhalb der Erstattungsfrist gem. § 675x Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BGB, sofern ein Erstattungsanspruch nicht innerhalb des zulässigen Rahmens gem. §§ 675x Abs. 3 und 675e Abs. 4 BGB wirksam ausgeschlossen worden ist, die Zahlstelle das Insolvenz- und Moratoriumsrisiko der Inkassostelle. Sollte es entsprechende Gerüchte über die finanzielle Lage der Inkassostelle geben, ist die Zahlstelle – anders als bei der Einziehungsermächtigungslastschrift – nicht berechtigt, die SEPA-Lastschrift zurück zu weisen, da sie ja auf Grund einer Weisung ihres Kunden handelt. Sie sollte 1 Vgl. Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Dritter Teil, § 676b BGB Rz. 8; Omlor in Staudinger, § 676b BGB Rz. 8.
Werner | 607
4.439
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
sich deshalb mit ihrem Kunden ins Benehmen setzen und klären, ob sie auf Grund seiner Weisung ausführen soll. Weiterhin kann sie bis zu fünf Tagen nach dem Belastungstag noch einen „return“ durchführen und die Zahlung zurück holen. 2. Benachrichtigungspflicht bei Nichteinlösung
4.440
Bei Nichteinlösung einer Lastschrift ist der Schuldner darüber gem. § 675o Abs. 1 BGB zu unterrichten1. Das Schuldnerinstitut muss seinen Kunden durch diese Benachrichtigung in die Lage versetzen, anderweitig für die rechtzeitige Erfüllung der Zahlungsverpflichtung zu sorgen2. Diese Benachrichtigung muss innerhalb der Ausführungsfristen gem. § 675s Abs. 2 BGB erfolgen und ist deshalb spätestens am Tage der Rückgabe der Lastschrift vorzunehmen. Eine Verletzung dieser Pflicht macht das Schuldnerinstitut wegen Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig3. Für die Schadensursächlichkeit des Unterlassens der rechtzeitigen Benachrichtigung ist der Schuldner beweispflichtig4. Aus §§ 675f Abs. 5 Satz 2, 675o Abs. 1 Satz 4 BGB folgt, dass dann, wenn die Nichteinlösung zu Recht erfolgt, das Zahlungsinstitut des Schuldners für die Ablehnung der Zahlung ein Entgelt in Rechnung stellen darf.
IV. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner (Valutaverhältnis) 4.441
Um Zahlungen in einem Lastschriftverfahren vorzunehmen, bedarf es zwischen Gläubiger und Schuldner einer besonderen Lastschriftabrede; sie kann auch konkludent abgeschlossen werden5. Mit einer solchen Vereinbarung ist die Zahlung mittels Lastschrift eine Leistung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB und nicht nur Leistung an Erfüllungs statt6. Im Übrigen wird die Geldschuld von einer bisher „qualifizierten Schickschuld (§ 270 Abs. 1, 4 BGB) zur Holschuld“7. Der Schuldner hat deshalb das seinerseits Erforderliche getan, wenn er auf seinem Konto ausreichende Deckung unterhält8.
4.442
Mit der Lastschriftabrede hat sich auch die Gefahrtragungslage verändert. Für Verzögerungen aus einer verspäteten Vorlage der Lastschrift durch das Gläubigerinstitut oder die ihm auf dem Inkassoweg nachgeschalteten Zwischenstellen hat das Gläubigerinstitut gem. § 675x Abs. 4 BGB einzustehen. Dem Schuldner steht ein Erstattungsanspruch gegen seinen, als Zahlstelle fungierenden Zahlungsdienstleister zu, falls der Zahlungsdienstleister des Empfängers nachweislich den Zahlungsauftrag ordnungsgemäß an die Zahlstelle weitergeleitet hat. Mit der Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstelle geht die Verlustgefahr in diesem Zeitpunkt auf den Gläubiger über9. 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. Omlor in Staudinger, § 675o BGB Rz. 8. Häuser, WM 1989, 841, 842. Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 137. Häuser, WM 1989, 841, 846 f.; vgl. weiter Terpitz, NJW 1989, 2740. Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 176. Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 174. BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, WM 1984, 163, 164 = NJW 1984, 871 f.; BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, WM 1985, 461, 462; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 629; Schwarz, ZIP 1989, 1442, 1446. 8 BGH v. 30.1.1985 – IVa ZR 91/83, WM 1985, 461, 462. 9 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 641; Krepold in BuB, Rz. 6/366.
608 | Werner
Lastschriftverfahren | Teil 4
1. Pflichten aus der Lastschriftabrede Aus der Lastschriftabrede ergeben sich für Gläubiger und Schuldner bestimmte Pflichten.
4.443
a) Gläubigerpflichten Infolge der Umwandlung der Zahlungsverbindlichkeiten von der bisherigen Schickschuld (§ 270 BGB) in eine Holschuld liegt es am Gläubiger, von der Ermächtigung zum Einzug der Lastschrift rechtzeitig Gebrauch zu machen1. Das ist von besonderer Bedeutung z.B. für die vom Zahlungspflichtigen abgeschlossenen Versicherungsverträge. Hat ein Versicherungsnehmer dem Versicherer eine Lastschrifteinzugsermächtigung erteilt, hat er als Schuldner einer Folgeprämie für eine Versicherung gem. § 39 VVG „das seinerseits Erforderliche“ getan, wenn die Prämie bei Fälligkeit abgebucht werden kann2.
4.444
Die Lastschriftabrede ist nach Ansicht des BGH dahin auszulegen, dass sich der Zahlungsempfänger direkt unter Vorlage von Lastschriftbelegen an das ihm benannte Zahlungsinstitut wenden und durch Gebrauchmachen von der Einzugsermächtigung selbst Sorge für den Prämieneinzug tragen soll3.
4.445
Unterbleibt die Vorlage der Lastschrift bei Fälligkeit des zugrunde liegenden Zahlungsanspruchs und weist das Schuldnerkonto die notwendige Deckung auf (vgl. § 297 BGB), kommt der Gläubiger in Annahmeverzug. Ein Leistungsangebot des Schuldners ist hierzu nicht erforderlich4.
4.446
Wird die Lastschrift nicht eingelöst, besteht die Zahlungsverpflichtung des Schuldners mit ihrem ursprünglichen Inhalt weiter. Die Vereinbarung über den Lastschrifteinzug begründet für den zahlungspflichtigen Schuldner zunächst nur die aufschiebende Einrede, dass der Gläubiger auf Grund der getroffenen Erfüllungsvereinbarung aus der Forderung keine Leistung außerhalb des Lastschriftverfahrens verlangen kann. Diese Einrede erlischt, wenn das Schuldnerinstitut die Einlösung verweigert oder wenn etwa wegen Insolvenz des Schuldners feststeht, dass diese Einlösung nicht erfolgen wird5.
4.447
b) Schuldnerpflichten Der Schuldner hat auf Grund der Lastschriftabrede für die Einlösung der seinem Zahlungsinstitut eingereichten Lastschriften zu sorgen. Hierzu muss er auf dem Girokonto ausreichende Deckung (Guthaben oder eine Kreditlinie) unterhalten6. Der Schuldner darf im Übrigen keine Weisungen zur Nichteinlösung von Lastschriften erteilen, wenn hierfür im Valutaverhältnis kein Grund besteht7.
1 BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, WM 1984, 163, 164 = NJW 1984, 871 f. 2 BGH v. 19.10.1977 – IV ZR 149/76, BGHZ 69, 361, 366 = NJW 1978, 215 ff. 3 BGH v. 30.1.1985 – IVa ZR 91/83, WM 1985, 461, 462; vgl. ferner BGH v. 19.10.1977 – IV ZR 149/76, BGHZ 69, 361, 366 f. 4 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 183. 5 Huber in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1991, § 433 BGB Rz. 208. 6 BGH v. 30.1.1985 – IVa ZR 91/83, WM 1985, 461, 462. 7 OLG Düsseldorf v. 24.11.2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 638.
Werner | 609
4.448
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
2. Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner
4.449
Die Erfüllung tritt erst ein, wenn die geschuldete Leistung endgültig an den Gläubiger bewirkt worden ist (§ 362 Abs. 1 BGB)1. Eine Buchgeldzahlung im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs kann deshalb einer Barzahlung hinsichtlich der Erfüllungswirkung nur dann wirtschaftlich gleichgestellt werden, wenn die Kontogutschrift dem hieraus begünstigten Gläubiger so nahe gerückt ist, dass dieser das Buchgeld wie bares Geld verwerten kann2. Hierzu ist erforderlich, dass die Buchgeldzahlung an den Lastschriftgläubiger endgültig erfolgt ist3. In den SEPA-Lastschriftverfahren ist die Forderung des Gläubigers mit vorbehaltloser Gutschrift auf dem Gläubigerkonto erfüllt, denn hier erfolgt die Belastung, soweit ein wirksames Mandat durch den Zahlungspflichten vorliegt, nicht mehr ohne Genehmigung, sondern aufgrund der Vorautorisierung. Da ein Schuldverhältnis gem. § 362 Abs. 1 BGB dann erlischt, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wurde, liegt mit vorbehaltloser Gutschrift die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis des Gläubigers vor und Erfüllung tritt ein4. Zwar folgt aus § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB, dass in den SEPALastschriftverfahren innerhalb von acht Wochen nach der Belastung vom Zahler ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann5, sofern dieser im Zahlungsdiensterahmenvertrag mit einem Unternehmer nicht gem. § 675e Abs. 4 BGB ausgeschlossen wird (was im SEPA-Firmenlastschriftverfahren gem. Ziff. 2.1.1 der entsprechenden Lastschriftbedingungen geschehen ist), dadurch wird jedoch die Gutschrift auf dem Empfängerkonto nicht zur Vorbehaltsgutschrift. Zwar ist der Erstattungsanspruch gegenüber dem Institut des Lastschriftschuldners geltend zu machen, das seinerseits aus den Internbankenregelungen (Ziff. 4.3.4 des SEPA Direct Debit Scheme Rulebook, das alle Zahlungsinstitute akzeptiert haben, die SEPA-Lastschriftverfahren anbieten) innerhalb von acht Wochen einen Erstattungsanspruch gegen die Inkassostelle erheben kann, Die Inkassostelle vereinbart üblicherweise mit dem Lastschriftgläubiger in Ziff. 2.1 Abs. 5 der Muster-Bedingungen für den Lastschrifteinzug, dass sie in diesem Fall ebenfalls einen Anspruch auf Erstattung des Lastschriftbetrags hat, den sie durch eine entsprechende Belastungsbuchung geltend machen darf. Gleichwohl steht die zunächst erteilte Gutschrift über den Lastschriftbetrag nicht unter dem Vorbehalt, dass der Erstattungsanspruch nicht geltend gemacht wird, sondern bei letzterem handelt es sich um einen eigenständigen Anspruch der Inkassostelle, weshalb die vorherige Gutschrift final erfolgt und nicht unter Vorbehalt.
V. Rechtsbeziehungen im Interbankenverhältnis 4.450
Die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft und die Bundesbank hatten ursprünglich das „Abkommen über den Lastschriftverkehr“ (LSA) geschlossen, mit dem die Abwicklung des Lastschrifteinzuges weitgehend standardisiert wurde. Aufgrund der EU-MigrationsVO mussten jedoch die nationalen Zahlungsverfahren eingestellt werden, weshalb auch das rein nationale Lastschriftabkommen für Abbuchungsauftragslastschriften zum 1.2.2014, 1 BGH v. 26.2.1986 – VIII ZR 28/85, WM 1986, 547 = BGHZ 97, 197 ff. = NJW 1986, 1677 ff.; vgl. hierzu Rehbein, JR 1986, 410 f. 2 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321, 322 = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. 3 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 202. 4 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 205. 5 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 206.
610 | Werner
Lastschriftverfahren | Teil 4
für das Einziehungsermächtigungslastschriftverfahren zum 2.8.2014 und für das kartengestützte Elektronische Lastschriftverfahren schließlich zum 1.2.2016 aufgehoben worden ist. Für die beiden SEPA-Verfahren gilt das Abkommen über die SEPA-Inlandslastschrift, das aber nur Anwendungs- und Ergänzungsregelungen für die auf EU-Ebene erlassenen Regelwerke des SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook für das Basis- und des SEPA Business to Business Direct Debit Scheme Rulebook für Firmen-Lastschriftverfahren enthält1. Grundgedanke des SEPA-Inlandslastschriftabkommens und des entsprechenden Rulebooks ist, der Zahlstelle (Schuldnerinstitut) im Verhältnis zur ersten Inkassostelle (Gläubigerinstitut) in eingeschränktem Umfange die Abwälzung der Risiken des Lastschriftverfahrens zu ermöglichen, die sich daraus ergeben, dass die erste Inkassostelle einen Kunden zum Lastschriftverfahren zugelassen hat, während sie selbst insoweit keine Möglichkeit für die Prüfung der Bonität und Seriosität des Gläubigers hatte2. Deshalb trägt die Inkassostelle insbesondere das Risiko für die Rückgabe einer Lastschrift mangels Deckung oder auch für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs, wobei sich weitere Rückgabegründe aus den Rulebooks ergeben3.
4.451
Zwischen der ersten Inkassostelle und der Zahlstelle sowie etwaigen in der Girokette zwischengeschalteten Kreditinstituten bestehen entweder Zahlungsdiensteverträge (gem. § 675f Abs. 1 oder Abs. 2 BGB)4 oder Geschäftsbesorgungsverträge mit Dienstvertragscharakter gem. §§ 675, 611 ff. BGB, sofern gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 ZAG aufgrund eines Zahlungsvorgangs innerhalb eines Zahlungsabwicklungssystems entsprechende Zahlungen nicht als Zahlungsdienste gelten.
4.452
1. Rückgabe von Lastschriften Zur Vermeidung eines erheblichen Arbeits- und Kostenaufwands enthalten die Rulebooks eine Reihe von Regelungen, die die Rückgabe von Lastschriften vereinfachen sollen. Danach können Lastschriften aus technischen Gründen zurückgegeben werden, die zu Unstimmigkeiten oder Unklarheiten wegen der in ihnen enthaltenen Daten führen und deshalb ohne zusätzliches Risiko für die Zahlstelle nicht ausgeführt werden können. Eine Rückgabemöglichkeit besteht auch bei einer evtl. Einlösung ohne Deckung auf dem Schuldnerkonto.
4.453
Die Rückgabe der nicht eingelösten Lastschrift hat spätestens an dem auf den Tag des Eingangs fallenden Geschäftstag zu erfolgen. Die Versäumung dieser Rückgabefrist hat jedoch nicht zur Folge, dass die Lastschrift als eingelöst gilt.
4.454
2. Wiedervergütung eingelöster Lastschriften Hat der Kunde innerhalb der achtwöchigen Frist den Erstattungsanspruch gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB geltend gemacht, muss die erste Inkassostelle den eingezogenen Betrag wieder vergüten. Da es sich dabei um einen eigenständigen Anspruch des Zahlers 1 S. dazu Werner in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 4. Kap. A Rz. 1. 2 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 140. 3 Zu den Rückgabegründen im Detail vgl. Werner in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 4. Kap. A Rz. 65 ff. 4 Vgl. Omlor in Staudinger, Vorbem. zu §§ 675c–676c BGB Rz. 98.
Werner | 611
4.455
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
handelt, ist es unerheblich, ob er dazu im Valutaverhältnis mit dem Gläubiger berechtigt war oder nicht1. Dies gilt selbst dann, wenn der Zahlstelle bekannt war, dass der Schuldner den Erstattungsanspruch im Verhältnis zum Gläubiger missbräuchlich erklärt hat2. 3. Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter?
4.456
Die am Lastschrifteinzug beteiligten Institute handeln wie auch sonst im Interbankenverhältnis im eigenen Namen. Damit werden beim Lastschriftverfahren mehrere durch den Inkassozweck verknüpfte Vertragsverhältnisse begründet mit der Folge, dass zwischen den Beteiligten, insbesondere zwischen Gläubiger und Schuldnerinstitut sowie Schuldnerinstitut und Gläubigerinstitut, keine direkten Vertragsbeziehungen bestehen. Hier fehlen folglich vertragliche Leistungsansprüche, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzpflichten begründen könnte. Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung lehnt bei Überweisungen und Lastschriften eine Schutzwirkung zugunsten Dritter der Verträge im Interbankenverhältnis ab, so dass ausschließlich die einzelnen Vertragverhältnisse maßgeblich sein sollen3.
VI. Schadensersatzansprüche wegen missbräuchlichen Verhaltens im Rahmen des Lastschriftverfahrens 4.457
Mit Rücksicht auf den massenhaften Anfall von Lastschriften müssen sich die mitwirkenden Institute auf formale Prüfungen bei der Zulassung zum Lastschriftverfahren durch das Gläubigerinstitut und dem Vorhandensein einer für die Lastschrifteinlösung ausreichenden Deckung durch das Schuldnerinstitut beschränken. Schadensersatzansprüche aus missbräuchlichem Verhalten richten sich keineswegs nur gegen den jeweiligen Vertragspartner in der Inkassokette. Stellt ein solches Verhalten eine unerlaubte Handlung, insbesondere eine sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB, dar, kann ein Regressverhältnis auch zwischen zwei in der Inkassokette vertraglich nicht verbundenen Beteiligten, etwa zwischen dem Institut des Lastschriftgläubigers und dem Schuldner, begründet werden.
4.458
Ansatzpunkt für ein missbräuchliches Verhalten bietet insbesondere die Möglichkeit des Schuldners im SEPA-Basislastschriftverfahren, nach einer Belastung seines Kontos mit der Absicht einen Erstattungsanspruch geltend zu machen, den Betrag, den er dem Zahlungsempfänger schuldet, ggf. zu Lasten der zwischengeschalteten Institute zurück zu erhalten. Dabei ist es unerheblich, ob dieser Erstattungsanspruch im Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner berechtigt ist, da nach den gesetzlichen Regelungen der Erstattungsanspruch gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB dem Schuldner ja gerade für den Fall zusteht, dass die Belastung aufgrund einer wirksamen Autorisierung und eines wirksamen Zahlungsauftrags durch ein Mandat erfolgt. 1 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 112; zur vergleichbaren Problematik beim früheren Widerspruchsrecht s. Denck, ZHR 147 (1983), 544, 560 f. und Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 588; Bauer, WM 1981, 1186, 1190. 2 Zur vergleichbaren Konstellation beim früheren Widerspruch: BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828, 829. 3 Vgl. dazu m.w.N. Omlor in Staudinger, Vorbem. zu §§ 675c–676c BGB Rz. 98 und § 675z BGB Rz. 15 ff.; BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281, 288 ff. = WM 2008, 1252.
612 | Werner
Lastschriftverfahren | Teil 4
Schadensersatzansprüche können sich im Übrigen ergeben, wenn das Lastschriftverfahren zweckwidrig genutzt wird und hierdurch den Beteiligten, insbesondere dem Gläubigerinstitut, im Rahmen des SEPA-Basislastschriftverfahrens vorsätzlich Schaden zugefügt wird. Ein solches missbräuchliches Verhalten stellt die Einreichung sog. Kreditlastschriften dar1. In diesen Fällen vereinbaren Darlehensgeber und Darlehensnehmer, dass die Kreditvaluta im Lastschriftverfahren vom Girokonto des Darlehensgebers abgebucht werden sollen. Sieht der Darlehensgeber seinen Rückzahlungsanspruch innerhalb der Erstattungsfrist als gefährdet an, kann er das Insolvenzrisiko seines Darlehensnehmers von sich auf das Gläubigerinstitut verlagern, in dem er seinen Anspruch auf Erstattung gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB innerhalb der Acht-Wochen-Frist geltend macht. Die erste Inkassostelle würde also, ohne dies zu erkennen, die Funktion eines Bürgen für ihren Kunden als Lastschriftgläubigerin übernehmen. Sinn und Zweck des Lastschriftverfahrens ist es aber, den massenhaften bargeldlosen Zahlungsverkehr zu erleichtern, nicht aber dem Lastschriftschuldner eine risikolose Darlehensgewährung an den Lastschriftgläubiger innerhalb der Erstattungsfrist zu ermöglichen2.
4.459
Einen weiteren Missbrauch des Lastschriftverfahrens stellt die sog. Lastschriftreiterei dar. Hier werden von den beiden Beteiligten wechselseitig als Zahlungsempfänger und Zahlungspflichtigem Lastschriften eingereicht, die jeweils vom Girokonto des anderen Beteiligten abgebucht werden. Mit den bei Lastschrifteinreichungen erteilten Gutschriften wollen sich die Kontoinhaber kurzfristig Kredit verschaffen3. Die Lastschriftreiterei ist für die beteiligten Institute in ihrer Funktion als erste Inkassostelle mit besonderen Risiken behaftet. Sie ist wegen der Verlagerung dieser Risiken auf die Inkassostelle sittenwidrig mit der Folge, dass ihr gegen den „Lastschriftschuldner“ ein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB zusteht4. Insoweit ergibt sich eine Parallele zu der sog. Wechselreiterei, bei der die Beteiligten in sittenwidriger Weise wechselseitig Wechsel aufeinander ziehen, um sich mit Hilfe der Diskontierung dieser Wechsel durch ihre Bank die benötigten Geldmittel zu beschaffen5. Auch wenn die Fälle sich noch auf das mittlerweile eingestellte Einziehungsermächtigungslastschriftverfahren beziehen, dürfte die Parallelproblematik beim SEPA-Basislastschriftverfahren bestehen, da hier zwar kein Widerspruch möglich ist, wohl aber innerhalb von acht Wochen und ohne Angabe von Gründen die Erstattung geltend gemacht werden kann.
4.460
Die im Valutaverhältnis missbräuchliche Ausübung des Erstattungsanspruchs hat auch Konsequenzen in diesem Rechtsverhältnis zwischen Lastschriftschuldner und -gläubiger. Die Lastschrifteinzugsabrede verpflichtet den Schuldner, die hieraus resultierenden Belastungsbuchungen auf seinem Girokonto zu akzeptieren. Deshalb können bei einem missbräuchlich ausgeübten Widerspruch Erstattungsansprüche wegen einer Pflichtverletzung
4.461
1 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689, 691. 2 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689, 691; OLG Düsseldorf v. 20.6.2007 – I-16 U 129/06, BKR 2007, 514 ff.; OLG Stuttgart v. 20.12.2007 – 9 U 92/07, BKR 2008, 480 ff., alle Entscheidungen aber noch zum (eingestellten) Einziehungsermächtigungslastschriftverfahren. 3 Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 41. Dasselbe gilt für den Einsatz des Einzugsermächtigungsverfahrens, wenn Gläubiger und Schuldner dieselbe Person sind (van Gelder, WM 2000, 101, 107). 4 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828, 829. 5 BGH v. 30.11.1972 – II ZR 70/71, WM 1973, 66; Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 41.
Werner | 613
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
gem. § 280 Abs. 1 BGB und gegebenenfalls auch aus § 826 BGB bestehen1. Im Übrigen gerät der Schuldner in Verzug und ist schadensersatzpflichtig nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB2.
4.462–4.470 Einstweilen frei.
4. Abschnitt: Scheckinkasso I. Grundsätzliches 4.471
Wie die Überweisung und das Lastschriftverfahren gehört der Scheck zu den Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, der der Bezahlung von Geldschulden zu Lasten des bei einem Kreditinstitut unterhaltenen Girokontos dient. Auch bei einer Scheckzahlung verfügt der Aussteller des Schecks über sein Kontoguthaben. In solchen Kontoverfügungen liegt die eigentliche Funktion des Schecks. Das Scheckgesetz (Art. 3 Satz 1) bestimmt deshalb, dass ein Scheck nur auf einen Bankier gezogen werden darf, bei dem der Aussteller ein Guthaben hat. Guthaben ist hier aber weiter zu verstehen und erfasst auch die Befugnis, durch Scheckzahlungen einen Kredit zu nutzen.
4.472
Das Scheckeinzugsverfahren setzt voraus, dass der Scheck zunächst vom Schuldner ausgestellt und seinem Gläubiger zum Inkasso ausgehändigt wird. Die Scheckurkunde ist im Übrigen – anders als die Lastschrift – ein Wertpapier. Sie legitimiert deshalb auch den unberechtigten Scheckinhaber zur Erteilung eines Inkassoauftrages und eröffnet damit andere Missbrauchsmöglichkeiten als beim Lastschriftverfahren.
4.473
Wie beim Lastschriftverfahren muss auch der Schecknehmer die Initiative ergreifen, um eine Gutschrift der Schecksumme auf seinem Konto zu erreichen.
4.474
Die Einreichung eines Schecks bei einer Bank erfolgt in der Regel zum Einzug und nicht zum Verkauf. Die kreditwirtschaftlichen AGB enthalten einheitliche Regelungen für die Einlösung von Schecks und Lastschriften (Nr. 9 Abs. 2 AGB-Banken).
4.475
Der Scheck wird von dem bezogenen Institut grundsätzlich nur „eingelöst“, wenn ihm die Scheckurkunde körperlich vorgelegt wird (Art. 29 ScheckG) oder das Inkasso im sog. beleglosen Scheckeinzug erfolgt, wie es in dem „Abkommen über den Einzug von Schecks (Scheckabkommen)“ der Deutschen Kreditwirtschaft geregelt worden ist. Der Begriff „einlösen“ wird, wie seine Verwendung an mehreren Stellen des Scheckgesetzes zeigt (z.B. Art. 35, 39 Abs. 2, 40, 45 Nr. 1 und 46), als Synonym für „zahlen“ verstanden. Die Einlösung ist folglich die Ausführung der im Scheck enthaltenen unbedingten Anweisung, „eine bestimmte Geldsumme zu zahlen“ (Art. 1 Nr. 2 ScheckG)3. Für diese Scheckeinlösung hat der Schecknehmer die Scheckurkunde seiner kontoführenden Stelle einzureichen und sie mit dem Einzug durch Gutschrift auf sein Girokonto zu beauftragen.
1 BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895 = BGHZ 101, 153; OLG Düsseldorf v. 24.11. 2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557; van Gelder, WM 2000, 101, 108 m.w.N., zwar beziehen sich die vorstehenden Urteile und Literaturmeinungen auf das nicht mehr existierende Einziehungsermächtigungsverfahren, doch dürften die Überlegungen auf die missbräuchliche Ausübung des Erstattungsanspruchs gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB übertragbar sein. 2 van Gelder, WM 2000, 101, 108 m.w.N. 3 Pleyer/Wallach, ZHR 153 (1989), 539, 540.
614 | Werner
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
gem. § 280 Abs. 1 BGB und gegebenenfalls auch aus § 826 BGB bestehen1. Im Übrigen gerät der Schuldner in Verzug und ist schadensersatzpflichtig nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB2.
4.462–4.470 Einstweilen frei.
4. Abschnitt: Scheckinkasso I. Grundsätzliches 4.471
Wie die Überweisung und das Lastschriftverfahren gehört der Scheck zu den Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, der der Bezahlung von Geldschulden zu Lasten des bei einem Kreditinstitut unterhaltenen Girokontos dient. Auch bei einer Scheckzahlung verfügt der Aussteller des Schecks über sein Kontoguthaben. In solchen Kontoverfügungen liegt die eigentliche Funktion des Schecks. Das Scheckgesetz (Art. 3 Satz 1) bestimmt deshalb, dass ein Scheck nur auf einen Bankier gezogen werden darf, bei dem der Aussteller ein Guthaben hat. Guthaben ist hier aber weiter zu verstehen und erfasst auch die Befugnis, durch Scheckzahlungen einen Kredit zu nutzen.
4.472
Das Scheckeinzugsverfahren setzt voraus, dass der Scheck zunächst vom Schuldner ausgestellt und seinem Gläubiger zum Inkasso ausgehändigt wird. Die Scheckurkunde ist im Übrigen – anders als die Lastschrift – ein Wertpapier. Sie legitimiert deshalb auch den unberechtigten Scheckinhaber zur Erteilung eines Inkassoauftrages und eröffnet damit andere Missbrauchsmöglichkeiten als beim Lastschriftverfahren.
4.473
Wie beim Lastschriftverfahren muss auch der Schecknehmer die Initiative ergreifen, um eine Gutschrift der Schecksumme auf seinem Konto zu erreichen.
4.474
Die Einreichung eines Schecks bei einer Bank erfolgt in der Regel zum Einzug und nicht zum Verkauf. Die kreditwirtschaftlichen AGB enthalten einheitliche Regelungen für die Einlösung von Schecks und Lastschriften (Nr. 9 Abs. 2 AGB-Banken).
4.475
Der Scheck wird von dem bezogenen Institut grundsätzlich nur „eingelöst“, wenn ihm die Scheckurkunde körperlich vorgelegt wird (Art. 29 ScheckG) oder das Inkasso im sog. beleglosen Scheckeinzug erfolgt, wie es in dem „Abkommen über den Einzug von Schecks (Scheckabkommen)“ der Deutschen Kreditwirtschaft geregelt worden ist. Der Begriff „einlösen“ wird, wie seine Verwendung an mehreren Stellen des Scheckgesetzes zeigt (z.B. Art. 35, 39 Abs. 2, 40, 45 Nr. 1 und 46), als Synonym für „zahlen“ verstanden. Die Einlösung ist folglich die Ausführung der im Scheck enthaltenen unbedingten Anweisung, „eine bestimmte Geldsumme zu zahlen“ (Art. 1 Nr. 2 ScheckG)3. Für diese Scheckeinlösung hat der Schecknehmer die Scheckurkunde seiner kontoführenden Stelle einzureichen und sie mit dem Einzug durch Gutschrift auf sein Girokonto zu beauftragen.
1 BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895 = BGHZ 101, 153; OLG Düsseldorf v. 24.11. 2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557; van Gelder, WM 2000, 101, 108 m.w.N., zwar beziehen sich die vorstehenden Urteile und Literaturmeinungen auf das nicht mehr existierende Einziehungsermächtigungsverfahren, doch dürften die Überlegungen auf die missbräuchliche Ausübung des Erstattungsanspruchs gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB übertragbar sein. 2 van Gelder, WM 2000, 101, 108 m.w.N. 3 Pleyer/Wallach, ZHR 153 (1989), 539, 540.
614 | Werner
Scheckinkasso | Teil 4
Nach Erteilung dieses Inkassoauftrages erteilt die Bank dem Einreicher eine Gutschrift unter dem Vorbehalt der Scheckeinlösung. Soweit das im Scheck bezogene Girokonto – wie regelmäßig – nicht bei der Inkassobank selbst geführt wird, wird der Scheck über den Inkassoweg elektronsich bis zum bezogenen Institutweitergeleitet. Dieses löst den Scheck ein, soweit der Aussteller des Schecks über ein ausreichendes Guthaben oder eine entsprechende Kreditlinie verfügt.
4.476
Mit dieser Einlösung wird die Kontogutschrift endgültig, die der Scheckeinreicher bei Erteilung des Inkassoauftrages von seinem Institut unter dem Vorbehalt der Einlösung erhalten hat. Damit ist zugleich der durch den Scheckeinzug ausgelöste bargeldlose Zahlungsvorgang abgeschlossen1.
4.477
II. Inkassoverhältnis zwischen Scheckinhaber und erster Inkassostelle Das Inkassoverfahren vollzieht sich also im Rahmen des der Kontoverbindung zugrunde liegenden Girovertragsverhältnisses gem. § 675f Abs. 2 BGB.
4.478
Fehlt es an einem solchen Girokonto, wird im Rahmen eines Einzelzahlungsvertrags gem. § 675f Abs. 1 Satz 1 BGB ein Zahlungsauftrag, der einen Geschäftsbesorgungsvertrag in Form eines Dienstvertrages darstellt2. Hier wird der eingezogene Scheckbetrag auf dem sog. Konto pro Diverse gutgeschrieben3. Das Recht der Zahlungsdienste ist auf den Scheck nicht anwendbar, denn dieser unterfällt nicht, wie sich aus dem Katalog in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 ZAG ergibt, unter die Zahlungsdienste, so dass die §§ 675c ff. BGB darauf nicht anwendbar sind.
4.479
Der Einzugsauftrag verpflichtet die Inkassostelle, den Scheck auf dem schnellsten und sichersten Weg dem bezogenen Institut vorzulegen4.
4.480
Bei dieser Weiterleitungspflicht handelt es sich um eine sich aus der Natur dieses Geschäftsbesorgungsverhältnisses ergebende wesentliche Pflicht i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Haftung für die Verletzung einer solchen Pflicht kann auch im Handelsverkehr formularmäßig nicht ausgeschlossen werden5. Der Inkassoauftrag beschränkt sich regelmäßig auf die Einziehung des Scheckgegenwertes6.
4.481
Die Geschäftsbesorgungspflicht der Inkassobank erschöpft sich in der ordnungsgemäßen Weiterleitung des Inkassoauftrages, so dass die nachgeordneten Banken keine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) sind7.
4.482
1 2 3 4
Pleyer/Wallach, ZHR 153 (1989), 539, 541. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 4. OLG Frankfurt v. 2.6.1978 – 10 U 183/77, WM 1978, 1025, 1027. BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff.; BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 246 = NJW-RR 1988, 559 ff. 5 BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 246, 248; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 39 und 41. 6 BGH v. 4.7.1977 – II ZR 133/75, WM 1977, 1119, 1120. 7 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 44 unter Berufung auf BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797 für die Weiterleitung eines Überweisungsauftrages.
Werner | 615
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
1. Erteilung einer Vorbehaltsgutschrift
4.483
Wie im Lastschriftverfahren erteilt die Inkassostelle dem Scheckeinreicher auf seinem Girokonto eine Gutschrift unter dem Vorbehalt der Einlösung. Dies gilt auch, wenn diese Papiere bei dem Institut selbst zahlbar sind (Nr. 9 Abs. 1 AGB-Banken). Wird der Scheck bei einer nicht kontoführenden Filiale des bezogenen Instituts eingereicht, liegt nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht auch hier ein Inkassoauftrag vor1.
4.484
Erteilt der Einreicher seinem Inkassoinstitut die Weisung, den eingehenden Einlösungsbetrag nicht seinem Konto, sondern dem Konto eines Dritten gutzuschreiben, darf sie die Gutschrift nicht auf dem Einreicherkonto erteilen2.
4.485
Diese Vorbehaltsgutschrift steht unter der Bedingung, dass sie den Scheckbetrag auch tatsächlich erhält. Gilt der Scheck bereits als eingelöst, weil das bezogene Institut eine die Einlösung bewirkende Bezahltmeldung i.S.d. Nr. 9 Abs. 2 Satz 2 AGB-Banken abgesandt hat, verweigert es aber die Zahlung des Scheckbetrages, kann die Vorbehaltsgutschrift gem. Nr. 9 Abs. 1 Satz 4 AGB-Banken wieder rückgängig gemacht werden. Diese Klausel ist nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB vereinbar, denn der Scheckeinreicher hat einen Anspruch auf Gutschrift der Schecksumme gem. §§ 675, 667 BGB nur, wenn seine kontoführende Stelle buchmäßig Deckung erlangt hat3.
4.486
Da die Inkassostelle bei Erteilung der Vorbehaltsgutschrift in vielen Fällen keine sichere Kenntnis vom Zeitpunkt der Scheckeinlösung und damit von der Erlangung der endgültigen Deckung hat, erhalten die Gutschriftsbuchungen einen pauschalen Wertstellungszeitpunkt, wenn von Erfahrungswerten über den Empfang der Deckung bei ungestörtem Scheckinkasso ausgegangen wird. Dies galt nach der vom BGH vertretenen Anischt für Wertstellungen bei auf in- oder ausländische Banken gezogenen DM-Schecks drei Arbeitstage und bei Währungsschecks fünf Tage nach der Vorbehaltsgutschrift4. Entsprechendes ist für auf Euro lautende Schecks anzunehmen.
4.487
Die BGH-Rechtsprechung ist in der dogmatischen Einordnung der Vorbehaltsgutschrift als aufschiebend oder auflösend bedingte Gutschrift nicht einheitlich5.
1 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1326 = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; vgl. hierzu Ahlers, NJW 1990, 1149 ff. 2 BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6, 7 = NJW-RR 1990, 366 f. mit Anm. Häuser, WM 1990, 1184, 1187, wonach dem Dritten hieraus ein eigener Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Gutschrift erwächst (§§ 675, 667 Alt. 2 BGB). Anspruchsgrundlage ist das eigene Girovertragsverhältnis des Begünstigten mit der Inkassobank, so dass der Inkassoauftrag nicht als echter Vertrag zugunsten Dritter qualifiziert zu werden braucht. 3 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 135/96, WM 1997, 1194, 1197 = BGHZ 135, 307 ff. = NJW 1997, 2112 ff. 4 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192, 1194 = BGHZ 135, 316 ff. = NJW 1997, 2042 f.; vgl. hierzu Borges, WM 1998, 105 ff. 5 Nach dem BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1411 = NJW 1987, 317 ff. erfolgt diese Gutschrift auflösend bedingt, über die der Scheckeinreicher unter Umständen sofort verfügen kann. An dem bis zum Wirksamwerden dieser Kontogutschrift dem Scheckeinreicher gegen die Inkassobank zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Erlöses erwirbt die Bank ein AGB-Pfandrecht (Häuser, WM 1990, 1184, 1186); für aufschiebende Bedingung aber BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083, 1085.
616 | Werner
Scheckinkasso | Teil 4
2. Pflichten der Inkassobank bei Nichteinlösung Bei Nichteinlösung des Schecks hat das bezogene Institut dafür zu sorgen, dass Protest erhoben wird oder die dem Protest gleichgestellten Erklärungen abgegeben werden1. Diese Maßnahmen sind erforderlich, damit dem Scheckinhaber der scheckrechtliche Rückgriff gegen den Scheckaussteller und die anderen Scheckverpflichteten erhalten bleibt (Art. 40 i.V.m. Art. 12, 18, 20, 27 ScheckG).
4.488
Die erforderliche förmliche Feststellung der Zahlungsverweigerung hat nicht nur die Funktion eines Beweismittels. Sie ist vielmehr sachliche Voraussetzung für den Rückgriffsanspruch, deren Fehlen bei seiner gerichtlichen Geltendmachung von Amts wegen festzustellen ist und gegebenenfalls zur Klageabweisung führt2.
4.489
Die Inkassostelle hat den Scheckeinreicher über die Nichteinlösung des Schecks unverzüglich zu informieren (§§ 666, 675 BGB) und sich um die Rückgabe der Scheckurkunde zu bemühen3.
4.490
3. Rechtsstellung der Inkassostelle bei unterbliebener Scheckeinlösung Werden Schecks nicht rechtzeitig eingelöst oder erhält das Zahlungsinstitut den Betrag aus dem Inkassoauftrag nicht, so kann die kontoführende Stelle des Einreichers die Vorbehaltsgutschrift ohne Rücksicht auf einen zwischenzeitlichen Rechnungsabschluss wieder rückgängig machen (Nr. 9 Abs. 1 AGB-Banken). Ungeachtet dieser Rückbelastung verbleiben der Inkassostelle ihre Rechte aus dem Scheck4.
4.491
Neben dieser Rückbelastung des nicht eingelösten Schecks kann die Inkassostelle im Einzelfall ein Interesse daran haben, den Aussteller aus seiner scheckrechtlichen Haftung für den nicht eingelösten Scheck in Anspruch zu nehmen5. Nach dem Scheckgesetz (Art. 12) haftet der Aussteller des Schecks für die Einlösung des Schecks6. Für seine Inanspruchnahme durch das mit dem Inkassso beauftragte Institut kommt es darauf an, welche Rechte es auf Grund des Inkassoauftrages aus dem Scheck erworben hat7. Dies richtet sich im Einzelnen danach, ob dem Auftrag eine Legitimationszession oder ein Sicherungstreuhandverhältnis zugrunde liegt8. Im ersten Fall verbleiben die Rechte aus dem
4.492
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 56 ff. 2 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391, 1392 m.w.N. = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff.; BGH v. 7.3.1989 – XI ZR 146/88, WM 1989, 594, 595 = BGHZ 107, 111 ff. = NJW 1989, 1675 f.; zur rechtzeitigen Vorlegung vgl. BGH v. 1.10.1991 – XI ZR 29/91, WM 1991, 1910 = BGHZ 115, 247 ff. = NJW 1992, 118 f. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 57. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 49. 5 Macht die Bank den scheckrechtlichen Rückgriffsanspruch im eigenen Namen zugunsten ihres Kunden als Inkassoauftraggeber geltend, so liegt eine Prozessstandschaft vor (BGH v. 4.7.1977 – II ZR 133/75, WM 1977, 1119). 6 Diese Haftung besteht auch auf Grund zurechenbar veranlassten Rechtsscheins, wenn der Scheck missbräuchlich zum Zwecke der ungenehmigten Kreditschöpfung (Scheckreiterei) in den Verkehr gebracht worden ist (BGH v. 23.5.1989 – XI ZR 82/88, WM 1989, 1009, 1010 f. = NJW-RR 1989, 1207 f.; BGH v. 9.2.1993 – XI ZR 84/92, WM 1993, 499, 500 = BGHZ 121, 279 ff. = NJW 1993, 1068 f.). 7 Klein, WM 1975, 374, 376 f. 8 Bei bloßer Legitimationszession muss sich die Inkassobank alle Einwendungen des Scheckausstellers gegen den Scheckeinreicher entgegenhalten lassen (BGH v. 4.7.1977 – II ZR 133/75, WM 1977, 1119, 1120).
Werner | 617
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Scheck beim Kunden als Auftraggeber. Im letzten Fall werden sie sicherungshalber auf die beauftragte Bank übertragen.
4.493
Nach der BGH-Rechtsprechung nimmt eine Bank entsprechend den allgemeinen Gepflogenheiten im Bankverkehr einen ihr zum Einzug übergebenen Scheck gleichzeitig zu ihrer eigenen Sicherung entgegen und lässt sich ihn deshalb sicherungshalber übereignen (Nr. 15 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken)1. Ein solches Sicherungsinteresse besteht insbesondere, wenn das Konto des Kunden bei Scheckeinreichung einen Schuldsaldo aufweist oder die kontoführende Stelle den Kunden schon vor Scheckeinlösung über die Vorbehaltsgutschrift verfügen lässt2. Das Sicherungseigentum wird bei Gutgläubigkeit der Inkassobank auch an solchen Schecks begründet, die mangels eines Begebungsvertrages zwischen Aussteller und Schecknehmer als „irgendwie abhanden gekommen“ zu behandeln sind3.
4.494
Werden der Inkassostelle Schecks mit der Maßgabe eingereicht, dass ihr Gegenwert nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden darf, erstreckt sich die Sicherungsübereignung nicht auf diese Inkassopapiere (Nr. 15 Abs. 3 AGB-Banken). Hierdurch soll der Rechtsprechung Rechnung getragen werden4.
4.495
Mit dem Erwerb des Sicherungseigentums geht auch die zugrunde liegende Forderung auf die Inkassostelle über (Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken)5. Macht die Inkassostelle diese Forderung geltend und geht der Erlös bei ihr ein, erlischt ihre gesicherte Forderung gegen den Schuldner (§ 1288 Abs. 2 BGB).
4.496
Das Sicherungseigentum und die Sicherungsabtretung dienen der Sicherung aller Ansprüche, die der Inkassostelle gegen den Kunden bei Einreichung des Schecks aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder die infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Schecks entstehen (Nr. 15 Abs. 4 AGB-Banken). Diese AGB-Regelung ist nach Rechtsansicht des BGH interessengemäß, weil die Inkassostellen die Schecksumme sofort bei Einreichung der Schecks gutschreiben und hierüber den Kunden vor der Einlösung des Schecks verfügen lassen. Durch ein solches Sicherungstreuhandverhältnis wird die Lage des Scheckausstellers nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Wenn der Schuldner dadurch Gefahr laufe, Einwendungen gegen den Scheckeinreicher zu verlieren (Art. 22 ScheckG), sei dies eine spezifische Folge des Scheckrechts, mit der jeder Scheckaussteller rechnen müsse, der einen Scheck begibt6. Die Sicherungstreuhand der Inkassobank wird bei deren Gutgläubigkeit auch an solchen Schecks begründet, die mangels eines Begebungsvertrages zwischen Aussteller und Schecknehmer „irgendwie abhanden gekommen“ sind7. 1 BGH v. 19.10.1987 – II ZR 9/87, WM 1988, 8 = BGHZ 102, 68 ff. = NJW 1988, 700 ff.; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 26. 2 BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970, 971. 3 OLG Düsseldorf v. 30.4.1973 – 6 U 199/72, WM 1973, 739, 740; OLG Koblenz v. 14.10.1983 – 2 U 61/83, WM 1984, 467, 468. 4 BGH v. 17.9.1984 – II ZR 23/84, WM 1984, 1391 = NJW 1985, 196 f.; BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6 = NJW-RR 1990, 366 f. 5 Vgl. BGH v. 11.11.1976 – II ZR 2/75, WM 1977, 49, 50. 6 BGH v. 3.2.1972 – II ZR 116/75, WM 1977, 970, 971; ebenso OLG Düsseldorf v. 15.1.1980 – 6 U 113/80, WM 1981, 369, 370; OLG Koblenz v. 14.10.1983 – 2 U 61/83, WM 1984, 467, 468. Art. 22 ScheckG setzt voraus, dass es sich um ein „Verkehrsgeschäft“ handelt und daher der Gedanke des Verkehrsschutzes zum Tragen kommt, wie dies für die Sicherungsabtretung gilt (Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 22 ScheckG Rz. 1, Art. 17 WG Rz. 22). 7 OLG Düsseldorf v. 30.4.1973 – 6 U 199/72, WM 1973, 739, 740; OLG Koblenz v. 14.10.1983 – 2 U 61/83, WM 1984, 467, 468.
618 | Werner
Scheckinkasso | Teil 4
III. Scheckvertragliche Beziehung zwischen Scheckaussteller und bezogener Bank Die Möglichkeit zu Scheckziehungen auf ein Girokonto begründet ein besonderes schuldrechtliches Verhältnis zwischen Scheckaussteller und bezogenem Institut. Dagegen bestehen keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Scheckaussteller und der Inkassobank. Deshalb erwachsen der Inkassostelle auch keine Sorgfalts- und Warnpflichten gegenüber dem Scheckaussteller1.
4.497
1. Rechtsnatur des Scheckvertrages Das schuldrechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem bezogenen Institut und seinem Scheckkunden (Deckungsverhältnis) regelt der Scheckvertrag. Dieser ist in der Praxis regelmäßig mit einem dem Girokonto zugrunde liegenden Zahlungsdienstrahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB verknüpft, davon rechtlich aber zu unterscheiden2. Nach dem Scheckgesetz (Art. 3 Satz 1) muss dem Kontoinhaber durch den Scheckvertrag das Scheckziehungsrecht eingeräumt werden3.
4.498
Der Scheckvertrag verpflichtet die kontoführende Stelle gegenüber ihrem Kunden, auf sie gezogene und ordnungsgemäß ausgestellte Schecks bis zur Höhe seines Guthabens oder einer eingeräumten Kreditlinie einzulösen. In der scheckrechtlichen Zahlungsanweisung (Art. 1 Nr. 2 ScheckG) liegt zugleich ein Zahlungsauftrag gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB, im Rahmen des dem Girokonto zugrunde liegenden Girovertragsverhältnisses den auf sie gezogenen Scheck einzulösen4.
4.499
Der Scheckvertrag stellt nach allgemeiner Meinung einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) dar5. Der Scheckvertrag ist kein Vertrag zugunsten Dritter6.
4.500
2. Rechte und Pflichten der Vertragspartner Die Verpflichtung zur Einlösung besteht auch nach Ablauf der scheckrechtlichen Vorlegungsfrist des § 29 ScheckG7. Scheckrechtlich ist die Einlösung nicht verboten. Nach Art. 32 Abs. 2 ScheckG kann das bezogene Institut auch nach Ablauf der Vorlegungsfrist Zahlung leisten, sofern der Scheck nicht widerrufen worden ist.
4.501
Bei einer Nichteinlösung der Schecks unterrichtet die Bank den Kunden (§§ 675, 666 BGB). Diese Benachrichtigung hat stets vor der Nichteinlösung zu erfolgen. Denn sie soll dem Scheckaussteller die Möglichkeit verschaffen, die Nichteinlösung noch abzuwenden8.
4.502
1 2 3 4 5 6 7 8
Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 355. Bülow, WM 1996, 8. Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 3. BGH v. 7.5.1979 – II ZR 210/78, WM 1979, 996, 997; BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1327 = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 3. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 29. Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 4. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 692; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 136. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 91 unter Bezugnahme auf BGH v. 28.2.1989 – XI ZR 80/88, WM 1989, 625 (für Lastschrift).
Werner | 619
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.503
Bei einer solchen Nichteinlösung darf die bezogene Bank alle zur Geltendmachung des scheckrechtlichen Rückgriffsanspruches erforderlichen Daten, insbesondere Name und Anschrift des Scheckausstellers, an die Inkassostelle oder den Scheckeinreicher weitergeben. Der Scheckaussteller hat sein Einverständnis dazu mit der Begebung des Schecks erklärt und ist daran nach Treu und Glauben gebunden1. 3. Einlösung
4.504
Zunächst unter Vorbehalt erteilte Gutschriften werden mit der Einlösung des Schecks endgültig mit der Folge, dass dem Scheckeinreicher entsprechendes Buchgeld verschafft worden ist2.
4.505
Hat die bezogene Bank den Scheck eingelöst, kann die Inkassobank den dem Einreicher gutgeschriebenen Betrag auch dann nicht zurückbelasten, wenn sie selbst den Betrag der bezogenen Bank zurückerstattet hat3.
4.506
Die Einlösung des Schecks durch die bezogene Bank ist endgültig. Die Kontogutschrift ist bei der Scheckeinlösung unbedingt, weil die Scheckurkunde eine Weisung des Scheckausstellers zur entsprechenden Belastung seines Kontos enthält. Zudem ist diese scheckrechtliche Zahlungsanweisung mit einem girovertraglichen Zahlungsauftrag gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB des Scheckausstellers auf Grund des Giroverhältnisses verknüpft, das seiner Kontoverbindung zu der bezogenen Bank zugrunde liegt4.
4.507
Für die Bestimmung des Einlösungszeitpunkts, der nach der BGH-Rechtsprechung von der Bekundung des Einlösungswillens abhängt5, muss weiter unterschieden werden, ob der Scheck durch Barauszahlung, Erteilung einer Kontogutschrift oder Überweisung der Deckung an die Inkassobank eingelöst werden soll. a) Barauszahlung
4.508
Mit der Zahlung der Schecksumme an den empfangsberechtigten Vorleger ist der Barscheck eingelöst. Dabei ist es gleichgültig, ob der Scheck der kontoführenden Filiale oder einer anderen Stelle der bezogenen Bank vorgelegt wird (Nr. 9 Abs. 2 Satz 2 AGBBanken)6.
4.509
Zu einer bargeldlosen Einlösung kommt es, wenn der Scheckbetrag auf einem bei der kontoführenden Zweigstelle selbst geführten Konto gutgeschrieben werden soll. Der Scheck gilt mit dieser (Haus-)Gutschrift als eingelöst, und zwar auch dann, wenn nicht zugleich das Konto des Scheckausstellers belastet worden ist7. Soll dagegen der Scheck1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 96. 2 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1326 = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff. 3 LG Frankfurt v. 20.8.1975 – 2/1 S 128/75, WM 1976, 255, 256. 4 BGH v. 7.5.1979 – II ZR 210/78, WM 1979, 996, 997; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 3. 5 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1326 = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff. 6 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1411 = NJW 1987, 317 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 699; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 191. 7 Häuser, WM 1988, 1505, 1506.
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Scheckinkasso | Teil 4
betrag dem Einreicher auf einem bei einer anderen Bank unterhaltenen Konto gutgeschrieben werden, ist der Scheck erst mit dem Wirksamwerden dieser Gutschrift eingelöst1. b) Erteilung einer Kontogutschrift durch die bezogene Bank Zu einer Kontogutschrift der bezogenen Bank kann es kommen, wenn der Scheck einer nicht kontoführenden Zweigstelle zum Einzug eingereicht wird. Auch eine solche Gutschrift steht unter dem üblichen Vorbehalt, dass die kontoführende Zweigstelle noch prüfen muss, ob der Scheck gedeckt und die Unterschrift des Ausstellers echt ist (Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken). Der positive Abschluss dieser Prüfung und damit der hierdurch bekundete Einlösungswille der kontoführenden Zweigstelle manifestiert sich in der Belastung des Kontos des Ausstellers und dem Verstreichen der AGB-mäßigen Stornierungsfrist. Dabei ist es nach dem BGH für den Stornierungsvorbehalt unerheblich, ob die nicht kontoführende Zweigstelle bei der von ihr erteilten (Filial-) Gutschrift eine Überprüfung der Schecks vor der Belastung (sog. Vordisposition) durchgeführt hat2.
4.510
Erteilt die bezogene Bank für den ihr unmittelbar vorgelegten Scheck auf dem Konto des Einreichers ausnahmsweise eine vorbehaltlose Gutschrift, ist der Scheck endgültig eingelöst3. Dabei ist es unerheblich, ob die bezogene Bank das Girokonto des Scheckausstellers auf ein ausreichendes Deckungsguthaben überprüft hat oder ob und wann dieses Konto mit der Schecksumme belastet worden ist4.
4.511
c) Einlösung beim Scheckeinzug im bargeldlosen Zahlungsverkehr Für die Einlösung eines Schecks im Inkassoweg ist die Belastungsbuchung auf dem Konto des Scheckausstellers erforderlich5. Weitere Voraussetzung der Einlösung ist, dass diese Buchung nicht innerhalb der in den AGB geregelten Frist storniert worden ist. Nach dieser AGB-Klausel sind Schecks erst eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht worden ist (Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken). Die Einlösung ist im Übrigen auch dann erfolgt, wenn die bezogene Bank im Einzelfall eine Bezahltmeldung an den Adressaten abgesandt hat (Nr. 9 Abs. 2 Satz 3 AGB-Banken)6. Eine darüber hinausgehende Bekundung des Einlösungswillens ist nicht erforderlich7. Insbesondere kommt es nicht auf die Belastung des Ausstellerkontos oder auf den Ablauf der zweitägigen Stornierungsfrist der Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGBBanken an. Die Bezahltmeldung schafft ähnlich wie die Bezahlung eines Barschecks an den Vorleger einen gesonderten Einlösungstatbestand8. 1 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1411. 2 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1326; a.A. Häuser, WM 1988, 1505, 1509 f. 3 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1411 = NJW 1987, 317 ff.; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 198. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 198; a.A. OLG Koblenz v. 9.10.1987 – 2 U 51/86, WM 1988, 18, 20. 5 BGH v. 2.2.1970 – II ZR 80/69, WM 1970, 490, 491; BGH v. 28.9.1972 – II ZR 109/70, WM 1972, 1379, 1380; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1411. 6 Gößmann in BuB, Rz. 1/264. 7 OLG Frankfurt v. 24.9.1985 – 5 U 240/83, WM 1986, 351; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 206. 8 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 135/96, WM 1997, 1194, 1196 = BGHZ 135, 307 ff. = NJW 1997, 2112 ff.
Werner | 621
4.512
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.513
Die AGB-mäßige Stornierungsfrist gilt grundsätzlich unabhängig davon, welcher Inkassoweg gewählt worden ist. Denn die Zahlungsverkehrsabkommen der Kreditwirtschaft enthalten keine spezifischen Bestimmungen über den Einlösungszeitpunkt. 4. Ansprüche der bezogenen Bank aus der Scheckeinlösung a) Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB)
4.514
Bei der Befolgung der Scheckanweisung durch Barzahlung, Erteilung einer Kontogutschrift oder Überweisung der Schecksumme an einen Empfangsberechtigten erwirbt die bezogene Bank einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Aussteller1.
4.515
Leistet die bezogene Bank an einen nicht Empfangsberechtigten, kann sie bei Verletzung ihrer Pflichten aus dem Scheckvertrag keinen auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch gegen ihren Kunden als Scheckaussteller geltend machen. Dies gilt insbesondere, wenn die bezogene Bank einen rechtzeitigen Scheckwiderruf nicht beachtet hat2. Nimmt die Bank trotzdem eine Belastungsbuchung auf dem Girokonto ihres Kunden vor, ist sie zur Stornierung verpflichtet. b) Bereicherungsanspruch
4.516
Ein Bereicherungsanspruch3 der bezogenen Bank aus der Scheckeinlösung kommt in Betracht, wenn die bezogene Bank gegen ihren Kunden keinen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) erworben hat, weil sie ihm gegenüber zur Scheckeinlösung nicht oder nicht in der vorgenommenen Weise berechtigt war4. Dabei vollzieht sich der Bereicherungsausgleich nach denselben Grundsätzen, wie er bei fehlerhaften oder fehlgeschlagenen Überweisungen von der BGH-Rechtsprechung entwickelt worden ist5.
4.517
Fehlt es bereits anfänglich an einer wirksamen Scheckanweisung des Kunden, hat der bereicherungsrechtliche Ausgleich im Wege einer Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) im Verhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Scheckeinreicher zu erfolgen (sog. Durchgriffskondiktion)6. Zu diesen Fällen gehören insbesondere die Einlösung gefälschter Schecks7. Wird dagegen eine zunächst wirksam erteilte Scheckanweisung nachträglich widerrufen und der Scheck gleichwohl von der Bank bezahlt, so ist diese Scheckeinlösung nach der BGH-Rechtsprechung dem Scheckaussteller grundsätzlich nicht zuzurechnen. Der Kunde kann nicht als Unbeteiligter zum Bereicherungsschuldner der bezogenen Bank gemacht werden8. Ist dagegen dem Scheckeinreicher zum Zeit1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 692. 2 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1327 = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; vgl. hierzu Ahlers, NJW 1990, 1149 ff. 3 Ausführlich Hadding in FS Kümpel, 2003, S. 167 ff. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 705. 5 BGH v. 19.1.1984 – VII ZR 110/83, WM 1984, 423 = BGHZ 89, 376 ff. = NJW 1984, 1348 ff.; vgl. hierzu Canaris, JZ 1984, 627 ff. 6 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1421 = NJW 1994, 2357 ff.; vgl. hierzu Schnauder, ZIP 1994, 1069 ff.; K. Schmidt, JuS 1995, 74 ff. 7 BGH v. 20.6.1990 – XII ZR 93/89, WM 1990, 1280 = NJW-RR 1990, 1200 ff.; wegen weiterer Fälle vgl. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 222; OLG Naumburg v. 28.5.1997 – 5 U 46/96, WM 1998, 593, 596. 8 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 223.
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Scheckinkasso | Teil 4
punkt der Scheckeinlösung der Scheckwiderruf bekannt, dann stellt sich die Scheckeinlösung für ihn nicht als eine Leistung des Scheckausstellers dar. In einem solchen Falle steht der einlösenden Bank ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen den Kunden zu1. 5. Schecksperre Der Scheck kann bis zu seiner Einlösung widerrufen werden. Diesen Widerruf (Schecksperre) muss die bezogene Bank nach Auffassung des BGH schon während der Vorlegungsfrist beachten2. Nach dem Scheckgesetz (Art. 32 Abs. 1) wird der Widerruf zwar erst nach Ablauf der Vorlegungsfrist wirksam. Die Kreditinstitute beachten aber solche vorzeitigen Schecksperren seit langer Zeit routinemäßig. Diese tatsächliche Übung, auf die die Bankkunden weitgehend vertrauen, rechtfertigt es nach dem BGH, insoweit von einer Verkehrssitte oder einem Handelsbrauch auszugehen. Der Girovertrag sei daher gem. § 157 BGB, § 346 HGB dahin gehend auszulegen, dass die Verpflichtung der bezogenen Bank zur Beachtung einer Schecksperre im Zweifel konkludent als Nebenpflicht des Scheckvertrages vereinbart sei3. Die bezogene Bank hat deshalb grundsätzlich jeden Scheckwiderruf ihres Kunden zu beachten4.
4.518
Nach den „Bedingungen für den Scheckverkehr“ (Nr. 5 Satz 2) kann dieser Widerruf nur beachtet werden, wenn er der Bank so rechtzeitig zugeht, dass seine Berücksichtigung im Rahmen des ordnungsgemäßen Arbeitsablaufes möglich ist. Die Pflicht zur Beachtung des Widerrufs besteht nicht, wenn auch bei gehöriger unverzüglicher Bearbeitung des Scheckwiderrufs die Scheckeinlösung aus technischen oder anderen Gründen nicht mehr verhindert werden konnte. Zu außerordentlichen Maßnahmen zwecks Verhinderung der Einlösung ist die Bank nicht verpflichtet5.
4.519
6. Fälschung und Verfälschung von Schecks Die Fälschung eines Schecks ist die Herstellung einer unechten Urkunde durch Nachahmen der Unterschrift des wahren Kontoinhabers. Unter Verfälschung ist die nachträgliche Änderung des Inhaltes eines echten Schecks zu verstehen. In beiden Fällen mangelt es an einer entsprechenden Scheckanweisung des Kontoinhabers als Scheckausstellers6. Die bezogene Bank ist folglich gegenüber dem Kontoinhaber zur Einlösung des ge- oder verfälschten Schecks nicht befugt. Mit der Scheckeinlösung erwirbt deshalb die Bank nach ständiger Rechtsprechung7 und der herrschenden Literaturmeinung8 keinen Aufwendungs1 BGH v. 16.6.1983 – VII ZR 370/82, WM 1983, 908, 909 = BGHZ 87, 393 ff. = NJW 1983, 2499 ff.; vgl. hierzu Flume, NJW 1984, 464; Kupisch, ZIP 1983, 1412 ff. 2 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1327 = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; vgl. weiter Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 32 ScheckG Rz. 3. 3 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325, 1327. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 138. 5 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 141. 6 BGH v. 13.5.1997 – XI ZR 84/96, WM 1997, 1250, 1251 = NJW 1997, 2236 ff. Zum deliktsrechtlichen Schadensausgleich vgl. Häuser in FS Kümpel, 2003, S. 219, 228 ff. 7 BGH v. 21.5.1984 – II ZR 170/83, WM 1984, 1173 = BGHZ 91, 229 ff. = NJW 1984, 2530 f.; vgl. hierzu Rehbein, JR 1985, 109 ff.; BGH v. 3.11.1992 – XI ZR 56/92, WM 1993, 12 = NJW 1993, 534 ff.; BGH v. 19.6.2001 – VI ZR 232/00, WM 2001, 1460, 1461. 8 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 13; Reiser, WM 1986, 409, 412; Koller, NJW 1981, 2433, 2435; Koller, NJW 1984, 2225.
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4.520
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
ersatzanspruch nach §§ 675u, 675, 670 BGB. Sie darf also auch nicht das Konto ihres Kunden belasten1. Das Fälschungsrisiko liegt somit bei der bezogenen Bank, sofern der Scheckbetrag vom Einreicher nicht zurückverlangt werden kann, der das eigentliche Risiko trägt.
IV. Rechtsbeziehungen zwischen Scheckberechtigtem und bezogener Bank 4.521
Der Scheckberechtigte hat grundsätzlich weder scheckrechtliche noch vertragliche Zahlungsansprüche gegen die bezogene Bank. Ansprüche können nur dann bestehen, wenn die bezogene Bank eine individuelle Einlösungszusage erteilt oder über den Scheck Auskunft (Scheckbestätigung) gegeben hat. 1. Fehlende scheckrechtliche Beziehungen
4.522
Ein scheckrechtlicher Anspruch des Scheckberechtigten scheidet aus, weil die bezogene Bank die in dem Scheck enthaltene Zahlungsanweisung nicht annehmen kann2. Ein auf den Scheck gesetzter Annahmevermerk gilt als nicht geschrieben (Art. 4 ScheckG). 2. Vertraglicher Zahlungsanspruch des Scheckberechtigten a) Einlösungszusage der bezogenen Bank
4.523
Die bezogene Bank kann grundsätzlich dem Scheckinhaber die Einlösung außerhalb der Scheckurkunde vertraglich zusagen. Das scheckrechtliche Akzeptverbot (Art. 4 ScheckG) steht dieser Einlösungszusage nicht entgegen. An das Vorliegen einer solchen Zusage werden jedoch strenge Anforderungen gestellt; insbesondere die BGH-Rechtsprechung ist sehr restriktiv3. Nach der vom BGH vertretenen Ansicht ist es Sache des Anfragenden, der bezogenen Bank zu sagen, ob nur die übliche Scheckbestätigung oder aber eine echte Scheckeinlösungszusage verlangt wird. Wird nur angefragt, ob ein Scheck „eingelöst“ werde, liegt in der Erklärung der bezogenen Bank, der Scheck werde zu einem bestimmten Zeitpunkt eingelöst, keine Einlösungszusage, sondern lediglich eine Scheckbestätigung4. 1 Besteht der Kunde in diesen Fällen nicht auf eine Stornierung der Belastungsbuchung und nimmt er stattdessen den Scheckfälscher gem. § 823 Abs. 2 BGB, §§ 263, 267 StGB auf Schadensersatz in Anspruch, kann dieser sich nicht auf die Verletzung seiner Schadensersatzpflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) berufen, wenn der Bankkunde Zahlung der Scheckbeträge Zug um Zug gegen seine Verpflichtungserklärung verlangt, den Schädiger von Ersatzansprüchen seiner Bank freizuhalten; OLG Hamburg v. 5.11.1999 – 1 U 41/98, MDR 2000, 595, 596. Verweigert die Bank die Stornierung, steht dem Kontoinhaber gegen den Fälscher ein Schadensersatzanspruch zu, weil die unzulässige Belastungsbuchung das verfügbare Kontoguthaben entsprechend reduziert und deshalb einen Vermögensschaden darstellt (BGH v. 19.6.2001 – VI ZR 232/00, WM 2001, 1460, 1461). 2 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409, 1411 = BFHE 141, 184. 3 BGH v. 20.2.1990 – XI ZR 47/89, WM 1990, 494, 495 = BGHZ 110, 263 ff. = NJW 1990, 1482 f.; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 186. 4 BGH v. 20.2.1990 – XI ZR 47/89, WM 1990, 494, 495; damit ist von der früheren Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH (v. 24.3.1980 – II ZR 188/79, WM 1980, 586 = BGHZ 77, 50 ff. = NJW 1980, 1956 f.) abgerückt worden (Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 203).
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Scheckinkasso | Teil 4
Aus dieser Einlösungszusage erwächst der bezogenen Bank eine garantievertragliche Einlösungspflicht1…
4.524
Die Einlösungszusage gilt nur gegenüber dem materiell berechtigten Schecknehmer. Deshalb können förmliche Mängel des Schecks, insbesondere das Fehlen der Ausstellerunterschrift oder des Ausstellungsdatums, dem Schecknehmer entgegengehalten werden2.
4.525
b) Scheckbestätigung Erklärt die bezogene Bank auf Anfrage, der Scheck sei gedeckt oder gehe in Ordnung oder gibt sie eine inhaltlich ähnliche Erklärung ab, liegt hierin keine Einlösungszusage, sondern die bankübliche Scheckbestätigung. Sie bedeutet lediglich, dass der Scheck eingelöst würde, wenn er der bezogenen Bank zurzeit der Auskunftserteilung zur Einlösung vorgelegen hätte3. Damit jedoch übernimmt die bezogene Bank keine Verpflichtung, einen Widerruf des Scheckausstellers nicht zu beachten oder sein Girokonto zur Sicherstellung der Einlösung zu sperren4.
4.526
V. Zahlungsverkehrsabkommen für den beleghaften Scheckeinzug Wesentliche Rechte und Pflichten der mitwirkenden Kreditinstitute zueinander (sog. Interbankenverhältnis)5 sind geregelt in dem „Abkommen über den Einzug von Schecks“ (Scheckabkommen)6 i.d.F. 21.11.2016, das auch das frühere „Abkommen zur Vereinfachung des Einzuges von Orderschecks“ (Orderscheckabkommen) mit umfasst. Dieses Abkommen ist eine von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes im eigenen Namen sowie in Vollmacht ihrer Mitgliedsinstitute geschlossene Rahmenvereinbarung. Sie stellt keine AGB dar7.
4.527
Das Abkommen begründet Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Banken, nicht jedoch für den Scheckeinreicher oder den wahren Scheckberechtigten bei Einzug eines abhanden gekommenen Schecks8. Umstritten ist, ob dem Scheckaussteller und dem Scheckeinreicher aus der Verletzung der durch dieses Zahlungsverkehrsabkommen begründeten Pflichten Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zustehen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass
4.528
1 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 188/79, WM 1980, 586; BGH v. 29.3.1982 – II ZR 39/81, WM 1982, 924, 925; BGH v. 20.2.1990 – XI ZR 47/89, WM 1990, 494, 495; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 730. 2 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, WM 1989, 1673, 1674 = NJW 1990, 384 ff. 3 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 4 ScheckG Rz. 3; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 203. 4 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 188/79, WM 1980, 586; Rieder, WM 1979, 686. 5 BGH v. 28.11.1989 – XI ZR 34/89, WM 1990, 96, 97 = BGHZ 109, 235 ff. = NJW 1990, 833 f.; Nobbe, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 5, 16. 6 Dieses Abkommen regelt nur die Fälle der Nichteinlösung von Schecks und nicht den Fall, dass die bezogene Bank gefälschte Schecks in der irrigen Annahme einlöst, die Schecks seien echt (OLG Karlsruhe v. 2.11.1999 – 3 U 28/99, WM 2000, 953, 954). 7 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 758; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 105. 8 BGH v. 26.9.1989 – XI ZR 178/88, WM 1989, 1756, 1758 = BGHZ 108, 353 ff. = NJW 1990, 242 ff.; vgl. weiter BGH v. 28.11.1989 – XI ZR 34/89, WM 1990, 96, 97 = BGHZ 109, 235 ff. = NJW 1990, 833 f.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
ein nicht eingelöster Scheck unter Verletzung der Rückgabefrist verspätet an die Inkassobank zurückgegeben wird. Wie bei der verspäteten Rückgabe einer Lastschrift1 soll nach dem BGH die Pflicht zur rechtzeitigen Rückgabe eines nicht eingelösten Schecks Schutzwirkungen auch zugunsten des Scheckeinreichers entfalten2.
4.529
Das Scheckeinzugsverfahren begründet unter den beteiligten Banken wie auch im sonstigen mehrgliedrigen Zahlungsverkehr ein Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflichten mit gegenseitigen Schutzpflichten3. Hierzu gehört auch die Pflicht der Inkassobank, die bezogene Bank von Verdachtsmomenten zu unterrichten, die sich insbesondere aus der Person des Scheckeinreichers oder den Umständen der Scheckeinreichung für sie ergeben und die nach der allgemeinen Lebenserfahrung darauf schließen lassen, dass der eingereichte Scheck gefälscht oder seinem früherem Inhaber abhanden gekommen sein könnte4. Soweit die bezogene Bank bei der Scheckeinlösung ein Mitverschulden trifft, ist eine Aufteilung des Schadens vorzunehmen (§ 254 BGB). Dabei ist zu ihren Lasten eine schuldhafte Verletzung der Pflicht ihres Girokunden zur sorgfältigen Aufbewahrung der Scheckvordrucke zu berücksichtigen5.
4.530
Wird ein bereits eingelöster Scheck von der bezogenen Bank zurückgegeben, erwächst der Inkassobank im Falle der Wiedergutschrift des Scheckbetrages ein Bereicherungsanspruch gegen die Bezogene6. Des Weiteren kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Betracht, weil die Rückgabe des bereits eingelösten Schecks sittenwidrig ist7. Ein solcher Anspruch kann auch dem Scheckeinreicher zustehen8.
4.531
Die bezogene Bank ist nach dem Zahlungsverkehrsabkommen bei Nichteinlösung verpflichtet, den Scheck spätestens an dem auf den Tag der Vorlage, der Übermittlung der Scheckdaten im beleglosen Scheckeinzugsverfahren (BSE-Verfahren) oder der Vorlage des Scheckbildes bei der Bundesbank im imagegestützten Scheckeinzug (ISE-Verfahren) folgenden Geschäftstag soweit möglich (betrifft nur die körperliche Vorlage – mit mit dem Vorlegungsvermerk versehen an die erste Inkassostelle zurückzuleiten (Abschnitt V.1 des Scheckabkommens). Eine verspätete Rückgabe des Schecks hat keine Einlösung zur Folge9.
4.532
Das in das Scheckabkommen integrierte beleglose Einzugsverfahren sieht vor, dass die Angaben auf den vom Kunden zum Einzug eingereichten Schecks von seinem Kreditinstitut auf Datenträger übernommen und nach formatiert werden, um den Inkassoauftrag in das beleglose Scheckeinzugsverfahren überzuleiten. 1 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042. 2 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391, 1393 = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff.; BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 246 = NJW-RR 1988, 559 ff.; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 28 ScheckG Anh. Rz. 32. 3 OLG Karlsruhe v. 2.11.1999 – 3 U 28/99, WM 2000, 953, 954; Canaris Bankvertragsrecht, Rz. 25. 4 OLG Karlsruhe v. 2.11.1999 – 3 U 28/99, WM 2000, 953, 954. 5 OLG Karlsruhe v. 2.11.1999 – 3 U 28/99, WM 2000, 953, 954. 6 BGH v. 26.1.1987 – II ZR 121/86, WM 1987, 400 = NJW 1987, 2439 ff. 7 AG Geldern v. 29.4.1987 – 4 C 589/86, WM 1987, 780, 781. 8 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 178. 9 BGH v. 2.2.1970 – II ZR 80/69, WM 1970, 490; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 28 ScheckG Anh. Rz. 32.
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Scheckinkasso | Teil 4
Das überleitende Kreditinstitut ist ermächtigt, die Scheckgegenwerte von der bezogenen Bank beleglos einzuziehen (Abschnitt II.1 Abs. 2 Scheckabkommen). Im Übrigen verwahrt das überleitende Kreditinstitut die Originalschecks oder die davon erstellten Mikrokopien der Vorder- und Rückseite entsprechend den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften.
4.533
Unvereinbar mit dem Scheckgesetz und den Pflichten der mitwirkenden Banken gegenüber dem Scheckaussteller ist im BSE-Verfahren insbesondere, dass die bezogene Bank infolge der fehlenden körperlichen Vorlegung des Schecks die an sich gebotene Unterschriftsprüfung nicht mehr vornehmen kann1. Die Haftung der Bank für die vorzunehmende Prüfung der ihr vorzulegenden Schecks kann aber nach Rechtsprechung und Schrifttum vertraglich nicht ausgeschlossen werden2.
4.534
Durch den Wegfall der körperlichen Vorlage des Schecks bei der bezogenen Bank wird dem Schecknehmer der scheckrechtliche Rückgriffsanspruch und dessen Durchsetzbarkeit im Scheckprozess gem. § 605a ZPO genommen.
4.535
Dem Scheckeinreicher bleibt lediglich die Möglichkeit, seine Inkassobank im regulären Erkenntnisverfahren auf Schadensersatz zu verklagen. Die Ersatzpflicht dürfte sich auch auf den Zins- und Vergütungsanspruch i.S.d. Art. 45 Nr. 2 und 4 ScheckG erstrecken. Die Inkassobank ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie gegen ihre Pflicht verstoßen hat, für die nach dem Scheckgesetz unverzichtbare körperliche Vorlage der Scheckurkunde zu sorgen3. Der Scheckeinreicher hat jedoch zu beweisen, dass auf dem Konto des Scheckausstellers bei ordnungsgemäßer Vorlage Deckung vorhanden gewesen wäre oder er bei Kenntnis der Nichteinlösung Zahlung von dritter Seite erhalten hätte4.
4.536
Mit Rücksicht auf die teilweise Unvereinbarkeit des beleglosen Scheckinkassos mit dem Scheckgesetz und den Pflichten der Inkassobank und der bezogenen Bank gegenüber dem Scheckeinreicher und dem Scheckaussteller können nur Schecks mit Beträgen unter 6 000 € in das Verfahren einbezogen werden (Abschnitt II. 1 Scheckabkommen). Für Schecks über größere Beträge gilt das ISE-Verfahren ab 6 000 €, das in Abschnitt III des Scheckverfahrens geregelt ist und das das frühere, im GSE-Abkommen gerelte Verfahren über entsprechende Scheckgegenwerte abgelöst hat. Auch in diesem Verfahren, das sich stark an das BSE-Abkommen anlehnt, ist das überleitende Kreditinstitut ermächtigt, die Scheckgegenwerte von den bezogenen Kreditinstituten beleglos einzuziehen. Von diesen in das Verfahren einbezogenen Großbetrag-Schecks sind jedoch – anders als nach dem BSE-Verfahren – Scheckbilder an die bezogenen Kreditinstitute zu übermitteln.
4.537
Einstweilen frei.
4.538–4.540
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 118. 2 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 18 m.w.N.; vgl. Koller, WM 1985, 821, der sich im Ergebnis für den Verzicht auf diese Prüfungspflicht wegen gewandelter Verhältnisse ausspricht. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 118; Reiser, WM 1986, 409, 413; Schlie, WM 1990, 617, 618 ff. 4 BGH v. 8.12.1980 – II ZR 39/80, WM 1981, 119 = NJW 1981, 1101 ff.
Werner | 627
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
5. Abschnitt: Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs 4.541
Unter Mitwirkung der Spitzenverbände der Kreditwirtschaft und der Bundesbank sind Abwicklungsverfahren entwickelt worden, bei denen die elektronische Technik genutzt werden kann, um die massenhaft anfallenden Geschäftsvorgänge zu bewältigen1. Insbesondere bei der Ausführung der Inkassoaufträge für Lastschriften und Schecks dominiert die beleglose Abwicklung der Zahlungsvorgänge.
4.542
Seit dem EZÜ-Abkommen vom April 1984 und dem EZL-Abkommen vom Oktober 1987 ist es den Kreditinstituten möglich, fast alle beleghaft erteilten Überweisungs- und Lastschrift-Inkassoaufträge in die beleglose Abwicklung des Zahlungsverkehrs einzubeziehen. Beide Abkommen existieren allerdings nicht mehr, sondern sind in das SEPA-Überweisungs- und das SEPA-Lastschriftabkommen integriert worden. Das vom Kunden eingereichte Datenmaterial wird entweder durch ein Schriftenlesesystem oder durch manuelle Datenerfassung über Terminals auf EDV-Medien erfasst und im Abrechnungsverkehr zwischen den Kreditinstituten beleglos abgewickelt. Die Überleitung des beleghaft überlassenen Materials in beleglose Datensätze ist jetzt zwingend vorgesehen, während es den Kreditinstituten im EZÜ2- und EZL3-Abkommen noch freigestellt war, ob sie beleghaft erteiltes Material in beleglose Datensätze „wandeln“.
I. EZÜ-Verfahren 4.543
Nach der BGH-Rechtsprechung war im beleghaften Zahlungsverkehr nicht die angegebene Kontonummer, sondern der Name des im Auftrag genannten Zahlungsempfängers maßgeblich4. Dieser Rechtsprechung ist jedoch durch den im Zuge der Umsetzung der (ersten) EU-Zahlungsdiensterichtlinie eingeführten § 675r BGB, der die Zahlungsdienstleister berechtigt, Zahlungsaufträge alleine anhand einer vom Zahlenden angegebenen Kundenkennung zu bearbeiten, überholt, so dass die in eine Zahlung eingebundenen Zahlungsdienstleister keinen Kontonummer-Namensvergleich mehr durchführen müssen.
4.544
Folglich enthält das Abkommen über die SEPA-Inlandsüberweisung i.d.F. vom 13.1.2018 eine solche Verpflichtung nicht mehr, da aus § 675r Abs. 1 Satz 2 BGB folgt, dass die Ausführung einer Zahlung anhand der Kundenkennung erfolgen, so dass der KontonummerNamensvergleichs nicht mehr erforderlich und deshalb im Abkommen auch nicht mehr vorgesehen ist. Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass der Überweisende nicht an den Inhaber der Kundenkennung, sondern an einen bestimmten Empfänger zahlen möchte. Die Durchführung de Kontonummer-Namensvergleichs wäre deshalb in tatsächlicher Hinsicht geeignet, die Fehlleitung von Zahlungsaufträgen zu verhindern. Sollte eine Institut eine Diskrepanz zwischen Kundenkennung und angegebenem Empfänger feststellen, ist auch weiterhin die Empfängerbezeichnung maßgeblich. Die Regelung in § 675r BGB führt nicht dazu, dass der Inhaber der Kundenkennung zum Berechtigten der Überweisung wird, sondern soll nur den Zahlungsinstituten eine schnellere Ausführung durch eine ver1 Beim Abschluss der hierzu getroffenen Abkommen und Richtlinien durch die kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände handeln diese als Bevollmächtigte der ihnen angeschlossenen Mitgliedsinstitute (BGH v. 14.1.2003 – XI ZR 154/02, WM 2003, 430, 432). 2 EZÜ ist die Abkürzung für „Elektronischer Zahlungsverkehr mit Überweisungen“. 3 EZL ist die Abkürzung für „Elektronischer Zahlungsverkehr mit Lastschriften“. 4 Vgl. zu dieser überholten höchstrichterlichen Rspr. insb. BGH v. 9.7.1991 – XI ZR 72/90, WM 1991, 1452, 1458; BGH v. 8.10.1991 – XI ZR 207/90, WM 1991, 1912, 1913.
628 | Werner
Kontobezogenes Online-Banking | Teil 4
einfachte Verarbeitung erlauben, um die sich aus § 675s BGB ergebenden Fristen einhalten zu können. Aus § 675r BGB resultiert nur eine Risikoverlagerung, die Regelung führt aber nicht dazu, dass ein Unberechtigter zum Berechtigten einer Zahlung wird. Mit Einstellung des nationalen Überweisungsverfahrens zum 2.8.2014 gibt es kein rein nationales Überweisungsabkommen mehr. An seine Stelle ist das SEPA-Überweisungsverfahren getreten, dessen Details im SEPA Credit Transfer Scheme Rulebook des European Payments Council geregelt sind und das durch das Abkommen über die SEPA-Inlandsüberweisung um inländische Präzisierungen ergänzt wird.
4.545
II. EZL-Verfahren Auch das Abkommen über den Lastschriftverkehr enthielt unter Nr. 3 ebenfalls eine Regelung über die elektronische Verarbeitung beleghaft eingereichter Lastschriften. Auch dieses Abkommen ist außer Kraft getreten, da auch die nationalen Lastschriftverfahren zum 2.8.2014 eingestellt werden mussten. Da auch für Lastschriften die beiden SEPA-Verfahren – das SEPA-Basis- und das SEPA-Firmenlastschriftverfahren – getreten sind, finden darauf die Regelungen des SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook und des SEPA Business to Business Direct Debit Scheme Rulebook des European Payments Council Anwendung, die im Abkommen über die SEPA-Inlandslastschrift um nationale Bestimmungen ergänzt werden. Im Unterschied zum Überweisungsverkehr ist aber beim Lastschriftverfahren die Gefahr eines Geldverlustes wesentlich geringer. Denn bei Überweisungen ist es bei einer irrtümlichen Gutschriftserteilung aufgrund einer fehlerhaften IBAN-Angabe durch den Überweisenden nicht in jedem Falle möglich, das Geld vom falschen Begünstigten zurückzubekommen; zumindest sind hiermit erhebliche Mühen und Kosten verbunden. Beim Lastschriftverfahren besteht insoweit eine andere Ausgangssituation. Hier kann der belastete Kunde unabhängig davon, ob die Lastschrift ordnungsgemäß ausgeführt wurde, gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB in jedem Fall innerhalb von acht Wochen nach der Belastung einen Erstattungsanspruch geltend machen und die valutagerechte Gutschrift gem. § 675x Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen.
4.546
4.547–4.550
Einstweilen frei.
6. Abschnitt: Kontobezogenes Online-Banking Das Online-Banking-Verfahren ermöglicht dem Zahlungsdienstnutzer mit seinem Zahlungsdienstleister in einen direkten elektronischen Dialog einzutreten, um die von ihm angebotenen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Im Unterschied zum Geldautomaten- und dem electronic cash-System handelt es sich beim Online-Banking um kein kartengesteuertes Verfahren. Eine Parallele gibt es zwischen dem Online-Banking und der Inanspruchnahme von Dienstleistungen über die beiden vorstehend genannten Systeme im Hinblick auf die Autorisierung. In allen drei Verfahren ist zur Autorisierung der Einsatz von zwei unterschiedlichen Elementen erforderlich; in einem Fall eine PIN, in der Regel kombiniert mit einer TAN, die auf unterschiedliche Weise generiert werden kann, und in den beiden anderen Fällen eine PIN, kombiniert mit dem Einsatz einer Karte.
4.551
Der Zahlungsdienstnutzer kann die technische Verbindung zum Online-Banking-Angebot der Bank nur über den Zugangskanal herstellen, der ihm von seinem Zahlungsdienstleister mitgeteilt wird.
4.552
Werner | 629
Kontobezogenes Online-Banking | Teil 4
einfachte Verarbeitung erlauben, um die sich aus § 675s BGB ergebenden Fristen einhalten zu können. Aus § 675r BGB resultiert nur eine Risikoverlagerung, die Regelung führt aber nicht dazu, dass ein Unberechtigter zum Berechtigten einer Zahlung wird. Mit Einstellung des nationalen Überweisungsverfahrens zum 2.8.2014 gibt es kein rein nationales Überweisungsabkommen mehr. An seine Stelle ist das SEPA-Überweisungsverfahren getreten, dessen Details im SEPA Credit Transfer Scheme Rulebook des European Payments Council geregelt sind und das durch das Abkommen über die SEPA-Inlandsüberweisung um inländische Präzisierungen ergänzt wird.
4.545
II. EZL-Verfahren Auch das Abkommen über den Lastschriftverkehr enthielt unter Nr. 3 ebenfalls eine Regelung über die elektronische Verarbeitung beleghaft eingereichter Lastschriften. Auch dieses Abkommen ist außer Kraft getreten, da auch die nationalen Lastschriftverfahren zum 2.8.2014 eingestellt werden mussten. Da auch für Lastschriften die beiden SEPA-Verfahren – das SEPA-Basis- und das SEPA-Firmenlastschriftverfahren – getreten sind, finden darauf die Regelungen des SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook und des SEPA Business to Business Direct Debit Scheme Rulebook des European Payments Council Anwendung, die im Abkommen über die SEPA-Inlandslastschrift um nationale Bestimmungen ergänzt werden. Im Unterschied zum Überweisungsverkehr ist aber beim Lastschriftverfahren die Gefahr eines Geldverlustes wesentlich geringer. Denn bei Überweisungen ist es bei einer irrtümlichen Gutschriftserteilung aufgrund einer fehlerhaften IBAN-Angabe durch den Überweisenden nicht in jedem Falle möglich, das Geld vom falschen Begünstigten zurückzubekommen; zumindest sind hiermit erhebliche Mühen und Kosten verbunden. Beim Lastschriftverfahren besteht insoweit eine andere Ausgangssituation. Hier kann der belastete Kunde unabhängig davon, ob die Lastschrift ordnungsgemäß ausgeführt wurde, gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB in jedem Fall innerhalb von acht Wochen nach der Belastung einen Erstattungsanspruch geltend machen und die valutagerechte Gutschrift gem. § 675x Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen.
4.546
4.547–4.550
Einstweilen frei.
6. Abschnitt: Kontobezogenes Online-Banking Das Online-Banking-Verfahren ermöglicht dem Zahlungsdienstnutzer mit seinem Zahlungsdienstleister in einen direkten elektronischen Dialog einzutreten, um die von ihm angebotenen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Im Unterschied zum Geldautomaten- und dem electronic cash-System handelt es sich beim Online-Banking um kein kartengesteuertes Verfahren. Eine Parallele gibt es zwischen dem Online-Banking und der Inanspruchnahme von Dienstleistungen über die beiden vorstehend genannten Systeme im Hinblick auf die Autorisierung. In allen drei Verfahren ist zur Autorisierung der Einsatz von zwei unterschiedlichen Elementen erforderlich; in einem Fall eine PIN, in der Regel kombiniert mit einer TAN, die auf unterschiedliche Weise generiert werden kann, und in den beiden anderen Fällen eine PIN, kombiniert mit dem Einsatz einer Karte.
4.551
Der Zahlungsdienstnutzer kann die technische Verbindung zum Online-Banking-Angebot der Bank nur über den Zugangskanal herstellen, der ihm von seinem Zahlungsdienstleister mitgeteilt wird.
4.552
Werner | 629
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
I. Einführung des Bildschirmtext-(Btx-)Verfahrens 1984 als Vorgänger zum Online-Banking 4.553
Das Online-Banking im engeren Wortsinne wurde Mitte der 1980er Jahre in Gestalt des Bildschirmtext-(Btx-)Verfahrens1 eingeführt. Die Spitzenverbände des Kreditgewerbes und die ehemalige Deutsche Bundespost hatten hierzu ein „Abkommen über Bildschirmtext“ abgeschlossen. Damit ist den angeschlossenen Kreditinstituten ein „Konzept für die Absicherung des Benutzerzugangs zur kontobezogenen Bildschirmtext-Anwendung (BtxSicherungskonzept)“ verbindlich vorgeben worden.
4.554
Die Vertragspartner hatten gleichzeitig „Muster-Bedingungen über die Nutzung von Bildschirmtext“ erarbeitet. Diese Bedingungen waren den angeschlossenen Kreditinstituten als Vertragsgrundlage für die Rechtsbeziehungen zu ihren Kunden empfohlen worden. Sie sind seit dem wiederholt neu gefasst worden und liegen jetzt als „Online-Banking-Bedingungen“ vor, die in der aktuellen Fassung den seit dem 13.1.2018 geltenden gesetzlichen Regelungen zum Recht der Zahlungsdienste angepasst worden sind und zum 14.9. 2019 einer weiteren Überarbeitung unterworfen werden müssen.
II. Institutsspezifisches Leistungsangebot der Kreditwirtschaft 4.555
Im Unterschied zu den kartengesteuerten Zahlungssystemen fehlt es im Online-Banking an einem einheitlichen Leistungsangebot der Institute. Ganz überwiegend werden Dienstleistungen aus dem Girogeschäft angeboten, insbesondere die Erteilung von Überweisungsund Daueraufträgen sowie Lastschriftabbuchungsaufträge, Bestellung von Scheck-Vordrucken sowie die Eröffnung weiterer Konten. Zu den sonstigen Leistungen gehören insbesondere die Bestellung von Reiseschecks und ausländischen Zahlungsmitteln (Sorten). Außerdem können Wertpapiergeschäfte vorgenommen werden. Das Spektrum der Informationsangebote umfasst die Abfrage des Guthabens und der Umsätze auf den Konten und Depots sowie von Wertpapier- und Devisenkursen.
4.556
Die Inanspruchnahme dieses Leistungsangebots setzt eine besondere Absprache zwischen Zahlungsdienstleister und seinem und Kunden voraus. Sie beinhaltet eine Vereinbarung über die Benutzbarkeit eines bestimmten Kommunikationsmediums für den Geschäftsverkehr mit dem Zahlungsinstitut. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Zuverlässigkeit des Kunden, weil der Zugang zu dem Leistungsangebot bereits durch die Kenntnis der Kontonummer sowie der Persönlichen Identifikationsnummer (PIN) und einer Transaktionsnummer (TAN) möglich ist.
4.557
Soweit sich das Leistungsangebot auf das Girogeschäft bezieht, handelt es sich bei der Vereinbarung mit dem Kunden um eine Nebenabrede zu dem Girovertrag2. Sie begründet eine Reihe besonderer gegenseitiger Pflichten3. 1 Für das Online-Banking in Gestalt des Btx-Verfahrens vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527ee ff.; G. Schneider, Die Geschäftsbeziehungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, 3. Aufl. 2007, § 55; Hellner in FS Werner, 1984, S. 251, 258 ff.; Birkelbach, Onlinebanking – Bankgeschäfte rund um die Uhr, Köln 1998; Lange, Internet Banking, 1998; Zietsch, Die Haftung im Telefon-Banking-Verkehr, 1998. 2 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 15. 3 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 31 ff.
630 | Werner
Kontobezogenes Online-Banking | Teil 4
III. Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Nutzers Das Online-Banking-Verfahren erfolgt beleglos. Das Sicherungskonzept des Verfahrens legt deshalb besonderen Wert auf die zweifelsfreie Identifizierung des Nutzers1. Auch muss sichergestellt sein, dass bei Verfügungen, die im traditionellen Geschäftsverkehr eine Unterschrift des Kunden als Sicherungsvorkehrung erfordern, Missbrauchs- und Manipulationsmöglichkeiten weitgehend ausgeschaltet sind, denn der Zahlungsdienstleiter muss darauf achten, dass er bei Ausführung der über das Online-Banking erteilten Aufträge und mit schuldbefreiender Wirkung leistet, damit er hieraus einen wirksamen Aufwendungserstattungsanspruch (§ 670 BGB) erlangt.
4.558
Jedem Kunden wird ein individueller Code, die sog. persönliche Identifikationsnummer (PIN) zugeordnet. Die PIN werden so erstellt, dass auch die Mitarbeiter der ausgebenden Institute sie nicht in Erfahrung bringen können. Der Kunde erhält die Merkmale deshalb in sog. Blinddruckbriefen, die in einer EDV-Anlage hergestellt werden. Der Kunde kann außerdem seine PIN jederzeit selbst ändern, ohne hierzu verpflichtet zu sein2.
4.559
Die Kenntnis der PIN gewährt im Übrigen auch nur die Möglichkeit, den aktuellen Kontosaldo abzufragen. Selbst bei Kenntnis der PIN ist ein Nichtberechtigter nicht in der Lage, Verfügungen über das Kontoguthaben vorzunehmen. Denn zusätzlich zur PIN benötigt der Online-Banking-Teilnehmer ein weiteres Authentifizierungselement, mit dem der einzelne Auftrag zuverlässig autorisiert werden kann. Für den Fall, dass ein unberechtigter Dritter die PIN in Erfahrung bringt, muss der Online-Banking-Teilnehmer bei Kontoverfügungen und sonstigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen gegenüber seinem Institut jeweils zusätzlich ein zusätzliches Element einsetzen. Diese ist nur einmal verwendbar. Der Kunde erhält hierzu von seinem Zahlungsdienstleister unterschiedliche Medien, die Träger oder Generator der entsprechenden TAN sind. Es ist nicht mehr üblich, TANBriefe zu verschicken, auf denen eine Vielzahl an einmal verwendbarer TAN ohne zusätzliche Merkmale aufgedruckt waren. Stattdessen sind aus Sicherheitsgründen neue TANVerfahren eingeführt worden. Beim iTAN-Verfahren kann der Nutzer die TAN nicht mehr frei wählen, sondern er erhält eine durchnummerierte Liste. Bei jeder Freigabe wird vom Zahlungsdienstleister eine bestimmte TAN abgefordert, so dass sie nur für diese Transaktion verwendet werden kann. Dem gleichen Sicherheitsweck dient die Bestätigungsnummer (BEN) zu jeder TAN, die von dem Zahlungsdienstleister nach Auftragseingang zurück gesandt wird, so dass der Nutzer durch Abgleich dieser BEN mit der BEN, die sich auf seiner TAN-Liste zur entsprechenden TAN findet, überprüfen kann, ob sein Auftrag auch von der Bank entgegen genommen worden ist. Im m-TAN-Verfahren erhält der Nutzer nach Eingabe und Übermittlung seiner Transaktionsdaten eine TAN zusammen mit den Transaktionsdaten übermittelt. Stimmen diese mit seinen Daten überein, gibt er die Transaktion frei.
4.560
Weiterhin kann der Online-Banking-Nutzer individuelle Transaktionslimite oder „Öffnungszeiten“ für sein Online-Banking festlegen, so dass keine Aufträge erteilt werden können, die außerhalb dieser Limite liegen. Schließlich gibt es eine Chipkarte – es kann sich dabei auch um die girocard handeln – mit TAN-Generator, der eine einmal verwendbare TAN erzeugt, die mit Hilfe eines Lesegeräts gelesen werden kann.
4.561
1 Maihold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 55 Rz. 7. 2 Zur (zu verneinenden) Frage, ob auch eine Pflicht der Kunden zur regelmäßigen Änderung der PIN besteht, vgl. Schneider, Die Geschäftsbeziehungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 60.
Werner | 631
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.562
TAN-pflichtige Aufträge und Weisungen des Kunden werden ohne Verwendung einer solchen Transaktionsnummer nicht ausgeführt. Ein Institut ist – sofern es dies in sein PLV aufnimmt – berechtigt, für die Zurverfügungstellung einer smsTAN ein Entgelt zu erheben; allerdings ist eine solche Position im PLV nur zulässig, wenn das Entgelt nur für die auch tatsächlich eingesetzte und nicht nur für die angeforderte smsTAN in Rechnung gestellt wird1.
4.563
Der Online-Banking-Teilnehmer hat nach den „Bedingungen für Online-Banking“ (Nr. 7.2) dafür Sorge zu tragen, dass keine andere Person Kenntnis von der PIN und der TAN erlangt2. Erfährt der Nutzer von einer solchen Kenntniserlangung, muss er unverzüglich gem. Ziff. 8.1 der Bedingungen eine Sperranzeige erstatten.
IV. Besondere rechtliche Aspekte des Online-Banking 4.564
Zu einer wirksamen Einbeziehung der Banken-AGB gem. § 305 Abs. 2 BGB über das Online-Banking ist deren EDV-mäßige Speicherung erforderlich. Auch sollte der Kunde auf dem Bildschirm deutlich darauf hingewiesen werden, dass er durch einen „MausKlick“ den AGB-Text sichtbar werden und auch ausdrucken lassen kann3.
4.565
Missbrauchsmöglichkeiten sind im Rahmen des technisch Machbaren und wirtschaftlichorganisatorisch Zumutbaren auszuschließen. Der Bank kommt im Übrigen der Anscheinsbeweis (Prima-facie-Beweis) zugute, dass ein bestimmter Auftrag den von ihr behaupteten Inhalt hat, wenn PIN und TAN als korrekt vom Kunden verwendet erscheinen und der Auftrag von der Bank in technisch zuverlässiger Weise aufgezeichnet worden ist4. Maßgeblich dafür ist, dass das Verfahren unter praktischen Gesichtspunkten nicht überwunden werden kann5. Daran hat auch § 675w BGB nichts geändert, da diese Regelungen Anforderungen definiert, die denen an die Anwendung des Anscheinsbeweises im elektronischen Zahlungsverkehr entsprechen. Unklar ist aber, welche Folgen die Ergänzung in § 675w Satz 4 BGB haben wird, wonach der Zahlungsdienstleister unterstützende Beweismittel vorlegen muss, um Betrug, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Zahlers nachzuweisen, insbesondere, ob dies zur Folge hat, dass der Anscheinsbeweis keine Anwendung mehr finden kann. 1. Abgabe und Zugang der Willenserklärungen des Kunden
4.566
Beim kontobezogenen Dialog über das Online-Banking sind aus rechtlicher Sicht von besonderer Bedeutung die Fragen, die generell mit der Abgabe, der Übermittlung, dem Zugang und der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen verknüpft sind6. Dies erklärt sich daraus, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen hier automatisiert sind. Dabei handelt es sich freilich um keine spezifisches Problem des Online-Banking, sondern um eines, 1 S. dazu BGH v. 25.7.2017 – XI ZR 260/15, WM 2017, 1744. 2 Vgl. dazu AG München v. 5.1.2017 – 132 C 49/15, WM 2017, 2021. 3 Zur Frage der Einbeziehung der AGB bei Vertragsabschluss mittels Bildschirmtexts vgl. Mehrings, BB 1998, 2373; Köhler, NJW 1998, 185, 189; Gruber, DB 1999, 1437, 1439. 4 BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, BGHZ 208, 331 Rz. 29, 48 und 50. 5 BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, BGHZ 208, 331 Rz. 29, 48 und 50. 6 Zum Zugang eines Telefaxschreibens und der Aussagekraft eines „OK“-Berichts im Telefax-Sendebericht vgl. BGH v. 7.12.1994 – VIII ZR 153/93, BB 1995, 221 ff. mit Anm. Burgard.
632 | Werner
Kontobezogenes Online-Banking | Teil 4
das sich aus jeder Verwendung von EDV-Anlagen im rechtsgeschäftlichen Verkehr ergibt1. Der Auftrag des Kunden wird vom Kunden über eine Tastatur eingegeben und auf dem Bildschirm sichtbar. Diese Eingabe stellt aber noch nicht die Abgabe einer Willenserklärung dar. Die „Bedingungen für Online-Banking“ stellen vielmehr unter Nr. 4.1 klar, dass die Erteilung eines Auftrags, die Autorisierung mittels eines personalisierten Sicherheitsmerkmals (TAN oder elektronische Signatur) sowie die Übermittlung an das beauftragte Institut voraussetzt2.
4.567
Bei der Frage, wann die Kundenerklärungen dem Zahlungsdienstleister gem. § 675n Abs. 1 BGB zugegangen sind, ist zu unterscheiden, ob ein Online- oder Offline-Dialog stattgefunden hat. Denn nach allgemeinen Grundsätzen ist für den Zeitpunkt des Zugangs auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme abzustellen3. Beim Online-Dialog werden die Erklärungsdaten mit einer für die rechtliche Beurteilung unerheblichen zeitlichen Verzögerung unmittelbar nach ihrem Eingang bearbeitet4. Anders verhält es sich beim Offline-Dialog, bei dem die Kundenerklärungen zunächst nur gespeichert werden.
4.568
Hier findet die Datenverarbeitung und damit die für den Zugang maßgebliche Möglichkeit der Kenntnisnahme erst dann statt, wenn der Datenträger mit den Erklärungsdaten in die EDV-Anlage eingelegt wird5. Nach den „Bedingungen für Online-Banking“ (Nr. 5 Abs. 1) werden die erteilten Aufträge im Rahmen des ordnungsmäßigen Arbeitsablaufes und in Abhängigkeit von der jeweiligen Auftragsart bearbeitet.
4.569
2. Leistungsumfang und finanzielle Nutzungsgrenze „Bedingungen für das Online-Banking“ sehen unter Nr. 1 Abs. 1 vor, dass jedes Institut den Umfang des Leistungsangebots für das Online-Banking bestimmt. Folglich kann darüber nicht nur Zahlungsverkehr, es können auch viele andere Bankdienstleistungen darüber abgewickelt werden, sofern die Bank diese anbietet. Gleichwohl sind die entsprechenden Bedingungen vor allem am Rechtsrahmen für die Erbringung von Zahlungsdiensten ausgerichtet, da dieser am engsten und detailliertesten die Anforderungen an Dienstleistungen über einen Online-Zugangskanal beschreibt. Nr. 1 Abs. 3 der Bedingungen bestimmt ergänzend, dass der Nutzer und seine Bank eine gesonderte Vereinbarung über Verfügungslimite treffen kann, wodurch der finanzielle Rahmen für Online-Geschäfte eingeschränkt wird. Wird diese vereinbarte Nutzungsgrenze nicht eingehalten, darf die Bank Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen, die aus der Nutzung des Online-Banking entstehen. Solche Kontoverfügungen führen nur zu einer geduldeten Überziehung des Kontos (§ 493 1 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 63. 2 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 77, wonach diese Eingabe in das Btx-System mit der Niederschrift einer Willenserklärung auf einem Blatt Papier verglichen werden kann. Zu den technischen Ausgestaltungsmöglichkeiten dieser Freigabe vgl. Hellner in FS Werner, 1984, S. 251, 267; vgl. weiter Maihold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 55 Rz. 39. 3 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 130 BGB Rz. 5. 4 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 90. 5 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 92.
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4.570
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
BGB). In diesem Fall kann die Bank den höheren Zinssatz für geduldete Kontoüberziehungen verlangen. 3. Die Online-Banking-Bedingungen
4.571
Im Zuge der Umsetzung der (ersten) EU-Zahlungsdienstrichtlinie in deutsches Recht wurden auch die Online-Banking-Bedingungen einer größeren Überarbeitung unterzogen, wobei es hier jedoch – im Gegensatz zur Lastschrift, Überweisung und zu den Karten – kein spezielles SEPA-Regelwerk gibt. Darüber hinaus gelten für das Online-Banking – sofern darüber Zahlungen generiert werden – grundsätzlich die Regelwerke, die auch für das entsprechende Zahlungsverfahren gelten. Dem Online-Banking-Verfahren kommt deshalb zunächst gesonderte Bedeutung zu, soweit die einzelnen Zahlungsverfahren um die spezifischen Authentifizierungsinstrumente ergänzt werden und diesbezüglich Sonderregelungen enthalten. Auswirkungen auf das Online-Banking werden aber die Einführung von Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdienste sowie die starke Kundenauthentifizierung haben.
4.572
Im Gegensatz zum Überweisungs- und Lastschriftverfahren wurde das Online-Banking von der „Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009“1 (MigrationsVO), wie sich aus der Regelung unter Art. 1 (1) ergibt, nicht unmittelbar erfasst. Allerdings wirkte sich die MigrationsVO insofern auf das Online-Banking aus, als Überweisungen, die darüber ausgeführt werden, den Anforderungen der VO entsprechen müssen. Gleiches gilt für Zahlungen mittels Lastschriften im OnlineBanking. Ebenfalls wirken sich die Änderungen der PSD II auf Überweisungen und Lastschriften auch auf das Online-Banking aus, soweit darüber entsprechende Zahlungen ausgeführt werden.
4.573
Ansonsten wird in Ziff. 1 (1) der Online-Banking-Bedingungen klargestellt, dass der Online-Banking-Teilnehmer zur Auslösung von Zahlungen einen Zahlungsauslösedienst gem. § 1 Abs. 33 ZAG und zur Erlangung von Kontoinformationen eine Kontoinformationsdienst gem. § 1 Abs. 34 ZAG nutzen darf. Beide Dienste finden dann ihren Niederschlag noch in den Geheimhaltungspflichten gem. Ziff. 7.2, da darin klargestellt wird, dass die Übermittlung von personalisierten Sicherheitsmerkmalen an diese Dienstleister zur Nutzung ihrer Dienste keine Verletzung der Geheimhaltungspflichten darstellt.
4.574
Da auch „Seins-Komponenten“ gem. § 1 Abs. 25 ZAG für die „starke Kundenauthentifizierung“ genutzt werden können, erlaubt Ziff. 2 auch biometrische Merkmale statt eines personalisierten Sicherheitsmerkmals für die Authentifizierung. Im übrigen wird das „personalisierte Sicherheitsmerkmal“ in Ziff. 2.1 und das Authentifizierungsinstrument in Ziff. 2.2 in Anlehnung an § 1 Abs. 2 ZAG näher bestimmt. Im Weiteren nehmen die Bedingungen diese Begriffe auf und regeln die jeweilige Verwendung für den Zugang zum Online-Banking sowie die Generierung von Aufträgen.
4.575
Schließlich findet sich in Ziff. 10.2.1 (2) der vollständige Haftungsausschluss für den Fall, dass der Online-Banking-Teilnehmer einen Verlust oder Missbrauch seines Zahlungsinstruments nicht hat bemerken können. Auch schließt Ziff. 10.2.1 (4) die Haftung für 1 ABl. EU Nr. L 94 v. 30.3.2012, S. 22.
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Kontobezogenes Online-Banking | Teil 4
den Fall aus, dass eine „starke Kundenauthentifizierung“ gem. § 1 Abs. 24 ZAG nicht möglich war; sie nimmt damit § 675v Abs. 4 BGB i.V.m. § 55 ZAG auf. 4. Informationspflichten Zunächst einmal bedeutet dies, dass in den Regelwerken entsprechend § 675d BGB i.V.m. Art. 248 §§ 1 bis 12, 13 Abs. 1, 3 bis 5 und §§ 14 bis 16 EGBGB der Zahlungsdienstanbieter den Zahlungsdienstnutzern Informationen über den entsprechenden Zahlungsdienst zur Verfügung stellen muss, was im Hinblick auf das Online-Banking bedeutet, dass die in Betracht kommenden Verfahren beschrieben und dem Online-Banking-Nutzer umfassend das entsprechende Instrument erläutert werden muss. Außerdem gibt es die Möglichkeit, dass entsprechend § 675k BGB der Zahlungsdienstleister und der Zahler für Zahlungen, die unter Einsatz eines Zahlungsinstruments erteilt werden, eine Betragsobergrenze festlegen. Dies gilt auch für die Informationspflichten gem. § 675k Abs. 3 BGB, wenn der kontoführende Zahlungsdienstleister einem Zahlungsauslöse- oder Kontoinformationsdienst den Zugang zum Konto verweigert. Darauf ist aber bereits an anderer Stelle eingegangen worden.
4.576
5. Zugang von Aufträgen In den Bedingungswerken findet sich auch eine Regelung über den Zugang von Aufträgen, wie dies gem. Art. 248 § 5 Abs. 2g EGBGB gefordert wird. Sie dient der Klarstellung, wann innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens Aufträge als zugegangen gelten.
4.577
6. Ausführungsfristen Soweit es um die Bearbeitung von Aufträgen durch das Zahlungsinstitut geht, finden auf Zahlungsaufträge die dafür geltenden speziellen Regelungen Anwendung, so dass für diese auch die unveränderte Ausführungsfrist aus § 675s Abs. 1 Satz 1 BGB gilt. Gemäß § 675s Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Zahlungsdienstleister verpflichtet sicherzustellen, dass der Zahlungsbetrag spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrages folgenden Geschäftstag beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingeht. Auch was den Widerruf von Aufträgen betrifft, wird in den Online-Banking-Bedingungen auf die jeweiligen Sonderbedingungen verwiesen, die für die entsprechende Auftragsart maßgebend sind, wie z.B. die Überweisungsbedingungen. Darüber hinaus wird als zusätzlicher Service von einigen Instituten das SEPA Instant Payment-Zahlungsverfahren angeboten, das eine „Real-Time-Ausführung“ vorsieht, d.h. die Zahlung kann innerhalb von Sekunden ausgeführt und die Gutschrift auf dem Empfängerkonto angezeigt werden. In einem solchen Fall gehen die vereinbarten verkürzten Fristen den gesetzlichen Fristen vor. Grundsätzlich jedoch gelten für Zahlungen im Online-Banking keine anderen Ausführungsfristen als für sonstige Zahlungen.
4.578
7. Bearbeitung anhand einer Kundenkennung Hinsichtlich des gerade im Online-Banking früher problematischen Kontonummern-Namensvergleichs hat § 675r BGB die Berechtigung der Zahlungsdienstleister begründet, die Ausführung eines Zahlungsvorgangs allein anhand einer Kundenkennung auszuführen. Werden Zahlungsaufträge über das Online-Banking erteilt, finden zusätzlich die Überweisungsbedingungen Anwendung, die in der früheren Fassung vorsahen, dass KontoWerner | 635
4.579
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
nummer und Bankleitzahl in Kombination oder IBAN und ggf. BIC als Kundenkennung anzusehen waren. Durch die MigrationsVO sind jedoch Kontonummer und Bankleitzahl – nach der Verlängerung der ursprünglich zum 1.2.2014 endenden Frist – zum 2.8.2014 als Kundenkennung i.S.v. § 675r BGB weggefallen, wobei während einer Übergangszeit bis zum 1.2.2016 die von einem Verbraucher angegebene Kontonummer und Bankleitzahl des Empfängers in die IBAN des Empfängers als dessen Kundenkennung umgewandelt werden durften, soweit ein entsprechender Service vom Zahlungsinstitut angeboten wurde. In den Überweisungsbedingungen, die zum 1.2.2014 in Kraft getreten sind, wird bestimmt, bei welchen Zahlungen die IBAN oder die IBAN und die BIC zusammen die Kundenkennung darstellen. Soweit Institute die bis zum 1.2.2016 zulässige Konvertierung gem. § 7b ZAG a.F. angeboten haben, mussten sie sicherstellen, dass nach Ablauf des Termins keine entsprechenden Aufträge mehr angenommen wurden, ihre Ausführung mussten sie gem. § 675o BGB ablehnen. Nach Ablauf der genannten Frist ist nur noch die IBAN eine Kundenkennung i.S.d. § 675r BGB. Offen ist aber, ob und unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, dass ein kontoführender Zahlungsdienstleister mit anderen, ihm zugeordneten Daten – z.B. die Mobil-Nummer – als die IBAN zur Kundenkennung vereinbart. 8. Geheimhaltungspflichten
4.580
Im Hinblick auf die Geheimhaltung der personalisierten Sicherheitsmerkmale1 sowie die sichere Aufbewahrung der Authentifizierungsinstrumente definieren die Online-BankingRegeln detailliert die vom Online-Banking-Nutzer einzuhaltenden Sicherheitsvorkehrungen. Beide zusammen bilden ein Zahlungsinstrument2. Es soll sich bei diesen in erster Linie um eine Konkretisierung der sich aus § 675l BGB ergebenden Pflichten handeln, die sich im Grundsatz nicht von der Verpflichtung eines girocard-Inhabers unterscheiden, Karte und PIN vor dem unberechtigten Zugriff zu sichern. Hinsichtlich des Inhalts der sich aus § 675l BGB ergebenden gesetzlichen Anforderungen wird auf die Ausführungen im Zusammenhang mit Kartenzahlungen verwiesen (Rz. 4.657 ff.). Der Online-BankingNutzer ist deshalb gehalten, die personalisierten Sicherheitsmerkmale geheim zu halten und die Zahlungsinstrumente vor dem Zugriff anderer Personen sicher und getrennt von anderen Instrumenten zu verwahren, da mit beiden Instrumenten zusammen und ohne weitere Kontrolle Aufträge zu Lasten des Kontos des Online-Banking-Kontoinhabers erteilt werden können. Personalisierte Sicherheitsmerkmale dürfen deshalb weder anderen Personen mitgeteilt noch in irgendeiner Form elektronisch gespeichert werden, da dadurch ein Zugriff Dritter ermöglicht werden könnte. Die Weitergabe an Dritte, selbst an Familienangehörige, ist grundsätzlich untersagt, selbst wenn dies im Familienkreis immer wieder vorkommen mag, zumal keine Notwendigkeit für eine entsprechende Weitergabe besteht, da einem Dritten eine entsprechende Vollmacht erteilt werden kann, so dass er eigene personalisierte Sicherheitsmerkmale und Authentifizierungsinstrumente erhalten kann. Der Online-Banking-Nutzer wird weiterhin verpflichtet sicherzustellen, dass kein Unberechtigter Sicherheitsmerkmale – wie dies z.B. bei einer PIN möglich wäre – ausspähen kann. Er muss deshalb die im Verkehr erforderliche Sorgfalt einhalten und hat darauf zu achten, dass nachfolgende Nutzer seines Online-Banking-Zugangskanals diese Merkmale nicht erkennen können. Allerdings dürfen die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten nicht überzogen werden, denn das Risiko, dass die Person, die zufälligerweise Kenntnis von einem entsprechenden Sicherheitsmerkmal erhält, sich anschließend ein zur Erteilung 1 Vgl. Omlor, WM 2019, 105, 107. 2 Vgl. Omlor, WM 2019, 105, 107.
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Kontobezogenes Online-Banking | Teil 4
eines Auftrages zusätzlich erforderliches personalisiertes Sicherheitsmerkmal verschafft, dürfte gering sein, da das Online-Banking-Verfahren üblicherweise nicht an in der Öffentlichkeit aufgestellten Terminals, sondern in abgeschlossenen Räumen erfolgt. Gleichwohl kann das Risiko nicht ausgeschlossen werden, da Online-Banking am Arbeitsplatz praktiziert werden kann und auch Zahlungsinstitute entsprechende Terminals in ihren Filialen zur Verfügung stellen. Zu beachten sind aber auch hier die Anforderungen an die Zulässigkeit der vom Zahlungsdienstnutzer zu erfüllenden Sorgfaltspflichten gem. § 675l Abs. 2 BGB im Zusammenhang mit der Ausgabe und Nutzung eines Zahlungsinstruments. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung der Sicherheitsmerkmale wird durch die Verpflichtung des Nutzers, die Zahlungsinstrumente sorgfältig aufzubewahren, ergänzt1. Da die Erteilung von Aufträgen im Online-Banking durch den kombinierten Einsatz entsprechender Instrumente und Merkmale erfolgt, hat der Nutzer dafür Sorge zu tragen, dass die Zahlungsinstrumente so aufbewahrt werden, dass Dritte keinen Zugriff darauf erhalten. Die Sorgfaltspflichten an die Aufbewahrung solcher Instrumente sind höher als die an die Aufbewahrung einer girocard, da – anders als eine girocard – die Zahlungsinstrumente im Online-Banking nicht ständig mitgeführt werden müssen. Wenn der Zahlungsdienstleister den Online-Banking-Teilnehmer vor Pharming-Angriffen warnt und in diesem Zusammenhang seine Kontrollpflichten näher bestimmt, haftet der Teilnehmer, wenn es aufgrund eines Verstoßes gegen diese Pflichten zu einem Missbrauch kommt2.
4.581
Der Hinweis auf die besondere Sicherung vor Ausspähmaßnahmen sowie das Verbot der Speicherung personalisierter Sicherheitsmerkmale und das Verbot der Weitergabe dieser an Dritte soll auch dazu dienen, Phishing-Attacken zu verhindern. Durch die Umsetzung der PSD2 ist es zulässig, Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdiensten den OnlineZugang zum Konto des Zahlungsdienstnutzers zu gewähren, so dass Regelungen in den Online-Banking-Bedingungen, die den Nutzer verpflichten, jeglichen Zugang Dritter zu verhindern, unzulässig sind. Die Zulässigkeit der Einschaltung derartiger Dienste durch den Zahlungsdienstnutzer folgt aus § 675f Abs. 3 BGB.
4.582
Flankiert werden diese Maßnahmen durch die dem Nutzer auferlegte Verpflichtung, die Sicherheitshinweise seines Zahlungsinstituts und insbesondere die empfohlenen Maßnahmen zum Schutz der eingesetzten Hard- und Software zu beachten. Dadurch soll insbesondere verhindert werden, dass aufgrund mangelnden technischen Sicherheitsstandards ein Trojaner installiert werden kann, der Pharming-Attacken ermöglichen könnte. Aus dem gleichen Grund dürfen im Falle des Einsatzes von Chipkarten nur vom Institut bestimmte Lesegeräte verwendet werden. In den Bedingungen finden sich auch Anzeigepflichten des Nutzers, wie sie sich – wenn auch in weniger detaillierter Form – in § 675l Abs. 1 Satz 2 BGB finden. Die genaue Beschreibung des durchzuführenden Sicherheitsverfahrens ist auch im Interesse des Instituts, da gem. § 675v BGB der Online-Banking-Teilnehmer nur im Falle grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns in vollem Umfang haftet, während ansonsten seine Haftung gem. § 675v Abs. 1 BGB auf 50 € beschränkt ist. Aufgrund dessen ist es schon aus tatsächlichen Gründen geboten, dem Online-BankingTeilnehmer möglichst genau zu erläutern, unter welchen Voraussetzungen er eine Missbrauchsanzeige zu erstatten hat. Gleiches gilt im Falle des Verlustes, Diebstahls oder der missbräuchlichen Nutzung eines personalisierten Sicherheitsmerkmals.
4.583
1 Vgl. Omlor, WM 2019, 105, 110. 2 BGH v. 24.4.2012 – XI ZR 96/11, WM 2012, 983.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.584
Auch im Online-Banking kann ein Institut den Nachweis, dass entweder der Berechtigte verfügt oder mit seinen Medien nicht sorgfältig umgegangen ist, nur über die Rechtsfigur des Anscheinsbeweises führen. Es gelten die gleichen Grundsätze wie im Kartenbereich, wobei allerdings berücksichtigt werden muss, dass durch die in der Vergangenheit häufiger auftretenden Phishing- und Pharming-Attacken die Voraussetzungen für das Eingreifen eines Anscheinsbeweises ganz erheblich in Zweifel gezogen wurden. Aus § 675w Satz 3 BGB folgt, dass allein die technische Aufzeichnung, es liege ein ordnungsgemäßer Zahlvorgang vor, nicht als entsprechender Nachweis genügt. Liegen deshalb die weiteren Voraussetzungen, wie sie sich insbesondere aus der Entscheidung des BGH vom 5.10.2004 zum (früheren) ec-Karten-System1 ergeben, nicht vor, ist das Missbrauchsrisiko von der Bank zu tragen. Gleichwohl ist die Anwendung der Grundsätze zum Anscheinsbeweis im Online-Banking nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Voraussetzung ist allerdings, dass auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse die allgemeine praktische Unüberwindbarkeit des eingesetzten Sicherungsverfahrens sowie dessen ordnungsgemäße Anwendung und fehlerfreie Funktion im konkreten Fall feststehen2. Die korrekte Verwendung von PIN und TAN jedenfalls reichen nicht aus, die ordnungsgemäße Autorisierung oder das Funktionieren des Autorisierungssystems nachzuweisen3.
4.585
Im Zusammenhang mit den Geheimhaltungspflichten des Online-Banking-Nutzers hinsichtlich PIN und TAN wird die Frage diskutiert, ob daraus nicht eine wettbewerbsrechtlich bedenkliche Beschränkung des Wettbewerbs durch Online-Bezahldienste resultiert. Aus einem Urteil des BGH im Zusammenhang mit dem „Screen Scarping“ von OnlineBezahldiensten könnte geschlussfolgert werden, dass das automatisierte Auslesen von Kontoinformationen eines Kunden auf der Online-Banking-Seite der Bank durch bestimmte Online-Bezahldienste zulässig sein kann und der Verstoß gegen die Online-Banking-Bedingungen keine unlautere Handlung darstellt4. Ob und welche Konsequenzen daraus für die Zulässigkeit der Nutzung von PIN und TAN durch Online-Bezahldienste gezogen werden können, ist aber noch offen. Die EU-Zahlungsdiensterichtlinie II erlaubt jetzt, wie aus §§ 675f Abs. 3, 675y Abs. 1 Satz 3 BGB folgt, entsprechenden Zahlungsauslösediensten Zahlungsauthentifizierungsinstrument und personalisiertes Sicherheitsmerkmal zu nutzen. Die kontoführenden Institute sind, wie sich aus § 675f Abs. 3 BGB ergibt, verpflichtet, Drittdienste einzubinden, wenn der Kontoinhaber ihnen dies erlaubt.
4.586
Mit Einführung der „starken Kundenauthentifizierung“ gem. § 1 Abs. 24 ZAG, die – wie sich aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 ZAG ergibt – für das Online-Banking zwingend ist, wird der Einsatz der „starken Kundenauthentifizierung“ eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung des Anscheinsbeweises sein. Ohne diese wird der Anscheinsbeweis kaum Anwendung finden können. 9. Sperrmöglichkeit
4.587
Die in den Bedingungen vorgesehenen Möglichkeiten sowohl des Nutzers als auch des Zahlungsinstituts, den Online-Banking-Zugangskanal sperren zu lassen, ist auf § 675k Abs. 2 BGB zurück zu führen, der dem Zahler und dem Zahlungsdienstleister eine Vereinbarung zu treffen ermöglicht, wonach ein Zahlungsinstrument gesperrt werden darf, 1 2 3 4
BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309. BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, WM 2016, 691, 694 f. AG Berlin-Mitte v. 20.4.2016 – 15 C 20/15, MMR 2016, 391. Vgl. BGH v. 30.4.2014 – I ZR 224/12, WM 2014, 1595, zum „Screen Scraping“.
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Kontobezogenes Online-Banking | Teil 4
wenn dies aus Sicherheitsgründen gerechtfertigt ist, der Verdacht eines Missbrauchs vorliegt oder im Falle einer Kreditgewährung ein erhöhtes Risiko besteht, dass der Zahler seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen wird. Sollte es zu einer durch das Zahlungsinstitut veranlassten Sperre kommen, muss dieses diese unverzüglich wieder aufheben, sobald die für die Sperre maßgeblichen Gründe weggefallen sind. Darüber hinaus muss der Zahlungsdienstnutzer über die Entsperrmöglichkeit unverzüglich unterrichtet werden. Deshalb haftet das Zahlungsinstitut für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge gem. § 675u BGB, da ihm danach kein Aufwendungsersatzanspruch für nicht autorisierte Zahlungen zusteht. Die Anforderungen an die Detaillierung gem. § 675u Satz 3 ff. BGB werden auch hier gelten. Dieser Ausschluss eines Anspruchs bezieht sich allerdings nur auf den Aufwendungsersatzanspruch, §§ 675c Abs. 1, 670 BGB, eventuelle Schadensersatzansprüche bleiben davon unberührt. Sollte im Falle einer nicht autorisierten Zahlung der Erstattungsanspruch vom Zahlungsdienstnutzer nicht innerhalb von 13 Monaten geltend gemacht werden, ist dieser gem. § 676b Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen, wobei die Frist mit der Unterrichtung des Zahlungsdienstnutzers nach Belastung beginnt. Erforderlich ist dafür, dass dem Online-Banking-Nutzer gem. Art. 248 §§ 7, 10 oder 14 EGBGB die entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt worden sind. Evtl. Schadenersatzansprüche bleiben davon unberührt, setzen beim Zahlungsdienstleister aber ein Verschulden voraus. Aus der Sperrverpflichtung des Zahlungsinstituts gem. § 675m Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BGB folgt, dass der Zahlungsdienstleister verpflichtet ist, nach Sperranzeige jede Nutzung eines Zahlungsinstruments zu verhindern.
4.588
10. Haftungsfragen Aber auch wenn eine nicht autorisierte Zahlung vorliegt und aufgrund dessen das Zahlungsinstitut gem. § 675u BGB nicht berechtigt ist, den Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 675c Abs. 1, 670 BGB geltend zu machen, kommen Schadensersatzansprüche gegen den Kontoinhaber in Betracht, sofern dieser seine Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt haben sollte1.
4.589
Die Haftungsregelungen in den Online-Banking-Bedingungen orientieren sich an den gesetzlichen Regelungen in §§ 675u und 675v BGB. Folglich ist im Falle eines leicht fahrlässigen Verhaltens die Haftung des Nutzers auf 50 € beschränkt, wobei diese Haftung auch dann in Betracht kommt, wenn kein Verschulden vorliegt, so dass diese Regelung eine gesetzlich zulässige (eingeschränkte) Sphärenhaftung erlaubt. Selbst diese geringfügige Haftung wird gem. § 675v Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommen, wenn es dem Online-Banking-Nutzer nicht möglich war, den Verlust, den Diebstahl, das Abhandenkommen oder eine sonstige missbräuchliche Verwendung des Zahlungsinstruments vor der ersten missbräuchlichen Verwendung zu bemerken oder wenn der Verlust des Zahlungsinstruments in der Verantwortungssphäre des Zahlungsdienstleisters verursacht worden ist. Grundsätzlich ist im Übrigen die Haftung des Zahlungsdienstnutzers gem. § 675v Abs. 4 BGB ausgeschlossen, wenn entweder sein Zahlungsdienstleister keine starke Kundenauthentifizierung gem. § 1 Abs. 24 ZAG angeboten oder der Zahlungsempfänger oder sein Zahlungsdienstleister eine solche nicht akzeptiert hat. Ausgenommen von dem Haftungsausschluss sind aber die Fälle betrügerischen Handelns des Zahlungsdienstnutzers.
4.590
1 Zur Haftung im Online-Banking vgl. Omlor, WM 2019, 105, 112.
Werner | 639
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.591
Sollte grobe Fahrlässigkeit vorliegen und kein Fall des Haftungsauschlusses, insbesondere gem. § 675v Abs. 4 BGB, vorliegen, haftet der Nutzer unbeschränkt. Um Streitigkeiten darüber zu vermeiden, wann ein solcher Fall vorliegt, enthalten die Online-Banking-Bedingungen Regelbeispiele, wann üblicherweise die Kriterien der groben Fahrlässigkeit erfüllt sind. Da es sich dabei jedoch nur um Regelbeispiele handelt, deren Vorliegen nicht zwingend die grobe Fahrlässigkeit begründet, besteht auch nicht das Risiko, dass durch eine entsprechend weite Fassung der Sorgfaltspflichten die gesetzliche Haftungsbegrenzung von 50 € im Falle eines leicht fahrlässigen Verhaltens unterlaufen werden könnte und die Regelung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam wäre. Aber auch in den Fällen, in denen grobe Fahrlässigkeit vorliegt, geht die Haftung des Online-Banking-Kunden nicht weiter als bis zum ggf. gem. § 675k BGB vereinbarten Haftungslimit. Im Übrigen unterscheiden sich die Haftungsregelungen nicht grundsätzlich von denen im Kartenbereich. 11. Die speziellen Haftungsregelungen in den Online-Banking-Bedingungen a) (Technische) Verfahren des Online-Banking
4.592
Da das Online-Banking auf dem Einsatz von PIN und TAN – wenn auch mittlerweile in den unterschiedlichsten Ausprägungen als iTAN, mTAN, TAN mit BEN oder TAN-Generator – beruht, werden in Nr. 7.1 (2) der Online-Banking-Bedingungen die Pflichten des Nutzers zur Geheimhaltung seiner Authentifizierungselemente ausdrücklich geregelt. Der Online-Banking-Teilnehmer ist gehalten, die Wissenselemente geheimzuhalten, die Besitzelemente sicher aufzubewahren und die Seinselemente nur dann auf mobilen Endgeräten zu speichern, wenn darauf nicht die Seinselemente anderer Personen gespeichert werden oder Zugriff nur unter Nutzung eines zusätzlichen, von der Bank ausgegebenen Wissenselements möglich ist, da unter Einsatz zweiter Elemente aus zwei verschiedenen Gruppen ohne eine weitere Kontrolle Aufträge zu Lasten des Kontos oder Depots des Online-Banking-Teilnehmers erteilt werden können. Der Nutzer darf deshalb die Geheimzahl weder anderen Personen mitteilen noch in irgendeiner Form speichern, da dadurch ein Zugriff Dritter ermöglicht werden könnte. Außerdem ist die Weitergabe an Dritte – selbst an Familienangehörige – untersagt. Auch wenn – ähnlich wie im girocard-System – eine Weitergabe der Wissens- und/oder Besitzelemente an Familienangehörige nicht selten vorkommen mag, ist auch darin eine Sorgfaltspflichtverletzung zu sehen, denn wenn der Kontoinhaber einem Dritten Zugang zum Konto über das Online-Banking ermöglichen will, ist dies in Form einer Kontovollmacht und einer anschließenden Online-Banking-Bevollmächtigung mit Zurverfügungstellung eigener Authentifizierungselemente an den Bevollmächtigten möglich. Allerdings wird dem Nutzer in Nr. 7.1 (5) die Befugnis eingeräumt, die Authentifizierungselemente einem Zahlungsauslöse- oder Kontoinformationsdienst zur Nutzung zu überlassen, sofern dies zur Inanspruchnahme ihrer Dienstleistungen erforderlich ist. Diese Form der Bekanntgabe stellt keine Verletzung der Geheimhaltungspflichten dar. Vielmehr ist die entsprechende Zulässigkeit der Übermittlung erforderlich, damit der Zahler gem. § 675f Abs. 3 BGB diese Dienste nutzen kann. In den Online-Banking-Bedingungen werden, da darüber auch Zahlungsdienste erbracht werden können, die durch die PSD2 bedingten Änderungen der §§ 675l und 675m BGB nachvollzogen werden. b) Sorgfaltspflichten
4.593
Neben dem Verbot, die Wissens- und Seinselemente elektronisch zu speichern, ist der Online-Banking-Nutzer auch gehalten, bei der Eingabe der Wissenselemente sicherzustel640 | Werner
Kontobezogenes Online-Banking | Teil 4
len, dass kein unberechtigter Dritter diese ausspähen kann. Er hat dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt einzuhalten und insbesondere darauf zu achten, dass nachfolgende Nutzer seines Online-Banking-Anschlusses das Wissenselement nicht einsehen können. Allerdings dürfen auch hier die Anforderungen nicht überzogen werden, denn das Risiko, dass die Person, die zufälligerweise Kenntnis von einem Wissenselement erhält, sich anschließend auch ein Besitzelement oder Zugriff auf ein Seinselement verschafft, um den Online-Banking-Anschluss missbräuchlich zu nutzen, dürfte insbesondere vor dem Hintergrund gering sein, als das Online-Banking normalerweise nicht an in der Öffentlichkeit aufgestellten Terminals, sondern in abgeschlossenen Räumen ausgeübt wird. Auch ist es in solchen Fällen dem Nutzer eher zumutbar, darauf zu achten, dass keine Unberechtigten Kenntnis von seinem Wissenselement durch Ausspähen erhalten als bei in der Öffentlichkeit zugänglichen Zugangsmedien, bei denen es aufgrund ihrer Positionierung oft schwierig ist, dafür Sorge zu tragen, dass kein Unberechtigter Einblick in die Nutzung von Legitimationsmedien nehmen kann. Zu den Sorgfaltspflichten gehört es auch, Warnhinweise des Kreditinstituts im Hinblick auf evtl. Missbrauchsfälle zu beachten, so dass zumindest dann, auch bei fehlenden optischen Auffälligkeiten der Online-Banking-Maske, aufgrund der Aufforderung, im Log-In-Vorgang mehrere Wissenselemente einzugeben, dem Nutzer bewusst sein muss, dass er sich nicht mehr im Rahmen der durch die Online-Banking-Bedingungen festgelegten Anforderungen bewegt1 und einen evtl. Schaden schuldhaft (mit-) verursacht. Ergänzt wird die Verpflichtung zur Geheimhaltung des Wissenselements durch die zur sorgfältigen Aufbewahrung des Zahlungsinstruments gem. § 1 Abs. 20 ZAG2 bzw. i.S.d. § 675j Abs. 1 Satz 3 BGB des Besitzelements. Da die Erteilung von Aufträgen im Online-Banking den Einsatz zweier Authentifizierungselemente erfordert, hat der Nutzer dafür Sorge zu tragen, dass der Dritte keinen Zugang zu Besitzelementen erhalten kann. Die Sorgfaltspflichten an die Aufbewahrung der Besitzelemente sind höher als die an die Aufbewahrung einer girocard, da das Besitzelement üblicherweise nicht – wie die körperliche girocard – regelmäßig zu Bezahlvorgängen eingesetzt und mitgeführt wird.
4.594
Den Online-Banking-Teilnehmer trifft jedoch nicht nur die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass mit seinen Legitimationsmedien kein Missbrauch getrieben werden kann, vielmehr ist er auch gehalten, falls der Verdacht einer missbräuchlichen Verwendung seiner Authentifizierungselemente oder einer unberechtigten Kenntnisnahme der Wissenselemente durch Dritte besteht, unverzüglich eine Sperre zu veranlassen. Darin ist die Normierung einer vertraglichen Nebenpflicht zu sehen, die, selbst wenn der Nutzer für den Missbrauch seiner Authentifizierungselemente durch einen unberechtigten Dritten nicht verantwortlich gemacht werden kann, zumindest ein Mitverschulden gem. § 254 Abs. 2 BGB begründet, falls er schuldhaft nicht rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um einen drohenden Schaden abzuwenden. Dagegen ist die Haftung des Teilnehmers für alle Schäden ausgeschlossen, die nach dem Zugang einer Sperrnachricht beim Kreditinstitut entstehen, auch wenn diese unbeachtet gelassen werden sollte. Ab dem Zeitpunkt, ab dem der Nutzer das Kreditinstitut gebeten hat, seinen Online-Banking-Zugang zum Konto bzw. Depot zu sperren, haftet er nicht mehr für danach verursachte Schäden, denn ab diesem Zeitpunkt ist es ausschließlich Aufgabe des Kreditinstituts, dafür Sorge zu tragen, dass keine missbräuchlichen Verfügungen mehr vorgenommen werden können.
4.595
1 Vgl. dazu BGH v. 24.4.2012 – XI ZR 96/11, ZIP 2012, 1014. 2 Vgl. dazu Omlor, WM 2019, 105, 107.
Werner | 641
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.596
Die frühere Möglichkeit, unter Nutzung einer TAN eine PIN zu ändern, sehen die Bedingungen nicht mehr vor.
4.597
Kommt es gem. Nr. 9.4 der Online-Banking-Bedingungen zu einer dreimaligen Fehleingabe des Nutzungscodes – i.d.R. eine PIN – für ein chip-basiertes Authentifizierungsinstrument, sperrt das Kreditinstitut den Online-Banking-Zugang, um zu verhindern, dass durch Ausprobieren eine PIN ermittelt werden kann. Die Aufhebung der Sperre kann nur durch die Bank veranlasst werden.
4.598
Sind die Gründe für die Sperre nicht mehr gegeben, wird die Bank diese gem. Nr. 9.3 der Bedingungen aufheben oder das personalisierte Sicherheitsmerkmal bzw. Authentifizierungsinstrument austauschen, das vom Missbrauch betroffen war. Unabhängig von der fehlerhaften Eingabe eines Wissenselements ist das Kreditinstitut – wie sich aus Nr. 9.2 der Bedingungen ergibt – in jedem Fall berechtigt, den Online-Banking-Zugang zu sperren, wenn der Verdacht einer missbräuchlichen Nutzung besteht, es berechtigt wäre, den Online-Banking-Zugang zu kündigen oder sachliche Gründe im Zusammenhang mit der Sicherheit des personalisierten Sicherheitsmerkmals oder Authentifizierungsinstruments dies rechtfertigen. Das Kreditinstitut hat in einem solchen Fall ähnliche Pflichten wie der Nutzer, es darf nicht sehenden Auges einen drohenden Missbrauch einfach ignorieren.
4.599
In der Rechtsprechung sind die Sorgfaltspflichten stärker konturiert worden1. So soll ein Online-Banking-Teilnehmer für einen Missbrauch haften, wenn er eine TAN nach Aufforderung eingibt, ohne dass er eine Zahlungstransaktion ausführen möchte2. Weiterhin soll ein Online-Banking-Nutzer für Schäden haften, die darauf zurückzuführen sind, dass er beim chipTAN-Verfahren3 bzw. beim SMS-TAN-Verfahren4 die in den Online-Banking-Bedingungen beschriebenen Sorgfaltspflichten nicht einhält. Auch bei einem sog. „Rücküberweisungs-Trojaner“ wird eine Haftung des Zahlungsdienstleisters verneint und die Haftung des Nutzers bejaht. Allerdings geht es in diesem Fall nicht darum, dass PIN und TAN missbräuchlich eingesetzt wurden, sondern der Kontoinhaber wurde durch einen „Trojaner“ ausgelöste Täuschung dazu veranlasst, selbst eine Zahlung zu Lasten seines Kontos vorzunehmen5. Beide Verfahren werden z.T. als so sicher eingestuft, dass sie den Beweis des ersten Anscheins dafür begründen, dass der Online-Banking-Teilnehmer grob fahrlässig seine Pflichten verletzt und dadurch den eingetretenen Schaden verursacht hat6, denn allein der Umstand, dass der PC des Geschädigten einem Trojaner-Angriff unterlag, begründet noch kein Indiz dafür, dass dieser kein oder kein ausreichendes VirenschutzProgramm benutzt hat7.
4.600
Da es sich auch bei über das Online-Banking ausgelösten Zahlungsvorgängen um Zahlungen mittels eines Zahlungsinstruments – wenn auch hier Verfahren unterschiedlicher Qualität in Betracht kommen können – handelt, gelten die Ausführungen zur girocard entsprechend. 1 Zu den verschiedenen Angriffsformen s. die Übersicht bei Zahrte, BKR 2016, 325 ff. 2 AG Köln v. 20.1.2014 – 142 C 406/13; bestätigt durch Berufungsurteil des LG Köln v. 7.10.2014 – 21 S 5/14; ebenso LG Hannover v. 10.2.2016 – 11 O 229/15. 3 AG Bonn v. 15.4.2014 – 109 C 223/13. 4 AG Köln v. 28.5.2014 – 113 C 662/13. 5 AG Köln v. 28.6.2013 – 119 C 143/13; AG Potsdam v. 21.10.2015 – 34 C 393/14, MMR 2016, 394; ähnlich auch OLG Köln v. 21.3.2016 – 13 U 223/15, BKR 2016, 349 f. 6 Urteile des LG Köln v. 26.8.2014 – 3 O 390/13, und LG Darmstadt v. 28.8.2014 – 28 O 36/14. 7 LG Oldenburg v. 15.1.2016 – 8 O 1454/15, MMR 2016, 450, 451.
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c) Haftung des Online-Banking-Nutzers Hat der Nutzer durch ein schuldhaftes Verhalten zum Missbrauch seiner Authentifizierungselemente beigetragen, kann es dennoch zu einer Mithaftung des den Online-Banking-Service anbietenden Instituts kommen, falls dieses schuldhaft trotz eines Verdachtes einer missbräuchlichen Nutzung das Konto nicht sperrt. Eine solche Regelung hat jedoch lediglich deklaratorische Bedeutung, denn auch ohne ausdrückliche Bestimmung ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens gem. § 254 BGB, dass es für einen Schaden zumindest mithaftet, wenn es schuldhaft keine Kenntnis von einem Missbrauch hatte oder trotz dieser Kenntnis nicht gehandelt hat. Die vom Zahlungsinstitut veranlasste Sperre kann aus Sicherheitsgründen auch nur von diesem selbst und nicht von dem Online-Banking-Teilnehmer aufgehoben werden.
4.601
Auch der Online-Banking-Teilnehmer kann auf seinen Wunsch den Zugang zum Online-Banking-Service durch das Zahlungsinstitut jederzeit sperren lassen, unabhängig davon, ob ein sachlicher Grund dafür vorliegt. Allerdings steht dieses Recht ausschließlich dem Kontoinhaber als Vertragspartner des Kreditinstituts, nicht jedoch auch einem Bevollmächtigten, zu. Die Endsperrung wiederum kann nur vom Kreditinstitut vorgenommen werden, wobei auch dies ausschließlich der Kontoinhaber und nicht auch der Bevollmächtigte veranlassen kann.
4.602
Die Haftung im Online-Banking ist – wie sich aus Nr. 10 der Online-Banking-Bedingungen ergibt – ähnlich ausgestaltet, wie bei girocard und MasterCard. D.h für Schäden, die auf den verschuldensunabhängigen Verlust eines Authentifizierungsinstruments zurück zu führen sind, haftet der Online-Banking-Nutzer der Höhe nach beschränkt auf bis zu 50 € gem. Nr. 10.2.1 (1), ebenso für leicht fahrlässig verursachte Schäden, handelt es ich bei ihm jedoch um einen Unternehmer, gilt gem. Nr. 10.2.1 (8) die Grenze von 50 € für schuldhaft verursachte Schäden ebenso wenig wie im Falle wenigstens grob fahrlässigen Handelns. Nur bei unverschuldeten Schäden findet auch hier die Haftung bis 50 € Anwendung. Dagegen spielt – im Gegensatz zur Haftung bei Karten – der Auslandsbezug keine Rolle. Nach Sperre des Zugangs ist die Haftung des Nutzers bis auf die Fälle betrügerischen Handelns ausgeschlossen. Auch hier finden folglich die neuen Regelungen zur Sphärenhaftung Anwendung. Ausgeschlossen werden muss auch hier gem. § 675v Abs. 2 BGB die Haftung des Nutzers für den Fall, dass es ihm nicht möglich war, alle Formen des Verlusts oder die sonstige missbräuchliche Verwendung bis zur ersten Transaktion zu bemerken, oder wenn es zum Verlust aus der Sphäre des Zahlungsdienstleisters kommen sollte.
4.603
Allerdings kann ein Zahlungsinstitut eine Sorgfaltspflichtverletzung verwirklichen, wenn es im Hinblick auf das von ihm angebotene TAN-Verfahren hinter den Sicherheitsstandards der Mehrzahl der Institute zurück bleibt1. Unter Heranziehung der Grundsätze zum Anscheinsbeweis im Online-Banking dürfte der erforderliche Sorgfaltsmaßstab bedeuten, dass nach aktuellen Erkenntnissen das Sicherungsverfahren allgemein praktisch unüberwindbar ist und im konkreten Fall auch funktioniert hat2.
4.604
Auch im Online-Banking kommt eine Haftung des Online-Banking-Teilnehmers nur in Betracht, wenn das Verfahren den Anforderungen an eine „starke Kundenauthentifizierung“ gem. § 1 Abs. 24 ZAG genügt. Andernfalls kommt, wie sich aus § 675v Abs. 4 BGB
4.605
1 KG v. 29.11.2010 – 26 U 159/09, WM 2011, 493. 2 BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, WM 2016, 691.
Werner | 643
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
ergibt, eine Haftung des Nutzers nicht in Betracht. Nicht den Anforderungen an eine „starke Kundenauthentifizierung“ genügt nach Ansicht der BaFin das iTAN-Verfahren, da es dazu an der dafür gem. § 55 Abs. 2 ZAG erforderlichen dynamischen Verknüpfung des Zahlungsvorgangs mit einem bestimmten Empfänger fehlt, da beim iTAN-Verfahren die TAN-Liste bereits vor dem Zeitpunkt erzeugt wird, zu dem weder der Empfänger noch die Zahlungsbeträge feststehen. Weiter ist für das Online-Banking-Verfahren die Zulässigkeit von Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdiensten von besonderer Bedeutung.
4.606–4.620 Einstweilen frei.
7. Abschnitt: Kartengesteuerte Zahlungssysteme I. Allgemeines 1. Bedürfnis nach Automatisierung der Zahlungsvorgänge
4.621
Die Automatisierung erfasst nicht nur die konventionellen Zahlungsverkehrsinstrumente in Gestalt der Überweisung sowie das Inkasso von Lastschriften und Schecks, sondern auch die frühere ec-Karte. Diese Karte wurde ursprünglich nur dazu geschaffen, Schecks unter der Garantie der bezogenen Bank zu begeben – eine Funktion, die mittlerweile weggefallen ist. Durch Weiterentwicklung der (früheren) ec-Karte zur Zahlungskarte können die Bankkunden zunehmend mit ihrem Kreditinstitut auf elektronischem Wege durch Kontoverfügungen, Auftragserteilungen sowie Abruf kundenbezogener Informationen, insbesondere in Gestalt von Kontoauszügen kommunizieren. Mit Hilfe der Zahlungskarte wie auch der insoweit vergleichbaren Kreditkarte und GeldKarte („elektronische Geldbörse“) sowie der speziellen Kundenkarte der Kreditinstitute kann die elektronische Technik auch für bestimmte Zahlungsvorgänge in den kartengesteuerten Zahlungssystemen nutzbar gemacht werden. 2. Internationales edc-System (electronic debit card)
4.622
Kartenzahlungen sind Teil des gemeinsamen Binnenmarktes für Zahlungsverkehrsprodukte innerhalb des EWR geworden. Ziel der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt1 ist die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes auch für Kartenzahlungen, um dadurch Vereinfachungen für den Karteninhaber und für den Handel zu bewirken. Deshalb ist es mittlerweile möglich, dass europäische Karteninhaber ihre Karte SEPA2-weit auf gleiche Art und Weise einsetzen können, wie sie dies im Heimatland gewohnt sind. Händler in Europa sollen Karten aus dem ganzen SEPA-Gebiet so akzeptieren können, wie auf dem heimischen Markt. Auf Grund dessen hat das European Payment Council (EPC) ein entsprechendes Rahmenwerk dafür geschaffen. Das „SEPA Cards Framework (SCF)“ legt Prinzipien und Regelungen für den SEPA-Kartenzahlungsmarkt fest. Dabei wird auf die Perspektiven der Karten-Zahlungssysteme, der Karteninhaber, der Kartenakzeptanten und der Kartenemittenten eingegangen. Die in dem „SEPA Cards Framework“ festgelegten Prinzipien und Anforderungen sind verpflichtend für alle Banken, die Mitglieder im EPC sind. Die Kartenzahlungen haben folgende Eigenschaften aufzuweisen: 1 ABl. EU Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1 ff. 2 SEPA steht für „Single European Payment Area“.
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ergibt, eine Haftung des Nutzers nicht in Betracht. Nicht den Anforderungen an eine „starke Kundenauthentifizierung“ genügt nach Ansicht der BaFin das iTAN-Verfahren, da es dazu an der dafür gem. § 55 Abs. 2 ZAG erforderlichen dynamischen Verknüpfung des Zahlungsvorgangs mit einem bestimmten Empfänger fehlt, da beim iTAN-Verfahren die TAN-Liste bereits vor dem Zeitpunkt erzeugt wird, zu dem weder der Empfänger noch die Zahlungsbeträge feststehen. Weiter ist für das Online-Banking-Verfahren die Zulässigkeit von Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdiensten von besonderer Bedeutung.
4.606–4.620 Einstweilen frei.
7. Abschnitt: Kartengesteuerte Zahlungssysteme I. Allgemeines 1. Bedürfnis nach Automatisierung der Zahlungsvorgänge
4.621
Die Automatisierung erfasst nicht nur die konventionellen Zahlungsverkehrsinstrumente in Gestalt der Überweisung sowie das Inkasso von Lastschriften und Schecks, sondern auch die frühere ec-Karte. Diese Karte wurde ursprünglich nur dazu geschaffen, Schecks unter der Garantie der bezogenen Bank zu begeben – eine Funktion, die mittlerweile weggefallen ist. Durch Weiterentwicklung der (früheren) ec-Karte zur Zahlungskarte können die Bankkunden zunehmend mit ihrem Kreditinstitut auf elektronischem Wege durch Kontoverfügungen, Auftragserteilungen sowie Abruf kundenbezogener Informationen, insbesondere in Gestalt von Kontoauszügen kommunizieren. Mit Hilfe der Zahlungskarte wie auch der insoweit vergleichbaren Kreditkarte und GeldKarte („elektronische Geldbörse“) sowie der speziellen Kundenkarte der Kreditinstitute kann die elektronische Technik auch für bestimmte Zahlungsvorgänge in den kartengesteuerten Zahlungssystemen nutzbar gemacht werden. 2. Internationales edc-System (electronic debit card)
4.622
Kartenzahlungen sind Teil des gemeinsamen Binnenmarktes für Zahlungsverkehrsprodukte innerhalb des EWR geworden. Ziel der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt1 ist die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes auch für Kartenzahlungen, um dadurch Vereinfachungen für den Karteninhaber und für den Handel zu bewirken. Deshalb ist es mittlerweile möglich, dass europäische Karteninhaber ihre Karte SEPA2-weit auf gleiche Art und Weise einsetzen können, wie sie dies im Heimatland gewohnt sind. Händler in Europa sollen Karten aus dem ganzen SEPA-Gebiet so akzeptieren können, wie auf dem heimischen Markt. Auf Grund dessen hat das European Payment Council (EPC) ein entsprechendes Rahmenwerk dafür geschaffen. Das „SEPA Cards Framework (SCF)“ legt Prinzipien und Regelungen für den SEPA-Kartenzahlungsmarkt fest. Dabei wird auf die Perspektiven der Karten-Zahlungssysteme, der Karteninhaber, der Kartenakzeptanten und der Kartenemittenten eingegangen. Die in dem „SEPA Cards Framework“ festgelegten Prinzipien und Anforderungen sind verpflichtend für alle Banken, die Mitglieder im EPC sind. Die Kartenzahlungen haben folgende Eigenschaften aufzuweisen: 1 ABl. EU Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1 ff. 2 SEPA steht für „Single European Payment Area“.
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Kartentransaktionen an elektronischen Kassen- und Geldautomaten müssen im SEPABereich mit allgemein üblichen, durch die SEPA-Banken ausgegebenen Karten ebenso wie Zahlungen und Barabhebungen in Euro möglich sein. Das „SEPA Cards Framework“ bezieht sich nur auf Kartenzahlungen mit einer „Zahlungsgarantie“, so dass solche, die auf dem elektronischen SEPA-Lastschriftverfahren beruhen, nicht darunter fallen. Bis 2010 waren Karten mit Magnetstreifen und PIN noch zulässig, danach sind nur solche erlaubt, die mit einem genau spezifizierten Chip ausgestattet sind. Nicht unter die SEPA Cards Framework fällt die automatische Geldbörse.
4.623
Zur SCF-Konformität müssen Kartensysteme folgende wesentliche Anforderungen erfüllen: Die Teilnahmekriterien müssen transparent und dürfen nicht diskriminierend sein. Sie dürfen nicht national begrenzt sein. Die Lizenzierung erfolgt für den SEPA-Raum. Preise müssen SEPA-weit gültig und transparent sein.
4.624
Im Bereich der Kartenzahlungen sind in Deutschland das electronic-cash-Verfahren sowie das Geldautomatensystem SEPA-tauglich, so dass auch mit entsprechenden ausländischen Debitkarten Zahlungen an elektronischen Kassen und Geldabhebungen an Geldautomaten möglich sind. Nachdem die diesen Verfahren zugrunde liegenden Vertragswerke (electronic-cash-Vertragswerke und Vereinbarung über das deutsche Geldautomatensystem) geändert worden sind, befinden sich die Verfahren derzeit in der Umsetzungsphase. Die Eignung des electronic-cash-Systems ergibt sich daraus, dass es bereits europaweit angeboten wird, auch ist die Teilnahme daran national nicht begrenzt, so dass dieses System anderen europäischen Ländern offen steht.
4.625
Grenzüberschreitende Maestro-Transaktionen, die das electronic-cash-Verfahren betreffen, gibt es seit 1.1.2008. Dazu ist das gesamte electronic-cash-Vertragswerk (Vereinbarung über ein Institutsübergreifendes System zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen, Händlerbedingungen, Netzbetreibervertrag und girocard-Bedingungen) einer Überarbeitung unterzogen worden, die jedoch eher technischer denn rechtlicher Natur ist.
4.626
Gleichfalls überarbeitet worden ist die Vereinbarung über das Deutsche Geldautomatensystem im Hinblick auf die SEPA-Anforderungen, so dass Abhebungen auch mittels garantierter Debit-Karten von Instituten aus anderen EWR-Ländern möglich sind. Zu diesem Zweck ist das deutsche Geldautomaten-System (ebenso wie das electronic-cash-Verfahren) mit den PIN-gestützten und garantierten Debitkartenzahlungssystemen der „Euro Alliance of Payments Schemes (EAPS)“ vernetzt worden.
4.627
Plattform für die Zusammenarbeit ist die nach belgischem Recht gegründete „Euro Alliance of Payment Schemes Limited Liability Cooperative Company (EAPS-Gesellschaft)“, an der sich die deutsche Kreditwirtschaft über die „European Payment Card Solution GmbH (EPCS)“, bei der es sich um eine 100%ige Tochter der EURO Kartensysteme handelt, beteiligt hat. Regelungen über die Zusammenarbeit ergeben sich aus dem Participation Agreement zwischen EAPS und dem Zentralen Kreditausschuss und den EAPS-Rules. Dabei handelt es sich aber um eine rein vertragliche Organisation, die mit ihren Teilnehmern versucht, die Anforderungen der EU-Richtlinie zu Zahlungsdiensten umzusetzen, bevor die entsprechenden nationalen Regelungen erlassen worden sind.
4.628
Nicht unter die Regelungen der Richtlinie zu Kartenzahlungen und in den Anwendungsbereich der EAPS fällt das elektronische Lastschriftverfahren, das auf dem SEPA-Basislastschriftverfahren beruht. Dieses muss allerdings den rechtlichen Anforderungen an Lastschriftzahlungen genügen.
4.629
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
3. Chipkarten der Kreditwirtschaft mit unternehmensbezogenen Zusatzanwendungen
4.630
Die Zahlungsinstitute, die an ihre Kunden Karten zum bargeldlosen Bezahlen von Waren und Dienstleistungen (Zahlungskarte, Kunden- und GeldKarten) ausgeben, können diese mit einem multifunktionalen Chip ausstatten, der es interessierten Handels- und Dienstleistungsunternehmen ermöglicht, den Chip als Speichermedium für eine eigene unternehmensbezogene Anwendung (z.B. den elektronischen Fahrschein) zu nutzen. Hierzu wird der Fahrschein nicht mehr in Papierform ausgedruckt, sondern in einem freien Speicherplatz auf dem Mikrochip der Karte implementiert. Das kartenausgebende Kreditinstitut stellt mit dem Chip auf der Karte lediglich die technische Plattform zur Verfügung, die es dem Karteninhaber ermöglicht, in der Karte – neben den darin enthaltenen Zahlungsverkehrsanwendungen – die Zusatzanwendungen von Unternehmen zu speichern. Das Unternehmen trägt die Verantwortung für den Inhalt der Zusatzanwendung und verpflichtet sich, diese so auszugestalten, dass damit nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird. Eine Leistung, die das Unternehmen über die unternehmensbezogene Zusatzanwendung gegenüber dem Karteninhaber erbringt, richtet sich ausschließlich nach dem Inhalt der Vertragsverhältnisse zwischen dem Karteninhaber und dem Unternehmen.
4.631
Bei der Speicherung, inhaltlichen Änderung oder Nutzung einer unternehmensbezogenen Zusatzanwendung auf der Karte wird die vom kartenausgebenden Institut an den Karteninhaber ausgegebene PIN nicht eingegeben. Im Übrigen hat der Karteninhaber Einwendungen, die den Inhalt der unternehmensbezogenen Zusatzanwendungen betreffen, ausschließlich gegenüber dem Unternehmen geltend zu machen, das die Zusatzanwendungen in die Karte eingespeichert hat.
4.632
Die Implementierung von unternehmensbezogenen Zusatzanwendungen auf Chipkarten der Kreditwirtschaft basiert auf einer diesbezüglichen Vereinbarung der zuständigen Spitzenverbände der Kreditwirtschaft über bestimmte Rahmenbedingungen. Danach ist die Nutzung des Chips für eine unternehmensbezogene Zusatzanwendung nur nach Maßgabe der einheitlichen „Bedingungen für die Implementierung unternehmensbezogenener Zusatzanwendungen auf Chipkarten der Kreditwirtschaft (Händlerbedingungen)“ möglich. Sie bestimmen ua., dass die technische Infrastruktur, mit der die Karte vom kartenausgebenden Kreditinstitut ausgestattet worden ist, nur unter Einsatz eines Sicherheitsmoduls für die vorgesehene Zusatzanwendung genutzt werden kann. Dieses Sicherheitsmodul erhält das Unternehmen von seinem Kreditinstitut (sog. Händlerinstitut).
4.633
Soweit Karten mit der technischen Applikation für die Implementierung einer Zusatzanwendung ausgegeben worden sind, hat das emittierende Institut mit seinem Kunden die üblichen „Bedingungen für die girocard (Debitkarte)“1 zu vereinbaren, die ergänzende Bestimmungen für solche Zusatzanwendungen enthalten. 4. Zahlungskarte als Instrument kartengesteuerter Zahlungssysteme
4.634
Während die frühere eurocheque-Karte im – zum 1.1.2002 weggefallenen – Scheckkartenverfahren nur die Funktion hatte, die Akzeptanz der eurocheques durch die Schecknehmer zu erhöhen und damit nur systemunterstützend war, dient die heutige Zahlungskarte, bei 1 Nach § 15 ZKG, der der Umsetzung der Terminologie nach der EU-Bankkontenrichtlinie dient, muss der Oberbegriff „Debitkarte“ verwendet werden. Deshalb wird dieser Begriff hinter den Produktnamen gesetzt.
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der es sich um eine Debitkarte als Zahlungskarte gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3b ZAG handelt, die unterschiedliche Bezeichnungen trägt, im Bereich der Privatbanken girocard genannt wird1, bei den anderen Zahlungssystemen zur Steuerung der einzelnen Zahlungsvorgänge. Dies gilt insbesondere bei der Benutzung der automatisierten Kassen im Rahmen des electronic cash-Systems (POS-System) und bei Abhebungen an Geldautomaten. Keine solche Steuerungsfunktion hat dagegen die Zahlungskarte bei einem SEPA-Elektronischen Lastschriftverfahren (SEPA-ELV), das auf einem Lastschrifteinzug ohne Zahlungsgarantie beruht. Die SEPA-ELV-Kassenterminals lesen die in der Zahlungskarte gespeicherten Daten, um damit eine Lastschrift mit dem für das anschließende Inkasso erforderlichen Mandat zu erstellen.
4.635
Seit 1996 kann die (frühere ec-Karte und jetzige) girocard auch mit der GeldKarten-Funktion ausgerüstet werden, wenn dem Kunden keine eigenständige GeldKarte angeboten werden soll.
4.636
Aus der Verordnung Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.20092, durch die die so genannte „EU-Preisverordnung“ aufgehoben und eine neue EU-Verordnung (ebenfalls als „EU-Preisverordnung“ bezeichnet) ersetzt worden ist, ergeben sich besondere Anforderungen an die Entgelterhebung im Zahlungsverkehr. Ziel dieser Verordnung und der Vorgängerverordnung ist es, die Schaffung eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums zu fördern. In der Begründung zur urspünglichen Verordnung findet sich deshalb die Aussage, dass die Beibehaltung eines gegenüber den Inlandszahlungen höheren Entgeltniveaus für grenzüberschreitende Zahlungen den grenzüberschreitenden Handelsverkehr hemme und deshalb ein Hindernis für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes darstelle. Außerdem sei eine zwischen dem Inland und dem (EU-)Ausland differenzierende Entgeltberechnung geeignet, das Vertrauen in den Euro zu beeinträchtigen. Infolgedessen müsse durch die entsprechenden Maßnahmen des EU-Gesetzgebers sichergestellt werden, „dass für grenzüberschreitende Zahlungen in Euro und für Euro-Zahlungen innerhalb eines Mitgliedstaates die gleichen Gebühren erhoben werden“.
4.637
Im Unterschied zu einer EU-Richtlinie bedurfte die vorstehend bezeichnete Verordnung keiner Überführung in das deutsche Rechtssystem, sondern entfaltet gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbare Geltung in jedem Mitgliedstaat. Auf Grund dessen sah Art. 3 Abs. 2 der früheren EU-Preisverordnung zunächst vor, dass ab 1.7.2003 die Entgelte u.a. für grenzüberschreitende Kartenzahlungen bis zu einem Überweisungsbetrag von 12.500 € mit den nationalen Gebühren für innerstaatliche Überweisungen in den Mitgliedstaaten gleich zu sein haben. Jedes Kreditinstitut war damit zwar in der Bestimmung der Höhe des Entgelts für solche Transaktionen frei, durfte jedoch nicht zwischen inländischen und entsprechenden grenzüberschreitenden Transaktionen unterscheiden. Letztlich hatte und hat dies zur Folge, dass die Kreditinstitute eine Mischkalkulation vornehmen müssen, um so den Bereich, der defizitär ist, von einem anderen Bereich mit finanzieren zu lassen. Sollten folglich Kreditinstitute für Inlandszahlungen in der Vergangenheit niedrigere Entgelte berechnet haben als für entsprechend grenzüberschreitende Zahlungen, weil erstere 1 Böger in Baas/Buck-Heeb/Werner, Anlegerschutzgesetze, Dritter Teil § 675f BGB Rz. 142; Omlor in Staudinger, Vorbem. zu §§ 675c–676c BGB Rz. 196; Werner in Krepold/Fischbeck/Kropf/ Werner, Bankrecht, S. 83 f. 2 ABl. EU Nr. L 266 v. 9.10.2009, S. 11, ersetzt die Verordnung Nr. 2560/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.12.2001 über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro (ABl. EG Nr. L 344 v. 28.12.2001, S. 13).
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preislich günstiger sind, wird eine entsprechende Mischkalkulation zur Folge haben, dass die Entgelte für den Inlandskarteneinsatz anzuheben sind, damit die entsprechenden Entgelte für die grenzüberschreitenden Zahlungen ggf. adäquat reduziert werden können. Der Anwendungsbereich der Verordnung ist zum 1.1.2006 auf alle grenzüberschreitenden Überweisungen in Euro bis zu einem Überweisungsbetrag von 50.000 € erweitert worden, durch die aktuelle Preisverordnung gilt die Verpflichtung zur Entgeltgleichheit in ihrem Anwendungsbereich für alle Arten von grenzüberschreitenden Zahlungen durch Zahlungsdienstleister ohne betragliche Begrenzung.
4.638
In räumlicher Hinsicht bezieht sich die EU-Preisverordnung, deren Rechtsgrundlage Art. 288 AEUV ist, nur auf grenzüberschreitende Euro-Zahlungen innerhalb der Europäischen Union1. Nicht erfasst werden folglich grenzüberschreitende Euro-Zahlungen außerhalb der EU. Die jetzige EU-Preisverordnung erstreckt sich auch auf Inlandszahlungen, nicht jedoch auf grenzüberschreitende Zahlungen von und außerhalb der Vertragsstaaten (Drittstaaten).
4.639
Adressaten der EU-Preisverordnung sind „Zahlungsdienstleister“, wozu gem. Art. 2 Nr. 5 EU-Preisverordnung natürliche und juristische Personen gehören, die gewerbsmäßig grenzüberschreitende Zahlungen ausführen. Folglich richtet sich die EU-Preisverordnung an alle Institute, die grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr anbieten. Begünstigt werden sollen die „Zahlungsdienstnutzer“, unter die im deutschen Recht sowohl Verbraucher i.S.d. § 13 BGB als auch Unternehmen i.S.d. § 14 BGB sowie die Angehörigen freier Berufe fallen. Dementsprechend ist die EU-Preisverordnung nicht nur im Privatkunden-, sondern auch im Firmenkundengeschäft von Relevanz.
4.640
Bei den elektronischen Zahlungsverkehrsmedien bedarf es keiner unmittelbaren persönlichen Mitwirkung von Bankmitarbeitern. Diese Instrumente eröffnen dem Kunden vielmehr den Zugang zu den elektronischen Dienstleistungen seines kontoführenden Instituts.
4.641
Die girocard kann im Übrigen dazu verwendet werden, Kontoauszüge und Kontoabschlüsse über den Kontoauszugsdrucker herstellen zu lassen, wie sie von der Kreditwirtschaft aus Rationalisierungsgründen eingeführt worden sind. Hierfür werden zwischen dem kontoführenden Institut und Kunden AGB-mäßige „Sonderbedingungen für die Benutzung von Kontoauszugsdruckern“ verwendet.
4.642
Die Funktionen der girocard haben z.T. auch die von einigen Kreditinstituten ausgegebenen „Kunden“karten. Diese institutsbezogenen Karten können u.a. als Bedienungsmedium bei kartengesteuerten Zahlungssystemen dienen.
4.643
Die Zahlungskarte ist keine Inhaberkarte i.S.d. § 807 BGB, denn das kartenemittierende Institut will nicht jedem Inhaber zur Leistung verpflichtet sein, wie die zusätzliche Verwendung einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) zeigt2. Sie ist im Übrigen auch kein Legitimationspapier nach § 808 BGB, weil in ihr keine bestimmte Leistung versprochen wird. Im Übrigen kann das kartenausgebende Institut Verfügungen über das Girokonto auch ohne Vorlage der Karte zulassen3. Die Karte kann aber als einfaches Legi1 Vgl. Mehringer in BuB, Rz. 18/103b. 2 BGH v. 16.12.1987 – 3 StR 209/87, WM 1988, 405, 407; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7. 3 BGH v. 16.12.1987 – 3 StR 209/87, WM 1988, 405, 407; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527b; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7.
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timationspapier qualifiziert werden, ohne dass diese Einordnung eine praktische Bedeutung hat1. 5. Verwendung einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) Will ein Kunde die girocard als Bedienungsmedium für automatisierte Kassen oder Geldautomaten nutzen, erhält er von der Bank eine „persönliche Geheimzahl“. Diese persönliche Geheimzahl („Persönliche Identifikationsnummer – PIN“) ist neben der Zahlungskarte in die zugelassenen Geldautomaten oder automatisierten Kassen einzugeben; beide zusammen sind ein Zahlungsinstrument i.S.d. § 1 Abs. 20 ZAG. Sie dient als weiteres Legitimationsmittel der Sicherheit dieser Systeme gegen Missbräuche durch unbefugte Dritte. Ohne die PIN-Eingabe können Geldautomaten und das electronic cash-Verfahren für bargeldlose Zahlen mittels der automatisierten Kassen nicht genutzt werden. Im internationalen electronic debit card(edc)-System des Auslands kann aber an Stelle der persönlichen Geheimzahl im Einzelfall eine Unterschrift zur Zahlung verlangt werden.
4.644
Soweit die Zahlungskarte auch mit der GeldKarten-Funktion ausgestattet wird, bedarf es beim Einsatz als GeldKarte keiner PIN-Eingabe. Hier ist die persönliche Identifikationsnummer nur beim Aufladen der GeldKarte an den sog. Ladeterminals erforderlich.
4.645
II. AGB-mäßige Sonderbedingungen für die Nutzung der girocard Für die Ausgabe der heutigen girocard sind im Jahre 1989 die früheren „Bedingungen für den ec-Service“ als ein für alle Kreditinstitute einheitlich geltendes Bedingungswerk geschaffen worden, die die Rechtsbeziehungen der Karteninhaber zur kartenausgebenden Bank näher regeln2 und die zu den heutigen Bedingungen weiterentwickelt worden sind. Dabei waren die drei Funktionen der ec-Karte in Gestalt der (weggefallenen) Scheckkartengarantie bei Scheckausstellungen und eines Bedienungsmediums für automatisierte Kassen und Geldautomaten berücksichtigt worden.
4.646
Mit der Einführung des Systems „GeldKarte“ im Jahre 1996 wurden die „Bedingungen für die ec-Karte“ um die erforderlichen Regelungen für dieses neue Zahlungssystem ergänzt3. Die ec-Karte kann seit diesem Zeitpunkt, sofern sie mit einem entsprechenden Chip ausgestattet ist, auch als GeldKarte zum bargeldlosen Bezahlen an automatisierten Kassen des Handels- und Dienstleistungsbereiches (POS) verwendet werden. Die GeldKarte soll als elektronische Geldbörse Bargeldfunktionen übernehmen und insoweit Bargeld ersetzen. Sie gehört zu den von § 675i BGB erfassten Kleinbetragszahlungsinstrumenten.
4.647
Eine weitere grundlegende Überarbeitung dieser Bedingungen wurde mit dem Auslaufen der Scheckkartengarantie zum 31.12.2001 erforderlich. Bei der Neufassung wurde auf sämtliche eurocheque-relevante Regelungen verzichtet. Auch war die Bezeichnung „ecKarte“ durch „Zahlungskarte“ ersetzt worden. Diese Bedingungen galten nunmehr für die Nutzung der Karte in Verbindung mit der persönlichen Geheimzahl (PIN) zur Abhebung an in- und ausländischen Geldautomaten, zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen im Rahmen des inländischen electronic cash-Systems (POS-System) und im
4.648
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527b. 2 Harbeke, WM 1989, 1709, 1711 f. 3 Diese Fassung ist abgedruckt in WM 1996, 2356 ff.
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internationalen Maestro-System im Ausland sowie zum Aufladen der GeldKarte an Ladeterminals, die mit dem GeldKarten-Logo gekennzeichnet sind. Im Übrigen regelten die Bedingungen die Nutzung der Karte ohne Einsatz der PIN als GeldKarte zum bargeldlosen Bezahlen an automatisierten Kassen der Handels- und Dienstleistungsbereiche, die mit dem GeldKarten-Logo gekennzeichnet sind.
4.649
Mit Umsetzung der (ersten) Zahlungsdiensterichtlinie in deutsches Recht zum 31.10. 2009 sind die Karten-Bedingungen – ebenso wie andere Bedingungen über Zahlungsverkehrsinstrumente – einer umfassenden Überarbeitung unterzogen worden. Insbesondere sind die Regelungen zu den Pflichten sowohl des Instituts als auch des Kartennutzers im Zusammenhang mit dem Zahlunginstrument als auch dem persönlichen Sicherheitsmerkmal – also Karte und PIN – den Regelungen in §§ 675l und 675m BGB a.F. angepasst worden. Außerdem war die Haftung um verschuldensunabhängige Sphärenhaftung bis 150 €, wie § 675v Abs. 1 BGB dies vorsieht, erweitert worden. Außerdem sind die Bestimmungen zur Haftung des Karteninhabers für den gesamten Schaden entsprechend dem gesetzlichen Rahmen in § 675v Abs. 2 BGB überarbeitet worden. Mit Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie zum 13.1.2018 in nationales Recht sind neuerliche Änderungen in die Bedingungen aufgenommen worden; insbesondere ist die Haftungsgrenze für ein maximal leicht fahrlässiges Verschulden aufgrund der Neuregelung in § 675v Abs. 1 BGB auf höchstens 50 € begrenzt worden. 1. Wesentliche Regelungspunkte
4.650
Angesichts der zusätzlichen Einsatzmöglichkeiten der girocard empfahl es sich bei Umsetzung des Rechts der Zahlungsdienste aufgrund der ersten EU-Zahlungsdiensterichtlinie, das Bedingungswerk im Interesse größerer Transparenz und Lesbarkeit neu zu strukturieren. Nach der Beschreibung der Funktion der Karte und deren verschiedenen Einsatzmöglichkeiten unter A. I. Geltungsbereich folgen unter A. II. die „Allgemeinen Regeln“, die für alle Nutzungsarten der Karte gelten. A. III. enthält „Besondere Regeln für einzelne Nutzungsarten“, B. bezieht sich auf „Von der Bank angebotene andere Service-Leistungen“, C. auf „Zusatzanwendungen“ und D. schließlich auf die „Außergerichtliche Streitschlichtung und Beschwerdemöglichkeit“. Dieser Struktur folgen auch die aktuellen Bedingungen. a) Finanzielle Nutzungsgrenzen
4.651
Die Kartenbedingungen stellen ausdrücklich klar, dass der Kartenkunde nur im Rahmen des Kontoguthabens oder eines vorher für das Konto eingeräumten Kredits die Karte nutzen darf (A. II. Nr. 3 Kartenbedingungen Privatbanken). Diese „Nutzungsgrenze“ darf nicht mit dem „Verfügungsrahmen“ verwechselt werden, wie er dem Kunden für den Geldautomaten-Service und das bargeldlose Bezahlen an automatisierten Kassen im electronic cash-System eingeräumt wird. Dieser Verfügungsrahmen darf jeweils nur im Rahmen der finanziellen Nutzungsgrenze ausgenutzt werden. Hat der Kunde seine finanzielle Nutzungsgrenze ausgeschöpft, darf er mit der Karte keine Verfügungen mehr vornehmen, auch wenn der Verfügungsrahmen noch nicht voll ausgeschöpft ist1.
4.652
Die Einräumung eines solchen Verfügungsrahmens ist aus technischen Gründen erforderlich. Denn bei der vorgeschriebenen Kommunikation mit der Autorisierungszentrale kann nur dieser technische Verfügungsrahmen im Rechenzentrum, nicht aber der aktuelle 1 Ahlers, WM 1995, 601, 602.
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Kontostand beim Institut abgefragt werden. Eine Autorisierung der Inanspruchnahme des Geldautomaten oder des electronic cash-Systems unmittelbar am Girokonto des Kunden und damit an seiner aktuellen finanziellen Nutzungsgrenze ist regelmäßig nicht möglich1. Deshalb muss der Kunde selbst darauf achten, dass er bei der Ausnutzung des technischen Verfügungsrahmens sein verfügbares Kontoguthaben oder den ihm eingeräumten Dispositionskredit, also seine finanzielle Nutzungsgrenze nicht überschreitet. Dabei ist für die Frage des Überschreitens nicht der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Umsatz an den automatisierten Kassen oder am Geldautomaten durch die eingeschaltete Autorisierungszentrale „genehmigt“ wird, sondern der Zeitpunkt, zu dem der getätigte Umsatz vom Konto abgebucht wird2. Auch bei einem Überschreiten des finanziellen Nutzungsrahmens haftet der Kartenemittent aus ihrer Zahlungsgarantie gegenüber dem Betreiber des Geldautomaten oder dem am electronic-cash-System teilnehmenden Vertragsunternehmen.
4.653
Die Kartenbedingungen stellen deshalb klar, dass die Bank die aus Verfügungen, durch die die finanzielle Nutzungsgrenze überschritten wird, resultierenden Aufwendungserstattungsansprüche dem Girokonto belasten darf. Diese Belastungsbuchungen können also zu einer geduldeten Kontoüberziehung (§ 493 BGB) mit den für diese geltenden höheren Zinssätzen führen.
4.654
b) Umrechnung von Fremdwährungsbeträgen Verwendet der Kunde die Karte für auf fremde Währung lautende Verfügungen, wird gleichwohl das Konto in Euro belastet (A. II. Nr. 4 Kartenbedingungen). Die Umrechnung von Fremdwährungsbeträgen erfolgt im Inland durch die Stelle, die den Zahlungsvorgang vom Ausland zur weiteren Bearbeitung erhält. Die Bestimmung des Kurses bei Fremdwährungsgeschäften ergibt sich aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis. Eine Änderung des in der Umrechnungsregelung genannten Referenzwechslkurses wird unmittelbar und ohne dass zuvor der Kunde unterrichtet werden müsste, wirksam. Zwar setzt die Änderung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags, unter den auch die girocard-Vereinbarung fällt, gem. § 675g Abs. 1 BGB ein entsprechendes Angebot voraus, dass mindestens zwei Monate vor der geplanten Änderung erfolgen muss, doch gilt für die Änderung von Zinsen und Wechselkursen die Ausnahme, dass es hier keiner vorherigen Benachrichtigung bedarf, sofern dies – wie hier – im Zahlungsdiensterahmenvertrag ausdrücklich vereinbart wird und der Kurs entweder vom Zahlungsdienstleiter zugänglich gemacht gemacht wird oder aus öffentlich zugänglichen Quellen stammt.
4.655
c) Rückgabe, Sperre und Einziehung der Karte Mit Aushändigung einer neuen, spätestens aber nach Ablauf der Gültigkeitsdauer darf der Kartenemittent die Herausgebe der alten Karte verlangen3. Eine unverzügliche Rückgabe hat auch zu erfolgen, wenn die Berechtigung zur Kartennutzung, insbesondere nach Kündigung der Kontoverbindung oder des Kartenvertrages entfallen ist. Dasselbe gilt für die einem Kontobevollmächtigten ausgehändigte Karte nach Widerruf der Vollmacht. So1 Wand, ZIP 1996, 214, 221. 2 Wand, ZIP 1996, 214, 221. 3 Zur Behandlung der ec-Karten in der Zwangsvollstreckung vgl. BGH v. 14.2.2003 – IXa ZB 53/ 03, WM 2003, 625 ff.
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4.656
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
fern die Karte mit einem GeldKartenchip ausgestattet sein sollte, steht dem Karteninhaber ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der noch aufgeladenen Beträge zu. Sollten auf die Karte Zusatzanwendungen implementiert worden sein, was gem. Abschnitt C der Bedingungen ausdrücklich zulässig ist, muss der Karteninhaber, wie sich aus A. II. Nr. 5 der Bedingungen ergibt, dass diese vor Rückgabe wieder entfernt werden. d) Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten des Karteninhabers
4.657
Die Kartenbedingungen umschreiben bestimmte Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten des Kunden bei der Aufbewahrung der Karte und Sicherung der PIN1. Hierdurch erfüllen die Institute zugleich ihre girovertragliche Nebenpflicht, die Kunden umfassend über mögliche Risiken zu informieren, die mit bestimmten Verhaltens- und Verfahrensweisen verbunden sind2. Auch gehört dies zu der sich aus § 675m Abs. 1 Nr. 1 BGB ergebenden Verpflichtung sicherzustellen, dass die Nutzung des personalisierten Sicherheitsmerkmale des Authentifizierungsinstruments – es handelt sich dabei um die zur Karte gehörende PIN – nur von berechtigten Personen eingesetzt werden kann.
4.658
Der Karteninhaber hat gem. A. II. Nr. 7.1 der Bedingungen die Karte nach Erhalt unverzüglich auf dem Unterschriftsfeld zu unterschreiben. Sie ist mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren. Nach der Rechtsprechung kann von dem Karteninhaber verlangt werden, dass er die Karte und die persönliche Geheimzahl (PIN) räumlich getrennt mit sich führt3. Sie dürfen nicht in derselben Hand-, Hosen-, Jacken- oder Manteltasche und erst recht nicht in derselben Brieftasche oder Geldbörse aufbewahrt werden4. Nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht liegt im Übrigen eine gemeinsame Verwahrung nur vor, wenn ein Unbefugter Karte und PIN in einem Zugriff erlangen kann und nicht nach dem Auffinden der einen Unterlage weiter nach der anderen suchen muss5. Es gibt jedoch Fallkonstellationen, in denen dem Kartenkunden kein haftungsauslösendes Fehlverhalten hinsichtlich der Aufbewahrung der PIN und/oder der Karte angelastet werden kann, etwa wenn die Entwendung dieser Zahlungsinstrumente bei einem Einbruch erfolgt oder der Kunde Opfer eines Raubüberfalls wird6. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Karte abhanden kommt und missbräuchlich verwendet wird. Sie darf insbesondere nicht unbeaufsichtigt im Kraftfahrzeug aufbewahrt werden7. Denn die Karte kann bei Geldautomaten und automatisierten Kassen missbräuchlich eingesetzt werden. 1 Die Verletzung dieser Sorgfaltspflichten führt zu einer Haftung nach den allgemeinen Regeln wegen Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB (vgl. Reifner, BB 1989, 1912, 1915 und die dort aufgeführten Beispiele der Verletzung der Sorgfaltspflichten des Kunden hinsichtlich der Aufbewahrung der Karte und des Geheimhaltens der persönlichen Geheimzahl). Liegt die Schadensursache ausschließlich im Gefahrenbereich des Karteninhabers, so obliegt diesem die Darlegung und der Beweis, keine Pflichtverletzung begangen zu haben (OLG Zweibrücken v. 24.9. 1990 – 4 U 31/90, WM 1991, 67). 2 Vgl. LG Lüneburg v. 14.5.1985 – 9 O 372/84, WM 1985, 914, 915. Vgl. ferner Köhler, AcP 182 (1982), 126, 129 f. 3 OLG Köln v. 9.1.2002 – 13 U 54/01, WM 2003, 124. 4 LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00. 5 BGH v. 17.10.2000 – XI ZR 42/00, WM 2000, 2421, 2423; vgl. weiter OLG Frankfurt v. 7.12.2001 – 24 U 188/99, WM 2002, 1055 zum Verstecken der ec-Karte in einem unbewachten Wohnmobil und AG Nürnberg v. 30.1.2002 – 31 C 9097/01, WM 2002, 1060 zum Liegenlassen in einem unbewachten Pkw. 6 LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00, WM 2001, 853. 7 AG Essen v. 23.10.1997 – 21 C 245/97, WM 1998, 1127.
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Der Karteninhaber hat dafür zu sorgen, dass keine andere Person Kenntnis von der persönlichen Geheimzahl (PIN) erlangt. Dies bedeutet, dass er entsprechende den Anforderungen der Rechtsprechung die PIN nicht dem offenen Einblick Dritter preisgeben darf, auf unerwünschte Beobachter bei Einsatz zu achten hat und die ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen muss, um zu verhindern, dass Dritte von der PIN Kenntnis erlangen. Welche Maßnahmen hierzu erforderlich sind, lässt sich im Übrigen nur unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilen. Nicht erforderlich ist jedoch, die jeweilige PIN auswendig zu lernen und keinerlei Gedächtnisstütze mit sich zu führen. Dies würde die Sorgfaltspflichten angesichts der Vielzahl von Geheimnummern im Alltagsleben überspannen1. Die Geheimzahl darf insbesondere nicht auf der Karte vermerkt oder in anderer Weise zusammen mit dieser aufbewahrt werden. Denn jede Person, die die persönliche Geheimzahl kennt und in den Besitz der Karte kommt, hat die Möglichkeit, zu Lasten des auf der Karte angegebenen Kontos Verfügungen zu tätigen.
4.659
Stellt der Karteninhaber den Verlust der Karte fest oder werden ihm missbräuchliche Verfügungen mit seiner Karte bekannt, ist das kartenemitierende Institut – möglichst die kontoführende Stelle – gem. A. II Nr. 7.4 Abs. 1 der Kartenbedingungen unverzüglich zu benachrichtigen. Der Verlust der Karte kann auch gegenüber dem Zentralen Sperrannahmedienst angezeigt werden. Der Zentrale Sperrannahmedienst sperrt alle für das betreffende Konto ausgegebenen Karten für die weitere Nutzung an Geldautomaten und automatisierten Kassen. Zur Beschränkung der Sperre auf die abhanden gekommene Karte muss sich der Karteninhaber mit seinem Institut – möglichst mit der kontoführenden Stelle – in Verbindung setzen. Wird die Karte missbräuchlich verwendet, ist unverzüglich Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Die vorstehend dargestellten Regelungen konkretisieren die sich aus § 675l Abs. 1 Satz 2 BGB ergebenden Pflichten des Nutzers eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments, wobei der Zahlungsdienstleister im Gegenzug gem. § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB für eine jederzeitige Sperrmöglichkeit Sorge tragen muss.
4.660
e) AGB-Klauseln zur Erfüllung der Aufklärungspflicht der kartenausgebenden Bank Die Kartenbedingungen enthalten neben rechtskonstitutiven Regelungen auch rein deskriptive Klauseln zu der Funktionsweise und den Risiken der erfassten Zahlungssysteme. Hierdurch wollen die Banken ihren vorvertraglichen Aufklärungspflichten Rechnung tragen, um nicht ihren künftigen Aufwendungserstattungsanspruch durch Schadensersatzpflichten wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) zu gefährden2, da sie bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen gem. § 675u BGB verpflichtet sind, entsprechende Belastungen spätestens bis zum Ende des Geschäftstags nach Anzeige oder sonstiger Kenntnisnahme valutengerecht wieder zu korrigieren, es sei denn, es liegen berechtigte Gründe für den Verdacht eines betrügerischen Handelns des Zahlers vor. Dann muss aber unverzüglich Anzeige bei der zuständigen Behörde erstattet werden.
4.661
Insbesondere wird auf die Verpflichtung der Bank gegenüber den Betreibern von Geldautomaten und automatisierten Kassen hingewiesen, diesen die Beträge zu vergüten,
4.662
1 LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00, WM 2001, 853; vgl. weiter LG Halle v. 27.10.2000 – 14 O 97/00, WM 2001, 1298. 2 Zu diesen Aufklärungspflichten vgl. Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 9. Aufl. 2009, Rz. 269; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527q; Gößmann in Schimansky/Bunte/ Lwowski, 3. Aufl. 2007, § 54 Rz. 10. Nach Bieber empfehle sich eine gesonderte mündliche Belehrung des Kunden im Eigeninteresse der Bank (WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 11).
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
über die unter Verwendung der girocard verfügt worden ist. Deshalb sind Einwendungen und sonstige Beanstandungen des Karteninhabers aus dem (Valuta-)Verhältnis zu den Betreibern von automatisierten Kassen unmittelbar gegenüber diesen Unternehmen geltend zu machen (A. III. Nr. 1.3 Kartenbedingungen).
4.663
Auch wird der Kunde ausdrücklich auf die Konsequenzen einer fehlerhaften Eingabe der persönlichen Geheimzahl (PIN) hingewiesen. Wird diese dreimal hintereinander falsch eingegeben, kann die Karte an Geldautomaten und an automatisierten Kassen nicht mehr eingesetzt werden. Der Karteninhaber sollte sich in diesem Fall mit seinem Institut, möglichst mit der kontoführenden Stelle, in Verbindung setzen (A. III. Nr. 1.2 Kartenbedingungen). 2. Haftungsregelungen für missbräuchliche Verwendung der Karte
4.664
Dem Kunden erwachsen aus den einzelnen Einsatzmöglichkeiten der Karte Haftungsrisiken, falls die Karte abhanden kommt und missbräuchlich eingesetzt wird. Im Interesse einer transparenten Regelung empfahl sich eine alles umfassende Haftungsregelung in einem überschaubaren Kontext, die ihre Rechtsgrundlage in § 675v BGB findet. Denn die verschiedenen Verlustrisiken sind mit demselben Medium in Gestalt der Karte verknüpft. Die Kartenbedingungen sehen eine Haftungsverteilung zwischen Kunde und Kreditinstitut vor, die den Kunden in weitem Umfang von seiner Verantwortlichkeit für eingetretene Schäden freistellt. Dabei weichen die Haftungsklauseln der entsprechenden Karten-Bedingungen der Privatbanken teilweise von den Bedingungen ab, die die Sparkassen und der Volksbanken- und Genossenschaftsbereich verwenden1.
4.665
Die missbräuchliche Verwendung der Karte kann auch Straftatbestände verwirklichen. So ist die Entnahme von Geld mit Hilfe einer verfälschten Karte als Computerbetrug strafbar. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 263a StGB auch den Missbrauch von Karten an Geldautomaten, insbesondere die unbefugte Benutzung fremder Codenummern bei missbräuchlichem Gebrauch eines Geldautomaten als Computerbetrug erfassen wollen2. Ob § 263a StGB auch die Fälle des Missbrauchs durch den berechtigten Karteninhaber erfasst, ist wegen der Spezialnorm des § 266b StGB umstritten3. Werden die auf dem Chip gespeicherten Daten entfernt und durch andere ersetzt, so liegt hierin eine strafbare Veränderung von Daten, die magnetisch gespeichert sind (§§ 303a, 202a StGB)4. a) Verteilung des Schadensrisikos aus einer missbräuchlichen Verwendung der Karte
4.666
Bei der Neufassung der Karten-Bedingungen im Jahre 1995 wurde insbesondere die Aufteilung des Schadensrisikos aus missbräuchlicher Verwendung der ec-Karte der BGHRechtsprechung zur verschuldensunabhängigen Haftung des Kunden angepasst5. Hiernach war ein wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung im Sinne der Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), dass 1 2 3 4 5
Vgl. weiter Wand, ZIP 1996, 214. BGH v. 22.11.1991 – 2 StR 376/91, WM 1992, 515, 516 = BGHSt 38, 120 ff. = NJW 1992, 445. Vgl. Fischer, 65. Aufl. 2018, § 263a StGB Rz. 14 m.w.N. BayObLG v. 24.6.1993 – 5 St RR 5/93, WM 1993, 2079, 2080. Zur Haftung bei missbräuchlicher Verwendung von Zahlungskarten durch Dritte nach neuem Recht s. Koller in FS Kümpel, 2003, S. 315 ff.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
eine Schadensersatzpflicht regelmäßig schuldhaftes Verhalten voraussetzt1. Eine AGB-mäßig vereinbarte verschuldensunabhängige Haftung des Bankkunden war danach nur noch in sehr engen Grenzen zulässig. Mit Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie hat sich dies jedoch insofern wieder etwas geändert, als z.B. § 675v Abs. 1 BGB für bestimmte Fallkonstellationen eine verschuldensunabhängige Haftung bis zu einem Betrag von ursprünglich 150 €, nach Umsetzung der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie zum 13.1. 2018 nur noch i.H.v. 50 € ausdrücklich erlaubt, so dass sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Sphärenhaftung im Falle des girocard-Missbauchs zulässig ist, nicht mehr stellt. Die Haftung des Kunden und der Haftungsumfang hängen deshalb zum einen von der konkreten Fallkonstellation und zum anderen vom Verhalten des Kunden ab. Mit Umsetzung der EBA-RTS und Inkrafttreten der Regelungen zur „starken Kundenauthentifizierung“ in § 55 ZAG gem. Art. 15 Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz muss ein diesen Anforderungen genügendes Authentifizierungsverfahren für Kartenzahlungen eingesetzt werden, da andernfalls der Zahlungsdienstnutzer gem. § 675v Abs. 4 BGB im Falle eine missbräuchlichen Nutzung nur dann haftet, wenn er in betrügerischer Absicht handelt (vgl. Rz. 4.601 zum Online-Banking). b) Abhängigkeit der Risikoverteilung vom vertragsmäßigen Kundenverhalten Die Kartenbedingungen bestimmen zunächst in A. II. Nr. 14.1 und 14.2, dass die Bank dem Kunden bei nicht autorisierten, fehlerhaften oder nicht erfolgten Kartenverfügungen keinen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB hat und ggf. belastete Beträge gem. § 675u BGB wieder erstatten muss. Darüber hinaus können gem. A. II. Nr. 14.3 der Bedingungen auch noch Schadenersatzansprüche in Betracht kommen, die auf 12.500 € begrenzt sind. Die Haftungsregelung bezieht sich auf evtl. Folgeschäden und bewegt sich innerhalb des von § 675z BGB vorgegebenen Rahmens.
4.667
Aber auch wenn das Zahlungsinstitut gegen seinen Kunden keinen Aufwendungsersatzanspruch hat und bereits belastete Aufwendungen gem. § 675u BGB wieder erstatten müsste, schließt dies Schadenersatzansprüche des Zahlungsinstituts gegen den Karteninhaber nicht aus.
4.668
Bei einem solchen Schuldverhältnis können neben den Hauptleistungs- und Nebenpflichten, die der Durchführung und Sicherung der geschuldeten Hauptleistung dienen, allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten bestehen, die mit dem konkreten Vertragsinhalt nichts zu tun haben2. Nach den Regeln des allgemeinen Schuldrechts hat sich jeder Vertragspartner in zumutbarer Weise so zu verhalten, dass Person, Eigentümer und sonstige Rechtsgüter einschließlich des Vermögens des anderen Teils nicht verletzt werden3. Schutzobjekt dieser Kategorie vertraglicher Nebenpflichten ist das Interesse des Partners an der Erhaltung seines personen- und vermögensrechtlichen Status quo (Rechtsgütersphäre). Während diese Pflichten für die Kartenzahlung bisher aus einer Beurteilung 1 BGH v. 25.6.1991 – XI ZR 257/90, WM 1991, 1368, 1370 = BGHZ 115, 38 ff. = NJW 1991, 2414 ff.; BGH v. 1.4.1992 – XII ZR 100/91, WM 1992, 1163, 1164 = NJW 1992, 1761 ff.; BGH v. 9.7.1992 – VII ZR 7/92, WM 1992, 1948, 1953 = BGHZ 119, 152 ff. = NJW 1992, 3158 ff.; vgl. hierzu Emmerich, JuS 1993, 252 f.; BGH v. 9.4.2002 – XI ZR 245/01, WM 2002, 1006, 1008. 2 Bachmann in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 241 BGB Rz. 90. 3 BGH v. 22.3.1979 – VII ZR 133/78, WM 1979, 726, 727; Grüneberg in Palandt, § 242 BGB Rz. 35.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
der Interessenlage heraus nach den Grundsätzen von Treu und Glauben entwickelt worden ist, legen die §§ 675l und 675m BGB sowohl für den Zahlungsdienstenutzer als auch den Zahlungsdienstleister bestimmte Pflichten ausdrücklich fest. c) Differenzierungen bei der Kundenhaftung
4.669
Soweit der Karteninhaber durch ein schuldhaftes Verhalten zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, bestimmt sich seine Haftung nach dem Maß seines Verschuldens, wobei unter engen Voraussetzungen möglicherweise sogar eine verschuldensunabhängige Haftung bis zu einem Betrag i.H.v. 50 € in Betracht kommen kann (A. II. Nr. 15.1 Kartenbedingungen Privatbanken). Dabei trifft die Bank die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Karteninhabers1. Daraus folgt, dass die Haftungsbegrenzung in A. II. Nr. 15.1 Abs. 1 der Bedingungen immer dann zum Tragen kommt, wenn ein Fall der Sphärenhaftung oder der leichten Fahrlässigkeit vorliegt. Allerdings kommt die Sphärenhaftung in Anlehnung an § 675y Abs. 1 BGB nicht bei allen, sondern nur bei bestimmten Fallkonstellationen in Betracht, nämlich dann, wenn Karte oder PIN gestohlen oder sonst abhanden gekommen sind und danach die Karte für unberechtigte Abhebungen an einem Geldautomat, zu Zahlungen an automatisierten Kassen, zur Aufladung der GeldKarte oder zum Aufladen eines Prepaid-Mobilfunkkontos eingesetzt wird. Allerdings findet diese Haftung gem. § 675v Abs. 2 BGB keine Anwendung, wenn es dem Karteninhaber nicht möglich war, den Verlust, den Diebstahl, das Abhandenkommen oder eine sonstige missbräuchliche Verwendung der Karte zu bemerken oder wenn der Verlust im Anwendungsbereich des Kartenemittenten erfolgt ist. A. II. Nr. 15.1 Abs. 2 der Kartenbedingungen stellt dies ausdrücklich klar. Ansonsten setzt die Haftung bis zu einem Betrag von 50 € leichte Fahrlässigkeit voraus.
4.670
Der Zahlungsdienstleister stellt den Kontoinhaber in jedem Falle für alle Beträge über 50 € des Gesamtschadens frei, sofern – wie sich aus A. II. Nr. 15.1 Abs. 4 der Kartenbedingungen ergibt – sofern nicht eine wenigstens grob fahrlässige Pflichtverletzung in Betracht kommt2. Allerdings gilt die Haftungsbegrenzung nur für leichte Fahrlässigkeit oder entsprechend unverschuldetes Handeln.
4.671
Nach den Bedingungswerken der Sparkassen und Genossenschaftsbanken verzichten die Institute auf die Geltendmachung des Betrags von 50 €, sofern der Kunde seine Pflichten nicht wenigstens grob fahrläsig verletzt hat. Ab einem Veschuldensgrad von grober Fahrlässigkeit entspricht die Haftung des Kartenkunden der Haftung des Kartenkunden bei Privatbanken.
4.672
Die Haftung bis zu einem Betrag von 50 € endet, sobald der Verlust der Karte der kontoführenden Stelle oder dem telefonischen Sperrannahmedienst mitgeteilt worden ist, wie sich aus A. II. Nr. 15.2 der Kartenbedingungen ergibt. Die Haftungsbegrenzung auf 50 € gilt, wie sich aus A. II. Nr. 15.1 Abs. 4 der Bedingungen ergibt, jedoch für wenigstens leicht fahrlässiges Handeln dann nicht, wenn der Karteninhaber entweder kein Verbrau1 Dabei besteht nach dem OLG Hamm bei einem Missbrauch der ec-Karte unter Benutzung der PIN grundsätzlich kein Anscheinsbeweis dafür, dass der Karteninhaber dem Täter die Kenntnis der PIN durch einen pflichtwidrigen Umgang mit der PIN verschafft haben muss (OLG Hamm v. 17.3.1997 – 31 U 72/96, ZIP 1997, 878, 880); vgl. weiter LG Rottweil v. 25.11.1998 – 1 S 148/ 98, WM 1999, 1934; LG Stuttgart v. 28.4.1999 – 13 S 239/98, WM 1999, 1935. 2 Nach dem Urteil des LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00 ist diese Haftungsregelung angemessen i.S.d. § 9 AGBG a.F. (= § 307 BGB n.F.).
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
cher gem. § 13 BGB ist oder die Karte außerhalb des EWR eingesetzt wird. Dabei ist von der eng begrenzeten Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, gem. §§ 675e Abs. 4, 675y BGB und §§ 675e Abs. 2, 675d Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, 675y Abs. 1 BGB Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen zu vereinbaren. Sollte das Karteninstitut schuldhaft zum Schaden beigetragen haben und folgt daraus, dass entweder für die Sphärenhaftung kein Raum mehr bleibt oder die sich aus der leichten Fahrlässigkeit errechnende Mitverschuldensquote zu einer geringeren Haftung als i.H.v. 50 € führt, bleibt es bei der gesetzlichen Mitverschuldensregelung (§ 254 BGB). Dasselbe gilt, wenn dem Kontoinhaber nicht nur „leichte“, sondern „normale“ Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dies folgt aus der Systematik der Haftungsregelung, die an die gesetzliche Mitverschuldensregelung anknüpft und den Kontoinhaber lediglich für den Fall nur leichter Fahrlässigkeit begünstigen will. Fehlt es an diesem Ausnahmefall, gilt die gesetzliche Mitverschuldensregelung.
4.673
Hat das Zahlungsinstitut seine Verpflichtungen erfüllt, dagegen der Kontoinhaber seine Pflichten wengistens grob fahrlässig verletzt, trägt dieser den entstandenen Schaden nach den Kartenbedingungen aller Institutsgruppen im vollen Umfang, wie sich z.B. aus A. II. Nr. 15.1 Abs. 4 der Kartenbedingungen der Privatbanken ergibt. Ein solcher Verschuldensgrad kann nach dieser Haftungsklausel insbesondere vorliegen, wenn der Kartenverlust der Bank oder dem Zentralen Sperrannahmedienst schuldhaft nicht unverzüglich mitgeteilt worden ist, die persönliche Geheimzahl (PIN) auf der Karte vermerkt oder zusammen mit der Karte verwahrt oder der Missbrauch der Karte durch Mitteilung der PIN an eine andere Person verursacht worden ist. Allerdings wird sich dies mit Einführung der „starken Kundenauthentifizierung“ gem. §§ 1 Abs. 24 und 55 ZAG ändern. Gemäß § 675v Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 BGB ist eine Haftung des Karteninhabers auch dann ausgeschlossen, wenn entweder sein Zahlungsdienstleister für eine Zahlung keine starke Kundenauthentifizierung gem. § 1 Abs. 24 ZAG verlangt oder der Zahlungsempfänger bzw. sein Zahlungsinstitut die starke Kundenauthentifizierung nicht akzeptiert; in diesen Fällen haftet der Karteninhaber selbst für eine vorsätzliche Pflichtverletzung nicht. Nur beim Handeln in betrügerischer Absicht hat er für den Kartenmissbrauch gem. § 675v Abs. 4 Satz 2 BGB einzustehen. Sollte der Zahlungsempfänger oder sein Institut die starke Kundenauthentifizierung nicht akzeptieren, steht dem Zahlungsdienstleister des Zahlers, der gegenüber seinem Kunden in diesem Fall gem. § 675v Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB keinen Anspruch auf Schadensersatz hat, gem. § 675v Abs. 4 Satz 3 BGB ein Ausgleichsanspruch gegen denjenigen zu, der die starke Kundenauthentifizierung nicht beachtet. Voraussetzung für die Anwendung der Haftungsregelung in § 675v Abs. 4 BGB ist das Inkrafttreten der Regelung in § 55 ZAG zur starken Kundenauthentifizierung. Gemäß Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie1 muss dies innerhalb von achtzehn Monaten nach Inkrafttreten des delegierten Rechtsakts gem. Art. 98 der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie erfolgen. Diese Verordnung ist am 13.3.2018 veröffentlicht worden und tritt – mit Ausnahme der Abs. 3 und 5 von Art. 30, die bereits ab 14.3. 2019 gelten – am 14.9.2019 in Kraft2. Gemäß Art. 68 Abs. 4 ZAG gelten bis dahin die Anforderungen des Rundschreibens der BaFin 4/2015 v. 5.5.2015 an die starke Kunden-
4.674
1 BGBl. I 2017, 2446. 2 Delegierte Verordnung (EU) 2018/389 der Kommission vom 27.11.2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für eine starke Kundenauthentifizierung und für sichere offene Standards für die Kommunikation, ABl. EU Nr. L 69 v. 13.3.2018, S. 23.
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authentifizierung weiter. Diese VO erlaubt in Art. 10 bis 17 Ausnahmen von der starken Kundenauthentifizierung. Dies wirft die Frage auf, ob dann, wenn aufgrund des Vorliegens einer solchen Ausnahme auf die starke Kundenauthentifizierung verzichtet wird, gleichwohl die Beschränkungen der Haftung gem. § 675v Abs. 4 BGB gelten, d.h. er nur im Falle der betrügerischen Absicht und nicht auch bei grob fahrlässiger oder sogar vorsätzlicher Sorgfaltspflichtverletzung haftet, denn § 675v Abs. 4 BGB differenziert nach seinem Wortlaut nicht zwischen einem unzulässigen und einem zulässigen Verzicht auf die starke Kundenauthentifizierung. § 675v Abs. 4 BGB ist dahingehend zu interpretieren, dass sie nur Anwendung finden kann, wenn für die Auslösung der Zahlung eine starke Kundenauthentifizierung nach den gesetzlichen Vorgaben zwingend ist. Liegt jedoch eine Ausnahme entsprechend den Anforderungen der Art. 10 ff. der delegierten Verordnung vor, ist die „starke Kundenauthentifizierung“ zu Zahlungsauslösung nicht erforderlich, so dass ein Verzicht darauf nicht zum Haftungsausschluss für den Zahler führen kann.
4.675
Die Haftung bei missbräuchlicher Verwendung der Karten ist betragsmäßig begrenzt. Für Schäden, die innerhalb des für den Verfügungsrahmen geltenden Zeitraums verursacht werden, beschränkt sich die Haftung jeweils auf den mitgeteilten Verfügungsrahmen (A. II. Nr. 15.1 Abs. 5 Kartenbedingungen Privatbanken).
4.676
Die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Karteninhabers als Voraussetzung für eine Schadensersatzpflicht liegt bei der Bank. Dagegen sind die Voraussetzungen für ein Mitverschulden der Bank vom Kunden darzulegen und zu beweisen. d) Vereinbarkeit mit dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)
4.677
Die Schadensverteilung ist wegen der Komplexität der Regelungsmaterie entsprechend ausdifferenziert. Sie dürfte aber dem durchschnittlichen Bankkunden keine vermeidbaren Verständnisschwierigkeiten bereiten. Angesichts der klaren, am Regel-/Ausnahmeverhältnis ausgerichteten Systematik ist das Transparenzangebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht verletzt1, zumal sich die Regelung eng an das Gesetz anlehnt. Davon ausgehend, dass dieses nicht intransparent ist, kann die Intransparenz auch nicht die darauf aufsetzenden AGB-Regelungen treffen. e) Angemessenheit der Schadensverteilung
4.678
Die geltende Haftungsregelung steht im Einklang mit dem Verbot einer unangemessenen Benachteiligung des Bankkunden im Sinne der Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 BGB). Ausgangspunkt der Schadensverteilung ist, dass bei der missbräuchlichen Verwendung der Karte an Geldautomaten und automatisierten Kassen dem kartenausgebenden Institut kein gesetzlicher Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 675u BGB zusteht2. Außerdem gibt sie jetzt den gesetzlich eingeräumten Spielraum eins zu eins wieder, so dass für die Unangemessenheit der Regelung kein Raum mehr bleibt.
4.679
Ebenso wenig erwirbt das Karteninstitut einen Bereicherungsanspruch gegen den Kontoinhaber. Bei einer missbräuchlichen Verwendung der Karte kommt es regelmäßig zu keiner Schuldbefreiung des Kontoinhabers3. 1 Löwe, ZIP 1995, 259. 2 Ahlers, WM 1995, 601, 605. 3 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG, Rz. 13.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
III. Garantiefunktion der girocard Die drei konventionellen Instrumente des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Gestalt eines Überweisungsauftrages, der Lastschrift und des Schecks verschaffen dem Gläubiger bis zur Auftragsausführung bzw. Einlösung keine zusätzliche Absicherung gegen die Zahlungsverweigerung oder -unfähigkeit seines Schuldners. Der Gläubiger hat einen rechtlich selbständigen Zahlungsanspruch gegen sein kontoführendes Institut und damit Buchgeld erst erlangt, wenn die Gutschrift, die er von seinem kontoführenden Institut erteilt erhalten hat, endgültig geworden ist.
4.680
Bis zur Endgültigkeit der Buchgeldzahlung hat der Gläubiger, der seine Leistung ohne sofortige Bezahlung des vereinbarten Entgelts mit Bargeld zu erbringen bereit ist, ein Interesse daran, gegen eine spätere Zahlungsverweigerung oder -unfähigkeit seines Partners abgesichert zu sein. Dieser Absicherung des Gläubigers dient die durch die Karte vermittelte Garantie, die dem Gläubiger einen zusätzlichen abstrakten Zahlungsanspruch gegen den Kartenherausgeber als einem Dritten mit zweifelsfreier Bonität verschafft.
4.681
Die drei konventionellen Instrumente des Zahlungsverkehrs können das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers nicht befriedigen. Denn der Überweisungsauftrag des Schuldners an seine kontoführende Stelle ist kein anspruchsbegründender Vertrag zugunsten des Gläubigers als Buchgeldempfänger i.S.d. § 328 BGB, ganz abgesehen davon, dass der Gläubiger regelmäßig keinen Einfluss auf die hierzu erforderliche Erteilung eines solchen Auftrages hat. Das Gleiche gilt für den Abbuchungsauftrag, den der Schuldner beim Lastschriftverfahren seiner kontoführenden Stelle als Zahlstelle erteilen kann, der aber gegenüber der kontoführenden Stelle widerrufbar ist. Beim Einzugsermächtigungsverfahren wird dem Lastschriftgläubiger lediglich der Einzug des geschuldeten Betrages im bargeldlosen Zahlungsverkehr mittels Lastschrift gestattet, ohne dass der Gläubiger ermächtigt (§ 185 BGB) oder bevollmächtigt (§ 167 BGB) ist, das Weisungsrecht des Schuldners gegenüber dessen kontoführender Stelle auszuüben.
4.682
Auch der Scheck verschafft dem Gläubiger als Schecknehmer keinen Zahlungsanspruch gegen die bezogene Bank als Zahlstelle des Scheckausstellers. Nach dem Scheckgesetz (Art. 4) kann ein Scheck nicht durch die bezogene Bank angenommen werden; eine solche Annahme wäre aber die rechtliche Voraussetzung für die Begründung einer eigenen Zahlungsverpflichtung der Bezogenen.
4.683
Ebenso verstärkt sich die Rechtsposition des Gläubigers bei Verwendung einer Kreditkarte. Hier erwirbt der Gläubiger einen selbständigen Zahlungsanspruch gegen den Kartenemittenten. In beiden Fällen ist der Gläubiger also nicht mehr auf die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit seines Schuldners angewiesen. Dies führte früher zu einer wesentlich größeren Akzeptanz des Schecks als Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, wie dies heute noch für die Kreditkarte gilt1. Für den Missbrauch der Scheckkarte und der Kreditkarte ist ein eigener Straftatbestand eingeführt worden (§ 266b StGB).
4.684
1 Nach dem BGH war die Wegnahme einer codierten eurocheque-Karte in der Absicht, sich unbefugt durch ihre Benutzung und die Eingabe der zugehörigen Geheimzahl Geld aus einem Geldautomaten zu verschaffen und sie sodann dem Berechtigten zurückzugeben, eine straflose Gebrauchsentwendung (furtum usus), BGH v. 16.12.1987 – 3 StR 209/87, WM 1988, 405, 406 = BGHSt 35, 152 ff. Die Strafbarkeit ergibt sich aus § 263a StGB.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.685
Eine vergleichbare Absicherung wie durch die Garantiefunktion der girocard erfährt der Zahlungsberechtigte bei den nicht papiergebundenen „elektronischen“ Zahlungen an automatisierten Kassen im Rahmen des electronic cash-Systems. Hier wird jeder Zahlungsvorgang „genehmigt“ und damit durch das Zahlungsinstitut „garantiert“. 1. Grundsätzliches
4.686
Die frühere eurocheque-Garantie ist auf Grund eines Beschlusses der Europay International S.A. als Lizenzgeberin v. 22.4.1999 zum Ende des Jahres 2001 ausgelaufen. Zum gleichen Zeitpunkt wurde die 1982 von der deutschen Kreditwirtschaft abgeschlossene „Vereinbarung zum eurocheque-System“ aufgehoben, mit der die Lizenz der Europay International S.A. vertragstechnisch umgesetzt worden war. Der Wegfall des Scheckkartenverfahrens wurde vor allem durch den drastischen Rückgang der Ausstellung scheckkartengarantierter eurocheques im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr ausgelöst, der mit einem vermehrten Einsatz der früheren ec-Karte und heutigen girocard an Geldausgabeautomaten und im Rahmen des electronic cash-Systems (POS-System) einherging. 2. Garantievertrag zwischen Zahlungsempfänger und bezogener Bank
4.687
Die aus dem Einsatz der girocard resultierende Verpflichtung der bezogenen Bank wird von der herrschenden Meinung als Garantievertrag und nicht als abstraktes Schuldversprechen (§ 780 BGB) qualifiziert1, die unmittelbar mit einer entsprechenden Weisung zur Zahlung, sei es bei der Bezahlung an automatisierten Kassen, sei es bei Abhebungen an Geldautomaten, verknüpft ist. a) Abgrenzung der Garantie von Bürgschaft und Schuldbeitritt
4.688
Der Garantievertrag ist im BGB nicht geregelt. Die Bedürfnisse des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs haben dazu geführt, dass sich neben den vom Gesetz ausdrücklich normierten Verträgen weitere typische Verträge herausgebildet haben (sog. verkehrstypische Verträge)2. Dabei handelt es sich zum Teil um Neubildungen eigener Art, wie dies auch für den Garantie-(Gewähr-)Vertrag zutrifft. Der Garantievertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Garant eine Verpflichtung zur Schadloshaltung übernimmt, sofern der Garantieerfolg nicht eintritt; er haftet auch für alle typischen Zufälle.
4.689
Der garantierte Erfolg ist ein anderer und weiter gehend als die bloße garantierte Vertragsleistung. Der Umfang der Verpflichtung zur Schadloshaltung bestimmt sich nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen3.
4.690
Der Anspruch aus der Garantie ist ein Erfüllungsanspruch. Die Schadloshaltung bei der Forderungsgarantie, wie sie auch die Scheckkartengarantie darstellte, geht auf Ersatz des Schadens, der dem Gläubiger (Schecknehmer) aus der Nichterfüllung oder nicht rechtzei1 BGH v. 6.3.1975 – II ZR 165/73, WM 1975, 466; BGH v. 25.1.1982 – II ZR 154/81, WM 1982, 478, 479 = BGHZ 83, 28 ff. = NJW 1982, 1466 f.; vgl. hierzu Hadding/Häuser, WM 1993, 1357 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 834 m.w.N. 2 Grüneberg in Palandt, Einf. v. § 311 BGB Rz. 12. 3 BGH v. 11.7.1985 – IX ZR 11/85, WM 1985, 1035, 1037 = NJW 1985, 2941 ff.
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tigen Erfüllung seiner Forderung aus dem Valutaverhältnis zu seinem Schuldner (Scheckinhaber) erwächst1. Die Garantie ist mit der vom Gesetz geregelten Bürgschaft (§ 765 Abs. 1 BGB) verwandt. Beide sollen eine persönliche Forderung gegen einen Dritten durch Übernahme einer Hilfsschuld absichern2. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Bürgschaftsschuld vom Bestehen und Umfang der gesicherten (Haupt-)Schuld dauernd abhängig ist. Diese Akzessorietät fehlt der Garantie, die wie die Scheckkartengarantie eine Zahlungsverbindlichkeit der bezogenen Bank begründen soll, die unabhängig von dem Anspruch des Schecknehmers (Garantiebegünstigten) gegen den Scheckkarteninhaber aus dem Valutaverhältnis Bestand hat.
4.691
Die Terminologie der früheren „Bedingungen für die ec-Karte“ wie auch die Interessenlage spricht auch dagegen, dass an Stelle einer Garantie ein Schuldbeitritt (Schuldmitübernahme, kumulative Schuldübernahme) der bezogenen Bank gewollt war. Der Schuldbeitretende tritt zusätzlich neben dem bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis ein; beide werden Gesamtschuldner i.S.d. §§ 421 ff. BGB3. Die bezogene Bank wollte aber nicht die Zahlungsverbindlichkeit ihres Kunden aus dem Valutaverhältnis mit dem Schecknehmer mitübernehmen, sondern diesen nur schadlos halten, wenn der Scheck ausnahmsweise z.B. wegen fehlender Deckung oder Widerrufs (Schecksperre) durch den Aussteller nicht eingelöst wurde. Durch die Scheckkarte sollte daher erkennbar nur eine subsidiäre Haftung der bezogenen Bank begründet werden. Auch wenn der Scheck, der „garantiert“ werden soll, weggefallen ist, sprechen auch im Lichte des aktuellem Rechts gute Gründe für den Garantievertrag. Der Einsatz der Karte stellt im Lichte des § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB einen gem. § 675j Abs. 1 BGB autorisierten Zahlungsauftrag dar, der bei Zahlungen im electronic cash-Verfahren über den Zahlungsempfänger an das Zahlungsinstitut des Zahlers übermittelt wird. Insofern zahlt diesen auf Grund des Auftrags seines Kunden. Sollte dieser jedoch unwirksam sein, weil die Karte missbräuchlich eingesetzt wurde, oder auch das Konto des Zahlers nicht die für die Einlösung erforderliche Deckung aufweisen, kommt die aus dem Einsatz von Karte und PIN resultierende „Garantie“ zum Zuge, die gerade dann Anwendung findet, wenn aus dem Auftrag selbst keine Zahlungsverpflichtung resultiert.
4.692
b) Zustandekommen des Garantievertrages Der Garantievertrag kommt nach herrschender Meinung zwischen dem bezogenen Institut und dem Zahlungsempfänger durch einen Vertragsschluss zustande, der durch den Inhaber der girocard vermittelt wird. Hierbei handelte der Karteninhaber nicht nur als Übermittlungsbote, sondern als offener Stellvertreter des bezogenen Instituts (§ 164 Abs. 1 BGB)4. Denn der Karteninhaber entscheidet nach freiem Ermessen selbst, ob, gegenüber welchem Zahlungsempfänger und in welcher Höhe eine Garantieverpflichtung seines In1 BGH v. 16.12.1960 – II ZR 137/59, WM 1961, 204, 207; Sprau in Palandt, Einf. v. § 765 BGB Rz. 16. 2 Sprau in Palandt, Einf. v. § 765 BGB Rz. 15, 16. 3 Grüneberg in Palandt, Überbl. v. § 414 BGB Rz. 2. 4 OLG Hamm v. 18.11.1971 – 2 Ss 685/71, NJW 1972, 298, 299; OLG Nürnberg v. 8.6.1978 – 8 U 11/78, NJW 1978, 2513, 2514; Herresthal in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 7. Kap. B § 675f BGB Rz. 53 f.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 831; Baumbach/Hefermehl/Casper, Anh. Art. 4 ScheckG Rz. 7.
Werner | 661
4.693
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
stituts begründet werden soll1. Die Vollmacht erteilte das kartenemittierende Institut konkludent durch die Aushändigung der girocard an den Kontoinhaber oder Kontobevollmächtigten2. c) Garantiehaftung auf Grund Rechtsscheinhaftung
4.694
Die Garantiehaftung kommt auch zum Tragen, wenn die girocard von einem nicht verfügungsberechtigten Dritten verwendet wird. Trotz Besitzes der Karten ist der Dritte kein Bevollmächtigter des kartenausgebenden Institutes; es fehlt ihm die Vertretungsbefugnis zum Abschluss eines Garantievertrages3. Die Garantiehaftung des Institutes kann jedoch auf Grund zurechenbaren Rechtsscheins begründet werden4. Dieser Haftung steht auch nicht entgegen, dass die girocard keinen Wertpapier-Charakter hat und auch kein qualifiziertes Legitimationspapier i.S.d. § 808 BGB darstellt5.
4.695
Die girocard war und ist deshalb auch nicht aufgebotsfähig i.S.d. §§ 946 ff. ZPO6. Wegen der Ähnlichkeit mit einer Vollmachtsurkunde wurde jedoch eine Kraftloserklärung durch das ausgebende Institut analog § 176 BGB für zulässig erachtet7. Nach der Kraftloserklärung konnten aus der Vorlage der ec-Karte keine Rechte mehr herleiten8. Diese Möglichkeit der Kraftloserklärung stand aber nicht im Einklang mit der Akzeptanz der ec-Karte, zumal die Garantie durch Einsatz in elektronischen Verfahren begründet wird, so dass es vor allem einer technischen Sperre bedarf, um ihren weiteren Einsatz zu unterbinden, diese dafür aber auch zwingend erforderlich ist.
4.696
Die girocard ist auf Grund der ihr zugewiesenen Legitimationsfunktion mit einer Vollmachtsurkunde vergleichbar, deren Aushändigung typischerweise keinen selbständigen Bevollmächtigungsakt darstellt, sondern der Schaffung eines Legitimationsträgers im Hinblick auf eine zuvor oder gleichzeitig erteilte Innenvollmacht dient. Diese Legitimationsfunktion lässt die Vollmachtsurkunde zum Rechtsscheinträger werden mit der Folge, dass der gutgläubige Geschäftsgegner in sein Vertrauen auf das Bestehen der darin dokumentierten Vollmacht geschützt wird, wenn diese nicht oder nicht wirksam erteilt worden ist oder sie zurzeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes nicht mehr besteht (vgl. § 173 BGB)9.
4.697
Ein solcher Rechtsscheinträger wie die Vollmachtsurkunde ist die die girocard noch immer, wenn auch nicht mehr im Zusammenhang mit einem Scheck. Sie ist insoweit der GeldKarte und der Kreditkarte vergleichbar, denn sie dokumentiert eine Vollmachtserteilung des Instituts, wie sie konkludent durch die Aushändigung der Karte an den Kontoinhaber oder den Kontobevollmächtigten erfolgt. Mit Rücksicht auf diesen, dem Karten1 Herresthal in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 7. Kap. B § 675f BGB Rz. 53 f. 2 Hadding, WuB I D 3.–3.88. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 833 m.w.N.; a.A. LG Berlin v. 18.5.1981 – 95 O 14/81, WM 1981, 1242. 4 Herresthal in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 7. Kap. B § 675f BGB Rz. 53 f. 5 BGH v. 16.12.1987 – 3 StR 209/87, WM 1988, 405, 407 = BGHSt 35, 152 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527b; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7. 6 Kümpel, NJW 1975, 1549; Pleyer/Wüsten, WM 1975, 1102, 1105. 7 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 849. 8 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, 3. Aufl., § 63 Rz. 111. 9 Schubert in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2015, § 172 BGB Rz. 1.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
institut zurechenbaren Rechtsschein darf der Akzeptant der Karte in einem mit PIN garantierten Verfahren darauf vertrauen, dass der Vorleger der Karte bei der Verwendung mittels PIN zum Abschluss eines Garantievertrages zu Lasten des Emittenten bevollmächtigt ist. Der Karte kommt deshalb eine ähnliche Legitimationswirkung zu wie einer Vollmachtsurkunde1. Wird die Karte bei missbräuchlicher Verwendung mittels richtiger PIN eingesetzt, wird hierdurch der für die Garantiehaftung erforderliche Rechtsscheintatbestand begründet, wie früher bei Vorlage der Karte als Garantiekarte für den eurocheque2.
4.698
3. Vertrag über die girocard mit dem Kontoinhaber (Deckungsverhältnis) Der Vertrag über die girocard regelt das Rechtsverhältnis zwischen dem kartenausgebenden Institut und seinem Kunden als Karteninhaber. Bei diesem sog. Deckungsverhältnis handelte es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB.
4.699
Minderjährige bedürften für die Teilnahme am Kartenverfahren nicht nur der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter (§ 107 BGB). Erforderlich wäre auch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gem. § 1822 Nr. 8 BGB, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Minderjährige die girocard zur Kreditaufnahme in Form von Kontoüberziehungen verwendet. Deshalb ist von der Aushändigung einer girocard grundsätzlich Abstand zu nehmen3.
4.700
Hat der Kontoinhaber eine Kontovollmacht erteilt, kann eine girocard auch auf den Namen des Bevollmächtigten ausgestellt werden. In diesen Fällen kommt zwischen dem Karteninstitut und dem Kontobevollmächtigten ein eigenständiger Vertrag mit eigenen Rechten und Pflichten zustande, der ebenfalls als Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB einzustufen ist4. Nach diesem Vertrag darf der Kontobevollmächtigte für das kartenemittierende Institut eine Garantiehaftung begründen. Einige der in den Bedingungen für girocard geregelten Pflichten richteten sich ausdrücklich an den Inhaber der Karte und gelten damit auch für den Kontobevollmächtigten als Karteninhaber5. Ansonsten treffen die Rechte und Pflichten, wie sich aus den Differenzierungen zwischen dem Karteninhaber und dem Kontoinhaber in den Bedingungen ergeben, den Kontoinhaber.
4.701
Wird die Kontovollmacht widerrufen, ist der Kontoinhaber dafür verantwortlich, dass die girocard des Bevollmächtigten zurückgegeben wird (A. II. Nr. 2 girocard-Bedingungen Privatbanken). Aufwendungen der Bank aus der Weiterbenutzung der Karte hat der Kontoinhaber zu erstatten, wie es den Wertungen der §§ 170, 172 BGB entspricht6.
4.702
Der Inhalt des Kartenvertrages wird wesentlich durch das diesem zugrunde liegende Bedingungswerk (z.B. die „Bedingungen für die girocard (Debitkarte)“) bestimmt. Der
4.703
1 Timm/Enders, JuS 1992, 406, 409. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 848. 3 Verlautbarung des ehemaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (jetzt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) v. 22.3.1995, abgedruckt in ZIP 1995, 691 ff. 4 Hadding, WuB I D 3.–3.88, noch zur alten Rechtslage vor Einführung des Zahlungsdienstevertrags. 5 OLG Celle v. 9.12.1987 – 3 U 43/87, WM 1988, 150, 152. 6 Schröter, ZBB 1995, 395, 397; Harbeke, WM 1989, 1709, 1712.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Karteninhaber wie auch der Kontobevollmächtigte dürfen Verfügungen mit ihrer Karte nur im Rahmen des Kontoguthabens oder eines vorher für das Konto eingeräumten Kredits vornehmen. Auch wenn der Karteninhaber diese sog. finanzielle Nutzungsgrenze nicht einhält, kann das Karteninstitut den Ersatz der Aufwendungen verlangen, die aus dem Karteneinsatz entstehen. Die hieraus resultierenden Kontobelastungen führen zu geduldeten Kontoüberziehungen mit den hierfür geltenden höheren Zinssätzen.
4.704
Wird diese Pflicht zur Einhaltung der finanziellen Nutzungsgrenzen verletzt, erwirbt das kontoführende Institut regelmäßig einen Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung vertraglicher Pflichten gem. § 280 Abs. 1 BGB sowie wegen ungerechtfertigter Übernahme der Geschäftsführung1. Daneben kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266b StGB in Betracht, der den Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten unter Strafe stellt2. Diese Schadensersatzansprüche traten neben den Aufwendungserstattungsanspruch (§ 670 BGB)3.
4.705
Der Kartenvertrag endet mit dem Ablauf des Girovertrages. Der Vertrag kann auch einseitig gekündigt werden. Die Kündigungsfristen richteten sich nach den Grund-AGB (vgl. Nr. 19 AGB-Banken), die auch die fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde, etwa bei Missbrauch der girocard regeln. Sie müssen aber in Übereinstimmung mit § 675h BGB stehen, der – wie sich aus § 675e BGB ergibt – für Verbraucher nicht abbedungen werden kann.
4.706
Wie bereits weiter oben ausgeführt (Rz. 4.693 ff.), besteht kein Aufwendungsersatzanspruch, wenn das kartenemittierende Institut zwar auf Grund der vermittelten Garantie an den Kartenakzeptanten zahlen muss, die Karte jedoch von einem Unberechtigten eigesetzt worden ist. In diesem Fall folgt aus § 675u BGB, dass der Kartenemittent bereits belastete Aufwendungen erstatten muss. In Betracht kommen können dann nur Schadenersatzsansprüche gegen den Kontoinhaber, sofern die Voraussetzungen für eine entsprechende Haftung vorliegen.
4.707
Aus A. II. Nr. 15.2 der Kartenbedingungen der Privatbanken, die auf § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB beruhen, folgt, dass das kartenemittierende Institut eine Kartensperre in jedem Fall beachten muss und das es ab diesem Zeitpunkt gegen den Karteninhaber weder Aufwendungsersatz- noch Schadensersatzansprüche für den Karteneinsatz nach Sperre geltend machen darf, es sei denn, der Karteninhaber handelt in betrügerischer Absicht. 4. Einwendungen des bezogenen Instituts gegen die Garantieinanspruchnahme
4.708
Das bezogene Institut kann die Unwirksamkeit des Garantievertrages einwenden, wenn es an den formellen Voraussetzungen für die Garantieübernahme mangelte. Bei den elektronischen Zahlungsverfahren ist dies insbesondere der Fall, wenn die Terminals nicht dem ZKA-Standard entsprechen und nicht für die entsprechenden Verfahren freigegeben worden sind oder der Kartenakzeptant erkennt oder erkennen kann, dass der Verwender 1 Hadding, WuB I D 3.–3.88; vgl. weiter OLG Celle v. 9.12.1987 – 3 U 43/87, WM 1988, 150. 2 Hierbei handelt es sich um einen speziellen Straftatbestand, der den allgemeinen Tatbestand des Betruges und der Untreue (§§ 263, 266 StGB) verdrängt, BGH v. 2.3.1993 – 1 StR 849/92, NStZ 1993, 283. 3 Herresthal in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 7. Kap. B § 675v BGB Rz. 1 ff.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
der Karte nicht der berechtigte Karteninhaber sein kann (z.B. Verwendung einer auf eine Frau ausgestellte Karte durch einen Mann oder nach Ablauf des Gültigkeitsdatums). An dieser Unwirksamkeit des Garantievertrages fehlt es jedoch, wenn der Karteninhaber nur beschränkt geschäftsfähig ist. Auch solche Kunden können die Bank beim Zustandekommen des Garantievertrages wirksam vertreten (§ 165 BGB).
4.709
Selbst wenn der Wuchereinwand nur das Grundgeschäft nichtig sein lässt und hiervon der Garantievertrag unberührt bleibt, steht dem bezogenen Institut gleichwohl gegen den Garantiebegünstigten der Einwand des Rechtsmissbrauchs bei Geltendmachung des Garantieanspruches zu. Das bezogene Institut darf nicht auf dem Umwege über die (abstrakte) Garantiezusage zur Mitwirkung an einem sittenwidrigen Geschäft gezwungen werden1.
4.710
Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Karteninhaber und dem Kartenakzeptanten kommen schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht in Betracht. Das kartenemittierende Institut ist nicht Vertragspartner, so dass es sich um eine unzulässige Einwendung aus dem Recht eines Dritten handeln würd2. Solche Einwendungen sind unvereinbar mit der Funktion der girocard, die dem Kartenakzeptant eine ähnlich gesicherte Rechtsposition wie eine Barzahlung verschaffen soll. Eine Ausnahme gilt deshalb nur für die Fälle, in denen die Geltendmachung des Garantieanspruchs einen Rechtsmissbrauch in der Form einer unzulässigen Rechtsausübung darstellt3. Beispiele hierfür sind die Nichtigkeit des Valutaverhältnisses wegen Gesetzeswidrigkeit (§ 134 BGB), Sittenwidrigkeit oder Wucher (§ 138 BGB)4.
4.711
IV. Bargeldloses Zahlen an automatisierten Kassen des electronic cash-Systems Das electronic cash-System5 ermöglicht dem Inhabern einer girocard bargeldlose Zahlungen an den automatisierten Kassen des Handels und des Dienstleistungsgewerbes zu Lasten seines Girokontos bei dem kartenausgebenden Institut. Dem POS-System sind Einzelhandelsgeschäfte, Tankstellen und Hotels angeschlossen (nachfolgend kurz „Händler“). Der Kunde des Händlers braucht sich hierzu nur durch seine girocard oder sonst zum Verfahren zugelassenen Karte und die persönliche Geheimzahl (PIN) zu legitimieren.
4.712
Damit entfällt die Ausstellung der „Belastungsbelege“ des Kreditkartenverfahrens. Bei dem POS-System handelt es sich also um ein nicht „papiergebundenes“ elektronisches Zahlungssystem. In dieser „beleglosen“ Veranlassung des Zahlungsvorgangs berühren sich die Verbraucherinteressen mit den Rationalisierungsinteressen der Handels- und Dienst-
4.713
1 Zur vergleichbaren Fallkonstellation bei der Verwendung eines garantierten eurocheques: BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, WM 1989, 1673, 1674 = NJW 1990, 384 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 836. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 836; OLG Hamm v. 8.7.1983 – 7 U 14/83, WM 1984, 1445, 1448; OLG Nürnberg v. 8.6.1978 – 8 U 11/78, NJW 1978, 2513, 2514. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 836. 4 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, WM 1989, 1673 = NJW 1990, 384 ff.; OLG Hamm v. 8.7. 1983 – 7 U 14/83, WM 1984, 1445, 1448 zu den entsprechenden Fällen bei der Verwendung garantierter eurocheques. 5 Reiser, WM 1989, Sonderbeil. 3; Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. 1; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527cc; Maihold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 68.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
leistungsunternehmen1. Die elektronische Zahlung beschleunigt im Übrigen die Zahlungsvorgänge an den Ladenkassen. Aus der Sicht des Händlers ergeben sich weitere Kosten sparende Rationalisierungseffekte gegenüber einer Bezahlung mit Bargeld oder Scheck. Insbesondere entfallen die mit einem Bargeldbestand verbundenen Risiken wie auch die späteren Einzahlungen dieser Bestände bei der Bank und Einreichungen von Schecks zum Einzug auf das eigene Girokonto. 1. Grundstrukturen des electronic cash-Systems
4.714
Wesentlicher Bestandteil des electronic cash-Systems ist die Genehmigung jedes Zahlungsvorgangs durch die jeweilige Autorisierungsstelle des kartenausgebenden Instituts. Hierzu wird die Zahlungskarte in die automatisierte Kasse (electronic cash-Terminal) eingeführt, die dem Kunden den geschuldeten Geldbetrag anzeigt. Anschließend identifiziert sich der Kunde durch Eingabe seiner persönlichen Geheimzahl (PIN) über die TerminalTastatur. Sodann werden die für die Autorisierung erforderlichen Daten, wie sie auf dem Magnetstreifen der Zahlungskarte codiert sind, der zuständigen Autorisierungsstelle elektronisch übermittelt. Hiernach wird zur Vermeidung missbräuchlicher Kontoverfügungen überprüft, ob die PIN richtig ist und die Zahlungskarte auch nicht gesperrt ist und ob der dem Kunden eingeräumte Verfügungsrahmen eingehalten wird. Bei positivem Prüfungsergebnis sendet die Autorisierungszentrale als Beauftragte des kartenausgebenden Instituts die Nachricht „Zahlung genehmigt“ an das electronic cash-Terminal.
4.715
Mit der Autorisierung des jeweiligen electronic cash-Umsatzes wird für das kartenausgebende Kreditinstitut eine (abstrakte) Zahlungsverbindlichkeit, bei der es sich um eine Garantie handelt, da sie nur zur Anwendung kommt, wenn die Zahlung auf Grund des aus dem Einsatz der Karte resultierenden Zahlungsauftrags gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB nicht ausgeführt werden kann, begründet2. Sie verschafft dem hieraus begünstigten Händler einen der Bargeldzahlung gleichwertigen Vermögenswert. Diese wirtschaftliche Gleichwertigkeit des elektronischen Autorisierungsvorgangs mit einer Bargeldzahlung erklärt auch, dass die Bedingungen für die entsprechenden Zahlungskarten nicht mehr vom POS-System, sondern nur noch vom „electronic cash“-System sprechen. Das Kürzel „POS“ (Point of Sale) soll andeuten, dass die bargeldlosen Zahlungen am Ort des Vertriebes der Waren oder der Dienstleistungen erfolgen. Dagegen drückt die Bezeichnung „electronic cash“ viel treffender aus, dass dem Händler durch den Autorisierungsvorgang auf elektronischem Wege eine der Zahlung von Bargeld durchaus gleichwertige Leistung in Form eines abstrakten Zahlungsanspruches gegen das kartenausgebende Kreditinstitut verschafft wird. a) Abgrenzung zum elektronischen Lastschriftverfahren und zur elektronischen Geldbörse
4.716
Die systemimmanente Einschaltung der jeweiligen Autorisierungsstelle der kartenausgebenden Kreditinstitute ist zugleich ein wesentliches Abgrenzungsmerkmal zum Elektronischen Lastschriftverfahren („SEPA-ELV“) und der GeldKarte als elektronischer Geldbörse. Beim SEPA-ELV unterbleibt die Autorisierung des Zahlungsvorgangs. Hier übernimmt das kartenausgebende Institut wegen der fehlenden Autorisierung keine Zahlungsgarantie gegenüber dem Händler, rechtlich handelt es sich um ein ganz normales SEPA-Basislastschriftverfahren mit allen sich daraus ergebenden Risiken. 1 Hartmann, WM 1983, 982, 983. 2 Böker, WM 1995, 468, 478.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
Bei der elektronischen Geldbörse (GeldKarte) erwirbt dagegen der Zahlungsberechtigte wie beim electronic cash-System einen – der Bargeldzahlung gleichwertigen – abstrakten Zahlungsanspruch gegen das kartenausgebende Institut. Dieser Rechtserwerb vollzieht sich jedoch durch den unmittelbaren Dialog zwischen dem mit einem Chipkartenleser ausgestatteten Terminal des Händlers und dem Mikroprozessorchip der GeldKarte. Die bei der elektronischen Geldbörse angewandte Chipkarten-Technik ermöglicht also eine sog. Offline-Autorisierung. Dagegen erfordert die sog. „Online“-Autorisierung1 die Einschaltung der jeweiligen Autorisierungszentrale, die entsprechende Kosten für die Datenfernübertragung verursacht.
4.717
b) Clearing der electronic cash-Umsätze durch Lastschrifteinzug Die electronic cash-Umsätze werden nach ihrer Autorisierung im (technischen) Lastschriftverfahren abgewickelt. Hier erhält der Händler eine entsprechende Kontogutschrift zu Lasten des beim kartenausgebenden Instituts unterhaltenen Girokontos des Karteninhabers. Dieses Clearing der Umsätze im üblichen Rahmen der bargeldlosen Zahlung ist aber nicht mehr Gegenstand des electronic cash-Systems im engeren Wortsinne und deshalb auch nicht in den zugrunde liegenden Vertragswerken näher geregelt2. Bei diesem Clearing hat jedoch der jeweilige sog. Netzbetreiber eine unterstützende Funktion wahrzunehmen. Da es sich jedoch um ein rein technisches Lastschriftverfahren handelt, kommen die aus dem Lastschriftverfahren resultierenden Erstattungsansprüche nicht zur Anwendung.
4.718
Die beiden Hauptfunktionen des Netzbetreibers bestehen in der Bereitstellung von electronic cash-Terminals, die durch seine Rechner gesteuert werden (electronic cash-Terminal-Netz) und in der elektronischen Weiterleitung der Autorisierungsanfragen der bei ihm angeschlossenen Händler an die Autorisierungsstelle des kartenausgebenden Kreditinstituts. Neben dieser „Routing-Funktion“ in der Autorisierungsphase obliegt dem Netzbetreiber aber auch eine wichtige Aufgabe beim späteren Clearing der electronic cash-Umsätze im bargeldlosen Zahlungsverkehr3, denn der Netzbetreiber ist verpflichtet, die Einleitung des Geld-Clearing dadurch zu unterstützen, dass er Lastschriftdateien aus den electronic cash-Umsätzen der angeschlossenen Händler generiert. Diese Dateien sind entweder dem Händler zur Einreichung bei seinem kontoführenden Institut bzw. einer von diesem benannten Zentralstelle zur Verfügung zu stellen, beim kontoführenden Institut des Händlers in dessen Auftrag einzureichen oder nach Abtretung der Forderung durch den Händler seinem kontoführenden Institut zur Einziehung zu übergeben.
4.719
2. Rechtsgrundlagen des electronic cash-Systems Dieses System beruht auf mehreren Vertragswerken4, denn ähnlich dem Kreditkartengeschäft sind an einem electronic cash-Umsatz der Karteninhaber, das Vertragsunternehmen als Zahlungsberechtigter und das kartenausgebende Kreditinstitut beteiligt. Das für die Autorisierung und das Clearing dieses Umsatzes erforderliche electronic cash-Terminal-Netz wird vom Netzbetreiber zur Verfügung gestellt. 1 2 3 4
Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 5. Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 5. Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 5. Abgedruckt in Schimansky/Bunte/Lwowski, Anh. zu §§ 67, 68.
Werner | 667
4.720
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.721
Bei dem electronic cash-System handelt es sich um ein von der deutschen Kreditwirtschaft getragenes „institutsübergreifendes“ System. Hierzu wurde im Jahre 1990 eine „Vereinbarung über ein institutsübergreifendes System zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen (electronic cash-System)“ zwischen den Spitzenverbänden der Privatbanken, Sparkassen und Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie der Postbank geschlossen, die derzeit in der aktuellen Fassung vom 1.11.2014 vorliegt. Dieser „POS-Grundvertrag“ umschreibt vor allem die Voraussetzungen für die Teilnahme an diesem Zahlungssystem und seine „Eckpfeiler“ (Autorisierung der Umsätze, Zahlungsgarantie der kartenausgebenden Kreditinstitute, Forderungsinkasso dieser Lastschriften). Auch ist eine Ausgleichspflicht zwischen den Vertragspartnern für Schäden vorgesehen, die im Interesse des electronic cash-Systems abgedeckt werden müssen und deren Übernahme einem einzelnen angeschlossenen Kreditinstitut nicht zugemutet werden kann. Aus technisch-organisatorischen Gründen sind zwischen den automatisierten Ladenkassen und den Autorisierungsstellen die Netzbetreiber zwischengeschaltet. Diese Unternehmen haben die electronic cash-Terminals bereitzustellen, die durch Rechner des Netzbetreibers gesteuert werden. Der Netzbetreiber ist für die technische Betreuung des Terminalnetzes verantwortlich und hat sicherzustellen, dass dieses Netz bestimmte Sicherheitsanforderungen erfüllt. Hierzu wird zwischen den Netzbetreibern und den Vertragspartnern des Grundvertrages ein standardisierter „Vertrag über die Zulassung als Netzbetreiber im electronic cash-System der deutschen Kreditwirtschaft“ abgeschlossen.
4.722
Dieser Netzbetreibervertrag enthält insbesondere Regelungen für die elektronische Übermittlung der Umsätze vom Händlerterminal bis zum Eingang in die von der Kreditwirtschaft betriebenen Autorisierungs-Systeme („Routing“funktion). Die Rechner der Netzbetreiber müssen an den Schnittstellen zu den Autorisierungssystemen die einheitliche Spezifikation der Kreditwirtschaft für den Nachrichtenverkehr und andere der Systemsicherheit dienenden Komponenten erfüllen.
4.723
Schließlich wird der Netzbetreiber ausdrücklich verpflichtet, das Inkasso der autorisierten Zahlungsansprüche der Händler im bargeldlosen Zahlungsverkehr durch Erstellung sog. Lastschriftdateien über die electronic cash-Umsätze zu unterstützen. Diese Umsätze können im Netz zentral im Betreiberrechner oder vor Ort im Händler-Terminal gesammelt werden.
4.724
Für die Teilnahme der Handels- und Dienstleistungsunternehmen an dem electronic cashSystem gelten die „Händlerbedingungen-Bedingungen für die Teilnahme am electronic cash-System der Deutschen Kreditwirtschaft“. Diese Bedingungen werden zwar über das kontoführende Institut des Händlers vermittelt, gelten jedoch nicht nur im Verhältnis zu ihm, sondern im Verhältnis zu allen Instituten, die dem System angeschlossene Karten emittieren. Das entsprechende Institut handelt dabei als Vertreter des jeweiligen kreditwirtschaftlichen Verbandes, dem er angehört, der wiederrum einerseits seine Mitglieder vertritt und andererseits als Mitglied der Deutschen Kreditwirtschaft – als Zentralorgan der kreditwirtschaftlichen Verbände, ohne dass diese eine eigene Rechtsstruktur hat – für die gesamte deutsche Kreditwirtschaft handelt. Danach müssen sich die zugelassenen Unternehmen, sofern sie nicht selbst die Aufgaben des Netzbetreibers übernehmen, einem Betreibernetz anschließen. Des Weiteren verpflichtet sich der Händler, Journale der electronic cash-Terminals für ein Jahr aufzubewahren und auf Verlangen im Original zur Verfügung zu stellen. Auch ist zu gewährleisten, dass der Beauftragte der Kreditwirtschaft auf Wunsch Zutritt zu den Terminals erhält und diese überprüfen kann. Des Weiteren erwähnen die Händler-Bedingungen die Zahlungsgarantie der kartenausgebenden Institute sowie die für die electronic cash-Umsätze an die kartenabgebenden Institute zu zahlenden Entgelte. 668 | Werner
Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
Schließlich enthalten auch die entsprechenden Bedingungen für die Zahlungskarten, wie sie zwischen den kartenausgebenden Instituten und ihren Kunden vereinbart werden, Regelungen für das Bezahlen an automatisierten Kassen. Danach gilt für die Inanspruchnahme der electronic cash-Terminals und der Geldautomaten ein einheitlicher Verfügungsrahmen, den der Karteninhaber nur im Rahmen seines Kontoguthabens oder eines ihm vorher für das Konto eingeräumten Kredits in Anspruch nehmen kann. Auch wird der Bankkunde darauf hingewiesen, dass die Zahlungskarte an den automatisierten Kassen nicht mehr eingesetzt werden kann, wenn die persönliche Geheimzahl dreimal hintereinander falsch eingegeben wird.
4.725
3. Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts als Garantieverpflichtung Die Rechtsnatur der Zahlungsverpflichtung, die mit der Autorisierung des jeweiligen electronic cash-Umsatzes für das kartenausgebende Kreditinstitut begründet wird, ist umstritten. Einvernehmen besteht aber damit, dass es sich bei dieser Verpflichtung um eine abstrakte Zahlungsverbindlichkeit handelt. Denn es müssen sowohl Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis zum Karteninhaber als auch aus dem Valutaverhältnis zwischen diesem und dem Händler als Zahlungsberechtigtem ausgeschlossen sein. Nur mit einem solchen abstrakten Zahlungsanspruch wird den Händlern eine Rechtsposition verschafft, die wirtschaftlich dem Empfang von Bargeld gleichgestellt werden kann1.
4.726
Für die Einstufung der Zahlungsverpflichtung scheiden deshalb von vornherein die akzessorische Bürgschaft wie auch die Schuldübernahme oder der Schuldbeitritt aus. In Betracht kommt nur eine Garantie oder ein selbständiges Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB2. Für die Entscheidung zwischen diesen beiden Alternativen ist die Terminologie des dem electronic cash-System zugrunde liegenden Vertragswerkes nicht aussagekräftig. Anders als bei der früheren Scheckkartengarantie für eurocheques wird die Zahlungsverpflichtung des electronic cash-Systems nicht ausdrücklich als „Garantie“ bezeichnet. Es wird aber auch keine einheitliche Terminologie für die Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstituts verwandt, die es zwingend nahe legen würde, darin ein Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB zu erblicken. So heißt es in Nr. 4 der Händler-Bedingungen, dass das kartenausgebende Institut mit der Nachricht über die positive Autorisierung die „Erklärung“ abgibt, dass es die Forderung in Höhe des am electronic cash-Terminal autorisierten Betrages begleicht. Die Klauseln in den „Bedingungen für die girocard (Debitkarte)“ weisen den Karteninhaber nur auf die „vertragliche Verpflichtung“ des Karteninstituts hin, die unter Verwendung der Zahlungskarte verfügten Beträge an die Betreiber (Händler) zu vergüten. Eine solche verpflichtende „Erklärung“ des kartenausgebenden Instituts im Sinne der Händler-Bedingungen und der Bedingungen für die Zahlungskarte kann als Garantie eingestuft werden3.
4.727
1 Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 8; Koch in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 68 Rz. 10 ff. 2 Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 8, 9. 3 In der Nr. 10 der kreditwirtschaftlichen Vereinbarung über das electronic cash-System verpflichten sich zwar die kartenausgebenden Kreditinstitute, ein „Zahlungsversprechen“ in Höhe der am electronic cash-System autorisierten Beträge abzugeben. Ein Zahlungsversprechen im weiteren (untechnischen) Sinne des Wortes kann aber auch eine Zahlungsgarantie darstellen. Abgesehen davon kommt es für die Frage, ob ein Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB vorliegt, vor allem auf die Terminologie der Händler-Bedingungen an, weil die Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstitutes gegenüber dem jeweiligen Händler abgegeben wird. Dort ist aber nur von der insoweit völlig neutralen „Erklärung“ der Bank zur Begleichung des autorisierten Betrages die Rede.
Werner | 669
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
a) Zahlungsgarantie als Abgrenzungsmerkmal zum elektronischen Lastschriftverfahren
4.728
Für die Einstufung der Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstitutes als eine Garantieverpflichtung1 spricht schon die Grundkonzeption des SEPA- ELV, bei dem es sich rechtlich um ein „normale“ Zahlung im SEPA-Basislastschriftverfahren handelt und bei dem Lastschriften wegen Widerspruchs oder mangels Deckung zurück gegeben werden können oder bei denen es den Erstattungsanspruch gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB gibt, während im electronic cash-System beides nach einer entsprechenden Autorsierung nicht mehr möglich und die Zahlung damit garantiert ist. b) Garantieverpflichtung auf Grund des Gesamtgefüges der bargeldlosen Zahlungssysteme
4.729
Die Einstufung der Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts als Garantieverpflichtung folgt aber vor allem aus der Funktion des electronic cash-Systems im Gesamtgefüge der verschiedenen Zahlungssysteme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Bei diesem System handelt es sich um eine Weiterentwicklung der früheren Scheckkartengarantie, an deren Stelle die „Autorisierung“ des jeweiligen Zahlungsvorgangs getreten ist.
4.730
Einen insoweit vergleichbare Zahlungsauftrag gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB erteilt der Girokunde konkludent, wenn er die girocard und seine persönliche Geheimzahl (PIN) in das electronic cash-Terminal des Händlers eingibt, um die vorgeschriebene Autorisierung durch die Autorisierungszentrale seiner kontoführenden (kartenausgebenden) Stelle zu ermöglichen2. Hierbei macht der Kunde von seinem auftragsrechtlichen Weisungsrecht Gebrauch, das ihm auf Grund des dem Girokonto zugrunde liegenden entgeltlichen entgeltlichen Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB zusteht.
4.731
Die Weisung zur Bezahlung des jeweiligen electronic cash-Umsatzes zu Lasten seines Giroguthabens wird konkludent im Zuge des Autorisierungsvorganges der Autorisierungsstelle übermittelt. Diese wird hierbei als Beauftragte der kartenausgebenden Institute tätig und ist deshalb auch für den „Empfang“ solcher Weisungen für das kartenausgebende Institut als Auftraggeber zuständig (§ 164 Abs. 3 BGB). Die Online-Verbindung des electronic cash-Terminals des Händlers zur Autorisierungsstelle ist deshalb ein geeigneter Weg für den erforderlichen Zugang dieser Kundenweisung als eine empfangsbedürftige Willenserklärung bei dem Kartenemittenten als Erklärungsadressat (vgl. § 130 BGB).
4.732
Mit der Autorisierung eines electronic cash-Umsatzes garantiert das kartenausgebende Institut, die konkludente Weisung seines Girokunden zur Einlösung der über diesen Umsatz erstellten Lastschrift zu befolgen3. Dieser Lastschrift liegt der Zahlungsanspruch des Händlers aus dem autorisierten Umsatz zugrunde. 1 Bejahend Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. F/8; Ahlers, WM 1995, 601, 605; Kümpel, WM 1997, 1037, 1040; Gutschmidt, Zahlungsverkehr, Bd. 2, 2009, Abschnitt 6.2, S. 2; ein Schuldversprechen bejahen Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 9; Koch in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 68 Rz. 11; Böker, WM 1995, 468, 476, Fn. 76. 2 Reiser, WM 1989, Sonderbeil. Nr. 3, 11. 3 Zur Konstruktion des Vertragsschlusses vgl. Kümpel, WM 1997, 1037, 1040; vgl. weiter Bröker, WM 1995, 468, 478; Gößmann, Zustandekommen der Zahlungsgarantie im elektronischen Zahlungsverkehr, in FS Schimansky, 1999, S. 145, 151 ff.
670 | Werner
Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
Dieser Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis bleibt bestehen, bis der Händler mittels der Lastschrift eine Gutschrift auf seinem Girokonto erhält. Dementsprechend bestimmt Nr. 11 der electronic cash-Vereinbarung, dass das mit dem Lastschriftinkasso beauftragte Institut für den Inhaber der „Forderung“ aus dem electronic cash-Umsatz den Einzug der „Forderung“ per technischer Lastschrift im Lastschriftverfahren abwickelt. Die Übernahme der Zahlungsgarantie durch das kartenausgebende Kreditinstitut stellt also keine Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 BGB) dar.
4.733
Dementsprechend bestimmt die electronic cash-Vereinbarung, dass eine Rückgabe dieser Lastschrift durch das kartenausgebende Institut nicht aus den Gründen möglich ist, die die Rückgabe einer SEPA-Lastschrift erlauben. Parallel dazu weisen die „Bedingungen für die girocard (Debitkarte)“ zur Information des Karteninhabers ausdrücklich darauf hin, dass sich das kartenausgebenden Institut gegenüber dem Betreiber von automatisierten Kassen vertraglich verpflichtet hat, die unter Verwendung der girocard verfügbaren Beträge an den Betreiber zu vergüten. Einwendungen und sonstige Beanstandungen des Kunden aus dem Vertrags-(Valuta-) Verhältnis zum Händler, bei dem bargeldlos an einer automatisierten Kasse bezahlt worden ist, sind unmittelbar gegenüber diesem geltend zu machen (A. III. Nr. 1.3. girocard-Bedingungen der privaten Banken).
4.734
V. Elektronisches SEPA-Lastschriftverfahren (SEPA-ELV) Das POZ-System war mit Rücksicht auf die Wünsche aus Kreisen des Handels eingeführt worden. Hierzu hatten die interessierten kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände eine „Vereinbarung“ zum POZ-System abgeschlossen. Anlass dafür war, dass der Handel die Zahlungskarte für ein eigenes Zahlungssystem zu nutzen begann1. Bei diesem sog. „wilden“ System kann die Sperrdatei der jeweiligen Autorisierungsstelle des kartenausgebenden Kreditinstituts nicht abgefragt werden. Hierdurch entstand eine erhebliche Sicherheitslücke beim Einsatz der Karte. Gleichwohl haben sich „wilde“ Verfahren, denen ein elektronisches Lastschriftverfahren („ELV“) zugrunde liegt, durchgesetzt. Das POZ-Verfahren der deutschen Kreditwirtschaft ist zum 31.12.2006 eingestellt worden. Beim ELV handelte es sich um ein Einziehungsermächtigungs-Lastschriftverfahen, auf das ausschließlich das Lastschriftabkommen sowie die rechtlichen Regelungen für ein solches Zahlungsverfahren Anwendung fanden, das durch das auf dem SEPA-Basislastschriftverfahren aufbauende SEPA-ELV ersetzt worden ist.
4.735
Ein wesentlicher Unterschied zum electronic cash-System besteht in der vom Handel gewünschten vereinfachten Legitimationsprüfung beim SEPA-ELV. Anders als beim electronic cash-System erfolgt die Legitimation des Karteninhabers im SEPA-ELV nicht durch die Eingabe der persönlichen Geheimzahl (PIN), sondern durch einen Vergleich der Unterschrift auf der girocard mit der Unterschrift, die der Karteninhaber auf der jeweils durch die automatisierte Ladenkasse erstellten Lastschrift-Mandat zu leisten hat. Auf die PIN-Eingabe wird vor allem deswegen verzichtet, weil ein Teil der girocard-Inhaber ihre persönliche Geheimzahl nicht kennt oder wieder vergisst und damit als potentieller Kundenkreis ausfällt2. Hinzu kommt, dass die Legitimation mit Hilfe der Unterschrift des Kar-
4.736
1 Zu den damit verbundenen Fragen insbesondere der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit sowie der wirksamen Entpflichtung der Bank vom Bankgeheimnis vgl. Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 12 ff.; vgl. weiter Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 81 ff. 2 Vgl. Terrahe, Die Bank 1992, 312, 313.
Werner | 671
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
teninhabers kostengünstiger ist. Die Verwendung einer persönlichen Geheimzahl stellt hohe Sicherheitsanforderungen an das electronic cash-System und verursacht daher entsprechende Investitions- und Betriebskosten.
4.737
Infolge des Verzichts auf den Einsatz der PIN als zusätzliches Kontrollmittel erhöht sich gegenüber dem POS-System das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der Karte. Auf Grund dieses weniger sicheren und missbrauchsanfälligeren Verfahrens kommt eine Garantie der Umsätze nicht in Betracht.
4.738
Eine zur Vermeidung des Einsatzes gesperrter Zahlungskarten im POZ-Systems vorgesehene vertragliche Verpflichtung der Vertragsunternehmen, die Sperrdateien des Kreditgewerbes auf eine etwaige Kartensperre elektronisch abzufragen, gibt es im SEPA-ELV nicht, da es sich dabei um ein alleine auf dem Lastschriftverfahren beruhendes Verfahren handelt. Dies schließt aber nicht aus, dass einzelne Anbieter solcher Verfahren selbst Sperrdateien organisieren.
4.739
Das SEPA-ELV beschränkt sich darauf, den Handels- und Dienstleistungsunternehmen zu ermöglichen, mittels der auf der Zahlungskarte gespeicherten Daten eine Lastschrift an einer automatisierten Kasse schnell und rationell zu generieren. Dabei hat der Kunde auch ein schriftliches Mandat im Sinne des SEPA-Basislastschriftverfahrens abzugeben. Das Unternehmen hat dafür zu sorgen, dass seine Mitarbeiter an den Terminals ihren Kontrollpflichten hinsichtlich der Überprüfung der Unterschriften auf den Zahlungskarten mit denen auf den Mandaten nachkommen. Bei dieser Lastschrift kann im Unterschied zur Autorisierung im electronic cash-System den Erstattungsanspruch gem. § 675x Abs. 2 und Abs. 4 BGB geltend machen, da im SEPA-ELV das kartenausgebende Institut keine Zahlungsgarantie übernimmt. Die Geltendmachung eines solchen Erstattungsanspruchs bedeutet freilich regelmäßig nicht, dass damit auch die Ermächtigung zur Weitergabe des Namens und der Adresse des Kunden widerrufen wird1.
4.740
Der Kunde erklärt sich im Rahmen des Zahlungsvorgangs auch schriftlich damit einverstanden, dass das kartenausgebende Institut Name und Anschrift des Kunden an den Händler mitteilt. Infolge der fehlenden Zahlungsgarantie muss der Händler erforderlichenfalls den Kunden direkt in Anspruch nehmen können. Die entsprechende Einwilligung des Karteninhabers, dass sein Institut berechtigt ist, dem Händler auf Grund der Erklärung Namen und Anschrift bekannt zu geben, verpflichtet das kartenausgebenden Institut jedoch nicht zur Herausgabe der Informationen2. Eine solche Verpflichtung konnte nur im eingestellten POZ-Verfahren durch die entsprechende POZ-Vereinbarung, die für alle angeschlossenen Institute galt, begründet werden.
VI. Zahlungskarte als Bedienungsmedium für Geldautomaten 4.741
Zu den kartengesteuerten Zahlungssystemen gehört auch das Geldautomatensystem (GASystem). Es ermöglicht Bargeldabhebungen an den Geldautomaten auch außerhalb der Öffnungszeiten der Kreditinstitute.
1 Koch in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 68 Rz. 21. 2 Vgl. dazu LG Wuppertal v. 23.12.1996 – 14 O 113/96, NJW-RR 1998, 775, und AG München v. 5.2.2018 – 173 C 2232/17.
672 | Werner
Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
1. Rechtsgrundlagen Dieses Zahlungssystem beruht auf der Vereinbarung über das deutsche Geldautomatensystem1, das in seiner aktuellen Fassung vom 15.1.2011 vorliegt. Dieses Abkommen ist von den kreditwirtschaftlichen Spitzenverbänden abgeschlossen worden, die hierbei zugleich als Stellvertreter für die ihnen angeschlossenen Kreditinstitute handeln2. Die angeschlossenen Institute stellen hiernach die von ihnen betriebenen Geldautomaten allen Inhabern der zugelassenen Karten institutsübergreifend und ohne Differenzierung in der zeitlichen Nutzungsmöglichkeit zur Verfügung. Zu diesen Karten gehören insbesondere die girocard und die zum GA-System zugelassenen sog. Kundenkarten der angeschlossenen Kreditinstitute.
4.742
Das deutsche Geldautomatensystem ist Bestandteil des europäischen Europay-Geldautomatensystems und des weltweiten Maestro-Systems. Die Geldautomaten können deshalb auch im Rahmen des grenzüberschreitenden Geldautomatensystems genutzt werden und sind damit SEPA-tauglich. Die Geldautomaten sind auch für solche Karten geöffnet, die dem internationalen „CIRRUS“-System angehören3. Dieses internationale Geldautomatensystem wird weltweit von der in den USA ansässigen Gesellschaft „CIRRUS-Systems Incorporated“ lizenziert und in Europa auf Grund einer an Europay International vergebenen Exklusivlizenz ausschließlich von Europay International S.A. betreut.
4.743
Diese Vereinbarung begründet nach dem Schrifttum zwischen den beteiligten Kreditinstituten eine BGB-Gesellschaft in Form einer Innengesellschaft. Denn die Beteiligten verfolgen mit den von ihnen getragenen Geldautomatensystemen einen gemeinsamen Zweck und sind verpflichtet, die Erreichung dieses Zweckes in der vereinbarten Weise zu fördern, wie es der Begriff der BGB-Gesellschaft voraussetzt (§ 705 BGB)4.
4.744
Nicht alle in dieser Vereinbarung übernommenen Pflichten sind jedoch gesellschaftsrechtlicher Natur, wie dies insbesondere für die Pflicht zur Erstattung von Aufwendungen gilt. Dagegen ist die Ausgleichspflicht bei der Verwendung gefälschter oder verfälschter Karten spezifisch gesellschaftsrechtlicher Art5. Danach erfolgt bei Schäden, die durch die Benutzung von Geldautomaten mit solchen Karten entstehen, sowie bei sonstigen Schäden, die im Interesse des Systems abgedeckt werden müssen und deren Übernahme einem einzelnen Kreditinstitut nicht zugemutet werden kann, unter bestimmten Voraussetzungen ein Ausgleich zwischen den Vertragspartnern6.
4.745
Die teilnehmenden Institute übernehmen keine Gewähr für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des GA-Systems7. Soweit überhaupt eine solche Organisationspflicht des einzelnen kartenausgebenden Institutes bejaht werden kann, würde sich dieser zweifelsfrei nicht auf institutsfremde Geldautomaten erstrecken. In diesen Fällen fehlt die hierfür erforderliche Möglichkeit der Einflussnahme und Kontrolle und damit die für eine Haftung notwendige Beherrschbarkeit des Risikos8. Auch bei einem technischen Versagen
4.746
1 Abgedruckt bei Beyritz/Hartmann/Wand, Zahlungsverkehr, Kapitel N. 2 Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 6. 3 CIRRUS ist ein eingetragenes Zeichen der CIRRUS Systems Inc. Alleiniger Lizenzgeber für CIRRUS in Europa ist Europays International. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527y; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 6. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527y. 6 Nr. 9 der kreditwirtschaftlichen Vereinbarung. 7 Maihold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 54 Rz. 2; vgl. weiter Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. F/6. 8 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527j.
Werner | 673
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
der institutseigenen Geldautomaten dürfte regelmäßig eine Schadensersatzpflicht entfallen. Denn das kartenemittierende wird sich regelmäßig nicht in Verzug befinden1. Im Regelfall verbleibt dem Kunden die Möglichkeit, das Bargeld während der Schalterstunde bei seinem Institut abzuheben oder sich die benötigten Beträge an anderen Geldautomaten oder mit Hilfe der Zahlungskarte bei anderen Instituten zu beschaffen2.
4.747
Die Rechtsbeziehungen zwischen den kartenausgebenden Instituten und ihren Girokunden als Karteninhaber sind durch die Bedingungen für die girocard (Debitkarte) geregelt. Mit Rücksicht auf die Multifunktionalität dieser Karte im Rahmen des electronic cash-Systems enthalten diese Bedingungen auch Regelungen für andere Kartenfunktionen, die für alle erfassten Zahlungssysteme einheitlich gelten.
4.748
Das Geldautomatensystem wirft zahlreiche Rechtsprobleme auf, die von der Rechtsprechung und dem Schrifttum noch nicht abschließend geklärt sind3. Dabei ist zu unterscheiden, ob für die Bargeldabhebung ein institutseigener oder -fremder Geldautomat benutzt wird. 2. Rechtliche Konstruktion der Bargeldauszahlung an institutseigenen Geldautomaten
4.749
Mit der Eingabe der Zahlungskarte und der PIN in den Automaten macht der Kunde schuldrechtlich gesehen lediglich seinen Anspruch gegen seine kontoführende Stelle geltend4. Die Verfügung an einem Geldautomaten ist ein Zahlungauftrag gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB, der hier auf Auszahlung zu Lasten seines Girokontos gerichtet ist, bei der es sich um einen Zahlungsvorgang gem. § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB handelt5. Soweit das Girokonto ein Guthaben aufweist, verbirgt sich hinter diesem Forderungsrecht des Kunden der Anspruch auf das tägliche Guthaben eines Kontokorrentkontos (sog. Tagessaldo). Bei diesem Anspruch handelt es sich nach der BGH-Rechtsprechung um ein Rückforderungsrecht aus der mit dem Girovertrag, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt, verbundenen unregelmäßigen Verwahrung – depositum irregulare – gem. § 700 Abs. 1 BGB6. Denn die kontoführende Stelle soll das jederzeit in Bargeld umwandelbare Kontoguthaben für den Kunden bis zur Abverfügung „aufbewahren“.
4.750
Bei einem debitorischen Konto liegt in der Eingabe von Karte und PIN zugleich die Ausübung des kreditvertraglichen Abrufsrechts aus einer eingeräumten Kreditlinie oder die Inanspruchnahme eines Überziehungskredites gem. § 504 BGB7. 1 2 3 4 5 6
Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527i; Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. F/6. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527i. Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 1. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d. Gößmann, WM 1998, 1264, 1267. BGH v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, WM 1982, 816, 817 = BGHZ 84, 371 ff. = NJW 1982, 2193 ff.; BGH v. 15.6.1993 – XI ZR 133/92, WM 1993, 1585, 1586 = NJW-RR 1993, 1266 f.; BGH v. 10.10.1995 – XI ZR 263/94, WM 1995, 2094, 2095 = BGHZ 131, 60 ff. = NJW 1996, 190 f.; vgl. hierzu Grziwotz, JR 1996, 286. Die missbräuchliche Verwendung der Zahlungskarte erfüllt den Tatbestand des § 266b StGB, wenn das Bargeld von einem institutsfremden Geldautomaten abgehoben wird, also im sog. Drei-Parteien-System, nicht aber bei der Benutzung eines Geldautomaten der kartenemittierenden Bank (BayObLG v. 23.4.1997 – 3St RR 33/97, BB 1997, 2347). 7 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
Mit der Überlassung der Karte wird also kein eigenständiger Zahlungsanspruch des Girokunden gegen sein Institut in Gestalt eines abstrakten Zahlungsanspruchs gem. § 780 BGB begründet1. Vielmehr wird dem Kunden mit der girocard nur eine zusätzliche Möglichkeit zur Geltendmachung seines Rückzahlungsanspruches gem. § 700 BGB eröffnet. Sein auftragsrechtliches Weisungsrecht aus dem zugrunde liegenden Girovertrag wird also dahin gehend erweitert, dass die Barauszahlung nicht nur am Kassenschalter der kontoführenden Bank, sondern auch an den bankeigenen oder institutsfremden Geldautomaten verlangt werden kann2.
4.751
Diese zusätzliche Weisungsmöglichkeit erweitert die Rechtsposition des Kartenkunden. Denn Leistungsort für den girovertraglichen Rückzahlungsanspruch ist die Schalterhalle der kontoführenden Stelle. Nach der auf solche Zahlungsansprüche anzuwendenden verwahrungsrechtlichen Regelung hat die Rückgabe der „hinterlegten“ Sache an dem Ort zu erfolgen, an dem diese aufzubewahren ist (§ 700 Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 697 BGB). Die für Geldschulden als sog. Schickschulden geltende spezielle Bestimmung des § 270 Abs. 1 BGB ist auf die bankmäßigen Sichteinlagen nicht anzuwenden3.
4.752
3. Benutzung institutsfremder Geldautomaten Auch bei Barabhebungen an institutsfremden Geldautomaten verlangt der Karteninhaber eine Auszahlung zu Lasten seines Girokontos. Denn mit der Eingabe von Karte und PIN macht der Kunde schuldrechtlich gesehen nur seinen girovertraglichen Auszahlungsanspruch gem. § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB gegen die kartenemittierende Stelle geltend4. Wie bei der Benutzung eines institutseigenen Geldautomaten liegt hierin die konkludente Ausübung des auftragsrechtlichen Weisungsrechts, das dem Bankkunden auf Grund des dem Girokonto zugrunde liegenden Girovertrages zusteht (§ 675f Abs. 4 Satz 2 BGB). Mit der Aushändigung einer bei Geldautomaten benutzbaren girocard wird dieses Weisungsrecht dahin gehend erweitert, Auszahlungsanweisungen dem kartenausgebenden Institut auch über andere automatenbetreibende Institute mit der Maßgabe erteilen zu können, diese Beträge an den jeweiligen Betreiber zu überweisen.
4.753
a) Rechtsnatur des Erstattungsanspruchs des automatenbetreibenden Instituts Nach ganz überwiegender Literaturmeinung erwächst dem Betreiber eines institutsfremden Geldautomaten aus einer Geldabhebung ein auftragsrechtlicher Aufwendungserstattungsanspruch gegen das kartenausgebende Institut (§ 670 BGB)5. Das Rechtsverhältnis des automatenbetreibenden Instituts zum kartenausgebenden Institut beinhaltet einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB.
4.754
Angesichts der dem Geldautomatensystem zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten und dem Gesamtgefüge der kartengesteuerten Zahlungssysteme liegt es jedoch näher, dem Betreiber von Geldautomaten denselben abstrakten Zah-
4.755
1 2 3 4 5
Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527h. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d, 527h. Sprau in Palandt, § 697 BGB Rz. 1. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d; Kümpel, WM 1997, 1037, 1038. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527y; nach von Gablenz, Die Haftung der Bank bei Einschaltung Dritter, 1983, S. 254, ist der Zahlungsvorgang juristisch analog der Scheckkartensysteme zu behandeln.
Werner | 675
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
lungsanspruch wie dem Betreiber einer automatisierten Ladenkasse im electronic cashVerfahren zuzubilligen.
4.756
Denn wie beim electronic cash-Verfahren wird die Bargeldauszahlung durch die jeweilige Autorisierungsstelle als Beauftragte des kartenausgebenden Kreditinstituts „genehmigt“. Für diese Gleichbehandlung sprechen auch die insoweit im Kreditgewerbe einheitlich geltenden Bedingungen für die girocard. Darin wird von der „vertraglichen Zahlungsverpflichtung“ des kartenausgebenden Kreditinstituts gesprochen, ohne dass zwischen den Betreibern von Geldautomaten und den Betreibern automatisierter Kassen differenziert wird (A. III. Nr. 1.3. girocard-Bedingungen Privatbanken).
4.757
Ein weiteres Argument für die Begründung einer Garantieverbindlichkeit ergibt sich aus der rechtlichen Bewertung des Zahlungsvorgangs im insoweit gleich gelagerten electronic cash-Verfahren. Gibt der Kartenkunde seine girocard und seine persönliche Geheimzahl (PIN) in die automatisierte Kasse des electronic cash-Systems ein, erteilt er einen Zahlungsauftrag gem. § 675f Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BGB im Rahmen des bestehenden Girovertrags, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt. Der konkludent erteilte Zahlungsauftrag wird im Zuge des Autorisierungsvorgangs der Autorisierungsstelle übermittelt, die hierbei als Beauftragte des kartenausgebenden Instituts tätig ist und deshalb auch stellvertretend eine solche Willenserklärung entgegennehmen kann (§ 164 Abs. 3 BGB). Mit der Autorisierung des electronic cash-Umsatzes garantiert die kartenausgebende Stelle, diesen Zahlungsauftrag ihres Girokunden zu befolgen, wenn ihr im weiteren Verlauf eine Lastschrift über den garantierten Betrag zur Einlösung übermittelt wird. Durch den Einsatz der PIN erteilt der Karteninhaber seine Zustimmung zum Zahlungsvorgang gem. § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB mittels eines Zahlungsinstruments.
4.758
Die Eingabe der girocard und der PIN mit anschließender Autorisierung und Lastschrifteinzug erfolgt auch bei der Bargeldabhebung an institutsfremden Geldautomaten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass mit dieser „Genehmigung“ für das kartenausgebende Institut eine Zahlungsverbindlichkeit begründet wird, da der Karteninhaber so gem. § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB seine Zustimmung erteilt. Für diese rechtliche Beurteilung spricht auch die Regelung des Inkassos der ausgezahlten Beträge in der zwischen den kreditwirtschaftlichen Spitzenverbänden getroffenen „Vereinbarung über das deutsche Geldautomatensystem“. Dort wird klargestellt, dass sich die „Einlösungspflicht“ des kartenausgebenden Instituts hinsichtlich der ihm vorgelegten Lastschriften „auf alle durch sie positiv autorisierten Verfügungen“ an institutsfremden Geldautomaten bezieht1. Wie beim electronic cashSystem kann eine solche Einlösungspflicht als Zahlungsgarantie eingestuft werden2, der neben den Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 675c Abs. 1 Satz 2, 670 BGB tritt. b) Erfüllungswirkung der Auszahlung im Verhältnis Kunde/kartenausgebendes Institut
4.759
Mit dem Auftrag des Karteninhabers an sein kontoführendes Institut durch Eingabe von Karte und PIN den Gegenwert der Barabhebung zu Lasten seines Girokontos an den Betreiber des benutzten Geldautomaten zu überweisen, wird dieser zugleich zum Inkasso dieses Betrages beim kartenausgebenden Institut ermächtigt. 1 Vgl. Nr. 8 der Anlage 2 zu der kreditwirtschaftlichen Vereinbarung. 2 Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
Diese Ermächtigung des kartenausgebenden Instituts ergibt sich analog § 783 BGB. Eine unmittelbare Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die bei der Benutzung des Geldautomaten verwendete Karte keine Urkunde i.S.d. § 783 BGB darstellt. Die Anweisung des BGB beinhaltet aber nur einen gesetzlich geregelten Sonderfall der allgemeinen Anweisung, unter der die Aufforderung und die Ermächtigung an einen anderen (kartenausgebendse Institut) zu verstehen ist, für Rechnung des Anweisenden an einen Dritten (automatenbetreibendes Institut) zu leisten1. Die §§ 783 ff. BGB sind deshalb auch auf andere Anweisungsformen entsprechend anwendbar2. Diese analoge Anwendung ist umso mehr geboten, als der benutzte Geldautomat den codierten Teil „liest“ und damit die für den anschließenden Lastschrifteinzug wesentlichen Daten der Karte in die Verfügungssphäre des automatenbetreibenden Instituts gelangt sind. Deshalb kann dieser Sachverhalt dem gesetzlichen Tatbestand des § 783 BGB gleichgestellt werden, der für die Ermächtigung die Aushändigung einer „Urkunde“ erfordert.
4.760
Ist jedoch das automatenbetreibende Institut zum Einzug des Gegenwertes zu Lasten des Girokontos des Karteninhabers befugt, erfüllt das kartenausgebende Institut mit der Einlösung der vom Automatenbetreiber ausgestellten Lastschrift insoweit seine girovertragliche Rückgewährspflicht. Denn eine solche schuldtilgende Erfüllungswirkung tritt auch dann ein, wenn an einen Dritten geleistet wird, der zur Entgegennahme der geschuldeten Leistung ermächtigt ist (§ 362 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 BGB)3. Eine solche Ermächtigung zur Annahme der Erfüllungsleistung im eigenen Namen ist insbesondere bei allen Arten der Anweisung gegeben4.
4.761
Es bedarf deshalb auch nicht der Einstufung des automatenbetreibenden Institus als Erfüllungsgehilfin des kartenausgebenden Instituts, um das Erlöschen der girovertraglichen Rückgewährspflicht in Höhe der Bargeldabhebung begründen zu können5. Gegen eine solche Erfüllungsgehilfenschaft spricht zudem, dass das kartenausgebende Institut für ein Verschulden des Betreibers des benutzten Geldautomaten einzustehen hätte (§ 278 BGB).
4.762
4. Verschaffung des Eigentums an dem ausgegebenen Bargeld Kein Einvernehmen besteht, ob die für die Übereignung erforderliche Übereignungsofferte des Instituts schon antizipierend bei Aushändigung der Karte erklärt und vom Kunden bei der Benutzung des Geldautomaten angenommen wird. Nach der von Canaris vertretenen Rechtsansicht sollte dieses Übereignungsangebot besser in der Aufstellung des Geldautomaten erblickt werden, um unterschiedliche Rechtskonstruktionen für die Übereignung zu vermeiden, wenn der Karteninhaber nicht die instituseigenen, sondern institutsfremde Geldautomaten benutzt6. Bei missbräuchlicher Benutzung des Geldautomaten durch den 1 Sprau in Palandt, § 783 BGB Rz. 1. 2 BGH v. 17.5.1971 – VIII ZR 15/70, NJW 1971, 1608; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7; M. Weber, Das Geldausgabeautomatengeschäft nach deutschem Recht, Diss. St. Gallen, 1984, S. 76 ff. 3 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559, 560 = BGHZ 87, 156 ff. = NJW 1983, 1605 ff.; vgl. hierzu Zimmermann, DNotZ 1983, 552 ff.; Olzen in Staudinger, Neubearb. 2006, § 362 BGB Rz. 41 ff.; Fetzer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 362 BGB Rz. 16. 4 Fetzer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 362 BGB Rz. 1. 5 Diese Mitwirkung des Betreibers des benutzten Geldautomaten als Erfüllungsgehilfe des kartenausgebenden Kreditinstitutes bejahen Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527y; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 8, 9; Maihold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 54 Rz. 35. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d.
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4.763
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Karteninhaber wird ganz überwiegend der Eigentumserwerb verneint1. Dem Rechtsverkehr erwachsen hieraus keine Nachteile, weil das automatenbetreibende Institut sein Eigentum an gutgläubige Dritte verliert (§§ 932, 935 Abs. 2 BGB)2. 5. Beweisfragen
4.764
Die Voraussetzungen des Anspruchs gegen den Karteninhaber auf Aufwendungsersatz gem. § 670 BGB wegen Benutzung eines eigenen oder institutsfremden Geldautomaten hat nach allgemeinen Grundsätzen das kontoführende Institut zu beweisen. Mit Rücksicht auf die technische Sicherheitsinfrastruktur des PIN-Systems begründet aber nach ganz herrschender Meinung in der Rechtsprechung die Verwendung der Karte unter Einsatz der richtigen PIN den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber entweder die angeblich missbräuchliche Transaktion selbst vorgenommen hat oder mit seiner PIN nicht sorgfältig umgegangen ist3. Dieser prima-facie-Beweis setzt voraus, dass der Auszahlungsvorgang durch das Geldautomaten-Protokoll ordnungsgemäß dokumentiert ist und die technisch-organisatorische Ausstattung des Systems mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Manipulationen ausschließt4. Dem steht auch nicht § 675w BGB entgegen, 1 Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 10; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527e; a.A. OLG Schleswig v. 13.6.1986 – 1 Ss 127/86, WM 1987, 64, 65. 2 Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 10. 3 So AG Berlin-Charlottenburg v. 16.12.2002 – 202 C 177/02, WM 2003, 1174, 1175; vgl. weiter LG Bonn v. 11.1.1995 – 5 S 163/94, WM 1995, 575; LG Köln v. 20.9.1994 – 11 S 338/92, WM 1995, 976 ff.; LG Frankfurt/M. v. 13.12.1995 – 2/1 S 154/95, WM 1996, 953; LG Frankfurt v. 12.5.1999 – 2/1 S 336/98; LG Darmstadt v. 10.11.1999 – 2 O 571/97, WM 2000, 911, 913; KG v. 10.1.1992 – 9 U 959/91, WM 1992, 729 = NJW 1992, 1051; OLG Stuttgart v. 13.3. 2002 – 9 U 63/01, WM 2003, 125, 127. Nach dem OLG Hamm besteht bei einem Missbrauch der Karte unter Benutzung der PIN grundsätzlich kein Anscheinsbeweis, weil nicht auszuschließen ist, dass der Täter die PIN selbständig durch Ausprobieren oder Entschlüsseln anhand der auf der Karte gespeicherten Daten ermittelt haben kann (OLG Hamm v. 17.3.1997 – 31 U 72/ 96, WM 1997, 1203 ff.); hiergegen Werner, WM 1997, 1516 ff.; LG Hannover v. 16.3.1998 – 20 S 97/97, WM 1998, 1123, 1124; AG Hannover v. 9.5.1997 – 567 C 9676/94, WM 1997, 1207; AG Berlin-Charlottenburg v. 13.8.1997 – 7b C 280/97, WM 1997, 2082; AG Berlin-Charlottenburg v. 17.10.1997 – 12 b C 164/97, WM 1998, 1124, 1125; AG Dinslaken v. 29.4.1998 – 8 C 42/98, WM 1998, 1126; AG Osnabrück v. 24.10.1997 – 47 C 335/97, WM 1998, 1128; AG Wildeshausen v. 28.5.1997 – 4 C 357/96 IV, WM 1998, 1128, 1129; LG Stuttgart v. 28.4.1999 – 13 S 239/ 98, WM 1999, 1934; LG Köln v. 30.8.2000 – 13 S 172/00, WM 2001, 852; LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00, WM 2001, 853; vgl. weiter OLG Oldenburg v. 29.8.2000 – 9 U 23/00, WM 2000, 2337, 2339 = NJW-RR 2000, 1718, 1719; OLG Frankfurt v. 7.12.2001 – 24 U 188/99, WM 2002, 1055; AG Hohenschönhausen v. 9.5.2001 – 11 C 430/99, WM 2002, 1057. Vgl. weiter Gößmann, WM 1998, 1264, 1269; Werner, WM 1997, 1516, 1517 m.w.N.; Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 11. S. auch BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308 = WM 2004, 2309; OLG Brandenburg v. 7.3.2007 – 13 U 69/06, WM 2007, 2193; OLG Frankfurt v. 30.1.2008 – 23 U 38/ 05, WM 2008, 534; OLG Karlsruhe v. 6.5.2008 – 17 U 170/07, WM 2008, 1549; kritisch Jungmann in Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2007, 2008, S. 329 ff.; BGH v. 29.11.2011 – XI ZR 370/10, WM 2012, 164; BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, WM 2016, 691, zwar zum Online-Banking, die darin aufgestellten Anforderungen an die „praktische Unüberwindbarkeit“ gelten aber auch für die Sicherheit der girocard. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527e; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. 6, 12 (31); Maihold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 54 Rz. 37 f.; OLG Celle v. 27.2.1985 – 3 U 148/84, WM 1985, 655, 656; AG Nürnberg v. 15.10.1986 – 23 C 5048/86, WM 1987, 9, 10; AG Saarbrücken v. 13.1. 1987 – 42 C 1078/86, WM 1987, 810, 811; AG Bochum v. 11.2.1988 – 44 C 445/86, WM 1988, 1629; LG Duisburg v. 22.12.1988 – 5 S 35/88, WM 1989, 181, 182 f.
678 | Werner
Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
der die Aufzeichnung des Zahlungsvorgangs und die Authentifizierung durch den Zahlungsdienstleister alleine als Nachweis nicht genügen lässt. Dies hat auch vor Schaffung des § 675w BGB noch nicht als Nachweis ausgereicht. Im Zuge der Umsetzung der PSD II folgt aus dem neu eingeführten § 675w Satz 4 BGB, dass der Zahlungsdienstleister „unterstützende Beweismittel“ vorlegen muss, um Betrug, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzers nachzuweisen. Was darunter genau zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Letztlich sollte es ausreichen, wenn all die von der Rechtsprechung als erforderlich angesehenen Voraussetzungen des Anscheinsbeweises vorliegen, denn diese gehen über die Aufzeichnung der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments und einer evtl. Authentifizierung hinaus. Außerdem müssen noch weitere Gesichtspunkte, wie die Funktionsfähigkeit und die Unüberwindlichkeit des Sicherungssystems hinzutreten1. Der Karteninhaber kann den Anscheinsbeweis nicht schon mit der pauschalen Behauptung entkräften, es sei möglich, die Geldausgabe mit ver- oder gefälschten Karten oder durch andere Formen des Systembruchs zu erschleichen und es sei auch eine Funktionsstörung des Geldautomaten nicht auszuschließen. Dasselbe gilt für die Einlassung, dass der benutzte Geldautomat gegen ein Ausspähen der PIN durch Dritte nicht ausreichend gesichert sei. Die Entkräftung des Anscheinsbeweises erfordert vielmehr die konkrete Darlegung möglicher Umstände, aus denen sich die Kenntnisnahme der PIN durch einen Unberechtigten plausibel ergeben könnte2. Behauptet ein Kontoinhaber, er habe aus einem Geldautomaten kein Geld erhalten, obwohl ein ordnungsgemäßer Auszahlungsvorgang aufgezeichnet wurde, sein Konto sei aber gleichwohl mit einem Betrag in Höhe der versuchten Abhebung belastet worden, so hat er sämtliche Voraussetzungen des Bereicherungsanspruches gegen das kontoführende Kreditinstitut zu beweisen. Dazu gehört auch die Bereicherung des Kreditinstitutes, die durch den Nachweis der ordnungsgemäßen Abstimmung des Geldautomaten widerlegt werden kann3.
4.765
VII. GeldKarte als elektronische Geldbörse Das im Jahre 1996 eingeführte GeldKarten-Verfahren4 ist ein weiteres Instrument zur bargeldlosen Erfüllung von Zahlungsverbindlichkeiten. Es eröffnet eine einfache, rationelle und kostengünstige Zahlungsmöglichkeit in allen Bereichen, in denen überwiegend „kleinere Beträge“ geschuldet werden. In Betracht kommen insbesondere der Personennahverkehr, Parkhäuser, Warenautomaten, Sport- und Kulturveranstaltungen, Kioske sowie Kantinen.
4.766
Mit Rücksicht auf diesen Verwendungszweck und zwecks Beschränkung des Verlustrisikos wird die GeldKarte nur mit Beträgen bis zu maximal 200 € aufgeladen. Bei dieser Aufladung werden elektronische Werteinheiten in dem Chip der GeldKarte gespeichert. Diese
4.767
1 BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309 ff.; BGH v. 29.11.2011 – XI ZR 370/10, WM 2012, 164; BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, WM 2016, 691 zum Online-Banking. 2 AG Berlin-Charlottenburg v. 16.12.2002 – 202 C 177/02, WM 2003, 1174, 1175. 3 AG Burgdorf v. 25.10.1993 – 3 C 532/93, WM 1993, 2122. 4 Kümpel, WM 1997, 1037 ff.; Werner in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Juli 2017, Teil 13.5.; Schwolow, Die „Elektronische Geldbörse“, in Herrmann/Berger/ Wackerbarth (Hrsg.), Deutsches und Internationales Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 272 ff.; Friedrich/Möker, Vorausbezahlte Karten – eine Bewertung aus der Sicht der Deutschen Bundesbank, 2. Aufl. 1995; Pfeiffer, NJW 1997, 1036 ff.; Groß in FS Schimansky, 1999, S. 165 ff.; BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309.
Werner | 679
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Werteinheiten werden beim Karteneinsatz an den GeldKarten-Terminals zur Bezahlung des geschuldeten Geldbetrages verbraucht. Dasselbe geschieht bei den Telefonkarten, die schon seit geraumer Zeit als Chipkarte für die Benutzung von Kartentelefonen verwendet werden.
4.768
Die GeldKarte basiert auf der Chipkartentechnologie. Hier wird die Karte mit einem Mikroprozessor ausgestattet, der einen unmittelbaren Dialog mit dem Prozessor (Rechner) des GeldKarten-Terminals zur Autorisierung des jeweiligen Karteneinsatzes ermöglicht. Die Technologie der Prozessorchipkarte als eines miniaturisierten Computers sowie die Begrenzung des Höchstbetrages an Chipgeld auf 200 € bietet eine höhere Sicherheit gegenüber der Verwendung der Zahlungskarte mit ihrer Magnetstreifentechnik (sog. Hybridkarten). Deshalb konnte auf die Verwendung einer persönlichen Geheimzahl (PIN) und die Einschaltung der jeweiligen Autorisierungsstelle der kartenausgebenden Kreditinstitute verzichtet werden, wie sie bei der Nutzung des electronic cash-Systems und Geldautomaten zur „Genehmigung“ des jeweiligen Zahlungsvorgangs erfolgt. Hierdurch soll eine missbräuchliche Verwendung abhanden gekommener Bankkunden-Karten vermieden werden (sog. „Online“-Autorisierung). Die mit einer solchen Online-Abfrage verbundenen Kosten der Datenkommunikation entfallen dagegen bei der „Offline-Autorisierung“ der Chipkartentechnologie. Die GeldKarte kann entweder an speziellen, mit dem GeldKarten-Logo gekennzeichneten Terminals oder zunehmend auch an Geldautomaten aufgeladen werden. Bei einer kontobezogenen Karte geschieht dies zu Lasten des Kontos, für das die Karte ausgestellt wurde in Verbindung mit der persönlichen Geheimzahl (PIN), wie sie auch für Bargeldabhebungen an in- und ausländischen Geldautomaten oder beim bargeldlosen Zahlen an automatisierten Kassen des inländischen electronic cash-Systems benötigt werden. 1. „Chipgeld“ als Bargeldersatz
4.769
Die GeldKarte mit ihrem im Chip gespeicherten Betrag („Chip“geld) soll entsprechend der ihr zugewiesenen Funktion die mit Bargeld bestückte Geldbörse ersetzen. Sie wird deshalb auch als elektronische Geldbörse bezeichnet.
4.770
Die Funktion der GeldKarte als Bargeldersatz wird insbesondere beim technischen Ablauf des Karteneinsatzes wahrnehmbar. Das aktuell verfügbare Chipgeld wird hierbei jeweils um den vom Karteninhaber geschuldeten Betrag vermindert, so wie sich bei der Ausgabe von Banknoten und Geldmünzen der Bestand des sich in der Geldbörse befindlichen Bargelds reduziert.
4.771
Die Funktion des Chipgelds als Bargeldersatz zeigt sich besonders deutlich in den Fällen, in denen die GeldKarte nicht durch Belastung des Girokontos, also unter Rückgriff auf „Buchgeld“, sondern gegen Einzahlung von Bargeld aufgeladen wird und damit unmittelbar Banknoten und Geldmünzen in elektronisches Geld umgewandelt werden.
4.772
GeldKarten, bei denen das ausgebende Institut die sofortige Deckung in Form von Bargeld erhält, werden als sog. „weiße Karten“ ausgegeben, die ausschließlich GeldKarten-Funktion haben. Als Karteninhaber kommen regelmäßig Touristen und Geschäftsreisende in Betracht, die keine Kontoverbindung zu dem kartenausgebenden Institut unterhalten. Diese „weißen Karten“ sind keinem bestimmten Girokonto zugeordnet. Deshalb können diese „entpersonalisierten“ Karten auch nicht unmittelbar, sondern allenfalls unter Verwendung einer Zahlungskarte oder Kundenkarte mit deren PIN und innerhalb deren Verfügungsrahmen zu Lasten von Giroguthaben aufgeladen werden. 680 | Werner
Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
2. GeldKarte als „vorausbezahlte“ Geldbörse Bei der GeldKarte wird der im Chip gespeicherte Betrag schon bei ihrer Ausgabe vom Girokonto des Karteninhabers abgebucht, wenn hierfür kein Bargeld zur Verfügung gestellt wird. Dagegen kommt es bei der Inanspruchnahme des electronic cash-Systems zu einer entsprechenden Belastung des Girokontos des Kontoinhabers erst dann, nachdem ein electronic cash-Umsatz getätigt worden ist. Bei der GeldKarte muss jedoch im Regelfall eine wesentlich schnellere Inanspruchnahme aus dem Karteneinsatz einkalkuliert werden. Die Funktion der GeldKarte als Ersatz von „Kleingeld“ für den täglichen Bedarf lässt eine baldige Ausgabe des im Chip gespeicherten „elektronischen Gelds“ erwarten. Dies rechtfertigt es, den Gegenwert dieses „Chipgelds“ schon bei Aushändigung der Karte vom Girokonto als auftragsrechtlichen Vorschuss (§ 669 BGB) abzubuchen1, obwohl – wie sich aus § 675t Abs. 3 BGB ergibt – die Geltendmachung eines Vorschusses nicht mehr grundsätzlich zulässig ist2. Hier dürfte in der Übertragung des Geldbetrags ein „Überlassen“ des Buchgelds zu sehen sein, für das dann kein Vorschuss, sondern ein Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB geltend gemacht wird. Für solche „Kleinbetragszahlungsinstrumente“ gelten im Übrigen – wie sich aus § 675i BGB ergibt – rechtliche Sonderregelungen.
4.773
Schließlich wird durch die sofortige Kontobelastung vermieden, dass es zu einer Vielzahl kostenaufwendiger Belastungen des Girokontos mit verhältnismäßig geringfügigen Beträgen aus dem Karteneinsatz im Kleinpreis-Bereich kommt.
4.774
Der vom Girokonto abgebuchte Betrag wird einem bankinternen „Geldbörsen-Verrechnungskonto“ gutgeschrieben, aus dem alle vorausbezahlten Beträge für die ausgegebene GeldKarte als Deckung des die Karte emittierenden Instituts für seine spätere Inanspruchnahme aus den Kartenumsätzen verbucht werden. Soweit der Kunde das Chipgeld nicht verbraucht hat, muss das Institut diesen Vorschuss in entsprechender Höhe wieder zurückgewähren, wenn ihm die GeldKarte zum „Entladen“ zurückgegeben wird. Der Beauftragte (Institut) hat dasjenige, was er zur Durchführung der übertragenen Geschäftsbesorgung (Vorschuss) erhalten, aber letztlich nicht benötigt hat, wieder herauszugeben (§ 667 BGB). Auch daran wird deutlich, dass es sich bei der GeldKarte um einen Zahlungsdienst i.S.d. § 675c BGB handelt, auf den die entsprechenden Regelungen der §§ 675c ff. BGB mit den Modifikationen des § 675i BGB grundsätzlich anwendbar sind.
4.775
3. Rechtliche Parallelen zur Grundstruktur des kartengesteuerten Zahlungsverkehrs Die verschiedenartigen Instrumente des kartengestützten Zahlungsverkehrs sind aus rechtlicher Sicht durch eine gleichförmige Grundstruktur geprägt. Dies gilt auch für die GeldKarte als Kleinbetragszahlungsinstrument gem. § 675i BGB. Der Karteninhaber will zu Lasten seines Girokontos eine Geldschuld im Wege des bargeldlosen Zahlungsverkehrs erfüllen und deshalb eine entsprechende Kontoverfügung gegenüber seinem Institut vornehmen. Dabei soll sein Vertragspartner, der die von ihm geschuldete Leistung vor Erhalt einer Gutschrift auf seinem Girokonto zu erbringen hat, gegen das Risiko dieser Vorleistung durch eine abstrakte Zahlungsverbindlichkeit des kartenausgebenden Instituts abgesichert werden.
1 Groß in FS Schimansky, 1999, S. 165, 168; a.A. Koller in FS Schimansky, 1999, S. 209, 219. 2 Grundmann, WM 2009, 1109, 1113.
Werner | 681
4.776
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
a) Erteilung eines Zahlungsauftrags
4.777
Die äußere Form dieser Verfügungen über das Giroguthaben kann freilich recht verschieden sein. Beim electronic cash-System und Geldautomaten-System erteilt der Bankkunde mit der Eingabe seiner Zahlungskarte und seiner persönlichen Geheimzahl (PIN) in die automatisierte Ladenkasse bzw. den benutzten einen Zahlungsauftrag gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB, wobei der Auftrag hier mittelbar über den Zahlungsempfänger und eine Zustimmung zur Zahlung gem. § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB erteilt wird. Diese Auftragserteilung erfolgt im Rahmen des Girovertrags, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt.
4.778
Bei der Ausübung des girovertraglichen Weisungsrechts anlässlich des Einsatzes der GeldKarte ergibt sich eine wertungsmäßige Parallele zum electronic cash-System. Dort wird dieser Zahlungsauftrag dadurch erteilt, dass die Zahlungskarte in die automatisierte Ladenkasse mit der PIN eingegeben und die Bestätigungstaste des Händler-Terminals gedrückt wird. Hierin liegt die Auftragserteilung des Karteninhabers an das ausgebende Institut, den Gegenwert an seinen zahlungsberechtigten Vertragspartner zu Lasten seines Girokontos zu zahlen.
4.779
Rechtsgeschäftlich nichts anderes geschieht, wenn der Girokunde seine GeldKarte in die autorisierte Ladenkasse eingibt und damit seinem Institut konkludent den Auftrag erteilt, den Gegenwert an seinen Vertragspartner aus der von seinem Girokonto bereits abgebuchten Vorauszahlung zu leisten. Denn für die rechtsgeschäftliche Bedeutung des Karteneinsatzes ist es unerheblich, ob der Girokunde seine Karte im Rahmen des electronic cash-Systems oder im GeldKarten-System verwendet. Dies wird besonders deutlich in den Fällen erkennbar, in denen die multifunktionale Zahlungskarte zugleich auch mit der Geldbörsenfunktion ausgestattet ist. Für die Bewertung des rechtsgeschäftlichen Willens des Benutzers der Karte kann deren Eingabe in das Terminal nicht unterschiedlich beurteilt werden. Denn der Karteninhaber will in beiden Fällen seine kontoführende Stelle zu einer bargeldlosen Zahlung an seinen zahlungsberechtigten Vertragspartner veranlassen. Die GeldKarte verkörpert also ein die Möglichkeit zur Erteilung von Aufträgen gegenüber dem emittierenden Institut und kein Bargeld. Sie steht deshalb als bloße Legitimationsurkunde der girocard näher als der Banknote oder der Geldmünze1.
4.780
Der mit dem Einsatz der GeldKarte konkludent erteilte Auftrag des Karteninhabers, seinem Vertragspartner den geschuldeten Geldbetrag zu Lasten der bereits von seinem Girokonto abgebuchten Vorauszahlung zu verschaffen, wird anschließend auch seinem Institut übermittelt. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB erwähnt die Möglichkeit der Auftragserteilung über den Empfänger ausdrücklich. Diese Übermittlung ist für das Wirksamwerden dieses Kundenauftrags unverzichtbar. Denn solche Zahlungsaufträge werden, erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Zahlungsdienstleister des Zahlers- also des Karteninhabers – gem. § 675n Abs. 1 BGB zugehen. Dieser Zugang erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem die systemimmanente (Inkasso-)Lastschrift über den betreffenden GeldKarten-Umsatz bei dem kartenausgebenden Institut zur Einlösung eingeht. Insoweit ergibt sich eine Parallele zum Kreditkarten-System. Auch dort werden die Kartenumsätze per Lastschrift eingezogen. Der Inhaber der Kreditkarte erteilt auch bei diesem Karteneinsatz einen Zahlungsauf-
1 Schön, AcP 198 (1998), 401, 428.
682 | Werner
Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
trag gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB, seine Zahlungsverbindlichkeiten gegenüber seinem Vertragspartner zu erfüllen1. Insbesondere im bargeldlosen Zahlungsverkehr stellt es keine Besonderheit dar, wenn solche Zahlungsaufträge des Kontoinhabers seiner kontoführenden Stelle nicht unmittelbar zugehen, sondern eine Vielzahl von übermittelnden Zwischenpersonen eingeschaltet sind. Dies gilt für den Scheck als traditionelles Zahlungsinstrument ebenso wie für das OnlineBanking, wo ein solcher elektronischer Zahlungsauftrag erst über verschiedene Server unbemerkt springt, um zur kontoführenden Hausbank zu gelangen2.
4.781
b) Begründung einer abstrakten Zahlungsverbindlichkeit des kartenausgebenden Institutes Wie bei der Verwendung der girocard zur Inanspruchnahme des electronic cash-Systems ist das Interesse der zahlungsberechtigten Handels- oder Dienstleistungsunternehmen darauf gerichtet, dass ihnen zur Absicherung ihrer an den Karteninhaber erbrachten Vorleistung ein (abstrakter) Zahlungsanspruch gegen das kartenausgebende Institut verschafft wird. Der Erwerb eines Garantieanspruchs vollzieht sich beim electronic cash-System mit der „Genehmigung“ des jeweiligen Zahlungsvorganges durch die systemimmanente Autorisierungszentrale (sog. Online-Autorisierung). Auch hierdurch wird für den Gläubiger ein solcher Zahlungsanspruch begründet3 und gleichzeitig sowohl ein Zahlungsauftrag gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB sowie eine Zustimmung zur Zahlung über den Zahlungsempfänger gem. § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB unter Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments erteilt.
4.782
aa) Zustandekommen des Zahlungsanspruchs Einvernehmen besteht, dass der vorleistende Gläubiger auch beim Einsatz der GeldKarte einen Zahlungsanspruch gegen den Kartenausgeber erwirbt, um deren größtmögliche Akzeptanz im Rechtsverkehr zu gewährleisten. Bei der GeldKarte tritt für diesen Anspruchserwerb an die Stelle der Online-Autorisierung des electronic cash-Systems mit ihrer garantiebegründenden Wirkung der elektronische Dialog zwischen dem Prozessor des GeldKarten-Terminals und dem Prozessor im Chip der GeldKarte. Dieser Dialog deckt sich aus der Sicht der rechtsgeschäftlichen Begründung der Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstituts vollständig mit dem garantiebegründenden Autorisierungsvorgang beim electronic cash-System.
4.783
Auch beim GeldKarten-Verfahren wird der Bezahlvorgang vom Prozessor des GeldKartenTerminals (sog. Händlerkarte) initiiert. Hierzu liest die Händlerkarte die Identifikation der in den Terminal eingeführten GeldKarte sowie den Chipgeldbestand und führt die erforderlichen Plausibilitätsprüfungen durch. Sodann generiert die Händlerkarte einen Befehl an den Prozessor der GeldKarte zur „Abbuchung“ eines Chipgeldbetrages in Höhe des ge-
4.784
1 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; KG v. 8.6.1993 – 13 U 119/93, WM 1993, 2044, 2045; OLG Schleswig v. 29.11.1990 – 5 U 143/89, WM 1991, 453; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 11; Martinek, Moderne Vertragstypen, Bd. III, 1993, S. 77 ff.; Oechsler, WuB I D 5–3.94; Escher, WM 1997, 1173, 1175. 2 Escher, WM 1997, 1173, 1174. 3 Ahlers, WM 1995, 601, 605; nach Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 9 übernimmt die Käuferbank ein (abstraktes) Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB; für das Vorliegen eines Schuldversprechens Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1625; Groß in FS Schimansky, 1999, S. 165, 176.
Werner | 683
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
schuldeten Geldbetrages. Nach der Reduzierung des gespeicherten Chipgeldbestandes („Abbuchung“) generiert der Prozessor der GeldKarte einen Datensatz mit den Transaktionsdaten, zu denen insbesondere der „abzubuchende“ Chipgeldbetrag, der Name des kartenausgebenden Institutes und die Kontonummer des Karteninhabers gehören. Dieser Transaktionssatz wird sodann mit einem Echtheitszertifikat an die Händlerkarte übermittelt. In dieser Übermittlung liegt das konkludente Angebot der kartenausgebenden Bank auf die vertragliche Begründung ihrer Zahlungsverbindlichkeit. Dieses Angebot wird vom Vertragspartner des Kartenbenutzers dadurch konkludent angenommen, dass die Händlerkarte den Transaktionsbetrag zu dem auf ihr gespeicherten Saldo addiert. Mit dieser Annahmeerklärung ist der Garantievertrag zustande gekommen. Auf eine „Rückmeldung“ dieser Erklärung wird verzichtet (§ 151 BGB)1.
4.785
Bei der GeldKarte tritt für die Generierung des Vertragsangebots der kartenausgebenden Stelle an die Stelle des Prozessors der zentralen Autorisierungsstelle des electronic cashSystems der in den GeldKarten-Chip integrierte Prozessor. Dabei dienen die in den Chip gespeicherten elektronischen Werteinheiten (Chipgeld) dem Lesegerät des GeldKarten-Terminals als elektronischer Legitimationsnachweis für die Abgabe eines wirksamen Vertragsangebotes des kartenausgebenden Instituts. Die Rechtsnatur des „Chip“gelds ist also anders als das „Buch“geld in Form der Gutschriften auf dem Girokonto kein abstrakter Zahlungsanspruch gegen das kartenausgebende Institut. Das Chipgeld hat vielmehr nur eine Legitimationsfunktion bei der Begründung einer abstrakten Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts.
4.786
Die Händlerkarte generiert im Übrigen einen Transaktionssatz, der mit einem eigenen Zertifikat gesichert und im Terminal gespeichert wird. Auf Grund dieser Speicherung können die Lastschriften erstellt werden, mit denen die Gegenwerte des „abgebuchten“ Chipgeldbetrages bei den kartenausgebenden Instituten zu Lasten ihrer internen GeldbörsenVerrechnungskonten eingezogen werden können. bb) Übernahme einer Zahlungsgarantie
4.787
Kein Einvernehmen besteht darüber, ob der Zahlungsanspruch aus GeldKarten-Umsätzen wie bei den Umsätzen im electronic cash-System als ein abstrakter Garantieanspruch einzuordnen ist. Hierfür spricht jedoch die Interessenlage der Beteiligten und auch der Umstand, dass es sich bei der GeldKarte wie schon beim electronic cash-System im Kern um eine technische Fortentwicklung der durch das kartenausgebende Kreditinstitut „abgesicherten“ bargeldlosen Erfüllung einer Zahlungsverbindlichkeit des Schuldners in Form einer Garantie handelt2. Dementsprechend ist in Nr. 4 der einheitlichen „Bedingungen für die Teilnahme am System GeldKarte“, wie sie zwischen den teilnehmenden Unternehmen und ihren kontoführenden Instituten vereinbart werden, klargestellt, dass das jeweilige Unternehmen mit Abschluss eines ordnungsgemäßen Bezahlvorgangs mittels GeldKarte an zugelassenen GeldKarten-Terminals eine „Garantie“ gegen das kartenausgebende Institut in Höhe des getätigten Umsatzes erwirbt3. 1 Nach Gößmann kommt der Garantievertrag dadurch zustande, dass der Karteninhaber als offener Stellvertreter der kartenausgebenden Bank handelt (Gößmann in FS Schimansky, 1999, S. 145, 160 ff.). 2 Escher, WM 1997, 1173, 1180; Kümpel, WM 1997, 1037, 1040; vgl. weiter Gößmann, Zustandekommen der Zahlungsgarantie im elektronischen Zahlungsverkehr, in FS Schimansky, 1999, S. 145, 151, 164. 3 Diese „Bedingungen“ sind Bestandteil der von den kreditwirtschaftlichen Spitzenverbänden getroffenen „Vereinbarung über das institutsübergreifende System GeldKarte“.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme | Teil 4
4. Haftung des Kontoinhabers für missbräuchliche Verwendung der GeldKarte Mit Rücksicht auf den Charakter der GeldKarte als elektronisches Geld und Kleinbetragszahlungsinstrument ist gem. § 675i Abs. 3 BGB die Haftung des Kartenemittenten für abhanden gekommene Karten und die darin gespeicherten Beträge ausgeschlossen, da weder das Zahlungskonto, auf das sie bezogen sind, noch die Karten selbst gegen Verfügungen durch Entladen gesperrt werden können. Hinsichtlich der Zahlungsfunktion ist deshalb eine GeldKarte wie Bargeld zu behandeln. Soweit es dagegen um den Aufladevorgang geht, gelten hinsichtlich der Haftung die gleichen Regelungen wie bei der missbräuchlichen Verwendung der girocard an automatisierten Kassen oder am Geldautomaten.
4.788
Soweit den Kunden an einer missbräuchlichen Verwendung der GeldKarte kein Verschulden trifft, begründet die vorstehend dargestellte Risikoverteilung einen weiteren Fall einer verschuldensunabhängige Risikohaftung. Da diese Sphärenhaftung auf den gesetzlichen Regelungen beruht, stellt sich die Frage der Zulässigkeit nicht mehr. Darüberhinaus ist – da die Karte nicht mit einem höheren Betrag als 200 € aufgeladen werden kann und gem. § 675i Abs. 1 Satz 3 BGB zur Inanspruchnahme des Haftungsprivilegs auch nicht darf – das wirtschaftliche Risiko der Sphärenhaftung begrenzt.
4.789
Hinzu kommt, dass der Kunde die Höhe dieses Verlustrisikos selbst zu steuern vermag. Soll die maximale Haftungsgrenze von 200 € nicht ausgeschöpft werden, so kann die Karte mit wesentlich niedrigeren Beträgen aufgeladen und hierdurch die Höhe des Verlustrisikos entsprechend eingeschränkt werden.
4.790
Schließlich ist diese verschuldensunabhängige Haftung des Kunden auf den Betrag beschränkt, der bei Abhandenkommen der GeldKarte noch in deren Chip gespeichert ist. Denn soll die Karte zu Lasten des Girokontos des betroffenen Girokunden durch Benutzung eines Geldautomaten aufgeladen werden, bedarf es hierzu der GeldKarte und der Verwendung der dazugehörigen PIN. Für dieses missbräuchliche Aufladen gelten dann die Bedingungen für die girocard, die eine Haftung des Kunden in Abhängigkeit von seinem Verursachungsbeitrag mit einer auf 50 € beschränkten Haftung als Sphärenhaftung bei bestimmten Fallkonstellationen und bei leichter Fahrlässigkeit und einer unbeschränkten Haftung bei grober Fahrlässigkeit, Vorsatz und Absicht vorsieht.
4.791
5. GeldKartengeschäft als genehmigungspflichtiger Zahlungsdienst Die 6. Novelle zum KWG hatte den gesetzlichen Katalog der „lizenz“pflichtigen Bankgeschäfte wesentlich erweitert. Hierbei war auch das GeldKartengeschäft aufgenommen und damit zum erlaubnispflichtigen Bankgeschäft geworden (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG a.F.).
4.792
Der Gesetzgeber hielt es im Zusammenhang mit der Umsetzung der E-Geld-Richtlinie1 für geboten, das GeldKartengeschäft wie auch das Netzgeldgeschäft in einem möglichst frühen Stadium der Bankenaufsicht zu unterwerfen. Nach seiner Einschätzung könnten diese beiden innovativen Zahlungsinstrumente bei größerer Akzeptanz zu einer entsprechenden Verdrängung der Barzahlungen und der traditionellen Buchgeldzahlungen führen und damit zu einem Risikofaktor für den gesamten Zahlungsverkehr werden. So könnte die In-
4.793
1 Richtlinie 2000/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.9.2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, ABl. EG Nr. L 275, S. 39.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
solvenz eines bedeutenden Kartenemittenten oder Netzbetreibers das Vertrauen in diese neuartigen Zahlungsinstrumente erschüttern; dies könnte auch durch massive Fälschungen oder zahlreiche systembedingte Fehlbuchungen geschehen. Ein solcher Vertrauensverlust könnte wiederum zu Verwerfungen des gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit gravierenden volkswirtschaftlichen Konsequenzen führen1.
4.794
Die Wahrscheinlichkeit solcher Störfälle sollte nach Meinung des Gesetzgebers zudem wesentlich geringer sein, wenn die GeldKarten-Ausgabe und Netzgeld-Emission durch Institute erfolgt, die über einschlägige langjährige Erfahrungen und Sicherheitsstandards verfügen2. Deshalb beschränkt sich die Richtlinie 2000/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von EGeld-Instituten auf Unternehmen des Nicht-Bankenbereichs, die insoweit bankaufsichtsrechtlichen Mindeststandards unterworfen werden sollen.
4.795
Die Erstreckung der Bankenaufsicht auf das GeldKarten-Geschäft ist gesetzestechnisch zunächst durch Aufnahme in den gesetzlichen Katalog der Bankgeschäfte in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG a.F. erfolgt. Hierzu musste diese „lizenz“pflichtige Geschäftsart im Wege einer Legaldefinition tatbestandsmäßig umschrieben werden. Das Geldkartengeschäft wurde durch die 6. KWG-Novelle v. 22.10.1997 definiert als „die Ausgabe vorausbezahlter Karten zu Zahlungszwecken“ (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG a.F.). 6. E-Geld-Geschäft und Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinien
4.796
Durch das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ist der frühere Bankgeschäftstatbestand „GeldKarten-Geschäft“ und das „Netzgeldgeschäft“ (vorher § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 KWG a.F.) zu dem Bankgeschäftstatbestand „E-Geld-Geschäft“ zusammengefasst worden. Das Gesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG a.F.) definierte das EGeld-Geschäft „als die Ausgabe und die Verwaltung von elektronischem Geld“. Dieser Tatbestand orientierte sich begrifflich an der E-Geld-Richtlinie, der die beiden jetzt zusammengefassten Tatbestände vorausgegangen waren. Durch den entsprechenden Tatbestand hatte sich an der materiellen Rechtslage nichts geändert. Die Wortwahl „Ausgabe und Verwaltung“ berücksichtigt die Nebengeschäfte, die E-Geld-Institute zulässigerweise betreiben können (Art. 1 Abs. 5 E-Geld-Richtlinie)3. im Zuge der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinien ist das E-Geld-Geschäft und damit auch die Ausgabe der GeldKarte aus dem Bereich der Bankgeschäfte herausgenommen worden, so dass die E-Geld-Institute, wie sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZAG ergibt, Zahlungsdienstleister sind und der Aufsicht des ZAG unterliegen.
4.797–4.800 Einstweilen frei.
8. Abschnitt: Kreditkartengeschäft 4.801
Das Kreditkartengeschäft hat seine Ursprünge in den USA und ist heute auch im inländischen Zahlungsverkehr nicht mehr wegzudenken. Gegenüber der Zahlungskarte hat die Kreditkarte den Vorteil, dass sie nach ihrer Grundkonzeption ohne eine betragsmäßige Grenze verwendet werden kann. Bei größeren Beträgen müssen sich freilich die Unterneh1 BT-Drucks. 13/7142, 64, 65. 2 BT-Drucks. 13/7142, 64, 65. 3 BT-Drucks. 936/01 (neu), 315.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
solvenz eines bedeutenden Kartenemittenten oder Netzbetreibers das Vertrauen in diese neuartigen Zahlungsinstrumente erschüttern; dies könnte auch durch massive Fälschungen oder zahlreiche systembedingte Fehlbuchungen geschehen. Ein solcher Vertrauensverlust könnte wiederum zu Verwerfungen des gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit gravierenden volkswirtschaftlichen Konsequenzen führen1.
4.794
Die Wahrscheinlichkeit solcher Störfälle sollte nach Meinung des Gesetzgebers zudem wesentlich geringer sein, wenn die GeldKarten-Ausgabe und Netzgeld-Emission durch Institute erfolgt, die über einschlägige langjährige Erfahrungen und Sicherheitsstandards verfügen2. Deshalb beschränkt sich die Richtlinie 2000/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von EGeld-Instituten auf Unternehmen des Nicht-Bankenbereichs, die insoweit bankaufsichtsrechtlichen Mindeststandards unterworfen werden sollen.
4.795
Die Erstreckung der Bankenaufsicht auf das GeldKarten-Geschäft ist gesetzestechnisch zunächst durch Aufnahme in den gesetzlichen Katalog der Bankgeschäfte in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG a.F. erfolgt. Hierzu musste diese „lizenz“pflichtige Geschäftsart im Wege einer Legaldefinition tatbestandsmäßig umschrieben werden. Das Geldkartengeschäft wurde durch die 6. KWG-Novelle v. 22.10.1997 definiert als „die Ausgabe vorausbezahlter Karten zu Zahlungszwecken“ (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG a.F.). 6. E-Geld-Geschäft und Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinien
4.796
Durch das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ist der frühere Bankgeschäftstatbestand „GeldKarten-Geschäft“ und das „Netzgeldgeschäft“ (vorher § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 KWG a.F.) zu dem Bankgeschäftstatbestand „E-Geld-Geschäft“ zusammengefasst worden. Das Gesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG a.F.) definierte das EGeld-Geschäft „als die Ausgabe und die Verwaltung von elektronischem Geld“. Dieser Tatbestand orientierte sich begrifflich an der E-Geld-Richtlinie, der die beiden jetzt zusammengefassten Tatbestände vorausgegangen waren. Durch den entsprechenden Tatbestand hatte sich an der materiellen Rechtslage nichts geändert. Die Wortwahl „Ausgabe und Verwaltung“ berücksichtigt die Nebengeschäfte, die E-Geld-Institute zulässigerweise betreiben können (Art. 1 Abs. 5 E-Geld-Richtlinie)3. im Zuge der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinien ist das E-Geld-Geschäft und damit auch die Ausgabe der GeldKarte aus dem Bereich der Bankgeschäfte herausgenommen worden, so dass die E-Geld-Institute, wie sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZAG ergibt, Zahlungsdienstleister sind und der Aufsicht des ZAG unterliegen.
4.797–4.800 Einstweilen frei.
8. Abschnitt: Kreditkartengeschäft 4.801
Das Kreditkartengeschäft hat seine Ursprünge in den USA und ist heute auch im inländischen Zahlungsverkehr nicht mehr wegzudenken. Gegenüber der Zahlungskarte hat die Kreditkarte den Vorteil, dass sie nach ihrer Grundkonzeption ohne eine betragsmäßige Grenze verwendet werden kann. Bei größeren Beträgen müssen sich freilich die Unterneh1 BT-Drucks. 13/7142, 64, 65. 2 BT-Drucks. 13/7142, 64, 65. 3 BT-Drucks. 936/01 (neu), 315.
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Kreditkartengeschäft | Teil 4
men, die die Kreditkarte auf Grund eines Rahmenvertrages mit dem Kartenherausgeber zu akzeptieren haben (sog. Vertragsunternehmen), die Verwendung durch eine Autorisierungszentrale des Kartenherausgebers (Emittent) bestätigen lassen. Mit diesen „Genehmigungs“anfragen soll auch die missbräuchliche Verwendung von Kreditkarten aufgedeckt werden. Bei nicht genehmigter Limitüberschreitung braucht der Kartenherausgeber nicht zu zahlen. Ein solcher Ausschluss der Zahlungspflicht stellt keine unangemessene Regel i.S.d. § 307 BGB dar1.
4.802
Das Kreditkartengeschäft der deutschen Kreditinstitute stützt sich vor allem auf die Ausgabe der MasterCard. Für die Entwicklung des Eurocard-Systems ist die Eurocard International S.A., Brüssel, gegründet worden. Diese Dachorganisation sollte sich um die Produktentwicklung und den weiteren Ausbau des Systems kümmern. Die Gesellschaft wurde am 1.7.1992 mit der eurocheque International S.A., Brüssel, zur Europay International S.A., Brüssel, fusioniert, die nunmehr als Master Card Europe Inc. firmiert. Unter dem Dach dieser neuen Gesellschaft werden verschiedene Produktgruppen mit einer Vielzahl von individuellen Funktionen und Dienstleistungen einschließlich der Master Card betreut2.
4.803
Das Kreditkartengeschäft stellt kein Bankgeschäft im gesetzlichen Sinne des Kataloges der lizenzpflichtigen Bankgeschäfte dar, wie sie § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG enthält3. Nach der Neufassung des KWG durch das Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften v. 22.10.1997 gehörten Unternehmen, deren Haupttätigkeit in der Ausgabe oder Verwaltung von Kreditkarten besteht, zu den sog. Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 KWG a.F.). Diese Institute sind von den sog. Finanzdienstleistungsinstituten zu unterscheiden, bei denen es sich um Unternehmen handelt, die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die keine Kreditinstitute sind (§ 1 Abs. 1a KWG). Die Erbringung solcher Finanzdienstleistungen bedarf anders als die Tätigkeiten der Finanzinstitute einer staatlichen Erlaubnis (vgl. § 32 Abs. 1 KWG).
4.804
Das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz hatte das Kreditgartengeschäft in den Katalog der Finanzdienstleistungen aufgenommen (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG a.F.). Die das Kreditgeschäft betreibenden Unternehmen bedurften danach einer staatlichen Erlaubnis gem. § 32 Abs. 1 KWG und unterlagen der Bankenaufsicht. Diese Maßnahme erschienen erforderlich, weil das Kreditkartengeschäft nach den zwischenzeitlichen Erfahrungen verstärkt für Geldwäschezwecke über die Nutzung sog. Kreditkartenkonten missbraucht worden war. Bestimmte Varianten der Kreditkarte ermöglichen den Transfer von Geldern ins Ausland, ohne dass bislang die Zahlungsströme des Kartengeschäfts einer Aufsicht nach dem Geldwäschegesetz unterstellt waren4. Das KWG (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 a.F.) definierte das Kreditkartengeschäft als die Ausgabe oder Verwaltung von Kreditkarten und Reiseschecks, es sei denn, der Kartenemittent war auch der Erbringer der dem Zahlungsvorgang zugrunde liegenden Leistung. Dabei erfasste der Begriff des Kreditkartengeschäfts nach den Gesetzesmaterialien auch Zahlungen über Zahlungssysteme, die neben konventionellen Kartenverfahren Zahlungen unter Einsatz eines elektronischen Mediums etwa über Internet unter Verwendung der Kreditkartennummer ermög-
4.805
1 2 3 4
Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 75. van Eldik, WM 1993, 283. Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 68. BT-Drucks. 936/01 (neu), 316; BT-Drucks. 14/8017, 112.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
lichten1 (sog. Telefon- oder Mailorderverfahren2). Dasselbe galt für sonstige moderne Abwicklungssysteme von Zahlungen, etwa über das Mobile Banking oder die WAP-Technologie, weil sich diese Zahlungssysteme auf Grund ihrer Intransparenz ebenfalls für Geldwäschezwecke nutzen lassen3. Im Zuge der Umsetzung der beiden Zahlungsdiensterichtlinien in deutsches Recht ist das Kreditkartengeschäft durch Streichung von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG a.F. aus dem Katalog der erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte herausgenommen worden. Es handelt sich dabei jetzt um einen Zahlungsdienst gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZAG, der einer entsprechenden Erlaubnis nach § 8 ZAG bedarf. Damit unterliegen Kreditkarteninstitute nicht mehr der Bankenaufsicht durch die BAFin, wohl aber der Aufsicht eines Zahlungsdienstleisters. Auch diese Aufgabe wird durch die BAFin ausgeübt.
I. Wirtschaftliche Funktionen 4.806
Der Vorteil der Kreditkarte liegt für den Benutzer in der Bequemlichkeit und Sicherheit, die die bargeldlose Zahlung dieses Verfahrens mit sich bringt4. Die Kreditkarte ist besonders für den geschäftlichen Reiseverkehr geeignet. Bei häufiger Benutzung ergeben sich Zinsvorteile5. Denn der Karteninhaber wird erst nachträglich mit den Beträgen belastet, die der Kartenemittent an Vertragsunternehmen als Vertragspartner des Karteninhabers zu zahlen hatte. Diese Zinsvorteile können die für die Karte zu entrichtende Benutzungsgebühr kompensieren.
4.807
Der Vorteil der Kreditkarten akzeptierenden Unternehmen liegt in der Erweiterung ihres Kundenpotentials und der sich daraus ergebenden Chance auf Umsatzsteigerung. Insbesondere die auf der Durchreise befindlichen Personen wären ohne das Kreditkartensystem meist nicht in der Lage, an einem fremden Ort, vor allem im Ausland, größere Einkäufe zu tätigen. Häufig wird nicht ausreichend Bargeld mit sich geführt und die früher garantierten Schecks konnten nur betragsmäßig begrenzt ausgestellt werden. Dagegen genügt regelmäßig ein Telefonanruf des Vertragsunternehmens in ein Büro eines Kreditkartenausgebers, um dessen Zahlungszusage zu erwirken6.
4.808
Ein weiteres Expansionsfeld für die Kreditkarte ist das grenzüberschreitende Tele- und Internetshopping. Für die ausländischen Anbieter ist es regelmäßig einfacher, den vom Karteninhaber geschuldeten Betrag mit Hilfe der Abbuchungsstelle eines Kreditkartenunternehmens im eigenen Heimatstaat einzuziehen. 1. Universales Zahlungsmittel
4.809
Die Kreditkarte ist wegen ihrer weltweiten Verwendbarkeit ein universales Zahlungsmittel7, deren Einsatzmöglichkeiten über die girocard hinausgehen, die in erster Linie für Zahlungen innerhalb des EWR gedacht ist. 1 2 3 4 5
BT-Drucks. 14/8601, 22. BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158, 2160; Meder, WM 2002, 1993 ff. BT-Drucks. 14/8017, 12. BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213, 1214 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f. Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 4a. Zur Frage der sog. „Bonus-Meilen“ für Kreditkartenumsätze als verbotene Zugaben vgl. Ultsch, WM 1999, 2535 ff. 6 Vgl. LG Heidelberg v. 15.12.1987 – 4 S 14/87, WM 1988, 773, 774. 7 BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, WM 1997, 2244, 2246 = BGHZ 137, 27 ff. = NJW 1998, 383 f.
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Kreditkartengeschäft | Teil 4
Mit der Kreditkarte können vor allem Waren und Dienstleistungen bei Vertragsunternehmen, Einzelhandelsgeschäften, Restaurants, Hotels, Fluggesellschaften, Mietwagenfirmen u.a. bargeldlos gezahlt werden. Die Kreditkarte gehört deshalb zu den Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, bei deren Einsatz der Karteninhaber seine Zahlungsverbindlichkeiten zu Lasten eines bei seinem Zahlungsinstitut geführten Girokontos erfüllen kann1. Mit der Kartenzahlung stundet deshalb das Vertragsunternehmen die Zahlungsverbindlichkeit des Karteninhabers mit der Verpflichtung, den geschuldeten Betrag erfüllungshalber beim Karteninhaber einzuziehen2. Solche Stundungen werden auch bei der Bezahlung mittels Schecks oder Lastschrift vereinbart.
4.810
Die Vertragsunternehmen erhalten die den Karteninhabern in Rechnung gestellten Beträge unter Abzug des vereinbarten Disagios. Bei dem Disagio handelt es sich um eine Gegenleistung dafür, dass der Kartenemittent den Vertragsunternehmen neue Kunden zuführt, die ihre Einkäufe weitestmöglich nach der Verwendbarkeit von Kreditkarten ausrichten3. Bei den Emittenten der Kreditkarte handelt es sich meist um eine Bank oder eine von Banken betriebene Gesellschaft.
4.811
2. Bargeldservice Die Kreditkarten dienen freilich nicht nur der bargeldlosen Zahlung, sondern auch der Beschaffung von Bargeld (sog. Bargeldservice). So hat der Inhaber einer Kreditkarte in der Regel die Möglichkeit, sich Bargeld an Geldautomaten sowie gegen Vorlage eines Ausweispapiers an Kassen von Zahlungsinstituten im In- oder Ausland auszahlen zu lassen. Für die Nutzung dieser Geldautomaten stellt das kartenemittierende Institut dem Karteninhaber eine persönliche Geheimzahl (PIN) zur Verfügung, wie sie auch für den Einsatz der Kreditkarte an einer automatisierten Kasse eines Vertragsunternehmens benötigt wird4.
4.812
Bei dem Bargeldservice handelt es sich um eine zusätzliche Dienstleistung. Der typische Zweck eines Kreditkartenvertrages erschöpft sich darin, die vom Karteninhaber eingegangenen Zahlungsverbindlichkeiten aus dem Valutaverhältnis mit dem Vertragsunternehmen zu erfüllen. Deshalb ist es auch mit der Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. § 307 BGB vereinbar, wenn der Kartenemittent für die Inanspruchnahme des Bargeldservice ein dem Karteninhaber im Voraus bekannt gegebenes Entgelt berechnet5. Bei der Nutzung dieses zusätzlichen Service fehlt es an einem Leistungsaustausch, wie er sich beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen der Vertragsunternehmen vollzieht. Beim Bargeldservice erbringt der Kartenemittent vielmehr die von ihm geschuldete Leistung unter Einschaltung eines Dritten. Der Emittent haftet im Übrigen dem Vertragsunternehmen, bei dem der Bargeldservice in Anspruch genommen worden ist6.
4.813
1 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 12 f.; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 143. 2 LG Düsseldorf v. 24.10.1990 – 23 S 885/89, WM 1991, 1027, 1029; Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 24. 3 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 69. 4 Bei einer unbefugten Verwendung einer Kreditkarte (Eurocard) kann davon ausgegangen werden, dass der Karteninhaber die PIN pflichtwidrig bei sich getragen hat. Wegen der außerordentlichen Schwierigkeit der Ermittlung der PIN kann von einem Anscheinsbeweis ausgegangen werden (OLG Frankfurt v. 7.5.2002 – 8 U 268/01, WM 2002, 2101, 2102). 5 AG Frankfurt/M. v. 18.4.1996 – 30 C 1934/95-25, WM 1996, 1177. 6 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 159.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
3. Inanspruchnahme des Karteninhabers
4.814
Der Kartenemittent nimmt wegen seiner Zahlungen an die Vertragsunternehmen die betreffenden Inhaber der Kreditkarte in Anspruch. Dies geschieht dadurch, dass der Emittent die von ihm gezahlten Geldbeträge bei der kontoführenden Stelle des Karteninhabers im Wege des Lastschriftverfahrens einzieht. Dieser Technik des Kreditkartengeschäfts liegt das sog. Drei-Parteien-System zugrunde.
4.815
Beim Zwei-Parteien-System gibt dagegen das die Leistung erbringende Unternehmen, etwa eine Einzelhandelskette, selbst die Karte aus. In Deutschland haben nur die Kreditkarten des Drei-Parteien-Systems Verbreitung gefunden. Soweit eine Kreditkarte von den deutschen Kreditinstituten selbst emittiert werden darf, sind u.U. sogar vier Vertragsparteien eingeschaltet: Karteninhaber, emittierendes Kreditinstitut, Vertragsunternehmen und ein im eigenen Namen handelndes beauftragtes Unternehmen des emittierenden Instituts, das für die Abwicklung des Kreditkartengeschäfts zuständig ist.
4.816
Auch das Kreditkartengeschäft ist funktional Teil de bargeldlosen Zahlungsverkehrs1. Bei den Zahlungsvorgängen aus den Kreditkartenumsätzen sind im Regelfall jeweils sechs Personen beteiligt: Der Karteninhaber, das Vertragsunternehmen und der Kartenemittent sowie deren jeweilige kontoführende Stellen, die die bargeldlose Zahlung vermitteln. Bei dieser Vermittlung wird die kontoführende Stelle des Vertragsunternehmens als Inkassostelle tätig, die dazu einen bargeldlosen Zahlungsvorgang wie beim Inkasso von Lastschriften und Schecks veranlasst. Die kontoführende Stelle des erstattungspflichtigen Karteninhabers wird als dessen Zahlstelle tätig, bei der das Institut des Kartenemittenten die vom Karteninhaber geschuldeten Beträge im Lastschriftverfahren einziehen kann. Für den Kartenemittenten ist also die bargeldlose Zahlung des Karteninhabers nur ein durchlaufender Posten auf dem Wege zum Vertragsunternehmen als Gläubiger der Zahlung. 4. Kreditfunktion
4.817
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Kreditkarte und den herkömmlichen Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs besteht darin, dass die Kreditkarte entsprechend ihres Namens im Regelfall zugleich eine Kreditfunktion hat2. Das Vertragsunternehmen gewährt dem Karteninhaber einen Kredit im weiteren Sinne dadurch, dass es die von ihm geschuldete Leistung ohne sofortige Bezahlung erbringt3.
4.818
Dagegen liegt regelmäßig keine Kreditgewährung des Kartenemittenten an den Karteninhaber vor, wenn der Emittent die Zahlungen an die Vertragsunternehmen wie üblich nicht sofort gegenüber dem Karteninhaber abrechnet und von dessen Konto abbuchen lässt. Solche Abrechnungen erfolgen nur aus Gründen der technischen Vereinfachung in periodischen Abständen. Der Kartenemittent ist mithin zu einem derartigen Zuwarten regelmäßig nicht verpflichtet, wie dies bei einer Kreditgewährung der Fall wäre4. 1 BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, WM 1985, 1336 = BGHSt 33, 244 ff. Nach dem OLG Karlsruhe v. 28.11.1990 – 1 U 189/90, WM 1991, 184, 187 ist das Kreditkartenverfahren aber nicht völlig der Bargeldzahlung gleichzusetzen. 2 OLG Karlsruhe v. 28.11.1990 – 1 U 189/90, WM 1991, 184, 187. 3 BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, WM 1985, 1336, 1337 = BGHSt 33, 244 ff.; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 16 f. 4 Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 18; vgl. aber weiter Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1623, wonach sogar in der Zahlung des Kartenherausgebers an das Vertragsunternehmen ein Kredit gesehen werden kann.
690 | Werner
Kreditkartengeschäft | Teil 4
Dieses rationelle Abrechnungsverfahren stellt deshalb auch keine Kreditgewährung dar, auf welche die §§ 491 ff. BGB (bzw. das frühere Verbraucherkreditgesetz) anwendbar sind. Die Kreditkarte wird hier vielmehr nur als Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs verwendet1. Die vereinheitlichten AGB für die MasterCard enthalten deshalb auch eine sog. finanzielle Nutzungsgrenze. Danach darf der Kartenkunde die Kreditkarte nur im Rahmen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse verwenden, so dass ein termingerechter Ausgleich der Karten-Umsätze gewährleistet ist2. Der mit dem üblichen Abrechnungsverfahren verbundene Zahlungsaufschub wird im Übrigen nicht gegen Zahlung eines Entgeltes gewährt, wie es § 491 Abs. 1 BGB erfordert. Das Jahresentgelt für die Kreditkarte stellt kein Entgelt für den konkreten Zahlungsaufschub dar, sondern wird als Vergütung für die Dienstleistungen des Kartenemittenten gezahlt3. Auch das vom Vertragsunternehmen zu zahlende Disagio stellt kein mittelbares Entgelt des Karteninhabers für die monatliche Abrechnung dar, sondern ist eine Vergütung im Verhältnis von Kartenemittent und Vertragsunternehmen4.
4.819
Dagegen liegt ein der Schriftform gem. § 492 BGB unterliegender Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 491 BGB vor, wenn für die Kreditkarte ein gesondertes (debitorisches) Kreditkonto geführt wird, der Kartenemittent dem Kontoinhaber seinen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 675f Abs. 2 Satz 1, 670 BGB) für mehr als drei Monate stundet und die Inanspruchnahme dieses Kredits gegen Zinszahlungen ermöglicht. Derartige Kreditinanspruchnahmen stellen im Übrigen keine Kontoüberziehungen i.S.d. § 493 BGB dar, weil solche „Kreditkartenkonten“ nicht als laufende Konten geführt werden, wie es diese von bestimmten Formerfordernissen befreiende Gesetzesbestimmung erfordert5. Die diesbezügliche Privilegierung des § 493 BGB kommt nur zum Tragen, wenn der Karteninhaber durch Verwendung der Kreditkarte einen ihm ohne spezifischen Verwendungszweck eingeräumten Dispositionskredit ausnutzt, der ihm die Überziehung seines Girokontos ermöglicht.
4.820
II. Rechtsnatur des Kreditkartengeschäfts Für die rechtliche Darstellung des Kreditkartengeschäfts ist das Rechtsverhältnis zwischen Vertragsunternehmen und Kartenherausgeber von besonderem Interesse. Die Akzeptanz der Kreditkarte hängt weitgehend davon ab, dass die Vertragsunternehmen den Gegenwert für die erbrachte Leistung im bargeldlosen Zahlungsverkehr vom Kartenherausgeber erlangen können. Die Erfüllung des Zahlungsanspruchs des Vertragsunternehmens soll durch eine bargeldgleiche Sicherung gewährleistet werden6. Hierzu wird dem Vertragsunternehmen bei Verwendung der Kreditkarte ein rechtlich eigenständiger Zahlungs1 Begr. RegE, BT-Drucks. 11/5462, 18 ff.; Fandrich, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 40. EL. 2017, Rz. 16. 2 Bei Eigenemissionen von Eurocard durch Kreditinstitute enthalten die zum Teil abweichenden AGB vereinzelt den klarstellenden Hinweis, dass die „Autorisierung“ einzelner Kreditkartenumsätze weder zur Einräumung eines Kredites noch zur Erhöhung eines zuvor eingeräumten Kredites führt, sondern in der Erwartung erfolgt, dass ein Ausgleich der Kartenumsätze erfolgt. 3 Seibert, DB 1991, 429; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 16 f. 4 Seibert, DB 1991, 429. 5 Seibert, DB 1991, 429, 430; vgl. weiter Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 16 ff. 6 Fandrich, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerk, 40. EL. 2017, Rz. 74 ff.
Werner | 691
4.821
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
anspruch gegen den Kartenemittenten als einen zahlungskräftigen Dritten verschafft. Insoweit ergibt sich eine Parallele zu den anderen Instrumenten der kartengestützten bargeldlosen Zahlungssysteme.
4.822
Einen anderen rechtlichen Schwerpunkt bildet das Rechtsverhältnis des Kartenemittenten zum Karteninhaber; der Emittent holt sich die Deckung für die Zahlungen an die Vertragsunternehmen beim Karteninhaber. Die rechtliche Ausgestaltung dieses Deckungsverhältnisses prägt zugleich die zwischen Kartenemittenten und Vertragsunternehmen bestehende Vertragsbeziehung. 1. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Inhaber der Kreditkarte
4.823
Das Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Kreditkarteninhaber war nach Rechtsprechung und Literaturmeinung ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Einschlag (§§ 675, 631 BGB)1, der jetzt als Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen ist, da es sich um einen Vertrag handelt, der auf die Erbringung von Zahlungsdiensten ausgerichtet ist2. Diese rechtliche Einordnung gilt auch in den Fällen, in denen der sicherungshalber verschaffte Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens gegen den Kartenemittenten keine Zahlungsgarantie beinhaltet, sondern die Kaufpreisforderungen aus dem Kauf des Zahlungsanspruches des Vertragsunternehmens aus seinem Grundgeschäft mit dem Karteninhaber (Valutaverhältnis) darstellt3.
4.824
Bei dem Kreditkartenvertrag handelt sich um einen (Zahlungsdienste-)Rahmenvertrag. Er verschafft dem Karteninhaber nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen einen Anspruch gegen die angeschlossenen Vertragsunternehmen, ohne Bezahlung die gekauften Waren erwerben oder die gewünschten Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können (§ 328 BGB)4. Der Schwerpunkt des Vertrages liegt folglich auf der vorweggenommenen Stundung des Zahlungsanspruchs des Vertragsunternehmens aus dem Valutaverhältnis mit dem Karteninhaber im Zusammenhang mit der Erbringung von Zahlungsdiensten.
4.825
Wird an einen Angehörigen des (Haupt-)Karteninhabers eine Familienzusatzkarte ausgegeben, kommt ein Zahlungsdiensterahmenvertrag auch mit diesem Angehörigen zustande5. Soweit für Firmenkunden neben der Hauptkarte weitere Zusatzkarten für Mitarbeiter des Kunden ausgestellt werden, kann eine gesamtschuldnerische Haftung des Firmenkunden für die Verwendung dieser Zusatzkarten vereinbart werden. Dagegen ist es nach dem Schrifttum mit der Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. § 307 BGB unvereinbar, wenn der Inhaber einer solchen Zusatzkarte auch 1 Zu dieser durch den Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 BGB mittlerweile überholten Diskussion vgl. BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; KG v. 8.6.1993 – 13 U 119/93, WM 1993, 2044; OLG Oldenburg v. 21.12. 1993 – 5 U 82/93, WM 1994, 378; Martinek in Schimansky/Bunte/Lwowski, 1. Aufl. 2001, § 67 Rz. 2; Hadding, WM 1987, 1571; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 146. 2 Grundmann, WM 2009, 1157, 1161. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1628; vgl. weiter BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 zu der auf einem solchen Forderungskauf basierenden Eurocard; OLG Karlsruhe v. 28.11.1990 – 1 U 189/90, WM 1991, 184, 187; OLG Frankfurt v. 10.12.1992 – 6 U 149/ 91, WM 1993, 889, 892. 4 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 58. 5 OLG Köln v. 23.1.1992 – 13 U 206/91, WM 1993, 369.
692 | Werner
Kreditkartengeschäft | Teil 4
für Zahlungsansprüche aus der Verwendung der Hauptkarte oder der für andere Mitarbeiter ausgegebenen Zusatzkarten haften soll1. Die Hauptpflicht des Kartenemittenten besteht darin, die Zahlungsverbindlichkeiten des Karteninhabers aus dem jeweiligen Grundgeschäft mit dem Vertragsunternehmen (Valutaverhältnis) zu erfüllen2. Der Kartenemittent hat dafür zu sorgen, dass der Inhaber der Kreditkarte von seiner Zahlungspflicht gegenüber dem Vertragsunternehmen befreit wird3. Der Emittent ist mithin zu einer Erfüllungsübernahme i.S.d. § 329 BGB verpflichtet4. Diese Erfolgsbezogenheit der vom Kartenemittenten geschuldeten Hauptleistung zeigt, dass der übernommene Zahlungsdienst nicht auf eine Dienstleistung, sondern auf eine Werkleistung gerichtet ist (vgl. § 631 Abs. 2 BGB)5.
4.826
Die Hauptleistung des Karteninhabers besteht in der Zahlung eines Entgelts (Kreditkartenentgelt), die meist jährlich berechnet wird6. Soweit für die Verwendung der Kreditkarte im Ausland eine gesonderte Vergütung in Rechnung gestellt wird, unterliegt dieses Entgelt nicht der richterlichen Inhaltskontrolle. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich hierbei um eine zusätzlich angebotene Sonderleistung, die eine kontrollfreie Bepreisung ermöglicht7. Allerdings ist für Zahlungen innerhalb der EWR-Staaten die Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/20018, die vorschreibt, dass für nationale Zahlungen und für grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb der EWR-Staaten in Euro oder in schwedischen Kronen keine unterschiedlich hohen Entgelte genommen werden dürfen. Es wird zwar nicht die Preishöhe festgeschrieben, wohl aber darf nicht zwischen nationalen und EWR-weiten Zahlungsvorgängen differenziert werden, so dass folglich ein Preisgleichheitsgebot gilt. Da es sich um eine EGVerordnung handelt, muss diese nicht in nationales Recht umgesetzt werden, sie gilt in den nationalen Rechtsordnungen unmittelbar, ohne dass es eines Umsetzungsakts bedarf.
4.827
Die Verpflichtung zur Erfüllungsübernahme stellt eine Rahmenvereinbarung über eine Vielzahl von entgeltlichen Zahlungsvorgängen dar. Die nähere Bestimmung (Konkretisierung) der zunächst nur gattungsmäßig festgelegten Pflicht erfolgt durch den jeweiligen Einsatz der Kreditkarte9. Dabei wird zur Einziehung des geschuldeten Rechnungsbetrages
4.828
1 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 149; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1631; vgl. weiter Fandrich, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 42. Aufl. 2019, Rz. 100 f. 2 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; KG v. 8.6.1993 – 13 U 119/93, WM 1993, 2044; OLG Oldenburg v. 21.12.1993 – 5 U 82/93, WM 1994, 378; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1628; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 146. 3 Fandrich, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 40. EL. 2010, Rz. 13. 4 Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 34; Hadding in Soergel, § 329 BGB Rz. 11; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 58; Fandrich, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 42. Aufl. 2019, Rz. 22, 24. 5 Martinek in Schimansky/Bunte/Lwowski, 1. Aufl. 2001, § 67 Rz. 7; offen lassend Martinek/ Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 7 m.w.N. 6 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 147. 7 BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, WM 1997, 2244, 2245 = BGHZ 137, 27 ff. = NJW 1998, 383 f.; Wand, WM 1997, 289 ff. 8 ABl. EU Nr. L 266 v. 9.10.2009, S. 11. 9 Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 35.
Werner | 693
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
regelmäßig von dem Vertragsunternehmen ein sog. Belastungsbeleg ausgestellt, den der Karteninhaber zu unterzeichnen hat.
4.829
Beim Einsatz der Kreditkarte wird vor allem im Ausland vielfach auf die Unterzeichnung eines solchen Belastungsbeleges verzichtet. Dies gilt insbesondere bei fernmündlichen Bestellungen im Teleshopping oder „Charge-it“-Verfahren. In diesen Fällen genügt die Nennung des Namens des Karteninhabers und die Angabe der Nummer und der Gültigkeitsdauer der Kreditkarte1. Auch bei diesem Verfahren enthält nach der Rechtsprechung des BGH der Vertrag zwischen dem Kartenemittenten und seinen Vertragsunternehmen eine Zahlungszusage in Form eines abstrakten Schuldversprechens (§ 780 BGB). Dieses rahmenmäßig vereinbarte Versprechen ist aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) durch die Einreichung ordnungsgemäßer Belastungsbelege, die in jedem Einzelfall die Zahlungspflicht des Kreditkartenunternehmens entstehen lassen2. Dementsprechend ist die Nutzungsmöglichkeit der Kreditkarte „MasterCard“ in den hierfür geltenden „Bedingungen“ erweitert worden. Deshalb bestimmt die Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 der „Bedingungen für die MasterCard“ ausdrücklich, dass der Karteninhaber nach vorheriger Abstimmung mit dem Vertragsunternehmen ausnahmsweise darauf verzichten kann, den Belastungsbeleg zu unterzeichnen und stattdessen lediglich seine Kartennummer angeben zu können (sog. Telefon- oder Mailorderverfahren). Beim Telefon- oder Mailorderverfahren handelt es sich nach der Rechtsprechung um ein sehr missbrauchsanfälliges Verfahren, das bei der AGBmäßigen Verteilung des Schadensrisikos angemessen zu berücksichtigen ist3.
4.830
Zum Inkasso des geschuldeten Rechnungsbetrages im bargeldlosen Zahlungsverkehr wird der erstellte Belastungsbeleg wie die Lastschrift im Lastschriftverfahren vom Vertragsunternehmen seiner kontoführenden Stelle eingereicht, soweit nicht die Abrechnung zwischen Vertragsunternehmen und Kartenemittent auf elektronischem Wege erfolgt. Die beim Vertragsunternehmen aufgestellten Terminals, über die die vorgeschriebene Autorisierung des Karteneinsatzes eingeholt wird, verfügen zunehmend über die Möglichkeit des Ausdrucks einer Quittung, die der Karteninhaber zu unterschreiben hat und die beim Vertragsunternehmen als Beleg verbleibt. Diese Quittung i.S.d. § 368 BGB enthält eine Angabe des Ortes, Datums und Zeitpunkts des Zahlungsvorgangs sowie das Autorisierungs-Kennzeichen als Merkmal der genehmigten Zahlung. a) Rechtsnatur des Belastungsbeleges
4.831
Mit der Unterzeichnung des Belastungsbeleges erteilte der Karteninhaber nach Rechtsprechung und herrschender Literaturmeinung dem Kartenemittenten im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Geschäftsbesorgungsverhältnisses die auftragsrechtliche Wei1 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 4a; Etzkorn, WM 1991, 1901, 1903; Werner in BuB, Rz. 19/183; Meder, WM 2002, 1993 ff. 2 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, WM 2002, 1120, 1122 m.w.N. 3 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158, 2160; OLG Frankfurt v. 21.7.2000 – 2 U 181/99, WM 2001, 984, 986. Nach dem OLG Naumburg v. 20.8.2002 – 11 U 140/01, ZIP 2002, 1795 verstößt eine AGB-Klausel, die dem Kartenemittenten ein Rückgriffsrecht gegen das Vertragsunternehmen gewährt, wenn der Karteninhaber die Bestellung bestreitet und die Zahlung verweigert, nicht gegen das Verbot unangemessener Benachteiligung. Zustimmend Meder, ZIP 2002, 2112, 2117. Zur Frage, ob bei Verwendung der Kreditkarte ohne die regelmäßige Unterzeichnung eines Belastungsbeleges die erforderlich Zahlungsweisung des Karteninhabers an den Kartenemittenten i.S.d. §§ 675 Abs. 1, 665 BGB ohne weiteres erblickt werden kann, vgl. LG Karlsruhe v. 11.2.2000 – 9 S 226/99, WM 2000, 2339, 2341.
694 | Werner
Kreditkartengeschäft | Teil 4
sung i.S.d. §§ 665, 675 Abs. 1 BGB, seine Zahlungsverbindlichkeit gegenüber dem Vertragsunternehmen zu tilgen1. Da auch die Kreditkartenzahlung zu den Zahlungsdiensten gem. §§ 675c ff. BGB gehört, stellt die Unterzeichnung des Bealstungsbelegs die Erteilung eines Zahlungsauftrags gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB dar. Weitergeleitet wird der Zahlungsauftrag über den Zahlungsempfänger an den Zahlungsdienstleister des Zahlers. Diese Art der Zahlungsabwicklung ist unabhängig davon, ob der Kartenemittent gegenüber dem Vertragsunternehmen diese Forderungstilgung garantiert oder dem Vertragsunternehmen dessen Zahlungsanspruch aus dem Valutageschäft mit dem Karteninhaber abkauft2. Der mit dem Karteneinsatz erteilte Auftrag zur Erfüllungsübernahme wird von dem Vertragsunternehmen als Bote des Karteninhabers dem Kartenemittenten übermittelt3. Der Karteninhaber kann seinen Auftrag zu solchen Erfüllungsübernahmen grundsätzlich nicht mehr widerrufen. Zunächst folgt aus § 675p Abs. 2 Satz 1 BGB, dass über den Zahlungsempfänger ausgelöste Zahlungsvorgänge – wie hier – nicht mehr widerrufen werden können, nachdem der Zahlungsauftrag oder die Zustimmung zur Ausführung des Zahlungsvorgangs vom Zahler an den Zahlungsempfänger übermittelt worden sind. Damit bedarf es für den Ausschluss einer solchen Widerrufsmöglichkeit nicht mehr einer Erklärung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Kreditkartengeschäfts4, da andernfalls die Funktion der Kreditkarte als Bargeldersatz nicht hätte gewährleistet werden können5.
4.832
Vor Inkrafttreten der aktuellen gesetzlichen Regelungen ist die Ansicht vertreten worden, dass ein Weisungswiderruf allenfalls dann zulässig sein konnte, wenn die Unwirksamkeit des Zahlungsanspruchs des Vertragsunternehmens ausnahmsweise offensichtlich und leicht liquide nachweisbar ist6. Dies sollte beispielsweise der Fall sein, wenn der Karteninhaber Belege über das Grundgeschäft mit dem Vertragsunternehmen vorlegen konnte, aus denen sich das Nichtbestehen des Zahlungsanspruchs augenfällig oder zumindest leicht nachweisbar ergab7. Nach den jetzigen Regelungen bleibt für diesen Widerruf zeitlich jedoch kaum Raum.
4.833
b) Ausschluss von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis Sobald der Kartenemittent dem Vertragsunternehmen den offenen Rechnungsbetrag bezahlt und damit die dem Karteninhaber geschuldete Erfüllungsübernahme vorgenommen 1 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195, 2196; KG v. 8.6.1993 – 13 U 119/93, WM 1993, 2044, 2045; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 146; Martinek/Omlor in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 11; Oechsler, WM 2000, 1613, 1614, 1620; Pichler, NJW 1998, 3234, 3236, wonach diese Weisung auch mündlich oder elektronisch erteilt werden kann. 2 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 145. 3 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 11. 4 OLG München v. 11.5.1999 – 5 U 67/38/98, WM 1999, 2356, 2357; OLG Köln v. 14.11.2001 – 13 U 8/01, WM 2002, 1800, 1802; AG Frankfurt/M. v. 24.8.1998 – 29 C 1767/98-46, WM 1998, 2145; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 32 m.w.N.; Etzkom, WM 1991, 1901, 1906; hiergegen kritisch Ma, Einwendungsdurchgriff und Widerrufsrecht als Instrument des Verbraucherschutzes im Kreditkartenverfahren, Diss. Frankfurt/M., 1996, S. 145 ff.; vgl. weiter Haack, MDR 2000, 1419 ff. 5 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195, 2196; OLG Schleswig v. 29.11.1990 – 5 U 143/89, WM 1991, 453, 454. 6 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195, 2196. 7 LG Aachen v. 26.1.1993 – 10 O 446/92, NJW-RR 1994, 1009.
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4.834
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
hat, erwirbt er gegen diesen einen auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 675f Abs. 4 Satz 2, 670 BGB. Dabei ist es unerheblich, ob der Kartenemittent eine Zahlungsgarantie gegenüber dem Vertragsunternehmen übernommen oder diesem vereinbarungsgemäß den Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis mit dem Karteninhaber abgekauft hat1.
4.835
Bei dem Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten handelt es sich um keine Fremdwährungsschuld i.S.d. § 244 BGB, wenn die Kreditkarte im Ausland eingesetzt wird. Denn der Kartenemittent erbringt seine Aufwendungen, die er von dem Karteninhaber erstattet verlangen kann, in der Heimatwährung2.
4.836
Gegenüber diesem Erstattungsanspruch kann der Karteninhaber grundsätzlich keine Einwendungen aus seinem Valutaverhältnis mit dem Vertragsunternehmen geltend machen3. Solche Einwendungen sollen unmittelbar zwischen Karteninhaber und Vertragsunternehmen geklärt werden4.
4.837
Für den Ausschluss entsprechender Einwendungen bedarf es keiner zusätzlichen Vereinbarungen mit dem Karteninhaber. Der Ausschluss folgt vielmehr schon daraus, dass der Kartenemittent gegenüber dem Vertragsunternehmen eine Zahlungsgarantie übernommen hat. Schon infolge der Abstraktheit einer solchen Garantiezusage sind Einwendungen aus dem zugrunde liegenden Valutaverhältnis von vornherein grundsätzlich ausgeschlossen5. Solche Einwendungen braucht der Kartenemittent im Interesse der Funktionsfähigkeit der Kreditkarte nur zu berücksichtigen, wenn sie offensichtlich, liquide beweisbar oder unbestritten sind6. In allen anderen Fällen stellt die Zahlung an das Vertragsunternehmen „erforderliche“ Aufwendungen im Sinne des auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruchs (§ 670 BGB) dar7. So wie das Vertragsunternehmen einen Garantieanspruch gegen den Kartenemittenten erwirbt, wenn die Unterschriften auf Belastungsbeleg und Kreditkarte bei laienhafter Prüfung identisch sind und der Diebstahl oder das sonstige Abhandenkommen durch den Kartenemittenten nicht mitgeteilt wurde, darf die Inanspruchnahme des Karteninhabers nur von der Einhaltung dieser Bedingungen für das Entstehen des Garantieanspruches abhängen, damit das Entstehen des Aufwendungsersatzanspruches für den Kartenemittenten kalkulierbar und praktisch durchsetzbar bleibt8.
4.838
Soweit der Kartenemittent an Stelle einer Zahlungsgarantie den gegen den Karteninhaber gerichteten Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens kauft, erwirbt das Vertragsunternehmen einen rechtlich selbständigen Zahlungsanspruch aus dem mit dem Kartenemittenten getätigten Kaufvertrag (§ 433 BGB). 1 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150 ff. 2 Meder, WM 1996, 2085, 2087; offen gelassen vom BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, WM 1997, 2244, 2245 = BGHZ 137, 27 ff. = NJW 1998, 383 f. 3 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195, 2197; Martinek/Omlorr in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 31. 4 Zu den Rechtsproblemen bei der Rückabwicklung von Kreditkartengeschäften vgl. Freitag, WM 2000, 2185 ff. 5 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150 ff.; Oechsler, WM 2000, 1613, 1618; hiergegen kritisch Ma, Einwendungsdurchgriff und Widerrufsrecht als Instrumente des Verbraucherschutzes in Kreditkartenverfahren, Diss. Frankfurt/M., 1996, S. 61 ff. 6 Oechsler, WM 2000, 1613, 1617, 1618, 1619. 7 Oechsler, WM 2000, 1613, 1618. 8 Oechsler, WM 2000, 1613, 1615.
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Kreditkartengeschäft | Teil 4
Stützt sich der Kartenemittent gegenüber dem Karteninhaber auf den vom Vertragsunternehmen erworbenen Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis, wären Einwendungen aus dem Grundgeschäft zwar grundsätzlich möglich (vgl. § 404 BGB). Eine solche Einwendungsmöglichkeit gilt aber nach dem Zweck des Kreditkartenverfahrens als stillschweigend abbedungen1. Ein AGB-mäßiger Ausschluss würde jedenfalls nicht gegen die Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 BGB) verstoßen2. Auch insoweit ist das Interesse des Kartenemittenten anzuerkennen, grundsätzlich nicht in das Valutaverhältnis hineingezogen zu werden3. Ein solcher Einwendungsdurchgriff gegenüber dem Kartenemittenten kommt nach Meinung des Schrifttums aber in den Fällen in Betracht, in denen der Karteninhaber offenkundige oder leicht nachweisbare (liquide) Einwendungen gegenüber dem Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens geltend macht und den Kartenemittenten hiervon unterrichtet. Würde in diesen Fällen der Emittent gleichwohl an das Vertragsunternehmen Zahlung leisten, würde er gegenüber dem Karteninhaber treuwidrig handeln (§ 242 BGB). Bei einem solchen Verhalten entfiele der auftragsrechtliche Erstattungsanspruch4. Insoweit ergibt sich eine vergleichbare Rechtslage wie bei der missbräuchlichen Inanspruchnahme einer Bankgarantie und eines Dokumentenakkreditivs. Der Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten entfällt im Übrigen auch, wenn Angestellte des Vertragsunternehmens, denen die Kreditkarte zur Erstellung eines Belastungsbeleges ausgehändigt worden ist, gefälschte Belege erstellt haben5.
4.839
2. Rechtsbeziehungen zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen Zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen wird üblicherweise ein formularmäßiger Rahmenvertrag geschlossen. Hierin erklärt sich das Vertragsunternehmen zur Annahme der Kreditkarte bereit. Nach überwiegender Meinung liegt in dieser Bereitschaft des Vertragsunternehmens ein Vertrag zugunsten der Karteninhaber i.S.d. § 328 Abs. 1 BGB6, der ebenfalls die Qualität eines Zahlungsdiensterahmenvertrags gem. § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB hat, da er auch auf die Ausführung von Zahlungsvorgängen ausgerichtet ist.
4.840
Das Vertragsunternehmen kann jedoch die Bezahlung mit der Kreditkarte verweigern, wenn diese nicht von seinem Kunden, sondern von einem Dritten zwecks bargeldloser Zahlung angeboten wird7. Das Vertragsunternehmen ist zwar wie jeder Gläubiger gem. § 267 Abs. 1 BGB gehalten, die Erfüllung durch einen Dritten zu akzeptieren. § 267 Abs. 1 BGB greift indes beim Angebot einer Leistung erfüllungshalber, wie sie die Zahlung mittels Kreditkarte darstellt, nicht ein8. Ein abweichendes Ergebnis lässt sich auch nicht aus dem Vertrag zwischen Kartenherausgeber und Vertragsunternehmen ableiten.
4.841
1 BGH v. 2.5.1990 – VIII ZR 139/89, WM 1990, 1059, 1061 = NJW 1990, 2880 ff.; vgl. hierzu Oechsler, WM 2000, 1613 ff. 2 OLG Schleswig v. 29.11.1990 – 5 U 143/89, WM 1991, 453. 3 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 151. 4 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 37; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150; Köndgen, NJW 1992, 2263, 2272. 5 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; vgl. weiter Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 38 f. 6 LG Düsseldorf v. 24.10.1990 – 23 S 885/89, WM 1991, 1027, 1029; Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 26; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1649; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 158; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 70. 7 LG Düsseldorf v. 24.10.1990 – 23 S 885/89, WM 1991, 1027, 1029. 8 Forster in Soergel, § 267 BGB Rz. 15.
Werner | 697
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.842
Der Rahmenvertrag zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen enthält auch eine Klausel, wonach die künftigen Zahlungsansprüche des Vertragsunternehmens gegen die Inhaber der Kreditkarte aus deren Verwendung unter Abzug eines prozentualen Disagios von dem Emittenten zu zahlen sind. Sehr umstritten ist, wie dieser Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens gegen den Kartenemittenten rechtlich einzuordnen ist. a) Zahlungsgarantie des Kartenemittenten
4.843
Die Zahlungszusage des Kartenemittenten, mit der die Erfüllung des Zahlungsanspruches des Vertragsunternehmens aus dem Grundgeschäft mit dem Karteninhaber (Valutaverhältnis) abgesichert werden soll, ist nach einem Teil des Schrifttums als Garantieverbindlichkeit einzuordnen1.
4.844
Gegen das Vorliegen eines Garantievertrages wird jedoch eingewendet, dass der Garant nur für den Eintritt eines Erfolges einstehen soll, von dessen anderweitigem Eintritt die Parteien des Garantievertrages als Regelfall ausgehen. Es soll nur eine sekundäre „Ausfallhaftung“ für den Fall begründet werden, dass ein primärer Erfolg nicht eingetreten ist (Garantiefall). Beim Kreditkartengeschäft soll jedoch von vornherein und in erster Linie der Kartenemittent auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme des Karteninhabers erfolgt erst mittelbar dadurch, dass er dem primär in Anspruch genommenen Kartenemittenten die hieraus resultierenden Aufwendungen erstattet2. Die Zahlung des Kartenemittenten an das Vertragsunternehmen stellt nicht den „pathologischen“ Ausnahmefall, sondern den gewollten Normalfall dar. Deshalb ließe sich die Zahlungsverpflichtung des Kartenemittenten gegenüber dem Vertragsunternehmen am ehesten als ein Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB einordnen3.
4.845
Dieses Schuldversprechen ließe wie bei der Annahme einer Zahlungsgarantie den hierdurch „abgesicherten“ Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens gegen den Karteninhaber aus dem Valutaverhältnis unberührt. Hierauf kann das Vertragsunternehmen zurückgreifen, wenn der Kartenemittent ausnahmsweise die Zahlung verweigert. Auf diese Weise wird auch dem erkennbaren Willen der Beteiligten entsprochen, dass der Kartenemittent nur die hinausgeschobene bargeldlose Zahlung ermöglichen soll, ohne in etwaige Streitigkeiten aus dem Valutaverhältnis zwischen den Vertragsunternehmen und dem Karteninhaber hineingezogen zu werden. Der Kartenemittent braucht nur solche Einwendungen zu berücksichtigen, die offensichtlich, liquide beweisbar oder unbestritten sind4.
4.846
Die primäre Inanspruchnahme des Kartenemittenten auf Zahlung des von dem Vertragsunternehmen in Rechnung gestellten Betrages zwingt jedoch keineswegs dazu, eine nur sekundäre Ausfallshaftung im Sinne einer Zahlungsgarantie für nicht interessegerecht 1 Bydlinski in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, vor § 414 BGB Rz. 23; Zahrut, NJW 1972, 1077, 1078 ff.; Bitter, ZBB 1996, 104, 119. 2 Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 31. 3 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158, 2160; BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195, 2197; Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 31; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1626; Bröker, WM 1995, 468, 476, Rz. 76; vgl. weiter Pichler, NJW 1998, 3234, 3237; Oechsler, WM 2000, 1613, 1615; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 66; vgl. weiter die diesbezüglichen Fundstellen in BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158, 2160. Nach Meder handelt es sich um eine Zahlungsverpflichtung, wie sie bei der Annahme einer Anweisung gem. § 784 Abs. 1 BGB begründet wird (AcP 198 [1998], 72, 96). 4 Oechsler, WM 2000, 1613, 1617, 1619.
698 | Werner
Kreditkartengeschäft | Teil 4
zu bewerten1. Die Zahlung des Rechnungsbetrages durch den Kartenemittenten als Normalfall ist vielmehr schon dadurch ausreichend gewährleistet, dass er auf Grund seines Vertragsverhältnisses zum Karteninhaber verpflichtet ist, seine Zahlungsverbindlichkeiten aus dem Einsatz der Kreditkarte zu erfüllen. Denn in diesem Karteneinsatz liegt zugleich die an den Kartenemittenten gerichtete Weisung zur Vornahme dieser geschuldeten Erfüllungsübernahme2. Diese Weisung wird zudem vom Vertragsunternehmen selbst als Bote3 des weisungsberechtigten Karteninhabers dem Kartenemittenten übermittelt, wenn er die offenen Rechnungsbeträge vereinbarungsgemäß per Lastschrift vom Emittenten einzieht. Angesichts dieser Einflussmöglichkeit des Vertragsunternehmens auf die Zahlung des ihm geschuldeten Betrages durch den Kartenemittenten erschöpft sich sein Interesse an der Absicherung seines Zahlungsanspruchs aus dem Grundgeschäft (Valutaverhältnis) auf solche Ausnahmefälle, in denen eine Verpflichtung zur grundsätzlich vorgesehenen Erfüllungsübernahme zumindest problematisch erscheint. Hierzu gehört insbesondere der Fall, dass eine abhanden gekommene Kreditkarte missbräuchlich von einem Dritten verwendet wird, der wegen fehlender materieller Berechtigung den Kartenemittenten nicht rechtswirksam zur Zahlung an das Vertragsunternehmen anweisen kann. b) Schuldversprechen (§ 780 BGB) als kein adäquates Sicherungsinstrument Diesem Sicherungszweck kann vor allem mit einem Garantievertrag angemessen Rechnung getragen werden4. Auch ein Schuldversprechen gem. § 780 BGB kann zwar bezwecken, dem Gläubiger einen möglichst verlässlichen Anspruch zu gewähren, um sein Interesse an der Erfüllung seines Anspruchs gegen einen Dritten sicherzustellen5. Trotz dieser Gemeinsamkeit unterscheiden sich Garantievertrag und Schuldversprechen deutlich nach dem Inhalt der vom Schuldner übernommenen Leistungspflicht. Bei einem sicherungshalber erfolgten Schuldversprechen verpflichtet sich der Schuldner, die vom Dritten (Karteninhaber) versprochene Leistung selbst zu erbringen. Dagegen verpflichtet sich der Garant, lediglich für den Eintritt des von einem anderen versprochenen Erfolges einzustehen.
4.847
Soweit die abstrakte Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten als Schuldversprechen angesehen wird, soll diesem mit Rücksicht auf die Sicherungsfunktion der Kreditkarte eine „Sicherungsabrede“ zugrunde liegen, die in dem formularmäßigen Rahmenvertrag zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen integriert ist6. Deshalb erbringt der Kartenemittent gegenüber dem Vertragsunternehmen eine „Garantieleistung“7. Die Funktionsfähigkeit eines Kreditkartensystems setze die „Garantie“ eines einwendungsfreien Zahlungsanspruches des Vertragsunternehmens voraus8. Mit Rücksicht auf diese besonderen Sicherungsabrede ergibt sich nach Oechsler eine Parallele zur Rechtskonstruktion der fiduziarischen Sicherheiten9. Auch der Bestellung einer (Sicherungs-)Grundschuld und den
4.848
1 In diesem Sinne aber Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 66; Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 31. 2 Pichler, NJW 1998, 3234, 3235; Oechsler, WM 2000, 1613, 1614, 1618. 3 Oechsler, WM 2000, 1613, 1620. 4 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 144; Zahrnt, NJW 1972, 1077, 1079. 5 Habersack in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 780 BGB Rz. 10. 6 Oechsler, WM 2000, 1613, 1616; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 66. 7 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 66; Oechsler, WM 2000, 1613, 1614, 1617, 1618. 8 Oechsler, WM 2000, 1613, 1614. 9 Oechsler, WM 2000, 1613, 1615.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
üblichen (Sicherungs-) Übereignungen von Wirtschaftsgütern und (Sicherungs-)Zessionen liegt jeweils einer Sicherungsabrede zwischen dem Besteller der Sicherheiten und der kreditgebenden Bank zugrunde. Eine solche besondere Vereinbarung über den Sicherungszweck ist jedoch entbehrlich, wenn die Abweichung durch die Begründung einer abstrakten Zahlungsverbindlichkeit wie im Kreditkartengeschäft erfolgen soll. Hier bietet sich als adäquate Rechtsform die Übernahme einer Garantieverbindlichkeit an, der der Sicherungszweck begriffsimmanent ist. Mit der Einordnung der abstrakten Zahlungsverpflichtung des Kartenemittenten lässt sich auch vermeiden, dass einerseits ein Schuldversprechen unterstellt wird, andererseits aber schon im Interesse einer prägnanten Formulierung bei der Darstellung der Rechtsverhältnisse der Kreditkarte durchgängig von „Garantie“natur, „Garantie“leistung und „garantieren“ gesprochen werden muss1.
4.849
Für die Einordnung der abstrakten Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten als Garantieverbindlichkeit spricht im Übrigen, dass die Kreditkarte wie die anderen modernen Zahlungsinstrumente, insbesondere die kartengestützten Zahlungssysteme den Schutz des Vertragsunternehmens vor dem Risiko seiner Vorleistung an dem Karteninhaber dient2. Auch beim Einsatz der Kreditkarte soll das Vertragsunternehmen vor einem Vorleistungsrisiko dadurch geschützt werden, dass die spätere Zahlung des ihm geschuldeten Betrages mittels einer Kontogutschrift durch Begründung einer abstrakten Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten abgesichert wird3. Denn die Akzeptanz der Kreditkarte hängt regelmäßig davon ab, dass das Vertragsunternehmen bei Bewirken seiner Leistung wirtschaftlich so gestellt wird, als habe der Karteninhaber mit Bargeld bezahlt4.
4.850
Die Übernahme einer solchen nachrangigen (sekundären) Einstandspflicht liegt hier wesentlich näher als die Erteilung eines Schuldversprechens, das für den Kartenemittenten eine Zahlungsverbindlichkeit begründen würde, die auf gleicher Stufe neben der Zahlungsverbindlichkeit des Karteninhabers aus seinem Valutaverhältnis zum Vertragsunternehmen stünde. Denn im Regelfall hat der Kartenemittent schon auf Grund seiner Verpflichtung gegenüber dem Karteninhaber aus dem zwischen ihnen bestehenden Zahlungsdiensterahmenvertrags die Zahlung des offenen Rechnungsbetrages des Vertragsunternehmens zu leisten. Zur Vornahme dieser geschuldeten Erfüllungshandlung wird der Kartenemittent zudem durch den Einsatz der Karte verbindlich angewiesen gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB beauftragt5. Angesichts der mit dem Karteneinsatz verknüpften Zahlungsweisung besteht auch aus der Sicht des Vertragsunternehmens kein echtes Bedürfnis für die Begründung einer zusätzlichen gleichstufigen Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten in Form eines Schuldversprechens (§ 780 BGB).
4.851
Lediglich für den Ausnahmefall, dass der Kartenemittent im (Innen-)Verhältnis zum Karteninhaber nicht verpflichtet sein sollte, die mit dem Karteneinsatz konkludent erteilte Weisung zur geschuldeten Erfüllungsvornahme auszuführen, will er im Interesse einer möglichst breiten Akzeptanz seiner Kreditkarten dafür einstehen, dass der vom Karteninhaber geschuldete Betrag dem Vertragsunternehmen bezahlt wird. Für die Auslegungsfrage (§§ 133, 157 BGB), ob ein Garantievertrag oder Schuldversprechen gem. § 780 BGB 1 2 3 4 5
Vgl. z.B. Oechsler, WM 2000, 1613 ff. Martinek, Moderne Vertragstypen, Bd. III, 1993, S. 100 ff.; Oechsler, WM 2000, 1613, 1615, 1617. Oechsler, WM 2000, 1613, 1615. Oechsler, WM 2000, 1613, 1615, 1616. Pichler, NJW 1998, 3234, 3235 zur früheren Rechtslage, die noch von einer geschäftsbesorgungsrechtlichen Weisung ausging, ohne dass dies hier qualitativ einen Unterschied machen würde.
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Kreditkartengeschäft | Teil 4
vorliegt, kommt es im Übrigen entscheidend auf das Verständnis der beteiligten Wirtschaftskreise an1. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch der Einsatz der anderen Instrumente des kartengesteuerten bargeldlosen Zahlungsverkehrs nach zumindest einem Teil der Literaturmeinung in Übereinstimmung mit dem Verständnis der Praxis ebenfalls einen Garantieanspruch zugunsten der Vertragspartner des Bankkunden entstehen lässt, der die Erfüllung seines Zahlungsanspruches aus dem Valutaverhältnis zum Kartenkunden gewährleisten soll. Dasselbe Sicherungsbedürfnis des Vertragspartners des Kartenkunden im Rahmen der anderen kartengesteuerten und -gestützten Zahlungssysteme ist ein weiteres Argument dafür, die hierfür benötigten Zahlungsverbindlichkeiten des Kartenemittenten weitmöglichst demselben schuldrechtlichen Vertragstypus zuzuordnen. Auch lässt sich die ausreichende Absicherung des Vertragsunternehmens gegen eine spätere Nichtzahlung des geschuldeten Betrages insbesondere gegenüber ausländischen Anbietern leichter und überzeugender erklären, wenn die abstrakte Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten eine Garantie und kein Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB darstellt. Bei dem Schuldversprechen handelt es sich um ein sehr spezielles Rechtsinstitut des deutschen Rechts, dass den ausländischen Rechtsordnungen fremd ist. Dagegen handelt es sich bei einer Garantie um ein international anerkanntes und weltweit praktiziertes Sicherungsinstrument, dass der Akzeptanz einer global einsetzbaren Kreditkarte nur förderlich sein kann. Soweit die Garantiehaftung zum Tragen kommt, haftet der Kartenemittent gegenüber dem Vertragsunternehmen „in erster Linie und nicht erst nach vergeblicher Inanspruchnahme des Karteninhabers“2, wie dies auch bei der Einordnung der Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittent als Schuldversprechen der Fall wäre.
4.852
c) Begründung des Garantieanspruchs Die dogmatische Struktur der Begründung der abstrakten Zahlungsverbindlichkeit ist umstritten3. So soll nach einer Meinung in den zwischen Kartenemittent und den Vertragsunternehmen formularmäßig geschlossenen Anschlussverträgen ein rahmenartiges Vertragsverhältnis zu Stande kommen4. Sodann könnte in dem Auftrag des Karteninhabers zur Zahlung an das Vertragsunternehmen die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gem. § 315 BGB erblickt werden, mit der zugleich der zunächst nur rahmenmäßig festgelegte Zahlungsanspruch der Höhe nach bestimmt wird5. Insoweit ergibt sich eine Parallele zur Erteilung einer Kontogutschrift. Mit dem bei Kontoeröffnung abgeschlossenen Girovertrag wird zugleich ein abstraktes Schuldversprechen (§ 780 BGB) als Rahmenvertrag vereinbart und den Kreditinstituten die Befugnis eingeräumt, durch 1 Habersack in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 780 BGB Rz. 10. 2 Mit dieser „primären“ Haftung des Kartenemittenten begründet der BGH die Einordnung der Zahlungsverpflichtung als Schuldversprechen (BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158, 2160). 3 Oechsler, WM 2000, 1613, 1615. 4 Häuser in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, ZahlungsV Rz. G 22; Bitter, ZBB 1996, 104, 119; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1626. Nach dem BGH ist dieses Vertragsverhältnis aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) durch die Einreichung ordnungsgemäßer Belastungsbelege, die im Einzelfall die Zahlungspflicht des Kartenemittenten entstehen lassen (BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158, 2160). 5 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 66; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1626.
Werner | 701
4.853
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts den Anspruch aus der Gutschrift im Einzelfall nach Inhalt und Höhe zu konkretisieren. Zu einer solchen Konkretisierung der Leistungspflicht kommt es, wenn einem der Vertragspartner das Recht zusteht, „die geschuldete Leistung zu bestimmen“ (§ 315 BGB), und er von diesem Gestaltungsrecht Gebrauch macht1.
4.854
Dieses Gestaltungsrecht des Kartenemittenten als Garantieschuldner übt der Karteninhaber konkludent durch Einsatz der Karte und Unterzeichnung des Belastungsbeleges aus.
4.855
Der Garantieanspruch kommt nach wohl herrschender Meinung dadurch zustande, dass sich das Vertragsunternehmen den von ihm erstellten Belastungsbeleg unterzeichnen lässt2. Mit der Unterschriftsleistung erfolgen also zwei Willenserklärungen der Karteninhaber. Zum einen liegt in diesem schlüssigen Verhalten die Erteilung eines Zahlungsauftrags gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB an den Kartenemittenten zur Zahlung an das Vertragsunternehmen und autorisiert damit den Zahlungsvorgang, zum anderen gibt der Karteninhaber als bevollmächtigter Vertreter des Kartenemittenten eine Garantieofferte ab, die das Vertragsunternehmen konkludent annimmt. Die Kreditkarte legitimiert den Karteninhaber zu einer solchen Stellvertretung beim Zustandekommen des Garantievertrages zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen (§ 164 BGB)3.
4.856
Diese Legitimationsfunktion macht die Kreditkarte aber noch nicht zum Wertpapier4. Die Kreditkarte soll den Karteninhaber nur als Vertragspartner des Emittenten ausweisen, der zur Inanspruchnahme der Möglichkeiten bargeldloser Zahlungen mit der Kreditkarte befugt ist. Diese Legitimationsfunktion lässt die Kreditkarte wie die girocard und die GeldKarte zu einer Legitimationsurkunde mit Rechtsscheinwirkung werden mit der Folge, dass das gutgläubige Vertragsunternehmen in seinem Vertrauen auf die materielle Berechtigung des Karteninhabers und damit seinen Status als Bevollmächtigter des Kartenemittenten bei der Begründung des Garantievertrages geschützt wird5. Die Kreditkarte hat deshalb eine ähnliche Wirkung wie eine Vollmachtsurkunde gem. § 172 BGB. Dies gilt umso mehr, als die Fälschung der Unterschrift auf dem Belastungsbeleg durch die auf der Rückseite der Kreditkarte befindliche Originalunterschrift erheblich erleichtert wird und damit die gutgläubigen und sorgfältig handelnden Vertragsunternehmen besonders schutzwürdig erscheinen lassen. Der gute Glaube des Vertragsunternehmens ist zu schützen, wenn die Unterschriften auf dem Belastungsbeleg und der Kreditkarte bei laienhafter Prüfung identisch sind und der Diebstahl oder ein sonstiges Abhandenkommen der Karte durch den Kartenemittenten nicht mitgeteilt wurde6. Die Qualifizierung des Karteninhabers als offenen Stellvertreter des Kartenemittenten bei Zustandekommen der abstrakten Zahlungsverbindlichkeit hat also den Vorteil, den für die Funktionsfähigkeit der Kreditkarte gebotenen Schutz der gutgläubigen Vertragsunternehmen durch analoge Anwendung des § 172 BGB auf eine überzeugende Rechtsgrundlage zu stellen. Hinzu kommen eine weitere Reihe 1 2 3 4 5 6
Vgl. Grüneberg in Palandt, § 315 BGB Rz. 10 f. Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 143 f. Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 144. Eckert, WM 1987, 161, 168 m.w.N. Vgl. Oechsler, WM 2000, 1613, 1619; Kümpel, WM 1997, 1037, 1041 zur GeldKarte. Oechsler, WM 2000, 1613, 1619; vgl. auch BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158, 2160; OLG Frankfurt v. 21.7.2000 – 2 U 181/99, WM 2001, 984, 986 sowie den 7. Senat des OLG Frankfurt (v. 11.4.2001 – 7 U 18/00, NJW 2000, 2114 = WM 2001, 1898) und den 19. Senat dieses OLG (OLG Frankfurt v. 25.7.2001 – 19 U 3/01, ZIP 2001, 1583, 1584 mit Anm. Meder).
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Kreditkartengeschäft | Teil 4
von Sachgründen, die dafür sprechen, auf die Begründung der abstrakten Zahlungsverpflichtung im Einzelfall und nicht auf einen globalen Sicherungsrahmen abzustellen1. d) Forderungskauf statt Zahlungsgarantie? Nach dem Wortlaut der von den Kartenemittenten verwendeten AGB soll häufig keine Zahlungsgarantie übernommen werden. Vielmehr verpflichtet sich der Emittent gegenüber dem Vertragsunternehmen, dessen Zahlungsanspruch aus dem Valutageschäft mit dem Karteninhaber zu erwerben. Dies galt insbesondere für die von Mastercard verwendeten AGB, die ursprünglich von einem Forderungsankauf ausgingen Diese Verpflichtung des Kartenemittenten hatte der VIII. Zivilsenat des BGH zunächst als Rechtskauf eingeordnet2.
4.857
Bei dieser Vertragskonstruktion würde das Vertragsunternehmen einen kaufrechtlichen Zahlungsanspruch (§ 433 BGB) gegen den Emittenten und damit wie bei der Übernahme einer Zahlungsgarantie einen eigenständigen Anspruch erwerben, für dessen Erfüllung ihm das Vermögen des Emittenten haftet.
4.858
Mit der Annahme eines Forderungskaufes sollte das Vorliegen einer Garantieübernahme vermieden werden3. Eine solche Garantieübernahme könnte ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft der Kartengesellschaft darstellen; da zu den Bankgeschäften auch das Garantiegeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG) gehört. Auch hätte das Kreditkartengeschäft dann mit Eigenkapital (§ 10 KWG) unterlegt werden müssen. Liegt dem Kreditkartengeschäft dagegen ein Forderungskauf zugrunde, liegt kein Bankgeschäft i.S.d. KWG vor. Danach ist nur der Ankauf von Wechseln und Schecks, nicht aber auch der Ankauf anderer Forderungen ein genehmigungspflichtiges Bankgeschäft (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KWG)4. Die Möglichkeit, durch die Rechtskonstruktion eines Forderungskaufes das Erfordernis einer Erlaubnis durch die Aufsichtsbehörde abzuwenden, war zunächst durch das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz entfallen, da nach dem dadurch neu gefassten § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG a.F. die Ausgabe oder Verwaltung von Kreditkarten Finanzdienstleistungen darstellte, die erlaubnispflichtig waren. Mit Inkrafttreten des ZAG ist jedoch die vorstehend bezeichnete Regelung aufgehoben worden5, da Kartenzahlungen gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3b ZAG – gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZAG ggf. auch mit Kreditgewährung – unter die Zahlungsdienste fallen und deshalb gem. § 8 ZAG einer Erlaubnis als Zahlungsdienstleister durch die BAFin bedürfen.
4.859
Gegen die Annahme eines Forderungskaufes spricht nach Martinek/Omlor6 die Funktion der Kreditkarte als Bargeldersatz. Das Vertragsunternehmen sei zu einer Vorleistung nur
4.860
1 Vgl. hierzu Oechsler, WM 2000, 1613, 1616. 2 BGH v. 2.5.1990 – VIII ZR 139/89, WM 1990, 1059, 1060 = NJW 1990, 2880 ff.; Eckert, WM 1987, 161, 162 ff. Nach Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 19, spricht gegen einen Forderungskauf, dass für den Kartenherausgeber nicht der endgültige Erwerb der Forderungen des Vertragsunternehmens gegen die Karteninhaber mit der Zahlung eines Kaufpreises als Gegenleistung im Vordergrund steht, sondern die Zusage einer Zahlung auf die Verbindlichkeiten der Karteninhaber, für die als Entgelt (Provision) das prozentuale Disagio verlangt wird. 3 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 64; Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17, 29. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1627. 5 Gesetz zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz) v. 25.6.2009, BGBl. I 2009, 1506. 6 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 65.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
bereit, wenn es hinsichtlich der Erfüllung seines Zahlungsanspruchs aus dem Valutageschäft mit dem Karteninhaber in einer der Barzahlung gleichwertigen Weise abgesichert wird. Hierzu ist die Übernahme einer Zahlungsgarantie oder eines sicherungshalber erteilten Schuldversprechens gem. § 780 BGB erforderlich1.
4.861
Wird von einem Forderungskauf ausgegangen, erwirbt der Kartenemittent den Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens aus dem Valutageschäft mit dem Karteninhaber. Dieser Forderungserwerb schließt jedoch nicht aus, dass der Emittent zusätzlich einen auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch für die Ausführung des Zahlungsauftrags (§§ 675f Abs. 4 Satz 2, 670 BGB) gegen den Karteninhaber erwirbt, wenn er den geschuldeten Betrag an das Vertragsunternehmen zwecks Erfüllung seiner Kaufpreisverbindlichkeit aus dem Forderungskauf zahlt2. Macht der Emittent den erworbenen Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis geltend, kann der Karteninhaber grundsätzlich keine Einwendungen oder Einreden aus dem Valutaverhältnis erheben. Mit Rücksicht auf den besonderen Vertragszweck des Kreditkartenvertrages gilt § 404 BGB stillschweigend abbedungen3.
4.862
Nach Auffassung des XI. (Bankrechts-)Senats des BGH ist das Vertragsverhältnis zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragsunternehmen nicht als Forderungskauf, sondern als abstraktes Schuldversprechen anzusehen4. Der Wortlaut des Vertrages zwischen Kreditkartenemittent und Vertragsunternehmen spricht zwar von „Kauf“. Für die Auslegung ist aber die Bezeichnung als „Kauf“ nur der Ausgangs-, nicht aber der entscheidende Gesichtspunkt. Dagegen spricht, dass diese Wortwahl vor allem dem Zweck diente, Kreditkartenunternehmen der Erlaubnispflicht zu entziehen, die § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG für das Garantiegeschäfte betreibende Institute vorschreibt5. Geschäftswille und Interessenlage von Kreditkarten- und Vertragsunternehmen legen es vielmehr nahe, die zwischen ihnen geschlossenen Verträge generell einem einheitlichen Vertragstyp zu unterwerfen6. Diese Verträge enthalten eine Zahlungszusage des Kreditkartenunternehmens in Form eines abstrakten Schuldversprechens (§ 780 Abs. 1 BGB). Dieses rahmenmäßig vereinbarte Versprechen ist aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) durch die Einreichung ordnungsgemäßer Belastungsbelege, die in jedem Einzelfall die Zahlungspflicht des Kreditkartenunternehmens entstehen lassen7.
1 Martinek/Omlor, Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 65; vgl. weiter Hadding in FS Pleyer, S. 17, 29, 30; Omlor in Staudinger, § 675x BGB Rz. 15. 2 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150. 3 BGH v. 2.5.1990 – VIII ZR 139/89, WM 1990, 1059, 1061 = NJW 1990, 2880 ff.; Heymann/ Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150 f. 4 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, WM 2002, 1120, 1122. Der VIII. Senat hatte auf eine Anfrage des XI. Senats (WM 2001, 2158) gem. § 132 Abs. 3 GVG mitgeteilt, dass er an seiner früheren Auffassung nicht festhält; vgl. weiter die Anmerkung zu diesem Urteil von Barnert, WM 2003, 1153, 1154. 5 Durch das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ist das Kreditkartengeschäft zu einer erlaubnispflichtigen Finanzdienstleistung ausgestaltet worden (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG). Diese Vorschrift ist jedoch mittlerweile aufgehoben worden, vgl. Rz. 4.859. 6 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, WM 2002, 1120, 1122. 7 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, WM 2002, 1120, 1122.
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Kreditkartengeschäft | Teil 4
e) Haftung für Schäden aus missbräuchlicher Verwendung der Kreditkarte durch Dritte Der Karteninhaber ist zur sorgfältigen Aufbewahrung der Kreditkarte verpflichtet, um eine unbefugte Verwendung der Kreditkarte durch Dritte zu verhindern. Wird z.B. die Karte in einer Jacke oder Handtasche aufbewahrt, die in einer Gastwirtschaft über eine Stuhllehne gehängt wird, liegt hierin ein leicht fahrlässiges Verhalten1, das eine Haftung bis zu einem Betrag von 50 € gem. § 675v Abs. 1 BGB begründen kann.
4.863
Sobald der Verlust der Kreditkarte gegenüber der gem. § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB vorgeschriebenen Stelle angezeigt worden ist, übernimmt der Kartenemittent gem. § 675v Abs. 3 Satz 1 BGB die Haftung für alle Schäden, die durch missbräuchliche Verfügungen der Kreditkarte nach diesem Zeitpunkt entstehen, es sei denn, der Karteninhaber handelt gem. § 675v Abs. 3 Satz 3 BGB in betrügerischer Absicht. Gemäß § 675u BGB haftet der Zahlungsdienstleister für nicht autorisierte Zahlungen, so dass er keinen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB gegen den Karteninhaber mangels fehlenden Zahlungsauftrags gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB erwerben kann. Evtl. bereits belastete Zahlungen müssen umgehend und valutengerecht erstattet werden. Allerdings haftet der Karteninhaber auch ohne sein Verschulden bis zu einem Betrag von 50 €, falls sein Zahlungsinstrument – die Karte – verloren gegangen, gestohlen oder sonst abhanden gekommen ist und es danach mit diesem Instrument zu missbräuchlichen Verfügungen kommt. Sollte der Karteninhaber sein persönliches Sicherheitsmerkmal nicht sicher aufbewahren – dies kann im Zusammenhang mit der Kreditkarte nur die PIN betreffen –, haftet er ebenfalls bis zu einem Betrag von 50 €. Sollte der Karteninhaber dagegen seine Sorgfaltspflichten, d.h., seine sich entweder aus § 675l BGB oder den Bedingungen für die Kreditkarte resultierenden Pflichten grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzten oder in betrügerischer Absicht handeln, haftet er für den gesamten Schaden. Gemäß § 675v Abs. 4 BGB endet die Haftung mit der Mitteilung an den Zahlungsdienstleister – also die Kartengesellschaft oder von ihr Beauftragte –, dass eine Kartensperre zu veranlassen ist, es sei denn, der Karteninhaber hat in betrügerischer Absicht gehandelt. Die sich aus § 55 Abs. 1 ZAG ergebende Verpflichtung zur Einführung einer starken Kundenauthentifizierung gilt auch für die Kreditkarte, soweit unter ihrem Einsatz gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 ZAG ein elektronischer Zahlungsvorgang ausgelöst oder über einen Fernzugang eine Handlung vorgenommen wird, die das Risiko eines Betrugs im Zahlungsverkehr oder eines anderen Missbrauchs beinhaltet. Auch hier gilt für Zahlungen im Anwendungsbereich des § 55 Abs. 1 ZAG die Regelung, dass der Karteninhaber im Falle eines Missbrauchs gem. § 675 Abs. 4 BGB selbst für vorsätzliche Pflichtverstöße nicht haftet, sofern sein Zahlungsdienstleister eine starke Kundenauthentifizierung gem. § 1 Abs. 24 ZAG nicht verlangt oder der Zahlungsempfänger oder sein Zahlungsdienstleister diese nicht akzeptiert hat. Der Karteninhaber haftet in diesen Fallkonstellationen nur, soweit er in betrügerischer Absicht handelt.
4.864
Soweit die Vertragsunternehmen die missbräuchliche Verwendung der abhanden gekommenen Kreditkarte trotz sorgfältigen Vergleichs der gefälschten Unterschrift auf dem Belastungsbeleg mit der echten Unterschrift auf der Rückseite der Kreditkarte nicht erkennen konnten, muss das Vertragsunternehmen die Bezahlung des geschuldeten Betrages aus seinem Valutageschäft mit dem unbefugten Kartenbenutzer vom Kartenemittenten verlangen können. Denn die auch im Interesse des Karteninhabers liegende Akzeptanz der Kreditkarte würde großen Schaden nehmen, wenn die sorgfältig handelnden Vertragsunterneh-
4.865
1 OLG Bamberg v. 23.6.1993 – 8 U 21/93, WM 1994, 194, 195.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
men das für sie nicht erkennbare Risiko der Nichtberechtigung des Vorlegers zu tragen hätten1. Entstehen dem Kreditkartenunternehmen aus solchen missbräuchlichen Verwendungen der Kreditkarte durch die Zahlungen an die schutzwürdigen Vertragsunternehmen Aufwendungen, die es nach den vorstehend dargestellten Haftungsregelungen in Abhängigkeit von der Fallkonstellation bis zu einem Betrag von 50 oder sogar ganz verlangen kann.
4.866
In der Haftung des Karteninhabers auch ohne sein Verschulden ist eine Risikoverteilung nach Sphären („Sphärentheorie“) und damit eine verschuldensunabhängige Sphärenhaftung zu sehen.
4.867
Eine solche Haftung des Kunden konnte nach der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung nur ausnahmsweise wirksam vereinbart werden, wenn sie durch höherrangige Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt war oder die den Vertragspartner benachteiligende Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht durch Gewährung anderer rechtlicher Vorteile kompensiert wurde2. Diese Voraussetzung war gegeben, wenn die Haftung des Karteninhabers nach der Verlustmeldung vollständig entfiel und bis dahin die Haftung auf einen angemessenen Betrag begrenzt war3. Der BGH hat in seiner „Massacard“-Entscheidung v. 23.4.1991 betont, dass gegen die Zulässigkeit der dort verworfenen Haftungsklausel „entscheidend“ gesprochen habe, dass das auf den Karteninhaber verlagerte Risiko mangels betragsmäßiger Haftungsbegrenzung für diesen unkalkulierbar war4. Hinzu kommt, dass durch eine wenn auch nur verhältnismäßig geringe Haftungsbeteiligung bei einer betragsmäßig unbegrenzt verwendbaren Kreditkarte ein Anreiz für den Karteninhaber zur schnellstmöglichen Verlustmeldung geschaffen wird. Diese Diskussion hat sich jedoch für den Bereich der Zahlungsdienste und damit auch für die Kreditkarte erledigt, da zunächst eine eingeschränkte Sphärenhaftung zulässig war, deren Anwendungsbereich durch die Neufassung des § 675v Abs. 2 Nr. 1 BGB aufgrund der PSD II an so enge Voraussetzungen geknüpft wird, dass dafür kaum noch Raum bleibt.
4.868
Die Haftungsbeteiligung des Karteninhabers entfällt jedoch, wenn die Mitarbeiter des Vertragsunternehmens die zur Erstellung des Belastungsbeleges überlassene Kreditkarte dazu benutzen, um unbemerkt gefälschte Belastungsbelege zu erstellen. Ein solcher Missbrauch ist der Sphäre des Kartenemittenten zuzurechnen, der das Vertragsunternehmen ausgewählt hat5, denn es liegt dann weder – wie dies für die Haftung gem. § 675v Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlich ist – ein Verlorengehen, Abhandenkommen oder Stehlen der Karte als Zahlungsinstrument vor.
III. Eigenemission von Kreditkarten durch Kreditinstitute 4.869
Bei Eigenemissionen besteht das für das Kreditkartengeschäft typische Vertragsverhältnis in Gestalt eines Zahlungsdiensterahmenvertrags § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB zwischen dem Karteninhaber und dem die Karte emittierendem Institut. Diese Rechtsbeziehung ist in den Bedingungen für die MasterCard, bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedin1 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158, 2161; vgl. Nobbe in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 63 Rz. 31 ff., für den insoweit gleich gelagerten Fall der missbräuchlichen Verwendung entwendeter Reiseschecks. 2 BGH v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, WM 1991, 1110, 1111. 3 OLG Bamberg v. 23.6.1993 – 8 U 21/93, WM 1994, 194, 195. 4 BGH v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, WM 1991, 1110, 1112; Köndgen, NJW 1992, 2263, 2272. 5 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.
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Drittdienstleister | Teil 4
gungen handelt, näher geregelt. Für diese Sonderbedingungen haben die Spitzenverbände des Kreditgewerbes einen unverbindlichen Mustertext entwickelt, der eine Berücksichtigung des institutsindividuellen Leistungsangebots zulässt. So kann insbesondere der Dispositionsrahmen durch das Leistungsprofil bestimmt werden, mit dem das emittierende Kreditinstitut die Karte ausgestaltet hat. Bei einer Eigenemission wird eine Kartengesellschaft, die als Beauftragte des emittierenden Kreditinstituts für dessen Rechnung tätig wird, zwischengeschaltet. Hier wird das für das Kreditkartengeschäft typische Drei-Personen-Verhältnis um eine vierte Person erweitert: Die Kartengesellschaft. Auch in diesen Fällen schließt die Kartengesellschaft die Verträge mit dem Vertragsunternehmen im eigenen Namen ab. Es wird daher ein unentgeltliches Kommissionsgeschäft i.S.d. § 406 Abs. 1 Satz 2 HGB begründet. Danach kommen die kommissionsrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung, wenn ein Kaufmann, der kein Kommissionär ist, im Betriebe seines Handelsgewerbes Geschäfte für Rechnung eines anderen im eigenen Namen zu schließen übernimmt. Auch hier hat die Kartengesellschaft die Kartenumsätze mit dem Vertragsunternehmen abzuwickeln. Dementsprechend kann sie von den emittierenden Kreditinstituten die Erstattung aller Aufwendungen verlangen (§ 670 BGB). Das Kreditinstitut haftet daher für die Zahlungsfähigkeit des Karteninhabers. Andererseits kann das Kreditinstitut von der Kartengesellschaft alle Erträge aus dem Kreditkartengeschäft, wie z.B. die Händlerprovisionen, verlangen (§ 667 BGB).
4.870
4.871–4.880
Einstweilen frei.
9. Abschnitt: Drittdienstleister I. Zahlungsauslösedienst Definiert wird der Zahlungsauslösedienst1 in § 1 Abs. 33 ZAG als Dienst, bei dem auf Veranlassung des Zahlungsdienstnutzers ein Zahlungsauftrag in Bezug auf ein bei einem anderen Zahlungsdienstleister geführtes Konto ausgelöst wird2. PayPal und paydirekt fallen z.B. nicht unter die Zahlungsauslösedienste; PayPal nicht, da die Zahlungsabwicklung über eigene Konten vorgenommen wird, bei paydirekt handelt es sich nur um einen Zusatzservice, der auf dem Online-Banking aufsetzt und vom kontoführenden Institut selbst angeboten wird (s. Rz. 4.551 ff.). Zahlungsauslösedienste fallen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ZAG unter die Zahlungsdienste und bedürfen der Erlaubnis gem. §§ 10, 12 ZAG. Gemäß § 12 Nr. 3b ZAG benötigen Unternehmen, die Zahlungsauslösedienste anbieten möchten, ein Anfangskapitals i.H.v. mindestens 50 000 €3. Außerdem verlangt § 16 ZAG den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Damit wird klargestellt, dass diese Dienstleistungen zu den Zahlungsdiensten gehören und die Anbieter die entsprechende Erlaubnis dafür benötigen.
4.881
Damit der Zahlungsauslösedienst seine Dienstleistungen4 erbringen kann, werden dem kontoführenden Institut des Zahlers in § 48 ZAG verschiedene Pflichten auferlegt: Es
4.882
1 2 3 4
S. dazu Zahrte, NJW 2018, 337 f. Die PSD I erfasste diese Dienste noch nicht, vgl. dazu Spindler/Zahrte, BKR 2014, 265, 268. Vgl. Böger, Bankrechtstag 2016, S. 270 f. Zu den Dienstleistungen eines Zahlungsauslösedienstes s. Bschl. des BKarttA v. 29.6.2016 – B 4-71/10 Rz. 20 f.
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gungen handelt, näher geregelt. Für diese Sonderbedingungen haben die Spitzenverbände des Kreditgewerbes einen unverbindlichen Mustertext entwickelt, der eine Berücksichtigung des institutsindividuellen Leistungsangebots zulässt. So kann insbesondere der Dispositionsrahmen durch das Leistungsprofil bestimmt werden, mit dem das emittierende Kreditinstitut die Karte ausgestaltet hat. Bei einer Eigenemission wird eine Kartengesellschaft, die als Beauftragte des emittierenden Kreditinstituts für dessen Rechnung tätig wird, zwischengeschaltet. Hier wird das für das Kreditkartengeschäft typische Drei-Personen-Verhältnis um eine vierte Person erweitert: Die Kartengesellschaft. Auch in diesen Fällen schließt die Kartengesellschaft die Verträge mit dem Vertragsunternehmen im eigenen Namen ab. Es wird daher ein unentgeltliches Kommissionsgeschäft i.S.d. § 406 Abs. 1 Satz 2 HGB begründet. Danach kommen die kommissionsrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung, wenn ein Kaufmann, der kein Kommissionär ist, im Betriebe seines Handelsgewerbes Geschäfte für Rechnung eines anderen im eigenen Namen zu schließen übernimmt. Auch hier hat die Kartengesellschaft die Kartenumsätze mit dem Vertragsunternehmen abzuwickeln. Dementsprechend kann sie von den emittierenden Kreditinstituten die Erstattung aller Aufwendungen verlangen (§ 670 BGB). Das Kreditinstitut haftet daher für die Zahlungsfähigkeit des Karteninhabers. Andererseits kann das Kreditinstitut von der Kartengesellschaft alle Erträge aus dem Kreditkartengeschäft, wie z.B. die Händlerprovisionen, verlangen (§ 667 BGB).
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Einstweilen frei.
9. Abschnitt: Drittdienstleister I. Zahlungsauslösedienst Definiert wird der Zahlungsauslösedienst1 in § 1 Abs. 33 ZAG als Dienst, bei dem auf Veranlassung des Zahlungsdienstnutzers ein Zahlungsauftrag in Bezug auf ein bei einem anderen Zahlungsdienstleister geführtes Konto ausgelöst wird2. PayPal und paydirekt fallen z.B. nicht unter die Zahlungsauslösedienste; PayPal nicht, da die Zahlungsabwicklung über eigene Konten vorgenommen wird, bei paydirekt handelt es sich nur um einen Zusatzservice, der auf dem Online-Banking aufsetzt und vom kontoführenden Institut selbst angeboten wird (s. Rz. 4.551 ff.). Zahlungsauslösedienste fallen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ZAG unter die Zahlungsdienste und bedürfen der Erlaubnis gem. §§ 10, 12 ZAG. Gemäß § 12 Nr. 3b ZAG benötigen Unternehmen, die Zahlungsauslösedienste anbieten möchten, ein Anfangskapitals i.H.v. mindestens 50 000 €3. Außerdem verlangt § 16 ZAG den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Damit wird klargestellt, dass diese Dienstleistungen zu den Zahlungsdiensten gehören und die Anbieter die entsprechende Erlaubnis dafür benötigen.
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Damit der Zahlungsauslösedienst seine Dienstleistungen4 erbringen kann, werden dem kontoführenden Institut des Zahlers in § 48 ZAG verschiedene Pflichten auferlegt: Es
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S. dazu Zahrte, NJW 2018, 337 f. Die PSD I erfasste diese Dienste noch nicht, vgl. dazu Spindler/Zahrte, BKR 2014, 265, 268. Vgl. Böger, Bankrechtstag 2016, S. 270 f. Zu den Dienstleistungen eines Zahlungsauslösedienstes s. Bschl. des BKarttA v. 29.6.2016 – B 4-71/10 Rz. 20 f.
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ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 ZAG verpflichtet, mit dem Zahlungsauslösedienst auf sichere Weise zu kommunizieren, nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 ZAG dem Dienst nach Auslösung einer Zahlung alle Informationen hinsichtlich der Zahlungsausführung mitzuteilen oder zugänglich zu machen und darf schließlich gem. § 48 Abs. 1 Nr. 3 ZAG die über den Drittdienst ausgelösten Zahlungsaufträge gegenüber einer direkt vom Zahler ausgelösten Zahlung nicht benachteiligen. Außerdem darf das kontoführende Zahlungsinstitut nach § 48 Abs. 2 ZAG als Voraussetzung für die Zusammenarbeit nicht verlangen, dass der Zahlungsauslösedienst mit ihm einen Vertrag abschließt.
4.883
§ 49 Abs. 1 ZAG untermauert aufsichtsrechtlich die aus dem privatrechtlichen Prinzip der Auftragsstrenge folgende Verpflichtung des Zahlungsauslösedienstes, den Zahlungsbetrag, die Bezeichnung des Zahlungsempfängers oder ein anderes Merkmal des Zahlungsvorgangs unverändert zu lassen. Außerdem darf er zu keiner Zeit Gelder des Zahlers, die im Zusammenhang mit der ausgelösten Zahlung stehen, behalten.
4.884
§ 49 Abs. 2 ZAG verpflichtet den Drittdienstleister, sich vor Auslösung eines Zahlungsvorgangs jeweils beim Zahlungsinstitut des Zahlers zu identifizieren. Außerdem hat er sicherzustellen, dass die personalisierten Sicherheitsmerkmale des Zahlungsdienstnutzers keiner anderen Partei als dem Nutzer und dem Emittenten der Sicherheitsmerkmale zugänglich sind. Die näheren Anforderungen an die Identifizierung werden durch delegierten Rechtsakt der Europäischen Kommission auf der Grundlage von Art. 98 PSD II festgelegt. Die Umsetzung erfolgt gem. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 PSD II-Umsetzungsgesetz innerhalb von achtzehn Monaten nach Inkrafttreten des delegierten Rechtsakts, da erst dann die Regelungen der §§ 45 bis 52 und 55 ZAG, die auch die Anforderungen an die Authentifizierung durch Drittdienste festlegen, in Kraft treten. Bis dahin ist auf die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation zurückzugreifen. Die vorstehend genannten ZAG-Regelungen treten zum 14.9.2019 in Kraft.
4.885
§ 49 Abs. 3 ZAG verpflichtet den Zahlungsdienstleister des Kontoinhabers und Zahlungsdienstnutzers, mit den an einem Zahlungsvorgang Beteiligten nur auf sichere Weise zu kommunizieren1. Die entsprechenden Details werden auf der Grundlage der delegierten Verordnung durch die Europäische Bankaufsicht festgelegt.
4.886
Nach § 49 Abs. 4 ZAG dürfen vom Zahler nur die zur Zahlungsauslösung unbedingt erforderlichen Daten verlangt und keine sensiblen Zahlungsdaten gespeichert werden. Alle weiteren Informationen, die der Zahlungsdienstleister über den Zahler bei der Bereitstellung des Zahlungsdiensts erlangt hat, darf er nur dem Zahlungsempfänger und nur mit Zustimmung des Zahlers mitteilen.
4.887
§ 49 Abs. 5 ZAG schließlich bestimmt, dass nach Auslösung eines Zahlungsauftrags der Zahlungsauslösedienst dem kontoführenden Zahlungsdienstleister des Zahlers die Referenzangaben zum Zahlungsvorgang zugänglich machen muss, damit dieser sie sowohl dem Zahler als auch dem Zahlungsempfänger zur Erfüllung seiner Informationspflichten zur Verfügung stellen kann.
4.888
Aus § 52 ZAG ergibt sich, dass ein Zahlungsdienstleister die Zusammenarbeit mit einem Zahlungsauslöse(oder Kontoinformations)dienst nicht willkürlich verweigern darf. Ge1 Zur Pflicht des Zahlungsdienstnutzers des Zahlers mit dem Zahlungsauslösedienst zu kommunizieren, Böger in Bankrechtstag 2016, S. 272; Linardatos, WM 2014, 300, 301.
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mäß § 52 Abs. 1 ZAG darf dies nur erfolgen, wenn es objektive und gebührend nachgewiesene Gründe für einen nicht autorisierten oder betrügerischen Zugang zum Zahlungskonto gibt, die dies rechtfertigen. § 52 Abs. 2 ZAG legt dem kontoführenden Institut die Verpflichtung auf, entsprechende Vorgänge der BaFin zu melden. Liegen die Gründe für die berechtigte Verweigerung des Zugangs nicht mehr vor, muss dem Zahlungsauslösedienst gem. § 52 Abs. 3 ZAG wieder der Zugang gewährt werden. In zivilrechtlicher Hinsicht steht dem Zahlungsdienstnutzer das jederzeitige Recht zur Einschaltung eines Zahlungsauslösedienstes zu, ohne dass er die daraus resultierenden zusätzlichen Risiken zu tragen hat1. § 675f Abs. 3 ZAG räumt deshalb dem Zahlungsdienstnutzer gegenüber dem kontoführenden Institut das Recht ein, Zahlungsauslöseund Kontoinformationsdienste zu nutzen, soweit sein Konto online zugänglich ist. Sein kontoführendes Institut darf – wie sich bereits aus § 48 Abs. 2 ZAG ergibt – die Nutzung des Dienstes nicht vom Abschluss eines eigenen Vertrags mit dem Drittdienst oder auch nur von seiner Zustimmung zur Einschaltung abhängig machen. Verweigert werden darf die Zusammenarbeit nur aus den in § 52 ZAG geregelten Gründen, deren Voraussetzungen der erstbeauftragte Zahlungsdienstleister nachweisen muss2.
4.889
Den Zahlungsauslösedienst treffen gem. § 675d Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 248 §§ 13 Abs. 1 bis 3 und 13a EGBGB eigenständige Informationspflichten3.
4.890
Verweigert der Zahlungsdienstleister des Zahlungsdienstnutzers einem Zahlungsauslöse- oder Kontoinformationsdienst den Zugang zum Zahlungskonto des Zahlungsdienstnutzers, muss er gem. § 675k Abs. 3 BGB dem Zahlungsdienstnutzer unverzüglich möglichst vor, ausnahmsweise auch nach der Verweigerung in der im Zahlungsdiensterahmenvertrag vereinbarten Form über die Gründe dafür informieren. Nur wenn gesetzliche Pflichten dem entgegen stehen, ist die Angabe von Gründen nicht erforderlich.
4.891
Aus § 675l Abs. 2 BGB folgt, dass in den Online-Banking-Bedingungen (oder in anderen AGB mit dem Zahler) die Nutzung von über Intermediäre angebotene Dienstleistungen nicht untersagt oder auch nur erschwert werden darf4.
4.892
Da sowohl bei online ausgelösten Zahlungen als auch beim Zugriff von Zahlungsauslösediensten auf ein Konto die „starke Kundenauthentifizierung“ gem. § 55 Abs. 1 und ggf. Abs. 2 ZAG, § 675v Abs. 4 BGB zukünftig zwingend sein wird, hat der Verzicht auf diese Form der Autorisierung eine weitergehende Haftung des Zahlerinstituts gem. § 675v BGB zur Folge, d.h. nur im Falle eines betrügerischen Verhaltens hat es nicht für die missbräuchliche Verwendung von Zahlungsinstrumenten einzustehen, ansonsten haftet es selbst im Falle einer vorsätzlichen Sorgfaltspflichtverletzung des Zahlungsdienstnutzers5.
4.893
1 2 3 4
Werner in Bankrechtstag 2016, S. 187. Böger in Bankrechtstag 2016, S. 273. Vgl. dazu Böger in Bankrechtstag 2016, S. 275. Linardatos, WM 2014, 300, 301; anders noch unter aktuellem Recht, bei dem aus § 675l Satz 1 BGB die Verpflichtung abgeleitet wird, die Zugangsmedien gegenüber jedem Dritten geheim zu halten. S. dazu Frey in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl. 2013, § 675l BGB Rz. 7 ff.; Werner in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2011, § 675l BGB Rz. 2 f.; Omlor in Staudinger, § 675l BGB Rz. 9; Herresthal in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 5. Kap. § 675l BGB Rz. 11 f. 5 Zur Pflicht zum Einsatz der „starken Kundenauthentifizierung“ gem. § 1 Abs. 24 ZAG n.F. Omlor in Bankrechtstag 2016, S. 274; Werner in Bankrechtstag 2016, S. 188 f.
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4.894
Obwohl der Zahlungsauslösedienst vom Zahler oder ggf. auf Wunsch des Zahlungsempfängers vom Zahler eingeschaltet wird, bleibt es dabei, dass gem. § 675u Satz 5 BGB das erstbeauftragte Institut im Verhältnis zum Zahler haftet, wenn es zu nicht autorisierten Zahlungsvorgängen kommen sollte, unabhängig davon, ob und inwieweit der Zahlungsauslösedienst für die mangelnde Autorisierung (mit)verantwortlich ist. Gleiches gilt gem. § 675y Abs. 1 Satz 3 BGB für den Fall nicht, fehlerhaft oder verspätet ausgeführter Zahlungsaufträge. Aus § 676a Abs. 1 BGB ergibt sich, dass dann, wenn der Zahlungsauslösedienst – ebenso wie jede andere zwischengeschaltete Stelle – dafür verantwortlich ist, dass der Zahlungsauftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt und dadurch Ansprüche gegen das erstbeauftragte Institut gem. §§ 675u, 675y und 675z BGB ausgelöst werden, er für die daraus entstandenen Schäden einzustehen hat. Dem erstbeauftragten Institut kommen jedoch Beweiserleichterungen gem. § 676a Abs. 2 und Abs. 3 BGB zugute, denn danach trifft den Zahlungsauslösedienst die Pflicht zum Nachweis der ordnungsgemäßen Ausführung in seinem Verantwortungsbereich. Für den Zahler dagegen spielt es keine Rolle, ob er einen Intermediär zwischengeschaltet hat oder nicht; er kann sich in jedem Fall an sein kontoführendes Institut halten.
4.895
Gemäß § 68 Abs. 1 ZAG dürfen Unternehmen, die vor dem 12.1.2016 im Inland Zahlungsauslösedienste angeboten haben, diese bis zum Inkrafttreten der §§ 45 bis 52 und des § 55 ZAG unter den vor dem 13.1.2018 geltenden gesetzlichen Regelungen weiter anbieten. Gemäß Art. 15 Abs. 1 Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz treten diese Regelungen 18 Monate nach dem delegierten Rechtsakt nach Art. 98 PSD II in Kraft. Dabei handelt es sich um den 14.9.2019. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die kontoführenden Zahlungsdienstleister den Zahlungsauslösediensten nicht den Zugang zu Zahlungskonten mit der Begründung verweigern, sie erfüllten nicht die Anforderungen gem. §§ 45 bis 52 und 55 ZAG.
4.896
Wie aus § 675e Abs. 4 BGB folgt, sind die Regelungen zur Zwischenschaltung von Intermediären zwingend, da diese nicht in den Katalog der dispositiven Gesetze aufgenommen worden sind, d.h. das Recht, solche Dienste in Zahlungsvorgänge einzuschalten, gilt nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Unternehmer. Gegenüber Unternehmern können aber die Haftungsregelungen gem. §§ 675v bis 676 BGB ausgeschlossen oder modifiziert werden. Insbesondere kann in diesem Fall die Haftung des Zahlungsinstituts des Zahlers für den Zahlungsauslösedienst ausgeschlossen werden.
II. Kontoinformationsdienst 4.897
Gemäß § 1 Abs. 34 ZAG handelt es sich bei dem Kontoinformationsdienst1 um einen Online-Dienst zur Mitteilung konsolidierter Informationen über ein Zahlungskonto oder mehrere Zahlungskonten des Zahlungsnutzers bei einem oder mehreren anderen Zahlungsdienstleistern2. Bisher gibt es allerdings nur wenige Anbieter. Häufig wird eine entsprechende Dienstleistung über eine App (wie z.B. die Banking-App Centralway Numbers) angeboten, die im Auftrag des Kunden Informationen von seinen Konten bei unterschiedlichen Instituten abfragt und ihm ggf. auch in aufbereiteter Form zur Verfügung stellt. Allerdings bedarf der Kontoinformationsdienst, der nur im Inland angeboten wird, keiner Zulassung gem. §§ 10, 12 ZAG, sondern lediglich eine Registrierung gem. § 34 ZAG ge1 Vgl. Zahrte, NJW 2018, 337, 338. 2 Vgl. Böger in Bankrechtstag 2016, S. 279; Werner in Bankrechtstag 2016, S. 186 f.; Spindler/Zahrte, BKR 2014, 265 ff.; Sander, BKR 2019, 66.
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nügt1. Gemäß § 36 ZAG setzt die Tätigkeit des Kontoinformationsdienstes eine Berufshaftpflichtversicherung voraus. Gemäß § 37 ZAG erlischt die Registrierung oder kann aufgehoben werden, insbesondere wenn von ihr kein Gebrauch gemacht oder der Geschäftsbetrieb mehr als sechs Monate nicht ausgeübt wird. Im Übrigen entsprechen die Aufhebungsgründe den Gründen, die auch eine Versagung rechtfertigen. Damit sind zukünftig auch Kontoinformationsdienste zulässig, soweit diese nur registriert werden. Entsprechende Dienste erlauben es, Kontoinformationen von verschiedenen Konten des Auftraggebers bei verschiedenen Instituten abzufragen und diese entsprechend den Wünschen des Auftraggebers (und des eigenen Angebots) aufzuarbeiten.
4.898
§ 50 Abs. 1 ZAG verpflichtet das kontoführende Institut, mit dem Informationsdienst nur auf sichere Weise zu kommunizieren und ihn nicht zu benachteiligen, wenn er Daten abfragt, es sein denn, es gibt für die Informationsverweigerung objektive Gründe. Außerdem darf das Institut des Kontoinhabers gem. § 50 Abs. 2 ZAG das Erbringen der Kontoinformationsdienstleistung nicht davon abhängig machen, dass der Informationsdienst mit ihm zu diesem Zweck einen eigenständigen Vertrag abschließt2.
4.899
Aus § 51 Abs. 1 ZAG folgt, dass nur mit Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers auf die für den Zahlungsvorgang erforderlichen Daten, die der Zahlungsdienstnutzer bezeichnet hat, zurückgegriffen und keine sensiblen Zahlungsdaten, die mit dem Konto in Zusammenhang stehen, angefordert werden dürfen.
4.900
§ 51 Abs. 2 ZAG legt dem Dienstleister die Verpflichtung auf, sich jeweils beim Zahlungsinstitut des Zahlungsdienstnutzers zu identifizieren, bevor er mit ihm kommuniziert. Außerdem muss er sicherstellen, dass die personalisierten Sicherheitsmerkmale des Zahlungsdienstnutzers keiner anderen Partei als dem Nutzer und dem Emittenten der Sicherheitsmerkmale zugänglich sind3. Die näheren Anforderungen an die Identifizierung werden durch delegierten Rechtsakt der Europäischen Kommission auf der Grundlage von Art. 98 PSD II festgelegt werden. Bis zur Umsetzung dieser Richtlinie ist auf die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation zurück zu greifen. Die Einzelheiten der Umsetzung folgen aus Art. 15 Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz.
4.901
Schließlich legt § 51 Abs. 3 ZAG dem Zahlungsdienstleister die Verpflichtung auf, mit dem kontoführenden Zahlungsdienstleister nur auf sichere Weise zu kommunizieren. Auch hier werden die Details auf der Grundlage der delegierten Verordnung durch die Europäische Bankaufsicht festgelegt4.
4.902
§ 52 ZAG – die Regelungen über den Zugang zu Zahlungskonten – gilt für Kontoinformationsdienste ebenso wie für Zahlungsauslösedienste. Es gelten deshalb die entsprechenden Ausführungen wie zu den Zahlungsauslösediensten (s. Rz. 4.888).
4.903
1 Vgl. dazu Böger in Bankrechtstag 2016, S. 280. 2 Vgl. dazu Böger in Bankrechtstag 2016, S. 281; Werner in Bankrechtstag 2016, S. 186 f. 3 Es gelten die Anforderungen entsprechend wie bei der Sicherung entsprechender Merkmale und Instrumente durch den Zahlungsdienstnutzer selbst, vgl. entsprechend Frey in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl. 2013, § 675l BGB Rz. 7 ff.; Werner in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2011, § 675l BGB Rz. 2 f.; Omlor in Staudinger, § 675l BGB Rz. 9; Herresthal in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 5. Kap. § 675l BGB Rz. 11 f.; Beesch in Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht Bd. 2/2, 2. Aufl. 2012, §§ 675k–675m BGB Rz. 6 ff. 4 Böger, Bankrechtstag 2016, S. 281.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.904
Gemäß § 55 Abs. 4 ZAG muss ein kontoführendes Zahlungsinstitut neben einem Zahlungsauslösedienst auch einem Kontoinformationsdienst erlauben, sich auf die Authentifizierungsverfahren zu stützen, die es dem Zahlungsdienstnutzer gem. § 55 Abs. ZAG – d.h. die starke Kundenauthentifizierung – bereitstellt1.
4.905
In zivilrechtlicher Hinsicht findet der Kontoinformationsdienst seinen Niederschlag in § 675f Abs. 3 BGB, der dem Zahlungsdienstnutzer das Recht einräumt, neben Zahlungsauslöse- auch Kontoinformationsdienste zu nutzen, soweit seine Konten online zugänglich sind. Sein kontoführendes Institut darf – wie sich bereits aus § 50 Abs. 2 ZAG ergibt – die Nutzung des Dienstes nicht vom Abschluss eines eigenen Vertrags mit dem Zahlungsdienstleister abhängig machen. Hinsichtlich der Verweigerung zur Zusammenarbeit gelten die Ausführungen zum Zahlungsauslösedienst entsprechend (s. Rz. 4.889).
4.906
In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist der Betreiber eines Kontoinformationsdienstes, der von einem Zahlungsdienstnutzer mit der Erbringung seiner Dienstleistungen beauftragt worden ist, gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO berechtigt, die auftragsgemäß erlangten personenbezogenen Daten zu verarbeiten2.
4.907
Auch den Kontoinformationsdienst treffen gem. § 675d Abs. 2 Satz 2 BGB verschiedene, in Art. 248 §§ 4 und 13 Abs. 1 EGBGB näher geregelte Informationspflichten. Form und Zeitpunkt der Unterrichtung können mit dem Zahlungsdienstnutzer vereinbart werden, ohne dass es dafür rechtliche Vorgaben gibt. Die Haftungsregelungen und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Vorschriften gem. §§ 675u, 675v, 675w, 675z, 676a und 676b BGB finden auf Kontoinformationsdienste keine Anwendung, da diese keine Zahlung auslösen.
4.908
Auch für die Kontoinformationsdienste ist § 675f Abs. 3 BGB sowohl gegenüber Verbrauchern als auch Unternehmern zwingend, wie sich aus § 675e Abs. 2 und Abs. 4 BGB ergibt. Nur bei Zahlungen mit Bezügen außerhalb der EU kann, wie sich aus § 675e Abs. 2 Nr. 2 BGB ergibt, davon abgewichen werden, soweit es sich um Vorgänge handelt, die nicht im Bereich des EWR ausgeführt werden.
4.909
Gemäß § 68 Abs. 2 ZAG dürfen Unternehmen, die vor dem 12.1.2016 im Inland Kontoinformationsdienste angeboten haben, diese Tätigkeit bis zum Inkrafttreten der §§ 45 bis 52 und des § 55 ZAG unter den vor dem 13.1.2018 geltenden gesetzlichen Regelungen zunächst weiter ausüben. Gemäß Art. 15 Abs. 1 PSD II-Umsetzungsgesetz treten die vorstehend bezeichneten Regelungen 18 Monate nach dem delegierten Rechtsakt nach Art. 98 Abs. 1d der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie in Kraft3. Bei dem Termin handelt es sich um den 14.9.2019.
III. Drittemittent von Zahlungskarten 4.910
Die PSD II enthält auch Regelungen für Zahlungen unter Einsatz einer Karte, die nicht vom kontoführenden Institut ausgegeben ist4. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen Kreditkartenverträge nicht mit dem kontoführenden Institut selbst abgeschlossen wer1 2 3 4
Vgl. Böger in Bankrechtstag 2016, S. 282; Terlau, ZBB 2016, 122, 137. Sander, BKR 2019, 66, 70 ff. Dazu Böger in Bankrechtstag 2016, S. 282. Bisher fanden die Drittemittenten von Zahlungskarten im Zahlungsdiensteaufsichtsrecht noch keine ausdrückliche Berücksichtigung, vgl. Spindler/Zahrte, BKR 2014, 265, 268; zum aktuellen Recht s. Werner, ZBB 2017, 345, 349 f.
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Drittdienstleister | Teil 4
den. Dadurch soll gegenüber dem Verbraucher das Angebot an Zahlungsdiensten erweitert werden1, da diese dann Konto- und Kartenvertrag bei unterschiedlichen Anbietern abschließen können. Der Kartenemittent leistet die über die Karte ausgelöste Zahlung an den Empfänger und erhält seinen Aufwendungsersatz über ein Konto des Zahlers bei einem anderen Zahlungsdienstleister erstattet. Damit liegt das Zahlungsrisiko grundsätzlich beim Kartenemittenten, denn wenn das Konto keine Deckung aufweist, kann er seinen Aufwendungsersatzanspruch nicht erfolgreich geltend machen. Um dieses Risiko zu reduzieren, sieht § 45 Abs. 1 ZAG vor, dass das kontoführende Institut auf Wunsch des Kartenemittenten verpflichtet ist, diesem mitzuteilen, ob der für die Ausführung der Zahlung erforderliche Geldbetrag auf dem Konto des Karteninhabers vorhanden ist, sofern das Konto des Zahlers online zugänglich ist. Das kontoführende Institut muss dem Ersuchen eines vorher mit dem Kontoinhaber festgelegten Kartenemittenten nachkommen, sofern dieser um Bestätigung der Verfügbarkeit eines bestimmten Geldbetrags für eine konkrete Transaktion bittet und die Erlaubnis vor dem Ersuchen vom Karteninhaber erteilt worden ist.
4.911
Gemäß § 45 Abs. 2 ZAG darf nicht der genaue Kontostand mitgeteilt werden; erlaubt sind als Antworten nur „Ja“ oder „Nein“ im Hinblick auf die Verfügbarkeit eines bestimmten Betrags2. Aber auch wenn das kontoführende Institut die Verfügbarkeit des abgefragten Betrags bestätigt hat, darf es gem. § 45 Abs. 3 BGB danach weitere Verfügungen des Kontoinhabers zulassen und den entsprechenden Geldbetrag auf seinem Konto ohne dessen ausdrückliche Weisung nicht sperren. Folglich trägt der Kartenemittent das Risiko zwischenzeitlicher Verfügungen, die dazu führen können, dass sein Aufwendungsersatzanspruch unbefriedigt bleibt.
4.912
Bei jedem Ersuchen an das kontoführende Institut muss sich der Kartenemittent gegenüber diesem Institut authentifizieren und mit ihm auf sichere Weise kommunizieren. Ihm ist es nicht erlaubt, die Antwort zu speichern oder für andere Zwecke als die konkrete Anfrage zu verwenden.
4.913
§ 675m Abs. 3 BGB enthält die Verpflichtung des kontoführenden Instituts, dem Kontoinhaber auf Verlangen die Identifizierungsdaten des kartenemittierenden Instituts, das um eine Zahlungsbestätigung nachgesucht hat, sowie die erteilte Antwort mitzuteilen. Wie aus § 675e Abs. 2 und Abs. 4 BGB folgt, ist diese Vorschrift zwingend und kann auch bei Zahlungsvorgängen mit Unternehmen nicht abbedungen werden.
4.914
Offen ist, ob bei Abfragen von Drittemittenten in jedem Einzelfall eine Zustimmung eingeholt werden muss oder ob es ausreicht, wenn der Karteninhaber gegenüber seinem kontoführenden Institut eine ausdrücklich auf den speziellen Kartenemittenten beschränkte widerrufliche generelle Zustimmung für dessen Abfragen erteilt. Letzteres dürfte nicht in Widerspruch zu den gesetzlichen Reglungen stehen. Abdingbar ist das Zustimmungserfordernis nicht, was sich auch daraus ergibt, dass es in § 46 Satz 1 ZAG und nicht im BGB geregelt und folglich als zwingende aufsichtsrechtliche Regelung der Dispositionsfreiheit der Parteien entzogen ist.
4.915
Auf Kartenzahlungen – nicht nur durch Karten von Drittemittenten – anwendbar ist die Regelung in § 675t Abs. 4 BGB, die den Zahlungsdienstleister des Zahlers – also das konto-
4.916
1 Vgl. dazu Terlau, ZBB 2016, 122, 137. 2 Böger in Bankrechtstag 2016, S. 283.
Werner | 713
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
führende Institut – im Falle einer Kartenzahlung berechtigt, einen verfügbaren Betrag auf dem Konto zu sperren, wenn ein entsprechender Zahlungsvorgang vom oder über den Empfänger ausgelöst wurde und der Zahler in Höhe des Zahlungsbetrags mit der Sperre einverstanden ist. Das Recht zur Sperre endet nach Mitteilung des genauen Zahlungsbetrags oder nach Eingang des Zahlungsauftrags. Damit kann auf Veranlassung des Zahlungspflichtigen – nicht aber des Kartenemittenten – der für eine Kartentransaktion erforderliche Betrag auf dem Konto gesperrt und der weiteren Verfügung entzogen werden1.
4.917–4.920 Einstweilen frei.
10. Abschnitt: Folgen der RTS 2018/389 für die starke Kundenauthentifizierung und die Drittdienste I. Regelungsbereiche der RTS 2018/389 4.921
Gemäß Art. 15 Abs. 1 Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz werden die Regelungen zu den Pflichten der Drittdienste im Zusammenhang mit ihren Zahlungsdiensten gem. §§ 45 bis 52 ZAG sowie zur starken Kundenauthentifizierung gem. § 55 ZAG erst achtzehn Monate nach Inkrafttreten der delegierten Verordnung nach Art. 98 PSD II wirksam. Diese Verordnung ist am 27.11.2017 erlassen und am 13.3.2018 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden2. Gemäß Art. 38 Abs. 2 gilt sie ab 14.9.2019, so dass auch ab diesem Zeitpunkt die §§ 45 bis 52 und 55 ZAG Anwendung finden.
4.922
Diese RTS 2018/389 legt detaillierte Anforderungen an die starke Kundenauthentifizierung und die Drittdienste inkl. evtl. Ausnahmen davon fest. Neben der Präzisierung soll sie auch dazu dienen, ein angemessenes Sicherheitsniveau zu gewährleisten.
4.923
Hinsichtlich der „starken Kundenauthentifizierung“ enthalten die Regelungen in den Art. 22 bis 27 Anforderungen an die Bereitstellung der „personalisierten Sicherheitsmerkmale“.
II. Anforderungen an die starke Kundenauthentifizierung 4.924
Die Anforderungen an die starke Kundenauthentifizierung3 werden insbesondere in den Art. 2 bis 9 festgelegt. Art. 2 verpflichtet die Zahlungsdienstleister zur allgemeinen Transaktionsüberwachung, um nicht autorisierte oder betrügerische Zahlungsvorgänge feststellen zu können. Die risikobasierten Überwachungsmaßnahmen gem. Art. 2 Abs. 2 müssen die nachfolgenden risikobasierten Kriterien einbeziehen: – Einer Liste missbräuchlich verwendeter oder gestohlener Authentifizierungselemente; – den Betrag des Zahlungsvorgangs; 1 Böger in Bankrechtstag, 2016, S. 283. 2 Delegierte Verordnung (EU) 2018/389 der Kommission vom 27.11.2017 zur Ergänzung der Richtlinie 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für eine starke Kundenauthentifizierung und für sichere offene Standards für die Kommunikation, ABl. EU Nr. L 69 v. 13.3.2018, S. 23. 3 Zu den Anforderungen an eine starke Kundenauthentifizierung vgl. Kunz, CB 2018, 393, 396 ff.
714 | Werner
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
führende Institut – im Falle einer Kartenzahlung berechtigt, einen verfügbaren Betrag auf dem Konto zu sperren, wenn ein entsprechender Zahlungsvorgang vom oder über den Empfänger ausgelöst wurde und der Zahler in Höhe des Zahlungsbetrags mit der Sperre einverstanden ist. Das Recht zur Sperre endet nach Mitteilung des genauen Zahlungsbetrags oder nach Eingang des Zahlungsauftrags. Damit kann auf Veranlassung des Zahlungspflichtigen – nicht aber des Kartenemittenten – der für eine Kartentransaktion erforderliche Betrag auf dem Konto gesperrt und der weiteren Verfügung entzogen werden1.
4.917–4.920 Einstweilen frei.
10. Abschnitt: Folgen der RTS 2018/389 für die starke Kundenauthentifizierung und die Drittdienste I. Regelungsbereiche der RTS 2018/389 4.921
Gemäß Art. 15 Abs. 1 Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz werden die Regelungen zu den Pflichten der Drittdienste im Zusammenhang mit ihren Zahlungsdiensten gem. §§ 45 bis 52 ZAG sowie zur starken Kundenauthentifizierung gem. § 55 ZAG erst achtzehn Monate nach Inkrafttreten der delegierten Verordnung nach Art. 98 PSD II wirksam. Diese Verordnung ist am 27.11.2017 erlassen und am 13.3.2018 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden2. Gemäß Art. 38 Abs. 2 gilt sie ab 14.9.2019, so dass auch ab diesem Zeitpunkt die §§ 45 bis 52 und 55 ZAG Anwendung finden.
4.922
Diese RTS 2018/389 legt detaillierte Anforderungen an die starke Kundenauthentifizierung und die Drittdienste inkl. evtl. Ausnahmen davon fest. Neben der Präzisierung soll sie auch dazu dienen, ein angemessenes Sicherheitsniveau zu gewährleisten.
4.923
Hinsichtlich der „starken Kundenauthentifizierung“ enthalten die Regelungen in den Art. 22 bis 27 Anforderungen an die Bereitstellung der „personalisierten Sicherheitsmerkmale“.
II. Anforderungen an die starke Kundenauthentifizierung 4.924
Die Anforderungen an die starke Kundenauthentifizierung3 werden insbesondere in den Art. 2 bis 9 festgelegt. Art. 2 verpflichtet die Zahlungsdienstleister zur allgemeinen Transaktionsüberwachung, um nicht autorisierte oder betrügerische Zahlungsvorgänge feststellen zu können. Die risikobasierten Überwachungsmaßnahmen gem. Art. 2 Abs. 2 müssen die nachfolgenden risikobasierten Kriterien einbeziehen: – Einer Liste missbräuchlich verwendeter oder gestohlener Authentifizierungselemente; – den Betrag des Zahlungsvorgangs; 1 Böger in Bankrechtstag, 2016, S. 283. 2 Delegierte Verordnung (EU) 2018/389 der Kommission vom 27.11.2017 zur Ergänzung der Richtlinie 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für eine starke Kundenauthentifizierung und für sichere offene Standards für die Kommunikation, ABl. EU Nr. L 69 v. 13.3.2018, S. 23. 3 Zu den Anforderungen an eine starke Kundenauthentifizierung vgl. Kunz, CB 2018, 393, 396 ff.
714 | Werner
Folgen der RTS 2018/389 | Teil 4
– bekannte Betrugsszenarien bei Zahlungsdienstleistungen; – Anzeichen einer Malware-Infektion; – bei Bereitstellung Zugangssoftware oder -gerät durch Zahlungsdienstleister Protokollerstellung über Nutzung oder ungewöhnliche Nutzung. Art. 3 legt die Überprüfung von Sicherheitsmaßnahmen fest und begründet eine Pflicht zur Dokumentation, zu regelmäßigen Tests, zu Bewertung und Prüfung der Sicherheitsmaßnahmen gem. Art. 1 durch spezialisierte, vom operativen Bereich unabhängige Prüfer. Nach Art. 3 (2) Abs. 2 ist bei Inanspruchnahme einer Ausnahme gem. Art. 18 mindestens eine jährliche Prüfung und alle drei Jahre eine Prüfung durch unabhängige Prüfer erforderlich. Gemäß Art. 3 (3) Abs. 2 besteht auf Verlangen eine Pflicht zur Vorlage der Berichte bei der BaFin.
4.925
Art. 4 enthält Anforderungen an den Authentifizierungscode. Er hat aus zwei Elementen aus zwei von drei verschiedenen Kategorien zu bestehen. Als weitere Sicherheitsmaßnahmen sind insbesondere die Installation eines Fehlbedienungszählers und eine „time-outFunktionalität“ erforderlich. Vor einer dauerhaften Sperre muss der Zahler eine Warnung erhalten. Art. 5 legt die Anforderungen an dynamische Verknüpfung, Art. 6 an die Elemente der Kategorie Wissen, Art. 7 an die Elemente der Kategorie Besitz und Art. 8 an die Elemente der Kategorie Inhärenz fest. Gemäß Art. 9 muss der Zahlungsdienstleister sicherstellen, dass die einzelnen Elemente gem. Art. 6, 7 und 8 unabhängig voneinander sind und ihr Einsatz die Zuverlässigkeit der anderen Elemente nicht beeinträchtigt. Außerdem müssen dann, wenn eines der Elemente der starken Kundenauthentifizierung oder der Authentifizierungscode von einem Mehrzweckgerät verwendet werden, Sicherheitsmaßnahmen durch den Zahlungsdienstleister eingesetzt werden, um das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung des Mehrzweckgeräts zu mindern. Dazu ist die Nutzung getrennter sicherer Ausführungsumgebungen durch die im Mehrzweckgerät installierte Software erforderlich. Auch müssen Mechanismen zur Sicherstellung der zur Unveränderbarkeit der Software oder des Geräts durch Zahler oder Dritten geschaffen werden. Schließlich müssen auch Mechanismen zur Eindämmung der Folgen bei Veränderungen am Gerät und/oder Software eingesetzt werden.
4.926
III. Ausnahmen von der starken Kundenauthentifizierung Art. 10 bis 21 regeln Ausnahmen vom Erfordernis der starken Kundenauthentifizierung.
4.927
Art. 10 erlaubt das Absehen von der starken Kundenauthentifizierung bei Kontoinformationsdiensten für die Abfrage von Kontoständen und Zahlungsvorgängen der letzten 90 Tage. Die Ausnahme gilt jedoch nicht, wenn der Zahlungsdienstnutzer des erste Mal auf Kontoinformationen zugreift oder mehr als 90 Tage seit der letzten Abfrage von Zahlungskonten vergangen sind. Art. 11 enthält eine weitere Ausnahme von der starken Kundenauthentifizierung bei kontaktlosen POS-Zahlungen, sofern die Einzelzahlung 50 € nicht übersteigt und die Summe der kontaktlosen Zahlungen seit dem letzten Einsatz der starken Kundenauthentifizierung 150 € nicht überschreitet oder die Zahl der aufeinanderfolgenden kontaktlosen Zahlungen seit letztem SKA-Einsatz maximal fünf beträgt. Auch hier ist bereits bei Überschreiten eines Kriteriums neue SKA erforderlich.
4.928
Gemäß Art. 12 kann auf die Nutzung einer starken Kundenauthentifizierung an Terminals für Nutzungsentgelte und für Parkgebühren verzichtet werden. Gemäß Art. 13 ist
4.929
Werner | 715
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
ein Verzicht bei einem vertrauenswürdigen Empfänger zulässig; zu diesem Zweck muss eine Liste vertrauenswürdiger Empfänger durch Zahler der kontoführenden Stelle zur Verfügung gestellt werden. Beim Erstellen oder Ändern einer solchen Liste ist aber der Einsatz der starken Kundenauthentifizierung erforderlich. Gemäß Art. 14 ist außerdem ein Verzicht auf die starke Kundenauthentifizierung bei wiederkehrenden Zahlungsvorgängen zulässig. Nach erfolgter entsprechender Authentifizierung besteht die Möglichkeit zur Ausführung einer Serie von Zahlungsvorgängen mit gleichen Beträgen und an den gleichen Empfänger. Bei erstmaliger Auslösung, Erstellung und Änderung von wiederholten Zahlungsvorgängen muss allerdings die starke Kundenauthentifizierung erfolgen.
4.930
Gemäß Art. 15 ist ein Verzicht auf die starke Kundenauthentifizierung bei Zahlungen zwischen Konten derselben Person bei demselben Institut zulässig. Außerdem ist gem. Art. 16 ein Verzicht auf die starke Kundenauthentifizierung bei Kleinbetragszahlungen zulässig, wenn bei Zahlungen nicht über 30 € die Summe der entsprechenden Zahlungen seit dem letzten Einsatz der SKA nicht mehr als 100 € beträgt oder seit dem nicht mehr als fünf Zahlungen ausgelöst wurden. Wird nur eines dieser Kriterien überschritten, ist der Einsatz einer neuen starken Kundenauthentifizierung erforderlich.
4.931
Art. 17 normiert die Zulässigkeit eines Verzichts auf die starke Kundenauthentifizierung bei von Unternehmen genutzten sicheren Zahlungsverfahren. Voraussetzungen dafür sind die Auslösung elektronischer Zahlungsprozesse oder -protokolle durch juristische Personen, die nur Nicht-Verbrauchern als Zahlern zur Verfügung stehen und von der zuständigen Behörde ein mit Anforderungen der PSD II vergleichbares Sicherheitsniveau bejaht wird.
4.932
Gemäß Art. 18 ist ein Verzicht auf die SKA bei einem niedrigen Risiko nach einer entsprechenden Transaktionsanalyse zulässig. Gemäß Art. 18 Abs. 2 liegt insbesondere dann ein entsprechend niedriges Risiko vor, wenn die gem. Art. 19 berechneten Betrugsraten nicht höher sind als bei kartengebundenen Fernzahlungsvorgängen oder bei elektronischen Überweisungen im Fernzugang und die weiteren im Katalog von Art. 18 Abs. 2 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind.
4.933
Werden die Betrugsraten gem. Art. 18 überschritten, muss der Zahlungsdienstleister, der sich auf die sich daraus ergebenden Ausnahmen beruht, gem. Art. 20 die zuständige Behörde unverzüglich unterrichten und darlegen, durch welche Einnahmen er zukünftig das Einhalten der Betrugsraten sicherstellen will. Sollten die Referenzbetrugsraten in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen die Referenzraten überschritten haben, führt dies zum Ausschluss der Anwendung der Ausnahmeregelung gem. Art. 18. Eine erneute Anwendung der Ausnahme aufgrund der Referenzbetrugsrate ist dann erst wieder in einem Quartal möglich, in dem die Rate eingehalten wird, die Aufsichtsbehörde zuvor unterrichtet und der Nachweis des Einhaltens des Schwellenwerts geführt wurde.
4.934
Art. 21 regelt die Überwachungsmaßnahmen bei der Inanspruchnahme der Ausnahmen gem. Art. 10 bis 18. Danach besteht die Pflicht der Zahlungsdienstleister zur Erfassung und Überwachung des Gesamtwerts der nicht autorisierten oder betrügerischen Zahlungen inkl. einer Aufschlüsselung nach SKA- und Ausnahmefällen, des Durchschnittswerts der einzelnen Zahlungen inkl. der Aufschlüsselung nach SKA und den Ausnahmenfällen und der Anzahl der Zahlungen, für die Ausnahmen genutzt wurden sowie deren prozentualer Anteil. Außerdem müssen diese Daten der zuständigen Aufsichtsbehörde und der EBA auf Verlangen zur Verfügung gestellt werden. 716 | Werner
Folgen der RTS 2018/389 | Teil 4
IV. Anforderungen an die personalisierten Sicherheitsmerkmale Die RTS 2018/389 legt weitere Pflichten des Zahlungsdienstleisters fest. Gemäß Art. 22 sind Vertraulichkeit und Integrität der personalisierten Sicherheitsmerkmale zu gewährleisten. Aus Art. 23 folgt die Pflicht zur Gewährleistung der Erstellung der personalisierten Sicherheitsmerkmale in einer sicheren Umgebung und der Sicherheit der Übertragung. Art. 24 begründet die Verpflichtung zur Vornahme der Identitätsprüfung in einer sicheren Umgebung, wobei bei Fernzugang eine starke Kundenauthentifizierung vorgenommen werden muss. Art. 24 legt die Anforderungen an die Sicherheit der Identitätsprüfung des Zahlungsdienstnutzers durch den Zahlungsdienstleister fest. Gemäß Art. 25 besteht die Pflicht des Zahlungsdienstleisters Sicherheitsmerkmale, Authentifizierungsgeräte und Software auf sichere Weise zur Verfügung zu stellen. Art. 26 legt für die Verlängerung der personalisierten Sicherheitsmerkmale fest, dass dies nach den Anforderungen der Art. 23 bis 25 zu erfolgen hat.
4.935
Die Anforderungen an die Vernichtung, Deaktivierung und den Widerruf personalisierter Sicherheitsmerkmale werden in Art. 27 festgelegt. Danach muss der Zahlungsdienstleister wirksame Prozesse für folgende Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung stellen:
4.936
– Die sichere Vernichtung, Deaktivierung und den Widerruf der personalisierten Sicherheitsmrkmale, der Authentifizierungsgeräte und der Software; – für die Ausgabe wiederverwendbarer Authentifizierungsgeräte und Software die Festlegung, Dokumentation und Implementierung der Wiederverwendung der Geräte und der Software, bevor erneute Zurverfügungstellung an einen anderen Nutzer erfolgt; – die Deaktivierung oder den Widerruf von Informationen zu personalisierten Sicherheitsmerkmalen, die beim Zahlungsdienstleister oder öffentlichen Stellen gespeichert sind.
V. Regelungen zur dezidierten Schnittstelle für Drittdienste Die RTS 2018/389 enthält auch Anforderungen an die kontoführenden Zahlungsdienstleister, damit „Drittdienste“, d.h. Zahlungsauslösedienste, Kontoinformationsdienstleister und Drittkartenemittenten Zugriff auf das Konto des Zahlungsdienstnutzers erhalten. Zu diesem Zweck ist gem. Art. 30 und 31 diesen Diensten eine modifizierte Kundenschnittstelle zur Verfügung zu stellen. Dabei gibt es zwei Alternativen:
4.937
– Eine dezidierte Schnittstelle mit Notfall-Mechanismus gem. Art. 30, 32 und 33 Abs. 1 bis 5 oder – eine dezidierte Schnittstelle mit Befreiung vom Notfall-Mechanismus durch die BaFin gem. Art. 30, 32 und 33 Abs. 1 bis 3, 6 und 7. Die Einführung einer dezidierten Schnittstelle erfolgt in mehreren Schritten: – Ab 14.3.2019 Bereitstellung einer Testumgebung gem. Art. 30 Abs. 5, – ab 14.6.2019 Beginn des Markttests gem. Art. 33 Abs. 6c und – ab 14.9.2019 Zugriff von Drittdienstleistern über dezidierte Schnittstelle. Einstweilen frei.
4.938–4.940 Werner | 717
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
11. Abschnitt: Reisescheck 4.941
Im Unterschied zur Kreditkarte dient der Reisescheck primär nicht als bargeldloses Zahlungsmittel. Er ermöglicht vielmehr den Zahlern, auch ohne Mitnahme von Bargeld ins Ausland zu verreisen und sich dort jederzeit Bargeld durch Einlösung bei den ausländischen Zahlstellen zu verschaffen. Mit Reiseschecks können aber auch Zahlungsverbindlichkeiten erfüllt werden.
4.942
Das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz hat die Ausgabe oder Verwaltung von Reiseschecks in den Katalog der Finanzdienstleistungen eingeordnet (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG a.F.), so dass diese Unternehmen eine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde benötigen. Mit Einführung des ZAG als besonderes Aufsichtsrecht für Zahlungsdienste ist das Reisescheckgeschäft in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG aufgenommen worden, so dass dieses auch weiterhin zu den Finanzdienstleistungen gehört und einer Erlaubnis nach § 32 KWG bedarf.
4.943
Die Reiseschecks werden heute nicht mehr von den deutschen Kreditinstituten selbst emittiert, sondern von ihnen lediglich vertrieben. Emittenten sind – wie z.B. American Express und Thomas Cook – auf das Reisescheckgeschäft spezialisierte Unternehmen mit einem weltweiten Zahlstellennetz. Die deutschen Kreditinstitute handeln beim Verkauf der Reiseschecks nicht im eigenen Namen, sondern als offene Stellvertreter der Emittenten (§ 164 Abs. 1 BGB). Deshalb bestehen keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem Ersterwerber des Reiseschecks und dem Kreditinstitut als Ausgabestelle1.
4.944
Beim Erwerb von Reiseschecks muss der darin bezifferte Betrag voll eingezahlt werden. Wie bei der GeldKarte und dem Netzgeld handelt es sich also auch bei den Reiseschecks um vorausbezahlte Zahlungsverkehrsinstrumente. Diese Vorleistung ist als Vorschuss zu qualifizieren, den der Emittent auf Grund seines Geschäftsbesorgungsverhältnisses zum Ersterwerber verlangen kann (§§ 669, 675 BGB)2. Bei Ausgabe der Reiseschecks hat der Ersterwerber auf dem Scheckvordruck eine Unterschrift zu leisten, die eine missbräuchliche Verwendung bei Verlust der Schecks möglichst verhindern soll. Eine Verletzung dieser Sorgfaltspflicht stellt ein gem. § 254 BGB zu berücksichtigendes Verschulden des Ersterwerbers dar3. Bei der späteren Einlösung der Reiseschecks ist eine zweite Unterschrift des Ersterwerbers mit rechtsgeschäftlicher Qualität erforderlich4.
I. Rechtsnatur 4.945
Die Rechtsnatur des Reiseschecks ist bislang durch die Rechtsprechung nicht geklärt worden5. Im Schrifttum besteht kein Einvernehmen über die Rechtsnatur6. Teilweise werden in den Reiseschecks nach dem Vorbild des American Express Traveler Cheque Schecks i.S.d. Scheckgesetzes gesehen, die vom Ersterwerber an eigene Order ausgestellt und auf den Emittenten gezogen sind7. Die neuere Literatur lehnt diese Qualifizierung ab. Der ge1 2 3 4 5 6 7
Fritzsche, WuB I D 3-6.94; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 15 m.w.N. Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. E/9. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 50; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 871. Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 135. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 9. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 859; vgl. weiter Hadding in FS Krejci, 2001, S. 1181 ff. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 859.
718 | Werner
Reisescheck | Teil 4
gen Vorausbezahlung erhältliche Reisescheck soll den Ersterwerber begünstigen und nicht eine scheckrechtliche Ausstellerhaftung (Art. 12 ScheckG) begründen1. Der American Express Traveler Cheque ähnelt am meisten der bürgerlich-rechtlichen Anweisung (§ 783 BGB), die von der Emittentin angenommen wird (§ 784 BGB)2. Diese Annahmeerklärung, für die eine faksimilierte Unterschrift analog § 793 Abs. 2 BGB genügt, erfolgt bereits vor der Ausgabe der Reiseschecks3. Die zweite Unterschrift des Ersterwerbers bei der Verwendung des Reiseschecks ist als dessen Anweisungserklärung gem. § 783 BGB anzusehen4.
4.946
Im Unterschied zu dem American Express Traveler Cheque enthält der Reisescheck von Thomas Cook keine solche Zahlungsanweisung i.S.d. § 783 BGB, sondern eine Einlöseverpflichtung. Dieser Reiseschecktyp hat deshalb große Ähnlichkeit mit einem kaufmännischen Verpflichtungsschein an Order i.S.d. § 363 Abs. 1 Satz 2 HGB5.
4.947
Beim Reisescheck handelt es sich um eine Legitimationsurkunde6.
4.948
II. Rechtsbeziehung zwischen Ersterwerber und Emittent Das Vertragsverhältnis zwischen dem Emittenten des Reiseschecks und dem Ersterwerber stellt einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter dar (§§ 675, 631 BGB), der wegen der Einzahlung des Gegenwertes bei der Scheckausgabe mit einem Einlagengeschäft (§ 700 BGB) verbunden ist7. Dementsprechend ist der Emittent zur Einlösung des Reiseschecks zum Nennbetrag Zug um Zug gegen Rückgabe der Scheckurkunde verpflichtet.
4.949
Dagegen besteht kein Einlösungsanspruch gegen die Zahlstelle, selbst wenn diese in das vom Emittenten weltweit unterhaltene Netz von Korrespondenzbanken eingebunden ist. Der zwischen dem Emittenten und diesen Banken bestehende Geschäftsbesorgungsvertrag ist kein echter Vertrag zugunsten des Ersterwerbers8. Auch bestehen zwischen dem Erst-
4.950
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 11. m.w.N.; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 314. 2 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 136; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 12. Nach Hadding handelt es sich bei jeder Art von Reisescheck um eine bürgerlich-rechtlich angenommene Anweisung gem. §§ 783, 784 BGB, um dem Sicherungsbedürfnis des Schecknehmers dadurch Rechnung zu tragen, dass er einen rechtlich selbständigen (abstrakten) und damit weitgehend einwendungsfreien Zahlungsanspruch gegen den den Reisescheck ausgebenden Emittenten erwirbt (FS Krejci, 2001, S. 1183, 1189). 3 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 138; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 4 Rz. 367. 4 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 138. 5 RGZ 1979, 342, 345; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 12. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. E/9; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 314; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 12 ff.; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 136. Zur Rechtsnatur als Rektapapier vgl. Hadding in FS Krejci, 2001, S. 1181, 1189. 7 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 860; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGb Rz. 137. Für eine Geschäftsbesorgung mit Dienstvertragscharakter (§§ 675, 611 BGB) vgl. Odefey, Der einheitliche DM-Reisescheck der deutschen Kreditinstitute, in Bankrechtliche Sonderveröffentlichungen des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht an der Universität Köln, Bd. 29, 1982, S. 178 ff.; Fritzsche, WuB I D 3.–6.94. 8 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 55 m.w.N.
Werner | 719
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
erwerber und der einlösenden Zahlstelle keine sonstigen schuldrechtlichen Beziehungen, auf Grund deren der Ersterwerber die Einlösung verlangen könnte1.
4.951
Bei einem Abhandenkommen der Reiseschecks sehen die AGB der Emittenten eine sofortige Rückerstattung vor, die zum Teil unterschiedlich geregelt ist. Dabei obliegt dem Ersterwerber die Beweislast, wobei ihm die Beweiserleichterungen zugute kommen, die von der Rechtsprechung für den Nachweis des Versicherungsfalls bei entwendeten Sachen entwickelt worden sind2. Der Ersterwerber muss deshalb nur einen äußeren Sachverhalt darlegen und beweisen, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Verlust oder die Entwendung des Reiseschecks geschlossen werden kann. Es ist Sache des Emittenten, die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs darzutun und zu beweisen3.
4.952
Der Ersterwerber kann im Übrigen gegen Rückgabe der Reiseschecks die Herausgabe des bei ihrem Kauf geleisteten Vorschusses verlangen (§ 667 BGB). Dieser Herausgabeanspruch entfällt jedoch, wenn dem Emittenten ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB zusteht, den er mit dem Vorschuss verrechnen darf4. Ein solcher Ersatzanspruch ist vor allem gegeben, wenn die mit dem Emittenten verbundene Korrespondenzbank aus der Einlösung des Reiseschecks ihrerseits einen Aufwendungsersatzanspruch erworben hat. Dasselbe gilt, wenn sonstige Banken die Einlösung vornehmen oder Dritte die Reiseschecks in Zahlung nehmen, soweit hierbei die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben sind (§§ 670, 677, 683 BGB5).
III. Übertragung von Reiseschecks 4.953
Die Reiseschecks sind frei übertragbar. Dies geschieht vor allem, wenn die Reiseschecks an Stelle von Bargeld zur Bezahlung einer in Anspruch genommenen Leistung verwendet werden. In dieser Übertragung des Reiseschecks liegt zugleich eine konkludente Abtretung des Einlösungsanspruchs, den der Ersterwerber gegen den Emittenten hat6.
4.954
Stellt der Reisescheck eine bürgerlich-rechtliche Anweisung i.S.d. § 783 BGB dar, kommt auch eine Abtretung des aus der Annahmeerklärung des Emittenten resultierenden Zahlungsanspruches (§ 784 Abs. 1 BGB) in Betracht. Eine solche Übertragung bedarf nach § 792 Abs. 1 Satz 2 BGB der Schriftform. Dafür ist es ausreichend, wenn der Ersterwerber seine Unterschrift auf der Rückseite des Reiseschecks leistet7.
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 55. 2 AG Frankfurt v. 26.2.1991 – 32/30 C 1417/89-48, BGH v. 9.12.1991 – II ZR 87/91, WM 1992, 306, 307 = WuB I D 3.–4.92; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 27. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 28 m.w.N. 4 Odefey, Der einheitliche DM-Reisescheck der deutschen Kreditinstitute, 1982, S. 239. 5 OLG Frankfurt v. 28.5.1980 – 19 U 148/79, WM 1980, 752; vgl. weiter LG Frankfurt v. 16.10.1979 – 2/18 O 365/77, WM 1980, 290; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 873; Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 50. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 863; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 54; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 139. 7 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 140.
720 | Werner
Reisescheck | Teil 4
IV. Rechtsbeziehung zwischen Emittent und der einlösenden oder in Zahlung nehmenden Stelle Soweit deutsches Recht anwendbar ist, besteht zwischen dem Emittenten und den Korrespondenzbanken ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675, 611 BGB). Hiernach sind diese Zahlstellen gegenüber den Emittenten zur Einlösung vorgelegter Reiseschecks gem. den Einlösungs-Richtlinien unter sorgfältiger Prüfung der Berechtigung des Vorlegers verpflichtet. Mit der Einlösung erwirbt die Korrespondenzbank gegen den Emittenten einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 675 BGB. Werden abhanden gekommene Schecks eingelöst, erwirbt die Korrespondenzbank gleichwohl einen Aufwendungsersatzanspruch, wenn sie bei sorgfältiger Prüfung der Legitimation des Vorlegenden das Abhandenkommen nicht erkannt hat und deshalb die Aufwendung für erforderlich halten durfte1.
4.955
Ist der Vorleger der materiell berechtigte Erwerber des Reiseschecks, erwirbt die einlösende oder die in Zahlung nehmende Stelle zugleich auch dessen Einlösungsanspruch gegen den Emittenten und das Eigentum am Reisescheck (§§ 398, 952 BGB)2.
4.956
Wird der Reisescheck von einer mit dem Emittenten vertraglich unverbundenen Bank eingelöst oder von einem Hotel oder sonstigen Vertragspartner des Ersterwerbers in Zahlung genommen, erwerben diese ebenfalls einen auftragsrechtlichen Erstattungsanspruch (§ 670 BGB). Entspricht die Übernahme einer Geschäftsführung wie in solchen Fällen dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Gechäftsherrn (Emittenten), kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendung verlangen (§ 683 BGB). Diese Voraussetzungen werden bei der Verwendung von Reiseschecks regelmäßig erfüllt sein. Die Emittenten sind an einer möglichst weltweiten Akzeptanz der von ihnen ausgegebenen Reiseschecks interessiert3.
4.957
V. Einlösung abhanden gekommener Reiseschecks Werden abhanden gekommene Reiseschecks durch eine Korrespondenzbank eingelöst, erwirbt diese ebenfalls einen auftragsrechtlichen Erstattungsanspruch, wenn die vorgeschriebenen Kontrollvorkehrungen in Form des Unterschriftsvergleichs und der Identitätskontrolle des Vorlegers eingehalten worden sind4. Die damit verknüpften Prüfungspflichten werden insbesondere grob verletzt, wenn der Reisescheck nach Ablauf seiner einjährigen Gültigkeitsdauer eingelöst wird5.
4.958
Diesen auftragsrechtlichen Erstattungsanspruch erwerben auch die die Reiseschecks in Zahlung nehmenden Stellen. Eine solche Inzahlungnahme entspricht grundsätzlich dem Interesse und dem wirklichen, zumindest aber dem mutmaßlichen Willen des Emittenten, wie es der auftragsrechtliche Erstattungsanspruch einer Geschäftsführung ohne Auftrag
4.959
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 872; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 141; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 51 ff. m.w.N. 2 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 317, 318; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 862. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 53; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 861; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 142. 4 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 317, 318. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 867.
Werner | 721
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
voraussetzt (§ 683 BGB). Denn der Emittent hat ein großes Interesse an einer möglichst weitreichenden Akzeptanz der von ihm ausgegebenen Reiseschecks. Diese wäre gefährdet, wenn gutgläubig handelnden Dritten das Risiko der Nichtberechtigung des Vorlegers aufgebürdet würde1.
4.960
Hat der Emittent auch in diesen Fällen der einlösenden oder der in Zahlung nehmenden Stelle den Gegenwert zu zahlen, erwirbt diese ihrerseits einen Aufwendungserstattungsanspruch gegen den Ersterwerber, soweit dieser nicht abbedungen worden ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Ersterwerber rechtzeitig den Verlust der Reiseschecks gemeldet hat. Eine Weitergabe dieser Verlustmeldung an alle weltweit tätigen Korrespondenzbanken ist dem Emittenten nach allgemeiner Meinung nicht zumutbar2. Beim Verkauf der Reiseschecks wird der Ersterwerber deshalb auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Auszahlungssperre nach einer Verlustmeldung nicht möglich ist.
VI. Inkasso von Reiseschecks 4.961
Zum Girogeschäft der Kreditinstitute gehört auch der Einzug der Gegenwerte eingelöster oder zum Inkasso hereingenommener Reiseschecks im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Hierzu haben die kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände mit der Deutschen Bundesbank im Jahre 1991 ein „Abkommen über den beleglosen Einzug von Reisescheckgegenwerten“ (BRS-Abkommen) abgeschlossen, das im September 1998 durch das „Abkommen über den Einzug von Reiseschecks“ (Reisescheckabkommen) ersetzt worden, das in seiner aktuellen Fassung seit 21.11.2016 Gültigkeit hat.
4.962
Bezogenes Kreditinstitut i.S.d. Reisescheckabkommens ist ein Kreditinstitut, das ein Emittent von Reiseschecks mit der Verrechnung der Scheckgegenwerte beauftragt hat. Diese Verrechnung erfolgt durch eine entsprechende Kontogutschrift und löst damit einen bargeldlosen Zahlungsvorgang aus. Erste Inkassostelle ist das erste am Einzug beteiligte Kreditinstitut, bei vom Ausland eingereichten Reiseschecks das erste am Inkasso beteiligte Kreditinstitut im Inland. Das Reisescheckabkommen begründet für die Reiseschecks wie die anderen Zahlungsverkehrsabkommen für das Interbankenverhältnis Rechte und Pflichten ausschließlich zwischen den beteiligten Kreditinstituten.
4.963–4.965 Einstweilen frei.
12. Abschnitt: Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins) I. Funktion des Netzgeldes beim bargeldlosen Zahlungsvorgang 4.966
Das Instrumentarium des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit den traditionellen Zahlungsinstrumenten wie Überweisung, Lastschrift und Scheckzahlung sowie den Zahlungssystemen auf der Basis der girocard und der Kreditkarte kann auch durch elektronisches Geld ergänzt werden, das nicht nur in GeldKarten gespeichert („Chip“geld), sondern auch in Rechner1 OLG Frankfurt v. 28.5.1980 – 19 U 148/79, WM 1980, 752; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 53; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 142; Käser, ZgesKredW 1992, 399, 402. 2 OLG Frankfurt v. 28.5.1980 – 19 U 148/79, WM 1980, 752; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 869, 873; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 4 Rz. 374.
722 | Werner
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
voraussetzt (§ 683 BGB). Denn der Emittent hat ein großes Interesse an einer möglichst weitreichenden Akzeptanz der von ihm ausgegebenen Reiseschecks. Diese wäre gefährdet, wenn gutgläubig handelnden Dritten das Risiko der Nichtberechtigung des Vorlegers aufgebürdet würde1.
4.960
Hat der Emittent auch in diesen Fällen der einlösenden oder der in Zahlung nehmenden Stelle den Gegenwert zu zahlen, erwirbt diese ihrerseits einen Aufwendungserstattungsanspruch gegen den Ersterwerber, soweit dieser nicht abbedungen worden ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Ersterwerber rechtzeitig den Verlust der Reiseschecks gemeldet hat. Eine Weitergabe dieser Verlustmeldung an alle weltweit tätigen Korrespondenzbanken ist dem Emittenten nach allgemeiner Meinung nicht zumutbar2. Beim Verkauf der Reiseschecks wird der Ersterwerber deshalb auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Auszahlungssperre nach einer Verlustmeldung nicht möglich ist.
VI. Inkasso von Reiseschecks 4.961
Zum Girogeschäft der Kreditinstitute gehört auch der Einzug der Gegenwerte eingelöster oder zum Inkasso hereingenommener Reiseschecks im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Hierzu haben die kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände mit der Deutschen Bundesbank im Jahre 1991 ein „Abkommen über den beleglosen Einzug von Reisescheckgegenwerten“ (BRS-Abkommen) abgeschlossen, das im September 1998 durch das „Abkommen über den Einzug von Reiseschecks“ (Reisescheckabkommen) ersetzt worden, das in seiner aktuellen Fassung seit 21.11.2016 Gültigkeit hat.
4.962
Bezogenes Kreditinstitut i.S.d. Reisescheckabkommens ist ein Kreditinstitut, das ein Emittent von Reiseschecks mit der Verrechnung der Scheckgegenwerte beauftragt hat. Diese Verrechnung erfolgt durch eine entsprechende Kontogutschrift und löst damit einen bargeldlosen Zahlungsvorgang aus. Erste Inkassostelle ist das erste am Einzug beteiligte Kreditinstitut, bei vom Ausland eingereichten Reiseschecks das erste am Inkasso beteiligte Kreditinstitut im Inland. Das Reisescheckabkommen begründet für die Reiseschecks wie die anderen Zahlungsverkehrsabkommen für das Interbankenverhältnis Rechte und Pflichten ausschließlich zwischen den beteiligten Kreditinstituten.
4.963–4.965 Einstweilen frei.
12. Abschnitt: Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins) I. Funktion des Netzgeldes beim bargeldlosen Zahlungsvorgang 4.966
Das Instrumentarium des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit den traditionellen Zahlungsinstrumenten wie Überweisung, Lastschrift und Scheckzahlung sowie den Zahlungssystemen auf der Basis der girocard und der Kreditkarte kann auch durch elektronisches Geld ergänzt werden, das nicht nur in GeldKarten gespeichert („Chip“geld), sondern auch in Rechner1 OLG Frankfurt v. 28.5.1980 – 19 U 148/79, WM 1980, 752; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 53; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 142; Käser, ZgesKredW 1992, 399, 402. 2 OLG Frankfurt v. 28.5.1980 – 19 U 148/79, WM 1980, 752; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 869, 873; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 4 Rz. 374.
722 | Werner
Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs | Teil 4
netzen verwendet werden kann („Netz“geld)1. Netzgeldzahlungen basieren auf Zahlungseinheiten, die in Form digitaler Daten in dem PC des Zahlungsdienstenutzers gespeichert und von dort auf den PC des Zahlungsberechtigten übertragen werden können2. Wie das elektronische Chipgeld in der GeldKarte dient auch das Netzgeld der bargeldlosen Bezahlung von Geldschulden. Die Verwendung elektronischen Geldes ist folglich vergleichbar mit dem Einsatz von Kreditkarten oder der bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen im Rahmen des electronic cash-Systems. Das elektronische Geld in Form von Netzgeld soll vor allem bei Geschäftsabschlüssen im Internet genutzt werden. E-Geldinstitute sind, wie sich aus § 1 Abs. 2 ZAG ergibt, Zahlungsdienstleister, so dass auch das Netzgeld als elektronisches Geld in den Anwendungsbereich des Rechts der Zahlungsdienste gem. §§ 675c ff. BGB fällt, wobei jedoch – je nach Ausgestaltung – die sich aus § 675i BGB ergebenden Ausnahmeregelungen für elektronisches Geld Anwendung finden können. Ob und welche dies im Einzelfall sein können, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens ab. Von der Zahlung mit elektronischem Geld ist die Bezahlung mit Kreditkarte im Internet zu unterscheiden, bei der der Kunde nur die auf die Karte aufgeprägten Daten nutzt. Das ursprünglich angebotene SET-Verfahren, das auf der Verwendung eines asymmetrischen, digitalen Signaturverfahrens (Public Key-Verfahren) nach SET (Secure Electronic Transaction)-Standard beruhte3, ist dagegen zwischenzeitlich eingestellt worden. Daneben gibt es als konventionelles Zahlungsverfahren im Internet das Lastschriftverfahren in Form des SEPA-Basislastschriftverfahrens. Darauf finden die Regelungen des Lastschriftverfahrens Anwendung.
4.967
II. Abweichende Grundkonzeption verschiedener Netzgeldsysteme In der Praxis wurden einige Zeit für Netzgeldzahlungen das sog. ecash- und das Cyber cash-System durch große deutsche Kreditinstitute angeboten. Sie sind jedoch in den Jahren 2000 und 2001 eingestellt worden, so dass sich eine Betrachtung erübrigt.
4.968
4.969–4.970
Einstweilen frei.
13. Abschnitt: Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs I. Grundlagen Im weiteren werden als Beispiele für neue Zahlungsdienste die Verfahren PayPal, paydirekt und SOFORT Überweisung dargestellt. Nicht zu den besonderen Zahlungsdiensten 1 Zu den rechtlichen Aspekten des Netzgeldes im Internet vgl. Escher, WM 1997, 1173, 1175; Kümpel, WM 1998, 365 ff.; Kümpel, NJW 1999, 313 ff.; vgl. weiter Gramlich, Elektronisches Geld – Gefahr für Geldpolitik und Währungshoheit?, CR 1997, 11 ff.; Werner in Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Loseblattwerk 24. Aufl. 2010, Teil 13, 5. Abschnitt; Blaurock/Münch, K&R 2000, 97 ff.; Spallino, WM 2001, 231 ff. Zum Europarechtlichen Rahmen für das elektronische Geld vgl. Lukey, WM 2002, 1529 ff. 2 Pichler, Rechtsnatur, Rechtsbeziehungen und zivilrechtliche Haftung beim elektronischen Zahlungsverkehr im Intemet, Arbeitsberichte zum Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (Hrsg. Hoeren/Holznagel), Bd. 3, 1998, S. 6. 3 Pichler, NJW 1998, 3234 ff.; vgl. weiter Zwißler, Datenschutz und Datensicherheit 1998, 711 ff., 1999, 13 ff.
Werner | 723
4.971
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
gehört das „Bitcoin-Verfahren“1, da die Bitcoins keinen Anspruch auf Auszahlung gegenüber einem Emittenten begründen. Diese virtuellen Münzen haben lediglich – ähnlich wie Aktien – einen Marktwert, stellen jedoch keinen Zahlungsdienst i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 ZAG oder E-Geld gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 ZAG dar2.
II. PayPal 1. Struktur des PayPal-Verfahrens
4.972
Zu PayPal existiert ein umfangreiches Regelwerk, das aus den „PayPal-Nutzungsbedingungen“, den „Bedingungen für Zahlungen ohne PayPal-Konto“, der „PayPal-Käuferschutzrichtlinie“ und der „PayPal-Verkäuferschutzrichtlinie“ besteht.
4.973
Bei PayPal handelt es sich um ein person-to-person-Bezahlsystem, d.h. das Internet wird als Netzwerk zur Abwicklung von Transaktionen in der Weise genutzt, dass eine Verbindung zwischen dem E-Mail-Dienst und dem PayPal-Konto hergestellt wird3. Außerdem ist das PayPal-Verfahren so ausgestaltet, dass jeder Nutzer, der eine E-Mail-Adresse hat, am Zahlverfahren teilnehmen kann. Die Zahlung kann dazu über normale Zahlungsdienste, z.B. mittels Lastschrift, Überweisung oder Kreditkarte erfolgen.
4.974
Um an dem alleine im Internet angebotenen PayPal-Verfahren teilnehmen zu können, muss sich der Nutzer über das Netz registrieren. Mit der Registrierung wird auch ein PayPal-Konto, bei dem es sich um kein girokonto handelt, sondern im ein reines Abwicklungskonto, eröffnet. Allerdings ist die Teilnahme am PayPal-Verfahren auch ohne PayPalKonto und ohne Registrierung möglich. In diesem Fall „erwirbt“ der Nutzer E-Geld, das dann dem PayPal-Konto des Händlers gutgeschrieben wird. Die Bezahlung des E-Gelds erfolgt über das Lastschrift- oder Kreditkartenverfahren. Nach den entsprechenden PayPal-Bedingungen für Zahlungen ohne E-Geld-Konto erfolgt die Abwicklung in diesem Verfahren über einen Zahlungsauftrag, den der Nutzer PayPal erteilt. Dieser unterliegt den rechtlichen Anforderungen gem. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB. PayPal macht dann mit der Belastung des Zahlungsverkehrskontos des Zahlers bei seinem Zahlungsinstitut mittels Lastschrift oder der Kreditkarte seinen Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 675c Abs. 1, 670 BGB geltend. PayPal schreibt allerdings die aufgrund des Auftrags übertragene Zahlung nicht als Buchgeld, sondern als E-Geld dem Konto des Händlers gut, das dieser aber jederzeit in Buchgeld umtauschen kann. Für die Ausführung der Zahlung gelten die für die Zahlungsdienste geltenden Regelungen gem. §§ 675c ff. BGB, weshalb die PayPal-Bedingungen auch die Zahlung innerhalb eines Tages gem. § 675s Abs. 1 BGB vorsehen.
4.975
Soweit der Nutzer sich gem. Ziff. 2.1 der PayPal-Bedingungen registriert, wird für ihn – wie sich aus Ziff. 2.2 der PayPal-Bedingungen ergibt – nicht nur ein „Zahlungskonto“ mit dem für Zahlungen verfügbaren Guthaben, sondern auch ein „Reservekonto“ eröffnet, auf dem nicht verfügbares Guthaben verbucht wird, das für bereits veranlasste, aber noch nicht ausgeführte Zahlungen benötigt wird. Damit wird sichergestellt, dass solche Zahlungsverbindlichkeiten auch ausgeglichen werden. 1 Zum Bitcoin-Verfahren s. Kütük/Sorge, MMR 2014, 643, 644; Boehm/Pesch, MMR 2014, 75, 77; Omlor, JZ 2017, 754. 2 Vgl. KG v. 25.9.2018 – (4) 161 Ss 28/18 (35/18), BKR 2018, 473 Rz. 23; dazu Danwerth/Hildner, BKR 2019, 57, 61. 3 Vgl. Meder/Grabe, BKR 2005, 467.
724 | Werner
Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs | Teil 4
Der Zahler hat – wie sich aus Ziff. 3.4 und 3.5 der PayPal-Zahlungsbedingungen ergibt – auch die Möglichkeit, die Deckung für seine Zahlungen auf verschiedenen Wegen anzuschaffen, und kann die Prioritäten dafür eigenständig festlegen und ändern. In Betracht kommen Zahlungen über das PayPal-Guthaben, das Lastschriftverfahren, das Kreditkartenverfahren oder die Banküberweisung. PayPal kann gem. Ziff. 3.6 der PayPal-Nutzungsbedingungen Zahlungsquellen ausschließen.
4.976
Außerdem können sowohl gem. Ziff. 3.2 der PayPal-Nutzungsbedingungen Zahlungs- als auch gem. Ziff. 4.1 der Bedingungen Empfangslimite vereinbart werden. Bei den Zahlungslimiten handelt es sich um Nutzungsbegrenzungen gem. § 675k BGB, die bei Zahlungen mittels Zahlungsinstrumenten und personalisierten Sicherheitsmerkmalen aus Sicherheitsgründen vereinbart werden können.
4.977
Bei den Empfangslimiten gem. Ziff. 4.2 der PayPal-Nutzungsbedingungen dagegen handelt es sich um Nutzungsbegrenzungen, die von PayPal festgelegt werden, um einen Missbrauch des PayPal-Verfahrens für unrechtmäßige Transaktionen zu verhindern. Eine Anhebung des Limits ist einvernehmlich möglich, wenn aus Sicht von PayPal ein entsprechendes Risiko nicht besteht. Allerdings sind in diesem Fall zusätzliche Überprüfungen, insbesondere hinsichtlich der Identifizierung des Nutzers durch Übersendung einer Ausweiskopie und der Verknüpfung einer bestätigten Zahlquelle mit dem PayPal-Konto erforderlich.
4.978
Der Empfänger ist gem. Ziff. 3.8 der PayPal-Nutzungsbedingungen im PayPal-Verfahren nicht verpflichtet, E-Geld zu akzeptieren. Sollte in einem solchen Fall die Zahlung bereits erfolgt sein, erhält der Zahler das E-Geld wieder erstattet. Der Zahler muss dann die Zahlung außerhalb des PayPal-Verfahrens leisten.
4.979
2. Regelungen zum Käuferschutz Die PayPal-Käuferschutzrichtlinie, die Bestandteil der PayPal-Bedingungen ist und für praktisch alle Zahlungsverfahrens mittels PayPal – unabhängig ob mit oder ohne PayPal-Konto – gilt, schützt den Käufer durch Erstattung des Kaufpreises und der Versandkosten vor den Risiken der Nicht-Lieferung und bei erheblichen Abweichungen der gelieferten Ware von der Beschreibung des bestellten Artikels. Die abgesicherten Fälle sind in Ziff. 4 der PayPal-Käuferschutzrichtlinie geregelt. Die Nicht-Lieferung setzt allerdings voraus, dass die Ware nicht versandt wurde. Das Versendungsrisiko wird von PayPal dagegen nicht übernommen. Ebenso gehören zu den Fällen der Artikelabweichung von der Beschreibung nicht die Fälle, in denen der gelieferte Artikel nicht funktionsfähig ist, nicht den Vorstellungen des Käufers entspricht oder die Artikelbeschreibung für beide Seiten missverständlich ist. Die Erstattung erfolgt unabhängig davon, ob PayPal den erstatteten Betrag vom Verkäufer zurück erhält. Damit übernimmt PayPal allerdings nicht das Risiko typischer Reklamationen, weil die Ware entweder auf dem Versandweg verloren gegangen ist oder ein Gewährleistungsfall vorliegt. In diesem Fall bleibt es bei der Abwicklung zwischen den beiden Parteien des Valutaverhältnisses. PayPal übernimmt nur das Risiko, das aus dem Bereich des Verkäufers resultiert, weil dieser entweder seiner Versendungspflicht nicht nachkommt oder die Ware unrichtig dargestellt hat.
4.980
Darüber hinaus werden die vorstehend bezeichneten Risiken auch nicht für alle Arten bestellter Artikel übernommen. Z.B. folgt aus Ziff. 3.2 der PayPal-Käuferschutzrichtlinie, dass der Erwerb von Grundeigentum, von Unternehmen oder Teilen davon, individuell angefertigten Waren, Wetteinsätze oder Zahlungsmitteläquivalenten ausgeschlossen ist.
4.981
Werner | 725
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
3. Regelungen zum Verkäuferschutz
4.982
Die Verkäuferschutzrichtlinie schützt den Verkäufer vor Zahlungsausfällen, Kontorückbuchungen bei Lastschriften, Kreditkarten, unautorisierter Zahlung oder wenn die Rückbuchung auf ungerechtfertigten Anträgen im Rahmen des Käuferschutzes oder des PayPalStandard-Beschwerdeverfahrens beruht. Außerdem greift der Verkäuferschutz dann, wenn es zu einer Rücklastschrift, Kreditkartenrückbuchung oder einem Käuferschutzantrag kommt und letzterer darauf beruht, dass der Käufer den Artikel nicht erhalten hat und PayPal einen Nachweis erhält, dass der Artikel ordnungsgemäß versandt worden ist.
4.983
Der Verkäuferschutz erfasst gem. Ziff. 2 der PayPal-Verkäuferschutzrichtlinie nicht immaterielle Güter, Dienstleistungen, Geschenkgutscheine, Flugtickets, Downloads, Software-Lizenzen und sonstige nicht-physische Güter, Fahrzeuge, Artikel, die nicht versendet werden können, sowie Artikel, die vom Käufer selbst abgeholt werden. Weiterhin kommt der Verkäuferschutz gem. Ziff. 3.1 der PayPal-Verkäuferschutzrichtlinie nur bei abgeschlossenen Zahlungsvorgängen in Betracht und wenn vom Verkäufer die Pflichten der PayPal-Nutzungsbedingungen sowie im Zusammenhang mit der Anspruchsgeltendmachung gem. Ziff. E der PayPal-Verkäuferschutzrichtlinie eingehalten worden sind.
4.984
Allerdings bleibt genügend Raum für die Haftung der PayPal-Teilnehmer. Der Zahler hat für Rücklastschriften gem. Ziff. 3.7 und 5.2 der PayPal-Nutzungsbedingungen einzustehen. Der Zahlungsempfänger haftet gegenüber PayPal für Ansprüche aus berechtigten Anträgen auf Käuferschutz und aus Käuferbeschwerden. 4. Haftung in Missbrauchsfällen
4.985
Die Haftung für missbräuchliche Zahlungen richtet sich vorrangig nach den Haftungsregelungen für das gewählte Verfahren1. Rückgriffe von PayPal hängen diesbzgl. davon ab, wer das Missbrauchsrisiko jeweils zu tragen hat. Davon zu unterscheiden ist die in Ziff. 10 der PayPal-Nutzungsbedingungen geregelte Haftung für das PayPal-Verfahren. Dabei geht es um die Maßnahmen, die mit den speziellen PayPal-Dienstleistungen in Zusammenhang stehen, aber nicht um den Missbrauch durch einen Dritten. Werden Transaktionen allerdings durch oder über das PayPal-Passwort ausgelöst, erfolgt die Abwicklung im Verhältnis PayPal – PayPal-Nutzer, d.h. von PayPal nach § 675u BGB und des PayPal-Nutzers nach § 675v BGB2. 5. Sonderfall: Kauf auf Rechnung
4.986
Außerdem gibt es noch das spezielle Verfahren „Kauf auf Rechnung“ gem. Ziff. 6a der PayPal-Nutzungsbedingungen. Bei diesem kann ein Händler seinen in Deutschland ansässigen Kunden, soweit sie Verbraucher sind, anbieten, Waren oder Dienstleistungen auf Rechnung zu kaufen, die dann mittels Überweisung bezahlt werden können. Bevor PayPal von einem Käufer die Entscheidung für „Kauf auf Rechnung“ akzeptiert, wird eine Bonitätsprüfung durchgeführt und entschieden, ob der jeweilige Käufer für diese Zahlungsmethode überhaupt geeignet ist. Lehnt PayPal den entsprechenden Käufer für das Verfahren ab, teilt es ihm die Ablehnung mit und führt ihn zurück auf die Zahlseite des Händlers, so dass der Kunde sich für eine andere, vom Händler akzeptierte Zahlungsfunktion 1 Vgl. dazu Meder/Grabe, BKR 2005, 467, 474. 2 Vgl. dazu Meder/Grabe, BKR 2005, 467, 474.
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Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs | Teil 4
entscheiden kann. PayPal kauft dem Händler die Forderungsrechte gegen dessen Kunden ab und schreibt ihm den Kaufpreis gut, bevor der Kunde den Rechnungsbetrag bezahlt hat. In diesem Fall beruhen die Rückgriffsrechte auf einer Forderungsabtretung des Anspruchs des Händlers gegen Zahler. PayPal übernimmt bei diesem Verfahren das Risiko der Zahlungsunwilligkeit oder -fähigkeit des Käufers, auch wenn der Käufer betrügerisch handeln sollte. Gegen den Händler können Rückgriffsansprüche jedoch dann geltend gemacht werden, wenn der Käufer die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erhebt oder wenn die Zahlung wegen anderer Einwendungen oder Einreden verweigert wird. Liegen zusätzlich die Voraussetzungen des Verkäuferschutzes entsprechend der PayPal-Verkäuferschutzrichtlinie vor, kommt kein Rückgriff gegen den Händler in Betracht.
4.987
Sollte der Käufer vom Kauf beim gewählten Zahlungsverfahren „Kauf auf Rechnung“ zurücktreten, diesen widerrufen, auf andere Weise rückabwickeln oder den Kaufpreis mindern, muss, wie sich aus Ziff. 6a.5 der PayPal-Nutzungsbedingungen ergibt, der Händler PayPal unverzüglich darüber unterrichten und die die Zahlung von seinem Händlerkonto PayPal erstatten. Der Händler wiederum erhält die transaktionsbezogene Gebühr von PayPal erstattet.
4.988
Voraussetzung für dieses Zahlungsverfahren ist ein umfangreicher Katalog an Garantien, die der Händler gem. Ziff. 6a.6 der PayPal-Nutzungsbedingungen gegenüber PayPal bzgl. der abgetretenen Forderungen abgeben muss, die insbesondere die Wirksamkeit dieser Forderungen und ein Abtretungsverbot an einen Dritten umfassen. Damit im Falle einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Zahlungsvorgangs sichergestellt ist, dass der Käufer die Zahlung des Kaufpreises an PayPal und nicht an den Händler leistet, muss der Händler den Käufer unmittelbar nach Abschluss des Bestellvorgangs über die Abtretung unterrichten und ihm die Hinweise erteilen, wohin und mit welchen Angaben die Zahlung zu erfolgen hat.
4.989
III. Paydirekt 1. Struktur des paydirekt-Verfahrens Bei paydirekt handelt es sich um ein Online-Bezahlverfahren, das – ähnlich wie das Online-Banking (s. Rz. 4.551 ff.) – von großen Teilen der deutschen Kreditwirtschaft angeboten wird. Zahlungen für Online-Einkäufe können ohne Zwischenschaltung eines Drittanbieters direkt durch Belastung des Girokontos des Teilnehmers abgewickelt werden.
4.990
Um an diesem Bezahlverfahren teilnehmen zu können, muss der Zahler sich gem. Ziff. 3 der Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt entweder einmalig im Online-BankingPortal seiner Bank oder während eines Bestellvorgangs bei einem am Verfahren teilnehmenden Händler für paydirekt registrieren lassen. Mit Registrierung kann er an jeden Händler, der dem Verfahren angeschlossen ist, Zahlungen über paydirekt leisten. Da Zahlungen nur an dem Verfahren angeschlossene Händler ausgeführt werden können, wie aus Ziff. 1 der paydirekt-Händlerbedingungen folgt, muss auch der Händler über seine als Inkassostelle fungierende Bank an dem Verfahren beteiligt sein. Nutzer und Händler müssen zwar beide an dem Verfahren teilnehmen, damit Zahlungen über paydirekt ausgeführt werden können, ihre Konten können jedoch bei verschiedenen Instituten geführt werden. Entscheidend ist nur, dass das jeweils kontoführende Institut das Zahlverfahren anbietet.
4.991
Werner | 727
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4.992
Um einzelne Zahlungen ausführen zu können, muss der Nutzer im Zuge der Registrierung, wie sich aus Ziff. 3.2 der paydirekt-Bedingungen ergibt, einen Benutzernamen sowie ein Passwort vergeben. Der Kunde hat auch die Möglichkeit, optional einen zweiten Sicherheitsfaktor zu wählen. In diesem Fall muss vor jeder Transaktion noch eine TAN (aus dem Online-Banking-Verfahren) eingegeben werden.
4.993
Nach Registrierung erfolgt die einzelne Zahlung gem. Ziff. 3.3 der paydirekt-Bedingungen durch Eingabe des Benutzernamens und des Passworts, ggf. ergänzt um eine TAN als zweiten Sicherheitsfaktor. Bei entsprechender Initialisierung eines Zahlungsvorgangs wird der aufgrund der Online-Bestellung zu zahlende Betrag direkt dem Konto des Nutzers belastet. Die Gutschrift erfolgt aber nicht auf einem Konto des Zahlungsempfängers, sondern auf einem Zwischenkonto, das entweder bei der Zahlerbank oder einem in die Zahlung zwischengeschalteten Zahlungsinstitut, nicht aber für den Zahlungsempfänger, geführt wird. Die Zahlung selbst wird dann dadurch ausgelöst, dass der Händler den Betrag auf dem Zwischenkonto mittels Lastschrift zugunsten seines Kontos einzieht. Dadurch handelt es sich bei paydirekt doch um eine über den Zahlungsempfänger ausgelöste Zahlung. Durch die letztlich interne Umbuchung auf das Zwischenkonto soll sichergestellt werden, dass die Forderung des Händlers auch tatsächlich ausgeglichen wird. Dieser erhält sein Geld gleichwohl erst dann, wenn er den Einzug der Zahlung anstößt. Deshalb sprechen gute Gründe dagegen, dass für die Auslösung der Zahlung eine starke Kundenauthentifizierung gem. § 1 Abs. 24 ZAG erforderlich ist, da der Einsatz dieser qualifizierten Autorisierung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 ZAG nur Anwendung findet, wenn die Zahlung vom Zahler und nicht vom Zahlungsempfänger ausgelöst wird; denn der Wortlaut vorstehender Vorschrift nimmt ausdrücklich auf die Auslösung durch den Zahler Bezug1. Unmittelbar danach erhält der Zahler per E-Mail eine Kauf- und der Händler eine Bezahlbestätigung, so dass er den Warenversand oder die Zurverfügungstellung des erworbenen Services veranlassen kann. Damit übernimmt jedoch die Bank weder gegenüber dem Zahler noch dem Händler eine Garantie dafür, dass die jeweilige Gegenleistung auch erbracht wird; der Händler hat nach der Bestätigung lediglich die Gewissheit, dass die Zahlung ausgeführt werden wird und er damit den Versand bzw. die Zurverfügungstellung der Leistung veranlassen kann. Würde die Zahlung ohne paydirekt mittels Online-Überweisung erfolgen, wüsste der Händler nicht, ob und wann der Zahlungspflichtige die Zahlung veranlasst hat, und müsste entscheiden, ob er in Vorlage geht oder die Gutschriftsanzeige auf seinem Konto abwartet. Der Besteller wäre dann wiederum davon abhängig, dass der Händler ihm den Kauf bestätigt. Dies kann zwar, muss aber nicht zwingend unmittelbar nach dem Kauf erfolgen. Dadurch dass die Bank beide Bestätigungen unmittelbar erteilt und die Zahlungsabwicklung veranlasst, wird die Abwicklung entsprechender Transaktionen beschleunigt und Unsicherheiten 1 Vgl. EBA Final Report Darft Regulatory Technical Standards on Strong Customer Authentication and common and secure communication under Article 98 of Directive 2015/2366 (PSD2) (EBA/RTS/2017/02), Ziff. 2.2.1 Tz. 13, worin zwischen Zahlungen, die die vom Zahler („initiated by the payer“), vom Zahler über den Zahlungsempfänger („initiated … by the payer through the payee“) oder vom Zahlungsempfänger („initiated by the payee only“) ausgelöst werden, unterschieden wird. Auch hier findet nur die dritte Alternative Anwendung, denn der Zahler erteilt nicht über den Händler seinem Zahlungsdienstleister einen Auftrag zum Einzug einer paydirekt-Forderung, sondern ermächtigt die Händler, diese einzuziehen. Die Autorisierung der Belastung seines Kontos gegenüber seinem kontoführenden Institut dient nicht zur Auslösung der Zahlung, sondern soll nur sicherstellen, dass der Zahlungsbetrag für die Zahlung zur Verfügung steht.
728 | Werner
Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs | Teil 4
werden beseitigt. Bei paydirekt handelt es sich jedoch um keinen Zahlungsauslösedienst gem. § 1 Abs. 33 ZAG, da ein solcher nur dann vorliegt, wenn die Zahlung bei einem anderen Zahlungsdienstleister ausgelöst wird. Paydirekt ist jedoch ein Produkt der jeweiligen Bank selbst. 2. Risikoübernahmeregelungen a) Käuferschutz Die Bank des Zahlers ist allerdings nicht nur für den Beschleunigungseffekt verantwortlich, sondern sie übernimmt auch Risiken der Beteiligten. Sollte der Händler eine mit paydirekt bezahlte bewegliche Sache versenden müssen und die Versendung nach Ansicht des Zahlers unterblieben sein, hat er die Möglichkeit, dies gem. Ziff. 14 der paydirekt-Bedingungen der Bank über das paydirekt-Portal oder einer von der Bank dafür eingerichteten Adresse zu melden. Nach einem in Ziff. 14.2 der paydirekt-Bedingungen detailliert festgelegten Verfahren, dem „Konfliktfall“, bekommt der Zahler am Ende den Zahlungsbetrag gem. Ziff. 14.3 der paydirekt-Bedingungen erstattet, wenn der Händler keinen Nachweis darüber führen kann, dass er die Ware ordnungsgemäß versendet hat und es sich um eine bewegliche Sache handelt. Außerdem setzt das Eingreifen des Käuferschutzes gem. Ziff. 14.3 der paydirekt-Bedingungen voraus, dass es sich bei der Ware um keinen Wertgutschein, kein Reisedokument, keine Arzneimittel, keine alkoholischen Getränke und keine Tabakwaren handelt. Aus Ziff. 12.1 der Händlerbedingungen folgt in diesem Fall, dass der Bank gegen den Händler ein Erstattungsanspruch zusteht. Sollte dagegen die Ware nachweislich ordnungsgemäß versandt worden sein, aber nicht beim Käufer ankommen, steht diesem gem. Ziff. 14.3 (6) der paydirekt-Bedingungen kein Erstattungsanspruch gegen die Bank zu. In diesem Fall erfolgt die Abwicklung im Valutaverhältnis zwischen Zahler und Händler.
4.994
b) Ablehnungsgründe der Zahlerbank Bei paydirekt ist die Bank nicht in allen Fällen zur Ausführung der Zahlung verpflichtet. Ihr stehen, um Risiken zu vermeiden, in Ziff. 7.1 der Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt verschiedene Ablehnungsgründe zu. Dadurch werden die Ausführungsbedingungen gem. § 675o Abs. 2 BGB festgelegt, die Voraussetzung dafür sind, dass das Zahlerinstitut eine Zahlung ausführen muss und sie nicht gem. § 675o Abs. 1 BGB ablehnen darf. Zu den sich daraus ergebenden Ablhenungsgründen gehören eine nicht ordnungsgemäße Authentifizierung oder Autorisierung, das Überschreiten einer vereinbarten Nutzungsgrenze, bei Verdacht einer nicht autorisierten oder betrügerischen Transaktion, wenn der Händler nicht zum Verfahren zugelassen ist oder die Annahmevoraussetzungen von ihm nicht erfüllt worden sind, der Zahler nicht das vom Händler vorgegebene Mindestalter erreicht hat oder bei einer aufgeschobenen Zahlung die Ablehnungsvoraussetzungen vorliegen. Liegen Ablehnungsgründe vor, muss die Bank den Zahler gem. Ziff. 7.2 der Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt informieren. Auch wenn zum Zeitraum, innerhalb dessen die Information erfolgen soll, nichts ausdrücklich geregelt ist, ergibt sich aus § 675o BGB, dass dies unverzüglich, längstens jedoch innerhalb der Ausführungsfristen zu erfolgen hat, damit der Zahler Abhilfe schaffen kann, sofern dies in seinem Einflussbereich liegt.
Werner | 729
4.995
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
3. Haftungsregelungen a) Haftung des Zahlers für nicht autorisierte Zahlungen
4.996
Für den Fall der nicht autorisierten Zahlung enthalten die Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt in Ziff. 12 Regelungen zu Schadenersatzansprüchen und zur Haftung des Zahlers, die den entsprechenden Bedingungen im Online-Banking nachgebildet sind. Dies bedeutet zunächst, dass der Zahler gegen sein Institut einen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht abgebuchten Beträge gem. §§ 675u, 670 BGB hat, gleichzeitig muss er jedoch auch dafür einstehen, wenn es mit seinem Zahlungsinstrument und personalisierten Sicherheitsmerkmal zu einer von ihm verschuldeten missbräuchlichen Verfügung gekommen ist. Es finden dann die entsprechend abgestuften Haftungsregelungen gem. § 675v BGB Anwendung, d.h., soweit keine grobe Fahrlässigkeit oder kein Vorsatz vorliegt, ist die Haftung gem. § 675v Abs. 1 BGB auf 50 € beschränkt, während für eine grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzung oder bei betrügerischem Verhalten der Zahler gem. § 675v Abs. 3 BGB in vollem Umfange für den entstandenen Schaden einzustehen hat, sofern kein Mitverschulden der Bank gem. § 254 BGB in Betracht kommt. Außerdem trifft den Zahler gem. Ziff. 9.4.1 der Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt auch die Verpflichtung, seinen paydirekt-Zugang unverzüglich sperren zu lassen, wenn er Hinweise auf eine missbräuchliche Verwendung seiner Zugangsinstrumente hat. Auch wenn ihn am missbräuchlichen Einsatz kein Verschulden trifft, kann ihn die vollständige Haftung gem. Ziff. 12.1.2 (1) der Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt treffen, wenn er seiner Sperrverpflichtung nicht nachgekommen ist, nachdem er Kenntnis vom Missbrauch oder den Verdacht eines solchen hat oder aufgrund eigenen schudlhaften Verhaltens nicht erlangt hat. Dies entspricht §§ 675v Abs. 3 Nr. 2a i.V.m. 675l Abs. 1 Satz 2 BGB.
4.997
Aus der Reglung in Ziff. 12.2 der Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt, die § 675v Abs. 3 Satz 1 BGB abbildet, folgt, dass die Haftung des Nutzers zunächst einmal für alle Schäden ausgeschlossen ist, die nach Zugang einer Sperrnachricht bei der Bank entstehen, und zwar unabhängig davon, ob diese Nachricht auch zu einer Umsetzung der Sperre führt. Ab dem Zeitpunkt, ab dem der Nutzer der Bank Umstände mitgeteilt hat, die eine Sperre des paydirekt-Zugangs begründen, haftet er nicht mehr für danach verursachte Schäden; denn ab diesem Moment ist es ausschließlich Sache der Bank, dafür Sorge zu tragen, dass keine missbräuchlichen Verfügungen mehr vorgenommen werden können. Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn der Nutzer in betrügerischer Absicht paydirekt-Verfügungen veranlasst. Dies folgt auch aus § 675v Abs. 3 Satz 3 BGB.
4.998
Ziff. 11 der Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt knüpft an die gesetzlichen Haftungsregelungen gem. § 675u BGB an, wonach die Bank gegen den Nutzer keinen Aufwendungsersatzanspruch für nicht autorisierte Zahlungen hat. Aufwendungsersatzansprüche können nur geltend gemacht werden, wenn der Nutzer die Transaktion autorisiert hat. Sollte die Bank trotz fehlender (wirksamer) Autorisierung gleichwohl das Konto des Nutzers belastet haben, ist sie – wie sich aus § 675u Satz 2 BGB ergibt – zur Erstattung verpflichtet. Wenn der Nutzer seine Bank nicht innerhalb einer Frist von 13 Monaten von einer unberechtigten Belastung unterrichtet, erlischt sein Erstattungsanspruch. Dies ergibt sich aus § 676b Abs. 2 BGB und bedarf keiner ausdrücklichen Regelung. Die Frist von 13 Monaten beginnt erst, wenn dem paydirekt-Teilnehmer gem. Art. 248 §§ 7, 10 oder 14 EGBGB die über die Belastung erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt worden sind. Es spielt aber, wenn die Informationen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, keine Rolle, ob der Nutzer auch tatsächlich Kenntnis erlangt hat, solange die Bank ihren Unterrichtungspflichten nachgekommen ist. Aber auch diese Regelung erfasst nur 730 | Werner
Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs | Teil 4
den Aufwendungsersatzanspruch und lässt die Frage unberührt, ob die Bank möglicherweise Schadensersatzansprüche gegen den Nutzer hat, falls dieser nicht unmittelbar nach Kenntnis von der nicht autorisierten Zahlung die Bank unterrichtet und dieser aus dem Unterlassen der rechtzeitigen Benachrichtigung ein Schaden entsteht. b) Übertragung der Haftungsgrundsätze aus dem Online-Banking – Anwendung der Grundsätze zum Beweis des ersten Anscheins? Die paydirekt-Bedingungen enthalten Haftungsregelungen, die an die gesetzlichen Bestimmungen anknüpfen. Auf paydirekt sind deshalb die Haftungsgrundsätze des Online-Banking (Rz. 4.589 ff.) und der elektronischen Zahlverfahren mittels girocard (Rz. 4.664 ff.) – wie insbesondere das electronic cash-Verfahren – grundsätzlich übertragbar1. Auch hier kommt dem Zahlungsinstitut der Anscheinsbeweis zugute, sofern das Sicherungsverfahren als so sicher angesehen werden kann, dass es nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand überwunden werden kann2. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass an den Nachweis einer Authentifizierung gem. § 675w BGB besondere Voraussetzungen geknüpft werden. Aus der Übertragung dieser Grundsätze auf paydirekt folgt, dass zumindest dann, wenn der Nachweis geführt werden kann, dass das Sicherheitssystem weitgehend unter praktischen Gesichtspunkten unüberwindbar ist und im konkreten Fall funktionsfähig war, der Einsatz des richtigen Codeworts, der Nutzerkennung und ggf. einer richtigen TAN den Beweis des ersten Anscheins dafür begründet, dass der berechtigte Nutzer die entsprechende Transaktion veranlasst oder schuldhaft zum Missbrauch seiner Medien beigetragen hat, da ihn die Verpflichtung trifft, dafür Sorge zu tragen, dass kein unberechtigter Dritter diese nutzen kann. Allerdings sind die tatsächlichen Anforderungen an die Anwendung des Anscheinsbeweises schon im Online-Banking höher als im girocard-Verfahren, da es im Online-Banking kein einheitliches, sondern eine Vielzahl an unterschiedlichen Zahlungsverfahren gibt3. Gleiches gilt auch für paydirekt, das an das Online-Banking anknüpft. Gemäß § 675w Satz 3 BGB genügt die Autorisierung einer Transaktion in paydirekt unter Einsatz des entsprechenden Zahlungsauthentifizierungsinstruments nicht notwendigerweise für den Nachweis, dass der paydirekt-Teilnehmer entweder selbst gehandelt hat oder mit den Zugangsinstrumenten nicht sorgfältig umgegangen ist. Vielmehr ist die allgemeine praktische Sicherheit des eingesetzten Authentifizierungsverfahrens und dessen Einhaltung im konkreten Fall weitere Voraussetzung für die Anwendung des Anscheinsbeweises4.
4.999
Nach den gesetzlichen Regelungen seit Umsetzung der (ersten) EU-Zahlungsdiensterichtlinie muss der Zahlungsdienstleister den Nachweis führen, dass eine Authentifizierung erfolgt ist und der Zahlungsvorgang ordnungsgemäß aufgezeichnet, verbucht und nicht durch Störungen beeinträchtigt worden ist. Außerdem hat eine verfahrensgemäße Überprüfung des zur Nutzung bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments einschließlich der personalisierten Sicherheitsmerkmale zu erfolgen. Wurde eine Transaktion entsprechend ausgelöst, reicht die Aufzeichnung der Nutzung einschließlich der ordnungsgemäßen Authentifizierung durch den Zahlungsdienstleister alleine nicht aus, um den
4.1000
1 Vgl. dazu Werner, MMR 1998, 338, 339; von Rottenburg, WM 1997, 2389. 2 Vgl. dazu Werner, MMR 1998, 338, 339; OLG Oldenburg v. 11.1.1993 – 13 U 133/92, NJW 1993, 1400; OLG Köln v. 30.4.1993 – 19 U 134/92, VersR 1993, 840. 3 Vgl. OLG Schleswig v. 29.10.2018 – 5 U 290/18, WM 2019, 206; BGH v. 10.10.2013 – III ZR 345/12, WM 2013, 2225 Rz. 28, und BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, WM 2016, 691. 4 Vgl. BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, WM 2016, 691.
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Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Nachweis zu führen, dass der Zahlungsvorgang nur erfolgen konnte, weil der Zahler in betrügerischer Absicht gehandelt, eine oder mehrere gesetzliche Pflichten gem. § 675l BGB oder vorsätzlich oder grob fahrlässig eine oder mehrere Anforderungen an die Nutzung oder Ausgabe des Zahlungsinstruments verletzt hat.
4.1001 Sofern die Voraussetzungen für die Anwendung des Anscheinsbeweises vorliegen, kann er
entweder den Aufwendungsersatzanspruch begründen, weil dadurch dem Zahlungsinstitut der Beweis erleichtert wird, dass der Auftrag von dem berechtigten paydirekt-Teilnehmer erteilt worden ist1, oder es werden dadurch die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Zahlungsinstituts begründet, der auf einer Vertragsverletzung der paydirekt-Vereinbarung gem. § 280 BGB beruht und wirtschaftlich zu einem ähnlichen Ergebnis führt, da das Institut danach als Schadensersatz den Betrag geltend machen kann, der den Aufwendungen entspricht, die ihm durch die Ausführung des Auftrags entstanden sind. Sollte es jedoch möglich sein, den Auftrag rückabzuwickeln, z.B. wenn bei einer Zahlung der Empfänger das erhaltene Geld zurückzahlt, stehen dem Institut unter Umständen nur die damit im Zusammenhang entstandenen Aufwendungen als Schadensersatz zu. Wirtschaftlich führen beide Ansprüche in der Regel zum gleichen Ergebnis, so dass es auf eine Differenzierung nicht immer ankommen dürfte. Allerdings hat der BGH in seiner Entscheidung vom 5.10.20042 zur Sicherheit des ec-PIN-Verfahrens klargestellt, dass der Anscheinsbeweis nicht geeignet sein soll, den Aufwendungsersatzanspruch zu begründen, sondern nur den Anspruch auf Schadensersatz. Daran hat auch § 675w BGB grundsätzlich nichts geändert, sondern nur zusätzliche Präzisierungen an die Anwendung des Anscheinsbeweises aufgestellt, dessen Reichweite ist dadurch jedoch nicht grundsätzlich modifiziert worden. Der Anscheinsbeweis begründet auch keine spezielle Verschuldensform, sondern dient nur des Nachweises eines Sachverhalts, aus dem sich die jeweilige Verschuldensform ergeben kann. Die relevante gesetzliche Haftungsbegrenzung auf 50 € im Falle eines nicht grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhaltens gem. § 675v Abs. 1 BGB bleibt davon unberührt. Allerdings ist diese gesetzliche Haftungsbegrenzung für eine leicht fahrlässige Pflichtverletzung im paydirekt-Verfahren nicht von Relevanz, da den Nutzer gem. Ziff. 12.1.1 und 12.1.2 der Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt nur dann die Haftung trifft, wenn er wenigstens grob fahrlässig seine Sorgfaltspflichten verletzt hat. Für Fälle der leichten Fahrlässigkeit gem. § 675v Abs. 1 Satz 1 BGB und der daraus folgenden Haftung bis 50 € enthalten die Bedingungen keine Regelungen, so dass diese Haftung ausgeschlossen ist. Für nicht autorisierte paydirekt-Zahlungen kommt hinsichtlich der Anwendung der Grundsätze zum Anscheinsbeweis noch hinzu, dass es bisher keinen Erfahrungssatz gibt, dass das Verfahren so sicher ist, dass es nur eingesetzt werden kann, wenn entweder der Berechtigte selbst gehandelt hat oder mit den Zugangsinstrumenten nicht unsorgfältig umgegangen ist. Deshalb muss zumindest vorerst im Einzelfall zur Anwendung des Anscheinsbeweises immer der Nachweis geführt werden, dass das entsprechend eingesetzte Autorisierungsverfahren unter praktischen Gesichtspunkten nicht überwunden werden kann und funktioniert hat3.
4.1002 Aufgrund des Anscheinsbeweises trifft den Nutzer die Darlegungslast für die Umstände, aus denen sich ein Sachverhalt über die missbräuchliche Nutzung der ihm überlassenen Merkmale und Instrumente ohne sein eigenes Verschulden ergeben kann, sofern es tat1 Vgl. zum Anscheinsbeweis und Aufwendungsersatzanspruch AG Frankfurt v. 18.12.1987 – 31 C 2624/86-10, WM 1988, 1446 mit Anm. Reiser in WuB ID 5.–4.88. 2 BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309. 3 Vgl. dazu BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, WM 2016, 691.
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Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs | Teil 4
sächlich zu einem Missbrauch gekommen ist. Für diesen ist wiederum die Bank unter Beachtung der sich aus § 675w BGB ergebenden Grundsätze darlegungs- und beweispflichtig1. Kann der paydirekt-Teilnehmer entsprechende Umstände nicht darlegen, ist der Anscheinsbeweis grundsätzlich als Basis für den Nachweis des den Anspruch der Bank begründenden Sachverhalts geeignet. Es ist dann Sache des Nutzers, einen Sachverhalt darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, der den Anschein einer ordnungsgemäß durchgeführten Transaktion erschüttert2. Wird der angebliche Sachverhalt nur unsubstantiiert vorgetragen, ist das angerufene Gericht in einem Rechtsstreit nicht gehalten, Beweis über die Sicherheit des paydirekt-Verfahrens zu erheben3. Um den Fall der groben Fahrlässigkeit, der zu einer unbeschränkten Haftung des Nutzers führt, möglichst eindeutig bestimmen zu können, enthält Ziff. 12.1.2 der Bedingungen für Zahlungen mittels paydirekt Regelbeispiele, die üblicherweise die grobe Fahrlässigkeit begründen. Angeknüpft wird dabei insbesondere an die in Ziff. 9 der Bedingungen festgelegten Sorgfaltspflichten des Teilnehmers. Da es sich jedoch nur um Regelbeispiele handelt, deren Verletzung nicht zwingend die grobe Fahrlässigkeit begründet, wie sich aus der Formulierung „kann insbesondere vorliegen, wenn …“ ergibt, besteht auch nicht das Risiko, dass durch eine evtl. zu weite Fassung der Sorgfaltspflichten die gesetzliche Haftungsbegrenzung von 50 € für leichte Fahrlässigkeit unterlaufen würde und die Regelung deshalb gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sein könnte.
4.1003
c) Zahlungssicherheit für den Zahlungsempfänger Neben dem Käuferschutz enthält Ziff. 9.5 der paydirekt-Händlerbedingungen auch Regelungen zur Garantie der Zahlung gegenüber dem Händler. Mit der Umsatzautorisierung gibt die Bank des Zahlers gegenüber dem Händler die grundsätzliche Erklärung ab, dass sie die Forderung des Händlers im autorisierten Umfange ausgleicht. Ausnahmen gelten nur im Hinblick auf Lieferungen, die nicht an die in der Bestellung angegebene Adresse erfolgen, da in diesem Fall der Zahler gegen seine Bank einen Erstattungsanspruch hat. In diesem Fall gilt das Zahlungsversprechen nur, wenn der Zahler innerhalb von 30 Tagen nach der Belastung gegenüber seiner Bank keine Beanstandung mit der Begründung erhebt, er habe die Ware ganz oder zum Teil nicht an seine Bestelladresse erhalten. Kommt es fristgemäß zu einer entsprechenden Beanstandung, greift das Zahlungsversprechen zumindest dann, wenn der Händler durch entsprechende Belege beweisen kann, dass die Lieferung an die Lieferadresse erfolgt ist und diese Adresse mit der Adresse identisch ist, die der Händler mit den weiteren Transaktionsdaten an die Zahlerbank übermittelt hat. Außerdem darf es sich bei der entsprechenden Ware um keine Ware handeln, die ausdrücklich nicht für das paydirekt-Verfahren zugelassen ist. Weitere Bedingung für das Eingreifen der Garantie ist die Einhaltung der Anforderungen an das Zahlverfahren. Auch diese Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Zahlungsgarantie finden ihre Parallele in den Bedingungen für die Abgabe der Garantie bzw. des Zahlungsversprechens in anderen Zahlungsverfahren, die mit Hilfe von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten mit personalisierten Sicherheitsmerkmalen ausgelöst werden, wie z.B. dem girocard-Verfahren 1 AG Hannover v. 21.6.1996 – 537 C 3553/96, WM 1997, 64 mit Anm. Werner in WuB ID 5c.–2.97; AG Schöneberg v. 9.9.1996 – 8 C 258/96, WM 1997, 66 mit Anm. Werner in WuB ID 5c.–2.97. 2 AG Hannover v. 21.6.1996 – 537 C 3553/96, WM 1997, 64 mit Anm. Werner in WuB ID 5c.–2.97. 3 OLG Zweibrücken v. 24.9.1990 – 4 U 31/90, WM 1991, 67; AG Hannover v. 21.6.1996 – 537 C 3553/96, WM 1997, 64 mit Anm. Werner in WuB ID 5c.–2.97; zum Parallelproblem bei der ecKarte: Harbeke, WM-Sonderbeilage Nr. 1/1994, S. 11.
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4.1004
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
oder dem Online-Banking. Auch hier wird die Abgabe einer entsprechenden Garantie an die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens geknüpft bzw. beim mittels girocard ausgelösten electronic cash-Verfahren müssen technische Vorgaben der Kreditwirtschaft an das Terminal erfüllt werden. Allerdings geht das paydirekt-Verfahren darüber insofern hinaus, als hier teilweise eine Verknüpfung mit dem Valutaverhältnis erfolgt, denn es ist zur Erlangung der Garantie nicht nur ein bestimmter technischer Ablauf einzuhalten, sondern der Erwerb selbst darf sich nur auf bestimmte Produkte beziehen und die Lieferung nicht von den Vorgaben abweichen.
4.1005 Das paydirekt-Verfahren setzt auf dem Online-Banking auf und ergänzt dieses durch Ver-
knüpfung mit dem Valutaverhältnis um zusätzliche Informationen und Maßnahmen zum Schutz der Parteien, ohne dass die Bank allerdings alle Risiken aus dem Valutaverhältnis übernehmen müsste.
IV. SOFORT Überweisung 4.1006 Am Zahlungsverfahren SOFORT Überweisung sind die Banken als Abwickler mit einer Treuhänderfunktion, der Zahler als Nutzer des Käuferschutzes sowie der Händler als Anbieter des Verfahrens unter Nutzung des Zahlungsschutzes beteiligt. Gegenstand des Verfahrens ist die Zahlungsübermittlung durch die Bank des Käufers an den Händler mit Käufer- und Zahlungsschutz. Der gewährte Käuferschutz erfasst nur die Abwicklung, nicht aber die Qualität der erworbenen Ware oder Dienstleistung.
4.1007 Im Verhältnis zwischen Bank und Käufer müssen die Käuferschutzbedingungen für jeden
einzelnen Kauf gesondert vereinbart werden, denn der Käuferschutz im konkreten Einzelfall hängt vom jeweiligen Angebot durch den Händler ab, weshalb es keine Rahmenvereinbarung zwischen Bank und Zahler geben kann. Für jeden neuen Kauf ist deshalb eine neue Annahme der Bedingungen erforderlich.
4.1008 Dagegen werden die Käuferschutzbedingungen zwischen Händler und Bank als Dauer-
schuldverhältnis in Form eines Rahmenvertrags vereinbart. Der Händler ist deshalb bei Angebot des Käuferschutzes an die Bedingungen gebunden und darf den Käuferschutz nur nach den Vorgaben in den Bedingungen und unter den dort festgelegten Voraussetzungen gewähren.
4.1009 Die Bank wird allerdings nicht Partnerin des Vertrags zwischen Händler und Käufer;
dieses Valutaverhältnis ist für sie nur im Rahmen der Käuferschutzbedingungen von Relevanz.
4.1010 Damit der Käuferschutz zustande kommen kann, muss der Händler die SOFORT Überweisung mit Käuferschutz anbieten und der Käufer sich dafür entscheiden. Um den Käuferschutz gewähren zu können, ist die Angabe einer E-Mail-Adresse des Käufers erforderlich. Die Überweisung selbst wird über das SOFORT Überweisungsverfahren veranlasst.
4.1011 Die Zahlung erfolgt nicht auf ein Konto des Händlers, sondern auf ein bankeigenes Treu-
handkonto. Der Käufer erhält bei Wahl des Käuferschutzes in einem Formular automatisch die IBAN des entsprechenden Treuhandkontos mitgeteilt. Mit Gutschrift auf diesem Konto beginnt der Käuferschutz. Innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen – der Rügefrist – kann der Käufer die Nichtlieferung der Ware geltend machen. Er muss allerdings die Mindestwartefrist von fünf Tagen abwarten. Innerhalb dieser Frist ist eine Rüge gegen-
734 | Werner
Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs | Teil 4
über der Bank nicht möglich. Läuft die Rügefrist ab, zahlt die Bank den Zahlungsbetrag an den Händler aus. Sollte dagegen die Rüge der Nichtlieferung zeitgerecht erfolgen, verlängert sich die Frist bis zur Auszahlung auf 30 Tage. Gleichzeitig fordert die Bank den Händler auf, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von fünf Tagen einen Liefernachweis zu erbringen und diesen online zur Verfügung zu stellen. Dem Käufer selbst wird eine zweite Rügefrist von zwölf Tagen für den Fall eingeräumt, dass ihm innerhalb dieses Zeitraums die Rückzahlung nicht zugesagt worden ist. Wird der Liefernachweis nicht erbracht, erstattet die Bank den Zahlungsbetrag. Sollte dagegen der Händler den form- und fristgemäßen Liefernachweis erbringen, informiert die Bank den Zahler unverzüglich über dessen Verfügbarkeit und stellt ihm einen Link mit Zugang zum Liefernachweis online zur Verfügung. Erfolgt innerhalb der zweiten Rügefrist keine erneute Rüge, wird der Zahlungsbetrag an den Händler ausgezahlt. Sollte es dagegen zu einer zweiten Rüge kommen, verlängert sich die geltende 30-Tages-Frist um einen Monat. Innerhalb dieses Zeitraums sollen sich Händler und Zahler darüber einigen, an wen der Zahlungsbetrag ausgezahlt werden soll. Kommt eine solche Einigung nicht zustande, wird der Zahlungsbetrag gem. § 372 BGB von der Bank hinterlegt, so dass die Parteien des Valutaverhältnisses ggf. in einem Gerichtsverfahren klären lassen müssen, wem der Zahlungsbetrag zusteht.
4.1012
Im Verfahren der SOFORT Überweisung erfolgt die gesamte Kommunikation – ebenso wie die Zahlung – elektronisch. Das Verfahren setzt auf dem Online-Banking auf, sieht aber nicht den Einsatz eines weiteren Zahlungsinstruments mit personalisiertem Sicherheitsmerkmal vor.
4.1013
Zusätzliche, über das Online-Banking hinausgehende technische Risiken gibt es durch dieses internetbasierte Verfahren nicht, da die Zahlungsauslösung unter Nutzung des normalen Online-Banking-Verfahrens erfolgt. Die Haftungsrisiken finden sich nur auf der Ebene der Leistungserbringung, die aber nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem elektronischen Verfahrens steht. Sollte ein unberechtigter Dritter Zahlungen zu Lasten des Kontos des Zahlers veranlassen, richtet sich die Haftung nach den allgemeinen Regeln, wobei aufgrund der Besonderheiten des Verfahrens das Missbrauchsrisiko noch einmal eingeschränkt wird. Sollte innerhalb der Rügefrist der Missbrauch festgestellt werden und der Warenversand noch nicht erfolgt sein, kommt es zur Rückabwicklung, wobei sich dies nicht nach den Käuferbedingungen richtet, sondern gem. § 675u BGB die Bank dem zu Unrecht belasteten Käufer den Zahlungsbetrag wieder erstatten muss. Der Händler wird dann die bestellte Ware nicht versenden. Da der Zahlungsbetrag noch auf dem Treuhandkonto steht, ist die Rückabwicklung problemlos möglich. Sollte die bestellte Ware schon versandt worden sein, ändert dies am Erstattungsanspruch des Zahlers erst einmal nichts; ohne einen von ihm erteilten Zahlungsauftrag und ohne Autorisierung steht ihm der Anspruch auf Erstattung gem. § 675u BGB selbst dann zu, wenn die Ware bereits verschickt worden ist. Da die SOFORT Überweisung nur einen Käufer-, aber keinen Verkäuferschutz vorsieht, steht dem Händler kein Anspruch auf Auszahlung des auf dem Treuhandkonto gutgeschriebenen Betrags zu, wenn die Bank diesen wieder zurückzahlen muss. Zwar können sowohl die Käuferschutz- als auch die Händlerbedingungen so interpretiert werden, dass dann, wenn der Käufer seine Rügemöglichkeiten nicht nutzt, die Bank verpflichtet ist, den für ihn auf das Treuhandkonto eingezahlten Betrag zur Auszahlung an den Händler freizugeben, doch setzt eine solche Verpflichtung voraus, dass der Zahler auch tatsächlich die für den Händler bestimmte Zahlung in Auftrag gegeben und autorisiert hat. Sollte der Zahler erst nach Freigabe des auf dem Treuhandkonto stehenden Be-
4.1014
Werner | 735
Teil 4 | Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
trags an den Händler feststellen, dass ein Dritter die Zahlung veranlasst hat, ändert dies an seinem Anspruch gem. § 675u BGB auf Erstattung des zu Unrecht auf seinem Konto belasteten Betrags nichts; die Bank muss ihn mit diesem wiedererkennen und hat Bereicherungsansprüche gegen den zu Unrecht erkannten Händler. Nur wenn die Bank den Zahlungsbetrag ganz oder zum Teil nicht vom Händler zurückerhalten sollte, kann sie nach den Online-Banking-Bedingungen Schadensersatzansprüche gegen den vermeintlichen Auftraggeber geltend machen, wenn dieser mit dem ihm zur Verfügung gestellten Zahlungsinstrument und personalisiertem Sicherheitsmerkmal nicht sorgfältig umgegangen ist und dadurch zum Missbrauch beigetragen hat, seinen Mitteilungspflichten nach Feststellung des Verlusts oder Missbrauchs nicht nachgekommen ist oder ein Fall der (eingeschränkten) verschuldensunabhängigen Sphärenhaftung vorliegt.
4.1015 Da bei der SOFORT Überweisung die Zahlung nach wie vor direkt vom Zahler und nicht unter Nutzung eines Drittdienstes ausgelöst wird, liegt kein Zahlungsauslösedienst gem. § 1 Abs. 34 ZAG vor, der für sein Tätigwerden einer Zulassung gem. §§ 10, 12 Satz 1 Nr. 3b, 16 ZAG bedarf.
V. Direktüberweisung 4.1016 Auch die Direktüberweisung setzt auf dem Online-Banking-Verfahren auf. Aus der Sicht
des Zahlers unterscheidet sich die Direktüberweisung kaum vom normalen Online-Banking-Verfahren. Der Zahler gibt zur Beauftragung und Autorisierung seiner Zahlung PIN und TAN ein. Die Eingabe erfolgt entweder in der grafischen Umgebung der Bank oder über eine eigene grafische Umgebung des Anbieters mit einer getunnelten, verschlüsselten Verbindung zum Shop, dem Zahlungsdienstleister des Zahlers und zum Online-Banking, wobei der Dienstleister die Funktion eines „Mittlers“ übernimmt. Die Transaktionsabwicklung wird folglich vom die Direktüberweisung anbietenden Dienstleister übernommen. Dieser „Intermediär“ verfolgt über seine technische Plattform den Weg der Überweisung. In dem Moment, in dem die Kundenbank die Zahlungsausführung bestätigt, informiert der Dienstleiter unverzüglich den Händler, so dass dieser weiß, dass die für ihn bestimmte Zahlung ausgelöst wurde, bevor er den Zahlungseingang auf seinem Konto feststellen kann. Der Händler kann dann die Warenlieferung veranlassen. Bei diesem Intermediär handelt es sich um einen Zahlungsauslösedienst gem. § 1 Abs. 34 ZAG, der für seine Tätigkeit eine Zulassung gem. §§ 10, 12 Satz 1 Nr. 3b, 16 ZAG benötigt1.
4.1017 Das Verfahren der Direktüberweisung enthält weder einen expliziten Käufer- noch Ver-
käuferschutz, die Besonderheit des Verfahrens resultiert daraus, dass der Händler unmittelbar nach Zahlungsveranlassung über die Zahlung informiert wird und dann die Warenlieferung oder Zurverfügungstellung der Dienstleistung unmittelbar veranlassen kann. Sicherheit für die an der Transaktion beteiligten resultiert also nicht aus zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen, sondern aus einer Beschleunigung der Informationsflüsse über die Zahlung. Aus § 675p Abs. 2 BGB folgt, dass mit Zugang des Zahlungsauftrags beim Intermediär, der als Zahlungsauslösedienst gem. § 1 Abs. 33 ZAG agiert, die Zahlung nicht mehr widerrufen werden kann. Sollten ansonsten die für die Ausführung der Zahlung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, wird der kontoführende Zahlungsdienstleister unverzüglich die Zahlung ausführen. Ab diesem Zeitpunkt hat folglich der Zahlungsempfänger ein hohes Maß an Sicherheit, dass er den Betrag auch erhalten wird, selbst wenn 1 Vgl. dazu Böger in Bankrechtstag 2016, Ziff. 5.4, S. 262 ff.
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Neue Instrumente des Zahlungsverkehrs | Teil 4
ihm mangels Eingang des Betrags auf dem Konto seines Zahlungsdienstleisters noch kein Anspruch auf die Gutschrift gem. § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht. Er kann dann die Warenlieferung veranlassen oder – im Falle von Online-Dienstleistungen – diese unverzüglich zur Verfügung stellen. Der Vorteil der Direktüberweisung besteht folglich darin, dass das Ausfallrisiko des Händlers für den Fall, dass er vorleisten sollte, erheblich reduziert wird, ohne dass es dazu einer Garantiezusage für die Zahlungsausführung durch den Dienstleister bedarf. Durch das Aufsetzen auf das Online-Banking ist das Verfahren günstig und bedarf keiner zusätzlichen aufwendigen technischen Infrastruktur.
4.1018
Das Verfahren ist aber auch mit Nachteilen verbunden. Der Käufer hat keine Liefersicherheit; er trägt das Risiko, dass der Händler seinen Pflichten nicht nachkommt und er den Kaufpreis bezahlt hat. Sobald er die Zahlung veranlasst hat, kann er sie nicht mehr widerrufen, da gem. § 675p Abs. 2 BGB der kontoführende Zahlungsdienstleister einen Widerruf nicht mehr beachten muss, wenn auch er es gem. § 675p Abs. 4 Satz 1 BGB im Falle einer entsprechenden Vereinbarung kann. Im Falle einer missbräuchlichen Zahlungsauslösung haftet gem. § 675u Satz 4 BGB gleichwohl das erstbeauftragte Institut gegenüber dem Zahler, hat aber gem. § 676a Abs. 2 BGB einen Ausgleichsanspruch gegen den Zahlungsauslösedienst, der im Zweifel den Nachweis führen muss, dass in seinem Verantwortungsbereich eine ordnungsgemäße Authentifizierung erfolgt ist. Mit der Zulassung entsprechender Zahlungsauslösedienste hat sich die Diskussion darüber erledigt, ob durch eine entsprechenden Zwischenschaltung einem Nachweis der Authentifizierung durch Einsatz eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments mit personalisiertem Sicherheitsmerkmal gem. § 675w BGB der Boden entzogen würde. Ohne entsprechende gesetzliche Regelungen bestünde das Risiko einer Infragestellung des Anscheinsbeweises, denn eine Voraussetzung für dessen Anwendung ist neben der praktischen Unüberwindbarkeit des Sicherheitssystems1 die persönliche Zuordnung der Legitimierungs- und Autorisierungselemente2.
4.1019
1 Vgl. BGH v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14, WM 2016, 691. 2 Vgl. dazu Werner in Soergel, § 675w BGB Rz. 10, insb. Fn. 18 m.w.N.
Werner | 737
5. Teil Kreditgeschäft mit Verbrauchern 1. Abschnitt: Allgemeines . . . . . . . 2. Abschnitt: Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . I. Unterscheidung zwischen Allgemein- und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4.
Persönlicher Anwendungsbereich Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . Existenzgründer . . . . . . . . . . . . Mehrere Darlehensnehmer . . . . .
III. Sachlicher Anwendungsbereich . . 1. Gelddarlehen (§ 488 Abs. 1 BGB) . 2. Ausgenommene Darlehensverträge (§ 491 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 bis 4 BGB) . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkte Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzierungshilfen (§§ 506–508 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zeitlicher Anwendungsbereich . . V. Abweichende Vereinbarungen . . 3. Abschnitt: Werbung . . . . . . . . . I. Werbung für Kreditverträge (§ 6a PAngV) . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichtangaben (§ 6a Abs. 2 PAngV) 2. Zusätzliche Angaben (§ 6a Abs. 3 und 5 PAngV) . . . . . . . . . . . . . 3. Repräsentatives Beispiel (§ 6a Abs. 4 PAngV) . . . . . . . . . . . . . II. Werbung für Überziehungsmöglichkeiten (§ 6b PAngV) . . . III. Sonderregelung für Darlehensvermittler (Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abschnitt: Allgemeine (Art. 247a § 1 EGBGB) und vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorvertragliche Information (§ 491a Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . 1. Form und Zeitpunkt (Art. 247 §§ 1 und 2 EGBGB) . . . . . . . . . . 2. Muster (Anlagen 4 bis 6 zu Art. 247 §§ 1 und 2 EGBGB) . . . .
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5.1 5.8
5.9
5.12 5.13 5.14 5.16 5.19 5.21 5.22 5.28 5.34 5.35 5.38 5.46 5.51 5.52 5.57 5.59 5.61 5.64
5.65
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5.71 5.73 5.74 5.77
3. Pflichtangaben bei AllgemeinVerbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 3 EGBGB) . . . . . . . . . a) Name und Anschrift des Darlehensgebers (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) . . . . . . . . . . . . b) Art des Darlehensvertrages (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 EGBGB) d) Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) . . . . . e) Sollzinssatz mit Angaben zur Anwendung und Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 EGBGB) . . . . . . . . . . . f) Vertragslaufzeit (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) . . . . . . . g) Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . h) Gesamtbetrag mit repräsentativem Beispiel (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 EGBGB) . . i) Auszahlungsbedingungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . j) Alle sonstigen Kosten mit Angaben zur Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . k) Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB) . . . . . . . . . . . l) Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . m) Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB) . . . . n) Recht zur vorzeitigen Rückzahlung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
5.82 5.83 5.84 5.85 5.90
5.93 5.96
5.97 5.98 5.99
5.101
5.104
5.105 5.106 5.107
Merz/Wittig | 739
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
4.
5. 6. 7.
8.
9. 10. 11.
o) Recht auf einen Vertragsentwurf (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 15 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . p) Recht auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB) . . . . . . . . . . . Zusatzangaben bei AllgemeinVerbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 4 EGBGB) . . . . . . . . . a) Hinweis, dass der Darlehensnehmer die Notarkosten zu tragen hat (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) . . . . . . . . . . . . b) Vom Darlehensgeber verlangte Sicherheiten (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) . . . . . . . c) Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung und dessen Berechnungsmethode (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) . . . . . . . d) Bindungszeitraum (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) . . . . . Informationen bei besonderen Kommunikationsmitteln (Art. 247 § 5 EGBGB) . . . . . . . . . Besondere Angaben bei Zusatzleistungen (Art. 247 § 8 EGBGB) . Abweichende Informationspflichten bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 1 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Informationspflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 10 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Informationspflichten bei Umschuldungen (Art. 247 § 11 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . Besondere Angaben bei verbundenen Verträgen (Art. 247 § 12 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Angaben bei vermittelten Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 13, § 13a und § 13b EGBGB) . . . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
5.108
5.109 5.110
I. Zivilrechtliche und aufsichtsrechtliche Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung . . . . . . . . . . 5.159 II. Kreditwürdigkeitsprüfung bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 505b Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.160
_
5.115
III. Kreditwürdigkeitsprüfung bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 505b Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich der Leitlinienverordnung (ImmoKWPLV) . . . . 2. Prinzipien bei der Kreditwürdigkeitsprüfung nach der Leitlinienverordnung (ImmoKWPLV) . . . . 3. Grundlagen der Kreditwürdigkeitsprüfung nach § 505b Abs. 2 BGB . 4. Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung nach der ImmoKWPLV . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.123
IV. Bewertung einer Immobilie (§ 505c BGB) . . . . . . . . . . . . . . 5.169
5.127
V. Sanktionen bei nicht ordnungsgemäßer Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 505d BGB) . . . . . . . . 5.170
5.111 5.112
5.113 5.114
5.131 5.135 5.140
5.142
II. Vertragsentwurf (§ 491a Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.145 III. Angemessene Erläuterung (§ 491a Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . 5.147 IV. Haftung bei vorvertraglichen Informationspflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.156
740 | Merz/Wittig
_ _
5. Abschnitt: Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§§ 505a ff. BGB und § 18a KWG) . . . . . . . . . . . 5.159
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5.161 5.162 5.163 5.165 5.166
6. Abschnitt: Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages . . . . 5.171 I. Schriftform (§ 492 Abs. 1 BGB) . 5.173 II. Einzelne Mindestangaben . . . . . 1. Pflichtangaben bei AllgemeinVerbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . a) Name und Anschrift des Darlehensgebers (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art des Darlehensvertrages (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) . . . . . c) Effektiver Jahreszins (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) . . . . . . . . . . . . d) Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) . . . . . . . . . . . .
5.178
5.180
5.181 5.182 5.183 5.186
Kreditgeschäft mit Verbrauchern | Teil 5 e) Sollzinssatz mit Angaben zur Anwendung und Anpassung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vertragslaufzeit (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) . . . . . . . . . . . . g) Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB) . . . . . h) Gesamtbetrag (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB) . . . . . . . . . . . . i) Auszahlungsbedingungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB) . . . . . j) Alle sonstigen Kosten mit Angaben zur Anpassung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) . . . . . . k) Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB) . . . . l) Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB) . . . . m) Angaben zum Widerrufsrecht (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB und Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) . . . n) Recht zur vorzeitigen Rückzahlung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB) o) Name und Anschrift des Darlehensnehmers (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) . . . . . . . p) Zuständige Aufsichtsbehörde (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . q) Hinweis auf Anspruch auf einen Tilgungsplan (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) . . . . . r) Verfahren bei Kündigung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . s) Sämtliche weitere Vertragsbedingungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
5.187 5.189
5.190 5.191 5.192
5.193
5.196
5.197
2. Zusatzangaben bei AllgemeinVerbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 7 Abs. 1 EGBGB) . . . . 3. Besondere Angaben bei Zusatzleistungen (Art. 247 § 8 EGBGB) . 4. Abweichende Angabepflichten bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) 5. Abweichende Angabepflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 10 EGBGB) . 6. Abweichende Angabepflichten bei Umschuldungen (Art. 247 § 11 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Besondere Angaben bei verbundenen Verträgen (Art. 247 § 12 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Besondere Angaben bei vermittelten Verträgen (Art. 247 § 13 EGBGB) . III. Rechtsfolgen bei Verletzung der Formerfordernisse (§ 494 BGB) . 1. Ermäßigung des Sollzinssatzes . . . 2. Kein Anspruch auf Kosten oder Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neuberechnung der Teilzahlungen 4. Kündigungsrecht des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kein Nachbesicherungsrecht . . . . 6. Anspruch auf veränderte Abschrift 7. Fehlen von zusätzlichen Angaben .
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5.207 5.208 5.212 5.215 5.216 5.218 5.221 5.223 5.227 5.229 5.230 5.231 5.232 5.233 5.234
IV. Vertragsänderungen . . . . . . . . . 5.237
5.198
V. Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 499 Abs. 2 BGB) . . . . . . . 5.239
5.199
7. Abschnitt: Widerrufsrecht und Bedenkzeit (§ 495 BGB) . . . . . . . 5.243
5.200 5.201 5.202 5.203 5.204
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _
I. Widerrufsinformation (Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) . . . . . . . . . . 5.247 II. Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . 5.252 III. Ausübung des Widerrufsrechts . . 5.261 IV. Widerrufsfolgen . . . . . . . . . . . . 5.262 V. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
5.265
VI. Das Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen (§ 356 BGB) . . . . . 5.266 8. Abschnitt: Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan . 5.276 I. Laufende Informationspflichten (§ 493 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 5.278
Merz/Wittig | 741
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
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II. Informationspflichten bei einem Gläubigerwechsel . . . . . . . . . . . 5.279
VI. Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 BGB) . . . . . . . . . . . . . 5.337
III. Unterrichtung bei Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 16 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.281
VII. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . 5.344
IV. Unterrichtung bei geduldeten Überziehungen (Art. 247 § 17 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.284 V. Tilgungsplan (§ 492 Abs. 3 Satz 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.288 9. Abschnitt: Einwendungsverzicht/ Wechsel- und Scheckverbot . . . . 5.301 I. Unwirksamkeit eines Einwendungsverzichts . . . . . . . . . . . . . 5.302 II. Wechsel- und Scheckverbot . . . . 5.303 10. Abschnitt: Verzug . . . . . . . . . . . 5.311 I. Verzugsschadenberechnung . . . . 5.312 II. Anrechnung von Teilleistungen . 5.314 11. Abschnitt: Vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehen . . 5.321 I. Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 498 BGB) . . . . . . . . . 5.322
VIII. Besonderheiten im Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 5.346 IX. Problematik der konkludenten Erlassverträge bei Not leidenden Krediten (sog. Erlassfalle) . 5.349 12. Abschnitt: Besondere Darlehensarten . . . . . . . . . . . . . . 5.350 I. Verbundene Verträge (§ 358 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition des Begriffes „Verbundener Vertrag“ . . . . . . . . . . 2. Verbundene Verträge bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einwendungsdurchgriff (§ 359 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 4. Rückforderungsdurchgriff . . . . . 5. Zusammenhängende Verträge (§ 360 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 6. Widerruf verbundener Verträge .
5.351 5.353 5.356 5.357 5.360 5.361 5.368
II. Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.373
II. Vertragliche Kündigungsrechte des Darlehensgebers (§ 499 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.325
III. Eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten (§ 504 BGB) . . . 5.393
III. Kündigungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 1 BGB) . . . . 5.329
IV. Geduldete Überziehungen (§ 505 BGB) . . . . . . . . . . . . . 5.402
IV. Vorzeitiges Rückzahlungs- bzw. Erfüllungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 2 BGB) . . . . 5.332
V. Unentgeltliche Darlehensverträge (§ 514 BGB) . . . . . . . 5.407
V. Kostenermäßigung (§ 501 BGB) . 5.335
13. Abschnitt: Darlehensvermittler (§ 655a BGB) . . . . . . . . . . . . . 5.410
Schrifttum: Ady, Die „unechte Abschnittsfinanzierung“ nach der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, WM 2010, 1305; Ady/Paetz, Die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie in deutsches Recht und besondere verbraucherpolitische Aspekte, WM 2009, 1061; Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019; Bergmann, Die reziproke Anwendung des künftigen § 359a Abs. 1 BGB und der finanzierte Immobilienkauf, BKR 2010, 189; Bitter, Abschlussgebühren bei Bauspardarlehensverträgen – Sind wir auf dem Weg zu einer richterlichen Preisgestaltungskontrolle?, ZIP 2008, 1095; Bitter, Echter und scheinbarer Verbraucherschutz in der Bankpraxis, ZIP 2008, 2155; Buck-Heeb, Kreditberatung, Finanzierungsberatung, BKR 2014, 221; Buck-Heeb, Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Kreditverträgen – Verschärfungen durch die EuGH-Rechtsprechung und die Wohnimmobilienkredit-Richtlinie, BKR 2015, 177; Buck-Heeb, Rechtsfolgen fehlender oder fehlerhafter Kreditwürdigkeitsprüfung, NJW 2016, 2065; Buck-Heeb, Kreditvergabe nach dem Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz, WM 2017, 1329; Buck-Heeb, Finanzierungsberatung: Aufklärungspflichten und Haftung, ZIP 2018, 705; Bülow, Neues Verbraucherkreditrecht in Etappen, NJW 2010, 1713; Bülow, Rechtsfragen des Immobiliar-Verbraucherkreditvertrags im neuen Recht, WM 2015, 1309, Cahn, Zur Inhaltskontrolle von Überziehungsentgelten in
742 | Merz/Wittig
Kreditgeschäft mit Verbrauchern | Teil 5 Banken-AGB, WM 2010, 1197; Domke/Sperlich, Werbung für Verbraucherkredite mit Zinsangaben, BB 2010, 2069; Feldhusen, „Erhebliche Zweifel“ bei der Kreditwürdigkeitsprüfung, BKR 2016, 441; Fraga-Novelle/Knapp/Meißner/Merz/Schebesta/Tetzlaff/Weis/Wengler/Wimmer, Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, 2. Aufl. 2009; Freckmann/Rösler, Tilgungsaussetzung bei der Immobilienfinanzierung, ZBB 2007, 23; Freitag, Die Beendigung des Darlehensvertrages nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, WM 2001, 2370; Freitag, Vorzeitige Rückzahlung und Vorfälligkeitsentschädigung nach der Reform der Verbraucherkreditrichtlinie, ZIP 2008, 1102; Freitag, Verbraucherdarlehens- und Restschuldversicherungsvertrag als verbundene Geschäfte?, ZIP 2009, 1297; Freitag, Fernabsatz von Bankdienstleistungen in Deutschland, ZIP 2018, 1805; Godefroid, Verbraucherkreditverträge, 3. Aufl. 2008; Griebeler, Makroprudenzielle Regulierung am falschen Ende – Zum Regierungsentwurf des Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz, BKR 2017, 144; Grüneberg, Leitlinien der Rechtsprechung des BGH zur Widerrufsbelehrung bei Verbraucherdarlehensverträgen, BKR 2019, 1; Gsell/Schellhase, Vollharmonisiertes Verbraucherkreditrecht – Ein Vorbild für die weitere europäische Angleichung des Verbrauchervertragsrechts?, JZ 2009, 20; Habersack, Das Abschlussentgelt bei Bausparverträgen – ein Fall für das AGB-Recht, WM 2008, 1857; Harnos, Der Darlehensvertrag mit wechselkursbasiertem Zinssatz zwischen Finanzierungsberatung und Störung der Geschäftsgrundlage, BKR 2018, 99; Heinig, Anwendbarkeit der Vorschriften über verbundene Verträge auf Verbraucherdarlehens- und Restschuldversicherungsverträge, VersR 2010, 863; Herresthal, Die Verpflichtung zur Bewertung der Kreditwürdigkeit und zur angemessenen Erläuterung nach der neuen Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG, WM 2009, 1174; Heße/Niederhofer, Die Eigenverantwortung des Darlehensnehmers und die Erläuterungspflicht des Darlehensgebers nach § 491a Abs. 3 BGB, MDR 2010, 968; von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, 18. 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Aufl. 2010; Reifner, Die Höhe der Entschädigung bei vorfälliger Tilgung von Immobiliarkrediten, WM 2009, 1773; Riehm/Schreindorfer, Das Harmonisierungskonzept der neuen Verbraucherkreditrichtlinie, GPR 2008, 244; Rösler, Finanzierung und Erwerb von Immobilien als verbundenes Geschäft – Versuch einer Konkretisierung des § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB, FS Thode, 2005, S. 673; Rösler/Lang, Zinsklauseln im Kredit- und Spargeschäft der Kreditinstitute: Probleme mit Transparenz, billigem Ermessen und Basel II, ZIP 2006, 214; Rösler/ Werner, Erhebliche Neuerungen im zivilen Bankrecht: Umsetzung von Verbraucherkredit- und Zahlungsdiensterichtlinie – Überblick über den Umsetzungsbedarf in der Bankpraxis anhand der vorlie-
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern genden Gesetzentwürfe, BKR 2009, 1; Rösler/Wimmer, Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Beendigung von Darlehensverträgen, WM 2005, 1873; Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; Rosenkranz, Bausparsofortfinanzierungen als verbundene oder zusammenhängende Verträge, WM 2018, 410; Rott, Die neue Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/ EG und ihre Auswirkungen auf das deutsche Recht, WM 2008, 1104; Rühl, Weitreichende Änderungen im Verbraucherdarlehensrecht und Recht der Zahlungsdienste, DStR 2009, 2256; Siems, Die neue Verbraucherkreditrichtlinie und ihre Folgen, EuZW 2008, 454; Schirmbacher, Musterhafte Widerrufsbelehrung – Neuerungen und kein Ende, BB 2009, 1088; Schnauder, Die Europäisierung des (Verbraucher-)Darlehensrechts – Überregulierung und kein Ende, jurisPR-BKR 4/2014 Anm. 1; Schürnbrand, Die Neuregelung des Verbraucherdarlehensrechts, ZBB 2008, 383; Schürnbrand, Darlehensvertrag und Restschuldversicherung als verbundene Verträge, ZBB 2010, 123; Schürnbrand, Nullprozent-Finanzierung als Herausforderung für das Verbraucherkreditrecht, ZIP 2015, 249; Schürnbrand, Verbraucherschutz bei unentgeltlichen Finanzierungen, WM 2016, 1105; Schulz, Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 6. Aufl. 2010; Stackmann, Aktuelle Rechtsprechung zum Bankrecht, NJW 2017, 2383; Stockhausen/Warner, Zivilrechtliche Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie, Finanzmarktkrise und Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie – Bericht über den Bankrechtstag am 26. Juni 2009 in Frankfurt a.M., WM 2009, 1548; Volmer, Für die Notarpraxis relevante Neuerungen im Recht des Verbraucherkredits, DNotZ 2010, 591; von der Linden, AGB-rechtliches Transparenzgebot bei Zinsanpassungsklauseln – Probleme der Bankvertragsgestaltung nach Basel II –, WM 2008, 195; von Klitzing/Seiffert, Der neue Beratungsprozess für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, WM 2016, 774; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145; Wittig/Wittig, Das neue Verbraucherdarlehensrecht – Schritte zur Vermeidung der Privatinsolvenz?, ZInsO 2009, 633.
1. Abschnitt: Allgemeines 5.1
Das deutsche Verbraucherdarlehensrecht wird maßgeblich durch die Richtlinie 2008/48/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge1 („Verbraucherkreditrichtlinie“) und die Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/20102 („Wohnimmobilienkreditrichtlinie“) des Europäischen Parlaments und des Rats beeinflusst. Als Finanzdienstleistungen i.S.v. Art. 2b) der Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen3 („Fernabsatzrichtlinie“) unterliegen Verbraucherdarlehensverträge grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie und somit den Vorschriften des §§ 312 Abs. 5, 312c und § 312d Abs. 2 BGB und Art. 246b EGBGB, wenn sie in einer Fernabsatzsituation angebahnt, verhandelt und abgeschlossen wurden. Die Vorschriften für den Verbraucherdarlehensvertrag sind aber vorrangig anzuwenden, wenn es das Gesetz bestimmt und der Verbraucher darüber bereits hinreichend
1 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 133 v. 22.5.2008, S. 66; zur Entstehungsgeschichte der Verbraucherkreditrichtlinie: Siems, EuZW 2008, 454. 2 Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2.2008, S. 34. 3 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/ 619/EG des Rates und der Richtlinien 97/7EG und 98/27/EG, ABl. EU Nr. L 271 v. 9.10.2002, S. 16.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern genden Gesetzentwürfe, BKR 2009, 1; Rösler/Wimmer, Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Beendigung von Darlehensverträgen, WM 2005, 1873; Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; Rosenkranz, Bausparsofortfinanzierungen als verbundene oder zusammenhängende Verträge, WM 2018, 410; Rott, Die neue Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/ EG und ihre Auswirkungen auf das deutsche Recht, WM 2008, 1104; Rühl, Weitreichende Änderungen im Verbraucherdarlehensrecht und Recht der Zahlungsdienste, DStR 2009, 2256; Siems, Die neue Verbraucherkreditrichtlinie und ihre Folgen, EuZW 2008, 454; Schirmbacher, Musterhafte Widerrufsbelehrung – Neuerungen und kein Ende, BB 2009, 1088; Schnauder, Die Europäisierung des (Verbraucher-)Darlehensrechts – Überregulierung und kein Ende, jurisPR-BKR 4/2014 Anm. 1; Schürnbrand, Die Neuregelung des Verbraucherdarlehensrechts, ZBB 2008, 383; Schürnbrand, Darlehensvertrag und Restschuldversicherung als verbundene Verträge, ZBB 2010, 123; Schürnbrand, Nullprozent-Finanzierung als Herausforderung für das Verbraucherkreditrecht, ZIP 2015, 249; Schürnbrand, Verbraucherschutz bei unentgeltlichen Finanzierungen, WM 2016, 1105; Schulz, Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 6. Aufl. 2010; Stackmann, Aktuelle Rechtsprechung zum Bankrecht, NJW 2017, 2383; Stockhausen/Warner, Zivilrechtliche Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie, Finanzmarktkrise und Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie – Bericht über den Bankrechtstag am 26. Juni 2009 in Frankfurt a.M., WM 2009, 1548; Volmer, Für die Notarpraxis relevante Neuerungen im Recht des Verbraucherkredits, DNotZ 2010, 591; von der Linden, AGB-rechtliches Transparenzgebot bei Zinsanpassungsklauseln – Probleme der Bankvertragsgestaltung nach Basel II –, WM 2008, 195; von Klitzing/Seiffert, Der neue Beratungsprozess für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, WM 2016, 774; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145; Wittig/Wittig, Das neue Verbraucherdarlehensrecht – Schritte zur Vermeidung der Privatinsolvenz?, ZInsO 2009, 633.
1. Abschnitt: Allgemeines 5.1
Das deutsche Verbraucherdarlehensrecht wird maßgeblich durch die Richtlinie 2008/48/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge1 („Verbraucherkreditrichtlinie“) und die Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/20102 („Wohnimmobilienkreditrichtlinie“) des Europäischen Parlaments und des Rats beeinflusst. Als Finanzdienstleistungen i.S.v. Art. 2b) der Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen3 („Fernabsatzrichtlinie“) unterliegen Verbraucherdarlehensverträge grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie und somit den Vorschriften des §§ 312 Abs. 5, 312c und § 312d Abs. 2 BGB und Art. 246b EGBGB, wenn sie in einer Fernabsatzsituation angebahnt, verhandelt und abgeschlossen wurden. Die Vorschriften für den Verbraucherdarlehensvertrag sind aber vorrangig anzuwenden, wenn es das Gesetz bestimmt und der Verbraucher darüber bereits hinreichend
1 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 133 v. 22.5.2008, S. 66; zur Entstehungsgeschichte der Verbraucherkreditrichtlinie: Siems, EuZW 2008, 454. 2 Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2.2008, S. 34. 3 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/ 619/EG des Rates und der Richtlinien 97/7EG und 98/27/EG, ABl. EU Nr. L 271 v. 9.10.2002, S. 16.
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Allgemeines | Teil 5
geschützt wird. Obwohl die Verbraucherrechterichtlinie1 Finanzdienstleistungen ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausschließt2, findet das deutsche Umsetzungsgesetz auf Finanzdienstleistungen und damit auch auf den Verbraucherdarlehensvertrag Anwendung, so dass bei dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags als einem entgeltlichen Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB die §§ 312 ff. BGB Anwendung finden können, es sei denn, die Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts sehen als speziellere Normen eine abschließende Regelung vor. Die Verbraucherkreditrichtlinie von 2008, die nach jahrelangen kontrovers geführten Diskussionen am 23.4.2008 verabschiedet und am 22.5.2008 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, war gem. ihrem Art. 27 Abs. 1 von den Mitgliedstaaten bis zum 11.6.2010 in nationales Recht umzusetzen3. Mit der Neufassung der Verbraucherkreditrichtlinie werden verbraucherrechtliche Bestimmungen von der Werbung bis zur Beendigung eines Verbraucherdarlehensvertrags harmonisiert, um ein hohes Verbraucherschutzniveau und einen echten europäischen Binnenmarkt für Verbraucherdarlehen zu erreichen. Darüber hinaus sollten auch neue Kreditformen durch diese Richtlinie erfasst werden. Anders als die erste Verbraucherkreditrichtlinie enthält die Verbraucherkreditrichtlinie von 2008 für die von der Richtlinie erfassten Sachverhalte im Grundsatz vollharmonisierende Vorgaben (Art. 22 Abs. 1 RL 2008/48/EG [Verbraucherkreditrichtlinie]), die lediglich durch einige Optionen aufgeweicht wurden4. Dies hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Richtlinie nicht abweichen dürfen, soweit diese eine Regelung enthält5. Nationale Regelungen, die einen über das Niveau der Verbraucherkreditrichtlinie hinausgehenden Verbraucherschutz vorsehen würden, sind daher ausgeschlossen6. Einen Gestaltungsspielraum verbleibt den Mitgliedstaaten demnach nur, wenn die Richtlinie keine Regelung vorsieht7. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber verschiedentlich in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht8. So unterliegen Kredite mit einem Nettodarlehensbetrag von über 75.000 € und Kredite an Existenzgründer den Regelungen des Verbraucherdarlehensrechts, obwohl diese nicht vom Anwen1 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/57/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304 v. 22.11.2011, S. 64. 2 Omlor, ZIP 2017, 112, 113. 3 Berichtigung der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4. 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 207 v. 11.8.2009, S. 14. 4 Vgl. zur Vollharmonisierung: Erwägungsgrund 9 und 10 RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie); Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20; Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244; kritisch zur Vollharmonisierung: Knops auf dem Bankrechtstag am 26.6.2009 (Stockhausen/Warner, WM 2009, 1548); Rott, WM 2008, 1104, 1105. 5 Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1062; Herresthal, WM 2009, 1174, 1175; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 384; Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244, 245. 6 So hat beispielsweise der Verbraucher seit dem 11.6.2010 im Falle eines Widerrufs nur noch bei den von der Richtlinie nicht erfassten Immobiliardarlehensverträgen die Möglichkeit, einen geringeren Gebrauchsvorteils für die Nutzung des Darlehens nachzuweisen (§ 495 Abs. 1, § 357a Abs. 3 Satz 2 BGB). 7 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, Vor §§ 491 ff. BGB Rz. 14; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 384; Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244, 245. 8 Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 384.
Merz/Wittig | 745
5.2
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
dungsbereich der Richtlinie erfasst sind1. Bis zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ins deutsche Recht am 21.3.2016 fanden die Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts aufgrund der überschießenden Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie auch auf Immobiliardarlehensverträge i.S.d. § 503 BGB a.F. Anwendung. Der vollharmonisierende Charakter der Richtlinie ist aber auch bei der Auslegung einer nationalen Norm zu berücksichtigen2. Eine Auslegung, die im Bereich der Vollharmonisierung über das Schutzniveau der Richtlinie hinausgeht, ist daher unzulässig3.
5.3
Die Vorgaben aus der Verbraucherkreditrichtlinie wurden durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29.7.2009 („Umsetzungsgesetz“) in das deutsche Recht übertragen und sind am 11.6.2010 in Kraft getreten4. Mit dem Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts vom 24.7.2010 („Änderungsgesetz“)5, das am 30.7.2010 in Kraft getreten ist, wurde u.a. der Aufforderung des Deutschen Bundestags nachgekommen, ein Muster für eine Information über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen mit Gesetzlichkeitsfiktion in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen6. Darüber hinaus wurden die Vorschriften des Umsetzungsgesetzes in den Regelungsbereichen Widerrufsrecht und Darlehensvermittlungsrecht geändert, weitere Klarstellungen vorgenommen und vereinzelte Redaktionsversehen des Umsetzungsgesetzes behoben7.
5.4
Mit dem Änderungsgesetz vom 24.7.20108 wurde gleichzeitig auch ein von der Europäischen Kommission zu jenem Zeitpunkt lediglich angekündigtes zweites Korrigendum zum Text der Verbraucherkreditrichtlinie nachvollzogen. Das am 31.7.2010 veröffentlichte zweite Korrigendum9 und die Regelungen des Änderungsgesetzes waren jedoch nicht in allen Punkten deckungsgleich. Die Löschung des Spaltentrennstrichs, die in dem gesetzlichen Muster „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ gem. Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB zur Folge hat, dass die Zeile mit der Bezeichnung „Kosten im Zusammenhang mit dem Kredit“ zu einer Überschriftenzeile geworden ist10, fand sich im Korrigendum vom 31.7.2010 wider Erwarten nicht. Des Weiteren hatte der deutsche Gesetzgeber jeweils in Nr. 3 des gesetzlichen Musters gem. Anlage 4 und 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB in der rechten Spalte die Wörter „ausbleibende Zahlungen“ durch die Wörter „verspätete Zahlungen“ ersetzt11. In der deutschsprachigen Fassung des Korrigendums vom 31.7.2010 wurden dagegen die Wörter „ausbleibende Zahlungen“ durch die Formu1 Vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a und lit. c RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie); Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 384. 2 Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244, 245. 3 Herresthal, WM 2009, 1174, 1175. 4 BGBl. I 2009, 2355. 5 BGBl. I 2010, 977. 6 BT-Drucks. 16/13669, 5 und 123. 7 BT-Drucks. 17/1394, 12. 8 BGBl. I 2010, 977. 9 Berichtigung der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4. 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 199 v. 31.7.2010, S. 40. 10 Vgl. Art. 2 Nr. 3a des Änderungsgesetzes vom 24.7.2010, BGBl. I 2010, 977, 979. 11 Vgl. Art. 2 Nr. 3b und Nr. 4 des Änderungsgesetzes vom 24.7.2010, BGBl. I 2010, 977, 979.
746 | Merz/Wittig
Allgemeines | Teil 5
lierung „bei Zahlungsverzug“ ersetzt. Eine weitere Diskrepanz existiert bei der Angabe des Rechenergebnisses bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses. Nach Ziff. I lit. d Satz 1 der Anlage zu § 6 PAngV in der Fassung des Änderungsgesetzes ist das Rechenergebnis auf zwei Dezimalstellen genau anzugeben. Durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie in das deutsche Recht wurde die Vergabe von Verbraucherdarlehen fast vollständig neu geregelt. Betroffen sind die Bereiche Werbung, vorvertragliche Information, Effektivzinsberechnung, Kreditwürdigkeitsprüfung, Form, Mindestangaben und Abschluss eines Verbraucherdarlehens, Widerrufsrecht, laufende Unterrichtungspflichten, Beendigung eines Verbraucherdarlehens, Vorfälligkeitsentschädigung und Darlehensvermittlung.
5.5
Die Europäische Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 wurde am 4.2.2014 verabschiedet und am 28.2.2014 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht1. Sie musste bis zum 21.3.2016 von den Mitgliedstaaten ins nationale Recht übernommen werden. Dieser Richtlinie ging ebenfalls eine langjährige Diskussion voraus, die unter dem Eindruck der weltweiten Finanzkrise 2007/2008 und ihren oftmals existenzbedrohenden Folgen für Verbraucher, die ihre Immobilienfinanzierungen nicht mehr bedienen konnten, geführt wurde. Die Richtlinie verfolgt im Wesentlichen das Ziel, eine Verbesserung und Vereinheitlichung des Verbraucherschutzniveaus innerhalb der Europäischen Union bei der Aufnahme von Wohnimmobilienkrediten durch einen Verbraucher zu erreichen und den Verbraucher vor der unverantwortlichen Aufnahme und Vergabe von Wohnimmobilienkreditverträgen2 zu schützen.
5.6
Die Richtlinie folgt dem Prinzip der Mindestharmonisierung3. Mit ihr soll einerseits eine größtmögliche Harmonisierung verbraucherschützender Vorschriften bei Wohnimmobilienkreditverträgen erreicht werden, andererseits sollen die Besonderheiten der nationalen Bedingungen im Zusammenhang mit Wohnimmobilienkreditverträgen für Verbraucher Berücksichtigung bei der Umsetzung finden können. So findet es die ausdrückliche Billigung des Richtliniengebers, wenn die Mitgliedstaaten „strengere als die in dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen“ beibehalten oder einführen4. Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinie mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie5 vom 11.3.2016 ins deutsche Recht überführt. Weitere Ergänzungen zur Umsetzung erfolgten im Rahmen des Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz6 vom 6.6.2017 und dem Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie7 1 ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2.2014, S. 34. 2 Erwägungsgrund 6 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie), ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2. 2008, S. 35. 3 Omlor, ZIP 2017, 112. 4 Erwägungsgrund 7 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie), ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2. 2008, S. 35. 5 Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.3.2016, BGBl. I 2016, 396. 6 Gesetz zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Maßnahmen bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems und zur Änderung der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie vom 6.6.2017, BGBl. I 2017, 1495. 7 Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie vom 17.7.2017, BGBl. I 2017, 2446.
Merz/Wittig | 747
5.7
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
vom 17.7.2017. Seinen vorläufigen Schlusspunkt fand das Umsetzungsverfahren durch die Verabschiedung einer gemeinsamen Verordnung des Bundesministerium der Finanzen und des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf der Ermächtigungsgrundlage des § 505e BGB zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen vom 24.4. 20181 („ImmoKWPLV“).
2. Abschnitt: Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB I. Unterscheidung zwischen Allgemein- und ImmobiliarVerbraucherdarlehensverträgen 5.8
§ 491 BGB definiert den Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages als Oberbegriff2 und bestimmt den Anwendungsbereich der folgenden Vorschriften. Verbraucherdarlehensverträge werden seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge unterteilt (§ 491 Abs. 1 Satz 2 BGB). Mit der Einführung der beiden Begriffe „Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag“ und „Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag“ grenzt das deutsche Recht im Sinne der beiden Europäischen Richtlinien die Regelungsbereiche der Verbraucherkreditrichtlinie und der Wohnimmobilienkreditrichtlinie voneinander ab3. In § 491 Abs. 2 Satz 1 BGB wird ein Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag als ein entgeltlicher Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer definiert. Ausgenommen davon werden die Darlehensverträge, die keine Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind (§ 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 6 BGB), wozu auch der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zählt (§ 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BGB). Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag handelt es sich ebenfalls um einen entgeltlichen Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer, der – als zusätzliche Voraussetzung – entweder durch ein Grundpfandrecht (Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld) oder eine Reallast besichert wird (§ 491 Abs. 3 Nr. 1 BGB) oder zu dem Zweck abgeschlossen wird, Eigentumsrechte an einem Grundstück, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder grundstücksgleichen Rechten zu erwerben oder zu erhalten (§ 491 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
5.9
Wie bereits bei der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie setzt der Gesetzgeber die Wohnimmobilienkreditrichtlinie überschießend ins deutsche Recht um. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie beschränkt ihren Anwendungsbereich auf Wohnimmobilien4. Eine derartige Beschränkung besteht nach deutschem Recht nicht. Abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen nach § 491 Abs. 3 Satz 2 bis 4 BGB ist prinzipiell jeder entgeltliche Darlehensvertrag zwischen einem Verbraucher als Darlehensnehmer und einem Unterneh1 Verordnung zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung – ImmoKWPLV), BGBl. I 2018, 529. 2 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 491 BGB Rz. 1. 3 BT-Drucks. 18/5922, 61 ff. 4 Erwägungsgrund 13 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie), ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2.2008, S. 36.
748 | Merz/Wittig
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
vom 17.7.2017. Seinen vorläufigen Schlusspunkt fand das Umsetzungsverfahren durch die Verabschiedung einer gemeinsamen Verordnung des Bundesministerium der Finanzen und des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf der Ermächtigungsgrundlage des § 505e BGB zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen vom 24.4. 20181 („ImmoKWPLV“).
2. Abschnitt: Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB I. Unterscheidung zwischen Allgemein- und ImmobiliarVerbraucherdarlehensverträgen 5.8
§ 491 BGB definiert den Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages als Oberbegriff2 und bestimmt den Anwendungsbereich der folgenden Vorschriften. Verbraucherdarlehensverträge werden seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge unterteilt (§ 491 Abs. 1 Satz 2 BGB). Mit der Einführung der beiden Begriffe „Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag“ und „Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag“ grenzt das deutsche Recht im Sinne der beiden Europäischen Richtlinien die Regelungsbereiche der Verbraucherkreditrichtlinie und der Wohnimmobilienkreditrichtlinie voneinander ab3. In § 491 Abs. 2 Satz 1 BGB wird ein Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag als ein entgeltlicher Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer definiert. Ausgenommen davon werden die Darlehensverträge, die keine Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind (§ 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 6 BGB), wozu auch der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zählt (§ 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BGB). Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag handelt es sich ebenfalls um einen entgeltlichen Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer, der – als zusätzliche Voraussetzung – entweder durch ein Grundpfandrecht (Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld) oder eine Reallast besichert wird (§ 491 Abs. 3 Nr. 1 BGB) oder zu dem Zweck abgeschlossen wird, Eigentumsrechte an einem Grundstück, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder grundstücksgleichen Rechten zu erwerben oder zu erhalten (§ 491 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
5.9
Wie bereits bei der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie setzt der Gesetzgeber die Wohnimmobilienkreditrichtlinie überschießend ins deutsche Recht um. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie beschränkt ihren Anwendungsbereich auf Wohnimmobilien4. Eine derartige Beschränkung besteht nach deutschem Recht nicht. Abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen nach § 491 Abs. 3 Satz 2 bis 4 BGB ist prinzipiell jeder entgeltliche Darlehensvertrag zwischen einem Verbraucher als Darlehensnehmer und einem Unterneh1 Verordnung zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung – ImmoKWPLV), BGBl. I 2018, 529. 2 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 491 BGB Rz. 1. 3 BT-Drucks. 18/5922, 61 ff. 4 Erwägungsgrund 13 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie), ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2.2008, S. 36.
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Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB | Teil 5
mer als Darlehensgeber betroffen, soweit er durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert wird oder dessen Verwendungszweck dem Erwerb oder Erhalt von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder an einem grundstücksgleichen Recht dient. Dabei kann das dingliche Sicherungsrecht auf einer Wohn- oder Gewerbeimmobilie ruhen, das Sicherungsrecht kann durch einen Dritten bestellt werden oder die Wohnimmobilie selbst genutzt oder vermietet werden1. Allein die Besicherung durch ein Sicherungsrecht an einem Grundstück führt zur Anwendung der Vorschriften des Immobiliar-Verbraucherdarlehensrechts, auf den Verwendungszweck des Darlehens kommt es bei einer dinglichen Sicherheit, die an einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht bestellt wird, nicht an. Anders als bei dem Immobiliardarlehensvertrag i.S.d. § 503 BGB a.F. sind die Höhe des Sicherungsrechts im Verhältnis zur Höhe des gesicherten Darlehens oder die Konditionen, zu denen das Darlehen gewährt wird, keine Voraussetzungen, um das gegenständliche Verbraucherdarlehen als Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag einzuordnen. Außerdem wird nicht vorausgesetzt, dass die Kreditvergabe von der Bestellung des Sicherungsrechts abhängig gemacht wird, sondern setzt die erfolgte Bestellung des Grundpfandrechts voraus2. Neu ist, dass ein Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag bereits dann vorliegt, wenn das Darlehen dem Erwerb oder der Erhaltung des Eigentumsrechts an einem Grundstück, einem grundstücksgleichen Recht oder an einem bestehenden oder zu errichtenden Gebäude dient. Dabei ist Voraussetzung, dass das Eigentumsrecht erworben oder erhalten wird. Ein Darlehen, das lediglich dazu dient, die Substanz an einem Gebäude zu erhalten (z.B. ein Renovierungsdarlehen), gilt nicht als Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag, sondern ist dem Allgemein-Verbraucherdarlehensrecht unterworfen, wenn es nicht grundpfandrechtlich besichert ist3. Damit wird Art. 46 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie umgesetzt. Mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurde der Begriff des Immobilienverzehrkredits ins Gesetz eingeführt und eng definiert. Danach handelt es sich um einen Immobilienverzehrkreditvertrag, wenn der Kreditgeber pauschale oder regelmäßige Zahlungen leistet oder andere Formen der Kreditauszahlung vornimmt und im Gegenzug nur einen Betrag aus dem künftigen Erlös des Verkaufs einer Wohnimmobilie erhält oder ein Recht an einer Wohnimmobilie erwirbt und erst nach dem Tod des Verbrauchers eine Rückzahlung fordert, außer der Verbraucher verstößt gegen die Vertragsbestimmungen, so dass der Kreditgeber berechtigt ist, den Vertrag zu kündigen (§ 491 Abs. 3 Satz 4 BGB). Die so definierten Immobilienverzehrkreditverträge (auch als Reverse Mortgages bekannt) sind keine Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge.
5.10
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten ausdrücklich, abweichende Regelungen für Finanzierungen von Wohnimmobilien vorzusehen, soweit diese vom Verbraucher nicht selbst genutzt, sondern an Dritte vermietet werden4. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern stellt die Finanzierung von Wohnimmobilien zur eigenen Nutzung oder zur Nutzungsüberlassung an Dritte unter dasselbe Verbraucherschutzniveau.
5.11
1 A.A. Bülow, WM 2015, 1309, der das Vorliegen eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags nur dann bejaht, wenn es sich bei dem im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehenden Grundstück um eine Wohnimmobilie handelt. 2 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 51. 3 BT-Drucks. 18/5922, 77. 4 Erwägungsgrund 17 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie), ABl. EU Nr. L 60 v. 28.2.2008, S. 37.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Auf die Einführung einer Höchstgrenze wird weiterhin verzichtet, da gerade bei diesen Darlehen das Risiko für den Verbraucher vergleichsweise hoch ist und damit ein besonderes Schutzbedürfnis des Verbrauchers besteht1. Eine Bagatellgrenze für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge wurde nicht vorgesehen, so dass die Vorschriften zum Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag selbst dann Anwendung finden, wenn der Nettodarlehensbetrag weniger als 200 € betragen sollte.
II. Persönlicher Anwendungsbereich 5.12 Der persönliche Anwendungsbereich der §§ 491–515 BGB wird durch die Begriffe Unternehmer und Verbraucher bestimmt. Da die §§ 491 ff. BGB diesbezüglich keine eigenen Regelungen enthalten, sind die Legaldefinitionen dieser Begriffe in §§ 13, 14 BGB auch im Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts maßgebend. 1. Unternehmer
5.13 Unternehmer i.S.d. §§ 491 ff. BGB ist jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft (§ 14 Abs. 2 BGB), die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 14 Abs. 1 BGB). Typischerweise ist dies eine Bank, eine Sparkasse oder ein sonstiges Kreditinstitut i.S.d. § 1 KWG. Darlehensgeber i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB kann aber auch ein Unternehmer sein, dessen unternehmerische Tätigkeit sich nicht auf die Kreditvergabe bezieht, wenn er das Darlehen in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit gewährt2. 2. Verbraucher
5.14 Verbraucher i.S.d. § 13 BGB ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann3. In persönlicher Hinsicht ist daher die Qualität als natürliche Person entscheidend, während das Gesetz im Hinblick auf die sachliche Qualität voraussetzt, dass das Rechtsgeschäft überwiegend zu privaten Zwecken erfolgt4. 5.15 Hinsichtlich der Abgrenzung von Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist zu berücksichtigen, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen ist5. Anders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, 1 BT-Drucks. 16/11643, 76. 2 BGH v. 9.12.2008 – XI ZR 513/07, WM 2009, 262. 3 Normadressat kann auch eine Mehrheit von natürlichen Personen sein, nach überwiegender Auffassung auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, soweit ein privater Zweck zum Handeln vorliegt, vgl. BGH v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, WM 2001, 2379; Ellenberger in Palandt, § 13 BGB Rz. 2; a.A. Prütting in Prütting/Wegen/Weinreich, § 13 BGB Rz. 8 mit Blick auf die zunehmend vertretene Rechtsfähigkeit der GbR; zur Rechtslage bei der Kreditgewährung an einen Strohmann vgl. BGH v. 13.3.2002 – VIII ZR 292/00, NJW 2002, 2030; Verbraucherschutzverbände in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins sind keine Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, vgl. BGH v. 23.2.2010 – XI ZR 186/09, WM 2010, 647. 4 In Fällen der Mischnutzung wird überwiegend darauf abgestellt, worin bei Abschluss des Vertrages der überwiegende Zweck der Nutzung liegt, OLG Celle v. 11.8.2004 – 7 U 17/04, NJW-RR 2004, 1645, 1646; Freckmann/Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 13 BGB Rz. 22. 5 BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780.
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Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB | Teil 5
nach denen das Handeln aus der Sicht der Bank eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist1. Insbesondere im Zusammenhang mit der Verwaltung von (Immobilien-)vermögen einer natürlichen Person stellt sich die Frage, ob es sich bei der Verwaltung des Vermögens bereits um eine berufsmäßige Tätigkeit handelt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist das ausschlaggebende Kriterium für die Abgrenzung einer privaten von einer berufsmäßigen Vermögensverwaltung der Umfang der mit der Vermögensverwaltung verbundenen Geschäfte. Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer betrieblichen Organisation, so liegt eine gewerbliche Betätigung vor2. Bei verbleibendem Zweifel, welcher Sphäre das konkrete Handeln zuzuordnen ist, ist aber zugunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden3. 3. Existenzgründer Anwendung finden die §§ 491 bis 512 BGB auch auf Existenzgründungsdarlehen, wenn der Nettodarlehensbetrag 75.000 € nicht übersteigt (§ 513 BGB). Damit werden die Existenzgründer in dieser Beziehung und innerhalb dieser Begrenzung Verbrauchern gleichgestellt. Eine weitere Gleichstellung von Existenzgründern mit Verbrauchern sieht das Gesetz in § 655e Abs. 2 BGB für den Darlehensvermittlungsvertrag vor. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber den Existenzgründer grundsätzlich nicht als Verbraucher ansieht4. Die §§ 358 bis 360 BGB, auf die in § 513 BGB nicht verwiesen wird, sind daher auf Existenzgründer nicht anwendbar5. Hinsichtlich der Beweislast gilt, dass der Existenzgründer entsprechend dem allgemeinen Grundsatz die für ihn günstigen Voraussetzungen darlegen und beweisen muss, d.h. dass das Darlehen für die Aufnahme einer bislang nicht ausgeübten, selbständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit bestimmt war6.
5.16
Die Existenzgründungsphase ist erst mit der tatsächlichen Aufnahme der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit abgeschlossen. Diese ist in der Regel in der Eröffnung des Geschäftslokals, in dem Anbieten der Dienstleistungen oder in der aktiven Bewerbung des Unternehmens zu sehen7. Lediglich vorbereitende Handlungen, wie die Einstellung von Mitarbeitern, die Anmietung von Räumlichkeiten oder der Kauf von Einrich-
5.17
1 BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780; BGH v. 20.2.2018 – XI ZR 445/17, WM 2018, 782 Rz. 21–27. 2 BGH v. 20.2.2018 – XI ZR 445/17, juris Rz. 21. 3 BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780; BT-Drucks. 11/5462, 17 (bereits zur alten Rechtslage). 4 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, NJW 2005, 1273. 5 Bei der Vorgängerregelung (§ 507 BGB a.F.) wurde der fehlende Verweis auf die Bestimmungen für verbundene Verträge teilweise als Redaktionsversehen des Gesetzgebers angesehen und die Anwendbarkeit der §§ 358, 359 BGB a.F. auf Existenzgründer bejaht, vgl. Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 513 BGB Rz. 8 und 9; Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 513 BGB Rz. 2. Diese Auffassung dürfte zumindest für die Neuregelung in § 513 BGB (vormals § 512 BGB) nicht mehr haltbar sein, da davon ausgegangen werden muss, dass dem Gesetzgeber diese Streitfrage bekannt war und er dennoch bei der umfassenden Neuregelung des Verbraucherdarlehensrechts sowohl anlässlich der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie als auch der Wohnimmobilienkreditrichtlinie von der Aufnahme eines Verweises auf die Bestimmungen für verbundene Verträge abgesehen hat. 6 Wittig/Wittig, WM 2002, 145. 7 Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 513 BGB Rz. 15; Lwowski, WM-Sonderheft v. 25.9.1991, 49; Scholz, DB 1993, 261.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
tungsgegenständen für das Geschäftslokal, genügen dagegen nicht1. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Darlehensnehmer sich noch in der Existenzgründungsphase befindet, ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen2.
5.18 Der Schutz der §§ 491 ff. BGB greift grundsätzlich auch im Falle wiederholter Existenz-
gründungen ein3. Dagegen ist dieses Gesetz nicht anwendbar, wenn der Darlehensnehmer bereits eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübt und das Darlehen für den Ausbau oder die Erweiterung des bereits bestehenden Unternehmens in Anspruch nimmt4. 4. Mehrere Darlehensnehmer
5.19 Wird der Kredit von mehreren Personen, etwa durch Eheleute5, beantragt, so sind die
Formalien der §§ 491 ff. BGB gegenüber allen Kreditnehmern einzuhalten, sofern sie jeweils Verbrauchereigenschaft besitzen6.
5.20 Allerdings ist als echter Mitdarlehensnehmer ungeachtet der konkreten Vertragsbezeich-
nung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes unmittelbares sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie im Wesentlichen gleichberechtigt über die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf7. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Mitdarlehensnehmer nur als Mithaftender anzusehen, der wie ein Bürge haftet8. Dass die Voraussetzungen für eine echte Mitdarlehensnehmerschaft im konkreten Einzelfall vorliegen, ist von der kreditgebenden Bank grundsätzlich darzulegen und zu beweisen9. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen einer echten Mitdarlehensnehmerschaft und einer Mithaftungsübernahme ist der wirkliche Parteiwille, der im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Eine kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie z.B. „Mitdarlehensnehmer“, „Mitantragsteller“, „Mitschuldner“ oder dergleichen einen bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 BGB
1 Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 513 BGB Rz. 13. 2 BGH v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, NJW 1995, 722. 3 OLG Celle v. 4.1.1995 – 2 U 262/93, WM 1996, 343; OLG Köln v. 5.12.1994 – 12 U 68/94, WM 1995, 612. 4 BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, ZIP 2000, 670. 5 Zur Mitverpflichtung des Ehegatten über § 1357 BGB: Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 36. 6 Auch auf einen Kreditvertrag an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der natürliche Personen beteiligt sind, kann das Verbraucherdarlehensrecht anwendbar sein, vgl. BGH v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, WM 2001, 2379; a.A. Prütting in Prütting/Wegen/Weinreich, § 13 BGB Rz. 8 mit Blick auf die zunehmend vertretene Rechtsfähigkeit der GbR; zu den Besonderheiten bei der Darlehensvergabe an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts: Fraga-Novelle/Wallner in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 219. 7 BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, WM 2009, 1460; BGH v. 16.12.2008 – XI ZR 454/07, NJW 2009, 1494; BGH v. 25.1.2005 – XI ZR 325/03, WM 2005, 418; BGH v. 23.3.2004 – XI ZR 114/ 03, WM 2004, 1083; BGH v. 28.5.2002 – XI ZR 205/01, WM 2002, 1649; BGH v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, WM 2002, 223; BGH v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, WM 2001, 402. 8 Zur Haftung des Bürgen vgl. Rz. 8.201. 9 Spricht für eine echte Mitdarlehensnehmerschaft der Wortlaut des vorformulierten Darlehensvertrages, hat der Schuldner nach den Regeln der sekundären Darlegungslast darzutun, dass er nicht das für eine Mitdarlehensnehmerschaft notwendige Eigeninteresse an der Kreditaufnahme besaß, vgl. BGH v. 16.12.2008 – XI ZR 454/07, NJW 2009, 1194.
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Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB | Teil 5
zur krassen finanziellen Überforderung von Angehörigen zu entgehen1. Nur bei einem echten Mitdarlehensnehmer kommt diese Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages auch bei einer solchen krassen finanziellen Überforderung nicht in Betracht2.
III. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB setzt grundsätzlich einen entgeltlichen Darlehensvertrag voraus3. Eine Ausnahme hiervon bildet jedoch § 514 BGB, wonach das Verbraucherdarlehensrecht teilweise auf unentgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher Anwendung findet. Diese Vorschrift wurde zum Schutz der Verbraucher für notwendig erachtet, nachdem der BGH4 entschieden hatte, dass ein unentgeltlicher Darlehensvertrag („Null“-Prozentfinanzierung) nicht in den Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts fällt. Der Gesetzgeber hielt es daher für erforderlich, einzelne Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts für anwendbar zu erklären, um den Verbraucher vor Überschuldungen5 und einer allzu leichtfertigen Kreditaufnahme zu schützen.
5.21
1. Gelddarlehen (§ 488 Abs. 1 BGB) Das Verbraucherdarlehensrecht enthält keinen eigenständigen Darlehensbegriff6. Bei der Auslegung des Darlehensbegriffs der §§ 491 ff. BGB ist daher auf die Darlehensbeschreibung in § 488 Abs. 1 BGB zurückzugreifen7. Danach ist ein Darlehen dadurch gekennzeichnet, dass der Darlehensgeber verpflichtet ist, dem Darlehensnehmer den vereinbarten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen und der Darlehensnehmer bei Fälligkeit dessen Rückzahlung nebst Zinsen schuldet. Im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) stehen einerseits das Verschaffen und Belassen des Geldes und andererseits die Zinszahlungspflicht und die Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens (§ 488 Abs. 2 BGB). Eine Pflicht des Darlehensnehmers zur Rückzahlung bei Fälligkeit besteht allerdings nur, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen hat. Dies ist der Fall, wenn die Darlehensvaluta an den Darlehensnehmer oder auf dessen Weisung an einen Dritten ausgezahlt wird, es sei denn, der Dritte ist nicht überwiegend im Interesse des Darlehensnehmers, sondern sozusagen als „verlängerter Arm“ des Darlehensgebers tätig geworden8. 1 BGH v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, WM 2002, 223. 2 BGH v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, WM 2001, 402. 3 Die Beurteilung der Frage, ob ein Darlehensvertrag i.S.d. §§ 491 ff. BGB vorliegt, hängt nicht vom Verständnis des Verbrauchers, sondern von den objektiven Gegebenheiten ab, BGH v. 16.11.1995 – I ZR 177/93, WM 1996, 148. 4 BGH v. 30.9.2014 – XI ZR 168/13, WM 2014, 2091; Schürnbrand, Verbraucherschutz bei unentgeltlichen Finanzierungen, WM 2016, 1105. 5 BT-Drucks. 18/7584, 154; Schürnbrand, WM 2016, 1105. 6 Der Kredit- bzw. Darlehensbegriff wird in verschiedenen Gesetzen verwendet. Hierbei handelt es sich aber um keinen einheitlichen Rechtsbegriff. So sind die Legaldefinition des Kreditgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) und der Kreditbegriff des § 19 Abs. 1 KWG wesentlich weiter gefasst als der Begriff des Darlehens i.S.d. § 488 Abs. 1 BGB. 7 Auf das Sachdarlehen (§§ 607 ff. BGB) finden die verbraucherschützenden Normen der §§ 491 ff. BGB keine Anwendung. 8 BGH v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, NJW 2006, 2099; BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, WM 2006, 1066; BGH v. 12.11.2002 – XI ZR 47/01, WM 2002, 2501; BGH v. 17.1.1985 – III ZR 135/83, WM 1985, 221.
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5.22
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.23 Die §§ 491 ff. BGB erfassen die bekannten Gelddarlehen u.a. in Form von – Ratenkrediten mit in jeder Rate gleich bleibenden Anteilen von Kapital und Zinsen – Annuitätendarlehen mit gleich bleibender Ratenhöhe, aber in jeder Rate veränderlichen Kapital- und Zinsanteilen – Tilgungsdarlehen mit gleichbleibenden Tilgungsraten und sinkenden, gesondert zu zahlenden Zinsraten – endfälligen Darlehen, die am Ende der Laufzeit in einer Summe zurückzuzahlen sind – Rahmenkrediten, die bis zur eingeräumten Höhe revolvierend in Anspruch genommen werden können – Lombardkrediten, die zum Erwerb von Wertpapieren dienen, die der Bank als Sicherheit verpfändet werden – Forward-Darlehen, die zur späteren Ablösung eines bestehenden Darlehens bestimmt sind1 und – Fremdwährungsdarlehen2.
5.24 Das Verbraucherdarlehen muss für den Verbraucher entgeltlich sein. Ein zinsloses und
kostenfreies Darlehen ist vom direkten Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB ausgenommen3. Unter Entgelt ist jede Art von Gegenleistung des Verbrauchers an den Darlehensgeber für die Darlehensgewährung zu verstehen4. Hierzu rechnen nicht nur die Zinsen, sondern auch das als laufzeitabhängiges Entgelt für die Kapitalnutzung einzustufende Disagio oder Damnum5. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Zins der Preis und damit die Gegenleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta6. Zins in diesem Sinne ist aber nur die nach der Laufzeit des Darlehens bemessene gewinn- und umsatzunabhängige Vergütung für die Möglichkeit der Nutzung des auf Zeit überlassenen Kapitals7. Dazu rechnet jedenfalls der Sollzinssatz, bei dem es sich um den veränderlichen oder gebundenen periodischem Prozentsatz handelt, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird (§ 489 Abs. 5 Satz 1 BGB). Weitere laufzeitabhängige Entgelte dürften ebenfalls zulässig sein; Einmalentgelte, die laufzeitunabhängig zu zahlen sind, können dagegen nur formularmäßig rechtswirksam vereinbart werden, wenn ihnen eine im Interesse des Darlehensnehmers stehende Sonderleistung gegenübersteht, die mit dem Zins nicht abgegolten wird und zu deren Erbringung der Darlehensgeber nicht ohnehin aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Regelungen verpflichtet ist8. 1 Peters/Wehrt, WM 2003, 1509; Rösler, WM 2000, 1930. 2 Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen s. Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 22; Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 488 BGB Rz. 11. 3 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 23. 4 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 491 BGB Rz. 36. 5 BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 200/99, WM 2000, 1243; Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 491 BGB Rz. 36; Kessal-Wulf in Staudinger, § 491 BGB Rz. 49. 6 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, WM 2014, 1224 Rz. 32 ff.; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, WM 2017, 1643 Rz. 29. 7 BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 790/16, WM 2018, 1363 Rz. 44. 8 St. Rspr. des BGH, s. BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, WM 2014, 1224 Rz. 32 ff.; BGH v. 4.7. 2017 – XI ZR 562/15, WM 2017, 1643 Rz. 29.
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Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB | Teil 5
Der Schuldbeitritt ist kein Darlehensvertrag i.S.d. § 488 Abs. 1 BGB, weil der Beitretende nur die Mithaftung für die Verpflichtungen des Darlehensnehmers übernimmt, ohne jedoch dessen Anspruch gegen den Darlehensgeber auf Auszahlung des Kredites zu erlangen1. Tritt eine natürliche Person als Verbraucher einem Darlehensvertrag als Schuldner bei, werden die §§ 491 ff. BGB ungeachtet dessen auf den Schuldbeitritt analog angewendet. Dies gilt auch dann, wenn der Darlehensvertrag selbst nicht dem Verbraucherdarlehensrecht unterliegt2. Eine analoge Anwendung dürfte auch nach dem 11.6.2010 weiterhin richtlinienkonform sein, da der Schuldbeitritt als Kreditsicherheit nicht von der in Art. 3 lit. c RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) enthaltenen Definition des Kreditvertrages erfasst wird und demnach nicht in den Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie fällt3.
5.25
Die Regelungen der Verbraucherkreditrichtlinie finden ebenfalls weiterhin keine Anwendung auf den Bürgschaftsvertrag4, denn der persönliche Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie entspricht dem der alten5. Im Gegensatz zum Schuldbeitritt wurde bei der Bürgschaft von der Rechtsprechung eine analoge Anwendung der §§ 491 ff. BGB abgelehnt6. Dies ist auch sachgerecht, da die Rechtsstellung des Bürgen von der des Kreditnehmers weiter entfernt ist als die des Mitschuldners. Im Übrigen hat das Gesetz dem Schutz des Bürgen durch die in §§ 765 ff. BGB getroffenen Regelungen eingehend Rechnung getragen7. Auf die Bestellung einer Grundschuld zur Sicherung eines Darlehens sind die §§ 491 ff. BGB ebenfalls nicht anwendbar8. Das Gleiche gilt für die Bankbürgschaft oder -garantie (Avalkredit), auch wenn dieses Bankaval der Absicherung eines von einem Dritten aufgenommenen Kredites dient. Denn hierbei wird in Form einer Eventualverbindlichkeit nur eine Garantie für die Zahlungsfähigkeit des Avalauftraggebers (Bankkunde) übernommen.
5.26
Durch eine Stundung erlangt der Darlehensnehmer das Recht, ein ihm überlassenes Darlehen weiterhin zu nutzen, welches er ansonsten zurückzahlen müsste. Die Stundung stellt daher das Hinausschieben der Fälligkeit einer Forderung bei bestehen bleibender Erfüllbarkeit dar. Wird für die Stundung ein Entgelt verlangt und liegt kein Fall des § 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5 oder Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 BGB vor (§ 506 Abs. 4 Satz 1 BGB), so ist sie als entgeltlicher Zahlungsaufschub i.S.d. § 506 Abs. 1 BGB einzuordnen, mit der Folge, dass die Vorschriften der §§ 358 bis 360, 491a bis 502 sowie 505a bis 505e BGB mit Aus-
5.27
1 Zum Schuldbeitritt vgl. Rz. 8.205. 2 BGH v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, WM 1996, 1258; BGH v. 12.11.1996 – XI ZR 202/95, WM 1997, 158; BGH v. 28.1.1997 – XI ZR 251/95, WM 1997, 663; BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 49/96, WM 1997, 710 für den Fall des Schuldbeitritts und BGH v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, WM 2000, 1632 für die Beteiligung als Kreditnehmer bei einem Kreditvertrag mit einer GmbH als Leasingnehmer; Rott, WM 2008, 1104, 1106; kritisch zur analogen Anwendung: Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 385. 3 Kulke, VuR 2009, 373, 378; Rott, WM 2008, 1104, 1106; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 385. 4 Zum Bürgschaftsvertrag vgl. Rz. 8.201. 5 EuGH v. 23.3.2000 – Rs. C-208/98, EuZW 2000, 339, wonach Sicherungsgeschäfte nicht in den Anwendungsbereich der (alten) Verbraucherkreditrichtlinie (87/102/EWG) fallen; BGH v. 21.4. 1998 – IX ZR 258/97, WM 1998, 1120; Kulke, VuR 2009, 373, 378; Rott, WM 2008, 1104, 1106; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 385. 6 EuGH v. 23.3.2000 – Rs. C-208/98, EuZW 2000, 339; BGH v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, WM 1998, 1120. 7 BGH v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, WM 1998, 1120. 8 BGH v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, WM 1998, 1120.
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nahme des § 492 Abs. 4 BGB und vorbehaltlich der Abs. 3 und 4 entsprechend anzuwenden sind (vgl. Rz. 5.35). Ein entgeltlicher Zahlungsaufschub i.S.d. § 506 Abs. 1 BGB ist also gegeben, wenn für den gestundeten Betrag weiterhin die ursprünglich vereinbarten Sollzinsen berechnet werden1. Wird dagegen ein Betrag i.H.v. weniger als 200 € gestundet (§ 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder werden für eine Stundung von maximal drei Monaten nur geringe Kosten berechnet (§ 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB), liegt kein entgeltlicher Zahlungsaufschub vor. Auch die (vereinbarte) Berechnung von Verzugszinsen (§ 497 BGB) für die Dauer der Stundung führt noch nicht zur Entgeltlichkeit des Zahlungsaufschubs2. Denn in der Vereinbarung des gesetzlichen Verzugszinses ist kein Entgelt für die Gewährung der Stundung zu sehen, da der Darlehensgeber in den Fällen der verspäteten Zahlung auch ohne Stundung einen Anspruch auf Verzugszinsen hat. Das Gleiche gilt für bloße Rechtsverfolgungskosten (z.B. Inkassokosten), die dem Darlehensgeber nicht unmittelbar zugutekommen3. Besondere Regelungen gelten, wenn der entgeltliche Zahlungsaufschub im Zusammenhang mit einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag steht (§ 506 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein Zahlungsaufschub, für den zwar keine zusätzliche Geldforderung vereinbart wird, der aber nur gegen Bestellung eines Grundpfandrechts gewährt wird, gilt als entgeltlicher Zahlungsaufschub i.S.d. § 506 Abs. 1 Satz 2 BGB. 2. Ausgenommene Darlehensverträge (§ 491 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 bis 4 BGB)
5.28 Die Verbraucherkreditrichtlinie und die Wohnimmobilienkreditrichtlinie sehen einige
Ausnahmen vom Geltungsbereich der Richtlinien vor, die fast vollständig in das deutsche Recht übernommen worden sind4. Die Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts sind in § 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 6 und Abs. 3 Satz 2 bis 4 BGB geregelt. Soweit die Darlehensverträge keine Verbraucherdarlehensverträge sind, findet zwar das Verbraucherdarlehensrecht keine Anwendung. Da diese Verträge aber Verbraucherverträge i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB sind, bleiben die übrigen verbraucherschützenden gesetzlichen Regelungen (§§ 312 ff. BGB) anwendbar, soweit der Verbraucher für die Leistung des Unternehmers ein Entgelt zu entrichten hat (§ 312 Abs. 1 BGB).
5.29 Nach der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie unterscheidet das Gesetz zwi-
schen dem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag und dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag. Kann ein Darlehensvertrag weder dem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag i.S.v. § 491 Abs. 2 BGB noch dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag i.S.d. § 491 Abs. 3 BGB zugeordnet werden, findet das Verbraucherdarlehensrecht keine direkte Anwendung. Ausnahmen bestehen da, wo das Gesetz das Verbraucherdarlehensrecht in entsprechender Weise für anwendbar erklärt, z.B. bei Darlehensverträgen mit Existenzgründern bis zu einem Nettodarlehensvertrag von 75.000 € (§ 513 BGB) oder einem Verbraucher gewährten unentgeltlichen Darlehen gem. § 514 BGB.
Nach § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB handelt es sich nicht um einen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag, bei dem der Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB) weniger als 200 € beträgt (Bagatell-Darlehensverträge). Im Gegensatz zur früheren Regelung fallen 1 Fraga-Novelle/Wallner in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, 2. Aufl. 2009, Rz. 380. 2 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 491 BGB Rz. 36; Kessal-Wulf in Prütting/ Wegen/Weinreich, § 506 BGB Rz. 3. 3 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 506 BGB Rz. 3. 4 Rott, WM 2008, 1104, 1106.
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Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB | Teil 5
also Darlehensverträge mit einem Nettodarlehensbetrag gleich 200 € in den Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB. Begründet wird die Ausnahmeregelung für Bagatell-Darlehensverträge mit dem geringeren Schutzbedürfnis des Verbrauchers, der den für den Darlehensgeber mit der Befolgung der Vorschriften über Verbraucherdarlehen verbundenen Aufwand nicht rechtfertigt. Gleichwohl kann es sich um einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag handeln, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 491 Abs. 3 BGB vorliegen. Eine vergleichbare Ausnahmeregelung wie in § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB existiert für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nicht. Von der Einführung einer Obergrenze von 75.000 €, wie sie nach der Verbraucherkreditrichtlinie möglich gewesen wäre, hat der Gesetzgeber auf Grund des erhöhten Schutzbedürfnisses des Verbrauchers abgesehen1. Für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge mit einem Nettodarlehensbetrag über 75.000 € ist nur eine punktuelle Ausnahme hinsichtlich der Sanktion bei fehlenden oder fehlerhaften Angaben zu den Sicherheiten vorgesehen (§ 494 Abs. 6 Satz 3 BGB). Mit § 491 Abs. 2 Nr. 2 BGB wurde eine Ausnahmeregelung für Darlehen eingeführt, bei denen sich die Haftung des Darlehensnehmers auf eine dem Darlehensgeber nach §§ 1204 BGB ff. übergebene Pfandsache beschränkt („Haftungsdarlehen“). Mit dieser Ausnahmeregelung hatte der Gesetzgeber vor allem die Tätigkeit von sog. Leih- oder Pfandhäusern im Blick2. Der Begriff der Haftung ist weit auszulegen. Die Ausnahmeregelung findet daher nur dann Anwendung, wenn der Pfandgegenstand auf Grund der vertraglichen Abrede alle zukünftigen Zahlungsverpflichtungen des Darlehensnehmers abdeckt. Der Darlehensgeber kann daher weder aus Verzug noch aus Nichtleistung der Rückzahlung weitere Ansprüche gegen den Darlehensnehmer als die Befriedigung aus dem Pfand geltend machen. Wird der Rückzahlungsanspruch jedoch durch ein Grundpfandrecht besichert oder dient das Darlehen dem Erwerb oder Erhaltung an Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht, finden die Vorschriften des Immobiliar-Verbraucherdarlehensrechts Anwendung.
5.30
§ 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB enthält eine Ausnahmeregelung für zinslose Darlehen mit einer maximalen Laufzeit von drei Monaten, bei denen nur geringe Kosten vereinbart wurden. Hauptanwendungsfall sind Darlehen, die auf Zahlungskarten (Kredit- oder Debitkarten) mit einer jährlichen Kartengebühr gewährt werden.
5.31
Der Begriff „Kosten“ ist im Rahmen dieser Ausnahmeregelung weit auszulegen3. Relevant sind nicht nur solche Kosten, die nach § 6 Abs. 3 PAngV bei der Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes zu berücksichtigen sind, sondern sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung entstehen können und die mit dem Darlehensnehmer vereinbart worden sind. Darunter können auch etwaige vereinbarte Verzugskosten fallen4. Für die Beurteilung des Begriffes „gering“ ist auf die Gesamtumstände abzustellen und nicht allein auf das prozentuale Verhältnis zwischen den vereinbarten Kosten und dem Nettodarlehensbetrag5. Steht bei Vertragsschluss bereits fest, dass der Darlehensnehmer das Darlehen innerhalb dieser drei Monate nicht zurückzahlen kann und der Darle1 BT-Drucks. 16/11643, 76. 2 BT-Drucks. 16/11643, 76; für Darlehen, die Pfandleiher im Rahmen ihres Gewerbebetriebs gewähren, gelten die Vorschriften der Pfandleiherverordnung. 3 BT-Drucks. 16/11643, 77. 4 BT-Drucks. 16/11643, 77. 5 BT-Drucks. 16/11643, 76.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
hensgeber überdurchschnittlich hohe Verzugszinsen geltend machen kann, greift die Ausnahmeregelung in § 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht ein1.
5.32 Die Verbraucherschutzvorschriften gelten nicht für ein Arbeitgeberdarlehen, wenn ge-
wisse Voraussetzungen erfüllt sind. § 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB setzt zunächst voraus, dass der Arbeitgeber selbst das Darlehen einräumt. Die Darlehensausreichung durch einen Dritten, auch wenn dieser zum gleichen Konzern gehört, ist nicht ausreichend. Darüber hinaus muss das Darlehen als Nebenleistung zum Arbeitsvertrag gewährt werden. Von dem damit erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und dem Darlehen kann u.a. ausgegangen werden, wenn mit der Darlehensgewährung eine Betriebsbindung, eine zusätzliche Vergütung oder eine Altersvorsorge bezweckt wird. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber die Darlehensverträge anderen Personen nicht anbietet. Für Kreditinstitute bedeutet dies, dass sie sich auf § 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB generell nicht berufen können. Aber auch andere Unternehmen können nicht von dieser Ausnahmeregelung profitieren, wenn sie so regelmäßig Arbeitgeberdarlehen vergeben, dass sie hierfür bereits entsprechende interne Strukturen („Kreditabteilung“) geschaffen haben2. Schließlich müssen Arbeitgeberdarlehen günstiger sein als marktübliche Verträge. Für diese Beurteilung ist auf den effektiven Jahreszins abzustellen3. Derartige Arbeitgeberdarlehen werden insgesamt aus dem Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts herausgenommen, denn Arbeitgeberdarlehen sind nicht nur keine Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, sondern sie sind auch keine Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BGB).
5.33 Bei den sog. Förderdarlehen ist zu unterscheiden, ob sie dem Allgemein-Verbraucherdar-
lehensvertrag oder dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zuzurechnen sind. Gemäß § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB sind sie keine Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und unterliegen als solche nicht dem Verbraucherdarlehensrecht. Darunter fallen alle Darlehen, die an einen begrenzten Personenkreis auf Grund von Rechtsvorschriften im öffentlichen Interesse zu günstigeren Konditionen vergeben werden. Im Gegensatz zur bis zum 11.6.2010 geltenden Rechtslage sind alle Förderdarlehen und nicht nur Förderdarlehen zum Wohnungsbau von § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB umfasst. Zudem hat der Gesetzgeber auf das Kriterium der Unmittelbarkeit verzichtet, das heißt, auch die sog. durchgeleiteten Förderdarlehen, bei denen der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag mit seiner Hausbank zu von der Förderanstalt vorgegebenen Konditionen abschließt, fallen unter diese Ausnahmeregelung4. Das Förderdarlehen muss aber zu günstigeren Konditionen vergeben werden. Dies ist nur der Fall, wenn im Darlehensvertrag für den Darlehensnehmer günstigere als marktübliche Bedingungen und höchstens der marktübliche Sollzinssatz vereinbart ist5. Förderdarlehen i.S.d. § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB, die durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert werden oder die dem Erhalt oder dem Erwerb von Eigentumsrechten an 1 BT-Drucks. 16/11643, 77. 2 BT-Drucks. 16/11643, 77. 3 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491 BGB Rz. 15; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 29. 4 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491 BGB Rz. 16; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 30; kritisch hierzu: Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2; Kulke, VuR 2009, 373, 378. 5 Z.B. eine tilgungsfreie Zeit, BT-Drucks. 14/11643, 77.
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Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB | Teil 5
einem Grundstück dienen, sind grundsätzlich Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Allerdings finden die Vorschriften zum Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nur teilweise Anwendung. So sind dem Verbraucher die Abschnitte 3, 4 und 13 des in Art. 247 § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB genannten Musters (ESIS-Merkblatt) rechtzeitig vor Abgabe einer den Verbraucher bindenden Vertragserklärung auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Damit wurden Art. 3 Abs. 3c und Art. 5 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) umgesetzt1. Ist der Darlehensvertrag gleichzeitig ein außerhalb der Geschäftsräume abgeschlossener Vertrag (§ 312b BGB) oder ein Fernabsatzvertrag (§ 312c BGB), werden mit der Zurverfügungstellung dieser vorvertraglichen Informationen gleichzeitig die nach § 312d Abs. 2 i.V.m. Art. 246b EGBGB geschuldeten vorvertraglichen Informationen erfüllt (§ 491a Abs. 4 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 1 Abs. 2 Satz 6 EGBGB). 3. Beschränkte Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB In einigen Fällen finden die Bestimmungen der §§ 491 ff. BGB nur teilweise Anwendung. Dies gilt insbesondere für die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit nach § 504 BGB oder geduldete Überziehungen nach § 505 BGB. Zu der Fallgruppe mit beschränkter Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB zählen aber auch Verbraucherdarlehensverträge, die entweder gerichtlich protokolliert oder festgestellt sind, wenn das Protokoll oder der Beschluss den Sollzinssatz, die Kosten des Darlehens und die Voraussetzungen für deren Anpassung enthält. Denn auf diese Darlehensverträge finden gem. § 491 Abs. 4 BGB die §§ 491a bis 495, 505a bis 505e sowie § 358 Abs. 2 und 4 BGB keine Anwendung.
5.34
Eine weitere Ausnahme ist in § 495 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB geregelt. Danach findet bei besonderen Formen der Umschuldung, unter bestimmten Voraussetzungen bei notariell beurkundeten Verträgen und bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten nach § 504 Abs. 2 BGB und geduldeten Überziehungen (§ 505 BGB) das Widerrufsrecht keine Anwendung. Schließlich sind für Darlehen zur Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten (§ 1 Abs. 11 KWG) die Regelungen über verbundene Verträge ausgenommen (§ 358 Abs. 5 BGB)2. Auch für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sieht das Gesetz eine eingeschränkte Anwendbarkeit der Vorschriften vor; so gelten einige Vorschriften der §§ 491 ff. BGB ausdrücklich nur für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, aber nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Umgekehrt gibt es Vorschriften, die nur auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge Anwendung finden und nicht auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, wie z.B. §§ 492a und 492b BGB, § 509 BGB oder § 511 BGB. 4. Finanzierungshilfen (§§ 506–508 BGB) Die Regelungen über entgeltliche Finanzierungshilfen zwischen einen Unternehmer und einem Verbraucher befinden sich in den §§ 506 bis 508 BGB3. Die Grundnorm des § 506 Abs. 1 BGB regelt den entgeltlichen Zahlungsaufschub4 sowie als Auffangtatbestand die sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe und erklärt die §§ 358 bis 360, 491a bis 502, 505a bis 505e BGB, soweit sie für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge gelten, auf 1 BT-Drucks. 18/5922, 78. 2 BT-Drucks, 16/11643, 72. 3 Ratenlieferungsverträge (§ 510 BGB) sind grundsätzlich keine Finanzierungshilfen. Diese Verträge unterfallen gem. Art. 3 lit. c nicht der Verbraucherkreditrichtlinie. 4 Zur Stundung s. Rz. 5.27.
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5.35
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
diese Kreditformen für entsprechend anwendbar1. Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind lediglich die §§ 503 bis 505 BGB sowie § 492 Abs. 4 BGB. Wird der Zahlungsaufschub oder die entgeltliche Finanzierungshilfe durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert oder werden sie für den Erwerb oder die Erhaltung von Eigentumsrechten an einem Grundstück, einem grundstücksgleichen Recht oder einem Gebäude gewährt, dann gelten die vorgenannten Vorschriften nur, soweit sie auch für einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag gelten würden, und § 503 BGB entsprechend. Die Regelungen über entgeltliche Finanzierungshilfen sind gem. § 506 Abs. 4 BGB nicht anwendbar, wenn die Voraussetzungen des § 491 Abs. 2 und 3 BGB vorliegen.
5.36 Eine besondere Form des entgeltlichen Zahlungsaufschubs stellen die Teilzahlungsgeschäfte
dar (§ 506 Abs. 3 BGB). Dabei handelt es sich vor allem um die Abzahlungsgeschäfte alter Art, bei denen der Käufer den Kaufpreis in Raten bezahlen darf. Hier erbringt der Verkäufer eine Vorleistung durch Überlassung des Kaufgegenstandes und stundet seinen Kaufpreisanspruch2. Auf Teilzahlungsgeschäfte als besondere Form des Zahlungsaufschubs sind die Verweisungen in § 506 Abs. 1 BGB anwendbar3. Vorbehaltlich des § 506 Abs. 4 BGB gelten zusätzlich die in den §§ 507 und 508 BGB geregelten Sondervorschriften.
5.37 In § 506 Abs. 2 BGB wird der Begriff der entgeltlichen Finanzierungshilfe, der weit aus-
zulegen ist, von bloßen Gebrauchsüberlassungsverträgen (z.B. Mietverträgen) abgegrenzt4. Nach dieser Vorschrift gilt ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes als Finanzierungshilfe, wenn vertraglich entweder eine Erwerbsverpflichtung des Verbrauchers geregelt ist (Nr. 1), dem Unternehmer die Möglichkeit eingeräumt wird, von dem Verbraucher den Erwerb des Vertragsgegenstandes zu verlangen (Nr. 2), oder der Verbraucher bei Vertragsablauf einen vereinbarten Restwert garantieren muss (Nr. 3)5. Unter den Begriff der entgeltlichen Finanzierungshilfe fallen demnach die klassischen Finanzierungsleasingverträge.
IV. Zeitlicher Anwendungsbereich 5.38 Das durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie vom 29.7.20096
eingeführte Recht gilt nach Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB für alle Schuldverhältnisse, die seit dem 11.6.2010 entstanden sind. Auf Schuldverhältnisse, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind, finden grundsätzlich ausschließlich die bis dahin geltenden Regelungen Anwendung.
5.39 Ausgenommen hiervon sind nach Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB die folgenden Regelungen, die auch für vor dem 11.6.2010 abgeschlossene unbefristete Schuldverhältnisse gelten:
1 Bei der Verweisung handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, BT-Drucks. 16/11643, 91. 2 Nach der Legaldefinition in § 506 Abs. 3 BGB sind Teilzahlungsgeschäfte entgeltliche Verträge, die die Lieferung einer bestimmten Sache oder die Erbringung einer bestimmten anderen Leistung gegen Teilzahlungen zum Gegenstand haben. 3 BT-Drucks. 16/11643, 92. 4 BT-Drucks. 16/11643, 92. 5 Der Begriff „Gegenstand“ wird in § 506 Abs. 2 BGB als Oberbegriff für sämtliche Formen von Kauf-, Werk- und Dienstverträgen gewählt; es kann sich um eine bewegliche oder unbewegliche Sache (§ 90 BGB) ebenso handeln wie um Forderungen und sonstige Vermögensrechte, BTDrucks. 16/11643, 92. 6 BGBl. I 2009, 2355.
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Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB | Teil 5
– Textformerfordernis bei nachvertraglichen Erklärungen des Darlehensgebers gem. § 492 Abs. 5 BGB – Unterrichtungspflichten bei der Anpassung des Sollzinssatzes gem. § 493 Abs. 3 BGB – Kündigungsrecht und Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers gem. § 499 BGB – Kündigungsrecht des Darlehensnehmers gem. § 500 Abs. 1 BGB – Unterrichtungspflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten gem. § 504 Abs. 1 BGB – Unterrichtungspflichten bei geduldeten Überziehungen gem. § 505 Abs. 1 BGB und – Unterrichtungspflichten bei erheblichen geduldeten Überziehungen gem. § 505 Abs. 2 BGB. Da es für die Frage, welches Recht Anwendung findet, auf das Datum des Vertragsschlusses ankommt, musste der Darlehensgeber die neuen Regelungen auch schon vor dem 11.6. 2010 beachten, wenn der Verbraucherdarlehensvertrag zwar vor dem Stichtag angebahnt, jedoch erst danach abgeschlossen wurde.
5.40
Die durch das Änderungsgesetz vom 24.7.20101 eingeführten Änderungen gelten seit dem 30.7.20102. Für die Erfüllung der vorvertraglichen Information nach § 491a Abs. 1 BGB sieht das Änderungsgesetz jedoch eine Übergangsregelung vor. Nach Art. 247 § 2 Abs. 3 Satz 3 EGBGB gilt bis zum 31.12.2010 die Verpflichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch dann als erfüllt, wenn die gesetzlichen Muster gem. Anlage 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB in der Fassung des Umsetzungsgesetzes vom 29.7.20093 übermittelt wurden.
5.41
Das zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie verabschiedete Gesetz vom 11.3.20164 gilt für alle Verträge, die seit dem 21.3.2016 abgeschlossen wurden. Ausnahmen bestehen hinsichtlich der Hinweispflichten und dem Angebot zur Beratung für eingeräumte und geduldete Überziehungen (§§ 504 Abs. 2 und 505 BGB) gem. § 504a BGB und § 505 Abs. 2 BGB. Die zusätzlichen Pflichten treffen den Darlehensgeber auch für Überziehungskredite, wenn sie vor dem 21.3.2016 zugesagt worden waren (Art. 229 § 38 Abs. 2 EGBGB).
5.42
Außerdem sieht das Gesetz eine Verfristungsregelung für Widerrufsrechte vor, die sich auf Immobiliardarlehensverträge (§ 503 BGB in der Fassung vom 1.8.2002 bis 10.6.2010) bezogen, die in dem Zeitraum zwischen dem 1.9.2002 und 10.6.2010 abgeschlossen worden waren. Soweit die dem Verbraucher in diesem Zeitraum erteilten Widerrufsbelehrungen fehlerhaft waren, konnten die Darlehensnehmer nur bis zum Ablauf des 21.6.20165 ihr Widerrufsrecht ausüben und ihren Widerruf gegenüber dem Darlehensgeber erklären. Für die Ausübung reichte die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Mit Ablauf dieses Datums ist das Widerrufsrecht endgültig erloschen (Art. 229 § 38 Abs. 3 Satz 1 EGBGB). Handelt es sich bei dem Immobiliardarlehensvertrag um ein Haustürgeschäft, gilt das nur, wenn die beiderseitigen Leistungen bis zum 21.5.2016 erbracht worden waren. Ansonsten erlischt das Widerrufsrecht erst einen Monat nach endgültiger Erbringung der beiderseitigen Leistungen (Art. 229 § 38 Abs. 3 Satz 2 EGBGB).
5.43
1 2 3 4 5
BGBl. I 2010, 977. Art. 6 des Änderungsgesetzes vom 24.7.2010, BGBl. I 2010, 977, 979. BGBl. I 2009, 2355. BGBl. I 2016, 396. BGH v. 16.1.2018 – XI ZR 477/17, BKR 2018, 155 m. Anm. Krumscheid.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.44 Das Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz gilt für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, die seit dem 10.6.2017 abgeschlossen wurden (Art. 229 § 40 EGBGB).
5.45 Die Verordnung zur Festlegung von Leitlinien zur Kreditwürdigkeitsprüfung1 ist mit Wirkung zum 1.5.2018 in Kraft getreten und findet daher auf alle Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge Anwendung, bei denen eine Kreditwürdigkeitsprüfung nach dem Inkrafttreten der Verordnung durchgeführt wird. Sie wird aber zur Auslegung der Vorschriften über die Kreditwürdigkeitsprüfung gem. §§ 505a ff. BGB und § 18a Abs. 1 bis 5 KWG herangezogen werden können.
V. Abweichende Vereinbarungen 5.46 § 512 BGB regelt die Unabdingbarkeit und das Umgehungsverbot von den Vorschriften
der §§ 491 bis 511 und 514 und 515 BGB. Das bedeutet, dass von den vorgenannten Vorschriften weder zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf noch diese Vorschriften durch eine anderweitige Gestaltung umgangen werden dürfen2. Abweichungen zugunsten des Verbrauchers, wie z.B. eine Verlängerung der Widerrufsfrist, sind aber nach wie vor möglich3. Zudem lässt das Gesetz an bestimmten Stellen vertragliche Abweichungen ausdrücklich zu (vgl. Art. 247 § 15 Abs. 2 EGBGB und § 500 Abs. 1 Satz 2 BGB).
5.47–5.50 Einstweilen frei.
3. Abschnitt: Werbung 5.51 Bereits durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie und nochmals erweitert
durch die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie werden bereits für den Bereich der Werbung mit Verbraucherdarlehen dem Darlehensgeber oder jedem anderen Werbenden (z.B. Darlehensvermittler) umfangreiche Informationspflichten auferlegt. Dadurch sollen u.a. Lockvogelangebote und eine den Verbraucher irreführende Hervorhebung isolierter Vertragskonditionen verhindert werden4.
I. Werbung für Kreditverträge (§ 6a PAngV) 5.52 Durch die erneute Novellierung des § 6a PAngV anlässlich der Umsetzung der Wohn-
immobilienkreditrichtlinie wird die Werbung für Kreditverträge gegenüber Verbrauchern 1 Verordnung zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungleitlinien-Verordnung – ImmoKWPLV, BGBl. I 2018, 529. 2 Z.B. durch eine Aufteilung eines Darlehens in mehrere Einzelverträge, um jeweils die Bagatellegrenze des § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu unterschreiten, vgl. Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491 BGB Rz. 12; auch in einer möglichst ungenauen Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung im Darlehensvertrag kann eine Umgehung liegen, wenn diese allein zu dem Zweck erfolgt, die Anwendbarkeit des § 359a Abs. 1 BGB auszuschließen, so Schürnbrand auf dem Bankrechtstag 2009, Stockhausen/Warner, WM 2009, 1548, 1552. 3 BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 47/08, BKR 2009, 167; Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 512 BGB Rz. 5. 4 Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 386.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.44 Das Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz gilt für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, die seit dem 10.6.2017 abgeschlossen wurden (Art. 229 § 40 EGBGB).
5.45 Die Verordnung zur Festlegung von Leitlinien zur Kreditwürdigkeitsprüfung1 ist mit Wirkung zum 1.5.2018 in Kraft getreten und findet daher auf alle Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge Anwendung, bei denen eine Kreditwürdigkeitsprüfung nach dem Inkrafttreten der Verordnung durchgeführt wird. Sie wird aber zur Auslegung der Vorschriften über die Kreditwürdigkeitsprüfung gem. §§ 505a ff. BGB und § 18a Abs. 1 bis 5 KWG herangezogen werden können.
V. Abweichende Vereinbarungen 5.46 § 512 BGB regelt die Unabdingbarkeit und das Umgehungsverbot von den Vorschriften
der §§ 491 bis 511 und 514 und 515 BGB. Das bedeutet, dass von den vorgenannten Vorschriften weder zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf noch diese Vorschriften durch eine anderweitige Gestaltung umgangen werden dürfen2. Abweichungen zugunsten des Verbrauchers, wie z.B. eine Verlängerung der Widerrufsfrist, sind aber nach wie vor möglich3. Zudem lässt das Gesetz an bestimmten Stellen vertragliche Abweichungen ausdrücklich zu (vgl. Art. 247 § 15 Abs. 2 EGBGB und § 500 Abs. 1 Satz 2 BGB).
5.47–5.50 Einstweilen frei.
3. Abschnitt: Werbung 5.51 Bereits durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie und nochmals erweitert
durch die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie werden bereits für den Bereich der Werbung mit Verbraucherdarlehen dem Darlehensgeber oder jedem anderen Werbenden (z.B. Darlehensvermittler) umfangreiche Informationspflichten auferlegt. Dadurch sollen u.a. Lockvogelangebote und eine den Verbraucher irreführende Hervorhebung isolierter Vertragskonditionen verhindert werden4.
I. Werbung für Kreditverträge (§ 6a PAngV) 5.52 Durch die erneute Novellierung des § 6a PAngV anlässlich der Umsetzung der Wohn-
immobilienkreditrichtlinie wird die Werbung für Kreditverträge gegenüber Verbrauchern 1 Verordnung zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungleitlinien-Verordnung – ImmoKWPLV, BGBl. I 2018, 529. 2 Z.B. durch eine Aufteilung eines Darlehens in mehrere Einzelverträge, um jeweils die Bagatellegrenze des § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu unterschreiten, vgl. Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491 BGB Rz. 12; auch in einer möglichst ungenauen Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung im Darlehensvertrag kann eine Umgehung liegen, wenn diese allein zu dem Zweck erfolgt, die Anwendbarkeit des § 359a Abs. 1 BGB auszuschließen, so Schürnbrand auf dem Bankrechtstag 2009, Stockhausen/Warner, WM 2009, 1548, 1552. 3 BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 47/08, BKR 2009, 167; Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 512 BGB Rz. 5. 4 Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 386.
762 | Merz/Wittig
Werbung | Teil 5
stärker reglementiert. Bis zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie war bei der Werbung mit Verbraucherdarlehen die Angabe des (anfänglichen) effektiven Jahreszinses erforderlich, aber auch ausreichend, wenn in der Werbung der Nominalzins oder andere Preisbestandteile genannt wurden. Seit dem 11.6.2010 und – nochmals erweitert – seit dem 21.3.2016 sind bei dieser Art der Werbung neben der Nennung des Effektivzinssatzes noch weitere Angaben erforderlich1. Darüber hinaus wurde den Angabe- und Informationspflichten nach § 6a Abs. 2 bis 5 PAngV ein allgemeiner Grundsatz in § 6a Abs. 1 PAngV vorangestellt und damit Art. 10 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) umgesetzt. Danach muss jede im Zusammenhang mit Verbraucherdarlehen auf Werbe- und Marketingzwecke gerichtete Kommunikation gegenüber Verbrauchern den Kriterien der Redlichkeit und Eindeutigkeit genügen und darf nicht irreführend sein. Die Kommunikation darf insbesondere keinen falschen Eindruck beim Verbraucher hinsichtlich der Verfügbarkeit des beworbenen Verbraucherdarlehens noch über dessen Kosten erwecken. Die Vorschrift soll die nach § 1 Abs. 6 PAngV bestehenden Vorgaben zur Preiswahrheit und Preisklarheit ergänzen2. Eine nach den Maßstäben des § 6a Abs. 1 PAngV als irreführend anzusehende werbliche Kommunikation gegenüber einem Verbraucher ist unzulässig3. § 6a Abs. 1 PAngV gilt für alle Verbraucherdarlehensverträge i.S.d. § 491 Satz 1 BGB und damit für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Außerdem sind §§ 6a und 6b PAngV auf entgeltliche Finanzierungshilfen i.S.d. § 506 BGB entsprechend anzuwenden (§ 6c PAngV). Auf unentgeltliche Darlehensverträge, die gegenüber einem Verbraucher werblich angepriesen werden, finden §§ 6a und 6b PAngV keine Anwendung, da sie keine Verbraucherdarlehensverträge sind4. Eine den §§ 514 und 515 BGB vergleichbare Vorschrift, die für diese Darlehen eine spezielle Regelung für die Werbung vorsieht, findet sich in der Preisangaben-Verordnung nicht.
5.53
Mit der Übertragung der Grundsätze des Art. 10 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) auf alle Verbraucherdarlehensverträge und entgeltliche Finanzierungshilfen i.S.v. § 506 BGB hat der deutsche Gesetzgeber die Wohnimmobilienkreditrichtlinie überschießend umgesetzt, denn eine mit Art. 10 vergleichbare Regelung beinhaltet die Verbraucherkreditrichtlinie nicht. Mit der Novellierung der Preisangaben-Verordnung anlässlich der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie hat sich der Verordnungsgeber von seiner bisherigen Terminologie verabschiedet und den Begriff des „Letztverbrauchers“ durch den Begriff des Verbrauchers gem. § 13 BGB ersetzt. Diese im Ergebnis vor allem redaktionelle Änderung ist im Sinne einer Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten zu begrüßen. Ziel dieser Umstellung war, deutlich zu machen, dass die Preisangaben-Verordnung vor allem dem Verbraucherschutz dienen soll5.
5.54
Die Anwendung des § 6a Abs. 2 PAngV setzt voraus, dass gegenüber Verbrauchern mit Zinsätzen oder sonstigen Zahlen, die die Kosten betreffen, geworben wird. Der Begriff
5.55
1 Zu den Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Praxis: Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 94 ff. 2 BT-Drucks. 18/5922, 133. 3 BT-Drucks. 18/5922, 133. 4 BGH v. 30.9.2014 – XI ZR 168/13, WM 2014, 2091. 5 BT-Drucks. 18/5922, 130.
Merz/Wittig | 763
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
der Werbung ist weit zu verstehen. Er umfasst jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern1. Adressat dieser Norm ist nicht nur der Darlehensgeber oder der ausschließliche Darlehensvermittler, sondern jeder, der mit Verbraucherdarlehen entsprechend wirbt. § 6a PAngV ist daher beispielsweise auch von Händlern zu beachten, die zur Steigerung ihres Warenabsatzes mit der Finanzierungsmöglichkeit unter Angabe von Zinssätzen oder sonstigen Zahlen werben.
5.56 Mit Zinssätzen wird geworben, wenn entweder der Sollzinssatz oder der effektive Jahres-
zins2 genannt wird. Eine Werbung mit sonstigen Zahlen, die die Kosten betreffen, liegt u.a. vor, wenn mit der Höhe der Monatsraten geworben wird. Der Nennung des Zinssatzes oder von sonstigen Zahlen steht es gleich, wenn nicht mit einer konkreten Zahl, sondern mit einer prozentualen Reduzierung des Sollzinssatzes geworben wird3. Die Werbung mit der Laufzeit oder mit dem Kreditbetrag fällt aber nicht in den Anwendungsbereich, da diese Zahlen nicht die Kosten betreffen. 1. Pflichtangaben (§ 6a Abs. 2 PAngV)
5.57 Nach § 6a Abs. 2 PAngV sind bei der Werbung mit Zinssätzen oder Zahlenangaben für
Kosten der Name des Darlehensgebers und seine Adresse, ggf. der Name und die Adresse des Darlehensvermittlers, der Sollzinssatz, der Nettodarlehensbetrag und der effektive Jahreszins4 in klarer, verständlicher und auffallender Weise anzugeben, wobei eine Reihenfolge der Informationen nicht vorgegeben ist5. Neben der Nennung von Einzelwerten ist eine Angabe von Bandbreiten („von … bis …“) oder von sog. „ab-Konditionen“ möglich6. Die Angabe des Sollzinssatzes ist dahingehend zu konkretisieren, ob dieser gebunden oder veränderlich ist. Zudem sind alle sonstigen Kosten im Einzelnen aufzuführen. Darunter fallen alle Kosten, die bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses gem. § 6 Abs. 3 PAngV zu berücksichtigen sind. Die Benennung der im Falle eines Vertragsschlusses zu entrichtenden Kosten ist allerdings nur dem Grunde und nicht der Höhe nach erforderlich. Hierfür spricht zum einen der Gesetzeswortlaut, der bezüglich der Kosten nicht ausdrücklich eine betragliche Angabe fordert. Schließlich spricht für diese Auslegung auch die Regelung in § 6a Abs. 5 PAngV, die eine Erleichterung für den Fall vorsieht, dass die Kosten für einen Vertrag über eine Zusatzleistung im Voraus nicht bestimmt werden können. Mit der Pflicht zur Angabe des Namens und der Adresse des Darlehensgebers wird Art. 11 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) umgesetzt.
5.58 Daneben ergeben sich auch aus § 5a Abs. 2 und 3 UWG die Informationspflichten zu Na-
men und Anschrift des Darlehensgebers bei Angeboten von Waren und Dienstleistungen, 1 2 3 4
BGH v. 10.7.2018 – VI ZR 225/17, ZIP 2018, 2238 Rz. 18. OLG Düsseldorf v. 22.9.2015 – 20 U 46/15, BeckRS 2016, 03723. Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 95. Nach Ziff. I lit. d der Anlage zu § 6 PAngV in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 24.7. 2010 (BGBl. I 2010, 977) ist der effektive Jahreszins auf zwei Dezimalstellen genau anzugeben. Dies gilt auch für den Bereich der Werbung (BT-Drucks. 17/1394, 33). Da Ziff. I lit. d der Anlage zu § 6 PAngV auf die Angabe und nicht auf die Berechnung abstellt, dürfte die Angabe mit einer Dezimalstelle auch in dem Fall den rechtlichen Anforderungen nicht genügen, in dem die zweite Dezimalstelle „Null“ beträgt. 5 BT-Drucks. 16/11643, 143; Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2. 6 Domke/Sperlich, BB 2010, 2069.
764 | Merz/Wittig
Werbung | Teil 5
die den durchschnittlichen Verbraucher in die Lage versetzen, „das Geschäft“ abzuschließen1. Finanzdienstleistungsverträge können danach ebenso darunter fallen wie unentgeltliche Darlehensverträge an Verbraucher, da sich der Anwendungsbereich des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht auf entgeltliche Finanzdienstleistungsverträge beschränkt und es bei einem unentgeltlichen Darlehensvertrag für den Verbraucher eine grundlegende Information für seine Geschäftsentscheidung darstellt, wer Vertragspartner des angebotenen Darlehensvertrags sein wird2. So wird sich bei einer Werbung für ein unentgeltliches Darlehen die Pflicht zur Angabe des Namens und der Anschrift des Darlehensgebers zwar nicht aus § 6a Abs. 2 PAngV ergeben, sie kann aber durch § 5a Abs. 2 und 3 UWG begründet sein. 2. Zusätzliche Angaben (§ 6a Abs. 3 und 5 PAngV) Die Pflichtangaben nach § 6a Abs. 2 PAngV sind gem. § 6a Abs. 3 PAngV um weitere Angaben zu erweitern, sofern diese zutreffen. Es handelt sich um
5.59
– den vom Verbraucher zu zahlenden Gesamtbetrag – die Laufzeit des Verbraucherdarlehensvertrags und – die Höhe und Anzahl der Raten. Richtet sich die Werbung auf den Abschluss eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag, ist zusätzlich darauf hinzuweisen, dass der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast zu besichern ist, und ein Warnhinweis aufzunehmen, dass bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen in Fremdwährung sich etwaige Wechselkursschwankungen auf die Höhe des Gesamtbetrags auswirken können. Die Angabe der Vertragslaufzeit, des Gesamtbetrages oder des Betrages der Teilzahlungen ist allerdings ausschließlich für den Fall erforderlich, dass das beworbene Darlehen nur mit einer konkreten Laufzeit, mit einem konkreten Gesamtbetrag oder mit einem bestimmten Teilzahlungsbetrag abgeschlossen werden kann. Eine generelle Information über die Mindest-/Maximallaufzeit, den Maximalgesamtbetrag oder den Betrag der Teilzahlungen ist in der Werbung mit Verbraucherdarlehen dagegen nicht notwendig. Ein Hinweis auf das zu stellende Grundpfandrecht oder die zu stellende Reallast braucht bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen nicht aufgenommen zu werden, wenn das Darlehen dazu dient, den Erwerb oder den Erhalt von Eigentumsrechten an einem Grundstück zu erhalten und das Darlehen nicht durch ein dingliches Sicherungsrecht an einem Grundstück besichert wird. Wird der Abschluss einer Restkreditversicherung oder einer anderen Zusatzleistung (Art. 247 § 8 EGBGB) verlangt und können die Kosten hierfür nicht im Voraus bestimmt werden, ist nach § 6a Abs. 5 PAngV auf diese Verpflichtung klar und verständlich an gestalterisch hervorgehobener Stelle zusammen mit dem Effektivzins hinzuweisen.
5.60
3. Repräsentatives Beispiel (§ 6a Abs. 4 PAngV) Neben den vorgenannten Pflichtangaben sind die Angaben zu § 6a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 und § 6a Abs. 3 Nr. 1 bis 4 PAngV in der Werbung für Verbraucherdarlehensverträge gem. 1 OLG Düsseldorf v. 30.4.2015 – 15 U 100/14, GRUR-RR 2015, 347 Rz. 29. 2 OLG Düsseldorf v. 30.4.2015 – 15 U 100/14, GRUR-RR 2015, 347 Rz. 29 und 32.
Merz/Wittig | 765
5.61
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
§ 6a Abs. 4 PAngV mit einem Beispiel zu versehen1. Dieses repräsentative Beispiel muss neben den übrigen Pflichtangaben nach § 6a Abs. 2 und 3 PAngV einen effektiven Jahreszins ausweisen, von dem der Werbende erwarten darf, dass er mindestens zwei Drittel der auf Grund der Werbung zustande kommenden Verträge zu dem angegebenen oder zu einem niedrigerem effektiven Jahreszins abschließen wird2. Repräsentativ im Sinne dieser Vorschrift muss bei dem Beispiel also nur die Angabe des Effektivzinssatzes sein3. Hinsichtlich der weiteren Angaben ist es ausreichend, wenn es sich um für das konkret beworbene Produkt typische Angaben handelt (d.h. durchschnittliche Vertragslaufzeit, üblicher Nettodarlehensbetrag etc.), die entsprechend häufig abgeschlossen werden4.
5.62 Bei der Festlegung des repräsentativen Effektivzinssatzes kommt es zum einen auf den Adressaten der Werbung und zum anderen auf das konkret beworbene Produkt an5. Dies bedeutet, dass bei einer gezielten Werbung an einen bestimmten Adressatenkreis (z.B. Bestandskunden) ein anderer Effektivzinssatz repräsentativ sein kann als bei einer an die Allgemeinheit gerichteten Internet- oder Fernsehwerbung6. Hinsichtlich des konkret beworbenen Produktes stellt sich die Frage, ob die jeweilige Gattung oder nur eine konkrete Ausgestaltung dieser Gattung, wie dies bei der Werbung mit sog. Aktionskrediten üblich ist, beworben wird. Im letzteren Falle ist nämlich nur auf die zu erwartenden Abschlüsse des Aktionskredits abzustellen. 5.63 Je nach Medium, das für die Werbung gewählt wird, ist von dem Werbenden sicherzustellen, dass die Informationen nach §§ 6a Abs. 2, und 5 PAngV akustisch gut verständlich oder deutlich lesbar sind (§ 6a Abs. 6 PAngV). Soweit Immobiliar-Förderdarlehen i.S.d. § 491 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB beworben werden, darf die Werbung nicht irreführend i.S.v. § 6a Abs. 1 PAngV sein (§ 6a Abs. 7 PAngV).
1 Eine Werbung ausschließlich mit dem repräsentativen Beispiel ist trotz des Wortlautes des § 6a Abs. 4 PAngV möglich, wenn außer dem repräsentativen Beispiel keine weiteren Angaben zu Zinssätzen oder Kosten getätigt werden oder wenn die Pflichtangaben denen im repräsentativen Beispiel entsprechen, wie dies bei der Werbung mit Aktionsangeboten vorkommen kann, Domke/ Sperlich, BB 2010, 2069, 2070. 2 Ob die Festlegung auf zwei Drittel richtlinienkonform ist, ist zumindest zweifelhaft: BT-Drucks. 16/11643, 161; Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 634; die im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat vorgeschlagene Übertragung der Überwachung der Einhaltung der Regelungen in den §§ 6 bis 6b PAngV auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 6c PAngV-E) wurde nicht umgesetzt (BT-Drucks. 157/10). Zuständig für die Überwachung ist daher die nach dem jeweiligen Landesrecht zuständige Behörde. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist allerdings nach § 23 KWG berechtigt, bestimmte Arten der Werbung zu untersagen. 3 Offengelassen: Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 634. 4 Rott, WM 2008, 1104, 1108. 5 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 100. 6 Mit Blick auf die gelockerten Anforderungen der Rechtsprechung an die Angabe von sog. Pflichttexten in der Fernsehwerbung dürfte es als ausreichend anzusehen sein, wenn die Pflichtangaben ca. 5 Sekunden eingeblendet werden. Darüber hinaus ist zu empfehlen, die Pflichtangaben auch auf die Internetseite aufzunehmen und im Fernsehspot auf diese zu verweisen, vgl. BGH v. 11.9.2008 – I ZR 58/06, NJW-RR 2009, 470 („Fußpilz“); BGH v. 11.3.2009 – I ZR 194/06, GRUR 2009, 1064 („AKTIVA“); BGH v. 9.7.2009 – I ZR 64/07, GRUR 2010, 158 („FIFA-WM-Gewinnspiel“).
766 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
II. Werbung für Überziehungsmöglichkeiten (§ 6b PAngV) § 6b PAngV enthält eine Sonderregelung für Überziehungsmöglichkeiten i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB, die sowohl für § 6 PAngV als auch für § 6a PAngV gilt1. Nach dieser Vorschrift sind bei der Werbung für Überziehungsmöglichkeiten i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB statt des effektiven Jahreszinses der Sollzinssatz pro Jahr und die Zinsbelastungsperiode anzugeben. Diese Erleichterung greift aber nur ein, wenn außer den Sollzinsen keine weiteren Kosten vereinbart werden und die Zinsbelastungsperiode nicht kürzer als drei Monate ist, daher beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 6b PAngV auf die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB.
5.64
III. Sonderregelung für Darlehensvermittler (Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB) Durch das Änderungsgesetz vom 24.7.20102 wurde in Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB eine zusätzliche Angabepflicht des Darlehensvermittlers eingeführt. Danach hat der Darlehensvermittler, wenn er gegenüber Verbrauchern für den Abschluss eines Verbraucherdarlehens i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB wirbt, den Umfang seiner Befugnisse einschließlich seines Vermittlerstatus gem. Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EGBGB offen zu legen. Der Darlehensvermittler muss also u.a. angeben, ob er ausschließlich für einen oder mehrere bestimmte Darlehensgeber oder unabhängig tätig wird.
5.65
Der Anwendungsbereich des Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB ist nicht mit dem des § 6a PAngV identisch. Während die zusätzliche Verpflichtung des Vermittlers nach Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB bei jeder Art von Werbung für den Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB besteht, setzt die Anwendung des § 6a PAngV eine Werbung mit Zinssätzen oder sonstigen Zahlenangaben für Kosten voraus3. Für diese Auslegung spricht die systematische Stellung dieser Verpflichtung und die fehlende Bezugnahme auf die Regelung in § 6a PAngV. Zudem handelt sich inhaltlich um eine Angabe, die sich auf die Person des Vermittlers und dessen Stellung bezieht, und nicht um eine preisbezogene Angabe.
5.66
5.67–5.70
Einstweilen frei.
4. Abschnitt: Allgemeine (Art. 247a § 1 EGBGB) und vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB) Mit dem Umsetzungsgesetz zur Verbraucherkreditrichtlinie vom 29.7.20094 wurden erstmals umfangreiche produktbezogene vorvertragliche Informationspflichten des Darlehensgebers5 im Zusammenhang mit Verbraucherdarlehensverträgen eingeführt. Diese vorvertraglichen Informationspflichten wurden durch die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht erweitert und um spezifisch für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge geltende vorvertragliche Informationspflichten ergänzt (Art. 247 1 BT-Drucks. 11/643, 143; eine Parallelregelung findet sich in Art. 247 § 10 Abs. 3 EGBGB. 2 BGBl. I 2010, 977. 3 Bei einer reinen Imagewerbung für Verbraucherdarlehen ohne Angabe von Zinssätzen oder Kosten ist daher ausschließlich Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB anwendbar. 4 BGBl. I 2009, 2355. 5 Zur früheren Rechtslage: Herresthal, WM 2009, 1174.
Merz/Wittig | 767
5.71
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
II. Werbung für Überziehungsmöglichkeiten (§ 6b PAngV) § 6b PAngV enthält eine Sonderregelung für Überziehungsmöglichkeiten i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB, die sowohl für § 6 PAngV als auch für § 6a PAngV gilt1. Nach dieser Vorschrift sind bei der Werbung für Überziehungsmöglichkeiten i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB statt des effektiven Jahreszinses der Sollzinssatz pro Jahr und die Zinsbelastungsperiode anzugeben. Diese Erleichterung greift aber nur ein, wenn außer den Sollzinsen keine weiteren Kosten vereinbart werden und die Zinsbelastungsperiode nicht kürzer als drei Monate ist, daher beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 6b PAngV auf die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB.
5.64
III. Sonderregelung für Darlehensvermittler (Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB) Durch das Änderungsgesetz vom 24.7.20102 wurde in Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB eine zusätzliche Angabepflicht des Darlehensvermittlers eingeführt. Danach hat der Darlehensvermittler, wenn er gegenüber Verbrauchern für den Abschluss eines Verbraucherdarlehens i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB wirbt, den Umfang seiner Befugnisse einschließlich seines Vermittlerstatus gem. Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EGBGB offen zu legen. Der Darlehensvermittler muss also u.a. angeben, ob er ausschließlich für einen oder mehrere bestimmte Darlehensgeber oder unabhängig tätig wird.
5.65
Der Anwendungsbereich des Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB ist nicht mit dem des § 6a PAngV identisch. Während die zusätzliche Verpflichtung des Vermittlers nach Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB bei jeder Art von Werbung für den Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB besteht, setzt die Anwendung des § 6a PAngV eine Werbung mit Zinssätzen oder sonstigen Zahlenangaben für Kosten voraus3. Für diese Auslegung spricht die systematische Stellung dieser Verpflichtung und die fehlende Bezugnahme auf die Regelung in § 6a PAngV. Zudem handelt sich inhaltlich um eine Angabe, die sich auf die Person des Vermittlers und dessen Stellung bezieht, und nicht um eine preisbezogene Angabe.
5.66
5.67–5.70
Einstweilen frei.
4. Abschnitt: Allgemeine (Art. 247a § 1 EGBGB) und vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB) Mit dem Umsetzungsgesetz zur Verbraucherkreditrichtlinie vom 29.7.20094 wurden erstmals umfangreiche produktbezogene vorvertragliche Informationspflichten des Darlehensgebers5 im Zusammenhang mit Verbraucherdarlehensverträgen eingeführt. Diese vorvertraglichen Informationspflichten wurden durch die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht erweitert und um spezifisch für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge geltende vorvertragliche Informationspflichten ergänzt (Art. 247 1 BT-Drucks. 11/643, 143; eine Parallelregelung findet sich in Art. 247 § 10 Abs. 3 EGBGB. 2 BGBl. I 2010, 977. 3 Bei einer reinen Imagewerbung für Verbraucherdarlehen ohne Angabe von Zinssätzen oder Kosten ist daher ausschließlich Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB anwendbar. 4 BGBl. I 2009, 2355. 5 Zur früheren Rechtslage: Herresthal, WM 2009, 1174.
Merz/Wittig | 767
5.71
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
§ 1 Abs. 2 EGBGB, Anlage 6 zu Art. 247 § 1 EGBGB, ESIS-Merkblatt). Darüber hinaus besteht seit dem 21.3.2016 die Pflicht, allgemeine Informationspflichten zum ImmobiliarVerbraucherdarlehensvertrag (Art. 247a § 1 EGBGB) und Informationspflichten über den Sollzins für Überziehungsmöglichkeiten i.S.v. §§ 504 Abs. 2 und 505 BGB bereit zu stellen. Weitere Einzelheiten zu diesen Informationspflichten s. unter Abschnitt 12 (Rz. 5.393 ff.). Damit folgt der Gesetzgeber dem Informationsmodell, das mit der Verpflichtung zur Bereitstellung umfassender Informationen über die angebotene Leistung das vermutete Ungleichgewicht zwischen einem professionellen Anbieter und dem Verbraucher auszugleichen sucht1. Neben den allgemeinen Informationspflichten hat der Darlehensgeber nach § 491a BGB den Verbraucher vor Vertragsschluss in Textform über die in Art. 247 EGBGB geregelten vorvertraglichen Informationen zu unterrichten. Des Weiteren muss der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer angemessene Erläuterungen zum angebotenen Darlehensvertrag geben (§ 491a Abs. 3 BGB). Auf Verlangen des Darlehensnehmers besteht zudem die Verpflichtung des Darlehensgebers zur Aushändigung eines Vertragsentwurfes. Diese Verpflichtung besteht allerdings erst, wenn die Bank zum Abschluss des Darlehensvertrages bereit ist.
5.72 Alle vorvertraglichen Informationspflichten bestehen unabhängig voneinander. Die Er-
füllung einer Informationspflicht befreit trotz der zahlreichen inhaltlichen Überschneidungen nicht von der Verpflichtung zur Leistung der anderen Informationspflichten. Der Grund hierfür liegt in der unterschiedlichen Zielsetzung der Informationspflichten. Die allgemeinen Informationspflichten nach Art. 247a EGBGB dienen dazu, dem Verbraucher einen ersten Überblick über die Angebote und Preise im Standardgeschäft des Darlehensgebers zu geben. Die Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB soll den Vergleich verschiedener Angebote und der Vertragsentwurf die Prüfung des beabsichtigten Vertragsinhaltes ermöglichen. Die Erläuterung hat darüber hinaus zum Ziel, dass der Darlehensnehmer auf informierter Grundlage und in Kenntnis der vertraglichen Auswirkungen auf ihn eigenverantwortlich entscheiden kann2. Mit Blick auf diese unterschiedlichen Zielsetzungen wird für die Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen grundsätzlich eine knappe stichwortartige Darstellung der wesentlichen Punkte den gesetzlichen Anforderungen genügen3. Seit dem Umsetzungsgesetz zur Wohnimmobilienkreditvertragsrichtlinie sind die Anforderungen an die Darstellung der vorvertraglichen Informationen zum Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag erhöht und teilweise wörtlich vorgegeben worden, nach denen ersichtlich eine stichwortartige Darstellung nicht mehr ausreichend ist. Für erforderlich gehaltene weiter gehende Ausführungen können entweder räumlich getrennt von der Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB4 oder im Rahmen der Erläuterung gem. § 491a Abs. 3 BGB erteilt werden.
I. Vorvertragliche Information (§ 491a Abs. 1 BGB) 5.73 Mit der vorvertraglichen Information gem. § 491a Abs. 1 BGB soll der Darlehensnehmer in die Lage versetzt werden, auf der Grundlage der von dem Darlehensgeber angebotenen Vertragsbedingungen unter Berücksichtigung der eigenen Wünsche verschiedene An1 2 3 4
Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB Rz. 2. BT-Drucks. 16/11643, 78 f. Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 104. Vgl. Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB.
768 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
gebote mit einander zu vergleichen und eine eigenverantwortliche Entscheidung für oder gegen einen Vertragsschluss zu fällen1. Bevor der Darlehensgeber dem Verbraucher die vorvertraglichen Informationen zum Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag in Textform (§ 126b BGB) zur Verfügung stellen muss, besteht seinerseits eine Mitteilungspflicht zu den Informationen und Nachweisen, die er benötigt, um eine ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfung vornehmen zu können (Art. 247 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Zusätzlich muss der Darlehensgeber darauf hinweisen, dass für den Abschluss eines Vertrags eine Kreditwürdigkeitsprüfung zwingend ist und nur durchgeführt werden kann, wenn die benötigten Informationen und Nachweise vollständig und richtig beigebracht werden (Art. 247 § 1 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Mit dieser Regelung soll Art. 20 Abs. 3 und 4 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) umgesetzt und der Verbraucher auf seine Mitwirkungspflicht zur Ermöglichung einer ordnungsgemäßen Kreditwürdigkeitsprüfung aufmerksam gemacht werden2. Diese Informationen sind an keine Form gebunden und können mündlich oder in Form eines standardisierten Informationsblatts gegeben werden3. Die für den Darlehensgeber bestehende Pflicht nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB besteht nur bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen und nicht bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen.
5.73a
1. Form und Zeitpunkt (Art. 247 §§ 1 und 2 EGBGB) Bei der Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB unterscheidet Art. 247 EGBGB zwischen Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen und Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen.
5.74
Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen muss der Darlehensgeber nach Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB unverzüglich nach Erhalt der nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB verlangten Informationen und Nachweise dem Verbraucher die vorvertraglichen Informationen in Form des ESIS-Merkblatts (Anlage 6 zum Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB) in Textform (§ 126b BGB) übermitteln. Damit soll Art. 14 Abs. 1 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) umgesetzt und sichergestellt werden, dass der Verbraucher die vorvertraglichen Informationen so früh wie möglich erhält, um frühzeitig umfassend informiert zu werden und ggf. den Rat Dritter einholen zu können4. Unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) bedeutet aber nicht, dass der Darlehensgeber unmittelbar nach Empfang der verlangten Informationen und Unterlagen i.S.d. Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB die vorvertraglichen Informationen aushändigen muss. Nach dem Sinn und Zweck der vorvertraglichen Informationen setzt die Erstellung und Befüllung des ESISMerkblatts voraus, dass der Darlehensgeber Gelegenheit hat, sich mit den erhaltenen Informationen inhaltlich zu befassen, ihre Vollständigkeit zu prüfen und auf dieser Basis ein Vertragsangebot zu erarbeiten oder bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Kreditvergabe abzulehnen. Lehnt er den Abschluss des Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags ab, muss er den Verbraucher unverzüglich darüber informieren (Art. 247 § 1 Abs. 4 EGBGB). Eine abschließende Kreditwürdigkeitsprüfung i.S.v. § 505a BGB ist für die Erstellung eines Vertragsangebots bzw. eines ESIS-Merkblatts nicht erforderlich. Anders als bei dem All1 BT-Drucks. BGB Rz. 2. 2 BT-Drucks. 3 BT-Drucks. 4 BT-Drucks.
16/11643, 78; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a 18/5922, 111. 18/5922, 111. 18/5922, 112.
Merz/Wittig | 769
5.74a
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
gemein-Verbraucherdarlehensvertrag geht das Gesetz davon aus, dass während der Vertragsverhandlung über einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag dem Verbraucher mehrere ESIS-Merkblätter in Textform zur Verfügung gestellt werden können, nämlich immer dann, wenn der Darlehensgeber ein neues Vertragsangebot unterbreitet. Auf die erneute Anfertigung und Zurverfügungstellung der vorvertraglichen Informationen kann nur dann verzichtet werden, wenn der später abgeschlossene Darlehensvertrag identisch ist mit dem vorangegangenen Angebot, das sich aus den vorvertraglichen Informationen ergibt (Art. 247 § 1 Abs. 2 Satz 4 EGBGB). Das Gesetz regelt nicht nur den frühesten Zeitpunkt der Übermittlung der vorvertraglichen Informationen, sondern auch den spätesten Zeitpunkt: danach müssen die vorvertraglichen Informationen rechtzeitig vor der Abgabe der (bindenden) Vertragserklärung des Verbrauchers übermittelt worden sein1.
5.74b
Für die vorvertraglichen Informationen zum Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nach Art. 247 § 2 Abs. 1 EGBGB gilt ebenfalls, dass der Darlehensgeber den Darlehensnehmer über die Einzelheiten nach Art. 247 §§ 3 bis 5 und 8 bis 13 EGBGB rechtzeitig vor dessen Abgabe seiner Vertragserklärung in Textform (§ 126b BGB) zu unterrichten hat. Rechtzeitig ist die Unterrichtung gem. § 491a Abs. 1 BGB, wenn der Darlehensnehmer die Information vor jeglicher rechtlicher Bindung auch in Abwesenheit des Darlehensgebers eingehend zur Kenntnis nehmen und ohne zeitlichen Druck prüfen kann2. Dieses Erfordernis steht allerdings einem Vertragsabschluss unmittelbar nach Erteilung nicht entgegen, denn der Verbraucher ist nicht gezwungen, sich mit den vorvertraglichen Informationen näher zu beschäftigen3. Bei Nutzung besonderer Kommunikationsmittel (z.B. Telefongespräch) sieht das Gesetz in Art. 247 § 5 EGBGB zudem Erleichterungen vor.
5.75 Eine Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB gleich zu Beginn eines geschäftlichen Kon-
takts ist nicht erforderlich. Denn der Darlehensgeber kann die ihm auferlegten vorvertraglichen Informationspflichten erst angemessen erfüllen, wenn der Darlehensnehmer seinen Darlehenswunsch hinreichend konkretisiert hat und damit seinen entsprechenden Mitwirkungspflichten nachgekommen ist4. Für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge folgt dies bereits aus Art. 247 § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB, denn der Darlehensgeber ist erst nach Erfüllung der Mitwirkungspflichten des Verbrauchers nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB durch Beibringung der verlangten Informationen und Nachweise verpflichtet, die vorvertraglichen Informationen zu erteilen. Für den Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag kann aber nichts anderes gelten, selbst wenn die von dem Verbraucher zu erteilenden Informationen und Nachweise in der Regel einen geringeren Umfang haben.
5.76 Eine Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation der Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten nach § 491a BGB hat die Bank nicht. Gleichwohl ist es ratsam, sich den Erhalt der ausgehändigten Unterlagen mit einer separaten Unterschrift (vgl. § 309 Nr. 12 lit. b BGB) bestätigen zu lassen5.
1 BT-Drucks. 18/5922, 111. 2 BT-Drucks. 16/11643, 122; Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 636; der Referentenentwurf für das Umsetzungsgesetz vom 17.6.2008 sah dagegen noch zwingend vor, dass der Verbraucher die Information in Abwesenheit des Darlehensgebers zur Kenntnis nimmt; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB Rz. 27. 3 BT-Drucks. 16/11643, 122; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB Rz. 27; Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 636; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 386. 4 Kulke, VuR 2009, 373, 380. 5 Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3; Kulke, VuR 2009, 373, 380.
770 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
2. Muster (Anlagen 4 bis 6 zu Art. 247 §§ 1 und 2 EGBGB) Erstmalig seit der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie gibt es Europa weit geltende Muster für die vorvertraglichen Informationen, die der Darlehensgeber verwenden muss (Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite) oder kann (Europäische Verbraucherkreditinformationen bei 1. Überziehungskrediten 2. Umschuldungen). Durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist zusätzlich das Europäische Standardisierte Merkblatt (ESIS-Merkblatt) hinzugefügt worden, das der Darlehensgeber zwingend verwenden muss, wenn er seine vorvertraglichen Informationspflichten erfüllen will. Ein Wahlrecht besteht seit dem 21.3.2016 mit Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie nicht mehr1 und ließe sich auch mit Art. 14 Abs. 2 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) nicht vereinbaren.
5.77
Die Muster finden sich in den Anlagen zu Art. 247 EGBGB: In Anlage 4 zum Art. 247 § 2 EGBGB ist das gesetzliche Muster „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ bei allen Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen zwingend zu verwenden, es sei denn, es wird ein Vertrag gem. § 495 Abs. 3 Nr. 1 oder § 504 Abs. 2 BGB abgeschlossen. Bei Umschuldungen gem. § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB und bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten gem. § 504 Abs. 2 BGB besteht dagegen keine rechtliche Verpflichtung zur Verwendung des gesetzlichen Musters gem. Anlage 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB. Verwendet der Darlehensgeber die gesetzlichen Muster, gilt die gesetzliche Vermutung, dass der Darlehensgeber seine vorvertraglichen Informationspflichten nach § 491a Abs. 1 BGB erfüllt hat. Handelt es sich bei dem Darlehensvertrag gleichzeitig um einen Vertrag, der außerhalb der Geschäftsräume oder im Fernabsatz abgeschlossen wurde, erfüllt der Darlehensgeber seine Pflichten nach § 312b Abs. 2 BGB, wenn er die Musterinformationen nach Art. 247 § 2 Abs. 2 und 3 EGBGB (Anlagen 4 und 5) verwendet und sie ordnungsgemäß ausgefüllt hat. Wird der Verbraucherdarlehensvertrag im Fernabsatz (§ 312c BGB) abgeschlossen, sind die zusätzlichen Informationen unter Abschnitt 5 bzw. Abschnitt 6 („Zusätzlich zu gebende Information beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen“) auszufüllen. Für die vorvertraglichen Informationen zu einem angebotenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag muss der Darlehensgeber das Europäische Standardisierte Merkblatt (ESIS-Merkblatt) in Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB verwenden. Auch hier genießt der Darlehensgeber die gesetzliche Vermutung der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner vorvertraglichen Informationspflichten, wenn er das Muster richtig und vollständig verwendet hat. Verwendet der Darlehensgeber dieses Muster, gelten gleichzeitig seine vorvertraglichen Informationspflichten nach § 312b Abs. 2 BGB als erfüllt, sollte der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume oder im Fernabsatz abgeschlossen worden sein2.
5.78
Hinsichtlich der äußeren Gestaltung besteht nur wenig Handlungsspielraum, was sich schon aus Art. 247 § 2 Abs. 2 Satz 3 Satz 2 EGBGB ergibt, der für diejenigen Fälle, in denen die Verwendung des Musters lediglich fakultativ ist, eine gleichartige Gestaltung und Hervorhebung der zu erteilenden Informationen vorschreibt. Die Muster gem. Anlagen 4 und 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB sind demnach insofern unverändert zu belassen, als die Darstellung in zwei Spalten und die Reihenfolge der einzelnen Informationen nicht verändert werden darf. Die Ergänzung des jeweiligen Musters mit einem Firmenlogo und der Produktbezeichnung ist aber unbedenklich. Auch können bei den Mustern gem. Anlagen 4 und 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB die zwischen dem ersten und dem zweiten Abschnitt
5.79
1 BT-Drucks. 18/5922, 111. 2 BT-Drucks. 18/5922, 112.
Merz/Wittig | 771
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
enthaltenen Bearbeitungshinweise ersatzlos gestrichen werden. Bei dem ESIS-Merkblatt (Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB) sind darüber hinaus die Gestaltungshinweise in den Vorbemerkungen zum Teil A und die Ausfüllhinweise im Teil B zu beachten. So wird erwartet, dass die Informationen in einem Dokument und in einer lesbaren Schriftgröße enthalten sind und zur Hervorhebung, insbesondere von Warnhinweisen, Fettdruck, Schattierung oder eine größere Schriftgröße verwendet werden.
5.80 Will der Darlehensgeber bei den Mustern gem. Anlagen 4 und 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB die
als freiwillig gekennzeichneten Angaben (Telefon, E-Mail, Fax und Internet-Adresse) nicht angeben, können diese auch in der linken Spalte weggelassen werden1. Das Gleiche gilt für solche Informationen, bei denen „falls zutreffend“ angegeben ist oder für den Abschnitt 5 bzw. 6, falls kein Fernabsatzgeschäft vorliegt. Es stellt für den Verbraucher keinen Mehrwert dar und beeinträchtigt auch nicht die Vergleichbarkeit mit anderen Angeboten, wenn die nicht zutreffenden Informationen insgesamt weggelassen werden. Vielmehr erhöht es die Transparenz und damit auch die Verständlichkeit, wenn irrelevante Informationen entfallen. Für das ESIS-Merkblatt wird dies in den Vorbemerkungen zum Teil A (Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB) ausdrücklich klargestellt. Nicht relevante Informationen sind zu streichen und die Nummerierung der einzelnen Abschnitte ist anzupassen.
5.81 Weitere Hinweise dürfen wegen der Regelung in Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB nicht in das
gesetzliche Muster integriert werden, sondern müssen hiervon räumlich getrennt erteilt werden. Anderenfalls dürfte das gesetzliche Muster nicht als ordnungsgemäß ausgefüllt gelten mit der Folge, dass die Gesetzlichkeitsfiktion gem. Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB nicht eingreift. Weitere Hinweise in diesem Sinne sind aber nur solche Angaben, die in keinem Zusammenhang mit den gesetzlichen Pflichtinformationen stehen. Erklärende Zusätze zu den Pflichtinformationen, wie beispielsweise der Hinweis auf die Bedeutung des Begriffes „Gesamtkreditbetrag“, können an der entsprechenden Stelle der Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite gem. Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB erteilt werden2. Denn der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung nur verhindern, dass freiwillige Informationen mit den gesetzlich vorgeschriebenen Informationen vermengt werden und damit nicht mehr voneinander unterschieden werden können3. Dem besseren Verständnis dienende Hinweise sollten durch die Regelung in Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB keinesfalls generell verhindert werden. Allerdings erscheint es ratsam, sich diesbezüglich auf ein Minimum zu beschränken und ausführlichere Informationen im Rahmen der Erläuterung zu erteilen. Zu den zusätzlichen Informationen, die getrennt von den vorvertraglichen Informationen im gesetzlichen Muster zur Verfügung zu stellen sind, zählen seit dem 1.7.2018 die Informationen bei Verwendung eines Referenzzinssatzes in Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 VO (EU) 2016/1011 (EU Benchmark Verordnung)4. Sie 1 Bei Angabe einer kostenpflichtigen Telefon-/Fax-Nummer sind ggf. die Vorgaben der §§ 66a ff. TKG zu beachten. 2 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 113. 3 BT-Drucks. 16/11643, 126. 4 Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (ABl. Nr. L 171 v. 29.6.2016, S. 1) („EU Benchmark Verordnung“). Diese Regelung ist mit dem Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz vom 6.6.2017 (BGBl. I 2016, 1495) verabschiedet worden und findet auf Verträge, die seit dem 1.7.2018 abgeschlossen werden, Anwendung.
772 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
sind auf einem gesonderten Dokument bereitzustellen und können den Europäischen Standardinformationen zu Verbraucherkrediten beigefügt werden. Der Darlehensgeber muss dabei über die Bezeichnung des Referenzwerts, den Namen des Administrators und die etwaigen Auswirkungen auf den Darlehensnehmer unterrichten (Art. 247 § 4 Abs. 3 EGBGB). Durch das Änderungsgesetz vom 24.7.20101 wurden u.a. die gesetzlichen Muster gem. Anlage 4 und 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB geändert2. Die darin vorgesehenen Änderungen gelten seit dem 30.7.20103. Für die Erfüllung der vorvertraglichen Information nach § 491a Abs. 1 BGB sah das Änderungsgesetz jedoch eine Übergangsregelung vor. Nach Art. 247 § 2 Abs. 4 Satz 3 EGBGB gilt bis zum 31.12.2010 die Verpflichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch dann als erfüllt, wenn die gesetzlichen Muster gem. Anlage 4 und 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB in der Fassung des Umsetzungsgesetzes vom 29.7.20094 übermittelt worden waren.
5.81a
3. Pflichtangaben bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 3 EGBGB) Art. 247 § 3 EGBGB zählt die Pflichtangaben auf, die in der vorvertraglichen Unterrichtung bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen enthalten sein müssen5.
5.82
a) Name und Anschrift des Darlehensgebers (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) Neben dem Namen (§ 12 BGB) ist die Anschrift des Darlehensgebers in der vorvertraglichen Information anzugeben, wobei die Angabe einer Postanschrift erforderlich ist, an die Schriftverkehr zugestellt werden kann. Die bloße Angabe einer Internetanschrift oder ein Postfach ist dagegen nicht ausreichend6.
5.83
b) Art des Darlehensvertrages (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) Mit dieser Anforderung ist sowohl die Vertragsart (z.B. Darlehensvertrag oder Leasingvertrag) als auch dessen nähere Ausgestaltung (z.B. befristetes Darlehen mit regelmäßiger Tilgung) gemeint, wobei eine kurze schlagwortartige Bezeichnung ohne weiter gehende Erläuterung grundsätzlich ausreicht7.
5.84
c) Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 EGBGB) In der vorvertraglichen Information ist der effektive Jahreszins anzugeben und anhand eines repräsentativen Beispiels zu erläutern. Auch bei einem Darlehen mit veränderlichen Bedingungen ist die Angabe des Jahreszinses als „effektiver Jahreszins“ zu bezeichnen. Diese Änderung entspricht der Verbraucherkreditrichtlinie, die ebenfalls ausschließlich 1 2 3 4 5
BGBl. I 2010, 977. Vgl. hierzu Rz. 5.4. Art. 6 des Änderungsgesetzes vom 24.7.2010, BGBl. I 2010, 977, 979. BGBl. I 2009, 2355. Zur möglichen Umsetzung in der Bankpraxis: Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 102 ff. 6 BT-Drucks. 16/11643, 123; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB Art. 247 Rz. 9. 7 BT-Drucks. 16/11643, 123; Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 491a BGB Rz. 15.
Merz/Wittig | 773
5.85
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
vom effektiven Jahreszins spricht. Dass der Begriff „anfänglich effektiver Jahreszins“ nicht weiter verwendet wird, ist für den Verbraucher allerdings nicht nachteilig. Denn bei einem Darlehen mit veränderlichen Bedingungen ist der Verbraucher über alle Kosten zu unterrichten, die während der Vertragslaufzeit angepasst werden können. Damit ist sichergestellt, dass der Verbraucher von dem Umstand, dass der effektive Jahreszins sich ändern kann, Kenntnis erlangt1.
5.86 Der effektive Jahreszins ist mit zwei Dezimalstellen anzugeben, was sich aus Ziff. I lit. d
Satz 1 der Anlage zu § 6 PAngV in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 24.7.20102 ergibt.
5.87 Die Berechnung des effektiven Jahreszinses richtet sich gem. Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 3
EGBGB nach § 6 PAngV3. Danach sind in die Berechnung neben den Zinsen alle sonstigen Kosten einschließlich etwaiger Vermittlungskosten, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag zu entrichten hat und die dem Darlehensgeber bekannt sind, einzubeziehen4 (§ 6 Abs. 3 Satz 1 PAngV). Zu den sonstigen Kosten gehören u.a. Disagio, Agio und Forward-Prämien, nicht aber Bereitstellungszinsen. Ausgenommen sind die in § 6 Abs. 4 Nr. 1 bis 5 PAngV aufgeführten Kosten. Zu regelmäßigen Diskussionen führen die Kosten für Zusatzleistungen (z.B. Restschuldversicherungen), die nur dann Teil der Gesamtkosten sind, wenn der Abschluss zwingende Voraussetzung dafür ist, dass das Darlehen überhaupt oder zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt wird (§ 6 Abs. 4 Nr. 2 PAngV). Seit dem 11.6.2010 trägt der Darlehensgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Zusatzleistung nicht verpflichtend war5. Die Prämien für eine Kapitallebensversicherung, mit deren Hilfe ein Verbraucherdarlehen am Ende der Vertragslaufzeit getilgt werden soll, sind bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses nicht in voller Höhe zu berücksichtigen6. Soweit in den Prämien Abschluss- und Verwaltungskosten enthalten sind und als solche ausgewiesen werden, sind diese bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses mit zu berücksichtigen, wenn der Darlehensgeber diese bei der Erstellung der vorvertraglichen Informationen kennt. Eine Nachforschungspflicht trifft den Darlehensgeber jedoch nicht.
5.88 Neben der Angabe des effektiven Jahreszinses ist in der vorvertraglichen Information auch
dessen Erläuterung anhand eines repräsentativen Beispiels erforderlich. Das repräsentative Beispiel gem. Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB ist nicht identisch mit dem in der Werbung gem. § 6a Abs. 4 PAngV7. Das Beispiel in der vorvertraglichen Information hat sich vielmehr an den vom Darlehensnehmer genannten Wünschen zu orientieren, damit dieser realistisch seine Gesamtbelastung einschätzen kann. Im Rahmen des Beispiels ist dem Darlehensnehmer u.a. mitzuteilen, welche Annahmen in die Berechnung eingeflossen sind8. 1 2 3 4 5 6 7 8
BT-Drucks. 16/11643, 81. BGBl. I 2010, 977. Zur Effektivzinsberechnung s. Wimmer in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 216 ff. Zur Berechnung des effektiven Jahreszinses bei der unechten Abschnittsfinanzierung s. Ady, WM 2010, 1305, 1307. BT-Drucks. 16/11643, 173; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 16; Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1068. BGH v. 10.10.2006 – XI ZR 265/05, WM 2007, 108; BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 29/05, WM 2006, 1008; zum Meinungsstand Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB Art. 247 Rz. 16. BT-Drucks. 16/11643, 125. Bei den Annahmen handelt es sich um die Vermutungen oder Folgerungen, mit denen die Platzhalter in der Gleichung zur Berechnung des effektiven Jahreszinses ausgefüllt werden, BT-Drucks. 16/11643, 128.
774 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
Dies dient dem Zweck, dass der Darlehensnehmer erkennen kann, ob sich der effektive Jahreszins unter Umständen erhöhen kann (Art. 247 § 3 Abs. 3 Satz 2 EGBGB)1. Ein besonderer Hinweis ist im Zusammenhang mit dem repräsentativen Beispiel nach Satz 3 erforderlich, wenn das Darlehen mehrere Auszahlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Kosten oder Sollzinssätzen vorsieht. Wird in den vorvertraglichen Informationen das finale Angebot des Darlehensgebers beschrieben, ist zu erwarten, dass die Angaben des effektiven Jahreszinses in den vorvertraglichen Informationen und in dem noch abzuschließenden Darlehensvertrag identisch sein; das repräsentative Beispiel ist in diesem Fall das für den Verbraucher konkrete Angebot, das der Darlehensgeber ihm unterbreitet. Weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung gibt es einen Hinweis darauf, wie das repräsentative Beispiel dargestellt werden muss, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Da die Wiedergabe der Berechnungsformel gem. der Anlage zu § 6 PAngV für den durchschnittlichen Verbraucher ohne Mehrwert ist, ist eine verständliche Darstellung der wesentlichen in die Berechnung einfließenden Beträge und Annahmen für ausreichend zu erachten2.
5.89
d) Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) Der Begriff des Nettodarlehensbetrages ist in Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 2 EGBGB definiert und entspricht dem Begriff „Gesamtkreditbetrag“ aus Art. 3 lit. l RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie). Nach der Legaldefinition ist der Nettodarlehensbetrag der Höchstbetrag, auf den der Darlehensnehmer auf Grund des Darlehensvertrages Anspruch hat. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dieser Betrag tatsächlich dem Darlehensnehmer zufließt3.
5.90
Bei der Ermittlung des Nettodarlehensbetrages stellt sich die Frage, ob und ggf. welche mitfinanzierten Kosten zu berücksichtigen sind4. Auf Grund der Definition könnte man die Auffassung vertreten, dass sämtliche mitfinanzierten Kosten bei der Ermittlung des Nettodarlehensbetrages einzubeziehen sind. Für diese Auffassung könnte das Argument herangezogen werden, dass der Darlehensnehmer auf solche Beträge einen Anspruch hat, die er zurückzahlen muss, da die Rückzahlungsverpflichtung quasi die Kehrseite des Auszahlungsanspruches ist5.
5.91
Gegen diese Auffassung sprechen jedoch die folgenden Überlegungen. Nach der Legaldefinition in Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB ist der Gesamtbetrag die Summe aus Nettodarlehensbetrag und Gesamtkosten. Jeder Betrag ist daher im Rahmen der Gesamtbetragsberechnung nur einmal zu erfassen und damit entweder dem Nettodarlehensbetrag oder den Gesamtkosten zuzuordnen. Die Berechnung der Gesamtkosten richtet sich wie die Berechnung des effektiven Jahreszinses nach § 6 PAngV, auf den in Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 3
5.92
1 Dies entspricht der Funktion des früheren „anfänglichen effektiven Jahreszinses“, den das Gesetz seit Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie nicht mehr vorsieht. 2 Zur Darstellung des repräsentativen Beispiels: Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 126. 3 BT-Drucks. 16/11643, 125. 4 Zum Meinungsstand: Godefroid, Verbraucherkreditverträge, Rz. 157. 5 Diese Auslegung müsste bei konsequenter Anwendung auch zu einem neuen Ergebnis bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses führen mit der Folge, dass mitfinanzierte Kreditkosten nicht mehr bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses berücksichtigt werden müssten. Dafür, dass der Richtliniengeber oder der Gesetzgeber ein derartiges Ergebnis gewollt haben kann, gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.
Merz/Wittig | 775
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
EGBGB verwiesen wird. Bezogen auf etwaig mitfinanzierte Kosten bedeutet dies, dass nur solche mitfinanzierten Kosten bei der Ermittlung des Nettodarlehensbetrages zu berücksichtigen sind, die zu den fünf Ausnahmetatbeständen des § 6 Abs. 4 PAngV gehören und damit bei der Ermittlung der Gesamtkosten außer Betracht bleiben. Denn nur mit dieser Auslegung wird ein Wertungswiderspruch zwischen den Definitionen Nettodarlehensbetrag sowie Gesamtkosten und der Berechnung des effektiven Jahreszinses vermieden. Der Begriff Nettodarlehensbetrag ist daher dahingehend auszulegen, dass sich dieser zusammensetzt aus der ausgezahlten Darlehensvaluta und denjenigen mitfinanzierten Kosten, die nicht zu den Gesamtkosten i.S.d. § 6 Abs. 4 PAngV gehören1. e) Sollzinssatz mit Angaben zur Anwendung und Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 EGBGB)
5.93 Der Sollzinssatz ist in § 489 Abs. 5 BGB legaldefiniert. Danach ist der Sollzinssatz der
gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Die Angabe des Sollzinssatzes als Monatszins, wie er früher bei Ratenkrediten häufig anzutreffen war, reicht daher nicht mehr aus. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn er für die gesamte Vertragslaufzeit oder für einen bestimmten Zeitraum (Zinsbindungsfrist) fest vereinbart ist. Der Sollzinssatz ist dagegen veränderlich, wenn er jederzeit nach den vereinbarten Bedingungen angepasst werden kann.
5.94 Die Angabe des Sollzinssatzes wird inhaltlich in Art. 247 § 3 Abs. 4 EGBGB konkretisiert.
Anzugeben sind die Bedingungen sowie der Zeitraum für seine Anwendung und die Art und Weise seiner Anpassung. Bei einem gewöhnlichen Ratenkredit dürfte die Angabe des Sollzinssatzes verbunden mit dem Zusatz „gebunden für die gesamte Vertragslaufzeit“ zur Erfüllung der vorvertraglichen Unterrichtungspflicht ausreichend sein. Bei Darlehen mit einem veränderlichen Sollzinssatz ist in der vorvertraglichen Information die genaue Wiedergabe einer etwaigen Zinsanpassungsklausel nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr die Mitteilung der Anpassungskriterien, da diese einen Vergleich mit anderen Angeboten ermöglicht und der exakte Wortlaut der Zinsanpassungsklausel dem Darlehensvertrag entnommen werden kann, dessen Entwurf der Darlehensnehmer vor Abschluss gem. § 491a Abs. 2 BGB verlangen kann2.
5.95 Unter „Anpassung“ ist das vertraglich vereinbarte einseitige Leistungsbestimmungsrecht
einer Vertragspartei zu verstehen, während der Begriff „Änderung“ die beiderseitig gewollte Inhaltsänderung bedeutet3. Wird die Anpassung des Sollzinssatzes von der Veränderung eines Index oder eines Referenzzinssatzes abhängig gemacht, ist dieser ebenfalls anzugeben4 (Art. 247 § 3 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). Der verwendete Referenzzinssatz oder Index muss den Anforderungen des § 492 Abs. 7 BGB genügen, d.h. objektiv, eindeutig bestimmt und für Darlehensgeber und Darlehensnehmer verfügbar und prüfbar sein.
Werden in einem Darlehensvertrag mehrere Sollzinssätze vereinbart, sind die in Art. 247 § 3 Abs. 4 Satz 3 und 4 EGBGB enthaltenen Vorgaben zu beachten. 1 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 116; Münscher in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 81 Rz. 80; a.A. Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB, Art. 247 EGBGB Rz. 16. 2 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 125. 3 BT-Drucks. 16/11643, 77. 4 Der Begriff des Referenzzinssatzes ist in § 675g Abs. 3 Satz 2 BGB definiert.
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Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
f) Vertragslaufzeit (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) Die Vertragslaufzeit erstreckt sich von dem Vertragsschluss bis zur vollständigen Rückführung des Darlehens und kann entweder in Form eines Laufzeitenddatums oder einer Laufzeitdauer angegeben werden. Die Angabe der Vertragslaufzeit bei befristeten Darlehensverträgen ist daher durch die Nennung des konkreten Datums, an dem der Vertrag endet, oder durch die Angabe der Vertragslaufzeit in Jahre oder Monate möglich. Denn für die Angabe nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB ist es ausreichend, dass der Zeitpunkt nach dem Kalender bestimmbar ist1. Bei einem unbefristeten Darlehen ist die Vertragslaufzeit als unbefristet einzutragen2.
5.96
g) Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB) Nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB ist die Angabe von Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen erforderlich3. Hinsichtlich der Fälligkeit ist es ausreichend, wenn sie auf einen nach dem Kalender bestimmbaren Zeitpunkt bezogen wird4.
5.97
h) Gesamtbetrag mit repräsentativem Beispiel (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 EGBGB) Der Gesamtbetrag ist nach der Legaldefinition in Art. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB die Summe aus Nettodarlehensbetrag und Gesamtkosten5. Der Gesamtbetrag drückt damit als Oberbegriff die Gesamtbelastung des Darlehensnehmers aus6. Der Gesamtbetrag ist zusammen mit dem effektiven Jahreszins anhand eines repräsentativen Beispiels zu erläutern (Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB).
5.98
i) Auszahlungsbedingungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB) Unter den Auszahlungsbedingungen sind die Bedingungen für die Inanspruchnahme des Darlehens zu verstehen. In der Praxis wird die Darlehensauszahlung häufig an bestimmte Bedingungen, wie die wirksame Bestellung der zu stellenden Sicherheiten oder die Einreichung der bei Vertragsschluss noch fehlenden Unterlagen (z.B. Gehaltsnachweise), geknüpft. Für die vorvertragliche Information ist es aber nicht erforderlich, dass die im Darlehensvertrag geregelten Auszahlungsbedingungen einzeln aufgeführt werden. Ausreichend ist bereits der Hinweis, dass die Inanspruchnahme des Darlehens an bestimmte Bedingungen geknüpft ist und dass diese im Darlehensvertrag festgelegt sind7.
5.99
Darüber hinaus ist anzugeben, ob das Darlehen nicht an den Darlehensnehmer selbst ausgezahlt wird, sondern an einen Dritten. Dieser Hinweis ist allerdings nicht bei jeder wei-
5.100
1 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491a BGB Rz. 9; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB, Art. 247 EGBGB Rz. 16. 2 BT-Drucks. 16/11643, 124. 3 Zur Angabepflicht der Anzahl der Tilgungsraten nach alter Rechtslage s. OLG Karlsruhe v. 27.10.1998 – 17 U 316/97, WM 1999, 222. 4 BT-Drucks. 16/11643, 124. 5 Die Hypothesen zur Berechnung des effektiven Jahreszinses sind auch zur Ermittlung des Gesamtbetrages heranzuziehen, Ady, WM 2010, 1305, 1308. 6 BT-Drucks. 16/11643, 125; zur Gesamtbetragsangabe bei endgültigen Darlehen s. BGH v. 20.1. 2009 – XI ZR 504/07, WM 2009, 506; BGH v. 19.2.2008 – XI ZR 23/07, WM 2008, 681. 7 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 117.
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sungsgemäßen Auszahlung des Darlehens an einen Dritten erforderlich, sondern nur dann, wenn das Darlehen auf Grund einer vom Darlehensgeber vorgegebenen Zweckbindung ganz oder teilweise an einen Dritten ausgezahlt wird. Hauptanwendungsfall dürfte die Absatzfinanzierung sein, bei der das Darlehen der Bezahlung eines Warenkaufes dient und die Valuta unmittelbar an den Händler ausgezahlt wird. j) Alle sonstigen Kosten mit Angaben zur Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB)
5.101
Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB verpflichtet zur Angabe sämtlicher Kosten, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Darlehen zu tragen hat. Es handelt sich sowohl um die Kosten, die vor Vertragsschluss entstehen, als auch um solche, die bei der Durchführung des Vertrages anfallen. Es sind aber nur solche Kosten anzugeben, die auf Grund des Darlehensvertrages entstehen1. Exemplarisch nennt das Gesetz die Kosten für die Auszahlung und die Kosten eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments2. Als Kosten i.S.d. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB sind u.a. weitere Kosten und Entgelte anzusehen, soweit sie nach der Rechtsprechung zulässig vereinbart werden können3. Laufzeitunabhängig ausgestaltete Kosten, wie einmalige Bearbeitungskosten4 oder Cap-Prämien5, die in allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden, fallen nach der Rechtsprechung des BGH nicht darunter. Auch laufzeitabhängige Kosten, wie Kontoführungsgebühren für Kreditkonten6, können nicht aufgrund von Formular-Verbraucherdarlehensverträgen verlangt werden.
5.102
Werden Kosten auf Grund einer separaten Vereinbarung geschuldet, ist Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB nicht anwendbar und eine Angabe dieser Kosten nur geboten, wenn dies an anderer Stelle ausdrücklich gesetzlich geregelt ist7. Fehlt es an einer solchen Regelung, ist nur bei verlangten Zusatzleistungen allgemein zu informieren (Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).
5.103
Fallen dagegen Kosten an, deren Höhe angepasst werden kann, sind die Bedingungen für eine Anpassung im Darlehensvertrag aufzuführen. Ein Anwendungsfall ist bei einem Rahmenkredit der Jahrespreis für die Kreditkarte, wenn die Kreditkarte das einzige Medium für die Darlehensinanspruchnahme ist (z.B. bei einer „Revolving-Credit-Card“)8. k) Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB)
5.104
Für die Angabe des Verzugszinssatzes ist es ausreichend, wenn dieser abstrakt (z.B. Basiszinssatz + 5 %-Punkte) und nicht konkret (z.B. 6,5 %) angegeben wird9. Für diese Aus1 Zur Angabepflicht von Kreditvermittlungskosten s. Rz. 5.143. 2 Der Begriff des Zahlungsauthentifizierungsinstruments wird in § 1 Abs. 5 ZAG definiert. 3 Zur Zulässigkeit von Bankentgelten: Nobbe, WM 2008, 185. Zur Schätzgebühr: OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – 6 U 17/09, WM 2010, 215. 4 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, WM 2014, 1325; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, WM 2014, 1224 (Privatkredite). 5 BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 790/16, BKR 2018, 333. 6 BGH v. 7.6.2011 – XI ZR 388/10, BKR 2011, 388; BGH v. 9.5.2017 – XI ZR 308/15, NJW 2017, 2538 (Bauspardarlehen). 7 Z.B. Kontoführungsgebühren gem. Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 EGBGB. 8 Vgl. Nr. 10 der Bedingungen für die Kreditkarten (Fassung 31.10.2009). 9 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB, Art. 247 EGBGB Rz. 16; offengelassen: Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3.
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Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
legung spricht, dass der Verzugszins auf diese Weise ermittelbar ist und dass zum Zeitpunkt der Aushändigung der vorvertraglichen Information noch nicht feststeht, ob im Falle eines Vertragsschlusses der Darlehensnehmer jemals in Verzug gerät1. Zudem sehen die gesetzlichen Muster gem. Anlage 4 und 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB anders als beim Sollzins und beim effektiven Jahreszins keine Prozentangabe vor. Hinsichtlich der Anpassungsmöglichkeiten ist es ausreichend, wenn darauf verwiesen wird, dass der Basiszinssatz von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt wird (§ 247 BGB). Die Notwendigkeit einer Angabe der Verzugskosten stellt sich nur, wenn der Darlehensgeber den Verzugsschaden nicht abstrakt, sondern konkret berechnet, denn neben der Berechnung des gesetzlichen Verzugszinses kann kein zusätzlicher Verzögerungsschaden verlangt werden (s. Rz. 5.313). l) Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB) Die Formulierung des Warnhinweises zu den Folgen ausbleibender Zahlungen ist im gesetzlichen Muster „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ gem. Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB vorgegeben, so dass es keiner Ergänzung bedarf.
5.105
m) Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB) Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber lediglich zur Angabe, ob ein Widerrufsrecht besteht. Inhaltliche Ausführungen zum Widerrufsrecht sind nur bei Fernabsatzverträgen erforderlich (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB).
5.106
n) Recht zur vorzeitigen Rückzahlung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB) Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber, den Darlehensnehmer über sein Recht zu informieren, das Darlehen jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig zurückzuzahlen (§ 500 Abs. 2 BGB). Die Unterrichtung über den Anspruch des Darlehensgebers auf eine Entschädigung und deren Berechnungsmethode, ist nur bei entsprechender Relevanz nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderlich.
5.107
o) Recht auf einen Vertragsentwurf (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 15 EGBGB) Das Recht des Darlehensnehmers auf einen Vertragsentwurf ist in § 491a Abs. 2 BGB geregelt. Danach besteht der Anspruch nur, wenn der Darlehensgeber zum Vertragsschluss bereit ist2.
5.108
p) Recht auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB) Nach § 30 Abs. 2 BDSG hat ein Darlehensgeber, wenn er den Abschluss eines Verbraucherdarlehens infolge einer Datenbankabfrage (z.B. bei der SCHUFA) ablehnt, den Ver1 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 82. 2 Der Hinweis auf dieses Recht ist im gesetzlichen Muster vorgegeben, so dass es keiner Ergänzung bedarf.
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5.109
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
braucher unverzüglich hierüber sowie über die erhaltene Auskunft zu unterrichten. Die Unterrichtung hat nur dann zu unterbleiben, wenn hierdurch die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist1. Der Anspruch des Verbrauchers richtet sich gegen den Darlehensgeber, er kann aber auch von der Stelle, die die Auskunft erteilt hat, erfüllt werden2. Die Unterrichtungspflicht, für die es keiner Aufforderung durch den Verbraucher bedarf, ist kostenlos und unverzüglich zu erfüllen. Ausreichend ist in diesem Zusammenhang, wenn die Auskunft unmittelbar nach der Ablehnung per Brief versandt wird. Erforderlich ist eine Unterrichtung aber nur, wenn der Vertragsschluss infolge einer Datenbankabfrage abgelehnt wird, was grundsätzlich nur bei Übermittlung von sog. harten Negativmerkmalen angenommen werden kann. Inhaltlich richtet sich der Anspruch des Verbrauchers nicht nur auf die bloße Unterrichtung über die erhaltene Auskunft, sondern umfasst auch eine Begründung3. Bei Vorliegen harter Negativmerkmale wird die Bank es aber bei dem Hinweis belassen können, dass bei Vorliegen eines solchen Merkmals der Abschluss eines Verbraucherdarlehens generell nicht in Betracht kommt. Mit § 30 Abs. 2 BDSG wird Art. 9 Abs. 1 und 2 der RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) umgesetzt. 4. Zusatzangaben bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 4 EGBGB)
5.110
Art. 247 § 4 EGBGB nennt weitere Angaben, die nicht bei allen Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen zwingend sind, sondern nur bei entsprechender Relevanz für den konkret ins Auge gefassten Darlehensvertrag4. a) Hinweis, dass der Darlehensnehmer die Notarkosten zu tragen hat (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB)
5.111
Erforderlich ist nur eine Angabe dem Grunde nach. Die Angabe eines konkreten Geldbetrages ist nicht notwendig. Begründet wird dies vom Gesetzgeber damit, dass die Nennung der gesetzlich vorgegebenen Notargebühren zwar möglich, aber wegen möglicher hinzukommender weiterer Kosten (z.B. Auslagen) nur begrenzt nützlich sei5. b) Vom Darlehensgeber verlangte Sicherheiten (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB)
5.112
Der Begriff „Sicherheiten“ ist in diesem Zusammenhang weit auszulegen (§ 232 BGB) und umfasst alle Gestaltungen, mit denen dem Darlehensgeber zusätzliche Ansprüche zustehen, wenn das Darlehen nicht zurückgezahlt wird6. Anders als in der korrespondierenden Vorschrift für den Darlehensvertrag (Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) ist die Angabe der verlangten Versicherungen nicht zwingend.
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Z.B. bei Verdacht auf BT-Drucks. 16/11643, BT-Drucks. 16/11643, BT-Drucks. 16/11643, BT-Drucks. 16/11643, BT-Drucks. 16/11643,
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Terrorismusfinanzierung oder Geldwäsche, BT-Drucks. 16/11643, 140. 140. 140. 126. 126. 126.
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
c) Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung und dessen Berechnungsmethode (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB verpflichtet zur Unterrichtung über den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung nebst Angabe der Art der Berechnungsmethode, wenn der Darlehensgeber bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens (§ 500 Abs. 2 BGB) eine Vorfälligkeitsentschädigung gem. § 502 BGB verlangt. Bei der Darlegung der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Festlegung auf eine bestimmte Berechnungsmethode und deren detaillierte Darstellung nicht erforderlich, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Darlehensgeber die Vorfälligkeitsentschädigung sowohl nach der Aktiv-Aktiv-Methode als auch nach der AktivPassiv-Methode berechnen1. Diese Möglichkeit besteht auch weiterhin, da weder der § 502 BGB noch die Verbraucherkreditrichtlinie eine bestimmte Berechnungsmethode vorschreiben2. Vor dem Hintergrund, dass das rechnerische Ergebnis sich im Regelfall nicht wesentlich unterscheidet, ist eine Festlegung auf eine bestimmte Berechnungsmethode auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht erforderlich. Hinsichtlich des Detaillierungsgrades dürfte eine kurze Umschreibung der wesentlichen Grundsätze für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung als ausreichend anzusehen sein, da eine allgemein verständliche Umschreibung der vom BGH aufgestellten Berechnungsgrundsätze kaum möglich ist3. Eine detaillierte Darstellung wäre auch nur begrenzt nützlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Berechnungsgrundsätze von der Rechtsprechung weiterentwickelt werden.
5.113
d) Bindungszeitraum (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber zur Mitteilung, ob und ggf. wie lange er sich an die Information gebunden fühlt. Eine Bindung mag zwar für den Darlehensnehmer sinnvoll sein, da sie einen Vergleich zwischen mehreren Angeboten erleichtert. Eine gesetzliche Verpflichtung hierzu gibt es jedoch nicht4.
5.114
5. Informationen bei besonderen Kommunikationsmitteln (Art. 247 § 5 EGBGB) Bei besonderen Vertriebsformen sieht das Gesetz in Art. 247 § 5 EGBGB unter bestimmten Voraussetzungen gewisse Erleichterungen bei der vorvertraglichen Information vor. Abweichend von den Regelungen in Art. 247 §§ 1–4 EGBGB kann nach dieser Vorschrift die vorvertragliche Information auch mündlich in reduziertem Umfang oder nachträglich erteilt werden. 1 BGH v. 20.12.2005 – XI ZR 66/05, WM 2006, 429 = WuB I E. 3.–1.06. (Merz); BGH v. 7.11. 2000 – XI ZR 27/00, WM 2001, 20; BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 197/96, WM 1997, 1799; BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747 = WuB I E. 3.–1.98 (von Heymann/Rösler); Rösler/ Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; Reifner, WM 2009, 1773; Rösler/Wimmer, WM 2005, 1873; Peters/Wehrt, WM 2003, 1509; von Heymann/Rösler, ZIP 2001, 441; Freitag, WM 2001, 2370; Rösler/Wimmer, WM 2000, 164. 2 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 132; a.A. Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 390; kritisch zur Begrenzung auf die Aktiv-Aktiv-Methode Freitag, ZIP 2008, 1102, 1107. 3 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB, Art. 247 EGBGB Rz. 20; Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3; Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 131. 4 BT-Drucks. 16/11643, 126; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB, Art 247 EGBGB Rz. 21.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.116
Voraussetzung ist allerdings, dass der Darlehensvertrag mittels Kommunikationsmitteln abgeschlossen wird, die keine Erteilung der vorvertragliche Information in der in Art. 247 §§ 1 und 2 EGBGB genannten Form gestatten. Dies ist insbesondere bei fernmündlicher Kommunikation der Fall. Wegen des grundsätzlichen Schriftformerfordernisses (§ 492 Abs. 1 BGB) erlangt diese Erleichterung in der Praxis jedoch nur Bedeutung, wenn das Gesetz ausnahmsweise keine Schriftform für den Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags vorsieht. Die Anwendung der Regelung des Art. 247 § 5 EGBGB kommt daher bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB und bei Teilzahlungsgeschäften im Fernabsatz (§ 507 Abs. 1 Satz 2 BGB) in Betracht.
5.117
Weitere Voraussetzung für die Anwendung des Art. 247 § 5 EGBGB ist, dass der Darlehensnehmer die Kommunikationsform frei gewählt hat. Die Initiative zum Vertragsschluss muss also vom Darlehensnehmer ausgehen und darf nicht vom Darlehensgeber provoziert worden sein1. Die bloße Zurverfügungstellung der besonderen Kommunikationsform stellt aber noch keine Provokation dar, die eine Anwendung des Art. 247 § 5 EGBGB ausschließt.
5.118
Als dritte Voraussetzung muss die vollständige vorvertragliche Information nach Art. 247 § 1 EGBGB unverzüglich (§ 121 BGB) nachgeholt werden. In zeitlicher Hinsicht bedeutet dies, dass die Unterrichtung auch nach Vertragsschluss erfolgen kann2. In inhaltlicher Hinsicht sind die Informationen gem. Art. 247 §§ 3 bis 5 und 8 bis 13 EGBGB zu erteilen. Die Verwendung des gesetzlichen Musters (Art. 247 § 2 EGBGB) dürfte auf Grund des Verweises allein auf Art. 247 § 1 EGBGB in diesen Fällen nicht zwingend erforderlich sein.
5.119
Für Telefongespräche schreibt Art. 247 § 5 Satz 2 EGBGB eine Konkretisierung der nach § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246b § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB erforderlichen Informationen über die wesentlichen Merkmale der angebotenen Dienstleistung vor. Danach muss die Beschreibung der wesentlichen Merkmale zumindest die folgenden Angaben enthalten: – Effektiver Jahreszins, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB – Gesamtbetrag, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB – Auszahlungsbedingungen, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB – Erläuterung des Gesamtbetrages und des effektiven Jahreszinses anhand eines repräsentativen Beispiels, Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB – Bedingungen für die Anwendung und Anpassung des Sollzinssatzes, Art. 247 § 3 Abs. 4 EGBGB. 1 Nach der Gesetzesbegründung kann auf Art. 247 § 5 EGBGB keine Reduzierung der Kommunikationspflicht gestützt werden, wenn der Darlehensgeber z.B. per telefonische Kurznachricht dem Darlehensnehmer ein Angebot für eine Überziehungsmöglichkeit unterbreitet, das dieser binnen kurzer Frist annehmen muss, BT-Drucks. 16/11643, 126. 2 BT-Drucks. 16/11643, 127.
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Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
Die vorstehende Aufzählung ist allerdings nicht abschließend, was vom Gesetzgeber durch das Wort „zumindest“ klargestellt wird. Der Darlehensgeber hat also die Möglichkeit, die Aufzählung durch weitere Einzelheiten zu ergänzen1.
5.120
Darüber hinaus hat der Darlehensgeber bei entsprechender Relevanz die folgenden gesetzlichen Erweiterungen und Einschränkungen zu beachten2. Bei eingeräumten Überziehungen i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB muss gem. Art. 247 § 10 Abs. 2 EGBGB die Beschreibung der wesentlichen Merkmale zumindest die Angabe des effektiven Jahreszinses mit repräsentativem Beispiel, des Nettodarlehensbetrages, des Sollzinssatzes nebst Bedingungen für dessen Anwendung sowie Anpassung und die Angabe aller sonstigen Kosten enthalten und auf eine etwaige Möglichkeit zur jederzeitigen Rückzahlungsaufforderung durch den Darlehensgeber hinweisen3. Die Pflicht zur Angabe des effektiven Jahreszinses entfällt nach Art. 247 § 10 Abs. 4 EGBGB, wenn es sich um eine eingeräumte Überziehung i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 EGBGB handelt. Die zweite abweichende Regelung existiert für Umschuldungen gem. § 495 Abs. 3 BGB. Bei Umschuldungen muss gem. Art. 247 § 11 Abs. 2 EGBGB die Beschreibung der wesentlichen Angaben zumindest die Angabe des effektiven Jahreszinses mit repräsentativem Beispiel, des Nettodarlehensbetrages, des Sollzinssatzes nebst Bedingungen für dessen Anwendung sowie Anpassung, der Vertragslaufzeit und die Angabe aller sonstigen Kosten enthalten. Eine ergänzende Regelung ist dagegen für verbundene Verträge vorgesehen. Neben den in Art. 247 § 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB normierten Angaben sind gem. Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGBGB zusätzlich die erworbene Ware bzw. die bezogene Dienstleistung sowie der Barzahlungspreis mitzuteilen.
5.121
Aber auch in den Fällen des Art. 247 § 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist eine vollständige Unterrichtung nach Satz 1 in jedem Fall nachzuholen4.
5.122
6. Besondere Angaben bei Zusatzleistungen (Art. 247 § 8 EGBGB) In Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB sind die Informationspflichten für solche Zusatzleistungen zusammengefasst, die der Darlehensgeber für das Zustandekommen eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrages zwingend verlangt. Ein Verlangen im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn das konkret angebotene Darlehen überhaupt oder nur zu den vorgesehenen Darlehenskonditionen gewährt wird, falls der Darlehensnehmer weitere Leistungen des Darlehensgebers in Anspruch nimmt oder gleichzeitig ein weiterer Vertrag abgeschlossen wird5. Kein Verlangen liegt demgegenüber vor, wenn der Darlehensnehmer die gleichen Darlehenskonditionen auch dann erhält, wenn er die angebotene Zusatzleistung nicht abschließt. Zwar ergibt sich diese Auslegung nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut des Art. 247 § 8 EGBGB, der allein auf den Abschluss des Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrages abstellt. Jedoch deckt sich dieses Verständnis mit der Darstellung im gesetzlichen Muster gem. Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB und mit der Regelung zur Berechnung des Effektivzinssatzes in § 6 Abs. 4 Nr. 2 PAngV. Denn sowohl in dem gesetzlichen Muster als 1 BT-Drucks. 16/11643, 127. 2 BT-Drucks. 16/11643, 127. 3 Nach Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. c EGBGB ist in der vorvertraglichen Information ein Hinweis erforderlich, dass der Darlehensnehmer jederzeit zur Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrages aufgefordert werden kann, falls ein entsprechendes Kündigungsrecht für den Darlehensgeber vereinbart werden soll. 4 BT-Drucks. 16/11643, 127. 5 BT-Drucks. 16/11643, 128.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
auch bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses bleiben Zusatzleistungen nur dann unberücksichtigt, wenn sie weder Voraussetzung für die Kreditvergabe noch Voraussetzung für die Kreditvergabe zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen sind.
5.124
Als Zusatzleistungen i.S.d. Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB zählt das Gesetz beispielhaft den Abschluss eines Versicherungsvertrages oder eines Girokontovertrages auf. Aber auch die sog. „Spar-/Kreditkombinationen“, bei denen der Darlehensnehmer Zahlungen leistet, die nicht der unmittelbaren Rückführung des Darlehens, sondern der Vermögensbildung dienen, mit dem das Darlehen am Ende der Laufzeit zurückgeführt werden soll, fallen in den Anwendungsbereich dieser Norm1.
5.125
Verlangt der Darlehensgeber zum Abschluss eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrages eine Zusatzleistung, ist dies zusammen mit den vorvertraglichen Informationen nach § 491a Abs. 1 BGB, Art. 247 § 2 EGBGB anzugeben, Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB. Eine weiter gehende Angabepflicht ist lediglich für den verlangten Abschluss eines (Giro-)kontovertrages vorgesehen. In diesem Fall sind in der vorvertraglichen Information gem. Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die Kontoführungsgebühren sowie die Bedingungen, unter denen sie angepasst werden können, mitzuteilen. Bei anderen obligatorischen Zusatzleistungen besteht dagegen keine Verpflichtung zur Nennung der mit der jeweiligen Zusatzleistung verbundenen Kosten. Das Gesetz sieht eine derartige Verpflichtung des Darlehensgebers nicht vor, da bei anderen Zusatzleistungen offen ist, ob diese beim Darlehensgeber abgeschlossen werden und ob der Darlehensgeber diese Kosten daher kennt2. Eine Angabepflicht besteht auch nicht nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, denn Art. 247 § 8 EGBGB stellt für Zusatzleistungen eine abschließende Sonderregelung dar.
5.126
Verpflichtet sich der Darlehensnehmer zur Vermögensbildung, muss nach Art. 247 § 8 Abs. 3 Satz 2 EGBGB aus der vorvertraglichen Information klar und verständlich hervorgehen, dass mit den Zahlungen während der Vertragslaufzeit keine Tilgung des Darlehens erfolgt und dass mit den Ansprüchen aus der Vermögensbildung die Tilgung des Darlehens nicht gewährleistet ist. Ein Hinweis auf das Risiko einer Deckungslücke3 ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn vertraglich vereinbart ist, dass durch die Vermögensbildung die vollständige Darlehensrückzahlung sichergestellt ist. Hauptanwendungsfall dürfte die Kombination aus Vorausdarlehen und Bausparvertrag sein, bei dem die Rückzahlung erst mit Zuteilungsreife erfolgt und damit gesichert ist. Diese Vorschrift ist auf alle Verbraucherdarlehensverträge i.S.v. § 491 Abs. 1 BGB anwendbar. 7. Abweichende Informationspflichten bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 1 EGBGB)
5.127
Der Inhalt der vorvertraglichen Informationspflichten für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 Abs. 3 BGB) ist in Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB unter Verweis auf das in Anlage 6 zu Art. 247 EGBGB vorliegende ESIS-Merkblatt abschließend geregelt. Sah das Gesetz bis zum Wirksamwerden des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie noch vor, dass sich die vorvertraglichen Informationen zum Immobiliardarlehensvertrag (i.S.v. § 503 BGB a.F.) auf die in Art. 247 § 9 EGBGB genannten Anga1 Zur Tilgungsaussetzung bei der Immobilienfinanzierung: Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23. 2 BT-Drucks. 16/11643, 129. 3 Das Risiko einer Deckungslücke hat grundsätzlich der Darlehensnehmer zu tragen, BGH v. 20.11.2007 – XI ZR 259/06, WM 2008, 121.
784 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
ben beschränkten, ergeben sich nun umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten zum Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag aus dem zwingend zu verwendenden ESIS – Merkblatt. Der Darlehensgeber ist gesetzlich verpflichtet, dieses Muster zu verwenden und darf vom Wortlaut nicht abweichen. Jedoch kann der Darlehensgeber dem Muster die von ihm verwendete Wort- und Bildmarke hinzufügen und darf eine andere Schriftart und Schriftgröße als das Muster verwenden, wobei die gewählte Schriftgröße „gut lesbar“ sein muss (Vorbemerkung zu Teil A des ESIS-Merkblatts, Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB). Die Anordnung der Informationen (Fließtext und nicht mehr Tabellenform) und ihre Reihenfolge muss der Darlehensgeber grundsätzlich einhalten. Abschnitte, soweit sie im konkreten Fall keine Relevanz haben, darf er streichen und die Nummerierung durch den Wegfall eines Abschnitts anpassen. Das ESIS-Merkblatt greift mit seinem Inhalt nicht auf die Inhalte der vorvertraglichen Informationspflichten bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag zurück, sondern folgt einer eigenen Logik. Insgesamt sind die vorvertraglichen Informationen in 15 Abschnitte unterteilt: Den vorvertraglichen Informationen sind Vorbemerkungen vorangestellt, in denen die Gültigkeitsdauer und die Unverbindlichkeit des Angebots festzuhalten sind. Anschließend folgen die weiteren Informationen: – Angaben zum Kreditgeber (Name, Telefon und Anschrift; weitere Angaben, z.B. EMail-Adresse, Kontaktperson/-stelle sind fakultativ). Hat der Kreditgeber das Angebot auf Basis einer Beratung i.S.d. § 511 BGB erstellt und stellt dieses gleichzeitig seine „Empfehlung“ dar, hat der Kreditgeber an dieser Stelle darauf hinzuweisen. – Unter Abschnitt 2 folgen die Angaben zu dem Kreditvermittler (Name, Telefon und Anschrift), wenn ein solcher eingeschaltet wurde. Auch hier ist der Hinweis aufzunehmen, ob das Angebot auf Basis einer Beratung durch den Kreditvermittler erstellt wurde und insoweit seine Empfehlung darstellt. Darüber hinaus ist der Verbraucher über die an den Kreditvermittler zu zahlende Vergütung zu informieren. Der Begriff der Vergütung ist einmal i.S.d. § 655c BGB zu verstehen, also einer Vergütung, die der Verbraucher dem Darlehensvermittler (§ 655a BGB) gegenüber direkt schuldet. Unter Vergütung sind darüber hinaus das Entgelt oder die sonstigen Anreize (Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EGBGB) anzugeben, die der Vermittler von einem Dritten, in der Regel von dem Darlehensgeber erhält. Erhält der Darlehensvermittler ein Entgelt von dem Darlehensgeber ist auch dessen Name anzugeben1. Der Begriff der Vergütung bzw. des Entgelts, das der Darlehensvermittler erhält, ist weit zu verstehen. Die dazu geschuldete Informationspflicht soll dazu dienen, dem Verbraucher offenzulegen, welches wirtschaftliche Interesse der Darlehensvermittler am Zustandekommen des Darlehensvertrags hat2. – Unter Abschnitt 3 sind die Hauptmerkmale des Kredits zusammenzufassen, wie Betrag und Währung, besondere Informationen, wenn die Kreditwährung von der Landeswährung des Kreditnehmers abweichen sollte, einschließlich bestimmter Warnhinweise, Vertragslaufzeit, Kreditart, Art des Sollzinses, zurückzuzahlender Gesamtbetrag mit dem 1 Teil B „Hinweise zum Ausfüllen des ESIS-Merkblatts“, Abschnitt 2 (4), Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB. 2 Münscher in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 655a BGB, Art. 247 EGBGB Rz. 15.
Merz/Wittig | 785
5.128
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
erläuternden Hinweis, welchen Betrag der Verbraucher für eine geliehene Währungseinheit zurückzahlen muss; Angabe des Betrags, wenn der Kreditvertrag endfällig ist und während der Laufzeit nicht oder nur teilweise getilgt wird; soweit für das Angebot der Schätzwert der Immobilie Relevanz hat, ist dieser ebenfalls anzugeben. Kann das Angebot zu den genannten Konditionen nur erstellt werden, wenn das zu stellende Grundpfandrecht eine bestimmte Beleihungsgrenze nicht überschreitet, dann ist diese Grenze zu nennen oder, wenn von Bedeutung, der Mindestwert der Immobilie. Auch die zu stellende Sicherheit muss unter den Hauptmerkmalen des Kreditvertrags erwähnt werden. – In Abschnitt 4 sind die Zinsen und andere Kosten aufzuführen. Dabei ist der effektive Jahreszins zu nennen und zu erläutern, aus welchen Zinsen und Kosten sich der effektive Jahreszins zusammensetzt. Handelt es sich bei dem Sollzinssatz um einen veränderlichen, muss dem Kreditnehmer an dieser Stelle mit einer Beispielrechnung verdeutlicht werden, wie hoch der effektive Jahreszins steigen kann, wenn sich der Sollzinssatz erhöht. Dabei ist auf den höchsten Zinssatz der vergangenen 20 Jahre zurückzugreifen, wie er sich aus der Bundesbankstatistik ergibt. Aus den Gestaltungshinweisen (Teil B Hinweise zum Ausfüllen des ESIS-Merkblatts, Abschnitt 4 (2)) ergibt sich, dass dies nicht gilt, wenn der Sollzinssatz am Anfang für mindestens fünf Jahre unveränderlich sein soll. Daraus folgt, dass bei anfänglichen Sollzinsbindungszeiträumen unterhalb von fünf Jahren der Sollzinssatz hinsichtlich der Informationspflichten wie ein veränderlicher Sollzins zu behandeln ist. – Unter Abschnitt 5 sind die Zahlungsintervalle der Ratenzahlungen und die Anzahl der Zahlungen anzugeben. – Abschnitt 6 befasst sich mit der Höhe der einzelnen Raten; hier sind der Betrag und die Währung zu nennen. Als festvorgegebene Information ist dem Verbraucher der Hinweis zu erteilen, dass diese Raten auch dann zu zahlen sind, wenn sich die Einkommenssituation des Verbrauchers ändern sollte. Handelt es sich um ein Fremdwährungsdarlehen muss der Kreditgeber dem Verbraucher mitteilen, wie sich die Rate durch die Währungsschwankungen verändern und damit die finanzielle Belastung für den Verbraucher steigen kann. – Abschnitt 7 sieht die Erteilung eines Tilgungsplans vor und bestimmt den genauen Inhalt des Tilgungsplans. – Unter Abschnitt 8 hat der Kreditgeber etwaig bestehende zusätzliche Auflagen zu nennen, von denen die Kreditvergabe ggf. abhängig gemacht werden kann. – Abschnitt 9 beschreibt die vorzeitige Rückzahlungsmöglichkeit und die möglicherweise zu zahlende Ablöseentschädigung (Vorfälligkeitsentschädigung) und verpflichtet den Darlehensgeber, hier zu erläutern, wie er die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet wird. Die Berechnungen muss der Darlehensgeber in einem anschaulichen Beispiel verdeutlichen. – Bestehen weitere Merkmale zu dem Kreditvertrag, hat der Kreditgeber diese unter dem Abschnitt 10 aufzunehmen und zu beschreiben. – Unter den sonstigen Rechten des Kreditnehmers (Abschnitt 11) sind die ggf. bestehende Bedenkzeit des Verbrauchers oder ein bestehendes Widerrufsrecht zu nennen. Für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, die dem deutschen Recht unterliegen, ist hier das Widerrufsrecht nach § 495 BGB zu erwähnen bzw. die Widerrufsinformation gem. Anlage 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB einzufügen. 786 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
– Dem Verbraucher ist die interne Beschwerdestelle des Kreditgebers zu nennen und die voraussichtliche Dauer für die Bearbeitung seiner Beschwerde (Abschnitt 12). Zusätzlich muss der Verbraucher darüber informiert werden, welche sonstigen außergerichtlichen Beschwerde- oder Schlichtungsstellen er ggf. ansprechen kann. – Der Verbraucher ist darüber zu informieren, welche Konsequenzen eintreten können, wenn er seinen vertraglichen Pflichten, insbesondere den Zahlungspflichten nicht nachkommen sollte (Abschnitt 13). – Unter Abschnitt 14 ist der Hinweis aufzunehmen, welche Sprache angewendet und welchem Recht der Darlehensvertrag unterliegen wird. Mit Zustimmung des Verbrauchers können die Sprache, in der die vorvertraglichen Informationen gefasst sind, und die Sprache während der Vertragslaufzeit voneinander abweichen. – Zum Schluss ist die Aufsichtsbehörde des Kreditgebers und ggf. des Kreditvermittlers zu nennen (Abschnitt 15).
5.129–5.130
Einstweilen frei.
8. Abweichende Informationspflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 10 EGBGB) Bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB sind gem. Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB in der vorvertraglichen Information abweichend von der Regelung in Art. 247 §§ 3 und 4 EGBGB nur folgende Angaben erforderlich: – Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 EGBGB1 – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB - Vertragslaufzeit, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Alle sonstigen Kosten mit Angabe zur Anpassung, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB – Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB – Recht auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB 1 Bei einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB ist die Angabe des effektiven Jahreszinses jedoch entbehrlich (Art. 247 § 10 Abs. 3 EGBGB). Die Pflicht zur Erläuterung des effektiven Jahreszinses anhand eines repräsentativen Beispiels (Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB) wurde erst durch das Änderungsgesetz vom 24.7.2010 eingeführt (BGBl. I 2010, 977). Die Ergänzung dient der vollständigen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 6 Abs. 1 lit. f RL 2008/48/EG), womit ein bestehendes Redaktionsversehen berichtigt wird, BT-Drucks. 17/1394, 22.
Merz/Wittig | 787
5.131
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
– ggf. Bindungszeitraum, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Bedingungen zur Beendigung des Darlehensverhältnisses, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. b EGBGB – Hinweis, dass der Darlehensnehmer jederzeit zur Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrages aufgefordert werden kann, falls ein entsprechendes Kündigungsrecht vereinbart werden soll, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. c EGBGB.
5.132
Art. 247 § 10 Abs. 1 EGBGB enthält nur eine abschließende Sonderregelung zu den Regelungen in Art. 247 §§ 3 und 4 EGBGB, d.h. die vorvertraglichen Informationspflichten nach den übrigen Vorschriften (Art. 247 §§ 8, 12 und 13 EGBGB) bleiben bestehen1. Auch bei dieser Darlehensform bleibt es dem Darlehensgeber unbenommen, freiwillig über den Pflichtenkatalog hinausgehende Angaben (z.B. nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB) zu erteilen2. Diese freiwilligen Angaben müssen aber räumlich getrennt von den Pflichtangaben erfolgen (Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB). Anderenfalls dürfte das gesetzliche Muster als nicht ordnungsgemäß ausgefüllt gelten mit der Folge, dass die Gesetzlichkeitsfiktion gem. Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB nicht eingreift. Denn der in Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB geregelte Grundsatz gilt auch ohne ausdrücklichen Verweis für sämtliche Darlehensformen3.
5.133
Sofern der Darlehensnehmer für die Vertragsanbahnung besondere Kommunikationsmittel i.S.d. Art. 247 § 5 EGBGB wählt, muss die Beschreibung der wesentlichen Merkmale nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB zumindest die Angaben nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 bis 5, 10, Abs. 3 und 4 sowie nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. c EGBGB enthalten4.
5.134
Bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten gem. § 504 Abs. 2 BGB besteht keine Rechtspflicht zur Verwendung des gesetzlichen Musters gem. Anlage 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB („Europäische Verbraucherkreditinformationen bei Überziehungskrediten“). Verwendet der Darlehensgeber dieses Muster und ist es ordnungsgemäß ausgefüllt, gilt mit dessen Übermittlung die Verpflichtung zur Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch im Fernabsatz als erfüllt (Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB). In den Fällen, in denen das Muster nicht verwendet wird, schreibt Art. 247 § 2 Abs. 3Satz 2 EGBGB eine gleichartige Gestaltung und Hervorhebung der zu erteilenden Informationen vor5.
1 Die Aufnahme von Art. 247 § 4 EGBGB ist erst durch das Änderungsgesetz vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) erfolgt. Mit dieser Ergänzung soll klargestellt werden, dass bei den vorvertraglichen Informationen auch hinsichtlich dieser Vorschrift in Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EGBGB eine abweichende Regelung getroffen wird und insoweit keine Hinweispflicht nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EGBGB besteht; BT-Drucks. 17/1394, 22 und BT-Drucks. 16/ 11643, 130; Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105, 106. 2 BT-Drucks. 17/1394, 22. 3 Für Immobiliardarlehensverträge i.S.d. § 503 BGB in der damaligen Fassung enthielt die Gesetzesbegründung einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis, BT-Drucks. 16/11643, 130. 4 Durch das Änderungsgesetz vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) wurde der Inhalt für die Beschreibung der wesentlichen Merkmale um die Pflicht zur Angabe aller sonstiger Kosten sowie die Bedingungen für deren Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) und um die Pflicht zur Erläuterung des effektiven Jahreszinses anhand eines repräsentativen Beispiels (Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB) erweitert. Die Ergänzung dient der vollständigen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 6 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2e und f RL 2008/48/EG), womit ein bestehendes Redaktionsversehen berichtigt wurde, BT-Drucks. 17/1394, 22. 5 Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105, 107.
788 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
9. Abweichende Informationspflichten bei Umschuldungen (Art. 247 § 11 EGBGB) Bei Umschuldungen i.S.d. § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB sind gem. Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB in der vorvertraglichen Information abweichend von den Regelungen in Art. 247 §§ 3 und 4 EGBGB nur folgende Angaben erforderlich:
5.135
– Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 EGBGB – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB – Alle sonstigen Kosten mit Angabe zur Anpassung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB – Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB – Recht zur vorzeitigen Rückzahlung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB – Recht auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB – Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung und dessen Berechnungsmethode Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. b i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – Bedingungen zur Beendigung des Darlehensverhältnisses, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. c i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. b EGBGB – Ggf. Bindungszeitraum, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. d i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB. Art. 247 § 11 Abs. 1 EGBGB enthält nur eine abschließende Sonderregelung zu den Regelungen in Art. 247 §§ 3 und 4 EGBGB, d.h. die vorvertraglichen Informationspflichten nach den übrigen Vorschriften (Art. 247 §§ 8, 12 und 13 EGBGB) bleiben bestehen1. Auch bei dieser Darlehensform bleibt es dem Darlehensgeber unbenommen, freiwillig über den Pflichtenkatalog hinausgehende Angaben (z.B. nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EGBGB) zu erteilen2. Diese freiwilligen Angaben müssen aber räumlich getrennt von den Pflicht1 Die Aufnahme von Art. 247 § 4 EGBGB ist erst durch das Änderungsgesetz vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) erfolgt. Mit dieser Ergänzung wurde klargestellt, dass bei den vorvertraglichen Informationen auch hinsichtlich dieser Vorschrift in Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB eine abweichende Regelung getroffen wird und insoweit keine Hinweispflicht nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EGBGB besteht; BT-Drucks. 17/1394, 22 und BT-Drucks. 16/11643, 131. 2 BT-Drucks. 17/1394, 23.
Merz/Wittig | 789
5.136
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
angaben erfolgen (Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB). Anderenfalls dürfte das gesetzliche Muster als nicht ordnungsgemäß ausgefüllt gelten mit der Folge, dass die Gesetzlichkeitsfiktion gem. Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB nicht eingreift. Denn der in Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB geregelte Grundsatz gilt auch ohne ausdrücklichen Verweis für sämtliche Darlehensformen1.
5.137
Sofern der Darlehensnehmer für die Vertragsanbahnung besondere Kommunikationsmittel i.S.d. Art. 247 § 5 EGBGB wählt, muss die Beschreibung der wesentlichen Merkmale nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB zumindest die Angaben nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 bis 6, 10, sowie Abs. 3 und 4 EGBGB enthalten2.
5.138
Bei Umschuldungen gem. § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB besteht keine Rechtspflicht zur Verwendung des gesetzlichen Musters gem. Anlage 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB („Europäische Verbraucherkreditinformationen bei Umschuldungen“). Verwendet der Darlehensgeber dieses Muster und ist es ordnungsgemäß ausgefüllt, gilt mit dessen Übermittlung die Verpflichtung zur Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch im Fernabsatz als erfüllt (Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB). In den Fällen, in denen das Muster nicht verwendet wird, schreibt Art. 247 § 2 Abs. 2 Satz 3 EGBGB eine gleichartige Gestaltung und Hervorhebung der zu erteilenden Informationen vor.
5.139
In Art. 247 § 11 Abs. 3 EGBGB wird das Verhältnis von Art. 247 § 11 EGBGB zu Art. 247 § 10 EGBGB geregelt. Wird eine Umschuldung in der Form einer Überziehungsmöglichkeit vereinbart, gehen die Regeln des Art. 247 § 10 EGBGB vor. 10. Besondere Angaben bei verbundenen Verträgen (Art. 247 § 12 EGBGB)
5.140
Bei verbundenen Verträgen i.S.d. § 358 BGB3 müssen in der vorvertraglichen Information zum Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag auch der finanzierte Gegenstand und der Barzahlungspreis angegeben werden (Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGBGB)4. Hinsichtlich der Bezeichnung des finanzierten Gegenstandes ist eine genaue Spezifizierung nach Hersteller oder Modell allerdings nicht erforderlich, sondern die Angabe einer Gattungsbezeichnung (z.B. „Elektrogerät“ oder „Restkreditversicherung“5) ausreichend6. Als Barzahlungspreis ist der (Kauf-)Preis anzugeben, den der Verbraucher zu entrichten hätte, wenn die Zahlungsverpflichtung aus dem finanzierten Vertrag bei Abschluss in voller 1 Für die Immobiliardarlehensverträge nach § 503 BGB in der damaligen Fassung enthielt die Gesetzesbegründung einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis, BT-Drucks. 16/11643, 130. 2 Durch das Änderungsgesetz vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) wurde der Inhalt für die Beschreibung der wesentlichen Merkmale um die Pflicht zur Angabe aller sonstiger Kosten sowie die Bedingungen für deren Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) erweitert. Die Ergänzung dient der vollständigen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 6 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2e RL 2008/48/EG), womit ein bestehendes Redaktionsversehen berichtigt wurde, BT-Drucks. 17/1394, 23. 3 Zu verbundenen Verträgen: Rz. 5.351. 4 Art. 247 § 12 EGBGB findet auch auf Verträge über entgeltliche Finanzierungshilfe i.S.d. § 506 Abs. 1 BGB Anwendung. 5 Nach einer Entscheidung des BGH können Ratenkredit und Restkreditversicherung verbundene Verträge darstellen, BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 09/09, BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, WM 2010, 166; OLG Schleswig v. 17.3.2010 – 5 U 2/10, WM 2010, 1074; Schürnbrand, ZBB 2010, 123; Heinig, VersR 2010, 863; Knops, ZIP 2010, 1265; Mülbert/Wilhelm, WM 2009, 2241; Freitag, ZIP 2009, 1297. 6 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 122.
790 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
Höhe fällig wäre1. Im Falle einer Teilfinanzierung bleibt die zu leistende Anzahlung bei der Angabe des Barzahlungspreises also unberücksichtigt2. Art. 247 § 12 Abs. 1 EGBGB ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB anwendbar, d.h. wenn der finanzierte Vertragsgegenstand zwar nicht mit dem Darlehen verbunden, aber im Darlehensvertrag konkret bezeichnet ist3. In diesem Fall ist zusätzlich zu der bereits vorhandenen konkreten Bezeichnung des finanzierten Vertragsgegenstandes noch die Angabe des Barzahlungspreises notwendig. Für die Annahme des § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine Identifizierbarkeit des Vertragsgegenstandes erforderlich, was bei einer bloßen Typenbeschreibung noch nicht der Fall ist4. Die vom Gesetzgeber exemplarisch beschriebene Situation, dass der Vertragsgegenstand zwar im Darlehensvertrag genau bezeichnet ist, der Darlehensnehmer sich aber erst nach Abschluss des Darlehensvertrages für einen bestimmten Vertragspartner entscheidet, der den genannten Vertragsgegenstand liefert, dürfte in der Praxis nur selten vorkommen5. Auf Grund des eindeutigen Wortlautes ist Art. 247 § 12 EGBGB allerdings nicht einschlägig, wenn ein Fall des § 360 Abs. 1 BGB i.V.m. § 360 Abs. 2 Satz 1 BGB vorliegt. Eine entsprechende Anwendung scheidet schon deshalb aus, da Art. 247 § 8 EGBGB eine abschließende Sonderregelung für Zusatzleistungen enthält.
5.141
11. Besondere Angaben bei vermittelten Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 13, § 13a und § 13b EGBGB) Bei vermittelten Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen6 ist gem. Art. 247 § 13a EGBGB der Name (§ 12 BGB) und die Anschrift des Darlehensvermittlers in der vorvertraglichen Information anzugeben. Wie bei der Angabe des Darlehensgebers ist eine Postanschrift erforderlich, an die Schriftverkehr zugestellt werden kann. Die bloße Angabe einer Internetanschrift ist nicht ausreichend7.
5.142
Das Entgelt für die Darlehensvermittlung, das der Verbraucher oder ein Dritter an den Darlehensvermittler zahlt, ist dagegen nicht in der vorvertraglichen Information zum Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag anzugeben. Eine entsprechenden Angabepflicht ist in Art. 247 § 13a Abs. 1 EGBGB nicht vorgesehen und ergibt sich auch nicht aus Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, da Art. 247 § 13a Abs. 1 EGBGB diesbezüglich eine abschließende Sonderregelung für die Darlehensvermittlung darstellt. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass der Verbraucher über die von ihm oder einem Dritten an den Darlehensvermittler zu zahlende Vermittlungsprovision bereits vom Darlehensvermittler vorab unterrichtet wird (Art. 247 § 13 Abs. 2 EGBGB), so dass eine erneute Unterrichtung durch den Darlehensgeber von Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen nicht geboten ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Darlehensgeber das von ihm an den Darlehensvermittler zu zahlende Entgelt nicht aus der eigenen Marge nimmt, sondern dem Darlehensnehmer zusätzlich als Vergütung i.S.d. § 655c BGB in Rechnung stellt. In diesem Fall sind die Kosten für die Darlehensvermittlung als sonstige Kosten i.S.d. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB anzusehen und entsprechend in der vorvertraglichen Information anzugeben.
5.143
1 2 3 4 5 6 7
BT-Drucks. 16/11643, 218. Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 122. Zum Erfordernis der Finanzierung s. Rz. 5.361. BT-Drucks. 16/11643, 73. BT-Drucks. 16/11643, 73. Zur Darlehensvermittlung s. Rz. 5.410. BT-Drucks. 16/11643, 123; Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 110.
Merz/Wittig | 791
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.144
Unabhängig von der gesetzlich geregelten vorvertraglichen Informationspflicht muss die Bank den Verbraucher vor Abschluss des Darlehensvertrages über Zahlung einer Vermittlungsprovision an den Darlehensvermittler aufklären, wenn die Bank ähnlich einem Vermögensverwalter die Wahrnehmung der Interessen des Verbrauchers als Hauptleistungspflicht schuldet1.
5.144a Anders verhält es sich bei der Vermittlung von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen. Bei diesen legt Art. 247 § 13b EGBGB besondere, vor dem Beginn der Vermittlung zu erbringende Informationspflichten des Darlehensvermittlers fest: neben seinen personenbezogenen Daten, wie Name, Anschrift, Zulassung und Register (§ 34i GewO), muss er darüber informieren, mit welchen Darlehensgebern er auf welche Weise (als gebundener oder ausschließlich für einen oder mehrere Darlehensgeber tätiger Vermittler) zusammenarbeitet, ob er Beratungsleistungen anbietet, eine Vergütung für seine Darlehensvermittlung erhält und wie sich diese ggf. berechnet, ob er eine Provision von Dritten bzw. dem Darlehensgeber erhält, an den er den Kreditnehmer vermittelt und welche Beschwerdeverfahren (intern) bestehen und ob ein Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren besteht.
Diese Vorschrift geht auf Art. 15 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienrichtlinie) zurück. Ziel dieser Vorschrift ist insbesondere die Pflicht zur Offenlegung einer von dritter Seite in Aussicht gestellten Provision, um dem Verbraucher bereits im Vorfeld der Vermittlung einen möglichen Interessenkonflikt offenzulegen2.
II. Vertragsentwurf (§ 491a Abs. 2 BGB) 5.145
Nach § 491a Abs. 2 BGB hat der Verbraucher das Recht auf einen Vertragsentwurf, sofern der Darlehensgeber zum Abschluss des Darlehensvertrages bereit ist. Ob diese Bereitschaft des Darlehensgebers zum Zeitpunkt der Anforderung eines Vertragsentwurfes vorliegt, ist nach den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen. Hat sich der Darlehensgeber gem. Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB an die vorvertraglichen Informationen gebunden, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass er auch zum Vertragsschluss bereit ist. Denn eine Bindung an die Darlehenskonditionen ist nicht mit einer positiven Kreditentscheidung gleichzusetzen, sondern steht häufig noch unter dem Vorbehalt einer positiv ausfallenden Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 505a BGB).
5.146
Die Verpflichtung zur Aushändigung eines Vertragsentwurfes, der den beabsichtigten Vertragsinhalt wiedergeben soll, besteht im Gegensatz zu den beiden anderen vorvertraglichen Informationspflichten nur auf Verlangen des Darlehensnehmers3. Der Anspruch erlischt mit Wegfall der Bereitschaft zum Vertragsschluss, spätestens aber mit Abschluss des Darlehensvertrages. Für die Aushändigung des Vertragsentwurfes bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 491a Abs. 2 BGB kann der Darlehensgeber kein Entgelt verlangen, da es sich um eine gesetzliche Verpflichtung handelt4. Vor diesem Zeitpunkt ist der Darlehensgeber hierzu allerdings nicht verpflichtet, so dass für eine Aushändigung ein Entgelt verlangt werden kann. 1 BGH v. 20.1.2004 – XI ZR 460/02, WM 2004, 521; BGH v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, WM 2004, 417; BGH v. 14.10.2003 – XI ZR 134/02, WM 2003, 2328. 2 BT-Drucks. 18/5922, 119. 3 BT-Drucks. 16/11643, 78. 4 Nobbe, WM 2008, 185; Habersack, WM 2008, 1857; Bitter ZIP 2008, 1095; Bitter, ZIP 2008, 2155.
792 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
III. Angemessene Erläuterung (§ 491a Abs. 3 BGB) Der Darlehensgeber ist gem. § 491a Abs. 3 BGB verpflichtet, dem Darlehensnehmer vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages angemessene Erläuterungen zu geben, damit dieser beurteilen kann, ob der angebotene Vertrag dem von ihm verfolgten Zweck und seinen Vermögensverhältnissen gerecht wird. Erläutern bedeutet, dass dem Darlehensnehmer der angebotene Vertrag und die Vertragsbedingungen verständlich gemacht werden müssen1. Die Pflicht zur Erläuterung geht auf Art. 5 Abs. 6 Satz 1 RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) und auf Art. 16 Abs. 1 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) zurück. Eine Verpflichtung gegenüber dem Darlehensnehmer, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit Blick auf das angebotene Darlehen zu prüfen und ihn aufzuklären, wenn sich ein Missverhältnis zwischen seinen finanziellen Verhältnissen und den Darlehensbelastungen ergibt, besteht jedoch weiterhin nicht aufgrund von § 491a Abs. 3 BGB2. Eine solche Verpflichtung des Darlehensgebers ergibt sich jedoch nunmehr aus dem seit dem 21.3.2016 geltenden § 505a BGB, wonach der Darlehensgeber einen Verbraucherdarlehensvertrag nicht abschließen darf, wenn er aufgrund der von ihm durchzuführenden Kreditwürdigkeitsprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass der Verbraucher nicht kreditwürdig ist. Die Feststellung der eigenen Leistungsfähigkeit obliegt daher nicht mehr nur dem Darlehensnehmer, der nach dem bis zum 21.3.2016 geltenden Recht allein die Risiken aus seiner eigenen Leistungsfähigkeit zu tragen hatte3. Der Darlehensgeber hat die Bewertung der Kreditwürdigkeit zu berücksichtigen, wenn diese eine Anpassung der gegebenen Erläuterungen erforderlich macht4.
5.147
Das Gesetz legt keinen Mindestinhalt für die Erläuterung fest, sondern führt in § 491a Abs. 3 Satz 2 BGB lediglich mögliche Inhalte der Erläuterung auf, wobei die Aufzählung nicht abschließend ist. Danach sind gegebenenfalls die vorvertraglichen Informationen gem. § 491a Abs. 1 BGB, die Hauptmerkmale der vom Darlehensgeber angebotenen Verträge sowie ihre vertragstypischen Auswirkungen auf den Darlehensnehmer, einschließlich der Folgen bei Zahlungsverzug5, zu erläutern. Die Erläuterungspflicht des § 491a Abs. 3 BGB bezieht sich ausschließlich auf den angebotenen Darlehensvertrag und ist als produktbezogene Erläuterungspflicht6 zu verstehen. Zur Prüfung der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit oder zur Aufklärung über Vor- und Nachteile des finanzierten Geschäfts ist der Darlehensgeber weiterhin nicht verpflichtet7.
5.148
Unter den Hauptmerkmalen eines Darlehensvertrages sind nicht nur die Hauptleistungspflichten, sondern auch die Besonderheiten zu subsumieren, die den angebotenen Vertrag von anderen Darlehensverträgen unterscheidet8. So gehört bei einer unechten Abschnittsfinanzierung als besonderes Charakteristikum insbesondere der Wechsel der Vertrags-
5.149
1 BT-Drucks. 18/5922, 80. 2 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 12.3.2002 – XI ZR 248/01, WM 2003, 1802. 3 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 12.3.2002 – XI ZR 248/01, WM 2003, 1802; zur neuen Rechtslage: Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 389. 4 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-449/13, ZIP 2015, 65 Rz. 45 – CA Consumer Finance. 5 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-449/13, ZIP 2015, 65 Rz. 41 – CA Consumer Finance. 6 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 491a BGB Rz. 63. 7 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 10.7.2007 – XI ZR 243/05, WM 2007, 1831; BGH v. 21.7.2003 – II ZR 387/02, WM 2003, 1762; zur neuen Rechtslage: BT-Drucks. 16/11643, 79; Hofmann, BKR 2010, 232, 236; Mehringer, BankPraktiker 2010, 570, 573; Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 638; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 389. 8 BT-Drucks. 16/11643, 79.
Merz/Wittig | 793
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
bedingungen nach Erreichen eines Zeitabschnitts zu den zu erläuternden Hauptmerkmalen1. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Darlehensgeber den Darlehensnehmer im Rahmen der Erläuterung auch auf mögliche Gestaltungsalternativen innerhalb des angebotenen Darlehensvertrages hinweisen2. Wird beispielsweise das angebotene Darlehen wahlweise mit oder ohne Restkreditversicherung angeboten, ist der Darlehensnehmer darauf hinzuweisen, dass der Abschluss der Restkreditversicherung optional ist. § 491a Abs. 3 BGB begründet aber darüber hinaus keine Verpflichtung des Darlehensgebers, dem Darlehensnehmer Gestaltungsalternativen in Form von anderen Darlehensprodukten aufzuzeigen3. Denn Ziel der Erläuterung ist nicht, dass der Darlehensnehmer einen für seine Bedürfnisse optimalen Darlehensvertrag angeboten bekommt, sondern dass der Darlehensnehmer in die Lage versetzt wird, selbständig darüber zu entscheiden, ob der angebotene Vertrag für ihn nützlich ist4. Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen, bei denen weitere Finanzdienstleistungen oder -produkte im Paket angeboten werden (z.B. bei zulässigen Kopplungsgeschäften, § 492b BGB, oder erlaubten Bündelungsgeschäften, § 492a Abs. 1 Satz 2 BGB), besteht zusätzlich die Pflicht, bestehende Kündigungsrechte und ihre Folgen bei deren Ausübung zu erläutern (§ 491a Abs. 3 BGB).
5.150
Zudem besteht auch keine Verpflichtung des Darlehensgebers, den Darlehensnehmer von sich aus auf mögliche Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der gewählten Kreditart hinzuweisen5. Denn es ist grundsätzlich Sache des Darlehensnehmers, selbst darüber zu befinden, welche der in Betracht kommenden Gestaltungsformen (Kreditarten) seinen wirtschaftlichen Verhältnissen am besten entspricht. Diese Entscheidung betrifft den Bereich der wirtschaftlichen Dispositionen, für die der Darlehensnehmer im Verhältnis zum Darlehensgeber im Allgemeinen das alleinige Risiko trägt6. Anders verhält es sich nur, wenn der Darlehensnehmer eine der Finanzierungsvarianten wegen fehlender Kapitaldienstfähigkeit voraussichtlich nicht wird erfüllen können. Denn dann hat der Darlehensgeber den Vertragsabschluss über eine vom Darlehensnehmer bevorzugte Kreditart wegen fehlender Kreditwürdigkeit abzulehnen (§ 505a BGB).
5.151
Mit vertragstypischen Auswirkungen sind vor allem die finanziellen Belastungen und die Haftungsrisiken des Darlehensnehmers gemeint7. Bei einer Koppelung eines endfälliges Darlehens mit einer Kapitallebensversicherung ist der Darlehensnehmer beispielsweise auf das Risiko hinzuweisen, dass möglicherweise die Ablaufleistung der Versicherung am Ende der Laufzeit nicht ausreichen wird, um das Darlehen vollständig zu tilgen8. Ebenso wird der Darlehensgeber bei einem Fremdwährungsdarlehen etwaig bestehende Währungsrisiken erläutern müssen9. Als Sonderfall der vertragstypischen Auswirkungen erwähnt das Gesetz die Folgen bei Zahlungsverzug. Ausreichend ist in diesem Zusammenhang, wenn der Darlehensgeber die Auswirkungen der Darlehensaufnahme und die Folgen ausbleibender oder verspäteter Zahlungen dem Darlehensnehmer in allgemeiner Form erläutert. Die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers können jedoch Anlass geben, die mit der 1 2 3 4 5 6 7 8
Ady, WM 2010, 1305, 1308. BT-Drucks. 16/11643, 79. A.A. Rott, WM 2008, 1104, 1009. BT-Drucks. 16/11643, 79; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 389. So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 20.1.2004 – XI ZR 460/02, WM 2004, 521. So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 1.12.1988 – III ZR 175/87, WM 1989, 165. BT-Drucks. 16/11643, 79. Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 638; zur früheren Rechtslage: BGH v. 20.1.2004 – XI ZR 460/02, WM 2004, 521; BGH v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, WM 2004, 417. 9 Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 638.
794 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
Darlehensaufnahme verbundenen Zahlungspflichten und die Folgen des Verzugs bezogen auf den konkreten Darlehensnehmer zu verdeutlichen, um dem Verbraucher das mit der Darlehensaufnahme verbundene persönliche Ausfallrisiko verständlich zu machen1. Bestehen erhebliche Zweifel oder gilt es als nicht wahrscheinlich, dass der Darlehensnehmer seine vertraglichen Pflichten während der Vertragslaufzeit erfüllen wird, darf der Darlehensvertrag aber nicht abgeschlossen werden, § 505a Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Erläuterung nach § 491a Abs. 3 BGB kann (fern-)mündlich, schriftlich oder kombiniert erfolgen. In zeitlicher Hinsicht muss sie vor Abschluss des Darlehensvertrages geleistet werden. Eine Pflicht zur Erläuterung besteht allerdings nicht, wenn kein Anlass dafür besteht. Dies ist der Fall, wenn der Darlehensnehmer alles verstanden hat2.
5.152
Da der Darlehensnehmer über den Darlehensvertrag und dessen Bedingungen im Wesentlichen schon durch die vorvertragliche Information nach § 491a Abs. 1 BGB aufgeklärt wird, wird sich der Darlehensgeber im Rahmen des § 491a Abs. 3 BGB regelmäßig auf die Erläuterung von juristischen Fachbegriffen oder von etwaigen spezifischen Besonderheiten beschränken können3. Der Umfang der Erläuterung hängt dabei von der Komplexität des angebotenen Darlehens und von der Verständnismöglichkeit des Darlehensnehmers ab. Bei intransparenten Finanzierungskonstruktionen oder bei kombinierten Finanzierungen ist der Darlehensnehmer durch ausreichende Information über die spezifischen Besonderheiten und die damit verbundenen Vor- und Nachteile in die Lage zu versetzen, selbst darüber zu entscheiden, ob der Abschluss des angebotenen Darlehensvertrages seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und Vorstellungen entspricht4. Erhöhte Anforderungen an die Erläuterung sind auch bei ungewöhnlichen Vertragsklauseln zu stellen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob standardisierte Erläuterungen ausreichen oder ob diese individualisiert die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers berücksichtigen müssen. Für die Möglichkeit einer standardisierten Erläuterung spricht, dass die Verbraucherkreditrichtlinie grenzüberschreitende Darlehen ausweiten und einen Binnenmarkt für Verbraucherdarlehen herstellen will. Diese Zielsetzung würde konterkariert, wenn zu hohe Anforderungen an den Individualisierungsgrad der Erläuterung gestellt würden, denn diese wären nur im Präsenzgeschäft erfüllbar. Eine standardisierte Erläuterung ist daher im Ergebnis als richtlinienkonform anzusehen5.
5.153
Hinsichtlich der Verständnismöglichkeit des Darlehensnehmers kann der Darlehensgeber die Erläuterungen grundsätzlich am Verständnis eines durchschnittlichen Darlehensnehmers ausrichten6. Der Darlehensgeber ist nicht verpflichtet, sich vor Erteilung der Erläuterung ein Bild vom Darlehensnehmer zu machen oder Nachforschungen über etwaige Informationsdefizite anzustellen7. Ist allerdings für den Darlehensgeber während der Vertragsanbahnung erkennbar, dass im konkreten Fall nicht von einem durchschnittlichen Verbrau-
5.154
1 2 3 4
Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB, Art. 247 EGBGB Rz. 44. BT-Drucks. 16/11643, 79; Hofmann, BKR 2010, 232, 234; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 389. Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 389. So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 23.10.2007 – XI ZR 167/05, WM 2008, 154; BGH v. 20.3.2007 – XI ZR 414/04, WM 2007, 876; BGH v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, WM 2006, 377; BGH v. 20.1.2004 – XI ZR 460/02, WM 2004, 521. 5 Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 639; Herresthal, WM 2009, 1174, 1179; a.A. Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1067; Kulke, VuR 2009, 373, 379; Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3; zweifelnd: Mehringer, BankPraktiker 2010, 570, 573. 6 BT-Drucks. 16/11643, 79. 7 Herresthal, WM 2009, 1774, 1180; Heße/Niederhofer, MDR 2010, 968, 972.
Merz/Wittig | 795
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
cher ausgegangen werden kann, sind weiter gehende Erläuterungen erforderlich. Der Umfang der geschuldeten Erläuterung findet aber dort seine Grenze, wo der Bereich der Angemessenheit verlassen wird1. Einen Erfolg schuldet der Darlehensgeber nicht, d.h. bei Vorliegen einer angemessenen Erläuterung kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob der Darlehensnehmer die gewünschte Vertragskonstruktion tatsächlich verstanden hat2. Denn die Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie lässt es auch zu, Vertragskonstruktionen zu wählen, deren Risiken nicht vollständig erfasst werden. Dieses Risiko gehört zu den allgemeinen Vertragsrisiken, die der Darlehensnehmer selbst zu tragen und die auch nicht durch die neu normierte Erläuterungspflicht auf den Darlehensgeber abgewälzt werden3.
5.155
Der Umfang der Verpflichtung zur Erläuterung nach § 491a Abs. 3 BGB entspricht damit im Ergebnis der von der Rechtsprechung entwickelten Aufklärungspflicht des Darlehensgebers, der die Rolle als Kreditgeber nicht überschreitet4. Die gesetzliche Verpflichtung zur Erläuterung ist einem Auskunftsvertrag gleichzusetzen und von einem Beratungsvertrag abzugrenzen, hinter der sie zurückbleibt5. Der Darlehensgeber hat den Darlehensnehmer daher vollständig, zutreffend und verständlich über den Darlehensvertrag und dessen Bedingungen zu informieren. Eine wertende Beurteilung des Darlehensvertrages und dessen Bedingungen im Hinblick auf die individuellen Verhältnisse des Kunden und die hierauf fußende Empfehlung eines bestimmten Finanzierungsverhaltens, also eine Beratung, schuldet der Darlehensgeber aus § 491a Abs. 3 BGB dagegen nicht. Voraussetzung für eine Verpflichtung des Darlehensgebers zu einer „darlehensnehmer- und darlehensgerechten Beratung“ ist vielmehr der Abschluss eines gesonderten Beratungsvertrages, der auch konkludent zustande kommen kann. Die Vertragsofferte liegt entweder in dem an den Darlehensgeber herangetragenen Beratungswunsch des Darlehensnehmers oder in der Kundenansprache durch die Bank. Die Annahme des Angebots erfolgt durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs6. Zur Beratungsleistung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (§ 511 BGB) s. Rz. 5.376 ff.
IV. Haftung bei vorvertraglichen Informationspflichtverletzungen 5.156
Eine ausdrückliche Sanktion für die Verletzung von vorvertraglichen Informationspflichten sieht das Gesetz nicht vor. Bei der Verpflichtung aus § 491a BGB handelt es sich aber 1 S. auch Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB, Art. 247 EGBGB Rz. 48. 2 A.A. Ady, WM 2010, 1305, 1308. 3 Zu den Vertragsrisiken bei Immobilienanlagen: von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 20; Merz/Rösler in HdB, Haftung bei Immobilienkapitalanlagen, Rz. 8310. 4 BT-Drucks, 16/11643, 78; zu den Aufklärungspflichten einer kreditgebenden Bank: von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 629; Merz/Rösler in HdB, Haftung bei Immobilienkapitalanlagen, Rz. 8310. 5 Zur Abgrenzung von Auskunfts- und Beratungsvertrag: BGH v. 5.3.2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739; BGH v. 25.10.2007 – III ZR 100/06, WM 2007, 2228; BGH v. 12.5.2005 – III ZR 413/ 04, WM 2005, 1219; zur neuen Rechtslage: BT-Drucks. 16/11643, 79; Mehringer, BankPraktiker 2010, 570, 573; Rühl, DStR 2009, 2256, 2261; Herresthal, WM 2009, 1174, 1180; Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 639; a.A. Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1066; Kulke, VuR 2009, 373, 379. 6 BGH v. 6.3.2008 – III ZR 298/05, WM 2008, 725; BGH v. 25.9.2007 – XI ZR 320/06, BKR 2008, 199; BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); zu den Beratungs- und Aufklärungspflichten der Kreditinstitute bei Kapitalanlagegeschäften: Clouth, Rechtsfragen der außerbörslichen Finanz-Derivate, 2001, S. 152 ff.
796 | Merz/Wittig
Allgemeine und vorvertragliche Informationspflichten | Teil 5
um eine echte Rechtspflicht, so dass bei ihrer Verletzung dem Darlehensnehmer gegen den Darlehensgeber oder den Darlehensvermittler Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB) zustehen kann1. Die Beweislast für die Verletzung von vorvertraglichen Informationspflichten und deren Kausalität trifft nach deutschem Recht grundsätzlich den Darlehensnehmer2. Nach der Rechtsprechung des EuGH obliegt es dagegen dem Darlehensgeber, Beweise für die Erfüllung der ihm obliegenden Informations- und Erläuterungspflichten zu sammeln und zu sichern3. Bei Verletzung einer der vorvertraglichen Informationspflichten aus § 491a BGB ist der Vertrauensschaden zu ersetzen, d.h. der Schaden, den der Darlehensnehmer dadurch erlitten hat, dass er auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben vertraut hat4. Der Darlehensnehmer ist daher nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) so zu stellen, wie er ohne Pflichtverletzung gestanden hätte5. Nach der Lebenserfahrung, die im konkreten Fall zu widerlegen Sache des Darlehensgebers ist, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Darlehensnehmer ohne diese Pflichtverletzung das Darlehen nicht aufgenommen hätte. Denn die vorvertragliche Information nach § 491a BGB soll dem Darlehensnehmer die Entscheidungsgrundlage dafür liefern, ob die Darlehensaufnahme in seiner Situation überhaupt sinnvoll ist. Der Darlehensnehmer hat in diesen Fällen einen vollständigen Rückabwicklungsanspruch6. Sofern der Darlehensnehmer die Valuta bereits empfangen hat, schuldet er die Rückzahlung des Darlehens. Daneben hat er für die Dauer der Darlehensüberlassung grundsätzlich den Vertragszins zu zahlen, es sei denn, der Darlehensnehmer kann den Nachweis führen, dass er bei ordnungsgemäßer Information den Vertrag nicht zu diesem Zinssatz abgeschlossen hätte7.
5.157
Etwas anderes gilt für die Fälle, bei denen die Informationspflichtverletzung lediglich spezifische Besonderheiten des angebotenen Darlehensvertrages betrifft. Eine etwa gegebene Pflichtverletzung des Darlehensgebers, die es unterlässt, den Darlehensnehmer ausreichend über die Nachteile einer intransparenten Finanzierungskonstruktion oder einer Finanzierung mittels Festkredit und Kapitallebensversicherung zu unterrichten, rechtfertigt keinen Anspruch des Darlehensnehmers auf vollständige Rückabwicklung des Darlehensvertrages, sondern nur einen Anspruch auf Ausgleich der Nachteile der spezifischen gegenüber einer herkömmlichen Finanzierung8. Denn eine Aufklärungspflichtverletzung führt grundsätzlich nur zum Ersatz des Schadens, dessen Eintritt die Einhaltung der Pflicht verhindern sollte. Da eine ausreichende Aufklärung über spezifische Besonderheiten eines Darlehens den Darlehensnehmer lediglich in die Lage versetzen soll, selbst darüber zu entscheiden, ob der Abschluss dieser Finanzierungsform seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und Vorstellungen entspricht, nicht aber die Entscheidungsgrundlage dafür liefern soll, ob die Darlehensaufnahme in seiner Situation überhaupt sinnvoll ist, besteht in derartigen Fällen lediglich ein Anspruch auf Ersatz der durch die gewählte Finanzierungsart entstandenen Mehrkosten.
5.158
1 2 3 4 5
Ady, WM 2010, 1305, 1309; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 386. Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 637. EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-449/13, ZIP 2015, 65 Rz. 30 – CA Consumer Finance. BGH v. 19.5.2006 – V ZR 264/05, WM 2006, 1536. BGH v. 12.5.2009 – XI ZR 586/07, WM 2009, 1274; BGH v. 23.10.2007 – XI ZR 167/05, WM 2008, 154; BGH v. 19.6.2007 – XI ZR 142/05, WM 2007, 1456; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 390. 6 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB, Art. 247 EGBGB Rz. 51. 7 Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 637. 8 BGH v. 24.4.2007 – XI ZR 340/05, WM 2007, 1257; BGH v. 20.3.2007 – XI ZR 414/04, WM 2007, 876.
Merz/Wittig | 797
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5. Abschnitt: Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§§ 505a ff. BGB und § 18a KWG) I. Zivilrechtliche und aufsichtsrechtliche Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung 5.159
Der Darlehensgeber ist nach § 505a BGB und § 18a Abs. 1 KWG verpflichtet, vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers zu prüfen. Bis zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie bestand bei allen Kreditverträgen eine Verpflichtung zur umfassenden Kreditwürdigkeitsprüfung nur bei Großkrediten über 750.000 €. Anlässlich der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie wurde mit § 18 Abs. 2 KWG a.F. eine Sonderregelung für Verbraucherdarlehensverträge eingeführt, wonach ein dem KWG unterliegendes Kreditinstitut die Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers unabhängig von der Darlehenshöhe vor der Darlehensgewährung prüfen musste. Damit hatte der deutsche Gesetzgeber Art. 8 RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) umgesetzt, diese Pflicht für Kreditinstitute aber weiterhin im Aufsichtsrecht verankert. Die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung nach § 18 Abs. 2 Satz 1 bis 4 KWG a.F. stand danach im ausschließlichen Interesse der Einleger und im öffentlichen Interesse1 und hatte keine drittschützende Wirkung für den Darlehensnehmer2. Für Darlehensgeber, die nicht gleichzeitig beaufsichtigtes Kreditinstitut waren, galt § 509 BGB a.F.
5.159a Mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie hat sich die Rechtslage geändert.
Seit dem 21.3.2016 besteht für Kreditinstitute als Darlehensgeber neben der aufsichtsrechtlichen Pflicht (§ 18a Abs. 1 bis 5 KWG) die zivilrechtliche, nunmehr auch dem Verbraucher gegenüber geschuldete Pflicht, vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers prüfen zu müssen (§ 505a BGB).
Der Gesetzgeber hat diese Pflicht des Darlehensgebers für alle Verbraucherdarlehensverträge im Bürgerlichen Gesetzbuch verortet und sah sich hierzu durch die Rechtsprechung des EuGH in der Sache „Le Crédit Lyonnais“3 veranlasst. Der EuGH hatte im Rahmen dieser Entscheidung festgestellt, dass die Pflicht des Darlehensgebers zur Kreditwürdigkeitsprüfung insoweit zur Verwirklichung der Ziele der Verbraucherkreditrichtlinie beitrage, als sie den Schutz der Verbraucher vor der Gefahr der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit bezwecke4. Obwohl die Verbraucherkreditrichtlinie und die Wohnimmobilienkreditrichtlinie den nationalen Gesetzgebern die Option offen halten, die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung zivilrechtlich oder aufsichtsrechtlich5 zu regeln, befand der deutsche Gesetzgeber, dass dieses Ziel am besten erreicht werden könne, wenn die Kreditwürdigkeitsprüfung sowohl als zivilrechtliches Individualrecht des Verbrauchers als auch als aufsichtsrechtliche Pflicht des Darlehensgebers, soweit es sich bei diesem um ein beaufsichtigtes Kreditinstitut handelt, ausgestaltet werde6. Der immer wiederkehrende Streit, ob § 18 KWG a.F. bzw. § 18 Abs. 2 1 2 3 4 5
BT-Drucks. 16/11643, 150. BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168, 188 Rz. 52 = WM 2014, 1224. EuGH v. 27.3.2014 – Rs. C-565/12 Rz. 42, ZIP 2014, 1873 – Le Crédit Lyonnais. EuGH v. 27.3.2014 – Rs. C-565/12 Rz. 42, ZIP 2014, 1873 – Le Crédit Lyonnais. Erwägungsgrund 83 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie), ABl. Nr. L 60 v. 28.2. 2014, S. 48. 6 BT-Drucks. 18/5922, 62 und 97.
798 | Merz/Wittig
Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§§ 505a ff. BGB und § 18a KWG) | Teil 5
KWG (Fassung bis zum 20.3.2016) als drittschützende Norm anzusehen seien, wurde damit endgültig beigelegt. Die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung trifft auch den Unternehmer, der dem Verbraucher mit einem unentgeltlichen Darlehen (sog. „Null-Prozent“-Finanzierungen) (§ 514 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder einer entgeltlichen (§ 510 BGB) oder unentgeltlichen Finanzierungshilfe (§ 515 BGB) zur Verfügung stehen will.
5.159b
Zudem wird die Pflicht zur Prüfung der Kreditwürdigkeit in § 505a Abs. 2 BGB auch auf bestehende Verbraucherdarlehensverhältnisse ausgedehnt1. So ist bei einer erheblichen Erhöhung des Nettodarlehensbetrages die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers neu zu bewerten, es sei denn, die für die Kreditvergabe ursächliche Kreditwürdigkeitsprüfung hatte den erhöhten Betrag bereits mit berücksichtigt (§ 505a Abs. 2 BGB). Für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge gilt, dass eine wesentliche Erhöhung in der Regel dann vorliegt, wenn das Darlehen um mehr als 10 % des ursprünglichen Nettodarlehensbetrags erhöht wird (§ 7 Abs. 1 ImmoKWPLV).
5.159c
Unter Kreditwürdigkeit ist grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit zu verstehen, mit der der Darlehensnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag voraussichtlich erfüllen wird2. Bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit sind bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen unterschiedliche Maßstäbe zu setzen3. Kommt der Darlehensgeber zu dem Ergebnis, dass der Darlehensnehmer nicht kreditwürdig ist, darf er den Darlehensvertrag nicht abschließen (§ 505a Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei diesem Verbot handelt es sich nicht um ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB. Wird der Darlehensvertrag trotz fehlender Kreditwürdigkeit geschlossen, ist der Vertrag wirksam, es treten aber die in § 505d BGB geregelten Sanktionen ein.
5.159d
II. Kreditwürdigkeitsprüfung bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 505b Abs. 1 BGB) Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung vor Abschluss eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags muss der Darlehensgeber zu dem Ergebnis kommen, dass keine erheblichen Zweifel daran bestehen, dass der Darlehensnehmer seine vertraglichen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag voraussichtlich erfüllen kann (§ 505a Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei der Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit kann der Darlehensgeber sich auf Auskünfte des Darlehensnehmers und ggs. auf Auskünfte Dritter, insbesondere Auskunfteien, die Daten zur Zahlungsfähigkeit eines Darlehensnehmers aufbereiten, oder bei bestehender Geschäftsbeziehung auf bereits vorhandene Kenntnisse über den Darlehensnehmer stützen4 (§ 505b Abs. 1 BGB). Auch eine Kombination dieser Informationsquellen ist zulässig. Unabhängig von der Art der Informationsquelle müssen die einzuholenden Informationen ausreichend sein5. Dies ist gegeben, wenn sie eine Kreditentscheidung auf fundierter Grundlage zulassen. Der genaue Umfang der einzuholenden Informationen ist gesetzlich 1 2 3 4
BT-Drucks. 16/11643, 144. BT-Drucks. 16/11643, 96. BT-Drucks. 18/5922, 98. BT-Drucks. 16/11643, 144; Herresthal, WM 2009, 1174, 1177; Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3; Rühl, DStR 2009, 2256, 2261; Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 639. 5 Herresthal, WM 2009, 1174, 1177.
Merz/Wittig | 799
5.160
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
nicht geregelt, sondern richtet sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls. Eine individualisierte Bonitätsprüfung ist nach § 505b Abs. 1 BGB i.V.m. § 18a Abs. 3 KWG bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen allerdings nicht erforderlich, vielmehr kann diese mittels standardisierter Verfahren durchgeführt werden1.
III. Kreditwürdigkeitsprüfung bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 505b Abs. 2 BGB) 5.161
Die Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung vor Abschluss eines ImmobiliarVerbraucherdarlehensvertrags sind im Vergleich zu den Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen höher2. Nach § 505a Abs. 1 Satz 2 BGB darf der Darlehensgeber den Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nur abschließen, wenn seine Kreditwürdigkeitsprüfung zu dem Ergebnis führt, dass es als wahrscheinlich gilt, dass der Verbraucher seinen vertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag voraussichtlich nachkommen wird. Aufgrund der Ermächtigungsgrundlagen von § 505e BGB und § 18a Abs. 11 KWG haben das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam die Verordnung zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung – ImmoKWPLV)3 erlassen, um den Darlehensgebern etwaige Unsicherheiten bei der Auslegung der rechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen zu nehmen4. 1. Anwendungsbereich der Leitlinienverordnung (ImmoKWPLV)
5.162
Die Leitlinienverordnung gilt ausschließlich für die Kreditwürdigkeitsprüfung vor Abschluss eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags und dient dazu, etwaige Unsicherheiten der Marktteilnehmer bei der Kreditwürdigkeitsprüfung zu beseitigen und die Versagung von Immobiliar-Verbraucherdarlehen aus reiner Vorsicht zu vermeiden. Sie soll nur dort Anwendung finden, wo eine Kreditwürdigkeitsprüfung vor Abschluss eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags nach § 505a Abs. 1 und 2 BGB oder § 18a Abs. 1 bis 5 KWG erforderlich ist. In den vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmen (§ 505 Abs. 3 Satz 1 BGB, § 18a Abs. 2a Satz 1 KWG) ist sie daher nicht anwendbar (§ 1 ImmoKWPLV).
5.162a Eine Kreditwürdigkeitsprüfung braucht nicht durchgeführt zu werden, wenn sich der
Nettodarlehensbetrag nicht wesentlich erhöht oder – bei einer wesentlichen Erhöhung – wenn die Erhöhung bereits bei der Kreditwürdigkeitsprüfung vor Abschluss des Vertrags Gegenstand der Prüfung war (§ 505a Abs. 2 BGB). Diese Ausnahme gilt für alle Verbraucherdarlehensverträge, wobei der Verordnungsgeber nur für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge die Grenze für eine wesentliche Erhöhung bei mehr als 10 % des ursprünglichen Nettodarlehensbetrags zieht (§ 7 Abs. 1 ImmoKWPLV). Allerdings galt bereits vor dem Inkrafttreten der ImmoKWPLV, dass eine wesentliche Erhöhung erst vorlag, wenn
1 2 3 4
Herresthal, WM 2009, 1174, 1177. Omlor, ZIP 2017, 112, 115. BGBl. I 2018, 529; Begründung im Bundesanzeiger BAnz AT 30.4.2018 B1. BAnz AT 30.4.2018 B1, S. 2.
800 | Merz/Wittig
Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§§ 505a ff. BGB und § 18a KWG) | Teil 5
der ursprüngliche Kreditbetrag um 10 % erhöht werden sollte1. Es darf angenommen werden, dass dies für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge auch weiterhin Gültigkeit hat. Die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung besteht nicht, wenn zwischen denselben Vertragsparteien ein Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag über eine Anschlussfinanzierung nach einem Finanzierungsabschnitt (§ 505a Abs. 3 Nr. 1 BGB) oder ein Umschuldungsdarlehensvertrag (§ 505a Abs. 3 Nr. 2 BGB) abgeschlossen werden soll2. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sind unter den Anschlussfinanzierungen nach § 505a Abs. 3 Nr. 1 BGB echte Abschnittsfinanzierungen zu verstehen, bei denen bei Abschluss des ursprünglichen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags den Vertragsparteien bereits bewusst ist, dass am Ende des Finanzierungsabschnitts eine höhere Restschuld verbleiben wird, für deren Rückführung der Verbraucher voraussichtlich weiteren Finanzierungsbedarf haben wird3. Unter der Voraussetzung, dass der Darlehensgeber bereits bei der Erstfinanzierung im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung die Wahrscheinlichkeit einer Anschlussfinanzierung positiv bejaht, soll eine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung bei Abschluss der Anschlussfinanzierung durch denselben Darlehensgeber unterbleiben können. § 4 Abs. 5 ImmoKWPLV gibt daher dem Darlehensgeber auf, seine Kreditwürdigkeitsprüfung auf die voraussichtliche Anschlussfinanzierung oder Rückführung des höheren Restbetrags zu erstrecken. Damit will der Gesetzgeber die echte Abschnittsfinanzierung im Interesse des Verbrauchers mit der unechten Abschnittsfinanzierung gleichbehandeln, da bei einer unechten Abschnittsfinanzierung eine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung anlässlich einer Zinsprolongation nach Ablauf einer Zinsbindungsfrist unterbleiben kann.
5.162b
Eine Kreditwürdigkeitsprüfung i.S.d. § 505a BGB braucht auch dann nicht durchgeführt zu werden, wenn der neue Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag dazu dient, bei einem bestehenden Darlehensvertrag die Kündigung wegen Zahlungsverzugs oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Darlehensnehmer zu vermeiden (Umschuldungsdarlehen oder Sanierungsdarlehen). Diese Ausnahmetatbestände lassen sich nach Auffassung des Gesetzgebers mit der Zielsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie vereinbaren, da nach einer Auskunft der Europäischen Kommission die Kreditwürdigkeitsprüfung i.S.d. Richtlinie präventiven Charakter hat und eine unverantwortliche Erstkreditaufnahme oder Erstdarlehensgewährung verhindern will. Besteht die Darlehensschuld bereits und dient das neue Kapitalnutzungsrecht dazu, ein bestehendes Darlehensverhältnis abzulösen oder zu veränderten Bedingungen fortzusetzen, entfällt dieser Schutzzweck und die Kreditwürdigkeitsprüfung dient allenfalls noch dem Interesse des Darlehensgebers4.
5.162c
Die Ausnahmen des § 505a Abs. 3 Nr. 1 und 2 BGB und § 18a Abs. 2 KWG finden aber dort ihre Grenzen, in denen dem Darlehensgeber bekannt ist, dass der Darlehensnehmer seinen Zahlungspflichten aus dem Darlehensvertrag nicht dauerhaft nachkommen kann. Ist eine Kreditwürdigkeitsprüfung durchzuführen, findet die vorgenannte Leitlinienverordnung Anwendung, die am 1.5.2018 in Kraft getreten ist. 1 Bock in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 18 KWG Rz. 120 (noch zu § 18 Abs. 2 KWG a.F.). 2 § 505a Abs. 3 BGB eingeführt durch Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie vom 17.7.2017, BGBl. I 2017, 2449. 3 BT-Drucks. 18/12568, 160. 4 König in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, vor §§ 505a BGB Rz. 25 ff.; BT-Drucks. 18/12568, 160.
Merz/Wittig | 801
5.162d
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
2. Prinzipien bei der Kreditwürdigkeitsprüfung nach der Leitlinienverordnung (ImmoKWPLV)
5.163
In § 2 ImmoKWPLV werden die Grundlagen der Kreditwürdigkeitsprüfung festgeschrieben, insbesondere welchen Zweck sie erfüllen soll (§ 2 Abs. 1 ImmoKWPLV). Danach dient sie der Bewertung, ob es als wahrscheinlich angesehen werden kann, dass der Verbraucher voraussichtlich in der Lage sein wird, über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg, seinen vertraglichen Verpflichtungen zu Zins- und Tilgungsleistungen nachzukommen. Unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes war es streitig, ob sich die Kreditwürdigkeitsprüfung auf die gesamte voraussichtliche Vertragslaufzeit richten muss. Obwohl sich dies schon aus dem Wortlaut des § 505a BGB ergibt, wird dies nun durch § 3 Abs. 2 ImmoKWPLV klargestellt. Angesichts der langen Laufzeiten von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen sieht die Verordnung vor, dass bei weit in die Zukunft reichenden Prognosen, stärker auf Erfahrungen und Schätzungen zurückgegriffen werden darf. Steht bei Abschluss des Vertrags bereits fest, dass nach den statistischen Lebenserwartungen der Verbraucher voraussichtlich das Vertragsende nicht mehr erleben wird, darf der Darlehensgeber den Darlehensvertrag unter den in § 4 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 ImmoKWPLV genannten Voraussetzungen dennoch abschließen. Der Darlehensgeber muss aufgrund der Kreditwürdigkeitsprüfung zu der Einschätzung kommen, dass der Darlehensnehmer zu seinen Lebzeiten voraussichtlich in der Lage sein wird, seine Zahlungspflichten aus dem Darlehensvertrag zu erfüllen, und dass im Fall des vorzeitigen Versterbens der Wert der gestellten Sicherheiten oder der Immobilienwert ausreichen werden, die verbleibende Restschuld abzudecken. Damit wollten die Verordnungsgeber sicherstellen, dass Darlehensnehmer nicht allein deswegen von der Kreditaufnahme ausgeschlossen werden, weil sie nicht mehr innerhalb der ihnen voraussichtlich verbleibenden Lebenszeit den Vertrag vollständig erfüllen können1.
5.164
Die Kreditwürdigkeitsprüfung bezieht sich auf den konkreten Darlehensnehmer, wobei der Darlehensgeber standardisierte Verfahren festlegen kann und muss (§ 505b Abs. 4 BGB, § 18a Abs. 5 KWG). Bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit soll eine umfassende Prüfung der bei Abschluss des Vertrags vorliegenden Leistungsfähigkeit vorgenommen werden, auf deren Basis der Darlehensgeber die voraussichtliche Vertragserfüllung durch den Darlehensnehmer herleiten soll. Die Anforderungen an die Prognose über die künftige Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft sollen aber nicht überspannt werden; es soll darauf ankommen, dass der Darlehensgeber die Prognose aus Ex-ante-Sicht vernünftigerweise so treffen durfte2. 3. Grundlagen der Kreditwürdigkeitsprüfung nach § 505b Abs. 2 BGB
5.165
Auf welcher Grundlage der Darlehensgeber die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen durchführen muss, ergibt sich aus § 505b Abs. 2 BGB und § 18a Abs. 4 KWG, womit Art. 20 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) umgesetzt werden soll. Danach muss der Darlehensgeber notwendige, ausreichende und angemessene Informationen zu Einkommen, Ausgaben sowie anderen finanziellen und wirtschaftlichen Umständen des Darlehensnehmers einholen und diese eingehend prüfen. Der Darlehensgeber 1 BAnz AT 30.4.2018 B1, S. 6. 2 BAnz AT 30.4.2018 B1, S. 3.
802 | Merz/Wittig
Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§§ 505a ff. BGB und § 18a KWG) | Teil 5
hat die Faktoren angemessen zu berücksichtigen, die für die Einschätzung relevant sind, ob der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag voraussichtlich nachkommen kann. Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf sich nicht hauptsächlich darauf stützen, dass der Wert der Wohnimmobilie den Darlehensbetrag übersteigt, oder auf die Annahme, dass der Wert der Wohnimmobilie zunimmt, es sei denn, der Darlehensvertrag dient zum Bau oder zur Renovierung der Wohnimmobilie. Die Informationen und Unterlagen, die für die Kreditwürdigkeitsprüfung einzuholen sind, kann der Darlehensgeber aus internen Quellen (z.B. aus der bestehenden Geschäftsverbindung zum Verbraucher) oder externen Quellen ziehen (§ 505 Abs. 3 Satz 1 BGB). Auch Informationen, die einem beteiligten Darlehensvermittler vorliegen, sind von dem Darlehensgeber zu berücksichtigen, § 505b Abs. 3 Satz 2 BGB. Für Darlehensvermittler besteht diesbezüglich eine gesetzliche Pflicht zur vollständigen und richtigen Weiterleitung der Informationen nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB (Art. 247 § 13b Abs. 2 EGBGB). Die Regelung in § 505b Abs. 3 Satz 2 BGB geht ihrem Wortlaut aber weiter und erfasst alle relevanten Informationen, die dem Darlehensvermittler vorliegen können, also auch jenen, nach denen der Darlehensgeber möglicherweise nicht gefragt hat, die aber dem Darlehensvermittler bekannt sind und die für die Kreditwürdigkeitsprüfung Relevanz haben können. Art. 247 § 13b Abs. 2 EGBGB begründet eine gesetzliche Weitergabepflicht des Darlehensvermittlers jedoch nur für die angeforderten Informationen und Unterlagen nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB. Das insoweit bestehende Defizit zwischen etwaig bekannten und den verlangten Informationen bei der Weiterleitungspflicht des Darlehensvermittlers muss der Darlehensgeber ggf. durch aktives Nachfragen bei dem Darlehensvermittler schließen, wenn er sicher gehen will, dass er alle relevanten Informationen, die diesem vorliegen können, erhält. Für die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen hat der Darlehensgeber die Verfahren und Angaben, auf die sich die Kreditwürdigkeitsprüfung stützt, festzulegen, zu dokumentieren und aufzubewahren (§ 505b Abs. 4 BGB, § 18a Abs. 5 KWG). 4. Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung nach der ImmoKWPLV In § 4 Abs. 1 bis 4 ImmoKWPLV werden die relevanten Faktoren i.S.d. § 505b Abs. 2 Satz 2 BGB, die bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit zu berücksichtigen sind, konkretisiert. Nach der Leitlinienverordnung hat der Darlehensgeber zunächst die finanzielle Ausgangssituation des Verbrauchers bei Vertragsabschluss sorgfältig zu ermitteln und anschließend eine Prognose für die Zukunft auf Basis des voraussichtlichen Verlaufs der Dinge zu treffen. Grundsätzlich kann der Darlehensgeber bei der Einschätzung künftiger Entwicklungen einen nach der Lebenserfahrung wahrscheinlichen, also typischen Verlauf der Dinge unterstellen1. Einen anderen Verlauf muss er nur annehmen, wenn dafür konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Unter dem Begriff „Lebenserfahrung“ sind die allgemeine Lebenserfahrung und die speziellen Erfahrungswerte der Branche zu verstehen, auf die Lebenserfahrung des einzelnen Kreditbearbeiters kommt es nicht an2. Der Darlehensgeber hat bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Darlehensnehmers die sich voraussichtlich entwickelnden Zahlungspflichten aus dem Darlehensvertrag, wie Zins1 BAnz AT 30.4.2018 B1, S. 4. 2 BAnz AT 30.4.2018 B1, S. 4.
Merz/Wittig | 803
5.166
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
und Tilgungsentwicklungen, Währungsrisiken, finanzielle Verbindlichkeiten aus anderen Verträgen oder Rechtsverhältnissen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder sonstige Einkommen und Vermögenswerte zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 ImmoKWPLV). Für die Prognose in die Zukunft sind Ereignisse, die absehbar sind, wie z.B. ein verringertes Einkommen nach Eintritt in den Ruhestand oder ein potentieller Zinsanstieg während der Vertragslaufzeit oder – bei Fremdwährungsdarlehen – Wechselkursschwankungen, angemessen zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 ImmoKWPLV). Sie gelten grundsätzlich als wahrscheinlich. Dagegen sind nach der Lebenserfahrung mögliche, aber als nicht wahrscheinlich anzusehende negative Ereignisse, wie Tod, Scheidung, Beendigung einer Lebenspartnerschaft, Arbeitslosigkeit, Krankheit, o.a. nur zu berücksichtigen, wenn dafür konkrete Anhaltspunkte vorliegen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 ImmoKWPLV). Auch positive, noch in der Zukunft liegende Ereignisse dürfen bei der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden. So darf der voraussichtliche Wiedereintritt ins Berufsleben nach Ablauf der Elternzeit oder die voraussichtliche Entfristung eines Arbeitsverhältnisses unterstellt werden. Etwaige Beförderungen oder Gehaltsanstiege dürfen ebenfalls Berücksichtigung finden, wenn sie entsprechend belegt und nachgewiesen werden können1.
5.167
Erst durch die Ergänzung durch das Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz vom 6.6.20172 wird dem Darlehensgeber erlaubt, bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen, die dem Bau oder Renovierung einer Wohnimmobilie dienen, den durch die Maßnahme zu erwartenden Wertzuwachs der Immobilie bei der Kreditwürdigkeitsprüfung zu berücksichtigen (§ 505b Abs. 2 Satz 3 BGB, § 18a Abs. 4 Satz 3 KWG, § 7 ImmoKWPLV). In allen anderen Fällen, darf die Bewertung der Kreditwürdigkeit nicht hauptsächlich auf den Wert oder den Wertzuwachs der Wohnimmobilie gestützt werden. Mit der Berücksichtigungsfähigkeit des Werts der Wohnimmobilien bei Bau- und Renovierungsdarlehen hat der Gesetzgeber die in Art. 18 Abs. 3 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) geregelten Besonderheiten nachträglich im Gesetz berücksichtigt. Ungeachtet dessen, bleibt es bei der prinzipiellen Verpflichtung zur Durchführung einer Kreditwürdigkeitsprüfung, denn diese Vorschrift soll es dem Darlehensgeber nicht erlauben, einen Darlehensvertrag abzuschließen, mit dem der Darlehensnehmer von vornherein überfordert ist3.
5.168
Bei einer Kreditwürdigkeitsprüfung im Zusammenhang mit einer Anschlussfinanzierung durch einen anderen Darlehensgeber oder mit einer wesentlichen Krediterhöhung, darf der Darlehensgeber das bisherige Zahlungsverhalten des Darlehensnehmers in positiver Hinsicht berücksichtigen (§§ 6 und 7 Abs. 2 ImmoKWPLV). Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein bisher vertragsgetreuer Darlehensnehmer seine Zahlungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat und damit die berechtigte Vermutung besteht, dass er seine vertraglichen Verpflichtungen auch gegenüber einem neuen Darlehensgeber erfüllen wird4.
IV. Bewertung einer Immobilie (§ 505c BGB) 5.169
Soweit der Darlehensgeber ein grundpfandrechtlich besichertes oder durch eine Reallast besichertes Immobiliar-Verbraucherdarlehen (§ 491 Abs. 3 Nr. 1 BGB) vergibt und eine Bewertung der belasteten Wohnimmobilie vornimmt, hat er zuverlässige Standards anzuwen1 2 3 4
BAnz AT 30.4.2018 B1, S. 7. BGBl. I 2017, 1495. BT-Drucks. 18/10935, 39. BAnz AT 30.4.2018 B1, S. 9.
804 | Merz/Wittig
Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§§ 505a ff. BGB und § 18a KWG) | Teil 5
den. Dabei kann es sich um Bewertungsverfahren nach der Beleihungswertermittlungsverordnung1 handeln, aber auch um andere anerkannte Verfahren, mit denen ein nachhaltig erzielbarer Wert ermittelt werden kann, der den Anforderungen des § 16 Abs. 2 Satz 1 bis 3 PfandBG genügt (vgl. § 22 Nr. 4 SolvV). Die Bewertung muss durch externe oder interne Gutachter durchgeführt werden, die so unabhängig von dem Darlehensvergabeprozess sind, dass sie eine objektive Immobilienbewertung durchführen können. Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung Art. 19 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) umsetzen. Wann ein Kreditinstitut als Darlehensgeber eine Bewertung der Immobilie durchführt, richtet sich nach den allgemeinen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen. Nach BTO 1.2.1 Tz. 3 der Mindestanforderungen an das Risikomanagement2 (Kreditgewährung) hat der Darlehensgeber grundsätzlich vor der Kreditvergabe die Werthaltigkeit der Sicherheit zu prüfen. Bei der Überprüfung der Werthaltigkeit kann aber auf bereits vorhandene Sicherheitenwerte zurückgegriffen werden, sofern keine Anhaltspunkte für eine Wertveränderung vorliegen. An dieser aufsichtsrechtlichen Vorgabe für die Bewertung der Wohnimmobilie, die über ein Grundpfandrecht oder eine Reallast als Sicherheit dient, ändert § 505c BGB nichts. Die Vorschrift begründet gegenüber dem Darlehensnehmer keine Verpflichtung des Darlehensgebers, vor jedem Abschluss eines neuen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags eine neue Immobilienbewertung durchführen zu müssen, wenn die gegenständliche Wohnimmobilie bereits zugunsten des Darlehensnehmers belastet wurde, eine Immobilienbewertung nach zuverlässigen Standards durchgeführt worden war und keine Anhaltspunkte vorliegen, die eine neue Bewertung erforderlich machen. Dies ist sachgerecht, da ein Kreditinstitut bereits nach BTO 1.2.2. Tz. 3 MaRisk verpflichtet ist, die Werthaltigkeit der gestellten Sicherheit in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen.
5.169a
Führt der Darlehensgeber jedoch eine Bewertung anlässlich der Darlehensvergabe durch, schuldet er gegenüber dem Darlehensnehmer, dass er für die Bewertung zuverlässige Standards verwendet. Die Bewertung muss durch interne oder externe Gutachter durchgeführt werden, die über die entsprechende Qualifikation und Erfahrung verfügen, d.h. fachlich kompetent sind (§ 505c Nr. 2 BGB, § 18a Abs. 7 KWG). Der hier verwendete Begriff des Gutachters ist nicht nur i.S.d. § 6 BelWertV zu verstehen3, da die Beleihungswertermittlungsverordnung keine Allgemeinverbindlichkeit für die Vergabe von grundpfandrechtlich besicherten Darlehen besitzt, sondern nur Verbindlichkeit für solche grundpfandrechtlich besicherten Darlehensforderungen entfaltet, die der Deckung von Hypothekenpfandbriefen nach dem Pfandbriefgesetz dienen sollen. Außerdem sieht die Beleihungswertermittlungsverordnung selbst bei den sog. Kleindarlehen nach § 24 BelWertV eine Ausnahme vor; danach müssen bei wohnwirtschaftlich genutzten Objekten bei der Vergabe von Kleindarlehen bis 400.000 € keine Gutachten i.S.d. § 5 BelWertV durch Gutachter i.S.d. § 6 BelWertV erstellt werden. Stattdessen können es Personen sein, die ausreichend geschult und qualifiziert sind, ohne die formellen Anforderungen eines Gutachters erfüllen zu müssen. Dem § 505c BGB ist also grundsätzlich genügt, wenn Mitarbeiter des Kreditinstituts die Bewertung der Wohnimmobilie vornehmen, die über die entsprechende Qualifikation und Erfahrung verfügen, die für die Bewertung derartiger Wohnimmobilien erforderlich ist. Um einen zertifizierten Gutachter oder Sachverständigen muss es sich ent1 BT-Drucks. 18/5922, 100. 2 Rundschreiben 09/2017 (BA) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, Geschäftszeichen BA 54-FR 2210-2017 (0002) v. 27.10.2017. 3 König in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 505c BGB Rz. 9.
Merz/Wittig | 805
5.169b
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
gegen des Wortlauts jedoch nicht in allen Fällen handeln. Bei Wohnimmobilien wird regelmäßig die Vergleichswertmethode herangezogen werden können1.
5.169c
Bei der Beurteilung der Unabhängigkeit der Person, die die Bewertung vornimmt, vom Darlehensvergabeprozess kann ebenfalls zur Auslegung auf § 24 BelWertV zurückgegriffen werden; danach darf die Person, die die Bewertung vornimmt, nicht identisch sein mit derjenigen, die die finale Kreditentscheidung trifft oder den Beleihungswert endgültig festsetzt (§ 24 Abs. 2 Satz 2 BelWertV). Außerdem darf diese Person kein persönliches Interesse an dem Ergebnis der Wertermittlung haben (§ 24 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 BelWertV). Stellt der Darlehensgeber diese Anforderungen an die Unabhängigkeit der Bewertung organisatorisch sicher, bestehen an der Objektivität der Bewertung keine Zweifel.
V. Sanktionen bei nicht ordnungsgemäßer Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 505d BGB) 5.170
Kommt der Darlehensgeber seinen Verpflichtungen zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Kreditwürdigkeitsprüfung nach §§ 505a und 505b BGB und § 18a Abs. 1 bis 5 KWG nicht nach, kann ein solches Fehlverhalten die gesetzlichen Sanktionen nach § 505d BGB nach sich ziehen. Das Eintreten der Sanktionen kann der Darlehensgeber abwenden, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass auch bei einer ordnungsgemäßen Kreditwürdigkeitsprüfung der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kreditwürdig gewesen wäre, § 505a Abs. 1 Satz 5 BGB.
5.170a Gelingt dieser Entlastungsbeweis nicht und ist der Verbraucher seinen Mitwirkungspflich-
ten nachgekommen, so dass § 505d Abs. 3 BGB nicht zur Anwendung kommt, treten die Sanktionen nach § 505d Abs. 1 und 2 BGB ein. Nach § 505d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 BGB reduziert sich der Vertragszins automatisch: bei gebundenen Sollzinsen auf den marktüblichen Zinssatz am Kapitalmarkt für Hypothekenpfandbriefe und öffentliche Pfandbriefe mit entsprechenden Laufzeiten und bei veränderlichen Sollzinsen auf einen marktüblichen Zinssatz, zu dem sich europäische Banken einander Anleihen mit einer Laufzeit von drei Monaten gewähren (z.B. zum 3-Monats-EURIBOR2).
5.170b Der Darlehensnehmer behält das Kapitalnutzungsrecht und hat einen Anspruch darauf,
den Darlehensvertrag zu den geänderten Zinskonditionen weiter in Anspruch zu nehmen. Der Darlehensgeber ist verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen neuen Vertrag mit den geänderten Konditionen auszuhändigen (§ 505d Abs. 1 Satz 4 BGB). Für die Zeit, in der der Darlehensnehmer bereits den höheren Vertragszins bezahlt hat, steht dem Verbraucher ein Rückzahlungsanspruch in Höhe der seit Inanspruchnahme des Darlehens zu viel gezahlten Zinsen zu. Während die Korrektur des Vertragszinses auf die gesetzlich geschuldeten Zinssätze nach § 505d Abs. 1 BGB automatisch für die Restlaufzeit eintritt, muss der Darlehensnehmer seinen Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Zinsen nach den allgemeinen Grundsätzen aktiv geltend machen3. Dieser Anspruch unterliegt der Verjährung nach §§ 195 ff. BGB. Seinen Anspruch auf Erstattung des zu viel gezahlten Zinsbetrags kann der Darlehensnehmer mit der ausstehenden Restschuld verrechnen, denn dem Verbraucher steht insoweit ein Wahlrecht zu, da er nach § 505d Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 BGB den Darlehensvertrag jederzeit kündigen kann. 1 BGH v. 22.4.2016 – V ZR 256/14, NJW-RR 2016, 1251 Rz. 11–14. 2 BT-Drucks. 18/5922, 102. 3 BT-Drucks. 18/5922, 102.
806 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
Neben dem weiterbestehenden Kapitalnutzungsrecht steht es dem Verbraucher zu, das Darlehen jederzeit ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung kündigen zu können. Kündigt der Darlehensnehmer vorzeitig, kann er für den Zeitraum der Kapitalnutzung die Berechnung des geringeren Zinssatzes und die Rückerstattung zu viel gezahlter Zinsen verlangen1. Der Darlehensgeber dagegen darf das Darlehen nicht allein wegen der fehlerhaften Kreditwürdigkeitsprüfung oder wegen unvollständiger Angaben des Darlehensnehmers vor Abschluss des Vertrags kündigen (§ 499 Abs. 3 Satz 1 BGB). Kommt es zur vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses, kann der Darlehensgeber zwar die Rückzahlung des noch ausstehenden Kapitalbetrags und die rückständigen, nach § 505d Abs. 1 BGB geschuldeten Sollzinsen verlangen, er ist aber nicht berechtigt, etwaige Rechtsverfolgungskosten, eine Vorfälligkeitsentschädigung, Verwertungskosten oder Verzugszinsen geltend zu machen (§ 505d Abs. 2 BGB).
5.170c
Fraglich ist, ob die Sanktionen nach § 505d BGB eintreten, wenn der Darlehensgeber bei der Bewertung der Wohnimmobilien zwar die Anforderungen nach § 505c BGB nicht eingehalten hat, der Darlehensnehmer im Übrigen aber kreditwürdig ist. Dem Wortlaut des § 505d BGB nach („Hat der Darlehensgeber gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung verstoßen…“) treten die Rechtsfolgen nicht ein, da nur die fehlerhafte Kreditwürdigkeitsprüfung nach §§ 505a und 505b BGB sanktioniert werden soll. Darüber hinaus darf sich die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hauptsächlich auf den Wert der Wohnimmobilie stützen (§ 505b Abs. 2 Satz 3 BGB); etwas anderes kann daher nur für Bau- und Renovierungsdarlehen gelten, weil bei diesen Darlehensverträgen der Darlehensgeber den Wert bzw. den zukünftigen Wert der Wohnimmobilie im Rahmen der Kreditentscheidung berücksichtigen darf. Es wäre aber ein Wertungswiderspruch, wenn ein Fehler bei der Bewertung der Wohnimmobilie, der für die Kreditwürdigkeitsprüfung aufgrund von § 505b Abs. 2 BGB keine Relevanz haben darf, gleichermaßen sanktioniert werden würde wie die fehlerhafte Kreditwürdigkeitsprüfung selbst. Nach der hier vertretenen Auffassung führt daher ein Verstoß gegen § 505c BGB dann nicht zu den Rechtsfolgen des § 505d BGB, wenn der Darlehensgeber bei der Kreditwürdigkeitsprüfung den Wert der Wohnimmobilie nicht berücksichtigen durfte und der Darlehensnehmer im Übrigen als kreditwürdig anzusehen ist. Gegen diese Auffassung spricht jedoch die systematische Anordnung der Vorschriften, wonach die Pflichten des Darlehensgebers in §§ 505a und b BGB und § 505c BGB den Sanktionen nach § 505d BGB vorangestellt werden. Trotz des Wortlauts des § 505d Abs. 1 BGB wird daher zumindest in den Fällen, in denen der Darlehensgeber den Wert der Wohnimmobilie bei der Kreditwürdigkeitsprüfung berücksichtigen darf (z.B. bei Bau- und Renovierungsdarlehen), ein Verstoß gegen § 505c BGB nach § 505d BGB zu sanktionieren sein.
5.170d
6. Abschnitt: Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages Alle Verbraucherdarlehensverträge mit Ausnahme der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB bedürfen der gesetzlichen Schriftform und eines bestimmten Vertragsinhaltes2. Das Schriftformerfordernis und die Regelung des Vertragsinhaltes soll den Verbraucher vor einem unüberlegten finanziellen Engagement warnen und ihn über die Darlehenskonditionen informieren, damit er eine sachgerechte Entscheidung auf gesicherter Basis für oder gegen die Darlehensaufnahme fällen kann. 1 A.A. König in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 505a BGB Rz. 17. 2 Zur Mitverpflichtung von Ehegatten über § 1357 BGB: Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 4.
Merz/Wittig | 807
5.171
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
Neben dem weiterbestehenden Kapitalnutzungsrecht steht es dem Verbraucher zu, das Darlehen jederzeit ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung kündigen zu können. Kündigt der Darlehensnehmer vorzeitig, kann er für den Zeitraum der Kapitalnutzung die Berechnung des geringeren Zinssatzes und die Rückerstattung zu viel gezahlter Zinsen verlangen1. Der Darlehensgeber dagegen darf das Darlehen nicht allein wegen der fehlerhaften Kreditwürdigkeitsprüfung oder wegen unvollständiger Angaben des Darlehensnehmers vor Abschluss des Vertrags kündigen (§ 499 Abs. 3 Satz 1 BGB). Kommt es zur vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses, kann der Darlehensgeber zwar die Rückzahlung des noch ausstehenden Kapitalbetrags und die rückständigen, nach § 505d Abs. 1 BGB geschuldeten Sollzinsen verlangen, er ist aber nicht berechtigt, etwaige Rechtsverfolgungskosten, eine Vorfälligkeitsentschädigung, Verwertungskosten oder Verzugszinsen geltend zu machen (§ 505d Abs. 2 BGB).
5.170c
Fraglich ist, ob die Sanktionen nach § 505d BGB eintreten, wenn der Darlehensgeber bei der Bewertung der Wohnimmobilien zwar die Anforderungen nach § 505c BGB nicht eingehalten hat, der Darlehensnehmer im Übrigen aber kreditwürdig ist. Dem Wortlaut des § 505d BGB nach („Hat der Darlehensgeber gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung verstoßen…“) treten die Rechtsfolgen nicht ein, da nur die fehlerhafte Kreditwürdigkeitsprüfung nach §§ 505a und 505b BGB sanktioniert werden soll. Darüber hinaus darf sich die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hauptsächlich auf den Wert der Wohnimmobilie stützen (§ 505b Abs. 2 Satz 3 BGB); etwas anderes kann daher nur für Bau- und Renovierungsdarlehen gelten, weil bei diesen Darlehensverträgen der Darlehensgeber den Wert bzw. den zukünftigen Wert der Wohnimmobilie im Rahmen der Kreditentscheidung berücksichtigen darf. Es wäre aber ein Wertungswiderspruch, wenn ein Fehler bei der Bewertung der Wohnimmobilie, der für die Kreditwürdigkeitsprüfung aufgrund von § 505b Abs. 2 BGB keine Relevanz haben darf, gleichermaßen sanktioniert werden würde wie die fehlerhafte Kreditwürdigkeitsprüfung selbst. Nach der hier vertretenen Auffassung führt daher ein Verstoß gegen § 505c BGB dann nicht zu den Rechtsfolgen des § 505d BGB, wenn der Darlehensgeber bei der Kreditwürdigkeitsprüfung den Wert der Wohnimmobilie nicht berücksichtigen durfte und der Darlehensnehmer im Übrigen als kreditwürdig anzusehen ist. Gegen diese Auffassung spricht jedoch die systematische Anordnung der Vorschriften, wonach die Pflichten des Darlehensgebers in §§ 505a und b BGB und § 505c BGB den Sanktionen nach § 505d BGB vorangestellt werden. Trotz des Wortlauts des § 505d Abs. 1 BGB wird daher zumindest in den Fällen, in denen der Darlehensgeber den Wert der Wohnimmobilie bei der Kreditwürdigkeitsprüfung berücksichtigen darf (z.B. bei Bau- und Renovierungsdarlehen), ein Verstoß gegen § 505c BGB nach § 505d BGB zu sanktionieren sein.
5.170d
6. Abschnitt: Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages Alle Verbraucherdarlehensverträge mit Ausnahme der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB bedürfen der gesetzlichen Schriftform und eines bestimmten Vertragsinhaltes2. Das Schriftformerfordernis und die Regelung des Vertragsinhaltes soll den Verbraucher vor einem unüberlegten finanziellen Engagement warnen und ihn über die Darlehenskonditionen informieren, damit er eine sachgerechte Entscheidung auf gesicherter Basis für oder gegen die Darlehensaufnahme fällen kann. 1 A.A. König in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 505a BGB Rz. 17. 2 Zur Mitverpflichtung von Ehegatten über § 1357 BGB: Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 4.
Merz/Wittig | 807
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.172
Seit dem 1.1.2002 gelten das Schriftformerfordernis und die Vorgaben hinsichtlich des Vertragsinhaltes grundsätzlich auch für die Vollmacht, die ein Darlehensnehmer zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages erteilt (§ 492 Abs. 4 BGB). Eine Ausnahme besteht nach § 492 Abs. 4 Satz 2 BGB nur für Prozessvollmachten und notariell beurkundete Vollmachten1. Bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes war es in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und auch in der Literatur heftig umstritten, ob Vollmachten zum Abschluss eines Verbraucherkreditvertrages, insbesondere wenn sie unwiderruflich erteilt worden sind, die Darlehensbedingungen nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG enthalten müssen2. In mehreren Entscheidungen hat der BGH festgestellt, dass solche Vollmachten nicht die Mindestangaben über die Kreditbedingungen enthalten müssen und dass § 492 Abs. 4 Satz 1 BGB nur für nach dem 1.1.2002 erteilte Vollmachten gilt3. Eine vor diesem Zeitpunkt ohne die Mindestangaben erteilte Vollmacht ist also wirksam, selbst wenn der Vertreter den Darlehensvertrag erst nach diesem Zeitpunkt abschließt4.
I. Schriftform (§ 492 Abs. 1 BGB) 5.173
Nach § 492 Abs. 1 Satz 1 BGB sind alle Verbraucherdarlehensverträge mit Ausnahme der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB schriftlich abzuschließen5. Schriftform bedeutet nach der Legaldefinition des § 126 BGB, dass die Vertragsparteien den Vertrag eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnen müssen6. Eine Unterzeichnung durch Stempel oder Faksimile ist daher unzulässig7. Auch eine Blankounterschrift genügt der von § 492 Abs. 1 BGB geforderten Schriftform nicht8. Zudem muss die formgerecht errichtete Erklärung dem Erklärungsempfänger auch in dieser Form zugehen. Eine Übermittlung durch Telefax genügt daher nicht den Anforderungen des § 126 BGB9.
5.174
Der Abschluss in elektronischer Form (§§ 126 Abs. 3, 126a BGB) ist erst seit dem 11.6. 2010 zulässig10. Hierfür ist neben dem Einverständnis der anderen Vertragspartei erforderlich, dass der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügt und das elektronische Do1 Da es sich in den Fällen des finanzierten Immobilienerwerbes wegen §§ 311b, 139 BGB zumeist um notarielle Vollmachten handelt, hat sich für die Praxis keine Veränderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ergeben, so auch Wittig/Wittig, WM 2002, 145; Habersack, BKR 2001, 72. 2 Vgl. Bülow, NJW 2002, 1145; Wittig/Wittig, WM 2002, 145; Peters/Gröpper, WM 2001, 2199. 3 BGH v. 24.4.2001 – XI ZR 40/00, WM 2001, 1024; BGH v. 25.10.2005 – XI ZR 402/03, WM 2006, 177; von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 383. 4 BT-Drucks. 14/7052, 201; Wittig/Wittig, WM 2002, 145. 5 Bei Rahmenverträgen sind allein das Grundgeschäft und die späteren Ausführungsgeschäfte formbedürftig, Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 12. 6 Bei mehreren Darlehensnehmern muss die Schriftform gegenüber jedem einzelnen Darlehensnehmer gewahrt werden, Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2. 7 BGH v. 25.3.1970 – VIII ZR 134/68, NJW 1970, 1078. 8 BGH v. 19.5.2005 – III ZR 240/04, NJW-RR 2005, 1141; eine Blankounterschrift des Darlehensgebers wird aber für zulässig erachtet, vgl. Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2. 9 BGH v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, WM 2006, 217. 10 Vor diesem Zeitpunkt war der Abschluss in elektronischer Form nach § 492 Abs. 1 Satz 2 BGB in der bis zum 11.6.2010 geltenden Fassung ausgeschlossen.
808 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
kument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur i.S.d. § 126a BGB versieht. Der Abschluss in Textform (§ 126b BGB), etwa durch Unterzeichnung auf einem Sign-Pad oder Tablet mittels Touchscreen, ist aber nach wie vor ausgeschlossen1. Für den Darlehensgeber sieht das Gesetz die weitere Erleichterung vor, dass seine Erklärung mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellt werden darf (§ 492 Abs. 1 Satz 4 BGB). Der Begriff der „automatischen Einrichtung“, der gesetzlich nicht definiert ist, wird unterschiedlich ausgelegt. Teilweise wird bereits die mittels Computerausdruck erstellte Vertragsurkunde als mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellte Erklärung angesehen, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedarf2. Die Gegenansicht sieht die Verwendung eines Computers allein nicht als ausreichend an, da es an einer selbständigen Herstellung durch die automatische Einrichtung fehle. Vielmehr wird zusätzlich vorausgesetzt, dass der Computer auf einen Befehl hin auf Grund entsprechender vorhergehender Programmierung selbständig die erforderlichen Daten zusammensucht und aus den Einzeldaten die Erklärung fertigt, ohne dass es individueller oder maschinenschriftlicher Nachträge bedarf3.
5.175
Für die Wahrung der gesetzlichen Schriftform ist eine einheitliche Urkunde erforderlich. Besteht der Darlehensvertrag aus mehreren Blättern, so ist die Einheitlichkeit der Urkunde gewahrt, wenn deren Zusammengehörigkeit erkennbar ist. Dies kann entweder durch eine körperlich feste Verbindung aller Blätter oder seit der im Mietrecht entwickelten sog. Auflockerungsrechtsprechung des BGH auch auf andere Weise geschehen, sofern sich hieraus die Zusammengehörigkeit der einzelnen Blätter zweifelsfrei ergibt4. Die Einheitlichkeit der Urkunde kann daher auch durch fortlaufende Seitenzahlen, fortlaufende Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitliche graphische Gestaltung, inhaltlichen Zusammenhang des Textes oder durch vergleichbare Merkmale erreicht werden5.
5.176
Der gesetzlichen Schriftform ist nach § 492 Abs. 1 Satz 3 BGB genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jeweils getrennt schriftlich erklärt werden. Darin liegt eine Abweichung von der in § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltenen Grundregel, nach der die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde geschehen muss. Erfolgt der Abschluss auf getrennten Urkunden, muss seit dem 11.6.2010 jede Urkunde den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt vollständig aufweisen6. Dies folgt aus der Aufhebung der bis dahin bestehenden Sonderregelung in § 492 Abs. 1 Satz 5 BGB a.F., wonach (lediglich) die vom Darlehensnehmer zu unterzeichnende Vertragserklärung den gesetzlich vorgeschriebenen Vertragsinhalt aufweisen musste. Damit gilt für den Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen der allgemeine Grundsatz, wonach zur Wahrung des Schriftformerfordernisses beide Urkunden den gesamten Vertragsinhalt wiedergeben müssen7.
5.177
1 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 6; dazu kritisch Freitag, ZIP 2018, 1805. 2 Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 9. Aufl. 2016, § 492 BGB Rz. 44. 3 BGH v. 29.9.2004 – VIII ZR 341/03, NZM 2005, 61. 4 BGH v. 18.12.2002 – XII ZR 253/01, NJW 2003, 1248; ob die für Mietverträge entwickelte Auflockerungsrechtsprechung auf Verbraucherdarlehensverträge übertragbar ist, hat der BGH in seiner Entscheidung v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, WM 2017, 1602, 1605 Rz. 28 offen gelassen. 5 BGH v. 21.1.2004 – VIII ZR 99/03, NJW-RR 2004, 586; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 9. 6 A.A. Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2. 7 Ellenberger in Palandt, § 126 BGB Rz. 13.
Merz/Wittig | 809
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
II. Einzelne Mindestangaben 5.178
§ 492 Abs. 2 BGB regelt den notwendigen Inhalt eines Verbraucherdarlehensvertrages und verweist hierzu auf die Regelungen in Art. 247 §§ 6–13 EGBGB. Diese unterscheiden zwischen Pflichtangaben (Art. 247 § 6 EGBGB), weiteren Angaben (Art. 247 § 7 EGBGB), Angaben bei Verträgen mit Zusatzleistungen und verbundenen Verträgen bzw. Finanzierungshilfen (Art. 247 §§ 8 und 12 EGBGB), Angaben für spezielle Verbraucherdarlehensverträge (Art. 247 §§ 10 und 11 EGBGB) und zusätzliche Angaben bei vermittelten Darlehensverträgen (Art. 247 §§ 13 bis 13b EGBGB).
5.179
In formeller Hinsicht verlangt das Gesetz an einigen Stellen ausdrücklich klare und für den Verbraucher verständliche Angaben1. Damit sind aber keine erhöhten Anforderungen an das Transparenzgebot verbunden. Es gelten vielmehr die Grundsätze, die die Rechtsprechung zu § 307 Abs. 2 Satz 2 BGB entwickelt hat. Eine besondere Hervorhebung („in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form“) ist ausschließlich für die Widerrufsinformation erforderlich, sofern der Darlehensgeber bei Verwendung der Musterwiderrufsinformationen nach Anlage 7 und Anlage 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB von der Gesetzlichkeitsfiktion profitieren will2 (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB bzw. Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB). 1. Pflichtangaben bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EGBGB)
5.180
Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EGBGB nennt die Pflichtangaben für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen in Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB auf Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 EGBGB und damit auf fast alle Pflichtangaben bei der vorvertraglichen Information. Ausgenommen sind lediglich die Angaben zu den Ansprüchen des Darlehensnehmers auf einen Vertragsentwurf3 und auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage4 sowie die Pflicht zur Erläuterung des Gesamtbetrages und des effektiven Jahreszinses5. a) Name und Anschrift des Darlehensgebers (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB)
5.181
Neben dem Namen (§ 12 BGB) ist die ladungsfähige Anschrift des Darlehensgebers in dem Darlehensvertrag anzugeben, wobei die Angabe einer Postanschrift erforderlich ist, an die Schriftverkehr zugestellt werden kann. Die bloße Angabe einer Internetanschrift ist nicht ausreichend6. b) Art des Darlehensvertrages (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB)
5.182
Mit dieser Anforderung ist sowohl die Vertragsart (z.B. Darlehensvertrag oder Leasingvertrag) als auch dessen nähere Ausgestaltung (z.B. befristetes Darlehen mit regelmäßiger Til1 2 3 4 5 6
Z.B. in Art. 247 §§ 6, 7 und 8 Abs. 2 EGBGB. BGH v. 23.2.2016 – XI ZR 549/14, juris = BeckRS 2016, 7440. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 15 EGBGB. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB. Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB. BT-Drucks. 16/11643, 123.
810 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
gung) gemeint, wobei eine kurze schlagwortartige Bezeichnung ohne weiter gehende Erläuterung ausreicht1. Darüber hinaus kann der Darlehensvertrag als Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag oder Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag angegeben werden, nachdem das Gesetz selbst diese Unterscheidung vornimmt und damit die jeweilige Vertragsart einem eigenen Regime unterwirft. c) Effektiver Jahreszins (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) In dem Darlehensvertrag ist der effektive Jahreszins mit zwei Dezimalstellen anzugeben. Auch bei einem Darlehen mit veränderlichen Bedingungen ist die Angabe des Jahreszinses als „effektiver Jahreszins“ zu bezeichnen. Diese Änderung entspricht der Verbraucherkreditrichtlinie, die ebenfalls ausschließlich vom effektiven Jahreszins spricht. Dass der Begriff „anfänglich effektiver Jahreszins“ nicht weiter verwendet wird, ist für den Verbraucher allerdings nicht nachteilig. Denn bei einem Darlehen mit veränderlichen Bedingungen ist der Verbraucher über alle Kosten zu unterrichten, die während der Vertragslaufzeit angepasst werden können. Damit ist sichergestellt, dass der Verbraucher von dem Umstand der möglichen Änderung des effektiven Jahreszinses während der Vertragslaufzeit Kenntnis erlangt2.
5.183
Der effektive Jahreszins ist mit zwei Dezimalstellen anzugeben, was sich aus Ziff. I lit. d Satz 1 der Anlage zu § 6 PAngV in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) ergibt. Mit dem Änderungsgesetz stellte der Gesetzgeber die Rechtslage wieder her, wie sie bis zum Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes der Verbraucherkreditrichtlinie bestand3.
5.184
Die Berechnung des effektiven Jahreszinses richtet sich gem. Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 3 EGBGB nach § 6 PAngV4. Die Angabe des effektiven Jahreszinses hat gem. Art. 247 § 6 Abs. 3 EGBGB unter Angabe der Annahmen zu erfolgen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages bekannt sind und die in die Berechnung des effektiven Jahreszinses einfließen. In die Berechnung des effektiven Jahreszinses sind neben den Zinsen alle sonstigen Kosten einschließlich etwaiger Vermittlungskosten einzubeziehen, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag zu entrichten hat und die dem Darlehensgeber bekannt sind5. Zu den sonstigen Kosten gehören u.a. Disagio, Agio und Forward-Prämien, nicht aber Bereitstellungszinsen. Ausgenommen sind die in § 6 Abs. 4 Nr. 1 bis 5 PAngV aufgeführten Kosten. Problematisch sind nach wie vor die Kosten für Zusatzleistungen (z.B. Restschuldversicherungen), die nur dann Teil der Gesamtkosten sind, wenn der Abschluss zwingende Voraussetzung dafür ist, dass das Darlehen überhaupt oder zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt wird. Seit dem 11.6.2010 trägt der Darlehensgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Zusatzleistung nicht verpflichtend war6.
5.185
1 2 3 4 5
BT-Drucks. 16/11643, 123. BT-Drucks. 16/11643, 81. BT-Drucks. 17/1394, 33. Zur Effektivzinsberechnung s. Wimmer in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 216 ff. Zur Berechnung des effektiven Jahreszinses bei der unechten Abschnittsfinanzierung s. Ady, WM 2010, 1305, 1307. 6 BT-Drucks. 16/11643, 173; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 24; Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1068.
Merz/Wittig | 811
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
d) Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB)
5.186
Der Begriff des Nettodarlehensbetrages ist in Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 2 EGBGB definiert. Nach der Legaldefinition ist der Nettodarlehensbetrag der Höchstbetrag, auf den der Darlehensnehmer auf Grund des Darlehensvertrages Anspruch hat. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dieser Betrag tatsächlich dem Darlehensnehmer zufließt1. Neben der ausgezahlten Darlehensvaluta sind daher bei der Berechnung des Nettodarlehensbetrages auch diejenigen mitfinanzierten Kosten zu berücksichtigen, die nicht zu den Gesamtkosten i.S.d. § 6 Abs. 4 PAngV gehören2. e) Sollzinssatz mit Angaben zur Anwendung und Anpassung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB)
5.187
Der Sollzinssatz ist in § 489 Abs. 5 BGB definiert. Danach ist der Sollzinssatz der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Die Angabe des Sollzinssatzes als Monatszins, wie er früher bei Ratenkrediten häufig anzutreffen war, reicht daher nicht aus. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn er für die gesamte Vertragslaufzeit oder für einen bestimmten Zeitraum (Zinsbindungsfrist) fest vereinbart ist. Der Sollzinssatz ist dagegen veränderlich (variabel), wenn er jederzeit nach den vereinbarten Bedingungen angepasst werden kann.
5.188
Die Angabe des Sollzinssatzes wird inhaltlich in Art. 247 § 3 Abs. 4 EGBGB konkretisiert. Anzugeben sind die Bedingungen sowie der Zeitraum für seine Anwendung und die Art und Weise seiner Anpassung. Bei einem gewöhnlichen Ratenkredit mit festen Zinssatz ist im Darlehensvertrag die Angabe des Sollzinssatzes verbunden mit dem Zusatz „gebunden für die gesamte Vertragslaufzeit“ ausreichend. Dagegen müssen bei einem Darlehen mit einem veränderlichen Sollzinssatz auch die Bedingungen genannt werden, unter denen der Darlehensgeber den Sollzinssatz anpasst (Zinsanpassungsklausel)3. f) Vertragslaufzeit (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB)
5.189
Die Vertragslaufzeit erstreckt sich von dem Vertragsschluss bis zur vollständigen Rückführung des Darlehens und kann entweder in Form eines Laufzeitenddatums oder einer Laufzeitdauer angegeben werden. Die Angabe der Vertragslaufzeit bei befristeten Darlehensverträgen ist daher durch die Nennung des konkreten Datums, an dem der Vertrag endet, oder durch die Angabe der Vertragslaufzeit in Jahre oder Monate möglich. Denn für die Angabe der Vertragslaufzeit ist es ausreichend, dass der Zeitpunkt nach dem Kalender bestimmbar ist4. Bei einem unbefristeten Darlehen ist die Vertragslaufzeit als unbefristet anzugeben5.
1 BT-Drucks. 16/11643, 125. 2 Vgl. dazu auch Rz. 5.90; Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 116. 3 Unter „Anpassung“ ist das vertraglich vereinbarte einseitige Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei zu verstehen, während der Begriff „Änderung“ die beiderseitig gewollte Inhaltsänderung bedeutet, BT-Drucks. 16/11643, 77. 4 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491a BGB Rz. 9. 5 BT-Drucks. 16/11643, 124.
812 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
g) Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB) Nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB ist die Angabe von Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen erforderlich1. Hinsichtlich der Fälligkeit ist es ausreichend, wenn sie auf einen nach dem Kalender bestimmbaren Zeitpunkt bezogen wird2.
5.190
h) Gesamtbetrag (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB) Der Gesamtbetrag3 ist nach der Legaldefinition in Art. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB die Summe aus Nettodarlehensbetrag und Gesamtkosten4. Der Gesamtbetrag drückt damit als Oberbegriff die Gesamtbelastung des Darlehensnehmers aus5. Die Angabe des Gesamtbetrags erfolgt auf der Grundlage der bei Vertragsschluss maßgeblichen Bedingungen für die gesamte Vertragslaufzeit. Diese Verpflichtung gilt auch für Verbraucherdarlehensverträge mit einem veränderlichen Sollzins oder mit einem gebundenen Sollzins, bei dem der Zeitraum der Sollzinsbindung kürzer als die Vertragslaufzeit ist („unechte Abschnittsfinanzierung“). Denn der Umstand, dass bei diesen Darlehensverträgen dem Darlehensgeber eine verlässliche Angabe des Gesamtbetrags nicht möglich ist, ist für die Verpflichtung zur Angabe des Gesamtbetrags ohne Belang6.
5.191
i) Auszahlungsbedingungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB) In der Praxis wird die Darlehensauszahlung häufig an bestimmte Bedingungen, wie die wirksame Bestellung der zu stellenden Sicherheiten oder die Einreichung der bei Vertragsschluss noch fehlender Unterlagen, geknüpft. In diesem Fall sind die Auszahlungsbedingungen in dem Darlehensvertrag einzeln aufzuführen. Darüber hinaus ist im Darlehensvertrag anzugeben, ob das Darlehen nicht an den Darlehensnehmer selbst ausgezahlt wird, sondern ganz oder teilweise an einen Dritten. Der Hinweis auf die Auszahlung an einen Dritten ist allerdings nur dann erforderlich, wenn das Darlehen auf Grund einer vom Darlehensgeber vorgegebenen Zweckbindung ganz oder teilweise an einen Dritten ausgezahlt wird. Hauptanwendungsfall dürfte die Absatzfinanzierung sein, bei der das Darlehen der Bezahlung eines Warenkaufes dient und die Valuta unmittelbar an den Händler ausgezahlt wird.
1 Zur Angabepflicht der Anzahl der Tilgungsraten nach alter Rechtslage s. OLG Karlsruhe v. 27.10.1998 – 17 U 316/97, WM 1999, 222. 2 BT-Drucks. 16/11643, 124; OLG Frankfurt v. 3.7.2017 – 23 U 172/16, WM 2017, 1605. 3 Die Angabe des Gesamtbetrages und des effektiven Jahreszinses hat unter Angabe der Annahmen zu erfolgen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages bekannt sind und die in die Berechnung des effektiven Jahreszinses einfließen, Art. 247 § 6 Abs. 3 EGBGB. 4 Die Hypothesen zur Berechnung des effektiven Jahreszinses sind auch zur Ermittlung des Gesamtbetrages heranzuziehen, Ady, WM 2010, 1305, 1308. 5 BT-Drucks. 16/11643, 125; zur Gesamtbetragsangabe bei endgültigen Darlehen: BGH v. 20.1. 2009 – XI ZR 504/07, WM 2009, 506. 6 BGH v. 1.3.2011 – XI ZR 135/10, WM 2011, 656 Rz. 23; BGH v. 7.12.2010 – XI ZR 348/09, ZIP 2011, 1046 Rz. 21.
Merz/Wittig | 813
5.192
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
j) Alle sonstigen Kosten mit Angaben zur Anpassung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB)
5.193
Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB verpflichtet zur Angabe sämtlicher Kosten, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Darlehen zu tragen hat. Es handelt sich sowohl um die Kosten, die vor Vertragsschluss entstehen, als auch um solche, die bei der Durchführung des Vertrages anfallen. Es sind aber nur solche Kosten anzugeben, die auf Grund des Darlehensvertrages entstehen1. Exemplarisch nennt das Gesetz die Kosten für die Auszahlung und die Kosten eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments2. Als Kosten i.S.d. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB sind u.a. aber auch weitere Kosten anzusehen, soweit sie nach der Rechtsprechung wirksam vereinbart werden können3.
5.194
Fallen Kosten auf Grund einer separaten Vereinbarung an, ist Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB nicht anwendbar und eine Angabe dieser Kosten nur geboten, wenn dies an anderer Stelle ausdrücklich gesetzlich geregelt ist4.
5.195
Bei den meisten Kosten handelt es sich um Einmalkosten, deren Höhe bei Vertragsschluss feststeht. In diesen Fällen erübrigt sich die Aufnahme einer Regelung zur Kostenanpassung. Fallen dagegen Kosten an, deren Höhe angepasst werden kann, sind die Bedingungen für eine Anpassung im Darlehensvertrag aufzuführen. Ein Anwendungsfall ist bei einem Rahmenkredit der Jahrespreis für die Kreditkarte, wenn die Kreditkarte das einzige Medium für die Darlehensinanspruchnahme ist („Revolving-Credit-Card“)5. k) Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB)
5.196
Für die Angabe des Verzugszinssatzes ist es ausreichend, wenn dieser abstrakt (z.B. Basiszinssatz + 5 %-Punkte) und nicht konkret (z.B. 6,5 %) angegeben wird. Für diese Auslegung spricht, dass der Verzugszins auf diese Weise ermittelbar ist und dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses offen ist, ob der Darlehensnehmer jemals in Verzug gerät. Hinsichtlich der Anpassungsmöglichkeiten ist es ausreichend, wenn darauf verwiesen wird, dass der Basiszinssatz von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt (§ 247 BGB) und in der Tagespresse oder auf der Internetseite der Bundesbank veröffentlicht wird. Die Notwendigkeit einer Angabe der Verzugskosten stellt sich nur, wenn der Darlehensgeber den Verzugsschaden nicht abstrakt, sondern konkret berechnet, denn neben der Berechnung des gesetzlichen Verzugszinses kann kein zusätzlicher Verzögerungsschaden verlangt werden.
1 Zur Angabepflicht von Kreditvermittlungskosten s. Rz. 5.222. 2 Der Begriff des Zahlungsauthentifizierungsinstruments wird in § 1 Abs. 5 ZAG definiert. 3 Zur Zulässigkeit von Bankentgelten s. Nobbe, WM 2008, 185; Habersack, WM 2008, 1857; Bitter, ZIP 2008, 1095; Bitter, ZIP 2008, 2155; zu Bearbeitungskosten bei Darlehensverträgen BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, WM 2014, 1325; BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, WM 2014, 1224; zur Cap-Prämie BGH v. 5.6.2018 – XI ZR 490/16, BKR 2018, 333; zur Schätzgebühr: OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – 6 U 17/09, WM 2010, 215. 4 Z.B. Kontoführungsgebühren gem. Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. 5 Vgl. Nr. 10 der Bedingungen für die Kreditkarten (Fassung 31.10.2009).
814 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
l) Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB) Bei der Formulierung des Warnhinweises zu den Folgen ausbleibender Zahlungen ist es für den Darlehensvertrag völlig ausreichend, wenn der entsprechende Text aus dem gesetzlichen Muster „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ (Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB) übernommen wird. Einer weiteren Ergänzung bedarf es nicht, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.
5.197
m) Angaben zum Widerrufsrecht (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB und Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB und liegt kein Fall des § 495 Abs. 3 BGB vor, müssen im Darlehensvertrag die Angaben zur Widerrufsfrist, zu den sonstigen Umständen für die Erklärung des Widerrufs, ein Hinweis auf die bestehende Rückzahlungspflicht bereits erhaltener Darlehen sowie deren Verzinsungspflicht enthalten sein (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB). Zudem ist der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag anzugeben. Bei der Berechnung dieses Zinsbetrags ist die Vollauszahlung des Darlehens zu unterstellen und der Sollzins und die Zinsberechnungsmethode, wie sie im Darlehensvertrag vereinbart wurden, anzuwenden. Der pro Tag anzugebende Zinsbetrag kann auf der Grundlage einer Tageszählmethode angegeben hat, die jeden Monat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Tagen zählt1.
5.198
Einer besonderen Hervorhebung der Widerrufsinformation bedarf es nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1, 2 und 5 EGBGB grundsätzlich nicht2. Nur wenn der Darlehensgeber unter Verwendung der gesetzlichen Musterwiderinformationen gem. Anlagen 7 und 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB von der Gesetzlichkeitsfiktion profitieren will3, ist die Widerrufsinformation nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form als Vertragsklausel in den Darlehensvertrag zu integrieren. Der Darlehensgeber darf aber von dem Muster im Format und in der Schriftgröße abweichen (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB). n) Recht zur vorzeitigen Rückzahlung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB) Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber, den Darlehensnehmer über sein Recht zu informieren, das Darlehen jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig zurückzahlen zu können (§ 500 Abs. 2 BGB). Die Unterrichtung über den Anspruch des Darlehensgebers auf eine Entschädigung und deren Berechnungsmethode ist nur bei entsprechender Relevanz nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderlich.
5.199
o) Name und Anschrift des Darlehensnehmers (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) Neben dem Namen (§ 12 BGB) ist die Anschrift des Darlehensnehmers in dem Darlehensvertrag anzugeben, wobei die Angabe einer Postanschrift, an die Schriftverkehr zugestellt 1 BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, NJW-RR 2017, 1077 Rz. 23. 2 BGH v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881 Rz. 24 ff. 3 BGH v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881 Rz. 35 ff.
Merz/Wittig | 815
5.200
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
werden kann, erforderlich ist. Die bloße Angabe einer Internetanschrift ist nicht ausreichend1. p) Zuständige Aufsichtsbehörde (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB)
5.201
Zuständige Aufsichtsbehörde für Kreditinstitute ist bei in Deutschland ansässigen Kreditinstituten die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und ggf. zusätzlich die Europäische Zentralbank (EZB)2. q) Hinweis auf Anspruch auf einen Tilgungsplan (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB)
5.202
Nach § 492 Abs. 3 Satz 2 BGB hat der Darlehensnehmer bei einem zeitlich befristeten Verbraucherdarlehen einen jederzeitigen Anspruch auf einen Tilgungsplan. Auf diesen Anspruch ist der Darlehensnehmer im Darlehensvertrag hinzuweisen. r) Verfahren bei Kündigung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB)
5.203
Mit dieser Angabe soll dem Darlehensnehmer verdeutlicht werden, wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam ist und wie der Darlehensnehmer das Darlehen kündigen kann3. Im Darlehensvertrag sind daher die ordentlichen und außerordentlichen Kündigungsrechte des Darlehensnehmers und des Darlehensgebers nebst deren Voraussetzungen aufzuführen4. Im Ergebnis läuft dies auf die Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Kündigungsregelungen hinaus. Zu dem Verfahren bei Kündigung dürfte auch der Hinweis gehören, dass eine Kündigung erst mit Zugang bei der anderen Vertragspartei wirksam wird. Zudem dürfte darauf hinzuweisen sein, dass die Kündigung durch den Darlehensnehmer keiner Form bedarf, die Kündigung des Darlehensgebers dagegen aber in Textform erfolgen muss. Dies ergibt sich aus § 492 Abs. 5 BGB, wonach nachvertragliche Erklärungen des Darlehensgebers der Textform bedürfen. s) Sämtliche weitere Vertragsbedingungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB)
5.204
Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber zur Aufnahme sämtlicher weiteren Vertragsbedingungen in den Vertrag. Unter Vertragsbedingungen sind aber nur die Darlehensbedingungen im engeren Sinne und nicht auch solche Bedingungen zu verstehen, die zwar anlässlich des Abschlusses des Darlehensvertrages vereinbart werden, aber mit dem Darlehensvertrag nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen5. Für die 1 2 3 4
BT-Drucks. 16/11643, 123. Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 492 BGB Rz. 26. BT-Drucks. 16/11643, 128. Nach Kessal-Wulf bezieht sich die Angabepflicht lediglich auf die vertraglichen und gesetzlichen Kündigungs- und Rücktrittsrechte, die für den Darlehensgeber bei regulärem Vertragsverlauf bestehen, vgl. Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 4. Gegen die Beschränkung auf die Rechte bei regulärem Vertragsverlauf spricht die Gesetzesbegründung, wonach bei befristeten Darlehensverträgen zumindest auf das Kündigungsrecht nach § 314 BGB hingewiesen werden muss, BT-Drucks. 16/11643, 128; BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16 Rz. 27, ZIP 2017, 1708, zu Kündigungsregelungen in einem nach dem 10.6.2010 abgeschlossenen Immobiliardarlehensvertrag nach § 503 BGB a.F. 5 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 10; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2.
816 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
Einbeziehung der AGB-Banken oder beispielsweise der Sonderbedingungen für Kreditkarten gelten daher nach wie vor die Grundsätze zur Vereinbarung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB). Für diese einschränkende Auslegung spricht, dass es sich bei der Angabepflicht nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB und bei dem Schriftformerfordernis nach § 492 Abs. 1 BGB um spezielle Regelungen für Verbraucherdarlehensverträge handelt, die auf andere Verträge keine Anwendung finden.
5.205–5.206
Einstweilen frei. 2. Zusatzangaben bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 7 Abs. 1 EGBGB)
Art. 247 § 7 Abs. 1 EGBGB nennt die Zusatzangaben für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, die ebenfalls in klarer und verständlicher Weise im Darlehensvertrag enthalten sein müssen. Art. 247 § 7 Abs. 1 EGBGB ist spiegelbildlich zu Art. 247 § 4 EGBGB (s. dazu Rz. 5.110) aufgebaut und enthält weitere vertragliche Angaben, die nicht für alle Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge verpflichtend sind, sondern nur bei entsprechender Relevanz1. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Angaben: – Hinweis, dass der Darlehensnehmer die Notarkosten zu tragen hat, Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB2 – Vom Darlehensgeber verlangte Sicherheiten und Versicherungen, Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB3 In der Vertragsurkunde muss lediglich die schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung von bestimmten Sicherheiten und/oder zum Abschluss bestimmter Versicherungen enthalten sein. Dagegen braucht der Sicherheiten- oder Versicherungsvertrag nicht selbst in der Vertragsurkunde abgeschlossen werden4. Bei fehlenden Angaben über die zu bestellenden Sicherheiten kann eine Sicherheitsleistung bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen nur verlangt werden, wenn der Nettodarlehensbetrag 75.000 € übersteigt (§ 494 Abs. 6 BGB). Gleichwohl bestellte Sicherheiten können jedoch nicht nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten herausverlangt werden5, da die Sicherheit ihren Rechtsgrund in sich selbst trägt6. Bei fehlenden Angaben über verlangte Versicherungen können diese mangels einer § 494 Abs. 6 BGB entsprechenden Regelung nicht nachgefordert werden. – Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB verpflichtet zur Angabe der Art der Berechnung, falls der Darlehensgeber bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens (§ 500 Abs. 2 BGB) eine Vor1 BT-Drucks. 16/11643, 128. 2 Erforderlich ist nur eine Angabe dem Grunde und nicht der Höhe nach, BT-Drucks. 16/11643, 126; s. dazu Rz. 5.111. 3 Der Begriff „Sicherheiten“ ist weit auszulegen, BT-Drucks. 16/11643, 126; s. dazu Rz. 5.112. 4 BGH v. 22.1.2002 – XI ZR 31/01, NJW 2002, 1199; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 5. 5 BGH v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07, NJW 2008, 3208 zumindest für Personalsicherheiten (abstraktes Schuldversprechen). 6 BGH v. 29.9.2009 – XI ZR 44/09, WM 2009, 2212 Rz. 7; a.A. Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 494 BGB Rz. 39.
Merz/Wittig | 817
5.207
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
fälligkeitsentschädigung gem. § 502 BGB verlangt. Fehlt diese Angabe oder ist sie ungenau, ist der Anspruch des Darlehensgebers auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Hinsichtlich der Darstellung der Berechnungsmethode gelten die gleichen Grundsätze wie für die in der vorvertraglichen Unterrichtung gem. Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB (s. dazu Rz. 5.113). – Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren nebst Zugangsvoraussetzungen, Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB Bei Streitigkeiten aus der Anwendung der §§ 491 bis 509 BGB können die Beteiligten unbeschadet ihres Rechts, die Gerichte anzurufen, nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG die zuständige Schlichtungsstelle einschalten. Für die vorgenannten Streitigkeiten wurde die Zuständigkeit auf die jeweiligen Verbände der Kreditinstitute übertragen (§ 14 Abs. 3 UKlaG). 3. Besondere Angaben bei Zusatzleistungen (Art. 247 § 8 EGBGB)
5.208
In Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB sind die Informationspflichten für solche Zusatzleistungen zusammengefasst, die der Darlehensgeber für das Zustandekommen eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrages zwingend verlangt. Ein Verlangen im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn das konkret angebotene Darlehen überhaupt oder nur zu den vorgesehenen Darlehenskonditionen gewährt wird, falls der Darlehensnehmer weitere Leistungen des Darlehensgebers in Anspruch nimmt oder gleichzeitig ein weiterer Vertrag abgeschlossen wird1. Kein Verlangen liegt demgegenüber vor, wenn der Darlehensnehmer die gleichen Darlehenskonditionen auch dann erhält, wenn er die angebotene Zusatzleistung nicht abschließt. Zwar ergibt sich diese Auslegung nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut des Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB, der allein auf den Abschluss des Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrages abstellt. Jedoch deckt sich dieses Verständnis mit der Darstellung im gesetzlichen Muster gem. Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB und mit der Regelung zur Berechnung des Effektivzinssatzes in § 6 Abs. 4 Nr. 2 PAngV. Denn sowohl in dem gesetzlichen Muster für die Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite unter dem Abschnitt 3 „Kreditkosten“ als auch bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses bleiben Zusatzleistungen nur dann unberücksichtigt, wenn sie weder Voraussetzung für die Kreditvergabe noch Voraussetzung für die Kreditvergabe zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen sind.
5.209
Als Zusatzleistungen i.S.d. Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB zählt das Gesetz beispielhaft den Abschluss eines Versicherungsvertrages oder eines Girokontovertrages („Kontoführungsvertrags“) auf. Aber auch die sog. „Spar-/Kreditkombinationen“, bei denen der Darlehensnehmer Zahlungen leistet, die nicht der unmittelbaren Rückführung des Darlehens, sondern der Vermögensbildung dienen, mit dem das Darlehen am Ende der Laufzeit zurückgeführt werden soll, fallen in den Anwendungsbereich dieser Norm2.
5.210
Bei den Zusatzleistungen, die keine Spar-/Kreditkombinationen darstellen, ist lediglich für den verlangten Abschluss eines Girokontovertrages eine besondere Angabepflicht im Darlehensvertrag vorgesehen. In diesem Fall sind gem. Art. 247 § 8 Abs. 2 EGBGB die Kontoführungsgebühren sowie die Bedingungen, unter denen sie angepasst werden können, im Darlehensvertrag zu nennen. Bei anderen obligatorischen Zusatzleistungen besteht dagegen keine Verpflichtung, die mit der jeweiligen Zusatzleistung verbundenen Kosten 1 BT-Drucks. 16/11643, 128. 2 Zur Tilgungsaussetzung bei der Immobilienfinanzierung: Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23.
818 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
im Darlehensvertrag aufzuführen. Das Gesetz sieht eine derartige Verpflichtung des Darlehensgebers nicht vor, da bei anderen Zusatzleistungen offen ist, ob diese beim Darlehensgeber abgeschlossen werden und ob der Darlehensgeber diese Kosten daher kennt1. Eine Angabepflicht besteht auch nicht nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, denn Art. 247 § 8 EGBGB stellt für Zusatzleistungen eine abschließende Sonderregelung dar. Im Gegensatz zu Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB gilt Art. 247 § 8 Abs. 2 EGBGB dem Wortlaut nach für alle Verbraucherdarlehensverträge i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB, obwohl er inhaltlich auf Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB Bezug nimmt. Art. 247 § 8 Abs. 3 EGBGB findet ebenfalls auf alle Verbraucherdarlehensverträge gem. § 491 Abs. 1 BGB Anwendung. Soll der Darlehensnehmer während der Vertragslaufzeit nur die laufenden Zinsen zahlen, verpflichtet Art. 247 § 8 Abs. 3 EGBGB den Darlehensgeber im Verbraucherdarlehensvertrag zu einer Aufstellung, aus der die Zeiträume und Bedingungen für die Zahlung der Sollzinsen und der damit verbundenen wiederkehrenden oder nicht wiederkehrenden Kosten hervorgeht. Verpflichtet sich der Darlehensnehmer dagegen auch zur Vermögensbildung, muss nach Art. 247 § 8 Abs. 3 Satz 2 EGBGB aus dem Verbraucherdarlehensvertrag klar und verständlich hervorgehen, dass mit den Zahlungen während der Vertragslaufzeit keine Tilgung des Darlehens erfolgt und dass mit den Ansprüchen aus der Vermögensbildung die Tilgung des Darlehens nicht gewährleistet ist. Ein Hinweis auf das Risiko einer Deckungslücke2 ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn vertraglich vereinbart ist, dass durch die Vermögensbildung die vollständige Darlehensrückzahlung sichergestellt ist. Hauptanwendungsfall dürfte die Kombination aus Vorausdarlehen und Bausparvertrag sein, bei dem die Rückzahlung erst mit Zuteilungsreife erfolgt und damit gesichert ist.
5.211
4. Abweichende Angabepflichten bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) Der Mindestinhalt für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 492 Abs. 3 BGB) richtet sich nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB3. Inhalt und Umfang der Pflichtangaben bleiben gegenüber dem Art. 247 § 9 EGBGB a.F., soweit sie sich auf die Angaben im Vertrag beziehen, nach Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie unverändert. Abweichend von den Angaben nach Art. 247 §§ 3 bis 8, 12 und 13 EGBGB, sind nur folgende Angaben in einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zwingend: – Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Effektiver Jahreszins, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB 1 BT-Drucks. 16/11643, 129. 2 Das Risiko einer Deckungslücke hat grundsätzlich der Darlehensnehmer zu tragen, BGH v. 20.11.2007 – XI ZR 259/06, WM 2008, 121. 3 BT-Drucks. 18/5922, 115.
Merz/Wittig | 819
5.212
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
– Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB – Alle sonstigen Kosten mit Angabe zur Anpassung, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB – Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB
5.213
Neben den verpflichtenden Angaben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB muss der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag weitere Angaben und Informationen enthalten. Dabei handelt es sich um die Angaben zum Widerrufsrecht nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB, wie Frist, Umstände für die Widerrufserklärung sowie den Hinweis auf die Rückzahlungs- und Verzinsungspflichten bei bereits ausgezahlten Darlehen. Der Darlehensgeber genügt diesen Angabepflichten, wenn er in den Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag die Muster-Widerrufsinformation gem. Anlage 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form aufnimmt. Von diesem Muster darf der Darlehensgeber in Format und Schriftgröße abweichen (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB).
5.213a Gemäß Art. 247 § 7 Abs. 2 EGBGB muss der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag die
Voraussetzungen und die Berechnungsmethode für die Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung nach § 500 Abs. 2 BGB beinhalten und auf die sich für den Darlehensgeber aus § 493 Abs. 5 BGB ergebenden Informationspflichten verweisen. Erklärt der Darlehensnehmer gegenüber dem Darlehensgeber seinen Willen zur vorzeitigen Rückzahlung des Immobiliar-Verbraucherdarlehens, ist der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer unverzüglich (§ 121 BGB) auf einem dauerhaften Datenträger (§ 126b BGB) mitzuteilen, ob und unter welchen Voraussetzungen die vorzeitige Rückzahlung zulässig ist, und im Falle der Zulässigkeit die voraussichtliche Höhe des zurück zu zahlenden Betrags und die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung.
5.213b Handelt es sich bei dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag gleichzeitig um ein
Fremdwährungsdarlehen i.S.d. § 503 BGB, muss der Darlehensgeber den Darlehensnehmer über sein gesetzliches Umwandlungsrecht gem. § 503 Abs. 1 Satz 2 BGB informieren, wenn das Darlehen in einer anderen Währung als der Landeswährung des Darlehensnehmers abgeschlossen wird. Die Landeswährung ist die Währung des Mitgliedstaats der Europäischen Union, in dem der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags seinen Wohnsitz hat.
5.213c
Neben dem gesetzlich definierten Regelfall eines Fremdwährungsdarlehens i.S.v. § 503 Abs. 1 Satz 1 BGB können die Vertragsparteien aufgrund vertraglicher Vereinbarung den Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zu einem Fremdwährungsdarlehensvertrag bestimmen (§ 503 Abs. 1 Satz 3 BGB). Dies ist dann möglich, wenn der Darlehensvertrag zwar in der Landeswährung oder Wohnsitzwährung des Darlehensnehmers notiert, aber der Darlehensnehmer seine Zahlungspflichten aus dem Darlehensvertrag aus Einkommen oder Vermögenswerten in einer anderen Währung erfüllt. In diesem Fall steht dem Darlehensnehmer kein gesetzliches Umwandlungsrecht zu, sondern nur, wenn dies in dem Darlehensvertrag ausdrücklich vereinbart wird.
5.213d Das Umwandlungsrecht kann nicht jederzeit ausgeübt werden, sondern nur, wenn die in
§ 503 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten Voraussetzungen vorliegen. Danach muss sich seit Vertragsabschluss das Wechselkursverhältnis zwischen Landeswährung und Fremdwährung so verändert haben, dass der Darlehensnehmer mehr als 20 % seiner Landeswährung aufwenden muss, um seine laufenden Raten aus dem Darlehensvertrag oder den Restbetrag des Darlehens bezahlen zu können. Die Umstellung erfolgt nicht automatisch, son-
820 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
dern auf Antrag des Darlehensnehmers. Dies ergibt sich aus § 503 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach bestimmt sich der Umstellungskurs nach dem Marktwechselkurs, der am Tag, an dem der Antrag auf Umstellung gestellt wurde, festgestellt wird. Diese Regelung gilt nur, soweit nichts anderes im Darlehensvertrag vereinbart wird (§ 503 Abs. 2 Satz 2 BGB). Werden im Zusammenhang mit dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag andere Zusatzleistungen abgeschlossen, so ist der Darlehensgeber zu weiteren Angaben im Darlehensvertrag verpflichtet. Zum einen muss er die Kosten für Kontoführungsgebühren1 angeben, soweit diese im Zusammenhang mit einem Verbraucherdarlehensvertrag erhoben werden dürfen (Art. 247 § 8 Abs. 2 EGBGB). Diese Vorschrift begründet zwar eine Informationspflicht des Darlehensgebers über ein vereinbartes Entgelt, sie stellt aber keine Rechtsgrundlage dafür dar, dass die Vereinbarung einer Kontoführungsgebühr für Darlehenskonten generell zulässig ist2.
5.213e
Art. 247 § 8 Abs. 3 EGBGB wurde bereits mit der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie ins Gesetz eingeführt und gilt für alle Verbraucherdarlehensverträge. Der Darlehensgeber ist verpflichtet, neben den Sollzinsen auch die wiederkehrenden und nicht wiederkehrenden Kosten für Zahlungen, die nicht der Tilgung des Darlehens dienen, sowie deren Zeiträume und Bedingungen im Darlehensvertrag aufzustellen. Soweit der Darlehensnehmer verpflichtet ist, einen Vertrag zur Vermögensbildung abzuschließen, um mit dem gebildeten Vermögen am Ende der Laufzeit das Darlehen zu tilgen, ist zusätzlich im Darlehensvertrag darauf hinzuweisen, dass weder die laufenden Zahlungen noch das zu erwartende Vermögen eine vollständige Rückzahlung des Darlehens gewährleisten. Von dieser Hinweispflicht kann nur abgewichen werden, wenn die vollständige Tilgung des Darlehens durch den Vertrag zur Vermögensbildung vertraglich zugesichert wird.
5.213f
Abweichend von der früheren Rechtslage ist seit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ins deutsche Recht die Unterrichtung über den Namen und die Anschrift des Darlehensvermittlers (Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB) im Darlehensvertrag verpflichtend, weil Art. 247 § 13 EGBGB die Angabepflichten für alle Verbraucherdarlehensverträge regelt und somit auch Gültigkeit für den Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag hat.
5.213g
Eine weitere Sonderregelung besteht für die Kombination aus einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag mit einem Bausparvertrag, bei der der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag bei Erreichen der Zuteilungsreife des Bausparvertrags durch ein Bauspardarlehen abgelöst wird. Da nach § 4 Abs. 5 BauSparkG der Zeitpunkt der Zuteilungsreife nicht im Voraus festgelegt werden darf, ist nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB die Anzahl der Teilzahlungen in diesem Fall nicht anzugeben. Die Angabe der Laufzeit ist dagegen möglich, da diese umschrieben werden kann („bis zur Zuteilungsreife“)3.
5.214
Bei den vorgenannten Informationen handelt es sich um solche, zu deren Angabe im Darlehensvertrag der Darlehensgeber verpflichtet ist und deren Fehlen grundsätzlich die Nichtigkeit des Darlehensvertrags nach § 494 Abs. 1 BGB zur Folge hat4.
5.214a
1 Zur Wirksamkeit von Kontoführungsgebühren für Kreditkonten BGH v. 9.5.2017 – XI ZR 308/ 15, NJW 2017, 2538. 2 Vgl. die Rechtsprechung des BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, NJW 2014, 2420 Rz. 34 ff. 3 BT-Drucks. 16/11643, 130. 4 BT-Drucks. 18/5922, 115.
Merz/Wittig | 821
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Im Nachfolgenden sollen die Vertragsinhalte erörtert werden, deren Fehlen im Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nicht zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags führen, aber mit Rechtsfolgen zum Nachteil des Darlehensgebers verbunden sind.
5.214b Nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB ist der Darlehensgeber verpflichtet, die von ihm ver-
langten Sicherheiten und Versicherungen im Darlehensvertrag über ein Allgemein-Verbraucherdarlehen anzugeben. Diese Regelung gilt nur für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Über die Sanktionsregelung nach § 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 BGB erreicht der Gesetzgeber aber, dass der Darlehensgeber nur dann die Bestellung einer Sicherheit verlangen kann, wenn diese im Darlehensvertrag konkret vereinbart wird. Trotz der fehlenden Regelung in Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB hält es der Gesetzgeber für sachgerecht, vom Darlehensgeber zu verlangen, dass er die von ihm verlangte Sicherheit im Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag erwähnt, weil die Bestellung eines Grundpfandrechts oder einer Reallast für einen Darlehensvertrag i.S.d. § 491 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB elementar ist. Ein Verlangen der Sicherheit aufgrund einer außerhalb des Vertrags stehenden Vereinbarung oder das Verlangen einer Nachbesicherung sollte daher bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen insgesamt nicht möglich sein1. Die Ausnahme, dass dies nur für Verträge bis zu einem Nettodarlehensvertrag bis 75 000 € gilt, besteht daher für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nicht.
5.214c
Nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB ist der Darlehensgeber verpflichtet, den Darlehensnehmer über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags im Vertrag zu informieren. Diese Verpflichtung gilt als Pflichtangabe nur für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, da gem. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB abweichend von Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nur die Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10 und 13 sowie Abs. 4 EGBGB verpflichtend sind. Damit sind alle weiteren Angabepflichten, die sich aus Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ergeben, für den Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nicht zwingender Natur. Diese Regelung entspricht dem Art. 247 § 9 EGBGB a.F., von dem der Gesetzgeber bei Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ins deutsche Recht nicht abweichen wollte2.
5.214d Fehlen jedoch die Informationen zu den einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung in einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag mit einem gebundenen Sollzins, kann der Darlehensgeber im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung durch den Darlehensnehmer keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen (§ 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB). 5. Abweichende Angabepflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 10 EGBGB)
5.215
Bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB sind gem. Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB in dem Darlehensvertrag teilweise abweichend von der Regelung in Art. 247 § 6 EGBGB (s. dazu Rz. 5.131) nur folgende Angaben erforderlich: – Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB 1 BT-Drucks. 18/5922, 87. 2 BT-Drucks. 18/5922, 115.
822 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
– Effektiver Jahreszins, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Auszahlungsbedingungen, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB – Alle sonstigen Kosten mit Angabe zur Anpassung, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB – Name und Anschrift des Darlehensnehmers, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Einzuhaltendes Verfahren bei Kündigung des Vertrages, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB – Gesamtkosten, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. c EGBGB – Ggf. Hinweis, dass der Darlehensnehmer jederzeit zur Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrages aufgefordert werden kann, falls ein entsprechendes Kündigungsrecht vereinbart werden soll, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. c i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. c EGBGB Da durch Art. 247 § 10 Abs. 1 EGBGB nur die Angaben aus Art. 247 § 6 EGBGB modifiziert werden, besteht eine etwaige Angabepflicht nach den übrigen Vorschriften (Art. 247 §§ 7, 8, 12 und 13 EGBGB) fort1. Auf die Schriftform nach § 492 Abs. 1 BGB kann verzichtet werden, wenn außer den Sollzinsen keine weiteren laufenden Kosten vereinbart werden und die Sollzinsen nicht in kürzeren Zeiträumen als drei Monate fällig werden (§ 504 Abs. 2 Satz 2 BGB). Außerdem ist der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer spätestens unverzüglich (§ 121 BGB) nach Vertragsschluss den Vertragsinhalt auf einem dauerhaften Datenträger mitzuteilen. Der effektive Jahreszins braucht bei dieser Art der Überziehungsmöglichkeit nicht angegeben zu werden (Art. 247 § 10 Abs. 3 EGBGB). In der Praxis handelt es sich bei diesen Darlehensverträgen um sog. Dispositionskredite auf einem laufenden Konto (z.B. Gehaltskonto oder Wertpapierabrechnungskonto), mit denen der Darlehensnehmer vorübergehende Liquiditätsengpässe ausgleichen kann. 6. Abweichende Angabepflichten bei Umschuldungen (Art. 247 § 11 EGBGB) Bei Umschuldungen i.S.d. § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB sind gem. Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB in dem Darlehensvertrag teilweise abweichend von der Regelung in Art. 247 § 6 EGBGB (s. dazu Rz. 5.135) nur folgende Angaben erforderlich: – Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB 1 BT-Drucks. 16/11643, 130.
Merz/Wittig | 823
5.216
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
– Art des Darlehens, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 EGBGB – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB – Gesamtbetrag, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB – Auszahlungsbedingungen, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB – Verzugszinssatz mit Angabe zur Anpassung und Verzugskosten, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB – Recht zur vorzeitigen Rückzahlung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB – Name und Anschrift des Darlehensnehmers, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Zuständige Aufsichtsbehörde, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – Hinweis auf Anspruch auf einen Tilgungsplan, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sämtliche weiteren Vertragsbedingungen, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB. Da durch Art. 247 § 11 Abs. 1 EGBGB ausschließlich die Angaben aus Art. 247 § 6 EGBGB modifiziert werden, besteht eine etwaige Angabepflicht nach den übrigen Vorschriften (Art. 247 §§ 7, 8, 12 und 13 EGBGB) fort1.
5.217
In Art. 247 § 11 Abs. 3 EGBGB wird das Verhältnis von Art. 247 § 11 EGBGB zu Art. 247 § 10 EGBGB geregelt. Wird eine Umschuldung in der Form einer Überziehungsmöglichkeit vereinbart, gehen die Regeln des Art. 247 § 10 EGBGB vor. 7. Besondere Angaben bei verbundenen Verträgen (Art. 247 § 12 EGBGB)
5.218
Bei verbundenen Verträgen i.S.d. § 358 BGB2 müssen im Darlehensvertrag zusätzlich der finanzierte Gegenstand, der Barzahlungspreis und die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 358 und 359 BGB sowie die Bedingungen für die Ausübung dieser Rechte angegeben werden (Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EGBGB)3. Hinsichtlich der Bezeichnung des finanzierten Gegenstandes ist eine genaue Spezifizierung nach Hersteller oder Modell nicht erforder1 BT-Drucks. 16/11643, 131. 2 Zu verbundenen Verträgen: Rz. 5.351. 3 Art. 247 § 12 EGBGB findet auch auf Verträge über entgeltliche Finanzierungshilfe i.S.d. § 506 Abs. 1 BGB Anwendung.
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Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
lich, sondern die Angabe einer Gattungsbezeichnung (z.B. „Elektrogerät“ oder „Restkreditversicherung“1) ausreichend2. Als Barzahlungspreis ist der (Kauf-)Preis anzugeben, den der Verbraucher zu entrichten hätte, wenn die Zahlungsverpflichtung aus dem finanzierten Vertrag bei Abschluss in voller Höhe fällig wäre3. Im Falle einer Teilfinanzierung bleibt die zu leistende Anzahlung bei der Angabe des Barzahlungspreises also unberücksichtigt4. Im Rahmen der Angabe der Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 358 und 359 BGB ist darauf hinzuweisen, dass das Widerrufsrecht für den verbundenen Vertrag auch zur Rückabwicklung des Darlehensvertrages führt und dass der Anspruch auf Nacherfüllung Vorrang vor dem Einwendungsdurchgriff hat5. Da im Darlehensvertrag gem. Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b EGBGB nicht nur über die Rechte, sondern auch über die Bedingungen für die Ausübung dieser Rechte zu informieren ist, hat sich im gesetzlichen Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB eine enge Orientierung an den Gesetzeswortlaut angeboten6.
5.219
Art. 247 § 12 EGBGB ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB anwendbar, d.h. wenn der finanzierte Vertragsgegenstand zwar nicht mit dem Darlehen verbunden, aber im Darlehensvertrag konkret bezeichnet ist. Für die Annahme des § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine Identifizierbarkeit des Vertragsgegenstandes erforderlich, was bei einer bloßen Typenbeschreibung noch nicht der Fall ist7. Die vom Gesetzgeber exemplarisch beschriebene Situation, dass der Vertragsgegenstand zwar im Darlehensvertrag genau bezeichnet ist, der Darlehensnehmer sich aber erst nach Abschluss des Darlehensvertrages für einen bestimmten Vertragspartner entscheidet, der den genannten Vertragsgegenstand liefert, dürfte in der Praxis nur selten vorkommen8. Auf Grund des eindeutigen Verweises ist Art. 247 § 12 EGBGB allerdings nicht einschlägig, wenn ein Fall des § 360 Abs. 2 Satz 1 BGB vorliegt9.
5.220
8. Besondere Angaben bei vermittelten Verträgen (Art. 247 § 13 EGBGB) Bei vermittelten Verträgen10 ist gem. Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB der Name (§ 12 BGB) und die Anschrift des Darlehensvermittlers im Darlehensvertrag anzugeben. Wie bei der 1 Auch Ratenkredit und Restkreditversicherung können verbundene Verträge darstellen, BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, WM 2010, 166; OLG Schleswig v. 17.3.2010 – 5 U 2/10, WM 2010, 1074; Schürnbrand, ZBB 2010, 123; Heinig, VersR 2010, 863; Knops, ZIP 2010, 1265; Mülbert/ Wilhelm, WM 2009, 2241; Freitag, ZIP 2009, 1297. 2 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 122. 3 BT-Drucks. 16/11643, 132. 4 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 122. 5 BT-Drucks. 16/11643, 132; eine besondere Hervorhebung der Widerrufsinformation („in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form“) ist erforderlich, sofern der Darlehensgeber bei Verwendung der Musterwiderrufsinformation von der Gesetzlichkeitsfiktion profitieren will, Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB. 6 Vgl. Gestaltungshinweis 5g des gesetzlichen Musters in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB. 7 BT-Drucks. 16/11643, 73. 8 BT-Drucks. 16/11643, 73. 9 Nach § 359a Abs. 2 BGB ist § 358 Abs. 2 und 4 BGB entsprechend auf Verträge über Zusatzleistungen anzuwenden, die der Verbraucher in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag abgeschlossen hat. 10 Zur Darlehensvermittlung s. Rz. 5.410.
Merz/Wittig | 825
5.221
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Angabe des Darlehensgebers ist eine Postanschrift erforderlich, an die Schriftverkehr zugestellt werden kann. Die bloße Angabe einer Internetanschrift ist nicht ausreichend1.
5.222
Das Entgelt für die Darlehensvermittlung, das der Verbraucher oder ein Dritter an den Darlehensvermittler zahlt, ist dagegen nicht im Darlehensvertrag anzugeben. Eine entsprechenden Angabepflicht ist in Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB nicht vorgesehen und ergibt sich auch nicht aus Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, da Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB diesbezüglich eine abschließende Sonderregelung für die Darlehensvermittlung darstellt. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass der Verbraucher über die von ihm oder einem Dritten an den Darlehensvermittler zu zahlende Vermittlungsprovision einerseits vom Darlehensvermittler vorab unterrichtet wird (Art. 247 § 13 Abs. 2 EGBGB). Darüber hinaus wird in den vorvertraglichen Informationen zu einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nach Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB im ESIS-Merkblatt unter Abschnitt 2 „Kreditvermittler“ die Vergütung für die Vermittlungstätigkeit des angebotenen Darlehensvertrags ausgewiesen. Eine nochmalige Information im Darlehensvertrag durch den Darlehensgeber ist somit nicht geboten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Darlehensgeber das von ihm an den Darlehensvermittler zu zahlende Entgelt nicht aus der eigenen Marge nimmt, sondern dem Darlehensnehmer zusätzlich in Rechnung stellt. In diesem Fall sind die Kosten für die Darlehensvermittlung nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB im Darlehensvertrag anzugeben und bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses zu berücksichtigen.
III. Rechtsfolgen bei Verletzung der Formerfordernisse (§ 494 BGB) 5.223
§ 494 Abs. 1 BGB ordnet die Nichtigkeit des Verbraucherdarlehensvertrages an, wenn die Schriftform nicht eingehalten wurde oder bestimmte Pflichtangaben fehlen. Diese Rechtsfolge gilt auch bei einem Vertragsabschluss in elektronischer Form (§ 126a BGB), denn beide Formen sind grundsätzlich gleichgestellt2. Hinsichtlich der Pflichtangaben verweist § 494 Abs. 1 BGB auf Art. 247 § 6 und §§ 10–13 EGBGB, d.h. eine Nichtigkeit sieht das Gesetz nur bei Fehlen zwingender Pflichtangaben vor. Fehlen dagegen nur zusätzliche Angaben i.S.d. Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB, ist der Darlehensvertrag von Anfang an wirksam.
5.224
Ein Verbraucherdarlehensvertrag ist auf Grund des eindeutigen Wortlauts nur dann nichtig, wenn eine vorgeschriebene Pflichtangabe völlig fehlt, nicht jedoch, wenn die im Darlehensvertrag enthaltene Angabe lediglich unrichtig ist3. Eine falsche Pflichtangabe mag zwar nicht den gleichen Informationsgehalt für den Darlehensnehmer haben wie eine richtige Angabe, sie ist aber einer fehlenden Pflichtangabe nicht gleichzusetzen4. Für diese Auslegung spricht, dass das Gesetz an anderer Stelle auch unzureichende Angaben sanktioniert. So ist bei Verbraucherdarlehensverträgen gem. § 502 Abs. 2 BGB der Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung ausgeschlossen, wenn die Angaben über die Laufzeit des Darlehens, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind. 1 BT-Drucks. 16/11643, 123; Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 110. 2 BT-Drucks. 16/11643, 81. 3 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 9.5.2006 – XI ZR 119/05, WM 2006, 1243; BGH v. 25.4.2004 – XI ZR 106/05, WM 2006, 1066; BGH v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, WM 2004, 417. 4 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 1; Ebert in Handkommentar – BGB, § 494 BGB Rz. 2; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 5.
826 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
Kommt es trotz der Nichtigkeit des Verbraucherdarlehensvertrages nach § 494 Abs. 1 BGB zur Auszahlung des Darlehens, wird der Darlehensvertrag nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB wirksam, sofern der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt1. Bei einer Auszahlung an einen Dritten liegt ein Empfang im Sinne dieser Vorschrift vor, wenn der Dritte die Darlehensvaluta auf Weisung des Darlehensnehmers erhalten hat, es sei denn, der Dritte ist nicht überwiegend im Interesse des Darlehensnehmers, sondern sozusagen als verlängerter Arm des Darlehensgebers tätig geworden2.
5.225
Im Falle einer Heilung eines Verbraucherdarlehensvertrages nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB, die sich auf sämtliche Formmängel des § 494 Abs. 1 BGB bezieht, treten zum Schutze des Verbrauchers die in § 494 Abs. 2–6 BGB bestimmten Sanktionen ein3. Allerdings wird nicht das Fehlen jeder Pflichtangabe sanktioniert. Umgekehrt können die Sanktionen auch kumuliert anzuwenden sein, wenn mehrere Pflichtangaben mit unterschiedlichen Rechtsfolgen fehlen4.
5.226
1. Ermäßigung des Sollzinssatzes Fehlt die Angabe des Sollzinssatzes, des effektiven Jahreszinses oder des Gesamtbetrages, so ermäßigt sich gem. § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB der dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegte Sollzinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz (§ 246 BGB: 4 % p.a.)5. Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen tritt diese Sanktion aber nur bei Fehlen der Angabe des Sollzinssatzes oder des effektiven Jahreszinses ein, da die Angabe des Gesamtbetrages gem. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB keine Pflichtangabe darstellt.
5.227
Ist dagegen der effektive Jahreszins lediglich zu niedrig angegeben6, so vermindert sich gem. § 494 Abs. 3 BGB der dem Kreditvertrag zugrunde liegende Sollzinssatz um den Prozentsatz, um den der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben ist. Umstritten ist, ob die Kürzung des Sollzinssatzes anhand der absoluten Differenz an Prozentpunkten zwischen dem richtigen und unrichtigen Effektivzins oder nur um die prozentuale Abweichung vorzunehmen ist7. In jedem Fall scheidet eine Reduzierung auf unter 4 % p.a. aus, da es weder
5.228
1 Da der Empfang der Darlehensvaluta vorausgesetzt wird, ist § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB auf den Schuldbeitritt nicht anwendbar, BGH v. 12.11.1996 – XI ZR 202/95, NJW 1997, 654. 2 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, WM 2006, 1194; BGH v. 12.11.2002 – XI ZR 47/01, WM 2002, 2501; BGH v. 17.1.1985 – III ZR 135/83, WM 1985, 221; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 5; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 9. 3 Bei Verletzung der Schriftform ist nach der früheren Rechtsprechung des BGH darauf abzustellen, ob der Verstoß gegen die Schriftform zu einer unzureichenden Information des Verbrauchers geführt hat. Dies ist zu bejahen, wenn die Erklärung des Verbrauchers nicht formgültig abgegeben wurde mit der Folge, dass sämtliche Sanktionen des § 494 Abs. 2–6 BGB kumuliert anzuwenden sind, vgl. BGH v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, WM 2006, 217. 4 BGH v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, WM 2006, 217; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 1. 5 Ein Disagio ist in die Erstattung darüber hinausgehender Zinszahlungen einzubeziehen, BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 200/99, WM 2000, 1243; liegt der Sollzins unterhalb des gesetzlichen Zinses, verbleibt es bei dem niedrigeren vertraglichen Sollzins, Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 6. 6 Eine zu hohe Ausweisung des effektiven Jahreszinses ist in jedem Fall unschädlich, Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 7. 7 Für eine absolute Kürzung: Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 8; offen gelassen: Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 20.
Merz/Wittig | 827
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
einen Grund noch einen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Gesetzgeber eine unzutreffende Angabe härter als eine fehlende Angabe sanktionieren wollte1. Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Liegt jedoch der im Darlehensvertrag genannte Sollzinssatz bereits unter dem gesetzlichen Zinssatz von 4 % p.a., bleibt es bei dem bisherigen vertraglich vereinbarten niedrigeren Sollzinssatz2. 2. Kein Anspruch auf Kosten oder Anpassung
5.229
Nach § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB werden nicht angegebene Kosten vom Darlehensnehmer nicht geschuldet3. Fehlt im Darlehensvertrag die Angabe, unter welchen Bedingungen Kosten oder Zinsen angepasst werden können, entfällt nach § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB die Möglichkeit, diese zum Nachteil des Darlehensnehmers anzupassen4. Umgekehrt besteht aber in diesen Fällen auch keine einseitige Verpflichtung des Darlehensgebers, eine Anpassung zugunsten des Darlehensnehmers vorzunehmen5. 3. Neuberechnung der Teilzahlungen
5.230
§ 494 Abs. 5 BGB verpflichtet den Darlehensgeber zu einer Neuberechnung6 der Höhe der Teilzahlungen unter Berücksichtigung der verminderten Zinsen oder Kosten, wenn diese auf Grund fehlender oder zu niedrigerer Angabe im Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 494 Abs. 2 und 4 BGB zu reduzieren sind oder sogar vom Darlehensnehmer nicht geschuldet werden. Zur Aufschlüsselung der jeweiligen Zins- und Tilgungsanteile ist der Darlehensgeber allerdings nicht verpflichtet7. Bis zur Neuberechnung kann der Darlehensnehmer die Zahlung weiterer Raten verweigern (§ 273 BGB)8. Neben der Neuberechnung hat der Darlehensnehmer gegen den Darlehensgeber einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der überzahlten Zinsen und Kosten9. Da es sich um eine gesetzliche Verpflichtung handelt, kann der Darlehensgeber für die Neuberechnung kein Entgelt verlangen. Ein Wahlrecht des Darlehensnehmers, stattdessen die zu viel geleisteten Zahlungen mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch zu verrechnen, besteht nicht10, soweit das Darlehen nicht vorzeitig erfüllbar ist. Gemäß § 500 Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Verbrau1 BT-Drucks. 11/5462, 21; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 8; MüllerChristmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 20. 2 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 494 BGB Rz. 29. 3 Im Falle einer Kapitallebensversicherung scheidet ein Freistellungs- oder Erstattungsanspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber aus, BGH v. 18.1.2005 – XI ZR 17/04, WM 2005, 415; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 9; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 22. 4 Unter „Anpassung“ versteht der Gesetzgeber ein vertraglich eingeräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei, BT-Drucks. 16/11643, 77. 5 A.A. Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 10. 6 Der Neuberechnungsanspruch unterliegt einer eigenständigen Verjährung, die nicht vor Beendigung des Darlehensvertrages zu laufen beginnt, BGH v. 20.1.2009 – XI ZR 487/10, WM 2009, 542. 7 BGH v. 9.5.2006 – XI ZR 119/05, ZIP 2006, 1238; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 11; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 29. 8 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 11. 9 BGH v. 18.12.2001 – XI ZR 156/01, BGHZ 149, 302; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 11; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 29. 10 BGH v. 20.1.2009 – XI ZR 487/07, WM 2009, 542; BGH v. 20.1.2009 – XI ZR 504/07, WM 2009, 506.
828 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
cherdarlehensvertrag grundsätzlich jederzeit ganz oder teilweise zurückzahlbar. Daher kann die fehlende Erfüllbarkeit einem Verbraucher, der die überzahlten Zinsen mit dem noch offenen Darlehenskapital verrechnen will, nicht entgegengehalten werden. Dies gilt jedoch nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, für die ein gebundener Sollzins vereinbart wurde, denn diese darf der Darlehensnehmer nur dann vorzeitig zurückzahlen, wenn für die vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrags ein berechtigtes Interesse vorliegt (§ 500 Abs. 2 Satz 2 BGB). 4. Kündigungsrecht des Darlehensnehmers Fehlen im Darlehensvertrag über einen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag die Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht, ist der Darlehensnehmer gem. § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB jederzeit zur Kündigung berechtigt. Übt der Darlehensnehmer dieses gesetzliche Kündigungsrecht aus, hat der Darlehensgeber keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung1.
5.231
Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dagegen zu differenzieren. Soweit in dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag die Angabe der Laufzeit fehlt, steht dem Darlehensnehmer ein jederzeitiges Kündigungsrecht nach § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB zu, da die Angabe zur Vertragslaufzeit eine nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB i.V.m. Art. 247 § 3 EGBGB zwingend zu erbringende Angabe ist. Die fehlenden Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung in einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zählen dagegen nicht zu den Pflichtangaben und sind demnach nicht nach § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB zu sanktionieren (vgl. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 2 EGBGB)2. Allerdings führt die fehlende Information über die dem Verbraucher zustehenden Kündigungsrechte dazu, dass der Darlehensnehmer bei einer berechtigten, vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens keine Vorfälligkeitsentschädigung schuldet (§ 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB). 5. Kein Nachbesicherungsrecht Die Angabe der zu stellenden Sicherheiten stellt keine zwingende, sondern lediglich eine zusätzliche Angabe dar. Demnach ist der Verbraucherdarlehensvertrag bei einem Fehlen dieser Angabe auch nicht nach § 494 Abs. 1 BGB unwirksam. Jedoch kann der Darlehensgeber gem. § 494 Abs. 6 Satz 2 BGB bei fehlender Angabe der zu stellenden Sicherheiten grundsätzlich keine Sicherheiten fordern. Für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge gilt dies jedoch nur, soweit nicht der Nettodarlehensbetrag 75.000 € übersteigt (§ 494 Abs. 6 Satz 3 BGB). Diese Ausnahme gilt für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nicht. Gleichwohl bestellte Sicherheiten können jedoch nicht nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten heraus verlangt werden3.
1 Auch bei unzureichenden Angaben über die Laufzeit, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen (§ 502 Abs. 3 BGB), zustimmend: Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1065; kritisch Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 391. 2 OLG Frankfurt v. 22.2.2019 – 10 U 184/17; OLG Frankfurt v. 31.12.2018 – 17 U 221/18 (beide nicht veröffentlicht). 3 BGH v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07, NJW 2008, 3208 zumindest für Personalsicherheiten (abstraktes Schuldversprechen), a.A. Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 494 BGB Rz. 39.
Merz/Wittig | 829
5.232
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
6. Anspruch auf veränderte Abschrift
5.233
Nach § 494 Abs. 7 BGB ist der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine neue Vertragsabschrift mit den gem. § 494 Abs. 2–6 BGB veränderten Inhalten zu überlassen, wenn das Fehlen von Angaben nach § 494 Abs. 2–6 BGB sanktioniert wird1. Neben den gem. § 494 Abs. 2–6 BGB veränderten Inhalten sind auch alle sonstigen Angaben anzupassen, die sich seit Vertragsschluss geändert haben (z.B. Name und Anschrift des Darlehensgebers). Dies folgt mittelbar aus der in § 494 Abs. 7 Satz 1 BGB enthaltenden Verpflichtung, nicht nur die veränderten Inhalte, sondern eine Abschrift des Vertrages zur Verfügung zu stellen. Abweichend von § 495 BGB beginnt in diesem Fall die auf einen Monat verlängerte Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn der Darlehensnehmer diese Abschrift des Vertrages erhalten hat (§ 494 Abs. 7 Satz 2 BGB). Hierauf ist der Darlehensnehmer in Textform hinzuweisen (§ 492 Abs. 6 Satz 5 BGB). Da es sich um eine gesetzliche Verpflichtung handelt, kann der Darlehensgeber für diese Leistung kein Entgelt verlangen. 7. Fehlen von zusätzlichen Angaben
5.234
Das Fehlen von bestimmten zusätzlichen Angaben i.S.d. Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB bleibt für den Darlehensgeber ebenfalls nicht völlig sanktionslos, auch wenn deren Fehlen nicht zur Nichtigkeit des Verbraucherdarlehens führt. Für die Angabe der zu stellenden Sicherheiten ergibt sich die Sanktion ausdrücklich aus § 494 Abs. 6 BGB, wonach nicht angegebene Sicherheiten grundsätzlich nicht gefordert werden können. Fehlen Angaben zu verlangten Versicherungen oder sonstigen Zusatzleistungen, können diese vom Darlehensgeber ebenfalls nicht gefordert werden2. Zwar ergibt sich diese Sanktion nicht unmittelbar aus dem Gesetz, jedoch fehlt es für eine entsprechende Forderung an einer Rechtsgrundlage.
5.235
Fehlt die Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, hat der Darlehensgeber im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung eines Verbraucherdarlehensvertrages keinen Anspruch auf eine Entschädigung. Dies folgt mittelbar aus der Regelung gem. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wonach bereits eine unzureichende Angabe über die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu einem Ausschluss des Anspruches auf eine Vorfälligkeitsentschädigung führt. Jedoch sollten an die Beschreibung der Berechnungsmethode keine allzu hohen Ansprüche gestellt werden, um etwaige Rechtsprechungsänderungen oder anderweitig geänderte Anforderungen an die Berechnungsmethoden nach Abschluss des Darlehensvertrags unter dem bestehenden Vertrag zu ermöglichen.
5.236
Für Vollmachten, die nicht den Anforderungen des § 492 Abs. 4 BGB genügen und damit gem. § 494 Abs. 1 BGB nichtig sind, sieht das Gesetz in § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB keine unmittelbare Heilungsmöglichkeit vor. Denn sonst könnte der vollmachtlose Vertreter durch eine Auszahlung des Darlehens an sich selbst (etwa als Empfangsbote) erreichen, dass die zunächst unwirksame Vollmacht geheilt wird. Der mit dieser Regelung verfolgte Schutzzweck könnte damit umgangen werden. Vielmehr bedarf es zur Gültigkeit des Darlehensvertrages der Genehmigung des Darlehensnehmers, die mangels Formvorgabe auch konkludent erteilt werden kann3. Eine solche Genehmigung setzt aber voraus, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und dass in seinem 1 Für das bis zum 11.6.2010 geltende Recht war umstritten, ob diese Verpflichtung besteht, MüllerChristmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 28. 2 BT-Drucks. 16/11643, 81. 3 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 3.
830 | Merz/Wittig
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages | Teil 5
Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen1.
IV. Vertragsänderungen Das Erfordernis der Schriftlichkeit besteht auch bei notwendigen Vertragsanpassungen während der Vertragslaufzeit2. Zur Einhaltung des Schriftformerfordernisses gelten die gleichen Grundsätze wie beim Abschluss eines Verbraucherdarlehens. Hinsichtlich der Einheitlichkeit der Urkunde ist daher keine feste körperliche Verbindung mit dem Darlehensvertrag erforderlich, sondern es genügt, wenn in dem Nachtrag eindeutig auf den Darlehensvertrag Bezug genommen wird und zudem noch darauf verwiesen wird, dass ansonsten die bisherigen Vertragsbedingungen unverändert fortgelten3. Der Nachtrag muss daher nicht die Pflichtangaben nach Art. 247 §§ 6–13 EGBGB einschließlich der Widerrufsinformation enthalten.
5.237
Für die Frage, ob die Vertragsänderung mittels Nachtrag oder nur durch Abschluss eines neuen Verbraucherdarlehensvertrages erfolgen kann, kommt es maßgeblich darauf an, ob dem Verbraucher durch die Vertragsänderung für das Darlehen ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird4. Denn das Wesen eines Darlehensvertrages ist die zeitlich begrenzte Kapitalnutzung. Nur wenn das bei Vertragsschluss ursprünglich eingeräumte Kapitalnutzungsrecht verlängert wird, etwa bei einer Verringerung des Tilgungssatzes außerhalb der vertraglich vorgesehenen Konditionenanpassung, ist der Abschluss eines neuen Verbraucherdarlehensvertrages zwingend erforderlich.
5.238
V. Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers bei einem AllgemeinVerbraucherdarlehensvertrag (§ 499 Abs. 2 BGB) Bei unbefristeten Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen kann der Darlehensgeber nach § 499 Abs. 2 BGB die Auszahlung des Darlehens ganz oder teilweise aus einem sachlichen Grund verweigern. Voraussetzung ist, dass das Leistungsverweigerungsrecht entsprechend vertraglich vereinbart wurde5. Ein sachlicher Grund kann beispielsweise in der nachträglichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers (§ 321 BGB) oder in der missbräuchlichen Verwendung des Darlehens liegen, wobei an das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Verwendung hohe Anforderungen zu stellen sind6. 1 BGH v. 17.11.2009 – XI ZR 36/09, WM 2010, 28; BGH v. 28.4.2009 – XI ZR 227/08, WM 2009, 1271; BGH v. 27.5.2008 – XI ZR 149/07, WM 2008, 1266; zur Genehmigung wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG i.V.m. § 134 BGB nichtiger Verträge: von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 462. 2 BGH v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, WM 2006, 217; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 14. 3 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 14. 4 Auch bei einer nachträglichen Änderung der Darlehensart (Wechsel von einem Annuitätendarlehen zu einem endgültigen Darlehen) dürfte der Abschluss eines neuen Verbraucherdarlehensvertrages geboten sein. 5 Müller-Christmann/Rösler/Sauer, ForderungsPraktiker 2010, 208, 211. 6 BT-Drucks. 16/11643, 85.
Merz/Wittig | 831
5.239
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.240
Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrecht ist gem. § 499 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Darlehensnehmer in Textform (§ 492 Abs. 5 BGB) unverzüglich mitzuteilen und zu begründen. Die Mitteilung der Gründe hat zu unterbleiben, wenn sie gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verstößt (§ 499 Abs. 2 Satz 3 BGB).
5.241
Gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte werden von § 499 Abs. 2 BGB nicht berührt, d.h. ihre Ausübung ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 499 Abs. 2 BGB zulässig1. Auch die Kündigungsmöglichkeiten des Darlehensgebers werden durch die Regelung in § 499 Abs. 2 BGB weder ausgeschlossen noch beschränkt2. § 499 Abs. 2 BGB findet aufgrund seines eindeutigen Wortlauts keine Anwendung auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, auf die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB (§ 504 Abs. 2 Satz 1 BGB) und auf die geduldete Überziehung (§ 505 Abs. 4 BGB).
5.242
Einstweilen frei.
7. Abschnitt: Widerrufsrecht und Bedenkzeit (§ 495 BGB) 5.243
Bei einem Verbraucherdarlehen steht dem Darlehensnehmer nach § 495 Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu, das den Verbraucher vor unüberlegten oder übereilten Vertragsabschlüssen schützen soll. Seit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie finden sich die Regelungen zur Ausgestaltung einer Widerrufsinformation und der Ausübung des Widerrufsrechts sowie dessen Rechtsfolgen in den §§ 355 ff. BGB.
5.244
Dem Darlehensnehmer steht in den unter § 495 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB genannten Verbraucherdarlehensverträgen, wie dem Umschuldungsdarlehen, einem notariell beurkundeten Darlehensvertrag und den eingeräumten und geduldeten Überziehungsmöglichkeiten (§§ 504, 505 BGB) kein Widerrufsrecht zu.
5.245
Handelt es sich bei diesen Darlehen gleichzeitig um einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag i.S.d. § 491 Abs. 3 BGB, ist der Darlehensgeber deswegen verpflichtet, dem Darlehensnehmer wegen des fehlenden gesetzlichen Widerrufsrechts vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von mindestens sieben Tagen einzuräumen. Die Frist beginnt mit dem Tag der Aushändigung des Vertragsangebots, das für den Darlehensgeber während der Bedenkzeit bindend ist (§ 495 Abs. 3 BGB). Die Vorschrift geht auf Art. 14 Abs. 6 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zurück. Nach der Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass dem Verbraucher entweder ein Widerrufsrecht oder eine Bedenkzeit bei Abschluss eines unter die Wohnimmobilienkreditrichtlinie fallenden Darlehensvertrags zusteht. Die Bedenkzeit soll dem Darlehensnehmer die Möglichkeit geben, das Vertragsangebot zu prüfen und ggf. andere Angebote einzuholen3.
5.246
Bei den sieben Tagen handelt es sich um Kalendertage und die Frist beginnt an dem Tag zu laufen, an dem der Verbraucher das Vertragsangebot des Darlehensgebers erhält. Die Bedenkzeit stellt eine Annahmefrist i.S.v. § 148 BGB dar, während dessen der Darlehensgeber an sein Vertragsangebot gebunden ist4. Die Fristberechnung richtet sich nach § 187 BGB. Während der Bedenkzeit kann der Darlehensnehmer das Vertragsangebot jederzeit 1 2 3 4
BT-Drucks. 16/11643, 85. BT-Drucks. 16/11643, 85; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 390. Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 495 BGB Rz. 31. BT-Drucks. 18/5922, 88.
832 | Merz/Wittig
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.240
Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrecht ist gem. § 499 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Darlehensnehmer in Textform (§ 492 Abs. 5 BGB) unverzüglich mitzuteilen und zu begründen. Die Mitteilung der Gründe hat zu unterbleiben, wenn sie gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verstößt (§ 499 Abs. 2 Satz 3 BGB).
5.241
Gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte werden von § 499 Abs. 2 BGB nicht berührt, d.h. ihre Ausübung ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 499 Abs. 2 BGB zulässig1. Auch die Kündigungsmöglichkeiten des Darlehensgebers werden durch die Regelung in § 499 Abs. 2 BGB weder ausgeschlossen noch beschränkt2. § 499 Abs. 2 BGB findet aufgrund seines eindeutigen Wortlauts keine Anwendung auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, auf die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB (§ 504 Abs. 2 Satz 1 BGB) und auf die geduldete Überziehung (§ 505 Abs. 4 BGB).
5.242
Einstweilen frei.
7. Abschnitt: Widerrufsrecht und Bedenkzeit (§ 495 BGB) 5.243
Bei einem Verbraucherdarlehen steht dem Darlehensnehmer nach § 495 Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu, das den Verbraucher vor unüberlegten oder übereilten Vertragsabschlüssen schützen soll. Seit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie finden sich die Regelungen zur Ausgestaltung einer Widerrufsinformation und der Ausübung des Widerrufsrechts sowie dessen Rechtsfolgen in den §§ 355 ff. BGB.
5.244
Dem Darlehensnehmer steht in den unter § 495 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB genannten Verbraucherdarlehensverträgen, wie dem Umschuldungsdarlehen, einem notariell beurkundeten Darlehensvertrag und den eingeräumten und geduldeten Überziehungsmöglichkeiten (§§ 504, 505 BGB) kein Widerrufsrecht zu.
5.245
Handelt es sich bei diesen Darlehen gleichzeitig um einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag i.S.d. § 491 Abs. 3 BGB, ist der Darlehensgeber deswegen verpflichtet, dem Darlehensnehmer wegen des fehlenden gesetzlichen Widerrufsrechts vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von mindestens sieben Tagen einzuräumen. Die Frist beginnt mit dem Tag der Aushändigung des Vertragsangebots, das für den Darlehensgeber während der Bedenkzeit bindend ist (§ 495 Abs. 3 BGB). Die Vorschrift geht auf Art. 14 Abs. 6 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zurück. Nach der Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass dem Verbraucher entweder ein Widerrufsrecht oder eine Bedenkzeit bei Abschluss eines unter die Wohnimmobilienkreditrichtlinie fallenden Darlehensvertrags zusteht. Die Bedenkzeit soll dem Darlehensnehmer die Möglichkeit geben, das Vertragsangebot zu prüfen und ggf. andere Angebote einzuholen3.
5.246
Bei den sieben Tagen handelt es sich um Kalendertage und die Frist beginnt an dem Tag zu laufen, an dem der Verbraucher das Vertragsangebot des Darlehensgebers erhält. Die Bedenkzeit stellt eine Annahmefrist i.S.v. § 148 BGB dar, während dessen der Darlehensgeber an sein Vertragsangebot gebunden ist4. Die Fristberechnung richtet sich nach § 187 BGB. Während der Bedenkzeit kann der Darlehensnehmer das Vertragsangebot jederzeit 1 2 3 4
BT-Drucks. 16/11643, 85. BT-Drucks. 16/11643, 85; Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 390. Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 495 BGB Rz. 31. BT-Drucks. 18/5922, 88.
832 | Merz/Wittig
Widerrufsrecht und Bedenkzeit (§ 495 BGB) | Teil 5
annehmen, nach Ablauf der Frist erlischt das Angebot und eine verspätete Annahme führt zu einem neuen Angebot, das der Darlehensgeber nicht annehmen muss1. Räumt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer keine Bedenkzeit ein, stellt dies eine Pflichtverletzung dar, die ihn nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig machen kann.
I. Widerrufsinformation (Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) Die Pflichtangaben der Widerrufsinformation sind in Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB geregelt. Danach müssen im Darlehensvertrag Angaben zur Widerrufsfrist (14 Tage), zu den anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs und ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten (§ 356b BGB). Zu den „anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs“ gehört der Hinweis auf das Widerrufsrecht und wie der Verbraucher sein Recht ausüben kann.
5.247
Des Weiteren muss in der Widerrufsinformation der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag angegeben werden. Dieser ist auf Basis des vereinbarten Sollzinssatzes und der im Darlehensvertrag zugrunde gelegten Zinsberechnungsmethode bei unterstellter Vollauszahlung zu berechnen, auch wenn bei Vertragsschluss noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe das Darlehen vor Ablauf der Widerrufsfrist ausgezahlt wird2.
5.248
Erst durch das Änderungsgesetz vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) wurde eine Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge mit Gesetzlichkeitsfiktion eingeführt und zunächst als Anlage 6 zu Art. 247 EGBGB verortet. Seit dem Umsetzungsgesetz zur Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ins deutsche Recht gelten die als Anlage 7 (Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag) und Anlage 8 (Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag) zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB zur Verfügung gestellten Musterinformationen. Die Bereitstellung verschiedener Musterwiderrufsinformationen war wegen des unterschiedlichen Beginns der Widerrufsfrist erforderlich geworden3 (s. Rz. 5.252). Die Verwendung der Musterwiderrufsinformation, auf die in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB und in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB verwiesen wird, ist dem Darlehensgeber freigestellt4.
5.249
Setzt der Darlehensgeber die Musterwiderrufsinformation ein, tritt die Gesetzlichkeitsfiktion ein, wenn der Darlehensgeber das Muster richtig ausfüllt5 und die Gestaltungshinweise beachtet. Durch die Gestaltungshinweise nicht geforderte Weglassungen oder Ergänzungen können zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion6 führen. Zusätzliche Vereinbarun-
5.250
1 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 495 BGB Rz. 32; zur Zinsberechnungsmethode s. auch BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, WM 2017, 1602, 1604 Rz. 23. 2 BT-Drucks. 17/1394, 29. 3 BT-Drucks. 18/5922, 115. 4 BT-Drucks. 17/1394, 21. 5 Der Einsatz der Musterwiderrufsinformation vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) dürfte nicht dem bis zum 30.7.2010 geltenden Recht genügen, Bülow, NJW 2010, 1713; da die Musterwiderrufsinformation zahlreiche Gestaltungshinweise enthält, ist fraglich, ob das gesetzliche Muster den Unternehmen Rechtssicherheit bietet, Volmer, DNotZ 2010, 591. 6 BT-Drucks. 17/1394, 22; Grüneberg, WM 2019, 1, 4.
Merz/Wittig | 833
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
gen oder Informationen, etwa die Regelung des Widerrufsrechts bei mehreren Darlehensnehmern, können nur außerhalb der gesetzlichen Widerrufsinformation getroffen werden1. Dennoch führt der BGH seine bisherige Rechtsprechung zu Zusätzen in einer Widerrufsbelehrung bzw. Widerrufsinformation in einem begrenzten Umfang fort und hält Bearbeitungen durch den Darlehensgeber dann für zulässig, wenn sie dem Verbraucher die Zuordnung der Widerrufsinformation zum betreffenden Darlehensvertrag erleichtern2, es sich um offensichtliche Schreibfehler3 oder um sprachliche Anpassungen in der Bezeichnung des Adressaten der Widerrufsinformation handelt4.
5.251
In Format und Schriftgröße darf der Darlehensgeber von dem gesetzlichen Muster abweichen (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 6 EGBGB). Die in den Darlehensvertrag zu integrierende Musterwiderrufsinformation muss grundsätzlich nicht in ihrer Form hervorgehoben und deutlich gestaltet sein5. Verwendet der Darlehensgeber eine der Musterwiderrufsinformationen als Vertragsklausel in dem Verbraucherdarlehensvertrag in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form, genügt diese Information den gesetzlichen Anforderungen nach Art. 247 § 6 Satz 1 und 2 EGBGB (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB)6.
II. Widerrufsfrist 5.252
Nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage7. Die Frist beginnt grundsätzlich mit dem Vertragsschluss (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB); bei einem Verbraucherdarlehensvertrag beginnt die Frist aber erst zu laufen, wenn der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder eine Abschrift des Antrags des Darlehensnehmers zur Verfügung gestellt hat (§ 356b Abs. 1 BGB). Enthält die Vertragsurkunde oder der Vertragsantrag des Darlehensnehmers nicht die Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2 BGB, beginnt die Widerrufsfrist bei einem AllgemeinVerbraucherdarlehensvertrag erst zu laufen, wenn der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine Vertragsurkunde oder einen Vertragsantrag zur Verfügung gestellt hat, in der alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten sind.
5.253
Für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge beginnt die Widerrufsfrist dagegen zu laufen, wenn die dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben zum Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB, also eine Widerrufsinformation enthält. Mit dieser Vereinfachung der Anforderungen an die Voraussetzungen für den Fristbeginn bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen soll ein „ewiges Widerrufsrecht“ vermieden8 werden. Fehlen die Pflichtangaben kann der Darlehensgeber diese nachholen; in diesem Fall beträgt die Widerrufsfrist einen Monat. 1 2 3 4 5 6 7
BT-Drucks. 17/1394, 22. BGH v. 20.6.2017 – XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 Rz. 25. BGH v. 16.10.2018 – XI ZR 370/17, WM 2018, 2185 Rz. 8. Grüneberg, WM 2019, 1, 4. BGH v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881 Rz. 24 ff. BGH v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881 Rz. 35 ff. Zur Zulässigkeit der formularmäßigen Vereinbarung einer Verlängerung: BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 47/08, BKR 2009, 167. 8 BT-Drucks. 18/5922, 74.
834 | Merz/Wittig
Widerrufsrecht und Bedenkzeit (§ 495 BGB) | Teil 5
Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensrecht erlischt das Widerrufsrecht endgültig, wenn seit dem Vertragsschluss oder der Zurverfügungstellung der Vertragsurkunde bzw. des Vertragsantrags (s. § 356b Abs. 1 BGB) ein Jahr und 14 Tage vergangen sind. Die gesetzliche Verfristung des Widerrufsrechts im Falle einer nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Widerrufsinformation gilt nur für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Die Erlöschensregelung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist nach Auffassung des Gesetzgebers europarechtlich zulässig, weil die Wohnimmobilienkreditrichtlinie insoweit keinerlei Beschränkungen enthält1.
5.254
Die seit dem 21.3.2016 bestehende Regelung zum endgültigen Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 356b Abs. 1 BGB gilt nicht für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und für Immobiliardarlehensverträge, die zwischen dem 11.6.2010 und dem 20.3.2016 abgeschlossen wurden. Für diese Verbraucherdarlehensverträge besteht weiterhin ein grundsätzlich zeitlich unbefristetes („ewiges“) Widerrecht, das aber durch die Grundsätze der Verwirkung oder der rechtsmissbräuchlichen Ausübung eines zugestandenen Rechts entfallen kann2.
5.255
Stellt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer in Folge des § 494 Abs. 7 BGB einen neuen Verbraucherdarlehensvertrag in Abschrift zur Verfügung, ist der Darlehensnehmer über sein Widerrufsrecht erneut zu informieren. Die Widerrufsfrist beträgt in diesem Fall einen Monat (§ 356b Abs. 3 BGB).
5.256
Eine eigenständige Bedeutung erlangt der Erhalt der Pflichtangaben als Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist daher nur, wenn im Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag abweichend von den gesetzlichen Vorschriften Pflichtangaben fehlen und dieses Fehlen entweder nicht zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages führt3 oder der Vertrag durch Auszahlung des Darlehens geheilt wird (§ 494 Abs. 2 Satz 1 BGB). In diesen Fällen beginnt die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn sämtliche Pflichtangaben dem Darlehensnehmer erteilt wurden. Ist eine vorgeschriebene Pflichtangabe dagegen nur fehlerhaft, verschiebt sich der Beginn der Widerrufsfrist nicht. Denn eine fehlerhafte Angabe hat möglicherweise nicht den gleichen Informationswert wie eine zutreffende, sie ist jedoch nicht einer fehlenden Angabe gleichzusetzen4.
5.257
Durch die Regelung in § 492 Abs. 6 BGB wird dem Darlehensgeber ein Nachholen von fehlenden Pflichtangaben ermöglicht und auf diese Weise vermieden, dass in den vorgenannten Fällen der Darlehensvertrag bis zur Grenze der Verwirkung widerruflich wäre, ohne dass der Darlehensgeber hieran etwas ändern könnte5. Voraussetzung für ein Nachholen der vertraglichen Pflichtinformationen nach § 492 Abs. 6 BGB ist jedoch, dass der Darlehensvertrag wirksam zustande gekommen oder gültig geworden ist6. Das Erfordernis eines wirksamen Darlehensvertrages hat zur Folge, dass nur solche Pflichtangaben nachgeholt werden können, die nicht zu einer nachträglichen einseitigen Vertragsänderung führen7. Hinsichtlich der Angaben nach Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB, deren Fehlen nicht
5.258
1 2 3 4
BT-Drucks. 18/5922, 74. Grüneberg, WM 2019, 1, 9 unter Verweis auf die Rechtsprechung. Das Fehlen der Angaben nach Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB führt nicht zur Nichtigkeit. BGH v. 9.5.2006 – XI ZR 119/05, WM 2006, 1243, zu wonach ein Kreditvertrag nur nach § 6 VerbrKrG (= § 494 BGB a.F.) nichtig ist, wenn die vorgeschriebene Gesamtbetragsangabe völlig fehlt, nicht aber, wenn sie falsch ist. 5 BT-Drucks. 17/1394, 15. 6 BT-Drucks. 17/1394, 15. 7 BT-Drucks. 17/1394, 16.
Merz/Wittig | 835
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
zur Nichtigkeit führt, bedeutet dies, dass lediglich die Angaben nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB (Notarkosten)1 und nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB (außergerichtliches Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren) nachholbar sind2. Auch bei fehlenden Angaben über die zu stellenden Sicherheiten kommt ein Nachholen in Betracht, allerdings nur bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen mit einem Nettodarlehensbetrag von über 75.000 € (§ 494 Abs. 6 Satz 2 BGB). Bei den übrigen Angaben nach Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB ist dagegen ein Nachholen i.S.d. § 492 Abs. 6 BGB nicht möglich3. Denn anderenfalls hätte der Darlehensgeber es in der Hand, durch das Nachholen nachträglich einseitig einen Anspruch (z.B. auf eine Versicherung) zu begründen4.
5.259
Für das Nachholen ist Textform erforderlich (§ 492 Abs. 6 Satz 1 BGB). Fehlen Pflichtangaben, deren Fehlen nach § 494 Abs. 2 Satz 2 bis Abs. 6 BGB sanktioniert wird (z.B. Fehlen der Angabe des effektiven Jahreszinses), kann das Nachholen nur durch das Zurverfügungstellen einer Vertragsabschrift nach § 494 Abs. 7 BGB erfolgen (§ 492 Abs. 6 Satz 2 BGB). In den sonstigen Fällen (z.B. Fehlen der Angabe des Darlehensgebers) genügt das bloße Nachholen der fehlenden Angabe, wenn der Darlehensnehmer spätestens im Zeitpunkt der Nachholung eine der in § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB genannten Unterlagen erhalten hat (§ 492 Abs. 6 Satz 3 BGB).
5.260
Im Falle des Nachholens beträgt die Widerrufsfrist einen Monat (§ 492 Abs. 6 Satz 4 BGB). Mit dem Nachholen hat der Darlehensgeber den Darlehensnehmer zudem in Textform darauf hinzuweisen, dass die Widerrufsfrist von einem Monat erst nach Erhalt der nachgeholten Angaben beginnt (§ 492 Abs. 6 Satz 5 BGB). Dieser Hinweis stellt aber keine Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist dar. Vielmehr handelt es sich bei dieser Verpflichtung um eine vertragliche Nebenpflicht, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen kann5.
III. Ausübung des Widerrufsrechts 5.261
Der Widerruf des Darlehensnehmers muss keine Begründung enthalten und ist gegenüber dem Darlehensgeber zu erklären6. Aus der Widerrufserklärung muss der Entschluss des Verbrauchers eindeutig hervorgehen, dass er den Vertrag widerrufen will (§ 355 Abs. 1 Satz 3 BGB). Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie7 kann der Verbraucher sein Widerrufsrecht auch mündlich gegenüber einem Unternehmer bzw. dem Darlehensgeber erklären; die frühere Formbedürftigkeit, den Widerruf in Textform erklären zu müssen, wurde mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ins deutsche Gesetz aufgegeben. Ungeachtet dessen kann und – in der Praxis 1 Die entsprechende Verpflichtung zur Kostentragung besteht unabhängig vom Inhalt des Verbraucherdarlehensvertrages gegenüber dem Notar, BT-Drucks. 17/1394, 16. 2 BT-Drucks. 17/1394, 16. 3 So ist beispielsweise ein Nachholen der Information über die Berechnungsmethode des Anspruchs auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht möglich (§ 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB), BT-Drucks. 17/ 1394, 16. 4 BT-Drucks. 17/1394, 17. 5 BT-Drucks. 17/1394, 18. 6 Das Wort Widerruf braucht nicht verwendet zu werden, es muss aber deutlich werden, dass der Verbraucher an dem Vertrag nicht mehr festhalten will, Medicus in Prütting/Wegen/Weinreich, § 355 BGB Rz. 9. 7 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie, BGBl. I 2013, 3642.
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Widerrufsrecht und Bedenkzeit (§ 495 BGB) | Teil 5
weiterhin üblich – wird der Widerruf in Textform erfolgen. In diesem Fall reicht es für die Fristeinhaltung, wenn die Versendung des Widerrufs rechtzeitig vor Ablauf der Widerrufsfrist auf einem dauerhaften Datenträger erfolgt (darauf weisen die Muster-Widerrufsinformationen in Anlage 7 und 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB weiterhin ausdrücklich hin). Diese Regelung fand sich vor dem Inkrafttreten des Verbraucherrechtegesetzes in § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und sollte sicherstellen, dass dem Verbraucher auf diese Weise die volle Ausnutzung der Zwei-Wochen-Frist gewährt wird1.
IV. Widerrufsfolgen Nach § 355 Abs. 1 BGB ist der Darlehensnehmer an die auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerruft2. Damit geht das Gesetz entgegen der früher umstrittenen dogmatischen Einordnung3 davon aus, dass der Vertrag zunächst wirksam zustande gekommen ist. Die schwebende Wirksamkeit des Vertrages ist dadurch gekennzeichnet, dass der Vertrag bis zur Ausübung des Widerrufes voll wirksam ist und beiderseitige Erfüllungsansprüche begründet werden4. Die Vornahme des Widerrufes führt zum Eintritt der Rechtsbedingung und damit zum Wegfall der Willenserklärung des Darlehensnehmers. Dies hat zur Folge, dass dieser nicht mehr an seine Willenserklärung gebunden ist, so dass der bis dahin wirksame Darlehensvertrag sich mit Wirkung ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umwandelt (vgl. § 357a Abs. 3BGB)5.
5.262
Seit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ins deutsche Recht unterliegt die Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags den in § 357a Abs. 3 BGB geregelten Folgen eines erklärten Widerrufs. Auf das Widerrufsrecht finden die Regelungen über das gesetzliche Rücktrittsrecht (§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 BGB) keine entsprechende Anwendung mehr.
5.263
Die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Finanzdienstleistungsvertrags hat der Gesetzgeber in § 357a BGB zusammengefasst. Nach § 357a Abs. 1 BGB gilt im Grundsatz, dass die jeweils empfangenen Leistungen spätestens nach 30 Tagen zurück zu gewähren sind. Dies entspricht der bis 13.6.2014 geltenden Rechtslage, wonach in entsprechender Anwendung des § 346 BGB die bereits empfangenen Leistungen zurück zu gewähren waren. Abweichend von § 346 BGB schulden die Vertragsparteien aber nicht gegenseitig die Herausgabe der gezogenen Nutzungen, sondern zunächst nur die Rückgewähr der erhaltenen Leistungen binnen 30 Tagen (§ 357a Abs. 1 BGB). Die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrags richten sich nach § 357a Abs. 3 BGB. Danach schuldet der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber grundsätzlich für die Zeit der Kapitalnutzung den vertraglich vereinbarten Sollzins (§ 357a Abs. 3 Satz 1 BGB)6. Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag kann der Darlehensnehmer weiterhin den Nachweis führen, dass der Gebrauchsvorteil geringer ist als der vereinbarte Sollzins. 1 BT-Drucks. 11/5462, 22. 2 Zum Widerrufsrecht bei verbundenen Verträgen s. Rz. 5.368. 3 Nach teilweise vertretener Auffassung befand sich der Kreditvertrag bis zum Erlöschen des Widerrufsrechts in einem dem § 177 BGB entsprechenden Schwebezustand, vgl. BGH v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, WM 1995, 1231; Wiechers, WM 2000, 1077. 4 Medicus in Prütting/Wegen/Weinreich, § 355 BGB Rz. 1. 5 Grüneberg in Palandt, § 355 BGB Rz. 5. 6 Zur Pflicht der Verzinsung des erhaltenen Darlehensbetrags s. die Rechtsprechung des BGH v. 22.5.2015 – XI ZR 116/15 mit Anm. von Schnauder, juris PraxisReport, 11/2015 Anm. 1.
Merz/Wittig | 837
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.264
Zusätzlich zu den sich aus den vorstehenden Ansprüchen hat der Darlehensgeber noch einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, die der Darlehensgeber an öffentliche Stelle erbracht hat und nicht zurückverlangen kann (§ 357a Abs. 3 Satz 5 BGB). Darunter können beispielsweise Notarkosten fallen, nicht aber Kosten für Anfragen bei privaten Auskunfteien1.
V. Ausnahmen vom Widerrufsrecht 5.265
In § 495 Abs. 2 BGB sind die Ausnahmen vom Widerrufsrecht zusammengefasst. Danach ist das Widerrufsrecht bei folgenden Verbraucherdarlehensverträgen ausnahmsweise ausgeschlossen: – Interne Umschuldung von notleidenden Verbraucherdarlehen mit geringerem Gesamtbetrag, § 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB – Notariell beurkundetes Verbraucherdarlehen mit Notarbestätigung, dass die Rechte des Verbrauchers aus den §§ 491a und 492 BGB gewahrt sind, § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB2 – Eingeräumte Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB, § 495 Abs. 2 Nr. 3 BGB – Geduldete Überziehung gem. § 505 BGB, § 495 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Mit der Regelung in § 495 Abs. 2 BGB wird allerdings nur ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, d.h. etwaig bestehende Widerrufsrechte nach anderen verbraucherschützenden Normen (z.B. bei Fernabsatzverträgen, § 312c BGB, oder bei Verträgen außerhalb der Geschäftsräume nach § 312b BGB) bleiben unberührt.
VI. Das Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen (§ 356 BGB) 5.266
Das Widerrufsrecht kann durch die Einräumung eines uneingeschränkten Rückgaberechts nach § 356 BGB ersetzt werden, soweit dies ausdrücklich durch Gesetz zugelassen worden ist3. Hinsichtlich der dogmatischen Einordnung des Schwebezustandes und bezüglich der Rechtsfolgen gilt Gleiches wie beim Widerruf.
5.267–5.275 Einstweilen frei.
8. Abschnitt: Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan 5.276
Die Informationspflichten während des Vertragsverhältnisses sind für Verbraucherdarlehensverträge im Wesentlichen in § 493 BGB geregelt. Während die Informationspflichten bei Ablauf der Zinsbindung (Abs. 1) und bei Ablauf des Darlehensvertrages (Abs. 2) durch das Risikobegrenzungsgesetz4 eingeführt wurden, hat die neue Informationspflicht bei 1 BT-Drucks. 16/11643, 83. 2 Die Feststellung, dass die Rechte des Darlehensnehmers nach §§ 491a und 492 BGB gewahrt sind, trifft der Notar in eigener Verantwortung, BT-Drucks. 16/11643, 84; Volmer, DNotZ 2010, 591. 3 Bei Teilzahlungsgeschäften i.S.d. § 506 Abs. 3 BGB kann das Widerrufsrecht durch ein Rückgaberecht ersetzt werden (§ 508 Abs. 1 BGB). 4 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666; BT-Drucks. 16/9778.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.264
Zusätzlich zu den sich aus den vorstehenden Ansprüchen hat der Darlehensgeber noch einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, die der Darlehensgeber an öffentliche Stelle erbracht hat und nicht zurückverlangen kann (§ 357a Abs. 3 Satz 5 BGB). Darunter können beispielsweise Notarkosten fallen, nicht aber Kosten für Anfragen bei privaten Auskunfteien1.
V. Ausnahmen vom Widerrufsrecht 5.265
In § 495 Abs. 2 BGB sind die Ausnahmen vom Widerrufsrecht zusammengefasst. Danach ist das Widerrufsrecht bei folgenden Verbraucherdarlehensverträgen ausnahmsweise ausgeschlossen: – Interne Umschuldung von notleidenden Verbraucherdarlehen mit geringerem Gesamtbetrag, § 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB – Notariell beurkundetes Verbraucherdarlehen mit Notarbestätigung, dass die Rechte des Verbrauchers aus den §§ 491a und 492 BGB gewahrt sind, § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB2 – Eingeräumte Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB, § 495 Abs. 2 Nr. 3 BGB – Geduldete Überziehung gem. § 505 BGB, § 495 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Mit der Regelung in § 495 Abs. 2 BGB wird allerdings nur ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, d.h. etwaig bestehende Widerrufsrechte nach anderen verbraucherschützenden Normen (z.B. bei Fernabsatzverträgen, § 312c BGB, oder bei Verträgen außerhalb der Geschäftsräume nach § 312b BGB) bleiben unberührt.
VI. Das Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen (§ 356 BGB) 5.266
Das Widerrufsrecht kann durch die Einräumung eines uneingeschränkten Rückgaberechts nach § 356 BGB ersetzt werden, soweit dies ausdrücklich durch Gesetz zugelassen worden ist3. Hinsichtlich der dogmatischen Einordnung des Schwebezustandes und bezüglich der Rechtsfolgen gilt Gleiches wie beim Widerruf.
5.267–5.275 Einstweilen frei.
8. Abschnitt: Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan 5.276
Die Informationspflichten während des Vertragsverhältnisses sind für Verbraucherdarlehensverträge im Wesentlichen in § 493 BGB geregelt. Während die Informationspflichten bei Ablauf der Zinsbindung (Abs. 1) und bei Ablauf des Darlehensvertrages (Abs. 2) durch das Risikobegrenzungsgesetz4 eingeführt wurden, hat die neue Informationspflicht bei 1 BT-Drucks. 16/11643, 83. 2 Die Feststellung, dass die Rechte des Darlehensnehmers nach §§ 491a und 492 BGB gewahrt sind, trifft der Notar in eigener Verantwortung, BT-Drucks. 16/11643, 84; Volmer, DNotZ 2010, 591. 3 Bei Teilzahlungsgeschäften i.S.d. § 506 Abs. 3 BGB kann das Widerrufsrecht durch ein Rückgaberecht ersetzt werden (§ 508 Abs. 1 BGB). 4 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666; BT-Drucks. 16/9778.
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Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan | Teil 5
Zinsanpassungen (Abs. 3) zwar ihre Grundlage in der Verbraucherkreditrichtlinie, sie gilt aber uneingeschränkt sowohl für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge als auch für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Weitere laufende Informationspflichten bestehen bei einem Gläubigerwechsel (§ 493 Abs. 6, § 496 Abs. 2 BGB)1, bei der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit (§ 504 Abs. 1 BGB, Art. 247 § 16 EGBGB) und bei geduldeten Überziehungen (§ 505 Abs. 1 und 2 BGB, Art. 247 § 17 EGBGB). Daneben hat der Darlehensnehmer bei befristeten Darlehensverträgen einen jederzeitigen Anspruch auf einen Tilgungsplan (§ 492 Abs. 3 Satz 2 BGB). Bei der Vornahme der laufenden Unterrichtungspflichten ist die Formvorgabe des § 492 Abs. 5 BGB zu beachten. Danach müssen die Erklärungen des Darlehensgebers nach Vertragsschluss auf einem dauerhaften Datenträger (§ 126b BGB) erfolgen. Hinsichtlich der Art der Informationsübermittlung ist zwischen zwei Arten der Unterrichtung zu unterscheiden. Ist nach dem Gesetzeswortlaut eine Information dem Darlehensnehmer „mitzuteilen“, so muss der Darlehensgeber diese von sich aus übermitteln (z.B. per Brief), ohne dass es einer ausdrücklichen Anforderung seitens des Darlehensnehmers bedarf (vgl. z.B. § 505 Abs. 1 BGB). Ist dagegen der Darlehensnehmer über eine Information lediglich zu „unterrichten“, besteht die Möglichkeit zu vereinbaren, dass der Darlehensgeber die Informationen zum Abruf bereitstellt und der Darlehensnehmer diese aktiv anfordern kann, in dem er sie beispielsweise am Kontoauszugsdrucker abruft (vgl. z.B. § 504 Abs. 1 BGB). Haben die Vertragsparteien eine derartige Vereinbarung nicht getroffen, ist die Pflicht zur Unterrichtung allerdings im Sinne von „mitteilen“ zu verstehen, da der Gesetzgeber den Begriff „unterrichten“ als Oberbegriff für beide Arten der Informationsübermittlung versteht2.
5.277
I. Laufende Informationspflichten (§ 493 BGB) Nach § 493 BGB bestehen bei Verbraucherdarlehen folgende Informationspflichten während des Vertragsverhältnisses: – Informationspflicht bei Ablauf der Zinsbindung, § 493 Abs. 1 BGB Bei einem Verbraucherdarlehensvertrag mit einem gebundenen Sollzinssatz, bei der die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet („unechte Abschnittsfinanzierung“)3, hat der Darlehensgeber spätestens drei Monate vor Ende der Sollzinsbindung den Darlehensnehmer darüber zu unterrichten, ob er zu einer neuen Sollzinsbindung bereit ist4. Ist der Darlehensgeber hierzu bereit, muss die Unterrichtung den zum Zeitpunkt der Unterrichtung geltenden Sollzinssatz enthalten. Dieser ist jedoch nicht verbindlich, denn es besteht keine Verpflichtung des Darlehensgebers zur Unterbreitung eines konkreten Vertragsangebots5. – Informationspflicht bei Ablauf des Darlehensvertrages, § 493 Abs. 2 BGB Nach § 493 Abs. 2 BGB hat der Darlehensgeber den Darlehensnehmer spätestens drei Monate vor Beendigung eines Verbraucherdarlehens darüber zu unterrichten, ob er zur Fortset1 Diese beiden Informationspflichten sind ebenfalls durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8. 2008 (BGBl. I 2008, 1660) eingeführt worden. 2 BT-Drucks. 16/11643, 81. 3 Zur Begrifflichkeit s. Ady, WM 2010, 1305. 4 Diese Vorschrift ist dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass sie auf Sollzinsbindungen bis zu drei Monaten keine Anwendung findet. 5 BT-Drucks. 16/9821, 20.
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5.278
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
zung des Darlehensverhältnisses bereit ist. Ist der Darlehensgeber hierzu bereit, muss die Unterrichtung die zum Zeitpunkt der Unterrichtung gültigen Pflichtangaben gem. § 491a Abs. 1 BGB enthalten. Eine solche Informationspflicht besteht aber nur, wenn das Darlehen zum Ende der Vertragslaufzeit nicht vollständig zurückgeführt ist („echte Abschnittsfinanzierung“)1 und für den Darlehensgeber erkennbar ein weiterer Finanzierungsbedarf des Darlehensnehmers zur Rückzahlung des Restdarlehensbetrags besteht. Der Darlehensgeber ist aber nicht verpflichtet, dem Darlehensnehmer mit einer Anschlussfinanzierung zur Verfügung zu stehen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, danach besteht für den Darlehensgeber nur eine Unterrichtungspflicht, wenn er „bereit“ ist, das Darlehensverhältnis fortzusetzen. Besteht diese Bereitschaft nicht, entfällt die Unterrichtungspflicht. Die Unterrichtungspflicht nach § 493 Abs. 2 BGB besteht weiterhin dann nicht, wenn das Darlehen planmäßig, entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen nach Ablauf der Unterrichtungsfrist zurückgezahlt sein wird. Denn aus § 493 Abs. 2 BGB ergibt sich keine Verpflichtung, Darlehensnehmer allgemein nach neuem Finanzierungsbedarf zu fragen und über eine grundsätzliche Finanzierungsbereitschaft des Darlehensgebers zu unterrichten. – Unterrichtungen bei Zinsanpassungen, § 493 Abs. 3 BGB Nach § 493 Abs. 3 BGB2 wird bei Verbraucherdarlehen mit veränderlichem Sollzinssatz eine Zinsanpassung erst wirksam, nachdem der Darlehensgeber den Darlehensnehmer über die in Art. 247 § 15 Abs. 1 EGBGB genannten Einzelheiten unterrichtet hat3. Ein abweichender Zeitpunkt für die Wirksamkeit einer Zinsänderung kann aber mit dem Darlehensnehmer vereinbart werden, wenn die Zinsanpassung auf die Änderung eines Referenzzinssatzes (§ 675g Abs. 3 Satz 2 BGB, § 492 Abs. 7 BGB) zurückgeht und der Darlehensgeber vertraglich verpflichtet ist, den Darlehensnehmer über die Angaben nach Art. 247 § 15 Abs. 1 EGBGB regelmäßig zu unterrichten. Regelmäßig ist eine Unterrichtung im Sinne dieser Vorschrift aber nur, wenn sie in zeitlich aufeinander abgestimmten Terminen erfolgt, die kürzer als einmal pro Jahr sind (z.B. vierteljährlich)4. Außerdem muss die Höhe des Referenzzinssatzes in den Geschäftsräumen des Darlehensgebers einsehbar sein. Darüber hinaus muss der Referenzzinssatz oder Index, nach dem sich der veränderliche Sollzinssatz richtet, objektiv, eindeutig bestimmt und für den Darlehensgeber und Darlehensnehmer verfügbar und überprüfbar sein (§ 492 Abs. 7 BGB). Hinsichtlich des Inhalts einer Zinsanpassungsklausel sind auch nach dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes nach wie vor die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze anwendbar5. Danach benachteiligt eine Zinsanpassungsklausel den Darlehensnehmer nur dann 1 Z.B. bei einer Finanzierung mit einer Ballonrate zum Laufzeitende, wie sie bei Autofinanzierungen nicht unüblich ist. 2 Die Regelung in § 493 Abs. 3 BGB gilt auch für vor dem 11.6.2010 abgeschlossene unbefristete Schuldverhältnisse, Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB. 3 Nach Art. 247 § 15 Abs. 1 EGBGB hat der Darlehensgeber den Darlehensnehmer über den angepassten Sollzinssatz, die angepasste Höhe der Teilzahlungen und, sofern sich diese ändern, die Zahl und die Fälligkeit der Teilzahlungen zu unterrichten. 4 Nach der Gesetzesbegründung ist „in regelmäßigen Zeitabständen“ so zu verstehen wie in § 504 Abs. 1 BGB, d.h. ein jährlicher Rhythmus ist keinesfalls ausreichend, BT-Drucks. 16/11643, 134. 5 Vgl. BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, NJW 2009, 2051; BGH v. 14.4.1992 – XI ZR 196/91, BGHZ 118, 126; BGH v. 6.3.1986 – III ZR 195/84, BGHZ 97, 212; Metz, BKR 2010, 265; Roller, BKR 2008, 221; von der Linden, WM 2008, 195; Rösler/Lang, ZIP 2006, 214; Habersack, WM 2001, 753; Schimansky, WM 2001, 1169; Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 488 BGB Rz. 49 ff.
840 | Merz/Wittig
Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan | Teil 5
nicht unangemessen, wenn das Äquivalenzverhältnis gesichert ist („Anpassungssymmetrie“) und in der Zinsanpassungsklausel die Voraussetzungen für die Änderungsbefugnis bzw. -pflicht in sachlicher Hinsicht (z.B. Umstände einer Zinsanpassung, insbesondere Bindung an einen aussagekräftigen Referenzzinssatz, Schwellenwert) und in zeitlicher Hinsicht (z.B. Anpassungsintervalle) so präzisiert sind, dass der Darlehensnehmer vorhersehen und kontrollieren kann, ob eine Zinsanpassung des Darlehensgebers zu Recht erfolgt ist. Genügt eine Zinsanpassungsklausel diesen Anforderungen nicht, ist sie nach § 307 BGB unwirksam1. – Informationspflicht bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen in Fremdwährung, § 493 Abs. 4 BGB Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag in Fremdwährung i.S.v. § 503 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB ist der Darlehensgeber verpflichtet, den Darlehensnehmer unverzüglich darüber zu informieren, wenn der Wert des noch zu zahlenden Restbetrags des Darlehens oder der Wert der regelmäßigen Raten in der Landeswährung des Darlehensnehmers um mehr als 20 % gegenüber dem Wert gestiegen ist, der bei Zugrundelegung des Wechselkurses bei Vertragsschluss gegeben war. Diese Informationen müssen die Angaben über die Veränderung des Restbetrags in der Landeswährung des Darlehensnehmers enthalten, einen Hinweis auf die Möglichkeit einer Währungsumstellung, die hierfür geltenden Bedingungen und ggf. weitere Erläuterungen über die Möglichkeit zur Begrenzung des Wechselkursrisikos (§ 493 Abs. 4 Satz 2 BGB). Diese Informationen sind auf einem dauerhaften Datenträger (§ 126b Satz BGB) zu übermitteln und solange zu wiederholen, bis der Wechselkurs wieder unter die Schwelle von 20 % gesunken ist oder der Darlehensnehmer das Wechselkursrisiko durch Währungsumstellung beseitigt hat. Die Informationspflichten sind von dem Darlehensgeber selbst dann einzuhalten, wenn der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zwar in der Landeswährung des Darlehensnehmers abgeschlossen wurde, der Darlehensnehmer aber sein Einkommen in einer anderen Währung bezieht oder Vermögenswerte unterhält, mit denen das Darlehen zurückgezahlt werden sollen. In diesem Fall steht dem Darlehensnehmer nur dann das Recht zur Währungsumstellung zu, wenn im Darlehensvertrag vereinbart wird, dass als Landeswährung die Währung gilt, in der der Darlehensnehmer sein Einkommen bezieht oder Vermögenswerte unterhält, die zur Rückzahlung des Darlehens bestimmt sind (§ 503 Abs. 1 Satz 3 BGB). Wird eine solche Vereinbarung nicht getroffen, steht dem Darlehensnehmer zwar kein Wandlungsrecht nach § 503 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, gleichwohl ist der Darlehensnehmer über den Umstand des erhöhten Risikos durch die Währungsschwankung gem. § 493 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB und die Möglichkeiten einer Risikobegrenzung zu informieren. – Anlass bezogene Informationspflicht bei vorzeitiger Erfüllung, § 493 Abs. 5 BGB Zwar keine laufende, sondern Anlass bezogene Informationspflicht trifft den Darlehensgeber, wenn der Darlehensnehmer ankündigt, den Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nach § 500 Abs. 2 BGB vorzeitig erfüllen zu wollen. Der Darlehensgeber ist nach Erhalt der Kenntnis von dem vorzeitigen Rückzahlungswillen des Verbrauchers verpflichtet, diesen unverzüglich über die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung, die Höhe des zurück zu zahlenden Betrags und die Höhe einer etwaig zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung auf einem dauerhaften Datenträger zu informieren. Sind die Auskünfte auf Annahmen gestützt, müssen diese nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt sein und dem Darlehensnehmer gegenüber offengelegt werden (§ 493 Abs. 5 BGB). 1 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, NJW 2009, 2051.
Merz/Wittig | 841
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
II. Informationspflichten bei einem Gläubigerwechsel 5.279
Bei einer offenen Zession obliegen gem. § 493 Abs. 6 BGB dem neuen Gläubiger die Informationspflichten gem. § 493 Abs. 1 bis 3 BGB. Dadurch soll der Darlehensnehmer rechtzeitig erfahren, ob auch der neue Gläubiger zur Fortsetzung des Darlehensvertrages bereit ist und welche Konditionen dieser zugrunde legen würde1. § 493 Abs. 6 BGB ist jedoch nur bei einer offenen Forderungsabtretung aus dem Darlehensvertrag einschlägig. Wird zwischen dem bisherigen Darlehensgeber und dem Zessionar vereinbart, dass im Verhältnis zum Darlehensnehmer weiterhin der bisherige Darlehensgeber auftritt, ist § 493 Abs. 6 BGB nicht anwendbar.
5.280
§ 496 Abs. 2 BGB begründet die Verpflichtung, bei offenen Abtretungen oder Übertragungen des Vertragsverhältnisses den Darlehensnehmer unverzüglich darüber sowie über die Kontaktdaten des neuen Gläubigers gem. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EGBGB zu informieren. Von einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wer zur Unterrichtung verpflichtet ist, wurde bewusst abgesehen. Der Gesetzgeber ist aber grundsätzlich davon ausgegangen, dass im Falle einer Abtretung der Zedent und im Falle einer Vertragsübernahme der Zessionar zur Unterrichtung verpflichtet ist, dass beide aber auch eine abweichende Regelung vereinbaren können2.
III. Unterrichtung bei Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 16 EGBGB) 5.281
Bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten ist der Darlehensgeber gem. § 504 Abs. 1 BGB verpflichtet, den Darlehensnehmer in regelmäßigen Zeitabständen über die in Art. 247 § 16 EGBGB geregelten Angaben zu unterrichten3. Die laufende Unterrichtung muss auf einem dauerhaften Datenträger (§ 126b Satz 2 BGB) und kann mittels eines Kontoauszugs erfolgen, sofern dieser die erforderlichen Angaben enthält4. Die Übermittlung auf einem dauerhaften Datenträger kann durch die Verwendung eines für den Darlehensnehmer eingerichteten digitalen Postfachs oder einer digitalen Nachrichtenbox erfolgen, wenn diese die vom EuGH aufgestellten Anforderungen5 erfüllt. In zeitlicher Hinsicht ist daher eine Unterrichtung zu zeitlich aufeinander abgestimmten Terminen (z.B. vierteljährlich) erforderlich, deren Abstände so gewählt sein müssen, dass der Darlehensnehmer angemessen informiert ist und seine Belastungen erkennen kann6.
5.282
Nach Art. 247 § 16 EGBGB muss die Unterrichtung grundsätzlich folgende Angaben enthalten: – Genauer Zeitraum, auf den sich die Unterrichtung bezieht, Art. 247 § 16 Nr. 1 EGBGB 1 BT-Drucks. 16/9778, 20. 2 BT-Drucks. 16/9778, 21. 3 Zu den Anforderungen an die Informationsüberrmittlung s. Rz. 5.277; die laufende Unterrichtungspflicht gilt auch für vor dem 11.6.2010 abgeschlossene unbefristete Schuldverhältnisse (Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB). 4 S. hierzu auch Rz. 5.277; Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105, 107. 5 EuGH v. 25.1.2017 – Rs. C-375/15 (BAWAG/VKI), NJW 2017, 871; Freitag, ZIP 2018, 1805. 6 Nach der Gesetzesbegründung ist ein jährlicher Rhythmus keinesfalls ausreichend, BT-Drucks. 16/11643, 89; Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105, 107; Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 5; KessalWulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 504 BGB Rz. 5; Pop in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 504 BGB Rz. 23.
842 | Merz/Wittig
Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan | Teil 5
– Datum und Höhe der Auszahlungen, Art. 247 § 16 Nr. 2 EGBGB – Saldo und Datum der vorangegangenen Unterrichtung, Art. 247 § 16 Nr. 3 EGBGB – Neuer Saldo, Art. 247 § 16 Nr. 4 EGBGB – Datum und Höhe der Rückzahlungen, Art. 247 § 16 Nr. 5 EGBGB – Sollzinssatz, Art. 247 § 16 Nr. 6 EGBGB – Kosten, Art. 247 § 16 Nr. 7 EGBGB – Ggf. zurückzuzahlender Mindestbetrag, Art. 247 § 16 Nr. 8 EGBGB. Obwohl in Art. 247 § 16 EGBGB nicht zwischen den einzelnen Formen der eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten unterschieden wird, sind nicht sämtliche Angaben bei allen Formen erforderlich. So ist bei der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB die Angaben nach Art. 247 § 16 Nr. 7 und 8 EGBGB entbehrlich, da bei dieser Sonderform keine weiteren laufenden Kosten vereinbart werden dürfen und ein zurückzuzahlender Mindestbetrag nicht besteht1. § 504 Abs. 1 Satz 3 BGB sieht zudem eine Erleichterung in Bezug auf die Unterrichtung bei Zinsanpassungen vor. Danach ist § 493 Abs. 3 BGB nur bei einer Erhöhung des Sollzinssatzes anzuwenden2. Darüber hinaus enthält § 504 Abs. 1 Satz 3 BGB eine Erweiterung hinsichtlich der Erhöhung vereinbarter sonstiger Kosten. Diesbezüglich ist § 493 Abs. 3 BGB entsprechend anwendbar.
5.283
IV. Unterrichtung bei geduldeten Überziehungen (Art. 247 § 17 EGBGB) Bei geduldeten Überziehungen gem. § 505 BGB3 müssen dem Darlehensnehmer in regelmäßigen Zeitabständen die folgenden Angaben nach Art. 247 § 17 Abs. 1 EGBGB auf einem dauerhaften Datenträger (§ 126b Satz 2 BGB) mitgeteilt werden4: – Sollzinssatz, Art. 247 § 17 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Bedingungen für die Anpassung des Sollzinssatzes, Art. 247 § 17 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB5 – Etwaige Indizes oder Referenzzinssätze, auf die sich der Sollzinssatz bezieht, Art. 247 § 17 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB 1 Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105, 107. 2 Der Verweis auf § 493 Abs. 3 BGB umfasst die Möglichkeit, vereinfacht nach Art. 247 § 15 Abs. 2 EGBGB zu unterrichten, BT-Drucks. 16/11643, 89. 3 Die regelmäßige Unterrichtungspflicht nach Vertragsschluss (§ 305 Abs. 1 BGB) und die Unterrichtungspflicht bei erheblichen Überziehungen (§ 505 Abs. 2 BGB) gelten auch für vor dem 11.6.2010 abgeschlossene unbefristete Schuldverhältnisse, Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB; BTDrucks. 16/13669, 125. 4 Der Begriff „in regelmäßigen Zeitabständen“ ist wie in § 504 Abs. 1 BGB zu verstehen, BTDrucks. 16/11643, 91. Zu den Anforderungen an die Informationsübermittlung s. Rz. 5.277. 5 Nach dem Wortlaut des Art. 247 § 17 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB sind die Bedingungen für die Anwendung des Sollzinssatzes und nicht die Bedingungen für die Anpassung des Sollzinssatzes anzugeben. Die Angabe der Bedingungen für die Anwendung des Sollzinssatzes erscheint wenig sinnvoll, so dass von einem Redaktionsversehen auszugehen ist. Diese Auslegung wird gestützt durch die Gesetzesbegründung, nach der die Bedingungen für die Anpassung des Sollzinssatzes anzugeben sind, BT-Drucks. 16/11643, 134.
Merz/Wittig | 843
5.284
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
– Sämtliche Kosten, die ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfallen, Art. 247 § 17 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Bedingungen für die Anpassung der Kosten, Art. 247 § 17 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB.
5.285
Bei erheblichen Überziehungen von mehr als einem Monat besteht darüber hinaus eine weitere Informationspflicht. In diesen Fällen hat der Darlehensgeber den Darlehensnehmer nach § 505 Abs. 2 BGB unverzüglich in Textform über folgende Angaben zu unterrichten: – Vorliegen einer Überziehung, Art. 247 § 17 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB – Betrag der Überziehung, Art. 247 § 17 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB – Sollzinssatz, Art. 247 § 17 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB – Etwaige Vertragsstrafen, Kosten und Verzugszinsen, Art. 247 § 17 Abs. 2 Nr. 4 EGBGB.
5.286
Für die Frage, wann eine erhebliche Überziehung i.S.d. § 505 Abs. 2 BGB vorliegt, kommt es auf den konkreten Einzelfall an. Bei der Abwägung der Gesamtumstände sind u.a. die Höhe der Gutschriften auf dem laufenden Konto in den letzten Monaten zu berücksichtigen1. Je geringer diese ausfallen, umso schneller ist eine Überziehung erheblich. In zeitlicher Hinsicht ist mindestens auf die letzten drei Monate abzustellen2. Hierfür spricht zum einen, dass anderenfalls die Basis für die Abwägung wenig aussagekräftig wäre und die Beurteilung der Frage der Erheblichkeit von Zufällen abhängen würde. Zudem gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass nur die Gutschriften im Monat der erheblichen Überziehung Berücksichtigung finden sollen. Zum anderen spricht auch der Hinweis in § 505 Abs. 2 Satz 3 BGB für die Betrachtung eines Zeitraums von drei Monaten, denn maßgeblich für die Beurteilung des Vorliegens einer erheblichen Überziehung ist danach bei einem laufenden Konto der Zeitpunkt eines Rechnungsabschlusses zum Ende einer dreimonatigen Rechnungsperiode. Das Gesetz stellt auf einen vierteljährlichen Rechnungsabschluss ab, was bei einem laufenden Konto für einen Verbraucher den Regelfall darstellen sollte; der Rechnungsabschluss erfolgt dann regelmäßig zum Ende eines Kalenderquartals. Irrelevant ist bei der Abwägung der Gesamtumstände dagegen, ob der Darlehensnehmer noch über andere Vermögenswerte verfügt und wie schnell er die Überziehung zurückführen kann3.
5.287
Für die Bankpraxis empfiehlt sich als Faustformel für die Annahme einer erheblichen Überziehung, diese bei einem auf Guthabenbasis geführten laufenden Konto erst ab einer Überziehung von 200 € und bei einem laufenden Konto mit eingeräumter Überziehungsmöglichkeit diese erst ab einer Überziehung von 10 % des eingeräumten Kreditrahmens, mindestens jedoch 200 € anzunehmen4. Für diese Grenzen spricht u.a. die Regelung in § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach Darlehensverträge unter 200 € nicht dem Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts unterliegen5.
V. Tilgungsplan (§ 492 Abs. 3 Satz 2 BGB) 5.288
Bei einem Verbraucherdarlehen mit bestimmter Laufzeit hat der Darlehensnehmer nach § 492 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht, vom Darlehensgeber jederzeit einen Tilgungsplan 1 2 3 4 5
BT-Drucks. 16/11643, 91. Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105, 108. BT-Drucks. 16/11643, 91. Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105, 108. Mehringer, BankPraktiker 2010, 570, 575.
844 | Merz/Wittig
Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan | Teil 5
(Art. 247 § 14 EGBGB) zu verlangen. Dieser Anspruch erlischt nicht, solange das Vertragsverhältnis besteht (Art. 247 § 14 Abs. 3 Satz 2 EGBGB). Zudem handelt es nicht um einen einmaligen Anspruch, sondern der Darlehensnehmer kann während der Vertragslaufzeit grundsätzlich stets einen neuen Tilgungsplan verlangen1. Ein mehrmaliges Verlangen des Darlehensnehmers innerhalb eines Jahres dürfte allerdings grundsätzlich rechtsmissbräuchlich sein, es sei denn, das erneute Verlangen ist durch Abweichungen vom letzten ausgehändigten Tilgungsplan (z.B. bedingt durch Sondertilgungen) gerechtfertigt2. Der Tilgungsplan ist dem Darlehensnehmer nach Art. 247 § 14 Abs. 3 EGBGB auf einem dauerhaften Datenträger (§ 126b Satz 2 BGB) zur Verfügung zu stellen. Die Zurverfügungstellung hat kostenlos zu erfolgen, da es sich um eine gesetzliche Verpflichtung handelt3.
5.289
Der Inhalt des Tilgungsplans ergibt sich aus Art. 247 § 14 Abs. 1 EGBGB. Danach müssen aus dem Tilgungsplan die Zahlungstermine, die Ratenhöhe und die Aufschlüsselung der künftigen Zahlungseingänge nach Tilgung, Zinsen und Kosten hervorgehen4. Kann es zu einer Zinsanpassung oder zu einer Anpassung der Kosten während der Vertragslaufzeit kommen, ist gem. Art. 247 § 14 Abs. 2 EGBGB darauf hinzuweisen, dass die gemachten Angaben nur bis zur nächsten Anpassung gelten. Entgegen der mehrdeutigen Gesetzesbegründung ist eine Wiedergabe der in der Vergangenheit erbrachten Zahlungen nicht erforderlich5. Vielmehr ist es ausreichend, wenn neben den zukunftgerichteten Angaben der aktuelle Sollsaldo angegeben wird. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff „Tilgungsplan“. Denn anders als eine Kontostandsmitteilung, die die Vergangenheit abbildet, enthält ein Plan lediglich zukunftgerichtete Angaben.
5.290
Neben der Verpflichtung des Darlehensgebers auf jederzeit berechtigtes Verlangen des Darlehensnehmers einen Tilgungsplan während der Vertragslaufzeit zur Verfügung zu stellen (§ 492 Abs. 3 Satz 2 BGB), ist der Darlehensgeber bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zusätzlich verpflichtet, einen Tilgungsplan in den vorvertraglichen Informationen zum Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag unter Abschnitt 7 („Beispiel eines Tilgungsplans“) des Europäischen Standardisierten Merkblatts (ESIS – Merkblatt)6 abzubilden. Der Inhalt und die Struktur des Tilgungsplans werden durch das ESIS-Merkblatt und den dazugehörigen Ausfüllhinweisen (Teil B des ESIS-Merkblatts) genau vorgegeben. Die Darstellung eines Tilgungsplans beschränkt sich bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nicht auf die Verträge, bei denen die Rückzahlung des Darlehens bestimmt ist. Entsprechend den Ausfüllhinweisen zu Abschnitt 7 des ESIS-Merkblatts ist ein Tilgungsplan auch dann zu erstellen, wenn es sich um einen Darlehensvertrag mit abgegrenztem Zins handelt und mit der Rate der fällige Zins nicht vollständig bezahlt wird, sondern der verbleibende Zinsbetrag zum Gesamtkreditbetrag aufaddiert wird oder der Sollzinssatz für die gesamte Kreditlaufzeit festgeschrieben wird. Ist für die Rückzahlung im Darlehensvertrag ein Termin bestimmt, so ist neben dem Tilgungsplan im ESIS-Merkblatt der Hinweis
5.291
1 2 3 4
BT-Drucks. 16/11643, 133. Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 142; Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 4. Nobbe, WM 2008, 185. Befindet sich der Darlehensnehmer im Zahlungsverzug, darf der Darlehensgeber bei der Erstellung des Tilgungsplanes ein gesetzeskonformes Verhalten des Darlehensnehmers unterstellen und einen sofortigen Ausgleich des rückständigen Betrages annehmen. 5 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 143. 6 Europäisches Standardisiertes Merkblatt (ESIS – Merkblatt), Anlage 6 zu Art 247 § 1 Abs. 2 EGBGB.
Merz/Wittig | 845
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
aufzunehmen, dass der Darlehensnehmer während der Vertragslaufzeit jederzeit einen neuen Tilgungsplan verlangen kann (§ 492 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 247 § 14 EGBGB).
5.292–5.300 Einstweilen frei.
9. Abschnitt: Einwendungsverzicht/Wechsel- und Scheckverbot 5.301
§ 496 BGB regelt die Unwirksamkeit eines Einwendungsverzichts sowie das Wechsel- und Scheckverbot. Damit soll der Darlehensnehmer vor Inanspruchnahmen aus einem Darlehensvertrag geschützt werden, ohne dass er Einwendungen entgegensetzen kann.
I. Unwirksamkeit eines Einwendungsverzichts 5.302
§ 496 BGB stellt sicher, dass dem Darlehensnehmer im Falle der Abtretung der Darlehensforderung die ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehenden Einwendungen1 sowie die Aufrechnungsmöglichkeit auch dem neuen Gläubiger gegenüber erhalten bleiben. § 496 Abs. 1 BGB erklärt daher Vereinbarungen für unwirksam, durch die der Darlehensnehmer auf Einwendungen (§ 404 BGB) und Aufrechnungsmöglichkeiten (§ 406 BGB) bei einer Abtretung der gegen ihn gerichteten Darlehensforderung verzichtet2. Der Darlehensnehmer kann deshalb bei einer Forderungsabtretung die ihm zustehenden Rechte auch gegenüber dem neuen Gläubiger geltend machen.
II. Wechsel- und Scheckverbot 5.303
Der Darlehensnehmer darf gem. § 496 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht verpflichtet werden, für die Ansprüche des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag eine Wechselverbindlichkeit einzugehen. Auch darf der Darlehensgeber vom Darlehensnehmer keinen Scheck zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem Darlehensvertrag entgegennehmen (§ 496 Abs. 3 Satz 2 BGB). Zur Erfüllung einer fälligen Darlehensverpflichtung darf der Darlehensgeber jedoch Schecks entgegennehmen3. Bei einem Verstoß gegen eine der beiden Vorschriften kann der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber gem. § 496 Abs. 3 Satz 3 BGB jederzeit die Herausgabe des Wechsels oder Schecks verlangen. Entsteht dem Darlehensnehmer aus einer derartigen Wechsel- oder Scheckbegebung ein Schaden, ist der Darlehensgeber schadensersatzpflichtig (§ 496 Abs. 3 Satz 4 BGB).
5.304
Diese Wechsel- und Scheckverbote sind eine konsequente Weiterführung des Grundgedankens der Unwirksamkeit des Verzichts auf Einwendungen, der dem Darlehensnehmer Einwendungen aus dem Darlehensvertrag (Grundgeschäft) für den Fall der Abtretung 1 Der Begriff der Einwendungen ist weit zu verstehen und umfasst daher sämtliche rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen sowie alle Einreden, Kessal-Wulf in Prütting/ Wegen/Weinreich, § 496 BGB Rz. 2; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 496 BGB Rz. 5. 2 Der Verzicht muss nicht notwendig auf einer Vereinbarung beruhen, sondern kann ebenso Gegenstand einer einseitigen Erklärung des Darlehensnehmers sein, Kessal-Wulf in Prütting/ Wegen/Weinreich, § 496 BGB Rz. 2. 3 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 496 BGB Rz. 4; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 496 BGB Rz. 16.
846 | Merz/Wittig
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
aufzunehmen, dass der Darlehensnehmer während der Vertragslaufzeit jederzeit einen neuen Tilgungsplan verlangen kann (§ 492 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 247 § 14 EGBGB).
5.292–5.300 Einstweilen frei.
9. Abschnitt: Einwendungsverzicht/Wechsel- und Scheckverbot 5.301
§ 496 BGB regelt die Unwirksamkeit eines Einwendungsverzichts sowie das Wechsel- und Scheckverbot. Damit soll der Darlehensnehmer vor Inanspruchnahmen aus einem Darlehensvertrag geschützt werden, ohne dass er Einwendungen entgegensetzen kann.
I. Unwirksamkeit eines Einwendungsverzichts 5.302
§ 496 BGB stellt sicher, dass dem Darlehensnehmer im Falle der Abtretung der Darlehensforderung die ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehenden Einwendungen1 sowie die Aufrechnungsmöglichkeit auch dem neuen Gläubiger gegenüber erhalten bleiben. § 496 Abs. 1 BGB erklärt daher Vereinbarungen für unwirksam, durch die der Darlehensnehmer auf Einwendungen (§ 404 BGB) und Aufrechnungsmöglichkeiten (§ 406 BGB) bei einer Abtretung der gegen ihn gerichteten Darlehensforderung verzichtet2. Der Darlehensnehmer kann deshalb bei einer Forderungsabtretung die ihm zustehenden Rechte auch gegenüber dem neuen Gläubiger geltend machen.
II. Wechsel- und Scheckverbot 5.303
Der Darlehensnehmer darf gem. § 496 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht verpflichtet werden, für die Ansprüche des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag eine Wechselverbindlichkeit einzugehen. Auch darf der Darlehensgeber vom Darlehensnehmer keinen Scheck zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem Darlehensvertrag entgegennehmen (§ 496 Abs. 3 Satz 2 BGB). Zur Erfüllung einer fälligen Darlehensverpflichtung darf der Darlehensgeber jedoch Schecks entgegennehmen3. Bei einem Verstoß gegen eine der beiden Vorschriften kann der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber gem. § 496 Abs. 3 Satz 3 BGB jederzeit die Herausgabe des Wechsels oder Schecks verlangen. Entsteht dem Darlehensnehmer aus einer derartigen Wechsel- oder Scheckbegebung ein Schaden, ist der Darlehensgeber schadensersatzpflichtig (§ 496 Abs. 3 Satz 4 BGB).
5.304
Diese Wechsel- und Scheckverbote sind eine konsequente Weiterführung des Grundgedankens der Unwirksamkeit des Verzichts auf Einwendungen, der dem Darlehensnehmer Einwendungen aus dem Darlehensvertrag (Grundgeschäft) für den Fall der Abtretung 1 Der Begriff der Einwendungen ist weit zu verstehen und umfasst daher sämtliche rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen sowie alle Einreden, Kessal-Wulf in Prütting/ Wegen/Weinreich, § 496 BGB Rz. 2; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 496 BGB Rz. 5. 2 Der Verzicht muss nicht notwendig auf einer Vereinbarung beruhen, sondern kann ebenso Gegenstand einer einseitigen Erklärung des Darlehensnehmers sein, Kessal-Wulf in Prütting/ Wegen/Weinreich, § 496 BGB Rz. 2. 3 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 496 BGB Rz. 4; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 496 BGB Rz. 16.
846 | Merz/Wittig
Verzug | Teil 5
der Darlehensforderung erhalten will. Wird der Darlehensnehmer aus einem Wechsel oder einem von ihm ausgestellten Scheck im Urkundenprozess in Anspruch genommen, so kann er Einwendungen aus dem Grundgeschäft nicht geltend machen, wenn sie nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln bewiesen werden können (§§ 598, 605a ZPO). Ein angemessener Schutz gegen diese Nachteile lässt sich nur durch die Scheck- und Wechselverbote des § 496 Abs. 3 BGB erreichen1.
5.305–5.310
Einstweilen frei.
10. Abschnitt: Verzug Die Regelungen der §§ 491–513 BGB enthalten für den Zahlungsverzug (§ 286 BGB) mit Verpflichtungen des Darlehensnehmers aus einem Verbraucherdarlehensvertrag einige Modifizierungen der diesbezüglichen BGB-Bestimmungen, die dazu beitragen sollen, die Situation säumiger Darlehensnehmer zu verbessern.
5.311
I. Verzugsschadenberechnung Bei der abstrakten Berechnung des Verzugsschadens bei Verbraucherdarlehen sind Kapitalforderung und die nach Eintritt des Verzugs anfallenden Zinsen auseinander zu halten. Kapitalforderungen sind gem. § 497 Abs. 1 Satz 1 BGB als Geldforderungen für das Jahr mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 zu verzinsen (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB)3. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht für Immobiliar-Verbaucherdarlehensverträge, bei denen der Verzugszinssatz für das Jahr zweieinhalb Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt (§ 497 Abs. 4 Satz 1 BGB). Nach der Rechtsprechung des BGH4 kommt § 497 BGB eine Sperrwirkung zu. Kündigt ein Darlehensgeber den Verbraucherdarlehensvertrag wegen Zahlungsverzugs (§ 498 BGB), kann er neben dem Verzugszins nach § 497 Abs. 1 Satz 1 BGB keinen weiteren Schaden geltend machen, insbesondere keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.
5.312
Den Ersatz des Verzugsschadens wegen rückständiger Verzugszinsen beschränkt § 497 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den gesetzlichen Zinssatz (§ 246 BGB) i.H.v. 4 % p.a. Als Konsequenz der Einschränkung der Zinseszinsen bestimmt im Übrigen § 497 Abs. 2 Satz 1 BGB, dass die nach Eintritt des Verzuges anfallenden Zinsen auf einem gesonderten Konto zu verbuchen sind und nicht in ein Kontokorrent mit dem geschuldeten Kapitalbetrag oder anderen Forderungen des Darlehensgebers eingestellt werden dürfen. § 497 Abs. 2 BGB ist auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nicht anwendbar (§ 497 Abs. 4 Satz 2 BGB).
5.313
1 BT-Drucks. 11/5462, 24. 2 Zur Höhe des Basiszinssatzes s. § 247 BGB. 3 Der Gesetzgeber folgt damit der Auffassung, dass der Verzugszins nach Schadensersatzgesichtspunkten ohne die Berücksichtigung des Vertragszinses zu ermitteln ist. Der auf fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz festgelegte Verzugszins soll die gewöhnlich anfallenden Refinanzierungskosten (Basiszinssatz zzgl. drei Prozentpunkten) sowie den Bearbeitungsaufwand der kreditgebenden Bank (weitere zwei Prozentpunkte) ausgleichen, vgl. BT-Drucks. 11/ 5462, 25. 4 BGH v. 19.1.2016 – XI ZR 103/15, BKR 2016, 240; BGH v. 22.11.2016 – XI ZR 187/14, BKR 2017, 192.
Merz/Wittig | 847
Verzug | Teil 5
der Darlehensforderung erhalten will. Wird der Darlehensnehmer aus einem Wechsel oder einem von ihm ausgestellten Scheck im Urkundenprozess in Anspruch genommen, so kann er Einwendungen aus dem Grundgeschäft nicht geltend machen, wenn sie nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln bewiesen werden können (§§ 598, 605a ZPO). Ein angemessener Schutz gegen diese Nachteile lässt sich nur durch die Scheck- und Wechselverbote des § 496 Abs. 3 BGB erreichen1.
5.305–5.310
Einstweilen frei.
10. Abschnitt: Verzug Die Regelungen der §§ 491–513 BGB enthalten für den Zahlungsverzug (§ 286 BGB) mit Verpflichtungen des Darlehensnehmers aus einem Verbraucherdarlehensvertrag einige Modifizierungen der diesbezüglichen BGB-Bestimmungen, die dazu beitragen sollen, die Situation säumiger Darlehensnehmer zu verbessern.
5.311
I. Verzugsschadenberechnung Bei der abstrakten Berechnung des Verzugsschadens bei Verbraucherdarlehen sind Kapitalforderung und die nach Eintritt des Verzugs anfallenden Zinsen auseinander zu halten. Kapitalforderungen sind gem. § 497 Abs. 1 Satz 1 BGB als Geldforderungen für das Jahr mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz2 zu verzinsen (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB)3. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht für Immobiliar-Verbaucherdarlehensverträge, bei denen der Verzugszinssatz für das Jahr zweieinhalb Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt (§ 497 Abs. 4 Satz 1 BGB). Nach der Rechtsprechung des BGH4 kommt § 497 BGB eine Sperrwirkung zu. Kündigt ein Darlehensgeber den Verbraucherdarlehensvertrag wegen Zahlungsverzugs (§ 498 BGB), kann er neben dem Verzugszins nach § 497 Abs. 1 Satz 1 BGB keinen weiteren Schaden geltend machen, insbesondere keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.
5.312
Den Ersatz des Verzugsschadens wegen rückständiger Verzugszinsen beschränkt § 497 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den gesetzlichen Zinssatz (§ 246 BGB) i.H.v. 4 % p.a. Als Konsequenz der Einschränkung der Zinseszinsen bestimmt im Übrigen § 497 Abs. 2 Satz 1 BGB, dass die nach Eintritt des Verzuges anfallenden Zinsen auf einem gesonderten Konto zu verbuchen sind und nicht in ein Kontokorrent mit dem geschuldeten Kapitalbetrag oder anderen Forderungen des Darlehensgebers eingestellt werden dürfen. § 497 Abs. 2 BGB ist auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nicht anwendbar (§ 497 Abs. 4 Satz 2 BGB).
5.313
1 BT-Drucks. 11/5462, 24. 2 Zur Höhe des Basiszinssatzes s. § 247 BGB. 3 Der Gesetzgeber folgt damit der Auffassung, dass der Verzugszins nach Schadensersatzgesichtspunkten ohne die Berücksichtigung des Vertragszinses zu ermitteln ist. Der auf fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz festgelegte Verzugszins soll die gewöhnlich anfallenden Refinanzierungskosten (Basiszinssatz zzgl. drei Prozentpunkten) sowie den Bearbeitungsaufwand der kreditgebenden Bank (weitere zwei Prozentpunkte) ausgleichen, vgl. BT-Drucks. 11/ 5462, 25. 4 BGH v. 19.1.2016 – XI ZR 103/15, BKR 2016, 240; BGH v. 22.11.2016 – XI ZR 187/14, BKR 2017, 192.
Merz/Wittig | 847
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
II. Anrechnung von Teilleistungen 5.314
Zahlungen des Darlehensnehmers auf einen Verbraucherdarlehensvertrag, die zur Tilgung der gesamten fälligen Schuld nicht ausreichen, werden abweichend von der allgemeinen Regelung des § 367 Abs. 1 BGB auf die verschiedenen Zahlungsverbindlichkeiten angerechnet. Nach § 497 Abs. 3 Satz 1 BGB sind solche Zahlungen zunächst auf die Kosten der Rechtsverfolgung1, dann auf den geschuldeten Betrag und zuletzt auf die nach Eintritt des Verzugs angefallenen Zinsen2 anzurechnen. Insbesondere durch diese veränderte Tilgungsverrechnung sollen die Zahlungen spürbar schuldmindernde Wirkung haben. Der Darlehensnehmer erhält hierdurch die Chance und den Anreiz, den vor ihm liegenden Schuldenberg durch primäre Tilgung der Hauptforderung allmählich abzubauen3.
5.315
Der Darlehensgeber darf ferner Teilzahlungen nicht zurückweisen (§ 497 Abs. 3 Satz 2 BGB). Hierdurch wird die allgemeine Regelung des § 266 BGB verdrängt, wonach der Gläubiger Teilleistungen nicht entgegenzunehmen braucht.
5.316
Mit Rücksicht auf den Schutzzweck ist der speziellen Tilgungsverrechnungsregelung des Verbraucherdarlehensrechts auch bei der gerichtlichen Durchsetzung von Zinsforderungen Rechnung zu tragen. Dabei würde die schlichte Anwendung der modifizierten Tilgungsregel des § 497 Abs. 3 Satz 1 BGB gegen einen Fundamentalsatz des Vollstreckungsrechts verstoßen, demzufolge Leistungen auf Grund einer Zwangsvollstreckung nur mit der titulierten Forderung und nicht mit außerhalb des Titels bestehenden Forderungen verrechnet werden dürfen4. Diesem Grundsatz trägt § 497 Abs. 3 Satz 5 BGB Rechnung, wonach die Sätze 1 bis 4 keine Anwendung finden, soweit Zahlungen auf Vollstreckungstitel geleistet werden, deren Hauptforderung auf Zinsen lautet. Danach verbleibt es in diesen Fällen bei den allgemeinen Bestimmungen der §§ 367 Abs. 1, 266, 197 Abs. 2, 195, 199 Abs. 1 BGB5.
5.317
Auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind die Regelungen in § 497 Abs. 3 Satz 1, 2, 4 und 5 BGB nicht anwendbar (§ 497 Abs. 4 Satz 2 BGB).
5.318–5.320 Einstweilen frei.
1 Z.B. Prozess-, Vollstreckungs- und Inkassokosten, nicht aber der eigene Bearbeitungsaufwand, da dieser bereits Teil der Verzugszinsen ist. 2 Zunächst die Zinsen nach § 497 Abs. 2 Satz 1 BGB und anschließend die Zinsen nach § 497 Abs. 2 Satz 2 BGB. 3 BT-Drucks. 11/5462, 27. 4 Dies veranschaulicht der „schuldturmtypische“ Fall, dass der Gläubiger (nur) rückständige Raten nebst Verzugszinsen einklagt und nach Vorliegen eines vollstreckbaren Titels der Schuldner mit weiteren (nicht titulierten) Raten in Verzug gerät. Soweit die titulierte Kapitalforderung aus dem Vollstreckungserlös getilgt worden ist, dürfte der restliche Erlös zuerst auf die zwischenzeitlich fällig gewordenen (nicht titulierten) Raten und erst dann mit der titulierten Zinsforderung verrechnet werden, sofern auch in diesen Fällen die spezielle Tilgungsverrechnungsregel des § 497 Abs. 1 BGB (erst Kapital- und dann Zinsschuld) anzuwenden wäre. 5 Zu sog. gemischten Titeln, bei denen Zinsen als Hauptforderung neben anderen Hauptforderungen tituliert sind: Kessal/Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 497 BGB Rz. 12; MüllerChristmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 497 BGB Rz. 30.
848 | Merz/Wittig
Vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehen | Teil 5
11. Abschnitt: Vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehen Das Verbraucherdarlehensrecht enthält einige Sonderregelungen für die vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehensverträgen. Soweit diese einschlägig sind, verdrängen sie die allgemeinen Kündigungsregeln. Die Kündigung wegen Zahlungsverzugs wird demnach in § 498 BGB abschließend geregelt und schließt eine Kündigung nach §§ 490 Abs. 3, 314 BGB aus. Eine Kündigung aus §§ 490 Abs. 3, 314 BGB kommt daher nur für solche Kündigungsgründe in Betracht, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den konkreten Zahlungsschwierigkeiten des Darlehensnehmers stehen1. § 498 BGB hindert daher den Darlehensgeber nicht daran, das Darlehen wegen unrichtiger Angaben des Darlehensnehmers über seine Vermögenslage gem. §§ 490 Abs. 3, 314 BGB zu kündigen, sofern ihm die weitere Kreditgewährung unzumutbar ist. Entsprechendes gilt für das Verhältnis von § 490 Abs. 1 BGB zu § 498 BGB, d.h. eine Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers kann nicht allein mit dem Zahlungsverzug begründet werden. Eine weitere Sonderregelung ist das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers bei unbefristeten Darlehen gem. § 500 Abs. 1 BGB.
5.321
I. Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 498 BGB) Durch § 498 BGB wird dem Darlehensgeber bei einem Verbraucherdarlehen, das in (mindestens drei2) Teilzahlungen zu tilgen ist3, unter gewissen Voraussetzungen ein gesetzliches Kündigungsrecht bei Zahlungsverzug eingeräumt. Danach kann der Darlehensgeber das Darlehen nur kündigen, wenn der Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mindestens 10 %, bei einer Laufzeit des Darlehensvertrages über drei Jahre mit 5 % des Nennbetrages des Darlehens4 in Verzug ist und der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages mit der Erklärung gesetzt hat, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlange5.
5.322
Auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge ist die Regelung in § 498 BGB grundsätzlich anwendbar. Allerdings gilt hinsichtlich des Nennbetragsanteils, mit dem der Verbraucher mindestens in Verzug sein muss, eine abweichende Regelung. Für die Kündigung ei-
5.323
1 Dementsprechend ist in Nr. 19 Abs. 4 AGB-Banken klargestellt, dass das AGB-mäßige Kündigungsrecht der Bank entfällt, soweit die §§ 491 ff. BGB Sonderregelungen für die Kündigung wegen Verzuges mit der Rückzahlung eines Verbraucherdarlehens vorsehen; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 21. 2 Müller-Christmann/Rösler/Sauer, ForderungsPraktiker 2010, 208. 3 Auch die Kombination von einem endfälligen Verbraucherdarlehen und einem Tilgungsersatzmittel (z.B. Kapitallebensversicherung oder Bausparvertrag) wird von § 498 BGB erfasst, wenn die Ansparleistung durch wiederholte Prämienzahlungen und nicht nur durch einen (kreditfinanzierten) Einmalbetrag erfolgt, BGH v. 19.2.2008 – XI ZR 23/07, WM 2008, 681; KessalWulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 498 BGB Rz. 1; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 498 BGB Rz. 4. 4 Unter Nennbetrag ist der Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB) zzgl. der mitkreditierten laufzeitunabhängigen Einmalkosten zu verstehen (BT-Drucks. 11/5462, 19). 5 Bei der Nachfrist von zwei Wochen handelt es sich um eine Mindestfrist, deren Unterschreitung zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Die Nachfristsetzung, die mit der Mahnung verbunden werden kann, muss neben der Kündigungsandrohung den rückständigen Betrag konkret benennen. Eine fehlerhafte Betragsangabe führt grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Fristsetzung.
Merz/Wittig | 849
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
nes Immobiliar-Verbraucherdarlehens ist danach erforderlich, dass der Darlehensnehmer mit mindestens 2,5 % des Nennbetrages des Darlehens in Verzug ist (§ 498 Abs. 2 BGB).
5.324
Die Bank soll dem Darlehensnehmer spätestens mit der Fristsetzung ein Gespräch über die Möglichkeiten einer einverständlichen Regelung anbieten (§ 498 Satz 2 BGB). Bei dem Gesprächsangebot handelt es sich nicht um eine Tatbestandsvoraussetzung für eine wirksame Kündigung des Darlehensvertrages1. Im Einzelfall kann jedoch ein Verstoß gegen die Pflicht zum Angebot eines Gesprächs einen Schadensersatzanspruch des Darlehensnehmers auslösen2.
II. Vertragliche Kündigungsrechte des Darlehensgebers (§ 499 Abs. 1 BGB) 5.325
§ 499 Abs. 1 BGB bestimmt, dass bei zeitlich befristeten Allgemein-Verbraucherdarlehen ein Kündigungsrecht des Darlehensgebers nicht vereinbart werden kann. Dies gilt unabhängig davon, ob ein veränderlicher oder ein gebundener Sollzinssatz für das Darlehen vereinbart wurde. Unwirksam ist nach dieser Vorschrift allerdings nur die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts des Darlehensgebers. Die Aufnahme der gesetzlichen Kündigungsregelungen in den Darlehensvertrag, wie sie mittelbar von Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB gefordert wird, wird von § 499 Abs. 1 BGB nicht berührt.
5.326
Bei zeitlich unbefristeten Allgemein-Verbraucherdarlehen kann dagegen ein Kündigungsrecht des Darlehensgebers vereinbart werden. Beträgt die Frist für die Ausübung des Kündigungsrechts allerdings weniger als zwei Monate, ist die Vereinbarung unwirksam. Da das gesetzliche Kündigungsrecht des Darlehensgebers bei unbefristeten Darlehen nach § 488 Abs. 3 BGB drei Monate beträgt, dürfte die Aufnahme einer vertraglichen Kündigungsregelung in der Praxis kaum Bedeutung erlangen.
5.327
Auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge finden die Regelungen des § 499 Abs. 1 und 2 BGB aufgrund ihrer wörtlichen Beschränkung auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge keine Anwendung. Auf eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten (§ 504 Abs. 1 Satz 4 BGB) und auf geduldete Überziehungen (§ 505 Abs. 4 BGB) ist § 499 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht anwendbar.
5.327a Obwohl sich die in § 499 Abs. 1 und 2 BGB geregelten Kündigungsrechte des Darlehensgebers ausdrücklich auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge beschränken, gilt die in § 499 Abs. 3 BGB enthaltene Beschränkung für alle Verbraucherdarlehensverträge, also auch für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Nach § 499 Abs. 3 BGB kann der Darlehensgeber den Verbraucherdarlehensvertrag nicht allein deshalb kündigen oder auf andere Weise vorzeitig beenden oder seine Änderung verlangen, weil die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde oder die vom Darlehensnehmer gemachten Angaben nicht vollständig waren (§ 499 Abs. 3 Satz 1 BGB). Wurde die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt oder waren die Angaben des Darlehensnehmers unvollständig, bleibt der Darlehensgeber grundsätzlich an den Darlehensvertrag gebunden und muss das vertraglich gewährte Kapitalnutzungsrecht, sieht man von den Sanktionen nach § 505d Abs. 1 BGB ab, weiterhin unverändert aufrechterhalten3. Damit wird dem 1 BT-Drucks. 11/5462, 27. 2 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 498 BGB Rz. 17; Müller-Christmann/Rösler/Sauer, ForderungsPraktiker 2010, 208, 210. 3 Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 499 BGB Rz. 29.
850 | Merz/Wittig
Vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehen | Teil 5
Darlehensgeber die Verantwortlichkeit für eine ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfung auch für die Zeit nach Vertragsschluss zugewiesen1. Der Gesetzgeber sah andernfalls die Gefahr, den Darlehensnehmer in seiner Mitwirkungspflicht bei der Kreditwürdigkeitsprüfung zu überfordern2. Mit der Regelung werden Art. 18 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) umgesetzt. Die Zuweisung der Verantwortlichkeit findet jedoch dort ihre Grenze, wo der Darlehensnehmer seine Mitwirkungspflichten willentlich verletzt. Beruht die fehlerhafte Kreditwürdigkeitsprüfung darauf, dass der Darlehensnehmer wissentlich relevante Informationen vorenthalten oder Informationen bzw. Unterlagen gefälscht hat, ist der Darlehensgeber in seinen Handlungsoptionen nicht beschränkt. Eine Kündigungserklärung des Darlehensgebers muss auf einem dauerhaften Datenträger (§ 126b Satz 2 BGB) erfolgen. Dies ergibt sich aus § 492 Abs. 5 BGB, wonach Erklärungen des Darlehensgebers, die nach Vertragsschluss abzugeben sind, auf einem dauerhaften Datenträger zu erfolgen haben3.
5.328
III. Kündigungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 1 BGB) Bei zeitlich unbefristeten Allgemein-Verbraucherdarlehen steht dem Darlehensnehmer abweichend von der allgemeinen Kündigungsregelung in § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht zu, das Darlehen jederzeit ganz oder teilweise fristlos zu kündigen (§ 500 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies gilt unabhängig davon, ob ein veränderlicher oder ein gebundener Sollzinssatz für das Darlehen vereinbart wurde. Nach § 500 Abs. 1 Satz 2 BGB ist aber eine Vereinbarung über eine Kündigungsfrist von bis zu einem Monat wirksam.
5.329
Eine Kündigung des Darlehensnehmers nach § 500 Abs. 1 BGB gilt aber als nicht erfolgt, wenn der Darlehensnehmer den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt (§ 489 Abs. 3 BGB). Diese Regelung, die bislang nur für Kündigungen nach § 489 Abs. 1 und 2 BGB galt, ist nach Ansicht des Gesetzgebers auch bei sonstigen Kündigungen des Darlehensnehmers angemessen und wurde daher auf sämtliche ordentliche Darlehenskündigungen des Darlehensnehmers ausgeweitet4.
5.330
Auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge findet die Regelung des § 500 Abs. 1 BGB aufgrund des Wortlauts keine Anwendung. Auf eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB ist lediglich § 500 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht anzuwenden, auf geduldete Überziehungen (§ 505 Abs. 4 BGB) findet § 500 Abs. 1 BGB insgesamt keine Anwendung.
5.331
IV. Vorzeitiges Rückzahlungs- bzw. Erfüllungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 2 BGB) Mit der Regelung in § 500 Abs. 2 BGB wird dem Darlehensnehmer das Recht eingeräumt, seine Verbindlichkeit aus einem Verbraucherdarlehensvertrag jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig zu erfüllen. Macht der Darlehensnehmer von seinem Recht Gebrauch, schuldet er dem Darlehensgeber aber eine Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 BGB). 1 2 3 4
BT-Drucks. 18/5922, 89. Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 499 BGB Rz. 13. BT-Drucks. 16/11643, 80. BT-Drucks. 16/11643, 75; Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 500 BGB Rz. 12.
Merz/Wittig | 851
5.332
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.333
Durch das Umsetzungsgesetz vom 29.7.2009 (BGBl. I 2009, 2355) wurde die Sonderregelung für die Kündigung von zeitlich befristeten Verbraucherdarlehensverträgen mit festem Zinssatz (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F.) aufgehoben. Danach konnte ein Darlehensnehmer nach Ablauf von sechs Monaten nach Valutierung ein nicht grundpfandrechtlich besichertes Verbraucherdarlehen jederzeit mit einer Frist von drei Monaten ganz oder teilweise kündigen. Auf Grund der Übergangsregelung in Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB gilt das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. nur für Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 11.6.2010 entstanden sind.
5.334
Auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 Abs. 3 BGB) findet die Regelung des § 500 Abs. 2 BGB eingeschränkte Anwendung. Ist der Sollzinssatz bei dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag gebunden (§ 489 Abs. 5 BGB), kann der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag während der Sollzinsbindung nur dann teilweise oder ganz vorzeitig erfüllen, wenn er hierzu ein berechtigtes Interesse hat. Unter dem berechtigtem Interesse i.S.v. § 500 Abs. 2 BGB ist das gleiche zu verstehen wie unter dem berechtigten Interesse nach § 490 Abs. 2 BGB1. Allerdings kann der Darlehensnehmer bei dem bloßen Vorliegen eines berechtigten Interesses nach § 500 Abs. 2 BGB vorzeitig erfüllen, ohne eine Mindestdauer der Inanspruchnahme abwarten oder eine Kündigungsfrist einhalten zu müssen. Bei § 490 Abs. 2 BGB muss das berechtigte Interesse des Darlehensnehmers im Vergleich zu dem Interesse des Darlehensgebers an der Vertragserfüllung so gewichtig sein, dass es die außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrags gebietet. Damit wird die vorzeitige Erfüllung nach § 500 Abs. 2 BGB für den Darlehensnehmer grundsätzlich erleichtert2. Erfüllt der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag vorzeitig ganz oder teilweise, kann darin die Teilkündigung des Darlehensvertrags durch den Darlehensnehmer zu sehen sein3. Bei einem Darlehensvertrag, bei dem eine erneute Auszahlung zurückgezahlter Darlehensbeträge nicht vorgesehen ist, erlischt das Darlehensverhältnis grundsätzlich in Höhe der Erfüllung nach § 362 BGB und der Darlehensnehmer hat keinen Anspruch darauf, das Darlehen erneut in Höhe der vorzeitigen Tilgung in Anspruch nehmen zu können. Etwas anderes kann gelten, wenn dem Darlehensnehmer von vornherein bei Vertragsabschluss ein Anspruch auf Wiedereinräumung des Kapitalnutzungsrechts eingeräumt wurde.
V. Kostenermäßigung (§ 501 BGB) 5.335
Die Regelung in § 501 BGB beruht darauf, dass für die vereinbarte Laufzeit berechnete Kosten zu hoch angesetzt sein können, falls das Vertragsverhältnis vor der vereinbarten Laufzeit beendet wird. Daher ordnet § 501 BGB eine Ermäßigung der Gesamtkosten dergestalt an, dass sich bei vorzeitiger Rückzahlung oder Kündigung die Gesamtkosten um die Zinsen und sonstigen laufzeitabhängigen Kosten vermindern, die bei gestaffelter Berechnung auf die Zeit nach der Fälligkeit oder Erfüllung entfallen. Die Regelung in § 501 BGB ist bei allen Formen der vorzeitigen Rückzahlung und Kündigung im Rahmen der Abwicklung zu berücksichtigen, d.h. auch in Fällen der teilweisen Kündigung oder Rückzahlung4. Auch auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge ist § 501 BGB anwendbar.
5.336
Die Gesamtkosten sind demnach um diejenigen Zinsen und laufzeitabhängigen Kosten zu ermäßigen, die nach dem Zeitpunkt der Rückzahlung bzw. Kündigung anfallen. Eine Kos1 2 3 4
Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 500 BGB Rz. 21; BT-Drucks. 18/5922, 90. Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 500 BGB Rz. 21. Mülbert in FS Maier-Reimer, 2010, S. 472. BT-Drucks. 16/11643, 86.
852 | Merz/Wittig
Vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehen | Teil 5
tenermäßigung nach § 501 BGB kann daher bei Darlehen mit Zinsvorauszahlungen (Disagio) in Betracht kommen. Die Ermäßigung der Gesamtkosten ist auf Basis „gestaffelter Berechnung“ vorzunehmen, was dem Gedanken Rechnung trägt, dass bei Ratenkrediten die einzelnen Teilzahlungen unterschiedliche Tilgungs-, Zins- und Kostenanteile aufweisen. Dabei sind vertragliche Verrechnungsabreden entsprechend zu berücksichtigen. Wenn im Darlehensvertrag also eine frühzeitige Tilgung der Kosten vorgesehen ist, ist dies bei der Berechnung der fälligen Gesamtkosten entsprechend zu berücksichtigen. Umgekehrt bedeutet dies, dass § 501 BGB keine Anwendung findet, wenn bei dem betreffenden Darlehen die Zinsen taggenau auf die Inanspruchnahme des Darlehens berechnet und am Ende der jeweiligen Rechnungsperiode fällig werden1.
VI. Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 BGB) Nach § 502 BGB hat der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eines Verbraucherdarlehens einen Anspruch auf eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung, wenn zum Zeitpunkt der Rückzahlung der Sollzinssatz gebunden ist. Bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen schuldet der Darlehensnehmer eine Vorfälligkeitsentschädigung nur, wenn der gebundene Sollzins bereits bei Vertragsabschluss vereinbart wurde. Diese Regelung geht auf Art. 16 Abs. 2 bis 5 RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) zurück. Sie gilt aber nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, bei diesen kommt es nur darauf an, dass zum Zeitpunkt der vorzeitigen Erfüllung der Sollzinssatz i.S.d. § 489 Abs. 5 BGB gebunden ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge während ihrer langjährigen Laufzeit mehrere Zinsabschnitte aufweisen können, in denen der Sollzinssatz gebunden sein kann. Art. 25 Abs. 3 RL 2014/17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) enthält nur einen Minimalkonsens, wonach die Mitgliedstaaten eine Vorfälligkeitsentschädigung vorsehen können, es aber nicht müssen2.
5.337
Der Anspruch des Darlehensgebers auf Vorfälligkeitsentschädigung ist nach § 502 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Rückzahlung mit Versicherungsmitteln bewirkt wird, die der Absicherung des Rückzahlungsanspruches dienten, und zu deren Abschluss der Darlehensnehmer im Darlehensvertrag verpflichtet wurde3. Darüber hinaus ist der Anspruch des Darlehensgebers auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen, wenn im Darlehensvertrag die Angaben zur Vertragslaufzeit, zum Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind (§ 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Von einer unzureichenden Angabe ist auszugehen, wenn die Angaben nicht vollständig oder nicht verständlich sind4. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung auch ausgeschlossen, wenn der Darlehensnehmer ein bestehendes Kündigungsrecht ordnungsgemäß ausübt (z.B. nach § 489 Abs. 1 BGB)5.
5.338
Die Vorfälligkeitsentschädigung kann vom Darlehensgeber auch im Anwendungsbereich des § 502 BGB sowohl nach der Aktiv-Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Me-
5.339
1 Nobbe in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 501 BGB Rz. 6. 2 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 502 BGB Rz. 1, 2. 3 Als Beispiel für eine entsprechende Versicherung wird in der Gesetzesbegründung der Abschluss einer Restschuldversicherung genannt, BT-Drucks. 16/11643, 88. 4 BT-Drucks. 16/11643, 88. 5 Ady, WM 2010, 1305, 1307.
Merz/Wittig | 853
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
thode berechnet werden1. Für diese Auffassung spricht zum einen, dass das Gesetz weder in § 502 BGB noch im Rahmen der Legaldefinition in § 490 Abs. 2 BGB eine bestimmte Berechnungsmethode vorschreibt. Zum anderen ist diese Auslegung auch richtlinienkonform. Denn Art. 16 Abs. 3 RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) verlangt nur für den Fall, dass ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit der Einführung eines Schwellenwertes oder eines Nachweises einer höheren Entschädigung Gebrauch macht, eine Berechnung nach der Aktiv-Aktiv-Methode. Für alle anderen Fälle enthält die Verbraucherkreditrichtlinie keine konkreten Berechnungsvorgaben, sondern belässt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass der Kreditgeber nur einen Anspruch auf eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung hat, deren Höhe zudem betragsmäßig gedeckelt ist.
5.340
Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen besteht dagegen weitgehende Einigkeit darüber, dass die bislang von der Rechtsprechung anerkannten Methoden zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung weiterhin Gültigkeit haben. Beschränkungen durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie bestehen nur insoweit, als die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass eine angemessene Entschädigung gezahlt wird und die vorzeitige Rückzahlung keiner Vertragsstrafe unterliegt2. So sind z.B. Sondertilgungsrechte, die dem Darlehensnehmer vertraglich eingeräumt wurden, bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen3.
5.341
Bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag ist die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung durch die Regelung in § 502 Abs. 3 BGB auf zweifache Weise begrenzt. Danach darf die Vorfälligkeitsentschädigung weder 1 % (bzw. 0,5 %, wenn die Restlaufzeit ein Jahr nicht übersteigt4) des vorzeitig zurückgezahlten Betrages (Nr. 1) noch den Betrag der Sollzinsen für die Restlaufzeit (Nr. 2) jeweils übersteigen.
5.342
Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge nach § 502 Abs. 3 BGB hat daher in zwei Schritten zu erfolgen5. In einem ersten Schritt ist die Vorfälligkeitsentschädigung nach Maßgabe einer vom BGH anerkannten Berechnungsmethode zu berechnen6. Dieses Ergebnis ist in einem zweiten Schritt mit den 1 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 132; a.A. Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 390; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 502 BGB Rz. 11; kritisch zur Begrenzung auf die Aktiv-Aktiv-Methode Freitag, ZIP 2008, 1102, 1107. 2 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 502 BGB Rz. 12. 3 BGH v. 19.1.2016 – XI ZR 388/14, NJW 2016, 1382 Rz. 18. 4 Durch das Änderungsgesetz vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) wurde § 502 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB dergestalt abgeändert, dass die Vorfälligkeitsentschädigung 0,5 % des zurückgezahlten Betrages nicht übersteigen darf, wenn die Restlaufzeit ein Jahr nicht übersteigt. Anders als im Umsetzungsgesetz vom 29.7.2009 (BGBl. I 2009, 2355) wird also für den Fall, dass die Restlaufzeit genau ein Jahr beträgt, die Höchstgrenze von 0,5 % festgeschrieben. 5 Eine Pauschalierung der Vorfälligkeitsentschädigung ist nach der Rechtsprechung unwirksam, BGH v. 11.11.1997 – XI ZR 13/97, WM 1998, 70; BGH v. 2.3.1999 – XI ZR 81/98, WM 1999, 840; offen gelassen, ob diese Rechtsprechung auch für § 502 BGB gilt: Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 5; zur Zulässigkeit einer Pauschalierung nach der Verbraucherkreditrichtlinie: Rott, WM 2008, 1104, 1111. 6 BGH v. 20.12.2005 – XI ZR 66/05, WM 2006, 429 = WuB I E. 3.–1.06. (Merz); BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 285/03, WM 2005, 322; BGH v. 7.11.2000 – XI ZR 27/00, WM 2001, 20; BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 197/96, WM 1997, 1799; BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747 = WuB I E 3.– 1.98 (von Heymann/Rösler); Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; Reifner, WM 2009, 1773; Rösler/Wimmer, WM 2005, 1873; Peters/Wehrt, WM 2003, 1509; von Heymann/Rösler, ZIP 2001, 441; Freitag, WM 2001, 2370; Rösler/Wimmer, WM 2000, 164.
854 | Merz/Wittig
Vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehen | Teil 5
gesetzlichen Obergrenzen abzugleichen, die jeweils nicht überschritten werden dürfen (§ 502 Abs. 3 BGB). Ist das Ergebnis der Berechnung also höher, kann der Darlehensgeber nur einen Betrag in Höhe der Obergrenze verlangen. Ist das Ergebnis dagegen niedriger, kann nur dieser Betrag dem Darlehensnehmer in Rechnung gestellt werden. Ein zusätzliches Entgelt neben der Vorfälligkeitsentschädigung kann der Darlehensgeber für die Berechnung nicht verlangen1. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass bei beiden Berechnungsmethoden das Bearbeitungsentgelt integraler Bestandteil der Vorfälligkeitsentschädigung ist. Wird ein Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag vorzeitig erfüllt, weil der Darlehensnehmer ein berechtigtes Interesse hatte, steht dem Darlehensgeber die Vorfälligkeitsentschädigung in vollem Umfang zu. Eine Deckelung auf einen bestimmten Prozentsatz gibt es nicht, da der Gesetzgeber von der in der Wohnimmobilienkreditrichtlinie bestehenden Möglichkeit (Art. 24 RL 2014/17/EU), eine Deckelung auch bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen einzuführen, keinen Gebrauch gemacht hat2.
5.343
Auf eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten (§ 504 Abs. 1 Satz 2 BGB) und auf geduldete Überziehungen (§ 505 Abs. 4 BGB) ist § 502 BGB nicht anwendbar.
VII. Verjährung Die Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen unterliegen der Regelverjährung von drei Jahren nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB3. Bei Verzug des Darlehensnehmers eines Verbraucherdarlehens ist die Verjährung der vorgenannten Ansprüche gehemmt, jedoch nicht länger als zehn Jahre nach Entstehung (§ 497 Abs. 3 Satz 3 BGB). Diese Regelung gilt auch für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge.
5.344
Nach § 497 Abs. 3 Satz 4 BGB ist die Regelung des § 197 Abs. 2 BGB auf Verzugszinsen nicht anwendbar. Damit soll verhindert werden, dass trotz Titulierung die Ansprüche auf Verzugszinsen, die auf Grund der besonderen Tilgungsbestimmung des § 497 Abs. 3 Satz 1 BGB an rangletzter Stelle bedient werden, nach Ablauf von drei Jahren verjähren. Es gilt daher die 30-jährige Frist des § 197 Abs. 1 BGB. Diese Regelung ist nicht auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge anwendbar (§ 497 Abs. 4 Satz 2 BGB).
5.345
VIII. Besonderheiten im Mahnverfahren Ansprüche aus Verbraucherdarlehensverträgen sind von der Geltendmachung im gerichtlichen Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO) ausgeschlossen, wenn der anzugebende effektive oder anfängliche effektive Jahreszins den bei Vertragsabschluss geltenden Basiszinssatz (§ 247 BGB) um mehr als 12 Prozentpunkte übersteigt (§ 688 Abs. 2 ZPO). Hierdurch sollte die Titulierung von Ansprüchen aus sittenwidrigen Kreditverträgen im Wege des Mahnverfahrens, in dem eine Sachprüfung nicht stattfindet, ausgeschlossen werden. Um dies zu gewährleisten, muss der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, der den Anspruch aus einem Verbraucherdarlehensvertrag durchsetzen soll, gem. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die 1 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 132. 2 BT-Drucks. 18/5922, 90. 3 Zum Verjährungsbeginn s. BGH v. 10.11.2009 – XI ZR 252/08, WM 2009, 2366; BGH v. 21.4. 2009 – XI ZR 148/08, WM 2009, 1225; BGH v. 3.6.2008 – XI ZR 319/06, WM 2008, 1346.
Merz/Wittig | 855
5.346
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Angabe des Datums des Vertragsschlusses sowie des effektiven oder anfänglichen effektiven Jahreszinses enthalten.
5.347
Außerhalb der Regelung der Statthaftigkeit des Mahnverfahrens für Verbraucherdarlehen hat der Gesetzgeber davon abgesehen, ein Kriterium für die Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) eines Kreditvertrages einzuführen. Gleichwohl hat der Gesetzgeber sich bei der Regelung in § 688 Abs. 2 ZPO von der Rechtsprechung des BGH1 leiten lassen, der zufolge eine absolute Überschreitung des Marktzinses um 12 Prozentpunkte (ebenso wie dessen relative Überschreitung um 100 %) als Indiz für die Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages anzusehen ist.
5.348
Stellt sich nach einer im Mahnverfahren erfolgten Titulierung nachträglich die Sittenwidrigkeit des zugrunde liegenden Ratenkredites heraus, so verbleibt es bei der BGH-Rechtsprechung zur Durchbrechung der Rechtskraft von Vollstreckungsbescheiden nach Maßgabe des § 826 BGB2. Die Rechtskraft eines materiell unrichtigen Titels muss nach gefestigter Rechtsprechung zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgebot schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine Rechtsstellung zu Lasten des Schuldners ausnutzt. Eine solche Anwendung des § 826 BGB muss jedoch auf besonders schwer wiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Anderenfalls würde die Rechtskraft ausgehöhlt, die Rechtssicherheit beeinträchtigt und der Rechtsfrieden in Frage gestellt3.
IX. Problematik der konkludenten Erlassverträge bei Not leidenden Krediten (sog. Erlassfalle) 5.349
Die Rechtsprechung hat wiederholt die Frage zu entscheiden gehabt, ob es bei Not leidend gewordenen Verbraucherdarlehen zu einem Wegfall der noch ausstehenden Darlehensforderung im Wege eines Erlassvertrages (§ 397 BGB) oder eines Vergleichs (§ 779 BGB) gekommen ist. In diesen Fällen ist der kreditgebenden Bank ein schriftliches Abfindungsangebot mit einem beigefügten Scheck über einen Betrag eingereicht worden, der im krassen Missverhältnis zu dem noch offenen Darlehensbetrag stand. Löst die Bank in solchen Fällen den übersandten Scheck ein, so liegt hierin nicht die erforderliche Annahme des Abfindungsangebotes4.
1 BGH v. 8.7.1982 – III ZR 60/81, NJW 1982, 2433; BGH v. 24.3.1988 – III ZR 24/87, NJW 1988, 1661; BGH v. 25.1.1990 – III ZR 100/89, WM 1990, 668. 2 Vgl. BGH v. 24.9.1987 – III ZR 187/86, WM 1987, 1245; BGH v. 3.11.1988 – III ZR 152/87, WM 1989, 169; BGH v. 16.11.1989 – III ZR 162/88, WM 1990, 393; BGH v. 4.5.1993 – XI ZR 9/93, WM 1993, 1324. 3 BVerfG v. 29.4.1992 – 1 BvR 1602/91, WM 1993, 1326; BGH v. 4.5.1993 – XI ZR 9/93, WM 1993, 1324. 4 BGH v. 10.5.2001 – XII ZR 60/99, ZIP 2001, 1329 = BB 2001, 1762; OLG Karlsruhe v. 16.9.1999 – 8 U 224/98, WM 2000, 414; OLG Köln v. 8.9.1999 – 13 U 42/99, MDR 2000, 407; OLG Dresden v. 31.8.1998 – 17 W 1185/98, WM 1999, 487. Dagegen hat die Rechtsprechung bei Krediten im Firmenkundengeschäft die stillschweigende Annahme eines solchen Abfindungsangebotes durch Scheckeinlösung bejaht, BGH v. 18.12.1985 – VIII ZR 297/84, WM 1986, 322; OLG Hamm v. 14.1.1998 – 30 U 95/97, NJW-RR 1998, 1662; Schneider, MDR 2000, 857; Lange, WM 1999, 1301.
856 | Merz/Wittig
Besondere Darlehensarten | Teil 5
12. Abschnitt: Besondere Darlehensarten Für einige Darlehensarten sieht das BGB Sonderregelungen vor, soweit die Anwendung sämtlicher Vorschriften über den Verbraucherdarlehensvertrag nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen würde.
5.350
I. Verbundene Verträge (§ 358 BGB) § 358 BGB enthält die besonderen Regelungen drittfinanzierter Geschäfte, bei denen die Darlehensgewährung vom Kauf- oder sonstigen Leistungsvertrag getrennt von einem Kreditinstitut übernommen wird, beide rechtlich selbständigen Geschäfte sich aber als eine „wirtschaftliche Einheit“ darstellen („verbundene Verträge“)1. Der Verbraucher soll durch die rechtliche Aufspaltung in zwei Vertragsverhältnisse nicht schlechter gestellt werden, als wenn ihm – wie bei einem einfachen Abzahlungskauf – nur ein Vertragspartner gegenüberstünde2. Deshalb soll der Verbraucher davor geschützt werden, das Darlehen in voller Höhe zurückzahlen zu müssen, wenn es dem Warenlieferanten oder dem Erbringer der sonstigen Leistung zugeflossen ist, dieser an den Verbraucher aber keine oder keine vertragsmäßige Leistung erbracht hat3.
5.351
Bei dem drittfinanziertem Abzahlungskauf wurde zwischen den sog. A-, B- und C-Geschäften unterschieden. Bei dem A-Geschäft stellte das finanzierende Kreditinstitut Warengutscheine aus, die der Darlehensnehmer bei den Vertragsfirmen des Kreditinstituts zum Einkauf verwenden konnte. Die Vertragsfirmen waren zur Annahme dieser Gutscheine als Zahlungsmittel verpflichtet. Das Darlehen, mit dem der Kauf der Gutscheine finanziert worden ist, wurde selbständig getilgt4. Bei dem B-Geschäft vermittelt der Verkäufer seinem Kaufkontrahenten das Kreditinstitut, mit dessen Gelddarlehen der Kaufpreis sofort bezahlt werden soll5. Zudem holte der Verkäufer bei dieser Variante regelmäßig die Unterschrift des Käufers auf dem Darlehensantragsformular ein, das die kreditgebende Bank dem Verkäufer zu diesem Zweck im Voraus überlassen hatte. Die Rechtsbeziehungen zwischen der finanzierenden Bank und dem Verkäufer beruhten überwiegend auf einem Rahmenvertrag. Darin erklärte sich die Bank bereit, dem Kunden des Verkäufers bei entsprechender Bonität bis zu einem bestimmten Höchstbetrag Finanzierungsdarlehen zu Warenkäufen zu gewähren. Beim C-Geschäft handelte es sich um ein mit der Ausstellung von Wechseln verbundenes B-Geschäft. Diese über die einzelnen Tilgungsraten ausgestellten Wechsel wurden vom Verkäufer an Order der Bank ausgestellt und vom Käufer akzeptiert. Der Käufer übernahm hierdurch zusätzlich zur Darlehensrückzahlungspflicht die
5.352
1 Die Terminologie für derartige Geschäfte ist nach wie vor nicht einheitlich. In der Rechtsprechung und im Schrifttum werden u.a. die Bezeichnungen finanzierter Abzahlungskauf, Kaufkreditverträge und Teilzahlungskreditgeschäft verwendet, während in der Praxis sich die Bezeichnungen Absatzfinanzierung oder POS-Finance („Point of Sale“) durchgesetzt haben. 2 Die Rechtsprechung hatte auf den finanzierten Abzahlungskauf schon die Vorschriften des früheren Abzahlungsgesetzes vom 16.5.1894 (RGBl. S. 450) unter Berufung auf § 6 AbzG a.F. entsprechend angewendet, wenn sich finanziertes Geschäft und der Darlehensvertrag aus der Sicht des Verbrauchers als eine wirtschaftliche Einheit darstellten, BGH v. 6.12.1979 – III ZR 46/78, WM 1980, 159, 160. 3 BT-Drucks. 11/5462, 23. 4 Dieses Anweisungsgeschäft wurde zuerst 1926 in Königsberg eingeführt (Königsberger System), spielt aber in der heutigen Praxis fast keine Rolle mehr. 5 Das B-Geschäft wurde zuerst 1929 in Berlin angewendet (Berliner System).
Merz/Wittig | 857
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
wechselrechtliche Haftung als Akzeptant nach Art. 28 WG. Die Bank konnte diese Wechsel zur Refinanzierung ihres Geschäfts der Zentralbank verkaufen (diskontieren)1. 1. Definition des Begriffes „Verbundener Vertrag“
5.353
Der Begriff des verbundenen Vertrages ist in § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB definiert. Danach sind ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung und ein Darlehensvertrag verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Beide Verträge müssen hiernach über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus derart eng miteinander verbunden sein, dass keiner ohne den anderen geschlossen worden wäre oder jeder der Verträge seinen Sinn erst durch den anderen erhält2. Bis zum 4.11. 2011 lag ein verbundener Vertrag nur dann vor, wenn der Verbraucher einen Verbraucherdarlehensvertrag abschloss, um den verbundenen Vertrag über die Ware oder Leistung zu finanzieren3.
5.354
Eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB wird unwiderleglich vermutet, wenn der Vertragspartner des Verbrauchers selbst die Gegenleistung finanziert oder, im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung des Vertragspartners des Verbrauchers bedient4. Liegt keine unwiderlegliche Vermutung vor, kann ein verbundener Vertrag trotzdem vorliegen (§ 358 Abs. 3 Satz 1 BGB). Dazu bedarf es der Verknüpfung beider Verträge durch konkrete Umstände (sog. Verbindungselemente), die sich nicht wie notwendige Tatbestandselemente abschließend umschreiben lassen, sondern im Einzelfall verschieden sein oder gar fehlen können, wenn sich die wirtschaftliche Einheit aus anderen Umständen ergibt. Zu den Verbindungselementen können u.a. die Zweckbindung des Darlehens, der zeitgleiche Abschluss beider Verträge, die Verwendung einheitlicher Formulare, die Einschaltung derselben Vertriebsorganisation oder die Abhängigkeit des einen Vertrages von der Wirksamkeit des anderen Vertrages zählen5. Die Feststellung, ob ein verbundener Vertrag vorliegt, obliegt grundsätzlich dem Unternehmer6.
5.355
Verbraucherdarlehensvertrag und Restkreditversicherung können verbundene Verträge nach § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB bilden, wenn der Darlehensnehmer der Versicherungsnehmer ist und der Versicherungsvertrag zwischen der Versicherungsgesellschaft und dem Darle1 Da bei der Weiterbegebung der Wechsel infolge des dann eingreifenden wechselrechtlichen Einwendungsausschlusses zugunsten gutgläubiger Erwerber die Gefahr bestand, dass der Käufer keine Verteidigungsmöglichkeiten gegen die auf den Erwerber übertragene Wechselforderung besaß, wurde das Verbot der Eingehung von Wechsel- oder von Scheckverbindlichkeiten eingeführt (vgl. § 496 Abs. 3 BGB). Damit dürfte das C-Geschäft, das durch die Annahme von Wechseln seitens des Verbrauchers über einzelne Raten gekennzeichnet ist, im Ergebnis verboten sein. 2 BGH v. 5.5.1992 – XI ZR 242/91, WM 1992, 1355. 3 Geändert durch Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 27.7.2011 (BGBl. I 2011, 1600). 4 BGH v. 4.12.2007 – XI ZR 227/06, WM 2008, 244; BGH v. 19.6.2007 – XI ZR 142/05, WM 2007, 1456; BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, WM 2006, 1003; BGH v. 21.7.2003 – II ZR 387/02, WM 2003, 1762. 5 BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, WM 2010, 166; BGH v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, WM 2008, 967. 6 Habersack in MünchKomm. BGB, 8. Aufl. 2019, § 358 BGB Rz. 75.
858 | Merz/Wittig
Besondere Darlehensarten | Teil 5
hensnehmer zustande kommt und die Versicherungsprämie durch einen Teil des versicherten Darlehens mitfinanziert wird1. Keine verbundenen Verträge liegen vor, wenn bei einem endfälligen Darlehen eine Lebensversicherung oder ein Bausparvertrag zu dem Zweck abgeschlossen werden, mit der Ablaufleistung oder dem Bausparguthaben das Darlehen zu tilgen, wenn während der Darlehenslaufzeit durch Zahlung laufender, nicht mitfinanzierter Versicherungsprämien oder Bausparbeiträgen Vermögen gebildet wird2. 2. Verbundene Verträge bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen Bis zum OLG-Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. I 2002, 2850) wurde der Kauf einer Immobilie oder die Beteiligung an einer Immobilienanlagegesellschaft und deren Finanzierung durch einen Realkredit trotz ihrer engen wirtschaftlichen Verbindung nicht als verbundene Verträge angesehen. Dementsprechend hatte die Rechtsprechung einen Einwendungsdurchgriff generell nicht zugelassen3. Durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. I 2002, 2850) wurde in § 358 Abs. 3 BGB ein neuer Satz 3 eingefügt, der spezielle Tatbestände für einen verbundenen Vertrag bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts geschaffen hat. Danach liegt ein verbundener Vertrag vor, wenn der Darlehensgeber selbst das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn er über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus den Erwerb durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert, in dem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt4. Nach der Gesetzesbegründung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes soll für das Vorliegen eines verbundenen Vertrages nicht jede Förderung genügen. Die gleichzeitige Finanzierung des Verkäufers oder die grundsätzliche Bereitschaft, Erwerbern bei entsprechender Bonität Kredit zu gewähren, stellt keine Förderung im Sinne dieser Vorschrift dar5. Das Vorliegen eines verbundenen Vertrages nach § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB setzt also voraus, dass der Darlehensgeber seine neutrale Rolle als Darlehensgeber überschreitet und erkennbar nach außen Funktionen von anderen, an dem konkret finanzierten Bauvorhaben Beteiligten übernimmt und damit einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt.
5.356
3. Einwendungsdurchgriff (§ 359 BGB) Zum Schutze des Verbrauchers enthält § 359 BGB eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, dass Einwendungen nur in dem Rechtsverhältnis geltend gemacht werden können, dem sie entstammen, Dritten also nicht entgegengesetzt werden können. Bei verbundenen Verträgen kann der Darlehensnehmer die Rückzahlung des Darlehens nach § 359 BGB verweigern, soweit Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag ihn gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen Vertrag geschlossen hat, zur Ver1 BGH v. 18.1.2011 – XI ZR 356/09, WM 2011, 451 Rz. 17; BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, WM 2010, 166 Rz. 19. 2 BGH v. 5.5.2015 – XI ZR 406/13, WM 2015, 1332; Lang, EWIR 2015, 627; Bülow, WuB 2015, 495 (Lebensversicherung); BGH v. 27.2.2018 – XI ZR 160/17, WM 2018, 729 (Bausparvertrag). 3 BGH v. 19.6.2007 – XI ZR 142/05, WM 2007, 1456; BGH v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, WM 2006, 1194; BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 29/05, WM 2006, 1008. 4 Ausführlich zu den Tatbestandsvoraussetzungen: Rösler in FS Thode, 2005, S. 673; Maihold in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 358 BGB Rz. 59 ff. 5 BT-Drucks. 14/9266, 46.
Merz/Wittig | 859
5.357
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
weigerung seiner Leistung berechtigen würden1. Dies bedeutet, dass alle rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Einwendungen, einschließlich der Einrede der Verjährung der Kaufpreisansprüche, die der Verbraucher gegen den Verkäufer hat, dem Darlehensrückzahlungsanspruch entgegengesetzt werden können.
5.358
Der Einwendungsdurchgriff ist nicht subsidiär, das heißt, er ist auch dann möglich, wenn die Inanspruchnahme des Vertragspartners des verbundenen Vertrages möglich und zumutbar ist. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Verbraucher infolge eines Mangels der gelieferten Sachen auf Grund vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen (z.B. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB) Nacherfüllung verlangen kann. In diesem Falle darf er die Rückzahlung des Darlehens erst verweigern, sofern die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist (§ 359 Satz 3 BGB). Der Begriff des „Fehlschlagens“ ist § 309 Nr. 8 lit. b bb BGB bzw. § 440 Satz 2 BGB entlehnt. Auf die zu diesen Vorschriften ergangene Rechtsprechung kann für seine Definition daher zurückgegriffen werden. Diese Bezugnahme hat den Vorteil, dass die Dauer der vorübergehenden Einschränkung des Einwendungsdurchgriffs dem jeweiligen Einzelfall angemessen begrenzt ist und die rechtlichen Voraussetzungen ihrer Beendigung für die Beteiligten hinreichend klar bestimmt sind2.
5.359
Der Einwendungsdurchgriff ist im Übrigen ausgeschlossen, wenn sich die Einwendung aus einer nachträglich zwischen dem Darlehensnehmer und dem Verkäufer vereinbarten Vertragsänderung ergibt (§ 359 Satz 2 BGB), da der Darlehensgeber mit solchen Belastungen bei Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages nicht zu rechnen braucht3. 4. Rückforderungsdurchgriff
5.360
Ein Rückforderungsdurchgriff, das heißt, ein Anspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber auf Rückzahlung der Darlehensraten wegen Ansprüche aus dem finanzierten Vertragsverhältnis, besteht nur bei einer anfänglichen Nichtigkeit des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrages4. Begründet wird dies damit, dass ein Rückforderungsdurchgriff nur beim Bestehen rechtshindernder Einwendungen aus dem finanzierten Vertragsverhältnis in Betracht kommt (§ 813 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Liegt keine anfängliche Nichtigkeit des verbundenen Vertrages vor und steht damit dem Darlehensnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt der Leistungserbringung aus dem verbundenen Vertrag keine den Anspruch dauernd ausschließende Einrede i.S.d. § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, scheidet ein Rückforderungsdurchgriff aus. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 359 BGB, denn für eine analoge Anwendung fehlt es an der erforderlichen Regelungslücke5.
1 BGH v. 1.7.2008 – XI ZR 411/06, WM 2008, 1596; BGH v. 21.11.2006 – XI ZR 347/05, WM 2007, 200; BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, WM 2006, 1066; BGH v. 21.7.2003 – II ZR 387/ 02, WM 2003, 1762. 2 BT-Drucks. 11/5462, 24. 3 BT-Drucks. 11/5462, 24. 4 BGH v. 1.7.2008 – XI ZR 411/06, WM 2008, 1596; BGH v. 4.12.2007 – XI ZR 227/06, WM 2008, 244 in Abweichung von BGH v. 21.7.2003 – II ZR 387/02, BGHZ 156, 46. 5 BGH v. 10.11.2009 – XI ZR 252/08, WM 2009, 2371; BGH v. 1.7.2008 – XI ZR 411/06, WM 2008, 1596; BGH v. 4.12.2007 – XI ZR 227/06, WM 2008, 244 in Abweichung von BGH v. 21.7. 2003 – II ZR 387/02, BGHZ 156, 46.
860 | Merz/Wittig
Besondere Darlehensarten | Teil 5
5. Zusammenhängende Verträge (§ 360 BGB) Mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ins deutsche Recht hat der Gesetzgeber den Begriff der „zusammenhängenden Verträge“ ins Gesetz eingeführt und diesen in § 360 Abs. 2 Satz 1 BGB wie folgt definiert: „Ein zusammenhängender Vertrag liegt vor, wenn er einen Bezug zu dem widerrufenen Vertrag aufweist und eine Leistung betrifft, die von dem Unternehmer des widerrufenen Vertrags oder einem Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Unternehmer des widerrufenen Vertrags erbracht wird.“ Darüber hinaus handelt es sich bei einem Darlehensvertrag um einen zusammenhängenden Vertrag, wenn das Darlehen, das ein Unternehmer einem Verbraucher gewährt, ausschließlich der Finanzierung des widerrufenen Vertrags dient und die Leistung des Unternehmers aus dem widerrufenen Vertrag in dem Darlehensvertrag genau angegeben wird (§ 360 Abs. 2 Satz 2 BGB).
5.361
In § 360 BGB werden drei Vorschriften zusammengefasst, die bis zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie an anderen Stellen des Gesetzes verortet waren: § 312f BGB a.F., § 359a BGB a.F. und § 485 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. Allen drei Vorgängervorschriften ist gemeinsam, dass sie auf europäische Richtlinien zum Schutz von Verbrauchern innerhalb der Europäischen Union zurückzuführen sind und, dass zwischen dem Darlehensvertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer abgeschlossen wird, und dem anderen Vertrag ein Zusammenhang besteht, jedoch keine wirtschaftliche Einheit i.S.v. § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB. § 360 BGB soll nur greifen, wenn der Anwendungsbereich des § 358 BGB nicht eröffnet ist1.
5.362
Um den Regelungsgehalt des § 360 BGB zu verstehen, ist auf die Vorgängerregelungen zurückzugreifen. § 312f BGB a.F. wurde verspätet zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie zum Fernabsatz von Finanzdienstleistungen in 2011 ins deutsche Recht aufgenommen und regelte die einem im Fernabsatz von Finanzdienstleistungen hinzugefügten Verträge. Danach galt, dass der Widerruf eines im Fernabsatz abgeschlossenen Finanzdienstleistungsvertrags automatisch zum Widerruf eines anderen Vertrags über eine Lieferung oder Leistung führte, wenn dieser dem Finanzdienstleistungsvertrag im Fernabsatz hinzugefügt worden war. Der Verbraucher sollte nur den Finanzdienstleistungsvertrag widerrufen müssen, für den er sich zunächst und hauptsächlich interessiert hatte und nicht Gefahr laufen, den hinzugefügten Vertrag gesondert widerrufen zu müssen, um sich von diesem zu lösen.
5.363
Ein weiterer Anwendungsfall war in § 359a Abs. 2 BGB a.F. geregelt worden, mit dem der deutsche Gesetzgeber die Verbraucherkreditrichtlinie umgesetzt hatte. Danach sollte der Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrages zur Rückwicklung eines Vertrages über eine Zusatzleistung führen, obwohl die Voraussetzungen für verbundene Verträge nicht vorliegen2. § 358 Abs. 2 und 4 BGB waren aber nur entsprechend anzuwenden, wenn der Darlehensnehmer den Vertrag über eine Zusatzleistung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag geschlossen hatten. Dabei war der Begriff „Zusatzleistung“ in § 359a Abs. 2 BGB wie in Art. 247 § 8 EGBGB zu verstehen3. Für die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhanges bedeutet dies, dass nur solche Zusatzleistun-
5.364
1 Maihold in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 360 BGB Rz. 4. 2 Die Gesetzesbegründung erwähnt als Beispiel den Fall, dass die Zusatzleistung vom Darlehensnehmer nicht finanziert wird, sondern aus eigenen Mitteln bezahlt wird, BT-Drucks. 16/11643, 73. 3 BT-Drucks. 16/11643, 73.
Merz/Wittig | 861
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
gen darunter fallen können, die vor Beginn des konkreten Finanzierungsgesprächs noch nicht abgeschlossen waren und die bis zum Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages vom Darlehensgeber verlangt werden. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB, wonach es erforderlich ist, dass der Verbraucher die Zusatzleistung (noch) annimmt oder einen entsprechenden Vertrag (noch) abschließt. Wird beispielsweise ein zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung bereits bestehender Bausparvertrag mit einem Vorausdarlehen kombiniert, ist dieser weder als Zusatzleistung i.S.d. Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB einzuordnen, noch führt der Widerruf des Vorausdarlehens zur Rückabwicklung des Bauspardarlehens.
5.365
Die sich aus den Vorgängervorschriften ergebenden Anwendungsbereiche sind der neuen Vorschrift in § 360 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht mehr zu entnehmen. Nach dem Wortlaut ist der Regelungsgehalt weiter gefasst worden, so dass damit zu rechnen ist, dass mehr Fallgestaltungen unter die zusammenhängenden Verträge fallen werden als ursprünglich vom Richtliniengeber und in den Erstumsetzungen intendiert worden waren. Nach der Gesetzesbegründung war die Erweiterung des Anwendungsbereichs nicht das Hauptmotiv für die Zusammenfassung der Regelungen, sondern lag in einer beabsichtigten Stringenz in den verbraucherschützenden Normen, die durch die thematische Zusammenfassung erreicht werden sollte. Die Erweiterung des Regelungsgehalts wurde dabei vom Gesetzgeber in Kauf genommen.
5.366
Nach § 360 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 360 Abs. 1 BGB ist § 358 Abs. 1 und 4 BGB entsprechend anzuwenden, wenn die finanzierte Ware oder Dienstleistung in einem Verbraucherdarlehensvertrag genau angegeben ist, ohne dass die Voraussetzungen für verbundene Verträge vorliegen1. Dies bedeutet, dass der Widerruf des finanzierten Vertrages über die Ware oder Dienstleistung bei entsprechender Angabe im Verbraucherdarlehensvertrag zur Rückabwicklung beider Verträge führt. Die nach § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB notwendige genaue Bezeichnung des finanzierten Vertrages erfordert eine Identifizierbarkeit des Vertragsgegenstandes, eine bloße Typenbeschreibung oder die Nennung einer Gattung beim Stückkauf ist nicht ausreichend2. Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB ist, dass dem Darlehensnehmer bezogen auf den Vertrag über die Ware oder Dienstleistung ein Widerrufsrecht i.S.d. § 355 BGB zusteht und dass dieser Vertrag ausschließlich durch das Darlehen finanziert wird3. Das Tatbestandsmerkmal der Finanzierung der im Darlehensvertrag genau angegebenen Ware oder Dienstleistung ergab sich nicht aus § 359a BGB a.F., wurde aber mit Blick auf die zugrunde liegende Definition des verbundenen Kreditvertrages gem. Art. 3 lit. n RL 2008/ 48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie)4 entsprechend aufgenommen.
5.367
Nach § 358 Abs. 5 und § 359 Abs. 2 BGB sind auf (Verbraucher)Darlehensverträge, die der Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG dienen, § 358 Abs. 2 und 4 sowie § 359 Abs. 1 BGB nicht anzuwenden. Mit dieser Einschränkung soll 1 Die Gesetzesbegründung führt als Beispiel die Fallkonstellation an, dass der finanzierte Vertrag zwar im Verbraucherdarlehensvertrag konkret bezeichnet ist, der Darlehensnehmer sich aber erst nach Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages für einen Vertragspartner entscheidet, der den finanzierten Gegenstand liefert, BT-Drucks. 16/11643, 73. 2 BT-Drucks. 16/11643, 73; Maihold in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 360 BGB Rz. 12. 3 Zur Anwendung des § 359a Abs. 1 BGB auf den finanzierten Immobilienkauf: Bergmann, BKR 2010, 189; Volmer, DNotZ 2010, 591, 594. 4 BT-Drucks. 16/11643, 73 und BT-Drucks. 17/1394, 32.
862 | Merz/Wittig
Besondere Darlehensarten | Teil 5
verhindert werden, dass der Darlehensnehmer während der Widerrufsfrist kursrisikofrei zu Lasten der Bank spekulieren kann1. Schließlich kann der Darlehensnehmer nach § 359 Abs. 2 BGB die Rückzahlung nach § 359 Abs. 1 BGB nicht verweigern, wenn das finanzierte Entgelt weniger als 200 € beträgt2. 6. Widerruf verbundener Verträge Liegen verbundene Geschäfte i.S.d. § 358 Abs. 3 BGB vor, soll im Falle eines Widerrufs sichergestellt sein, dass der Darlehensvertrag und das finanzierte Geschäft zugleich abgewickelt werden (sog. Rückabwicklungsgleichlauf)3. Deshalb ist der Darlehensnehmer bei einem wirksamen Widerruf seiner auf den Abschluss des finanzierten Geschäfts gerichteten Willenserklärung auch nicht mehr an seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung gebunden (§ 358 Abs. 1 BGB), ohne dass der Darlehensnehmer insoweit einen weiteren Widerruf erklärt zu haben braucht und ohne dass es insoweit auf ein Widerrufsrecht ankommt. Hat dagegen der Darlehensnehmer seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss des finanzierten Geschäfts gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden (§ 358 Abs. 2 BGB)4.
5.368
Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 358 Abs. 1 BGB ist der Darlehensnehmer bei Ausübung eines jeden Widerrufsrechts, das auf Gemeinschaftsrecht beruht, an einen damit verbundenen Darlehensvertrag nicht mehr gebunden5. Neben den Widerrufsrechten nach § 355 BGB (§ 312b und § 312c BGB, § 485 BGB, § 495 BGB und § 4 Fernunterrichtsgesetz) beruht auch das Widerrufsrecht nach § 8 VVG auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.
5.369
Fraglich ist, ob der Darlehensnehmer bei verbundenen Verträgen den Widerruf trotz der Regelungen in § 358 Abs. 1 und 2 BGB auf einen Vertrag beschränken kann6. Denkbar ist beispielsweise, dass der Darlehensnehmer sich ausschließlich von einer mitfinanzierten Restschuldversicherung lösen, am Darlehensvertrag aber ansonsten festhalten will. Oder der Darlehensnehmer möchte ausschließlich den Verbraucherdarlehensvertrag widerrufen und den finanzierten Vertragsgegenstand behalten. Auf Grund des insoweit eindeutigen Wortlautes dürfte eine teilweise Ausübung des Widerrufsrechts weder im Rahmen des § 358 Abs. 1 BGB noch des § 358 Abs. 2 BGB möglich sein7. Gegen die Möglichkeit einer Beschränkung spricht auch, dass anderenfalls der Vertragspartner des nicht widerrufenen Vertrages weiterhin gebunden wäre, auch wenn er ggf. diesen Vertrag nicht ohne den widerrufenen Vertrag geschlossen hätte.
5.370
1 BT-Drucks. 12/4526, 13. 2 Diese Ausnahmeregel betrifft z.B. Fälle des finanzierten Kaufs, bei denen unter Ausnutzung eines höheren Kreditrahmens (z.B. bei Kreditkartenkonten mit echtem Kreditcharakter) eine Vielzahl von kleineren Geschäften abgewickelt wird, von denen jedes einzelne die Bagatell-Grenze von 200 € (§ 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB) nicht überschreitet (vgl. BT-Drucks. 11/5462, 24 zum Verbraucherkreditgesetz). 3 BT-Drucks. 14/6040, 200. 4 BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, WM 2010, 166 zu Darlehensvertrag und Restschuldversicherungsvertrag, die verbundene Verträge sein können. 5 BT-Drucks. 17/1394, 28. 6 Bejahend: Medicus in Prütting/Wegen/Weinreich, § 358 BGB Rz. 20. 7 A.A. Habersack in MünchKomm. BGB, 8. Aufl. 2019, § 358 BGB Rz. 79.
Merz/Wittig | 863
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.371
Durch das Änderungsgesetz vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) wurde die bis zum 29.7. 2010 geltende Konkurrenzregel des § 358 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. aufgehoben, da diese nicht in allen Fällen den Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie entspricht1. Danach war bei Widerruflichkeit des finanzierten Vertrages das für das Verbraucherdarlehen geltende Widerrufsrecht nach § 495 BGB ausgeschlossen, so dass nur der finanzierte Vertrag widerrufen werden konnte. Steht dem Darlehensnehmer bei verbundenen Verträgen neben dem Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB auch ein Widerrufsrecht hinsichtlich des finanzierten Vertrages zu, kann der Darlehensnehmer seit dem 30.7.2010 wählen, welches Widerrufsrecht er ausübt. Zwar führt sowohl der Widerruf des finanzierten Vertrages (§ 358 Abs. 1 BGB) als auch der Widerruf des Darlehensvertrages (§ 358 Abs. 2 BGB) zur Rückabwicklung des jeweils anderen Vertrages. Jedoch sind im Falle des Widerrufes des finanzierten Vertrages (§ 358 Abs. 1 BGB) Ansprüche des Darlehensgebers auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrages gegen den Verbraucher ausgeschlossen (§ 358 Abs. 4 Satz 2 BGB). Aus finanzieller Sicht ist es daher für den Darlehensnehmer günstiger, wenn er in diesen Fällen den finanzierten Vertrag und nicht den Darlehensvertrag widerruft. Folgt der Darlehensnehmer der in Gestaltungshinweis 11 des gesetzlichen Musters für die Widerrufsbelehrung gem. Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB enthaltenen Empfehlung und widerruft beide Verträge, richtet sich die Rückabwicklung nach dem Widerruf, der zuerst beim Vertragspartner eingegangen ist.
5.372
Mit dem Widerruf des Darlehensvertrages2 tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Unternehmer hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem Rückabwicklungsverhältnis ein, das infolge des unwirksam gewordenen finanzierten Vertrages entsteht3 (§ 358 Abs. 4 Satz 5 BGB). Der Darlehensgeber wird also an Stelle des Unternehmers Gläubiger und Schuldner des Verbrauchers (Darlehensnehmers)4. Nur dieses Ergebnis wird dem Zweck der für verbundene Geschäfte geschaffenen Regelungen gerecht, den Verbraucher vor der Aufspaltung des Rückabwicklungsverhältnisses gegenüber verschiedenen Personen zu schützen5. Sollen die Konsequenzen einer solchen Geschäftsabwicklung vermieden werden, darf das Kreditinstitut die Auszahlung der Darlehensvaluta erst nach Ablauf der Widerrufsfrist und der Postlaufzeit für den Widerruf vornehmen. Im Übrigen finden §§ 357 bis 357b BGB entsprechende Anwendung auf die Rückabwicklung der verbundenen Verträge in Folge eines Widerrufs nach § 358 Abs. 1 oder § 358 Abs. 2 BGB.
II. Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 Abs. 3 BGB) 5.373
Entgegen der vorherigen Systematik der abschließenden Zusammenfassung von Sonderregelungen für Immobiliardarlehensverträge in § 503 BGB a.F.6, findet sich die seit 21.3. 2016 geltende Legaldefinition des Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags in § 491 1 BT-Drucks. 17/1394, 13. 2 Zu den früheren Anforderungen an die Widerrufsbelehrung bei verbundenen Verträgen vgl. BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, WM 2010, 166; BGH v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020; BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 47/08, BKR 2009, 167. 3 § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB. 4 § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB. 5 BGH v. 11.10.1995 – VIII ZR 325/94, WM 1995, 1988, 1990. 6 Zur Rechtsprechung bei Immobilienfinanzierungen: von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen; Merz/Rösler in HdB, Haftung bei Immobilienkapitalanlagen, Rz. 8310; Hertel/Edelmann, Immobilienfinanzierung und Verbraucherschutz, 2007.
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Besondere Darlehensarten | Teil 5
Abs. 3 BGB. Etwaige Sonderregelungen zu dieser Darlehensart sind nunmehr bei den jeweiligen Normen zu finden. Damit weicht der Gesetzgeber von seiner bisherigen Systematik ab und verdeutlicht den Anwendungsbereich der einzelnen Vorschriften durch die Verwendung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten. Soweit eine Vorschrift für alle Verbraucherdarlehensverträge gilt, verwendet er den Begriff „Verbraucherdarlehensvertrag“, abweichende Vorschriften werden ausdrücklich durch die Begriffe Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag und Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag gekennzeichnet. Durch die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie war es erforderlich geworden, zusätzliche Sonderregelungen für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge einzuführen, die im Nachfolgenden dargestellt werden sollen, soweit sie nicht bereits im Vorstehenden behandelt wurden. Die Neuregelungen betreffen vor allem vorvertragliche Pflichten (Art. 247a § 1 EGBGB), das freiwilligen Angebot von Beratungsleistung (§ 511 BGB) und das Verbot bestimmter Produktkopplungen (§ 492a und § 492b BGB). Nach Art. 247a § 1 EGBGB ist der Darlehensgeber verpflichtet, für den Verbraucher allgemeine Informationen i.S.d. Art. 247a § 1 Abs. 2 EGBGB zur Verfügung zu stellen. Adressat dieser Regelung sind Unternehmer, die den Abschluss von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen oder deren Vermittlung durch gebundene Darlehensvermittler (§ 655a Abs. 3 Satz 3 BGB) anbieten. Sie sind zudem verpflichtet, für Standardgeschäfte i.S.d. § 675a BGB unentgeltliche Informationen über Entgelte und Auslagen der Geschäftsbesorgung zur Verfügung zu stellen.
5.374
Der Mindestgehalt der allgemeinen Informationen zu einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag richtet sich nach Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB. Dieser Informationskatalog ist zurückzuführen auf die allgemeinen Informationspflichten, die sich bereits aus dem freiwilligen Europäischen Verhaltenskodex für wohnwirtschaftliche Kredite vom 30.9. 2002 ergaben. Mit den allgemeinen Informationspflichten soll der Verbraucher einen Überblick über die von einem Darlehensgeber angebotenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge erhalten. Neben dem Überblick über die Darlehensarten soll der Darlehensgeber ein repräsentatives Beispiel des Nettodarlehensvertrags, der Gesamtkosten, des Gesamtbetrags und des effektiven Jahreszinses bereitstellen. Wonach sich das repräsentative Beispiel bemisst, ist nicht näher definiert; es steht dem Darlehensgeber daher frei, das repräsentative Beispiel entsprechend § 6a PAngV zu wählen, vor allem mit Blick darauf, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher Zugriff auf die allgemeinen Informationen nimmt, er sich regelmäßig in der Anbahnung des Vertragsabschlusses befinden wird und ein persönlicher Kontakt zwischen dem Darlehensgeber und dem Darlehensnehmer noch nicht zustande gekommen sein muss. Die allgemeinen Informationen sind dem Darlehensnehmer auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen, wobei die Bereithaltung auf der Internetseite des Darlehensgebers ausreichend ist, wenn der prospektive Darlehensnehmer die Möglichkeit erhält, diese auszudrucken oder herunterzuladen.
5.375
In § 511 BGB wird erstmalig im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag die Beratungsleistung eines Darlehensgebers oder Darlehensvermittlers bei einem Darlehensvertrag, hier dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag gesetzlich geregelt.
5.376
Die Beratungsleistung nach § 511 BGB steht gesondert neben dem Darlehensvertrag1 und stellt ein freiwilliges Angebot des Darlehensgebers dar, zu dem er grundsätzlich nicht ver-
5.377
1 Ellenberger in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 511 BGB Rz. 2.
Merz/Wittig | 865
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
pflichtet ist. Bietet der Darlehensgeber die Beratung an, schuldet er dem Verbraucher vor Abschluss des Beratungsvertrags Informationspflichten nach Art. 247 § 18 EGBGB (§ 511 Abs. 1 BGB). Dabei hat er Auskunft darüber zu geben, ob und in welcher Höhe für die Beratung ein Entgelt verlangt wird. Kann die Höhe noch nicht bestimmt werden, ist über die Berechnungsmethode zu informieren (Art. 247 § 18 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Außerdem muss der Darlehensgeber darüber informieren, ob seine Beratung nur eigene Produkte erfasst oder sich die Beratung auf fremde Angebote erstreckt (Art. 247 § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB). Der Darlehensgeber kann grundsätzlich seine Beratungsleistung auf seine eigene Produktpalette beschränken, wenn diese ausreichend groß ist. Die Einbeziehung von öffentlichen Fördermitteln wird ein Darlehensgeber aber in jedem Fall in die Beratung mit einbeziehen müssen. Diese Informationen sind auf einem dauerhaften Datenträger (§ 126b Satz 2 BGB) zu übermitteln. Nach verbreiteter Auffassung muss er zusätzlich vorab darüber informieren, ob er überhaupt dazu bereit ist, Beratungsleistungen im Zusammenhang mit einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zu erbringen1.
5.378
Beratungsleistung wird als Erteilung einer individuellen Empfehlung zu einem oder mehreren Geschäften, die im Zusammenhang mit einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag stehen, definiert (§ 511 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ist ein Darlehensgeber bereit, Beratungsleistungen zu Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen zu erbringen, schuldet er in Anlehnung an die bei der Anlageberatung bestehenden Grundsätze eine Darlehensnehmer- und Darlehensvertrags(Objekt)gerechte Beratung2. Die Empfehlung muss „redlich, vollständig und gewissenhaft“ sein3.
5.379
§ 511 BGB setzt den Abschluss eines Beratungsvertrags voraus, ohne diesen jedoch zu regeln4. Dies ergibt sich bereits aus Art. 247 § 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, mit dem der Zeitpunkt der Übermittlung der vorvertraglichen Informationspflichten festgelegt wird. Danach sind diese geschuldet, bevor der Darlehensgeber die Beratungsleistung erbringt oder einen Beratungsvertrag schließt. Damit wird deutlich, dass bereits die tatsächliche Erbringung einer Beratungsleistung in den Anwendungsbereich des § 511 BGB fällt und es grundsätzlich eines formellen Abschlusses eines Beratungsvertrags nicht bedarf, um die Informationspflichten zur Beratung auszulösen. Dies liegt auf der Linie der ständigen Rechtsprechung des BGH, der die Hürde für das Vorliegen eines – ggf. konkludent abgeschlossenen – Beratungsvertrags niedrig ansetzt. In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Anlageberatung kommt bereits durch das aktive Andienen eines Kredits stillschweigend ein Finanzierungsberatungsvertrag zustande, wenn sich der Kunde auf dieses Gespräch einlässt5. Kommt der Darlehensnehmer dagegen mit einem konkreten Finanzierungswunsch auf den Darlehensgeber zu und wird der Darlehensvertrag nach den Vorstellungen des Darlehensnehmers abgeschlossen, liegt kein Beratungsvertrag vor6. Folgt allerdings der Darlehensgeber den Vorstellungen des Gesetzes, wird er stets vor dem Beginn der Beratungsleistung seine vorvertraglichen Pflichten nach Art. 247 § 18 EGBGB erbringen und damit eine formalisierte Auskunft darüber erteilen, ob er bereit ist, Beratungsleistungen zu erbringen7. Unter diesen Umständen wird es stets zu einem ausdrücklichen Abschluss 1 2 3 4 5 6 7
Buck-Heeb, ZIP 2017, 705. BT-Drucks. 18/5922, 107. Harnos, BKR 2018, 99, 101. Ellenberger in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 511 BGB Rz. 2. Ellenberger in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, vor § 488 BGB Rz. 2. Ellenberger in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, vor § 488 BGB Rz. 3. BT-Drucks. 18/5922, 105; Buck-Heeb, ZIP 2018, 705.
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Besondere Darlehensarten | Teil 5
eines Finanzierungsberatungsvertrags kommen, selbst wenn dieser nicht schriftlich vereinbart werden sollte. Ein Beratungsvertrag kommt jedoch dann nicht zustande, wenn der Darlehensgeber es ablehnt, zu dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag Beratungsleistungen zu erbringen1. In diesem Fall kann und muss sich der Darlehensgeber auf die Erbringung seiner gesetzlich geschuldeten vorvertraglichen Informations- und Erläuterungspflichten, ggf. auch Aufklärungspflichten zum Darlehensvertrag und auf die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers beschränken. Liegt ein Beratungsvertrag vor, muss die Beratungsleistung entsprechend den Anforderungen des § 511 Abs. 2 BGB erbracht werden. Die Beratungsleistung dient dem Zweck, dem Darlehensnehmer die Auswahlentscheidung durch eine konkrete Empfehlung zu erleichtern2. Sie unterscheidet sich dadurch von der Erläuterungspflicht, die darauf zielt, dem Darlehensnehmer das angebotene Produkt verständlich machen soll und „Hilfe zur Selbsthilfe“ gibt, ohne jedoch die Abwägung von Risiken oder den wertenden Vergleich unterschiedlicher Vertragstypen zu verlangen3.
5.380
Die Beratungsleistung lässt sich im Wesentlichen in drei Phasen gliedern: Vor der Empfehlung hat sich der Darlehensgeber umfassend über den Bedarf, die persönliche und finanzielle Situation sowie über die Präferenzen und Ziele des Darlehensnehmers zu informieren, und zwar in dem Umfang, wie dies für die Empfehlung eines geeigneten Darlehensvertrags erforderlich4 ist (sog. Exploration). Ein Großteil der Informationen über die persönliche und finanzielle Situation des Darlehensnehmers wird der Darlehensgeber bereits durch die nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB angeforderten Informationen zum Zweck der Kreditwürdigkeitsprüfung erhalten. Nach der Gesetzesbegründung sind aber ggf. noch weitergehende Informationen einzuholen, um den Darlehensgeber in die Lage zu versetzen, die individuelle Situation des Darlehensnehmers, seine Bedarfe und seine Präferenzen sowie seine Risikobereitschaft5 näher beleuchten zu können. So sind für die Erbringung der individuellen Beratungsleistung Informationen zu den Wünschen und Vorstellungen des Darlehensgebers unerlässlich. Hierzu können u.a. Fragen zur angestrebten Vertragslaufzeit, zu Zinsbindungsfristen, der Vorstellung, dass der Immobilienerwerb der Vorsorge im Rentenalter dienen soll, erforderlich sein, um dem Darlehensnehmer eine für ihn geeignete Produktempfehlung erteilen zu können. Stützt der Darlehensgeber seine Beratungsleistung auf bereits vorhandene Informationen, muss er sicherstellen, dass diese noch aktuell sind und sie ggf. aktualisieren. Der Darlehensgeber hat diesbezüglich eine Erkundigungspflicht6.
5.381
Die Exploration dient der Vorbereitung7 zur Erbringung der eigentlichen Beratungsleistung, denn anschließend hat der Darlehensgeber eine Analyse der erhaltenen Informationen und eine Bewertung unter realistischen Annahmen der mit der Finanzierung einhergehenden Risiken vorzunehmen und eine ausreichende Anzahl von Finanzierungen mindestens aus seiner eigenen Produktpalette dahingehend zu prüfen, ob ein oder mehrere für den Darlehensnehmer geeignete Produkte empfohlen werden können. Erst nach Abschluss
5.382
1 2 3 4 5 6 7
Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 511 BGB Rz. 9. BT-Drucks. 18/5922, 105. BT-Drucks. 18/5922, 105; Buck-Heeb, BKR 2014, 221, 226. Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 511 BGB Rz. 16. Buck-Heeb, ZIP 2018, 705, 710. Buck-Heeb, ZIP 2018, 705, 708. Buck-Heeb, ZIP 2018, 705, 710.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
dieses zweiten Schrittes soll der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer ein geeignetes oder mehrere geeignete Produkte empfehlen. Dabei wird erwartet, dass der Darlehensgeber nach erfolgter Prüfung keinen Darlehensvertrag empfiehlt, wenn er kein für den Darlehensnehmer geeignetes Produkt aus der zur Verfügung stehenden Produktpalette identifizieren konnte. Der Darlehensgeber ist aber nicht verpflichtet, das Produkt eines anderen Anbieters bei der Analyse auf Geeignetheit zu prüfen und zu empfehlen1. Die Empfehlung muss zum Zeitpunkt ihrer Erteilung lediglich vertretbar gewesen2 sein, selbst wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass es sich um ungeeignetes Produkt gehandelt hat.
5.383
Sowohl eine Empfehlung als auch die Ablehnung müssen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden (§ 511 Abs. 3 Satz 2 BGB). Mündet die Beratung einer Empfehlung zu einem oder mehreren geeigneten Darlehensangeboten, kann der Darlehensgeber die vorvertraglichen Informationen auf dem Europäischen Standardisierten Merkblatt (ESIS-Merkblatt) verwenden. Dort findet sich unter Abschnitt 1 „Kreditgeber“ der Hinweis, dass der Kreditgeber „nach Analyse Ihres Bedarfs und Ihrer Situation“ der nachstehende Kredit „empfohlen“ wird (Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB).
5.384
Darüber hinaus ist der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer zur Aufklärung über die mit dem Darlehensvertrag verbundenen Risiken verpflichtet, wenn es für den Darlehensgeber erkennbar ist, dass diese Informationen für den Darlehensnehmer von Bedeutung sind3. Grundsätzlich besteht bei einem Darlehensvertrag keine Pflicht des Darlehensgebers den Darlehensnehmer über spezielle vertragsbezogene Risiken aufzuklären4. Kommt es jedoch zum Abschluss eines Finanzierungsberatungsvertrags können sich neben der Pflicht zur Empfehlung weitere Aufklärungspflichten für den Darlehensgeber ergeben. Soweit bei komplexeren Kreditverträgen finanzielle oder rechtliche Risiken bestehen, muss der Darlehensgeber diese transparent offenlegen und darf nicht nur die Chancen betonen und dadurch die Risiken verharmlosen5. Bei Finanzierungen, bei denen während der Vertragslaufzeit die Tilgungen gegen Abschluss einer Kapitallebensversicherung ausgesetzt werden, muss der Darlehensgeber darauf hinweisen, dass solche Finanzierungen im Verhältnis zu einem üblichen Annuitätendarlehensvertrag deutlich teurer sind und das Risiko in sich tragen, dass die Abschlussleistung am Ende der Laufzeit nicht ausreichen wird, die vollständige Rückzahlung des ausstehenden Darlehensbetrags zu gewährleisten6. Diese Aufklärungs- und Hinweispflicht besteht nicht nur aufgrund des Finanzierungsberatungsvertrags, sondern ergibt sich bereits aus Art. 247 § 8 Abs. 2 EGBGB. Auch die Tatsache, dass bei einem variabel verzinslichen Darlehensvertrag der Sollzinssatz unbegrenzt steigen kann, wenn keine Zinsobergrenze vereinbart wird, kann Anlass dafür geben, den Darlehensnehmer auf dieses Risiko hinzuweisen7. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss der Darlehensnehmer über die rechtliche und wirtschaftliche Wirkungsweise einer Zinsfloorklausel transparent und verständlich vor Vertragsschluss aufgeklärt werden8. Eine fehlende oder unvollständige Aufklärung lässt die Beratungsleistung des Darlehens1 2 3 4 5 6 7 8
Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 511 BGB Rz. 22. Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 511 BGB Rz. 34. Buck-Heeb, ZIP 2018, 705, 710; Buck-Heeb, BKR 2014, 221, 231. Buck-Heeb, BKR 2014, 221, 226. BGH v. 19.12.2017 – XI ZR 152/17, juris. Ellenberger in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, vor § 488 BGB Rz. 2. OLG Düsseldorf v. 22.12.2016 – I U 57/16, BKR 2018, 160. EuGH v. 21.12.2016 – Rs. C-154/15, NJW 2017, 1014.
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Besondere Darlehensarten | Teil 5
gebers fehlerhaft werden und kann zu Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Darlehensnehmer führen1. Erweist sich später, dass die Empfehlung falsch war, kann dies zu Schadensersatzansprüchen führen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist der Schadensersatzanspruch des Darlehensnehmers aber nicht auf die Rückabwicklung des Darlehensvertrags gerichtet, sondern auf die Differenz zwischen einem günstigeren Darlehen und dem aufgrund der Empfehlung abgeschlossenen Darlehen2, da bei der Finanzierungsberatung die Empfehlung des für den Darlehensnehmer günstigsten Darlehensvertrags geschuldet wird. Dabei wird unterstellt, dass der Darlehensnehmer einen anderen, für ihn günstigeren Darlehensvertrag aufgenommen hätte, wenn er ordnungsgemäß beraten worden wäre (Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens3). Eine Rückabwicklung des Darlehens kommt daher regelmäßig nicht in Betracht. Mit Abschluss des Finanzierungsberatungsvertrags schuldet der Darlehensgeber aber keine Beratung zur Sinnhaftigkeit oder Wirtschaftlichkeit des finanzierten Geschäfts4.
5.385
Mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie werden das Kopplungsgeschäft (§ 492a Abs. 1 BGB) und das Bündlungsgeschäft (§ 492a Abs. 1 Satz 2 BGB) ins deutsche Zivilrecht übernommen. Das Kopplungsgeschäft ist entsprechend Art. 4 Nr. 25 RL 2014/ 17/EU (Wohnimmobilienkreditrichtlinie) in § 492 Abs. 1 BGB legal definiert; es liegt vor, wenn der Darlehensgeber den Abschluss eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags davon abhängig macht, dass der Darlehensnehmer oder ein Dritter weitere Finanzprodukte oder Finanzdienstleistungen erwirbt. Ein solches Kopplungsgeschäft ist grundsätzlich verboten (… der Darlehensgeber darf nicht ….) und nur erlaubt, wenn das Geschäft unter die Ausnahmen des § 492b BGB fällt. Wird ein verbotenes Kopplungsgeschäft abgeschlossen, ist das gekoppelte Rechtsgeschäft nichtig, nicht jedoch der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 492a Abs. 2 BGB).
5.386
Ein Bündlungsgeschäft ist dagegen grundsätzlich zulässig und zeichnet sich dadurch aus, dass dem Darlehensnehmer oder einem Dritten neben dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag der Abschluss eines weiteren Finanzproduktes oder einer -dienstleistung angeboten wird, der Abschluss dieser zusätzlichen Leistung aber freiwillig ist. Ein Bündlungsgeschäft ist auch dann wirksam, wenn die Konditionen für den Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag abweichen oder günstiger werden, wenn es zum Abschluss des weiteren Vertrags käme (§ 492a Abs. 1 Satz 2 BGB). Der deutsche Gesetzgeber hat damit die Beschreibung des Bündlungsgeschäfts (Art. 4 Nr. 26 RL 2014/17/EU [Wohnimmobilienkreditrichtlinie]) ins Gesetz aufgenommen, aber nicht den Begriff aus der Richtlinie übernommen.
5.387
In § 492b BGB werden die zulässigen Kopplungsgeschäfte abschließend geregelt. So darf der Darlehensgeber den Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag davon abhängig machen, dass der Darlehensnehmer und/oder ein Familienangehöriger ein Zahlungs- oder Sparkonto eröffnet (§ 492b Abs. 1 Nr. 1a bis c BGB), ein Anlageprodukt oder ein privates Rentenprodukt erwirbt oder behält (§ 492b Abs. 1 Nr. 2a und b BGB) oder einen Darlehensvertrag
5.388
1 BGH v. 1.7.2014 – XI ZR 247/12, WM 2014, 1621; BGH v. 19.12.2017 – XI ZR 152/17, juris. 2 Ellenberger in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, vor § 488 BGB Rz. 5 ff.; BGH v. 19.12.2017 – XI ZR 152/17, juris; BGH v. 1.7.2014 – XI ZR 247/12, WM 2014, 1621. 3 Buck-Heeb, ZIP 2018, 705, 713. 4 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 511 BGB Rz. 18.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
mit Wertbeteiligung abschließt (§ 492 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Die weiteren Finanzprodukte oder -dienstleistungen müssen einen engen Zusammenhang mit dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag aufweisen: So kann es sich bei dem Zahlungskonto um ein Konto handeln, das für die Auszahlung- oder Rückzahlung des Darlehens erforderlich ist, weil z.B. das Kreditkonto für den Zahlungsverkehr nicht geeignet ist. Das Sparkonto darf nur dazu dienen, eine Sicherheit zugunsten des Darlehensgebers aufzubauen oder zu erhalten. Die genannten Anlage- oder Rentenprodukte sind in ihrem Zweck sehr begrenzt, sie müssen entweder in erster Linie dem Ruhestandseinkommen oder als zusätzliche Sicherheit für den Darlehensgeber dienen oder als zusätzliche Mittel zur Rückzahlung des Darlehens bestimmt sein.
5.389
In § 492b Abs. 2 BGB ist es dem Darlehensgeber gestattet, den Abschluss eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags von dem Abschluss einer einschlägigen Versicherung abhängig zu machen, wenn es dem Darlehensnehmer freisteht, den Versicherer frei zu wählen. Bei den einschlägigen Versicherungen kann es sich z.B. um eine Risikolebensversicherung, eine Gebäudeversicherung oder eine Kapitallebensversicherung handeln. Außerdem sind Kopplungsgeschäfte erlaubt, wenn der Darlehensgeber mit Genehmigung seiner zuständigen Aufsichtsbehörde den Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag mit einem weiteren Finanzprodukt oder einer weiteren -dienstleistung koppelt. Die Genehmigung muss nach § 18a Abs. 8a KWG erteilt werden und bezieht sich nur auf Produktkopplungen, die nach dem 21.3.2016 erstmalig angeboten werden. Bei der Beantragung muss der Darlehensgeber den Nachweis erbringen, dass die Kopplung im überwiegenden Interesse des Verbrauchers liegt und ein für ihn vorteilhaftes Geschäft darstellt. Kopplungsgeschäfte, die bis zum Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes angeboten und abgeschlossen wurden, aber nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 492b Abs. 1 und 2 BGB fallen, dürfen nicht mehr abgeschlossen und können nicht mehr genehmigt werden.
5.390
Auch nach Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes der Wohnimmobilienkreditrichtlinie gelten für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge die Verzugsregelungen des § 497 Abs. 2 und 3 Satz 1, 2, 4 und 5 BGB nicht (§ 497 Abs. 4 Satz 2 BGB). Für die Verrechnung von Teilleistungen ist daher die in § 367 BGB bestimmte Reihenfolge maßgebend. Lediglich die in § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnete Hemmung der Verjährung ist von den Regelungen des § 497 Abs. 2 und 3 BGB auch auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge anwendbar. Zwei weitere Besonderheiten sind im Falle des Verzugs zu beachten: Danach beträgt der Verzugszinssatz abweichend von § 497 Abs. 1 BGB lediglich 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszins (§ 246 BGB) (§ 497 Abs. 4 Satz 1 BGB) und für die Kündigung wegen Zahlungsverzugs ist abweichend von § 498 Satz 1 Nr. 1 BGB erforderlich, dass der Darlehensnehmer mit mindestens 2,5 % des Nennbetrages des Darlehens in Verzug ist (§ 498 Abs. 2 BGB).
5.391
Die mit dem Umsetzungsgesetz vom 29.7.2009 (BGBl. I 2009, 2355) eingeführte Regelung zur Leistungsverweigerung (§ 499 Abs. 2 BGB) ist auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge ebenfalls nicht anwendbar. Auch diesbezüglich bleibt es bei der Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften (§§ 489, 490 BGB).
5.392
Weitere Besonderheiten bestehen bei den vorvertraglichen Informationspflichten gem. § 491a Abs. 1 BGB (dazu Rz. 5.127) und bei den Pflichtangaben im Darlehensvertrag gem. § 492 Abs. 2 BGB (dazu Rz. 5.212), die in Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zusammengefasst sind.
870 | Merz/Wittig
Besondere Darlehensarten | Teil 5
III. Eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten (§ 504 BGB) Mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie hat der deutsche Gesetzgeber zusätzliche Informationspflichten über Entgelte und Auslagen der Geschäftsbesorgung für Unternehmer auferlegt, die den Abschluss von Verträgen über die Einräumung von Überziehungsmöglichkeiten gem. § 504 BGB oder deren Vermittlung nach § 655a BGB anbieten. Diese Unternehmer sind verpflichtet, für Standardgeschäfte nach § 675a BGB diese Informationen schriftlich und in geeigneten Fällen auch elektronisch zur Verfügung zu stellen (Art. 247a § 2 EGBGB). In diesen Informationen ist der Sollzins für eine eingeräumte Überziehungsmöglichkeit und das vereinbarte Entgelt (Sollzins) für die geduldete Überziehung (§ 505 BGB) klar, eindeutig und in auffallender Weise anzugeben (Art. 247a § 2 Abs. 2 und 3 EGBGB). Diese Regelung soll die Transparenz der Angebote von Überziehungsmöglichkeiten sowie geduldeten Überziehungen erhöhen1. Sie wird dann geschuldet, wenn die Überziehungsmöglichkeiten als Standardgeschäft i.S.d. § 675a BGB angeboten werden2.
5.393
Nach dem Gesetzeswortlaut sollen die Informationen „schriftlich“ zur Verfügung gestellt werden, wobei auf der Internetseite eine elektronische Zurverfügungstellung genügt. Tatsächlich handelt es sich hierbei um ein redaktionelles Versehen, so dass die Zurverfügungstellung in Textform, wie die Informationen über das Standardgeschäft nach § 675a BGB zu erfüllen sind, genügt. Die Information über die Entgelte und Auslagen für Standardgeschäfte kann durch einfachen Aushang in den Geschäftsräumen des Geschäftsbesorgers (Preisaushang) nach § 5 PAngV erfolgen3. Klar, eindeutig und auffallend sind die Überziehungszinsen ausgewiesen, wenn sie nicht im Kleingedruckten oder in der Fußnote enthalten sind4. Die gleichen Anforderungen sind zu erfüllen, wenn der Unternehmer über eine Internetseite verfügt. Dann müssen die Sollzinsen in dem „Preisaushang“, der auf der Internetseite zur Verfügung gestellt wird, in entsprechender Weise enthalten sein. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass es dem Verbraucher auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten möglich ist, verschiedene Angebote zu prüfen und einen Marktvergleich durchzuführen5. § 504 BGB enthält die abschließenden Sonderreglungen für eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten6. Bei den Überziehungsmöglichkeiten handelt es sich um eine besondere Form des Verbraucherdarlehensvertrages, nach der dem Darlehensnehmer das Recht eingeräumt wird, sein laufendes Konto bis zu einer bestimmten Höhe zu überziehen (§ 504 Abs. 1 Satz 1 BGB). Von § 504 BGB werden also ausschließlich solche Rahmenkredite erfasst, die auf einem laufenden Konto gewährt werden. Darunter fallen nur solche Kontokorrentkonten (§ 355 Abs. 1 HGB), die für den allgemeinen Zahlungsverkehr zugelassen und geeignet sind7. Es muss sich also um ein Konto handeln, bei dem u.a. Abbuchungen zugunsten anderer Gläubiger bei anderen Kreditinstituten (z.B. per Lastschrift) möglich sind. Wird dagegen ein Rahmenkredit auf einem reinen Darlehenskonto gewährt, das 1 2 3 4 5 6 7
BT-Drucks. 18/5922, 109 (noch zu § 675a Abs. 4 BGB-RegE). Schürnbrand/Weber in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 247a § 2 EGBGB Rz. 2. Heermann in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, § 675a BGB Rz. 10. BT-Drucks. 18/5922, 110. BT-Drucks. 18/5922, 110. Ausführlich zur eingeräumten Überziehungsmöglichkeit: Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105. Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 504 BGB Rz. 2; Pap in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 504 BGB Rz. 13; Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105.
Merz/Wittig | 871
5.393a
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
nicht zum Zahlungsverkehr zugelassen ist, ist § 504 BGB nicht einschlägig und die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB finden grundsätzlich vollumfänglich Anwendung1.
5.394
§ 504 BGB enthält drei Arten von Überziehungsmöglichkeiten, die sich hinsichtlich Laufzeit und Kosten unterscheiden und für die unterschiedliche Regelungen gelten. Keine Beschränkung hinsichtlich Laufzeit und Kosten enthält die in § 504 Abs. 1 BGB geregelte Grundform der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit, auf die grundsätzlich die §§ 491 ff. BGB Anwendung finden. Ausgenommen von diesen Vorschriften sind lediglich der Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung gem. § 502 BGB sowie die Beschränkungen des Kündigungsrechts des Darlehensgebers gem. § 499 Abs. 1 BGB. Zudem enthält § 504 Abs. 1 Satz 3 BGB eine Modifikation der Unterrichtungspflicht bei Zinsanpassungen. Danach ist § 493 Abs. 3 BGB nur bei einer Erhöhung des Sollzinssatzes anzuwenden und gilt bei einer Erhöhung der vereinbarten sonstigen Kosten entsprechend. Hinsichtlich der vorvertraglichen Informationspflichten (§ 491a BGB) und den Pflichtangaben im Darlehensvertrag (§ 492 Abs. 2 BGB) gelten für die Grundform der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit keine abweichenden Regelungen, da die in Art. 247 § 10 EGBGB enthaltene Sonderregelung nur auf eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB anwendbar ist. Folglich hat bei der Grundform der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit die vorvertragliche Unterrichtung nach § 491 Abs. 1 BGB unter Verwendung der Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite gem. dem Muster nach Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB zu erfolgen.
5.395
Die beiden Sonderformen der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit sind in § 504 Abs. 2 BGB geregelt. Die in § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelte erste Sonderform setzt voraus, dass die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit entweder innerhalb von drei Monaten nach Auszahlung zurückzuzahlen ist oder dass der Darlehensgeber diese jederzeit fristlos kündigen kann2. Neben den in § 504 Abs. 1 BGB geregelten Ausnahmen sind gem. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB weitere Vorschriften der §§ 491 ff. BGB nicht anwendbar. Im Einzelnen handelt es sich um die Erläuterungspflicht (§ 491a Abs. 3 BGB), das Widerrufsrecht (§ 495 BGB), das Leistungsverweigerungsrecht (§ 499 Abs. 2 BGB) und das Verbot, eine Kündigungsfrist von mehr als einem Monat für den Darlehensnehmer zu vereinbaren (§ 500 Abs. 1 Satz 2 BGB).
5.396
Die in § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelte zweite Sonderform der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit setzt darüber hinaus voraus, dass außer den Sollzinsen keine weiteren laufenden Kosten vereinbart sind und dass die Sollzinsen nicht in kürzeren Zeiträumen als drei Monaten fällig werden. Nach der Gesetzesbegründung sind laufende Kosten nur solche, die bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung anfallen. Auch das vereinbarte Entgelt für die Kontoführung („Kontoführungsgebühr“), mit der die Dienstleistung des Kreditinstituts für die allgemeine Abwicklung des Zahlungsverkehrs abgegolten wird, fällt nicht unter den Begriff der „laufenden Kosten“ i.S.d. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB3. Des Weiteren setzt § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB voraus, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer den Vertragsinhalt spätestens unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitteilt. Die Einhaltung der Schriftform nach § 492 Abs. 1 BGB ist daher bei der zweiten Sonder1 Pap in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 504 BGB Rz. 7; Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105. 2 Vgl. Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen. 3 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 504 BGB Rz. 8; Pap in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 504 BGB Rz. 44.
872 | Merz/Wittig
Besondere Darlehensarten | Teil 5
form der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit nicht erforderlich. Neben dieser Abweichung von den allgemeinen Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge gelten auch die in § 504 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB geregelten Ausnahmen. Die zweite Sonderform der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit gem. § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB entspricht damit dem bisherigen unbefristeten Dispositionskredit gem. § 493 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.1. Bei beiden Sonderformen der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit i.S.d. § 504 Abs. 2 BGB bestehen darüber hinaus Besonderheiten bei den neu eingeführten vorvertraglichen Informationspflichten gem. § 491a Abs. 1 BGB (dazu Rz. 5.131) und bei den Pflichtangaben im Darlehensvertrag gem. § 492 Abs. 2 BGB (dazu Rz. 5.215), die in Art. 247 § 10 EGBGB zusammengefasst sind.
5.397
Darüber hinaus begründet § 504 Abs. 1 Satz 1 BGB für alle Arten der Überziehungsmöglichkeit eine laufende Unterrichtungspflicht über die sich aus Art. 247 § 16 EGBGB ergebenden Angaben (dazu Rz. 5.281).
5.398
Die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie hat der Gesetzgeber zum Anlass genommen, die im zwischen den Fraktionen CDU/CSU und SPD bestehenden Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung zur Beratungspflicht bei dauerhafter und erheblicher Inanspruchnahme des Dispositionskredits umzusetzen2.
5.399
Nach § 504a BGB ist der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer ein Beratungsgespräch anzubieten, wenn der Darlehensnehmer die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit ununterbrochen über einen Zeitraum von sechs Monaten und durchschnittlich in Höhe eines Betrags in Anspruch genommen hat, der 75 % des vereinbarten Höchstbetrags entspricht. Ununterbrochen ist die Überziehung, wenn trotz Zahlungseingängen zu keinem Zeitpunkt ein ausgeglichener Saldo vorliegt3. Der Durchschnitt wird berechnet, indem der Mittelwert der Inanspruchnahme über einen Zeitraum von sechs Monaten gebildet wird, so dass die Inanspruchnahme nicht durchgängig 75 % des vereinbarten Höchstbetrags liegen muss, sondern während des Betrachtungszeitraums schwanken kann4. Bei einem vierteljährlichen Rechnungsabschluss ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Feststellung der Voraussetzungen einer Beratungspflicht der Zeitpunkt des Rechnungsabschlusses. Die Mitteilung über das Beratungsangebot muss in Textform (§ 126b BGB) erfolgen und kann auf dem üblichen Kommunikationsweg unterbreitet werden. Somit ist es dem Darlehensgeber gestattet, das Beratungsgespräch ggf. mit einem Kontoauszug anzubieten.
5.400
Das Beratungsgespräch muss einerseits persönlich, kann andererseits aber auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln durchgeführt werden. Ziel dieses Gesprächs soll das Angebot und der Abschluss eines zinsgünstigeren Darlehens sein. Damit wird die Intention des Gesetzgebers deutlich. Die Vorschrift soll dem Verbraucher bewusst machen, dass es sich bei der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit um ein Darlehen handelt, bei dem der Sollzins regelmäßig höher ist als bei einem Konsumentenratenkredit. Der Gesetzgeber unterstellt dabei, dass der Darlehensnehmer bei einer sechsmonatigen durchgehenden Inanspruchnahme i.H.v. durchschnittlich 75 % seines Überziehungskredits einen längerfristigen Kapitalbedarf hat, den er in der Regel kostengünstiger durch einen Ratenkredit decken kann. Die geschuldete Beratung muss verbrauchergerecht und auf
5.401
1 2 3 4
Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105, 106. BT-Drucks. 18/5922, 94. BT-Drucks. 18/5922, 94. BT-Drucks. 18/5922, 94.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
den Dispositionskredit und einem etwaigen Alternativprodukt bezogen objektgerecht erfolgen1. Von der Pflicht zum Beratungsangebot ist der Darlehensgeber nur befreit, wenn der Darlehensnehmer ausdrücklich erklärt, dass er eine diesbezügliche Beratung nicht wünscht (§ 504a Abs. 3 BGB). Lehnt der Darlehensnehmer die Beratung nicht ausdrücklich ab und kommt es nicht zu einem Abschluss eines kostengünstigeren Darlehensvertrags, ist der Darlehensgeber verpflichtet, das Beratungsangebot solange zu wiederholen, solange die Voraussetzungen für hierfür vorliegen.
IV. Geduldete Überziehungen (§ 505 BGB) 5.402
In § 505 BGB sind die Sonderreglungen für die geduldete Überziehung abschließend zusammengefasst2. Bei der geduldeten Überziehung handelt es sich um eine besondere Form des Verbraucherdarlehensvertrages, nach der der Darlehensgeber mit dem Darlehensnehmer ein Entgelt3 für den Fall vereinbart, dass der Darlehensgeber eine Überziehung des auf Guthabenbasis geführten laufenden Kontos (§ 505 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder eine Überziehung der auf einem laufenden Konto eingeräumten Überziehungsmöglichkeit (§ 505 Abs. 1 Satz 2 BGB) duldet4. Der Unterschied zwischen einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit (§ 504 BGB) und einer geduldeten Überziehung (§ 505 BGB) besteht also darin, dass bei § 504 BGB bereits ein Rahmenvertrag geschlossen wurde, bevor der Darlehensnehmer das Darlehen in Anspruch nimmt, während bei § 505 BGB der Darlehensvertrag erst mit Auszahlung des Darlehens zustande kommt5.
5.403
Eine geduldete Überziehung setzt eine Vereinbarung über ein laufendes Konto voraus, in der die Möglichkeit einer Überziehung gegen Entgelt6 vorgesehen sein muss. Der Begriff des laufenden Kontos ist in gleicher Weise wie bei der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit zu verstehen. Darüber hinaus müssen im Kontovertrag die Angaben nach Art. 247 § 17 EGBGB in Textform enthalten sein. Da für den Vertrag über ein laufendes Konto keine Formvorschrift gilt, ist es ausreichend, wenn die inhaltlichen Anforderungen des § 505 BGB in einem separaten Dokument zusammengefasst sind und diese „Sonderbedingungen für geduldete Überziehungen“ durch Einbeziehung gem. § 305 BGB Bestandteil des Kontovertrages werden7. Die Vereinbarung der Möglichkeit einer Überziehung gegen Entgelt kann auch nach Abschluss des Kontovertrages erfolgen, solange dies vor der ersten geduldeten Überziehung geschieht8.
5.404
Ist die Möglichkeit einer Überziehung gegen Entgelt vereinbart, muss der Darlehensgeber den Darlehensnehmer in regelmäßigen Zeitabständen die Angaben nach Art. 247 § 17 Abs. 1 EGBGB mitteilen (dazu Rz. 5.284). Bei einer erheblichen Überziehung von mehr als einem Monat besteht darüber hinaus gem. § 505 Abs. 2 BGB die Verpflichtung, den Darlehensnehmer über die Angaben nach Art. 247 § 17 Abs. 2 EGBGB zu unterrichten 1 2 3 4 5 6 7 8
BT-Drucks. 18/5922, 95. Ausführlich zur geduldeten Überziehung: Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105. BGH v. 25.10.2016 – XI ZR 9/15, WM 2017, 80 (Mindestpreis für geduldete Überziehung). Nicht unter § 505 BGB fallen Verfügungen über das laufende Konto, die das Kreditinstitut nicht verhindern kann, Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 505 BGB Rz. 1; Pap in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 505 BGB Rz. 5. BT-Drucks. 16/11643, 90. Zur Inhaltskontrolle von Überziehungsentgelten vgl. Cahn, WM 2010, 1197. Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105, 108. BT-Drucks. 16/11643, 90.
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Besondere Darlehensarten | Teil 5
(dazu Rz. 5.285). Kommt der Darlehensgeber seinen Verpflichtungen nach § 505 Abs. 1 oder 2 BGB nicht nach, kann er über die Rückzahlung des Darlehens hinaus keine Kosten und Zinsen vom Darlehensnehmer verlangen. Nach § 505 Abs. 4 BGB sind die §§ 491a bis 496 und 499 bis 502 BGB auf geduldete Überziehungen nicht anwendbar.
5.405
Aufgrund des Koalitionsvertrags hat der Gesetzgeber neben dem verpflichtenden Angebot zur Beratung bei der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit dem Unternehmer (Darlehensgeber) ein Beratungspflichtangebot auferlegt, wenn er dem Verbraucher mit einer geduldeten Überziehung nach § 505 BGB zur Verfügung steht.
5.406
Im Falle einer erheblichen Überziehung i.S.v. § 505 Abs. 2 Satz 1 BGB, bei der die Überziehung ununterbrochen mehr als drei Monate andauert und der durchschnittliche Überziehungsbetrag die Hälfte des durchschnittlichen monatlichen Gehaltseingangs innerhalb der letzten drei Monate auf diesem Konto übersteigt, ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher ein Beratungsgespräch entsprechend § 504a BGB anzubieten. Auch dieses Pflichtangebot kann nur dann unterbleiben, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder der Verbraucher ausdrücklich eine Beratung ablehnt. Für die Feststellung, ob die Voraussetzungen für das Beratungspflichtangebot vorliegen, und für die Durchführung der Beratung gelten dieselben Prinzipien wie für § 504a BGB.
V. Unentgeltliche Darlehensverträge (§ 514 BGB) Seit dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes der Wohnimmobilienkreditrichtlinie finden sich Regelungen für unentgeltliche Darlehensverträge (§ 514 BGB) und unentgeltliche Finanzierungshilfen (§ 515 BGB) im Gesetz. Bis zu diesem Zeitpunkt galt, dass bei einem unentgeltlichen Darlehensvertrag die Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts nicht anwendbar waren, weil die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB nur für entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Verbraucher als Darlehensnehmer und einem Unternehmer als Darlehensgeber Anwendung fanden1. Eine „Nullprozent-Finanzierung“ an einen Verbraucher fiel damit nicht unter den Begriff des Verbraucherdarlehensvertrags. Die Entscheidung des BGH war auf Kritik gestoßen, weil der Darlehensnehmer auch bei einem unentgeltlichen Darlehen die Rückzahlung des Darlehens schuldet und die Gefahr der Überschuldung oder des übereilten Vertragsabschlusses bestehen kann2.
5.407
Der Gesetzgeber hat daher bestimmte Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts für unentgeltliche Darlehensverträge mit einem Verbraucher für anwendbar erklärt. Unentgeltlich ist ein Darlehensvertrag, wenn weder Sollzinsen noch sonstige Kosten für die Darlehensüberlassung zu zahlen sind und der Nettodarlehensvertrag dem Gesamtbetrag entspricht; der effektive Jahreszins beträgt dann null3. Nach § 514 BGB finden § 497 Abs. 1 und 3 BGB (Verzug), § 498 BGB (Kündigung im Verzug), §§ 505a bis 505c BGB sowie § 505d Abs. 2 und 3 BGB sowie § 505e BGB (Kreditwürdigkeitsprüfung) Anwendung. Außerdem steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, es sei denn, er hat bereits ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB oder das Widerrufsrecht ist nach § 495
5.408
1 BGH v. 30.9.2014 – XI ZR 168/13, WM 2014, 2091. 2 Schürnbrand, ZIP 2015, 249; Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 514 BGB Rz. 1. 3 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 514 BGB Rz. 6.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Der Unternehmer kann zur Erfüllung seiner Belehrungspflicht auf die Muster-Widerrufsbelehrung in der Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB zurückgreifen (§ 514 Abs. 2 Satz 4 BGB). Die Anforderungen an den Darlehensgeber nach § 514 BGB sind abschließend zu verstehen; daher sind von dem Darlehensgeber weder die vorvertraglichen Informationspflichten nach § 491a Abs. 1 BGB noch die Angabeund Informationspflichten im Darlehensvertrag nach § 492 BGB zu erfüllen. Der Vertrag unterliegt nicht der strengen Schriftform des § 492 Abs. 1 BGB1.
5.409
Gleiches gilt, wenn der Unternehmer einem Verbraucher einen unentgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine unentgeltliche Finanzierungshilfe gewährt (§ 515 BGB).
13. Abschnitt: Darlehensvermittler (§ 655a BGB) 5.410
Die Vorschriften über die Darlehensvermittlung gem. §§ 655a–e BGB setzen die Vermittlung eines entgeltlichen Verbraucherdarlehens (§ 491 Abs. 1 BGB) oder einer entgeltlichen Finanzierungshilfe (§§ 506–508 BGB) voraus2. Nicht anwendbar sind daher diese Vorschriften auf vermittelte Darlehen i.S.d. § 491 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 bis 4 BGB. Eine entsprechende Klarstellung ist in § 655a Abs. 1 Satz 2 BGB enthalten. Auf Existenzgründerdarlehen i.S.d. § 513 BGB finden die §§ 655a–e BGB ebenfalls Anwendung (§ 655e Abs. 2 BGB).
5.411
Nach § 655a Abs. 1 BGB ist Darlehensvermittler jeder Unternehmer, der es unternimmt, einem Verbraucher gegen ein vom Verbraucher oder einem Dritten zu zahlendes Entgelt einen Verbraucherdarlehensvertrag zu vermitteln oder ihm die Gelegenheit zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages nachzuweisen. Die Begriffe „Vermitteln“ und „Entgelt“ sind dabei weit auszulegen. Unter „Vermitteln“ fällt daher jede Form des Anbietens oder der Unterstützung. Entgeltlich ist eine Darlehensvermittlung bei jeder Geldzahlung oder sonstigen Gewährung eines wirtschaftlichen Vorteils3.
5.412
Nach § 655a Abs. 2 Satz 1 BGB muss der Darlehensvermittler den Verbraucher rechtzeitig vor Abschluss des schriftlichen Darlehensvermittlungsvertrages über die in Art. 247 § 13 Abs. 2 und § 13b Abs. 1 EGBGB aufgeführten Einzelheiten in Textform unterrichten. Hinsichtlich des Inhalts der vorvertraglichen Informationspflichten ist seit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) zwischen Vermittlungsverträgen mit Verbrauchern und solchen mit Dritten zu unterscheiden. Bei einem Vermittlungsvertrag mit einem Verbraucher4 ist dieser über sämtliche Angaben gem. Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EGBGB zu unterrichten. Anzugeben sind danach die Höhe einer vom Verbraucher verlangten Vergütung (Nr. 1), die Tatsache, ob der Darlehensgeber ein Entgelt an den Darlehensvermittler zahlt und gegebenenfalls dessen Höhe (Nr. 2), der Umfang der Befugnisse des Darlehensvermittlers, insbesondere ob der Darlehensvermittler ausschließlich für einen, für mehrere bestimmte Darlehensgeber oder unabhängig tätig wird (Nr. 3) und ggf. weitere vom Verbraucher verlangte Nebenentgelte sowie deren Höhe 1 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 514 BGB Rz. 2. 2 Zu Kooperationsverträgen mit Vermittlern s. Artzt in Münscher/Grziwotz/Lang/Krepold (Hrsg.), Praktikerhandbuch Baufinanzierung, § 2 Kapitel VIII. 3 Vgl. Art. 3 lit. f RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie). 4 Ausschließlich der Vermittlungsvertrag mit dem Verbraucher bedarf der Schriftform, § 655b Abs. 1 BGB.
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Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Der Unternehmer kann zur Erfüllung seiner Belehrungspflicht auf die Muster-Widerrufsbelehrung in der Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB zurückgreifen (§ 514 Abs. 2 Satz 4 BGB). Die Anforderungen an den Darlehensgeber nach § 514 BGB sind abschließend zu verstehen; daher sind von dem Darlehensgeber weder die vorvertraglichen Informationspflichten nach § 491a Abs. 1 BGB noch die Angabeund Informationspflichten im Darlehensvertrag nach § 492 BGB zu erfüllen. Der Vertrag unterliegt nicht der strengen Schriftform des § 492 Abs. 1 BGB1.
5.409
Gleiches gilt, wenn der Unternehmer einem Verbraucher einen unentgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine unentgeltliche Finanzierungshilfe gewährt (§ 515 BGB).
13. Abschnitt: Darlehensvermittler (§ 655a BGB) 5.410
Die Vorschriften über die Darlehensvermittlung gem. §§ 655a–e BGB setzen die Vermittlung eines entgeltlichen Verbraucherdarlehens (§ 491 Abs. 1 BGB) oder einer entgeltlichen Finanzierungshilfe (§§ 506–508 BGB) voraus2. Nicht anwendbar sind daher diese Vorschriften auf vermittelte Darlehen i.S.d. § 491 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 bis 4 BGB. Eine entsprechende Klarstellung ist in § 655a Abs. 1 Satz 2 BGB enthalten. Auf Existenzgründerdarlehen i.S.d. § 513 BGB finden die §§ 655a–e BGB ebenfalls Anwendung (§ 655e Abs. 2 BGB).
5.411
Nach § 655a Abs. 1 BGB ist Darlehensvermittler jeder Unternehmer, der es unternimmt, einem Verbraucher gegen ein vom Verbraucher oder einem Dritten zu zahlendes Entgelt einen Verbraucherdarlehensvertrag zu vermitteln oder ihm die Gelegenheit zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages nachzuweisen. Die Begriffe „Vermitteln“ und „Entgelt“ sind dabei weit auszulegen. Unter „Vermitteln“ fällt daher jede Form des Anbietens oder der Unterstützung. Entgeltlich ist eine Darlehensvermittlung bei jeder Geldzahlung oder sonstigen Gewährung eines wirtschaftlichen Vorteils3.
5.412
Nach § 655a Abs. 2 Satz 1 BGB muss der Darlehensvermittler den Verbraucher rechtzeitig vor Abschluss des schriftlichen Darlehensvermittlungsvertrages über die in Art. 247 § 13 Abs. 2 und § 13b Abs. 1 EGBGB aufgeführten Einzelheiten in Textform unterrichten. Hinsichtlich des Inhalts der vorvertraglichen Informationspflichten ist seit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 24.7.2010 (BGBl. I 2010, 977) zwischen Vermittlungsverträgen mit Verbrauchern und solchen mit Dritten zu unterscheiden. Bei einem Vermittlungsvertrag mit einem Verbraucher4 ist dieser über sämtliche Angaben gem. Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EGBGB zu unterrichten. Anzugeben sind danach die Höhe einer vom Verbraucher verlangten Vergütung (Nr. 1), die Tatsache, ob der Darlehensgeber ein Entgelt an den Darlehensvermittler zahlt und gegebenenfalls dessen Höhe (Nr. 2), der Umfang der Befugnisse des Darlehensvermittlers, insbesondere ob der Darlehensvermittler ausschließlich für einen, für mehrere bestimmte Darlehensgeber oder unabhängig tätig wird (Nr. 3) und ggf. weitere vom Verbraucher verlangte Nebenentgelte sowie deren Höhe 1 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 514 BGB Rz. 2. 2 Zu Kooperationsverträgen mit Vermittlern s. Artzt in Münscher/Grziwotz/Lang/Krepold (Hrsg.), Praktikerhandbuch Baufinanzierung, § 2 Kapitel VIII. 3 Vgl. Art. 3 lit. f RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie). 4 Ausschließlich der Vermittlungsvertrag mit dem Verbraucher bedarf der Schriftform, § 655b Abs. 1 BGB.
876 | Merz/Wittig
Darlehensvermittler (§ 655a BGB) | Teil 5
(Nr. 4). Wird dagegen der Darlehensvermittlungsvertrag ausschließlich mit einem Dritten (Darlehensgeber) abgeschlossen, ist der Verbraucher vor Abschluss des Darlehensvertrages vom Vermittler lediglich über die Einzelheiten gem. Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 EGBGB zu unterrichten (Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 2 EGBGB). Hinsichtlich der Anforderungen an die Offenlegung der einzelnen Angaben ist zu differenzieren. Die Höhe der vom Verbraucher verlangten Vergütung (Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB) ist in einem konkreten Geldbetrag anzugeben1. Ein prozentualer Ausweis genügt nicht. Etwaige vom Verbraucher verlangte Nebenentgelte (Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EGBGB) sind einzeln aufzuschlüsseln und grundsätzlich ebenfalls in einem konkreten Geldbetrag anzugeben2. Nur wenn die Höhe eines Nebenentgeltes zum Zeitpunkt der Unterrichtung sich nicht konkret ermitteln lässt, genügt die Angabe einer Höchstgrenze3. Begründet werden die hohen Anforderungen damit, dass der Verbraucher seine Belastungen vor Vertragsabschluss realistisch einschätzen können soll4. Geringere Anforderungen sind dagegen an die Offenlegung des vom Darlehensgeber für die Vermittlung erlangten Entgeltes (Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EGBGB) zu stellen. Hier genügt bereits ein prozentualer Ausweis, der auch in einer Bandbreite oder als Höchstgrenze erfolgen kann. Hierfür spricht, dass der Verbraucher mit diesem Entgelt nicht gesondert belastet wird. Vielmehr ist das vom Darlehensgeber an den Darlehensvermittler zu zahlenden Entgelt Bestandteil der internen Kalkulation des Darlehensgebers und damit bereits in den effektiven Jahreszins einkalkuliert, über dessen Höhe der Darlehensnehmer vor Vertragsschluss informiert wird.
5.413
Zudem ist der Darlehensvermittler nach § 655a Abs. 2 Satz 2 BGB gegenüber dem Verbraucher zusätzlich wie ein Darlehensgeber zur vorvertraglichen Information gem. § 491a BGB verpflichtet. Allerdings dürfte es ausreichend sein, wenn Darlehensvermittler und Darlehensgeber diese Verpflichtung gemeinschaftlich erfüllen, da anderenfalls der Verbraucher identische Informationen doppelt erhalten würde. Im Bereich der Absatzfinanzierung („POS-Finance“) besteht für den Darlehensvermittler keine Verpflichtung zur vorvertraglichen Unterrichtung über den Darlehensvertrag (§ 655a Abs. 2 Satz 3 BGB), soweit der Unternehmer als Warenlieferant oder Dienstleistungserbringer in nur untergeordneter Funktion Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge oder entgeltliche Finanzierungshilfen vermittelt.
5.414
Vermittelt der Darlehensvermittler Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge und entsprechende entgeltliche Finanzierungshilfen und bietet er in diesem Zusammenhang eine Beratung an, gilt für den Darlehensvermittler § 511 BGB entsprechend. Der Darlehensvermittler hat dann grundsätzlich die Pflicht, eine ausreichende Anzahl von am Markt verfügbaren Darlehensverträgen zu prüfen, bevor er eine Empfehlung aussprechen darf. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Darlehensvermittler im Namen und unter der unbeschränkten und vorbehaltlosen Verantwortung nur eines oder einer begrenzten Zahl von Darlehensgebern tätig ist, die am Markt keine Mehrheit darstellt (sog. gebundener Darlehensvermittler, Art. 247 § 13b Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 1 EGBGB). Als solcher darf er seine Prüfungspflicht nach § 511 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Darlehensverträge dieser Darlehensgeber beschränken (§ 655a Abs. 3 Satz 3 BGB).
5.415
1 2 3 4
BT-Drucks. BT-Drucks. BT-Drucks. BT-Drucks.
16/11643, 16/11643, 16/11643, 16/11643,
133. 133. 133. 133.
Merz/Wittig | 877
Teil 5 | Kreditgeschäft mit Verbrauchern
5.416
Nach Art. 247 § 13 Abs. 3 EGBGB hat der Darlehensvermittler dem Darlehensgeber die Höhe der von ihm verlangten Vergütung mitzuteilen. Zudem haben Darlehensvermittler und Darlehensgeber sicherzustellen, dass der Darlehensnehmer eine Abschrift des Verbraucherdarlehensvertrages erhält.
5.417
Als Vermittler von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen unterliegt der Unternehmer zusätzlichen Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten. Nach Art. 247 § 13b EGBGB muss der Darlehensvermittler dem Verbraucher gegenüber die weiteren Informationen nach Art. 247 § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EGBGB mitteilen, dazu gehören, seine Name und seine Anschrift, das Register, in dem er registriert ist, sein Status als Darlehensvermittler (gebunden oder ausschließlicher Vermittler), sein Angebot von Beratungsleistungen, die Methode seiner Provisionsberechnung, Beschwerdeverfahren und Vergütung oder Anreize, die er vom Darlehensgeber erhält.
5.418
Außerdem ist er dem Darlehensgeber gegenüber verpflichtet, die Informationen, die der Darlehensgeber nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB verlangt, vollständig und richtig zu übermitteln.
878 | Merz/Wittig
6. Teil Kreditgeschäft mit Unternehmen 1. Abschnitt: Einführung und Grundlagen (Kropf) . . . . . . . . . I. Entwicklungen und Arten der Unternehmensfinanzierung . . . . II. Rechtliche Grundlagen des Kreditgeschäfts mit Unternehmen . . 1. Krediteröffnungsvertrag . . . . . . . a) Rechtsnatur des Vertrags . . . . . b) Typische Vertragsinhalte . . . . . c) Vertragsbeendigung . . . . . . . . 2. Einzelkreditvertrag . . . . . . . . . . . a) Vertragscharakteristika . . . . . . b) Rechte und Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . bb) Zinsen und Zinsänderungen c) Vertragsbeendigung . . . . . . . . 3. Verhältnis/Abgrenzung zwischen Krediteröffnungs- und Einzelkreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschnitt: Betriebsmittelkredite (Kropf) . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . II. Kreditarten in der Bankpraxis . III. Rechtliche Grundlagen . . . . . . 1. Vertragsverhältnisse . . . . . . . . . 2. Inanspruchnahme . . . . . . . . . . 3. Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Regelungen . . . . . b) Vertragliche Vereinbarungen . c) Rechtsfolgen der Kündigung . 5. Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
3. Abschnitt: Investitionskredite (Kropf) . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gegenstand des Kreditgeschäfts II. Vertragliche Grundlagen . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Eurokredite . . . . . . . . . . . . . . 3. Förderkredite . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
4. Abschnitt: Akquisitionskredite (Kropf) . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Finanzierungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundstruktur . . . . . . . . . . . .
. . . .
_ _ __ ___ __ __ __ _ __ __ __ __ __ __ _ __ __ __ __ __
6.1 6.1
6.7 6.7 6.7 6.11 6.13 6.15 6.15 6.19 6.19 6.22 6.27 6.32 6.36 6.36 6.37 6.40 6.41 6.43 6.44 6.45 6.46 6.47 6.48 6.49 6.50 6.51 6.51 6.52 6.52 6.53 6.56 6.60 6.60 6.60 6.62
3. Arten von Akquisitionsfinanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Strukturierung einer Akquisitionsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermittlung des Kapitalbedarfs . . b) Arten der Fremdfinanzierungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Senior-Loans . . . . . . . . . . bb) Second Lien Loans . . . . . . cc) Mezzanin-Loans . . . . . . . . II. Typischer Ablauf . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . 1. Besicherung der Kredite . . . . . . . a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . b) Kapitalerhaltungsrecht . . . . . . aa) GmbH-Recht . . . . . . . . . . bb) AG-Recht . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen bei einem Verstoß . . . . . . . . . . . . . dd) limitation language . . . . . . 2. Post-akquisitorische Maßnahmen . a) Verschmelzung von Erwerbsund Zielgesellschaft . . . . . . . . b) debt push-down . . . . . . . . . . . 5. Abschnitt: Konsortialkredite (Kropf) . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung, Begriff und wirtschaftliche Beweggründe . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Grundlagen und Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . 3. Grundformen des Konsortialkredits/Gestaltungsalternativen . . . a) Echter Konsortialkredit . . . . . . b) Unechter Konsortialkredit . . . . 4. Ablauf und Beteiligte einer Konsortialfinanzierung . . . . . . . . a) Mandatierungsphase . . . . . . . . b) Strukturierungs- und Primärsyndizierungsphase . . . . . . . . . c) Vertragsschluss- und Vertragsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . 5. Abgrenzung zur Unterbeteiligung . II. Kreditkonsortium . . . . . . . . . . . 1. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . a) Außenkonsortium . . . . . . . . . b) Innenkonsortium . . . . . . . . . . 2. Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . .
_ __ __ __ __ __ __ _ __ _ __ __ _ _ __ _ __ _ __ __ __ _
6.65 6.70 6.70 6.71 6.72 6.73 6.74 6.75 6.79 6.79 6.79 6.82 6.83 6.86 6.89 6.92 6.96
6.97 6.100 6.102 6.102 6.102 6.105 6.109 6.110 6.112 6.113 6.114 6.118 6.121 6.123 6.125 6.125 6.126 6.127 6.128
Kropf/Freis-Janik | 879
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen III. 1. 2. 3.
Syndizierung . . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Einordnung und Erfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Konsortialkreditvertrag . . . . . . c) Konsortialvertrag . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung zu einer Abtretung . .
IV. Konsortialkreditvertrag . . . . . . 1. Ausgestaltung der Kredite . . . . . 2. Erläuterung der marktüblichen Vertragsklauseln . . . . . . . . . . . a) Inanspruchnahme . . . . . . . . b) Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regeltilgung . . . . . . . . . bb) Pflichtsondertilgung . . . . cc) Freiwillige Sondertilgung . c) Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entgelte . . . . . . . . . . . . . . . aa) Commitment fee . . . . . . bb) Arrangement fee . . . . . . cc) Agency fee . . . . . . . . . . dd) Alternative Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . e) Marktstörung . . . . . . . . . . . f) Kostenerhöhungen . . . . . . . . g) Zusicherungen . . . . . . . . . . . h) Auflagen . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationspflichten . . . bb) Allgemeine Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . cc) Financial Covenants . . . . dd) Rechtliche Risiken . . . . . i) Kündigungsrechte . . . . . . . . aa) Nichtzahlung . . . . . . . . . bb) Financial Covenants . . . . cc) Unrichtige Zusicherungen dd) Cross default . . . . . . . . . ee) Insolvenz und Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . ff) Wesentliche nachteilige Veränderungen . . . . . . .
__ _ __ __ __ _ __ __ __ __ __ _ __ __ __ __ __ __ __ _ _ __ __ __ __
6.134 6.134 6.135 6.139 6.139 6.140 6.143 6.147
. 6.154 . 6.154 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.158 6.159 6.164 6.165 6.166 6.167 6.168 6.172 6.173 6.175 6.176 6.177 6.179 6.181 6.184 6.188 6.189 6.194 6.199 6.202 6.205 6.206 6.207 6.209 6.210
. 6.211 . 6.213
6. Abschnitt: Public Private Partnership-Finanzierungen (Kropf) . 6.214 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 6.214 1. Begriff und Anwendungsfelder . . . 6.214 2. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . 6.216 II. Finanzierungsstruktur bei PPPForfaitierungen . . . . . . . . . . . 1. Grundstruktur/Ablauf . . . . . . . . 2. Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . a) Bank – Projektgesellschaft . . .
880 | Kropf/Freis-Janik
. . . .
6.219 6.219 6.222 6.222
__ _ __ _ __ _ _ __ _ _ __ __ __ _ _ _ _ __ __ _ _ _ _
b) Projektgesellschaft – öffentliche Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.223 c) Bank – öffentliche Hand . . . . . 6.224 III. PPP-Forfaitierungen und EU-Beihilferecht . . . . . . . . . . . 1. Tatbestand einer Beihilfe und Prüfungspflichten . . . . . . . . . . 2. Relevanz bei PPP-Forfaitierungen a) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . b) Beihilferechtskonforme Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Projektgesellschaft . . . . . bb) Bank . . . . . . . . . . . . . .
. 6.226 . 6.226 . 6.227 . 6.227 . 6.230 . 6.231 . 6.232
7. Abschnitt: Factoring (Freis-Janik)
6.301
I. Erscheinungsformen und wirtschaftlicher Zweck . . . . . . . . . . 6.301 1. Echtes und unechtes Factoring . . . 6.305 2. Grenzüberschreitendes Factoring . 6.309 II. Factoring als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung . . . . . . . . . 6.315 III. Zivilrechtliche Einordnung des Factoring-Geschäfts . . . . . . . . . 1. Factoring-Rahmenvertrag . . . . . . a) Rechtliche Einordnung . . . . . . b) Regelungsgegenstände . . . . . . . 2. Echtes Factoring . . . . . . . . . . . . 3. Unechtes Factoring . . . . . . . . . . 4. Kollision des Forderungserwerbs des Factors mit verlängertem Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . a) Wirksamer Forderungserwerb beim echten Factoring . . . . . . . b) Vorrang des verlängerten Eigentumsvorbehalts beim unechten Factoring . . . . . . . . . . . . . . .
6.319 6.322 6.322 6.323 6.329 6.332 6.335 6.338 6.341
8. Abschnitt: Finanzierungsleasing (Freis-Janik) . . . . . . . . . . . . . . . 6.346 I. Entwicklung und wirtschaftlicher Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.346 II. 1. 2. 3.
Erscheinungsformen des Leasing Finanzierungsleasing . . . . . . . . Operating-Leasing . . . . . . . . . . Sale-and-Lease-Back-Verträge . .
. . . .
6.352 6.353 6.357 6.358
III. Finanzierungsleasing als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.360 IV. Rechtsnatur des Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.362 V. Wirksamer Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen . . . . 6.372
Kreditgeschäft mit Unternehmen | Teil 6 Schrifttum: Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017; Becker, Totgesagte leben länger – Limitation Languages bei Upstream-Sicherheiten nach dem Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 21.3.2017, ZIP 2017, 1599; Becker/Dreyer, AGB-rechtliche Zulässigkeit von Gebührenklauseln in Konsortialkreditverträgen, ZIP 2014, 2057; Beckmann, Rechtswirkungen eines unberechtigten Rücktritts von einem Leasingvertrag und Auswirkungen auf den Leasingvertrag, WM 2006, 952; Bitter, Kreditverträge in Umwandlung und Umstrukturierung, ZHR 173 (2009), 379; Bredow/Vogel, Kreditverkäufe in der Praxis – Missbrauchsfälle und aktuelle Reformansätze, BKR 2008, 271; Brink, Forfaitierung und Factoring im Licht der Schuldrechtsreform, WM 2003, 1355; Büschgen (Hrsg.), Praxishandbuch Leasing, 1998; Canaris, Finanzierungsleasing und Wandelung, NJW 1982, 305; Diem, Akquisitionsfinanzierungen. Konsortialkredite für Unternehmenskäufe, 3. 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Kropf/Freis-Janik | 881
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1. Abschnitt: Einführung und Grundlagen (Kropf) I. Entwicklungen und Arten der Unternehmensfinanzierung 6.1
Traditionell ist die Unternehmensfinanzierung in Deutschland durch Kredite und dabei im Speziellen durch Bankkredite geprägt, dies insbesondere in Abgrenzung zur bedeutenden Kapitalmarktfinanzierung in den USA. Deutschland zeichnete sich somit bisher als ein bankbasiertes Finanzierungssystem aus. Kredite sind bei deutschen Unternehmen auch 882 | Kropf
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, 1537; Nobbe, Der Verkauf von Krediten, ZIP 2008, 97; Ohletz, Bonitätsorientierte Zinsänderungsklauseln in Verträgen mit Verbrauchern und Unternehmern, BKR 2007, 129; Orthmann/Weber, Leitfaden für die Bestellung von Kreditsicherheiten im Rahmen von Bankdarlehen, BB 2012, 1039; Peters, Regressloser An-/Verkauf von Forderungen beim Mobilienleasing, WM 2009, 2294; Peters, Leasingvertrag und Abzahlungsgesetzt, NJW 1985, 1498; Peters, Leasing und Verbraucherkreditgesetz, WM 1992, 1797; Peters, Leasinggeschäfte und Verbraucherdarlehensrechts, WM 2006, 1183; Rauch/Kaufmann, Das Kreditkonsortium bei internationalen Konsortialkreditverträgen – Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts?, WM 2018, 652; Reiners/ Schacht, Credit Default Swaps und verbriefte Kreditforderungen in der Finanzmarktkrise – Bemerkungen zum Wesen verbindlicher und unverbindlicher Risikoverträge, WM 2010, 337 (Teil I), 385 (Teil II); Renner/Leidinger, Zur AGB-Kontrolle standardisierter Unternehmenskreditverträge, BKR 2015, 499; Reschke, Finanzierungsleasing und Factoring – Zwei neue Erlaubnistatbestände im Kreditwesen, BKR 2009, 141; Reuter, Projektfinanzierung und Kapitalmarkt, WM 2009, 2057; Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002; Rudolph, Die internationale Finanzkrise: Ursachen, Treiber, Veränderungsbedarf und Reformansätze, ZGR 2010, 1; Schalast, Das Risikobegrenzungsgesetz – Konsequenzen für die Kreditvergabe und für Kredittransaktionen, BB 2008, 2190; Schimansky, Verkauf von Kreditforderungen und Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, WM 2008, 1049; Schimansky, Zinsanpassungsklauseln in AGB, WM 2001, 1169; Schmidt, Market Disruption, BKR 2009, 490; Schumacher, Debt Push Down und § 418 BGB im Rahmen von Akquisitionsfinanzierungen, BKR 2013, 270; Schwerdtfeger, Europäischer Pass für Leasing und Factoring, BKR 2010, 53; Staub, Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 3. Aufl. 2015, Band 10/2 (Bankvertragsrecht II: Commercial Banking: Zahlungs- und Kreditgeschäft); Steinhauer, Kreditsicherheiten als Instrumente der Kreditrisikominderung für syndizierte Unternehmensfinanzierungen, WM 2014, 1264; Stumpf/Dressel, Artikel 14 Rom-I-Verordnung – alter Wein in neuen Schläuchen?, FLF 2017, 176; Sutter, Überlegungen zur Notwendigkeit der Limitation Language angesichts der aktuellen BGHRechtsprechung, WM 2018, 360; Sutter/Masseli, Keine Änderungen der Vertragspraxis bei aufsteigenden Sicherheiten in Folge des MoMiG, WM 2010, 1064; Tauber, Bedeutung, Inhalt und Grenzen von Financial Covenants, ForderungsPraktiker 2011, 116; Tesche/Kütting, IFRS 16: Paradigmenwechsel in der Leasing(nehmer)bilanzierung, DStR 2016, 620; Tiedtke, Erfordernis und Erschwerung der Kündigung von Teilamortisationsverträgen durch den Leasingnehmer nach Eintritt der Vollamortisation, WM 1990, 337; von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, 2014; von der Linden, AGB-rechtliches Transparenzgebot bei Zinsanpassungsklauseln – Probleme der Bankvertragsgestaltung nach Basel II, WM 2008, 195; Wand, Musterdarlehensvertrag für gewerbliche Kreditvergaben, WM 2005, 1932 (Teil I), 1969 (Teil II); Weitnauer, Covenants und AGB-Kontrolle, ZIP 2005, 1443; Wimmer/Rösler, Zinsanpassungsklauseln: Praxisfragen zur BGH-Rechtsprechung, WM 2011, 1788; Winkler, Leasingbilanzierung nach HGB und IFRS 16. Ein Vergleich, 2018; Winkler/Becker, Die Limitation Language bei Akquisitions- und Konzernfinanzierungen unter Berücksichtigung des MoMiG, ZIP 2009, 2361; Wittig, Bankaufsichtsrechtliche Grundlagen des (internen) Ratings und seine Transformation in das Darlehensverhältnis mit Unternehmen, ZHR 169 (2005), 212; Wittig, Financial Covenants im inländischen Kreditgeschäft, WM 1996, 1381; Wittig, Representations and Warranties – vertragliche Tatsachenbehauptungen in der anglo-amerikanischen Kreditdokumentation, WM 1999, 985; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145; Wolf/Hill/Pfaue, Strukturierte Finanzierungen, 2003.
1. Abschnitt: Einführung und Grundlagen (Kropf) I. Entwicklungen und Arten der Unternehmensfinanzierung 6.1
Traditionell ist die Unternehmensfinanzierung in Deutschland durch Kredite und dabei im Speziellen durch Bankkredite geprägt, dies insbesondere in Abgrenzung zur bedeutenden Kapitalmarktfinanzierung in den USA. Deutschland zeichnete sich somit bisher als ein bankbasiertes Finanzierungssystem aus. Kredite sind bei deutschen Unternehmen auch 882 | Kropf
Einführung und Grundlagen | Teil 6
weiterhin die wichtigste Finanzierungsquelle, wobei die Bedeutung des Bankkredits Anfang dieses Jahrtausends etwas eingebüßt hat, indem sein Anteil bis ins Jahr 2010 auf 18 % der ausstehenden Verbindlichkeiten von Kapitalgesellschaften sank1. Es lässt sich somit eine gewisse Veränderung in der Gläubigerstruktur ausmachen. Als Fremdkapital spielen Bankkredite jedoch im Vergleich zu Anleihen (weiterhin) eine deutlich größere Rolle. Zwischen 1999 und 2013 machten kurzfristige und langfristige Anleihen als Finanzierungsform von Unternehmen auf stabilem Niveau nur bis zu 5 % des BIP aus, wohingegen langfristige und kurzfristige Kredite in diesem Zeitraum einen Anteil zwischen 30 %–35 % bzw. 15 %–20 % des BIP aufwiesen2. In den letzten Jahren sind bei Unternehmensfinanzierungen mehrere Entwicklungen zu erkennen. Zum einen besteht bei deutschen Unternehmen ein gewisser Trend zu einer stärkeren Eigenkapitalfinanzierung bzw. zu höheren Eigenkapitalquoten. Bei Großunternehmen3 stieg die Eigenkapitalquote zwischen 1997 und 2012 um 4,1 Prozentpunkte, während bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)4 die Eigenkapitalquote in diesem Zeitraum sogar um 16,7 Prozentpunkte anstieg5. Zudem wird, zumindest im Bereich internationaler Unternehmen, verstärkt als alternative Finanzierungsform auch die konzerninterne Kreditvergabe nachgefragt. In Form von sog. Cash Pooling werden von konzerninternen Finanzierungsgesellschaften Finanzierungsmittel zur Verfügung gestellt, indem ein Ausgleich von Liquiditätspositionen stattfindet, wobei Liquidität über die Gesellschaften hinweg nach Bedarf verteilt und verrechnet wird6.
6.2
Die Kreditnachfrage von Unternehmen bei Banken hat sich ausweislich der neuesten Auswertungen der Deutschen Bundesbank allerdings in jüngster Zeit wieder deutlich belebt. So haben inländische Unternehmen und wirtschaftliche Selbständige in jedem Quartal des Jahres 2017 eine stärkere Kreditnachfrage gezeigt als im jeweiligen Vergleichszeitraum des Vorjahres7. Das von Banken ausgereichte Kreditvolumen stieg von 1,7 % im 1. Quartal 2017 bis auf 3,7 % im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Vorjahr. Dabei handelte es sich im 4. Quartal 2017 insgesamt um ein Kreditvolumen von 885,73 Mrd. Euro8. Nachdem in den Jahren 2013 und 2014 rückläufige Zahlen zu vermerken waren, hat es im Zeitraum der Jahre 2015–2017 jeweils einen Zuwachs der Kreditnachfrage gegeben. Ein nicht noch stärkerer Anstieg des Kreditvolumens lässt sich mit der aktuell bestehenden, ausgeprägten Eigenmittelausstattung der Unternehmen, die auf eine inzwischen seit mehreren Jahren andauernde Konjunkturlage in Deutschland zurückzuführen ist, und einer daraus resultierenden relativen Unabhängigkeit von Krediten, erklären9. Diese Tendenz
6.3
1 Deutsche Bundesbank, Die langfristige Entwicklung der Unternehmensfinanzierung in Deutschland – Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung, Monatsbericht Januar 2012. 2 Bendel/Demary/Voigtländer in IW-Trends, Entwicklung der Unternehmensfinanzierung in Deutschland. 3 Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro. 4 Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von unter 50 Mio. Euro. 5 Bendel/Demary/Voigtländer in IW-Trends, Entwicklung der Unternehmensfinanzierung in Deutschland. 6 Deutsche Bundesbank, Die langfristige Entwicklung der Unternehmensfinanzierung in Deutschland – Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung, Monatsbericht Januar 2012. 7 Bundesverband deutscher Banken e.V, Lage der Unternehmensfinanzierung, Februar 2018. 8 Bundesverband deutscher Banken e.V, Lage der Unternehmensfinanzierung, Februar 2018. 9 KfW-Research, KfW-Kreditmarktausblick Dezember 2017 v. 16.1.2018, S. 2.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
in der Kreditnachfrage hielt auch in den ersten drei Quartalen des Jahres 2018 an, indem in jedem der Quartale ein linearer Anstieg von 4,1 % bis auf 5,2 % im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum zu verzeichnen war1. Im 4. Quartal war ein leichter Rückgang zu verzeichnen, jedoch lag die Kreditnachfrage immer noch 5,0 % über dem Vorjahresniveau. Hintergrund dieser anhaltend hohen Kreditnachfrage von Unternehmen in Deutschland sind mehrere Faktoren. Insbesondere wird dies bedingt durch die erneute Lockerung der Finanzierungsbedingungen für Unternehmen durch deutsche Banken (bspw. interne Richtlinien bzw. Kreditgenehmigungskriterien)2 sowie der Mittelbedarf für Anlageinvestitionen und das allgemein niedrige Zinsniveau3.
6.4
Innerhalb der Kreditfinanzierung lässt sich bei Unternehmen wiederum in der Bedeutung zwischen den Fristigkeiten der Kredite sowie deren Gläubigern unterscheiden. Bei langfristigen Krediten haben Bankkredite für Unternehmen in Deutschland weiterhin die größte Bedeutung. So wurden bspw. im Jahre 2015 69 % aller langfristigen Kredite an Unternehmen durch Banken vergeben, während Anteile an kurzfristigen Krediten im gleichen Zeitraum nur noch zu 19 % bei Banken nachgefragt worden sind4.
6.5
Zwischen den verschiedenen Arten von Unternehmen lassen sich schließlich ebenfalls Unterschiede in der Bedeutung von Krediten, insbesondere Bankkrediten ausmachen. Bei KMU bspw. stellen Banken für die Nachfrage von Krediten weiterhin die bedeutendste Finanzierungsquelle dar. So war bspw. im Jahr 2010 bei 95 % aller KMU eine Kreditnachfrage bei Banken zu verzeichnen5. Auch innerhalb der verschiedenen Fremdfinanzierungsformen ist der Kredit mit 34 % die wichtigste Finanzierungsquelle für KMU6. Überdies ist, wohl auch verursacht durch die derzeit relativ niedrigen Fremdfinanzierungskosten, ein Kreditnachfrageaufschwung im Mittelstand zu beobachten, indem zwischen 2012 und 2013 das Volumen um 16 Mrd. Euro auf 119 Mrd. Euro angewachsen ist (Zuwachs von 16 %)7. Diese Entwicklung hat sich auch in jüngster Zeit bestätigt. So stieg die Kreditnachfrage mittelständischer Unternehmen zu Investitionszwecken auch im Jahr 2016 um 2 Mrd. Euro auf 134 Mrd. Euro, was einen Zuwachs von 1,5 % gegenüber dem Jahr 2015 bedeutet8. Insgesamt kann attestiert werden, dass die von den KMU gemeldete Kreditnachfrage seit dem Jahr 2011 um über 34 Mrd. Euro (34 %) zugenommen hat.
6.6
Unter den alternativen Formen der Unternehmensfinanzierung – im Vergleich zur Anleihen- oder Kreditfinanzierung – hat vor allem das Leasing eine große Bedeutung. In den Fällen, in denen Unternehmen andere Finanzierungsformen nachgefragt haben, machen sie zu drei Viertel von Leasingfinanzierungen Gebrauch9. Im Jahr 2017 betrugen die Gesamtinvestitionen der Leasingbranche rund 58,5 Mrd. Euro, womit erstmals das Niveau 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Bundesverband deutscher Banken e.V., Lage der Unternehmensfinanzierung, November 2018. Vgl. Bank Lending Survey 3. Quartal 2018 der Europäischen Zentralbank. Bundesverband deutscher Banken e.V., Lage der Unternehmensfinanzierung, November 2018. Bendel/Demary/Voigtländer in IW-Trends 1/2016, Entwicklung der Unternehmensfinanzierung in Deutschland, S. 48. Söllner, Der Zugang kleinerer und mittlerer Unternehmen zu Finanzmitteln, Statistisches Bundesamt (Wirtschaft und Statistik), Juli 2011. Söllner, Der Zugang kleinerer und mittlerer Unternehmen zu Finanzmitteln, Statistisches Bundesamt (Wirtschaft und Statistik), Juli 2011. Schwartz, Kredit im Mittelstand: Große Volumen prägen Nachfrage, KfW Economic Research. KfW-Reseach, KfW-Mittelstandspanel 2017, Oktober 2017, S. 13. Söllner, Der Zugang kleinerer und mittlerer Unternehmen zu Finanzmitteln, Statistisches Bundesamt (Wirtschaft und Statistik), Juli 2011.
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Einführung und Grundlagen | Teil 6
von vor der Finanzmarktkrise wieder aufgeholt werden konnte1. Der Anteil der Leasingquote an den gesamtwirtschaftlichen Bruttoanlageinvestitionen entwickelt sich jedoch – entsprechend des Trends seit Beginn des Jahrtausends – weiterhin tendenziell seitwärts und liegt derzeit bei 16,1 %2.
II. Rechtliche Grundlagen des Kreditgeschäfts mit Unternehmen 1. Krediteröffnungsvertrag a) Rechtsnatur des Vertrags In der Kreditpraxis, insbesondere im Bereich des Unternehmenskreditgeschäfts, hat sich eine besondere, gesetzlich nicht geregelte Vertragsart in Form eines sog. Krediteröffnungsvertrags herausentwickelt. Es handelt sich dabei um einen Vertrag, in welchem sich der Kreditgeber gegenüber dem Kreditnehmer verpflichtet, zu bestimmten Konditionen und bis zu einer bestimmten Höhe (Kreditlinie) nach Abruf Kredit zu gewähren3. Im Gegensatz zum eigentlichen Kreditvertrag erfolgt beim Krediteröffnungsvertrag keine unmittelbare Valutierung des Kredites, vielmehr wird dem Kreditnehmer das Recht eingeräumt, im Rahmen des festgelegten Kreditlimits bestimmte Geldbeträge durch Barabhebung, Überweisung oder auf andere Weise abzurufen4. Dabei handelt es sich weder um die „Erfüllung“ des Grundvertrags i.S.e. Vorvertrags, da die Leistungspflicht der Bank auf Zurverfügungstellung des Kredites bereits aus dem Krediteröffnungsvertrag entsteht noch handelt es sich um einen Optionsvertrag, sondern vielmehr um eine Vertragsdurchführung auf Abruf, mit der Folge, dass der Einzelkreditvertrag zustande kommt5. Der Krediteröffnungsvertrag wird rechtlich als Rahmenvertrag qualifiziert6. Beim Krediteröffnungsvertrag als gegenseitigem Vertrag stehen sich der Anspruch des Kreditnehmers auf Kreditgewährung und der Anspruch der Bank als Kreditgeber auf Zahlung der vereinbarten Zinsen und Provisionen gegenüber. Schließlich handelt es sich beim Krediteröffnungsvertrag um ein Dauerschuldverhältnis, da sich die Bank für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit verpflichtet, den Kredit zu Verfügung zu stellen7.
6.7
Der Krediteröffnungsvertrag ist von den einzelnen in Anspruch genommenen Kreditgeschäften zu unterscheiden. Es muss sich bei der eingeräumten Kreditgewährung nicht zwingend um ein Gelddarlehen i.S.v. § 488 BGB handeln. In Betracht kommen insoweit
6.8
1 KfW-Research, „Leasing – Bedeutung steigt, allerdings dominieren Fahrzeuge“, August 2018, S. 2. 2 KfW-Research, „Leasing – Bedeutung steigt, allerdings dominieren Fahrzeuge“, August 2018, S. 2. 3 Mülbert in Staudinger BGB, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 408; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014, § 4 Rz. 6; Steffek in Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 2. Aufl. 2016, 12. Kap. Rz. 40. 4 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 87. 5 Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 1. 6 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, WM 2004, 517; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014, § 4 Rz. 7; Weidenkaff in Palandt, vor § 488 BGB Rz. 25. 7 BGH v. 4.2.1982 – IX ZR 96/80, NJW 1982, 1810; BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014, § 4 Rz. 7; Pamp in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 14; Steffek in Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 12. Kap. Rz. 40.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
auch alle anderen Kreditarten, wie Akzept-, Aval- und Diskontkredite. Diese Geschäfte kommen erst zustande, wenn der Kunde den Kredit abruft und damit sein Gestaltungsrecht ausübt, welches ihm im Krediteröffnungsvertrag von der Bank eingeräumt wurde1. Durch die Ausübung des Abrufrechts seitens des Kreditnehmers sind je nach der gewählten Kreditart vom Kreditgeber Barmittel zur Verfügung zu stellen, Wechsel zu akzeptieren oder Avale (Bürgschaften, Garantien) zu übernehmen. Trotz seiner Funktion als Rahmenvertrag ist der Krediteröffnungsvertrag in der Regel einstufig, da er bereits die unmittelbare Verpflichtung der Bank zur Kreditgewährung enthält und der Kredit durch den Kreditnehmer ohne vertragliche Mitwirkung der Bank abgerufen werden kann2.
6.9
Aufgrund der Möglichkeit unterschiedliche Arten von Krediten mit einem Krediteröffnungsvertrag zuzusagen, kann dieser nicht schlechthin als Darlehensvertrag nach § 488 BGB behandelt werden, sondern er beinhaltet je nach Art des zugesagten Kredits auch Elemente des jeweils zutreffenden Vertragstyps3. So handelt es sich bspw. bei Avalkrediten im Verhältnis zum Kunden um entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge nach § 675 BGB4. Dies kann ebenso bei Akzept- und Diskontkrediten der Fall sein5.
6.10 In der Praxis werden Krediteröffnungsverträge häufig als sog. Rahmenlinien oder Rah-
menkredite abgeschlossen. In diesen Verträgen wird dem Kreditnehmer die Möglichkeit eingeräumt, wahlweise verschiedene Kredite innerhalb des eingeräumten Kreditrahmens bei der Bank in Anspruch zu nehmen. Es steht dem Kreditnehmer in diesen Fällen somit frei, welche Kreditart er unter dem Krediteröffnungsvertrag in Anspruch nehmen will; dies wird im Einzelfall von dem jeweiligen Geschäft abhängen, welches der Kreditnehmer finanzieren will. Bei den Kreditprodukten kann es sich um Kontokorrentkredite, Eurokredite oder Avalkredite handeln. b) Typische Vertragsinhalte
6.11 Aus dem Krediteröffnungsvertrag ergeben sich bestimmte Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Der Kreditnehmer hat einen Anspruch auf Kreditgewährung, wodurch die Bank verpflichtet ist, den zugesagten Kredit auf Abruf des Kreditnehmers zur Verfügung zu halten und nach Abruf den Kredit in der vereinbarten Kreditart sowie bis zur vereinbarten Kredithöhe effektiv zur Verfügung zu stellen6. Dies bedeutet, dass der eigentliche Kreditvertrag, sei es als Bar- oder Haftungskredit, erst mit dem Abruf und sodann in Höhe des vom Kreditnehmer konkret abgerufenen Betrags zustande kommt. Der Kreditnehmer kann allerdings nicht verlangen, dass ihm Kredit über die vereinbarte Kreditlinie hinaus gewährt wird. Aus dem nur hinsichtlich des Kreditrahmens umrissenen, noch unbestimmten Anspruch auf Kreditgewährung macht der Kreditnehmer bei einem Gelddarlehen durch Ausübung seines Abrufrechts eine bestimmte, nach Zeit und Umfang
1 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, WM 2004, 517; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014, § 4 Rz. 7; Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 15; Steffek in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 12. Kap. Rz. 40. 2 Mülbert in Staudinger BGB, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 413. 3 Mülbert in Staudinger BGB, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 414. 4 So auch Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 14; Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018, § 488 BGB Rz. 7. 5 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 86; Weidenkaff in Palandt, vor § 488 BGB Rz. 30. 6 Mülbert in Staudinger BGB, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 425.
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Einführung und Grundlagen | Teil 6
festgelegte Forderung aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend, die von der Bank durch Auszahlung erfüllt wird1. Der Kreditnehmer kann folglich bei einem Darlehenskrediteröffnungsvertrag neben einer Barauszahlung auch eine Gutschrift auf seinem Konto sowie eine Auszahlung bzw. Überweisung an einen Dritten vom Kreditgeber verlangen. Die Bank kann allerdings die Valutierung weder durch Aufrechnung noch mittels Verrechnung des Anspruchs auf Valutierung im Kontokorrent erfüllen2. Dies gilt ebenso für das AGB-Pfandrecht der Bank. Bei einer Geldschuld wird der geschuldete Leistungserfolg mangels anderer Vereinbarung nur dann erzielt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält3. Die Bank als Kreditgeberin wiederum hat gegenüber dem Kreditnehmer einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen und Provisionen. Aufgrund der Besonderheit eines Krediteröffnungsvertrags, dass der eigentliche Kreditvertrag erst durch Abruf als Ausübung des zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Gestaltungsrechts seitens des Kreditnehmers zustande kommt und er dieses Recht ausüben kann, aber nicht muss, hat die Bank für diesen Fall die vereinbarten Kreditbeträge bereitzuhalten. Für die Bereithaltung des jeder Zeit abrufbaren Kreditbetrages kann die Bank vom Kreditnehmer eine Bereitstellungsprovision verlangen. Dabei handelt es sich nicht um einen Zins i.S.e. laufzeitabhängigen Entgeltes für die Überlassung eines Darlehens, sondern um den Ersatz des Aufwandes, den die Bank dafür verlangen kann, die Erfüllung ihrer Kreditzusage aufrechtzuerhalten4. Selbst, wenn die Vertragsparteien im Krediteröffnungsvertrag keine explizite Abrede über eine Bereitstellungsprovision getroffen haben, ist der Kreditnehmer zur Entrichtung verpflichtet. Dies ergibt sich aus § 354 Abs. 1 HGB, wonach bei Ausübung eines Handelsgewerbes vom Vertragspartner auch ohne Verabredung eine Provision für erbrachte Leistungen verlangt werden kann5. Der Kreditgeber kann in diesen Fällen die Provision im Rahmen des § 315 BGB festsetzen6. Darüber hinaus hat der Kreditgeber einen Anspruch auf ein Entgelt für die eigentliche Kreditgewährung, je nach Ausgestaltung des Kreditgeschäfts mithin auf Zahlung eines Darlehenszinses, einer Avalprovision, eines Wechseldiskontzinses oder einer Akzeptprovision. Unberührt davon bleibt das Recht des Kreditgebers, für die Erbringung sonstiger vertraglich vereinbarter Leistungen ein entsprechendes Entgelt zu erheben. Nach Beendigung des Kreditvertrags, sei es bei Kündigung oder Ablauf der Befristung, besteht sodann ein Anspruch auf Rückzahlung gegen den Kreditnehmer.
6.12
c) Vertragsbeendigung Für die Beendigung des Krediteröffnungsvertrages (als solchen) gelten grundsätzlich keine rechtlichen Besonderheiten. Bei einem Darlehenskrediteröffnungsvertrag finden somit bezüglich eines ordentlichen Kündigungsrechts als gesetzliche Regelungen § 488 1 BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, WM 2011, 1343; Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 95. 2 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 425; Veith in Assies/Beule/Heise/ Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 97. 3 BGH v. 23.1.1996 – XI ZR 75/95, WM 1996, 438. 4 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 89. 5 Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/103b; Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 429; Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 89. 6 Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 6.
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6.13
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Abs. 3 BGB sowie für den Kreditnehmer § 489 BGB Anwendung. Für den Kündigungstatbestand nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt ein „vollständiger Empfang“ der Valuta bereits mit Erhalt des zeitlich letzten Betrags aus dem Krediteröffnungsvertrag vor, während das ordentliche Kündigungsrecht bei variabler Verzinsung gem. § 489 Abs. 2 BGB keine vollständige Valutierung des Krediteröffnungsvertrags voraussetzt1. Im Fall einer außerordentlichen Kündigung des Krediteröffnungsvertrags finden ebenfalls die einschlägigen gesetzlichen Regelungen Anwendung. Da es sich, wie bereits dargelegt (vgl. Rz. 6.7), bei einem Krediteröffnungsvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt, besteht für den Kreditgeber und Kreditnehmer das Kündigungsrecht nach § 314 BGB zur Verfügung. Im Falle eines Darlehenskrediteröffnungsvertrags besteht darüber hinaus für den Kreditgeber ein außerordentliches Kündigungsrecht unter den Tatbestandsvoraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB sowie für den Kreditnehmer bei einem Festzinsdarlehen mit grundpfandrechtlicher Besicherung das Recht zuvor vorzeitigen Beendigung nach § 490 Abs. 2 BGB. Schließlich stehen den Vertragsparteien die Kündigungsrechte auf Basis der Parteiabreden offen. Dies sind das ordentliche Kündigungsrecht nach Nr. 18 Abs. 1 bzw. Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken sowie das außerordentliche Kündigungsrecht nach Nr. 18 Abs. 2 bzw. 19 Abs. 3 AGB-Banken.
6.14 Als Rechtsfolge der Beendigung des Krediteröffnungsvertrags schuldet der Kreditgeber
keine Kreditgewährung mehr nach Abruf durch den Kreditnehmer und für den Kreditnehmer entfällt die Pflicht zur Zahlung der Bereitstellungsprovision2. Die Kündigung des Krediteröffnungsvertrags erfasst grundsätzlich nur die noch nicht in Anspruch genommene Kreditlinie, nicht hingegen den bereits valutierten Einzelkreditvertrag. Bei einer außerordentlichen Kündigung, die durch das Vorliegen eines wichtigen Grundes gerechtfertigt ist, wird der Kreditgeber jedoch in der Regel sowohl den Krediteröffnungs- wie auch den Einzelkreditvertrag kündigen. Im Fall einer bereits vorausgezahlten Bereitstellungsprovision kann der Kreditnehmer diese anteilig auf Basis der bereicherungsrechtlichen Regelungen nach §§ 812 ff. BGB zurückverlangen. 2. Einzelkreditvertrag a) Vertragscharakteristika
6.15 Der Gelddarlehensvertrag als für die Unternehmensfinanzierung zentraler Bankkredit ist
gesetzlich in den §§ 488 ff. BGB geregelt. Die weit überwiegende Anzahl der Vorschriften zum Darlehensrecht im BGB betrifft jedoch das Verbraucherdarlehensrecht. Die §§ 491 ff. BGB finden somit bei gewerblichen Kreditverträgen zwischen einer Bank und einem i.S.v. § 14 BGB unternehmerisch tätigen Kreditnehmer keine Anwendung. Dies gilt insbesondere für Kredite, welche an eine OHG, eine KG, GmbH & Co. KG oder an Kapitalgesellschaften wie eine AG sowie eine GmbH ausgereicht werden. Bei einer GbR als Kreditnehmer eines Gelddarlehensvertrags hängt dies allerdings von der Zusammensetzung des Gesellschafterbestands ab. Haben sich mehrere natürliche Personen zu einer GbR zusammengeschlossen und verfolgen sie weder einen gewerblichen noch einen selbständig beruflichen Zweck, so kann auch trotz Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit die GbR als solche als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB zu qualifizieren sein3. Besteht die GbR hingegen aus einer 1 Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 38; Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 435. 2 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 439. 3 BGH v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, WM 2001, 2379.
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Einführung und Grundlagen | Teil 6
natürlichen Person und einer juristischen Person als Gesellschafter, ist die GbR, unabhängig davon, ob sie zu privaten Zwecken und nicht gewerblich oder selbständig beruflich tätig ist, kein Verbraucher i.S.d. § 13 BGB1. Bei einer WEG, die tatbestandlich weder von § 13 noch § 14 BGB erfasst ist, finden die verbraucherdarlehensrechtlichen Vorschriften Anwendung, wenn wenigstens einer der Wohnungseigentümer bei Abschluss eines weder gewerblichen noch selbstständigen beruflichen Zwecken dienenden Darlehensvertrags Verbraucher ist, so dass die Anwendung verbraucherschützender Vorschriften nicht davon abhängig ist, dass die WEG ausschließlich oder auch nur überwiegend aus nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen besteht2. Der Darlehensvertrag i.S.v. § 488 BGB ist als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren, da der Kreditgeber dem Kreditnehmer die Darlehensvaluta für eine gewisse Zeit überlässt. Darüber hinaus handelt es sich beim Darlehen um einen sog. Konsensualvertrag, welcher durch übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien gem. §§ 145 ff. BGB zustande kommt. Dies lässt sich dem Wortlaut des § 488 BGB entnehmen, der davon spricht, dass ein Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen sowie ein vereinbarter Zins zu entrichten ist.
6.16
Der Darlehensvertrag ist gem. § 488 Abs. 1 ein gegenseitiger Vertrag, der den Kreditgeber dazu verpflichtet dem Kreditnehmer einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen sowie den Kreditnehmer verpflichtet, den Zins zu zahlen und bei Fälligkeit die Darlehensvaluta an den Kreditgeber zurückzahlen. Aus dem Wortlaut des § 488 Abs. 1 und 2 BGB ist zu entnehmen, dass die Vereinbarung eines Zinses der privatautonomen Entscheidung der Vertragsparteien überlassen ist3.
6.17
Bei einem gewerblichen Darlehensvertrag – anders als beim Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 492 Abs. 1 BGB – unterliegen die Vertragsparteien keinen gesetzlichen Formvorgaben. Der Vertrag kann zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer somit rechtswirksam auch mündlich geschlossen werden. In der Praxis, insbesondere bei komplexeren Darlehensverträgen, wird jedoch allein aus Nachweisgründen eine schriftliche Vertragsdokumentation vorgenommen.
6.18
b) Rechte und Pflichten der Parteien aa) Überblick Der Kreditgeber hat dem Kreditnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen, wobei Geldbetrag eine Geldsumme und nicht bestimmte Geldscheine oder Münzen meint, so dass es sich um eine Wertverschaffungspflicht handelt4. Zurverfügungstellen bedeutet, dass der Kreditgeber den Geldbetrag aus seinem Vermögen ausscheidet und dem Vermögen des Kreditnehmers in der vereinbarten Form endgültig zuführt5. Erfüllung i.S.v. § 362 Abs. 1 BGB durch das Verschaffen des Geldbetrags durch den Kreditgeber kann in verschiedener Form erfolgen. Als verkehrsüblich ist die Verschaffung als Bar- oder Buchgeld sowie durch Einräumung und Inanspruchnahme eines Über1 BGH v. 30.3.2017 – VII ZR 269/15, WM 2017, 868. 2 BGH v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13, WM 2015, 1999. 3 Steffek in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 488 BGB Rz. 21. 4 Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 76 Rz. 2. 5 BGH v. 28.1.2014 – XI ZR 348/13, WM 2014, 2261.
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6.19
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
ziehungskredits anzusehen1. Eine Gutschrift, welche eine Forderung des Kreditnehmers gegen die Bank begründet, ist dann ausreichend, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass diese Forderungsbegründung so behandelt werden soll, als sei der Forderungsbetrag an den Kreditnehmer ausbezahlt worden2. Dies ist gegeben, wenn der Darlehensbetrag auf ein Konto des Kreditnehmers erfolgt, nicht hingegen bei einer Überweisung auf ein Konto pro Diverse (cpd), bei welchem es sich um ein Sammelkonto für Personen handelt, die kein Konto bei der Bank unterhalten, weil durch die Buchung auf diesem Konto noch kein Anspruch gegen die Bank entsteht.
6.20 Empfänger der Darlehensvaluta braucht aber nicht zwingend der Kreditnehmer sein,
vielmehr genügt es, wenn ein von diesem bezeichneter Dritter den Darlehensbetrag erhalten hat, vorausgesetzt er erhält den Darlehensbetrag zumindest überwiegend im Interesse des Kreditnehmers3. Wird die Darlehensvaluta auf Weisung des Kreditnehmers an einen Dritten ausgezahlt, so hat der Kreditnehmer regelmäßig das Darlehen empfangen, wenn der von ihm als Empfänger benannte Dritte das Geld vom Kreditgeber erhalten hat. Dabei steht es der Annahme eines Darlehensempfangs nicht entgegen, wenn die Überweisung des Darlehensbetrages der Tilgung von Verbindlichkeiten des Kreditnehmers gegenüber dem Dritten dient und sich die Bank die Verfügung über die Valuta diesem gegenüber aus Gründen sichert, die in ihrem Verhältnis zum Dritten und nicht zum Kreditnehmerwurzeln4. Wenn der Darlehensempfänger die Darlehensvaluta an einen Dritten überweisen lässt und durch die Wirkung dieser Überweisung in seinem Kausalverhältnis zum Dritten sein Vermögen vermehrt, so läge ein Darlehensempfang sogar dann vor, wenn der Dritte sogleich das Geld aufgrund einer zwischen ihm und dem Kreditgeber getroffenen Vereinbarung wieder dem Kreditgeber zufließen ließe oder wenn die Gutschrift auf dem Konto des Dritten bei der Bank dort etwa nur zur Minderung eines Debetsaldos führte, wenn also die Darlehensvaluta im Ergebnis das Vermögen des Kreditgebers überhaupt nicht verließe5. Andererseits ist ein Darlehensempfang dann abzulehnen, wenn der Betrag nicht in irgendeiner Form dem Vermögen des Kreditnehmers zufließt, sondern in die Hand eines in erster Linie im Sicherungsinteresse der kreditgebenden Bank eingeschalteten Dritten der Verfügung der Bank unterworfen bleibt6. Das betrifft Fälle, in denen sich die Bank den Zugriff auf die Darlehensvaluta im Verhältnis zum Kreditnehmer erhalten will, wobei dem Dritten die Valuta als Beauftragtem der kreditgebenden Bank zur Weiterleitung zufließt. Ein Darlehensempfang ist bei Einschaltung Dritter somit dann abzulehnen, wenn der Dritte nicht überwiegend im Interesse des Kreditnehmers, sondern sozusagen als „verlängerter Arm“ des Kreditgebers tätig geworden ist.
6.21 Der Kreditnehmer hat nach dem in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmten gesetzlichen Re-
gelfall den vereinbarten Zins zu entrichten. Das Gesetz legt somit zugrunde, dass die Darlehensüberlassung in der Regel entgeltlich erfolgt. Nach der Rechtsprechung des BGH sind Zinsen im rechtlichen Sinne lediglich die nach der Laufzeit des Darlehens bemessene, ge1 Steffek in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 488 BGB Rz. 45. 2 Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 76 Rz. 142. 3 BGH v. 5.5.1986 – III ZR 240/84, WM 1986, 933; Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 76 Rz. 145. 4 BGH v. 22.9.1988 – III ZR 233/87, WM 1988, 1814; BGH v. 24.2.1983 – III ZR 224/82, WM 1983, 484. 5 BGH v. 24.2.1983 – III ZR 224/82, WM 1983, 484. 6 BGH v. 22.9.1988 – III ZR 233/87, WM 1988, 1814; BGH v. 24.2.1983 – III ZR 224/82, WM 1983, 484.
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winn- und umsatzunabhängige Vergütung für die Möglichkeit des Gebrauchs des auf Zeit überlassenen Kapitals1. Die Zinszahlungspflicht des Kreditnehmers steht als Hauptleistungspflicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Zurverfügungstellung des Darlehensbetrags durch den Kreditgeber2. Fehlt es an der vertraglichen Vereinbarung einer bestimmten Zinshöhe, so findet der gesetzliche Zinssatz gem. § 246 BGB bzw. bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft gem. § 352 Abs. 1 HGB Anwendung. Der Beginn der Zinszahlungspflicht kann von den Vertragsparteien frei vereinbart werden, wobei sie nicht vor Entstehung der Hauptschuld entstehen kann3. Dies ist in der Akzessorietät der Zinsschuld vom Bestand einer Hauptschuld begründet, so dass ein Anspruch auf Darlehenszinsen nur besteht, wenn, solange und soweit die Darlehensvaluta dem Kreditnehmer tatsächlich überlassen ist4. In der Praxis wird jedoch der Beginn der Zinsschuld häufig in zulässiger Weise auf den Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens vorverlegt5. Die Zinszahlungspflicht endet mit der Rückzahlung des Darlehensbetrages, spätestens mit der Beendigung des Darlehensvertrages6. bb) Zinsen und Zinsänderungen Die Vertragsparteien haben bezüglich der Vereinbarung der Art des Zinssatzes mehrere Möglichkeiten. Gemäß § 489 Abs. 5 BGB können Zinsen gebunden oder veränderlich vereinbart werden. Ein gebundener Sollzinssatz ist dadurch charakterisiert, dass der Zinssatz als fester Prozentsatz (durch eine bestimmte Zahl) ausgedrückt7 und für einen bestimmten Zeitraum (mit oder ohne Laufzeitkongruenz) vereinbart wird8. Als veränderlicher Zinssatz wiederum gilt ein solcher, bei welchem jederzeit eine Veränderung des Zinssatzes eintreten kann9. Als variable Zinssätze gelten auch Zinsgleitklauseln, bei denen der Zinssatz an eine (ständig) veränderliche Bezugsgröße (z.B. EURIBOR oder EONIA) gekoppelt wird sowie vertraglich vereinbarte Zinsanpassungsklauseln, bei welchen der Kreditgeber berechtigt ist, die Vertragszinsen unter Berücksichtigung veränderter Refinanzierungsbedingungen zu erhöhen bzw. verpflichtet ist, den Zinssatz bei Verbesserung der Refinanzierungsbedingungen entsprechend zu ermäßigen10.
6.22
Zinsänderungsklauseln können demnach in zwei unterschiedlichen Ausgestaltungen vereinbart werden. Eine Alternative sind die bereits erwähnten Zinsgleitklauseln. Darunter sind Zinsklauseln zu verstehen, wonach der Zinssatz an bestimmte veränderliche Bezugsgrößen gekoppelt ist, so dass sich der Zinssatz automatisch bei Veränderung der Bezugsgröße ebenfalls verändert11. Die Mitteilung des Zinssatzes hat rein deklaratorische Wirkung. Die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle von Zinsgleitklauseln erfolgt anhand des Trans-
6.23
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, WM 2014, 1224. BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, WM 2014, 1224. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 78 Rz. 8. BGH v. 24.2.1983 – III ZR 123/82, NJW 1983, 1543; Köndgen, NJW 1987, 160, 163; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 78 Rz. 5. BGH v. 8.11.1984 – III ZR 132/83, WM 1985, 10. Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018, § 488 BGB Rz. 38; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 78 Rz. 10; Weidenkaff in Palandt, § 488 BGB Rz. 14. BT-Drucks. 16/11643, 75. Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 489 BGB Rz. 21, 24. BT-Drucks. 10/4741, 23. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 79 Rz. 54; Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 489 BGB Rz. 53. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 78 Rz. 68.
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parenzgebots gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, so dass eine entsprechende Zinsklausel nur wirksam ist, wenn sie die wesentlichen Merkmale der Zinsänderung bestimmt, namentlich Bezugsgröße, Anpassungsintervalle und Anpassungsmarge1. Darüberhinausgehend erfolgt bei Zinsgleitklauseln keine AGB-Inhaltskontrolle, da die Bestimmung des Zinssatzes und der Intervalle von dessen Anpassung zu den der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 BGB entzogenen Parteiabreden gehören.
6.24 Als weitere Alternative besteht die Möglichkeit einer Zinsänderung auf Basis von Zins-
anpassungsklauseln. Derartige Zinsklauseln räumen dem Kreditgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB ein und sind in Abgrenzung zu Zinsgleitklauseln dadurch charakterisiert, dass die Zinsänderung nicht automatisch eintritt, sondern ein Handeln des Kreditgebers erforderlich ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung stellen Preisanpassungsklauseln grundsätzlich ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Verträgen dar, da sie dazu dienen, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht2.
6.25 Das „ob“ einer Zinsanpassungsklausel, mithin die Vereinbarung eines variablen Zinssatzes
unterliegt nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil es sich um eine eigenständige vertragliche Preisregelung der Vertragsparteien handelt3. Dies gilt auch für die Festlegung des anfänglichen Zinssatzes als Ausgangspunkt der Zinsänderung4. Anders stellt sich die Situation hingegen beim „wie“ einer Zinsanpassungsklausel dar, da die Ausgestaltung der Zinsänderung der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegt. In der Leitentscheidung vom 21.4.2009 hat der XI. Zivilsenat des BGH die Anforderungen an die Wirksamkeit einer in AGB vereinbarten Zinsanpassungsklausel ausgeurteilt5. Die genannte Entscheidung des BGH betraf zwar Nr. 17 Abs. 2 Satz 1 AGB-Sparkassen a.F., jedoch haben die darin bestimmten Anforderungen, wie der BGH in der Entscheidung betont, soweit diese das in der Klausel enthaltene Zinsänderungsrecht betrafen, auch für Zinsanpassungen bei Kreditverträgen unmittelbare Bedeutung bzw. beanspruchen für diese Geltung, so dass sie dementsprechend in der Rechtsprechung auch auf Kreditverträge mit Unternehmen übertragen worden sind6. Zinsanpassungsklauseln in Kreditverträgen müssen folglich den allgemeinen Anforderungen an Preisanpassungsklauseln genügen7. Demgemäß muss bei der Ausgestaltung einer Zinsanpassungsklausel das Äquivalenzprinzip beachtet werden. Dieses Prinzip erfordert spiegelbildlich absolut gleiche Voraussetzungen und Maßstäbe für Zinssenkungen und Zinserhöhungen sowie den Ausschluss von Veränderungen des Grundgefüges des Ver-
1 Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 35. Kap. Rz. 310. 2 BGH v. 21.11.2005 – VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 2054; BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, WM 2007, 2202. 3 BGH v. 21.12.2010 – XI ZR 52/08, WM 2011, 306; BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493; BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, BKR 2010, 300. 4 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825; BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, BKR 2010, 300. 5 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, ZIP 2009, 1106. 6 OLG Stuttgart v. 21.5.2014 – 9 U 75/11 (juris); OLG Düsseldorf v. 5.5.2014 – 9 U 64/13 (juris). 7 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, ZIP 2009, 1106.
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tragszinses, mit anderen Worten muss gemäß dem Grundsatz der Vertragstreue ein im unteren Marktbereich liegender Vertragszins nach Anpassung auch in diesem Bereich bleiben. Vereinbar mit dem Äquivalenzgrundsatz ist die Einräumung eines Restermessensspielraums des Kreditgebers bei der Ausübung des Anpassungsrechts, so dass bspw. bei einer außergewöhnlichen Erhöhung des Referenzzinses von einer umfassenden Weitergabe der Erhöhung abgesehen und zum Ausgleich auch eine künftige Senkung des Referenzzinses nicht vollständig weitergegeben wird. Neben dem Äquivalenzprinzip müssen in der Klausel die Voraussetzungen für eine Zinsanpassung bestimmt sein. Dafür muss ein aussagekräftiger Referenzzinssatz oder Index, von welchem der Sollzinssatz abhängig ist sowie die Art und Weise der Anpassung angegeben sein. In der Kreditpraxis wird diesbezüglich vor allem als Referenzzinssatz aus dem Passivgeschäft der Drei-Monats-EURIBOR1 aufgrund seiner großen praktischen Bedeutung für den Geldmarkt als geeignet anzusehen sein2. Der notwendige Anpassungsschwellenwert kann im Rahmen der Vertragsfreiheit vom Kreditgeber festgelegt werden, wobei diesem ein weites Auswahlermessen eingeräumt werden kann, wenn der Wert sowohl für Zinssenkungen als auch Zinserhöhungen gleichermaßen Anwendung findet3. Der Anpassungszeitpunkt, mit anderen Worten das Prüfungsintervall, innerhalb dessen eine erneute Überprüfung und Anpassung möglich ist, kann ebenfalls festgelegt werden. Allerdings ist diesbezüglich eine Symmetrie betreffend die Voraussetzungen für Zinsanpassungen in Form von Erhöhungen und Senkungen einzuhalten. Schließlich ist als Anforderung für eine wirksame Zinsanpassungsklausel zu beachten, dass ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen gewährleistet sein muss. Die notwendige Transparenz wird sichergestellt, wenn der Kreditnehmer den ermittelten Referenzzinssatz aus einer öffentlich zugänglichen Quelle entnehmen kann, damit ihm die vollzogene Zinsanpassung nachvollziehbar ist. Bestandteil der Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen ist überdies die Vereinbarung eines konstant bleibenden spreads, indem der Abstand zwischen dem anfänglichen Referenzzins und dem anfänglichen Vertragszins während der gesamten Vertragslaufzeit konstant bleibt. Dieser umfasst den Aufschlag, den kreditgebende Banken im Interbankenverhältnis bei der Refinanzierung auf den Referenzzins akzeptieren müssen, die Prämie für das Risiko eines Kreditausfall der kreditgebenden Bank, deren Bearbeitungskosten sowie ihre Gewinnmarge4. Die 1 Art. 51 Abs. 1, 3 der Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 vom 8.6.2016 bestimmt, dass bestehende Referenzwerte wie der EURIBOR nach Ablauf einer Übergangszeit ab dem 1.1.2020 registriert bzw. zugelassen werden müssen. Bei Neuverträgen soll gem. Art. 51 Abs. 4 Satz 2 Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 ab diesem Zeitpunkt auf Referenzwerte, welche den Anforderungen dieser Verordnung nicht entsprechen, in Finanzkontrakten nicht mehr Bezug genommen werden dürfen. Die vorgenannte Übergangsfrist ist inzwischen bis zum 31.12.2021 verlängert worden. Mit Durchführungsverordnung (EU) 2016/1368 der Kommission vom 11.8. 2016 ist der EURIBOR als sog. kritischer Referenzwert i.S.v. Art. 20 Abs. 1 lit. a) BenchmarkVerordnung (EU) 2016/1011 vom 8.6.2016 bestimmt worden. Das European Money Market Institute (EMMI) als Indexanbieter sieht nach eigenen Angaben keine Möglichkeit den EURIBOR als mit den Anforderungen der Benchmark-Verordnung kompatibel registrieren zu lassen; er soll zukünftig durch den hybriden EURIBOR ersetzt werden. Die Vorgaben zur Verwendung von Referenzwerten in Finanzkontrakten gelten zwar unmittelbar nur für Verbraucherdarlehensverträge und nicht für gewerbliche Darlehensverträge, jedoch wird auch insoweit der EURIBOR nicht mehr als Referenzwert veröffentlicht werden. 2 Vgl. OLG Düsseldorf v. 5.5.2014 – 9 U 64/13 (juris); OLG Stuttgart v. 21.5.2014 – 9 U 75/11 (juris); Berger in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 488 BGB Rz. 178; Krepold in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 78 Rz. 81; Habersack, WM 2001, 753, 758. 3 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933. 4 Wimmer/Rösler, WM 2011, 1788, 1793 f.
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Anpassungshöhe ist folglich anhand der sog. Differenzmethode (absolute Marge) und nicht der Verhältnismethode (relative Marge) zu berechnen, da dies den Interessen der Parteien am ehesten gerecht wird1. Die Berechnung erfolgt in Prozentpunkten, so dass die entsprechende Änderung des Referenzzinses in Prozentpunkten dem variablen Vertragszins hinzuaddiert oder davon abgezogen wird. Bei den jeweiligen Anpassungen bliebt daher der Abstand zwischen Referenzzins und Vertragszins absolut gleich.
6.26 Im Falle einer wegen Nichteinhaltung dieser Vorgaben unwirksamen Zinsanpassungs-
klausel, wird die daraus entstehende Lücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen, wobei entscheidend ist, welche Regelung von den Parteien unter Beibehaltung der Zinsvariabilität in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsanpassungsklausel nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner gewählt worden wäre2. Diese Regelung, insbesondere der Referenzzinssatz, ist vom Gericht zu bestimmen3. c) Vertragsbeendigung
6.27 Die vorzeitige Beendigung eines Einzelkreditvertrages bestimmt sich nach den Kündi-
gungsrechten der Vertragsparteien. § 488 Abs. 3 Satz 1, 2 BGB sieht für Darlehensverträge mit unbestimmter Laufzeit (b.a.w.) ein ordentliches Kündigungsrecht für den Darlehensgeber und Darlehensnehmer unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten vor. Die Ausübung des Kündigungsrechts ist grundsätzlich jederzeit, in den Grenzen des Gebots der Rücksichtnahme und der Rechtsprechung zur Kündigung zur Unzeit, möglich4. Die Regelung des § 488 ist allerdings dispositiv, so dass zulässigerweise ein ordentliches Kündigungsrecht auch bei befristeten Darlehen sowie der Ausschluss der Kündigung für eine bestimmte Zeit oder für die ganze Dauer vereinbart werden kann5. In der Praxis ist die Regelung des § 488 Abs. 3 BGB insoweit abbedungen, als dass nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken der Kreditgeber unbefristete Kreditzusagen jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ordentlich kündigen kann. Ein entsprechendes Recht ist dem Kreditnehmer in Nr. 18 Abs. 1 AGB-Banken eingeräumt. Der Kreditnehmer hat zudem ein ordentliches Kündigungsrecht nach § 489 BGB, welches ihm sowohl bei befristeten als auch unbefristeten Darlehen zur Verfügung steht. Tatbestandlich wird zwischen gebundenen Sollzinsen (Abs. 1) und variablen Sollzinsen (Abs. 2) unterschieden. Das ordentliche Kündigungsrecht des Kreditnehmers nach § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB wird einerseits durch die Regelung des § 489 Abs. 1 BGB erweitert, indem auch bei Darlehen mit fester Laufzeit ein Kündigungsrecht besteht und andererseits wird die Möglichkeit das Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB abzubedingen durch § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf einen Zeitraum von 10 Jahren begrenzt6. Das außerordentliche Kündigungsrecht der Vertragsparteien richtet sich nach den einschlägigen Regelungen für Dauerschuldverhältnisse gem. § 314 BGB und den speziellen Vorschriften des Darlehensrechts nach § 490 Abs. 1 BGB bzw. bei grundpfandrechtlich besicherten Darlehen mit Sollzinsbindung nach § 490 Abs. 2 BGB.
1 Vgl. dazu eingehend auch Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 78 Rz. 85 f. 2 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493; BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933. 3 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933. 4 Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018, § 488 BGB Rz. 59. 5 Weidenkaff in Palandt, § 488 BGB Rz. 22. 6 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 489 BGB Rz. 3.
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Grundschuldbesicherte Kredite mit einer Festzinsvereinbarung können vom Kreditnehmer nur außerordentlich gekündigt werden, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. Im Regelfall liegt gem. § 490 Abs. 2 Satz 2 BGB ein berechtigtes Interesse vor, wenn der Kreditnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung des zur Kreditsicherung beliehenen Grundstücks hat. Dies wird zumeist bei einer Veräußerung des Objekts der Fall sein, wobei es auf den zugrunde liegenden Beweggrund nicht ankommt1. Andere Interessen als dieser gesetzliche Regelfall sind ausreichend, wenn sie im Einzelfall berechtigt sind, wozu insbesondere die Möglichkeit gehört, von einem Dritten für die Sicherheit einen dringend benötigten höheren Kredit zu erhalten2. Eine außerordentliche Kündigung des Kreditnehmers ist mithin zulässig, wenn das Festhalten am Vertrag den Verkauf oder die sonstige Verwertung des Grundpfandobjektes faktisch unmöglich machen würde und dies einen Eingriff in dessen wirtschaftliche Bewegungsfreiheit zur Folge hätte3.
6.28
Die kreditgebende Bank kann im Gegenzug allerdings gem. § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB vom Kreditnehmer einen Ausgleich für die Nachteile verlangen, welche ihr durch die vorzeitige Kreditablösung erwachsen. Der Kreditgeber kann insoweit die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Dabei handelt es sich um einen Schadensersatz wegen Nichterfüllung4. Im Zuge dessen ist der Kreditgeber wirtschaftlich so zu stellen, wie er stünde, wenn der Darlehensvertrag für den ursprünglich zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Zinsbindungszeitraum fortgeführt und die festen Zinsen vom Kreditnehmer bezahlt worden wären. Die Berechnungsgrundsätze einer Vorfälligkeitsentschädigung sind vom Gesetzgeber nicht geregelt, sondern als der gesetzlichen Kodifikation nicht zugänglich angesehen worden5. Die Berechnung wurde insoweit bewusst der Ausgestaltung durch die Rechtsprechung überlassen. Maßgebend für die Dauer und Berechnungsbasis des im Rahmen der Vorfälligkeitsentschädigung geltend zu machenden Zinsnachteils bei vorzeitiger Beendigung des Kreditvertrags ist die rechtlich gesicherte Zinserwartung6. Die Zinserwartung des Kreditgebers ist solange geschützt, bis der Kreditnehmer durch Ausübung eines ihm vertraglich oder gesetzlich eingeräumtes Kündigungsrecht den Kreditvertrag beenden kann. Gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB besteht bei grundpfandrechtlich gesicherten Krediten mit einem gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von 10 Jahren unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten ein ordentliches Kündigungsrecht des Kreditnehmers. Anerkannt worden ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung die in der Kreditpraxis weitestgehend angewandte Aktiv-Passiv-Methode, bei welcher der finanzielle Nachteil des Kreditgebers sich aus der Differenz zwischen den Zinsen, die der Kreditnehmer bei vereinbarungsgemäßer Vertragsdurchführung tatsächlich gezahlt hätte und der Rendite, die sich aus einer laufzeitkongruenten (fiktiven) Wiederanlage der frei gewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarktmitteln ergibt, berechnet, wobei dieser Differenzbetrag um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern sowie auf den Zeitpunkt der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung abzuzinsen ist7. Die zugrunde zulegende Wiederanlagerendite in Hypothekenpfandbriefe ist der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank zu entnehmen8. Die Aktiv-
6.29
1 BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747, 1749. 2 BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 197/96, WM 1997, 1799, 1800. 3 BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747, 1749; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 79 Rz. 65. 4 BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747, 1749. 5 BT-Drucks. 14/6040, 255. 6 Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 79 Rz. 74. 7 Vgl. grundlegend BGH v. 7.11.2000 – XI ZR 27/00, WM 2001, 20. 8 BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 285/03, WM 2005, 322.
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Passiv-Methode umfasst in einer Position sowohl den Zinsmargenschaden (entgangener Nettogewinn) als auch den Zinsverschlechterungsschaden (Wiederausleihe zu niedrigerem Zinssatz)1. Die Berechnung des Zinsschadens erfolgt nach dem Zahlungsstrom-Modell (Cash-Flow-Methode), bei welchem jede einzelne vertraglich vereinbarte Zahlungspflicht in der Weise abgebildet wird, als beantwortet werden muss, welcher Betrag zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anzulegen ist, damit nach einer zu diesem Zeitpunkt erzielbaren Verzinsung für Pfandbriefe die vertraglichen Leistungen des ursprünglichen Kredits in der Zukunft erbracht werden können2. Als Schadensposten i.S.v. § 249 BGB kann der Kreditgeber auch den bei der Berechnung des Schadensersatzes entstehenden Bearbeitungsaufwand berechnen3. Der Kreditgeber hat auch dann einen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung gem. § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB als Ersatz des Schadens, welchen er durch die vorzeitige Beendigung des Vertrags erleidet, wenn der Darlehensvertrag durch außerordentliche Kündigung von der kreditgebenden Bank vorzeitig aufgelöst worden ist, weil der Kreditnehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen ist4. In diesem Fall hat der Kreditgeber das Recht, wahlweise einen Anspruch auf Ersatz seines Verzögerungsschadens nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB oder einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB geltend zu machen5. Nach Fälligstellung durch den Kreditgeber kann dieser folglich die offene Darlehensvaluta in voller Höhe nebst etwaig bestehender Zahlungsrückstände und im Falle des Verzugs Verzugszinsen auf diesen Betrag verlangen oder alternativ einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung geltend machen und dabei verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Kreditnehmer den Darlehensvertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte6. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 281 Abs. 4 BGB, wonach der Anspruch auf Primärleistung ausgeschlossen ist, sobald der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat.
6.30 Unberührt von § 490 Abs. 2 BGB bleibt eine Kündigung des Kreditnehmers nach § 314 BGB, wobei er in diesem Falle keine Vorfälligkeitsentschädigung schuldet7. Die Vorschrift des § 490 Abs. 2 BGB stellt jedoch gegenüber § 314 BGB eine Spezialregelung dar und hat als Sonderregelung Vorrang8.
6.31 Unabhängig vom Bestehen eines außerordentlichen Kündigungsrechts können sich Kreditnehmer und Kreditgeber auf Basis der Vertragsfreiheit auch einvernehmlich auf die vorzeitige Darlehensrückzahlung durch Vertragsaufhebung einigen. Sollte es sich um ein Darlehen mit Sollzinsbindung handeln, so steht es dem Kreditgeber grundsätzlich frei, ob und gegebenenfalls gegen welches Vorfälligkeitsentgelt er sich auf eine vorzeitige Darlehensablösung einlässt9. Die Vereinbarung der Vertragspartner über die Höhe des Vorfäl-
1 Rösler/Wimmer, WM 2000, 164, 173. 2 Vgl. eingehend zur Berechnung Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 79 Rz. 83 ff. 3 BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747, 1750; Krepold/Kropf, WM 2015, 1, 10; Kropf/ Habl, BKR 2014, 147. 4 BGH v. 8.10.1996 – XI ZR 283/95, WM 1996, 2047; BGH v. 20.2.2018 – XI ZR 445/17, WM 2018, 782. 5 BGH v. 8.2.2000 – XI ZR 313/98, WM 2000, 718; BGH v. 20.2.2018 – XI ZR 445/17, WM 2018, 782. 6 BGH v. 20.2.2018 – XI ZR 445/17, WM 2018, 782. 7 Weidenkaff in Palandt, § 490 BGB Rz. 9; Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018, § 490 BGB Rz. 22. 8 Freitag, WM 2001, 2370; Wittig/Wittig, WM 2002, 145, 149. 9 BGH v. 6.5.2003 – XI ZR 226/02, WM 2003, 1261.
896 | Kropf
Einführung und Grundlagen | Teil 6
ligkeitsentgelts unterliegt keiner Angemessenheitskontrolle, sondern ist – solange die Grenzen des § 138 BGB gewahrt sind – grundsätzlich rechtswirksam1. 3. Verhältnis/Abgrenzung zwischen Krediteröffnungs- und Einzelkreditvertrag Für das Verhältnis zwischen dem Krediteröffnungsvertrag und dem Einzelkreditvertrag findet nach h.M. die sog. Trennungstheorie Anwendung2. Mit anderen Worten ist der Krediteröffnungsvertrag als Rahmenvertrag von dem oder den Einzelkreditverträgen zu trennen, welche erst durch Ausübung des dem Kreditnehmer eingeräumten Gestaltungsrechts in Form des Kreditabrufs zustande kommen. Aus dieser Trennungstheorie folgt die grundsätzliche Unabhängigkeit der beiden Verträge, insbesondere betreffend deren Beendigung und bei Leistungsstörungen. Eine Erstreckung der daraus entstehenden Rechtswirkungen auf den jeweils anderen Vertrag muss im Einzelfall somit besonders begründet oder vereinbart werden. Bspw. können zum einen die Laufzeiten von Krediteröffnungsvertrag und Einzelkredit abweichen und zum anderen folgt aus einer Kündigung des Krediteröffnungsvertrags nicht automatisch auch die Beendigung des Einzelkreditvertrags, wie es sich vor allem bei Avalkrediten veranschaulichen lässt. Denn die Außenhaftung der Bank aus dem Aval gegenüber dem Gläubiger des Kreditnehmers besteht gemäß den Avalbedingungen trotz Kündigung des Krediteröffnungsvertrags grundsätzlich fort. Andererseits sind bei Leistungsstörungen im Einzelkreditvertrag (z.B. Verzug mit Zinszahlungen), welche grundsätzlich auch eine Verletzung des Krediteröffnungsvertrags darstellen, hinsichtlich beider Verträge getrennt die Rechtsfolgen zu beurteilen, insbesondere, ob eine Pflichtverletzung im Einzelkreditvertrag zugleich eine Kündigung des Krediteröffnungsvertrags insgesamt aus wichtigem Grund rechtfertigt3.
6.32
Ob im Einzelfall trotz des zuvor dargestellten Grundsatzes der Unabhängigkeit beider Rechtsverhältnisse Auswirkungen von einem auf das andere Vertragsverhältnis bestehen, hängt von den Abreden der Vertragsparteien ab4. Diese können ergeben, dass die Laufzeiten beider Verträge verknüpft sind, so dass mit dem Ende der Laufzeit des Krediteröffnungsvertrags bzw. bei dessen ordentlicher Kündigung zugleich der einzelne Kredit beendet wird. Fehlt es an einer derartigen Vereinbarung können die Einzelkredite über die Laufzeit des Krediteröffnungsvertrags hinaus fortbestehen, mit der Folge, dass ein einzelner, noch vor Beendigung des Krediteröffnungsvertrags abgerufener Kredit noch vom Kreditgeber auszubezahlen ist5. Auch ohne entsprechende Abrede können jedoch Auswirkungen auf das jeweils andere Vertragsverhältnis bestehen. So wird man bei einer fristlosen Kündigung des Krediteröffnungsvertrages aus wichtigem Grund die Vertrauensbasis der einzelnen bereits gewährten Kredite als beeinträchtigt ansehen müssen und insofern wird auch eine fristlose Kündigung der einzelnen Kreditverträge in Betracht kommen6.
6.33
Ob in der Praxis ein Krediteröffnungsvertrag oder ein Einzelkreditvertrag vorliegt, ist nicht immer trennscharf zu erkennen. Dies ist mitunter darin begründet, dass sich die Vertragsparteien unter Umständen keine Gedanken über die Vertragsgestaltung machen bzw. zur Ausgestaltung keine expliziten Vereinbarungen treffen. Es gibt allerdings einige
6.34
1 BGH v. 6.5.2003 – XI ZR 226/02, WM 2003, 1261. 2 BGH v. 15.3.2001 – IX ZR 273/98, WM 2001, 950; Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 15; Weidenkaff in Palandt, vor § 488 BGB Rz. 24; Freitag in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 413; Hopt in Baumbach/Hopt, (7) BankGesch Rz. G/2. 3 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 445. 4 Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 37. 5 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 448. 6 Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 63.
Kropf | 897
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Abgrenzungsindizien, welche für das Vorliegen des einen oder des anderen sprechen. Als zentrales Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Vertragstypen kann herangezogen werden, ob die Parteien die Kreditinanspruchnahme ins Belieben des Kreditnehmers stellen oder lediglich den Zeitpunkt der Kreditinanspruchnahme offenlassen wollten1. Dies ist darin begründet, dass das charakteristische Merkmal eines Krediteröffnungsvertrags die Inanspruchnahme des Kredits erst in Folge der Ausübung des dem Kreditnehmer eingeräumten Gestaltungsrechts in Form des Abrufs bestimmter Kreditbeträge ist (vgl. Rz. 6.8).
6.35 Im Gegensatz dazu spricht für die Vereinbarung eines Einzelgelddarlehens, wenn der
Kreditnehmer die Zahlung des Vertragszinses ab einem bestimmten Zeitpunkt unabhängig von der Inanspruchnahme der Valuta schuldet oder wenn eine vertragliche Abnahmepflicht sowie damit verbunden eine Nichtabnahmeentschädigung als Schadenspauschale für entgangene Darlehenszinsen vereinbart sind2. Als weiteres Indiz kann in der Praxis die Anzahl der von den Vertragsparteien vereinbarten Rechtsgeschäfte herangezogen werden. Wie bereits erläutert (vgl. Rz. 6.10) ist eine typische Ausprägung eines Krediteröffnungsvertrags die Vereinbarung einer sog. Rahmenlinie. Unter dieser Rahmenlinie hat der Kreditnehmer eine Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Arten von Kreditgeschäften, die er gegenüber dem Kreditgeber in Anspruch nehmen kann. Sind in diesem Sinne mehrere bzw. eine Vielzahl von Geschäften vereinbart, spricht dies für das Vorliegen eines Krediteröffnungsvertrags sowie andersherum der Abschluss eines bestimmten Geschäfts im Zweifel für ein Darlehen spricht3. Maßgebend für die Zuordnung eines Vertrages zum einen oder zum anderen Vertragstypus sind folglich die jeweiligen Parteiabreden.
2. Abschnitt: Betriebsmittelkredite (Kropf) I. Allgemeines 6.36 Betriebsmittelkredite dienen im Allgemeinen im unternehmerischen Geschäftsverkehr –
sei es für Gesellschaften oder Selbständige – zur kurzfristigen Finanzierung des Umlaufvermögens. Betriebsmittel sind alle zur Produktion oder für den Handel erforderlichen materiellen Güter, die Kosten verursachen, wozu insbesondere Kosten für Personal, Produktion, Wareneinkauf sowie Roh- und Werkstoffe zählen4. Insbesondere, wenn sich Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge bei einem Unternehmer nicht die Waage halten, kann ein kurzfristiger Liquiditätsbedarf bestehen. Zweck von Betriebsmittelkrediten ist somit die Finanzierung der Geschäftstätigkeit von Geschäftskunden einer Bank. An einen speziellen Verwendungszweck sind Betriebsmittelkredite im Allgemeinen nicht gebunden. Eine besondere Bedeutung haben Betriebsmittelkredite für Unternehmer, weil sie durch die eingeräumte Möglichkeit der revolvierenden Inanspruchnahme der vereinbarten Kreditlinie flexibel ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können5. In der Praxis wird diesem Bedürfnis in der Regel dadurch genüge getan, dass der Betriebsmittelkredit meist als Kontokorrentkredit zur Verfügung gestellt wird (vgl. dazu Rz. 6.40 ff.). In der Bankpra1 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 419. 2 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 419. 3 Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 21; Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 88. 4 Langner in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 83 Rz. 7. 5 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 1480.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Abgrenzungsindizien, welche für das Vorliegen des einen oder des anderen sprechen. Als zentrales Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Vertragstypen kann herangezogen werden, ob die Parteien die Kreditinanspruchnahme ins Belieben des Kreditnehmers stellen oder lediglich den Zeitpunkt der Kreditinanspruchnahme offenlassen wollten1. Dies ist darin begründet, dass das charakteristische Merkmal eines Krediteröffnungsvertrags die Inanspruchnahme des Kredits erst in Folge der Ausübung des dem Kreditnehmer eingeräumten Gestaltungsrechts in Form des Abrufs bestimmter Kreditbeträge ist (vgl. Rz. 6.8).
6.35 Im Gegensatz dazu spricht für die Vereinbarung eines Einzelgelddarlehens, wenn der
Kreditnehmer die Zahlung des Vertragszinses ab einem bestimmten Zeitpunkt unabhängig von der Inanspruchnahme der Valuta schuldet oder wenn eine vertragliche Abnahmepflicht sowie damit verbunden eine Nichtabnahmeentschädigung als Schadenspauschale für entgangene Darlehenszinsen vereinbart sind2. Als weiteres Indiz kann in der Praxis die Anzahl der von den Vertragsparteien vereinbarten Rechtsgeschäfte herangezogen werden. Wie bereits erläutert (vgl. Rz. 6.10) ist eine typische Ausprägung eines Krediteröffnungsvertrags die Vereinbarung einer sog. Rahmenlinie. Unter dieser Rahmenlinie hat der Kreditnehmer eine Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Arten von Kreditgeschäften, die er gegenüber dem Kreditgeber in Anspruch nehmen kann. Sind in diesem Sinne mehrere bzw. eine Vielzahl von Geschäften vereinbart, spricht dies für das Vorliegen eines Krediteröffnungsvertrags sowie andersherum der Abschluss eines bestimmten Geschäfts im Zweifel für ein Darlehen spricht3. Maßgebend für die Zuordnung eines Vertrages zum einen oder zum anderen Vertragstypus sind folglich die jeweiligen Parteiabreden.
2. Abschnitt: Betriebsmittelkredite (Kropf) I. Allgemeines 6.36 Betriebsmittelkredite dienen im Allgemeinen im unternehmerischen Geschäftsverkehr –
sei es für Gesellschaften oder Selbständige – zur kurzfristigen Finanzierung des Umlaufvermögens. Betriebsmittel sind alle zur Produktion oder für den Handel erforderlichen materiellen Güter, die Kosten verursachen, wozu insbesondere Kosten für Personal, Produktion, Wareneinkauf sowie Roh- und Werkstoffe zählen4. Insbesondere, wenn sich Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge bei einem Unternehmer nicht die Waage halten, kann ein kurzfristiger Liquiditätsbedarf bestehen. Zweck von Betriebsmittelkrediten ist somit die Finanzierung der Geschäftstätigkeit von Geschäftskunden einer Bank. An einen speziellen Verwendungszweck sind Betriebsmittelkredite im Allgemeinen nicht gebunden. Eine besondere Bedeutung haben Betriebsmittelkredite für Unternehmer, weil sie durch die eingeräumte Möglichkeit der revolvierenden Inanspruchnahme der vereinbarten Kreditlinie flexibel ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können5. In der Praxis wird diesem Bedürfnis in der Regel dadurch genüge getan, dass der Betriebsmittelkredit meist als Kontokorrentkredit zur Verfügung gestellt wird (vgl. dazu Rz. 6.40 ff.). In der Bankpra1 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 419. 2 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 419. 3 Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 77 Rz. 21; Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 88. 4 Langner in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 83 Rz. 7. 5 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 1480.
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Betriebsmittelkredite | Teil 6
xis werden Kontokorrentkredite nicht als Aktivposten auf dem Konto des Kreditnehmers gutgeschrieben, sondern es wird lediglich der Kreditrahmen in den (elektronischen) Unterlagen vermerkt, so dass der Kreditnehmer sodann bis zu diesem Rahmen durch weitere Kontobelastungen verfügen kann1.
II. Kreditarten in der Bankpraxis Soweit der Betriebsmittelkredit – was üblicherweise in der Praxis der Fall ist – vom Kreditnehmer dazu genutzt werden soll, um den geschäftlichen Zahlungsverkehr abzuwickeln, handelt es sich um einen Barkontokorrentkredit. In dieser Ausgestaltung wird es dem Kreditnehmer ermöglicht, eine Kreditsumme flexibel immer wieder bis zu einem bestimmten Limit in Anspruch zu nehmen und danach wieder zurückzuführen. Ein Betriebsmittelbedarf kann auch in Form von Avalkrediten oder Avalkreditlinien bestehen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Gelddarlehen, sondern Haftungskredite, die nicht von den §§ 488 ff. BGB erfasst werden. Das Avalgeschäft wird gesondert in Teil 7 (vgl. Rz. 7.2 ff.) erläutert, so dass im Rahmen dieses Abschnitts sich die Darstellung auf Betriebsmittelkredite als Barkredite beschränkt.
6.37
Eine besondere Ausgestaltung des Betriebsmittelkredits als Barkredit ist der sog. Saisonkredit oder auch Saisonlinie genannt. Dies betrifft Konstellationen, bei welchen seitens Kunden im Rahmen eines Betriebsmittelkredits die Notwendigkeit besteht, dass ihm von der Bank eine während der Laufzeit schwankende Kredithöhe zugesagt bzw. eingeräumt wird. Mit anderen Worten soll die Finanzierung eines saisonal bedingt auftretenden Kapitalbedarfs des Kreditnehmers abgedeckt werden. Die kredittechnische Ausgestaltung kann in der Weise erfolgen, dass ein Basiskreditbetrag eingeräumt wird, der für einen bestimmten Zeitraum aufgrund des saisonabhängigen Bedarfs erhöht wird. Typischerweise kommt ein solcher Saisonkredit im unternehmerischen Bereich in saisonabhängigen Branchen vor.
6.38
Der kurz- oder mittelfristige Liquiditätsbedarf eines Unternehmens kann mitunter auch durch die Ausreichung sog. Geldmarktkredite erfüllt werden. Diese dienen als Betriebsmittelkredit ebenfalls, wie auch der Kontokorrentkredit, der Finanzierung des laufenden Geschäfts eines Unternehmens. Zinsbasis für Geldmarktkredite sind im Allgemeinen EURIBOR (European Interbank Offered Rate)2 sowie EONIA (Euro Overnight Index Average)3
6.39
1 Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 465. 2 S. zur Verwendbarkeit des EURIBOR als Referenzwert ab dem 1.1.2020 bereits unter Fn. 70. 3 Art. 51 Abs. 1, 3 der Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 vom 8.6.2016 bestimmt, dass bestehende Referenzwerte wie der EONIA nach Ablauf einer Übergangszeit ab dem 1.1.2020 registriert bzw. zugelassen werden müssen. Bei Neuverträgen soll gem. Art. 51 Abs. 4 Satz 2 Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 ab diesem Zeitpunkt auf Referenzwerte, welche den Anforderungen dieser Verordnung nicht entsprechen, in Finanzkontrakten nicht mehr Bezug genommen werden dürfen. Die vorgenannte Übergangsfrist ist inzwischen bis zum 31.12.2021 verlängert worden. Mit Durchführungsverordnung (EU) 2017/1147 der Kommission vom 28.6.2017 ist der EONIA als kritischer Referenzwert i.S.v. Art. 20 Abs. 1 lit. a) Benchmark-Verordnung (EU) 2016/ 1011 vom 8.6.2016 bestimmt worden. Das EMMI als Indexanbieter sieht nach eigenen Angaben keine Möglichkeit vor, den EONIA als mit den Anforderungen der Benchmark-Verordnung kompatibel registrieren zu lassen; er soll ab Oktober 2019 durch den €STR als Referenzwert ersetzt werden. Die Vorgaben zur Verwendung von Referenzwerten in Finanzkontrakten gelten zwar unmittelbar nur für Verbraucherdarlehensverträge und nicht für gewerbliche Darlehensverträge, jedoch wird auch insoweit der EONIA nicht mehr als Referenzwert veröffentlicht werden.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
oder LIBOR (London Interbank Offered Rate)1. Der Zinssatz orientiert sich an dem von der Bank zu zahlenden Referenzzinssatz2. Zu diesem Referenzzinssatz wird in der Regel eine zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer vereinbarte Marge aufgeschlagen. Geldmarktkredite werden in der Finanzierungspraxis sowohl in Euro oder auch in Fremdwährungen (z.B. USDollar) angeboten. Die Laufzeit eines Geldmarktkredites ist kurz- oder mittelfristig und wird fest vereinbart. Meist handelt es sich um monatsbezogene Laufzeiten von 1, 3, 6 oder 12 Monaten. Der Darlehensbetrag ist bei Fälligkeit vom Kreditnehmer am Ende der vereinbarten Zinsperiode zurückzuzahlen, wobei eine Fortsetzung des Kreditverhältnisses nach Ablauf der Zinsperiode zu den geänderten Marktkonditionen vereinbart werden kann (sog. Roll-over-Kreditlinie)3. Eine Rückzahlung während der Laufzeit ist nicht möglich.
III. Rechtliche Grundlagen 6.40 In der im Bankgeschäftsverkehr üblichen Ausgestaltung eines Barbetriebsmittelkredits als Kontokorrentkredit bestehen einige rechtliche Besonderheiten die nachfolgend dargestellt werden. 1. Vertragsverhältnisse
6.41 Vertraglich liegt einem als Kontokorrentkredit ausgestalteten Betriebsmittelkredit nach überwiegender Auffassung ein Krediteröffnungsvertrag zugrunde, da der Kreditnehmer das Geld innerhalb eines Kreditrahmens abrufen kann (vgl. Rz. 6.7 ff.)4. Der Krediteröffnungsvertrag räumt dem Kunden das Recht ein, im Rahmen des festgelegten Kreditlimits bestimmte Geldbeträge durch Barabhebungen, Überweisungen oder auf anderem Wege abzurufen. Die Abwicklung des Kredits erfolgt über das Zahlungsverkehrs(kontokorrent)konto des Kreditnehmers, so dass neben dem Krediteröffnungsvertrag ein Girovertrag bzw. Zahlungsdiensterahmenvertrag zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber erforderlich ist5. Für 1 Art. 51 Abs. 1, 3 der Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 vom 8.6.2016 bestimmt, dass bestehende Referenzwerte wie der LIBOR nach Ablauf einer Übergangszeit ab dem 1.1.2020 registriert bzw. zugelassen werden müssen. Bei Neuverträgen soll gem. Art. 51 Abs. 4 Satz 2 Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 ab diesem Zeitpunkt auf Referenzwerte, welche den Anforderungen dieser Verordnung nicht entsprechen, in Finanzkontrakten nicht mehr Bezug genommen werden dürfen. Die vorgenannte Übergangsfrist ist inzwischen bis zum 31.12.2021 verlängert worden. Mit Durchführungsverordnung (EU) 2017/2446 der Kommission vom 19.12. 2017 ist der LIBOR als kritischer Referenzwert i.S.v. Art. 20 Abs. 1 lit. a) Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 vom 8.6.2016 bestimmt worden. Die Vorgaben zur Verwendung von Referenzwerten in Finanzkontrakten gelten zwar unmittelbar nur für Verbraucherdarlehensverträge und nicht für gewerbliche Darlehensverträge, jedoch gab die Financial Conduct Authority als Indexanbieter bekannt, dass die Ermittlung des LIBOR nur bis 31.12.2021 unterstützt wird. 2 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 30 Rz. 22. 3 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 30 Rz. 22. 4 Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 13 Rz. 47; Weidenkaff in Palandt, vor § 488 BGB Rz. 25; Huber in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 32. Kap. Rz. 24; Steffek in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 12. Kap. Rz. 42; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014, § 4 Rz. 6; a.A. Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/193; Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 466. 5 So auch Weidenkaff in Palandt, vor § 488 BGB Rz. 25; Steffek in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 12. Kap. Rz. 42.
900 | Kropf
Betriebsmittelkredite | Teil 6
den Kontokorrentkredit sind somit die folgenden Bestandteile entscheidend: (i) der Krediteröffnungsvertrag, durch welchen sich der Kreditgeber verpflichtet, dem Kreditnehmer zu bestimmten Bedingungen und bis zu einer bestimmten Höhe (Kreditlinie) nach Abruf Kredit zu gewähren (Kontokorrentkreditabrede), (ii) der dem Konto zugrunde liegende Girovertrag (Zahlungsdiensterahmenvertrag) und (iii) eine Kontokorrentabrede1. Diese Vertragsbestandteile sind allerdings nicht untrennbar miteinander verbunden, so dass weder bei Laufzeitende noch im Falle der Kündigung des Kreditvertrags automatisch auch die anderen Verträge in Gestalt des Girovertrags und der Kontokorrentabrede enden2. Als Folge der zwischen den Parteien bestehenden Kontokorrentabrede werden bei einem Kontokorrentkredit auf dem Konto die jeweiligen Buchungen und Belastungen buchungstechnisch erfasst. Dabei handelt es sich um eine buchungstechnische Saldenfeststellung zur Ermittlung von Rechnungsposten. Die Saldenfeststellung im rechtlichen Sinne ist allerdings dadurch gekennzeichnet, dass bei dem im Bankverkehr üblichen Periodenkontokorrent die Saldierung nach Periodenabschluss, welcher gem. Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 AGBBanken jeweils auf das Quartalsende fällt, erfolgt3.
6.42
2. Inanspruchnahme Charakteristisch ist die Möglichkeit der variablen Inanspruchnahme entsprechend des Liquiditätsbedarfs des Kreditnehmers. Die Auszahlung eines Betriebsmittelkredits erfolgt durch die Verfügung des Unternehmers über das Kontokorrentkonto, für welches von der Bank der Kredit eingeräumt worden ist. Der Kreditnehmer kann den Kontokorrentkredit innerhalb der vereinbarten Zeit und Kreditlinie wiederholt in Anspruch nehmen und tilgen, so dass sein Auszahlungsanspruch folglich nach jeder Tilgung jeweils von neuem entsteht4. Betriebsmittelkredite in der Ausgestaltung als Kontokorrentkredite sind somit revolvierende Kredite. Eine Inanspruchnahme kann auch in der Weise erfolgen, dass die Bank auf Weisung des Kreditnehmers die Auszahlung an einen Dritten vornimmt, was in der Praxis vor allem bei Betriebsmittelkrediten an Konzernobergesellschaften vorkommt, bei denen die Kreditlinie mitunter auch durch die Tochtergesellschaften in Anspruch genommen werden soll5.
6.43
3. Laufzeit Betriebsmittelkredite werden regelmäßig mit einer unbestimmten Laufzeit abgeschlossen. Mit anderen Worten kann der Kreditnehmer den Kredit bis auf weiteres (b.a.w.) in Anspruch nehmen. Eine befristete Kreditvergabe ist ebenso möglich, in der Kreditpraxis jedoch eher selten.
6.44
4. Kündigung Die vorzeitige Beendigung eines Betriebsmittelkredits durch Kündigung einer der Vertragsparteien ist auf Basis der gesetzlichen Kündigungsrechte für Gelddarlehen nach 1 Vgl. dazu instruktiv Mülbert/Grimm, WM 2015, 2217, 2218 m.w.N. 2 Mülbert/Grimm, WM 2015, 2217, 2218; Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/205 und 3/207. 3 Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/196. 4 Vgl. Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/198. 5 Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/199.
Kropf | 901
6.45
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
§§ 488 f. BGB sowie der vertraglichen Vereinbarungen möglich. Ob bei einer Kündigung des Betriebsmittelkredits auch der Zahlungsdiensterahmenvertrag samt Kontokorrentabrede gekündigt werden sollen, hängt vom Parteiwillen und somit vom jeweiligen Einzelfall ab. Ist hingegen ausdrücklich der Zahlungsdiensterahmenvertrag samt Kontokorrentabrede gekündigt worden, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass auch der Kontokorrentkreditvertrag auf diesen Beendigungszeitpunkt gekündigt ist, da mit der Beendigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags das Kontokorrentdarlehen seinen wirtschaftlichen Sinn verliert, dem Kreditnehmer eine Teilnahme am Zahlungsverkehr auf Kreditbasis zu ermöglichen1. a) Gesetzliche Regelungen
6.46 Bezüglich der Kündigung des Betriebsmittelkredits finden die einschlägigen gesetzlichen
Regelungen Anwendung. Ein ordentliches Kündigungsrecht des Kreditgebers besteht nach § 488 Abs. 3 BGB. Der Kreditnehmer hat sowohl bei befristeten als auch bei unbefristeten Betriebsmittelkrediten ein ordentliches Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 2 BGB. Die für Dauerschuldverhältnisse geltende Regelung zur Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB findet für beide Vertragsparteien auch auf Betriebsmittelkredite Anwendung. Der Kreditgeber verfügt darüber hinaus über das darlehensrechtliche außerordentliche Kündigungsrecht nach § 490 Abs. 1 BGB.
b) Vertragliche Vereinbarungen
6.47 Ist der Betriebsmittelkredit, wie häufig in der Praxis der Fall, mit einer unbestimmten
Laufzeit (b.a.w.), eingeräumt worden, findet zugunsten des Kreditinstituts als Kreditgeber die Kündigungsregelung der Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken Anwendung. Danach kann ein unbefristeter Kredit jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Dogmatisch bedeutet diese Kündigungsregelung, dass die gesetzliche Kündigungsfrist des § 488 Abs. 3 BGB für den Kontokorrentkreditvertrag derogiert ist2. Bei Dauerschuldverhältnissen gilt der Grundsatz, dass dieses von den Vertragsparteien nur insgesamt gekündigt werden kann3. Vom BGH ist als Ausnahme von diesem Grundsatz jedoch anerkannt worden, dass bei einem beiderseits jederzeit kündbaren Kontokorrentkredit eine auf die Reduzierung der Kreditlinie gerichtete Teilkündigung zulässig ist4. Ausnahmsweise greift zugunsten der Bank somit ein Recht zur teilweisen Kreditkündigung. In der Praxis wird von diesem Recht durch Kreditlinienreduzierungen (sog. Sistierungen) Gebrauch gemacht. Eine entsprechende Regelung zugunsten des Kreditnehmers enthält Nr. 18 Abs. 1 AGBBanken. c) Rechtsfolgen der Kündigung
6.48 Wird nur der als Kontokorrentkredit ausgereichte Betriebsmittelkreditvertrag gekündigt,
besteht der Zahlungsdiensterahmenvertrag samt Kontokorrentabrede fort. Mit Wirksamwerden der Kündigung hat die Bank als Kreditgeber einen Anspruch auf Rückzahlung der Kreditvaluta und der Zahlung offener Zinsen. Aufgrund des charakteristischen Ein1 2 3 4
Mülbert/Grimm, WM 2015, 2217, 2222. Mülbert in Staudinger, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rz. 476. Vgl. Grüneberg in Palandt, vor § 346 BGB Rz. 12. BGH v. 4.5.1999 – XI ZR 137/98, NJW 1999, 2269.
902 | Kropf
Betriebsmittelkredite | Teil 6
konten-Buchungsverfahrens (vgl. Rz. 6.36) ist der Anspruch auf Rückzahlung der Kreditvaluta allerdings nicht gesondert auf dem Kontokorrentkonto zu verbuchen, da sich anderenfalls der schon bestehende Negativsaldo zu Lasten des Kreditnehmers schlichtweg verdoppeln würde1. Die noch offenen kreditvertraglichen Zinsansprüche sind auf dem Zahlungsverkehrskonto zu buchen und können, da sie sodann der Kontokorrentbindung unterliegen, als bloße Rechnungsposten weder selbständig geltend gemacht noch erfüllt werden, jedoch gehen sie in den nächsten Periodenabschlusssaldo ein2. Aus dem Periodenabschlusssaldo kann die Bank gem. § 355 Abs. 1 a.E. HGB wiederum, auch auf die Zinsbestandteile, Kontokorrentzinsen verlangen. 5. Pfändung Auf Basis der durch die kontoführende Bank und Kreditgeberin erteilten Zusage, der Kontoinhaber könne über das Kontokorrentkonto auch ohne entsprechendes Guthaben verfügen, mithin der Einräumung eines Betriebsmittelkredits, besteht seitens des Kontoinhabers ein Anspruch darauf, einen durch Barabhebung, Erteilung eines Zahlungsauftrages oder in sonstiger Weise angeforderten Geldbetrag darlehensweise zur Verfügung gestellt zu bekommen. Diese durch Kontoverfügungen entstehenden Kreditauszahlungsansprüche des Kreditnehmers/Kontoinhabers können von dessen Gläubigern gepfändet werden3. Vor dem Abruf des Kredites durch den Kreditnehmer/Kontoinhaber ist hingegen kein Anspruch auf Auszahlung gegen die Bank vorhanden, den ein Gläubiger pfänden könnte und somit sich Kreditmittel auszahlen zu lassen, so dass ein Pfandrecht an Forderungen aus dem Kreditverhältnis nicht vor einem Abruf durch den Kreditnehmer begründet wird4.
6.49
6. Verjährung Besonderheiten ergeben sich für die Frage des Eintritts der Verjährung der Rückzahlungsansprüche der Bank aufgrund der Buchung eines Betriebsmittelkredits auf einem Zahlungsverkehrskonto mit Kontokorrentabrede. Auch wenn bei vorzeitiger Beendigung des Kontokorrentkreditvertrags der Rückzahlungsanspruch nicht nochmals gesondert auf dem Kontokorrentkonto gebucht wird (vgl. Rz. 6.48), ist dieser aufgrund der Inanspruchnahme im Zeitpunkt der Kündigung ins Kontokorrent eingestellt und geht folglich in den nächsten Periodenabschlusssaldo ein5. Die Verjährung der Rückzahlungsansprüche beginnt demnach nicht vor Beendigung der Kontokorrentabrede (z.B. durch Kündigung) zu laufen. Bis zur Beendigung des Kontokorrents ist die Verjährung gem. § 205 BGB analog gehemmt, da bis zu diesem Zeitpunkt die Einzelforderungen aufgrund Kontokorrentbindung vom Kreditgeber nicht eingeklagt werden können6. Mit Erteilung des Rechnungsabschlusses unterbreitet die Bank ein Angebot auf Abschluss eines Saldoanerkenntnisses, welches der Kunde annimmt, wenn er keine Einwendungen vorbringt (s. Nr. 7 AGB-Banken). Nach dem Schluss einer Rechnungsperiode beginnt die Verjährung nach den für die 1 2 3 4 5
Mülbert/Grimm, WM 2015, 2217, 2224. Mülbert/Grimm, WM 2015, 2217, 2224. BGH v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, WM 2001, 898. BGH v. 22.4.2004 – IX ZR 39/03, WM 2004, 517. Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/203, 3/208; a.A. Mülbert/ Grimm, WM 2015, 2217, 2224. 6 BGH v. 2.11.1967 – II ZR 46/65, NJW 1968, 33; BGH v. 29.6.1973 – I ZR 120/72, DB 1973, 1842.
Kropf | 903
6.50
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Forderungen geltenden Vorschriften, es sei denn, der die Forderung enthaltende und anerkannte Saldo wir auf neue Rechnung vorgetragen, mit der Folge, dass die Verjährung der Saldoforderung gehemmt ist, solange das Kontokorrentverhältnis besteht und der Saldo nach den getroffenen Abreden nicht gefordert werden kann1. Da das am Ende der Rechnungsperiode entstehende Saldo als neuer Rechnungsposten in die nächste Rechnungsperiode vorgetragen wird, besteht die Verjährungshemmung somit folgerichtig bis zum Ende des gesamten Kontokorrentverhältnisses2. Die Ansprüche des Kreditgebers aus dem Saldoanerkenntnis verjähren gem. §§ 195, 199 BGB in drei Jahren ab Beendigung des Kontokorrents, da bis dahin die Bindung durch das Kontokorrent besteht.
3. Abschnitt: Investitionskredite (Kropf) I. Gegenstand des Kreditgeschäfts 6.51 Vertragsgegenstand von Investitionskrediten ist die Finanzierung der Herstellung und
Beschaffung von Anlagevermögen sowie der Beschaffung von Vorräten, bspw. zwecks Vergrößerung von Warenlagern. Sie grenzen sich vom Verwendungszweck somit von den zuvor dargestellten Betriebsmittelkrediten ab, welche der Finanzierung des kurzfristigen Liquiditätsbedarfs und des Umlaufvermögens dienen (vgl. Rz. 6.36).
II. Vertragliche Grundlagen 1. Allgemeines
6.52 Investitionskredite können sowohl als Annuitäten-, Abzahlungs- oder auch als Festdar-
lehen gewährt werden, wobei als Verzinsung feste oder auch variable Zinssätze in Betracht kommen3. Die Laufzeit von Investitionskrediten ist in der Regel mittel- oder langfristig ausgestaltet. Bei der Vereinbarung einer langfristigen Laufzeit stellt sich im Besonderen die Frage der nachhaltigen Tilgbarkeit derartiger Kredite und der langfristigen Werthaltigkeit der Sicherheiten. Dabei ist im Rahmen von Anlagenfinanzierungen vor allem die nachhaltige Rentabilität des Kreditnehmers zu prüfen, weil auf Dauer nur ein sich gut rentierendes Unternehmen in der Lage ist, langfristige Verbindlichkeiten zu verzinsen und zu tilgen4. Zudem ist auch der Verschleiß eines Sicherungsgutes bei der Tilgungsstruktur eines Investitionskredits zu berücksichtigen, so dass der betreffende Kredit parallel zur Abschreibung der finanzierten Investitionsgüter durch Tilgung zu ermäßigen ist5. Die Laufzeit entspricht daher in diesen Fällen dem Abschreibungszeitraum, damit sichergestellt wird, dass die Tilgung aus den Abschreibungserlösen finanziert werden kann6. Als Sicherheiten kommen in der Bankpraxis regelmäßig die zu finanzierenden Gegenstände oder auch der gewerbliche Grundbesitz des Kreditnehmers in Betracht. 1 BGH v. 17.2.1969 – II ZR 30/65, NJW 1969, 879. 2 BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, NJW 1978, Bankvertragsrechts. 4. Aufl. 2005, Rz. 105. 3 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 1486. 4 Rösler/Pohl in Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch 5 Rösler/Pohl in Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch 6 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 1484.
904 | Kropf
538; Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 209. Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 209. Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht,
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Forderungen geltenden Vorschriften, es sei denn, der die Forderung enthaltende und anerkannte Saldo wir auf neue Rechnung vorgetragen, mit der Folge, dass die Verjährung der Saldoforderung gehemmt ist, solange das Kontokorrentverhältnis besteht und der Saldo nach den getroffenen Abreden nicht gefordert werden kann1. Da das am Ende der Rechnungsperiode entstehende Saldo als neuer Rechnungsposten in die nächste Rechnungsperiode vorgetragen wird, besteht die Verjährungshemmung somit folgerichtig bis zum Ende des gesamten Kontokorrentverhältnisses2. Die Ansprüche des Kreditgebers aus dem Saldoanerkenntnis verjähren gem. §§ 195, 199 BGB in drei Jahren ab Beendigung des Kontokorrents, da bis dahin die Bindung durch das Kontokorrent besteht.
3. Abschnitt: Investitionskredite (Kropf) I. Gegenstand des Kreditgeschäfts 6.51 Vertragsgegenstand von Investitionskrediten ist die Finanzierung der Herstellung und
Beschaffung von Anlagevermögen sowie der Beschaffung von Vorräten, bspw. zwecks Vergrößerung von Warenlagern. Sie grenzen sich vom Verwendungszweck somit von den zuvor dargestellten Betriebsmittelkrediten ab, welche der Finanzierung des kurzfristigen Liquiditätsbedarfs und des Umlaufvermögens dienen (vgl. Rz. 6.36).
II. Vertragliche Grundlagen 1. Allgemeines
6.52 Investitionskredite können sowohl als Annuitäten-, Abzahlungs- oder auch als Festdar-
lehen gewährt werden, wobei als Verzinsung feste oder auch variable Zinssätze in Betracht kommen3. Die Laufzeit von Investitionskrediten ist in der Regel mittel- oder langfristig ausgestaltet. Bei der Vereinbarung einer langfristigen Laufzeit stellt sich im Besonderen die Frage der nachhaltigen Tilgbarkeit derartiger Kredite und der langfristigen Werthaltigkeit der Sicherheiten. Dabei ist im Rahmen von Anlagenfinanzierungen vor allem die nachhaltige Rentabilität des Kreditnehmers zu prüfen, weil auf Dauer nur ein sich gut rentierendes Unternehmen in der Lage ist, langfristige Verbindlichkeiten zu verzinsen und zu tilgen4. Zudem ist auch der Verschleiß eines Sicherungsgutes bei der Tilgungsstruktur eines Investitionskredits zu berücksichtigen, so dass der betreffende Kredit parallel zur Abschreibung der finanzierten Investitionsgüter durch Tilgung zu ermäßigen ist5. Die Laufzeit entspricht daher in diesen Fällen dem Abschreibungszeitraum, damit sichergestellt wird, dass die Tilgung aus den Abschreibungserlösen finanziert werden kann6. Als Sicherheiten kommen in der Bankpraxis regelmäßig die zu finanzierenden Gegenstände oder auch der gewerbliche Grundbesitz des Kreditnehmers in Betracht. 1 BGH v. 17.2.1969 – II ZR 30/65, NJW 1969, 879. 2 BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, NJW 1978, Bankvertragsrechts. 4. Aufl. 2005, Rz. 105. 3 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 1486. 4 Rösler/Pohl in Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch 5 Rösler/Pohl in Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch 6 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 1484.
904 | Kropf
538; Canaris in Staub, Großkomm. HGB, Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 209. Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 209. Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht,
Investitionskredite | Teil 6
2. Eurokredite Investitionskredite mit längeren Laufzeiten werden in der Praxis mitunter auch als Eurokredite ausgereicht. Bei Eurokrediten handelt es sich um Kredite, die außerhalb des Ursprungslandes der jeweiligen Währung auf dem Eurokreditmarkt aufgenommen werden1. Die wichtigsten Euromarktplätze sind Luxemburg, Irland und London. Die Zinskonditionen auf dem Euromarkt sind für den Kreditnehmer im allgemeinen günstiger als diejenigen auf dem nationalen Markt, was damit zusammenhängt, dass der europäische Geldmarkt weniger stark reglementiert ist und daher in der Hauptsache von Angebot und Nachfrage bestimmt wird; außerdem wirkt es sich aus, dass die bewegten Volumina größer und die Kosten bei den hier tätigen Banken niedriger sind.
6.53
Zu unterscheiden sind allgemein kurzfristige Eurokredite als Festsatzkredite mit Laufzeiten bis maximal 12 Monate und großvolumige mittel- und langfristige Eurokredite mit Laufzeiten bis zu 10 Jahren, wobei es sich bei letztgenannten um sog. Roll-Over-Kredite handelt2. Der Zinssatz eines Eurokredits wird auf der Basis eines Interbanken-Geldmarktsatzes – wie insbesondere EURIBOR3 oder LIBOR4 – berechnet5. Dieser Zinssatz wird bei beiden Kreditarten zzgl. einer Marge berechnet, welche für die gesamte Laufzeit fest vereinbart wird. Als Kreditnehmer kommen im Wesentlichen große bis mittelgroße Unternehmen von einwandfreier Bonität in Betracht, wobei die „technische“ Kreditaufnahme bei der Eurokredit-Bank erfolgt, welche meist eine Tochterbank oder eine Niederlassung der den Kredit vermittelnden Hausbank ist6.
6.54
Typischer Verwendungszweck von Roll-over-Krediten sind größere Investitionsvorhaben. Roll-over-Kredite sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Kreditgeber laufend über den Eurogeldmarkt, bei welchem insbesondere Einlagen mit kurzen Laufzeiten von 1, 3, 6 oder 12 Monaten dominieren, refinanzieren7. Diese kurzfristigen Einlagen am Eurogeldmarkt werden durch die Ausreichung von Roll-over-Krediten in langfristige Kredite, deren Laufzeiten in der Praxis häufig zwischen 5 und 10 Jahren liegen, transformiert. Der langfristige Kredit wird folglich mit kurzfristigen Mitteln revolvierend finanziert. Die Zinsanpassung beim Roll-over-Kredit erfolgt streng periodisch, d.h. der Kredit wird in jeweils kurzfristige 1 bis 12 Monate umfassende Zeitabschnitte aufgeteilt, innerhalb derer der Zinssatz fest ist, so dass der Zinssatz von Refinanzierungsperiode zu Refinanzierungsperiode neu festgelegt wird8. Die Zinsen werden am Ende der jeweiligen Refinanzierungsperiode vom Kreditnehmer gezahlt. Für die Rückzahlung des Roll-over-Kredites bestehen mehrere Möglichkeiten; eine typische Rückzahlungsmodalität besteht für diese Kreditart nicht, vielmehr werden Laufzeit und Tilgung entsprechend dem Verwendungszweck bestimmt. Häufig wird eine Rückzahlung am Ende der Laufzeit vereinbart (Bullet Repayment), wobei auch eine gestaffelte Rückzahlung möglich ist, im Rahmen dessen am
6.55
1 Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/211d. 2 Welter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 118 Rz. 57. 3 S. zur Verwendbarkeit des EURIBOR als Referenzwert ab dem 1.1.2020 bereits in Rz. 6.25 unter Fn. 1. 4 S. zur Verwendbarkeit des LIBOR als Referenzwert ab dem 1.1.2020 bereits in Rz. 6.39. 5 Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/211d. 6 Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/211d. 7 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 87 Rz. 56. 8 Rösler/Pohl in Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 337.
Kropf | 905
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Ende der Laufzeit ein Restbetrag verbleiben kann, welcher die zuvor entrichteten Raten wesentlich übersteigt (Balloon Repayment)1. 3. Förderkredite
6.56 Eine große Bedeutung in der Kreditpraxis haben auch die von staatlichen Förderinstituten
auf Basis entsprechender Förderprogramme ausgereichten Investitionskredite. Diese richten sich an eine bestimmte Zielgruppe, aus welcher sich die Antragsberechtigten ergeben. Dies sind häufig mittelständische Unternehmen aus sämtlichen Wirtschaftszweigen und Freiberufler, denen durch die Förderung die Durchführung von Investitionsvorhaben ermöglicht werden soll. Auch hier sind vielfältige Investitionszwecke denkbar, wie bspw. der Erwerb von Grundstücken und Gebäuden, gewerbliche Baukosten, Kauf von Maschinen, Anlagen, Fahrzeugen und Einrichtungen, Betriebs- und Geschäftsausstattung oder auch die Investition in immaterielle Vermögenswerte. Charakteristisch für derartige Förderkredite zur Bereitstellung von Investitionsmitteln sind das Kreditvergabeverfahren und die Kreditkonditionen.
6.57 Da staatliche Förderbanken häufig über kein eigenes Filialnetz verfügen, werden Investiti-
onskredite regelmäßig nach dem sog. Hausbankverfahren ausgereicht. Dabei stellt ein Unternehmen bei seiner Hausbank einen Antrag auf Gewährung der öffentlichen Fördermittel unter dem entsprechenden Förderprogramm. Ausgereicht werden die Förderkredite in der Regel nach dem Durchleitprinzip, d.h. das Förderinstitut stellt der Hausbank die bewilligten Mittel zur Verfügung und diese leitet sie direkt an den Kreditnehmer weiter2. Dabei sind zwei nacheinander geschaltete Vertragsverhältnisse zu unterscheiden. Dies ist zum einen das Vertragsverhältnis zwischen dem Förderinstitut und der Hausbank sowie zum anderen dasjenige zwischen der Hausbank und dem Unternehmer als Endkreditnehmer. Für beide Vertragsverhältnisse gelten eigenständige Bedingungswerke3.
6.58 Förderkredite werden zu günstigeren als den marküblichen Kreditkonditionen gewährt.
Dies ist darin begründet, dass die Gewährung von Förderdarlehen nicht der Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen eines Förderinstituts dient. Es handelt sich nicht um Kredite, die nach den Bedingungen des Kapitalmarktes vergeben werden, sondern um die zweckgebundene Gewährung besonders günstiger Mittel zur Förderung wirtschaftspolitischer Ziele4. So beruht bspw. bei der KfW die Kreditgewährung auf dem staatlichen Auftrag, in den von § 2 Abs. 1 KredAnstWiAG erfassten Bereichen finanzielle Fördermaßnahmen durchzuführen. Demzufolge müssen Förderinstitute – im Unterschied zu den untereinander im Wettbewerb stehenden Geschäftsbanken – keinen Gewinn in einer Höhe erwirtschaften, der einer marktgerechten Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals entspricht5. In der Regel sind die Zinssätze der ausgereichten Förderdarlehen sogar günstiger als die zur Refinanzierung aufgenommenen Kapitalmarktdarlehen6. Die Kreditkonditionen eines Förderkredits werden schließlich nicht von der Hausbank, sondern vom staatlichen Förderinstitut festgelegt7. Bspw. heißt es diesbezüglich in § 15 der KfW-Sat1 Rösler/Pohl in Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002, S. 338. 2 Langner in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 83 Rz. 28. 3 S. bspw. Allgemeine Bestimmungen für Investitionskredite Vertragsverhältnis Hausbank – Endkreditnehmer und Vertragsverhältnis Förderbank – Kreditinstitute der KfW. 4 BGH v. 16.2.2016 – XI ZR 454/14, WM 2016, 699. 5 BGH v. 16.2.2016 – XI ZR 454/14, WM 2016, 699. 6 BGH v. 16.2.2016 – XI ZR 454/14, WM 2016, 699. 7 OLG Düsseldorf v. 26.4.2007 – 6 U 97/06, ZIP 2007, 1748.
906 | Kropf
Investitionskredite | Teil 6
zung, dass die KfW bestimmen kann, unter welchen Bedingungen das vermittelnde Kreditinstitut die Darlehen an den Darlehensnehmer weiterzuleiten hat. Dabei kann sie insbesondere vorschreiben, dass die Auszahlung der Darlehensvaluta nur nach Maßgabe des Fortschreitens des mit dem Darlehen finanzierten Vorhabens erfolgen darf. In der Regel schreibt daher das Förderinstitut als Kreditgeber die Merkmale des Kredits betreffend Kreditsicherheit, Verwendungszweck, Laufzeit und Kreditform vor1. Bei Investitionskrediten in Form staatlicher Förderkredite ist zu berücksichtigen, dass diese grundsätzlich auf die Vereinbarkeit mit den wettbewerbsrechtlichen Vorgaben des EU-Beihilferechts zu überprüfen sind (vgl. dazu auch Rz. 6.222). Förderkredite zeichnen sich, wie dargelegt, dadurch aus, dass sie zu günstigeren Konditionen/Bedingungen als die marktüblichen Konditionen von privaten Geschäftsbanken gewährt werden. Nach der „Stardust Marine“-Rechtsprechung des EuGH2 sind Mittel dem Staat zuzurechnen, wenn das betroffene Unternehmen unter staatlicher Kontrolle steht (z.B. durch Mehrheitsbeteiligung) und die Mittelverwendung auch im Einzelnen mit Zustimmung der staatlichen Einheit erfolgt. Dies ist bei den staatlichen Förderbanken wohl unzweifelhaft der Fall. Letztendlich werden Investitionskredite gemäß den jeweiligen Förderprogrammen jedoch in der Regel beihilfekonform sein. Als sekundärrechtlicher Rechtsakt des EU-Rechts befreit die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 651/2014 der Europäischen Kommission (AGVO) enumerativ aufgeführte Beihilfegruppen von der Notifizierungspflicht und damit von der Überprüfung der Europäischen Kommission nach Art. 108 AEUV. Für den Bereich der Investitionskredite ist die Beihilfegruppe „Beihilfen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“3 von großer Praxisrelevanz. Für diese sind Investitionsbeihilfen unter bestimmten Voraussetzungen mit dem europäischen Binnenmarkt vereinbar und von der Anmeldepflicht freigestellt. So muss es sich u.a. um transparente Beihilfen handeln und eine absolute Anmeldeschwelle von 7.500.000 € pro Unternehmen und Investitionsvorhaben sowie die spezifischen Voraussetzungen dieser Beihilfegruppe eingehalten werden. Sollte es sich um geringfügige Investitionen handeln, kommt überdies eine Befreiung von der Notifizierungspflicht nach der de-minimis-Verordnung Nr. 1407/2013 der Europäischen Kommission in Betracht. Auch hier ist Voraussetzung einer Befreiung von der Anmeldepflicht, dass es sich um transparente Beihilfen handelt. Bei staatlichen Beihilfen in Form von Darlehen gelten diese gem. Art. 4 Abs. 3 lit. a)–c) VO Nr. 1407/ 2013 als transparent, wenn sich der Darlehensnehmer weder in einem Insolvenzverfahren befindet noch die Voraussetzungen für eine Eröffnung auf Antrag der Gläubiger erfüllt sind, das Darlehen durch Sicherheiten unterlegt ist, die sich auf mindestens 50 % des Darlehensbetrags belaufen und einen Betrag von 1.000.000 € bei einer Laufzeit von 5 Jahren bzw. einen Betrag von 500.000 € bei einer Laufzeit von 10 Jahren aufweist sowie das Bruttosubventionsäquivalent auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Bewilligung des Darlehens geltenden Referenzzinssatzes4 berechnet wurde.
1 Veith in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 1511. 2 EuGH v. 16.5.2002 – Rs. C-482/99, WM 2002, 1756. 3 KMU i.S.d. AGVO bestimmt sich nach den Mitarbeiterzahlen und finanziellen Schwellenwerten gem. Anhang I Art. 2. 4 Ausweislich Erwägungsgrund 15 der Verordnung sind die Referenzzinssätze, welche der Mitteilung der Europäischen Kommission über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze 2008/C 14/02 v. 19.1.2008 zu entnehmen sind, als marktübliche Zinssätze heranzuziehen.
Kropf | 907
6.59
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
4. Abschnitt: Akquisitionskredite (Kropf) I. Grundlagen 1. Begriff und Finanzierungsgegenstand
6.60 Unter einer Akquisitionsfinanzierung wird allgemein die Fremdfinanzierung von Unter-
nehmensfusionen, Unternehmensübernahmen bzw. des Erwerbs von Unternehmensbeteiligungen verstanden1. Der Erwerber finanziert dabei die Transaktion häufig sowohl mit Eigenkapital als auch mit Fremdkapital, wobei das Eigenkapital-/Fremdkapitalverhältnis in der Regel ca. 35:65 beträgt2.
6.61 Der Erwerb von Unternehmen kann entweder im Wege des Kaufs von Gesellschaftsantei-
len (share deal) oder durch Kauf der das Unternehmen ausmachenden Vermögensgüter (asset deal) vollzogen werden. Im Falle eines asset deal werden vom Käufer im Wege der Singularsukzession die einzelnen zum Unternehmen gehörenden Gegenstände des Anlageund Umlaufvermögens des Unternehmensträgers erworben. Dabei ist eine Zustimmung der Gläubiger der Verbindlichkeiten bzw. der Vertragspartner des verkaufenden Unternehmens nicht erforderlich, da im Zuge des asset deals keine Schuld- oder Vertragsübernahme vorgenommen wird. Ein Unternehmenskauf im Wege des share deals erfordert, dass entweder der Erwerb sämtlicher Anteile am Unternehmensträger oder von Anteilen in einem Umfang, welcher aktiven unternehmerischen Einfluss mit dem Ziel der Ertragswertsteigerung des Unternehmens vermittelt oder ermöglichen soll, erfolgt3. 2. Grundstruktur
6.62 Auch wenn Akquisitionsfinanzierungen individuell strukturiert werden können, gibt es
eine gewisse Grundstruktur, welches sich in der Akquisitionspraxis herausgebildet hat und bei den meisten Akquisitionsfinanzierungen als Ausgangspunkt zugrunde gelegt wird. Diese soll nachfolgend in ihren Grundzügen dargestellt werden. Die Struktur wird grundsätzlich bei Leverage Buy Out-Finanzierungen eingesetzt, jedoch findet diese Technik bzw. deren Strukturelemente mitunter auch bei Corporate Buy-Outs und Owner Buy-Outs Anwendung (vgl. Rz. 6.65)4.
6.63 Die Investoren gründen oder erwerben eine Erwerbgesellschaft (häufig als New Company
(NewCo) oder Special Purpose Vehicle (SPV) bezeichnet), welche als reines Übernahmevehikel dient und kein operatives Geschäft betreibt5. Diese Gesellschaft ist in der Regel in der Rechtsform einer GmbH oder GmbH & Co KG organisiert. Dadurch sollen aus Sicht der Investoren die Risiken des Investments auf die zur Verfügung gestellten Eigen- und Fremdkapitalbeträge beschränkt werden6. Die NewCo wird vom Investor mit Eigenkapital und regelmäßig mit Gesellschafterdarlehen ausgestattet. Zusammen mit dem Fremdkapital soll dadurch der Erwerb der Anteile an der Zielgesellschaft finanziert werden. Wie eingangs aufgezeigt, erfolgt die Finanzierung überwiegend durch die Aufnahme von Fremdkapital bei einer Bank. Das Darlehen zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs wird dabei
1 2 3 4 5 6
S. nur von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 170. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 1 Rz. 1, 5. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 65 Rz. 1. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 44. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 87. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 5.
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Akquisitionskredite | Teil 6
nicht von den Investoren, sondern unmittelbar von der NewCo aufgenommen1. Die zur Bedienung des Darlehens erforderlichen Mittel für Tilgungs- und Zinszahlungen müssen von der Zielgesellschaft erwirtschaftet werden, da nur diese – im Gegensatz zur NewCo – ein operatives Geschäft führt2. Angestrebt wird somit, dass die Fremdmittelaufnahme durch den verfügbaren cash flow3 der Zielgesellschaft bestritten werden kann. Die NewCo erwirbt schließlich die Anteile an der Zielgesellschaft und hält auf der Aktivseite ihrer Bilanz nur die Beteiligungen und auf der Passivseite die zur Erwerbsfinanzierung aufgenommenen Fremdmittel (Akquisitionsdarlehen) sowie die aufgebrachten Eigenmittel4. Da die NewCo im Wesentlichen vermögenslos ist, treffen die Banken bei einer Akquisitionsfinanzierung ihre Kreditentscheidung in erster Linie auf Basis des projektierten cash flows der Zielgesellschaft, aus welchem die Kreditverbindlichkeiten bedient werden müssen und nur nachrangig aufgrund der verfügbaren Sicherheiten5.
6.64
Investor/Management Errichtung/ 100 % Anteile
Eigenkapital
NewCo = Erwerbsgesellschaft
Akquisitionsdarlehen
Bank
Rückführung Darlehen share deal bzw. asset deal
operativer Cashflow
Zielgesellschaft
3. Arten von Akquisitionsfinanzierungen Bei Akquisitionsfinanzierungen wird grundsätzlich zwischen Leverage Buy-Outs (LBO), Management Buy-Outs (MBO) und Management Buy-Ins (MBI) unterschieden. Als Sonderform der Akquisitionsfinanzierung sind in der Praxis überdies Owner Buy-Outs (OBO) zu berücksichtigen.
6.65
Ein LBO zeichnet sich dadurch aus, dass zur Unternehmensakquisition neben dem Eigenkapital auch in erheblichem Umfang Fremdkapital eingesetzt wird. Der Käufer will sich die Hebelwirkung des Fremdkapitals für die Rendite seines eingesetzten Eigenkapital zu-
6.66
1 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 174; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 1 Rz. 10. 2 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 1 Rz. 10. 3 Cash flow meint in diesem Zusammenhang diejenigen Beträge, die dem Unternehmen für Zinsund Tilgungsleistungen aus seiner operativen Tätigkeit und absehbarer Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens zur Verfügung stehen. 4 Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 88. 5 S. dazu Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 1 Rz. 12.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
nutze machen (sog. Leverage-Effekt)1. Durch den Leverage-Effekt lassen sich Verbesserungen der Eigenkapitalrendite durch eine Erhöhung der Verschuldungsquote erzielen, wenn die Gesamtkapitalrentabilität höher ist als die Fremdkapitalzinsen nach Steuern, wobei der Leverage-Effekt umso mehr wirkt, je höher die Steuerquote und je geringer das Zinsniveau ist2. Die Finanzierung eines LBO erfolgt durch den Einsatz von Eigenkapital sowie verschiedene Arten von Fremdkapital, welches sich aus Senior-Krediten und MezzanineKrediten bzw. anderen Formen nachrangiger Finanzierungsinstrumente zusammensetzt, wodurch ein höheres Maß an Flexibilität entstehen soll, um zu ermöglichen, dass die Finanzierung optimal auf die Bedürfnisse des Kreditnehmers zugeschnitten wird3. Die Verwendung einer LBO-Struktur kann überdies auch bei Corporate Buy-Outs (CBO) zum Tragen kommen. Dabei handelt es sich um eine Übernahmefinanzierung von Unternehmen durch ein anderes Unternehmen als strategischer Investor, bei welcher der Kauf regelmäßig ebenfalls über eine selbstständige Erwerbergesellschaft ohne Haftungsrückgriff (non-recourse) auf das kaufende Unternehmen erfolgt, wobei die Eigenmittel zumeist direkt von dem kaufenden Unternehmen stammen und seltener aus der Gesellschaftersphäre des Käufers4. Diese Struktur des Unternehmenskaufs über eine eigene Kaufgesellschaft ohne Rückgriff auf den Käufer hat für diesen als Vorteile u.a. eine Haftungsbegrenzung auf die eingesetzten Eigenmittel der Kaufgesellschaft sowie die Maximierung der Eigenkapitalrentabilität5.
6.67 Unter einem MBO ist eine Form des Unternehmenskaufs zu verstehen, bei welchem die
bisherigen Geschäftsleiter entweder allein oder zusammen mit anderen Investoren die Anteile der von ihnen geleiteten Gesellschaft oder deren Vermögen ganz oder teilweise übernehmen6. MBO sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass die Erwerber einen wesentlichen Teil des Kaufpreises nicht selbst aufbringen, sondern institutionelle Investoren weitere Anteile erwerben und im Übrigen der Gesamtkaufpreis zu einem erheblichen Teil durch Darlehen finanziert wird7. Aufgrund der begrenzten Eigenmittel von Managern sind Gegenstand von MBOs kleinere Buy-Outs mit Unternehmenswerten von 15.000.000 € bis maximal 20.000.000 €8.
6.68 Von einem MBO unterscheidet sich das MBI dadurch, dass die Erwerber bisher noch
nicht als Geschäftsleiter tätig waren, mithin die künftigen Geschäftsleiter sich in das Unternehmen einkaufen.
6.69 Schließlich wird von einem OBO im Falle der Übernahme der Mehrheit von Geschäfts-
anteilen an einem Unternehmen durch den Auskauf bestehender Gesellschafter durch andere, bereits beteiligte Gesellschafter des Unternehmens gesprochen9. Die Bedeutung eines OBO besteht häufig in der Nachfolgeregelung innerhalb des Gesellschafterkreises eines Unternehmens, indem ein bestehender Gesellschafterkreis durch Übernahme der Anteile von bisherigen Gesellschaftern die Fortführung des Unternehmens betreibt. Ein wesentlicher Vorteil eines OBO besteht darin, dass eine Nachfolgeregelung bzw. die Beilegung von
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 1 Rz. 13. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 30. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 1 Rz. 16. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 37. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 38. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 65 Rz. 16. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 65 Rz. 17. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 36. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 103.
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Akquisitionskredite | Teil 6
Gesellschafterkonflikten ohne Verkauf der Gesellschaftsanteile an einen Dritten erfolgen kann und überdies bei entsprechender Strukturierung die Akquisition auch ohne (wesentliche) nachteilige Zusatzbelastungen für das operative Unternehmen abgewickelt werden kann, da an die Stelle der sonst möglichen Ausschüttungen in die Gesellschaftersphäre die Bedienung der Akquisitionsfinanzierung tritt1. 4. Strukturierung einer Akquisitionsfinanzierung a) Ermittlung des Kapitalbedarfs Im Rahmen einer Akquisitionsfinanzierung gilt es in einem ersten Schritt den Kapitalbedarf des Käufers zu bestimmen. Dabei ist Ausgangspunkt der Ermittlung des Fremdkapitalbedarfs das von den Erwerbern angebotene wirtschaftliche Eigenkapital, welches in Form von Kapitaleinlagen oder nachrangigen Gesellschafterdarlehen zur Verfügung gestellt werden kann2. Der Eigenkapitalanteil beträgt durchschnittlich zwischen 30 und 40 %3. Der Rest des Kapitalbedarfs, welcher sich aus dem Kaufpreis für den Beteiligungserwerb an der Zielgesellschaft und den anfallenden Kosten sowie dem Betrag, den die Zielgesellschaft zur Ablösung ihrer bestehenden Verbindlichkeiten benötigt, zusammensetzt, muss durch Fremdkapital in Form von Krediten abgedeckt werden. Letzteres ist dadurch bedingt, dass die Investoren und auch die Kreditgeber zumeist ein Interesse daran haben, auch die Finanzierung der Zielgesellschaft einschließlich der Verwendung ihrer Sicherheiten neu zu ordnen und kontrollieren zu können4. Die Differenz zwischen dem Gesamtfinanzierungsbedarf und dem Eigenkapital ist durch Bankdarlehen zu decken, wobei im Falle einer verbleibenden Finanzierungslücke zwischen verfügbaren Eigenkapital und Senior-Krediten diese durch nachrangige Kredite (Second Lien- oder Mezzanin-Kredite) geschlossen wird5. Die Kreditausreichung wird in der Regel anhand einer Konsortialkreditfinanzierung erfolgen (vgl. Rz. 6.100 ff.). Auf Basis der genannten unterschiedlich ausgestalteten Finanzierungsmittel baut sich die für Akquisitionsfinanzierungen typische Kreditpyramide auf.
6.70
b) Arten der Fremdfinanzierungsmittel Im Rahmen von Akquisitionsfinanzierungen kommen als Fremdkapital zeitlich befristete Kreditlinien (sog. Terminkreditlinien), welche von Kreditinstituten zur Verfügung gestellt werden, zum Einsatz, die sich in vorrangige Senior-Kredite und nachrangige Kredite einteilen lassen und ausschließlich für vertraglich festgelegte Zwecke verwendet werden dürfen. Die Instrumente der Akquisitionsfinanzierungen decken sich im Wesentlichen bei LBOs sowie CBOs und OBOs, mithin bei institutionellen und strategischen Investoren, jedoch können sie in ihrer Ausgestaltung und Gewichtung differieren6. Die Terminkreditlinien unterscheiden sich nach dem Grad ihres Risikos, welches aus dem Rang, der Tilgung und der Besicherung bestimmt werden kann. Sie dienen regelmäßig zum einen für die Bezahlung des Kaufpreises zwecks Erwerbes der Zielgesellschaft und der Transaktions1 Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 106. 2 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 4 Rz. 5. 3 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht April 2007, Leveraged-Buyout-Transaktionen: die Rolle von Finanzintermediären und Aspekte der Finanzstabilität, S. 20. 4 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 12. 5 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 12; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 4 Rz. 7. 6 S. dazu Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 130.
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kosten sowie der Bezahlung bestehender Bankverbindlichkeiten und Gesellschafterdarlehen1. Besteht darüber hinaus Finanzierungsbedarf für die Betriebsmittel der Zielgesellschaft, wird dieser von den Kreditgebern zusätzlich eine Betriebsmittelkreditlinie zur Verfügung gestellt. Diese kann im Gegensatz zur Terminkreditlinie frei für die Finanzierung des Betriebs der Zielgesellschaft verwendet werden. aa) Senior-Loans
6.72 Die zeitlich vorrangig vor anderen Krediten zu tilgenden Senior-Loans werden regel-
mäßig besichert in Form mehrerer Kreditlinien (A, B, C) zur Verfügung gestellt. Diese unterscheiden sich in ihrer Laufzeit und der Ausgestaltung der Rückzahlung. Dabei weist Kreditlinie A die kürzeste Laufzeit auf und ist in regelmäßigen Raten während der Laufzeit zu tilgen, während Kreditlinie B eine in der Regel um ein Jahr längere Laufzeit als Kreditlinie A aufweist und nach deren vollständiger Rückzahlung oder am Ende ihrer Laufzeit getilgt wird und schließlich die Kreditlinie C, welche wiederum zumeist um ein Jahr länger läuft als die Kreditlinie B und erst nach deren vollständiger Rückzahlung getilgt wird2. Die Seniorkreditvereinbarung wird häufig mehre unterschiedliche Darlehen beinhalten, nämlich der Investitionskredit an die NewCo zur Finanzierung des Kaufpreises, welcher die vorgenannten Tranchen umfasst, sowie ggf. Kredite an die Zielgesellschaft zwecks Ablösung bestehender Bankverbindlichkeiten oder Betriebsmittelkredite, welche die Zielgesellschaft für betriebliche Zwecke nutzen kann3. bb) Second Lien Loans
6.73 Bei Second Lien Loans handelt es sich um nachrangig besicherte Kredite, die allerdings hin-
sichtlich des Rangs der Rückzahlungsansprüche in einem Gleichrang zu den Senior Loans stehen. Häufig ist der nachrangig gesicherte Kredit auf eine längere Laufzeit als der SeniorKredit ausgelegt und daher auch zeitlich nach dem vorrangig besicherten Seniorkredit zurückzuzahlen4. Bei einer Nachrangigkeit in der Besicherung bezieht sich die Unterordnung auf die aus der Sicherheitenverwertung erzielbaren Erlöse, nicht aber auf darüberhinausgehende Erlöse, so dass es folglich keine Auszahlungssperre von Zinsen und Tilgungen für den Fall des Vorliegens eines Kündigungsgrundes bei vorrangig besicherten Krediten gibt5. Wegen des höheren Ausfallrisikos ist auf einen Second Lien Loan ein höherer Darlehenszins zu zahlen6. Im Verhältnis zu den Mezzanin-Krediten werden sie zeitlich vorrangig befriedigt. cc) Mezzanin-Loans
6.74 Unter Mezzanin-Krediten wird eine Finanzierungsform verstanden, die nachrangig ge-
genüber den vorrangigen Senior-Krediten sind, wobei sich die Nachrangigkeit sowohl auf die Hierarchie der Gläubigeransprüche auf Rückzahlung sowie laufende Zinszahlungen als auch auf die Hierarchie bei der Besicherung bezieht7. Mezzanin-Kredite sind somit Nachrangkredite, welche hinsichtlich ihrer Erfüllung hinter die Senior-Kredite zurücktreten. Der Nachrang des Rückzahlungsanspruchs führt dazu, dass der insoweit subordinierte Kreditgeber im Verwertungsfall alle erhaltenen Mittel an den vorrangigen Kreditgeber he1 2 3 4 5 6 7
Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 5 Rz. 2. Vgl. dazu eingehend Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 5 Rz. 7 ff. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 16. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 19. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 144. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 19. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 151.
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rausgeben muss, bis dieser mit seinen Ansprüchen befriedigt ist1. Aus Sicht der SeniorKreditgeber weisen Mezzanin-Kredite einen eigenkapitalähnlichen Charakter auf, indem im Insolvenzfall die Senior-Darlehen zuerst befriedigt werden und die Mezzanin-Ansprüche gegenüber dem Kreditnehmer zu einer Erhöhung von deren Quoten an den Erlösen führen2. Die Nachrangigkeit wird in einer eigenen schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen den Senior- und Mezzanine-Kreditgebern sowie dem Kreditnehmer und den Garanten, der sog. Intercreditor-Vereinbarung, festgelegt3. Vertragstechnisch sind MezzaninLoans dadurch charakterisiert, dass sie eine längere Laufzeit und wegen des höheren Ausfallrisikos einen höheren Zins als Senior-Kredite aufweisen und bei einer Kreditbesicherung vereinbart wird, dass die Mezzanin-Kreditgeber bei einer Verwertung der Sicherheit aus dem Verwertungserlös erst nach den vorrangigen Kreditgebern befriedigt werden4.
II. Typischer Ablauf Der Investor/Erwerber, welcher die Akquisition der Zielgesellschaft vornehmen will, spricht mehrere Banken zwecks Übernahme der Finanzierung als sog. Arranger eines Konsortialkreditgeschäfts (vgl. Rz. 6.111 ff.) an. Die Banken prüfen daraufhin die Möglichkeit der Finanzierung, wobei insbesondere die Eignung der Zielgesellschaft für eine Akquisitionsfinanzierung eine Rolle spielt. Die Überprüfung der Zielgesellschaft erfolgt auf Basis einer sog. Due Diligence, im Rahmen dessen die Banken sich die relevanten Unterlagen über die Finanzkennzahlen und die Unternehmensplanungen vorlegen lassen. Besondere Relevanz weisen dabei Berichte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf, welche über die Zielgesellschaft erstellt worden sind. Insbesondere sollte die Zielgesellschaft als Eigenschaften einen hohen Reifegrad mit etabliertem Geschäftsgegenstand und vergleichsweise geringem Investitionsbedarf, eine gesicherte Marktposition, starken, kontinuierlichen sowie einen von saisonalen Schwankungen unabhängigen Cash Flow, einen niedrigen Verschuldungsgrad, eine zwecks Besicherung ausreichende Vermögensstruktur sowie eine starke Wettbewerbsposition aufweisen5.
6.75
Nach erfolgter (positiver) Prüfung der Banken in Hinsicht auf die Möglichkeit der Finanzierung der Akquisition, wird ein Vorschlag für die Strukturierung ausgearbeitet, welcher insbesondere das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital, die Höhe und Konditionen der Senior- und Nachrangkredite, die Laufzeit und Tilgung der Kredite sowie die Aufnahme von financial covenants, die vom Kreditnehmer einzuhalten sind, festlegt. Diese Finanzierungstruktur wird in den sog. Commitment Papers festgehalten, welche aus einem Commitment Letter, einem Term Sheet, dem Syndication Letter sowie Entgeltvereinbarungen besteht6. Mit dem Commitment Letter wird seitens der Bank gegenüber dem Kreditnehmer ein Angebot unterbreitet, die Strukturierung und Syndizierung der Finanzierung unter bestimmten Bedingungen zu übernehmen. Insbesondere wird die Frage eines Underwriting der Bank geklärt, d.h. ob diese sich dem Kreditnehmer gegenüber verpflichtet, die gesamten Kreditbeträge alleine oder gemeinsam mit einer anderen Bank (Co-Underwriter) zu
6.76
1 2 3 4 5 6
Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 144. Mittendorfer, Praxishandbuch Akquisitionsfinanzierung, S. 152. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 2, § 40 Rz. 18. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 20. Vgl. dazu eingehend Otto, DB 1989, 1389, 1390; Hitschler, BB 1990, 1877, 1879. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 13; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 2 Rz. 20.
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übernehmen oder nur die Pflicht eingeht, sich nach besten Kräften um die Bildung eines Kreditkonsortiums zwecks Ausreichung der gewünschten Kredite zu bemühen (Best-EffortTransaktion). Da im Zeitpunkt der Abgabe des Commitment Letter häufig noch nicht alle bankinternen Genehmigungen vorliegen und der Kreditnehmer noch nicht alle relevanten Unterlagen vorgelegt hat sowie sowohl die finanziellen Verhältnisse der Zielgesellschaft als auch die Situation an den Finanzmärkten sich verschlechtern können, werden die Verpflichtungen zur Arrangierung und zum Underwriting in der Regel nur unter aufschiebenden Bedingungen übernommen, damit die Bank ggf. nicht mehr an ihr Angebot gebunden ist1.
6.77 Die Inhalte des Term Sheets, welches dem Commitment Letter als Anlage beigefügt ist,
werden zwischen der Bank und dem Kreditnehmer verhandelt. Das Term Sheet enthält die wesentlichen Kennzahlen und Konditionen der angestrebten Finanzierung und bildet somit die Grundlage für die spätere Erstellung der Kredit- und Sicherheitendokumentation. Allerdings sind die Angaben im Term Sheet regelmäßig nicht abschließend und sollen überdies erst mit der Unterzeichnung der endgültigen Finanzierungsverträge verbindlich werden2. Die Commitment Papers beinhalten überdies, mitunter in einem separaten Syndication Letter, Vorgaben für den Syndizierungsprozess. Diese umfassen insbesondere eine sog. Market Flex Klausel, wonach der Arranger zwecks erfolgreicher Syndizierung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB bezüglich der Preisgestaltung und der Finanzierungstruktur eingeräumt bekommt sowie umgekehrt eine sog. Reverse Flex Klausel, welche den Arranger im Falle einer Überzeichnung an den Konsortialanteilen verpflichtet die Margen zu reduzieren3. Die vom Kreditnehmer an den Arranger oder den Agent im Rahmen der Finanzierung zu entrichtenden Entgelte (fees) werden in eigenständigen Entgeltvereinbarungen (fee letter) festgelegt.
6.78 Soweit sich der Investor für eines der unterbreiteten Finanzierungsangebote entschieden
hat, wird unter sämtlichen Beteiligten die Vertragsdokumentation abgestimmt. Diese umfasst regelmäßig die Vorrang- und Nachrangkredite, eine Vereinbarung der Beteiligten untereinander über die Reihenfolge des Bedienens der Kredite sowie die Sicherheitenverträge4. Die Erstellung der Vertragsdokumentation erfolgt dabei zumeist durch von der arrangierenden Bank mandatierte Rechtsanwaltskanzleien. Parallel zur Abstimmung der Verträge, mithin vor deren Unterzeichnung, überprüft der Arranger die Syndizierbarkeit der Kredite und bemüht sich um die Syndizierung (vgl. Rz. 6.134 ff.). Die Kreditvertragsdokumentation wird sich in der Praxis, auch bei rein nationalen Vorgängen, nach dem Musterverträgen der Loan Market Association richten, welche inzwischen regelmäßig als Leitbild zugrunde gelegt werden (vgl. Rz. 6.106).
III. Besonderheiten 1. Besicherung der Kredite a) Ausgangslage
6.79 Da die Erwerbsgesellschaft im Rahmen einer Akquisitionsfinanzierung als zu diesem Zwecke neu gegründete Gesellschaft bei Unterzeichnung der Kreditverträge über kein nen1 2 3 4
Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 2 Rz. 25. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 2 Rz. 30, 33. Vgl. dazu eingehend Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 2 Rz. 38 ff. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 14.
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nenswertes Vermögen verfügen wird, ist eine Sicherheitenbestellung durch diese erst nach Erwerb der Zielgesellschaft möglich. Selbst nach diesem Zeitpunkt wird als Kreditsicherheit der Erwerbergesellschaft für die finanzierenden Banken im Wesentlichen nur die Verpfändung der Gesellschaftsanteile, welche diese an der Zielgesellschaft hält, in Betracht kommen. Ein Pfandrecht an den Gesellschaftsanteilen der Zielgesellschaft wird jedoch in der Regel keine werthaltige Sicherheit sein, da bei einem Verkauf der Anteile im Rahmen einer Sicherheitenverwertung kein hoher Erlös zu erwarten ist. Dies ist darin begründet, dass bei Akquisitionsfinanzierungen der Schuldendienst für die aufgenommenen Kredite durch Erlöse des operativen Geschäfts der Zielgesellschaft erbracht wird und von keiner hohen Profitabilität der Zielgesellschaft auszugehen ist, wenn die Erwerbsgesellschaft ihre Zahlungspflichten gegenüber den Kreditgebern nicht mehr erfüllen kann1. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich die Banken als Gläubiger der Erwerbsgesellschaft in einem sog. strukturellen Nachrang im Verhältnis zu den Gläubigern der Zielgesellschaft befinden. Als Gläubigerin des Gesellschafters der Zielgesellschaft kann eine Bank auf Basis des Pfandrechts an den Gesellschaftsanteilen erst nach Befriedigung der Gläubiger der Zielgesellschaft auf deren Gesellschaftsvermögen zugreifen und den verbleibenden Liquiditätsüberschuss einziehen. Den Gesellschaftern steht innerhalb wie außerhalb der Liquidation nur der Zugriff auf den zur Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht benötigten Überschuss zu2. Der BGH hat insoweit betont, dass das System der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung auf der unausgesprochenen, für das Recht der Kapitalgesellschaften jedoch grundlegenden Voraussetzung beruht, dass das Gesellschaftsvermögen, das zur Erfüllung der im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten benötigt wird, in der Gesellschaft zum Zwecke der Befriedigung ihrer Gläubiger verbleiben muss und damit der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogen ist3.
6.80
Als Lösung zur der zuvor dargestellten Problematik bietet sich in der Praxis die Einbeziehung der Zielgesellschaft in die Sicherheitenbestellung an. Übernimmt diese für die Verbindlichkeiten der Erwerbsgesellschaft Personal- oder Realsicherheiten gegenüber der finanzierenden Bank, würde eine direkte Gläubigerstellung im Verhältnis zur Zielgesellschaft bestehen und der Nachrang wegfallen. In Betracht kommen als Sicherheiten ein Schuldbeitritt, eine Garantie- oder Bürgschaftsübernahme oder eine dingliche Sicherung am Vermögen der Zielgesellschaft. Schwierigkeiten können insoweit allerdings hinsichtlich des Zeitpunkts der Sicherheitenbestellung bestehen. Die finanzierende Bank wird die wirksame Bestellung der Sicherheiten regelmäßig im Kreditvertrag als Auszahlungsvoraussetzungen für die Kreditvaluta bestimmen. Da eine Sicherheitenbestellung durch die Zielgesellschaft jedoch nicht in deren Interesse, sondern im Interesse der Erwerbsgesellschaft erfolgt, können die Sicherheiten der Zielgesellschaft in der Regel erst nach dem Erwerb der Gesellschaftsanteile bestellt werden, da es sich zuvor um eine der Geschäftsführung der Zielgesellschaft untersagte Sicherheitenbestellung ohne Gegenleistung zugunsten eines an der Gesellschaft unbeteiligten Dritten handelt4. Eine Weisungsbefugnis der Erwerbsgesellschaft gegenüber der Geschäftsleitung der Zielgesellschaft besteht erst nach Erlangung der Gesellschafterstellung und darüber hinaus nur dann, wenn eine entsprechende Bindung wie im Falle einer GmbH gem. § 37 Abs. 1 GmbHG besteht. Der Vorstand einer AG ist hingegen nicht weisungsgebunden, so dass eine Sicherheitenbestellung für die Kreditver-
6.81
1 2 3 4
Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 6 Rz. 8. BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00, ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902. BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00, ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 6 Rz. 11.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
bindlichkeiten der Erwerbsgesellschaft grundsätzlich erst nach einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung möglich sein wird (vgl. Rz. 6.96 ff.). b) Kapitalerhaltungsrecht
6.82 Im Falle einer Sicherheitenbestellung durch die Zielgesellschaft ist jedoch, abhängig von
deren Rechtsform, das gesellschaftsrechtliche Kapitalerhaltungsrecht zu berücksichtigen. Je nach Vermögenslage können dessen Vorgaben einer Bestellung von Sicherheiten entgegenstehen. aa) GmbH-Recht
6.83 Handelt es sich bei der Zielgesellschaft um eine GmbH, so sind bei der Bestellung von
Kreditsicherheiten für Verbindlichkeiten der Erwerbsgesellschaft als deren Gesellschafterin von der Geschäftsführung der Zielgesellschaft die Vorgaben der §§ 30, 31 GmbHG einzuhalten. § 30 Abs. 1 GmbHG bestimmt, dass das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden darf. Dieses Verbot gilt hingegen nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrags i.S.v. § 291 AktG erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Dieses Auszahlungsverbot betrifft nach ständiger BGH-Rechtsprechung nicht nur Geldleistungen an Gesellschafter, sondern Leistungen aller Art1.
6.84 Eine verbotene Auszahlung i.S.v. § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu Lasten des zur Erhaltung
des Stammkapitals erforderlichen Vermögens liegt bei einer Sicherheitenbestellung für den Darlehensrückzahlungsanspruch einer Bank als Sicherungsnehmer gegen die Erwerbsgesellschaft durch die Zielgesellschaft vor, wenn der Gesellschafter (Erwerbsgesellschaft) voraussichtlich nicht zur Rückzahlung in der Lage ist und zudem eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird2. Ist der Freistellungsanspruch bei der Bestellung der Sicherheit nicht werthaltig, liegt darin bereits die Auszahlung i.S.v. § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, mithin sind nachfolgende Verschlechterungen ohne Bedeutung.
6.85 Ist der Freistellungsanspruch bei der Bestellung der Sicherheit werthaltig, spielt eine spä-
tere Verschlechterung der Vermögenslage des Gesellschafters (Erwerbsgesellschaft) für das Vorliegen einer Auszahlung grundsätzlich keine Rolle. Ist aus ex-ante-Sicht aufgrund ausreichender Bonität von einer Rückzahlung des Darlehens durch den Gesellschafter und damit von einem werthaltigen Freistellungsanspruch auszugehen, liegt nach § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ein bilanzneutraler Aktivtausch vor, der keine verbotene Auszahlung darstellt und auch nicht allein durch eine Verschlechterung des Werts des Freistellungsanspruchs zu einer verbotenen Auszahlung wird3. Eine negative Entwicklung lässt die ex ante bestehende Vollwertigkeit des Freistellungsanspruchs somit nicht rückwirkend entfallen. Eine etwaig nachfolgende Verwertung ist hingegen bei einer dinglichen Sicherheitenbestellung für eine Forderung des Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter nicht für eine Auszahlung i.S.v. § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG maßgeblich4. 1 BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258, 1987, 205 = WM 1987, 348. 2 BGH v. 21.3.2017 – II ZR 93/16, ZIP 2017, 971 = 3 BGH v. 21.3.2017 – II ZR 93/16, ZIP 2017, 971 = 4 BGH v. 21.3.2017 – II ZR 93/16, ZIP 2017, 971 =
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276; BGH v. 1.12.1986 – II ZR 306/85, AG GmbHR 2017, 643. GmbHR 2017, 643. GmbHR 2017, 643.
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bb) AG-Recht Handelt es sich bei der Zielgesellschaft um eine AG, sind in Bezug auf eine Sicherheitenbestellung ebenfalls gesetzliche Beschränkungen des Kapitalerhaltungsrechts zu berücksichtigen. Hier gilt gem. § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG, insoweit strenger als bei der GmbH, dass den Aktionären keine Einlagen zurückgewährt werden dürfen. Dies gilt gem. Satz 3 nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags i.S.v. § 291 AktG erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind. Auch bei der AG wird das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG weit verstanden.
6.86
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist davon jede von der Gesellschaft dem Aktionär erbrachte, auf seiner Gesellschafterstellung beruhende Leistung erfasst, auf die ihm das AktG keinen Anspruch gewährt und die auch nicht aufgrund einer speziellen gesetzlichen Regelung zugelassen ist1. Bereits mit der Bestellung bspw. einer dinglichen Sicherheit an einen gesellschaftsfremden Dritten für ein Darlehen des Aktionärs liegt die Einlagenrückgewähr vor, da die übrigen Gläubiger im Umfang der Sicherheit keinen Zugriff mehr auf das Vermögen der AG haben, welche die Verwertung zugunsten des Sicherungsnehmers bei Fälligkeit auch nicht verhindern kann2. Dem steht auch nicht die seit Umsetzung des MoMiG Anwendung findende bilanzielle Betrachtungsweise entgegen, da auch ohne unmittelbare Auswirkung auf die Handelsbilanz eine Auszahlung an den Aktionär vorliegen kann3.
6.87
Eine Einlagenrückgewähr i.S.v. § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG liegt jedoch nicht vor, wenn die Leistung gem. § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt ist. Der Rückgewähranspruch gegen den mit der Bestellung einer Sicherheit begünstigten Aktionär besteht darin, dass er die Gesellschaft von der Inanspruchnahme der Sicherheit bei Fälligkeit des Darlehens freizustellen hat. Der Freistellungsanspruch wandelt sich nach Verwertung der Sicherheit in einen Rückgriffsanspruch und ist der Gegenleistungs- und Rückgewähranspruch i.S.v. § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG4. Bezüglich der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs ist auf den gleichen Zeitpunkt wie bei der GmbH abzustellen. Demnach ist der Rückgewähranspruch vollwertig, wenn aus ex-ante-Perspektive nach einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung im Zeitpunkt der Besicherung ein Ausfall des Rückzahlungsanspruches des Sicherungsnehmers unwahrscheinlich ist, da in diesem Fall ein zulässiger Aktivtausch in der Bilanz vorliegt5.
6.88
cc) Rechtsfolgen bei einem Verstoß Ein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsrecht bei Bestellung einer sog. upstream-Sicherheit führt in der Regel nicht zu deren Unwirksamkeit gegenüber der Bank als kreditgebender Sicherungsnehmer.
6.89
In Bezug auf das Kapitalerhaltungsrecht der GmbH entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Verstoß gegen § 30 GmbHG nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB führt, sondern sich die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Kapitalerhaltungsrecht ausschließlich aus der Spezialregelung des § 31 GmbHG
6.90
1 BGH v. 14.5.1992 – II ZR 299/90, AG 1992, 317 = ZIP 1992, 1081; BGH v. 13.11.2007 – XI ZR 294/07, AG 2008, 120 = ZIP 2008, 118; BGH v. 31.5.2001 – II ZR 141/09, WM 2011, 1273. 2 BGH v. 10.1.2017 – II ZR 94/15, AG 2017, 233 = WM 2017, 479. 3 BGH v. 10.1.2017 – II ZR 94/15, AG 2017, 233 = WM 2017, 479. 4 BGH v. 31.5.2011 – II ZR 141/09, AG 2011, 548 = WM 2011, 1273. 5 BGH v. 10.1.2017 – II ZR 94/15, AG 2017, 233 = WM 2017, 479.
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ergeben1. Das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 GmbHG bezwecke allein, dass das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter zurückgezahlt werde, mit der Rechtsfolge, dass ein entsprechendes Verpflichtungsgeschäft nicht erfüllt werden dürfe und eine gleichwohl erbrachte Leistung den Erstattungsanspruch nach § 31 GmbHG auslöse2. Für eine Anwendung des § 134 BGB und damit des Eintritts einer Nichtigkeitsfolge sei daneben kein Raum.
6.91 Betreffend die AG und das in § 57 AktG enthaltene Einlagenrückgewährverbot gilt im We-
sentlichen Entsprechendes. Nach früherer h.M. führte ein Verstoß gegen § 57 AktG zwar im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Aktionär nach § 134 BGB zur Nichtigkeit einer bezüglich der Sicherheitenbestellung bestehenden Abrede3, jedoch sollte dies, ebenso wie bei der GmbH, in der Regel nicht dazu führen, dass auch die Sicherungsabrede und das Vollzugsgeschäft zwischen Gesellschaft und der Bank als Sicherungsnehmer unwirksam wäre. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass § 57 AktG zwar ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB enthält, ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr aber nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, da die Rechtsfolgen spezialgesetzlich in § 62 AktG abweichend geregelt sind; Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft sind nach Ansicht des BGH wirksam4. Ein Verstoß gegen das im Innenverhältnis wirkende Verbot entfaltet gegenüber Dritten somit grundsätzlich keine nachteiligen Rechtswirkungen, da der Dritte nicht Adressat des Rückgewährverbots des § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG ist5. dd) limitation language
6.92 Bisher war es in der Bankpraxis nicht unüblich, dass im Falle der Sicherheitenbestellung
durch eine Zielgesellschaft (sog. upstream-Sicherheiten) in der Rechtsform einer GmbH zwischen der Sicherungsgeberin und der Sicherungsnehmerin ein sog. limitation language vereinbart worden ist. Dabei handelte es sich um die schuldrechtliche Vereinbarung einer Verwertungsbeschränkung der Sicherheit, mit dem Zweck, eine mögliche persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 43 Abs. 3 i.V.m. § 30 GmbHG wegen eines Verstoßes gegen das Kapitalerhaltungsrecht zu vermeiden. Mit der Vereinbarung soll ein angemessener Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Sicherungsnehmer und der Geschäftsführung des Sicherungsgebers hergestellt werden6.
6.93 Die Initiative zur Vereinbarung einer limitation language ging folglich von den Gesell-
schaftern bzw. dem Geschäftsführer der GmbH als Sicherungsgeberin aus, um eine mögliche Haftung wegen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG einzugrenzen. Dies wurde insoweit verwirklicht, als dass die Erhaltung des Stammkapitals der Gesellschaft zu jeder Zeit und folglich auch im Zeitpunkt der Verwertung der Sicherheit, sichergestellt wurde. Inhaltlich wurde üblicherweise vereinbart, dass die Bank als Sicherungsnehmer zur Inanspruchnahme nicht befugt ist, soweit dies zur Ent-
1 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 220/95, GmbHR 1997, 790 = WM 1997, 1621; BGH v. 18.6.2007 – II ZR 86/06, WM 2007, 1700 = GmbHR 2007, 1102. 2 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 220/95, WM 1997, 1621 = GmbHR 1997, 790. 3 S. nur OLG Düsseldorf v. 24.10.1979 – 11 U 47/79, AG 1980, 273, 274; Lange in Henssler/ Strohn, 3. Aufl. 2016, § 57 AktG Rz. 18 f. 4 BGH v. 12.3.2013 – II ZR 179/12, AG 2013, 431 = WM 2013, 748. 5 OLG Düsseldorf v. 24.10.1979 – 11 U 47/79, AG 1980, 273, 274; bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BGH v. 13.10.1980 – II ZR 2/80, AG 1981 227; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 45 Rz. 33. 6 Kollmorgen/Santelmann/Weiß, BB 2009, 1818, 1821; Orthmann/Weber, BB 2012, 1039, 1044.
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Akquisitionskredite | Teil 6
stehung oder Vertiefung einer Unterbilanz beim Sicherungsgeber führen würde. Der Sicherungsgeber hatte vor der Inanspruchnahme der Sicherheit einen Nachweis zu erbringen, dass die Inanspruchnahme der Sicherheit dazu führt, dass das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen angegriffen wird. Im Falle des Nachweises würde die Bank die Gesellschaft als Sicherungsgeber in Höhe desjenigen Betrages, der nachgewiesenermaßen zu einem Eingriff in das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen führen würde, nicht in Anspruch nehmen. Kernregelung einer limitation language ist es somit, die Verwertung der jeweiligen Kreditsicherheiten dann zu untersagen, wenn hierdurch ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften begründet werden würde1. Ergänzt werden die Regelungen einer limitation language durch Vereinbarungen, in welchen Fällen es keiner Einschränkungen der Sicherheitenverwertung bedarf. Dies sind zum einen die Tatbestandsalternativen des § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, bei welchen keine Auszahlungssperre zwischen Gesellschaft und Gesellschafter besteht. Zum anderen bestehen Ausnahmen regelmäßig auch in Höhe des Betrages der Kreditvaluta, in welcher der Sicherungsgeber oder seine Tochtergesellschaft von einem Gesellschafter den vom Sicherungsgeber besicherten Kredit weitergereicht oder als Kredit zur Verfügung gestellt bekommen hat. Durch die Vereinbarung einer limitation language wird dem Sicherungsgeber bei Personalsicherheiten ein Leistungsverweigerungsrecht und bei dinglichen Sicherheiten ein schuldrechtlicher Anspruch auf Unterlassung der Verwertung oder auf Herausgabe des Verwertungserlöses, soweit dies zum Ausgleich der Unterbilanz notwendig war, gewährt2. Für die Bank als Sicherungsnehmerin hat eine limitation language zur Folge, dass eine Bewertung der Sicherheiten nicht mehr möglich ist und folglich der Wert der Sicherheiten sowie die praktische Verwertbarkeit erheblich eingeschränkt ist. Konkret bedeutet dies, dass die die von der limitation language betroffene Sicherheit nicht oder nicht in voller Höhe als eigenkapitalentlastend anerkennungsfähig ist und die Anerkennungsfähigkeit nach Art. 192 ff. VO Nr. 575/2013 (CRR) allenfalls in Höhe des Teils der Kreditforderung in Betracht kommt, für welche die limitation language aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nicht zur Anwendung kommt3.
6.94
Aufgrund der jüngsten BGH-Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Beurteilung der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs i.S.v. § 30 GmbHG erscheint zumindest bei dinglichen Sicherheiten, die Gegenstand der Entscheidung waren, die Vereinbarung einer limitation language in der Praxis nicht mehr notwendig. Da nunmehr allein auf den Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit und nicht mehr auf etwaig eintretende Bonitätsverschlechterungen für die Frage der Werthaltigkeit abzustellen ist, bedarf es keiner Beschränkung der Verwertbarkeit i.S.e. limitation language mehr. Ob dies auch uneingeschränkt für Personalsicherheiten der Gesellschaft für Verbindlichkeiten des Gesellschafters gilt, ist der BGH-Entscheidung nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Nach überzeugender im Schrifttum vertretener Auffassung ist jedoch in Bezug auf die Notwendigkeit einer limitation language zwischen Real- und Personalsicherheiten kein Unterschied zu machen4. Eine Differenzierung ist sachlich nicht gerechtfertigt, da es für eine Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Gesellschaftsvermögens weitgehend gleichsteht, ob
6.95
1 Vgl. dazu auch von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 4 Rz. 128. 2 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 43 Rz. 102. 3 Steinhauer, WM 2014, 1264, 1267 ff.; Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 107. 4 Freitag, WM 2017, 1633; Sutter, WM 2018, 360; a.A. allgemein zur limitation language bei Upstream-Sicherheiten Becker ZIP 2017, 1599.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Vermögensgegenstände belastet oder Zahlungspflichten eingegangen werden1. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass Personal- und Sachsicherheiten bilanziell gem. § 251 HGB identisch behandelt werden, mit der Folge, dass die vom BGH für Sachsicherheiten angewendete bilanzielle Betrachtungsweise auch für Personalsicherheiten Anwendung zu finden hat und somit auch bei diesen nur der Zeitpunkt der Bestellung maßgeblich für die Beurteilung einer Haftung der Geschäftsführung sein kann2. Für eine Gleichbehandlung spricht darüber hinaus, dass das OLG Frankfurt im Falle einer als upstream-Sicherheit gewährten Garantie dieselben rechtlichen Wertungen wie der BGH zu dinglichen Sicherheiten vorgenommen hat3. So betonte der Senat, dass betreffend die Beurteilung der Vollwertigkeit eines Rückgewähranspruchs i.S.v. § 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GmbHG auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses einer Garantie abzustellen ist4. Schließlich würde es auch zu erheblichen Wertungswidersprüchen führen, wenn die wirtschaftlich gleichwertige Besicherung aller Aktiva im Rahmen von Realsicherheiten im Verhältnis zu einer indirekten Besicherung des gesamten Vermögens durch eine Personalsicherheit als Instrumente der Kreditsicherung ungleich behandelt werden würden5. 2. Post-akquisitorische Maßnahmen
6.96 Um die rechtlichen Probleme bei einer Bestellung von Kreditsicherheiten durch die Ziel-
gesellschaft für die Verbindlichkeiten der Erwerbsgesellschaft hinsichtlich der Einhaltung des Kapitalerhaltungsrechts zu lösen, kommen gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen in Form von post-akquisitorischen Maßnahmen in Betracht. Diese Maßnahmen sind allerdings erst nach Erwerb der Anteile an der Zielgesellschaft möglich, weil diese die Kontrolle des Erwerbers über die Zielgesellschaft voraussetzen. a) Verschmelzung von Erwerbs- und Zielgesellschaft
6.97 Als Arten der Verschmelzung kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Zum einen eine
Abwärtsverschmelzung (sog. Downstream Merger) von der Erwerbs- auf die Zielgesellschaft und zum anderen eine Aufwärtsverschmelzung (sog. Upstream Merger) von der Ziel- auf die Erwerbsgesellschaft. In beiden Fällen wird die jeweils übertragende Gesellschaft als Rechtsfolge der Verschmelzung aufgelöst und das Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträger geht kraft Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger über, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 UmwG. Somit werden in Folge der Verschmelzung die Kreditverbindlichkeiten und das als Kreditsicherheit dienende Vermögen in einer Gesellschaft vereinigt und für die Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften nach § 30 GmbHG sowie § 57 AktG bleibt folglich kein Raum mehr. Sowohl bei der Aufwärts- als auch der Abwärtsverschmelzung erlangen die Kreditgeber direkten Zugriff auf das Vermögen der Zielgesellschaft, sei es, dass diese Vertragspartner wird oder sei es, dass ihr Vermögen auf die Erwerbsgesellschaft übergeht. Dadurch wird ein etwaig bestehender struktureller Nachrang (vgl. Rz. 6.80) der Banken als Gläubiger der Erwerbsgesellschaft beseitigt, da sie nunmehr nicht lediglich Gläubiger des Gesellschafters der Zielgesellschaft sind, sondern deren unmittelbarer Gläubiger werden6. 1 2 3 4 5 6
Freitag, WM 2017, 1633, 1635. Sutter, WM 2018, 360, 366. OLG Frankfurt v. 8.11.2013 – 24 U 80/13, NZI 2014, 363. OLG Frankfurt v. 8.11.2013 – 24 U 80/13, NZI 2014, 363. Sutter, WM 2018, 363, 366. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 3 Rz. 5.
920 | Kropf
Akquisitionskredite | Teil 6
Im Falle eines Upstream Merger erlöschen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbs. 2 UmwG die Anteile, welche die Erwerbsgesellschaft an der Zielgesellschaft gehalten hat. Soweit den Kreditgebern Pfandrechte an diesen Anteilen bestellt worden wären, fallen diese ersatzlos weg. Da gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwG die übernehmende Gesellschaft einer Verschmelzung ihr Stammkapital nicht erhöhen darf, soweit sie Anteile eines übertragenden Rechtsträgers innehat, greift bei einem Upstream Merger von der Zielgesellschaft auf die Erwerbsgesellschaft § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 UmwG und damit die Surrogation von Rechten Dritter an neuen Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers in Gestalt der Erwerbsgesellschaft nicht ein1. Etwaig den Kreditgebern seitens der Erwerbsgesellschaft bestellte Pfandrechte erlöschen somit in diesem Fall. Differenziert gestaltet sich die Rechtslage bei einem Downstream Merger der Erwerbsgesellschaft auf die Zielgesellschaft. Grundsätzlich erlöschen die Anteile der Gesellschafter an der übertragenden Erwerbsgesellschaft und als „Ersatz“ erhalten sie Anteile an der übernehmenden Zielgesellschaft, § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG. Bestanden zugunsten der Kreditgeber Pfandrechte an den Anteilen der Erwerbsgesellschaft, so bestehen diese gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 UmwG im Wege der Surrogation an den Anteilen an der Zielgesellschaft fort. In dem Falle, dass die Erwerbsgesellschaft sämtliche Anteile an der Zielgesellschaft hält und diese im Zuge des Downstream Merger gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf die Zielgesellschaft übergegangen sind, diese mithin eigene Anteile hält, besteht ein Kapitalerhöhungswahlrecht, §§ 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwG. Werden keine neuen Anteile ausgegeben, erlischt das den Kreditgebern von der Erwerbsgesellschaft an ihren Anteilen eingeräumte Pfandrecht2.
6.98
Zu beachten ist allerdings, dass nach h.L. eine Verschmelzung unzulässig sein kann, wenn Verschmelzungsverluste beim übernehmenden Rechtsträger (wiederum) zu einem Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregelung führen3. Bei einem Upstream bzw. Downstream Merger darf somit durch die Übertragung negativen Vermögens nicht das Stamm- oder Grundkapital angegriffen werden, mit der Folge, dass bei einer GmbH gem. § 30 GmbHG das ungebundene Vermögen die Verluste übersteigen muss bzw. bei einer AG eine Übertragung negativen Vermögens keine verbotene Einlagenrückgewähr i.S.v. § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG bewirken darf. Da der Beteiligungserwerb durch die Erwerbsgesellschaft im Wesentlichen fremdfinanziert und deren einziger Vermögensgegenstand die Beteiligung an der Zielgesellschaft ist, gehen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auch deren Verbindlichkeiten bei einem Downstream Merger auf die Zielgesellschaft über. Wirtschaftlich betrachtet finanziert die Zielgesellschaft als übernehmender Rechtsträger ihr Eigenkapital mit Fremdmitteln, so dass ein erfolgswirksam zu erfassender Verlust entsteht4. Dies ist daher unter dem Gesichtspunkt der Kapitalerhaltung bei Kapitalgesellschaften kritisch zu überprüfen. Im Hinblick auf die Kapitalerhaltungsregeln bei einer GmbH ist eine solche Verschmelzung demnach nur zulässig, wenn der Verlust das über das Stammkapital hinaus ausgewiesene Eigenkapital nicht übersteigt5. Bei einer AG als übernehmenden Rechtsträger wäre
6.99
1 Vgl. Heidinger in Henssler/Strohn, 3. Aufl. 2016, § 20 UmwG Rz. 60. 2 Grunewald in Lutter, 5. Aufl. 2013, § 20 UmwG Rz. 65; Marsch-Barner in Kallmeyer, 6. Aufl. 2017, § 20 UmwG Rz. 31. 3 Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG und UmwStG, 7. Aufl. 2016, § 24 UmwG Rz. 52; Priester in Lutter, 5. Aufl. 2013, § 24 UmwG Rz. 62; Lanfermann in Kallmeyer, 6. Aufl. 2017, § 24 UmwG Rz. 40; Moszka in Semler/Stengel, 4. Aufl. 2017, § 24 UmwG Rz. 48. 4 Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG und UmwStG, 7. Aufl. 2016, § 24 UmwG Rz. 52; Lanfermann in Kallmeyer, 6. Aufl. 2017, § 24 UmwG Rz. 40. 5 Priester in Lutter, 5. Aufl. 2013, § 24 UmwG Rz. 62; Lanfermann in Kallmeyer, 6. Aufl. 2017, § 24 UmwG Rz. 40; Moszka in Semler/Stengel, 4. Aufl. 2017, § 24 UmwG Rz. 48.
Kropf | 921
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
entsprechend zu prüfen, ob es sich aufgrund der Übernahme negativen Vermögens um eine verbotene Einlagenrückgewähr § 57 AktG handelt1. b) debt push-down
6.100
Als alternative Gestaltungsmöglichkeit kommt die Übernahme der Kreditverbindlichkeiten durch die Zielgesellschaft in Betracht („debt push-down“). Dabei handelt es sich um die Vereinbarung einer befreienden Schuldübernahme, welche gem. § 414 BGB entweder zwischen Zielgesellschaft und Kreditgebern oder gem. § 415 BGB zwischen Zielgesellschaft und Erwerbsgesellschaft unter Zustimmung der Kreditgeber bewirkt werden kann. In Bezug auf die Besicherung durch die Zielgesellschaft ist dadurch erreicht, dass diese aufgrund der Schuldübernahme eigene Verbindlichkeiten besichert und § 30 GmbHG bzw. § 57 AktG keine Anwendung mehr finden2. Die Zielgesellschaft hat in der Folge der befreienden Schuldübernahme die Verbindlichkeiten zu passivieren und erwirbt, wenn der Schuldübernahme ein Geschäftsbesorgungsverhältnis zugrunde liegt, im Gegenzug einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Erwerbsgesellschaft, so dass bilanziell bei der Zielgesellschaft eine Bilanzverlängerung eintritt3. Problematisch bei einem debt push-down ist allerdings, dass der Übernahme der Kreditverbindlichkeiten der Erwerbsgesellschaft durch die Zielgesellschaft ggf. kein bzw. kein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegenüberstehen wird. Dementsprechend wären bei einer befreienden Schuldübernahme, welche keinem Drittvergleich standhält und mithin betrieblich veranlasst war, wiederum die Kapitalerhaltungsvorschriften nach § 30 GmbHG sowie § 57 AktG zu berücksichtigen. Regelmäßig wird daher die Übernahme der Kreditverbindlichkeiten mit dem Abschluss eines Unternehmensvertrages zwischen Erwerbsgesellschaft und Zielgesellschaft einhergehen4.
6.101
Statt einer befreienden Schuldübernahme in Form eines debt push-down kommt die Übertragung der als Kreditsicherheit dienenden Vermögensgegenstände von der Zielgesellschaft auf die Erwerbsgesellschaft in Betracht. Auch in diesem Fall würde aufgrund Vereinigung von Kreditverbindlichkeit und Kreditsicherheit in einer Gesellschaft die Anwendung der Kapitalerhaltungsregelungen entfallen. Ist allerdings die Erwerbsgesellschaft nicht in der Lage den Kaufpreis für die Übertragung der Vermögensgegenstände zu zahlen und wird diese Zahlung daher von der Zielgesellschaft gestundet, bestehen wiederum die gleichen Problemstellungen wie beim debt push-down.
5. Abschnitt: Konsortialkredite (Kropf) I. Grundlagen 1. Bedeutung, Begriff und wirtschaftliche Beweggründe
6.102
Bei einem Konsortialkredit handelt es sich um die Kreditgewährung durch mehrere Banken (Konsortium) gegenüber einem oder mehreren Kreditnehmern, weil sie die ge1 S. dazu Priester in Lutter, 5. Aufl. 2013, § 24 UmwG Rz. 62; Lanfermann in Kallmeyer, 6. Aufl. 2017, § 24 UmwG Rz. 40; Moszka in Semler/Stengel, 4. Aufl. 2017, § 24 UmwG Rz. 48; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG und UmwStG, 7. Aufl. 2016, § 24 UmwG Rz. 52. 2 Schumacher, BKR 2013, 270. 3 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 49 Rz. 58 f. 4 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 29.
922 | Kropf
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
entsprechend zu prüfen, ob es sich aufgrund der Übernahme negativen Vermögens um eine verbotene Einlagenrückgewähr § 57 AktG handelt1. b) debt push-down
6.100
Als alternative Gestaltungsmöglichkeit kommt die Übernahme der Kreditverbindlichkeiten durch die Zielgesellschaft in Betracht („debt push-down“). Dabei handelt es sich um die Vereinbarung einer befreienden Schuldübernahme, welche gem. § 414 BGB entweder zwischen Zielgesellschaft und Kreditgebern oder gem. § 415 BGB zwischen Zielgesellschaft und Erwerbsgesellschaft unter Zustimmung der Kreditgeber bewirkt werden kann. In Bezug auf die Besicherung durch die Zielgesellschaft ist dadurch erreicht, dass diese aufgrund der Schuldübernahme eigene Verbindlichkeiten besichert und § 30 GmbHG bzw. § 57 AktG keine Anwendung mehr finden2. Die Zielgesellschaft hat in der Folge der befreienden Schuldübernahme die Verbindlichkeiten zu passivieren und erwirbt, wenn der Schuldübernahme ein Geschäftsbesorgungsverhältnis zugrunde liegt, im Gegenzug einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Erwerbsgesellschaft, so dass bilanziell bei der Zielgesellschaft eine Bilanzverlängerung eintritt3. Problematisch bei einem debt push-down ist allerdings, dass der Übernahme der Kreditverbindlichkeiten der Erwerbsgesellschaft durch die Zielgesellschaft ggf. kein bzw. kein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegenüberstehen wird. Dementsprechend wären bei einer befreienden Schuldübernahme, welche keinem Drittvergleich standhält und mithin betrieblich veranlasst war, wiederum die Kapitalerhaltungsvorschriften nach § 30 GmbHG sowie § 57 AktG zu berücksichtigen. Regelmäßig wird daher die Übernahme der Kreditverbindlichkeiten mit dem Abschluss eines Unternehmensvertrages zwischen Erwerbsgesellschaft und Zielgesellschaft einhergehen4.
6.101
Statt einer befreienden Schuldübernahme in Form eines debt push-down kommt die Übertragung der als Kreditsicherheit dienenden Vermögensgegenstände von der Zielgesellschaft auf die Erwerbsgesellschaft in Betracht. Auch in diesem Fall würde aufgrund Vereinigung von Kreditverbindlichkeit und Kreditsicherheit in einer Gesellschaft die Anwendung der Kapitalerhaltungsregelungen entfallen. Ist allerdings die Erwerbsgesellschaft nicht in der Lage den Kaufpreis für die Übertragung der Vermögensgegenstände zu zahlen und wird diese Zahlung daher von der Zielgesellschaft gestundet, bestehen wiederum die gleichen Problemstellungen wie beim debt push-down.
5. Abschnitt: Konsortialkredite (Kropf) I. Grundlagen 1. Bedeutung, Begriff und wirtschaftliche Beweggründe
6.102
Bei einem Konsortialkredit handelt es sich um die Kreditgewährung durch mehrere Banken (Konsortium) gegenüber einem oder mehreren Kreditnehmern, weil sie die ge1 S. dazu Priester in Lutter, 5. Aufl. 2013, § 24 UmwG Rz. 62; Lanfermann in Kallmeyer, 6. Aufl. 2017, § 24 UmwG Rz. 40; Moszka in Semler/Stengel, 4. Aufl. 2017, § 24 UmwG Rz. 48; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG und UmwStG, 7. Aufl. 2016, § 24 UmwG Rz. 52. 2 Schumacher, BKR 2013, 270. 3 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 49 Rz. 58 f. 4 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 66 Rz. 29.
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Konsortialkredite | Teil 6
samten Kreditmittel nicht alleine bereitstellen wollen und/oder aus bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben eine Aufteilung des Kreditvolumens erforderlich ist bzw. diese einen erheblichen Anreiz zur Kostenreduzierung für das regulatorische Eigenkapital und den Verwaltungsaufwand setzt1. Konsortialkredite stellen folglich keine eigene Kreditart dar, sondern es handelt sich bei diesen vielmehr um eine besondere Form der Kreditgewährung. Dementsprechend betreffen die Besonderheiten eines Konsortialkredits weniger den eigentlich von den Kreditgebern ausgereichten Kredit, sondern vielmehr den Umstand, dass auf der Kreditgeberseite mehrere Kreditinstitute stehen2. Besondere Bedeutung erlangt die Bildung eines Kreditkonsortiums auf Seiten der Kreditgeber ab einer bestimmten Größenordnung des Kredites. So ist insbesondere ab einem Kreditvolumen von ca. 30–50 Mio. Euro in der Kreditpraxis häufig die Bildung eines Kreditkonsortiums und damit die gemeinsame Ausreichung des Kredits anstatt einer alleinigen Kreditvergabe zu beobachten3. Die Begrifflichkeit des Konsortialkredits per se sagt noch nichts über die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Bankgeschäfts aus, da sie, wie aufgezeigt, lediglich die Technik ein Darlehen durch mehrere Kreditgeber gemeinsam auszureichen beschreibt, so dass diese Bezeichnung in erster Linie zur Abgrenzung von sog. bilateralen Krediten dient4. Grundsätzlich kann daher ein Konsortialkredit in allen Erscheinungsformen, mithin als Zahlungs- wie auch Haftungskredit (sog. Avalkredite) vorkommen, wobei die größte Bedeutung dem Zahlungskredit als sog. Konsortialbarkredit zukommt5.
6.103
Der Bildung eines Kreditkonsortiums und damit dem Abschluss eines Konsortialkreditgeschäfts liegen unterschiedliche Beweggründe auf beiden Seiten der Vertragsparteien zugrunde. Für die Konsortialkreditgeber geht es in erster Linie um Streuung des Ausfallrisikos bei der Kreditausreichung. Das Ziel der Risikodiversifizierung des Kreditportfolios einer Bank kann die Risiken aus bestimmten Branchen oder auch die Risiken einzelner Schuldner betreffen6. Durch die Vergabe eines Konsortialkredits wird das Ausfallrisiko somit auf mehrere Kreditgeber verteilt. Darüber hinaus sind auch gesetzliche Vorgaben des Bankaufsichtsrechts zu berücksichtigen, die das Ziel einer Risikostreuung der Kreditinstitute verfolgen. Entsprechende Maßgaben sind in Art. 387 ff. VO Nr. 575/2013 (CRR)7 geregelt. Auf Seiten des Kreditnehmers können die Motive im erleichterten Zugang zu Fremdkapital sowie im Faktor einer Kostenersparnis liegen. So kann bspw. Unternehmen, die kein externes Rating aufweisen und damit über keinen unmittelbaren Zugang zum Kapitalmarkt verfügen, die Möglichkeit Fremdkapital in größerem Umfang aufzunehmen, eröffnet werden8. Darüber hinaus besteht die Aussicht Kosten zu senken, wenn ein Großkredit anstatt mehrerer kleinerer bilateraler Kredite aufgenommen wird.
6.104
1 Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 88. 2 Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/341; Sickel/Goldmann in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 9. 3 Vgl. dazu auch von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 28. 4 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 190. 5 So auch Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwoski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 87 Rz. 6. 6 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 30 Rz. 2. 7 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012. 8 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 38.
Kropf | 923
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
2. Rechtliche Grundlagen und Vertragsgestaltung
6.105
Bei Konsortialkreditgeschäften sind verschiedene Vertragsverhältnisse bzw. Rechtsbeziehungen voneinander zu unterscheiden. Zum einen besteht der Konsortialvertrag, welcher das Rechtsverhältnis zwischen den als Kreditgeber beteiligten Banken regelt. Zum anderen besteht der Konsortialkreditvertrag, welcher das Rechtsverhältnis zwischen den kreditgebenden Banken und dem Kreditnehmer regelt. Der Konsortialvertrag betrifft somit das Innenverhältnis der Konsortialbanken und der Konsortialkreditvertrag das Außenverhältnis der Konsortialbanken zum Kreditnehmer.
6.106
In der Vergangenheit erfolgte die Vertragsdokumentation im inländischen Kreditgeschäft entsprechend der vorgenannten Rechtsverhältnisse regelmäßig in zwei unterschiedlichen Vertragsurkunden1. Im internationalen Konsortialkreditgeschäft basiert die Vertragsdokumentation in der Regel auf den entsprechenden Mustern, welche von der Loan Market Association2 (LMA) auf Basis der englischen Vertragspraxis entwickelt worden sind. Diese enthält eine Kombination des Konsortialvertrags und des Konsortialkreditgeschäfts in einer Vertragsurkunde. Die Bedeutung dieser Vertragsgestaltung hat in der Kreditpraxis – trotz ihrer Entwicklung auf Basis des englischen Rechts – stark zugenommen, so dass auch bei rein nationalen Konsortialkrediten ohne internationale Bezüge inzwischen diese Vertragsmuster bzw. ihre Regelungstechnik verwendet werden. Aufgrund dieser sich etablierenden Leitbildfunktion des angelsächsischen Vertragstypus sind inzwischen von der LMA auch vereinzelt auf das deutsche Recht zugeschnittene Vertragsmuster entwickelt worden. Dies trifft bspw. für das Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement zu. Trotz dieser sich am Markt durchsetzenden Praxis der Dokumentation in einer Vertragsurkunde verbleibt es dennoch bei der Differenzierung zwischen Konsortialvertrag und Kreditvertrag3.
6.107
Die Übernahme der angelsächsischen Vertragsdokumentationspraxis für Konsortialkredite hat zu einer bestimmten Ausprägung von vertraglichen Charakteristika geführt. Diese bestehen in der Regel in einem vorgeschalteten Definitionsteil und der konsequenten Verwendung dieser Definitionen im Rahmen des Vertragsaufbaus sowie in einer im Wesentlichen abschließenden Regelung der Vertragsinhalte ohne das Erfordernis eines Rückgriffs auf Gesetze oder Fallrecht4. Die materiell-rechtlichen Vertragsinhalte wiederum beinhalten regelmäßig u.a. einen umfangreichen Katalog an Bestätigungen und Zusicherungen (representations und warranties), allgemeine Verpflichtungen (undertakings) sowie spezielle Verpflichtungen zur Einhaltung bestimmter Kennzahlen (financial covenants), Klauseln zu Zinsen und Entgelten (interest and fees) sowie eine Auflistung von Kündigungsregelungen (events of default). Diese Art der Vertragsgestaltung soll dem praktischen Bedürfnis der
1 Vgl. dazu Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/342. 2 Es handelt sich bei der Loan Market Association um eine mitgliedschaftlich organisierte Interessenvereinigung, welche 1966 in London gegründet worden ist. Die Mitglieder setzen sich aus den Markteilnehmern der Kreditmärkte zusammen. Zu den über 450 Mitgliedern gehören neben den Kreditinstituten auch Rechtsanwaltskanzleien und Ratingagenturen. 3 So auch Walgenbach in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 6; Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 97; Heise in Assies/Beule/ Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 2090. 4 Walgenbach in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 3.
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Konsortialkredite | Teil 6
Marktteilnehmer Rechnung tragen, ihre Rechte und Pflichten in der Vertragsdokumentation abschließend zu regeln1. Eine besondere Form eines Konsortialkredites stellt der sog. club deal dar. Die Besonderheiten eines club deals bestehen in der Begründung und Struktur des Kreditkonsortiums. Regelmäßig wird in diesen Gestaltungen nur eine geringe Anzahl von Banken beteiligt. Dabei wird der gesamte Kreditbetrag von einer im Vorhinein konstituierten Gruppe von Kreditgebern ausgereicht, so dass folglich die Bildung des Konsortiums nicht durch eine Syndizierung am Kreditmarkt erfolgt2. Die Mitglieder des Konsortiums stehen bereits fest und werden in die Vertragsgestaltung miteinbezogen. Beim club deal als Konsortialkredit werden somit die Vorteile der Kredittechnik eines Konsortialkredits in Form seiner Umlauffähigkeit gerade nicht genutzt, so dass er gewissermaßen einen bilateralen Kredit durch mehrere Kreditgeber darstellt3.
6.108
3. Grundformen des Konsortialkredits/Gestaltungsalternativen In der Kreditpraxis haben sich zwei verschiedene Grundformen eines Konsortialkredits entwickelt und etabliert. Dies ist zum einen der echte Konsortialkredit und zum anderen der unechte Konsortialkredit. Die auf der LMA-Dokumentation basierende Vertragspraxis konstituiert einen unechten Konsortialkredit4.
6.109
a) Echter Konsortialkredit Der echte Konsortialkredit ist im Wesentlichen durch eine zentralisierte buchungstechnische Abwicklung des Konsortialkredites geprägt. Daher spricht man auch von einem zentralisierten Konsortialkredit. So wird die Auszahlung des Kreditbetrages durch einen bestimmten Konsorten (Konsortialführer) an den Kreditnehmer vorgenommen. Der Konsortialführer zieht sodann bei den Mitkonsorten den ihrer Konsortialquote entsprechenden Betrag ein5. Auch die Kreditverwaltung erfolgt zentral über den Konsortialführer.
6.110
Die zentrale Abwicklung des Kreditvertrages gilt auch für die Rückzahlung des Kreditbetrages sowie regelmäßig auch für die Leistung der angefallenen Zinszahlungen. So erfolgen Zins- und Tilgungsleistungen an den Konsortialführer, der diese anteilig im Innenverhältnis an die anderen Konsortialbanken weiterleitet6. Hintergrund der Wahl einer zentralen Abwicklung kann daher der Aufwand, welcher mit der Durchführung des Kredites verbunden ist, sein, so dass diese Ausgestaltung unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis Vorteile bringen kann7.
6.111
1 Walgenbach in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 3. 2 Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 111; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 30 Rz. 3. 3 Vgl. dazu von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 137. 4 Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 103; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 30 Rz. 6. 5 Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/334. 6 Schäfer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 705 BGB Rz. 59; Sickel/Goldmann in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 12. 7 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 1 Rz. 20.
Kropf | 925
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
b) Unechter Konsortialkredit
6.112
In Abgrenzung zum echten Konsortialkredit stellt bei einem unechten Konsortialkredit jede Konsortialbank dem Kreditnehmer den Kredit auf Basis eines gemeinsamen Kreditvertrages jeweils in Höhe der entsprechenden Konsortialquote unmittelbar zur Verfügung. Die Banken verpflichten sich nicht gemeinschaftlich zu einer Leistung, sondern getrennt zu mehreren Leistungen1. Der Kreditnehmer hat gegen jede einzelne Konsortialbank einen Auszahlungsanspruch in Höhe des jeweils gewährten Kredites. Der unechte Konsortialkredit wird daher auch dezentralisierter Konsortialkredit genannt. In der Kreditpraxis erfolgen die beiderseitigen Zahlungen jedoch nicht unmittelbar an den jeweils Anspruchsberechtigten, sondern in beiden Richtungen über den Agenten als gemeinsame Zahlstelle, wobei diesem dabei nur eine Kontroll- und Koordinierungsfunktion zukommt2. Es besteht bei dieser Gestaltung ein Bündel rechtlich selbständiger Kredite, die durch Konsortialregelungen miteinander verbunden sind3. Auch wenn es sich somit nicht um einen einheitlichen Kreditvertrag handelt, stehen die Kreditverhältnisse der Kreditgeber mit dem Kreditnehmer demnach nicht vollkommen unabhängig voneinander. 4. Ablauf und Beteiligte einer Konsortialfinanzierung
6.113
Der Ablauf einer Konsortialkreditfinanzierung lässt sich, soweit es sich nicht um einen sog. club deal handelt, in der Regel in mehrere Phasen aufteilen. Dies sind die Mandatierungsphase, die Strukturierungs- und Primärsyndizierungsphase sowie der Vertragsabschluss und die Vertragsdurchführung. a) Mandatierungsphase
6.114
Bevor in die konkreten Vertragsverhandlungen zum Abschluss des Konsortialkredits eingestiegen wird, erfolgt im Rahmen der sog. Mandatierungsphase im Sinne einer Bestandsaufnahme eine Prüfung des Kapitalbedarfs und der Kapitaldienstfähigkeit des potentiellen Kreditnehmers und eine Sondierung der in Betracht kommenden Kreditgeber. Am Ende der Mandatierungsphase erfolgt auf Grundlage eines Mandatierungsschreibens (mandate letter) die Bestimmung einer Bank als Mandate Lead Arranger. Aufgabe eines Arranger ist die Strukturierung der Finanzierung nach den Bedürfnissen des Kreditnehmers, die Verhandlung und Abstimmung der Finanzierungsdokumente zwischen allen Parteien sowie die Syndizierung des Konsortialkredits an die Kreditgeber4. Je nach Ausgestaltung des Mandats, abhängig von der Größe der Transaktion kann es sich auch um mehrere Arranger mit spezifischen Rollen und Titeln handeln5. Die einzelnen speziellen Titel und Rollen der beteiligten Banken werden in den nachfolgend dargestellten Phasen einer Konsortialkreditfinanzierung erläutert. 1 Diem, Akquisitionsfinanzierung, 3. Aufl. 2013, § 30 Rz. 13. 2 Schäfer in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 705 BGB Rz. 59; Sickel/Goldmann in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 12; Diem, Akquisitionsfinanzierung, 3. Aufl. 2013, § 30 Rz. 14; Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 91 Fn. 481. 3 Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 91; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 30 Rz. 13. 4 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 186a. 5 Vgl. eingehend zu den einzelnen Rollenallokationen Zimny in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 160 ff.
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Konsortialkredite | Teil 6
Ein Arranger, welcher u.a. für die Führung des Syndizierungsbuchs und die Verteilung der Konsortialquoten auf die Konsortialbanken zuständig ist, wird als sog. bookrunner bezeichnet. Die Funktion des bookrunner ist aufgrund des damit verbundenen Prestiges eine begehrte Rolle im Rahmen eines Konsortialkredits, da als bookrunner arrangierte Transaktionen für Branchen-Rankings der erfolgreichsten (Führungs)Banken (sog. league table) von Relevanz sind1.
6.115
Dem Mandatierungsschreiben ist ein sog. term sheet beigefügt. Das term sheet beinhaltet die wesentlichen Bedingungen und Konditionen der vorgeschlagenen Finanzierung und dient als Basis für die Verhandlungen über den Konsortialkredit. Das term sheet ist als eine Absichtserklärung zu qualifizieren, der aber eine zumindest faktische Bindungswirkung zukommt, da von den darin enthaltenen Rahmendaten bei der Gestaltung des Kreditvertrages nur selten abgewichen wird2.
6.116
Im term sheet wird darüber hinaus bestimmt, in welcher Form der Konsortialkredit arrangiert werden soll. Unterschieden wird dabei zwischen firm commitment underwriting (underwriting) und best-effort-Transaktionen. Beim underwriting verpflichtet sich eine Bank (Underwriter), regelmäßig der Mandate Lead Arranger, dazu, den Kreditbetrag im Falle eines Scheiterns der Syndizierung vollumfänglich (full underwriting) oder teilweise (partial underwriting) zur Verfügung zu stellen. Das Risiko des Scheiterns der Syndizierung übernimmt somit der Underwriter. Durch das underwriting wird eine vertragliche Bindung zur Begründung eines entsprechenden Kreditvertrags bewirkt, welche als Vertrag sui generis i.S.v. § 311 Abs. 1 BGB mit Elementen des Geschäftsbesorgungs- und des Dienstvertrags qualifiziert werden kann3. Im Rahmen einer best-effort-Transaktion sichert der Mandated Lead Arranger lediglich zu, sich nach „besten Kräften“ um eine Syndizierung zu bemühen, während hingegen der Erfolg der Syndizierungsaktivitäten gerade nicht verbindlich zugesichert wird4. Das Risiko eines Scheiterns trägt dabei der Kreditnehmer. Gelingt es in diesen Fällen nicht, den Kredit zu den festgelegten Konditionen am Markt bei Banken/Finanzinstituten unterzubringen, wird das Kreditgeschäft in aller Regel nicht, nicht vollständig oder nicht zu den avisierten Konditionen zustande kommen5.
6.117
b) Strukturierungs- und Primärsyndizierungsphase An die Mandatierungsphase schließt sich die Strukturierungs- und Primärsyndizierungsphase an. In dieser Phase ist der Arranger der zentrale Ansprechpartner des Kreditnehmers. Als Aufgabe obliegt es ihm einerseits die Bedingungen des Kreditvertrags zu verhandeln und andererseits andere Banken als Konsortialmitglieder zu gewinnen6. Der Arranger lädt andere Banken im Rahmen der Primärsyndizierung zur Beteiligung am Konsortium ein. Dies erfolgt auf Basis des term sheets. Diejenigen Banken, die ihr Interesse an der Übernahme einer Konsortialquote mitgeteilt haben, erhalten nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung (confidentiality agreement) weitere Informationen in 1 Zimny in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 163. 2 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 2 Rz. 33; von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 77. 3 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 79. 4 Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 106; Heise in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 2093. 5 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 82. 6 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 85.
Kropf | 927
6.118
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Form eines sog. Information Memorandum und des term sheets. Das Information Memorandum wird regelmäßig vom Arranger erstellt, bei großen Konsortialkrediten erfolgt dies durch Beauftragung eines syndication agent1.
6.119
Die interessierten Banken können bis zum Ablauf der im Einladungsschreiben enthaltenen Frist ihre Zusage zur Übernahme einer Konsortialquote abgeben. Im Anschluss erfolgt die sog. Allokation, mit anderen Worten die tatsächliche Zuteilung der Konsortialquote an die an einer Konsortialbeteiligung interessierten Banken2.
6.120
Die Vertragsverhandlung mit allen Vertragsparteien des Konsortialkredits wird häufig durch einen documentation agent federführend koordiniert, der auch ggf. die externen Rechtsanwaltskanzleien zwecks Erstellung der Finanzierungsdokumentation mandatiert3. c) Vertragsschluss- und Vertragsdurchführung
6.121
Die Abwicklung und Administration des Kredites nach dem Vertragsschluss übernimmt der Konsortialführer (facility agent). Häufig übernimmt die zuvor als Arranger fungierende Bank auch die Rolle des facility agents in der Phase der Vertragsabwicklung4. Der facility agent ist die zentrale Kommunikationsstelle für den Kreditnehmer. Ihm obliegen die Verwaltung und Überwachung der technischen und organisatorischen Abwicklung des Konsortialkredites, so dass sämtliche Zahlungen und der Informationsaustausch mit den Konsortialbanken über ihn laufen. Zu den Aufgaben des facility agents gehören dabei insbesondere die Prüfung und Bestätigung der Auszahlungszahlungsvoraussetzungen (sog. conditions precedents) (vgl. Rz. 6.161), die Zahlungsausführung sowie Überwachung von Zahlungsströmen oder auch die Prüfung der Compliance Certificates5.
6.122
Im Falle einer Besicherung des Konsortialkredites wird in der Praxis regelmäßig eine Konsortialbank als sog. Sicherheitentreuhänder (security agent) bestellt. Die Aufgabe des security agents ist das Halten und die Verwaltung der Kreditsicherheiten. Aufgrund des bei akzessorischen Kreditsicherheiten geltenden Grundsatzes der Gläubigeridentität, obliegt dem security agent insoweit nur die Verwaltung der Sicherheiten, während nicht akzessorische Sicherheiten von ihm (auch) treuhänderisch gehalten werden. 5. Abgrenzung zur Unterbeteiligung
6.123
Von einem Konsortialkredit zu unterscheiden ist eine Unterbeteiligung. Von einer Unterbeteiligung wird allgemein gesprochen, wenn der Inhaber einer Rechtsposition (Hauptbeteiligter) einen Dritten im Innenverhältnis an dieser beteiligt6. Eine Unterbeteiligung ist als eine BGB-Innengesellschaft zu qualifizieren7. Rechtsbeziehungen in Form des Unterbeteiligungsverhältnisses bestehen nur zwischen dem Hauptbeteiligten (Kreditgeber) 1 Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 107; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 2 Rz. 59. 2 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 98. 3 Vgl. dazu Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 186a. 4 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 103 Fn. 303; Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 107 Fn. 545. 5 Zimny in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 167. 6 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 156. 7 BGH v. 11.7.1968 – II ZR 179/66, NJW 1968, 2003.
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Konsortialkredite | Teil 6
und dem Unterbeteiligtem. Zum Kreditnehmer steht nur der Hauptbeteiligte in einem Vertragsverhältnis. Er behält somit gegenüber dem Kreditnehmer seine formale Rechtsposition. Es bedarf folglich auch keiner Zustimmung des Kreditnehmers oder weiterer am Kreditverhältnis beteiligter Kreditgeber1. Eine Unterbeteiligung ist auch an der Konsortialquote eines Kreditgebers möglich, so dass der Unterbeteiligte nur an der Konsortialbeteiligung des Hauptbeteiligten partizipiert, nicht hingegen am Konsortialkreditverhältnis als solchem. Auch in diesem Fall steht der Unterbeteiligte nicht in Rechtsbeziehungen zu den anderen Konsortialkreditgebern. Die zuvor dargestellte Ausgestaltung hat zur Folge, dass der Unterbeteiligte sich intern gegenüber dem Kreditgeber am Risiko aus dem Kreditverhältnis beteiligt und auf die Weiterleitung von Zahlungen in Form von Tilgung und Zins nur dann einen Anspruch hat, wenn der Kreditnehmer an den Hauptbeteiligten geleistet hat. Fällt der Hauptbeteiligte aus bzw. erhält er keine Zahlungen des Kreditnehmers, hat somit auch der Unterbeteiligte keinen Zahlungsanspruch. Unterbeteiligungen können als Kredit- oder Risikounterbeteiligung vereinbart werden. Bei erstgenannter erfolgt die Risikoübernahme durch Liquiditätszuschuss seitens des Unterbeteiligten, während bei letztgenannter der Unterbeteiligte sich verpflichtet, im Falle eines eventuellen Zahlungsausfalls des Kreditnehmers eine gewisse Quote des Verlustes im Innenverhältnis zum Kreditgeber zu übernehmen2.
6.124
II. Kreditkonsortium 1. Ausgestaltung Entsprechend wie beim Konsortialkredit (als solchem), gibt es auch beim Kreditkonsortium mehrere Möglichkeiten der Ausgestaltung. Als Differenzierungskriterium greift insoweit das Auftreten des Kreditkonsortiums im Außenverhältnis gegenüber dem Kreditnehmer. Diesbezüglich wird unterschieden zwischen einem Außenkonsortium und einem Innenkonsortium. Die Differenzierung zwischen Außen- und Innenkonsortium ist nicht mit der zwischen zentraler und dezentraler Verbuchung des Kredits gleichzusetzen3.
6.125
a) Außenkonsortium Außenkonsortien sind dadurch charakterisiert, dass das Konsortium bestehend aus den Konsortialbanken nach außen gegenüber dem Kreditnehmer auftritt und für diesen beim Vertragsschluss als Konsortium erkennbar ist. Vertragspartner des Kreditnehmers wird somit nicht nur eine Konsortialbank bzw. ein Konsortialmitglied, sondern der Konsortialkreditvertrag wird mit sämtlichen Konsortialbanken geschlossen4. Dies bedeutet allerdings nicht, dass zwangsläufig bei einem Außenkonsortium jede Konsortialbank mit dem Kreditnehmer in Verbindung tritt5. Im Außenverhältnis handelt vielmehr regelmäßig 1 2 3 4
Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/338. von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 159. von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 1 Rz. 23. Heise in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 2087; von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 1 Rz. 13. 5 Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/336; von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 1 Rz. 13.
Kropf | 929
6.126
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
nur ein Konsorte, der die anderen Konsortialbanken in offener Stellvertretung i.S.v. § 164 BGB vertritt. In der Kreditpraxis ist das Außenkonsortium der Regelfall beim Abschluss von Konsortialkrediten1. b) Innenkonsortium
6.127
In Abgrenzung zum Außenkonsortium tritt bei einem Innenkonsortium der Konsortialführer im Verhältnis zum Kreditnehmer nach außen alleine auf, insbesondere handelt er im eigenen Namen. Er wird alleiniger Vertragspartner des Kreditnehmers, die übrigen Kreditgeber treten in kein unmittelbares Rechtsverhältnis mit dem Kreditnehmer (sog. stilles Konsortium)2. Im Innenverhältnis schließt der Konsortialführer den Kreditvertrag auch auf eigene Rechnung des Konsortiums bzw. der anderen Konsortialbanken ab. Es handelt sich somit um einen Fall der mittelbaren Stellvertretung. Zwischen dem Kreditnehmer und den Mitkonsorten werden folglich keine Rechte und Pflichten begründet. Einen Anspruch auf Zurverfügungstellung des Kreditbetrags hat der Kreditnehmer im Falle eines Innenkonsortiums somit auch nur gegenüber dem nach außen auftretenden Konsortialführer. Der im Außenverhältnis gegenüber dem Kreditnehmer auftretende Konsortialführer verteilt das Risiko lediglich im Innenverhältnis zu den anderen Konsortialbanken, welche wiederum diesem gegenüber zur Bereitstellung der übernommenen Konsortialquote verpflichtet sind3. 2. Rechtsform
6.128
Ein Kreditkonsortium ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. §§ 705 ff. BGB zu qualifizieren. Eine GbR liegt vor, wenn mehrere Gesellschafter einen Vertrag zu einem gemeinsamen Zweck schließen und sich darin verpflichten diesen Zweck zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten. Der zu fördernde gemeinsame Zweck bei einem Kreditkonsortium ist die gemeinsame Kreditgewährung durch die Konsortialbanken an den Kreditnehmer sowie die Verwaltung und Einziehung des Kredites für die Rechnung aller Konsorten. Gemeinsame Rechnung heißt in diesem Zusammenhang, dass die Erlöse und Ausfälle aus dem Kreditverhältnis unter den Kreditgebern anteilig entsprechend ihrer jeweiligen Konsortialquoten aufgeteilt bzw. getragen werden sollen4. Ein Kreditkonsortium wird aufgrund der Errichtung zwecks Durchführung eines einzigen Geschäfts auch als Gelegenheitsgesellschaft bezeichnet5. Diese löst sich nach Zweckerreichung, mithin der vollständigen Abwicklung des Kredits, gem. § 726 BGB wieder auf. Die gesetzlichen Regelungen der §§ 705 ff. BGB sind weitgehend dispositiv. In der Kreditpraxis werden die gesetzlichen Regelungen überwiegend abbedungen. Dies betrifft vor allem die Bildung eines Gesamthandvermögens und die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GbR. 1 So auch Sickel/Goldmann in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 12; Heise in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2015, 4. Kap. Rz. 2087; Früh/Müller-Arends in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/336. 2 Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 94; Sickel/Goldmann in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 12. 3 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 1 Rz. 14. 4 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 31 Rz. 3. 5 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 31 Rz. 7; von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 197; Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 99.
930 | Kropf
Konsortialkredite | Teil 6
Darüberhinausgehend bedarf es für das Kreditkonsortium als GbR einer Zuordnung als Außen- oder Innengesellschaft. Diese Unterscheidung ist seit der Anerkennung der Außen-GbR durch den BGH1 als (teil-)rechtsfähig von großer praktischer Bedeutung. Denn nur die Außen-GbR kann als solche Träger von Rechten und Pflichten sein, sie ist selber Zuordnungssubjekt und kann daher unmittelbar Rechtsverhältnisse begründen.
6.129
Die Unterscheidung einer GbR zwischen Außen- und Innengesellschaft erfolgt grundsätzlich anhand ihres Auftretens im Rechtsverkehr. Tritt eine GbR als Verbund, als „Gruppe“, im Rechtsverkehr vertreten durch ihre Vertreter unter ihrem Namen auf, handelt es sich um eine Außen-GbR. Diese ist Trägerin von Rechten und Pflichten und nicht die Gesellschafter. Die Gesellschafter haften akzessorisch für die Gesellschaftsverbindlichkeiten gem. § 128 HGB analog.
6.130
Für die Kreditpraxis stellt sich als Konsequenz aus dieser Unterscheidung der GbR die Frage, ob der Regelfall eines Außenkonsortiums eine GbR in Form einer Außen- oder Innengesellschaft darstellt. Der im Konsortialkreditgeschäft gewählten Vertragsgestaltung entspricht anhand der zuvor genannten Kriterien das Vorliegen einer Innengesellschaft. Der Konsortialkredit wird vom Kreditnehmer auch im Falle eines Außenkonsortiums gerade nicht von diesem als Gruppe geschlossen. Vielmehr kommt der Kreditvertrag mit den einzelnen Konsortialmitgliedern als Vertragspartner zustande2. Es entspricht nicht den Interessen der Beteiligten, dass das Konsortium als solches Inhaber der Forderungen gegenüber dem Kreditnehmer wird. Die tatsächliche Gestaltungsform Außenkonsortium ist gerade nicht mit der Wahl der Rechtsform als GbR-Außengesellschaft gleichzusetzen. Auch im Falle der Erkennbarkeit einer Kreditausreichung durch ein Konsortium und demzufolge dem Vorliegen eines Außenkonsortiums, entspricht es dem Willen der Konsortialbanken – dies ist für die Rechtsform allein maßgeblich – eine GbR-Innengesellschaft zu bilden. Es besteht keine rechtliche Notwendigkeit Außenkonsortium und Außengesellschaft sowie Innenkonsortium und Innengesellschaft gleichzusetzen. Vielmehr ist es überzeugend auch im Falle eines offenen Konsortialverhältnisses (Außenkonsortium) den beteiligten Banken die Möglichkeit der Errichtung einer Innengesellschaft, die nicht selbst Vertragspartner des Konsortialkreditvertrages wird, einzuräumen. Nur dies wird den Interessen der Vertragsparteien gerecht, da auch bei der Errichtung einer Innengesellschaft die Kreditverträge nicht vom Konsortialführer im eigenen Namen geschlossen werden sollen.
6.131
Nach dem gesetzlichen Leitbild steht bei einer GbR sämtlichen Gesellschaftern gem. § 709 Abs. 1 Halbs. 1 BGB die Geschäftsführung gemeinsam zu. In der Praxis des Konsortialkreditgeschäfts wird jedoch regelmäßig eine Bank (facility agent) mit der Erledigung bestimmter Aufgaben und der Ausübung im Einzelnen bestimmter Rechte beauftragt, wodurch diese nicht zum Alleingeschäftsführer des Konsortiums, sondern zum Beauftragten der Kreditgeber wird3. Es bleibt daher im Übrigen bei einer Gesamtgeschäftsführung der Konsortialbanken. Die Entscheidungen im Innenverhältnis müssen von den Gesellschaf-
6.132
1 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, WM 2001, 408. 2 So auch Walgenbach in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 6; von Bismarck, Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 249, 251; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 31 Rz. 9; Glaß in Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Rz. 103. 3 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 31 Rz. 16, § 32 Rz. 2; a.A. Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 87 Rz. 31, die von einer Alleingeschäftsführung einzelner Banken oder eine Gruppe von Banken ausgehen.
Kropf | 931
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
tern gem. § 709 Abs. 1 Halbs. 2 BGB grundsätzlich einstimmig beschlossen werden. In der Konsortialfinanzierungspraxis wird jedoch nach Maßgabe der LMA-Musterverträge häufig eine Entscheidung mit qualifiziert Mehrheit (662/ 3 %) vereinbart1. Die Berechnung der Mehrheit erfolgt dabei nicht nach Köpfen, sondern nach den Konsortialquoten2.
6.133
Das Kreditkonsortium ist, wie aufgezeigt, als GbR in Form einer Innengesellschaft zu qualifizieren, so dass eine Vertretung des Konsortiums als solches im Geschäftsverkehr durch eine oder mehrere Konsortialbanken nicht in Betracht kommt. Regelmäßig wird vielmehr der facility agent von den anderen Konsortialkreditgebern bevollmächtigt, die zur Ausführung seiner Aufgaben erforderlichen Erklärungen abzugeben3. Der facility agent handelt dabei nicht im Namen der GbR-Innengesellschaft, sondern im Namen jedes einzelnen Kreditgebers4.
III. Syndizierung 1. Überblick
6.134
Unter einer Syndizierung wird die teilweise oder vollständige Übertragung der Konsortialanteile des ursprünglichen Kreditgebers auf andere Kreditgeber zur Begründung oder Erweiterung eines Kreditkonsortiums verstanden5. Eine Syndizierung kann im Falle eines bereits unterschriebenen Kreditvertrages erfolgen oder vor der Unterzeichnung des Kreditvertrags, so dass die im Rahmen der Syndizierung gewonnenen Kreditgeber zeitgleich mit dem oder den Arranger(n) Vertragspartei werden6. 2. Verfahren
6.135
Die Grundzüge des Verfahrens im Rahmen einer Primärsyndizierung sind bereits zuvor im Zuge der Erläuterung des Ablaufs eines Konsortialkreditgeschäfts dargestellt worden (vgl. Rz. 6.118 ff.). Zweck der Primärsyndizierung ist die Zusammenstellung des Kreditkonsortiums. In dieser ersten Syndizierungsrunde werden demnach weitere Banken vom Arranger eingeladen eine bestimmte Quote an dem Kredit zu übernehmen. Im Einzelfall, vor allem wenn mehrere Banken als Arranger mandatiert sind, kann diese Rolle auch von einem sog. bookrunner übernommen werden (vgl. Rz. 6.115). Das Einladungsschreiben, in dem u.a. der Kreditnehmer, die Kreditbeträge und die Eckdaten der Kredite mitgeteilt werden, ist rechtlich als eine invitatio ad offerendum zu qualifizieren7. Es stellt somit noch kein den antragenden Arranger bindendes Angebot dar, sondern eine Aufforderung an die eingeladenen Banken, Angebote zur Übernahme einer Konsortialquote zu unterbreiten. Die Auswahl der einzuladenden Banken hängt vom jeweiligen Syndizierungskon1 Vgl. Definition der Majority Lender im LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 2 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 87 Rz. 32. 3 Vgl. Ziff. 26.1 (a) Appointment of the Agent im LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 4 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 32 Rz. 8. 5 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 33 Rz. 1. 6 Vgl. Walgenbach in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 191. 7 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 2 Rz. 58.
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Konsortialkredite | Teil 6
zept ab, welches typischerweise zwischen Arranger und Kreditsuchendem im Vorfeld abgestimmt wird1. Wie zuvor dargestellt (vgl. Rz. 6.118), erhalten diejenigen Banken, welche ihr Interesse an der Beteiligung am Konsortialkredit mitgeteilt haben, vom Arranger zusätzliche Informationen, die aus dem Information Memorandum und dem term sheet bestehen. Im Einzelfall kann für die Erstellung des Information Memorandum gesondert ein syndication agent beauftragt werden. Inhaltlich enthält das Information Memorandum eine Beschreibung der geplanten Finanzierung und detaillierte Informationen über den Kreditsuchenden, wobei die Informationen zwar vom Arranger zusammengestellt werden, jedoch hauptsächlich auf Daten basieren, die der Kreditsuchende zur Verfügung gestellt hat bzw. solchen, die aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen2. Zweck ist im Wesentlichen eine Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Kreditsuchenden. Da es sich teilweise um sensible Daten handelt, werden in der Praxis von den interessierten Banken, trotz des allgemein anerkannten Schutzes von kundenbezogenen Daten durch das Bankgeheimnis, vor Erhalt und Einsichtnahme des Information Memorandum Vertraulichkeitsverpflichtungen abgegeben.
6.136
Der Arranger schließt gegenüber den eingeladenen Banken die Haftung für die Richtigkeit aller Angaben im Information Memorandum regelmäßig aus, so dass jede Bank die Informationen selbständig prüfen und eine eigenständige Kreditentscheidung treffen muss3. Häufig erfolgt dies auf Basis eines sog. disclaimers, in dem darauf hingewiesen wird, dass der Arranger die enthaltenen Informationen nicht im Einzelnen geprüft hat, sondern diese lediglich weitergibt4.
6.137
Nach Zugang und Sammlung der Reaktionen aller eingeladenen Banken, welche im sog. syndication book verwaltet werden, erfolgt die tatsächliche Zuteilung der Konsortialquoten an die Banken. Hat sich der Arranger zu einem teilweisen oder vollständigen Underwriting bereit erklärt (vgl. Rz. 6.117) kann sich im Rahmen der Zuteilung der Konsortialquoten das von ihm übernommene Risiko verwirklichen, wenn ein zu geringes Interesse auf Bankenseite vorliegt. Der Underwriter hat in diesem Falle die Differenz zu übernehmen. Handelt es sich hingegen um eine sog. best-effort-Transaktion kann das zu geringe Interesse an einem Kreditengagement unter Umständen das Scheitern der Kreditvergabe und damit des gesamten Finanzierungsvorhabens zur Folge haben. Erfolgt die Übernahme der Konsortialanteile vor Abschluss des Kreditvertrages, so werden die Banken als weitere Vertragsparteien einbezogen, im Falle der Übernahme nach Vertragsabschluss unterzeichnet jeder der beitretenden Banken eine Übertragungs- und Beitrittsvereinbarung (sog. transfer certificate)5.
6.138
3. Rechtliche Einordnung und Erfordernisse a) Grundlagen Im Zuge der Übertragung eines Konsortialanteils nach Kreditvertragsabschluss an einen Dritten übernimmt dieser einen Teil der vertraglichen Rechte und Pflichten des ursprünglichen Kreditgebers aus dessen Kreditverhältnis mit dem Kreditnehmer und tritt 1 2 3 4 5
von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 87. von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 91. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 2 Rz. 59. von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 2 Rz. 95. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 2 Rz. 62.
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6.139
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
überdies dem Kreditkonsortium als Gesellschafter bei1. Die Übertragung des Konsortialanteils in Form der Übernahme der Rechte und Pflichten aus dem Kreditvertrag durch den übernehmenden Kreditgeber ist dogmatisch als Vertragsübernahme zu qualifizieren. Diese ist als Übertragung eines Schuldverhältnisses durch Eintritt einer Vertragspartei anstelle der Bisherigen gesetzlich nicht geregelt, jedoch im Rahmen der Privatautonomie zulässig. Bei einer Vertragsübernahme handelt es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft, nicht hingegen um eine Kombination aus einer Schuldübernahme und einer Abtretung2. Die Vertragsübernahme als einheitliches Rechtsgeschäft bedarf der Zustimmung aller Beteiligter3. Die Vertragsübernahme kann als dreiseitiger Vertrag oder durch Vertrag zwischen zwei Beteiligten geschlossen werden, der durch den dritten Beteiligten genehmigt wird4. Die Zustimmung kann durch den Dritten bereits im Voraus erklärt werden5. Der Dritte im Rahmen der Vertragsübernahme ist der Kreditnehmer des Konsortialkreditvertrages. Die Vertragsübernahme bewirkt eine Sonderrechtsnachfolge in den Kreditvertrag, wobei, abgesehen vom Wechsel der Kreditgeber, der Inhalt des Vertrages unverändert bleibt6. Auf die Vertragsübernahme sind die §§ 398 ff. und §§ 414 ff. BGB im Wesentlich entsprechend anwendbar, so dass u.a. die akzessorischen Sicherheiten auf den eintretenden Kreditgeber übergehen und die Einwendungen bestehen bleiben. b) Konsortialkreditvertrag
6.140
Gegen die Übertragung von Rechten und Pflichten aus dem Konsortialkreditverhältnis auf einen anderen Kreditgeber, bestehen keine gesetzlichen Hindernisse. Grundsätzlich in Betracht zu ziehen ist bei der Übertragung eines Anteils an einem Konsortialkreditverhältnis die Anwendbarkeit des § 309 Nr. 10 BGB. Die Vorschrift enthält ein Klauselverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Wechsel eines Vertragspartners. Demgemäß ist eine Bestimmung u.a. auch in Darlehensverträgen unwirksam, wonach ein Dritter anstelle des Klauselverwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten eintritt oder eintreten kann, es sei denn, in der Bestimmung wird a) der Dritte namentlich bezeichnet oder b) dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt, sich vom Vertrag zu lösen.
6.141
Gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB findet u.a. § 309 BGB allerdings keine Anwendung auf AGB, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden. Konsortialkreditverträge werden von den Kreditgebern jedoch in der Kreditpraxis mit Unternehmern geschossen, so dass das Klauselverbot auf die Syndizierungsregelungen in Konsortialkreditverträgen keine Anwendung findet. Die Überprüfung von AGB-Klauseln zwischen Unternehmen anhand der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB führt betreffend die Übertragung von Rechten und Pflichten aus einem Konsortialkredit zu keinem anderen Ergebnis. Unter der Prämisse, dass es sich bei den Regelungen in Konsortialkreditverträgen um AGB handelt, liegt kein Verstoß gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, 2 BGB, auch unter Berücksichtigung der Wertungen aus § 309 Nr. 10 BGB, vor. Es entspricht den angemessenen Interessen und Bedürfnissen in der Konsortialkreditpraxis, dass 1 2 3 4 5 6
Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 33 Rz. 4. Grüneberg in Palandt, § 398 BGB Rz. 42. BGH v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158. BGH v. 30.1.2013 – XII ZR 38/12, NJW 2013, 1083. BGH v. 18.10.1995 – VIII ZR 149/94, WM 1996, 128. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 33 Rz. 19.
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Konsortialkredite | Teil 6
Syndizierungsklauseln in Konsortialkrediten enthalten sind, da die Handelbarkeit von Kreditanteilen Grundvoraussetzungen für das Geschäftsmodell des Konsortialkredits ist1. Ebenso wenig stehen einer Übertragung von Rechten und Pflichten aus dem Konsortialkreditvertrag in Form der Vertragsübernahme durch eine (neue) Konsortialbank Aspekte des Datenschutzes oder die Vorgaben des Bankgeheimnisses entgegen. Der BGH hat ausdrücklich entscheiden, dass die Abtretung von Forderungen durch ein Kreditinstitut nicht aufgrund des Bankgeheimnisses einem vertraglichen oder gesetzlichen Abtretungsausschluss unterliegt und im Übrigen der Wirksamkeit der Abtretung auch nicht die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes entgegenstehen2. Auch wenn es sich bei einer vollständigen und teilweisen Vertragsübernahme im Rahmen der Syndizierung nicht um eine Abtretung, sondern um ein einheitliches Rechtsgeschäft zur Übertragung von Rechten und Pflichten handelt, sind diese Gesichtspunkte auch auf die Vertragsübernahme übertragbar. Nach allgemeiner Auffassung sind die Vorschriften der §§ 398 ff. BGB entsprechend auf die Vertragsübernahme anzuwenden3. Überdies ist zu berücksichtigen, dass es dem Markstandard in der Kreditpraxis entspricht, den Kreditgebern im Konsortialkreditvertrags ausdrücklich zu gestatteten, die zur Syndizierung notwendigen Informationen weiterzugeben, worin eine hinreichende Einwilligung des Kreditnehmers in die Weitergabe seiner Daten und damit in die Befreiung seiner Bank vom Bankgeheimnis zu sehen ist4.
6.142
c) Konsortialvertrag Von der vertraglichen Regelung des Eintritts in den Konsortialkreditvertag ist der Beitritt zum Kreditkonsortium zu unterscheiden. Wie zuvor aufgezeigt, handelt es sich bei einem Kreditkonsortium um eine GbR in Form einer Innengesellschaft. Ein Wechsel im Gesellschafterbestand im Falle der Übernahme eines Konsortialanteils kann durch Ein- und Austritt sowie durch Anteilsübertragung vollzogen werden.
6.143
Der dem Kreditkonsortium als Gesellschafter beitretende Kreditgeber kann dies durch eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarung in Form einer Eintrittsvereinbarung mit den übrigen Mitgliedern des Konsortiums vollziehen. Die Zulässigkeit des Eintritts eines neuen Gesellschafters in eine bestehende GbR ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit5. Grundsätzlich erwirbt ein neu eintretender Gesellschafter eine Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen einer GbR. Dies gilt jedoch mangels Bestehens eines Gesellschaftsvermögens nicht bei einem Kreditkonsortium6. Das Ausscheiden eines GbR-Gesellschaftes bewirkt grundsätzlich die Auflösung der Gesellschaft7. Diese Rechtsfolge kann jedoch durch entsprechende Regelung in Form einer Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden. Das Ausscheiden einer Konsortialbank als Gesellschafter kann u.a. durch eine Vereinbarung mit den übrigen Gesellschaftern erfolgen8.
6.144
1 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 5 Rz. 215; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 33 Rz. 12. 2 BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643. 3 Vgl. nur BGH v. 1.2.2012 – VIII ZR 307/10, WM 2012, 2020; Grüneberg in Palandt, § 398 BGB Rz. 44. 4 von Bismarck, Die Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 5 Rz. 191; Früh, WM 2000, 497. 5 Vgl. dazu Sprau in Palandt, § 736 BGB Rz. 5. 6 Vgl. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 31 Rz. 27. 7 Vgl. Sprau in Palandt, Vorb. § 723 BGB Rz. 1, § 736 BGB Rz. 2. 8 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 31 Rz. 26.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
6.145
Eine Übertragung der Mitgliedschaft erfolgt gem. §§ 398, 413 BGB. Dieser Vorgehensweise steht § 719 BGB nicht entgegen, da diese Vorschrift keine Aussage zur rechtsgeschäftlichen Übertragung der Mitgliedschaft trifft1. Vertraglich wird diese durch eine Vereinbarung zwischen Übertragendem und Erwerber des Anteils vollzogen. Aufgrund der personalistischen Struktur einer GbR ist die Zustimmung (Einwilligung, Genehmigung) der übrigen Gesellschafter erforderlich. Die Zustimmung zum Verfügungsgeschäft kann bereits im Voraus im Gesellschaftsvertrag2, durch Gesellschafterbeschluss in Form einer Einwilligung oder nachträglich durch Genehmigung erfolgen3. Die Anteilsübertragung ist mit der Wirksamkeit der Verfügung vollzogen, mit anderen Worten regelmäßig mit Vorliegen der Zustimmung der Mitgesellschafter. Die deutschen LMA-Musterverträge, welche in der Praxis regelmäßig als Grundlage für Konsortialfinanzierungen dienen, sehen die Möglichkeit der Übertragung von Konsortialanteilen vor4. In dieser Regelung ist eine stillschweigende Zustimmung der Konsortialbanken zur Übertragung der Mitgliedschaft zu sehen5. Der Erwerber wird dadurch Rechtsnachfolger des übertragenden Gesellschafters. Mangels Bildung eines Gesellschaftsvermögens bei einem Kreditkonsortium wird kein Vermögensanteil zwischen veräußerndem und erwerbendem Kreditgeber übertragen.
6.146
Fraglich ist bei einem neu hinzutretenden Kreditgeber, ob dieser der Gesellschafterhaftung unterliegt. Ein in eine GbR eintretender Gesellschafter haftet grundsätzlich für die zu diesem Zeitpunkt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft akzessorisch gem. §§ 128, 130 HGB analog. Diese Regelungen gelten jedoch nur für die teilrechtsfähige Außen-GbR. Da es sich in der Kreditpraxis bei einem Kreditkonsortium jedoch (im Regelfall) um eine GbR-Innengesellschaft handelt, welche im Gegensatz zur Außen-GbR nicht selbst Träger von Rechten und Pflichten wird und folglich auch keine eigenen Verbindlichkeiten begründen kann, scheidet eine Anwendung der Haftungsregelungen auf einen eintretenden Konsortialkreditgeber aus. 4. Abgrenzung zu einer Abtretung
6.147
Von der Syndizierung von Konsortialanteilen am Kreditverhältnis zu unterscheiden ist die Abtretung von Forderungen aus dem Kreditverhältnis zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer unter dem Konsortialkreditverhältnis. Die Abtretung von Forderungen bestimmt sich nach §§ 398 ff. BGB. Die Abtretung einer Forderung führt nicht zu einem Vertragspartnerwechsel im zuvor dargestellten Sinne. Es findet lediglich ein Gläubigerwechsel bezüglich des oder der abgetretenen Forderungen statt. Der Zedent bleibt jedoch Vertragspartner des Konsortialkreditvertrages. Die Ausplatzierung durch Abtretung von Forderungen ist somit von der Syndizierung im engeren Sinne in Form der Übertragung von Rechten und Pflichten zu unterscheiden. Hintergrund für eine Ausplatzierung seitens einer Bank kann die Möglichkeit der Refinanzierung (inklusive Schaffung von Liquidität und Liquiditätspuffern), der Eigenkapitalentlastung oder der Risikodiversifizierung sein. Vor allem die Schaffung von Liquidität und Liquiditätspuffern kann einer aufsichtsrechtlichen Notwendigkeit geschuldet sein. Kreditverträge mit Unternehmen (Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften) enthalten in der Praxis daher auch regelmäßig sog. Syndizierungsklauseln. 1 2 3 4 5
Kilian in Henssler/Strohn, 3. Aufl. 2016, § 719 BGB Rz. 13. BGH v. 14.11.1960 – II ZR 55/59, WM 1961, 303, 305. BGH v. 11.4.1957 – II ZR 182/55, NJW 1957, 1026. Vgl. Ziff. 24 des LMA Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 31 Rz. 28.
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Konsortialkredite | Teil 6
Die Abtretung einer Kreditforderung erfolgt durch Abschluss eines Abtretungsvertrags zwischen dem Kreditgeber als bisherigem Gläubiger und dem neuen Gläubiger. Eine Beteiligung an diesem Vertrag seitens des Schuldners der Forderung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Ebenso wenig bedarf es zur Wirksamkeit der Abtretung einer Anzeige gegenüber dem Schuldner. Mit dem Abschluss des Verfügungsvertrags tritt gem. § 398 Satz 2 BGB der neue Gläubiger (Zessionar) an die Stelle des bisherigen Gläubigers (Zedent). Die Möglichkeit einer Forderungsabtretung sehen die für Konsortialkredite als Leitbild dienenden LMA-Musterverträge üblicherweise vor.
6.148
In Abweichung von der gesetzlichen Ausgestaltung besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Verfügungsberechtigung des Forderungsgläubigers durch eine Zustimmungspflicht des Schuldners eingeschränkt oder auch vollständig ausgeschlossen wird. Eine Abtretung der Forderung ist folglich bei Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts ohne Zustimmung des Schuldners sowie im Falle eines vollständigen Abtretungsausschlusses unwirksam. In diesem Sinne bestimmt § 399 Alt. 2 BGB, dass eine Forderung nicht abgetreten werden kann, wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist. Diese Regelung ist sowohl auf den vollständigen Abtretungsausschluss als auch die Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts anwendbar1. Auf die Unwirksamkeit der Abtretung wegen Verstoßes gegen einen rechtsgeschäftlichen Abtretungsausschluss kann sich jedermann berufen, nicht nur der Schuldner2. Das rechtsgeschäftliche Abtretungsverbot entfaltet folglich eine absolute Wirkung. Durch § 399 BGB wird der Forderung letztendlich die Verkehrsfähigkeit genommen3.
6.149
Eine Ausnahme von der Unabtretbarkeit von Forderungen kann sich zwar grundsätzlich aus § 354a Abs. 1 HGB ergeben. Gemäß dieser Vorschrift ist die Abtretung einer Forderung auch bei Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses gem. § 399 BGB wirksam, wenn es sich bei dem der Forderung zugrunde liegenden Geschäft für beide Vertragsparteien um ein Handelsgeschäft i.S.v. § 343 HGB handelt. Dies wird bei Konsortialkreditgeschäften regelmäßig der Fall sein4. Abs. 2 des § 354a HGB bestimmt jedoch, dass diese Ausnahme auf Forderungen, deren Gläubiger ein Kreditinstitut im Sinne des KWG ist, keine Anwendung findet. § 354a Abs. 1 HGB ist somit auf Forderungen aus Konsortialkrediten nicht anzuwenden, mit der Folge, dass Abtretungen nach § 399 Alt. 2 BGB unwirksam sind, wenn sie die etwaig im Konsortialkreditvertrag enthaltenen Erfordernisse nicht erfüllen.
6.150
Wie bereits zuvor im Rahmen der Syndizierung betreffend die Voraussetzungen einer wirksamen Vertragsübernahme dargelegt, stehen der Wirksamkeit einer Abtretung von Forderungen aus einem Kreditvertrag durch eine Bank weder das Bankgeheimnis noch datenschutzrechtliche Vorgaben entgegen (vgl. Rz. 6.142). Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH5 zum BDSG a.F., welche auch vom BVerfG bestätigt worden ist6. Nach überzeugender Ansicht gilt dies auch weiterhin unter dem Regelungsregime des BDSG n.F. bzw. der DSGVO7. Wie auch nach bisheriger Rechtslage des BDSG a.F., sind weder die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des BDSG n.F., insbesondere des
6.151
1 2 3 4 5 6 7
BGH v. 3.12.1987 – VII ZR 374/86, WM 1988, 460; Grüneberg in Palandt, § 399 BGB Rz. 8. Grüneberg in Palandt, § 399 BGB Rz. 12. BGH v. 14.10.1963 – VII ZR 33/62, NJW 1964, 243. von Bismarck, Besicherung internationaler Konsortialkredite, § 5 Rz. 188. Vgl. BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643. BVerfG v. 11.7.2007 – 1 BvR 1025/07, WM 2007, 1694. Lehmann/Wancke, WM 2019, 613, 614 ff.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
§ 42 Abs. 1 BDSG, noch die unmittelbar anwendbaren Vorschriften der DSGVO als Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB zu qualifizieren, so dass selbst im Falle eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen die Wirksamkeit der Abtretung unberührt bleibt1. Eine davon zu unterscheidende Frage ist jedoch, ob sich die Bank wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis unter Umständen gegenüber dem Kreditnehmer nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig machen könnte. In Bezug auf eine möglicherweise schadenersatzpflichtige Verletzung des Bankgeheimnisses wird zwischen notleidenden Darlehensforderungen und Forderungen gegen vertragstreue Darlehensnehmer unterschieden.
6.152
Bei Kreditforderungen gegen vertragstreue Darlehensnehmer ist zu beachten, dass dem Bankgeheimnis grundsätzlich der Vorrang einzuräumen ist, so dass die darlehensgebende Bank verpflichtet ist das Bankgeheimnis einzuhalten. In diesen Fällen sollte demzufolge die Einwilligung der vertragstreuen Kunden eingeholt werden2. Die Weitergabe kreditnehmerbezogener, nicht anonymisierter Daten im Vorfeld eines Forderungsverkaufs oder nach erfolgter Abtretung, ohne dass der Kreditnehmer dazu seine Zustimmung erteilt hat, stellt daher einen Verstoß gegen das Bankgeheimnis dar3. Die Einwilligung kann sowohl individualvertraglich als auch in AGB erklärt werden. In der Kreditpraxis sind in Kreditverträgen häufig sog. Syndizierungs- oder Abtretungsklauseln enthalten, worin geregelt ist, dass die kreditgewährende Bank Rechte aus dem Vertragsverhältnis an bestimmte Dritte übertragen darf und der Kreditnehmer die Bank insofern von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit. Die genannten Klauseln gelten allerdings grundsätzlich nur für diejenigen Rechtsbeziehungen, im Rahmen derer sie vereinbart sind, und erstrecken sich nicht ohne weiteres auf die gesamte Geschäftsverbindung, so dass bei Verträgen, welche keine vorweggenommene Einwilligung des Kunden in die Informationsweitergabe beinhalten, dessen Einverständnis ggf. insoweit noch gesondert einzuholen ist4.
6.153
Eine abweichende Beurteilung gilt hingegen bei notleidenden Kreditforderungen. Bei diesen ist die kreditgewährende Bank jedenfalls berechtigt, kundenbezogene Informationen in nicht anonymisierter Form im Rahmen des Veräußerungsprozesses den Kaufinteressenten und gegebenenfalls hierin eingebundenen Dienstleistern und Beratern zur Verfügung zu stellen5. Ein Kredit bzw. eine Kreditforderung gilt dann als notleidend, wenn der Kreditnehmer seine vertraglichen Zahlungspflichten verletzt und die Bank infolge dieses vertragswidrigen Verhaltens zur Kündigung des Kreditvertrages berechtigt ist, wobei die Kündigung selbst noch nicht ausgesprochen sein muss6. In diesen Fällen handelt es sich bei der Abtretung um die Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Bank, da diese bei einem vertragsbrüchigen Kreditnehmer berechtigt ist, alles zu tun, um ihren Schaden möglichst gering zu halten7.
1 2 3 4 5
Lehmann/Wancke, WM 2019, 613, 615 f. Berger in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, 114. Lfg., Rz. 3/1247. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 39 Rz. 58a. Berger in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, 114. Lfg., Rz. 3/1245. Berger in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, 114. Lfg., Rz. 3/1247; Nobbe, ZIP 2008, 97, 104. 6 Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 39 Rz. 59. 7 Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 39 Rz. 61 mit Angabe weiterer Prämissen, die bei der Abtretung einzuhalten sind.
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Konsortialkredite | Teil 6
IV. Konsortialkreditvertrag 1. Ausgestaltung der Kredite Im Rahmen eines Konsortialkreditvertrages können unterschiedliche Arten von Krediten seitens der Kreditgeber ausgereicht bzw. vom Kreditnehmer in Anspruch genommen werden. Regelmäßig werden für Barinanspruchnahmen Terminkredite und revolvierende Kredite bzw. sog. Abzweiglinien sowie als Haftungskredite auch Avalkredite unter dem Konsortialkredit zur Verfügung gestellt.
6.154
Terminkredite weisen eine feste Laufzeit auf und sind vom Kreditnehmer, je nach vertraglicher Vereinbarung, in einer Summe am Endfälligkeitstag oder bei Ratentilgung, an den vertraglich bestimmten Tilgungsterminen zurückzuzahlen. Da demnach Terminkredite nicht am Ende der Zinsperiode zurückzahlen sind, bedarf es auch zur Prolongation keiner erneuten Kreditziehung, vielmehr wird zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber nur eine neue Zinsperiode vereinbart1. Zurückgezahlte Terminkredite können nicht wieder vom Kreditnehmer in Anspruch genommen werden2. Revolvierende Kredite sind dadurch gekennzeichnet, dass der Kredit am Ende der Zinsperiode vom Kreditnehmer zurückzahlen ist3. Besonderheit der revolvierenden Kredite ist, dass eine Rückzahlung des Kreditnehmers nicht die für Kreditziehungen zur Verfügung stehende Kreditzusage vermindert, so dass es ihm möglich ist, zurückgezahlte Beträge wieder in Anspruch zu nehmen4.
6.155
Abzweiglinien (Ancillary Loan) bieten die Möglichkeit, dass ein Teilbetrag einer Kreditlinie durch eine bilaterale Kreditvereinbarung zwischen Kreditnehmer und einem Kreditgeber ausgereicht werden kann. Dabei wird der facility agent nicht eingebunden. Bei einer Abzweiglinie erklärt sich der betreffende Kreditgeber dazu bereit, einen Teil seiner verfügbaren Kreditzusage nicht mehr anteilig unter einer Kreditziehung des Kreditnehmers auszureichen, sondern diesen Teilbetrag als bilaterale Kreditzusage dem Kreditnehmer zur Verfügung zu stellen5. Abzweiglinien können für verschiedene Arten von Krediten genutzt werden. Dies können Kontokorrentkredite, Avale oder auch Festzinskredite sein. Die Kreditkonditionen sowie die Art der zur Verfügung zu stellenden Kredite regeln der Kreditnehmer und der Kreditgeber im Rahmen einer bilateralen Kreditvereinbarung. Regelmäßig werden im Übrigen die Regelungen des Konsortialkreditvertrages unverändert übernommen bzw. angewendet.
6.156
Im Rahmen eines Avalkredits kann der Kreditnehmer vornehmlich die Übernahme von Bankbürgschaften und Bankgarantien von den Kreditgebern verlangen. Durch eine Ziehung des Kreditnehmers unter einer Avalkreditlinie wird mit dem Krediteber ein Avalauftrag geschlossen, welcher als Geschäftsbesorgungsvertrags zu qualifizieren ist (vgl. eingehend zum Avalgeschäft Rz. 7.1 ff.). Unter einem Konsortialkreditvertrag bestehen grund-
6.157
1 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 24. 2 Vgl. Ziff. 8.7 (c) LMA-Muster LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 3 Vgl. Ziff. 2.1 LMA-Muster LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 4 Vgl. Ziff. 8.7 (d) LMA-Muster LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 5 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 26.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
sätzlich zwei Möglichkeiten der Avalübernahme. Dabei wird unterschieden zwischen einem fronting-bank-Konzept, bei welchem eine oder mehrere fronting-Banken die Avale unter pro-rata-Risikoübernahme durch die Kreditgeber herauslegen sowie dem multiissuer-Konzept, bei dem alle Kreditgeber selbst Avale herauslegen1. Das Erstattungsrisiko sowie Kosten und Schäden werden beim fronting-bank-Konzept von allen Kreditgebern entsprechend ihrem Verhältnis ihrer Beteiligung an der Gesamtkreditzusage getragen. Bei eigenständiger Übernahme der Avalverbindlichkeit durch die Konsortialkreditgeber können diese die Avalurkunde entweder gemeinsam unterzeichnen oder vertreten durch den facility agent, wobei die gesamtschuldnerische Haftung der Konsortialkreditgeber ausgeschlossen wird, mit der Folge, dass jeder nur in Höhe seiner Quote in Anspruch genommen werden kann (Teilschuld)2. 2. Erläuterung der marktüblichen Vertragsklauseln
6.158
Da, wie zuvor erläutert (vgl. Rz. 6.106), sich auch in der nationalen Kreditpraxis als Leitbild für Konsortialkreditverträge die Muster der LMA durchgesetzt haben, erfolgen die Erläuterungen der typischen Vertragsinhalte anhand der wesentlichen marktüblichen Klauseln gemäß dem LMA-Standard. a) Inanspruchnahme
6.159
Die Kreditinanspruchnahme bei Konsortialkrediten erfolgt regelmäßig in formalisierter Form und unter Festlegung bestimmter Inanspruchnahmevoraussetzungen. Die Inanspruchnahmevoraussetzungen sind sämtliche Erfordernisse, welche erfüllt sein müssen, dass die Abgabe einer Ziehungsnachricht gestattet und die Kreditgeber zur Beteiligung an der Kreditauszahlung verpflichtet sind.
6.160
Der Kreditnehmer kann eine Kreditlinie unter dem Konsortialkreditvertag nur in Anspruch nehmen, wenn er beim facility agent eine ordnungsgemäß ausgefüllte Ziehungsnachricht eingereicht hat. Eine Ziehungsnachricht wird üblicherweise nur dann als ordnungsgemäß ausgefüllt gewertet, wenn die in Anspruch genommene Kreditlinie bezeichnet ist, der beabsichtigte Tag der Inanspruchnahme ein Bankgeschäftstag innerhalb des Verfügbarkeitszeitraums ist, die Anforderungen an die Währungs- und Betragsangaben erfüllt sind sowie die beabsichtigte Zinsperiode mit den vertraglichen Vorgaben übereinstimmt3. Zudem darf mit jeder Ziehungsnachricht nur ein Kredit angefordert werden.
6.161
Die erste Ziehungsnachricht darf der Kreditnehmer erst an den facility agent senden, wenn dieser sämtliche notwendigen Dokumente und Nachweise, die im Konsortialkreditvertrag vereinbart sind, erhalten hat (initial conditions precedent)4. Zu den bei der ersten Inanspruchnahme vorzulegenden Dokumenten und Nachweisen können bspw. ein aktueller notariell beglaubigter Handelsregisterauszug nebst der gesellschaftsrechtlichen Verfassung in Form der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags, ein Gesellschafter- oder Auf1 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 28. 2 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 87 Rz. 12. 3 Vgl. Ziff. 5.2. Completion of a Utilisation Request LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 4 Vgl. Ziff. 4.1 Initial conditions precedent LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement.
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Konsortialkredite | Teil 6
sichtsratsbeschluss, welcher die Zustimmung zu den Finanzierungsbedingungen beinhaltet, sowie Unterschriftenproben aller für die Finanzierung vertretungsberechtigten Personen und eine Bestätigung, welche die Richtigkeit, Vollständigkeit und Wirksamkeit der Dokumente bescheinigt, gehören1. Zusätzlich kann mitunter als Inanspruchnahmevoraussetzung die Vorlage von legal opinions verlangt sein. Diese Ziehungsnachricht muss in zufriedenstellender Weise die Anforderungen an ihre Form und ihren Inhalt erfüllen. Welche Anforderungen vor der ersten Ziehungsnachricht bestehen, hängt weitestgehend von den vertraglichen Vereinbarungen im Einzelfall ab. Der facility agent benachrichtigt im Falle der Erfüllung dieser Voraussetzungen sowohl den Kreditnehmer als auch die Kreditgeber. Zur Abgabe dieser Benachrichtigung wird der facility agent von sämtlichen Kreditgebern ermächtigt. Mit Abgabe der vertragsgerechten Ziehungsnachricht kommt zwischen dem Kreditnehmer und dem Kreditgeber ein Einzelkreditvertrag zustande2.
6.162
Zusätzlich müssen die Kreditgeber jeweils eine Auszahlung nur dann vornehmen (further conditions precedent), wenn am Tag der Ziehungsnachricht und am Tag der beabsichtigten Inanspruchnahme sowohl keine Kündigungsgründe (events of default) (fortlaufend) erfüllt als auch die wiederholten Zusicherungen (repeated representations) sämtlicher Verpflichteter in wesentlicher Hinsicht zutreffend sind3. Folglich ist jeder Kreditgeber erst dann zur Auszahlung unter dem zustande gekommenen Einzelkreditvertrag verpflichtet, wenn fortwährend bei jeder Ziehung des Kreditnehmers diese Inanspruchnahmevoraussetzungen nachweislich erfüllt sind.
6.163
b) Tilgung Darlehen werden nach dem gesetzlichen Leitbild in § 488 BGB bei Fälligkeit vom Darlehensnehmer zurückgezahlt. Fälligkeit tritt danach entweder bei Ablauf der vereinbarten Befristung oder mangels bestimmter Laufzeit durch Kündigung des Darlehensvertrages seitens einer der Vertragsparteien ein. Nur bei zinslosen Darlehen ist der Darlehensnehmer auch zur Rückzahlung ohne Kündigung berechtigt. Diese Regelungen in § 488 Abs. 3 BGB sind jedoch abdingbar. Die marktüblichen Konsortialkreditverträge entsprechend dem LMA-Standard sehen besondere Regelungen für die Tilgung der ausgereichten Kredite vor. Dabei wird unterschieden zwischen der Regeltilgung sowie vorzeitiger Pflichttilgung und freiwilliger Sondertilgung.
6.164
aa) Regeltilgung Bei der Regeltilgung von unter einem Konsortialkreditvertrag ausgereichten Kreditlinien kommen je nach Vertragsgestaltung mehrere Möglichkeiten in Betracht. Handelt es sich bei dem Kredit um eine revolvierende Kreditlinie, so wird diese am letzten Tag der Zinsperiode zurückzuzahlen sein4. Bei Terminkrediten hingegen bestehen keine vertraglichen Vorgaben, so dass sowohl eine ratenweise Tilgung als auch eine Tilgung bei Endfälligkeit in Betracht kommt, wobei letztendlich die konkrete Ausgestaltung von den geschäft1 Vgl. Schedule 2 Part I LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 2 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 72. 3 Vgl. Ziff. 4.2 Further conditions precedent LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 4 Vgl. Ziff. 7.2 (a) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement.
Kropf | 941
6.165
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
lichen Erfordernissen des Kreditnehmers abhängen wird, welche ihren Niederschlag in den vertraglichen Regelungen finden1. bb) Pflichtsondertilgung
6.166
Konsortialkreditverträge gemäß dem anglo-amerikanischen Leitbild sehen zusätzlich mitunter Regelungen vor, wonach der Kreditnehmer Pflichtsondertilgungen (mandatory prepayment) bei den ausgereichten Krediten vorzunehmen hat. Häufig werden insbesondere die folgenden Fallgruppen für Pflichtsondertilgungen bestimmt. Dies betrifft zum einen Konstellationen, in denen es für einen der Kreditgeber in einem Rechtsystem gesetzwidrig wird, seinen Verpflichtungen unter dem Kreditvertrag zu erfüllen oder seine Beteiligung an den Krediten aufrechtzuerhalten2. Davon erfasst werden in der Kreditpraxis bspw. staatliche Embargos am Sitzstaat des Kreditnehmers. Derartige Klauseln werden daher regelmäßig nur bei grenzüberschreitenden Konsortialkrediten eine Rolle spielen. Zum anderen ist häufig eine entsprechende Pflicht des Kreditnehmers in Fällen des Kontrollwechsels (change of control) vorgesehen3. Die diesbezüglichen Einzelheiten zu den Anforderungen, die eine Pflichtsondertilgung auslösen obliegen den Parteivereinbarungen. Dies betrifft insbesondere die Definition der „Kontrolle“ sowie des „gemeinsamen Handelns“ (acting in concert) zwecks Kontrollerwerbs. Darüber hinaus können auch weitere Ereignisse von den Vertragsparteien als Anlass für Pflichtsondertilgungen vereinbart werden. Dies kommt vor allem bei Erlösen aus Veräußerungen bestimmter Vermögensgegenstände bzw. aus Versicherungen bei Untergang von Vermögensgegenständen sowie auch bei Kapitalerhöhungen in Betracht4. Pflichtsondertilgungen sind rechtlich als Kündigungen durch die Kreditgeber zu qualifizieren, wofür ausdrückliche Kündigungserklärungen nicht erforderlich sind5. Erfolgt die Tilgung des Kredits während einer laufenden Zinsperiode, so können die Kreditgeber grundsätzlich den ihnen daraus entstehenden Zinsschaden vom Kreditnehmer als Schadensersatz wegen Nichterfüllung ersetzt verlangen6. cc) Freiwillige Sondertilgung
6.167
Dem Kreditnehmer wird daneben häufig ein Recht zur freiwilligen Sondertilgung (voluntary prepayment) im Kreditvertrag eingeräumt7. Er hat dabei allerdings die vom ihm intendierte vollständige oder teilweise vorzeitige Rückzahlung im Voraus beim facility agent anzuzeigen. Die Anzahl an Bankgeschäftstagen, die vom Kreditnehmer vor der Rückzahlung für deren Anzeige eingehalten werden müssen, obliegt den vertraglichen Vereinbarungen im Einzelfall. Dadurch wird dem Kreditnehmer somit abweichend von § 488 Abs. 3 Satz 3 BGB ein Recht zur Rückzahlung ohne vorherige ausdrückliche Kündigungserklärung eingeräumt. Mitunter wird als zusätzliche Voraussetzung bei einer teilwei1 Walgenbach in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 82. 2 Vgl. Ziff. 8.1 illegality LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 3 Vgl. Ziff. 8.2 change of control LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 4 Vgl. dazu eingehend Walgenbach in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 89. 5 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 13 Rz. 9. 6 S. zum Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung bei einer Kündigung durch den Kreditgeber Krepold in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 14. Kap. Rz. 81 ff. 7 Vgl. Ziff. 8.4 und 8.5 Voluntary Prepayment LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement.
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sen Sondertilgung ein bestimmter Mindestbetrag für die Rückzahlung vereinbart1. Ob und inwieweit der Kreditnehmer im Falle einer freiwilligen Sondertilgung dem Kreditgeber etwaige entgangene Zinsen zu ersetzen hat, hängt von mehreren Faktoren ab. Eine Vorfälligkeitsentschädigung als Schadensersatz steht einem Kreditgeber nur unter den Voraussetzungen des § 490 Abs. 2 BGB zu, welche bei Konsortialkreditverträgen regelmäßig nicht einschlägig sein werden. Haben die Vertragsparteien allerdings einen gebundenen Sollzinssatz vereinbart und erfolgt die freiwillige Sondertilgung während, mithin nicht zum Ende einer vereinbarten Zinsbindungsperiode und besteht folglich kein gesetzliches Kündigungsrecht des Kreditnehmers, so kann der Kreditgeber ein Vorfälligkeitsentgelt2 verlangen. Dies ist Ausdruck seines berechtigten Zinsinteresses. Eine entsprechende Regelung zur Zahlung eines Vorfälligkeitsentgeltes (break costs) ist in den marktüblichen Verträgen für vorzeitige Rückzahlungen vor dem letzten Tag der Zinsbindungsperiode vorgesehen3. Würde der Kreditnehmer hingegen seine vorzeitige vollständige oder teilweise Rückzahlung auf § 489 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB stützen, bestünde keine Pflicht zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, da die Ausübung dieses ordentlichen Kündigungsrechts gem. § 489 Abs. 4 BGB nicht durch vertragliche Vereinbarung erschwert werden kann. c) Zinsen Der Zinssatz setzt sich bei Konsortialkrediten in der Regel aus der Summe von Referenzzinssatz, Marge und Kosten zusammen4. Als Referenzzinssatz für Kredite in Euro wird üblicherweise der EURIBOR (EURO Interbank Offered Rate)5 vereinbart. Der EURIBOR bezeichnet den durchschnittlichen Zinssatz, zu welchem viele europäische Banken (die sog. Panel-Banken) einander Anleihen in Euro gewähren. Die Höhe der EURIBOR-Zinssätze bestimmt sich in erster Linie durch Angebot und Nachfrage. Die jeweilige Bestimmung des durchschnittlichen Zinssatzes erfolgt auf Basis eines bestimmten Prozedere. So werden bei der Festsetzung der EURIBOR-Zinssätze die höchsten und niedrigsten 15 % der gemeldeten Werte nicht berücksichtigt. Die Festsetzung der EURIBOR-Werte erfolgt an jedem TARGET-Arbeitstag um 11:00 Uhr CET und wird allen teilnehmenden Partnern mitgeteilt. Die Veröffentlichung erfolgt durch Reuters. Dabei ist zu beachten, dass es nicht „den“ EURIBOR- Zinssatz gibt, sondern es existieren 8 verschiedene EURIBOR-Zinssätze mit je unterschiedlichen Laufzeiten. Dies sind 1–2 Wochen bzw. 1, 2, 3, 6, 9 und 12 Monate. Die Zinsperiode wird vom Kreditnehmer bestimmt. Dies erfolgt entweder in der Ziehungsnachricht (Utilisation Request) oder für alle weiteren Zinsperioden in einer Prolongationsnachricht (Selection Notice)6. Die Wahl der Zinsperiode muss allerdings dergestalt ausgeübt werden, dass sie nicht über das Ende der Kreditvertragslaufzeit hinausgeht7. Üblicherweise hat der Kreditnehmer die Wahl zwischen einer Laufzeit von 1, 2, 3, oder 6 Monaten8. Ohne Mitteilung einer Prolongationsnachricht, gilt eine Zinsperiode von einem Monat als vereinbart9. 1 Vgl. Ziff. 8.4 (a) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 2 Einzelheiten zur Berechnung betreffend die parallel gelagerte Vorfälligkeitsentschädigung bei Krepold in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 14. Kap. Rz. 85 ff. 3 Vgl. Ziff. 11.5 break costs LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 4 Vgl. Ziff. 9.1. LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 5 S. zur Verwendbarkeit des EURIBOR als Referenzwert ab dem 1.1.2010 bereits in Rz. 6.25 unter Fn. 1. 6 Vgl. Ziff. 10.1. (a) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 7 Vgl. 10.1 (e) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 8 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 47. 9 Vgl. Ziff. 10.1 (c) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement.
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6.168
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
6.169
Unter Zugrundelegung des deutschen Rechts handelt es sich bei derartigen periodischen Zinsgleitklauseln um einen gebundenen Sollzinssatz, auch wenn die Verwendung von Zinsgleitklauseln grundsätzlich eine variable Verzinsung zur Folge hat (vgl. Rz. 6.23). Dieser Grundsatz greift jedoch nicht bei einer Zinsvariabilität nach vereinbarten begrenzten Zeiträumen1. Vereinbarte periodische Anpassungen des Sollzinssatzes für jeweils im Voraus bestimmte Zeiträume in Form von Zinsgleitklauseln, die an einen vereinbarten Referenzzinssatz gebundenen sind (sog. Roll-over-Kredite), sind daher als gebundener Sollzinssatz zu behandeln2. Dies gilt ebenso in Fällen von Terminkrediten, die unter einem Konsortialkreditvertrag ausgereicht werden, welche mehrere Zinsperioden enthalten, nach deren Ende eine Anpassung des Sollzinssatzes, jedoch keine Rückzahlung erfolgt3.
6.170
Die Marge, welche zusätzlich zum Referenzzinssatz vom Kreditnehmer als Bestandteil des vertraglich vereinbarten Zinssatzes zu bezahlen ist, wird als Prozentsatz des Kreditbetrages bestimmt. Die Marge bringt das Bonitätsrisiko des jeweiligen Kreditnehmers zum Ausdruck und deckt das damit verbundene Kreditausfallrisiko der Kreditgeber ab. Zusätzlich können damit auch die ggf. durch den Vertragsabschluss entstehenden regulatorischen Kosten der Kreditvergabe gezahlt werden4.
6.171
Die Zinszahlung durch den Kreditnehmer erfolgt am letzten Tag der jeweiligen Zinsperiode bzw. im Falle einer Zinsperiode, welche länger als 6 Monate beträgt, jeweils nach Ablauf von 6 Monaten5. d) Entgelte
6.172
In Konsortialkreditverträgen werden zwischen den Kreditgebern und dem oder den Kreditnehmern bestimmte Entgelte als weitere Vergütung neben den vertraglichen Zinsen vereinbart. Dies sind in der Regel Bereitstellungsprovisionen (commitment fee), ein Arrangement Entgelt (arrangement fee) sowie ein Agenten Entgelt (agency fee)6. Die arrangement fee und agency fee werden üblicherweise in Mandatsvereinbarungen oder separaten fee letter vereinbart, so dass der Konsortialkreditvertrag in Bezug auf diese Entgelte nur einen unselbständigen Verweis (Rechtsgrundverweisung) auf die Regelungen dieser Vereinbarungen enthält. Bezüglich der Frage der Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf die Kontrolle von Entgelten, sind die im Rahmen von Konsortialfinanzierungen bestehenden Besonderheiten zu beachten. Dies gilt insbesondere für die Verhandlungsposition des Kreditnehmers bezüglich der Vertragsinhalte, welche daher häufig auf dessen Verlangen zur Disposition gestellt werden und somit Gegenstand intensiver Verhandlungen sind. Des Weiteren ist auch zu berücksichtigen, dass in der Finanzierungspraxis Kreditnehmer mittlerweile sowohl mit Erstentwürfen eines fee letter oder auch des gesamten Kreditvertrages, welcher die Entgeltregelungen beinhaltet, an die Banken als Finanzierungspartner heran1 Weidenkaff in Palandt, § 489 BGB Rz. 3. 2 BT-Drucks. 10/4741, 22; Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018, § 489 BGB Rz. 7; Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 61; Weidenkaff in Palandt, § 489 BGB Rz. 5. 3 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 61. 4 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 46. 5 Vgl. Ziff. 9.2 LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 6 Vgl. Ziff. 12 fees LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement.
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treten und somit diesbezüglich Vertragsbedingungen in die Verhandlungen einführen1. All dies spricht prima facie gegen das Vorliegen von AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB und insbesondere auch gegen eine Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze des BGH zu Bearbeitungsentgelten in Unternehmerkreditverträgen2. Nachfolgend werden die Entgelte im Zusammenhang mit Konsortialkrediten dennoch auch unter Berücksichtigung der AGB-rechtlichen Grundsätze aus der BGH-Rechtsprechung dargestellt. aa) Commitment fee Bei Bereitstellungsprovisionen bzw. Bereitstellungszinsen handelt es sich um die vom Kreditnehmer zu zahlende Gegenleistung für die vom Kreditgeber vorgenommene Bereitstellung des Kreditbetrages zur jederzeitigen tatsächlichen Inanspruchnahme. Es handelt sich mit anderen Worten um die Gegenleistung des Kreditnehmers für das ständige Verfügbarhalten der Kreditbeträge durch den Kreditgeber während einer Ziehungsperiode. Vergütet wird somit die vom Kreditgeber übernommene Zusatzverpflichtung, dem Kreditnehmer die versprochenen Kreditmittel während der vereinbarten Zeit auf Abruf zur Verfügung zu stellen3. Diese Zusatzverpflichtung besteht aus dem neben den Einzelkreditvertrag tretenden Krediteröffnungsvertrag, der den unmittelbaren Verpflichtungsgrund für die spätere Valutierung des Kredits begründet4. Es handelt sich bei der Bereitstellungsprovision nicht um einen Zins i.S.v. § 248 Abs. 1 BGB, sondern um ein vertragliches Leistungsentgelt für die Bereithaltung des Kreditbetrages, wenn die Bank dem Kreditnehmer das Recht einräumt, den Kredit von vornherein zu einem hinausgeschobenen Zeitpunkt abzunehmen oder den Auszahlungstermin binnen einer Frist vom Tag der Darlehenszusage an „auf Abruf“ zu bestimmen5. Die Bereitstellung liegt hauptsächlich im Interesse des Kreditnehmers, der dadurch- insbesondere bei revolvierenden Krediten – seine Liquidität besser steuern kann, wohingegen die Bank eher an einer vollständigen Abnahme des Kredits interessiert ist, weil sie entsprechende Liquidität bereithalten muss und ggf. zur Erfüllung bankaufsichtsrechtlicher Vorgaben Kosten zu tragen hat6. Entsprechende Entgeltklauseln in Konsortialkreditverträgen, unterstellt es handelt sich überhaupt um AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, sind als der AGB-Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 BGB entzogene Preishauptabreden zu qualifizieren7.
6.173
Die Erhebung erfolgt als per-annum berechneter Prozentsatz auf den nicht in Anspruch genommenen Teil der Kreditzusage für jeden Tag des Verfügbarkeitszeitraums (availability period). Der Anspruch auf Zahlung entsteht mit der verbindlichen Eröffnung der Kreditlinie. Die Zahlung ist regelmäßig am letzten Tag eines 3-Monats-Intervalls und am letzten Tag des Verfügbarkeitszeitraums zu leisten8.
6.174
1 2 3 4 5 6 7
Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 144. Vgl. hierzu BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, WM 2017, 1643. Nobbe, WM 2008, 185, 191. Becker/Dreyer, ZIP 2014, 2057, 2059. Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 78 Rz. 125. Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 145. Allgemein zur Zulässigkeit von Bereitstellungszinsen BGH v. 16.3.1987 – III ZR 112/76, BB 1978, 833; BGH v. 12.12.1985 – III ZR 184/84, WM 1986, 156; BGH v. 8.11.1984 – III ZR 132/83, WM 1985, 10. 8 Vgl. Ziff. 12.1 (b) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
bb) Arrangement fee
6.175
Für die Erfüllung der Aufgaben des Arrangers wird ein entsprechendes Entgelt gegenüber dem Kreditnehmer erhoben. Dieses Entgelts bestimmt sich der Höhe nach zumeist anhand eines Prozentsatzes der Gesamtkreditzusage und ist in der Regel auch dann zu zahlen, wenn es nach Unterzeichnung des Kreditvertrages zu keiner Kreditauszahlung kommt1. Die arrangement fee vergütet im Rahmen von best-effort-Transaktionen, bei denen der Arranger weder die Gewährung der gesamten Kreditbeträge schuldet noch die Haftung für das Kreditvolumen der nicht übernommenen Kreditzusagen trägt, die im alleinigen Interesse des Kreditnehmers erbrachte Suche nach geeigneten Finanzierungspartnern, wodurch sich dieser erheblichen eigenen Geschäftsanbahnungs- und Verwaltungsaufwand erspart, welchen er bei Abschluss von Einzelkreditverträgen mit einer Vielzahl von Kreditgebern zwecks Erlangung des begehrten Gesamtkreditvolumens erbringen müsste2. Das als echte Sonderleistung zu qualifizierende Anwerben weiterer Konsorten, um die vom Kunden angestrebte Gesamtkreditzusage zu erreichen, geht über die typischen Kreditgeberpflichten hinaus3. Entsprechendes gilt im Falle von Underwriting-Transaktionen. Bei diesen kann über die arrangement fee insbesondere die im Interesse des Kreditnehmers stehende Übernahme des Underwriting-Risikos vergütet werden, wodurch dieser die frühzeitig Gewissheit und Planungssicherheit erlangt, Kredite in bestimmter Höhe zu erhalten, ohne auf weitere Banken angewiesen zu sein; der Kreditnehmer wird in dessen Interesse für den Fall des Scheiterns der Syndizierung so gestellt, als hätte er Verträge mit weiteren Konsorten geschlossen4. Der Kreditnehmer erlangt folglich Finanzierungssicherheit, da ihm das Syndizierungsrisiko abgenommen wird5. Es handelt sich, soweit eine AGB-Vereinbarung überhaupt vorliegt, in beiden Konstellationen um kontrollfreie Preishauptabreden. Erfolgt die Erhebung des arrangement fee in marktüblicher Form im Rahmen der Mandatierungsvereinbarung oder eines fee letter, handelt es sich bei der Regelung um die Vergütung der vertraglichen Hauptleistungspflicht des Arrangers unter der Mandatierungsvereinbarung und ist damit grundsätzlich ebenfalls bereits gem. § 307 Abs. 3 BGB der AGB-Inhaltskontrolle entzogen6. cc) Agency fee
6.176
Durch die agency fee werden die Tätigkeiten des facility agent vergütet. Dabei handelt es sich um gegenüber der Kreditgewährung eigenständige Leistungen in Gestalt von administrativen Aufgaben, welche durch die Besonderheiten des Konsortialkredites erst erforderlich und überdies vorrangig im Interesse des Kreditnehmers erbracht werden, da diesem hierdurch die Aufnahme eines Konsortialkredites erheblich erleichtert und mitunter sogar ermöglicht wird7. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass durch die Einschaltung eines agents für den Kreditnehmer der Vorteil entsteht, dass er ansonsten einen erheblich höheren Aufwand mit der Verwaltung von bilateralen Krediten hätte und überdies auch die vom agent übernommene Zahlstellenfunktion primär im Interesse des Kreditnehmers ist, da dieser bereits mit Leistung an den agent von seiner Zahlungspflicht be1 2 3 4 5
Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 60. Becker/Dreyer, ZIP 2014, 2057, 2062. Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 146. Becker/Dreyer, ZIP 2014, 2057, 2065. Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 68; Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 146. 6 Vgl. dazu eingehend Becker/Dreyer, ZIP 2014, 2057, 2062 ff. 7 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 69c.
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Konsortialkredite | Teil 6
freit wird, mithin die Konsortialbanken bis zur Weiterleitung das Insolvenzrisiko des agents tragen1. Das Entgelt wird in der Regel durch eine jährlich berechnete Pauschale erhoben, die in regelmäßig wiederkehrenden Abständen, meist jährlich im Voraus, zu entrichten ist2. Als gesondert anfallendes Entgelt während der Vertragsabwicklung soll in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Erhebung einer amendment und/oder waiver fee hingewiesen werden. Damit wird der Verwaltungsaufwand vergütet, wenn auf Veranlassung des Kreditnehmer Änderungen an den Krediten vorgenommen werden oder seitens der Kreditgeber auf bestehende Vertragsrechte verzichtet wird. Da es sich dabei um einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand handelt, der nicht bereits vertraglich geschuldet ist bzw. auf welchen der Kreditnehmer auch keinen Anspruch hat, handelt es sich selbst im Falle einer Vereinbarung in AGB um eine zulässige Preishauptabrede. Ein entsprechendes Entgelt wird nicht bereits im Konsortialkreditvertragsdokumentation vereinbart, sondern im Einzelfall bei entsprechendem Anlass in Abhängigkeit vom jeweils entstehenden Aufwand gegenüber dem Kreditnehmer berechnet3. dd) Alternative Gestaltungsmöglichkeiten Auch wenn sich der BGH noch nicht mit den Besonderheiten des Zustandekommens von Entgeltvereinbarungen im Rahmen von Konsortialfinanzierungen auseinandergesetzt hat, ist in der Praxis in Betracht zu ziehen, Gestaltungsmöglichkeiten zu wählen, die einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB von Vornherein die Grundlage entziehen würden. Zum einen ist es grundsätzlich möglich, die Vereinbarung von Entgelten einer ausländischen Rechtsordnung zu unterstellen. Die Parteien unterliegen gem. Art. 3 VO Nr. 593/2008 (Rom-I-VO)4 insoweit im Rahmen der Privatautonomie der freien Wahl der anzuwendenden Rechtsordnung. Der Anwendungsbereich der Rom-I-VO, welcher gem. deren Art. 1 einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraussetzt, ist bereits durch den Abschluss einer Rechtswahlvereinbarung eröffnet, womit der notwendige internationale Bezug hergestellt ist5. Insbesondere ist gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 3 VO Nr. 593/2008 (Rom-I-VO) auch eine Rechtswahl nur für einen Teil des Vertrages und damit grundsätzlich auch (ausschließlich) für Entgeltvereinbarungen zulässig. Eine Teilrechtswahl kann grundsätzlich dazu eingesetzt werden, um bestimmte Aspekte zwingender Rechtsvorschriften des anderenfalls anwendbaren Rechts zu vermeiden6. Die rechtliche Grenze einer solchen Teilrechtswahl besteht darin, dass keine auflösbaren Widersprüche im Vertrag entstehen dürfen. An das einer zulässigen Teilrechtswahl grundsätzlich zugrunde zu legende Kriterium der Abtrennbarkeit der betreffenden Vertragsklausel sind vor dem Hintergrund der Privatautonomie keine überhöhten Anforderungen zu stellen, weshalb Entgeltvereinbarungen im Rahmen von Konsortialfinanzierungen dieser Maßgabe in der Regel gerecht werden sollten7. Zu beachten sind allerdings die der Rom-I-VO immanenten Grenzen bei reinen Binnensachverhalten, d.h. Sachverhalte, bei welchen abgesehen von der Rechtswahlvereinbarung kein Bezug zu einer ausländischen 1 Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 146. 2 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 18 Rz. 14; Castor in Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 69b. 3 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 69d. 4 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I). 5 Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 1 Rom-I-VO Rz. 23; Thorn in Palandt, Art. 1 Rom-I-VO Rz. 5. 6 Magnus in Staudinger BGB, Art. 3 Rom-I-VO Rz. 112. 7 Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 148.
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6.177
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Rechtsordnung besteht. Gemäß Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 593/2008 (Rom-I-VO) bleibt in diesen Fällen durch die Rechtswahl der Parteien die Anwendung derjenigen Bestimmungen des Rechts des Staates des Binnensachverhaltes, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann, unberührt, so dass die §§ 305 ff. BGB – deren Anwendbarkeit bei einer Konsortialfinanzierung vorausgesetzt – trotz Teilrechtswahl weiterhin einschlägig wären. Folge wäre eine parallele Anwendung zweiter Rechtsordnungen bzw. die Verdrängung des gewählten ausländischen Rechts durch die zwingenden Regelungen der §§ 305 ff. BGB. In der Kreditpraxis ist somit erforderlich, dass ein Auslandsbezug hergestellt wird, um die Rechtsfolge des Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 593/2008 (Rom-I-VO) auszuschließen. Die Anforderungen an einen ausreichenden Auslandsbezug werden allerdings nicht besonders hoch angesetzt, vielmehr genügt es, wenn der Sachverhalt aufgrund der zur Bestimmung des objektiven Vertragsstatuts heranzuziehenden Anknüpfungsmerkmale Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist1. Bei Darlehensverträgen ist ein Auslandsbezug bereits erfüllt, wenn ein Vertragspartner seinen Sitz oder eine Niederlassung im Ausland hat, der Erfüllungsort bzw. der Vertragsabschlussort im Ausland liegt oder ein enger rechtlicher Zusammenhang mit einem internationalen Vertrag vorliegt2. Bei Konsortialfinanzierungen wird somit häufig ein Anknüpfungspunkt, welcher einen Auslandsbezug rechtfertigt, bestehen, denn dafür genügt bereits die Beteiligung – sei es auf Kreditnehmer- oder Kreditgeberseite – einer Gesellschaft mit Sitz außerhalb Deutschlands3. In der Praxis kann es sich aus Bankensicht insoweit anbieten, die Finanzierung unter Beteiligung einer Tochtergesellschaft oder über eine unselbständige Auslandsfiliale abzuschließen4.
6.178
Eine weitere derzeit in der Kreditpraxis häufig diskutierte Gestaltungsmöglichkeit, eine AGB-Inhaltskontrolle anhand von § 307 BGB von Vornherein zu vermeiden, besteht in dem Abschluss einer Schiedsgerichtsvereinbarung nach § 1029 ZPO. Gegenstand einer Schiedsgerichtsvereinbarung können auch nur einzelne mögliche Streitpunkte eines Rechtsverhältnisses sein, mithin auch nur die Streitbeilegung hinsichtlich Bankentgelten. Gegen die grundsätzliche Zulässigkeit von Schiedsgerichtsvereinbarungen sollten bei Konsortialfinanzierungen nach deutschem Recht keine Bedenken bestehen, da gem. § 1031 Abs. 1 Satz 1 BGB jeder vermögensrechtliche Anspruch deren Gegenstand sein kann. Ausweislich der deutschen Zivilprozessordnung können die Parteien gem. § 1051 Abs. 1 Satz 1 ZPO überdies das anwendbare materielle Recht durch Vereinbarung bestimmen. Insoweit hat der Gesetzgeber folglich die Möglichkeit vorgesehen, im Zusammenhang mit Schiedsgerichtsvereinbarungen unanwendbare Rechtsvorschriften zu bestimmen5. Dies lässt sich auch mit dem Wortlaut des § 1051 Abs. 1 Satz 2 ZPO begründen, welcher eine Unterscheidung zwischen „Recht“ und „Rechtsordnung“ trifft, was die Schlussfolgerung zulässt, dass die Parteien einer Schiedsvereinbarung nicht gezwungen sind, eine bestimmte Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit zu wählen6. Die Schiedsvereinbarung ist folglich zulässigerweise derart auszugestalten, dass eine Rechtswahl getroffen wird, wonach vor dem Schiedsgericht das deutsche Recht mit Ausnahme der §§ 305–310 BGB gelten soll7. Ob, wie bezüglich der 1 Müller/Marchant/Eilers, BB 2017, 2243, 2246. 2 Magnus in Staudinger BGB, Art. 3 Rom-I-VO Rz. 138; Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rom-I-VO Rz. 90; Müller/Marchant/Eilers, BB 2017, 2243, 2246. 3 Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 148. 4 Piekenbrock, ZBB 2017, 325, 333. 5 Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 148. 6 Müller/Marchant/Eilers, BB 2017, 2243, 2247. 7 Josenhans/Danzmann/Lübbehüsen, BKR 2018, 142, 148; Müller/Marchant/Eilers, BB 2017, 2243, 2247.
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Konsortialkredite | Teil 6
Vereinbarung ausländischen Rechts, auch im Rahmen von Schiedsvereinbarungen, soweit es sich um Inlandssachverhalte handelt, rechtliche Grenzen bezüglich der Abbedingung der Anwendbarkeit des deutschen AGB-Rechts bestehen, wird zum Teil angezweifelt1. Rechtlich überzeugend ist jedoch eine derartige Beschränkung abzulehnen, da bereits die Rom-I-Verordnung gem. Art. 1 Abs. 2 lit. e) auf Schiedsvereinbarungen nicht anwendbar ist und damit auch der Rechtsgedanke des Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 593/2008 (Rom-I-VO) keine Geltung beanspruchen kann2. Überdies ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass Schiedsgerichte im Gegensatz zu staatlichen Gerichten keinem lex fori unterliegen. Schließlich stellt eine solche Vereinbarung des anwendbaren Rechts keinen Verstoß gegen den ordre-public-Vorbehalt des § 1059 Abs. 2 Nr. 2b) ZPO dar, welcher einen von Amts wegen Aufhebungsgrund bezüglich des Schiedsspruchs zum Inhalt hat, da ausweislich der BGH-Rechtsprechung § 307 BGB nicht Bestandteil der deutschen öffentlichen Ordnung ist und somit auch nicht der erforderliche Verstoß gegen die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung gegeben ist3. e) Marktstörung Unter Klauseln zur Marktstörung (market disruption) in Konsortialkreditverträgen sind allgemein solche zu verstehen, die Regelungen für den Fall enthalten, dass bestimmte Probleme bei der Refinanzierung auftreten und deshalb neue Maßgaben für die Berechnung des Zinssatzes festgelegt werden. Während der Vertragslaufzeit eintretende Marktstörungen betreffen demnach die nicht mehr kostendeckende Refinanzierung der am Konsortialkreditvertrag beteiligten Kreditgeber. Dies kann eintreten, wenn während einer Zinsperiode die Kosten der Refinanzierung hinsichtlich der Beteiligung eines oder mehrerer Kreditgeber am Konsortialkredit den vereinbarten Referenzzinssatz (EURIBOR oder LIBOR) übersteigen4. Derartige Konstellationen treten bspw. ein, wenn einer oder mehrere Kreditgeber für die Refinanzierung einen Aufschlag auf den Referenzzinssatz zahlen müssen, weil ihr Rating nicht gut genug ist oder ihre Bonität aus anderen Gründen angezweifelt wird5. Die eingetretene Markstörung ist von den betreffenden Kreditgebern gegenüber dem facility agent anzuzeigen. Einen Grund dafür, warum die Refinanzierungskosten höher sind, müssen die Kreditgeber ebenso wenig angeben wie sie auch die tatsächlichen Refinanzierungskosten nicht darzulegen haben6. Regelmäßig wird für das Vorliegen einer Marktstörung in den Vertragsklauseln ein Schwellenwert/Prozentsatz für die Kreditbeteiligung der Kreditgeber bestimmt, welche anzeigen, sich nicht mehr zu EURIBOR7 oder LIBOR8 refinanzieren zu können9. Der Prozentsatz, welcher in Bezug auf die Kreditbeteiligung des bzw. der anzeigenden Kreditgeber überschritten sein muss, beträgt in der Ver1 2 3 4 5 6 7 8 9
Piekenbrock, ZBB 2017, 325, 334 m.w.N. aus dem Schrifttum. So auch Müller/Marchant/Eilers, BB 2017, 2243, 2247. BGH v. 30.10.2008 – III ZB 17/08, WM 2009, 573. Vgl. Ziff. 11.3 Market disruption LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 4. Schmidt, BKR 2009, 490, 491; Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 373. S. zur Verwendbarkeit des EURIBOR als Referenzwert ab dem 1.1.2020 bereits in Rz. 6.25 unter Fn. 1. S. zur Verwendbarkeit des LIBOR als Referenzwert ab dem 1.1.2020 bereits in Rz. 6.39. Vgl. Ziff. 11.3 Abs. 2 Market disruption LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
tragspraxis üblicherweise zwischen 30 % und 50 %1. Durch den festgelegten Prozentsatz an der Kreditbeteiligung wird zumindest sichergestellt, dass eine allgemeine Störung vorliegt, da es nur eher theoretisch denkbar ist, dass ein einzelner Kreditgeber schon allein den vertraglich bestimmten Prozentsatz überschreitet und somit individuelle Schwierigkeiten die Anwendung der Vertragsklausel auslösen2. Ob und inwieweit diese Klausel in der Bankpraxis allerdings tatsächlich häufig zur Anwendung kommt erscheint zumindest insoweit zweifelhaft, als dass der/die Kreditgeber einräumen müssten, dass Schwierigkeiten bestehen, sich zur Interbankenrate zu refinanzieren und gegen diese Vorgehensweise daher unter Umstände Reputationsrisiken sprechen könnten3.
6.180
Tritt ein Marktstörungsereignis ein, wird der Zinssatz für die betroffene Zinsperiode grundsätzlich als Summe aus der Marge, welche Ausdruck des Kreditrisikos und der Bonität des Kreditnehmers ist, sowie der als Prozentsatz per annum ausgedrückten Refinanzierungskosten (cost of funds) des die Marktstörung anzeigenden Kreditgebers bestimmt, welche er dem facility agent mitgeteilt hat. Liegt eine Marktstörung vor, können auf Verlangen des facility agents oder des Kreditnehmers auch Verhandlungen über die Bestimmung eines Ersatzreferenzzinssatzes für den vertraglichen Zinssatz aufgenommen werden, die nicht mehr als 30 Geschäftstage andauern dürfen4. Der in dieser Weise vertraglich vereinbarte Referenzzinssatz ist sodann nach Zustimmung aller am Konsortialkredit beteiligten Kreditgeber für alle Vertragsparteien verbindlich. f) Kostenerhöhungen
6.181
Sollten sich die Kosten eines der Kreditgeber oder seiner verbundenen Unternehmen erhöhen, ist eine entsprechende Schutzregelung vorgesehen5. Ein Kreditgeber kann danach vom Kreditnehmer Ersatz für ihm oder eines mit ihm verbundenen Unternehmen entstandene erhöhte Kosten verlangen. Unter einer Kostenerhöhung sind Fälle zu verstehen, in denen sich die Erträge aus der Kreditfazilität oder auf das Kapital verringern, zusätzliche bzw. erhöhte Kosten entstehen oder eine Verringerung unter den Kreditverträgen fälliger Zahlungen eintritt, sofern diese der Übernahme der Kreditfinanzierung, der Refinanzierung oder der Erfüllung von Verpflichtungen unter den Finanzierungsdokumenten zurechenbar sind. Die Kostenerhöhung muss überdies auf die Einführung oder Änderung gesetzlicher Regelungen bzw. deren Auslegung oder Anwendung oder die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften, welche nach dem Abschluss des Kreditvertrages erlassen worden sind, zurückzuführen sein. Der Begriff der gesetzlichen Vorschriften ist weit zu verstehen und erfasst nicht nur Gesetze oder Rechtsverordnungen, sondern auch Richtlinien, Anforderungen oder Leitlinien staatlicher, zwischenstaatlicher oder supranationaler Institutionen bzw. Behörden sowie von Aufsichtsbehörden6.
6.182
Nicht erfasst werden Kostenerhöhungen, die auf erhöhten Refinanzierungskosten des Kreditgebers wegen einer Verschlechterung seiner Kreditwürdigkeit beruhen, sofern sie nicht 1 2 3 4
Schmidt, BKR 2009, 490. Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 374. Schmidt, BKR 2009, 490, 491. Vgl. Ziff. 11.4 (b) Cost of funds LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 5 Vgl. Ziff. 14 Increased Costs LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 6 Vgl. Ziff. 1.2 (a) (viii) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement.
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Konsortialkredite | Teil 6
durch eine hoheitliche Maßnahme verursacht sind1. Überdies sind vom Kreditnehmer nur transaktionspezifische Kosten im Rahmen der Ausgleichspflicht zu ersetzen2. Insoweit sind bspw. Kosten aufgrund der Mindestreserveanforderungen der Europäischen Zentralbank3 ebenso wenig erstattungsfähig wie allgemeine Kostensteigerungen aufgrund höherer Tarifabschlüsse4. Abschließend ist bisher in der LMA-Vertragspraxis noch nicht geklärt, ob und inwieweit erhöhte Kosten aufgrund Basel-III-Empfehlungen und deren gesetzlicher Umsetzung in CRD-IV5 von der Erstattungspflicht erfasst sind. Vor der gesetzlichen Umsetzung von Basel-III bestand in der Kreditpraxis jedoch weitgehende Einigkeit darüber, dass Basel-III-Kosten für Kreditverträge von den increased-cost-Klauseln erfasst werden. Empfehlenswert erscheint es daher in der Kreditpraxis eine ausdrückliche Regelung in der Klausel aufzunehmen, welche die Kosten aus der CRD-IV-Gesetzgebung berücksichtigt6. Es bestehen zudem auch tatbestandliche Ausnahmen für die Ersatzpflicht bei Kostenerhöhungen für den Kreditgeber oder mit ihm verbundene Unternehmen. Dies betrifft zum einen Fälle, in denen die erhöhten Kosten auf eine vorsätzliche Gesetzesverletzung des Kreditgebers oder eines seiner verbundenen Unternehmen zurückzuführen sind7. Zum anderen werden keine Kostenerhöhungen, die gesetzlichen Steuerabzügen oder FATCA-Abzügen zuzurechnen sind, erfasst. Schließlich sind die Regelungen zum Ersatz von Kostenerhöhungen subsidiär zu den Vertragsregelungen zu Steuererstattungen8. Soweit es sich um einen deutschem Recht unterliegenden Konsortialkreditvertrag handelt, ist eine derartige Kostenerhöhungsklausel in Form von AGB rechtlich nicht unproblematisch. Hintergrund ist die BGH-Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln. Dies betrifft die Einhaltung des sog. Äquivalenzverhältnisses, wonach die Klausel eine Bindung der Bank an den Umfang des Kostenanstiegs vorsehen und überdies eine Verpflichtung der Bank enthalten muss, Kostenminderungen an die Kunden weiter zu geben, ohne dass die Bank insoweit ein Ermessen hat (vgl. Rz. 6.25). Die üblichen Kostenerhöhungsklauseln sehen nur die Weitergabe der Kostensteigerungen vor. Es stellt sich daher die Frage, ob eine derartige Klausel einen Verstoß gegen das vom BGH vorgegebene Symmetriegebot darstellt. Dies sollte in der Vertragspraxis jedoch dadurch kompensiert werden können, dass dem Kreditnehmer als Ausgleich ein Kündigungsrecht gegenüber dem die Kostensteigerung bewirkenden Kreditgeber zusteht9. So ist allgemein anerkannt, dass eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB aufgrund eines problematischen Klauselinhalts durch andere vertragliche Regelungen rechtlich kompensiert werden kann, sofern es sich um funktionsgleiche Regelungen handelt, die einen prinzipiell gleichwertigen Schutz des Vertragspartners gewährleisten10. 1 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 54; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 20 Rz. 6. 2 Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 398; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 20 Rz. 8. 3 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 54. 4 Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 398. 5 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG. 6 Vgl. auch Fn. 35 LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 7 Vgl. Ziff. 14.3 (v) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 8 Vgl. Ziff. 14 (iii) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 9 Vgl. Ziff. 8.6 (a) ii) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 10 S. dazu Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht Kommentar, § 307 BGB Rz. 151.
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6.183
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Dies erfordert einerseits, dass die vorteilhafte Klausel in einem sachlichen Regelungszusammenhang mit der zu kontrollierenden Klausel steht und andererseits einen so gewichtigen Vorteil einräumt, dass er einen angemessenen Ausgleich für die nachteilige Regelung bietet1. Als eine derartige rechtliche Kompensation ist vom BGH insbesondere unter bestimmten Voraussetzungen je nach Art des jeweiligen Vertrags und der typischen Interessen der Vertragsschließenden sowie der konkreten Ausgestaltung des Kündigungsrechts und der dieses begleitenden sonstigen Bestimmungen des Vertrags auch ein Sonderkündigungsrecht anerkannt worden2. g) Zusicherungen
6.184
Der oder die Kreditnehmer müssen gemäß den marktüblichen Regelungen gegenüber sämtlichen Kreditgebern bestimmte Zusicherungen (representations), wie sie im Konsortialkreditvertrag näher festgelegt sind, abgeben. Die Zusicherungen enthalten die Versicherung, dass bestimmte rechtliche, wirtschaftliche oder faktische Umstände zu bestimmten Zeitpunkten bei den Kreditnehmern, Garanten und ihren Tochtergesellschaften vorliegen bzw. nicht vorliegen3. Für die Erklärung der Zusicherungen sind verschiedene Zeitpunkte vorgesehen. Zum einen hat die Abgabe bei Abschluss des Konsortialkreditvertrages zu erfolgen4. Zum anderen sind zu bestimmten Zeitpunkten der Vertragsdurchführung im Vertrag geregelte Zusicherungen erneut abzugeben (repeated representations). Regelmäßig wird diesbezüglich vereinbart, dass die Wiederholung bei Kreditabruf oder im Falle des Eintritts eines zusätzlichen Kreditnehmers abzugeben ist sowie als bei Kreditauszahlung und dem ersten Tage jeder Zinsperiode abgegeben gilt. Am Auszahlungstag sowie dem ersten Tag der Zinsperiode wird die Abgabe somit lediglich fingiert und hat nicht wie bei Vertragsabschluss, Kreditabruf und dem Eintritt eines zusätzlichen Kreditnehmers durch schriftliche Erklärung zu erfolgen. Der Inhalt der erneuten Zusicherungen darf vom Kreditnehmer nicht verändert werden, vielmehr ist bei jeder Wiederholung zu erklären, dass sich die Umstände, die den ursprünglichen Zusicherungen zugrunde lagen, bis zum Zeitpunkt der Wiederholung nicht geändert haben5.
6.185
Bei nationalen bzw. dem deutschen Recht unterliegenden Konsortialkrediten ist die fingierte Abgabe der Zusicherungen nicht unproblematisch, soweit es sich um AGB-Verträge handelt. § 308 Nr. 5 BGB sieht vor, dass eine Bestimmung unwirksam ist, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen. Ausweislich § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB findet § 308 zwar keine direkte Anwendung auf Verträge zwischen Unternehmern, jedoch finden dessen Wertungen nach der BGH-Rechtsprechung
1 BGH v. 29.11.2002 – V ZR 105/02, WM 2003, 1243; Coester in Staudinger, Kommentar AGBRecht, § 307 BGB Rz. 125; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht Kommentar, § 307 BGB Rz. 151; Grüneberg in Palandt, § 307 BGB Rz. 14. 2 BGH v. 21.9.2016 – VIII ZR 27/16, WM 2017, 969; BGH v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360. 3 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 21 Rz. 2. 4 Vgl. Ziff. 19 LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 5 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 21 Rz. 9.
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Konsortialkredite | Teil 6
auch in der Überprüfung nach § 307 BGB Berücksichtigung1. Da an die Abgabe falscher Versicherungen in den marktüblichen Konsortialkreditverträgen Rechtsfolgen in Form eines Kündigungsrechts der Kreditgeber geknüpft werden, ist daher die Wirksamkeit fingierter Erklärungen zumindest zweifelhaft. Als Lösung bietet sich daher an, dass der Kreditnehmer, welcher ohnehin vor jeder Anzahlung und regelmäßig bei jeder neuen Zinsperiode ein Auszahlungs- bzw. Prolongationsgesuch stellen muss, die Wiederholungen in dieses Schreiben ausdrücklich aufnimmt2. Die in den marktüblichen Konsortialkreditverträgen gemäß dem LMA-Leitbild enthaltenen Zusicherungen lassen sich in unterschiedliche Kategorien einteilen. Dies sind (a) die rechtlichen/gesetzlichen und steuerlichen Grundlagen sowie (b) die vertragsspezifischen/wirtschaftlichen Grundlagen. Von (a) sind Zusicherungen zur wirksamen Gründung bzw. Errichtung der Gesellschaft des Kreditnehmers, zur rechtlichen Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der übernommenen vertraglichen Verpflichtungen aus den Finanzierungsverträgen sowie zum Nichtvorliegen eines Verstoßes bei Abschluss und Durchführung des Kreditvertrags gegen anwendbare gesetzliche Vorschriften bzw. gesellschaftsvertragliche Bestimmungen des Kreditnehmers und seiner Tochtergesellschaften sowie gegen vertragliche Vereinbarungen, denen der Kreditnehmer oder seine Tochtergesellschaften unterliegen, erfasst. Zusätzlich werden in dieser Kategorie Zusicherungen betreffend die wirksam bestehende Vertretungsberechtigung und die gesellschaftsrechtliche Befugnis zum Vertragsabschluss bzw. zur Vertragsdurchführung sowie bezüglich des Vorliegens aller etwaig notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen zum Abschluss des Vertrags und zur Einführung der Finanzierungsdokumente als Beweis in einem Gerichtsverfahren erfasst3.
6.186
Die Zusicherungen im Sinne von (b) umfassen Bestätigungen zum Nichtbestehen von Kündigungsgründen (no events of default) bzw. von Vertragspflichtverletzungen (no default), zur Richtigkeit, Wahrhaftigkeit und Vollständigkeit der den Kreditgebern zur Verfügung gestellten Informationen sowie zur Ordnungsgemäßheit der Rechnungslegung/Bilanzen/ Abschlüsse und zum Nichtvorliegen einer wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen bzw. finanziellen Verhältnisse des Kreditnehmers. Weitere zentrale Zusicherung im Bereich der vertragsspezifischen Grundlagen ist die Pari Passu-Erklärung zur Gleichrangigkeit der Forderungen aus den Zahlungsverpflichtungen unter dem Konsortialkredit im Verhältnis zu den Forderungen anderer Gläubiger des Kreditnehmers. Sinn der Pari Passu-Klausel ist es, dass der Kreditnehmer im Vorfeld prüft, ob es einen Vorrang gibt, da er die Zusicherung der Gleichrangigkeit nur abgeben kann, wenn dies nicht der Fall ist4. Erfasst werden davon nur unbesicherte (unsecured) und nicht nachrangige (unsubordinated) Forderungen anderer Gläubiger. Die Pari Passu-Erklärung bestätigt folglich nicht, dass keine dinglichen Sicherheiten für Forderungen anderer Gläubiger bestellt wurden, sondern lediglich, dass die Forderungen der Kreditgeber nicht im Nachrang zu anderen Gläubigern zu befriedigen sind5. Schließlich werden in dieser Kategorie auch Zusicherungen zur fehlenden bzw. fehlenden drohenden Anhängigkeit von Gerichts-, Schiedsgerichts- oder Ver-
6.187
1 Bspw. BGH v. 19.9.2007 – VIII ZR 141/06, WM 2007, 2261. 2 Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 21 Rz. 12. 3 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 125 weist darauf hin, dass diese Bestätigung mit der Liberalisierung der Finanzmärkte an Bedeutung verloren hat, aber den Standards internationaler Finanzierungen folgend weiterhin erwartet wird. Nach deutschem Recht hat diese Zusicherung jedenfalls keine Relevanz. 4 Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 416. 5 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 127.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
waltungsverfahren, welche bei einem Unterliegen zu einer wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers oder einer seiner Tochtergesellschaften führen, abgegeben. h) Auflagen
6.188
Die vertraglich vereinbarten Auflagen, welche der oder die Kreditnehmer einzuhalten haben, gliedern sich üblicherweise in a) Informationspflichten, b) allgemeine Verpflichtungen und c) financial covenants. aa) Informationspflichten
6.189
Die in Konsortialkreditverträgen verankerten Informationspflichten des oder der Kreditnehmer gelten vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zur endgültigen Tilgung sämtlicher ausstehender Beträge unter den Kreditverträgen1. Da deutsche Kreditinstitute nach § 18 KWG verpflichtet sind, sich vor der Gewährung von Krediten über 750.000 € die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers, insbesondere die Jahresabschlüsse, offenlegen zu lassen, ist eine entsprechende Vorlagepflicht gegenüber den Konsortialbanken ein zentraler Bestandteil der Informationspflichten bei Abschluss und während der Laufzeit von Konsortialkreditverträgen. Dementsprechend sind vom Kreditnehmer einerseits die testierten konsolidierten und unkonsolidierten Geschäftsabschlüsse für sich selbst und andererseits für sämtliche unter den Finanzierungsverträgen Verpflichteten (Garanten, Mithaftende) bei den Konsortialbanken einzureichen2. Im Zusammenhang mit der Offenlegung der jährlichen und halbjährlichen Rechnungslegung sind vom Kreditnehmer die Einhaltung der Vorgaben der im Vertrag enthaltenen Finanzkennzahlen (financial convenants) anhand sog. Compliance Certificates nachzuweisen bzw. zu bestätigen. Die Compliance Certificates sind von der Geschäftsleitung des Kreditnehmers zu unterzeichnen.
6.190
Zusätzlich hat die Geschäftsleitung eine Bestätigung abzugeben, dass die offengelegten Jahresabschlüsse die finanziellen Verhältnisse des Kreditnehmers am Tag von deren Erstellung in angemessener Weise wiedergeben. Abhängig von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Finanzierungsparteien und dem Kreditnehmer können weitere Erklärungen bezüglich der verwendeten Rechnungslegungsmethode erforderlich sein. So kann bspw. die Einhaltung der Generally Accepted Accounting Principles (GAAP) vereinbart sein, verbunden mit der Verpflichtung zur Information der Kreditgeber, wenn eine Anpassung der Rechnungslegung zwecks Einhaltung der veränderter GAAP erforderlich geworden ist sowie der Bereitstellung ausreichender Informationen, ob anhand dieser veränderten Rechnungslegung die Vorgaben zu den Finanzkennzahlen noch eingehalten werden3.
6.191
Üblicherweise bestehen weitere verschiedenartige Informationspflichten (Miscellaneous), welche die Entwicklungen des Geschäftsbetriebs des Kreditnehmers reflektieren4. Der Kreditnehmer hat demnach bspw. den Kreditgebern sämtliche Dokumente vorzulegen, welche er an seine Anteilsinhaber oder Gläubiger übermittelt hat sowie unverzüglich eine Mittei1 Vgl. Ziff. 20 Information Undertakings LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 2 Vgl. Ziff. 20.1 (a), (b) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 3 Vgl. Ziff. 20 Requirements as to financial statements LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 4 Vgl. Ziff. 20.4 Information: Miscellaneous LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement.
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Konsortialkredite | Teil 6
lung über anhängige oder drohende Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, die im Falle des Unterliegens zu einer wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse führen. Zusätzlich lassen sich die Kreditgeber das Recht einräumen, unverzüglich Informationen anfordern zu können betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. Geschäftstätigkeit des Kreditnehmers/dessen Konzern und sonstiger Informationen, welche gemäß bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben oder nach geübter Bankpraxis erforderlich sind. Der Kreditnehmer bzw. jeder unter dem Konsortialkreditvertrag Verpflichteter unterliegt überdies gegenüber den Kreditgebern einer Informationspflicht, falls die Nichterfüllung von Vertragspflichten (default) eintritt. Auf Anforderung des facility agents hat die Geschäftsleitung zu bestätigen, dass die Nichterfüllung bereits nicht mehr andauert bzw. für den Fall des Fortbestands, welche Maßnahmen ergriffen werden, um diesem Umstand abzuhelfen.
6.192
Schließlich hat jeder der unter dem Konsortialkreditvertrag Verpflichteten gegenüber den Kreditgebern Mitwirkungspflichten zu erfüllen, damit diese ihren auf Basis aufsichtsrechtlicher Vorgaben bestehenden Pflichten zur Identifizierung ihres Vertragspartners gemäß den „know-your-customer“-Grundsätzen1 nachkommen können. Derartige Mitwirkungspflichten können in verschiedenen Konstellationen während der Vertragsdurchführung eintreten. Dies kann einerseits bei einer Vertragsübernahme auf Seiten eines der Kreditgeber oder bei Eintritt eines weiteren Kreditnehmers oder Mithaftenden und andererseits bei Änderungen des rechtlichen Status eines Kreditnehmers oder Mithaftenden sowie bei Einführung bzw. Änderung der Auslegung bzw. Anwendung gesetzlicher Vorschriften nach Abschluss des Konsortialkreditvertrages der Fall sein2.
6.193
bb) Allgemeine Verpflichtungen Neben den Informationspflichten werden als weitere Auflagen allgemeine Verpflichtungen (General Undertakings) des Kreditnehmers vereinbart, welche sicherstellen sollen, dass sich nicht zu Lasten der Kreditgeber die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, welche als Grundlage für die Kreditentscheidung dienten, während der Kreditvertragsdurchführung verändern. Dies betrifft inhaltlich die Aufrechterhaltung der rechtlichen Existenz bzw. die Fähigkeit zur Durchführung des Kreditvertrages, die Einhaltung der relevanten Gesetze, welche der Vertragserfüllung entgegenstehen könnten, die Verfügung über Vermögensgegenstände, die Identität der Gesellschaft sowie den Unternehmensgegenstand.
6.194
Zentraler Bestandteil der General Undertakings sind die Vorgaben zur Erhaltung des Vermögens des Kreditnehmers und der sonstigen Mithaftenden des Kreditvertrages. Zum einen soll über die Vermögensgegenstände weder durch einzelne oder mehrfache Transaktionen verfügt werden. Dies betrifft sowohl freiwillige als auch unfreiwillige Verfügungen in Form eines Verkaufs, einer Vermietung oder Übertragung3. Ausnahmen von diesem grundsätzlichen Verfügungsverbot bestehen für die Veräußerung oder Vermietung von Vermögensgegenständen im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs sowie für Fälle, in denen im Austausch dafür Vermögensgegenstände erworben werden, die in Bezug auf Art, Wert und Qualität vergleichbar oder höherwertig sind.
6.195
1 Nach deutschem Recht sind dies im Wesentlichen die Vorgaben zur Kundenidentifizierung nach dem Geldwäschegesetz. 2 Vgl. Ziff. 20.7 (a) (c) „Know your customer“ checks LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 3 Vgl. Ziff. 22.4 Disposals LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
6.196
Der Kreditnehmer und die Mithaftenden haben gegenüber den Kreditgebern zur Erhaltung ihrer Vermögensgegenstände eine Negativerklärung (negative pledge) betreffend die Bestellung von dinglichen Sicherheiten zugunsten von Drittgläubigern abzugeben1. Damit soll insbesondere verhindert werden, dass an von Sicherheiten unbelastetem Vermögen Dritten Sicherheiten bestellt werden, mit der Folge, dass diesen ein bevorrechtigter Zugriff auf diese Vermögensgegenstände eingeräumt wird. Zusammenfassend erfüllt eine negative pledge-Klausel somit die Funktion, zu verhindern, dass eine Vorzugstellung anderer Gläubiger in der Insolvenz des Kreditnehmers besteht oder eine besicherte Kreditaufnahme bei anderen Kreditgebern erfolgt2. Die Negativerklärung erfasst nicht nur Pfandrechte, sondern alle Arten von Sicherheiten, die anderen Gläubigern ein Vorrecht gegenüber den Forderungen der Kreditgeber aus dem Konsortialvertrag gewähren, was bei sämtlichen dinglich wirkenden Realsicherheiten der Fall ist3. Es handelt sich bei der Negativerklärung um eine rein schuldrechtlich wirkende Verpflichtung, deren Verstoß den Kreditgebern im Falle eines wirtschaftlichen Nachteils lediglich einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB eröffnet. Folglich entsteht den Kreditgebern keine typische Kreditsicherheit, die bei Fälligkeit zu einem Verwertungsrecht der Sicherungsnehmer an einem Vermögensgegenstand führt. Überdies führt ein Verstoß gegen die Negativerklärung nicht zur Unwirksamkeit der getroffenen Verfügung, da gem. § 137 Satz 1 BGB die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Die Verpflichtung eine Verfügung nicht vorzunehmen, kann gem. § 137 Satz 2 BGB jedoch wirksam eingegangen werden, so dass gegen die Zulässigkeit einer Negativerklärung grundsätzlich keine Einwände bestehen. Die Notwendigkeit einer Einschränkung der Erklärung kann sich jedoch aus § 1136 BGB ergeben, wenn diese gegenüber grundpfandrechtlich besicherten Gläubigern abgegeben wird. § 1136 BGB will die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Grundstückseigentümers bewahren, so dass die Regelung eingreift, wenn die Verfügungsbeschränkung zur Stärkung der dinglichen Gläubigerposition der Kreditgeber dienen soll4. In der Kreditpraxis sollten daher von der Negativerklärung zur Vermeidung von Risiken stets zugunsten der Kreditgeber belastete Grundstücke ausgenommen werden5. Eine Negativerklärung darf überdies nicht das gesamte Umlauf- und Anlagevermögen eines Kreditnehmers erfassen, da dies eine unzulässige Knebelung zur Folge hätte. Es wäre letztendlich auch nicht im Interesse der Kreditgeber, da es dem Kreditnehmer praktisch unmöglich machen würde seinen Geschäftsbetrieb weiterzuführen bzw. aufrechtzuerhalten. Dementsprechend sind in einer Negativerklärung Ausnahmetatbestände vorzusehen, die eine Sicherheitenbestellung im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs zulässt, wie z.B. die Bestellung des marktüblichen AGB-Pfandrechts gegenüber Kreditinstituten bei Begründung der Geschäftsbeziehung, die Entstehung gesetzlicher Pfandrechte (Vermieter- oder Werkunternehmerpfandrecht) oder die Einräumung von verlängerten Eigentumsvorbehalten gegenüber Lieferanten. Entsprechende detaillierte Ausnahmekataloge sind in den Negativerklärungen des LMA-Musters enthalten6.
6.197
Um die wirtschaftliche Identität beizubehalten sollen der Kreditnehmer und die sonstigen Mithaftenden des Kreditvertrages keine gesellschafsrechtlichen Umwandlungen vornehmen. Es besteht insoweit ein Verbot der Vornahme von Fusionen, Verschmelzungen 1 2 3 4 5 6
Vgl. Ziff. 22.3 Negative Pledge LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 434. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 22 Rz. 53. Mucke, WM 2006, 1804, 1806. Mucke, WM 2006, 1804, 1806. Vgl. Ziff. 22.3 (c) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement.
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Konsortialkredite | Teil 6
oder Abspaltungen1. Soweit diese gesellschaftsrechtlichen Umwandlungen dem nationalen Recht unterliegen, bestimmen sich die Rechtsfolgen nach dem Umwandlungsgesetz. Bei Verschmelzungen ergeben sich die Wirkungen aus § 20 UmwG. Wesentliche Rechtsfolge ist der Übergang des vollständigen Vermögens und sämtlicher Verbindlichkeiten vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Durch eine Verschmelzung bleibt somit der Konsortialkreditvertrag in seinem Bestand unberührt, jedoch tritt an die Stelle des bisherigen Kreditnehmers ein neuer Schuldner. Ebenso bestehen auch die für Forderungen aus den Kreditverträgen bestellten Kreditsicherten fort. Im Fall von Globalzessionen als Kreditsicherheit des übertragenden Rechtsträgers ist in der Regel allerdings zu berücksichtigen, dass die vom Gesamtrechtsnachfolger in dessen Geschäftsbetrieb begründeten Forderungen von der Abtretung nicht erfasst sind2. Anderenfalls würde der Sicherungsgeber als Nichtberechtigter i.S.v. § 185 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 BGB über künftige Forderungen eines Gesamtrechtsnachfolgers verfügen, welche dieser in seinem Geschäftsbetrieb begründet3. Auch das Prinzip der Universalsukzession gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG kann nicht den Umfang einer vom übertragenden Rechtsträger getroffenen Verfügung erweitern, die sich auf die Vorausabtretung der im Geschäftsverkehr des Sicherungsgebers begründeten Forderungen bezog4. Durch den Schuldnerwechsel kann sich überdies, abhängig von dessen Bonität, ein erhöhtes Ausfallrisiko für die Kreditgeber ergeben. Entsprechende Rechtsfolgen und die daraus entstehenden wirtschaftlichen Risiken bestehen bei Spaltungen nach dem Umwandlungsgesetz. Eine Spaltung kann gem. § 123 UmwG durch Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung vollzogen werden. Die Rechtsfolge der Eintragung der jeweiligen Form einer Spaltung ist gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG wiederum der Übergang des jeweils betroffenen Vermögensteils einschließlich der Verbindlichkeiten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger. Insoweit besteht für die Kreditgeber wiederum das Risiko einer Erhöhung des Ausfallrisikos des neuen Vertragspartners. Daraus ergibt sich die Verbotsregelung zu den gesellschaftsrechtlichen Umwandlungen. Der Geschäftsgegenstand bzw. die Geschäftstätigkeit des Kreditnehmers sind von zentraler Bedeutung für die Sicherstellung des Cash-Flows zur Bedienung der Verbindlichkeiten unter den Kreditverträgen. Demnach bildet die Art des Geschäftsbetriebs auch eine der wesentlichen Grundlagen für die Entscheidung über die Kreditvergabe. Es ist daher grundsätzlich nicht im Interesse der Kreditgeber, wenn sich die Geschäftstätigkeit des Kreditnehmers ändert, verbunden mit dem Eintritt eines wirtschaftlichen Risikos. Demzufolge ist es dem Kreditnehmer untersagt, eine wesentliche Änderung der Art der Geschäftstätigkeit vorzunehmen, welche bei Abschluss des Kreditvertrages ausgeübt worden ist5.
6.198
cc) Financial Covenants Unter financial covenants sind Vereinbarungen zu verstehen, die es dem Kreditnehmer im Rahmen eines Kreditvertrages auferlegen, bestimmte Dinge bei der Führung seines Wirtschaftsunternehmens zu tun oder zu unterlassen6. Financial Covenants dienen als eine Art Frühwarn- und Risikomanagementsystem für den Kreditgeber, indem dieser frühzei1 2 3 4 5
Vgl. Ziff. 22.5 (a) Merger LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. BGH v. 24.9.2017 – II ZR 237/05, WM 2008, 65. BGH v. 24.9.2017 – II ZR 237/05, WM 2008, 65. BGH v. 24.9.2017 – II ZR 237/05, WM 2008, 65. Vgl. Ziff. 22.6 Change of business LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facility Agreement. 6 Wittig/Wulfers in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3139.
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6.199
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
tig über etwaig entstehende wirtschaftliche Probleme gewarnt und eine gewisse Finanzdisziplin beim Kreditnehmer eingefordert wird. Ziel bei der Verwendung von financial covenants ist somit die Sicherung der Ansprüche des Kreditgebers aus dem Kreditvertrag, was durch eine Risikofrüherkennung auf Basis umfassender Informationen über den Kreditnehmer ermöglicht werden soll. Es soll letztendlich ein Vorwarneffekt bezüglich das Kreditrisiko beeinflussender Krisenindikationen geschaffen werden. Dem Kreditgeber wird durch die Vereinbarung von financial covenants die Möglichkeit gegeben, auf die Verschlechterung des Kreditrisikos zu reagieren, bevor die Krise in ein Insolvenzverfahren und den damit verbundenen Kreditausfall mündet, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die Analyse der von dem Kreditnehmer vorgelegten Zahlen, insbesondere des Jahresabschlusses, schon immer ein Standardelement der Kreditwürdigkeitsprüfung gewesen ist1. Überdies geben financial covenants dem Kreditnehmer Ziele in Form von Kennzahlen vor, an denen dieser seine geschäftlichen, aber auch finanziellen Entscheidungen ausrichten kann2.
6.200
Marktüblich sind insbesondere die Vereinbarung von financial covenants zur Eigenkapitalausstattung (net worth covenant), zum Verschuldungsgrad (gearing ratio), zur Zinsdeckung (interest cover ratio) sowie auch zu den Liquiditätsanforderungen (current ratio)3. In den entsprechenden Klauseln wird das jeweilige Verhältnis festgelegter Finanzkennzahlen zu anderen Finanzkennzahlen (sog. ratios) bestimmt. Beim gearing ratio wird bspw. eine zulässige Höchstgrenze für die Verschuldung des Kreditnehmers im Verhältnis zu seinem Eigenkapital festgelegt, wodurch verhindert werden soll, dass der Kreditnehmer sinkende Erträge über eine erhöhte Kreditaufnahme auszugleichen versucht. Deshalb wird vereinbart, dass die Verschuldung nur in der Höhe ansteigen darf, wie gleichzeitig das Eigenkapital zunimmt. Abhängig vom Gegenstand der Finanzierung können neben den Vorgenannten auch weitere Kennzahlen Inhalt von financial covenants sein. Dies hängt in der Kreditpraxis letztendlich davon ab, welche finanziellen Schwachstellen ein Kreditgeber beim Kreditnehmer ausgemacht hat und während der Vertragslaufzeit beurteilt werden sollen.
6.201
Bei der inhaltlichen Gestaltung ist darauf zu achten, dass die mit der Vereinbarung verfolgten Ziele auch erreicht werden können. Daher sollten die Maßgaben der financial covenants einerseits nicht zu hoch angesetzt sein, damit der Kreditnehmer diese nicht dauernd auch ohne Krisensituation verletzt und anderseits dürfen darf die Ausgestaltung nicht in der Weise erfolgen, dass der Kreditnehmer auch trotz eintretender Krisensituation diese mühelos einhalten kann4. Problematisch ist bei der Gestaltung von financial covenants überdies die Bestimmung der Zeitabstände bzw. die Zeitpunkte, zu welchen die relevanten Kennzahlen eingehalten werden müssen. Üblicherweise wird der Nachweis der Einhaltung des in der Klausel festgelegten ratios nur an bestimmten Stichtagen vereinbart, zu denen eine Bestätigung vorzulegen ist, dass die financial convenants eingehalten worden sind. Dies erfolgt regelmäßig auf Basis der vierteljährlich erstellten Quartalsabschlüsse. Dabei besteht zumindest das Risiko, dass aufgrund der nur stichtagsbezogenen Betrachtung die Wirkung der Klauseln eingeschränkt wird, da negative Veränderungen beim Kreditnehmer, die erst nach dem Stichtag eintreten, bis zum nächsten Stichtag zur Verletzung führen und damit auch in der Zwischenzeit dem Kreditgeber keine Reaktion möglich ist5. 1 Wittig/Wulfers in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3157. 2 Wittig, WM 1996, 1381, 1382. 3 Eine Übersicht zu den typischen Klauseln und ihren Kennzahlen findet sich bei Tauber, ForderungsPraktiker 2011, 116 f. 4 Tauber, ForderungsPraktiker 2011, 116. 5 Vgl. dazu instruktiv Wittig, WM 1996, 1381, 1384.
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Konsortialkredite | Teil 6
dd) Rechtliche Risiken Aus der Vereinbarung von Auflagen in Form von allgemeinen Verpflichtungen (General Undertakings) und financial convenats können allerdings unter Umständen rechtliche Risiken für die Kreditgeber entstehen. Hintergrund ist insoweit die Entscheidung des BGH zum sog. „atypischen Pfandgläubiger“1. Der II. Zivilsenat hatte zum damaligen Eigenkapitalersatzrecht der GmbH entschieden, dass ein Pfandgläubiger, welcher sich durch weitergehende Nebenabreden eine Position einräumen lässt, die nach ihrer konkreten Ausgestaltung im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters gleich- oder jedenfalls nahekommt, mithin eine atypische Pfandrechtsbestellung an einem Gesellschaftsanteil besteht, die Finanzierungsverantwortung für die Gesellschaft wie ein Gesellschafter trage. Dies sei der Fall, wenn durch weitreichende Befugnisse eine Einflussnahme auf die Geschäftsführung und Gestaltung der Gesellschaft eingeräumt werde, insbesondere wenn der Pfandgläubiger wie ein Gesellschafter die Geschicke der Gesellschaft mitzubestimmen berechtigt sei. Dies gelte auch bei Banken, die mit den eingeräumten Befugnissen lediglich Sicherungsinteressen verfolgen2. Rechtsfolge einer Gleichstellung mit einem Gesellschafter ist, dass der Kreditgeber seine Forderungen in der Insolvenz der kreditnehmenden Gesellschaft gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen könnte. Es ist insoweit allerdings umstritten, ob für die Annahme einer gesellschafterähnlichen Rechtsstellung die Einräumung eines dinglichen Rechts (Pfandrecht) erforderlich ist oder, ob eine rein schuldrechtliche Abrede, wie dies bei general undertakings bzw. financial covenants der Fall ist, genügt. Teilweise wird insoweit instanzgerichtlich und im juristischen Schrifttum die Auffassung vertreten, dass rein schuldrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeiten, wie sie insbesondere aus Verboten mit Erlaubnisvorbehalten im Kreditvertrag herrühren können, auch ohne Vorliegen einer Pfandgläubigerposition zur Begründung einer gesellschafterähnlichen Stellung geeignet sein sollen3. Ausreichen soll dafür die schuldrechtliche Gewährung eines Einflusses auf den Kreditnehmer, welcher anzunehmen sei, wenn bspw. eine Bank Gestaltungsmacht hinsichtlich strukturändernder Maßnahmen oder Einflussmöglichkeiten auf marktstrategische Entscheidungen habe4. Ebenso wird insbesondere vertreten, dass auch die Vereinbarung von financial covenants im Kreditvertrag zur Umqualifizierung des Kredits in Eigenkapital, mit der Folge eines Nachrangs in der Insolvenz der Gesellschaft, führen kann5. In einer neueren Entscheidung hat der BGH jedenfalls ausgeurteilt, dass eine nicht gesellschaftsrechtlich fundierte, sondern eine nur wirtschaftlich oder durch schuldrechtliche Verträge (mit Ausnahme von Treuhandverträgen) vermittelte Machtposition nicht genügt, um den Inhaber dieser Machtposition einem Gesellschafter gleichzustellen6. Konkret zur Frage der Einräumung von Einflussmöglichkeiten bzw. einer Gestaltungsmacht zugunsten einer kreditgebenden Bank hat der BGH allerdings noch nicht Stellung genommen. Es bleibt daher insoweit abzuwarten, ob dieser sich der teilweise vertretenen Ansicht betreffend eine Ausdehnung des Nachrangrisikos auf schuldrechtliche Abreden, auch ohne das Bestehen einer über ein Pfandrecht vermittelten gesellschafterähnlichen Stellung, anschließen wird. 1 BGH v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, WM 1992, 1655 = GmbHR 1992, 656. 2 BGH v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, WM 1992, 1655, 1656 = GmbHR 1992, 656. 3 LG Dortmund v. 11.6.1985 – 9 T 274/85, ZIP 1986, 855; Fleischer, ZIP 1998, 313, 315; Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840, 843 f.; a.A. Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 154a f. 4 Fleischer, ZIP 1998, 313, 319 f. 5 Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840, 843 f. 6 BGH v. 6.4.2009 – II ZR 277/07, WM 2009, 1288 = GmbHR 2009, 876.
Kropf | 959
6.202
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
6.203
Die Ablehnung einer Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf schuldrechtliche Abreden überzeugt insoweit, als dass bei der Vereinbarung von financial covenants die Geschäftsleitung in ihren unternehmerischen Entscheidungen frei bleibt und somit dem Kreditgeber auch keine Ausübung eigener Geschäftsleitungsmacht eingeräumt wird. Eine Einflussnahme der kreditgebenden Bank auf den Kreditnehmer, die sich auf Kontrollrechte bezüglicher der Kreditsicherung beschränkt, sollte daher unschädlich sein. Allenfalls die Einräumung von typischen Gesellschafterrechten, durch welche Einfluss auf Grundlagenentscheidungen gewährt wird, erscheint risikobehaftet. Es sollte daher trotz der grundsätzlichen Unbedenklichkeit von schuldrechtlichen Abreden dennoch davon abgesehen werden, dass bei Zusicherungen und auch financial covenants harte Verbote oder Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Kreditgeber vereinbart werden, die eine unzulässigen Eingriff in die Geschäftsleitungsbefugnis der Gesellschaft darstellen könnten. Vor allem durch Zustimmungsvorbehalte kann ein erheblicher Einfluss auf die Geschäftsführung des Kreditnehmers ausgeübt werden. Ersetzt werden können diese vor allem bei der Vornahme von Vermögensverfügungen des Kreditnehmers durch entsprechende Informationspflichten gegenüber dem Kreditgeber, die diesem bei etwaig eintretender Risikoerhöhungen entsprechende Reaktionsmöglichkeiten eröffnen.
6.204
Unabhängig von der Frage des Nachrangs erscheint zumindest zweifelhaft, ob weitgehende Zustimmungserfordernisse und dadurch entstehende weitreichende Mitwirkungsrechte in Bezug auf die Geschäftsleitung des Kreditnehmers, soweit diese nicht individuell ausgehandelt sind, einer AGB-Inhaltskontrolle standhalten würden. Insoweit besteht das Risiko eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB1. i) Kündigungsrechte
6.205
Konsortialkreditverträge nach dem Leitbild der LMA-Muster enthalten einen umfassenden Katalog an vertraglichen Kündigungsrechten der Kreditgeber („events of default“). Diese gelten sowohl für den Krediteröffnungsvertrag als auch für den Einzelkreditvertrag2. Die vertragliche Vereinbarung weiterer Gründe, die neben den gesetzlichen Regelungen der §§ 490 Abs. 1, 314 BGB zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen, ist von der Rechtsprechung als zulässig anerkannt3. In welchem Verhältnis diese vertraglichen Kündigungsrechte zu gesetzlichen Regelungen sowie den Vereinbarungen nach den AGB-Banken stehen, hängt allerdings von der vertraglichen Ausgestaltung des Konsortialkredits ab. Teilweise wird zumindest für internationale Konsortialkreditverträge auf Basis des Prinzips der abschließenden vertraglichen Regelung angenommen, dass die umfangreichen Regelungen das dispositive Gesetzesrecht und die AGB-Kündigungsrechte abbedingen4. Da dies jedoch eine Frage der Vertragsgestaltung im Einzelfall ist, soll auf deren grundsätzliche Bedeutung im Zusammenhang mit vertraglichen Kündigungsrechten nachfolgend eingegangen werden. Insbesondere bei rein inländischen Konsortialkreditgeschäften ist die Geltung der AGB der Kreditinstitute nicht per se ausgeschlossen. Überdies ist zu berücksichtigen, dass auch das auf deutschem Recht basierende LMA-Muster ausdrücklich eine parallele Geltung zumindest der gesetzlichen Rechte der Parteien neben den vertraglich 1 2 3 4
Weitnauer, ZIP 2005, 1443, 1446. Renner/Leidinger, BKR 2015, 499, 502. BGH v. 6.3.1986 – III ZR 245/84, WM 1986, 605. Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 175 f.
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Konsortialkredite | Teil 6
vereinbarten Regelungen vorsieht1. Ob und inwieweit die deutsch-rechtliche Version des LMA-Mustervertrags die AGB-rechtlichen Maßgaben des deutschen Zivilrechts berücksichtigt, wird dabei allerdings außer Betracht gelassen2. In der Praxis ist daher jeweils in Betracht zu ziehen, welche Schwierigkeiten mitunter im Falle einer fehlenden ausdrücklichen Abbedingung auftreten können. aa) Nichtzahlung Die Kreditgeber sind zur Kündigung berechtigt, wenn die Verpflichteten bei Fälligkeit eine Verbindlichkeit unter dem Kreditvertrag nicht zahlen (non-payment)3. Für das Bestehen des Kündigungsrechts genügt die tatsächliche Nichtzahlung bei Fälligkeit, ohne dass es auf ein Verschulden oder einen Verzugseintritt ankommt4. Das Kündigungsrecht wegen Nichtzahlung ist dann ausgeschlossen, wenn diese in einem technischen oder administrativen Versehen begründet ist bzw. innerhalb von drei Tagen nach Fälligkeit die Zahlung erfolgt.
6.206
bb) Financial Covenants Den Kreditgebern wird ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt, wenn irgendeine Anforderung aus den financial covenants nicht erfüllt ist5. Bei deutschem Recht unterliegenden nationalen Konsortialkreditverträgen kann ggf. die präzise vertragliche Festlegung, dass bei Verletzung von vereinbarten Finanzkennzahlen gekündigt werden kann, unter Umständen mit einer Einschränkung des Kündigungsrechts nach Nr. 19 Abs. 3 AGBBanken verbunden sein. Eine Kollision des AGB-rechtlichen außerordentlichen Kündigungsrechts mit den Inhalten eines financial covenants könnte insoweit bestehen, als dass dessen Inhalt, z.B. ein Verschuldungsgrad, für die Frage der Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse als abschließender wirtschaftlicher Maßstab verstanden wird und folglich ein außerordentliches Kündigungsrecht nur bei dessen Unterschreiten bestünde. Je umfangreicher financial covenants vereinbart werden, desto weniger könnte Raum für den Nachweis einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse i.S.v. Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken bestehen, welche nicht von den financial covenants erfasst werden. Um dieses Risiko einer entsprechenden Vertragsklausel auszuschließen, kann als Klarstellung aufgenommen werden, dass die Rechte der Bank Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken von der Einhaltung der financial covenants unberührt bleiben.
6.207
Umgekehrt ist allerdings darauf zu achten, dass nicht per se jede Verletzung eines financial covenants zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Zwar können, wie erläutert, weitere Fälle eines wichtigen Grundes vertraglich geregelt werden, sie sind aber an dem zugrunde liegenden Leitbild zu messen. Mit anderen Worten kann bei einer Verletzung eines financial covenants eine Bank nur dann den Kreditvertrag außerordentlich kündigen, wenn eine Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag §§ 490 Abs. 2, 314 BGB an-
6.208
1 Vgl. Ziff. 34.4 Remedies and Waivers LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 2 Vgl. dazu unter Verweis auf den Supplemental User Guide to the German law version of the LMA recommended form of Primary Documents, Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 303. 3 Vgl. Ziff. 23.1 non-payment LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 4 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 160. 5 Vgl. Ziff. 23.2 financial covenants LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement.
Kropf | 961
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
zunehmen ist1. Hintergrund ist, dass financial covenants, soweit es sich bei der Vertragsregelung nicht um eine im Einzelnen ausgehandelte Klausel und demnach um AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, der AGB-Kontrolle unterliegen und die Ausübung eines außerordentlichen Kündigungsrechts sich daher an dem zuvor genannten gesetzlichen Leitbild der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung messen lassen muss. Bei Vereinbarung der Geltung deutschen Rechts ist folglich darauf zu achten, dass insbesondere bei unwesentlichen bzw. behebbaren, vorübergehenden Verletzungen von financial covenants die Berechtigung einer Kündigung im Einzelfall zu überprüfen ist. Dies betrifft auch den Aspekt, ob nicht als milderes Mittel die Geltendmachung des Anspruchs auf Nachbesicherung gem. Nr. 13 AGB-Banken vorzuziehen ist. cc) Unrichtige Zusicherungen
6.209
Sind unter dem Konsortialkreditvertrag von den Verpflichteten abgegebene bzw. fingiert abgegebene Zusicherungen in wesentlicher Hinsicht im Zeitpunkt der Abgabe oder fingierten Abgabe unzutreffend oder irreführend, besteht ein Kündigungsrecht der Kreditgeber2. Erfasst werden die im Konsortialkreditvertrag vereinbarten Zusicherungen. Die Wesentlichkeit der unrichtigen oder irreführenden Erklärung richtet sich nach der Bedeutung des unrichtigen Umstandes für die Entscheidung der Kreditgeber, den Kredit auf unveränderter Basis zur Verfügung zu stellen oder zu belassen3. Sollte es sich bei diesem Kündigungsgrund nicht um eine Individualvereinbarung handeln und der Vertrag deutschem Recht unterliegen, ist in Betracht zu ziehen, dass gewisse Einschränkungen des Kündigungsrechts vorgenommen werden sollten. So erscheint es unter dem Gesichtspunkt einer Wesentlichkeitsschwelle für ein außerordentliches Kündigungsrecht problematisch, dass die Musterklauseln nicht an etwaige schwerwiegende Verstöße anknüpfen, sondern jede unrichtige Zusicherung genügen lassen. Es könnte daher am Maßstab des § 314 Abs. 1 BGB an eine einschränkende Ausübung des Kündigungsrechts zu denken sein, so dass bei unbedeutenden Fehlern von dem eingeräumten Recht kein Gebrauch gemacht wird, weil die Kreditgeber daran auch kein Interesse haben4. dd) Cross default
6.210
Cross default-Klauseln sind im anglo-amerikanischen Recht marktüblich und über die LMA-Musterverträge auch bei Konsortialkrediten im rein nationalen Kreditgeschäft inzwischen sehr verbreitet. Den Kreditgebern wird ein Kündigungsrecht gegenüber dem Kreditnehmer des Konsortialkredites eingeräumt, wenn dieser in einem Drittvertragsverhältnis bspw. im Zahlungsverzug ist oder eine Nichtzahlung von fälligen Verbindlichkeiten vorliegt. In der Regel wird beim „cross default“ als Kündigungsgrund festgelegt, dass dieser eintritt, wenn in einem anderen Kreditverhältnis ein Kündigungsgrund vorliegt, ohne dass erforderlich wäre, dass dieses Kreditverhältnis bereits gekündigt worden ist5. In Bezug genommen werden im Rahmen dessen üblicherweise nicht nur der Kreditnehmer, sondern auch andere Gesellschaften des Konzerns, welchem der Kreditnehmer zugehörig ist6. Eine Einschränkung dieses Kündigungsgrundes erfolgt regelmäßig in der Weise, dass für die 1 Zweifelnd in diesem Sinne auch Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 3. Aufl. 2013, § 23 Rz. 56a. 2 Vgl. Ziff. 23.4 misrepresentations LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 3 Castor in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 16. Kap. Rz. 164. 4 Renner/Leidinger, BKR 2015, 499, 503. 5 Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 442. 6 Vgl. Ziff. 23.5 lit. a) und b) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement.
962 | Kropf
Konsortialkredite | Teil 6
fälligen Finanzverbindlichkeiten ein Schwellenwert bestimmt wird, bei dessen Unterschreiten ein Kündigungsgrund in einem anderen Kreditverhältnis keinen „cross default“ begründen kann1. Die Vereinbarung derartiger Klauseln ist allerdings bei Geltung deutschen Rechts für den Konsortialkreditvertrag AGB-rechtlich nicht ohne Risiken, soweit es sich im Einzelfall bei den entsprechenden Klauseln um AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Dies betrifft insbesondere Konstellationen in denen die Drittgläubiger von ihrem Kündigungsrecht noch nicht Gebrauch gemacht haben und insoweit das vertraglich vereinbarte Kündigungsrecht über die Kündigungsgründe des § 490 Abs. 1 BGB und das darin enthaltene gesetzliche Leitbild hinausgehen. Für ein Kündigungsrecht nach § 490 Abs. 1 BGB wäre erforderlich, dass die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder das Ausmaß der Vermögensgefährdung einen Grad erreicht hat, der die Rückzahlung der Kreditforderungen gefährdet erscheinen lässt2. Allein durch das bloße Bestehen eines Kündigungsrechts bei Drittgläubigern gerät die Vermögenslage des Kreditnehmers aber noch nicht unmittelbar in Gefahr, insbesondere, wenn es sich um Kündigungsrechte handelt, deren Ausübung äußerst unwahrscheinlich ist3. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die berechtigten Interessen der Kreditgeber im Verhältnis zu anderen Gläubigern geschützt werden, indem eine gewisse Gleichstellung erzielt und ein Wettlauf unbesicherter Kreditgeber unterschiedlicher Kreditverhältnisse verhindert wird, indem prinzipiell kein Kreditgeber damit rechnen kann, dass seine Kündigungsmöglichkeiten besser sind und eine schnelle Kündigung ihm Vorteile bringen könnte4. ee) Insolvenz und Insolvenzverfahren Ist bei einem unter dem Kreditvertrag Verpflichteten ein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfüllt, sei es die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO), kann der Kredit außerordentlich von den Kreditgebern gekündigt werden. Zusätzlich werden häufig weitere Tatbestände bestimmt, die ebenfalls zur Kündigung berechtigen. Dies kann die Aufnahme von Stundungsverhandlungen mit Gläubigern zur Zahlung von Verbindlichkeiten oder auch die faktische Zahlungseinstellung sein5.
6.211
Darüber hinaus werden spezifische Maßnahmen, die entweder im Vorfeld oder im Rahmen eines Insolvenzverfahrens vorgenommen werden, als Kündigungsgrund festgelegt. Dies kann bspw. die Ernennung eines Insolvenzverwalters, eines Zwangsverwalters oder eines sonstigen Verwalters für das Vermögen der Verpflichteten oder auch die Verwertung von Sicherheiten sein6.
6.212
ff) Wesentliche nachteilige Veränderungen Neben der Bestimmung spezieller Kündigungsgründe enthalten Konsortialkreditverträge regelmäßig noch den allgemeinen Kündigungsgrund der wesentlichen nachteiligen Veränderungen. Diesem Kündigungsgrund kommt insoweit die Funktion eines Auffangtatbestandes zu. Wie bereits zuvor im Rahmen des Kündigungsrechts zu financial convenants ausgeführt (vgl. Rz. 6.205), wird aufgrund der speziellen Kündigungsrechte, insbesondere der Vereinbarung von Finanzkennzahlen, dieser Tatbestand nur erfüllt sein, 1 Vgl. Ziff. 23.5 lit. (e) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement; Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 442. 2 Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 79 Rz. 181. 3 Renner/Leidinger, BKR 2015, 499, 503. 4 Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und SIcherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 444. 5 Ziff. 23.6 (a) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement. 6 Vgl. Ziff. 23.7 (b), (c) LMA-Muster Multicurrency Term and Revolving Facilities Agreement.
Kropf | 963
6.213
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
wenn besondere Umstände eintreten, die nicht bereits durch die speziellen Tatbestände erfasst werden. Diesem Kündigungsgrund wird daher wegen seines generalklauselartigen Charakters regelmäßig ein geringer Anwendungsbereich verbleiben. Im Falle der Geltung deutschen Rechts für den Konsortialkreditvertrag wird in Anlehnung an das gesetzliche Leitbild der §§ 490 Abs. 1, 314 BGB für die Einschlägigkeit des Kündigungsrechts eine Risikoerhöhung erforderlich sein, die ein Festhalten am Vertrag für die Kreditgeber unzumutbar macht. Sollte der Kündigungsgrund der wesentlichen nachteiligen Veränderung im Vertrag sehr weit formuliert sein, kann das Risiko bestehen, dass bei einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung einer auf diesen Grund gestützten Kündigung das Gericht bei einer entsprechend engen Auslegung zu dem Ergebnis kommen könnte, der zugrunde liegende Sachverhalt genüge nicht für eine Kündigung1. Für die Kreditgeber kann es sich daher im Rahmen der Vertragsgestaltung anbieten, Anknüpfungspunkte für die wesentliche nachteilige Veränderung in Form von Regelbeispielen zu schaffen.
6. Abschnitt: Public Private Partnership-Finanzierungen (Kropf) I. Grundlagen 1. Begriff und Anwendungsfelder
6.214
Eine spezielle Form der Fremdfinanzierung im unternehmerischen Kreditgeschäft sind Public Private Partnership-Finanzierungen. Eine feststehende bzw. allgemein gültige Definition, was vom Begriff Public Private Partnership (PPP) erfasst wird, besteht nicht. Unter der Prämisse, dass es sich bei PPP nicht um einen Rechtsbegriff handelt, sondern darunter vielmehr ein Konzept zu verstehen ist, kann man allgemein ausgedrückt als PPP eine auf vertraglicher Basis und längerfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen Trägern öffentlicher Aufgaben und privaten Einrichtungen oder Unternehmen verstehen, welche zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Ziele auf der Grundlage von gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen, Kooperationsverträgen oder Finanzierungsverträgen erfolgt2. Es geht somit letztendlich um eine Kooperation zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Erfasst sind alle Formen, die im Bereich zwischen Leistungserfüllung und Aufgabenerbringung durch die Verwaltung selbst und einer vollständigen Privatisierung liegen. Beim öffentlichen Auftraggeber wird es sich häufig um eine Kommune handeln.
6.215
In der Praxis werden PPP im Wesentlichen im Rahmen der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Infrastruktureinrichtungen bzw. der Durchführung von Infrastrukturprojekten abgeschlossen. Im Einzelnen kommt die Beteiligung Privater etwa bei der Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung oder auch bei Schulgebäudesanierungen in Betracht3. Die Bedeutung von PPP-Finanzierungen liegt für die öffentliche Hand häufig in der Verschuldung der kommunalen Haushalte und der daraus folgenden Schwierigkeiten bei der Finanzierung kommunaler Investitionen. Die Einbeziehung Privater dient daher vor allem auch der Mobilisierung privaten Kapitals für Zwecke der öffentlichen (kommunalen) Aufgabenwahrnehmung, mit anderen Worten soll auf andere Weise als durch Aufnahme 1 Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 450. 2 Hellermann in Hoppe/Uechtritz/Reck, Handbuch Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 2012, § 7 Rz. 169. 3 Vgl. dazu Hellermann in Hoppe/Uechtritz/Reck, Handbuch Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 2012, § 7 Rz. 172 mit weiteren Fallbeispielen.
964 | Kropf
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
wenn besondere Umstände eintreten, die nicht bereits durch die speziellen Tatbestände erfasst werden. Diesem Kündigungsgrund wird daher wegen seines generalklauselartigen Charakters regelmäßig ein geringer Anwendungsbereich verbleiben. Im Falle der Geltung deutschen Rechts für den Konsortialkreditvertrag wird in Anlehnung an das gesetzliche Leitbild der §§ 490 Abs. 1, 314 BGB für die Einschlägigkeit des Kündigungsrechts eine Risikoerhöhung erforderlich sein, die ein Festhalten am Vertrag für die Kreditgeber unzumutbar macht. Sollte der Kündigungsgrund der wesentlichen nachteiligen Veränderung im Vertrag sehr weit formuliert sein, kann das Risiko bestehen, dass bei einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung einer auf diesen Grund gestützten Kündigung das Gericht bei einer entsprechend engen Auslegung zu dem Ergebnis kommen könnte, der zugrunde liegende Sachverhalt genüge nicht für eine Kündigung1. Für die Kreditgeber kann es sich daher im Rahmen der Vertragsgestaltung anbieten, Anknüpfungspunkte für die wesentliche nachteilige Veränderung in Form von Regelbeispielen zu schaffen.
6. Abschnitt: Public Private Partnership-Finanzierungen (Kropf) I. Grundlagen 1. Begriff und Anwendungsfelder
6.214
Eine spezielle Form der Fremdfinanzierung im unternehmerischen Kreditgeschäft sind Public Private Partnership-Finanzierungen. Eine feststehende bzw. allgemein gültige Definition, was vom Begriff Public Private Partnership (PPP) erfasst wird, besteht nicht. Unter der Prämisse, dass es sich bei PPP nicht um einen Rechtsbegriff handelt, sondern darunter vielmehr ein Konzept zu verstehen ist, kann man allgemein ausgedrückt als PPP eine auf vertraglicher Basis und längerfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen Trägern öffentlicher Aufgaben und privaten Einrichtungen oder Unternehmen verstehen, welche zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Ziele auf der Grundlage von gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen, Kooperationsverträgen oder Finanzierungsverträgen erfolgt2. Es geht somit letztendlich um eine Kooperation zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Erfasst sind alle Formen, die im Bereich zwischen Leistungserfüllung und Aufgabenerbringung durch die Verwaltung selbst und einer vollständigen Privatisierung liegen. Beim öffentlichen Auftraggeber wird es sich häufig um eine Kommune handeln.
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In der Praxis werden PPP im Wesentlichen im Rahmen der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Infrastruktureinrichtungen bzw. der Durchführung von Infrastrukturprojekten abgeschlossen. Im Einzelnen kommt die Beteiligung Privater etwa bei der Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung oder auch bei Schulgebäudesanierungen in Betracht3. Die Bedeutung von PPP-Finanzierungen liegt für die öffentliche Hand häufig in der Verschuldung der kommunalen Haushalte und der daraus folgenden Schwierigkeiten bei der Finanzierung kommunaler Investitionen. Die Einbeziehung Privater dient daher vor allem auch der Mobilisierung privaten Kapitals für Zwecke der öffentlichen (kommunalen) Aufgabenwahrnehmung, mit anderen Worten soll auf andere Weise als durch Aufnahme 1 Tauber in Klein, Konsortialkreditgeschäft und Sicherheitenpools, 3. Aufl. 2013, Rz. 450. 2 Hellermann in Hoppe/Uechtritz/Reck, Handbuch Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 2012, § 7 Rz. 169. 3 Vgl. dazu Hellermann in Hoppe/Uechtritz/Reck, Handbuch Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 2012, § 7 Rz. 172 mit weiteren Fallbeispielen.
964 | Kropf
Public Private Partnership-Finanzierungen | Teil 6
eines Kommunalkredites das zur Vorfinanzierung der Investitionen notwendige private Kapital aufgebracht werden1. Bspw. muss bei einer Forfaitierung mit Einredeverzicht die öffentliche Hand keine Kreditaufnahme in den Haushalt buchen, auch wenn sie faktisch mit dem forfaitierenden Kreditinstitut ein Kreditverhältnis eingeht (vgl. dazu Rz. 6.222). Darüber hinaus kann der Vorteil einer PPP-Gestaltung in der Einbeziehung besonderen privatwirtschaftlichen Know-hows zur Durchführung einer Investition liegen. 2. Erscheinungsformen Die Finanzierungsstruktur bei PPP kann in der Kreditpraxis grundsätzlich als Forfaitierung mit Einredeverzicht (vgl. Rz. 6.217 ff.) oder als sog. Projektfinanzierung ausgestaltet sein.
6.216
Projektfinanzierungen sind dadurch gekennzeichnet, dass diese zur Finanzierung eines abgrenzbaren einzelnen Projekts dienen, welches von einer zu diesem Zweck errichteten rechtlich selbständigen Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH oder GmbH & Co. KG erstellt wird2. Zur Finanzierung des Projekts wird von den Eigenkapitalgebern der von ihnen geforderte Eigenkapitalbetrag beigesteuert, im Übrigen wird dieses allerdings mit Fremdkapital finanziert. Die Aufnahme des Projektdarlehens erfolgt seitens der Projektgesellschaft, welche für die Rückzahlung ausschließlich mit ihrem Vermögen haftet. Die Projektinitiatoren haften hingegen nicht persönlich für die zur Projekterstellung aufgenommenen Darlehen, vielmehr ist ihre Haftung auf ihre Einlagen in der rechtlich selbständigen Projektgesellschaft beschränkt. Die Ausreichung der Bankkredite erfolgt zwecks Risikominimierung häufig über Konsortialkredite. Der Schuldienst soll in erster Linie durch den cash flow der Projektgesellschaft nach Inbetriebnahme des Projekts erbracht werden. Diese Maßgabe hat zur Folge, dass Projektfinanzierungen nur für Vorhaben in Betracht kommen, die Einkünfte der Projektgesellschaft in einem Umfang erwarten lassen, welche für die Leistung von Zins und Tilgung ausreichen bzw. deren Planung die Prognose stabiler Einnahmen der Projektgesellschaft über den Kreditzeitraum gestattet3. Ermöglicht wird die Erbringung des Schuldendienstes in der Regel dadurch, dass die Projektgesellschaft nicht nur sämtliche mit der Erstellung des Projekts verbunden Verträge abschließt, sondern im Anschluss auch als Betriebsgesellschaft fungiert. Im Rahmen dessen ist aus Sicht der Fremdkapitalgeber vornehmlich die Ertragskraft und Risikostruktur des Projektes entscheidend, d.h. es wird im Zuge einer due diligence geprüft, ob das Projekt einen zur Deckung des Schuldendienstes, der Betriebskosten und der Eigenkapitalverzinsung ausreichenden cash flow erwirtschaften kann. Die Bonität der Projektgesellschaft als Kreditnehmer ist daher nicht von maßgebender Bedeutung. Besonderheiten ergeben sich auch bei der Besicherung der Kredite. Da die Vermögensgegenstände der Projektgesellschaft aufgrund ihrer spezifischen Zwecken dienenden Nutzbarkeit für das Projekt nur einen begrenzten Sicherheitenwert aufweisen, werden Sicherheiten nicht vorrangig zur Verwertung und damit Befriedigung der noch offenen Forderungen bestellt, sondern vielmehr sollen sie zum einen eine etwaig notwendige Restrukturierung des Projekts unter anderer Führung bzw. durch eine andere Gesellschaft ermöglichen und zum anderen den Zugriff auf wesentliche Vermögensgegenstände durch Drittgläubiger, welcher die Fortführung des Projekts gefährden könnte, vereiteln4. In Betracht kommen daher vor allem Realsicherheiten am Betriebsvermögen sowie Sicherungsrechte an den Anteilen
6.217
1 Hellermann in Hoppe/Uechtritz/Reck, Handbuch Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 2012, § 7 Rz. 209. 2 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 67 Rz. 1, 10. 3 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 67 Rz. 1, 4. 4 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 1. Aufl. 2017, § 68 Rz. 22.
Kropf | 965
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
der Projektgesellschaft. Als Einsatzgebiet im Bereich von PPP-Finanzierungen sind in der Praxis vor allem Infrastrukturprojekte mit großem Finanzierungsvolumen von Bedeutung.
6.218
Nachfolgend soll jedoch die Darstellung von PPP-Finanzierungen auf das im Bereich des Commercial Banking besonders praxisrelevante Forfaitierungsmodell beschränkt werden1.
II. Finanzierungsstruktur bei PPP-Forfaitierungen 1. Grundstruktur/Ablauf
6.219
Zwischen der öffentlichen Hand als Auftraggeber und der Projektgesellschaft in privater Rechtsform wird ein PPP-Vertrag abgeschlossen. In diesem Vertrag wird u.a. ein Leistungsentgelt vereinbart, welches vom öffentlichen Auftraggeber an den privaten Leistungserbringer zu zahlen ist. Die Projektgesellschaft wiederum verkauft die aus dem PPP-Vertrag gegen die öffentliche Hand bestehenden Forderungen an die finanzierende Bank. Der öffentliche Auftraggeber erklärt gegenüber der Bank einen Einredeverzicht bezüglich der von der Projektgesellschaft abgetretenen Forderungen aus dem PPP-Vertrag. Die Bank zahlt sodann den Barwert der abgezinsten Forderungen an die Projektgesellschaft aus. Der öffentliche Auftraggeber wiederum zahlt das vereinbarte Leistungsentgelt aus dem PPP-Vertrag an die Bank, welche aufgrund der vorangegangenen Abtretung neue Gläubigerin dieser Forderungen ist. Diese Grundstruktur geht in ihren Kernelementen auf das sog. „Mogendorfer Modell“2 zurück.
6.220
Forfaitierungsvertrag (Forderungskauf und Abtretung)
Leistungsentgelt
PPP-Vertrag
Leistungserbringung
Private Projektgesellschaft
Bank
s ng de Zahlu sentgelts ng Leistu ht zic r e ev red n i E
Öffentlicher Auftraggeber 1 Eine umfassende Darstellung zur Projektfinanzierung ist zu finden in Siebel/Röver/Knüdel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, 2. Aufl. 2008. 2 Das Mogendorfer Modell ist eine Form der Finanzierung öffentlicher Bauprojekte, die erstmals zur Finanzierung der Ortsumgehungstraße in der Gemeinde Mogendorf (Rheinland-Pfalz) zur Anwendung kam. Der öffentliche Auftraggeber erklärt gegenüber dem privaten Auftragnehmer und dem finanzierenden Institut durch Abgabe von Bautestaten, dass eine Teilleistung vertragsgemäß erbracht wurde und damit eine (Teil-)Werklohnforderung entstanden ist. Für diese Forderung wird gleichzeitig ein entsprechender Teil-Einredeverzicht erklärt. Zur Sicherstellung des Liquiditätsbedarfs während der Bauphase kann die Forderung an die Bank verkauft werden. Der bis zur Erteilung des jeweiligen Zwischentestats aufgelaufene Zwischenfinanzierungssaldo wird durch die Forfaitierung abgedeckt.
966 | Kropf
Public Private Partnership-Finanzierungen | Teil 6
Als Alternativmodell kommt es in der Praxis, abweichend von dem zuvor dargestellten Grundmodell, auch vor, dass zur Zwischenfinanzierung der Investition (bspw. ein Bauvorhaben) ein Darlehen von der Projektgesellschaft bei einer Bank aufgenommen wird. Die Kreditmittel entstammen in diesen Fällen regelmäßig Förderprogrammen von staatlichen Förderbanken1. Die Förderkredite werden über die Hausbank der Projektgesellschaft ausgereicht. Der Forderungsverkauf erfolgt erst im Anschluss an die Bauphase, wobei die verkauften und abgetretenen Forderungen der Höhe nach dem Kapitaldienst für das aufgenommene Fremdkapital entsprechen. Zusätzlich wird eine sog. Erfüllungsvereinbarung geschlossen, wonach die Bank aus der Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises und die Projektgesellschaft aus der Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens entlassen wird.
6.221
2. Rechtsbeziehungen a) Bank – Projektgesellschaft Zwischen diesen Parteien wird ein Kaufvertrag über die Abtretung von Forderungen geschlossen. Gegenstand des Kaufvertrags mit der Bank sind die Forderungen der Projektgesellschaft, die gegenüber der öffentlichen Hand aus dem PPP-Vertrag bestehen. Dabei handelt es sich in der Regel um Leistungsentgelte. Aufgrund des Einredeverzichts der öffentlichen Hand wird die Bank bei der Abzinsung der Forderungen im Rahmen des Forderungsankaufs kommunalkreditähnliche Konditionen anbieten können. Dies ist darin begründet, dass eine Forfaitierung mit Einredeverzicht der öffentlichen Hand zu einer Übertragung des Forderungsausfallrisikos (sog. Delkredererisiko) führt. Dies hat zur Folge, dass die öffentliche Hand als Drittschuldnerin der verkauften und abgetretenen Forderungen bankaufsichtsrechtlich gem. § 19 Abs. 5 Halbs. 2 KWG als „Kreditnehmerin“ der Bank anzusehen ist.
6.222
b) Projektgesellschaft – öffentliche Hand Die öffentliche Hand schließt mit der Projektgesellschaft einen PPP-Vertrag. Dieser wird regelmäßig als Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 BGB oder als Werkvertrag i.S.v. § 631 BGB zu qualifizieren sein. Es kann sich allerdings auch um typengemischte Verträge handeln. Gegenstand des Projektvertrages ist regelmäßig die Verpflichtung der Projektgesellschaft zur Finanzierung und Errichtung oder zum Betrieb des PPP-Vorhabens. Die öffentliche Hand bezahlt der Projektgesellschaft im Gegenzug ein Leistungsentgelt.
6.223
c) Bank – öffentliche Hand Die öffentliche Hand erklärt gegenüber der Bank, keinerlei Einreden bzw. Einwendungen aus dem Vertragsverhältnis mit der Projektgesellschaft geltend zu machen. Inhaltlich erklärt die öffentliche Hand somit in der Regel, dass im Hinblick auf den Forderungskaufvertrag unwiderruflich auf die Geltendmachung aller gegenwärtigen und zukünftigen Einwendungen und Einreden gegen die abgetretenen Forderungen verzichtet wird und dieser Verzicht ohne Rücksicht auf den Bestand der abgetretenen Forderungen und ohne Rücksicht darauf, ob der Vertrag durch den Forderungsverkäufer mit der Gebietskörperschaft erfüllt wird, greift. Der Verzicht auf Einwendungen und Einreden gilt auch in dem Fall, dass sich die Leistungspflicht der Gebietskörperschaft gegenüber dem Forderungsverkäufer 1 S. bspw. Programm „Kommunal Investieren“ der KfW.
Kropf | 967
6.224
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
aus dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag bei einer gänzlichen oder teilweisen Leistungsstörung mindert oder dass diese gänzlich entfällt. Die Zahlungsverpflichtung der öffentlichen Hand besteht folglich unabhängig davon, ob die abgetretenen Forderungen bestehen und durchsetzbar sind.
6.225
Zwar nicht rechtlich, jedoch faktisch führt dies zu einem Schuldnerwechsel. Der Einredeverzicht bewirkt, dass die öffentliche Hand auch bei Schlecht- oder Nichtleistung der Projektgesellschaft als ihrem Vertragspartner nicht von der Leistungspflicht gegenüber der Bank als Zessionar befreit wird und folglich auch über die mögliche Insolvenz der Projektgesellschaft hinaus zahlungspflichtig bleibt. Die Bank hat demnach als Forderungsschuldner die öffentliche Hand. Der Einredeverzicht wird rechtsdogmatisch als abstraktes Schuldversprechen bzw. Garantieerklärung zu qualifizieren sein. In der Kreditpraxis ist daher zu beachten, dass die Erklärung des Einredeverzichts regelmäßig einer Genehmigung der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde bedürfen wird. Diese Genehmigung sollte sich das Kreditinstitut vorlegen lassen.
III. PPP-Forfaitierungen und EU-Beihilferecht 1. Tatbestand einer Beihilfe und Prüfungspflichten
6.226
Bei dem dargestellten Forfaitierungsmodell im Rahmen von PPP-Finanzierungen können aufgrund der Involvierung der öffentlichen Hand in Form des Einredeverzichts die Vorgaben des EU-Beihilferechts gem. Art. 107 ff. AEUV zu berücksichtigen sein. Das europäische Wettbewerbsrecht in Gestalt des Beihilferechts will den unverfälschten Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt vor staatlicher Einflussnahme schützen. Der als Verbotstatbestand ausgestaltete Art. 107 Abs. 1 AEUV erklärt staatlich oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt für unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Beihilfen i.S.d. genannten Tatbestands sind bei der EU-Kommission zu notifizieren und dürfen erst nach Entscheidung der EU-Kommission durchgeführt werden. (vgl. Art. 108 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV). Normadressaten des Beihilfeverbots sind zwar die Mitgliedstaaten bzw. deren staatliche Ebenen (Gebietskörperschaften), jedoch sind auch Banken auf Basis aufsichtsrechtlicher Grundlage unter Umständen zur Prüfung der Vereinbarkeit von Rechtsgeschäften mit dem EU-Beihilferecht verpflichtet. Sowohl nach MaRisk BTO 1.2.1 i.V.m. § 25a KWG als auch nach Art. 194 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 575/2013 (CRR)1 haben Kreditinstitute die rechtliche Wirksamkeit von Kreditsicherheiten vor der Kreditvergabe sicherzustellen. Die besondere Bedeutung ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich bei Art. 107 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 108 Abs. 3 AEUV nach ständiger Rechtsprechung des BGH um ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB handelt2. In der jüngeren Rechtsprechung hat der BGH allerdings allgemein in Bezug auf Vertragsverhältnisse, in denen eine Beihilfe gewährt wird, entschieden, dass es auch Fälle geben kann, in denen nicht die Gesamtnichtigkeit des Vertrags wegen Verstoßes gegen das beihilferechtliche 1 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012. 2 BGH v. 4.4.2003 – V ZR 314/02, EuZW 2003, 444, 445; BGH v. 20.1.2004 – XI ZR 53/03, EuZW 2004, 252; BGH v. 10.2.2011 – I ZR 136/09, WM 2011, 999.
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Public Private Partnership-Finanzierungen | Teil 6
Durchführungsverbot erforderlich ist, mithin nicht der gesamte die Beihilfe gewährende Vertrag rückabgewickelt werden muss, sondern nur der beihilferechtswidrig erlangte Vorteil abzuschöpfen ist1. Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist allerdings insbesondere die Frage der allseitigen Unwirksamkeit bei Dreipersonenverhältnissen, wie es auch bei PPPFinanzierungen der Fall ist. Insoweit räumte der BGH ein, dass bei Dreiecksverhältnissen nicht in allen Einzelheiten geklärt sei, ob und in welchem Umfang die Rechtsbeziehungen der Beteiligten im Fall einer unter Verletzung von EU-Recht gewährten Beihilfe nach § 134 BGB nichtig sind2. 2. Relevanz bei PPP-Forfaitierungen a) Anwendbarkeit Maßgeblich kann die Beachtung der Vorgaben des EU-Beihilferechts bei Forfaitierungen betreffend die Erklärung des Einredeverzichts seitens der öffentlichen Hand sein, wenn dadurch der Projektgesellschaft oder unter Umständen der Bank ein finanzieller Vorteil entsteht und auch im Übrigen die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 107 AEUV erfüllt sind. Der Einredeverzicht der öffentlichen Hand kann zu besseren Finanzierungskonditionen zugunsten der Projektgesellschaft führen, da diese staatliche Erklärung de facto eine garantierte Zahlung der Entgelte aus dem Verhältnis öffentliche Hand und Projektgesellschaft an die Bank zur Folge hat. Dies führt dazu, dass der Projektgesellschaft kommunalkreditähnliche Bedingungen gewährt werden können.
6.227
Zu beachten ist, dass das Tatbestandsmerkmal „Unternehmen“ i.S.d. Art. 107 AEUV europarechtlich auszulegen ist. Danach ist als Unternehmen und damit potentieller Beihilfeempfänger jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit zu verstehen, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des EU-Beihilferechts ist wiederum jede Tätigkeit, die im Anbieten von Gütern und Dienstleistungen auf einem Markt besteht. Tätigkeiten die nach nationalem Kommunalrecht ggf. als Kommunale Pflichtaufgabe ausgestaltet sind, können dennoch eine wirtschaftliche und damit dem europäischen Wettbewerbsrecht unterliegende Tätigkeit sein. Nach der Rechtsprechung des EuG steht sogar ein etwaig zwischen Nutzern der Dienstleistung und dem Unternehmen bestehender Anschluss- und Benutzungszwangs nicht dem Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. EU-Beihilferechts entgegen, da dieser Zwang bei öffentlichen Unternehmen gem. Art. 106 Abs. 1 AEUV typischerweise besteht und der Ausschluss der Anwendung der im AEUV vorgesehenen Wettbewerbsregeln aufgrund eines solchen Zwangs Art. 106 Abs. 1 AEUV seiner praktischen Wirksamkeit berauben würde, da er die Beachtung der Beihilfevorschriften der Art. 107 und 108 AEUV vorschreibt3. Zum anderen steht auch eine Gebührenerhebung nach Kommunalabgabengesetzen (KAG) nicht einer wirtschaftlichen Tätigkeit entgegen, da eine Gebühr nach dem KAG als Gegenleistung für eine konkrete Dienstleistung erhoben wird und die Kosten der Dienstleistung decken soll, so dass dieser Umstand gerade ein Indiz darstellt, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt4. Vor allem für die im Rahmen von PPP-Projekten relevanten Aufgabenfelder verdient dies besondere Beachtung. So sind bspw. auch die kommunalen Aufgaben der Abwasserbeseitigung und
6.228
1 2 3 4
BGH v. 5.12.2012 – I ZR 92/11, WM 2013, 2185. BGH v. 12.10.2006 – III ZR 299/05, WM 2006, 2274. EuG v. 16.7.2014 – Rs. T-309/12, NZBau 2015, 234. EuG v. 16.7.2014 – Rs. T-309/12, NZBau 2015, 234.
Kropf | 969
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Abfallentsorgung als wirtschaftliche Tätigkeiten von der EU-Kommission anerkannt. Ebenso kann bereits die Errichtung von Infrastruktur eine beihilferelevante Tätigkeit sein, wenn diese Infrastruktur sodann für eine wirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird1.
6.229
Darüber hinaus muss schließlich durch die staatliche Maßnahme eine Wettbewerbsverfälschung zumindest drohen und eine Handelsbeeinträchtigung eintreten; dies wird von der europäischen Rechtsprechung regelmäßig gemeinsam geprüft2. Diese Tatbestandsmerkmale werden in der Rechtsprechung der Europäischen Gerichte grundsätzlich sehr weit interpretiert. Für eine Wettbewerbsverfälschung reicht bspw. bereits aus, dass eine Beihilfe die Wettbewerbsstellung eines Unternehmens im Vergleich zur Lage ohne Beihilfe stärkt3. In Bezug auf die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass diese nicht bereits dann ausgeschlossen ist, wenn das Unternehmen selbst nicht grenzüberschreitend tätig ist. Denn in diesem Fall kann die Erbringung von Dienstleistungen durch die staatliche Maßnahme beibehalten oder ausgeweitet werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, ihre Dienstleistungen auf dem Markt dieses Mitgliedstaates zu erbringen, verringern4. Für PPPFinanzierungen ist von Relevanz, dass die Europäische Kommission in einer Reihe von Entscheidungen jüngst mehrfach betont hat, dass das EU-Beihilferecht mangels Zwischenstaatlichkeit nicht anwendbar ist, wenn die betreffende staatliche Maßnahme rein lokale Auswirkungen hat5. Den Entscheidungen ist die Grundaussage zu entnehmen, dass rein lokale Auswirkungen vorliegen, wenn der Beihilfeempfänger Waren oder Dienstleistungen nur in einem geografisch begrenzten Gebiet in einem Mitgliedstaat anbietet und es unwahrscheinlich ist, dass er Kunden aus anderen Mitgliedstaaten gewinnen wird. Darüber hinaus ist erforderlich, dass nicht davon auszugehen ist, dass die staatliche Maßnahme mehr als marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen oder die Niederlassung von Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten haben wird. Eine Beurteilung, wann diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, dürfte in der Bankpraxis aufgrund der allgemein gehaltenen Kriterien allerdings mit Schwierigkeiten verbunden sein. So nannte die Kommission in keiner der Entscheidungen allgemeingültige harte Kriterien oder Schwellenwerte, die auf andere Fälle übertragbar wären. Schließlich kann überdies noch nicht abgesehen werden, ob und inwieweit der EuGH diese Entscheidungspraxis mittragen wird, dies insbesondere vor dem Hintergrund seiner bisherigen Entscheidungspraxis zur Binnenmarktrelevanz. Die weitere Entwicklung in diesem Bereich bleibt daher abzuwarten. Demnach ist im Einzelfall seitens der finanzierenden Bank die tatbestandliche Anwendbarkeit des Beihilferechts bei PPP-Finanzierungen zu berücksichtigen und zu prüfen. b) Beihilferechtskonforme Ausgestaltung
6.230
Selbst im Falle der grundsätzlichen tatbestandlichen Anwendbarkeit des EU-Beihilferechts auf den Einredeverzicht ist eine Ausgestaltung der Finanzierung möglich, die eine Bei1 Vgl. dazu eingehend Abschnitt 7 der Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. 2 Vgl. eingehend dazu Kropf in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 4/1301 ff. 3 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Rz. 189. 4 EuGH v. 24.7.2013 – Rs. C-280/00, ZIP 2003, 1619. 5 S. nur Europäische Kommission v. 29.4.2015 – SA. 37963; Europäische Kommission v. 29.4.2015 – SA. 37432; Europäische Kommission v. 9.8.2016 – SA. 38920; Europäische Kommission v. 4.8. 2016 – SA. 44942.
970 | Kropf
Public Private Partnership-Finanzierungen | Teil 6
hilferelevanz ausschließt. Leitbildcharakter weist insofern die Entscheidung der EU-Kommission gegenüber Deutschland in Sachen Müllheizkraftwerk (MHKW) Rothensee GmbH auf1. Als Grundsatz ist der Entscheidung zu entnehmen, dass dann keine notifizierungspflichtige Beihilfe in Form des Einredeverzichts vorliegt, wenn an die öffentliche Hand eine angemessene Gegenleistung für die Risikoübernahme gezahlt wird. Dies entspricht dem in ständiger Rechtsprechung vom EuGH ausgeurteilten „Private-Investor-Test“ oder auch Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers genannt. Es geht dabei um einen Fremdvergleich mit einem privaten Markteilnehmer, mit anderen Worten um die Prüfung, ob die wirtschaftliche Transaktion der öffentlichen Hand zu normalen Marktbedingungen vorgenommen wird2. Die Kommission hat in der Entscheidung MHKW Rothensee den Einredeverzicht auf Beihilferelevanz sowohl in Bezug auf die Projektgesellschaft als auch die finanzierende Bank als Beihilfeempfänger überprüft. aa) Projektgesellschaft Ein beihilferelevanter Vorteil zugunsten der Projektgesellschaft trotz Abgabe des Einredeverzichts durch die öffentliche Hand besteht jedenfalls dann nicht, wenn diese die wirtschaftliche Begünstigung aus dem von der Bank gezahlten erhöhten Kaufpreis für die forfaitierten Forderungen vollständig an die öffentliche Hand auskehrt und diese somit den vollständigen Gegenwert des Einredeverzichts erhält. Der erhöhte Kaufpreis resultiert daraus, dass die Bank durch den faktischen Schuldnerwechsel (vgl. Rz. 6.223) einen niedrigeren Abzinsungssatz bei der Barwertberechnung der angekauften Forderungen zugrunde legt. Zudem muss sichergestellt sein, dass aus der Finanzierungsstruktur mit Einredeverzicht kein steuerlicher Vorteil zugunsten der Projektgesellschaft entsteht.
6.231
bb) Bank Damit bei der finanzierenden Bank kein beihilferevanter Vorteil entsteht, muss sichergestellt sein, dass die öffentliche Hand für die Risikoübernahme in Form des Einredeverzichts und der damit einhergehenden Bonitäts-bzw. Liquiditätsverbesserung des Schuldners von der Bank eine angemessene Kompensation erhält. Dies wird in der Praxis regelmäßig in Gestalt der Ermäßigung des Abzinsungssatzes geleistet werden. Die Angemessenheit der Zinsermäßigung richtet sich nach dem übernommenen Risiko. Als Gesichtspunkte, welche für die Risikobeurteilung eine Rolle spielen, sind der Entscheidung die Folgenden zu entnehmen: Das von der öffentlichen Hand übernommene Risiko, die Branchenstabilität des finanzierten Geschäfts sowie die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten auf die Projektgesellschaft und das Bestehen anderweitiger Absicherungen für die öffentliche Hand. Wesentlich ist bei der Bestimmung der markgerechten Finanzierungskonditionen, dass mehrere Angebote bei verschiedenen Instituten eingeholt und die endgültigen Finanzierungsbedingungen mit der finanzierenden Bank ausgehandelt worden sind. Einstweilen frei.
6.232
6.233–6.300
1 EU-Kommission v. 22.3.2006 – N 339/2005. 2 Vgl. nur EuGH v. 16.5.2002 – Rs. C-482/99, WM 2002, 1756.
Kropf | 971
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
7. Abschnitt: Factoring (Freis-Janik) I. Erscheinungsformen und wirtschaftlicher Zweck 6.301
Factoring bezeichnet eine Finanzierungsform, bei der ein Factoringkunde (Zedent oder Gläubiger), im Rahmen seines Geschäftsbetriebs entstandene kurzfristige Forderungen in der Regel vor deren Fälligkeit an eine darauf spezialisierte Factoringgesellschaft oder ein Kreditinstitut, den Factor, verkauft und abtritt. Im Gegenzug wird dem Zedenten der Nominalwert der Forderungen abzgl. eines Abschlags (in der Regel 10–20 %) unmittelbar gutgeschrieben1. Der Differenzbetrag, der nicht bzw. nicht sogleich zur Auszahlung gelangt, kann sich zusammensetzen aus einer Delkrederegebühr für die Übernahme des Ausfallrisikos des Forderungsschuldners (Kreditrisiko), banküblichen Zinsen für die Bevorschussung der Forderungen sowie einer Factoringgebühr für die Übernahme von weiteren Dienstleistungen durch den Factor. Der Factor behält häufig auch einen vorläufigen Sicherheitseinbehalt zurück, um das Risiko insbesondere von Gewährleistungsansprüchen abzudecken. Aus zivilrechtlicher Sicht stellt das Factoring eine Form des Forderungskaufs dar (§§ 453, 433 Abs. 1, 398 ff. BGB, § 354a HGB). Durch das Factoring entsteht typischerweise ein Dreiecksverhältnis zwischen Forderungsschuldner (Debitor), Factoringkunde und Factor.
6.302
Drei mögliche Hauptfunktionen werden dem Factoring aus Zedentensicht zugeschrieben, welche je nach Art des Factorings (s. Rz. 6.305 ff.) einzeln oder unterschiedlich kombiniert eintreten2. Wichtigstes Element ist die Finanzierungsfunktion. Aus dem Ankauf der Forderungen verschafft sich der Zedent vor Fälligkeit der Forderung (meist bis zu 90 oder 120 Tage) Liquidität, mit welcher er seine eigenen Lieferantenverbindlichkeiten unter Ausnutzung eines Skontos oder Rabatts sofort begleichen kann. Im Rahmen der Dienstleistungs- oder Servicefunktion übernimmt der Factor regelmäßig die Verwaltung der erworbenen Kundenforderungen. Hierzu gehören die Debitorenbuchhaltung, Kreditwürdigkeitsprüfungen und die laufende Überwachung der Bonität der Drittschuldner sowie optional im Rahmen der Regelungen zur Offenlegung der Zession (s. Rz. 6.308) das Inkasso und das Mahnwesen. Um größtmögliche Rationalisierungseffekte zu erzielen, werden diese Funktionen regelmäßig auch für solche Forderungen übernommen, die der Factor nicht finanziert. Diese Dienstleistungen sollen die Sachkosten, insbesondere für die Datenverarbeitung, und die Personalkosten reduzieren. In der Form des echten Factorings (s. Rz. 6.305) kommt die Delkrederefunktion hinzu, im Rahmen derer der Zedent das Bonitäts- und Ausfallrisiko des Forderungsschuldners und damit das Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung auf den Factor überträgt. In der Regel beinhaltet die Übernahme des Delkredererisikos jedoch nicht die Übernahme des einredefreien, rechtlichen Bestehens der Forderung (Veritätsrisiko).
6.303
Entwickelt hat sich das Factoring-Geschäft im englisch/nordamerikanischen Handel des 19. Jahrhunderts. Englische Textilhersteller beauftragten US-amerikanische Unternehmen (Factors), die aus Europa importierten Waren im eigenen Namen und für Rechnung der Auftraggeber zu verkaufen, die hieraus resultierenden Forderungen zu verwalten und für deren Erfüllung die persönliche Haftung zu übernehmen. Seit den 1960er Jahren wird das Factoring-Geschäft verstärkt auch in Deutschland betrieben, mittlerweile überwiegend von 1 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 1 und 14. 2 Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 2; Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/4 ff. und Rz. 13/13 f.; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 2 ff.
972 | Freis-Janik
Factoring | Teil 6
spezifischen Factoringgesellschaften sowie Kreditinstituten1. Insbesondere im Bereich der Mittelstandsfinanzierung hat sich das Factoring branchenübergreifend vor allem aufgrund der Finanzierungsfunktion und der meist bilanzverkürzenden Wirkung zu einer festen Größe etabliert2. Aus wirtschaftlicher und rechtlicher Sicht ist das Factoring zu unterscheiden von der Forfaitierung und der Finanzierung durch Asset-Backed-Securities (ABS)-Strukturen. Im Gegensatz zum Factoring erfolgt Forfaitierung nicht auf Basis eines Rahmenvertrags, sondern stellt den Ankauf hoher Einzelforderungen mit teils langen Laufzeiten und hohem Dokumentationsaufwand dar, oftmals im Kontext der Exportgeschäftsfinanzierung (s. Rz. 6.321)3. ABS-Strukturen basieren auf revolvierenden Forderungsankäufen durch spezifische Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicle, SPV), die in eine komplexe Absicherungs- und Refinanzierungsstruktur, teils mit Tranchierungen, eingebettet sind und aus Gründen der Rentabilität hohe Volumina umsetzen4.
6.304
1. Echtes und unechtes Factoring Das echte Factoring (Non-Recourse Factoring) ist die übliche Standardform des Factoring. Neben der Finanzierungs- und Servicefunktion übernimmt der Factor hierbei als spezifisches Merkmal das Risiko des Ausfalls oder der Zahlungsunfähigkeit der Schuldner der angekauften Forderungen, das sog. Delkredererisiko5. Sind übertragene Forderungen wegen Zahlungsunfähigkeit der Schuldner uneinbringlich, hat der Factor keine Regressansprüche gegen seinen Factoringkunden. Diese Risikoverteilung reflektiert die gesetzliche Folge des Forderungsankaufs, da im Rahmen dessen der Verkäufer einer Forderung nur für den rechtlichen Bestand der Forderung (Verität), nicht aber für die Zahlungsfähigkeit des Drittschuldners (Bonität) haftet6. Aus diesem Grund kommt der anfänglichen und laufenden Bonitätsprüfung der Schuldner durch den Factor eine besondere Bedeutung beim echten Factoring zu. Vielfach werden hierzu auch bestimmte Bonitäts- oder Performancemerkmale sowie Ausschlusskriterien und betragliche Limite für zum Factoring geeignete Forderungen und Schuldner im Factoring(rahmen)vertrag festgelegt7.
6.305
Beim unechten Factoring (Recourse Factoring) verbleibt dagegen das Bonitätsrisiko der Schuldner beim Factoringkunden, weshalb die Finanzierungs- und Servicefunktion im Vordergrund stehen. Hier kann der Factor seinem Kunden die angekauften Forderungen wieder zurückbelasten, wenn diese Forderungen ganz oder teilweise uneinbringlich sind. Einen bereits erhaltenen Vorschuss muss der Factoringkunde daher an den Factor zurückgeben8. Gegenüber dem echten Factoring ist das unechte Factoring in der Praxis mittlerweile von erheblich geringerer Bedeutung9. Einer der Gründe hierfür ist die Rechtsprechung des BGH, die das unechte Factoring als Kreditgeschäft behandelt. Draus ergibt sich
6.306
1 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 1 und Rz. 5 ff. 2 Quelle: Deutscher Factoring Verband e.V., Jahresbericht 2017 (abgerufen am 29.1.2019 unter https://www.factoring.de/sites/default/files/JB%202017.pdf). 3 Hakenberg in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 36 f. 4 Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 6 m.w.N. in Fn. 11. 5 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 4 und 19. 6 Weidenkaff in Palandt, § 453 BGB Rz. 21 und 22. 7 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 4; Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/19. 8 Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/15. 9 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 20.
Freis-Janik | 973
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
zum einen eine ungünstigere Sicherungsstellung gegenüber den Lieferanten des Factoringkunden, soweit diese einen verlängerten Eigentumsvorbehalt vereinbaren1. Zum zweiten bedingt dies für den Factor auch eine Ausweitung der aufsichtsrechtlichen Erlaubnisanforderungen (s. Rz. 6.315 ff.).
6.307
In der Praxis haben sich allerdings Mischformen zwischen echtem und unechtem Factoring entwickelt2. So kann der Factor z.B. das Delkredererisiko für Forderungen gegen einen bestimmten Schuldner nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag übernehmen und darüber hinausgehende Forderungen im Wege des unechten Factoring erwerben (sog. SiloPrinzip)3.
6.308
In der Verfahrensart ist weiter zwischen dem offenen und verdeckten Factoring zu differenzieren. So wird beim offenen Factoring der Schuldner über die Forderungsabtretung an den Factor bzw. die Zusammenarbeit zwischen Factor und Factoringkunde informiert, der Forderungseinzug beim Schuldner erfolgt somit offen durch den Factor im eigenen Namen. Die Information an den Schuldner ergeht üblicherweise zum Zeitpunkt der Forderungsabtretung mit der Folge, dass dieser ausschließlich an den Factor mit schuldbefreiender Wirkung leisten kann (§ 407 BGB). Dagegen erfolgt beim verdeckten oder sog. stillen Factoring keine Offenlegung gegenüber dem Schuldner, der Forderungseinzug erfolgt über den Factoringkunden, welcher die vereinnahmten Zahlungen an den Factor weiterleitet (vgl. § 816 Abs. 2 BGB)4. Folge des stillen Factorings ist – vor allem in der Variante des echten Factorings –, dass ein neues Risiko, das sog. Servicer- oder Weiterleitungsrisiko, für den Factor mit Bezug auf den Factoringkunden entsteht. Insofern werden hier weitere Geeignetheitsprüfungen bzgl. des Factoringkunden durch den Factor erforderlich. Aus Sicht des Factoringkunden kommt der Frage der Offenlegung mit Blick auf das Verhältnis zu seinen Kunden (Schuldnern), etwaige Abtretungsverbote in Handelsbeziehungen (s. aber § 354a HGB) und Reputationsaspekten große Bedeutung zu. Im Rahmen des stillen Factorings werden zur Risikomitigierung üblicherweise Bedingungen oder Zeitpunkte festgelegt, bei deren Eintritt der Factor nach eigenem Ermessen die Abtretung dennoch offenlegen kann (z.B. Zahlungsverzug des Schuldners, Vorfälle im Verhältnis zum Factoringkunden, etc.). Alternativ kann im Rahmen des sog. Zahlstellenverfahrens sichergestellt werden, dass der Factor allein Verfügungsberechtigter über das in der Rechnung an den Schuldner genannte Konto ist5. 2. Grenzüberschreitendes Factoring
6.309
Die Factor-Unternehmen bieten regelmäßig auch den Kauf von Forderungen gegen Abnehmer im Ausland an. Der Anreiz für das Export-Factoring liegt meist in der Delkredereübernahme. Diese ermöglicht dem Exporteur die Einräumung der im Land des Importeurs üblichen Zahlungsziele. Die Delkredereübernahme bezieht sich regelmäßig nur auf das wirtschaftliche Risiko; Wechselkurs- und Transferrisiken sowie politische Risiken werden dagegen vom Factor nicht übernommen. 1 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 20. 2 Oechsler, BKR 2019, 53 ff. 3 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 21; Schepers in Hagenmüller/Sommer, Factoring-Handbuch, 93, 97, 103. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, O/2 f.; Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/17 f. 5 Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/18; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 27 f.
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Factoring | Teil 6
Wesentliche Voraussetzung für das Export-Factoring ist eine genaue Kenntnis der Kreditwürdigkeit der ausländischen Drittschuldner sowie die Beachtung des ausländischen Zessionsrechts (u.a. hinsichtlich des Forderungsstatuts und den Drittwirkungsregelungen). Nach den ausländischen Rechtsordnungen bedarf es häufig mehr als nur einer Anzeige der Forderungsabtretung, um die angekauften Forderungen wirksam erwerben zu können. In der Praxis hat sich daher eine Kooperation zwischen Factor-Unternehmen in verschiedenen Ländern als mögliche Lösung erwiesen (Factoring-Ketten)1. Im Rahmen der Globalisierung des Handels und der Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes in der EU haben das Volumen grenzüberschreitender Handelsbeziehungen und damit auch der Bedarf für grenzüberschreitendes Factoring beständig zugenommen. Daher bieten vor allem europaweit und international grenzüberschreitend agierende Institute vermehrt Factoring „aus einer Hand“, d.h. ohne Korrespondenz-Factor an (sog. DirektFactoring)2.
6.310
Beim Export-Factoring sind an dem Factoring-Geschäft der Kunde (Exporteur), der im Inland ansässige Exporteur-Factor, der ausländische Importeur und der im Ausland beteiligte Korrespondenz-Factor (Import-Factor) beteiligt. Die Forderungen werden unter Übergabe von Rechnungskopien und Versanddokumenten an den Export-Factor abgetreten, der diese an den Import-Factor weiter überträgt, welcher seinerseits gegenüber dem Export-Factor das Delkredererisiko übernimmt. Der Import-Factor vertritt die Interessen des Export-Factors und des Importeurs. Er nimmt die Zahlungen des Importeurs entgegen und leitet sie nach Abzug seiner Provision an den Export-Factor weiter. Soweit erforderlich, übernimmt der Import-Factor das Mahnwesen und die Abwicklung etwaiger Gewährleistungsansprüche.
6.311
Das Import-Factoring ist die spiegelbildliche Erscheinungsform des Export-Factoring. Hier übernimmt das deutsche Factoring-Unternehmen von einem ausländischen Korrespondenz-Factor Forderungen eines ausländischen Exporteurs gegen einen deutschen Importeur.
6.312
Die Kooperation in einem solchen Korrespondenz-Factor-System ermöglicht es, dem Kunden eine von ihm gewünschte Finanzierung im jeweils zinsgünstigeren Land (Land des Exporteurs oder Importeurs) anzubieten. Der günstigere Finanzierungssatz ergibt sich aus dem Vergleich der steuerlichen Situation in den beteiligten Ländern sowie der Zins- und Kurssicherungskosten3.
6.313
Im Rahmen des Direkt-Factorings übernimmt der im Inland ansässige Factor Forderungen gegen im Ausland ansässige Schuldner, welche inländischem oder ausländischem Recht unterliegen (Forderungsstatut), von im Inland oder Ausland ansässigen Factoringkunden. Dies bedingt eine umfangreiche rechtliche Prüfung, um die Rechtssicherheit des Verkaufs und der Abtretung der Forderung an den Factor im Verhältnis zu dem Factoringkunden, dem Schuldner und Dritten (sog. Drittwirkung der Forderungsübertragung) zu gewährleisten. Neben den jeweiligen nationalen Rechtslagen sind dabei vor allem kollisionsrechtliche Aspekte zu beachten4, wie z.B. die Anwendbarkeit deutschen Kollisionsrechts (Art. 27–37
6.314
1 2 3 4
Scharff in Scharff in Scharff in Übersicht
Hellner/Steuer, Rz. 13/21. Hellner/Steuer, Rz. 13/26. Hellner/Steuer, Rz. 13/25. m.w.N. bei Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 33 ff.
Freis-Janik | 975
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
EGBGB), europäischen Kollisionsrechts (Art. 4 Rom-I-Verordnung)1 sowie des UnidroitÜbereinkommens vom 28.5.19882.
II. Factoring als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung 6.315
Factoring ist seit dem 25.12.2008 gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG Finanzdienstleistung und damit erlaubnispflichtig i.S.d. § 32 KWG, sofern es als laufender Ankauf von Forderungen auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff, d.h. als echtes oder unechtes Factoring, erfolgt (zu den Tatbestandsvoraussetzungen, insb. auch Abgrenzung unechtes Factoring und Kreditgeschäft, s. Rz. 2.136 ff.)3. Eingeführt wurde diese Erlaubnisplicht durch das Jahressteuergesetz 20094, in welchem der Katalog der Finanzdienstleistungen in § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG um zwei Tatbestände, das Factoring und das Finanzierungsleasing (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG; dazu Rz. 2.139 f.), erweitert wurde5. Der Gesetzgeber begründete seinen Handlungsbedarf u.a. mit der „zentralen Funktion, die Finanzierungsleasing und Factoring bei der Finanzierung der deutschen Industrie und insbesondere bei der Finanzierung des Mittelstandes spielen“6. Daneben dürften wohl auch steuerliche Erwägungen ausschlaggebend gewesen sein7.
6.316
Für Factoring- und Finanzierungsleasingunternehmen i.S.d. KWG gelten somit eine Vielzahl aufsichtsrechtlicher Anforderungen vor allem unter der Säule II (§§ 25a und 25b KWG). Andererseits sind für Unternehmen, welche ausschließlich Factoring bzw. Finanzierungsleasing betreiben, auch weitrechende Ausnahmen in § 2 Abs. 7a KWG stipuliert. So finden die Regelungen des KWG zu Eigenmitteln, Liquidität, Groß- und Organkrediten, die Regelungen des § 18 KWG zur Kreditdokumentation und -vergabe sowie bestimmte Anzeige- und Offenlegungspflichten keine Anwendung. Ausgenommen sind auch fast sämtliche Regelungen der CRR8 sowie die Mindestbestimmungen zum Anfangskapital gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG.
6.317
Der im Rahmen des Factorings erfolgende Einzug einer verkauften Forderung durch den Factor kann oftmals im Kontext der Tatbestandsmerkmale des Finanztransfergeschäfts gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG gesehen werden. Für das Vorliegen eines nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ZAG erlaubnispflichtigen Finanztransfergeschäfts ist u.a. ausschlaggeben, dass aus wirtschaftlicher Sicht die vom Factor erbrachte Leistung primär auf eine Zah-
1 Ausführlich zu aktuellen Entwicklungen Müller, EuZW 2018, 522 ff.; Stumpf/Dressel, FLF 2017, 176 ff. 2 In Deutschland in Kraft getreten am 1.12.1998 (s. Bekanntmachung v. 31.8.1998 in BGBl. II 1998, 2375; Zustimmungsgesetz v. 25.2.1998 in BGBl. I 1998, 172 ff.), abgedruckt mit BT-Drucks. 13/8690, 7 ff., 16 ff.; ausführlich Ferrari in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, FactÜ. 3 Vgl. ausführlich BaFin Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Factoring, Stand 5.1.2009 (abgerufen am 31.1.2019 unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_090105_tatbestand_factoring.html); Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/43 ff. 4 BGBl. I 2008, 2794. 5 Vgl. dazu ausführlich Glos/Sester, WM 2009, 1209; Reschke, BKR 2009, 141. Vgl. zu Abgrenzungsfragen auch die Merkblätter der BaFin, abrufbar unter http://www.bafin.de. 6 Bericht des Finanzausschusses v. 26.11.2008, BT-Drucks. 16/11108 v. 27.11.2008, 66, 67. 7 Vgl. Rossbach in Vorauflage (Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011), Rz. 11.314. 8 Ausgenommen sind die Art. 24 bis 455 und 465 bis 519 CRR.
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lungsabwicklung ausgerichtet ist und nicht die Finanzierung vorrangiges Ziel ist1. Die Tatbestandsvoraussetzungen für das Finanztransfergeschäft nach ZAG weisen somit eine Schnittmenge zu denen des Factorings nach KWG auf, so dass das Betreiben des Factorings nach KWG häufig mit dem des Finanztransfergeschäfts nach ZAG einhergeht. Um eine doppelte Erlaubniserteilung und Beaufsichtigung von Factoringgesellschaften nach ZAG und KWG zu vermeiden, wird durch § 32 Abs. 6 KWG das Konkurrenzverhältnis zwischen KWG und ZAG in diesem Bereich geklärt. Fallen nach dem Geschäftsumfang eines Factors das Finanztransfergeschäft nach ZAG und das Factoring nach KWG zusammen, bedürfen ZAG-Institute keiner gesonderten KWG-Erlaubnis für das Factoring. Die ZAG-Erlaubnis ist insoweit vorrangig, zumal die Erlaubnisanforderungen an die Zahlungsdienstleistung des Finanztransfergeschäfts nach § 8 Abs. 1 ZAG wesentlich umfangreicher ausgestaltet sind, als die des KWG für die Erlaubnis zum Factoring nach § 32 Abs. 1 KWG. Einzig die Millionenkreditregelungen nach § 14 KWG finden auf das Factoring betreibende ZAG-Institut weiter Anwendung2. Diese Regelung zur Vermeidung einer Doppelbeaufsichtigung wurde bereits im Rahmen des Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes vom 15.6.20093 eingeführt, welches die bis dahin im KWG geregelten Erlaubnispflichten für Girogeschäft, Finanztransfergeschäft und Kreditkartengeschäft in das neu geschaffene Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) überführte und der Erlaubnispflicht nach ZAG unterstellt4. Factoring- und Finanzierungsleasingunternehmen sind zudem europapassfähig, d.h. sie können auf der Grundlage der KWG-Lizenz und einer Anzeige an die zuständige Aufsichtsbehörde (BaFin oder bei Kreditinstituten ggf. auch EZB, s. Rz. 2.176 f.) im gesamten EWR grenzüberschreitend ihre Leistungen erbringen sowie Filialen einrichten (§ 24a Abs. 1, 3 Satz 1 und Abs. 3c KWG), ohne die dortigen nationalen Erlaubnisverfahren gesondert durchlaufen zu müssen5. Umgekehrt können auch Unternehmen aus dem EWR, die in Deutschland tätig sind, entsprechende Anzeigen über ihre Heimatlandbehörden abgeben und unter den Voraussetzungen des § 53b Abs. 7 KWG in Deutschland tätig werden. Dies eröffnet strategische Möglichkeiten, da viele Länder diese Tätigkeit schon bisher als Bankgeschäft angesehen haben.
6.318
III. Zivilrechtliche Einordnung des Factoring-Geschäfts Bei der rechtlichen Qualifizierung ist zu beachten, dass den Factoring-Verträgen überwiegend eine zweistufige Gestaltung zugrunde liegt. Der Factoringkunde hat je nach Ausgestaltung hiernach das Recht oder die Pflicht, seine künftigen Forderungen jeweils nach ihrer Entstehung dem Factor zum Erwerb anzubieten, während der Factor unter bestimmten Bedingungen und ebenfalls abhängig von der Vertragskonzeption zum Ankauf berechtigt oder verpflichtet ist. 1 Vgl. BaFin Merkblatt – Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) Stand 29.11.2017; Ziff. 1 und 2. e) (abgerufen am 31.1.2019 unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichun gen/DE/Merkblatt/mb_111222_zag.html). 2 Fischer/Müller in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 32 KWG Rz. 60. 3 BGBl. I 2009, 1506. 4 Vgl. BaFin Merkblatt – Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) Stand 29.11.2017; Ziff. 1 (abgerufen am 31.1.2019 unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Merkblatt/mb_111222_zag.html). 5 Schwerdtfeger, BKR 2010, 53.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
6.320
Dieser sog. Anbietungs- oder Andienungsvertrag wird in der Praxis in der Mehrzahl der Fälle verwandt. Von ihm zu unterscheiden ist der sog. globale Kaufvertrag mit Globalzession, bei dem der Factoringkunde schon mit dem Factoringvertrag global alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen, die während der Vertragslaufzeit entstehen, verkauft. Der rechtliche Unterschied beider Vertragsgestaltungen besteht vor allem darin, dass der Factor bei einem Anbietungsvertrag ungewisse oder unsichere Forderungen bereits nicht ankauft, während er bei einem globalen Kaufvertrag mit Globalzession von einem ausbedungenen Rückverkaufsrecht Gebrauch machen kann.
6.321
Das Schrifttum unterscheidet dementsprechend zwischen einem Factoring-Rahmenvertrag und den hierauf basierenden späteren Einzelgeschäften1. Dem Factoring liegt daher eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung zwischen Factor und seinem Kunden zugrunde. Hierin liegt ein struktureller Unterschied zur Forfaitierung, bei der es sich regelmäßig um den vorbehaltlosen Ankauf einer einzelnen Forderung handelt. Typischerweise wird der Rahmenvertrag im Verhältnis zwischen Factor und Factoringkunde (d.h. Zedent) initiiert und geschlossen, die darauf basierenden Einzelgeschäfte erfolgen ebenfalls in diesem Verhältnis. Da auch im Rahmen des Erlaubnistatbestandes nach KWG und ZAG (s. Rz. 6.315 ff. und Rz. 2.136 ff.) zwar der Abschluss eines Rahmenvertrages relevantes Kriterium ist, jedoch keine Voraussetzungen zu den Parteien eines solchen Rahmenvertrages bestehen, hat sich in der Praxis zudem ein auf Initiative des Schuldners geschlossener Rahmenvertrag etabliert (sog. Reverse-Factoring). Dabei schließt der Schuldner einen Rahmenvertrag mit dem Factor, unter welchem der Factor zum Ankauf von Forderungen, welche Lieferanten (Zedenten) gegen den Schuldner haben, verpflichtet ist. Die Einzelverträge über den Forderungskauf werden dann zwischen Factor und Zedent geschlossen, ggf. kann auch hier ein weiterer Rahmenvertrag hinzukommen. Für den Schuldner hat dies den Vorteil der Einräumung für ihn längerer Zahlungsziele durch seine Lieferanten, da diese die Möglichkeit zur Vorfinanzierung der Forderung erhalten. Aus Sicht des Factors wird der Umfang der Bonitätsprüfung vereinfacht, da diese sich ausschließlich auf diesen einen, dem Factor bekannten Schuldner bezieht. 1. Factoring-Rahmenvertrag a) Rechtliche Einordnung
6.322
Die bei der zweistufigen Gestaltung übliche Rahmenvereinbarung mit – je nach Vertragsgestaltung – der Andienungspflicht bzw. dem Andienungsrecht des Factoringkunden und der Ankaufspflicht bzw. dem Ankaufsrecht des Factors wird überwiegend als Rahmenvertrag angesehen, der das Factoring als Dauerschuldverhältnis i.S.d. § 314 BGB begründet. Zivilrechtlich ist der Rahmenvertrag als gemischttypischer Vertrag zu qualifizieren, welcher neben den vorrangigen kaufrechtlichen Elementen auch dienstvertragliche, beim unechten Factoring ggf. auch darlehensrechtliche Eigenschaften aufweist (§§ 433, 675 BGB i.V.m. §§ 611, 488 BGB, zu den einzelnen Elementen beim echten und unechten Factoring s. Rz. 6.329 ff. und Rz. 6.332 ff.)2. Mit Rücksicht auf die Funktionsverwandtschaft erscheint es gerechtfertigt, für diesen Rahmenvertrag auf die zum Krediteröffnungsvertrag entwickelten Grundsätze zurückzugreifen3. 1 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 36 ff.; Schott/Bartsch in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierungen, S. 565; Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, Rz. V 6; Hopt in Baumbach/Hopt, O/1. 2 Renner in Staub, Bd. 10/2, Rz. 4/443; Canaris, Rz. 1671. 3 Vgl. zum Krediteröffnungsvertrag ausführlich Rz. 6.7 ff.
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b) Regelungsgegenstände In dem Rahmenvertrag1 wird geregelt, welche von dem Factor angebotenen Leistungen in Anspruch genommen und welche Entgelte hierfür gezahlt werden sollen. Nach der Vertragspraxis ist der Kunde regelmäßig verpflichtet, seine sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus Lieferung und Leistung, welche die im Rahmenvertrag festgelegten Kriterien erfüllen (z.B. bestimmte Schuldner, Restlaufzeit der Forderungen, etc.), während der Laufzeit des Vertrages ausschließlich dem Factor zum Kauf anzubieten (Anbietungs- oder Andienungsvertrag). Zwischenzeitlich haben sich auch Vertragsgestaltungen etabliert, nach welchen der Factoringkunde das Recht, aber keine Pflicht hat, seine Forderungen an den Factor zum Kauf anzubieten. Üblicherweise werden schon im Vertrag die gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen an den Factor abgetreten. Die Abtretung erfolgt entweder unbedingt oder – wie heute regelmäßig – durch den Ankauf aufschiebend bedingt oder durch den Nichtankauf (bzw. das Nichtanbieten zum Kauf) auflösend bedingt oder ist mit einer Verpflichtung zur Zurückabtretung im Falle des Nichtankaufs gekoppelt. Ebenso regelt der Rahmenvertrag die Voraussetzungen, nach welchen der Factor zum Ankauf der Forderungen berechtigt oder verpflichtet ist. Solche Voraussetzungen können z.B. das Erreichen bestimmter Schuldner- oder Factoringkundebezogener Ankaufs- oder Forderungslimite2 sein. Insbesondere im Factoringgeschäft mit Kreditinstituten als Factor haben sich Verträge ohne feste Ankaufspflichten als mögliche Variante etabliert (sog. uncommitted Factoring). Dies steht im Zusammenhang mit den bereits bei Abgabe einer festen Ankaufszusage des Factors als Kreditinstitut verbundenen Eigenmittelhinterlegungspflichten und den damit einhergehenden, laufenden Kapitalkosten des Factors, welche ungeachtet der tatsächlichen vollen Ausnutzung der zugesagten Gesamtlinie anfallen (vgl. dazu Rz. 2.202 und Rz. 2.236 ff.).
6.323
Mit den Forderungen werden gem. Rahmenvertrag auch die für diese vorhandenen Sicherheiten übertragen, soweit sie nicht als akzessorische Rechte bereits kraft Gesetzes (§ 401 Abs. 1 BGB) auf den Factor übergehen. Bei einer Globalzession, die nur auflösend bedingt oder mit einer Rückübertragungspflicht vereinbart wird, gehen die Forderungen mit ihrer Entstehung automatisch auf die Bank über. Vor allem beim Factoring wird die Globalzession wegen der einfachen Handhabung der aufwändigeren Mantelzession vorgezogen, bei der die Forderungen laufend durch Einzelvertrag abgetreten werden müssen3.
6.324
Der Rahmenvertrag enthält üblicherweise eine Bestimmung darüber, wann der Factor dem Kunden den Gegenwert der angekauften Forderungen gutzuschreiben hat und wie sich der gutzuschreibende Betrag berechnet und zusammensetzt. Dazu haben sich mit dem Vorschuss-, Fälligkeits- und Diskontverfahren drei verschiedene Verfahren etabliert4. Im Rahmen des Vorschussverfahrens (sog. collection-factoring) übernimmt der Factor die Forderung zum Wert ihres Fälligkeitstages oder des tatsächlichen Zahlungseingangs durch den Schuldner. Die Zahlung des Factors an den Factoringkunden erfolgt dementsprechend erst mit Zahlungseingang bzw. zum Fälligkeitstag. Mit Blick auf die Finanzierungs- bzw. Liquiditätsfunktion des Factorings – auch in Abgrenzung zum Inkasso – leistet der Factor jedoch nach Ablauf einer bestimmten Frist einen Vorschuss auf seine Zahlungsverpflichtung an den Factoringkunden. Eine übliche derartige Frist ist z.B. ein gewisser Zeitraum,
6.325
1 Musterverträge der Praxis z.B. in Hellner/Steuer, Rz. 13/55; Scharff in Hopt, Form IV.O.1. 2 Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/19; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 22 ff. 3 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 398 BGB Rz. 16. 4 Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/12 ff.
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innerhalb dessen die Einhaltung der Ankaufskriterien, wie Bonität des Schuldners oder Verität der Forderung, vom Factor überprüft werden. Beim Diskontverfahren (sog. advance factoring) wird die Forderung zum Wert des Ankaufstages übernommen. Der Forderungskaufpreis wird zum Tag der Rechnungseinreichung durch den Factoringkunden beim Factor fällig. Der Gegenwert der Forderung wird dabei abgezinst und der abgezinste Betrag dem Factoringkunden, wie beim Fälligkeitsfactoring, vorab gutgeschrieben. Dagegen wird beim Fälligkeitsverfahren (sog. maturity-factoring) durch den Factor keinerlei Vorschuss an den Factoringkunden geleistet und die Zahlung erfolgt erst zum Fälligkeitstag der Forderung bzw. bei tatsächlichem Forderungseingang. Die Finanzierungsbzw. Liquiditätsfunktion des Factorings tritt hierbei in den Hintergrund. Da die Gutschrift erst nach Eingang des Forderungsbetrages erfolgt, kann der Factor mangels einer Kreditgewährung nur eine Provision als Entgelt für die als Factor erbrachten Dienstleistungen beanspruchen.
6.326
Das Fälligkeitsverfahren ist beim unechten Factoring nicht üblich. Hier erfolgt die Leistung des Factors an den Factoringkunden aufgrund der primären Finanzierungsfunktion stets vor Fälligkeit der Forderung bzw. vor Zahlungseingang. Auch beim echten Factoring ist neben dem Diskontverfahren das Vorschussverfahren die übliche Vorgehensweise. Das Fälligkeitsverfahren ist in der Praxis im deutschen Raum weitgehend unüblich1.
6.327
Vereinbarungsbedürftig ist auch, wer das Risiko dafür trägt, dass die angekauften Forderungen nicht bestehen oder nicht abtretbar sind oder Abzügen, Retouren, Mängeleinreden, Aufrechnungen, Währungs- und Transferrisiken und dergleichen unterliegen. Regelmäßig ist insoweit eine Gewährsübernahme des Kunden vorgesehen2.
6.328
Der Factor lässt sich darüber hinaus bestimmte Einsichtsrechte in und Kontrollrechte über das Rechnungswesen des Kunden einräumen und verpflichtet diesen zu allen wesentlichen Angaben über die Abnehmer und die zu finanzierenden Forderungen, z.B. durch Vorlage der Rechnungen3. 2. Echtes Factoring
6.329
Das echte Factoring ist nach der Rechtsprechung4 und der herrschenden Meinung5 Forderungskauf (§§ 453, 433 Abs. 1, 398 ff. BGB, § 354a HGB) und keine Darlehensgewährung. Für diese Qualifizierung spricht insbesondere, dass der Factoringkunde nicht für die Zahlungsfähigkeit (Bonität) der Schuldner der übertragenen Forderungen haftet. Dieser Haftungsausschluss des Factoringkunden entspricht der gesetzlichen Gewährleistungshaftung des Verkäufers einer Forderung, der nur für den rechtlichen Bestand (Verität) der Forderung, nicht aber für die Bonität des Schuldners der verkauften Forderung einzustehen hat6. 1 2 3 4
Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 22 ff. Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/10 f. Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/11. BGH v. 19.1.1977 – VIII ZR 169/76, BGHZ 69, 254, 257 f.; BGH v. 7.6.1978 – VIII ZR 80/77, BGHZ 72, 15, 20; BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, WM 1987, 775, 776. 5 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 32 ff. m.w.N.; Grüneberg in Palandt, § 398 BGB Rz. 38 f. 6 Vgl. auch Graf von Westphalen, WM 2001, 1837 ff.; Brink, WM 2003, 1355, 1357; Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 7.
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Factoring | Teil 6
Die Hauptleistungspflichten aus diesem Vertragsverhältnis bestehen in der Zahlung des Kaufpreises durch den Factor und der Übertragung der verkauften Kundenforderungen auf den Factor. Daneben obliegen dem Factor Dienstleistungen, insbesondere die Debitorenbuchhaltung sowie das Inkasso der angekauften Forderungen einschließlich des Mahnwesens. Solche Aktivitäten wird der Factor zwar schon im eigenen Interesse entfalten, weil er die Forderungen erworben hat. In einem gewissen Umfang beinhalten diese Tätigkeiten aber auch Dienstleistungen für den Factoringkunden, vor allem auch in solchen Fällen, in welchen der Factor diese Dienstleistung auch für nicht angekaufte oder rückübertragene Forderungen übernimmt (vgl. Rz. 6.302). Denn der Factor kann auch beim echten Factoring unter bestimmten Voraussetzungen Forderungen an den Factoringkunden zurückübertragen1.
6.330
Das echte Factoring enthält daher Geschäftsbesorgungselemente i.S.d. § 675 BGB. Auf das Vertragsverhältnis sind deshalb sowohl die kauf- als auch die geschäftsbesorgungsrechtlichen Normenkomplexe (§§ 433 ff., 675 BGB) anwendbar, je nachdem, ob das aufgetretene Rechtsproblem dem Bereich der Kreditfunktion oder der Dienstleistungsfunktion zuzuordnen ist2. Das Factoring-Vertragsverhältnis stellt daher einen typengemischten Vertrag dar3.
6.331
3. Unechtes Factoring Die Qualifizierung des unechten Factorings ist umstritten. Im Mittelpunkt der Diskussion steht vor allem die Frage, wie die Bonitätshaftung des Factoringkunden und die mit ihr verbundene Vorläufigkeit der Bevorschussung der Forderung durch den Factor rechtlich zu bewerten ist. Nach der herrschenden darlehensvertraglichen Einordnung kann ein kaufrechtlicher Leistungsaustausch wegen dessen mangelnder Endgültigkeit nicht angenommen werden. Nach der Gegenansicht trete dagegen die Bonitätshaftung des Factoringkunden nur in Ausnahmefällen ein, weshalb sie mit der primären darlehensrechtlichen Rückzahlungspflicht nicht gleichgesetzt werden könne4.
6.332
Der BGH ist der Einordnung als Darlehensvertrag gem. § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB gefolgt5. Bei dieser Beurteilung wäre als Inhalt des Vertrages vereinbart, dass das Darlehen mit Hilfe der Zahlungen der Drittschuldner der verkauften Forderungen zurückgewährt werden soll. In der Abtretung der Forderungen läge daher zugleich eine Leistung erfüllungshalber. In dieser Sichtweise kommt der Forderungsabtretung lediglich eine Sicherungsfunktion zu, da der Factor zwar zuerst Befriedigung aus der abgetretenen Forderung suchen soll, im Misserfolgsfall aber den Factoringkunden in Anspruch nehmen kann. Dieser Argumentation folgt auch die BaFin im Rahmen der Einordnung und Abgrenzung zur Erlaubnispflicht für Kreditgeschäft nach KWG6. Dogmatisch ist die Qualifizierung sowohl als Kauf als auch als Darlehen möglich; die praktischen Folgen der unterschiedlichen Einwer-
6.333
1 Renner in Staub, Bd. 10/2, Rz. 4/443; Canaris, Rz. 1671; Hopt in Baumbach/Hopt, O/1 f. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, O/1 f. 3 Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/27; allg. zu gemischten Verträgen Grüneberg in Palandt, vor § 311 BGB Rz. 19 ff. 4 Vgl. ausführlich zum Meinungsstreit Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 44 ff. m.w.N.; Grüneberg in Palandt, § 398 BGB Rz. 40. 5 BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, WM 1987, 775, 776. 6 BaFin Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Factoring, Stand 5.1.2009, Ziff. III.2 und V. (abgerufen am 31.1.2019 unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merk blatt/mb_090105_tatbestand_factoring.html).
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
tung sind begrenzt1. Mit Rücksicht auf die verfolgten geschäftlichen Zwecke erscheint jedoch eine Einordnung als Kauf sachgemäßer2. Bei unechten Factoring ist Ziel oftmals zudem eine Entlastung der Bilanz des Factoringkunden, indem die Bilanz durch Aktivtausch eine sog. Verkürzung erfährt3. Dies lässt sich auch beim unechten Factoring nur durch einen Forderungsverkauf erreichen. Die Praxis betrachtet daher die Zahlungen des Factors, die Zinszahlungen des Factoringkunden und die spätere Verrechnung nur als Elemente eines besonderen Kaufpreisberechnungs- und Zahlungsverfahrens4.
6.334
Gegen die Einordnung als Kaufvertrag spricht auch nicht, dass der Factoringkunde beim unechten Factoring nicht nur für den Bestand der Forderung, sondern auch für die Zahlungsfähigkeit der Drittschuldner haftet (vgl. § 438 BGB a.F.). Nach kaufrechtlichen Grundsätzen haftet zwar der Verkäufer, der eine Bonitätshaftung im Kaufvertrag übernommen hat, nur für die Zahlungsfähigkeit des Drittschuldners zum Zeitpunkt der Abtretung. Die Haftung kann aber auch für den Zeitraum nach der Abtretung und damit, wie beim unechten Factoring, auf die Einbringlichkeit der Forderung erweitert werden5. 4. Kollision des Forderungserwerbs des Factors mit verlängertem Eigentumsvorbehalt
6.335
Soweit der Factoring-Vertrag eine Globalzession von Kaufpreisforderungen aus der Weiterveräußerung von Waren enthält, die dem Factoringkunden von seinem Verkäufer unter verlängertem Eigentumsvorbehalt geliefert worden sind, führt dies zu einer Kollision von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt (vgl. hierzu Rz. 8.539 ff.). Bei einem solchen Eigentumsvorbehalt behält sich der Vorbehaltsverkäufer (Warenkreditgeber) bis zur Kaufpreiszahlung das Eigentum an der gelieferten Ware aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) vor und lässt sich im Voraus die Kaufpreisforderungen aus der späteren Weiterveräußerung der Vorbehaltsware abtreten6. Wird zugleich im Rahmen des FactoringVertrages eine Globalzession zukünftiger Kundenforderungen vereinbart, kommt es zu einer zweifachen Abtretung der künftigen Forderungen. Die Beurteilung, welche dieser mehrfachen Verfügungen wirksam ist, nimmt die Rechtsprechung und herrschende Lehre mit Hilfe des Prioritätsprinzips vor7.
6.336
Der Prioritätsgrundsatz ordnet die Forderung im Falle einer vorliegenden mehrfachen Vorausabtretung bei ihrer Entstehung demjenigen als Gläubiger zu, der in der zeitlichen Abfolge der Vorauszessionar ist8. Nach der Rechtsprechung des BGH kann dieser Grundsatz im Hinblick darauf, dass die Factoring-Globalzession regelmäßig zeitlich vorangeht, nicht uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Die Globalabtretung zukünftiger Kundenforderungen kann, wie die Globalzession für ein Gelddarlehen des traditionellen Kredit1 Hopt in Baumbach/Hopt, O/3. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, O/3; Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/29; Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 8; a.A. Grüneberg in Palandt, § 398 BGB Rz. 40. 3 Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/52. 4 Scharff in Hellner/Steuer, Rz. 13/29. 5 Vgl. Weidenkaff in Palandt, § 453 BGB Rz. 22; Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 8; Mülbert in Staudinger (2015), § 488 BGB Rz. 706 f. 6 Weidenkaff in Palandt, § 449 BGB Rz. 18; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 49. 7 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 50. 8 Vgl. BGH v. 19.9.1983 – II ZR 12/83, WM 1983, 1235, 1236.
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Factoring | Teil 6
geschäfts, sittenwidrig sein, wenn und soweit sie auch Forderungen umfassen soll, die der Zedent seinen Lieferanten auf Grund verlängerten Eigentumsvorbehalts künftig abtreten muss und abtritt1. Bei der Frage der Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung ist zu unterscheiden zwischen echtem und unechtem Factoring.
6.337
a) Wirksamer Forderungserwerb beim echten Factoring Nach Rechtsprechung und herrschender Literaturmeinung findet die Judikatur des BGH zur Sittenwidrigkeit der Globalzession keine Anwendung auf eine Globalzession, die im Rahmen eines echten Factorings erfolgt2. Hier erhält der Factoringkunde für die verkauften Forderungen den Gegenwert, den er endgültig ohne die Möglichkeit der Rückbelastung seitens des Factors behalten darf. Er kann daher aus diesem Erlös seine Vorbehaltslieferanten so befriedigen, als ob er die an den Factor verkauften Forderungen selbst eingezogen hätte. Bei einer solchen Vertragsgestaltung sind die schutzwürdigen Interessen des unter verlängertem Eigentumsvorbehalt liefernden Warenkreditgebers hinreichend gewahrt. Im Verhältnis zwischen dem Factor und dem Warenkreditgeber ist daher der Vorwurf der Sittenwidrigkeit der Vorausabtretung und damit die Nichtigkeitsfolge aus § 138 Abs. 1 BGB, anders als bei der Globalzession zugunsten eines Geldkreditgebers, ausgeräumt.
6.338
Wird die Globalzession zugunsten des Factors erst nach dem verlängerten Eigentumsvorbehalt vereinbart, so ist sie selbst dann wirksam, wenn Warenkreditgeber und Factoringkunde ein Abtretungsverbot ausdrücklich vereinbart haben. Die dem Factoringkunden vom Vorbehaltslieferanten üblicherweise eingeräumte Einzugs- und Veräußerungsermächtigung deckt jedenfalls auf Grund ergänzender Vertragsauslegung die Abtretung der Forderung. Das folgt wiederum aus der Erwägung, dass die Forderungsverwertung mittels des echten Factoring den Factoringkunden im Wesentlichen so stellt, als habe er die Forderung in bar eingezogen3.
6.339
Hat der Factoringkunde seine Forderungen gegen Dritte zur Kreditsicherung an eine ihn anderweitig finanzierende Bank abgetreten, lässt sich dagegen die von dieser erteilte Einzugsermächtigung grundsätzlich nicht dahin auslegen, dass der Kreditnehmer (d.h. Factoringkunde) die Forderungen im Rahmen des echten Factoring nochmals zedieren kann. Denn die vom Factor vorgenommenen Abzüge in Gestalt des Sicherungseinbehaltes, des Factoringentgeltes und der Delkredereprovision würden den als Sicherheit zugrunde gelegten Nennbetrag der Forderung derart schmälern, dass dadurch das berechtigte Sicherungsinteresse der finanzierenden Bank unzulässig beeinträchtigt würde4. Unerheblich wäre insoweit lediglich ein Einbehalt, den der Factor für den Zeitraum zwischen dem Ankauf der Forderung und deren Fälligkeit vornimmt (Diskont)5.
6.340
1 BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, WM 1987, 775, 776. 2 BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, WM 1987, 775, 776; vgl. auch Martinek/Omlor in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 52 ff. m.w.N.; Hopt in Baumbach/Hopt, O/7. 3 Vgl. BGH v. 7.6.1978 – VIII ZR 80/77, WM 1978, 787, 788 f.; Hopt in Baumbach/Hopt, O/7; vgl. auch Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 66 ff. m.w.N. 4 BGH v. 19.12.1979 – VIII ZR 71/79, WM 1980, 333, 335. 5 BGH v. 19.12.1979 – VIII ZR 71/79, WM 1980, 333, 335.
Freis-Janik | 983
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
b) Vorrang des verlängerten Eigentumsvorbehalts beim unechten Factoring
6.341
Beim unechten Factoring findet hingegen die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit der Globalzession Anwendung1. Dieses Factoring sei den Kreditgeschäften zuzuordnen2. Auf der Grundlage dieser Auffassung kann der Factor einem Geldkreditgeber gleichgestellt werden3.
6.342
Eine nachträgliche Globalzession an den Factor werde auch nicht von der Einzugs- und Veräußerungsermächtigung gedeckt, die ein Warenkreditgeber im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehalts erteile. Entscheidend hierfür sei wiederum, dass der Factor die Forderung als Kreditgeber und nicht endgültig als Barkäufer erwerbe. Auf Grund des Rückbelastungsrechts des Factors für den Fall mangelnder Bonität des Dritten erhalte der Factoringkunde den Ankaufspreis nicht zum endgültigen Verbleib; ein Barkauf wie beim echten Factoring liege also nicht vor4. Dagegen befürwortet das Schrifttum überwiegend eine Gleichbehandlung des unechten und des echten Factoring und damit eine im Vergleich zur Rechtsprechung großzügigere Beurteilung des unechten Factoring5. Neben vielfältigen anderen Erwägungen wird dies vor allem damit begründet, dass aus dem Sonderproblem der Rückbelastung wegen Zahlungsunfähigkeit des Dritten nicht generell auf die Sittenwidrigkeit der Globalzession beim unechten Factoring geschlossen werden könne6.
6.343–6.345 Einstweilen frei.
8. Abschnitt: Finanzierungsleasing (Freis-Janik) I. Entwicklung und wirtschaftlicher Zweck 6.346
Das Leasinggeschäft hat in Ergänzung der traditionellen Finanzierungsformen große praktische Bedeutung gewonnen. Anfang der 1950er Jahre wurden in den USA die ersten Leasinggesellschaften gegründet. 1962 folgte die erste Gründung in Deutschland. Auf dem heutigen Leasingmarkt tritt eine Vielzahl von Leasinggesellschaften auf, die entweder Bankkonzernen und Finanzgruppen angeschlossen sind oder bei welchen es sich – wie beispielsweise im Bereich der Autoindustrie – um Konzerngesellschaften von Herstellern typischer Leasinggegenstände handelt7.
6.347
Das Leasing bietet häufig eine attraktive Alternative zu den herkömmlichen Finanzierungsangeboten. Der Leasingnehmer schont seine eigene Liquidität, entlastet die Bilanz und verbessert damit auch seine Eigenkapitalquote. Andererseits wird der laufende Ertrag des Leasingnehmers durch die Leasingraten belastet. Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ob eine traditionelle Finanzierung oder Leasing finanziell vorteilhafter ist8. 1 BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, WM 1987, 775, 776. 2 BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, WM 1981, 1350, 1352. 3 BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, WM 1981, 1350, 1353; vgl. auch Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 69 ff. m.w.N. 4 BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, WM 1981, 1350, 1352. 5 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 73. 6 Blaurock, ZHR 142 (1978), 325, 340 f. 7 Vgl. ausführlich zur Entwicklung m.w.N.: Martinek in Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, § 1 Rz. 7 ff. 8 Vgl. Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 4; Martinek in Martinek/Stoffels/ Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, § 2 Rz. 3 ff.
984 | Freis-Janik
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
b) Vorrang des verlängerten Eigentumsvorbehalts beim unechten Factoring
6.341
Beim unechten Factoring findet hingegen die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit der Globalzession Anwendung1. Dieses Factoring sei den Kreditgeschäften zuzuordnen2. Auf der Grundlage dieser Auffassung kann der Factor einem Geldkreditgeber gleichgestellt werden3.
6.342
Eine nachträgliche Globalzession an den Factor werde auch nicht von der Einzugs- und Veräußerungsermächtigung gedeckt, die ein Warenkreditgeber im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehalts erteile. Entscheidend hierfür sei wiederum, dass der Factor die Forderung als Kreditgeber und nicht endgültig als Barkäufer erwerbe. Auf Grund des Rückbelastungsrechts des Factors für den Fall mangelnder Bonität des Dritten erhalte der Factoringkunde den Ankaufspreis nicht zum endgültigen Verbleib; ein Barkauf wie beim echten Factoring liege also nicht vor4. Dagegen befürwortet das Schrifttum überwiegend eine Gleichbehandlung des unechten und des echten Factoring und damit eine im Vergleich zur Rechtsprechung großzügigere Beurteilung des unechten Factoring5. Neben vielfältigen anderen Erwägungen wird dies vor allem damit begründet, dass aus dem Sonderproblem der Rückbelastung wegen Zahlungsunfähigkeit des Dritten nicht generell auf die Sittenwidrigkeit der Globalzession beim unechten Factoring geschlossen werden könne6.
6.343–6.345 Einstweilen frei.
8. Abschnitt: Finanzierungsleasing (Freis-Janik) I. Entwicklung und wirtschaftlicher Zweck 6.346
Das Leasinggeschäft hat in Ergänzung der traditionellen Finanzierungsformen große praktische Bedeutung gewonnen. Anfang der 1950er Jahre wurden in den USA die ersten Leasinggesellschaften gegründet. 1962 folgte die erste Gründung in Deutschland. Auf dem heutigen Leasingmarkt tritt eine Vielzahl von Leasinggesellschaften auf, die entweder Bankkonzernen und Finanzgruppen angeschlossen sind oder bei welchen es sich – wie beispielsweise im Bereich der Autoindustrie – um Konzerngesellschaften von Herstellern typischer Leasinggegenstände handelt7.
6.347
Das Leasing bietet häufig eine attraktive Alternative zu den herkömmlichen Finanzierungsangeboten. Der Leasingnehmer schont seine eigene Liquidität, entlastet die Bilanz und verbessert damit auch seine Eigenkapitalquote. Andererseits wird der laufende Ertrag des Leasingnehmers durch die Leasingraten belastet. Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ob eine traditionelle Finanzierung oder Leasing finanziell vorteilhafter ist8. 1 BGH v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, WM 1987, 775, 776. 2 BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, WM 1981, 1350, 1352. 3 BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, WM 1981, 1350, 1353; vgl. auch Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 69 ff. m.w.N. 4 BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, WM 1981, 1350, 1352. 5 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 73. 6 Blaurock, ZHR 142 (1978), 325, 340 f. 7 Vgl. ausführlich zur Entwicklung m.w.N.: Martinek in Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, § 1 Rz. 7 ff. 8 Vgl. Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 4; Martinek in Martinek/Stoffels/ Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, § 2 Rz. 3 ff.
984 | Freis-Janik
Finanzierungsleasing | Teil 6
Grundgedanke des Leasinggeschäfts ist, dass es aus wirtschaftlicher Sicht weniger auf das Eigentum am Leasingobjekt ankommt, als vielmehr auf dessen Nutzung, die sich der Leasingnehmer ohne oder zumindest mit einem stark verminderten Kapitaleinsatz verschaffen kann. Leasing kann daher auch als „Erwerbsersatz durch Nutzungsvertrag“ umschrieben werden1. Die Leasingverträge werden im Übrigen durch steuerrechtliche Vorgaben wesentlich präjudiziert. Maßgeblich für die Ausgestaltung der Verträge sind danach vor allem die in der sog. Leasingentscheidung des BFH2, dem diesbezüglichen Vollamortisations-Erlass v. 19.4.19713 und dem Teilamortisations-Erlass v. 22.12.19754 des Bundesministers der Finanzen enthalten Kriterien. Im Vordergrund steht die Frage, ob das Leasingobjekt dem Leasinggeber nicht nur zivilrechtlich sondern auch steuerlich zugerechnet werden kann, da der Leasingnehmer nicht als wirtschaftlicher Eigentümer des im Eigentum des Leasinggebers stehenden Leasinggutes anzusehen ist. Folge der steuerrechtlichen Zurechnung des Leasingobjekts beim Leasinggeber ist u.a. aus bilanzieller (HGB-)Sicht die Absetzbarkeit der Leasingraten den Leasinggeber in voller Höhe durch den Leasingnehmer. Dadurch hat der Leasinggeber das Leasingobjekt auch nicht als Wertzuwachs seines Anlagevermögens aufzunehmen und jährlich den Abschreibungen für Abnutzung (AfA) zu unterwerfen. Das Vertragsverhältnis muss dabei erlasskonform derart ausgestaltet sein, dass der Leasinggeber rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggutes i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist (sog. erlasskonformes Leasing, vgl. zu Einzelheiten Rz. 6.356)5. Danach ist ein Wirtschaftsgut demjenigen zuzurechnen, der die tatsächliche Herrschaft hierüber in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (vgl. Rz. 6.356).
6.348
Durch die Veröffentlichung der neuen Leasingstandards IFRS 16 durch das International Accounting Standards Board (IASB) am 13.1.2016 werden auf internationaler Ebene die bisherigen Bilanzierungsstandards für Leasingobjekte nach den Regelungen IAS 17 grundlegend geändert. Derzeit ist nicht absehbar, dass mit Einführung der IFRS 16 auch eine Änderung der auf den IAS 17 basierenden nationalen Bilanzierungsregelungen nach dem HGB (vgl. Rz. 6.346) erfolgen wird6. Die neuen Standards nach IFRS 16 betreffen daher unmittelbar aus Bilanzierungssicht nicht alle Unternehmen, sondern lediglich solche, die zur IFRS-Bilanzierung verpflichtet sind, d.h. vor allem kapitalmarktorientierte Unternehmen. Allerdings sind Auswirkungen auch für nach HGB-bilanzierende Unternehmen zu erwarten, z.B. durch veränderte, an den Kennzahlen der IFRS 16 orientierte Informationsanforderungen von Banken. Nach den bisherigen Regelungen der IAS 17 und dem darin verankerten „All-or-Nothing-Ansatz“ bestand eine Unterscheidung zwischen Finanzierungsleasing und Operating-Leasing. Orientiert an dem Kriterium des wirtschaftlichen Eigentums waren Leasingobjekte entweder beim Leasingnehmer oder Leasinggeber zu bilanzieren. Sofern dieses, wie typischerweise nach der vorherrschenden Vertragsgestaltung, beim Leasinggeber ausgewiesen wurde, wies der Leasingnehmer in seiner Bilanz nur die
6.349
1 2 3 4
Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/60. BFH v. 26.1.1970 – IV R 144/66, BStBl. II 1970, 264 ff. = NJW 1970, 1148. BMF-Schreiben v. 19.4.1971, BStBl. I 1971, 264 = BB 1971, 506. BMF-Schreiben v. 22.12.1975, BB 1976, 72; zudem bestehen vom BMF der Immobilien-Leasingerlass vom 21.3.1972, BB 1972, 433 f. sowie der Teilamortisationserlass für Immobilien vom 23.12.1991, BB 1992, 181. 5 Martinek in Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, § 2 Rz. 13, 28 ff.; ausführlich zur Regelungstechnik und der vertraglichen Ausgestaltung Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 5 ff. 6 Ausführlicher Winkler, Leasingbilanzierung nach HGB und IFRS 16. Ein Vergleich.
Freis-Janik | 985
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Leasingraten als Aufwand aus1. Nach den seit 1.1.2019 anzuwendenden Standards der IFRS 162 sind mittel- und langfristige Leasing- und Mietverträge von nach IFRS bilanzierenden Unternehmen unter Anwendung des sog. „Right-of-Use-Ansatz“ (sog. ROUAnsatz) zu bilanzieren. Der ROU-Ansatz bedingt grundsätzlich die Erfassung des Leasinggegenstandes sowohl beim Leasinggeber als auch beim Leasingnehmer. Dabei hat der Leasingnehmer, neben der Passivierungspflicht einer Leasingverbindlichkeit für die zu leistenden Leasingraten, für das Nutzunrecht des Leasingguts auf die Dauer der Vertragslaufzeit einen entsprechenden Vermögenswert zu aktivieren3. Wenige Ausnahmen für den ROUAnsatz bestehen z.B. für Verträge mit einer Laufzeit von nicht mehr als zwölf Monaten ohne Kaufoption oder über Gegenstände, deren Wert 5000 USD nicht übersteigt4. Die Auswirkungen des veränderten Leasingstandards nach IFRS 16 auf die Vertragsgestaltung bleiben weiter abzuwarten.
6.350
Um sich die notwendige Liquidität, insbesondere zum Kauf der Leasingobjekte, zu beschaffen, refinanzieren sich die Leasinggeber typischerweise über Darlehen oder sie verkaufen ihre Forderungen aus den abgeschlossenen Leasingverträgen regresslos an Finanzierer. Ein Finanzierer, der solche Leasingforderungen ankauft, muss darauf achten, dass der Leasingvertrag keine rechtlichen Mängel aufweist und insbesondere im Hinblick auf Gewährleistungsfragen sowie Fragen zur Übereinstimmung mit den §§ 305 ff. BGB und gegebenenfalls mit Verbraucherdarlehensregelungen keine Angriffspunkte bietet5.
6.351
Im Rahmen eines Leasingsgeschäfts sind typischerweise drei Parteien beteiligt, der an der Nutzung des Leasingguts interessierte Leasingnehmer, der dies durch Erwerb und Finanzierung des Leasingguts ermöglichende Leasinggeber, sowie der Lieferant des Leasingguts6. Das wechselseitige wirtschaftliche und rechtliche Verhältnis der drei Parteien untereinander bestimmt sich nach der gewählten Leasingart und der vertraglichen Ausgestaltung (vgl. Rz. 6.355). In jedem Fall besteht zwischen den drei Parteien ein wirtschaftliches Dreiecksverhältnis, sowie aus rechtlicher Sicht ein zumindest zweigliedriges Vertragsverhältnis, zum einen der Leasingvertrag zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber, zum zweiten der Kaufvertrag über das Leasinggut zwischen Leasinggeber und Lieferant. Ob zudem zwischen Leasingnehmer und Lieferant ein (vorvertragliches) Vertrauensschuldverhältnis oder gar ein Vertragsverbund zwischen den beteiligten Parteien besteht, ist teilweise umstritten7. Beim Sale-and-Lease-Back-Model besteht zudem ein Kaufvertragsverhältnis zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber sowie Leasingnehmer und Lieferant (vgl. Rz. 6.358).
II. Erscheinungsformen des Leasing 6.352
Jedes Leasinggeschäft beinhaltet drei Funktionen, die Gebrauchsüberlassungsfunktion, die Finanzierungsfunktion und die Dienstleistungsfunktion. Je nachdem, welche Funktion für die Leasingpartner im Vordergrund ihres Interesses steht, unterscheidet man in 1 2 3 4 5 6 7
Tesche/Küting, DStR 2016, 620 ff.; Findeisen/Adolph, DB 2016, 485 ff. Findeisen/Adolph, DB 2016, 485, 487. Tesche/Küting, DStR 2016, 620, 621. Ausführlich zu den Ausnahmen: Findeisen/Adolph, DB 2016, 485, 486. Hierzu ausführlich Peters, WM 2009, 2294; Hopt in Baumbach/Hopt, P/12 ff. Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 1. Ausführlich Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 2 m.w.N. und Rz. 79; Renner in Staub, Bd. 10/2, Rz. 4/406; Hopt in Baumbach/Hopt, P/2 und P/14.
986 | Freis-Janik
Finanzierungsleasing | Teil 6
der Hauptsache zwischen dem Finanzierungsleasing und dem Operating-Leasing. Begründet in der Vielzahl der möglichen, unterschiedlichen Leasingobjekte und weiteren Arten der Vertragskonzeption, hat sich zudem eine detaillierte Untertypisierung von Leasingmodellen etabliert, allen voran das Sale-and-Lease-Back-Model (Rz. 6.358), sowie z.B. dem Herstellerleasing (v.a. im Automobilbereich), Immobilienleasing1, Flugzeugleasing2, Full-Service-Leasing3, etc.4 1. Finanzierungsleasing Grundelemente des Finanzierungsleasings sind der Gebrauch des Leasinggutes durch den Leasingnehmer und die Finanzierung durch den Leasinggeber5. Somit steht bei dieser Leasingart die Finanzierungsfunktion im Vordergrund, wobei die Sach- und Preisgefahr vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer für die Dauer der Leasingzeit abgewälzt wird6. Dabei führt der Gebrauch überwiegend zu einem Verbrauch7. Die Leistungen des Leasingnehmers werden daher auf der Grundlage der Kosten des Leasinggebers festgelegt und sind grundsätzlich vom Leasingnehmer voll abzudecken. Beim Vollamortisationsvertrag (sog. Full-Payout Lease) wird dies dadurch erreicht, dass der Vertrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt unkündbar ist und die Summe der bis zu diesem Zeitpunkt zu entrichtenden Raten alle Kosten des Leasinggebers amortisiert8. Zu diesen Kosten zählen neben den Herstellungs- und Anschaffungskosten alle Nebenkosten, einschließlich der Finanzierungskosten9.
6.353
Beim Teilamortisations-Leasing (sog. Non-Full-Payout Lease) decken zwar die Raten nicht die gesamten Kosten. Hier wird jedoch auf andere Weise grundsätzlich Vollamortisation gewährleistet. Dies geschieht nach dem Erlass des Bundesministers der Finanzen v. 22.12.197510 entweder (1) dadurch, dass der Leasinggeber das Leasinggut dem Leasingnehmer zu einem im Voraus festgelegten, die Restkosten deckenden Preis andienen kann, oder (2) dadurch, dass das Leasinggut bei Vertragsende veräußert wird und der Leasingnehmer eine etwaige Differenz zwischen dem Erlös und dem Restamortisationsbetrag zu zahlen hat, oder (3) dadurch, dass der Leasingnehmer bei Kündigung des Vertrages eine Abschlusszahlung in Höhe der durch die Raten nicht gedeckten Gesamtkosten des Leasinggebers zu entrichten hat (unter Anrechnung von 90 % des Erlöses aus der Verwertung des Wirtschaftsgutes).
6.354
Ein weiteres Merkmal des reinen Finanzierungsleasings ist, dass der Leasinggeber das Leasinggut nicht schon vor Abschluss des Vertrages mit dem Leasingnehmer auf eigene Rechnung vorrätig hält, sondern erst auf dessen Wunsch hin anschafft. Der Leasingnehmer bestimmt sowohl das Leasinggut als auch den Lieferanten und vereinbart mit diesem die Vertragsbedingungen, insbesondere den Preis. Der Leasinggeber schließt sodann einen
6.355
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/254 ff. Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/286 ff. Schmalenbach in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 58. Übersicht zu den unterschiedlichen Unterarten vgl. Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/66, 13/ 69 ff.; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 12 ff. Flume, DB 1991, 265, 267. BGH v. 30.9.1987 – VIII ZR 226/86, NJW 1988, 198. Flume, DB 1991, 265, 269. Schott/Bartsch in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierungen, S. 539; Schmalenbach in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 57. BGH v. 26.11.2014 – XII ZR 120/13, WM 2015, 1157. BB 1976, 12.
Freis-Janik | 987
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
entsprechenden Vertrag mit dem Lieferanten oder er tritt, wenn dies schon durch den Leasingnehmer geschehen ist, in diesen Vertrag im Wege der Vertragsübernahme ein. Ein Wesensmerkmal des Finanzierungsleasing ist also, dass der Leasinggeber als unabhängiger Dritter tätig wird (indirektes Leasing)1. Dieses „Dreiecksverhältnis“ ist für Finanzierungsleasingverträge typisch2.
6.356
Schließlich ist für das Finanzierungsleasing charakteristisch, dass die Parteien häufig steuerliche Effekte anstreben und bestimmte Auswirkungen auf ihre Geschäftsbilanz im Auge haben. Die Leasingverträge orientieren sich daher üblicherweise an den diesbezüglichen Erlassen des BMF v. 19.4.1971 und 22.12.1975. Hiernach darf der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer nicht als wirtschaftlicher Eigentümer i.S.d. § 39 AO zurechenbar sein. Es ist daher vertraglich sicherzustellen, dass der Leasingnehmer den Leasinggeber nicht für die gesamte gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Leasinggut wirtschaftlich ausschließen kann (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die Grundmietzeit wird mithin so bemessen, dass sie kürzer als die gewöhnliche Nutzungsdauer ist. Dies führt dazu, dass der Leasinggegenstand nach Ablauf der Vollamortisationszeit typischerweise noch einen „Restwert“ hat und dass dessen Realisierung zumindest teilweise dem Leasinggeber zugutekommt. Zumindest wegen dieses Restwerts hat der Leasinggeber das erforderliche eigene wirtschaftliche Interesse an dem Leasinggut (vgl. Rz. 6.348 ff.). 2. Operating-Leasing
6.357
Bei der Erscheinungsform des Operating-Leasings wird ein Vertrag geschlossen, dessen Laufzeit nur einen Teil der üblichen Nutzungsdauer des Objektes abdeckt. Die Vertragsdauer ist regelmäßig kurz bemessen oder unbestimmt mit jederzeitiger Kündigungsmöglichkeit unter Wahrung einer Mindestfrist. Ziel des Operating-Leasings aus Sicht des Leasinggebers ist die Amortisation des Leasinggegenstandes durch mehrfache Überlassung an verschiedene Leasingnehmer. Daher ist das Operating-Leasing grundsätzlich nach Mietrecht zu beurteilen3. Für den Leasingnehmer eignet sich diese Leasingform, wenn vorübergehende betriebliche Bedürfnisse zu befriedigen sind, etwa zur Ausnutzung eines saisonal bedingten Nachfragepotentials. Der Leasingnehmer ist daher beim Operating-Leasing regelmäßig zur jederzeitigen Kündigung berechtigt. Bei dieser Leasingform verdrängt also die Nutzungsfunktion zugunsten des Leasingnehmers die Finanzierungsfunktion des Leasinggebers, da dieser auf eine Vollamortisation durch den Leasingnehmer verzichtet4. 3. Sale-and-Lease-Back-Verträge
6.358
Beim Sale-and-Lease-Back-Verfahren veräußert zunächst der Leasingnehmer einen ihm gehörenden Gegenstand an den Leasinggeber5. Nachdem der Leasinggeber Eigentümer geworden ist, wird das Leasinggut dem Leasingnehmer wieder zum Gebrauch überlassen, 1 Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/67. 2 BGH v. 9.3.1977 – VIII ZR 192/75, WM 1977, 473, 474. 3 Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/72 m.w.N.; ausführlich zur Abgrenzung von Operating-Leasing und Finanzierungsleasing Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 14 m.w.N. 4 Graf von Westphalen in Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, Rz. A/86 f.; Schott/Bartsch in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierungen, S. 553 f. 5 Ausführlich zum Sale-and-lease-back-Model Hansen in Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, Rz. N/1 ff.; zu Sonderproblemen: Berninghaus in Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, §§ 64 f.
988 | Freis-Janik
Finanzierungsleasing | Teil 6
ohne dass hierbei regelmäßig ein Übergang des unmittelbaren Besitzes stattfindet1. Im Unterschied zu den sonstigen Fällen des Leasings muss bei einem Sale-and-Lease-Back-Vertrag der Leasingnehmer – wenn auch nur für eine logische Sekunde – rechtsformaler Eigentümer des Leasinggutes gewesen sein. Das Sale-and-Lease-Back-Verfahren kann verschiedenen Zwecken dienen2. Der typische Fall ist die bilanzmäßige Ausgliederung eines Grundstücks, das auf einen Dritten übertragen und sodann von diesem zurückgeleast wird. Hierdurch können stille Reserven in den zu einem sehr niedrigen Wert bilanzierten Grundstücken mobilisiert und damit die Bilanzoptik, v.a. das bilanzielle Eigenkapital, verbessert werden. Die Finanzierungsfunktion dieser Leasingkonstellation, insbesondere in Form der Liquiditätsfunktion kommt hier besonders zum Tragen. Sale-and-Lease-Back-Verträge sind regelmäßig als Finanzierungsleasing einzuordnen3.
6.359
III. Finanzierungsleasing als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung Finanzierungsleasing, d.h. der Abschluss von Finanzierungsleasingverträgen als Leasinggeber, ist durch das Jahressteuergesetz 20094 seit dem 25.12.2008 (ebenso wie das Factoring, vgl. ausführlich Rz. 6.315 f.) gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung i.S.d. § 32 KWG (dazu Rz. 2.136 ff.)5. Maßgebliches Merkmal für das Vorliegen eines Finanzierungsleasingvertrags ist dabei neben dem Vorliegen einer Gebrauchsüberlassungsfunktion des Leasingobjekts die Finanzierungsfunktion für den Leasingnehmer. Für Finanzierungsleasingunternehmen i.S.d. KWG gelten – wie für Factoringunternehmen – eine Vielzahl aufsichtsrechtlicher Anforderungen, allerdings finden auch weitrechende Ausnahmen nach § 2 Abs. 7a KWG Anwendung (vgl. Rz. 6.316). Zudem sind Finanzierungsleasingunternehmen, wie auch Factoringunternehmen europapassfähig und können daher unter vereinfachten regulatorischen Verfahren im gesamten EWR grenzüberschreitend ihre Leistungen erbringen sowie Filialen einrichten (§ 24a Abs. 1, 3 Satz 1 und Abs. 3c KWG (ausführlich Rz. 2.176 ff. und Rz. 6.318).
6.360
Anders als für das Factoring (vgl. Rz. 6.317), besteht für das Finanzierungsleasing keine ausdrückliche Regelung zum Konkurrenzverhältnis hinsichtlich der Erlaubnispflicht nach ZAG wegen Betreiben von Finanztransfergeschäften gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG. Die Frage der Doppelbeaufsichtigung und -Zulassung nach KWG und ZAG kann sich beim Finanzierungsleasing u.a. im Kontext von Full-Service-Leasingverträgen stellen, im Rahmen derer der Leasinggeber Zahlungen an Dritte vornimmt, deren Schuldner formalrechtlich der Leasingnehmer ist (z.B. Wartungsverträge zum Leasinggut zwischen Leasingnehmer und Hersteller). Sofern es sich bei der Vornahme dieser Zahlungen durch den
6.361
1 Vgl. Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 19. 2 Graf von Westphalen, BB 1991, 149, 150. 3 Graf von Westphalen, BB 1991, 149 ff.; Martinek in Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, § 3 Rz. 21; Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/73; a.A. Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 19. 4 BGBl. I 2008, 2794. 5 Vgl. dazu ausführlich Glos/Sester, WM 2009, 1209; Reschke, BKR 2009, 141; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 33a; Nemet in Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag Rz. C/1 ff. BaFin Merkblatt Finanzierungsleasing, Stand 19.1.2009 (abgerufen am 17.2.2019 unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090119_tatbestand_fi nanzierungsleasing.html).
Freis-Janik | 989
Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
Leasinggeber um untergeordnete Annex-Tätigkeiten des Leasinggebers handelt und nicht über die bloße Abwicklung Bedeutung erlangt, kann die Befugnis zum Betreiben des Finanztransfergeschäfts nach Sinn und Zweck der §§ 32 Abs. 1, 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG von der KWG-Erlaubnis als umfasst angesehen werden. Eine Doppelbeaufsichtigung und -Zulassung nach KWG und ZAG sollte somit entbehrlich sein, eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung wäre auch in Anbetracht des effet utile unter der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (EU) 2015/2366 (PSD 2) und deren nationale Umsetzung begrüßenswert.
IV. Rechtsnatur des Finanzierungsleasing 6.362
Nach gefestigter BGH-Rechtsprechung handelt es sich beim Finanzierungsleasing um einen auf den Austausch wechselseitiger Leistungen gerichteten Gebrauchsüberlassungsvertrag, auf den in erster Linie die mietrechtlichen Bestimmungen der §§ 535 ff. BGB unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der Finanzierungsfunktion Anwendung finden, soweit sich nicht aus der besonderen Interessenlage des Leasinggebers und Leasingnehmers etwas anderes ergibt1. Dem ist die Literatur ganz überwiegend gefolgt2. Die BGHRechtsprechung hat sich bei der rechtlichen Qualifizierung stets an einer interessentypischen Bewertung des Leasingvertrages orientiert3 und dabei berücksichtigt, dass sich die Vertragspartner hierbei auch steuerliche Vorteile versprechen4.
6.363
Das Finanzierungsleasing ist demnach kein Sachdarlehen i.S.d. § 607 Abs. 1 BGB. Gegenstand eines Darlehens können zwar auch „vertretbare Sachen“ sein, wie sie Leasinggegenstände darstellen können. Der gesetzliche Typus des Darlehens setzt aber voraus, dass das Eigentum an den überlassenen Gegenständen auf den Darlehensnehmer übergeht. Beim Leasinggeschäft verbleibt jedoch aus steuerrechtlichen Gründen das Eigentum beim Leasinggeber, wie es auch für den Vermieter typisch ist.
6.364
Die Hauptleistungspflicht des Leasinggebers besteht nach dem BGH5 darin, dem Leasingnehmer den Gebrauch des Leasinggutes für die Vertragszeit im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses zu überlassen. Dem Leasinggeber obliegt zwar auch eine Finanzierungsfunktion. Er hat das dem Leasingnehmer zum Gebrauch zu überlassende Leasinggut zu beschaffen und vorzufinanzieren6. Diese Funktion erschöpft sich aber in der Finanzierung der Gebrauchsnutzung durch den Leasingnehmer7. Für das Finanzierungsleasing ist daher typisch, dass die Sach- und Gegenleistungsgefahr, einschließlich der Preisgefahr so1 BGH v. 12.6.1985 – VII ZR 148/84, BGH v. 12.6.1985 – VIII ZR 148/84, NJW 1985, 2253, 2255; BGH v. 20.9.1989 – VIII ZR 239/88, WM 1989, 1694, 1695 = NJW 1990, 247 ff., vgl. hierzu Tiedtke, WM 1990, 337 ff.; BGH v. 28.3.1990 – VIII ZR 17/89, WM 1990, 935, 939, vgl. hierzu Peters, WM 1992, 1797 ff.; BGH v. 18.11.2009 – VIII ZR 347/08, NJW-RR 2010, 633, 634; zur Anwendbarkeit des Verbraucherdarlehensrechts Peters, WM 2006, 1183. 2 Graf von Westphalen in Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag Rz. A/14 ff. m.w.N.; ausführlich zum aktuellen Meinungsstand: Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 26 ff. 3 BGH v. 11.1.1995 – VIII ZR 82/94, BB 1995, 582; Graf von Westphalen in Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, Rz. B/2 ff. 4 BGH v. 28.3.1990 – VIII ZR 17/89, WM 1990, 935, 939. 5 BGH v. 30.9.1987 – VIII ZR 226/86, WM 1987, 1338, 1339 = NJW 1988, 198 ff. 6 BGH v. 28.3.1990 – VIII ZR 17/89, WM 1990, 935, 939. 7 BGH v. 8.10.1975 – VIII ZR 81/74, WM 1975, 1203, 1204.
990 | Freis-Janik
Finanzierungsleasing | Teil 6
wie der Sachmängelhaftung nach dem kaufrechtlichen Vorbild auf den Leasingnehmer abgewälzt wird so, als sei der Leasingnehmer selbst Käufer der Leasingsache1. Nach den üblichen Vertragsbedingungen hat daher der Leasingnehmer die Leasingraten grundsätzlich weiter zu leisten, wenn das Leasinggut infolge eines Umstandes, den weder der Leasinggeber noch der Leasingnehmer zu vertreten hat, zerstört, verloren oder gestohlen wird oder an Wert verliert (§§ 536, 326 BGB)2. Nach früherer Rechtsprechung des BGH findet diese übliche „harte“ Regelung, dass der Leasingnehmer auch im Falle des unverschuldeten Unterganges des Leasinggutes die noch offenen Leasingraten weiter zu entrichten hat, eine gewisse Rechtfertigung in der Tatsache, dass der Sachwert der Sicherung des Leasinggebers weggefallen ist. Auch werde die Zahlungspflicht des Leasingnehmers meist durch eine Abzinsung gemildert3.
6.365
Zwischenzeitlich hat sich jedoch die Meinung etabliert, dass dem Leasingnehmer für den Fall des völligen Verlustes oder einer erheblichen Beschädigung des Leasingguts, als Ausgleich für die, aus der umfassenden Tragung der Sach- und Preisgefahr resultierenden Risiken, ein sofortiges Recht zur Lösung vom Vertrag im Sinne eines außerordentlichen, kurzfristigen Kündigungsrechts gem. § 314 Abs. 1 BGB4 bzw. eine gleichwertige andere Möglichkeit, sich gegen Ausgleichszahlung vom Vertrag zu lösen5, zuzustehen hat. Bei Ausübung des Kündigungsrechts tritt als Folge die Vertragsabwicklung nach den Grundsätzen der Vollamortisation des Leasingvertrags und der Pflicht zur sofort fälligen Ausgleichszahlung an den Leasinggeber ein6. Besondere Relevanz erfährt dies im Bereich des Kfz-Leasing7, zuletzt v.a. im Kontext des Diesel-Skandals8.
6.366
Auch dem Leasinggeber darf in den Leasingbedingungen ein fristloses Kündigungsrecht für den Fall der Realisierung der Sachgefahr, z.B. eines „Totalschadens“ oder einer erheblichen Beschädigung des Leasingguts eingeräumt werden9.
6.367
Für unwirksam hat der BGH bestimmte für den Leasinggeber günstige Klauseln im Rahmen eines Vertrages über ein sog. Projektleasing gehalten. So seien Klauseln in einem Leasingvertrag über die Überlassung, Anpassung und Implementierung einer Softwarelösung (sog. „Bundle Lease über eine Systemlösung“), in der sich der Leasinggeber für
6.368
1 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 265/80, WM 1981, 1219, 1220 = BGHZ 81, 298 ff. = NJW 1982, 105 ff.; vgl. hierzu Canaris, NJW 1982, 305 ff.; Graf von Westphalen, ZIP 1981, 1219 f.; Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/75 f. 2 Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/75; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 70. 3 BGH v. 13.7.1976 – VI ZR 78/75, WM 1976, 1133, 1135. 4 BGH v. 25.3.1998 – VIII ZR 244/97, NJW 1998, 2284; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 101 Rz. 71 m.w.N. 5 BGH v. 15.7.1998 – VIII ZR 348/97, WM 1998, 2148. 6 BGH v. 30.9.1987 – VIII ZR 226/86, NJW 1988, 198, 200. 7 Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/219 und 13/229; zuletzt zur Berücksichtigung von Ansprüchen aus Teil- und Vollkaskoversicherung: OLG München v. 30.11.2016 – 7 U 2038/16, NJW-RR 2017, 437. 8 Rechtsprechungsübersicht dazu bei Harriehausen, NJW 2018, 1437 ff. 9 Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 73; Schmalenbach in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Rz. V 98; für den Fall des Totalschadens: BGH v. 8.10.2003 – VIII ZR 55/ 03, WM 2004, 1179; für den Fall der erheblichen Beschädigung: Berninghaus in Büschgen, Praxishandbuch Leasing, 1998, § 12 Rz. 121; ablehnend für den Fall der erheblichen Beschädigung: Dötsch, WM 2009, 1349.
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Teil 6 | Kreditgeschäft mit Unternehmen
den Fall des Scheiterns des Projekts bis zu einem von ihm selbst gesetzten spätesten Fertigstellungszeitpunkt das Recht vorbehält, vom Leasingvertrag zurückzutreten und den Leasingkunden verpflichtet, Vorfinanzierungsleistungen sowie an den Lieferanten erbrachte Zahlungen (Dienstleistungen, Anzahlungen) zu erstatten und wieder an Stelle des Leasinggebers in die mit dem Lieferanten geschlossenen Verträge einzutreten, wegen Verstoßes gegen die Generalklausel des § 307 BGB unwirksam; denn sie würden wesentliche Rechte der Leasingkunden und Pflichten des Leasinggebers so sehr einschränken, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet sei und die Leasingkunden rechtlos gestellt würden1.
6.369
Angesichts der interessentypischen Ausgestaltung des Finanzierungsleasingvertrages und der daher nur begrenzten Anwendbarkeit der mietrechtlichen Bestimmungen handelt es sich bei diesem Gebrauchsüberlassungsvertrag um einen atypischen Mietvertrag2. Die Abweichungen des Finanzierungsleasingvertrages vom typischen Mietvertrag zeigen sich auch in dem Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen3 (vgl. Rz. 6.372 ff.) und den spezifischen Rechtsfolgen einer ordentlichen oder außerordentlichen Vertragsbeendigung vor Ablauf der vorgesehenen Leasingzeit, um dem Gedanken der Vollamortisierung Rechnung zu tragen4.
6.370
Nach der BGH-Rechtsprechung sind die Finanzierungsleasingverträge durch folgende Kriterien gekennzeichnet: (1) Gebrauchsüberlassung eines vom Leasinggeber eigens dafür anzuschaffenden Wirtschaftsgutes gegen Abdeckung des Gesamtaufwandes durch Leasingraten sowie durch den gegebenenfalls verbleibenden und nutzbar zu machenden Restwert. (2) Tätigwerden des Leasinggebers als unabhängiger Dritter (sog. indirektes Leasing)5. (3) Freizeichnung des Leasinggebers von eigener Sachmängelhaftung gegen Abtretung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten (Hersteller) des Leasinggutes6.
6.371
Die zivilrechtliche Einordnung des Finanzierungsleasing darf schließlich nicht dazu führen, die ertragsteuerlichen Prärogativen der Leasingverträge in Frage zu stellen, wenn sie nach dem Vollamortisations-Erlass v. 19.4.1971 und dem Teilamortisations-Erlass v. 22.12.1975 des Bundesministers der Finanzen ausgestaltet worden sind7. Auch die BGHRechtsprechung hat bei der rechtlichen Begründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich der Leasingnehmer von dieser Art der Befriedigung eines Investitionsbedarfs auch steuerliche Vorteile verspricht8.
1 BGH v. 29.10.2008 – VIII ZR 258/07, WM 2009, 35; OLG Hamm v. 3.8.2007 – 12 U 158/06, WM 2007, 2012; a.A. Habersack, WM 2008, 809, der das der BGH-Entscheidung vorausgehende OLG-Urteil für nicht überzeugend hält, da es die Besonderheiten des Projektleasing nicht hinreichend berücksichtigt habe. 2 Vgl. Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/79. 3 Vgl. BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 217/84, WM 1985, 1447, 1448 = BGHZ 96, 103 ff. = NJW 1986, 179 f.; vgl. hierzu Graf von Westphalen, ZIP 1985, 1436 ff. 4 BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 217/84, WM 1990, 935, 939 = BGHZ 111, 84 ff. = NJW 1990, 1785 ff. 5 Vgl. BGH v. 9.3.1977 – VIII ZR 192/75, WM 1977, 473, 474. 6 BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 217/84, WM 1985, 1447, 1448. 7 Graf von Westphalen in Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, Rz. A/14 ff.; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 29. 8 BGH v. 9.10.1985 – VIII ZR 217/84, WM 1990, 935, 939 = BGHZ 111, 84 ff. = NJW 1990, 1785 ff.
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Finanzierungsleasing | Teil 6
V. Wirksamer Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen Der Leasinggeber schließt beim Finanzierungsleasing typischerweise seine Haftung für Sachmängel aus. Als Äquivalent tritt der Leasinggeber die ihm gegen den Hersteller (Lieferanten) des „verleasten“ Gegenstandes zustehenden Gewährleistungsansprüche umfassend an den Leasingnehmer ab1. Dieser Haftungsausschluss steht nach dem BGH im Einklang mit der Inhaltskontrolle von AGB. Insbesondere steht ein solcher Ausschluss der eigenen Mängelhaftung des Leasinggeber bei zeitgleicher, umfassender Abtretung eigener Gewährleistungsansprüche an den Leasingnehmer (auch bei Verbrauchern) in Einklang mit § 307 BGB und § 309 Nr. 8 lit. b, aa BGB, der den Ausschluss solcher Gewährleistungsansprüche unter Verweisung auf Ansprüche gegen Dritte für unwirksam erklärt2. Entstehungsgeschichte und Sinn dieser Gesetzesbestimmung sprechen für eine insoweit einschränkende Auslegung der gesetzlichen Regelung. Denn diese Haftungsregelung ist bei den Finanzierungsleasingverträgen üblich. Sie gibt diesen Verträgen ihr typisches, insoweit vom Leitbild des Mietvertrages abweichendes Gepräge3. Diese Haftungsregelung wird auch ganz überwiegend als angemessen und interessegerecht empfunden4.
6.372
Für die Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 1 BGB) ist daher nicht auf die mietrechtliche Gewährleistungshaftung, sondern auf den Ausschluss der Sachgewährleistung abzustellen, die dem Typus des Finanzierungsleasing entspricht5. Dieser Haftungsausschluss ist daher angemessen im Sinne der Generalklausel der AGB-Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 1 BGB), sofern nur der Leasingnehmer umfassende Sachmängelansprüche nach kaufrechtlichem Vorbild unmittelbar gegenüber dem Lieferanten der Leasingsache geltend machen kann. Dies kann durch umfassende Abtretung sämtlicher Gewährleistungsansprüche oder durch Ermächtigung des Leasingnehmers zu ihrer Geltendmachung gegen den Lieferanten geschehen (sog. leasingtypische Abtretungskonstellation)6.
6.373
Die Wirksamkeit dieses Haftungsausschlusses setzt jedoch weiter voraus, dass die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche durch den Leasingnehmer gegenüber dem Lieferanten des Leasinggebers auch Auswirkungen auf das Leasingvertragsverhältnis hat. Wird zwischen Leasingnehmer und Lieferant beispielsweise der Rücktritt des Kaufvertrages vollzogen und derselbe in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, so entfällt nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Geschäftsgrundlage für den Leasingvertrag (§ 313 Abs. 2 BGB) ex tunc7. Dies mit der Folge, dass der Leasingnehmer gem. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB vom Leasingvertrag zurücktreten und nach § 346 Abs. 1 BGB die Rückzahlung der an den Leasinggeber geleisteten Leasingraten verlangen kann. Der Leasinggeber hat damit von Anfang an keine Ansprüche auf Zahlung von Leasingraten, selbst
6.374
1 Vgl. Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/76; ausführlich: Harriehausen, NJW 2013, 3393 ff. 2 Ständige Rspr. des BGH: BGH v. 16.6.2010 – VIII ZR 317/09, NJW 2010, 2798; BGH v. 13.11. 2013 – VIII ZR 257/12, NJW 2014, 1583; Hopt in Baumbach/Hopt, P/8; kritisch: Martinek/ Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 77 ff. 3 BGH v. 16.9.1981 – VIII ZR 265/80, WM 1981, 1219, 1220 ff. = BGHZ 81, 298 ff. = NJW 1982, 105 ff. 4 BGH v. 24.4.1985 – VIII ZR 65/84, WM 1985, 638, 641 = BGHZ 94, 180 ff. = NJW 1985, 1547 ff.; vgl. hierzu Peters, NJW 1985, 1498 ff.; in atypischen leasingnahen Konstellationen ist eine derartige Gestaltung meist unwirksam, vgl. Harriehausen, NJW 2018, 1437, 1439. 5 Flume, DB 1991, 265, 270. 6 BGH v. 27.4.1988 – VIII ZR 84/87, WM 1988, 979, 982 = BGHZ 104, 232 ff. = NJW 1988, 2465 ff.; Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/86 ff. 7 Vgl. BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, NJW 2010, 2789 m.w.N.
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wenn der Leasinggegenstand zeitweilig benutzt worden ist1. Der auf Grund des Vollzuges eines Gewährleistungsrechts von Anfang an seiner Geschäftsgrundlage beraubte Leasingvertrag kann als Grundlage für bereits erbrachte Vertragsleistungen nicht mehr herangezogen werden2.
6.375
Grundlage für diese Rechtsfolgen ist, dass der Leasinggeber dem Leasingnehmer den Gebrauch des Leasinggutes als ein Grundelement des Leasinggeschäfts schuldet3. Kommt es zu keiner Gebrauchsgewährung wegen eines Rücktritts oder wegen einer unterbliebenen Lieferung, so hat der Leasinggeber seine Aufwendungen selbst zu tragen4. Dabei trägt der Leasinggeber auch das Risiko, dass nach erfolgtem Rücktritt der Lieferant infolge Insolvenz den empfangenen Kaufpreis nicht zurückzahlen kann5. Ausnahmsweise braucht der Leasinggeber einen vollzogenen Rücktritt nicht hinzunehmen, wenn bei dessen Herbeiführung Leasingnehmer und Lieferant kollusiv zum Nachteil des Leasinggebers zusammengearbeitet haben6.
6.376
Im Rahmen des Haftungs- und Gewährleistungsausschlusses ist eine Abwälzung der der Untersuchungspflicht sowie der Rügepflicht des Leasinggeber als Käufer des Leasingobjekts gegenüber dem Lieferanten auf den Leasingnehmer nach § 377 HGB im Rahmen des Leasingvertrages möglich. Dies gilt zumindest sofern der Leasingnehmer Kaufmann ist, bei Nichtkaufleuten ist dies strittig7.
1 BGH v. 13.3.1991 – VIII ZR 34/90, WM 1991, 954, 955 = BGHZ 114, 57 ff. = NJW 1991, 1746 ff.; vgl. hierzu mit kritischer Übersicht: Hopt in Baumbach/Hopt, P/10; Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 101 Rz. 77 ff.; Emmerich, JuS 1991, 777 f. Der Liefervertrag als Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages soll erst mit der rechtskräftigen Feststellung der Wirksamkeit des Rückabwicklungsverlangens rückwirkend wegfallen, vgl. Beckmann, WM 2006, 952. 2 BGH v. 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, WM 1990, 25, 27 = BGHZ 109, 139 ff. = NJW 1990, 314 ff.; vgl. Koch in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2016, Finanzierungsleasing Rz. 109 ff. m.w.N. 3 Flume, DB 1991, 265, 271. 4 Zur Unwirksamkeit einer Klausel, worin der Leasingnehmer verpflichtet werden sollte, dem Leasinggeber von diesem erbrachte Vorfinanzierungsleistungen zu erstatten, BGH v. 29.10. 2008 – VIII ZR 258/07, WM 2009, 35; dazu Rz. 6.365. 5 BGH v. 13.3.1991 – VIII ZR 34/90, NJW 1990, 314, 315; BGH v. 13.11.2013 – VIII ZR 257/12, NJW 2014, 1583. 6 BGH v. 27.2.1985 – VIII ZR 328/83, WM 1985, 573, 575 = BGHZ 94, 44 ff. = NJW 1985, 1535 ff. 7 Hopt in Baumbach/Hopt, P/10 m.w.N.; Peters in Hellner/Steuer, Rz. 13/87; aktuelle Rspr. v.a. im Dieselskandal Harriehausen, NJW 2018, 1437, 1438.
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7. Teil Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung 1. Abschnitt: Vorbemerkung (Frieder Bauer) . . . . . . . . . . . . . 2. Abschnitt: Garantiegeschäft (Frieder Bauer) . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen und wirtschaftliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Regelungen und vertragliche Rahmenbedingungen . . a) Liquiditätsfunktion: Zahlungssicherungsfunktion, nicht Zahlungsfunktion . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Grundlagen und bankwirtschaftliche Usancen . aa) Die Bankgarantie: Ein Vertrag eigener Art . . . . . bb) ICC-Richtlinien: ERG (für Garantien), ERA 600, ISP98 (für Standby L/Cs) . cc) Allgemeine Bedingungen für das Avalgeschäft . . . . 2. Aufsichtsrechtliche Behandlung .
. . . . . . . .
II. Grundgeschäftsvertrag zwischen Avalauftraggeber und Avalbegünstigtem . . . . . . . . . . . . . . III. Beauftragung der avalierenden Bank durch den Avalauftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Avalkreditvertrag: Kein Darlehen und keine Versicherung, sondern entgeltliche Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ein Rahmenvertrag, der der Ausfüllung bedarf . . . . . . . . . b) Der konkrete Avalauftrag . . . . c) IPR-Fragen . . . . . . . . . . . . . . 2. Spannungsfeld zwischen Weisungsgebundenheit und eigener Verpflichtung aus dem Aval . . . . a) Grundsatz der Auftragsstrenge . b) Abweichungen bei der Garantieerstellung . . . . . . . . . . . . . . . c) Abweichungen bei der Bürgschaftserstellung . . . . . . . . . . . d) Keine Beratungspflicht der Bank gegenüber dem Avalauftraggeber . . . . . . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ __ _ __ _ _ _
7.1 7.2 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7
7.15 7.16
7.19
7.21
7.22 7.27 7.29 7.40 7.43 7.43 7.44 7.45 7.47
IV. Der Garantie-/Bürgschaftsvertrag zwischen avalierender Bank und Avalbegünstigten . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches für alle Avalformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten des Bürgschaftsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Grundsatz: Akzessorietät zwischen Bürgschaftsverpflichtung und verbürgter Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen vom Grundsatz der Akzessorietät . . . . . . . . . . c) Die Bürgschaft auf erstes Anfordern . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Garantievertrag . . . . . . . . . . V. Die Einschaltung von Zweitbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Indirekte Garantie . . . . . . . . . . . 2. Avisierende Bank . . . . . . . . . . . . 3. IPR-Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsverhältnis zwischen der ausländischen Zweitbank und dem Begünstigten . . . . . . . . . b) Vertragsbeziehung zwischen Avalauftraggeber und erstbeauftragter Inlandsbank . . . . . c) Vertragsbeziehung zwischen Inlandsbank und Auslandsbank aa) Die Rückgarantie . . . . . . . bb) Der Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Zweitbank . VI. Die Inanspruchnahme des Avals durch den Begünstigten . . . . . . 1. Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . a) Einhaltung der formellen Voraussetzungen . . . . . . . . . b) Vorliegen des formalen und materiellen Bürgschaftsfalls: Ausfluss der Akzessorietät . . . c) Reaktion der avalierenden Bank auf eine Inanspruchnahme unter der Bürgschaft . . 2. Bürgschaft auf erstes Anfordern . a) Formelle Voraussetzung der Inanspruchnahme; Bedeutung der Zahlungsklausel . . . . . . .
. . . . . . .
_ _ _ _ _ __ __ __ _ _ __ _ __ _ _ __ _
7.49 7.49 7.50
7.50 7.55 7.56 7.59 7.63 7.63 7.64 7.66 7.67 7.68 7.69 7.70 7.74 7.75 7.75 7.75 7.76 7.77 7.79 7.80
Frieder Bauer/Seeger | 995
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung b) Grenzen der Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern . . . . . . . . . c) Temporäre Aufhebung der Akzessorietät bei der Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . d) Wiederaufleben der Akzessorietät im Rückforderungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der formale Garantiefall: Bloße Tatsachenbehauptung ausreichend . . . . . . . . . . . . b) Grenze des formalen Garantiefalles: Die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme . . . . . VII. 1. 2. 3. 4.
Typische Klauseln in Avalen . Höchstbetrag, Steuerpflicht . . . Befristung . . . . . . . . . . . . . . Zeitbürgschaft . . . . . . . . . . . Reduzierungsklauseln, Erlöschensklauseln . . . . . . . . 5. Währung, Zahlungsort . . . . . . a) Erfüllungsort im Inland . . . b) Erfüllungsort im Ausland . . c) Kreditmäßige Auswirkung von Fremdwährungsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtswahl, IPR-Fragen . . . . .
VIII. Typische Avalformen . . . . . . 1. Bietungsgarantie . . . . . . . . . . 2. Anzahlungsaval mit Inkrafttretensklausel . . . . . . . . . . . . 3. Vertragserfüllungs- oder Leistungsaval . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zahlungsaval . . . . . . . . . . . . 5. Konnossementsgarantie . . . . . 6. Gewährleistungsaval . . . . . . . 7. Prozessaval . . . . . . . . . . . . . 8. Die Zoll- und Steuerbürgschaft IX. Gerichtliche Eilmaßnahmen wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme . . . . . . . . 1. Die einstweilige Verfügung gegen den Avalbegünstigten . . 2. Die einstweilige Verfügung gegen die avalierende Inlandsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der dingliche Arrest . . . . . . . 4. Insolvenzrechtliche Grundzüge a) Insolvenz des Avalauftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz des Begünstigten .
996 | Frieder Bauer/Seeger
. . . . . . . .
_ _ __ _ _ __ __ __ __ __ __ _ __ __ __
7.82 7.86 7.89 7.92 7.92 7.93 7.96 7.96 7.98 7.99
7.100 7.103 7.104 7.105
. 7.106 . 7.107 . 7.109 . 7.110 . 7.111 . . . . . .
7.114 7.115 7.116 7.117 7.118 7.126
_ _ __ _ __
. 7.127 . 7.128 . 7.131 . 7.133 . 7.135 . 7.136 . 7.137
_ _ __ _ _ __ _ _ _ _ __
3. Abschnitt: Dokumentenakkreditive (Seeger) . . . . . . . . . . . . . . . 7.151 I. Grundlagen, wirtschaftliche Funktionen und Erscheinungsformen . 1. Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Einordnung . . . . . . b) ERA 600 . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Funktionen des Akkreditivs . . . . . . . . . . . . . . . . a) Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs . . . . . . . . . . b) Sicherungsfunktion . . . . . . . . . c) Kreditfunktion . . . . . . . . . . . . 3. Erscheinungsformen des Dokumentenakkreditivs . . . . . . . . . . . a) Verschiedene Abwicklungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . b) Widerrufliches/unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv . . c) Bestätigtes/unbestätigtes Dokumentenakkreditiv . . . . . . d) Standby-Letter of Credit . . . . .
7.151 7.153 7.155 7.163 7.164 7.164 7.167 7.171 7.173 7.173 7.174 7.176 7.177
_ _ _ __ _ __ _ __ __ __ _
II. Grundgeschäftsvertrag zwischen Akkreditivauftraggeber und Akkreditivbegünstigtem . . . . . . . 7.181 III. Beauftragung der eröffnenden Bank durch den Akkreditivauftraggeber . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur des Akkreditivauftrages . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltliche Ausgestaltung des Akkreditivauftrages . . . . . . . . 3. IPR-Fragen . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Akkreditiveröffnung . . . . 1. Rechtsnatur der Akkreditivverpflichtung . . . . . . . . . . . . 2. Ablauf der Akkreditiveröffnung 3. IPR-Fragen . . . . . . . . . . . . . . V. Die Einschaltung von Zweitbanken . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionen der Zweitbank . . . 2. Rechtsverhältnisse zwischen Akkreditivbank und Zweitbank 3. IPR-Fragen . . . . . . . . . . . . . .
. . 7.184 . . 7.184 . . 7.188 . . 7.197 . . 7.198 . . 7.198 . . 7.199 . . 7.200 . . 7.204 . . 7.204 . . 7.211 . . 7.214
VI. Die Inanspruchnahme des Akkreditivs durch den Akkreditivbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . 7.215 1. Dokumenteneinreichung . . . . . . . 7.215 2. Grundsatze der Dokumentenstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.217
Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung | Teil 7
_ _ __ __ __ _ _ _ __ __ _ _ _ _ _ _
3. Beanstandung mangelhafter Dokumente, Alternativen zur Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . 7.222 VII. Akkreditivübertragung, Abtretung von Akkreditiverlösen und Gegenakkreditiv . . . . . . . . 7.225 VIII. Rechtsmissbrauchseinwand, gerichtliche Eilmaßnahmen und Insolvenz . . . . . . . . . 1. Rechtsmissbrauchseinwand . 2. Gerichtliche Eilmaßnahmen a) Einstweilige Verfügung . . b) Arrest . . . . . . . . . . . . . 3. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz des Akkreditivauftraggebers . . . . . . . . b) Insolvenz der eröffnenden Bank . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenz des Akkreditivbegünstigten . . . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
7.237 7.237 7.241 7.244 7.249 7.250
. . . 7.251 . . . 7.253 . . . 7.257
4. Abschnitt: Dokumenten-Inkasso (Seeger) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.271 I. Wirtschaftliche Funktion . . . . . 7.273 II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . 7.274 III. Praxis des Dokumenteninkasso 1. Spezielle Weisungen des Inkassoauftraggebers . . . . . . . . . . . . . 2. Einschaltung der Inkassobank durch die Einreicherbank . . . . . 3. Sicherungsrechte der Einreicherbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entgegennahme und Vorlage der Dokumente . . . . . . . . . . . . 5. Benachrichtigungspflichten der Inkassobank . . . . . . . . . . . . . .
7.277 7.279 7.282 7.284 7.286 7.290
IV. Insolvenz des Dokumenteneinreichers bei Bevorschussung des Inkassoerlöses . . . . . . . . . 7.292
_
5. Abschnitt: Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung . . . . . . 7.301 I. Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften der Bundesrepublik: Hermes-Deckungen (Frieder Bauer) . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationale Einbindung . . . . b) Die deutschrechtliche Grundlage c) Das Antragsverfahren . . . . . . . d) Die staatliche Exportgewährleistung im Lichte der Solvabilitätsverordnung . . . . . . . . . . . . . . e) Die gedeckten Risiken . . . . . . . aa) Politische Risiken . . . . . . . bb) Wirtschaftliche Risiken . . . cc) Der Nichtzahlungsfall . . . . 2. Finanzkreditdeckung . . . . . . . . . a) Unmittelbarer Kredit an den Importeur . . . . . . . . . . . . . . . aa) Direkte Auszahlung . . . . . bb) Erstattungsverfahren . . . . . b) Bank-zu-Bank-Kredit . . . . . . . 3. Besondere Deckungsformen (UFK, Direktinvestitionen) . . . . . II. Forfaitierung, mit und ohne Versicherungsschutz (Frieder Bauer/ Seeger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff, Abgrenzung zum Factoring, Auslandsberührung, aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forfaitierung von Exportforderungen mit Versicherungsschutz . . . . a) Private Warenkreditversicherer . b) Staatliche Exportkreditgewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . .
__ __ _ __ __ __ __ __ _ _ _ __ _ _
7.301 7.301 7.302 7.303 7.307 7.309 7.310 7.313 7.316 7.317 7.318 7.319 7.320 7.323 7.324 7.325
7.327 7.327 7.335 7.336 7.339
III. Bank Payment Obligation und URBPO (Seeger) . . . . . . . . . . . . 7.340
Schrifttum: Aden, Der Arrest in den Auszahlungsanspruch des Garantiebegünstigten durch den Garantie-Auftraggeber, RIW/AWD 1981, 439; Bark, Rechtsfragen und Praxis der indirekten Garantie im Außenwirtschaftsverkehr, ZIP 1982, 405; Blesch/Lange/Altenhenne/Brutscher/Burghardt/EckhardtLetzelter/Keßler/Kießler/Wendt, Bankgeschäfte mit Auslandsbezug, 2007; Cranshaw/Steinwachs/ Bruhn, Problemfelder der Avale in Krise und Insolvenz des Avalauftraggebers, ZInsO 2013, 1005; Edelmann, Blockierung der Inanspruchnahme einer direkten Auslandsgarantie, DB 1998, 2453; Einsele, Auswirkungen der Rom I-Verordnung auf Finanzdienstleistungen, WM 2009, 289; Ehrlich/ Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Aufl. 2010; Graf von Bernstorff, Bank Payment Obligation. Eine Alternative zum dokumentären Zahlungsverkehr?, RIW 2014, 34; Graf von Westphalen, Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditiv (1074) und die Einheitlichen Richtlinien für Inkassi im Licht des AGB-Gesetzes, WM 1980, 178; Graf von Westphalen, Die neuen einheitlichen Richtlinien für „Demand Guarantees“, DB 1992, 2017;
Frieder Bauer/Seeger | 997
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung Graf von Westphalen, Forfaitierungsverträge unter dem Gesichtswinkel des Schuldrechts-Modernisierungsgesetzes, WM 2001, 1837; Graf von Westphalen/Jud/Spitzer/de Gottrau/Young, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, 4. Aufl. 2014; Hadding/Welker, Zur schuldrechtlichen Qualifizierung der Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 2015, 1545; Hakenberg, Juristische Probleme der Exportforfaitierung, RIW 1998, 906; Andreas Hasse, Die Einheitlichen Richtlinien für auf Anfordern zahlbare Garantien der internationalen Handelskammer, WM 1993, 1985; Heinsius, Zur Frage des Nachweises der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme einer Bankgarantie auf erstes Anfordern mit liquiden Beweismitteln, FS Winfried Werner, 1984, S. 229; Heldrich, Kollisionsrechtliche Aspekte des Missbrauchs von Bankgarantien, FS Gerhard Kegel, 1987, S. 189; Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, IHR 2007, 136; Koller, Die Dokumentenstrenge im Licht von Treu und Glauben beim Dokumentenakkreditiv, WM 1990, 293; Kupisch, Bona Fides und Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 2002, 1626; Nielsen, Rechtsmissbrauch bei der Inanspruchnahme von Bankgarantien als typisches Problem der Liquidationsfunktion abstrakter Zahlungsversprechen, ZIP 1982, 253; Nielsen, Internationale Bankgarantie, Akkreditiv und angloamerikanisches Standby nach Inkrafttreten des ISP 98, WM 1999, 2005 (Teil I), WM 1999, 2049 (Teil II); Nielsen, ICC Uniform Customs and Practices for Documentary Credits, TranspR 2008, 269; Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, 3. Aufl. 2008; Rümker, Garantie „auf erstes Anfordern“ und Aufrechnungsbefugnis der Garantiebank, ZGR 1986, 332; Pilger, Einstweiliger Rechtsschutz des Käufers und Akkreditivstellers wegen Gewährleistung durch Arrest in den Auszahlungsanspruch des Akkreditivbegünstigten?, RIW/AWD 1979, 588; Schefold, Neue Rechtsprechung zum anwendbaren Recht bei Dokumenten-Akkreditiven, IPRax 1996, 347; Schütze/Edelmann, Bankgarantien, 2011; Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 7. Aufl. 2016; Strasser, Prozessbürgschaften EU-ausländischer Kreditinstitute – kein Grund zur Ungleichbehandlung in Zeiten unsicherer Banken, RIW 2009, 521; Vorpeil, Die Dokumentenstrenge beim L/C im Wandel der Praxis – Auf dem Weg zur „Substantial Compliance“?, WM 2018, 751 Vorpeil, Verbum peto! – Die Uniform Rules for Forfaiting der ICC/IFA, RIW 2013, Heft 3, Erste Seite; Wälzholz, Zur Anwendbarkeit des AGBG auf die Einheitlichen Richtlinien des ICC – insbesondere bei Akkreditiven und Demand Guarantees, WM 1994, 1457; Wolf, Auslegung und Inhaltskontrolle von AGB im internationalen kaufmännischen Verkehr, ZHR 153 (1989), 300.
1. Abschnitt: Vorbemerkung (Frieder Bauer) 7.1
Der folgende Teil beschäftigt sich mit einer repräsentativen Auswahl der wichtigsten Formen der Handelsfinanzierung und damit verbundener Bankdienstleistungen. Mit Ausnahme der deutschrechtlichen Bürgschaftsformen, die fast ausschließlich im Inlandsgeschäft nachgefragt werden, weisen die nachfolgend beschriebenen Bankprodukte regelmäßig einen Auslandsbezug auf1.
2. Abschnitt: Garantiegeschäft (Frieder Bauer) I. Grundlagen und wirtschaftliche Funktion 7.2
Das Garantiegeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 8 KWG erfasst alle Varianten des Avalkredites2 (§ 765 BGB, §§ 349, 350 HGB, Art. 30 bis 32 WG, Art. 25 bis 27 ScheckG), die Akkreditiveröffnung oder -bestätigung, die wechsel- oder scheckrechtliche Indossamentsverpflichtung, den Schuldbeitritt und jede Verpflichtung zum Einstehen für einen bestimmten Erfolg3. 1 Welter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 26 Rz. 1. 2 Näheres zum etwas missverständlichen Begriffs des „Avalkredits“ s. Rz. 7.21 ff. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 1 KWG Rz. 93.
998 | Frieder Bauer
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung Graf von Westphalen, Forfaitierungsverträge unter dem Gesichtswinkel des Schuldrechts-Modernisierungsgesetzes, WM 2001, 1837; Graf von Westphalen/Jud/Spitzer/de Gottrau/Young, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, 4. Aufl. 2014; Hadding/Welker, Zur schuldrechtlichen Qualifizierung der Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 2015, 1545; Hakenberg, Juristische Probleme der Exportforfaitierung, RIW 1998, 906; Andreas Hasse, Die Einheitlichen Richtlinien für auf Anfordern zahlbare Garantien der internationalen Handelskammer, WM 1993, 1985; Heinsius, Zur Frage des Nachweises der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme einer Bankgarantie auf erstes Anfordern mit liquiden Beweismitteln, FS Winfried Werner, 1984, S. 229; Heldrich, Kollisionsrechtliche Aspekte des Missbrauchs von Bankgarantien, FS Gerhard Kegel, 1987, S. 189; Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, IHR 2007, 136; Koller, Die Dokumentenstrenge im Licht von Treu und Glauben beim Dokumentenakkreditiv, WM 1990, 293; Kupisch, Bona Fides und Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 2002, 1626; Nielsen, Rechtsmissbrauch bei der Inanspruchnahme von Bankgarantien als typisches Problem der Liquidationsfunktion abstrakter Zahlungsversprechen, ZIP 1982, 253; Nielsen, Internationale Bankgarantie, Akkreditiv und angloamerikanisches Standby nach Inkrafttreten des ISP 98, WM 1999, 2005 (Teil I), WM 1999, 2049 (Teil II); Nielsen, ICC Uniform Customs and Practices for Documentary Credits, TranspR 2008, 269; Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, 3. Aufl. 2008; Rümker, Garantie „auf erstes Anfordern“ und Aufrechnungsbefugnis der Garantiebank, ZGR 1986, 332; Pilger, Einstweiliger Rechtsschutz des Käufers und Akkreditivstellers wegen Gewährleistung durch Arrest in den Auszahlungsanspruch des Akkreditivbegünstigten?, RIW/AWD 1979, 588; Schefold, Neue Rechtsprechung zum anwendbaren Recht bei Dokumenten-Akkreditiven, IPRax 1996, 347; Schütze/Edelmann, Bankgarantien, 2011; Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 7. Aufl. 2016; Strasser, Prozessbürgschaften EU-ausländischer Kreditinstitute – kein Grund zur Ungleichbehandlung in Zeiten unsicherer Banken, RIW 2009, 521; Vorpeil, Die Dokumentenstrenge beim L/C im Wandel der Praxis – Auf dem Weg zur „Substantial Compliance“?, WM 2018, 751 Vorpeil, Verbum peto! – Die Uniform Rules for Forfaiting der ICC/IFA, RIW 2013, Heft 3, Erste Seite; Wälzholz, Zur Anwendbarkeit des AGBG auf die Einheitlichen Richtlinien des ICC – insbesondere bei Akkreditiven und Demand Guarantees, WM 1994, 1457; Wolf, Auslegung und Inhaltskontrolle von AGB im internationalen kaufmännischen Verkehr, ZHR 153 (1989), 300.
1. Abschnitt: Vorbemerkung (Frieder Bauer) 7.1
Der folgende Teil beschäftigt sich mit einer repräsentativen Auswahl der wichtigsten Formen der Handelsfinanzierung und damit verbundener Bankdienstleistungen. Mit Ausnahme der deutschrechtlichen Bürgschaftsformen, die fast ausschließlich im Inlandsgeschäft nachgefragt werden, weisen die nachfolgend beschriebenen Bankprodukte regelmäßig einen Auslandsbezug auf1.
2. Abschnitt: Garantiegeschäft (Frieder Bauer) I. Grundlagen und wirtschaftliche Funktion 7.2
Das Garantiegeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 8 KWG erfasst alle Varianten des Avalkredites2 (§ 765 BGB, §§ 349, 350 HGB, Art. 30 bis 32 WG, Art. 25 bis 27 ScheckG), die Akkreditiveröffnung oder -bestätigung, die wechsel- oder scheckrechtliche Indossamentsverpflichtung, den Schuldbeitritt und jede Verpflichtung zum Einstehen für einen bestimmten Erfolg3. 1 Welter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 26 Rz. 1. 2 Näheres zum etwas missverständlichen Begriffs des „Avalkredits“ s. Rz. 7.21 ff. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 1 KWG Rz. 93.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung Graf von Westphalen, Forfaitierungsverträge unter dem Gesichtswinkel des Schuldrechts-Modernisierungsgesetzes, WM 2001, 1837; Graf von Westphalen/Jud/Spitzer/de Gottrau/Young, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, 4. Aufl. 2014; Hadding/Welker, Zur schuldrechtlichen Qualifizierung der Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 2015, 1545; Hakenberg, Juristische Probleme der Exportforfaitierung, RIW 1998, 906; Andreas Hasse, Die Einheitlichen Richtlinien für auf Anfordern zahlbare Garantien der internationalen Handelskammer, WM 1993, 1985; Heinsius, Zur Frage des Nachweises der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme einer Bankgarantie auf erstes Anfordern mit liquiden Beweismitteln, FS Winfried Werner, 1984, S. 229; Heldrich, Kollisionsrechtliche Aspekte des Missbrauchs von Bankgarantien, FS Gerhard Kegel, 1987, S. 189; Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, IHR 2007, 136; Koller, Die Dokumentenstrenge im Licht von Treu und Glauben beim Dokumentenakkreditiv, WM 1990, 293; Kupisch, Bona Fides und Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 2002, 1626; Nielsen, Rechtsmissbrauch bei der Inanspruchnahme von Bankgarantien als typisches Problem der Liquidationsfunktion abstrakter Zahlungsversprechen, ZIP 1982, 253; Nielsen, Internationale Bankgarantie, Akkreditiv und angloamerikanisches Standby nach Inkrafttreten des ISP 98, WM 1999, 2005 (Teil I), WM 1999, 2049 (Teil II); Nielsen, ICC Uniform Customs and Practices for Documentary Credits, TranspR 2008, 269; Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, 3. Aufl. 2008; Rümker, Garantie „auf erstes Anfordern“ und Aufrechnungsbefugnis der Garantiebank, ZGR 1986, 332; Pilger, Einstweiliger Rechtsschutz des Käufers und Akkreditivstellers wegen Gewährleistung durch Arrest in den Auszahlungsanspruch des Akkreditivbegünstigten?, RIW/AWD 1979, 588; Schefold, Neue Rechtsprechung zum anwendbaren Recht bei Dokumenten-Akkreditiven, IPRax 1996, 347; Schütze/Edelmann, Bankgarantien, 2011; Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 7. Aufl. 2016; Strasser, Prozessbürgschaften EU-ausländischer Kreditinstitute – kein Grund zur Ungleichbehandlung in Zeiten unsicherer Banken, RIW 2009, 521; Vorpeil, Die Dokumentenstrenge beim L/C im Wandel der Praxis – Auf dem Weg zur „Substantial Compliance“?, WM 2018, 751 Vorpeil, Verbum peto! – Die Uniform Rules for Forfaiting der ICC/IFA, RIW 2013, Heft 3, Erste Seite; Wälzholz, Zur Anwendbarkeit des AGBG auf die Einheitlichen Richtlinien des ICC – insbesondere bei Akkreditiven und Demand Guarantees, WM 1994, 1457; Wolf, Auslegung und Inhaltskontrolle von AGB im internationalen kaufmännischen Verkehr, ZHR 153 (1989), 300.
1. Abschnitt: Vorbemerkung (Frieder Bauer) 7.1
Der folgende Teil beschäftigt sich mit einer repräsentativen Auswahl der wichtigsten Formen der Handelsfinanzierung und damit verbundener Bankdienstleistungen. Mit Ausnahme der deutschrechtlichen Bürgschaftsformen, die fast ausschließlich im Inlandsgeschäft nachgefragt werden, weisen die nachfolgend beschriebenen Bankprodukte regelmäßig einen Auslandsbezug auf1.
2. Abschnitt: Garantiegeschäft (Frieder Bauer) I. Grundlagen und wirtschaftliche Funktion 7.2
Das Garantiegeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 8 KWG erfasst alle Varianten des Avalkredites2 (§ 765 BGB, §§ 349, 350 HGB, Art. 30 bis 32 WG, Art. 25 bis 27 ScheckG), die Akkreditiveröffnung oder -bestätigung, die wechsel- oder scheckrechtliche Indossamentsverpflichtung, den Schuldbeitritt und jede Verpflichtung zum Einstehen für einen bestimmten Erfolg3. 1 Welter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 26 Rz. 1. 2 Näheres zum etwas missverständlichen Begriffs des „Avalkredits“ s. Rz. 7.21 ff. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 1 KWG Rz. 93.
998 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
Von diesem weiten bankaufsichtsrechtlichen Garantiegeschäftsbegriff ist der engere Garantiebegriff zu trennen, wonach der Garant eine Verpflichtung eines Dritten in dessen Auftrag durch eine eigene, abstrakte Verpflichtung besichert. Soweit die avalierende Bank grundgeschäftliche Liefer- und/oder Leistungspflichten absichert, ist strikt darauf zu achten, dass sie sich ungeachtet der grundvertraglichen Schuld ausschließlich auf die Zahlung von Geld, niemals aber auf die Erfüllung „in Natur“ verpflichtet, denn zu letzterem wird sie regelmäßig nicht in der Lage sein. 1. Gesetzliche Regelungen und vertragliche Rahmenbedingungen Die klassische Bürgschaft mit Einredemöglichkeit ist in den §§ 765–778 BGB sowie in den §§ 349, 350 HGB geregelt, während die Bankgarantie „ein Kind der Kreditwirtschaft“ ist und in der deutschen Zivilgesetzgebung keine detaillierte Regelung erfahren hat, sieht man einmal von der Umsetzung der EU-Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie in § 443 BGB ab: Der dort geregelte Garantiebegriff beschreibt die auf die Eigenschaften und Umstände der Kaufsache bezogenen Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie.
7.3
a) Liquiditätsfunktion: Zahlungssicherungsfunktion, nicht Zahlungsfunktion Dem Bankaval1 ist ungeachtet seiner konkreten Ausgestaltung als Bürgschaft, Bürgschaft auf erstes Anfordern oder Garantie gemeinsam, dass es jeweils Zahlungssicherungsfunktion, aber keine Zahlungsfunktion innehat2.
7.4
Das Bankaval sichert das finanzielle Risiko der Nicht- oder Schlechterfüllung der grundgeschäftlichen Verpflichtungen durch den Hauptschuldner ab und setzt somit logisch voraus, dass eine entsprechende Verletzung der Verpflichtung zumindest behauptet wird (so im Falle der Garantie) oder sogar materiell dargetan wird (so bei der einfachen Bürgschaft). b) Rechtliche Grundlagen und bankwirtschaftliche Usancen § 766 Satz 1 BGB schreibt die Schriftform für die Bürgschaftserklärung vor. Eine Verletzung dieser gesetzlichen Formvorschrift führt an sich zur Unwirksamkeit; da es sich bei Bankbürgschaften aber um eines der originären Geschäfte der Bank handelt und somit für die avalierende Bank ein Handelsgeschäft darstellt, greift § 350 HGB als verdrängende Sondervorschrift ein: Hiernach könnte sich die Bank auch formfrei verbürgen. Bankbürgschaften werden aber bereits aus Beweisgründen, zum Zwecke der erleichterten Buchführung und zur Einhaltung bankinterner Vorgaben praktisch ausnahmslos schriftlich erteilt, so dass Canaris von einem faktischen Formzwang qua Handelsbrauch spricht3. Die Bankgarantie unterliegt in Deutschland ebenfalls keiner gesetzlichen Form, wird aber aus denselben Gründen wie die Bankbürgschaften schriftlich erteilt. Eine regelmäßige Ausnahme stellen avisierte Garantien dar (s. Rz. 7.64), die per „S.W.I.F.T. Message Type“ an die ausländische Hausbank des Begünstigten zur Weitergabe an den Begünstigten versandt werden: 1 Der Begriff „Aval“ stammt vom italienischen „avallo“ – Wechsel – dieser wiederum vom arabischen „hiwala“ – Mandat, Wechsel – ab. 2 von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 2. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1122.
Frieder Bauer | 999
7.5
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Hierbei erfolgt die eigentliche Verpflichtungserklärung auf elektronischem Wege und lediglich die ausgedruckte Nachricht der avalierenden Bank „verkörpert“ die Verpflichtung, ohne dadurch etwa Wertpapiercharakter zu erlangen. aa) Die Bankgarantie: Ein Vertrag eigener Art
7.6
Als sog. verkehrstypischer Vertrag ist der Garantievertrag letztlich eine Ausformung des Prinzips der Vertragsfreiheit, § 311 BGB1. Die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Jahre 2002 kodifizierte Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie hat mit der Bankgarantie nur die Begrifflichkeit sowie eine verschuldensunabhängige Einstandsverpflichtung des Garanten gemeinsam, ist aber im Übrigen dem Kaufrecht zuzuordnen und hat keine unmittelbare Auswirkung für die Bankgarantie. Auch die Erwähnung des Garantiebegriffs in § 276 BGB, der die bislang geläufige Zusicherungshaftung nach den §§ 459 Abs. 2, 463 BGB a.F. ersetzt hatte, hilft bei der Begriffsbestimmung der Garantie nicht unmittelbar weiter. Es ist aber ständige Rechtsprechung des BGH, dass das Bankaval auch in der Form der Garantie wirksam abgegeben werden kann2. bb) ICC-Richtlinien: ERG (für Garantien), ERA 600, ISP98 (für Standby L/Cs)
7.7
Die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris 1992 veröffentlichten Einheitlichen Richtlinien für auf Anfordern zahlbare Garantien, ERG (ICC-Publikation Nr. 458) konnten sich im internationalen Bankgarantiegeschäft zu keinem Zeitpunkt als Marktstandard durchsetzen.
7.8
Nach einer grundlegenden Überarbeitung der Regeln wurden am 24.11.2009 ein neues Regelwerk für auf Anfordern zahlbare Garantien von der ICC erarbeitet und anschließend als URDG, ICC-Publikation Nr. 758 veröffentlicht und diese sind am 1.7.2010 „in Kraft getreten“. Da es sich hierbei um ein Regelwerk der Internationalen Handelskammer in Paris handelt, die keine förmliche Rechtsetzungskompetenz hat, ist der „Inkrafttretens-Termin“ als das Datum zu verstehen, ab dem die ICC die Nutzung des Regelwerks empfohlen hatte. Im Weiteren wird die gebräuchliche Abkürzung „URDG“ (für „Uniform Rules for Demand Guarantees“) verwendet, denn gerade bei grenzüberschreitenden Garantien hat sich die englischsprachige Version des Regelwerks durchgesetzt. Eines der Hauptziele der Revision der URDG zu deren Vorgängerversion URDG, ICC Publikation Nr. 458, war es, die Regeln für auf erstes Anfordern zahlbare Garantien weitestgehend den Regeln für Akkreditive anzugleichen3. Darüber hinaus sollten die Praxiserfahrungen, die man in der Anwendung der URDG 458 seit ihrem Inkrafttreten gewonnen hatte, in das Regelwerk eingearbeitet werden. Schließlich war die ICC der Meinung, dass Regelungsgedanken der ISP98 und der UN Convention on Independent Gurantees and Standby Letters of Credit aus dem Jahr 1995 in die neuen URDG übernommen werden sollten4.
7.9
Zur weitestmöglichen Vermeidung von rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahmen solcher „Demand Guarantees“ wird die Zahlungspflicht der garantierenden Bank erst ausgelöst, 1 Grüneberg in Palandt, Überblick zu § 311 BGB Rz. 12; Sprau in Palandt, Einf. v. § 765 BGB Rz. 25. 2 von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 36 m.w.N. 3 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrecht-Handbuch, § 121. Bankgarantien bei Außenhandelsgeschäften Rz. 289. 4 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 121. Bankgarantien bei Außenhandelsgeschäften Rz. 289.
1000 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
wenn eine Anforderung unter der Garantie neben etwaiger weiterer Dokumente (wie in der Garantie vereinbart) auf jeden Fall von einer Erklärung des Begünstigten begleitet wird, die angibt, in welcher Hinsicht die veranlassende Partei ihre Verpflichtungen unter der zugrunde liegenden Beziehung verletzt hat, Art. 15 URDG. Unter „veranlassender Partei“ ist dabei die in der Garantie genannte Partei zu verstehen, deren Verpflichtung unter der zugrunde liegenden Beziehung durch die Garantie besichert wird, Art. 2 URDG. Die deutsche wie die englische Parteibezeichnung „Applicant“ ist dabei insoweit irreführend, als dass es erklärtes Ziel der ICC gewesen war, die URDG strukturell möglichst nahe an den Akkreditivregelungen der UCP anzulehnen: In den UCP 600 ist der „Applicant“ diejenige Partei, die den Akkreditiveröffnungsauftrag erteilt, die bekanntlich nicht identisch sein muss mit dem grundgeschäftlich verpflichteten Hauptschuldner.
7.10
In den URDG wiederum wird diejenige Partei, die den Garantieauftrag erteilt „Auftraggeber“ beziehungsweise „Instructing Party“ genannt, Art. 2 URDG. Inhaltlich wird man die URDG als Allgemeine Geschäftsbedingungen ansehen müssen, die durch entsprechende Einbeziehungserklärung zum Bestandteil der Garantie gemacht werden. Die einzelnen Regelungen der URDG Nr. 758 werden im Folgenden nicht in einem gesonderten Unterabschnitt „geschlossen“ dargestellt, sondern vielmehr an geeigneter Stelle mitkommentiert.
7.11
Die überarbeiteten einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive („ERA“)1 finden gem. Art. 1 ERA auch auf Standby Letter of Credits Anwendung, wenn und soweit sie in den Standby Letter of Credit einbezogen sind. Hierunter handelt es sich ebenso wie bei einer Garantie um ein abstraktes Zahlungsversprechen. Der Unterschied zur europäischen Bankgarantie besteht im Wesentlichen darin, dass der Standby für jeden beliebigen Sicherungszweck eingesetzt wird (Performance Standby Advance Payment Standby, Financial Standby, Insurance Standby, Commercial Standby), also nicht nur für den Fall der Nichterfüllung von Verträgen, sondern auch wie das Dokumentenakkreditiv zur Sicherung positiver Vertragserfüllung. Für jede Inanspruchnahme ist, ähnlich wie beim Dokumentenakkreditiv, die Präsentation eines Dokumentes beliebiger Art erforderlich2.
7.12
Schließlich seien noch die ISP98 erwähnt, die als ICC-Publikation Nr. 590 seit dem 1.1. 1999 veröffentlicht und speziell auf den Standby Letter of Credit zugeschnitten sind. Bedingt durch die Beschränkung auf den Standby Letter of Credit, der in den USA stark verbreitet ist, fand dieses Regelwerk keine merkliche Verbreitung im Deutschen Markt. Hinzukommt, dass dieses Bedingungswerk wegen seiner exzessiven und legalistischen Detailregelungen von verschiedenen Autoren kritisiert wird3 und ohne die Kenntnis der USamerikanischen Bankpraxis wohl nicht ohne weiteres rechtssicher gehandhabt werden kann, zumal hierfür auch eine kontinuierliche Berücksichtigung der US-amerikanischen Rechtsprechung als notwendig angesehen wird.
7.13
Nach deutschem Rechtsverständnis sind die ISP 98 als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen und müssten sich an den §§ 305 ff. BGB messen lassen, soweit man einen Standby Letter of Credit beurteilen müsste, der unter deutschem Recht, jedoch unter Einbeziehung der ISP 98, erstellt worden wäre.
7.14
1 ICC Publikation Nr. 600. 2 Nielsen, WM 1999, 2049, 2052. 3 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 121 Rz. 274 ff.
Frieder Bauer | 1001
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
cc) Allgemeine Bedingungen für das Avalgeschäft
7.15 Um Avalaufträge rationell abwickeln zu können, legen Banken in Deutschland den ihnen
erteilten Aufträgen regelmäßig ihre Bedingungen für das Avalgeschäft zugrunde. Im Jahre 2004 hat der Bundesverband deutscher Banken entsprechende Bedingungen veröffentlicht und deren Anwendung seinen Mitgliedsinstituten empfohlen. Diese sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zu beurteilen und regeln neben den Voraussetzungen für die Ein- und Ausbuchung der Avale auch die Pflicht zur Provisionszahlung sowie die Kostentragungspflicht des Auftraggebers für den Fall der gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Aval. Über die Avalbedingungen stellt die Bank im Inland sicher, dass auch bei der Erstellung von Bankgarantien unter der Geltung fremden Rechts wenigstens der entsprechende Avalauftrag dem deutschen Recht unterliegt. 2. Aufsichtsrechtliche Behandlung
7.16 Das Garantiegeschäft wird in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG als die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen für andere definiert (Garantiegeschäft).
Auf Grund eines Bürgschafts-/Garantievertrages verpflichtet sich der Bürge/Garant gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Dritten einzustehen. Bei Bürgschaften oder Garantien für Forderungen Dritter ist Kreditnehmer des Bürgen/Garanten der Forderungsschuldner. Soweit dem Institut im Falle seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft oder Garantie ein Rückgriffsanspruch gegen den Hauptschuldner zusteht (§§ 774, 670 BGB), ergibt sich ein Kreditrisiko des Instituts auch aus der möglichen Nichterfüllung dieses Anspruchs. Demzufolge ist grundsätzlich der Forderungsschuldner (der Dritte) als Kreditnehmer des Bürgen/Garanten anzusehen1.
7.17 Avale begründen sowohl für die avalierende Bank als auch für den Avalauftraggeber eine
Eventualverbindlichkeit, die eine Vormerkpflicht in der Bilanz der Avalbank und des Auftraggebers auslöst, eine Kapitalbindung bei der Avalbank verursacht und die Provisionspflicht des Auftraggebers nach sich zieht2. Zwar ist diese Eventualverpflichtung in der Bankbilanz zunächst nur „unter dem Strich“ auszuweisen, da eine volle Passivierung erst im Falle der Inanspruchnahme beziehungsweise dann geboten ist, wenn die Zahlung unter dem Aval unmittelbar bevorsteht und vernünftigerweise nicht mehr verhindert werden kann3. Der Bilanzausweis erfolgt dabei in der Kategorie „Verbindlichkeiten aus Bürgschaften und Gewährleistungsverträgen“.
7.18 Doch löst auch eine Eventualverbindlichkeit bereits entsprechende, wenngleich regelmäßig
geringere Kapitalbindungen aus, da die Bank bereits mit Erstellung der Avalurkunde in ihren Kreditgewährungsmöglichkeiten beschränkt ist, wenn und soweit sie diese Verpflichtung nicht mehr einseitig aus der Welt schaffen kann. Der Tatbestand der Vormerkpflicht beziehungsweise der Kapitalbindung im Sinne des Kreditwesengesetzes ist dabei nicht zwingend identisch mit dem zivilrechtlichen Vertragsschluss4 beziehungsweise mit der Durchsetzbarkeit des Avals: 1 2 3 4
C. Bock in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, 5. Aufl. 2016, § 19 KWG Rz. 72–74. Nielsen/Joos in BuB, 69. Lieferung 4/2006, Rz. 5/290. Horn in Staudinger, 13. Aufl. Neubearbeitung 2013, § 765 BGB Rz. 89. Nielsen/Joos in BuB, 69. Lieferung 4/2006, Rz. 5/290.
1002 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
So mag eine Anzahlungsgarantie unter der aufschiebenden Bedingung stehen, dass der Anzahlungsbetrag dem Garantieauftraggeber zugegangen sein muss, und dennoch ist die Bank bereits vor Eingang der Zahlung beim Auftraggeber an ihr Verpflichtung gebunden, da sie keinen Einfluss mehr auf den Eingang des Geldes und damit auf den Bedingungseintritt hat.
II. Grundgeschäftsvertrag zwischen Avalauftraggeber und Avalbegünstigtem Die gemeinhin als Valutaverhältnis bezeichnete Rechtsbeziehung zwischen dem Gläubiger des Avalanspruches und seinem grundgeschäftlichen Partner bestimmt Art und Umfang des zu stellenden Avals. Auch wenn der Gläubiger die avalierende Bank aus ihrem Avalversprechen in Anspruch nehmen darf, so bestimmt das Valutaverhältnis, ob der Gläubiger die Avalsumme behalten darf1: Ist der Gläubiger aus dem Valutaverhältnis (noch) nicht berechtigt, die Avalsumme zu verlangen, so schuldet er seinem Grundgeschäftspartner und Avalauftraggeber Schadensersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB)2, wenn er gleichwohl das Aval in Anspruch nimmt.
7.19
Das Valutaverhältnis ist sorgfältig vom Auftragsverhältnis zwischen Grundgeschäftspartner und avalierender Bank zu trennen:
7.20
Insbesondere ist es unzulässig, bei einer drohenden Inanspruchnahme der Garantie, die materiell ungerechtfertigt und vertragswidrig wäre, diese fehlende Berechtigung anzuführen, um die avalierende Bank an der Zahlung zu hindern. Für die Avalbank ist alleine entscheidend, ob die Voraussetzungen, die im Garantietext genannt sind, erfüllt sind oder nicht. Dies gilt selbstredend nicht, wenn die Bank lediglich eine einfache Bürgschaft erstellt hat, denn in diesem Fall muss sie jede Einrede des Auftraggebers prüfen.
III. Beauftragung der avalierenden Bank durch den Avalauftraggeber Die avalierende Bank ist dem auftraggebenden Kunden aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag verpflichtet, mit dem begünstigten Gläubiger einen Avalvertrag zu schließen und bei Eintritt der im Avaltext festgelegten Voraussetzungen den geforderten Betrag, maximal jedoch die Avalsumme, zu bezahlen. Der Auftraggeber ist im Gegenzug verpflichtet, die festgesetzte Vergütung (Provision) sowie alle notwendigen Aufwendungen zu bezahlen, §§ 675, 631, 670 BGB3. Es handelt sich dabei um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung mit Werkvertragscharakter, so dass nicht nur ein Bemühen um einen Avalvertragsabschluss, sondern vielmehr eine erfolgreiche Avalierung geschuldet ist. Dies gilt aber erst ab dem Zeitpunkt, zu dem sich die Avalbank entschieden hat, das gewünschte Aval im Auftrag ihres Kunden zu erstellen: Gerade das kontinuierlich komplexer werdende rechtliche und tatsächliche Umfeld (Außenwirtschaftsrecht einschließlich einschlägiger Sanktionen, „Know-your-Customer“-Pflichten, Reputationsrisiken) bedingen eine umfängliche Prüfung der Bank in jedem Einzelfall, so dass Banken sich regelmäßig das Recht ausbedingen, die Avalierung abzulehnen. 1 Allstadt-Schmitz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2015, BankR IV Rz. 432. 2 BGH v. 25.9.1996 – VIII ZR 76/95, WM 1997, 13. 3 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 121. Bankgarantien bei Außenhandelsgeschäften, Rz. 94.
Frieder Bauer | 1003
7.21
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
1. Der Avalkreditvertrag: Kein Darlehen und keine Versicherung, sondern entgeltliche Geschäftsbesorgung
7.22 Zwischen avalierender Bank und ihrem Kunden (Avalauftraggeber) wird ein Avalkreditvertrag geschlossen1. Dabei handelt es sich nicht um einen klassischen Kredit, etwa in Form des Darlehens, denn es werden keine vertretbaren Sachen, insbesondere kein Geld überlassen, sondern vielmehr um einen Haftungskredit: Der Avalauftraggeber macht sich die gute Bonität der avalierenden Bank zunutze, indem er seinem Geschäftspartner ein Bankaval anbietet.
7.23 Da in zunehmendem Maße auch Versicherungsgesellschaften als Kautionsversicherer ge-
werbliche Avale anbieten, ist auch eine Abgrenzung zum klassischen Versicherungsvertrag nach § 1 VVG vorzunehmen, wonach der Versicherungsnehmer oder ein Dritter gegen zukünftig eintretende und im Vertrag definierte Risiken abgesichert sein soll: Zwar wird der Avalbegünstigte gegen Schlecht- oder Nichtleistung des Hauptschuldners abgesichert, aber von der klassischen Versicherung unterscheidet sich das Aval dadurch, das sich der Anspruch aus dem Aval allein gegen den Kautionsversicherer richtet und einen Direktanspruch darstellt, was dem Versicherungsrecht mit wenigen Ausnahmen aus dem Pflichtversicherungsbereich fremd ist2.
7.24 Der Avalkredit ist somit ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 Abs. 1
BGB3. Daraus schuldet die beauftragte Bank nicht nur ein Tätigwerden, sondern einen Erfolg in Gestalt der Übernahme des Avals, sobald sich die Bank dazu entschieden hat, den Avalauftrag anzunehmen. Hierbei handelt es sich um einen (unkörperlichen) Erfolg im Sinne des Werkvertragsrechts. Gegenstand eines solchen Werkvertrages kann auch „ein durch Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein“ (§ 631 Abs. 2 BGB). Auf solche Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, finden weitgehend die auftragsrechtlichen Bestimmungen Anwendung (§ 675 Abs. 1 BGB).
7.25 Die Klarstellung, dass es sich beim Rechtsverhältnis zwischen Avalauftraggeber und avalierender Bank nicht um ein Darlehen, sondern um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter handelt, muss besonders betont werden, da der BGH in zwei Entscheidungen im Jahr 20184 zu Kreditverträgen, die auch in Form von Avalaufträgen „ausgenutzt“ werden konnten, die Unwirksamkeit von Bearbeitungsentgelten festgestellt hat. Diese Entscheidungen bedürfen der näheren Auseinandersetzung:
Es ist zwar zutreffend, dass gerade im Firmenkundengeschäft regelmäßig Rahmenverträge mit den Kunden geschlossen werden, die die Kunden sowohl in Form von Barkrediten als auch durch Avalauftragserteilung bis zur zugesagten Vertragssumme in Anspruch nehmen können. Es handelt sich dann um ein gemischtes Vertragsverhältnis, auf das im Umfang der Barinanspruchnahmen Darlehensrecht und für die Avalerstellungen Geschäftsbesorgungsrecht bzw. die werkvertraglichen Regelungen anzuwenden sind. Diese Trennung ist entscheidend, denn im Gegensatz zum Darlehensrecht, in dem gesetzliches Leitbild ist, dass der Kreditnehmer im Grundsatz als einziges laufzeitabhängiges Entgelt den Darlehenszins schuldet, kennt das Werkvertragsrecht keine Regelung zur Preisbildung. Insbesondere gibt es keine Vorgaben, ob der Preis für die Erstellung des Werks (im vorlie1 2 3 4
BGH v. 19.9.1985 – IX ZR 16/85, BGHZ 95, 375 ff.; Sprau in Palandt, Einf. v. § 765 BGB Rz. 24. Cranshaw/Steinwachs/Bruhn, ZInsO 2013, 1005, 1006. BGH v. 19.9.1985 – IX ZR 16/85, BGHZ 95, 375 ff. BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16 und BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 238/16.
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Garantiegeschäft | Teil 7
genden Fall die Abgabe der Avalverpflichtungserklärung) in einem Einmalentgelt, in einer laufzeit-/aufwandsbezogenen Komponente oder in einer Kombination von beidem zu erfolgen hat. In der Entscheidung des BGH XI ZR 236/16 Rz. 251 wird ausgeführt, dass die Hauptleistungspflichten des Avalauftraggebers in der Zahlung der Avalprovision und etwaigem Aufwendungsersatz im Falle der erfolgreichen Inanspruchnahme des Avals durch den Begünstigten bestünde. Im Verfahren angegriffen wurde ein einmaliges Bearbeitungsentgelt, das mit Abschluss des Kreditrahmenvertrages, unabhängig von jeglicher Avalerstellung geschuldet war. Die Entscheidung mag man im Lichte der restriktiven Rechtsprechung zum Darlehensrecht noch verstehen (der streitgegenständliche Vertrag war ja auch durch Barinanspruchnahmen ausnutzbar), für den Avalbereich muss aber festgehalten werden, dass Bearbeitungsentgelte jedenfalls auf der Ebene des einzelnen Avals weiterhin zulässig sind, denn die formularmäßigen Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen2. Dies folgt daraus, dass die Festlegung der Preise zum Kernbereich der Ausübung privatautonomer Handlungsfreiheiten gehört und daher primär einer Kontrolle durch den Wettbewerb unterliegt. Auch wenn Preisbestimmungen nicht individuell ausgehandelt werden, sondern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – etwa als Bestandteil vorformulierter Vertragsklauseln oder einbezogener Preis- und Leistungsverzeichnisse – enthalten sind, kommt eine Preiskontrolle durch die Gerichte nach dem Willen des Gesetzgebers in der Regel nicht in Betracht3. Es ist der avalierenden Bank somit unbenommen, neben einer laufzeitabhängigen Preiskomponente (= Avalprovision im engeren Sinne) zusätzlich ein einmaliges Ausfertigungsund oder Änderungsentgelt auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu vereinbaren. Bei einem Avalkreditvertrag handelt es sich regelmäßig nicht um einen Vertrag zugunsten Dritter, nämlich des Gläubigers. Dieser erwirbt Rechte gegen die Bank erst, wenn sie in Ausführung des Geschäftsbesorgungsvertrages die Bürgschaft oder Garantie übernommen hat4.
7.26
a) Ein Rahmenvertrag, der der Ausfüllung bedarf Insbesondere im Avalgeschäft mit Firmenkunden schließt die Bank regelmäßig einen Avalrahmenkreditvertrag mit dem Avalauftraggeber ab, um wesentliche Regelungen „vor die Klammer“ zu ziehen. Hier wird man etwa die Geltung der Allgemeinen Bedingungen für das Avalgeschäft und die AGB-Banken, die Laufzeit, die Konditionen, den Umfang des Avalrahmens, etwaige Sicherheiten, ein Einzelauswahlrecht für die Bank und die Kündigungsregelungen vereinbaren. Da Bürgschaften und Garantien gem. § 21 Abs. 1 Nr. 4 KWG als Kredit gelten, muss der Avalauftraggeber seine wirtschaftlichen Ver1 BGH v. 17.4.2018 – XI ZR 236/16 Rz. 25. 2 BGH v. 25.9.2013 – VIII ZR 206/12, NJW 2014, 209 Rz. 17; BGH v. 8.10.1998 – III ZR 278/97, NJW-RR 1999, 125, 126; BGH v. 9.12.1992 – VIII ZR 23/92, NJW-RR 1993, 375, 376; BGH v. 19.11.1991 – X ZR 63/90, NJW 1992, 688; BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, NJW 1989, 222. 3 Vgl. BT-Drucks. 7/3919, 22. 4 Vgl. BGH v. 3.5.1984 – IX ZR 37/83, WM 1984, 768, 769 = NJW 1984, 2088 f.
Frieder Bauer | 1005
7.27
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
hältnisse in dem Umfang gegenüber der avalierenden Bank offen legen, wie dies § 18 KWG vorschreibt. Der Avalrahmenvertrag stellt regelmäßig nur ein vertragliches Gerüst dar, das der Ausfüllung durch einen konkreten Avalauftrag bedarf. Auch wenn derlei Rahmenverträge üblicherweise einen Avalhöchstbetrag nennen, bis zu dem die Bank grundsätzlich bereit ist, Avale auszustellen, so bedarf es noch einer entsprechenden Beauftragung durch den Kunden und einer Annahme und Ausführung des Auftrages durch die Bank. Gerade die Vielgestaltigkeit der abzusichernden Geschäfte und die gesetzlich nicht näher definierte Ausgestaltung der Avaltexte lassen es ratsam erscheinen, dass die Bank gerade keine uneingeschränkte Zusage im Rahmenvertrag abgibt, jedes beliebige Aval bis zum Erreichen des Rahmenbetrages zu erstellen.
7.28 Selbst wenn im Rahmenvertrag zum Zwecke der Portfolio-Steuerung etwa zulässige Avalar-
ten, Avallaufzeiten, Währungen und Ähnliches vorgeschrieben werden, so wird ein Einzelauswahlrecht der Bank regelmäßig notwendig sein, um den internen Vorgaben der Bank (etwa „Know your Customer“-Kriterien oder Kreditrichtlinien) und den externen Anforderungen (u.a. auf dem Gebiet der Geldwäschevermeidung, des Außenwirtschaftsrechts und im Embargo-Bereich) gerecht werden zu können. Des Weiteren wird die Bank von ihrem Einzelauswahlrecht in den Fällen Gebrauch machen, in denen trotz Nachfrage beim Auftraggeber kein für die Bank akzeptabler Avaltext abgestimmt werden kann. Hier spielt eine entscheidende Rolle, dass die Avalierung zu einem Drei-Personen-Verhältnis führt (Avalauftraggeber – Bank – Avalbegünstigter), in dem die Bank mit dem Dritten (= Avalbegünstigten) nicht notwendiger Weise bereits in geschäftlichem Kontakt gestanden hat im Zeitpunkt der Avalerstellung. Die Bank schützt sich somit über das Einzelauswahlrecht, mit einem Dritten ohne ihr Einverständnis in geschäftlichen Kontakt treten zu müssen. b) Der konkrete Avalauftrag
7.29 Bei Annahme des Avalauftrages durch die Bank, mit der diese eine Kreditentscheidung
trifft, ist der Avalauftraggeber zur Stellung von Sicherheiten nur verpflichtet, wenn dies individuell oder über AGB vereinbart wird. Da die Sonderbedingungen der Banken für das Avalgeschäft die Bestellung von Sicherheiten üblicherweise nicht vorsehen, kommen als Grundlage für eine Besicherung Nr. 13 Abs. 1 AGB-Banken in Frage, wonach auch eine Sicherheitenbestellung verlangt werden kann, „wenn die Ansprüche bedingt sind (z.B. Aufwendungsersatzanspruch wegen der Inanspruchnahme aus einer für den Kunden übernommenen Bürgschaft)“1.
7.30 Da es sich bei dem Avalauftrag um einen Geschäftsbesorgungsvertrag handelt, wäre an
Stelle oder in Ergänzung von Sicherheiten daran zu denken, einen Vorschuss gem. § 669 BGB zu verlangen. Gegen eine solche Vorschussforderung spricht schon, dass der unter dem Aval zu zahlende Betrag bei Abschluss des Avalauftrages meist noch gar nicht feststeht, weil er von der Höhe des Anspruchs des Begünstigten abhängt. Auch würde die regelmäßige Einforderung eines Barvorschusses der Funktion des Avals widersprechen, die (zumindest bei Garantien) gerade darin besteht, ein Bardepot zu ersetzen, d.h. den Abfluss von Liquidität zu vermeiden.
7.31–7.39 Einstweilen frei. 1 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 121 Rz. 102.
1006 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
c) IPR-Fragen Bei der Erstellung von Bürgschaften stellen sich regelmäßig keine wesentlichen Fragen des Internationalen Privatrechts, denn Bürgschaften, auch solche, die auf erstes Anfordern hin zahlbar gestellt sind, werden fast ausschließlich im Inland eingesetzt, d.h., sowohl die avalierende Bank als auch der Begünstigte haben ihren Sitz in Deutschland.
7.40
Bankgarantien werden demgegenüber ganz überwiegend im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr gestellt. Der Garantieauftrag selbst unterlag bis zum 19.12.2009 nach den Regeln des Art. 28 EGBGB dem Recht der Garantiebank, also Inlandsrecht, zumal Auftraggeber und Bank ihren Sitz ohnehin regelmäßig in demselben Land haben. Seit dem 19.12.2009 gilt in allen EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Dänemark) die Rom I-Verordnung1, die das internationale Privatrecht der vertraglichen Schuldverhältnisse neu regelt und die im Ergebnis das deutsche Kollisionsrecht aus den Art. 27 bis 37 EGBGB ersetzt2. Die Regeln der Rom I-VO gelten universell und sind also auch anwendbar, wenn eine Vertragspartei nicht aus einem EU-Staat kommt oder wenn die Kollisionsregeln der VO auf das Recht eines Drittstaates verweisen (Art. 2 Rom I-VO). Damit gilt die Rom I-VO auch im Verhältnis zu Dänemark, obwohl Dänemark von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich an der Anwendung und Umsetzung von Rom I nicht zu beteiligen.3
7.41
Gleichwohl erhält der Avalauftrag sein besonderes Gepräge dadurch, dass die Ausführung durch Übernahme der Garantie gegenüber einem Garantienehmer mit Sitz im Ausland erfolgen soll.
7.42
Somit muss die beauftragte Bank und damit auch der Garantieauftraggeber zwangsläufig die Einwirkung ausländischen Rechts hinnehmen, die insbesondere bei Nichtbezahlung der Garantie wegen aus Sicht der Garantiebank nicht ordnungsgemäßer Inanspruchnahme in der Verwicklung in Rechtsstreitigkeiten im Ausland bei Nichthonorierung der Garantie oder auch in „Vergeltungsmaßnahmen“ des ausländischen Begünstigten durch die Erwirkung von Arresten in das Auslandsvermögen der Garantiebank bestehen kann4. Aus Klarstellungsgründen empfiehlt es sich daher, eine konkrete Rechtswahlklausel im Garantietext aufzunehmen, die die Geltung deutschen Rechts und eines deutschen Gerichtsstandes vorschreibt. Dies gilt umso mehr, wenn sich aus der Garantieurkunde auch denkbare Anknüpfungspunkte für die ausländische Rechtsordnung ergeben, etwa der Erfüllungsort der Garantiezahlung. Soweit im Garantietext die Geltung der URDG Nr. 758 vereinbart wird, gilt Folgendes: In Art. 34 URDG Nr. 758 ist festgelegt, dass eine Garantie demjenigen Recht unterworfen sein soll, das am Sitzland des Garanten gilt, es sei denn, im Garantietext ist ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt. Entsprechendes soll bei Rückgarantien für das Sitzlandrecht des Rückgaranten gelten.
1 Zu den Auswirkungen der Rom I-Verordnung auf Finanzdienstleistungen s. Einsele, WM 2009, 289 ff. 2 Art. 27 bis 37 EGBGB setzten das Römische EWG-Abkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht vom 19.6.1980 in deutsches Recht um. 3 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 121 Rz. 118 m.w.N. 4 Nielsen in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 121 Rz. 110 (Vorauflage).
Frieder Bauer | 1007
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
2. Spannungsfeld zwischen Weisungsgebundenheit und eigener Verpflichtung aus dem Aval a) Grundsatz der Auftragsstrenge
7.43 Das Auftragsverhältnis wird vom Grundsatz der formalen Auftragsstrenge beherrscht.
Die Bank hat grundsätzlich kein Ermessen, wie sie den Avaltext ausgestaltet, sondern muss strikt nach den Weisungen des Auftraggebers verfahren1. Fehlt eine solche Weisung oder ist sie unvollständig oder widersprüchlich, so ist die beauftragte Bank gehalten, den Auftraggeber um entsprechende Ergänzung oder Klarstellung zu bitten, um sicherzustellen, dass sie sich genau an die Weisungen des Auftraggebers halten kann.
Fraglich könnte jedoch sein, ob die Bank in besonderen Fällen nach § 665 BGB berechtigt wäre, vom eindeutig formulierten Avalauftrag abzuweichen, ohne zuvor Rücksprache mit dem Auftraggeber zu nehmen. Dies wäre dann zu bejahen, wenn die Bank den Umständen nach davon ausgehen durfte, dass der Auftraggeber die Änderung billigen werde, und wenn eine Abstimmung mit dem Auftraggeber und der damit einhergehenden Verzögerung wegen drohender Gefahr untunlich wäre. Hier wird man zwischen der Erstellung einer Garantie einerseits und einer Bürgschaft andererseits zu unterscheiden haben. b) Abweichungen bei der Garantieerstellung
7.44 Ehrlich/Haas sehen keinen Raum dafür, die Ausnahmevorschrift des § 665 BGB für Garan-
tieerstellungen anzuwenden2: Ein einseitiges Abweichen vom Garantieauftrag würde letztlich voraussetzen, dass sich die Garantiebank mit den Gegebenheiten des Grundgeschäfts auseinandersetzt. Dies widerspräche aber der grundsätzlichen Trennung von Grundgeschäft und Garantie und brächte zudem das Risiko mit sich, dass die beauftragte Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch gegen den Auftraggeber verlieren und sich unter Umständen zusätzlich noch schadensersatzpflichtig machen könnte3.
c) Abweichungen bei der Bürgschaftserstellung
7.45 Wird eine Bürgschaft erstellt, gilt das Argument der Trennung zwischen Grundgeschäft
und Garantie gerade nicht: Vielmehr verhält es so, dass zumindest die einfache Bürgschaft, von wenigen Ausnahmekonstellationen abgesehen, den Bestand und das rechtliche Schicksal der verbürgten Hauptforderung teilt und eine von der Hauptschuld dauerhaft abhängige Hilfsschuld darstellt4. Gleichwohl wird die avalierende Bank aber nur in Ausnahmefällen von einem erteilten Auftrag abweichen können, weil die übrigen Voraussetzungen des § 665 BGB regelmäßig nicht erfüllt sein werden.
7.46 Die Bank wird im Regelfall keine hinreichende Kenntnis vom Grundgeschäft haben, da
sie mit Ausnahme des Auftrages und des gewünschten Bürgschaftstextes keine vollständigen Unterlagen erhält. Des Weiteren wird sie nicht aktuell über die Vorstellungen und Beweggründe des Auftraggebers unterrichtet sein, so dass ihr der notwendige Abwägungs1 2 3 4
Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 9/76. Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 9/77. von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 372. Sprau in Palandt, Einf. v. § 765 BGB Rz. 1 m.w.N.
1008 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
prozess nicht möglich sein wird. Berücksichtigt man ferner, dass die avalierende Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch gefährdet, wenn sie entgegen der Weisung handelt und sich ihre Bewertung der Sachlage im Nachhinein als falsch herausstellen sollte, so ist nicht zu erwarten, dass die Bank eine eigenständige Bewertung und entsprechende Änderung des Bürgschaftstextes vornimmt. d) Keine Beratungspflicht der Bank gegenüber dem Avalauftraggeber Die beauftragte Bank ist nach allgemeiner Ansicht nicht verpflichtet, den Auftraggeber über die Zweckmäßigkeit der Avalausgestaltung bzw. über geschäftliche Risiken zu beraten. Davon zu trennen ist die Notwendigkeit, mit dem Auftraggeber Unklarheiten und Widersprüche zu klären1. Die Bereitschaft des Auftraggebers zur Übernahme dieser Risiken beruht auf einer unternehmerischen Entscheidung, die der Auftraggeber bereits mit Abschluss des Grundvertrages getroffen hat, in dem er sich verpflichtet hat, ein entsprechendes Aval zu stellen2. In Abweichung von der vereinzelt gebliebenen abweichenden Ansicht3 ist jedoch die Annahme einer allgemeinen Beratungspflicht zu verneinen.
7.47
Die Erstellung einer Direktgarantie ist eine im internationalen Handelsverkehr völlig übliche Sicherungsform und verhindert zudem einen direkten Liquiditätsabfluss, der erfolgen würde, wenn an Stelle eines Avals ein früher übliches Bardepot gestellt werden müsste. Im Grundsatz kann daher postuliert werden, dass ein kaufmännischer Marktteilnehmer, der grundgeschäftlich über die Grenzen seines Heimatlandes ins Ausland hinein agiert, nicht mehr über Risiken aufgeklärt werden muss, die letztlich nur auf dieser grundgeschäftlichen Entscheidung beruhen.
7.48
IV. Der Garantie-/Bürgschaftsvertrag zwischen avalierender Bank und Avalbegünstigten 1. Grundsätzliches für alle Avalformen Mitunter nimmt der Bankkunde und Avalauftraggeber nicht wahr, dass mit der Erstellung des Avals in seinem Auftrag nicht nur ein (weiteres) Rechtsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und der Bank, sondern eben auch ein eigenständiger Bürgschafts- bzw. Garantievertrag zwischen der Bank und dem Begünstigten zustande kommt. Dieser Umstand muss besonders betont werden, denn die vertragliche Bindung der Bank sowohl an den Auftraggeber als auch an den Begünstigten bringt die Bank in eine potentiell schwierige Position zwischen zwei widerstreitenden Interessenlagen: Gerade im Falle der Inanspruchnahme, aber auch bei Fragen der Reduzierung oder des Verfalls, droht der Bank, „zwischen den Stühlen“ zu sitzen, und sie muss darauf bedacht sein, weder etwaige Pflichten unter dem Bürgschafts- bzw. Garantievertrag zu verletzen noch ihren potentiellen Aufwendungsersatzanspruch zu gefährden. Bereits aus diesem Grund ist der Text der Avalverpflichtung kritisch auf seine Durchführbarkeit zu überprüfen. Sowohl die Bürgschaft als auch die Garantie sind nach deutschem Recht als Verträge ausgestaltet, wenngleich dem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegensteht, dass in der Pra1 S. hierzu die Ausführungen zur Auftragsstrenge, Rz. 7.43. 2 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 121 Rz. 82. 3 von Mettenheim, RIW/AWD 1981, 581, 585.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
xis eine ausdrückliche Annahme der Bürgschafts- bzw. Garantieerklärung regelmäßig unterbleibt1 und die Verkehrssitte auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet (§ 151 BGB). 2. Besonderheiten des Bürgschaftsvertrages a) Der Grundsatz: Akzessorietät zwischen Bürgschaftsverpflichtung und verbürgter Verpflichtung
7.50 Der Bürgschaftsvertrag ist ein einseitig verpflichtender Vertrag, in dem sich der Bürge
verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Hauptschuldners einzustehen, § 765 Abs. 1 BGB. Die Bürgenverbindlichkeit ist zur Hauptschuld akzessorisch. Zur Hauptschuld subsidiär wäre die Bürgschaft, wenn und soweit dem Bürgen das Leistungsverweigerungsrecht nach § 770 BGB sowie die Einrede der Vorausklage zustände, was bei Bankbürgschaften gem. § 349 Satz 1 HGB allerdings nicht der Fall ist. Der Bürge haftet für die Erfüllung der Bürgenschuld mit seinem gesamten Vermögen2. Da die Haftung des Bürgen nicht per se begrenzt ist, wie dies etwa bei einer einzelnen Sachsicherheit der Fall wäre, sollte zum Schutz des Bürgen die Haftung betraglich in der Bürgschaftsurkunde begrenzt werden. Bei einer Bankbürgschaft ist die betragliche Begrenzung bereits aus Risikosteuerungserwägungen und bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben geboten.
7.51 Der Grundsatz der Akzessorietät bedeutet, dass die Bürgschaftsverpflichtung in ihrem Inhalt, ihrem Fortbestand sowie in ihrer Durchsetzbarkeit von dem Bestand der Hauptforderung abhängig ist. Entstehungshindernisse, inhaltliche Mängel oder Beschränkungen der Hauptschuld schlagen auf die Bürgenschuld durch3.
Die Bürgenschuld geht deshalb grundsätzlich unter, wenn die Hauptschuld erlischt, sei es durch Erfüllung oder deren Surrogate, wegen eines entsprechenden Erlasses oder wegen eines negativen Schuldanerkenntnisses. Gleiches gilt für den Fall des Vergleichs oder des Aufhebungsvertrages4. Zur Ausnahme hiervon im Falle des Untergangs des Hauptschuldners wegen Vermögensverfalls: s. Rz. 7.55.
7.52 Durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft
durch den Bürgen vornimmt, wird die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert, § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB. Unter dieses Verbot der Fremddisposition fallen insbesondere auch nachträgliche Abreden zur Verjährung und zur Ausübung von Gestaltungsrechten5. In einer Entscheidung des BGH6 wird jedoch klargestellt, dass ernsthafte Verhandlungen zwischen dem Gläubiger und dem Hauptschuldner i.S.d. § 203 Satz 1 BGB zwar verjährungshemmende Wirkung haben, mit der Folge, dass die Hauptforderung später verjähre, doch könne dies nicht vom Bürgen gegen die Inanspruchnahme eingewandt werden. 1 Zur Garantie: Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 9/109 m.w.N. Zur Bürgschaft: BGH v. 6.5.1997 – IX ZR 136/96, NJW 1997, 2233. 2 Füller in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2015, BankR IV Rz. 465. 3 Füller in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2015, BankR IV Rz. 465. 4 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 443/00, WM 2002, 2278. 5 Sprau in Palandt, § 767 BGB Rz. 3 m.w.N. 6 BGH v. 14.7.2009 – XI ZR 18/08, WM 2009, 1597.
1010 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
Eine solche Verlängerung der Bürgenhaftung mag zwar wirtschaftlich dem Fall vergleichbar sein, dass eine Verlängerung der Verjährung zwischen Hauptschuldner und Gläubiger vereinbart worden sei, doch sei die Hemmung der Verjährung einer rechtsgeschäftlichen Verlängerung nicht gleichzusetzen, da erstere von Gesetzes wegen eintrete und daher ebenso wenig Beachtung finden könne, wie dies bei Erhöhung der Bürgenhaftung durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners gem. § 767 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB der Fall sei1. Des Weiteren argumentiert der BGH damit, dass die ernstlichen Verhandlungen zwischen Hauptschuldner und Gläubiger dem Grunde nach für den Bürgen vorteilhaft seien, „weil dadurch ja im Einzelfalle die Inanspruch-nahme verhindert werden könne“. Auf Grund der Akzessorietät kann der Gläubiger die Bürgschaftsforderung nicht isoliert, sondern nur gemeinsam mit der verbürgten Forderung abtreten2.
7.53
Tritt der Gläubiger die gesicherte Forderung ab, ohne den Übergang der Bürgschaft explizit auszuschließen, so geht die Bürgschaftsverpflichtung gem. § 401 Abs. 1 BGB von Gesetzes wegen auf den neuen Gläubiger über. Schließt der Altgläubiger jedoch diesen Forderungsübergang bei der Abtretung der Hauptforderung aus, so erlischt die Bürgschaft analog § 1250 Abs. 2 BGB3. Ist der Hauptschuldner eine Personenhandelsgesellschaft oder eine juristische Person und endet die Existenz des Hauptschuldners durch Vollbeendigung außerhalb eines Insolvenzverfahrens, so erlischt mit ihr auch die Bürgschaft4.
7.54
b) Ausnahmen vom Grundsatz der Akzessorietät Eine isolierte Abtretung der Bürgenforderung ist ausnahmsweise dann möglich, wenn diese von einem Nebenrecht zu einem selbständigen Anspruch erstarkt ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Hauptschuldner wegen Vermögensverfalls untergegangen ist: Laut BGH soll dies den Bestand der Bürgschaft nicht tangieren, sondern die Bürgschaft soll isoliert fortbestehen, denn der Sicherungszweck der Bürgschaft bestand regelmäßig gerade darin, den Gläubiger vor dem Vermögensverfall des Hauptschuldners zu schützen5. Die an sich auch zum Erlöschen der Bürgschaft führende Schuldersetzung (Novation) lässt den Bestand der Bürgschaft ausnahmsweise unberührt, wenn sie Kontokorrentforderungen verbürgt, § 356 HGB6. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Hauptschuldner der schuldersetzenden Saldoziehung nicht wirksam widersprochen hat: Im Falle des Widerspruchs – etwa durch rechtzeitige Zurückweisung eines Kontoabschlusses – trägt der Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast für die Aktivposten des rechnerischen Saldos, der Bürge hingegen für die Abzugsposten.7
1 2 3 4 5 6 7
Hierzu Knappke, GWR 2009, 303. BGH v. 20.10.1988 – IX ZR 47/87, WM 1988, 1883. BGH v. 19.9.1991 – IX ZR 296/90, BGHZ 115, 177. Habersack in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 765 BGB Rz. 51. BGH v. 25.11.1981 – VIII ZR 299/80, NJW 1982, 875. BGH v. 4.7.1985 – IX ZR 135/84, NJW 1985, 3007. BGH v. 7.12.1995 – IX ZR 110/95, WM 1996, 192.
Frieder Bauer | 1011
7.55
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
c) Die Bürgschaft auf erstes Anfordern
7.56 Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Klausel „Zahlung auf erstes Anfordern“ mit
dem Wesen einer Bürgschaft ungeachtet deren Akzessorietät durchaus vereinbar1. Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist es grundsätzlich jedermann gestattet, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern im Einzelfall zu erteilen2. Die im Leitsatz des BGH-Urteils v. 5.7.19903 enthaltene Aussage, wonach Bürgschaften mit der Verpflichtung auf erstes Anfordern den Kreditinstituten vorbehalten sind, ist zu weit gegangen4. Wie der BGH zwischenzeitlich wiederholt entschieden hat, ist dieser Leitsatz nicht auf Bürgschaften anwendbar, soweit deren Bestimmungen nicht der AGB-Inhaltskontrolle unterliegen5.
7.57 Das Recht des Bürgschaftsgläubigers, durch einseitige Erklärung über die Nichterfüllung
der gesicherten Forderung von dem Bürgen die Zahlung der Bürgschaftssumme verlangen zu können, ist laut BGH ein Hilfsrecht, das der Durchsetzung der Bürgschaftsforderung dient. Dieses Recht mache geradezu das Wesen der Bürgschaft auf erstes Anfordern aus. Dadurch werde der schnelle Zugriff des Gläubigers auf die Bürgschaftssumme gesichert6. Die Klausel „auf erstes Anfordern“ begründet eine gegenüber dem Bestand der verbürgten Hauptschuld unbedingte vorläufige verselbständigte Zahlungspflicht des Bürgen. Nach der Rechtsprechung des BGH7 stellt eine solche Bürgschaft wegen der damit verbundenen Zahlungspflicht, die einer Garantieübernahme für fremde Schuld fast gleichkomme, ein besonders risikoreiches Rechtsgeschäft dar, welches überdies zum Missbrauch verleite8. Demzufolge soll eine vorformulierte und AGB-mäßig verwendete Bürgschaft auf erstes Anfordern der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB nur standhalten, wenn sie von einem Kreditinstitut9 oder einer Versicherungsgesellschaft oder von einem Unternehmen abgegeben wird, dessen Geschäftsbetrieb die Abgabe solcher Erklärungen typischerweise mit sich bringt10.
7.58 Der Bürgschaftsbegünstigte erwirbt laut BGH keinerlei Rechte aus einer nur im Innen-
verhältnis bestehenden Befugnis der Bank zur Zahlung auf erstes Anfordern11. Die Bank muss vielmehr gegenüber dem Gläubiger ausdrücklich eine solche Verpflichtung auch im Außenverhältnis übernehmen12.
1 BGH v. 2.5.1979 – VIII ZR 157/78, WM 1979, 691, 692. Einen fundierten Überblick zur Bürgschaft auf erstes Anfordern geben Hadding/Welter, WM 2015, 1545 ff.: „Zur schuldrechtlichen Qualifizierung der Bürgschaft auf erstes Anfordern“. 2 BGH v. 23.1.1997 – IX ZR 297/95, AG 1997, 324 = WM 1997, 656. 3 BGH v. 5.7.1990 – IX ZR 294/89, WM 1990, 1410. 4 BGH v. 23.1.1997 – IX ZR 297/95, AG 1997, 324 = WM 1997, 656, 658. 5 BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, WM 1998, 1062, 1063 m.w.N. 6 BGH v. 26.2.1987 – IX ZR 136/86, WM 1987, 553, 554. 7 BGH v. 5.7.1990 – IX ZR 294/89, WM 1990, 1410, 1411. 8 Laut BGH kann deshalb auch die Verpflichtung, eine Garantie mit der Klausel „Zahlung auf erstes Anfordern“ zu übernehmen, unangemessen i.S.d. Inhaltskontrolle von AGB-Klauseln (§ 307 BGB) sein, BGH v. 10.9.2002 – XI ZR 305/01, WM 2002, 2192, 2194. 9 BGH v. 5.7.1990 – IX ZR 294/89, WM 1990, 1410, 1411; der Entscheidung lag noch § 9 AGBG zugrunde. 10 BGH v. 8.3.2001 – IX ZR 236/00, NJW 2001, 1857, 1858. 11 BGH v. 2.5.1979 – VIII ZR 157/78, WM 1979, 691, 692. 12 BGH v. 2.5.1979 – VIII ZR 157/78, WM 1979, 691, 692.
1012 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
3. Der Garantievertrag Das typische Merkmal des Garantievertrages ist, dass er von dem Bestand der gesicherten Hauptschuld aus dem Valutaverhältnis zwischen Hauptschuldner (zumeist: der Garantieauftraggeber) und Garantiebegünstigtem grundsätzlich unabhängig ist1.
7.59
Die Abstraktheit der Bankgarantie zeigt sich laut BGH2 darin, dass dem Anspruch auf Zahlung der Garantiesumme – von dem noch zu erörternden seltenen Fall des Rechtsmissbrauchs (Rz. 7.93) abgesehen – keine Einwendungen aus dem Valuta- oder Deckungsverhältnis entgegengehalten werden können. Insbesondere bei Bankgarantien mit der Klausel „Zahlung auf erstes Anfordern“ wird sich nach der BGH-Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen aus dem Garantievertrag ableiten lassen, dass im Falle des Vorliegens der formellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Garantie (sog. formeller Garantiefall) der Anspruch des Garantieberechtigten gegen die Bank zusätzlich davon abhängig sein soll, dass ihm auch im Valutaverhältnis zum Bankkunden als Garantieauftraggeber ein Anspruch zusteht (materieller Garantiefall)3. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Bankgarantie ihren Zweck erfüllen, dem Garantiebegünstigten möglichst problemlos zu seinem behaupteten Anspruch zu verhelfen. Diese Bewertung ist auch vor dem Hintergrund angemessen, dass die Bankgarantie auf erstes Anfordern nach dem zweiten Weltkrieg das bis dato übliche Bardepot ablösen sollte und hierfür vergleichbar schnell und unkompliziert „liquidierbar“ sein sollte wie ein Bardepot4.
7.60
Die Kreditinstitute müssen im Interesse der internationalen Akzeptanz ihrer Garantien Wert darauf legen, dass die übernommene Garantie „auf erstes Anfordern“ zahlbar ist. Durch diese Garantieklausel wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Inanspruchnahme der Garantie nicht den Beweis oder auch nur die nähere Darlegung irgendwelcher Fehlentwicklungen innerhalb des Valutageschäfts zwischen ihrem Kunden (Avalauftraggeber) und dem Garantiebegünstigten voraussetzt. Es empfiehlt sich im Übrigen eine klare Bestimmung über die Befristung der Garantie, wenn wie regelmäßig eine Befristung gewollt ist. Dabei muss aus dem Garantietext hervorgehen, dass die nicht rechtzeitige Inanspruchnahme der Garantie eine auflösende Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 2 BGB darstellen soll, mit deren Eintritt die Garantie erlischt und nicht etwa die Befristung, im Sinne der bürgschaftsrechtlichen Bestimmung des § 777 BGB zu verstehen sein soll: Eine solche „Zeitgarantie“ wäre im internationalen Garantiegeschäft völlig unüblich.
7.61
Art. 25c URDG ICC-Publikation Nr. 758 trifft zur Befristung die Regelung, dass den URDG unterliegende Garantien, die im Garantietext weder ein Verfallstag noch eine Verfallsbedingung enthalten, automatisch drei Jahre nach Ausstellung erlöschen sollen, soweit sie nicht rechtzeitig und wirksam in Anspruch genommen wurden. Eine den URDG unterworfene Rückgarantie, die für eine solche unbefristete Garantie gestellt wurde, erlischt automatisch 30 Kalendertage nach dem Erlöschen der Hauptgarantie. Diese Regelung soll
7.62
1 Die Garantie ist der Rechtsordnung der sie erteilenden Bank unterworfen. Die Abtretung einer von einer deutschen Bank übernommenen Garantie richtet sich deshalb nach deutschem Recht (OLG Saarbrücken v. 6.7.2001 – 1 U 55/99-13, WM 2001, 2055, 2057). 2 BGH v. 22.4.1985 – II ZR 180/84, BGHZ 94, 167 ff. 3 BGH v. 10.11.1998 – XI ZR 370/97, BGHZ 140, 49 ff. 4 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 121 Rz. 11.
Frieder Bauer | 1013
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
dem Schutz des Garantieauftraggebers vor „unendlichen Haftungsansprüchen“ dienen und vor entsprechender Avalprovisionspflicht schützen1. Im Zuge der Ausarbeitung der URDG in der internationalen „ICC drafting group“ wurde von deutscher Seite mitunter Zweifel an der AGB-rechtlichen Wirksamkeit dieser automatischen Verfallsklausel geäußert, weil selbige überraschend sein könnte. Gerichtsentscheidungen hierzu wurden bislang nicht bekannt. Die Marktpraxis begegnet dieser Regelung mit entsprechend langen Laufzeiten oder durch wiederholte Inanspruchnahmen mit Verlängerungsalternative (sog. „extend-or-pay-Verlangen“), die nach Art. 23 URDG ausdrücklich vorgesehen sind.
V. Die Einschaltung von Zweitbanken 1. Indirekte Garantie
7.63 Da bereits dargestellt wurde, dass Bürgschaften fast ausnahmslos im Inland gestellt werden (Rz. 7.40), beschränkt sich die indirekte Avalierung in praxi auf Garantien, sieht man von den gelegentlichen Fällen ab, in denen eine ausländische Bank einer Inlandsbank den Auftrag erteilt, zugunsten eines inländischen Gläubigers eine Bürgschaft zu erstellen. Bei einer direkten Garantie sind wirtschaftlich drei Personen beteiligt: Garantiebegünstigter, garantierende Bank und deren Kunde als Garantieauftraggeber. Bei einer indirekten Garantie hat dagegen die beauftragte Bank eine weitere Bank mit der Abgabe einer Garantieerklärung gegenüber dem Vertragspartner des auftraggebenden Kunden zu beauftragen und eine Zahlungsverpflichtung gegenüber der beauftragten Zweitbank in Form einer Rückgarantie einzugehen. 2. Avisierende Bank
7.64 Akzeptiert der Begünstigte im Ausland zwar eine Direktgarantie der (ihm im Übrigen fremden) Auslandsbank, so wird er unter Umständen überprüfen wollen, ob die Garantie wirksam ausgestellt ist. Diesem Wunsch kann zum einen dadurch entsprochen werden, dass die Garantieurkunde zur Unterschriftsbestätigung über die Hausbank des Begünstigten geschickt wird. 7.65 Zum anderen (und deutlich häufiger) wird das gesamte Instrument in Form einer S.W.I.F.T.-Nachricht eröffnet2: Die Garantieerklärung wird an die Auslandsbank gerichtet mit der Weisung, diese S.W.I.F.T.-Nachricht ohne Haftung und Verantwortlichkeit der Auslandsbank an den Begünstigten weiterzuleiten. Da selbiger regelmäßig nicht am S.W.I.F.T.-System teilnimmt, erfolgt die Avisierung, indem die Auslandsbank die S.W.I.F.T.-Nachricht ausdruckt und mit einem Begleitschreiben, in dem die ordnungsgemäße Verschlüsselung der Nachricht bestätigt wird, an den Begünstigten weiterleitet. 1 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 121 Rz. 303. 2 S.W.I.F.T., die Society for Worldwide Interbank Transfer, wurde 1973 von der Bankwirtschaft gegründet, um den weltweiten Zahlungsverkehr zwischen den Banken zu organisieren. Dabei handelt es sich um ein von Banken gemeinschaftlich aufgebautes und unterhaltenes, vollelektronisches und belegloses Datenfernübertragungssystem, das eine sofortige Weiterbearbeitung durch die empfangende Stelle ermöglicht. Die auf standardisierten Nachrichtentexten aufbauende Verarbeitung innerhalb eines geschlossenen IT-Systems führt zu einer Erhöhung der Sicherheit.
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Garantiegeschäft | Teil 7
Oftmals wird dann im Text der Garantie vorgeschrieben, dass eine Inanpruchnahme über die Auslandsbank unter Einsatz des S.W.I.F.T.-Systems erfolgen soll. 3. IPR-Fragen Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die Fälle, in denen in der jeweiligen Vertragsdokumentation keine ausdrückliche und wirksame Rechtswahl getroffen wurde und sich deshalb die Frage des anzuwendenden Rechts nach allgemeinen Kriterien des Internationalen Privatrechts stellt. Um das anwendbare Recht zu ermitteln, müssen in einem ersten Schritt die verschiedenen Rechtsverhältnisse der beteiligten Parteien auseinander gehalten werden.
7.66
a) Rechtsverhältnis zwischen der ausländischen Zweitbank und dem Begünstigten Dieser Garantievertrag besteht direkt zwischen zwei ausländischen Rechtssubjekten und hat keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt an das deutsche Recht, so dass eine kollisionsrechtliche Qualifikation ausscheidet1.
7.67
b) Vertragsbeziehung zwischen Avalauftraggeber und erstbeauftragter Inlandsbank Dieses Auftragsverhältnis hat wiederum keinen Anküpfungspunkt ins Ausland und unterliegt damit ausschließlich dem deutschen Recht, soweit der Avalauftraggeber seinen Sitz im Inland hat.
7.68
c) Vertragsbeziehung zwischen Inlandsbank und Auslandsbank Hier muss der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der deutschen Erstbank und der ausländischen Zweitbank von der Rückgarantie getrennt werden, die die ausländische Zweitbank zur Absicherung ihres Aufwendungsersatzanspruchs üblicherweise fordert und von der deutschen Erstbank auch erhält2.
7.69
aa) Die Rückgarantie In Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO unterliegen Dienstleistungen mangels ausdrücklicher Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Finanzdienstleistungen fallen unter den Dienstleistungsbegriff, denn sie unterliegen nach dem Erwägungsgrund 17 des Verordnungstextes3 dem Begriff der Dienstleistung, wie er in Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.1.2000 definiert ist4. Im Lichte der Erwägungsgrunde 7, 17 Satz 1 ergibt sich dies aus rechtsaktübergreifender Auslegung mit Blick auf Art. 7 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich 1 von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 361. 2 von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 361. 3 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 v. 17.6.2008, ABl. EU Nr. L 177 v. 4.7.2008, S. 6, ber. 2009: ABl. EU Nr. L 309 v. 24.11.2009, S. 87 (EU-Dok.-Nr. 3 2008 R 0593). 4 Näher hierzu: Einsele, WM 2009, 289 ff. m.w.N.
Frieder Bauer | 1015
7.70
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Brüssel Ia-VO (Erwägungsgrund 17 Satz 1 i.V.m. Art. 80 Brüssel Ia-VO; zur Zuständigkeitsvorschrift s. Leible1). Lit. b umfasst ebenfalls Finanzdienstleistungen2. Dabei ist grundsätzlich das Recht der Hauptverwaltung der Bank maßgeblich (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO), es sei denn, dass der entsprechende Vertrag im Rahmen einer Zweigniederlassung geschlossen wurde oder dass eine solche Zweigniederlassung für dessen Erfüllung verantwortlich ist; in diesem Falle wäre das Recht der Zweigniederlassung anzuwenden (Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO).
7.71 Ergänzend ist das Kriterium der charakteristischen Leistung heranzuziehen, das bereits in der Vorgängerregelung des Art. 28 EGBGB galt und sich insoweit in Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO wiederfindet: Danach unterliegt ein Vertrag der nicht einer konkreten Vertragsart aus Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO zuzuordnen ist, dem Recht des Staates, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 7.72 Mit Hilfe dieses Kriteriums der vertragstypischen Leistung lässt sich auch bei der Einschaltung einer Zweitbank zur Erstellung einer indirekten Garantie das anzuwendende Recht bestimmen. Fehlt eine ausdrückliche Rechtswahl, so gilt daher das Recht am Sitz der beauftragten Zweitbank, weil sie die charakteristische bankmäßige Leistung erbringt3. Im Garantiegeschäft gilt gleichfalls das Recht am Sitz der beauftragten Bank4. Dieser Rechtsgrundsatz gilt auch für eine Rückgarantie, die im Verhältnis zur ausländischen Zweitbank eine Direktgarantie darstellt5. 7.73 Sollten die URDG ICC-Publikation Nr. 758 im Verhältnis zur Zweitbank vereinbart sein, regelt Art. 34b URDG, dass die Rückgarantie mangels anderweitiger ausdrücklicher Regelung dem am Ort der Filiale oder Niederlassung der Rückgarantin geltenden Recht unterliegen soll. bb) Der Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Zweitbank
7.74 Die inländische Erstbank erteilt der Auslandsbank im eigenen Namen und für eigene Rechnung einen Auftrag zu Erstellung der Direktgarantie im Ausland. Da die von der Zweitbank zu übernehmende Direktgarantie nach den mit Art. 28 EGBGB übereinstimmenden Regeln des internationalen Privatrechts der maßgeblichen Außenhandelsländer dem Sitz der Zweitbank unterliegt und die Regelungen in der Rom I-VO insoweit nicht abweichen, kommt es zu einer vollständigen Rechts- und Risikoverlagerung ins Ausland mit folgenden Konsequenzen: – Unterstellung der Garantie der Zweitbank unter die Gerichtsbarkeit ihres Landes und damit Ausschluss der Gerichtsbarkeit des Landes der Erstbank. – Unabhängigkeit der Garantieverpflichtung der Zweitbank von Maßnahmen auf dem Gebiet des Währungs- und Außenwirtschaftsrechts im Lande der Erstbank. 1 Leible in Rauscher, Art. 7 Brüssel Ia-VO Rz. 66 ff. 2 Martiny in MünchKomm. BGB, Art. 4 Rom I-VO Rz. 47; Ringe in jurisPK-BGB, Art. 4 Rom I-VO Rz. 23; A. Staudinger in HK-BGB, 10. Aufl. 2019, Art. 4 Rom I-VO Rz. 1–13. 3 Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Nielsen in BuB, Rz. 5/17a ff. zur Vorgängervorschrift; Thorn in Palandt, Art. 4 Rom I-VO Rz. 27. 4 Vgl. näher Nielsen in BuB, Rz. 5/18d. 5 von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 362.
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Garantiegeschäft | Teil 7
Es ist allgemein anerkannt, dass das fremde Recht, welches die ausländische Direktgarantie beherrscht, auch auf den Geschäftsbesorgungsvertrag der inländischen Erstbank anzuwenden ist1. Diese weitreichenden und risikobehafteten Folgen, die in erheblichem Umfang im Garantiegeschäft akzeptiert werden, sind nur vor folgendem Hintergrund nachvollziehbar: – Gesetzliche Regelungen der Importländer im Interesse einheimischer Banken bzw. um Kontrollen im Außenwirtschaftsverkehr ausüben zu können, schreiben eine indirekte Avalierung vor und/oder – Marktstellung der Käufer in den Bestellerländern, die durch indirekte Garantiestellung die Möglichkeit von einstweiligen Verfügungen oder Arresten durch Gerichte des Exportlandes ausschließen2 und trotz des grenzüberschreitenden Importgeschäfts nur ein inländisches Bankenrisiko akzeptieren möchten.
VI. Die Inanspruchnahme des Avals durch den Begünstigten 1. Bürgschaft a) Einhaltung der formellen Voraussetzungen Die Bank muss jede Inanspruchnahme zunächst auf ihre formale Übereinstimmung mit dem Avaltext überprüfen. Sieht der Text der einfachen Bürgschaft etwa vor, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, bevor die Bürgschaft gezogen werden kann, und sind diese Voraussetzungen nicht einmal schlüssig behauptet, so ist die Inanspruchnahme bereits aus diesen formalen Gründen zurückzuweisen.
7.75
b) Vorliegen des formalen und materiellen Bürgschaftsfalls: Ausfluss der Akzessorietät Entspricht die Inanspruchnahme der einfachen Bürgschaft den formalen Voraussetzungen, so ist die Bank aus ihrem Auftragsverhältnis heraus verpflichtet, den Auftraggeber/Hauptschuldner hierüber zu informieren. Bei der Befriedigung des Gläubigers ist auch das Interesse des Avalauftraggebers als Geschäftsherr zu wahren. Dazu gehört die sorgfältige Prüfung der Berechtigung des Gläubigers3 und damit die Prüfung, ob offenkundige Einwendungen oder Einreden gegen den Zahlungsanspruch des Gläubigers aus der Bürgschaft bestehen. Hieraus ergibt sich die Pflicht der Bank zur grundsätzlichen Anhörung ihres Avalauftraggebers. Nur dieser verfügt als Hauptschuldner über die Kenntnisse und Urkunden, die erforderlich sind, um solche Einwendungen und Einreden gegen die verbürgte Schuld und damit gegen die übernommene Bürgschaftsverpflichtung vorzubringen und zu belegen4.
1 Thorn in Palandt, Art. 4 Rom I-VO Rz. 13 m.w.N.; Martiny in MünchKomm. BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 4 Rom I VO Rz. 237; Bark, ZIP 1982, 405, 408 f.; Heldrich in FS Kegel, 1987, S. 189 f.; Goerke, Kollisionsrechtliche Probleme internationaler Garantien, 1982, S. 101 f.; Mülbert, Missbrauch von Bankgarantien und einstweiliger Rechtsschutz, 1985, S. 30. 2 Bark, ZIP 1982, 405 ff. 3 Horn, NJW 1980, 2153, 2157. 4 BGH v. 19.9.1985 – IX ZR 16/85, WM 1985, 1387, 1390 = BGHZ 95, 375 ff. = NJW 1986, 310 ff.
Frieder Bauer | 1017
7.76
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
c) Reaktion der avalierenden Bank auf eine Inanspruchnahme unter der Bürgschaft
7.77 Um einerseits die Interessen des Auftraggebers zu wahren, andererseits aber auch eine ra-
tionelle Abwicklung von Bürgschaftsinanspruchnahmen zu gewährleisten, den Verpflichtungen aus dem Bürgschaftsvertrag gerecht zu werden und damit die Akzeptanz einer Bankbürgschaft weiter zu erhöhen, sehen die Bedingungen für das Avalgeschäft, die die Bank der Auftragserteilung regelmäßig zugrunde legt, vor, dass die Bank all diejenigen Einreden und Einwendungen berücksichtigen muss, die der Auftraggeber unverzüglich nach Benachrichtigung über die Inanspruchnahme gegenüber der beauftragten Bank glaubhaft gemacht hat.
7.78 Es wird bewusst kein Vollbeweis gefordert, um die Akzeptanz der einfachen Bürgschaft
nicht zu schwächen: Diese Akzeptanz wäre jedoch beeinträchtigt, wenn die bürgende Bank jegliche Einwendungen und Einreden gegen die Hauptschuld auf Verlangen ihres Avalauftraggebers vor Zahlung auf die Bürgschaft in einem Rechtsstreit klären lassen müsste, zumal die Bank als gewerblicher Bürge regelmäßig selbstschuldnerische Bürgschaften abgibt, bei denen die Einrede der Vorausklage gem. § 349 HGB ausgeschlossen ist. Dagegen wird die Akzeptanz einer Bankbürgschaft nicht bereits dadurch beeinträchtigt, dass der Bürge den Hauptschuldner vor der Zahlung anhört und sich gegebenenfalls auf dessen Einwendungen oder Einreden beruft, soweit diese offenkundig („liquide“) sind. Dem Avalauftraggeber als Hauptschuldner muss daher Gelegenheit zum Vorbringen offenkundiger Tatsachen gegeben werden, damit alsbald eindeutige, der Rechtslage entsprechende Verhältnisse geschaffen werden. Wenn die Bank den Auftraggeber um Weisungen ersucht und nicht unverzüglich dessen schriftliche oder schriftlich bestätigte Antwort erhält oder diesen nicht unverzüglich zu erreichen vermag, kann die Bank nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung der ihr bekannten Umstände und Interessen des Auftraggebers handeln1.
2. Bürgschaft auf erstes Anfordern
7.79 Bei einer Bürgschaft mit der Klausel „zahlbar auf erstes Anfordern“ kann die Frist für die
Anhörung des Avalauftraggebers kurz bemessen werden. Denn die Bürgschaft mit einer solchen Klausel soll wie die auf erstes Anfordern zahlbare Garantie sicherstellen, dass dem Begünstigten im Bürgschaftsfall innerhalb kürzester Zeit liquide Mittel zur Verfügung stehen2. Der materielle Bürgschaftsfall ist im Zeitpunkt der Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern gerade nicht zu prüfen, die Anhörung dient lediglich dazu, dem Auftraggeber die Möglichkeit zu geben, den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu erheben und diesen liquide nachzuweisen3. a) Formelle Voraussetzung der Inanspruchnahme; Bedeutung der Zahlungsklausel
7.80 Auch und gerade die Inanspruchnahme unter einer Bürgschaft, zahlbar auf erstes (schrift-
liches) Anfordern muss den formalen Voraussetzungen genügen, die in der Bürgschaftsurkunde festgelegt wurden. Da aber im Gegensatz zu einer einfachen Bürgschaft bei einer Bürgschaft, zahlbar auf erstes Anfordern, der materielle Bürgschaftsfall im Zeitpunkt der 1 So formuliert in Nr. 5 der Bedingungen für das Avalgeschäft, wie sie im Wesentlichen vom Bundesverband deutscher Banken zur Verwendung empfohlen werden; sinngemäß abgedruckt in Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 9/74. 2 BGH v. 24.11.1983 – IX ZR 2/83, NJW 1984, 923 ff. 3 Zu den Einzelheiten des Rechtsmissbrauchseinwands s. Rz. 7.93.
1018 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
Inanspruchnahme nicht geprüft wird, kommt der Formulierung und Prüfung der Zahlungsklausel erhebliche Wichtigkeit zu. Die Anforderungen an die Erklärung, welche die vorläufige Zahlungspflicht auslöst, sind streng formalisiert, d.h. sie beschränken sich auf das, was in der Verpflichtungserklärung als Voraussetzung der Zahlung genannt und für jeden ersichtlich ist. Wer auf Grund einer Bürgschaft auf erstes Anfordern Zahlung verlangt, braucht also nicht einmal schlüssig darzulegen, dass die Hauptforderung besteht und fällig ist1. In der Avalpraxis herrscht daher eine Formulierung etwa wie folgt vor: „Die Bürgschaft ist zahlbar auf erstes Anfordern des Begünstigten, unter gleichzeitiger schriftlicher Erklärung, dass der Hauptschuldner seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist.“ Eine solche schriftliche Erklärung wird gefordert, um einerseits vorschnelle Inanspruchnahmen zu vermeiden und andererseits für einen möglichen Rückforderungsprozess einen schriftlichen Beweis für eine etwaige falsche Behauptung zur Verfügung zu stellen. Da die schnelle Verwertung der Bürgschaft auf erstes Anfordern eine erhebliche Gefahr für die Liquidität des Auftraggebers darstellt, versucht dieser bei der Formulierung der Zahlungsklausel etwa wie folgt Einfluss zu nehmen: „Die Bürgschaft ist zahlbar auf erstes Anfordern des Begünstigten, wenn der Hauptschuldner seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist.“ Diese sprachlich nur geringe Abweichung zur vorskizzierten Zahlungsklausel birgt aber ein nicht zu beseitigendes Konfliktpotential:
7.81
Einerseits soll die Bürgschaft auf erstes Anfordern hin zahlbar sein, andererseits nimmt sie nicht Bezug auf eine schlichte Erklärung zur Nichterfüllung der verbürgten Pflichten, sondern setzt voraus, dass die verbürgten Pflichten im materiellen Sinne nicht gehörig erfüllt wurden! Man spricht hier von einer sog. Effektivklausel. Eine solchermaßen widersprüchliche Zahlungsklausel ist zu vermeiden, denn der Bürge ist mit beiden Grundgeschäftsparteien vertraglich verbunden und kann die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien nicht wirkungsvoll durch einen widersprüchlichen Bürgschaftstext lösen; die bereits im Grundgeschäft vorhandenen Schwierigkeiten würden dadurch nur in die Phase der Bürgschaftsinanspruchnahme verlegt, ohne diesen Konflikt aufzulösen. b) Grenzen der Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern Droht dem Bürgschaftsgläubiger die Insolvenz oder ist ein Insolvenzverfahren bereits anhängig, fragt sich, ob die Bürgschaft auf erstes Anfordern weiterhin ohne weiteres in Anspruch genommen werden kann, denn die drohende oder gar bereits beantragte Insolvenz gefährdet einen potentiellen Rückforderungsanspruch. Die Rechtsprechung stellt hierzu aber fest, dass der Bürge grundsätzlich das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners (und damit des Bürgschaftsbegünstigten) tragen solle. Der Bürge auf erstes Anfordern übernimmt daher auch die Gefahr, eine zu Unrecht vorgenommene Leistung später beim Gläubiger nicht mehr kondizieren zu können2. 1 Gero Fischer, WM 2005, 529. 2 BGH v. 23.1.1997 – IX ZR 297/95, AG 1997, 324 = WM 1997, 656.
Frieder Bauer | 1019
7.82
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
7.83 Die Grenze für eine noch zulässige Inanspruchnahme wird vom BGH allerdings in den Fäl-
len gezogen, in denen der Gläubiger bereits insolvent geworden ist und der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat.1 Zwar haben die Parteien einer Bürgschaft auf erstes Anfordern das Insolvenzrisiko grundsätzlich dem Bürgen zugewiesen. Es genügt daher nicht, dass der Rückforderungsprozess für den Bürgen voraussichtlich wirtschaftlich aussichtslos sein wird. Zudem können insolvente Unternehmen zu Sanierungszwecken fortgeführt werden und Liquidität benötigen. Der Gläubiger hat jedoch kein schützenswertes Interesse mehr an einer Leistung auf erstes Anfordern, sobald ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet oder die Masseunzulänglichkeit angezeigt wird.
7.84 In diesen Fällen ist er auf die Liquidität nicht mehr angewiesen, weil mangels oder wegen
unzulänglicher Masse eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit des Gläubigers nicht erfolgen wird2. Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern entfällt das Recht, Zahlung auf erstes Anfordern zu verlangen, wenn sich der Gläubiger in masseloser Insolvenz befindet oder der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Sinn und Zweck einer Bürgschaft auf erstes Anfordern werden verfehlt, wenn der Bürge in einem solchen Fall ohne Aussicht auf Rückzahlung leisten müsste. Dem Gläubiger stehen dann nur die Rechte aus einer gewöhnlichen („einfachen“) Bürgschaft zu, mit der Folge, dass bereits im Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht nur die formellen Voraussetzungen, sondern auch der materielle Bürgschaftsfall dargelegt werden müssen.
7.85 Eine Inanspruchnahme der Bürgschaft auf erstes Anfordern ist des Weiteren in den (allerdings seltenen) Fällen ausgeschlossen, in denen zwar der formelle Bürgschaftsfall bejaht werden kann, es aber „offen auf der Hand liegt“ oder zumindest liquide beweisbar ist, dass der materielle Bürgschaftsfall nicht eingetreten ist3. Der Rechtsmissbrauch muss evident, offensichtlich sein, sich ohne weiteres ergeben. Es muss sozusagen auf der Hand liegen, in die Augen springen, dass es im Valutaverhältnis an den Voraussetzungen fehlt, unter denen die Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch genommen werden kann. So verhält es sich dann, wenn die Tatsachen, aus denen der Rechtsmissbrauch resultiert, unstreitig sind oder wenn sie schnell und leicht („liquide“) beweisbar sind (was insbesondere für Tatsachen gilt, die sich aus Urkunden ergeben). In einem solchen Fall scheitert die formal berechtigte Anforderung des Gläubigers am Einwand des Rechtsmissbrauchs und kann folglich auch schon im Erstprozess abgewehrt werden. Der Bürge ist nicht darauf beschränkt, Gezahltes in einem Zweitprozess zurückzufordern4. c) Temporäre Aufhebung der Akzessorietät bei der Inanspruchnahme
7.86 Es ist in ständiger Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass die Bürgschaft auf erstes An-
fordern kein eigenes Rechtsinstrument, sondern lediglich eine Sonderform der einfachen Bürgschaft ist5. Um einerseits die sofortige Verwertbarkeit bejahen zu können, andererseits aber an der Rechtsnatur als Bürgschaft als akzessorischem Instrument festhalten zu können, spricht die Rechtsprechung von einer temporären Aufhebung oder Auflockerung der Akzessorietät. 1 2 3 4 5
BGH v. 4.7.2002 – IX ZR 97/99, BB 2002, 1829. BGH v. 4.7.2002 – IX ZR 97/99, WM 2002, 1794. Füller in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2014, BankR IV Rz. 665 m.w.N. Kupisch, WM 2002, 1626 f. Häuser gibt zur schuldrechtlichen Qualifizierung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern einen grundlegenden Überblick in WM 2015, 1545 ff.
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Garantiegeschäft | Teil 7
Zur schlüssigen Darlegung eines Anspruchs aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern reicht es deshalb aus, wenn der Gläubiger das erklärt, was als Voraussetzung der Zahlung in der Bürgschaft niedergelegt ist1. Zulässig ist aber der Einwand, die Bürgschaft sichere nicht die dem Zahlungsbegehren des Gläubigers zugrunde liegende Hauptforderung, sofern sich dies durch Auslegung aus der Bürgschaftsurkunde selbst ergibt2. Bei einer in einem Bauvertrag vereinbarten Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern ist der Sicherungsfall regelmäßig erst gegeben, wenn der Bürgschaftsgläubiger einen auf Geldzahlung gerichteten Gewährleistungsanspruch hat3.
7.87
Wird die Bürgschaft für eine hierdurch nicht gesicherte Forderung in Anspruch genommen, so macht sich der Bürgschaftsgläubiger gegenüber dem Hauptschuldner als Auftraggeber der Bankbürgschaft wegen Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig. Will der Bürgschaftsgläubiger gegen diese Schadensersatzforderung mit einer anderen Forderung aufrechnen, so ist diese Aufrechnung wegen Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB ausgeschlossen4.
7.88
d) Wiederaufleben der Akzessorietät im Rückforderungsfall Die Rechtsprechung verbindet mit der lediglich temporär gelockerten Akzessorietät für die Phase der Inanspruchnahme das Verständnis, dass mögliche Rückforderungsansprüche in einem sich anschließenden Prozess dem Bürgen und nicht etwa dem Bürgschaftsauftraggeber zustehen. Der Bürge hat lediglich vorläufig und unter dem Vorbehalt geleistet, dass der materielle Bürgschaftsfall nachgewiesen wird5. Um sicher zu gehen, dass dem Bürgen etwaige Einreden und Einwendungen für einen Rückforderungsprozess erhalten bleiben, sollte im Rahmen der Bürgenzahlung dieser Vorbehalt ausdrücklich erhoben werden.
7.89
Mängel im Valutaverhältnis zwischen Bürgschaftsauftraggeber und Begünstigten begründen einen Bereicherungsanspruch des Bürgen gegen den Begünstigten6. Der Bürge kann seinen Rückforderungsanspruch darauf stützen, dass keine sicherbare Hauptschuld besteht oder dass selbige zumindest einredebehaftet ist (§ 768 Abs. 1 BGB)7.
7.90
Die Einwendungen gegen die materielle Berechtigung der Ansprüche des Begünstigten können grundsätzlich erst nach Zahlung durch Rückforderungsklage gegen den Begünstigten geltend gemacht werden8. Dies gilt nicht nur für Einwendungen gegen die Hauptfor-
7.91
1 2 3 4 5 6 7 8
BGH v. 17.10.1996 – IX ZR 325/95, WM 1996, 2228, 2229. BGH v. 14.12.1995 – IX ZR 57/95, WM 1996, 193, 195. BGH v. 28.9.2000 – VII ZR 460/97, WM 2000, 2373, 2375. OLG Düsseldorf v. 12.6.1996 – 9 U 7/96, WM 1996, 1856. Füller in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2014, BankR IV Rz. 669 m.w.N. BGH v. 10.11.1998 – XI ZR 370/97, BGHZ 140, 49 m.w.N. Füller in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2014, BankR IV Rz. 669. BGH v. 13.7.1989 – IX ZR 223/88, NJW-RR 1989, 1324 ff.; BGH v. 27.2.1992 – IX ZR 57/9, BGH v. 27.2.1992 – IX ZR 57/91, NJW 1992, 1881 ff.; BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, NJW 1998, 2280 ff. In diesem Rückforderungsprozess trifft den Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast. Ist eine Bürgschaft auf erstes Anfordern wirksam erteilt worden und hat der Bürge auf erstes Anfordern gezahlt, kann er diese Zahlung nicht allein deshalb zurückfordern, weil der Schuldner nach der Sicherungsabrede nur eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft zu stellen hatte (BGH v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, WM 2003, 870, 872). Vgl. weiter BGH v. 10.4.2003 – VII ZR 314/01, WM 2003, 1561 ff.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
derung, sondern auch dann, wenn der Bürge geltend macht, der Gläubiger sei im Verhältnis zum Hauptschuldner verpflichtet, von der Bürgschaft keinen Gebrauch zu machen1. 3. Garantie a) Der formale Garantiefall: Bloße Tatsachenbehauptung ausreichend
7.92 Bei einer Garantie auf erstes Anfordern ist die Zahlungsaufforderung durch den Begünstigten formalisiert. Sie muss nach dem Grundsatz der Garantiestrenge so abgegeben werden, wie sie in der Garantieurkunde festgelegt ist2.
Darüber hinausgehende Prüfungen sind weder notwendig noch zulässig. Der Grundsatz der Abstraktheit der Garantie verbietet es, im Falle der Inanspruchnahme der Garantie, zahlbar auf erstes Anfordern, den materiellen Garantiefall zu prüfen. Sämtliche Streitfragen in sachlicher und rechtlicher Hinsicht sind daher einem etwaigen Rückforderungsprozess vorbehalten, sieht man einmal von den seltenen Fällen des Rechtsmissbrauchs ab3. Einen solchen Rückforderungsprozess kann – im Gegensatz zu den eben geschilderten Bürgschaftsfällen – nicht vom Garanten, sondern nur vom Garantieauftraggeber geführt werden4. Bei Garantien wird sich laut BGH nur in Ausnahmefällen aus dem Garantievertrag ableiten lassen, dass neben den formellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Garantie (sog. formeller Garantiefall) der Anspruch des Garantiegläubigers gegen die Bank zusätzlich noch davon abhängig sein soll, dass ihm auch im Valutaverhältnis zum Bankkunden als Garantieauftraggeber ein Anspruch zusteht (materieller Garantiefall)5. Deshalb kann die Bank die den materiellen Garantiefall betreffenden Einwendungen, die sie gegenüber dem Zahlungsbegehren des Garantieberechtigten nicht einwenden durfte, auch nicht zur Grundlage eines bereicherungsrechtlich begründeten Herausgabeverlangens machen. Denn Sinn und Zweck der Bankgarantie auf erstes Anfordern ist, rechtliche oder tatsächliche Streitfragen aus dem Valutaverhältnis, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergeben, aus dem Verhältnis der Bank zum Garantiebegünstigten herauszuhalten und nach einer erfolgten Zahlung des Garantiebetrages in einen eventuellen Rückforderungsprozess zwischen Bankkunde und Garantiegläubiger zu verlagern6. b) Grenze des formalen Garantiefalles: Die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme
7.93 Die garantierende Bank kann jedoch ausnahmsweise die fehlende materielle Berechtigung
einwenden, wenn der Gläubiger bei der Inanspruchnahme offensichtlich oder liquide beweisbar seine formale Rechtsstellung missbräuchlich ausnutzen will7. An den Einwand des 1 BGH v. 5.3.2002 – XI ZR 184/01, WM 2002, 744. 2 BGH v. 14.12.1995 – IX ZR 57/95, WM 1996, 193, 195; BGH v. 23.1.1996 – XI ZR 105/95, WM 1996, 393, 395; Rüßmann/Britz, WM 1995, 1825 ff. 3 Zu den Einzelheiten des Rechtsmissbrauchseinwands s. Rz. 7.93. 4 Zu der Frage, ob sich diese unterschiedliche Rechtsfolge dieser beiden Arten von Haftungsübernahmen rechtfertigen lässt, vgl. Schnauder, WM 2000, 2073 ff. 5 BGH v. 10.11.1998 – XI ZR 370/97, WM 1998, 2522, 2523. 6 BGH v. 10.11.1998 – XI ZR 370/97, WM 1998, 2522, 2523; a.A. OLG Frankfurt v. 24.11.1997 – 18 U 75/96, ZIP 1998, 148, 149. 7 BGH v. 10.11.1998 – XI ZR 370/97, BGHZ 140, 49 ff.
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Garantiegeschäft | Teil 7
Rechtsmissbrauchs sind aber strenge Anforderungen zu stellen1. Nach der Rechtsprechung des BGH ist erforderlich, dass diese missbräuchliche Ausnutzung der formalen Rechtsstellung für jedermann klar ersichtlich ist2. Mit Rücksicht auf die Liquiditätsfunktion der Garantie auf erstes Anfordern beschränkt sich die Prüfungspflicht der Bank daher auf die Frage, ob die materielle Berechtigung der vom Gläubiger geltend gemachten Ansprüche in diesem Sinne offenbar fehlt3. Ist z.B. ein Vertragserfüllungsaval auf erstes Anfordern ohne rechtlichen Grund erlangt worden, ist das Ausnutzen dieser formalen Rechtsstellung durch Inanspruchnahme des Avals rechtsmissbräuchlich4. Bei einer Garantie und bei einer Bürgschaft mit der Klausel „zahlbar auf erstes Anfordern“ muss die Bank grundsätzlich auf Verlangen des Begünstigten die Avalsumme bezahlen, ohne geltend machen zu können, die Hauptschuld sei im Valutaverhältnis nicht entstanden oder erloschen. Dieser Einwendungsausschluss unterliegt jedoch nach der BGH-Rechtsprechung den Maßstäben von Treu und Glauben5. Deshalb scheitert der Zahlungsanspruch des Begünstigten am Einwand des Rechtsmissbrauchs, wenn die missbräuchliche Ausnutzung der formalen Rechtsstellung für jedermann ersichtlich (offensichtlich) oder liquide beweisbar ist, dass trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen der (materielle) Garantiefall im Valutaverhältnis nicht eingetreten ist, insbesondere wenn die gesicherte Forderung noch nicht fällig ist, der materielle Avalfall also noch nicht eingetreten sein kann6. Eine solche missbräuchliche Inanspruchnahme einer Bankgarantie oder Bürgschaft mit der Klausel „zahlbar auf erstes Anfordern“ liegt etwa vor, wenn ein Erfüllungsanspruch des Gläubigers gegen den Bankkunden gesichert werden soll und dieser den Avalbegünstigten nachweislich befriedigt hat7. Einem derart offensichtlichen Fehlen des materiellen Anspruchs des Gläubigers gegen den Hauptschuldner kann insbesondere der Fall nicht gleichgestellt werden, dass der Gläubiger Bestand oder Umfang eines derartigen Anspruchs lediglich in nicht nachvollziehbarer Weise darlegt. Eine offensichtlich missbräuchliche Inanspruchnahme von Bankgarantie oder Bürgschaft auf erstes Anfordern kann hierin bereits deshalb nicht gesehen werden, weil feststeht, dass dem Gläubiger eine auf erstes Anfordern verbürgte oder durch Garantie gesicherte Forderung gegen den Hauptschuldner zusteht und nur deren genaue Höhe unsicher ist8.
7.94
Die missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsposition durch den Begünstigten muss daher klar erkennbar sein9, die Rechtsmissbräuchlichkeit muss der Inanspruchnahme förmlich „auf die Stirn geschrieben“ sein.
7.95
Alle Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind in einem etwaigen Rückforderungsprozess auszutragen. Bei den Anfor1 BGH v. 21.4.1988 – IX ZR 113/87, NJW 1988, 2610 f. 2 BGH v. 20.9.2011 – XI ZR 17/11, WM 2011, 2216; Allstadt-Schmitz/Füller in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, 3. Aufl. 2015, BankR IV Rz. 427. 3 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 65/88, NJW 1989, 1480 ff. 4 KG v. 10.12.1996 – 15 U 7269/96, WM 1997, 1377 zu einer Bürgschaft auf erstes Anfordern. 5 BGH v. 10.10.2000 – XI ZR 344/99, WM 2000, 2334. 6 BGH v. 12.9.2002 – IX ZR 497/00, WM 2002, 2325; OLG Celle v. 18.3.2009 – 3 U 167/08, WM 2009, 1408, 1410. 7 Vgl. OLG Hamburg v. 4.11.1977 – 14 U 65/77, RIW/AWD 1978, 615, 616. 8 BGH v. 18.10.1993 – IX ZR 141/93, WM 1994, 106, 107. 9 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 65/88, WM 1989, 433, 434; OLG Köln v. 30.10.1997 – 12 U 40/97, WM 1998, 707, 709.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
derungen an die Prüfpflicht darf die Funktion der Verpflichtung zur Zahlung auf erstes Anfordern nicht gefährdet werden1. Die Rechtsprechung verlangt zum Zwecke der Glaubhaftmachung der missbräuchlichen Inanspruchnahme der Garantie daher die Vorlage solcher liquiden Beweismittel2, wie es auch die ganz überwiegende Literaturmeinung fordert3. Zu diesen liquiden Beweismitteln gehören nur Urkunden. Eine Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Einwandes des Rechtsmissbrauchs kommt nicht in Betracht4. In der Regel muss es sich dabei um Urkunden handeln, die unmittelbar aus der Sphäre des Begünstigten herrühren.5 Denn im Urkundenprozess, den der Begünstigte auf Grund der Garantieerklärung anstrengen könnte, sind als Beweismittel nur Urkunden und der – meist nicht Erfolg versprechende – Antrag auf Parteivernehmung zulässig (§ 595 Abs. 2 ZPO).
VII. Typische Klauseln in Avalen 1. Höchstbetrag, Steuerpflicht
7.96 Wie bereits dargestellt (s. Rz. 7.17), stellen Avalverpflichtungen eine vormerkpflichtige Bi-
lanzposition dar, die „unter dem Bilanzstrich“ ausgewiesen werden muss. Bereits aus diesem Grund ist die avalierende Bank stark bestrebt, ihre Verpflichtung betraglich möglichst genau zu fixieren. Wenn neben einem Maximalbetrag noch zusätzliche Beträge wie Zinsen und Kosten geschuldet sein sollen („zuzüglich-Regelung“), so wird man der Vormerkverpflichtung am besten dadurch nachkommen, indem man in Absprache mit dem Avalauftraggeber den Maximalbetrag um die voraussichtlichen Beträge erhöht und in der Verpflichtungsklausel des Avals eine „inklusive-Regelung“ formuliert: Danach wären die weiteren Beträge eben bereits im genannten Höchstbetrag enthalten („inklusive“). Eine solche Änderung des Avaltextes muss der Auftraggeber seinerseits mit dem Begünstigten abstimmen, um seiner grundgeschäftlichen Verpflichtung zur Avalstellung nachzukommen. Ist eine entsprechende Änderung des Avaltextes nicht möglich, so gebietet der Grundsatz der kaufmännischen Sorgfalt, die zusätzlichen Beträge in der Buchführung der Bank zu berücksichtigen, soweit ein konkreter Betrag bereits bestimmt werden kann.
Solange die Bank aus dem Aval gegenüber dem Begünstigten verpflichtet ist, bleibt das Aval im Avalkonto des Auftraggebers verbucht, belastet somit dessen Avalkreditlinie und löst Avalprovision aus6.
7.97 Soweit Zinsen vom Aval mitumfasst sind, muss beachtet werden, dass die avalierende Bank im Falle einer Inanspruchnahme auf den anteiligen Zinsbetrag Kapitalertragsteuer zu Lasten des Begünstigten abführen muss, soweit dieser im Inland kapitalertragsteuerpflichtig ist. 1 Ebenso Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1130. Vgl. weiter Horn, NJW 1980, 2153. 2 BGH v. 12.3.1984 – II ZR 198/82, BGHZ 90, 287 ff. 3 Vgl. Nielsen, ZIP 1982, 253, 262; von Westphalen, NJW 2004, 1993; Fischer, JZ 2005, 535; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1139. 4 OLG Köln v. 30.10.1997 – 12 U 40/97, WM 1998, 707, 709. 5 von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 202. 6 So in den üblichen Bedingungen für das Avalgeschäft vereinbart.
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Garantiegeschäft | Teil 7
Gemäß Rd 8b des Rundschreibens des Bundesministeriums der Finanzen zu Einzelfragen zur Abgeltungsteuer1 handelt es sich um einkommensteuerpflichtige Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei denen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG eine Verpflichtung zum Kapitalertragsteuerabzug besteht. Der BFH hatte in einer Entscheidung festgestellt, das zivilrechtliche Verzugs- oder Prozesszinsen bei steuerlicher Betrachtung Entgelte für unfreiwillige Vorenthaltung von Kapital und damit Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG darstellen2. 2. Befristung Enthält das Aval eine klare kalendarische Befristung und unterliegt es deutschem Recht, so erlischt es mit Ablauf der Befristung, soweit es nicht innerhalb der Frist wirksam in Anspruch genommen worden ist. Es kann nach Ablauf der Frist somit vorbehaltslos ausgebucht werden, da die Bank eine spätere Inanspruchnahme nicht mehr honorieren muss.
7.98
Unterliegt es jedoch einer fremden Rechtsordnung, so besteht zum einen das Risiko, dass diese Jurisdiktion die Befristung von Avalverpflichtungen grundsätzlich nicht akzeptiert oder aber dass die an sich zulässige Befristung durch eine „extend-or-pay-Regelung“ ersetzt wird: Danach kann der Begünstigte jederzeit die Verlängerung oder eben die Zahlung unter der Garantie verlangen3. Enthält das Aval keine ausdrückliche extend-or-pay-Regelung, nimmt der Begünstigte das Aval aber in diesem Sinne in Anspruch, so kann aus dem reinen Umstand, dass er der avalierenden Bank zwei Alternativen offeriert, noch nicht zwingend auf rechtsmissbräuchliches Verhalten geschlossen werden, immer jedoch vorausgesetzt, dass der formale Garantiefall erfüllt ist: Ein sachlich gerechtfertigter Grund für eine derart bedingte Inanspruchnahme ist etwa, dass sich der Begünstigte noch nicht sicher ist, ob die materielle Voraussetzungen für die Garantieinanspruchnahme vorliegen. 3. Zeitbürgschaft Für eine rechtssichere Avalbearbeitung sollte sich weiter aus dem Avaltext ergeben, ob die nicht rechtzeitige Inanspruchnahme des Avals eine auflösende Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 2 BGB darstellen soll, mit deren Eintritt das Aval erlischt, oder ob die Befristung, was zumindest im Bankgeschäft ganz unüblich ist, im Sinne der bürgschaftsrechtlichen Bestimmung des § 777 BGB zu verstehen ist. Bei einer solchen Zeitbürgschaft haftet der Bürge nur für die innerhalb einer bestimmten Frist begründeten Verbindlichkeiten, für diese aber unbefristet4. Der Gläubiger kann bei einer selbstschuldnerischen Zeitbürgschaft schon vor dem festgesetzten Ablauftermin nach Eintritt der Fälligkeit der Hauptschuld dem Bürgen wirksam mitteilen, dass er ihn in Anspruch nehmen wird, ohne dass es einer Wiederholung einer Anzeige nach Ablauf der Bürgschaftszeit bedarf5. Geht diese Erklärung dem Bürgen rechtzeitig zu, dann dauert seine Bürgschaftsverbindlichkeit wie bei einer unbefristeten Bürg1 2 3 4 5
BStBl. I 2016, 85. BFH v. 24.5.2011 – VIII R 3/09, BStBl. II 2012, 254. So etwa üblich in Syrien und einigen arabischen Ländern. Vgl. BGH v. 17.12.1987 – IX ZR 93/87, NJW 1988, 908 f. BGH v. 9.1.1980 – VIII ZR 21/79, BGHZ 76, 81 ff.
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7.99
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
schaft fort, wobei sich freilich der Umfang seiner Verpflichtung auf den Umfang der Hauptschuld im Zeitpunkt des Endtermins der Bürgschaft beschränkt1. Ist die Hauptschuld innerhalb der Bürgschaftszeit nicht fällig geworden, ist die Anzeige nicht wirksam. Die Zeitbürgschaft soll es dem Gläubiger nur ermöglichen, dem Hauptschuldner während der bestimmten Zeit Kredit zu gewähren2. Tritt dagegen die Fälligkeit der Hauptschuld mit dem Ende der Bürgschaftszeit ein, gebieten es die schutzwürdigen Interessen des Gläubigers, der rechtzeitig dem Bürgen die Inanspruchnahme angezeigt hat, ihm die Rechte aus der Bürgschaft zu erhalten3. 4. Reduzierungsklauseln, Erlöschensklauseln
7.100
Der Avalauftraggeber hat ein naheliegendes Interesse an einer baldmöglichen Ausbuchung der Avalverpflichtung. Ist eine vollständige Erledigung, etwa durch vereinbarte Rückgabe der Avalurkunde an die avalierende Bank, grundgeschäftlich (noch) nicht möglich, da noch abzusichernde Ansprüche bestehen, bietet sich zumindest die Reduzierung der Avalverpflichtung an. Werden zu diesem Zweck Reduzierungsklauseln im Avaltext vorgesehen, so ist für eine rechtssichere Avalbearbeitung darauf zu achten, dass die Voraussetzungen für die Reduzierung zweifelsfrei von der avalierenden Bank beurteilt werden können, ohne dass diese weiter gehende Kenntnisse über die grundgeschäftliche Vertragsbeziehung zwischen Avalauftraggeber und Begünstigten aufklären müsste. So verbietet sich auch hier – wie schon bei der Zahlungsklausel ausgeführt (s. Rz. 7.81) –, Effektivklauseln zu verwenden. Sobald die Bank zur Reduzierung der Avalverpflichtung grundgeschäftliche Sachverhalte (etwa einen bestimmten Leistungsstand, die Mangelfreiheit der Lieferung o.Ä.) beurteilen müsste, scheidet die Reduzierung regelmäßig aus, da die Bank hierzu nicht in der Lage sein wird. Der Wortlaut der Klausel ist daher auf die Vorlage bestimmter, hinreichend genau beschriebener Dokumente zu beschränken und es ist zusätzlich klarzustellen, dass diese Dokumente nur ihrer äußeren Aufmachung nach („they appear on their face to conform with the terms of the guarantee“) auf formale Übereinstimmung mit den Vorgaben im Avaltext geprüft werden müssen, nicht aber etwa auf deren inhaltliche Richtigkeit.
7.101
Sollte der Avalauftraggeber nicht in der Position sein, die Effektivklausel auf grundgeschäftlicher Ebene zu verweigern, sollte zumindest darauf geachtet werden, dass eine „Spätestens-Klausel“ ergänzt wird: „Diese Garantie erlischt, selbst bei Nichtrückgabe dieser Urkunde, jedoch spätestens am […], und ist sodann null und nichtig, sofern und soweit Sie [der Begünstigte] uns [die Garantiebank] nicht vor Ablauf dieses Tages, bei uns in [Sitz der garantieausreichenden Stelle der Garantiebank] eintreffend, nach Maßgabe dieser Garantiebedingungen in Anspruch genommen haben.“ „This guarantee shall expire, even if this document is not returned, on […], and shall then be null and void, if and to the extent that no demand under this guarantee in accordance with its conditions has reached us [die Garantiebank] in [Sitz der garantieausreichenden Stelle der Garantiebank] by the end of that day.“ 1 BGH v. 22.12.1982 – VIII ZR 199/81, NJW 1983, 750 ff. 2 BGH v. 14.6.1984 – IX ZR 83/83, BGHZ 91, 349 ff.; vgl. hierzu Gerth, WM 1988, 317 ff. 3 BGH v. 21.3.1989 – IX ZR 82/88, NJW 1989, 1856 ff.; BGH v. 13.7.1989 – IX ZR 223/88, NJWRR 1989, 1324 ff.
1026 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
Entsprechendes gilt für die Formulierung von Erlöschensklauseln, die an nicht dokumentär nachgewiesene Sachverhalte anknüpfen.
7.102
5. Währung, Zahlungsort Wird der Bank der Auftrag erteilt, eine Verbindlichkeit in einer anderen Währung als Euro zu avalieren, so ist zunächst zu unterscheiden, ob der Avaltext eine Zahlung im Inland oder im Ausland vorsieht.
7.103
a) Erfüllungsort im Inland Soweit die Zahlung im Inland geschuldet ist, kommt § 244 BGB zur Anwendung. Danach kann die Fremdwährungsschuld auch durch Zahlung in Euro erfüllt werden („unechte Valutaschuld“), es sei denn, die Zahlung in fremder Währung wäre ausdrücklich vereinbart („echte Valutaschuld“). Beachtenswert ist dabei, dass mit „Inland“ i.S.d. Vorschrift all diejenigen Länder der Europäischen Union erfasst sind, in denen der Euro gesetzliches Zahlungsmittel ist, also nicht nur Deutschland1.
7.104
Unechte Valutaschulden enthalten ein grundsätzlich nicht bezifferbares Wechselkursrisiko. Bei Währungen, die in kein festes Wechselkurssystem zum Euro eingebunden sind, kann der Gegenwert der Fremdwährungsverbindlichkeit – ausgedrückt in Euro – nicht dauerhaft festgestellt werden. b) Erfüllungsort im Ausland Ist die zu avalierende Verpflichtung im Ausland zu erfüllen, d.h. in einem Land, in dem der Euro kein gesetzliches Zahlungsmittel ist, so gilt § 244 BGB nicht. Eine gesetzlich verankerte Ersetzungsbefugnis der Bank, die Verbindlichkeit alternativ zur genannten Fremdwährung auch in Euro zu erfüllen, besteht nicht.
7.105
c) Kreditmäßige Auswirkung von Fremdwährungsverbindlichkeiten Die Avalierung von Fremdwährungsverpflichtungen bedeutet für die avalierende Bank eine nach oben hin theoretisch unbegrenzte Zahlungsverpflichtung. Zugleich bewirkt ein schwankender Wechselkurs eine unterschiedliche Ausnutzung und gegebenenfalls eine Überziehung der Avalkreditlinie, in deren Rahmen das Aval verbucht wurde, wenn die Währung der Avalkreditlinie von der einzelnen Avalwährung abweicht.
7.106
Dieses Fremdwährungsrisiko kann die avalierende Bank vermeiden, in dem im Avaltext ein Avalhöchstbetrag nicht nur in Fremdwährung sondern zusätzlich in einem Euro-Gegenwert genannt wird. Lässt sich der Begünstigte hierauf nicht ein, so sollte die Bank durch entsprechende Regelungen im Avalrahmenkreditvertrag entsprechende Rückführungs- oder Besicherungsregelungen helfen. 6. Rechtswahl, IPR-Fragen Die Aufnahme einer Rechtswahl- und Gerichtsstandklausel empfiehlt sich in Fremdwährungsavalen, um keinen Zweifel an der Geltung deutschen Rechts aufkommen zu lassen. 1 Näher zum Hintergrund der EURO-Umstellung: Rainer Schulze in Schulze/Dörner/Ebert, 6. Aufl. 2009, § 244 BGB Rz. 2 ff.
Frieder Bauer | 1027
7.107
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Insbesondere bei einem ausländischen Erfüllungsort könnte nach dem Grundätzen des Internationalen Privatrechts neben dem Deutschen Recht („Sitz der Bank, Schwerpunkt der Verpflichtung“) über den Erfüllungsort oder über das grundgeschäftlich vereinbarte Recht auch an die ausländische Rechtsordnung angeknüpft werden.
7.108
Soweit die Geltung der URDG für das Aval vereinbart ist, regelt Art. 34 URDG, dass für die Garantie das Recht am Sitz der avalierenden Bank gilt und Art. 35 URDG bestimmt, dass mangels anderweitiger Regelung alle Streitigkeiten bezüglich der Garantie zwischen avalierender Bank und Begünstigtem vor dem zuständigen Gericht des Landes entschieden werden soll, in dem sich der Ort der Filiale oder Niederlassung der avalierenden Bank befindet.
VIII. Typische Avalformen 7.109
Das Garantiegeschäft hat über die Jahrzehnte zweckspezifische Formen der Bankavale entwickelt, wovon nachfolgend einige der gängigen Ausprägungen näher beschrieben werden. Soweit grenzüberschreitende Sachverhalte avaliert werden sollen, wird fast ausschließlich die abstrakte Garantie eingesetzt, während hingegen im Inlandsgeschäft die Bürgschaft immer noch vorherrschend ist. Eine Unterscheidung zwischen Garantie und Bürgschaft erfolgt in diesem Abschnitt deshalb nur insoweit, als eine Differenzierung aus rechtlicher oder inhaltlicher Sicht geboten ist. 1. Bietungsgarantie
7.110
Die Bietungsgarantie spielt bei internationalen Ausschreibungen eine Rolle. Zugunsten des Empfängers des Angebots soll der Bieter als künftiger Exporteur durch die ansonsten fällig werdende Garantiesumme daran gehindert werden, seinen mit der Abgabe des Angebots übernommenen Pflichten nicht nachzukommen, obgleich er den Zuschlag in der Ausschreibung erhalten hat. Hierbei soll die Bankgarantie insbesondere mögliche Schadensersatzansprüche des Ausschreibenden sicherstellen, die diesem entstehen können, wenn der Garantieauftraggeber als Bieter den Vertrag, für den er sich als Partner erboten hat, nicht unterschreibt. Bei der Formulierung des Verpflichtungsumfangs ist darauf zu achten, dass sich die Bank nur auf Zahlung von Geld und keinesfalls zum Schadensersatz „in Natur“ oder gar zur Vertragsunterzeichnung selbst verpflichtet: Dadurch würde sie Verpflichtungen begründen, die sie regelmäßig nicht ordnungsgemäß erfüllen könnte. 2. Anzahlungsaval mit Inkrafttretensklausel
7.111
Mit dem Anzahlungsaval soll der Besteller einer Leistung für den Fall abgesichert werden, dass der Lieferant bei Nichterfüllung des Vertrages die Rückerstattung der erhaltenen Anzahlungen oder Vorauszahlungen ablehnt. Um den Auftraggeber davor zu schützen, dass der Begünstigte eine Anzahlungsgarantie in Anspruch zu nehmen versucht, ohne dass er die geforderte Anzahlung überhaupt geleistet hat, enthalten derlei Garantien regelmäßig eine Inkrafttretensklausel: „Diese Garantie tritt in Kraft, sobald und soweit die Anzahlung bei uns [Name der Garantiebank] zu Gunsten und zur freien Verfügung des Auftraggebers unter Hinweis auf diese Garantie eingeht.“ 1028 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
„This guarantee shall enter into effect if and to the extent the advance payment is received by us [Name der Garantiebank], with reference to this guarantee, in favor and at the free disposal of the Principal“. Sollte die Anzahlungsgarantie unter Einbeziehung der URDG erstellt werden, ist darauf zu achten, dass die Garantiebank entweder den Eingang der Anzahlung aus den eigenen Geschäftsbüchern heraus überprüfen kann, oder dass für die Gutschrift des Anzahlungsbetrages vom Begünstigten ein im Garantietext vereinbartes Dokument vorgelegt wird.
7.112
Art. 7 URDG besagt nämlich, dass andernfalls die Inkrafttretensklausel als nicht geschrieben gilt und vom Garanten grundsätzlich nicht beachtet werden muss, da es sich insoweit um eine nicht-dokumentäre Bedingung handelt. Kann keine der beiden Möglichkeiten durchgesetzt werden, bleibt nur, Art. 7 URDG im Garantietext ausdrücklich abzubedingen, was nach Art. 1a URDG möglich und zulässig ist. Bei einer einfachen Anzahlungsbürgschaft ist eine Inkrafttretensklausel entbehrlich, da die Bürgschaft auf Grund der dauerhaften Akzessorietät von Gesetzes wegen nur in dem Umfang in Kraft tritt, in dem die entsprechende Anzahlung an den Bürgschaftsauftraggeber geleistet wurde.
7.113
3. Vertragserfüllungs- oder Leistungsaval Das Vertragserfüllungs- oder Leistungsaval sichert die Ansprüche des Käufers in Geld gegenüber dem Verkäufer, falls dieser die vertraglich vereinbarten Leistungen ganz oder teilweise nicht vertragsgemäß erbringt. Im grenzüberschreitenden Handel werden dabei fast ausschließlich Garantien ausgestellt, da die deutschrechtliche Bürgschaft in den ausländischen Rechtsordnungen nicht durchgängig bekannt ist.
7.114
4. Zahlungsaval Die Zahlungsgarantie sichert schlicht die vertraglichen Zahlungsansprüche des exportierenden Lieferanten ab. Sie kommt zum Einsatz, wenn der Exporteur ein Exportakkreditiv auf Kosten des Importeurs nicht durchsetzen kann oder der Exporteur dem Importeur insoweit vertraut, dass er auf die Absicherung durch ein Dokumentenakkreditiv zwar verzichten kann, aber nicht ohne gänzliche Absicherung in Vorleistung treten möchte.
7.115
Entsprechend wird die Zahlungsbürgschaft bei inländischen Geschäften eingesetzt. 5. Konnossementsgarantie Die Konnossementsgarantie hat in Fällen Bedeutung, in denen über eine schiffsverladene Ware schon vor Eintreffen des Konnossements verfügt werden soll. Im Konnossement bescheinigt der Verfrachter dem Ablader, dass er das beschriebene Transportgut empfangen und es dem legitimierten Inhaber übergeben wird. Das Konnossement enthält damit eine Empfangsbescheinigung und eine Auslieferungsverpflichtung und ist ein durch Indossament übertragbares Wertpapier. Die Konnossementsgarantie sichert den Verfrachter bzw. den Reeder vor etwaigen Ansprüchen Dritter, wenn er Verfügungen über die Ware zulässt, ohne dass ihm das an sich erforderliche Konnossement vorgelegt wurde. Frieder Bauer | 1029
7.116
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Solche „vorzeitigen“ Verfügungen werden zum einen dann gewünscht, wenn es sich um schnell umzuschlagende Ware handelt und man nicht auf die Vorlage des Konnossements warten will, zum anderen aber in den Fällen, in denen das Konnossement verloren gegangen ist und man die zeitaufwendige Neubeschaffung für die Vorlage im Rahmen einer Akkreditivinanspruchnahme vermeiden will. Üblicherweise werden derlei Garantien der Höhe nach auf 150 %–200 % des Warenwertes begrenzt. Die Akkreditivbank sollte eine Konnossementsgarantie jedoch nur annehmen, wenn die Unvollständigkeit der Dokumente auf technischen Schwierigkeiten des Postversandes beruht (z.B. Verlust eines Dokumentensatzes bei getrennter Versendung). In keinem Fall darf die Garantie dazu dienen, materielle Mängel der Dokumente auszugleichen, weil hierin eine Aushöhlung des Grundsatzes der Dokumentenstrenge liegen würde1. 6. Gewährleistungsaval
7.117
Wenngleich das Bürgerliche Gesetzbuch seit seiner Modernisierung im Jahre 2002 von „Mängelansprüchen“ spricht, hat sich die Bezeichnung „Mängelhaftungsbürgschaft“ bislang gegen den angestammten Begriff der Gewährleistungsbürgschaft nicht durchgesetzt. Unter beiden Begriffen ist die Verbürgung für fremde Sach- und Rechtsmängel zu verstehen. Weil die Frage der Mangelhaftigkeit nicht nur, aber gerade im Baugewerbe oft nur schwer und aufwendig nachzuweisen ist, versuchten die Besteller/Käufer die Nachweisschwierigkeiten des materiellen Bürgschaftsfalls dadurch zu umgehen, indem sie Gewährleistungsbürgschaften, zahlbar auf erstes Anfordern verlangten. Nur gegen die Stellung solcher Bürgschaften waren sie bereit, den bis dato zurückgehaltenen Sicherungseinbehalt i.H.v. 5 %–10 % der Werklohnsumme auszuzahlen. In mehreren Entscheidungen des BGH2 wurde hierzu festgestellt, dass die Sicherungsabrede, in welcher geregelt ist, dass der Gewährleistungseinbehalt nur gegen Stellung einer auf erstes Anfordern hin zahlbaren Bürgschaft verlangt werden könne, unter AGB-Gesichtspunkten unwirksam sei3. In Folge dieser Rechtsprechungsänderung wurde auch § 17 Nr. 4 Satz 2 VOB/B geändert, wonach nunmehr der Auftraggeber eines Werkes als Sicherheit keine Bürgschaft mehr fordern kann, die auf erstes Anfordern hin zahlbar wäre. 7. Prozessaval
7.118
Ein erheblicher Teil des inländischen Avalgeschäfts besteht in der Übernahme von Prozessbürgschaften als Sicherheitsleistung. Eine Notwendigkeit für eine prozessuale Sicherheitsleistung besteht im zivilgerichtlichen Verfahren vor allem für die Prozesskosten (Ausländersicherheit, §§ 110–113 ZPO), bei der Zwangsvollstreckung (u.a. bei einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung, §§ 707, 719 f. ZPO, und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit von Urteilen, §§ 709 ff. ZPO) sowie bei Arrest und einstweiliger Verfügung (§§ 921, 923, 925, 927, 936, 939 ZPO). 1 Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 9/60 m.w.N. 2 BGH v. 5.6.1997 – VII ZR 324/95, WM 1997, 1675; BGH v. 22.11.2001 – VII ZR 208/00, WM 2002, 133. 3 Im Einzelnen dazu: Petra Heidenfelder, Das Bauunternehmen in der Krise und Insolvenz, 2009, Rz. 516 ff.
1030 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
Eine Sicherheitsleistung durch Bürgschaft ist nur zulässig, wenn sich die Parteien darauf einigen oder das Gericht sie zulässt (§ 108 ZPO). Eine derartige Sicherheit kann nur durch einen tauglichen Bürgen geleistet werden (entsprechend §§ 232 Abs. 2, 239 Abs. 1 BGB); hierzu rechnen grundsätzlich auch inländische Kreditinstitute, soweit sie nach dem Kreditwesengesetz zum Geschäftsbetrieb im Inland befugt sind1. Eine früher gebräuchliche Einschränkung auf „inländische Großbanken“ ist seit der ZPO-Reform hinfällig2.
7.119
Bürgschaften einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Bank genügen den Vorgaben nach § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wenn sie das Schutzniveau des § 239 BGB wahren: Bürgschaften, die in der (unselbständigen) hiesigen Zweigniederlassung einer im EWR zugelassenen Bank übernommen werden, sind demnach ausreichend3.
7.120
Eine Prozessbürgschaft durch ausländische Kreditinstitute ist jedoch als taugliche Sicherheit abzulehnen: Da durch die reine Avalierung im Einzelfall kein inländischer Gerichtsstand begründet wird, wäre mit einem solchen Prozessaval das Risiko verbunden, dass der Begünstigte seine Ansprüche im Ausland geltend machen und vollstrecken müsste.
7.121
Ihrem Sicherungszweck entsprechend erkennt die Bank als Bürgin mit der Übernahme der Bürgschaft den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits, in welchem sie sich verbürgt hat, als für sich verbindlich an.
7.122
Um den Sicherungszweck der Prozessbürgschaft zu gewährleisten, bestehen weitere Anforderungen hinsichtlich des Inhalts der Bürgschaft. Die Bürgschaft muss unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage übernommen sein. Dies ist bei Bankbürgschaften gem. § 349 HGB ohne weiteres der Fall, da sie auf Seiten der bürgenden Bank stets Handelsgeschäfte sind. Zudem muss die zur Sicherheitsleistung geeignete Bürgschaft grundsätzlich unbedingt und unbefristet sein4. Die Annahme der Bürgenofferte bedarf keiner Erklärung, die abgegeben wird und zugeht. Sie muss allenfalls erkennbar sein, § 151 Satz 1 BGB, wofür in der Regel das Schweigen des Berechtigten genügt5. Sie ist aber auch entbehrlich, da die Sicherung durch Bürgschaft nicht mehr vom Berechtigten abhängen kann, wenn das Gericht sie zugelassen hat (allg.M.). § 108 Abs. 1 ZPO wird als Ermächtigung zu einem Zwangsvertrag zu deuten sein6.
7.123
Die Rückgabeklausel in einer Bürgschaftsurkunde, wonach die Bürgschaft mit Rückgabe an das Kreditinstitut erlischt, ist eine auflösende Bedingung der Bürgschaftsübernahme, so dass es an einer unbedingten Bürgschaft fehlt. Dieser Mangel kann dadurch behoben werden, dass die Original-Urkunde ausgehändigt wird; hierdurch ist der Eintritt der auflösenden Bedingung allein vom Willen des Begünstigten abhängig (Potestativ-Bedingung)7.
7.124
Sollte der Bürgschaftsgläubiger nach Erledigung des Sicherungszwecks die Bürgschaftsurkunde nicht herausgeben beziehungsweise eine vorbehaltslose Erledigung der Bürgschaft erklären, so kann alternativ der Bürgschaftsauftraggeber gem. § 109 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2
7.125
1 2 3 4 5 6 7
Schulz in MünchKomm. ZPO, 5. Aufl. 2016, § 108 ZPO Rz. 40. Strasser, RIW 2009, 522. Foerste in Musielak/Voit, 15. Aufl. 2018, § 108 ZPO Rz. 7. Foerste in Musielak/Voit, 15. Aufl. 20018, § 108 ZPO Rz. 9. BGH v. 25.1.1967 – VIII ZR 173/64, NJW 1967, 823. Foerste in Musielak/Voit, 15. Aufl. 2018, § 108 ZPO Rz. 12 m.w.N. OLG Hamm v. 1.10.1992 – 4 U 161/92, WM 1993, 2050, 2051.
Frieder Bauer | 1031
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
ZPO einen Antrag beim erkennenden Gericht stellen, wonach das Erlöschen der Prozessbürgschaft angeordnet werden möge. 8. Die Zoll- und Steuerbürgschaft
7.126
Zur Absicherung von Ansprüchen der Zoll- und Fiskalverwaltung kann der Zahlungspflichtige Sicherheit durch eine Zoll- und Steuerbürgschaft leisten. Zwar sieht § 244 Abs. 1 Satz 1 AO zunächst nur vor, dass ein Bürge über ausreichend Vermögen verfügen muss, um die zu verbürgende Schuld begleichen zu können, und er muss über einen inländischen Gerichtsstand verfügen, um tauglicher Bürge i.S.d. Vorschrift zu sein. In der Regel legt die Behörde allerdings fest, dass als Bürge nur akzeptiert wird, wer die allgemeine Zulassung zum Steuerbürgen nach § 244 Abs. 2 Satz 1 AO besitzt. Hierfür wird von der zuständigen Bundesfinanzdirektion eine Bürgschaftssumme je Kreditinstitut oder Versicherungsgesellschaft bewilligt, die sämtliche Verbindlichkeiten des Steuerbürgen gegenüber der Steuerverwaltung umfassen muss. Die Bürgschaftstexte sind im Bereich der Zollverwaltung stark formalisiert und regelmäßig nicht verhandelbar1.
IX. Gerichtliche Eilmaßnahmen wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme 7.127
Bei einer Bankgarantie können Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes in Betracht kommen, wenn die Inanspruchnahme der Bankgarantie einen offensichtlichen Rechtsmissbrauch durch den Garantiebegünstigten darstellt. Aus einem solchen rechtsmissbräuchlichen Verhalten erwächst dem Avalauftraggeber gegen den Garantiebegünstigten ein Anspruch darauf, die Einziehung der Garantiesumme zu unterlassen2. Dieser Unterlassungsanspruch ist Ansatzpunkt für gerichtliche Eilmaßnahmen in Gestalt einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes. 1. Die einstweilige Verfügung gegen den Avalbegünstigten
7.128
Eine einstweilige Verfügung gegen den Garantiebegünstigten mit dem Ziel, ihm die Entgegennahme des Garantiebetrages zu verbieten, ist nach einhelliger Meinung prozessual zulässig. Dieses Rechtsinstitut setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus (vgl. § 935 ZPO). Der Garantieauftraggeber muss hierzu als Antragsteller dartun, dass die Durchsetzung seiner Ansprüche ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung gefährdet wäre. Hierzu genügt freilich nicht schon, auf den ausländischen Geschäftssitz des Garantiebegünstigten und auf das sich dadurch ergebende Erfordernis der Rechtsverfolgung im Ausland zu verweisen. Diese Umstände waren bereits bei Vertragsabschluss bekannt. Es müssen vielmehr weitere Gründe dargelegt werden, aus denen die vom Antragsteller befürchteten Erschwernisse der Rechtsverfolgung ersichtlich sind3.
7.129
Nach den zivilprozessualen Bestimmungen muss ein Verfügungsanspruch des Antragstellers allgemein nur „glaubhaft“ gemacht werden. Für den Erlass einer einstweiligen Ver1 Unter http://www.zoll.de werden die Formulare vorgehalten. 2 Nielsen, ZIP 1982, 253, 261. 3 Vgl. Nielsen, ZIP 1982, 253, 261; grundlegend hierzu Edelmann, DB 1998, 2453 ff.
1032 | Frieder Bauer
Garantiegeschäft | Teil 7
fügung im Zusammenhang mit der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme einer Bankgarantie ist dagegen der liquide Beweis des Rechtsmissbrauchs erforderlich; dies muss regelmäßig in dokumentärer Form geschehen. Eine eidesstattliche Versicherung des Bankkunden als Auftraggeber ist grundsätzlich nicht ausreichend. Anderenfalls könnte die Bankgarantie ihrer Sicherungs- und Liquiditätsfunktion in dem weltweit anerkannten Umfang nicht mehr gerecht werden1. In der Praxis wird häufig der Wunsch geäußert, die einstweilige Verfügung nicht in einem umständlichen Verfahren vor einem deutschen Gericht gegen den ausländischen Garantiebegünstigten richten zu müssen.
7.130
Ein solches Verfahren hat den Nachteil, dass eine stattgebende Entscheidung des deutschen Gerichts im Ausland keine unmittelbare Wirkung hat, da die gegen den Begünstigten im Inland erwirkte Verfügung wegen der Unzulässigkeit des Eingriffs in fremde Hoheitsrechte – wenn überhaupt – dann nur ohne den Ausspruch einer Strafbewehrung zugestellt werden kann2. Dies hat zur Folge, dass dem Begünstigten bei einem Verstoß gegen die einstweilige Verfügung keinerlei Nachteile drohen. 2. Die einstweilige Verfügung gegen die avalierende Inlandsbank Um diese vollstreckungsrechtlichen Beschränkung zu umgehen, soll vielmehr der inländischen Garantiebank die Auszahlung der Garantiesumme durch eine einstweilige Verfügung verboten werden. Nach der überwiegenden Meinung der höheren Instanzgerichte und verschiedener Stimmen in der Literatur sind jedoch solche einstweiligen Verfügungen gegen die Bank nicht zulässig3. Einige erstinstanzlichen Gerichte hatten eine Zulässigkeit zunächst bejaht. Gegen die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung gegen die Garantiebank auf Auszahlung spricht schon, dass die Funktion der Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr weitgehend entwertet würde, wollte man dem Auftraggeber der garantierenden Bank die Möglichkeit einräumen, der Bank im Wege der einstweiligen Verfügung die Zahlung verbieten zu lassen. Es fehlt zudem an einem anzuerkennenden Schutzbedürfnis des Garantieauftraggebers: Es ist und bleibt die alleinige Entscheidung der avalierenden Bank, ob sie trotz offensichtlichen Rechtsmissbrauchs Zahlung unter ihrem Aval leistet, denn sie tut dies aus eigenem Vermögen. Wäre die Garantiebank gegenüber dem Garantiebegünstigten zur Verweigerung der Zahlung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) berechtigt, so gefährdet sie ihren Aufwendungsersatzanspruch, denn einen Anspruch auf Ersatz könnte sie nur geltend machen, wenn und soweit sie den Aufwand für „erforderlich“ ansehen durfte. Zahlt die Bank trotz liquide nachgewiesenen bzw. offensichtlichen Rechtsmissbrauchs dennoch aus, so kann die Bank das Konto ihres Kunden nicht mit dem Auszahlungsbetrag 1 Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 9/143 m.w.N. 2 Edelmann, DB 1998, 2453, 2454 m.w.N. 3 Umfängliche Rechtsprechungsübersicht in Schütze/Edelmann, Bankgarantien, 2011, S. 146; Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 9/145; Heinsius in FS Werner, 1984, S. 229, 230 ff.; vgl. weiter Edelmann, DB 1998, 2453 ff.
Frieder Bauer | 1033
7.131
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
belasten1. Aus dieser Sicht fehlt es mithin an einem Grund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Garantiebank2.
7.132
Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass es beachtliche Stimmen in der Literatur gibt, die eine einstweilige Verfügung gegen die Bank für zulässig erachten und dies mit einer Nebenpflicht aus dem Avalauftrag begründen3: Wenn die Rechtsmissbräuchlichkeit liquide nachgewiesen sei, wäre die avalierende Bank aus einer ihr obliegenden Rücksichtsnahme- und Loyalitätspflicht gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, die Zahlung unter dem Aval zu verweigern. Bei dieser Ansicht wird aber übersehen, dass die Interessen des Auftraggebers unmittelbar erst mit der Belastung des Zahlungsbetrages auf seinem Konto berührt sind und dass die Bank einen eigenständigen Vertrag mit dem Begünstigten geschlossen hat, ohne dass der Avalauftraggeber hierbei Partei wäre. 3. Der dingliche Arrest
7.133
Mitunter versucht der Bankkunde als Garantieauftraggeber, in Missbrauchsfällen die Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die Erwirkung eines dinglichen Arrestes zu verhindern. Der Arrest soll dabei die künftige Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung oder eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergehen kann, sicherstellen.
7.134
Der Arrestantrag soll im konkreten Fall der Sicherung des Ersatzanspruches des Avalauftraggebers gegenüber dem Begünstigten dienen4. Hierbei würde der Anspruch des Garantiebegünstigten gegen die Bank auf Auszahlung der Garantiesumme gepfändet werden und auf diesem Wege der Verfügung des Garantiebegünstigten entzogen. Nach der herrschenden Literaturmeinung und Rechtsprechung muss dieser einstweilige Rechtsschutz jedoch als unzulässig angesehen werden. Gegen die Zulässigkeit der Arrestpfändung spricht vor allem, dass dem Garantieauftraggeber hierfür ein durch den Arrest zu sichernder Anspruch gegen den Garantiebegünstigten zustehen muss (§ 916 ZPO). Würde der beantragte Arrest erlassen und der Auszahlungsanspruch gepfändet, erscheint es begrifflich ausgeschlossen, dass in diesem Fall überhaupt ein Schadensersatzanspruch des Avalauftraggebers zur Entstehung gelangt5. Mit anderen Worten zielt der Antrag auf Erlass eines Arrests darauf ab, einen Schaden zu verhindern, der Voraussetzung für seinen Erlass ist6. An einem solchen durch den Arrest sicherzustellenden Anspruch des Avalauftraggebers gegen den Garantiebegünstigten fehlt es im Regelfall, es geht dem Garantieauftraggeber regelmäßig ausschließlich darum, die Auszahlung des Garantiebetrages zu verhindern; dies ist aber kein „geldwerter Anspruch“, sondern er ist auf Unterlassung gerichtet. 4. Insolvenzrechtliche Grundzüge
7.135
Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf den Fall, dass der Avalauftrag vor dem Tag der Insolvenzantragsstellung bereits durch die Erstellung des Avals erfüllt wurde und dass es sich jeweils um ein inländisches Insolvenzverfahren handelt. 1 von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 310. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch Rz. L/14. 3 Nachweise zum Meinungsstand: von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 308. 4 von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 340. 5 von Westphalen/Jud in Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, S. 341 m.w.N. 6 Hadding/Häuser/Welter in BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Sonderdruck Bürgschaft und Garantie, 1983, S. 27.
1034 | Frieder Bauer
Dokumentenakkreditive | Teil 7
a) Insolvenz des Avalauftraggebers Die Bank bleibt grundsätzlich weiterhin aus dem erstellten Aval zur Zahlung verpflichtet, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine abstrakte Garantie oder eine akzessorische Bürgschaft handelt. Beiden Avalformen ist gemeinsam, dass sie unabhängig vom Avalauftrag wirksam begründet werden können.
7.136
Bei einer Garantie ist es zusätzlich unbeachtlich, ob der Insolvenzverwalter des Avalauftraggebers von seinem Wahlrecht nach § 103 InsO Gebrauch macht und das Grundgeschäft erfüllt oder nicht1, denn die Garantie ist vom abzusichernden Geschäft abstrakt. Die Bürgschaft ist zwar dauerhaft vom Schicksal des verbürgten Anspruchs abhängig, doch führt weder Insolvenzantragsstellung noch die Insolvenzeröffnung noch die Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter zum Erlöschen der verbürgten Forderung. Vielmehr bewirkt die Erfüllungsverweigerung nach § 103 InsO lediglich, dass der verbürgte Anspruch nicht mehr durchsetzbar ist. Die hierfür gestellten Sicherheiten gelten aber fort2. b) Insolvenz des Begünstigten Soweit auf den Avalbegünstigten deutsches Insolvenzrecht anwendbar ist, hat seine Insolvenz grundsätzlich keine Auswirkung auf den Bestand und die Durchsetzbarkeit des Avals. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus gegenseitigen Verträgen im Sinn einer materiell-rechtlichen Umgestaltung. Vielmehr verlieren die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Wählt der Verwalter Erfüllung, so erhalten die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche die Rechtsqualität von originären Forderungen gegen die Masse3.
7.137
Die Besonderheit bei Bürgschaften, zahlbar auf erstes Anfordern, wurde bereits erläutert (vgl. hierzu Rz. 7.82).
7.138–7.150
Einstweilen frei.
3. Abschnitt: Dokumentenakkreditive (Seeger) I. Grundlagen, wirtschaftliche Funktionen und Erscheinungsformen Das Dokumentenakkreditiv, eines der wichtigsten Instrumente der Außenhandelsfinanzierung, wird in Art. 2 der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive der Internationalen Handelskammer Revision 2007, ICC-Publikation Nr. 600 (ERA 600) wie folgt definiert: „Jede wie auch immer benannte oder bezeichnete Vereinbarung, die unwiderruflich ist und dadurch eine feststehende Verpflichtung der eröffnenden Bank4 begründet, eine konforme Dokumentenvorlage zu honorieren“. 1 2 3 4
Obermüller in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 101 Rz. 8. Huber, NZI 2002, 467. BGH v. 4.7.2002 – IX ZR 97/99, WM 2002, 1794. Eröffnende Bank ist gem. Art. 2 ERA 600 die Bank, die ein Dokumentenakkreditiv im Auftrag des Auftraggebers oder in eigenem Interesse eröffnet.
Frieder Bauer/Seeger | 1035
7.151
Dokumentenakkreditive | Teil 7
a) Insolvenz des Avalauftraggebers Die Bank bleibt grundsätzlich weiterhin aus dem erstellten Aval zur Zahlung verpflichtet, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine abstrakte Garantie oder eine akzessorische Bürgschaft handelt. Beiden Avalformen ist gemeinsam, dass sie unabhängig vom Avalauftrag wirksam begründet werden können.
7.136
Bei einer Garantie ist es zusätzlich unbeachtlich, ob der Insolvenzverwalter des Avalauftraggebers von seinem Wahlrecht nach § 103 InsO Gebrauch macht und das Grundgeschäft erfüllt oder nicht1, denn die Garantie ist vom abzusichernden Geschäft abstrakt. Die Bürgschaft ist zwar dauerhaft vom Schicksal des verbürgten Anspruchs abhängig, doch führt weder Insolvenzantragsstellung noch die Insolvenzeröffnung noch die Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter zum Erlöschen der verbürgten Forderung. Vielmehr bewirkt die Erfüllungsverweigerung nach § 103 InsO lediglich, dass der verbürgte Anspruch nicht mehr durchsetzbar ist. Die hierfür gestellten Sicherheiten gelten aber fort2. b) Insolvenz des Begünstigten Soweit auf den Avalbegünstigten deutsches Insolvenzrecht anwendbar ist, hat seine Insolvenz grundsätzlich keine Auswirkung auf den Bestand und die Durchsetzbarkeit des Avals. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus gegenseitigen Verträgen im Sinn einer materiell-rechtlichen Umgestaltung. Vielmehr verlieren die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Wählt der Verwalter Erfüllung, so erhalten die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche die Rechtsqualität von originären Forderungen gegen die Masse3.
7.137
Die Besonderheit bei Bürgschaften, zahlbar auf erstes Anfordern, wurde bereits erläutert (vgl. hierzu Rz. 7.82).
7.138–7.150
Einstweilen frei.
3. Abschnitt: Dokumentenakkreditive (Seeger) I. Grundlagen, wirtschaftliche Funktionen und Erscheinungsformen Das Dokumentenakkreditiv, eines der wichtigsten Instrumente der Außenhandelsfinanzierung, wird in Art. 2 der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive der Internationalen Handelskammer Revision 2007, ICC-Publikation Nr. 600 (ERA 600) wie folgt definiert: „Jede wie auch immer benannte oder bezeichnete Vereinbarung, die unwiderruflich ist und dadurch eine feststehende Verpflichtung der eröffnenden Bank4 begründet, eine konforme Dokumentenvorlage zu honorieren“. 1 2 3 4
Obermüller in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 101 Rz. 8. Huber, NZI 2002, 467. BGH v. 4.7.2002 – IX ZR 97/99, WM 2002, 1794. Eröffnende Bank ist gem. Art. 2 ERA 600 die Bank, die ein Dokumentenakkreditiv im Auftrag des Auftraggebers oder in eigenem Interesse eröffnet.
Frieder Bauer/Seeger | 1035
7.151
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Eine Dokumentenvorlage ist gem. Art. 2 ERA 600 dann konform, wenn sie in Übereinstimmung mit den Akkreditiv-Bedingungen, den anwendbaren Bestimmungen der ERA 600 und dem Standard internationaler Bankpraxis erfolgt.
7.152
Da die ERA 600 weltweit und nahezu ohne Ausnahme als Grundlage für die Erstellung und Abwicklung von Dokumentenakkreditiven herangezogen werden und deshalb die tägliche Praxis des Akkreditivgeschäftes maßgeblich prägen, sollen zunächst Hintergrund, Bedeutung, Rechtscharakter und mit den ERA 600 einhergehende Neuerungen näher betrachtet werden. Im Folgenden werden dann die wirtschaftlichen Funktionen des Dokumentenakkreditivs und dessen wichtigste Erscheinungsformen erläutert. 1. Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive
7.153
Beim Auslandsgeschäft der Kreditinstitute besteht ein großes Bedürfnis, möglichst von vornherein zu vereinbaren, ob die einschlägigen Vorschriften der eigenen oder der geschäftlich berührten ausländischen Rechtsordnung Anwendung finden sollen. Sofern eine solche Vereinbarung im Streitfall auch nicht nachträglich zustande kommt (vgl. Art. 3 Abs. 2 Rom I-Verordnung), muss nach den Grundsätzen des IPR ermittelt werden, welches Recht auf das Geschäft anwendbar ist. Dabei ist wiederum zu unterscheiden zwischen den weitgehend der Parteivereinbarung überlassenen Bestimmungen des Privatrechts und den weitgehend nicht dispositiven Bestimmungen des öffentlichen Rechts, insbesondere des Devisen-, Währungs- und Außenwirtschaftsrechts. Die Schwierigkeiten sowie der zeitliche und kostenmäßige Aufwand bei der Ermittlung der anwendbaren Rechtsordnung und der Umstand, dass die so ermittelten Regelungen von Rechtsordnung zu Rechtsordnung stark divergieren können, obwohl sie den gleichen Sachverhalt regeln, haben zu der Forderung nach weitestmöglich einheitlichen internationalen Regeln geführt. Hieran sind nicht nur die Beteiligten an auslandsbezogenen Geschäften interessiert. Die Staaten selbst verfolgen bei solchen internationalen Übereinkommen das Interesse, bei den erforderlichen Verhandlungen dem Inhalt ihrer gesetzlichen Regelungen über die eigenen Grenzen hinaus Geltung zu verschaffen.
7.154
Solche erwünschten internationalen Regelungen außerhalb staatlicher Abkommen beinhalten die von der International Chamber of Commerce/Internationale Handelskammer in Paris (ICC) zur Anwendung empfohlenen Richtlinien für bestimmte Bereiche des Auslandsgeschäfts. Eine wesentliche Aufgabe der ICC besteht darin, weltweit den Handel zu erleichtern und die internationale Investitionstätigkeit zu stärken. Die Vereinheitlichung und Förderung der Handelspraxis und -terminologie ist ein wichtiges Mittel zur Erreichung dieses Zieles. Dies geschieht insbesondere durch Publikation von erarbeiteten „Einheitlichen Richtlinien“. Diese Richtlinien sollen praxisbezogene und international gültige Instrumente schaffen, die einen weltweiten Standard zur Abwicklung des Handels- und Zahlungsverkehrs auf höchstem Niveau setzen1. Sie sind Ausdruck der Selbstregulierung durch die Privatwirtschaft, einem der grundlegenden ICC-Prinzipien. Die weltweite Akzeptanz der ICC-Richtlinien und deren Definitionen sind ein überzeugendes Beispiel dafür, dass Geschäftsleute aus Ländern mit unterschiedlichen Rechtssystemen in der Lage sind, eigene praxisbezogene und international geltende Instrumente für die Durchführung von Handelsgeschäften zu erstellen und anzuwenden2. 1 Vorwort zu den „Einheitlichen Richtlinien für Inkassi“, ICC-Publikation Nr. 522. 2 Vorwort zu den „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive“, ICCPublikation Nr. 500.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
Ein Bedürfnis nach solchen internationalen Regelungen zeigte sich vor allem für das Dokumentenakkreditiv, das seine eigentliche Bedeutung mit dem starken Wachstum des Welthandels erlangte. Für die Ausgestaltung und dokumentäre Abwicklung der Dokumentenakkreditive bedarf es präziser Bestimmungen und der Regelung technischer Einzelheiten, die international gleichmäßig verstanden und angewandt werden1. Solche Regelungen haben sich zunächst aus der Praxis selbst entwickelt. Unter der Federführung der ICC erfolgte sodann ihre Feststellung in den „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive“, deren erste Fassung aus dem Jahre 1933 stammt und mehreren Revisionen in den Jahren 1951, 1962, 1974, 1983 und 1993 unterzogen worden ist. Die letzte Überarbeitung ist unter der Überschrift „ICC Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive ERA 600“ am 1.7. 2007 in Kraft getreten und löste die aus dem Jahre 1993 stammende Vorgängerfassung (ERA 500) ab. Im Zuge der jüngsten Revision der ERA hat die ICC zudem die unter der Abkürzung „eUCP“ geläufige Publikation „Supplement to the Uniform Customs and Practice for Documentary Credits for Electronic Presentation (Version 1.1)“ veröffentlicht, um zu gewährleisten, dass auch für den Fall der Präsentation von elektronischen Dokumenten ein mit den ERA 600 harmonierender Regelungsrahmen zur Verfügung steht. Die eUCP gelten in ihrer aktuellen Version ergänzend zu den ERA 600 und sind deshalb mit diesen zusammen zu lesen2. Im Jahr 2018 hat die ICC Banking Commission im Zuge einer Initiative zur Überprüfung der „e-compatibility of ICC rules“ eine Aktualisierung der eUCP beschlossen, deren Finalisierung im Laufe des Jahre 2019 zu erwarten ist3. a) Rechtliche Einordnung Die ERA 600 sind in den einzelnen Ländern „eingeführt“ oder „angenommen“ worden. Hiermit ist nicht die Übernahme der Richtlinien in das innerstaatliche Recht durch Gesetz zu verstehen. Rechtlich gesehen sind die ERA 600 vielmehr Formulierungen, die von den Bankenverbänden der einzelnen Länder im Rahmen der ICC abgesprochen worden sind. Der rechtliche Charakter der ERA 600 wird nicht einheitlich beurteilt. Wegen ihrer internationalen Verbreitung und nahezu lückenlosen Befolgung wird mitunter versucht, ihre Rechtsnatur unabhängig vom jeweils anwendbaren nationalen Recht zu bestimmen. Diese Bemühungen sind von vornherein aussichtslos, da die ICC unzweifelhaft keine supranationale Rechtssetzungshoheit besitzt4. Die ERA 600 sind deshalb keine internationale Rechtsordnung „sui generis“ und auch kein „normatives Regelwerk“. Im Übrigen haben sich die ERA 600 und ihre Vorläufer auch nicht zu einem Gewohnheitsrecht entwickelt5. 1 Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 10. 2 S. hierzu Article e1 a) eUCP, in dem es wie folgt heißt: „The Supplement to the Uniform Customs and Practice for Documentary Credits for Electronic Presentation („eUCP“) supplements the Uniform Customs and Practice for Documentary Credits (2007 Revision, ICC Publication No. 600) („UCP“) in order to accommodate presentation of electronic records alone or in combination with paper documents.“ 3 S. auch Rz. 7.275 zum Thema „eURC“ für das Dokumenteninkasso. 4 Wälzholz, WM 1994, 1457, 1458; Hasse, WM 1993, 1985, 1989; Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 16. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, ERA Einl. Rz. 5; Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 17, 18. Vgl. weiter Nielsen, WM 1999, 2005, 2011.
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7.155
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
7.156
Nach heute ganz herrschender Meinung sind die ERA 600 als AGB einzuordnen1. Der Einstufung als AGB steht nicht entgegen, dass an der Ausarbeitung dieser Klauseln alle am internationalen Handels- und Zahlungsverkehr beteiligten Wirtschaftskreise mitgewirkt haben. Werden Vertragsbedingungen auf Verbandsebene oder auf sonstige kollektive Weise ausgehandelt, werden die gemeinsam erstellten Bedingungen nicht etwa zu Individualabreden i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, so dass diese Regelungen keine AGB darstellen. Werden diese Kollektivvereinbarungen erst durch rechtsgeschäftliche Absprachen zum Inhalt des Einzelvertrages, sind sie als AGB zu behandeln, wenn sie im Einzelvertrag von einer Partei als Verwender der anderen Partei gestellt werden2.
7.157
Die Einordnung der ERA 600 als AGB schließt aber nicht aus, dass einzelne ERA 600Klauseln wegen mittlerweile lang anerkannter Übung zum Handelsbrauch werden3. Dies gilt z.B. für den Grundsatz der Unabhängigkeit des Akkreditivs vom Grundgeschäft4. Danach kann die eröffnende Bank dem Akkreditivbegünstigten keine Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen Verkäufer und dem Käufer oder aus dem Vertragsverhältnis zu ihrem Kunden (Akkreditivauftraggeber) entgegenhalten. Als Handelsbrauch ist auch der Grundsatz der Dokumentenstrenge einzuordnen, wonach die eröffnende Bank nicht befugt ist, von den Weisungen des Akkreditivauftraggebers abzuweichen, wie dies nach den allgemeinen auftragsrechtlichen Grundsätzen (§ 665 BGB) im Einzelfall zulässig wäre5. Nach einer Mindermeinung stellen die ERA 600 in ihrer Gesamtheit Handelsbrauch dar, der weltweit anerkannt ist6. Zudem wird die Auffassung vertreten, dass die ERA 600 ein Normgefüge eigener Art darstellen, das einer international einheitlichen Auslegung und Anwendung unterliegt7.
7.158
Die grundsätzliche Einordnung der ERA 600 als AGB und nicht als Handelsbrauch hat insbesondere Bedeutung für die Voraussetzungen ihres Wirksamwerdens. Soweit die ERA 600-Klauseln als Handelsbrauch einzustufen sind, gelten sie wie eine gesetzliche Regelung ohne Unterwerfung und benötigen deshalb keine Einverständniserklärung für ihre Wirksamkeit8. Dagegen werden AGB-Klauseln gegenüber der Privatkundschaft erst wirksam, wenn die Voraussetzungen der erforderlichen rechtsgeschäftlichen Einbeziehung in den Vertrag gem. § 305 Abs. 2 BGB erfüllt sind. Diese strengen Anforderungen entfallen zwar gem. § 310 Abs. 1 BGB im unternehmerischen Geschäftsverkehr, auf den sich solche Akkreditiveröffnungen fast ausnahmslos beschränken. Auch im unternehmerischen 1 BGH v. 26.11.1968 – VI ZR 212/66, WM 1969, 38 ff. als obiter dictum; ferner BGH v. 26.9.1989 – XI ZR 159/88, ZIP 1989, 1451; OLG München v. 3.7.1996 – 7 U 2162/96, WM 1996, 2335, 2336; LG Frankfurt v. 6.10.1995 – 3/11 O 31/95, WM 1996, 153; OLG Hamm v. 2.10.1996 – 21 U 224/95, WM 1997, 609, 610; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 927; Nielsen, WM 1999, 2005, 2011. 2 Zu vergleichbaren Fällen s. OLG Köln v. 11.10.1988 – 25 U 26/87, WM 1989, 93, 95. 3 von Westphalen, DB 1992, 2017. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, ERA Einl. Rz. 5. 5 BGH v. 27.6.1988 – II ZR 283/87, WM 1988, 1298, 1300; OLG München v. 13.12.1996 – 23 U 4026/96, BB 1998, 125, 126. 6 Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 1/17–18; Wälzholz, WM 1994, 1457, 1463; vgl. weiter Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 19. 7 In diesem Sinne Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 33. 8 Hopt in Baumbach/Hopt, ERA Einl. Rz. 5.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
Verkehr muss der Kunde aber die Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme vom Inhalt der AGB haben1. Hierzu brauchen freilich die AGB dem für den Vertragsabschluss maßgeblichen Schreiben nicht beigelegt zu werden oder ausgehändigt zu sein. Von Kaufleuten kann erwartet werden, dass sie ihnen unbekannte AGB anfordern oder sich sonst beschaffen2. Deshalb ist bereits der Verweis in AGB auf andere AGB wirksam, wenn Kaufleute mit einem solchen Verweis rechnen müssen, wie dies auf die ERA 600 zutrifft. Die ERA 600 schreiben jedoch in Art. 1 vor, dass zur Klarstellung eine ausdrückliche Einbeziehung der ERA 600 zu erfolgen hat, wie sie auch die üblichen Auftragsformulare für Akkreditive vorsehen. Diese formularmäßige Handhabung entspricht zudem den AGB der Banken (Nr. 1 Abs. 1 AGB-Banken). Danach werden die für einzelne Geschäftsbeziehungen geltenden Sonderbedingungen, zu denen auch die ERA 600 gehören, bei der Erteilung eines Auftrages zur Eröffnung eines Akkreditivs mit dem Kunden vereinbart, wenn dies nicht schon bei der Kontoeröffnung erfolgt ist. Soweit der einer Bank erteilte Auftrag zur Erstellung eines Akkreditivs deutschem Recht unterliegt, findet nach ganz überwiegender Meinung wegen des AGB-Charakters die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB statt3. Diese Inhaltskontrolle hat sich nach Wolf an internationalen Rechtsstandards zu orientieren4. Stellt dagegen eine ERA 600-Klausel einen Handelsbrauch dar, entfällt diese Inhaltskontrolle, weil sie kraft gesetzlicher Geltung (§ 346 HGB) wirksam geworden ist5.
7.159
Bei der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB ist jedoch auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen, § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB. Diese können sich aber nach überwiegender Meinung nur in den Grenzen von Treu und Glauben durchsetzen6. Die Inhaltskontrolle betrifft hauptsächlich die Art. 34 bis 37 ERA 6007. Nach Art. 34 ERA 600 übernehmen die Banken keine Haftung oder Verantwortung für Vollständigkeit, Form, Genauigkeit, Echtheit, Verfälschung oder Rechtswirksamkeit irgendwelcher Dokumente oder für die den Dokumenten hinzugefügten allgemeinen oder besonderen Bedingungen. Diese Haftungsfreizeichnung bezieht sich aber nicht auf die Pflicht der Bank zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit und Vollständigkeit der Dokumente sowie ihre Übereinstimmung mit den Akkreditivbedingungen, wie sie in Art. 14 ERA 600 festgeschrieben ist. Danach muss die Bank die Dokumentenvorlage prüfen, um allein auf Grund der Dokumente zu entscheiden, ob die Dokumente ihrer äußeren Aufmachung nach eine konforme Dokumentenvorlage zu bilden scheinen. Bei dieser Prüfungspflicht handelt es sich um eine vertragswesentliche Pflicht i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB8. Bei solchen Kardinalpflichten9 1 Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 131. 2 Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 131. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, ERA Einl. Rz. 7; von Westphalen, WM 1980, 178, 179. Nach Jäger/ Haas ist der Maßstab der Inhaltskontrolle bei solchen kollektiv ausgehandelten Klauseln zu lockern (in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 20 m.w.N.); vgl. weiter Wälzholz, WM 1994, 1457, 1459. 4 Wolf, ZHR 153 (1989), 300, 320. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, ERA Einl. Rz. 5. 6 Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 310 BGB Rz. 26. 7 Zu den Einzelheiten vgl. Schmidt in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Teil, Rz. A 125 ff. 8 Schmidt in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Teil, Rz. A 127; vgl. weiter BGH v. 26.9.1989 – XI ZR 159/88, WM 1989, 1713, 1714. 9 Schmidt in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Teil, Rz. A 127.
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7.160
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
kann nach übereinstimmender Meinung auch nicht die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden1.
7.161
Umstritten sind die Maßstäbe für eine sachgerechte Auslegung der ERA 600-Klauseln. Nach herrschender Meinung sind die ERA 600 wegen ihrer Zielsetzung aus sich selbst ohne Rückgriff auf nationale Gesetze auszulegen2. Dies entspricht auch der Praxis der Bankenkommission der ICC3. Regelungslücken müssen deshalb vorrangig aus den ERA 600 gefüllt werden. Die maßgebliche nationale Rechtsordnung kann also nur ergänzend herangezogen werden4. Nach Wolf hat die Auslegung unter Berücksichtigung der bei international verwendeten AGB gegebenen Umstände zu erfolgen5.
7.162
Wenngleich es für die Auslegung der ERA 600 und ihrer Vorläufer keine zentrale Instanz gibt, trägt doch die ICC dazu bei, einer unterschiedlichen Auslegung der ERA 600 entgegenzuwirken. Dies geschieht durch die in regelmäßigen Abständen veröffentlichten „Opinions of the ICC Banking Commission“, die Veröffentlichung von DOCDEX-Entscheidungen6, eines Leitfadens für die Anwendung der ERA 600 in der Praxis (ISBP7) und des von der ICC Drafting Commission herausgegebenen „Commentary on UCP 600, Article-by-Article Analysis by the UCP Drafting Group“8. b) ERA 600
7.163
Die jüngste, nunmehr sechste Revision der Richtlinien (ERA 600) hat formal dazu geführt, dass die Zahl der Artikel von 49 auf 39 reduziert und der systematische Aufbau der Richtlinien stark verändert wurde. Materiell gibt es zwar keine gravierenden Änderungen, jedoch eine Reihe von Ergänzungen, Verfeinerungen und Anpassungen, die für die Akkreditivpraxis von Bedeutung sind9. Zu den wichtigsten Änderungen zählen: 1 2 3 4 5 6
7
8 9
Schmidt in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Teil, Rz. A 127. Hopt in Baumbach/Hopt, ERA Einl. Rz. 8. Wolf, ZHR 153 (1989), 300, 306; Hopt in Baumbach/Hopt, ERA Einl. Rz. 8. Steindorff in FS von Caemmerer, 1978, S. 761, 765; Nielsen in BuB, Rz. 5/501; Hopt in Baumbach/Hopt, ERA Einl. Rz. 8. Wolf, ZHR 153 (1989), 300, 320. Die von (durch die ICC Banking Commission berufenen) Experten getroffenen Entscheidungen, die nicht zu einem vollstreckbaren Titel führen, werden auf Grundlage der ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise (DOCDEX) gefällt. Vgl. hierzu Vorpeil, ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise (DOCDEX), RIW 2003, 370 ff. sowie zur Spruchtätigkeit Collected DOCDEX Decisions 1997–2003, ICC Publication No. 665. Mit Wirkung vom 1.5.2015 ist die jüngste Fassung der ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise (DOCDEX) in Kraft getreten (verfügbar unter https:// iccwbo.org/dispute-resolution-services/docdex). ICC Banking Commission International Standard Banking Practice; die jüngste Fassung wurde im April 2013 publiziert (ICC-Publication No. 745 E). Zum Verhältnis der ISBP zu den UCP 600 heißt es in der Einleitung zu den ISBP wie folgt: „It is important to note that this document does not amend UCP 600. It explains how practices articulated in UCP 600 are to be applied by documentary credit practitioners. This publication and the UCP should be read in their entirety and not in isolation.“ S. zum Ganzen auch Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. H 8 m.w.N. Vgl. zum Ganzen Holzwarth, IHR 2007, 136 ff. sowie Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, Rz. 1–7.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
– Das zeitliche Limit für die Dokumentenprüfung (bisher eine angemessene, sieben Bankarbeitstage nicht überschreitende Zeit, Art. 13b ERA 500) beträgt nunmehr maximal fünf Bankarbeitstage (Art. 14b ERA 600). – für die Verpflichtung der Eröffnungs- sowie der Bestätigungsbank bei Sicht-, Nachsicht und Akzeptierungsakkreditiven wurde der Oberbegriff „honorieren“ eingeführt. Honorieren bedeutet gem. Art. 2 ERA 600 „(a) bei Sicht zu zahlen, wenn das Akkreditiv durch Sichtzahlung nutzbar ist, (b) eine Verpflichtung zur hinausgeschobenen Zahlung zu übernehmen und bei Fälligkeit zu zahlen, wenn das Akkreditiv durch hinausgeschobene Zahlung benutzbar ist, (c) einen vom Begünstigten gezogenen Wechsel („Tratte“) zu akzeptieren und diesen bei Fälligkeit zu zahlen, wenn das Akkreditiv durch Akzeptleistung benutzbar ist.“ – Unter Negoziierung (bislang gem. Art. 10b (ii) ERA 500 definiert als Zahlung von Geld gegen Tratten und/oder Dokumente durch die zur Negoziierung ermächtigte Bank) wird nunmehr gem. Art. 2 ERA 600 verstanden „der Ankauf von Tratten (die auf eine andere Bank als die benannte Bank1 gezogen sind) und/oder von Dokumenten aus einer konformen Dokumentenvorlage durch die benannte Bank unter Vorleistung oder Übernahme einer Verpflichtung zur Vorausleistung von Geldmitteln an den Begünstigten vor oder an dem Bankarbeitstag, an dem der Rembours an die benannte Bank fällig ist“. – Mittels Art. 12b ERA 600 und der korrespondierenden Art. 7c Satz 2 und 8c Satz 2 ERA 600 wird der Versuch unternommen, die vorzeitige Auszahlung von Akkreditiven, die durch hinausgeschobene Zahlung benutzbar sind sowie den Akzeptankauf unter Akzeptierungsakkreditiven durch die benannte Bank für zulässig zu erklären. Nielsen ist zuzustimmen, wenn er Art. 12b ERA 600 sowie die korrespondierenden Art. 7c und 8c ERA 600 wegen Widerspruchs zu den Grundsätzen der Auftrags- und Dokumentenstrenge für unwirksame Überraschungsklauseln i.S.d. § 305c BGB hält2. Kritisch sind auch Kessler3 und Ehrlich/Haas/Zahn4, die zudem darauf hinweisen, dass Art. 12b ERA 600 eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 und 2 BGB zur Folge haben könnte. Vor diesem Hintergrund kann es sich aus Sicht der eröffnenden Bank und des Akkreditivauftraggebers empfehlen, Art. 12b, 7c Satz 2 und 8c Satz 2 ERA 600 auszuschließen5. 2. Wirtschaftliche Funktionen des Akkreditivs a) Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs Das Akkreditiv ist vor allem ein Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, das der Erfüllung von Zahlungsverbindlichkeiten mit Buchgeld an Stelle von Bargeld dient. Dieses 1 Benannte Bank ist gem. Art. 2 ERA 600 die Bank, bei der das Akkreditiv benutzbar gestellt ist, oder im Fall eines Akkreditivs, das bei jeder Bank benutzbar gestellt ist, jede Bank. 2 Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, Rz. 80–83, 92, 118; Nielsen, TranspR 2008, 269, 270. 3 Kessler in Blesch/Lange u.a., Bankgeschäfte mit Auslandsbezug, Rz. 650 ff. 4 Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 385 ff. m.w.N. 5 Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, Rz. 83, 92 und 118; für einen Ausschluss jedenfalls von Art. 12b ERA 600 auch Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 177.
Seeger | 1041
7.164
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Zahlungsinstrument ist insoweit vergleichbar mit einer Banküberweisung oder einem Auftrag zum Einzug von Wechseln oder Schecks1.
7.165
Bei dem dem Akkreditiv zugrunde liegenden Warengeschäft handelt es sich um das Valutageschäft, während die Rechtsbeziehung des Käufers zu seiner akkreditveröffnenden Bank wie auch sonst im bargeldlosen Zahlungsverkehr als Deckungsgeschäft bezeichnet wird.
7.166
Soweit nicht der seltene Fall eines Inlandsakkreditivs vorliegt, werden beim Akkreditiv bargeldlose Zahlungen ins Ausland geleistet, wie dies auch bei einer Banküberweisung zugunsten eines im Ausland ansässigen Zahlungsbegünstigten der Fall ist. Das auslandsbezogene Inkassogeschäft der Kreditinstitute führt dagegen umgekehrt zu bargeldlosen Zahlungen ins Inland. b) Sicherungsfunktion
7.167
Neben dieser Zahlungsfunktion hat das Dokumentenakkreditiv zugleich Sicherungsfunktion2. Sie kommt vor allem dem Akkreditivbegünstigten, aber auch dem Akkreditivauftraggeber zugute.
7.168
Der Verkäufer ist durch das Akkreditiv vor der Gefahr geschützt, dass er seine Ware aus der Hand gibt, ohne den Kaufpreis zu erhalten. Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit des Käufers wird dem Verkäufer von der akkreditiveröffnenden Bank abgenommen. Dieses Bonitätsrisiko ist für den Verkäufer aus dem Ausland oft besonders schwer abzuschätzen. Die Sicherung des Verkäufers als Akkreditivbegünstigtem wird dadurch verwirklicht, dass er durch die Akkreditiveröffnung neben seinem Kaufpreisanspruch gegenüber dem Käufer einen unmittelbaren und selbständigen Zahlungsanspruch gegenüber der akkreditiveröffnenden Bank erwirbt. Dieser Zahlungsanspruch ist losgelöst vom zugrunde liegenden Valutaverhältnis und daher grundsätzlich geschützt vor Einwendungen und Einreden aus dem Valuta- und Deckungsverhältnis, wie es für ein abstraktes Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB typisch ist3. Deshalb wäre der Einwand der Akkreditivbank unzulässig, dass das Valutaverhältnis zwischen ihrem Kunden und dem Akkreditivbegünstigten fehlerhaft sei oder dass sie von ihrem Kunden als Akkreditivauftraggeber keine Deckung erhalten habe. Mit Rücksicht auf die Abstraktheit des dem Akkreditiv zugrunde liegenden Schuldverhältnisses kann die akkreditiveröffnende Bank gegenüber dem Akkreditivbegünstigten auch nicht mit Ansprüchen aufrechnen, die ihr vom Akkreditivauftraggeber aus dem zugrunde liegenden Valutaverhältnis abgetreten worden sind4. Der Ausschluss von Einwendungen und Einreden aus dem Valuta- und Deckungsverhältnis ergibt sich aus Art. 4a ERA 600. In dieser Bestimmung heißt es: „Ein Akkreditiv ist seiner Natur nach ein von dem Kauf- oder anderen Vertrag, auf dem es möglicherweise beruht, getrenntes Geschäft. Banken haben in keiner Hinsicht etwas mit einem solchen Vertrag zu tun und sind durch ihn auch nicht gebunden, selbst wenn im Akkreditiv irgendein Bezug darauf enthalten ist. Folglich ist die Verpflichtung einer Bank, zu honorieren, negoziieren oder irgendeine andere Verpflichtung unter dem Akkreditiv zu 1 2 3 4
LG Hamburg v. 18.11.1996 – 415 O 106/96, WM 1997, 258; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 916. LG Hamburg v. 18.11.1996 – 415 O 106/96, WM 1997, 258. Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch Rz. K/1. BGH v. 22.4.1985 – II ZR 180/84, WM 1985, 684, 685 = BGHZ 94, 167 ff. = NJW 1985, 1829 ff.; vgl. hierzu Rümker, ZGR 1986, 332 ff., zu der insoweit vergleichbaren Übernahme einer Zahlungsgarantie vgl. weiter BGH v. 18.9.1958 – VII ZR 170/57, WM 1959, 25, 26.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
erfüllen, nicht abhängig von Ansprüchen oder Einreden des Auftraggebers, die sich aus seinen Beziehungen zur eröffnenden Bank oder zum Begünstigten ergeben. Ein Begünstigter kann sich keinesfalls auf die vertraglichen Beziehungen berufen, die zwischen den Banken oder zwischen dem Auftraggeber und der eröffnenden Bank bestehen.“ Die Sicherung des Käufers liegt darin, dass die von ihm beauftragte akkreditiveröffnende Bank Zahlung nur gegen Aushändigung bestimmter Dokumente leistet. Mit Hilfe dieser Dokumente sind meistens Verfügungen über die Ware bereits vor deren Übergabe möglich. Zumindest bescheinigen diese Dokumente die Absendung der Ware.
7.169
Mit Hilfe des Dokumentenakkredititivs wird im Ergebnis ein Leistungsaustausch Zug um Zug erreicht, der ansonsten wegen der räumlichen Distanz zwischen Käufer und Verkäufer ausgeschlossen wäre. Indem der Erhalt der Dokumente aus der Sicht des Käufers an die Stelle der Aushändigung der Ware tritt, ist er in gleicher Weise wie der Verkäufer gegen das Risiko der Nichtleistung des anderen Vertragsteils geschützt.
7.170
c) Kreditfunktion Mit dem Bereitstellen eines Dokumentenakkreditivs kann der Käufer seine liquiden Finanzmittel schonen. Es brauchen keine Vorauszahlungen an den Verkäufer geleistet zu werden. Auch verlangt die akkreditiveröffnende Bank regelmäßig von dem Käufer als ihrem Auftraggeber keine Bardeckung für die übernommene Zahlungsverpflichtung aus dem Akkreditiv. Schließlich können die aufgenommenen Dokumente eine Sicherheit darstellen, die dem Käufer die Möglichkeit eröffnen, von der akkreditiveröffnenden Bank einen Kredit zu erlangen.
7.171
Der Verkäufer wiederum kann sich auf Grundlage des zu seinen Gunsten abgegebenen Akkreditivversprechens der eröffnenden Bank bei seiner Hausbank einen Kredit zum Erwerb oder zur Herstellung der exportierten Ware verschaffen.
7.172
3. Erscheinungsformen des Dokumentenakkreditivs a) Verschiedene Abwicklungsmodalitäten Die ERA 600 unterscheiden hinsichtlich der Abwicklung bzw. Benutzbarkeit eines Dokumentenakkreditivs zwischen folgenden vier Typen (vgl. Art. 7a und 8a ERA 600): – Sichtakkreditiv: Die Abwicklung erfolgt durch bargeldlose Zahlung bei Sicht, d.h. Zug um Zug gegen Aufnahme der präsentierten Dokumente. – Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung: Die Abwicklung erfolgt durch bargeldlose Zahlung zu einem näher zu bestimmenden Zeitpunkt nach Aufnahme der präsentierten Dokumente1. – Akzeptakkreditiv: Die Abwicklung erfolgt durch Akzeptleistung und Bezahlung der Tratte bei Fälligkeit. – Negoziierungsakkreditiv: Die Abwicklung erfolgt durch Ankauf von Tratten und/oder Dokumenten durch die benannte Bank unter Vorleistung oder Übernahme einer Verpflichtung zur Vorleistung von Geldmitteln an den Begünstigten. 1 Vgl. ausführlich Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/ 123–125.
Seeger | 1043
7.173
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
b) Widerrufliches/unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv
7.174
Das unwiderrufliche Akkreditiv begründet eine unabänderlich feststehende Verpflichtung der eröffnenden Bank, die im Akkreditiv versprochene Leistung zu erbringen. Der Begünstigte kann sich also bei konformer Dokumentenvorlage und Erfüllung etwaiger anderer Akkreditivbedingungen darauf verlassen, unter dem Akkreditiv befriedigt zu werden. Entsprechend kann ein unwiderrufliches Akkreditiv nur mit Zustimmung aller Beteiligten annulliert oder abgeändert werden (vgl. Art. 10a ERA 600).
7.175
Im Gegensatz hierzu kann ein widerrufliches Akkreditiv jederzeit annulliert oder geändert werden. Während das widerrufliche Akkreditiv in den ERA 500 noch ausdrücklich Erwähnung fand1, definieren die ERA 600 das Dokumentenakkreditiv in Art. 4a ausschließlich als unwiderrufliches Instrument. Hintergrund für diese Regelung dürfte gewesen sein, dass widerrufliche Akkreditive in der Praxis keine große Rolle spielen. c) Bestätigtes/unbestätigtes Dokumentenakkreditiv
7.176
Gemäß Art. 2 ERA 600 handelt es sich bei der Bestätigung eines Akkreditivs um „eine feststehende Verpflichtung der bestätigenden Bank2, zusätzlich zu derjenigen der eröffnenden Bank, eine konforme Dokumentenvorlage zu honorieren oder zu negoziieren“. Im Gegensatz zum unbestätigten Akkreditiv erhält der Begünstigte beim bestätigten Akkreditiv also neben der eröffnenden Bank einen weiteren Schuldner für die Akkreditivverbindlichkeit. Nach deutschem Recht ist die von der Bestätigungsbank übernommene Verpflichtung als abstraktes Schuldversprechen gem. § 780 BGB zu qualifizieren; eröffnende und bestätigende Bank haften dem Begünstigten als Gesamtschuldner3. In der Praxis kommt es regelmäßig dann zu Akkreditivbestätigungen, wenn der Begünstigte das Bonitäts- und Länderrisiko der eröffnenden Bank meiden will und zu diesem Zweck ein Akkreditiv fordert, das von seiner Hausbank bestätigt wird. d) Standby-Letter of Credit
7.177
Während der Letter of Credit4 die im US-amerikanischen Recht gebräuchliche Form des Dokumentenakkreditivs ist, handelt es sich beim Standby-Letter of Credit um ein Zahlungsversprechen, dem die Funktion einer Bürgschaft bzw. einer Garantie auf erstes Anfordern zukommt5. Der Hauptunterschied zwischen Letter of Credit und Standby-Letter of Credit besteht darin, dass ersterer zur Sicherung der Bezahlung einer Warenlieferung dient, während letzterer die Schadloshaltung des Begünstigten bezweckt. Zur Entstehung 1 Art. 8 ERA 500 enthielt Regelungen zum Wesen des widerruflichen Akkreditivs, Art. 6b ERA 500 regelte, dass jedes Akkreditiv eindeutig angeben soll, ob es widerruflich oder unwiderruflich ist, und Art. 6c ERA 500 sah vor, dass ein Akkreditiv, bei dem diese Angabe fehlt, als unwiderruflich galt. 2 Bestätigende Bank ist gem. Art. 2 ERA 600 die Bank, die einem Akkreditiv auf Grund Ermächtigung oder im Auftrag der eröffnenden Bank ihre Bestätigung hinzufügt. 3 Vgl. Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 95 m.w.N. 4 Auch Commercial Letter of Credit genannt. 5 Vgl. hierzu ausführlich Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 8/1 ff.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
des Standby-Letter of Credit kam es, weil es US-amerikanischen Banken nach der dortigen Bankengesetzgebung bis 1996 untersagt war, Bürgschaften und Garantien auf erstes Anfordern herauszulegen1. Da ihnen das Akkreditivgeschäft gestattet war, nutzten die US-amerikanischen Banken das Garantieakkreditiv in der Form des gegen Vorlage von Dokumenten zahlbar gestellten Standby-Letter of Credit als Ausweg2. Trotz der revidierten Gesetzgebung ist das historisch gewachsene und im Markt anerkannte Instrument bis heute stark verbreitet. Der Standby-Letter of Credit ist wie das in Deutschland gebräuchliche Dokumentenakkreditiv regelmäßig nur an einem bestimmten Ort zahlbar. Es gibt aber auch die Variante, dass der Begünstigte die freie Wahl hat, von ihm ausgestellte Wechsel oder sonstige Dokumente jeder beliebigen Bank zum Ankauf oder zur Negoziierung anzubieten, sofern diese Bank zur Übernahme der Funktion der hierfür benötigten Zahlstelle bereit ist. Die den Standby-Letter of Credit ausstellende Bank schreibt also in diesen Fällen die Zahlstelle nicht vor, sondern richtet eine Art „offene Einladung“ an alle zur Übernahme der Zahlstellenfunktion bereiten Kreditinstitute.
7.178
Die Bestimmungen der ERA 600 sind auf den Standby-Letter of Credit nur eingeschränkt anwendbar (Art. 1 Satz 1 ERA 600)3. Zudem sind am 1.1.1999 die ICC Rules for International Standby Practices (ISP 1998, ICC-Publ. Nr. 590) in Kraft getreten, die eine Spezialregelung für Standby-Letters of Credit vorsehen. Ungeachtet dessen unterstellen nach wie vor eine Reihe von Banken aus dem angloamerikanischen aber auch aus dem europäischen Rechtskreis die von ihnen herausgelegten Standby-Letters of Credit den ERA 600.
7.179
Bei einem Standby-Letter of Credit, der die gleiche Funktion wie eine Garantie auf erstes Anfordern hat, können die Rechtsgrundsätze angewendet werden, die für eine Garantie auf erstes Anfordern entwickelt worden sind. So kann insbesondere der Inanspruchnahme aus dem Standby-Letter of Credit der Einwand des Rechtsmissbrauchs unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einer Garantie auf erstes Anfordern entgegen gehalten werden4.
7.180
II. Grundgeschäftsvertrag zwischen Akkreditivauftraggeber und Akkreditivbegünstigtem Im Grundfall des Akkreditivgeschäfts verpflichtet sich der Importeur im Liefervertrag mit dem ausländischen Exporteur der Ware, durch seine Bank ein Akkreditiv zugunsten des Exporteurs eröffnen zu lassen, auf Grund dessen der Exporteur bei Einreichung der vereinbarten Dokumente von der Bank Zahlung erlangen kann (sog. Akkreditivklausel).
7.181
Bei den Dokumenten kann es sich um Transportdokumente (Art. 19–25 ERA 600), Versicherungsdokumente (Art. 28 ERA 600), Handelsrechnungen (Art. 18 ERA 600) oder andere Dokumente (Art. 14f ERA 600), wie insbesondere Lagerscheine, Lieferscheine, Ursprungszeugnisse und Gewichts-, Inspektions-, Analysen- oder Qualitätszertifikate han-
7.182
1 Vgl. hierzu Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 24. 2 Vgl. Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 122 m.w.N. 3 Zur Frage, welche Artikel der ERA 500 im Einzelnen anwendbar bzw. nicht anwendbar sind, vgl. Nielsen, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 2, 3; s. zudem Nielsen, Richtlinien für das Dokumentenakkreditiv, Rz. 4–6. 4 OLG Frankfurt v. 18.3.1997 – 5 U 229/95, WM 1997, 1893, 1895.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
deln. Die größte praktische Bedeutung haben die Transportdokumente, insbesondere die See-Konnossemente (Art. 20 ERA 600), weil Dokumentenakkreditive zumeist bei Schiffsverladungen eröffnet werden1.
7.183
Insbesondere für den Exporteur ist die Ausgestaltung der Akkreditivklausel von großer Wichtigkeit, da sie für ihn im Grunde die einzige Möglichkeit darstellt, auf die Ausgestaltung des Akkreditivs Einfluss zu nehmen, die im Übrigen ja dem Importeur und der weisungsgebundenen Akkreditivbank obliegt und somit der Einflussnahme des Exporteurs entzogen ist. Die Eröffnung des Akkreditivs erfolgt nicht an Erfüllungs statt, sondern erfüllungshalber2. Der Kaufpreisanspruch des Exporteurs erlischt also erst dann, wenn der Exporteur unter dem Akkreditiv tatsächlich Zahlung erhalten hat.
III. Beauftragung der eröffnenden Bank durch den Akkreditivauftraggeber 1. Rechtsnatur des Akkreditivauftrages
7.184
Die Rechtsbeziehung zwischen der akkreditiveröffnenden Bank und ihrem Kunden, dem Akkreditivauftraggeber, wird in den ERA 600 nur unvollkommen geregelt. Nach deutschem Recht handelt es sich nach Rechtsprechung und herrschender Lehre um einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 675, 631 BGB)3. Denn die Bank verpflichtet sich – im Unterschied zum Dokumenteninkasso, das rechtlich als Dienstvertrag zu qualifizieren ist (§§ 611 ff. BGB) – zu einem bestimmten Erfolg (vgl. § 631 Abs. 2 BGB). Sie hat gegenüber dem Akkreditivbegünstigten ein selbständiges, durch die fristgerechte Einreichung bestimmter vorgeschriebener Dokumente bedingtes abstraktes Schuldversprechen abzugeben4. Die Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunde hat daher dieselbe Rechtsnatur wie bei einem Auftrag ihres Kunden, zugunsten dessen Gläubiger eine Garantie zu übernehmen5.
7.185
Der in der Praxis so bezeichnete Akkreditivauftrag ist also rechtlich als Angebot des Importeurs an die akkreditiveröffnende Bank zum Abschluss eines Werkvertrages mit Geschäftsbesorgungscharakter einzustufen. Die Annahme des Angebots erfolgt entweder ausdrücklich, stillschweigend gem. § 362 BGB, sofern der Auftraggeber über Guthaben oder Avalkredit verfügt, oder konkludent, indem die akkreditiveröffnende Bank dem Importeur eine Kopie ihres an den Begünstigten oder eine gegebenenfalls von ihr eingeschaltete Zweit1 S. zur Spezialthematik elektronischer Seekonnossemente und deren rechtlichem Status in verschiedenen Rechtsordnungen den von der Rechtsanwaltskanzlei Clyde & Co für die ICC Banking Commission erstellten Report „The Legal Status of Electronic Bills of Lading“ (verfügbar unter: https://cdn.iccwbo.org/content/uploads/sites/3/2018/10/the-legal-status-of-e-bills-of-ladingoct2018.pdf). 2 RG v. 19.2.1918 – II 349/17, RGZ 92, 225 ff.; Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/23 m.w.N. 3 RG v. 29.6.1926 – III 397/25, RGZ 114, 268, 270; BGH v. 23.6.1998 – XI ZR 294/97, WM 1998, 1769, 1770 = NJW-RR 1998, 1511; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 923; Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 137–139; Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/36 m.w.N. 4 Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/36. 5 BGH v. 22.4.1985 – II ZR 180/84, WM 1985, 684, 685 = BGHZ 94, 167 ff. = NJW 1985, 1829 ff.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
bank gerichteten Akkreditiveröffnungsschreibens sendet1. Eine bestimmte Form ist für den Akkreditivauftrag nicht vorgesehen, dennoch wird er in der Praxis aus Sicherheitsgründen regelmäßig auf Grundlage bankseitig vorgegebener Formulare schriftlich oder elektronisch übermittelt2. Kein Akkreditivvertrag, sondern ein einfacher Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 BGB liegt hingegen vor, wenn eine Bank nur beauftragt wird, gegen Vorlage bestimmter Dokumente einen bestimmten Betrag auszuzahlen3.
7.186
Bei einer Inanspruchnahme der Akkreditivbank aus dem Akkreditiv erlangt die Bank gegenüber dem Akkreditivauftraggeber einen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 670, 675 BGB). Dies gilt auch bei einer unberechtigten Inanspruchnahme, wenn die Bank nach berechtigter Zahlungsverweigerung gerichtlich in Anspruch genommen wird und trotz sorgfältiger Prozessführung rechtskräftig zur Zahlung verurteilt wird4.
7.187
2. Inhaltliche Ausgestaltung des Akkreditivauftrages Das Akkreditivgeschäft wird beherrscht von dem Grundsatz der Auftrags- und Dokumentenstrenge5. Weder die akkreditiveröffnende Bank noch eine eingeschaltete Zweitbank sind daher berechtigt, von den Weisungen des Akkreditivauftraggebers abzuweichen, wie dies nach allgemeinen auftragsrechtlichen Grundsätzen (§ 665 BGB) im Einzelfall zulässig wäre. Jeder Versuch eines Aufweichens dieses Grundsatzes entwertet das Instrument des Akkreditivs. Deshalb ist ein geradezu pedantischer Prüfungsmaßstab anzulegen6. Die Berufung auf den Grundsatz der Dokumentenstrenge ist deshalb grundsätzlich auch nicht treuewidrig7.
7.188
Allerdings steht die Verpflichtung der Akkreditivbank, sich streng innerhalb der Grenzen des ihr erteilten formalen und präzisen Auftrages zu halten, unter der Einschränkung von Treu und Glauben. Die Bank darf deshalb von den Weisungen ihres Auftraggebers abweichen, wenn sie einwandfrei beurteilen kann, dass die Abweichung unerheblich und für den Auftraggeber unschädlich ist. Wenn feststeht, dass die Abweichungen dem Auftraggeber keinen Nachteil gebracht haben, ist es treuwidrig, wenn dieser sich nach der Durchführung des Kaufvertrages nur deshalb auf die Abweichungen beruft, um der Akkreditivbank die Erstattung des Akkreditivbetrages zu verweigern8. So hat der Bankkunde als Akkreditivauftraggeber die Zahlung durch seine (akkreditiveröffnende) Bank nach Treu und Glauben hinzunehmen, wenn die vom Begünstigten einzureichenden Transportpapiere als Empfänger statt den Auftraggeber die eröffnende Bank selbst ausweisen und diese willens und in der Lage ist, die Ware zugunsten ihres Kunden freizugeben. Das gilt auch, wenn
7.189
1 Vgl. zum Ganzen ausführlich Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/36–38 m.w.N. 2 Vgl. Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 140 m.w.N. 3 BGH v. 26.9.1989 – XI ZR 159/88, NJW 1990, 255 = BGHZ 108, 348 ff. = WM 1989, 1713 ff. 4 BGH v. 23.6.1998 – XI ZR 294/97, WM 1998, 1769, 1770. 5 Vgl. BGH v. 27.6.1988 – II ZR 283/87, WM 1988, 1298, 1300 = NJW 1989, 159 ff.; OLG München v. 13.12.1996 – 23 U 4026/96, BB 1998, 125, 126. 6 OLG München v. 3.7.1996 – 7 U 2162/96, WM 1996, 2335, 2336; Koller, WM 1990, 293 m.w.N. 7 OLG München v. 3.7.1996 – 7 U 2162/96, WM 1996, 2335, 2337. 8 Vgl. BGH v. 27.6.1988 – II ZR 283/87, WM 1988, 1298, 1300 = NJW 1989, 159 ff.; OLG München v. 3.7.1996 – 7 U 2162/96, WM 1996, 2335, 2337; Koller, WM 1990, 293, 303.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
der Bankkunde ohne vorherige Freigabe durch seine Bank die in den Transportpapieren genannte Ware im Übrigen akkreditivkonform erhalten hat1.
7.190
Der Grundsatz der Auftrags- und Dokumentenstrenge findet seine Berechtigung darin, dass die Banken im Akkreditivverkehr die näheren Voraussetzungen für den Auftrag im Hinblick auf die am Grundgeschäft Beteiligten nicht übersehen und infolgedessen nicht ausschließen können, dass selbst geringfügige Abweichungen von den Weisungen des Auftraggebers diesem beträchtlichen Schaden zufügen können2.
7.191
Mit Rücksicht auf den Grundsatz der Auftrags- und Dokumentenstrenge müssen Aufträge zur Eröffnung eines Akkreditivs und das Akkreditiv selbst vollständig und genau sein. Bei der Erteilung des Auftrags ist insbesondere darauf zu achten, dass Name und Anschrift des Begünstigten präzise angegeben werden, um die rechtzeitige Eröffnung des Akkreditivs sicherzustellen3. Besondere Sorgfalt ist dann geboten, wenn es sich um verwechslungsfähige Firmen oder Unternehmen des gleichen Konzerns handelt. Erforderlich ist weiter die präzise Bezifferung der Akkreditivsumme sowie die Bezeichnung der Währung, in der die Zahlung erfolgen soll.
7.192
Um Irrtümern und Missverständnissen vorzubeugen, forderte der frühere Art. 5 ERA 500 die Banken auf, jedem Versuch entgegenzutreten, zu weit gehende Einzelheiten in das Akkreditiv aufzunehmen (Art. 5a Satz 2 (i) ERA 500) oder Aufträge zur Eröffnung eines Akkreditivs durch Bezugnahme auf ein früher eröffnetes Akkreditiv zu erteilen, wenn das in Bezug genommene Akkreditiv Gegenstand von Änderungen war (Art. 5a Satz 2 (ii) ERA 500). Wenngleich in den ERA 600 davon abgesehen wurde, eine vergleichbare Regelung aufzunehmen, da deren Inhalt von der ICC als selbstverständlich angesehen wurde, haben diese Ratschläge für die Praxis nach wie vor ihre Berechtigung und Gültigkeit4.
7.193
Der Auftrag zur Akkreditiv-Eröffnung sowie das Akkreditiv selbst müssen zudem in jedem Falle genau die Dokumente angeben, gegen die die Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung vorgenommen werden soll.
7.194
In dem Akkreditiv ist ein Verfalldatum anzugeben, bis zu dem die Dokumente präsentiert sein müssen (Art. 6d (i) Satz 1 ERA 600). Eine solche Angabe ist unerlässlich. Ohne eine solches Datum ist das Akkreditiv nichtig5. Ein für die Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung vorgeschriebenes Verfalldatum wird dabei als Verfalldatum für die Dokumentenvorlage ausgelegt (Art. 6d (i) Satz 2 ERA 600).
7.195
Akkreditivauftrag und Akkreditiv müssen ferner die Bank vorschreiben, bei der das Akkreditiv benutzbar ist oder ob es bei jeder Bank benutzbar sein soll (Art. 6a ERA 600). Fehlt diese Angabe bei einem Akkreditiv, das über eine Zweitbank eröffnet wurde, so ist es im Zweifel bei der akkreditiveröffnenden Bank benutzbar6. 1 OLG München v. 13.12.1996 – 23 U 4026/96, WM 1998, 554, 555. 2 BGH v. 2.7.1984 – II ZR 160/83, WM 1984, 1214, 1215 = NJW 1985, 550 ff.; vgl. hierzu Nielsen, WM 1985, 149 ff.; OLG München v. 13.12.1996 – 23 U 4026/96, WM 1998, 554, 555. 3 Zur Frage der Haftung der beauftragten Bank bei verspäteter Ablehnung eines Auftrages zur Akkreditiveröffnung vgl. BGH v. 17.10.1983 – II ZR 146/82, WM 1983, 1385 = NJW 1984, 866 f. 4 Vgl. hierzu auch Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. H 47. 5 Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, Rz. 60. 6 Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, Rz. 55.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
Weil eine Abwicklungsform alle anderen ausschließt, müssen Akkreditivauftrag und Akkreditiv zudem angeben, ob das Akkreditiv durch Sichtzahlung, hinausgeschobene Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung benutzbar ist (Art. 6b ERA 600).
7.196
3. IPR-Fragen Akkreditivauftraggeber und akkreditiveröffnende Bank haben ihren Sitz in aller Regel im gleichen Staat. Dennoch liegt nicht notwendigerweise ein reiner Inlandsfall vor, bei dem die Wahl eines anderen als des inländischen Rechts zwar zulässig ist, nach Art. 3 Abs. 3 Rom I-Verordnung1 aber im Hinblick auf zwingende geltende Bestimmungen der inländischen Rechtsordnung nur eingeschränkte Wirkung entfaltet. Die Auslandsberührung ist nämlich bereits dann gegeben, wenn es zu einer Wertbewegung über die Grenze kommt, was bei Akkreditiven regelmäßig der Fall ist. Vorbehaltlich einer ausdrücklichen Rechtswahl – die in der Praxis allerdings die Ausnahme darstellt – unterliegt der zwischen Akkreditivauftraggeber und akkreditiveröffnender Bank abgeschlossene Werkvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter dem gemeinsamen Sitzrecht der Beteiligten2.
7.197
IV. Die Akkreditiveröffnung 1. Rechtsnatur der Akkreditivverpflichtung Aus der Sicht des deutschen Rechts ist das Dokumentenakkreditiv ein selbständiges, abstraktes Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB, demzufolge die akkreditiveröffnende Bank bei Vorlage bestimmter Dokumente die im Akkreditiv je nach Abwicklungsform versprochene Leistung (d.h. Zahlung, hinausgeschobene Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung) zu erbringen hat3. Dieses abstrakte Zahlungsversprechen, das dem Akkreditivbegünstigten einen unmittelbaren und selbständigen Anspruch gegenüber der akkreditiveröffnenden Bank verschafft, ist dabei ein Wesensmerkmal des Dokumentenakkreditivs4.
7.198
2. Ablauf der Akkreditiveröffnung Die Eröffnung von Akkreditiven erfolgt in aller Regel in der Weise, dass das Akkreditiv unter Verwendung moderner Telekommunikationsmittel an den Begünstigten übermittelt wird. Dies findet seinen Ausdruck in Art. 11a ERA 600, demzufolge die authentisierte, d.h. die geschlüsselte bzw. mit einem Code versehene Telekommunikation eines Akkreditivs oder einer Änderung als das operative Akkreditiv oder als die operative Änderungsmitteilung 1 Vgl. zur Rom I-Verordnung die Ausführungen unter Rz. 7.40–7.42. 2 Vgl. Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 671– 672 m.w.N.; i.E. ebenso Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 439, die jedoch von einem reinen Inlandsauftrag ausgehen. 3 BGH v. 21.3.1973 – VIII ZR 228/71, BGHZ 60, 262; OLG München v. 3.7.1996 – 7 U 2162/96, WM 1996, 2335, 2336; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 924, 984; Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 79; Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/150. 4 BGH v. 26.9.1989 – XI ZR 159/88, WM 1989, 1713, 1714 m.w.N. = BGHZ 108, 348 ff. = NJW 1990, 255 f.; BGH v. 16.4.1996 – XI ZR 138/95, WM 1996, 995, 996 = BGHZ 132, 313 ff. = NJW 1996, 1812 ff.; vgl. hierzu K. Schmidt, JuS 1996, 934 f.
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7.199
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
gilt. Eine darauf folgende schriftliche Bestätigung soll keine Beachtung finden und auch nicht auf etwaige Abweichung hin zu prüfen sein. Hingegen wird die Telekommunikation gem. Art. 11a ERA 600 nicht als operatives Akkreditiv bzw. dessen Änderung angesehen, wenn im Rahmen der Telekommunikation ein ausdrücklicher Vorbehalt, wie z.B. „vollständige Einzelheiten folgen“, gemacht wurde. 3. IPR-Fragen
7.200
Sofern das Akkreditiv ohne Einschaltung einer Zweitbank herausgelegt wurde, gilt im Verhältnis zwischen Begünstigtem und Bank das Sitzrecht der Bank, da diese mit der Eröffnung die für das Akkreditiv charakteristische Leistung erbringt, Art. 4 Abs. 2 Rom I-Verordnung1.
7.201
Gleiches gilt, wenn eine eingeschaltete Zweitbank lediglich als avisierende Bank2 agiert, da die Avisbank lediglich als Durchleitungsstelle dazu beiträgt, dass das Akkreditiv eröffnet wird, jedoch nicht mit der eigentlichen Abwicklung des Akkreditivs (insb. der Honorierung und der Dokumentenprüfung) befasst ist3.
7.202
Ist eine andere Bank als benannte Bank gem. Art. 2, 12 ERA 600 in das Akkreditiv eingeschaltet, vertreten einige Autoren die Auffassung, es bleibe bei der Anwendbarkeit des Rechts am Sitz der akkreditiveröffnenden Bank4. Überzeugender erscheint jedoch die auch von den Gerichten vertretene Rechtsauffassung, derzufolge das Recht am Sitz der Zweitbank maßgeblich sein soll, weil die Einschaltung der benannten Bank zu einer Verlagerung des Erfüllungsortes von der akkreditiveröffnenden Bank zur Zweitbank führt5.
7.203
Wurde eine bestätigende Bank eingeschaltet und hat diese ihren Sitz in einem anderen Land als die akkreditiveröffnenden Bank, kommt es hingegen zu dem außergewöhnlichen Ergebnis, dass die Ansprüche des Begünstigten gegen die als Gesamtschuldner haftenden Banken unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen: Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der charakteristischen Leistung i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Rom I-Verordnung findet nämlich zwischen Begünstigtem und Akkreditivbank das Recht am Sitz der Akkreditivbank und zwischen Begünstigtem und Bestätigungsbank das Recht am Sitz der Bestätigungsbank Anwendung6. 1 Vgl. für die Vorgängerregelung Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB OLG Frankfurt v. 12.11.1991 – 5 U 207/90, RIW 1992, 315 ff. = WM 1992, 569 ff.; Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 443 m.w.N. 2 Avisierende Bank ist gem. Art. 2 ERA 600 die Bank, die das Akkreditiv im Auftrag der eröffnenden Bank avisiert. 3 Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 1/41; Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 444, jeweils m.w.N. 4 In diesem Sinne Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 446– 449; Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 1/42; Schütze/ Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 680, jeweils m.w.N. 5 So OLG Frankfurt v. 22.9.1987 – 5 U 60/86, RIW/AWD 1988, 133 ff.; OLG Köln v. 25.5.1994 – 2 U 143/93, WM 1994, 1877 ff.; einen Überblick über die Rechtsprechung in einigen anderen Staaten geben Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 681–684 sowie Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 449. 6 Vgl. hierzu näher Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 450 f. m.w.N.
1050 | Seeger
Dokumentenakkreditive | Teil 7
V. Die Einschaltung von Zweitbanken 1. Funktionen der Zweitbank Die akkreditiveröffnende inländische Bank tritt regelmäßig nicht unmittelbar an den ausländischen Exporteur als Akkreditivbegünstigten heran. Sie beauftragt damit regelmäßig vielmehr eine ihrer Korrespondenzbanken im Lande des Exporteurs. Die Funktion dieser eingeschalteten Bank (Zweitbank) kann recht unterschiedlich sein.
7.204
So kann die ausländische Zweitbank nur als avisierende Bank tätig werden. Die Aufgabe der avisierenden Bank erschöpft sich darin, dem Exporteur die Eröffnung des Akkreditivs im Auftrag der akkreditiveröffenden Bank anzuzeigen (Art. 9a ERA 600).
7.205
Gleichwohl treffen die avisierende Bank bestimmte Pflichten. Sie ist in erster Linie gem. Art. 9b ERA 600 verpflichtet, sich vor der Unterrichtung des Begünstigten über die augenscheinliche Echtheit des zu avisierenden Akkreditivs zu vergewissern. Kann sie sich nicht von der augenscheinlichen Echtheit vergewissern, ist sie zur unverzüglichen Unterrichtung der Bank verpflichtet, von der sie den Avisierungsauftrag erhalten hat (Art. 9f Satz 1 ERA 600). Entschließt sie sich hingegen trotzdem zur Avisierung, muss sie den Begünstigten davon unterrichten, dass sie sich nicht von der augenscheinlichen Echtheit des Akkreditivs vergewissern konnte (Art. 9f Satz 2 ERA 600). Die Pflicht, die den Avisauftrag übermittelnde Bank unverzüglich zu unterrichten, trifft die avisierende Bank ebenfalls, wenn sie das Akkreditiv nicht avisieren will (Art. 9e ERA 600).
7.206
Die ausländische Zweitbank kann aber auch die Funktion einer benannten Bank gem. Art. 2, 12 ERA 600 haben und damit die Aufgabe übernehmen, für Rechnung und im Auftrage der akkreditiveröffnenden Bank die Dokumente zu prüfen und das Akkreditiv bei konformer Dokumentenvorlage zu honorieren bzw. zu negoziieren.
7.207
Schließlich kann die ausländische Zweitbank auch die Funktion eines zusätzlichen Akkreditivschuldners übernehmen, indem sie das Akkreditiv auf Grund Ermächtigung oder auftrags der akkreditiveröffnenden Bank bestätigt und so zur bestätigenden Bank wird (Art. 8 ERA 600)1.
7.208
In der Praxis finden sich häufig Kombinationen dieser drei Funktionen. Zumeist ist die ausländische Zweitbank nur Avisbank und benannte Bank. Nur bei einem von ihr bestätigten Akkreditiv übernimmt die ausländische Zweitbank auch die dritte Funktion eines zusätzlichen Akkreditivschuldners.
7.209
Von den genannten Funktionen als Zweitbank zu unterscheiden ist die Einschaltung einer sog. Remboursbank2. Die ICC hat im Jahre 1996 neue Einheitliche Richtlinien für Rem-
7.210
1 S. hierzu i.E. bereits die Ausführungen unter Rz. 7.176. Von der Bestätigung i.S.d. Art. 8 ERA 600 sind die sog. stillen Bestätigungen bzw. Ankaufs- und Schutzzusagen zu unterscheiden, die die Banken nicht auftrags der eröffnenden Bank, sondern im Auftrag des Akkreditivbegünstigten herauslegen, die aber ebenfalls in der Regel darauf abzielen, den Exporteur vor Bonitätsund Länderrisiken der im Ausland ansässigen akkreditiveröffnenden Bank zu schützen; vgl. hierzu auch Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 180– 183 sowie OLG Frankfurt v. 5.6.2010 – 17 U 261/09, WM 2010, 1405 ff. 2 Detaillierte Darstellungen zu Funktion und rechtlicher Einordnung der Remboursbank finden sich bei Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/173–176 sowie Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 434 ff.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
bourse zwischen Banken unter Dokumentenakkreditiven veröffentlicht, die im Zuge der Einführung der ERA 600 im Wesentlichen redaktionell angepasst wurden (aktuell ICC-Publikation Nr. 725). Sie beziehen sich auf die Fälle, in denen die akkreditiveröffnende Bank bestimmt, dass die zahlende, akzeptierende oder negoziierende Bank den ihr zustehenden Rembours von einer anderen Stelle – der Remboursbank – erhalten soll. Eine solche Remboursermächtigung ist unabhängig von dem Akkreditiv, auf das sie sich bezieht. Eine Remboursbank hat nach diesen Richtlinien nichts mit den Akkreditiv-Bedingungen zu tun und ist nicht durch sie gebunden, selbst wenn in der Remboursermächtigung der akkreditiveröffnenden Bank auf diese Bedingungen in irgendeiner Weise Bezug genommen wird1. 2. Rechtsverhältnisse zwischen Akkreditivbank und Zweitbank
7.211
Sobald die Zweitbank den Auftrag der Akkreditivbank, sich als Zweitbank in das Akkreditiv einzuschalten, angenommen hat, ist sie gegenüber der Akkreditivbank verpflichtet, auftragsgemäß als Zweitbank zu agieren. Für die Avisbank bedeutet dies, dass sie dem Begünstigten die Eröffnung des Akkreditivs in ordnungsgemäßer Form anzuzeigen hat. Die benannte Bank ist hingegen verpflichtet, die Dokumente zu prüfen und das Akkreditiv im Falle einer konformen Dokumentenvorlage entsprechend der vorgesehenen Abwicklungsform zu honorieren bzw. zu negoziieren. Die Verpflichtung der bestätigenden Bank besteht wiederum darin, das Akkreditiv gegenüber dem Begünstigten in angemessener Form und Frist zu bestätigen. Die Zweitbank hat dabei grundsätzlich jeweils etwaigen Weisungen der Akkreditivbank Folge zu leisten. Rechtlich ist das Vertragsverhältnis zwischen Akkreditivbank und Zweitbank jeweils als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizieren. Die Akkreditivbank ist dementsprechend ihrerseits gegenüber der Zweitbank dazu verpflichtet, dieser die bei Ausführung des Auftrags entstehenden Aufwendungen zu ersetzen und ihr die anfallende Provision zu zahlen (§§ 670, 675 BGB)2.
7.212
Aus der Sicht der Vertragsbeziehung zwischen der akkreditiveröffnenden Bank zu ihrem Kunden ist es haftungsrechtlich bedeutsam, ob die ausländische Zweitbank als Erfüllungsgehilfin der inländischen Akkreditivbank gem. 278 BGB anzusehen ist oder ob eine Substitution i.S.d. § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB (Unterbeauftragung) vorliegt. Im letzteren Fall hat die Akkreditivbank nur für die sorgfältige Auswahl der ausländischen Zweitbank einzustehen, nicht aber für ihre etwaigen Fehler zu haften. Unstrittig ist, dass eine bestätigende Bank als Unterbeauftragte der akkreditiveröffnenden Bank anzusehen ist, da sie eine eigene Verpflichtung zur Erfüllung des Akkreditivs übernimmt3. Hingegen sind die Meinungen mit Blick auf die Avisbank und die benannte Bank im Schrifttum unterschiedlich. Die herrschende Auffassung tendiert im Fall der avisierenden Bank dazu, diese als Erfüllungsgehilfin einzuordnen, was überzeugt, weil diese nur als Durchleitungsstelle agiert. Hingegen wird die benannte Bank zutreffend überwiegend als Unterbeauftragte eingestuft, da zu ihren Aufgaben insbesondere auch die selbständige Prüfung der Dokumente gehört4. 1 Vgl. zu Bank-zu-Bank Remboursvereinbarungen auch Art. 13 ERA 600. 2 Vgl. zum Ganzen ausführlich Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/167–172 m.w.N. 3 Vgl. Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 395 m.w.N. 4 Vgl. zum Meinungsstand Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 139 sowie Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, Rz. 396, jeweils m.w.N.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
Vor diesem Hintergrund ist Nielsen beizupflichten, wenn er darauf hinweist, dass der in Art. 37b ERA 600 vorgesehene pauschale Haftungsausschluss für die richtige Auswahl der Zweitbank nur wirksam ist, wenn der Auftraggeber die Einschaltung der jeweiligen Bank vorgeschrieben hat, nicht aber dann, wenn es im freien Ermessen der Akkreditivbank steht, die Zweitbank auszuwählen1.
7.213
3. IPR-Fragen Gemäß Art. 4 Abs. 2 Rom I-Verordnung ist im Verhältnis der Akkreditivbank zu den Zweitbanken das Sitzrecht der Zweitbank für die Ansprüche aus der Geschäftsbesorgung maßgebend2.
7.214
VI. Die Inanspruchnahme des Akkreditivs durch den Akkreditivbegünstigten 1. Dokumenteneinreichung Der Begünstigte hat die akkreditivgerechten Dokumente fristgerecht bei einer Bank zu präsentieren, bei der das Akkreditiv gem. den Akkreditivbedingungen gültig und/oder benutzbar gestellt ist. Bis zum Augenblick der gem. den Akkreditivbedingungen erfolgten Andienung der Dokumente bei einer zuständigen Bank trägt der Begünstigte das Dokumentenverlustrisiko.
7.215
Gemäß Art. 6e ERA 600 müssen die Dokumente spätestens am Verfalltag bei der zuständigen Bank präsentiert werden. Zu beachten ist, dass es zu einer Verkürzung der Verfallfrist kommen kann, wenn das Akkreditiv die Vorlage von Transportdokumenten gem. Art. 19–25 ERA 600 vorsieht. In diesem Fall müssen gem. Art. 14c ERA 600 alle Dokumente (also nicht nur die Transportdokumente) spätestens 21 Tage nach Ausstellung der Transportdokumente vorgelegt werden3.
7.216
2. Grundsatze der Dokumentenstrenge Vor der Leistung an den Begünstigten müssen die beteiligten Banken mit angemessener Sorgfalt und alleine auf Grundlage der Dokumente feststellen, ob die Dokumente ihrer äußeren Aufmachung nach eine konforme Dokumentenvorlage4 zu bilden scheinen (Art. 14a ERA 600). Insbesondere ist zu prüfen, ob (i) die Dokumente im Sinne der Weisungen bzw. Akkreditivbedingungen vollständig sind, (ii) die Dokumente der Art nach und inhaltlich ordnungsgemäß sind und den Akkreditivbedingungen entsprechen und (iii) die Angaben in einem Dokument irgendeinem anderen vorgeschriebenen Dokument oder dem Akkreditiv widersprechen5. 1 Vgl. Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, Rz. 399. 2 Vgl. unter Hinweis auf den bislang einschlägigen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB Ehrlich/Haas/ Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 1/49. 3 Vgl. hierzu und zu den mannigfaltigen weiteren in den ERA 600 vorgesehenen Zeitbestimmungen Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. H 115– 120. 4 Vgl. zum Begriff der konformen Dokumentenvorlage Art. 2 ERA 600. 5 Vgl. zum Ganzen ausführlich Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 200 ff.; Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 379 ff.
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7.217
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
7.218
In den genannten Prinzipien manifestiert sich der allgemeine Grundsatz der Dokumentenstrenge, der das weltweit anerkannte Kernstück des Dokumentenakkreditivgeschäfts darstellt und sich aus der Funktion des Dokumentenakkreditivs als Instrument der rein dokumentären, vom Grundgeschäft unabhängigen Zahlungsabwicklung ergibt. Der Grundsatz der Dokumentenstrenge findet seinen Ausdruck auch in Art. 5 ERA 600, in dem es heißt, dass sich Banken bei der Abwicklung eines Dokumentenakkreditivs mit Dokumenten befassen und nicht mit Waren, Dienstleistungen oder Leistungen, auf die sich die Dokumente möglicherweise beziehen1.
7.219
Wie sich aus der Bezugnahme auf die äußere Aufmachung der Dokumente ergibt, ist die Prüfungspflicht auf die formale Übereinstimmung der Dokumente mit den Bedingungen des Akkreditivs beschränkt. Allein auf diese Weise kann die zügige Abwicklung von dokumentären Zahlungsvorgängen gewahrt bleiben, die das Akkreditivgeschäft bezweckt.
7.220
Dementsprechend übernehmen die Banken gem. Art. 34 ERA 600 keine Haftung oder Verantwortung für Form, Vollständigkeit, Genauigkeit, Echtheit, Verfälschung oder Rechtswirksamkeit von Dokumenten oder für die allgemeinen und/oder besonderen Bedingungen, die in den Dokumenten angegeben oder denselben hinzugefügt sind. Sie übernehmen auch keine Haftung oder Verantwortung für Bezeichnung, Menge, Gewicht, Qualität, Beschaffenheit, Verpackung, Lieferung, Wert oder Vorhandensein der durch Dokumente repräsentierten Waren, Dienstleistungen oder anderen Leistungen, oder für Treu und Glauben oder Handlungen oder Unterlassungen sowie für Zahlungsfähigkeit, Leistungsvermögen oder Ruf von Absender, Frachtführer, Spediteur, Empfänger oder Versicherer der Waren oder irgendwelche andere Personen.
7.221
Dieser Haftungsausschluss zugunsten der Bank begegnet keinen Bedenken. Zwar ist die zielgerichtete Prüfung der Dokumente darauf hin, ob sie ihrer äußeren Aufmachung nach mit den Akkreditivbestimmungen übereinstimmen eine Kardinalpflicht der Banken i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, deren Einschränkung die Erreichung des Vertragszwecks gefährden würde. Nach den Feststellungen des BGH handelt es sich bei den in Art. 34 ERA 600 aufgeführten Kriterien hingegen nicht um Kardinalpflichten, sondern um Schutz- und Nebenpflichten der Bank, weshalb ein durch Allgemeine Geschäftsbedingungen erfolgender Haftungsausschluss auch für leichte Fahrlässigkeit wirksam ist2. 3. Beanstandung mangelhafter Dokumente, Alternativen zur Ablehnung
7.222
Mangelhafte Dokumente sind frist- und formgerecht zu rügen. Gemäß Art. 14b ERA 600 haben die benannte Bank, die gem. ihrer Benennung handelt, eine möglicherweise 1 Zur Frage des Inhalts und der Reichweite des Grundsatzes der Dokumentenstrenge hat die ICC Banking Commission im Mai 2016 das Papier „Notes on the principle of strict compliance“ (Document No. 470/1261, abrufbar unter https://iccwbo.org/publication/icc-banking-commissionexecutive-committee-issues-paper_notes-on-the-principle-of-strict-compliance/) veröffentlicht. Das Papier enthält u.a. einen Überblick über die in diesem Zusammenhang veröffentlichten ICC Opinions sowie die internationale Rechtsprechung zur Thematik. S. zum Papier der ICC Banking Commission und zur Thematik im Allgemeinen Vorpeil, WM 2018, 751, der die Frage analysiert, inwieweit sich die ICC Banking Commission und die Praxis der „substantial compliance“ annähern. 2 BGH v. 26.9.1989 – XI ZR 159/88, WM 1989, 1713, 1714 = BGHZ 108, 348 ff. = NJW 1990, 255 f.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
vorhandene bestätigende Bank und die eröffnende Bank jeweils maximal1 fünf Bankarbeitstage nach dem Erhalt der Dokumentenvorlage, um Dokumente als mangelhaft zu rügen. Eine Dokumentenrüge muss zudem strikt den in Art. 16 ERA 600 festgelegten formellen Voraussetzungen genügen. Erforderlich sind die vollständige Aufzählung aller Mängel (ein Nachschieben von Gründen ist unzulässig) und eine Erklärung der rügenden Bank, wie die Dokumente im Weiteren zu behandeln sind2. Versäumt es die Eröffnungs- oder Bestätigungsbank, mangelhafte Dokumente frist- und formgerecht zu rügen, kann sie gem. Art. 16f ERA 600 nicht geltend machen, dass die Dokumente nicht konform vorliegen, d.h. sie ist zur Dokumentenaufnahme und Honorierung bzw. Negoziierung verpflichtet. Hingegen bleibt ein Verstoß gegen die Frist- und Formvorschriften für eine benannte Bank ohne Folgen, wenn diese nicht zugleich Bestätigungsbank ist.
7.223
Da in der Praxis regelmäßig das Bedürfnis besteht, trotz mangelhafter Dokumente an der Abwicklung des Akkreditivs fest zu halten, hat die Praxis eine Reihe von Alternativen zur Zurückweisung der Dokumente als mangelhaft entwickelt, die allerdings nur für eine in die Auszahlung eingeschaltete Zweitbank in Betracht kommen3:
7.224
– Erfüllung der Akkreditivverpflichtung unter Vorbehalt, d.h. die Zweitbank nimmt die Dokumente lediglich unter der Maßgabe auf, dass für den Fall, dass die eröffnende Bank die Dokumente zurückweist, der Begünstigte zur Rückzahlung des Akkreditivbetrages verpflichtet ist. Je nachdem, ob die eröffnende Bank auf die entsprechenden Mängel hingewiesen wird oder nicht, wird zwischen externem und internem Vorbehalt unterschieden4. – Erfüllung der Akkreditivverpflichtung gegen Stellung einer Garantie durch den Begünstigten (regelmäßig eine Bankgarantie)5.
VII. Akkreditivübertragung, Abtretung von Akkreditiverlösen und Gegenakkreditiv Die ERA 600 unterscheiden wie bereits die ERA 500 zwischen der Vollübertragung eines Akkreditivs (Art. 38 ERA 600) und der bloßen Abtretung von Akkreditiverlösen (Art. 39 ERA 600).
7.225
Eine Akkreditivübertragung hat zur Folge, dass es zu einem vom Akkreditivauftraggeber zugelassenen Wechsel der Gläubigerstellung kommt: das Recht des bislang Begünstigten
7.226
1 Da es sich um eine Maximalzeit handelt, sollte die Prüfungsdauer in der Regel drei bis vier Tage nicht überschreiten; die volle Ausnutzung des Zeitraums dürfte nur in schwierigen Fällen angemessen sein. 2 Vgl. zu den einzelnen Varianten Art. 16c ERA 600. 3 Die eröffnende Bank selbst hat als letzte Instanz unbedingt über Aufnahme oder Ablehnung der Dokumente zu entscheiden, vgl. Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlunsgverkehrs, Rz. H 188. 4 Im Unterschied zu den ERA 600 war die Vorbehaltszahlung in Art. 14f ERA 500 noch geregelt. Bei entsprechender Vereinbarung der Beteiligten bleiben Vorbehaltszahlungen aber auch bei Geltung der ERA 600 weiter möglich. 5 Vgl. Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 577– 579 sowie vormals Art. 14f ERA 500.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
(sog. Erstbegünstigter), das Akkreditiv in Anspruch zu nehmen, geht im Ganzen oder zum Teil auf einen oder mehrere andere Begünstigte (sog. Zweitbegünstigte[r]) über. Aus Sicht des Akkreditivauftraggebers wird das übertragene Akkreditiv im Ergebnis von einem ihm völlig unbekannten Dritten benutzt.
7.227
Keine solche Akkreditivübertragung liegt vor, wenn der Begünstigte lediglich seinen Anspruch auf den Akkreditiverlös an einen Dritten, also z.B. an seinen Lieferanten abtritt. Diese Zession ist auch beim nicht übertragbaren Akkreditiv zulässig (so ausdrücklich Art. 39 Satz 1 ERA 600), weil sie im Gegensatz zur Übertragung die Rechtstellung des Begünstigten gegenüber der eröffnenden Bank insoweit unberührt lässt, als es dabei bleibt, dass alleine der Begünstigte zur Inanspruchnahme des Akkreditiv berechtigt bleibt (vgl. Art. 39 Satz 2 ERA 600).
7.228
Das Akkreditiv kann vom Begünstigten nur weiter übertragen werden, wenn dies ausdrücklich gestattet ist. Hierzu muss die eröffnende Bank das Akkreditiv ausdrücklich als „übertragbar“ bezeichnen (Art. 38b ERA 600).
7.229
Außer der Bezeichnung des Akkreditivs als übertragbar muss für die Wirksamkeit der Übertragung hinzukommen, dass die akkreditiveröffnende Bank einem Ersuchen auf eine solche Übertragung stattgibt (Art. 38a ERA 600). Jedoch wird man dem Erstbegünstigten einen gewissen Schutz angedeihen lassen und deshalb annehmen müssen, dass die akkreditiveröffnende Bank sich der Übertragung nur aus einem triftigen Grund entziehen kann, z.B. wenn sie etwa gegen die Zuverlässigkeit des Zweitbegünstigten Bedenken haben sollte1.
7.230
Ein wesentlicher Grundsatz der Akkreditivübertragung ist, dass sie nur zu Originalbedingungen vorgenommen werden kann (Art. 38g ERA 600). Diese Bestimmung sieht allerdings gewisse Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. So können der Akkreditivbetrag, die im Akkreditiv etwa genannten Stückpreise und das Verfalldatum, die Dokumentenvorlagefrist, das Letzte Verladedatum oder die angegebene Verladefrist insgesamt oder einzeln ermäßigt oder verkürzt werden. Außerdem kann der Name des Erstbegünstigten an die Stelle des Akkreditivauftraggebers gesetzt werden, damit der Zweitbegünstigte nicht den Abnehmer des Erstbegünstigten erfährt (Art. 38g Abs. 3 ERA 600). Dies gilt wiederum nur vorbehaltlich einer entgegenstehenden Bestimmung im Akkreditiv (Art. 38g Abs. 4 ERA 600). Wenn der Zweitbegünstigte seine Rechnungen unter dem Akkreditiv vorgelegt hat, so ist der Erstbegünstigte gem. Art. 38h ERA 600 berechtigt, sie gegen seine eigenen Rechnungen auszutauschen. Die Rechnungen des Zweitbegünstigten werden naturgemäß niedriger sein als diejenigen des Erstbegünstigten, weil dieser ja seine Gewinnmarge auf die Preise des Zweitbegünstigten aufschlägt. Diese Regelung dient ebenfalls wiederum dem Schutz des Erstbegünstigten und der Geheimhaltung seiner Eindeckungsmöglichkeiten gegenüber dem Akkreditivauftraggeber.
7.231
Die Übertragung hat zur Folge, dass der Zweitbegünstigte in die Rechtsstellung des Erstbegünstigten eintritt und nicht nur über den Zahlungsanspruch verfügt, sondern auch seinerseits die Dokumente vorzulegen hat. Wirtschaftlich liegt der Übertragung zumeist die Überlegung zugrunde, dass es für den Erstbegünstigten zweckmäßig sein kann, das Akkreditiv seinem Lieferanten verfügbar zu machen. 1 Vgl. näher Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 455; Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, Rz. 405, jeweils m.w.N.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
Grundsätzlich verschafft die Übertragung des Akkreditivs dem Zweitbegünstigten einen eigenständigen, unmittelbar in seiner Person begründeten Zahlungsanspruch1. Eine Ausnahme hiervon wird in Art. 38e Satz 1 ERA 600 stipuliert, demzufolge sich der Erstbegünstigte u.a. das Recht vorbehalten kann, der übertragenden Bank die Erlaubnis zu verweigern, dem Zweitbegünstigten spätere Änderungen des Akkreditivs zu avisieren. Dieser Vorbehalt gibt dem Erstbegünstigten das Recht, spätere Änderungen des Akkreditivs abzulehnen oder anzunehmen, wodurch dem Zweitbegünstigten die Erfüllung des Dokumentenakkreditivs unter Umständen unmöglich gemacht werden kann2. Um den Zweitbegünstigten vor den daraus erwachsenden Gefahren zu warnen, sieht Art. 38e Satz 2 ERA 600 vor, dass das übertragene Akkreditiv die entsprechenden Änderungsbedingungen klar ausweisen muss.
7.232
Um dem Erstbegünstigten die Möglichkeit zu erhalten, die Vertragserfüllung zu kontrollieren, sieht Art. 38d Satz 2 und 3 ERA 600 vor, dass ein Zweitbegünstigter – abgesehen von der Rückübertragung an den Erstbegünstigten – nicht die Weiterübertragung an einen nachfolgenden Begünstigten verlangen kann. Allerdings können Teile eines derartigen Akkreditivs auch an mehr als einen Zweitbegünstigten übertragen werden, wenn Teilinanspruchnahmen oder Teilverladungen zulässig sind (Art. 38d Satz 1 ERA 600).
7.233
Ist ein Akkreditiv nicht übertragbar, so kann der hieraus Begünstigte die Wirkungen der Übertragbarkeit im Wesentlichen auch durch Stellung eines inhaltlich korrespondierenden Gegenakkreditivs erreichen. Der Begünstigte beauftragt hierzu seinerseits eine Bank zugunsten seines Lieferanten ein Akkreditiv zu eröffnen, dessen Bedingungen auf den Inhalt des ersten Akkreditivs, des sog. Hauptakkreditivs, abgestimmt sind. Das Hauptakkreditiv kann sodann zur Absicherung der das Gegenakkreditiv eröffnenden Bank genutzt werden. Hierzu werden ihr die Akkreditiverlösansprüche aus dem Hauptakkreditiv vom Begünstigten und Auftraggeber des Gegenakkreditivs abgetreten.
7.234
Eine echte Absicherung der das Gegenakkreditiv eröffnenden Bank kann freilich nur erzielt werden, wenn die Bezeichnungen der zugrunde liegenden Waren in beiden Akkreditiven übereinstimmen und der Bestimmungsort des Gegenakkreditivs mit dem Abladehafen des Hauptakkreditivs identisch ist. Nur in diesen Fällen besteht die Gewissheit, die unter dem Gegenakkreditiv aufgenommenen Dokumente für das als Sicherheit dienende Hauptakkreditiv verwenden zu können, ohne dabei noch auf die Mitwirkung des Begünstigten des Hauptakkreditivs angewiesen zu sein.
7.235
Die Laufzeiten der beiden Akkreditive sind im Übrigen so zu bemessen, dass genügend Zeit verbleibt, mit den unter dem Gegenakkreditiv aufgenommenen Dokumenten das Hauptakkreditiv zu bedienen. Die Laufzeit des Hauptakkreditivs muss also entsprechend länger sein. Eine absolute Absicherung der das Gegenakkreditiv eröffnenden Bank lässt sich freilich auf diesem Wege nicht erreichen. Es kann niemals vollständig ausgeschlossen werden, dass irgendwelche nicht vorausbedachten Unstimmigkeiten zwischen Gegenakkreditiv und Hauptakkreditiv auftreten. Das übertragbare Akkreditiv ist daher der Eröffnung eines solchen Gegenakkreditivs vorzuziehen. Das Gegenakkreditiv stellt nur eine Notlösung dar, wenn der Lieferant des Akkreditivbegünstigten seinerseits auf der Verschaffung eines eigenständigen Zahlungsanspruches in Akkreditivform besteht und dem nicht durch Übertragung des Hauptakkreditivs entsprochen werden kann.
7.236
1 BGH v. 16.4.1996 – XI ZR 138/95, WM 1996, 995, 996 = BGHZ 132, 313 ff. = NJW 1996, 1812 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1035; Nielsen in BuB, Rz. 5/685. 2 Vgl. hierzu Nielsen, Richtlinien für Dokumentenakkreditive, Rz. 409.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
VIII. Rechtsmissbrauchseinwand, gerichtliche Eilmaßnahmen und Insolvenz 1. Rechtsmissbrauchseinwand
7.237
Die Vereinbarung der Zahlungsabwicklung über ein Dokumentenakkreditiv soll dem Verkäufer die Gewähr bieten, dass er unabhängig von etwaigen Einwendungen und Einreden aus dem Kaufvertrag zunächst Bezahlung seiner Lieferung erhält. Ansprüche aus dem Grundgeschäft (Valutaverhältnis) lassen deshalb die Zahlungsverpflichtung aus dem Akkreditiv grundsätzlich unberührt und sind vom Käufer selbständig geltend zu machen. Wie bei der Bankgarantie wird die Prozesssituation damit umgekehrt: erst zahlen, dann prozessieren1.
7.238
Es ist daher allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum2, dass der Forderung aus dem Akkreditiv Einwendungen aus dem Grundgeschäft nur dann entgegengehalten werden dürfen, wenn sich das Zahlungsbegehren des Begünstigten als unzulässige Rechtsausübung darstellt. Der BGH legt an den Einwand des Rechtsmissbrauchs, der im deutschen Recht aus § 242 BGB hergeleitet wird3, denn auch strengste Maßstäbe an: Der Rechtsmissbrauchseinwand soll nur dann durchgreifen, „wenn der Begünstigte aus dem Akkreditiv vorgeht, obwohl für jedermann klar ersichtlich oder zumindest liquide beweisbar ist, dass ihm ein Zahlungsanspruch aus dem Kausalgeschäft nicht zusteht.“4
7.239
Die Mangelhaftigkeit der Ware reicht dazu nicht aus, selbst wenn es sich um schwere Mängel handelt. Es muss vielmehr offensichtlich sein, dass die Ware zur Vertragserfüllung ganz und gar („schlechterdings“) ungeeignet ist5. Ein starker Verdacht vertragswidriger Erfüllung des Kaufvertrages genügt nicht6. Anderenfalls bestünde nach dem BGH7 die Gefahr, dass die Zulässigkeit eines Rückgriffs auf Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zur Regel und die Abstraktheit des Zahlungsanspruches der Bank zur Ausnahme werden. Damit wären Zweck und Funktion des Dokumentenakkreditivs aus den Angeln gehoben. Diese für den internationalen Warenverkehr unentbehrliche Funktion des Dokumentenakkreditivs als unabhängige Sicherheit für den Verkäufer darf nicht durch eine zu weit reichende Aufweichung des Abstraktionsprinzips gefährdet werden8. 1 S. BGH v. 21.4.1988 – IX ZR 113/87, NJW 1988, 2610: „Alle Streitfragen tatsächlicher aber auch rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind nach der Zahlung in einem eventuellen Rückforderungsprozess auszutragen.“ 2 BGH v. 16.3.1987 – II ZR 127/86, WM 1987, 977, 978 m.w.N. = BGHZ 101, 84 ff. = NJW 1987, 2578 ff.; BGH v. 27.6.1988 – II ZR 283/87, WM 1988, 1298, 1300 = NJW 1989, 159 ff.; Aden, RIW 1976, 678 ff.; Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/418 ff.; Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 585 ff. mit ausführlichen weiteren Nachweisen. 3 Vgl. zur Rechtslage in der Schweiz, in Frankreich und im anglo-amerikanischen Rechtskreis Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. H 220 m.w.N. 4 BGH v. 16.4.1996 – XI ZR 138/95, ZIP 1996, 913, 914. In diesem Sinne auch OLG Köln v. 20.6. 2018 – 13 U 291/15, WM 2018, 1742; s. hierzu die Urteilsbesprechung von Vorpeil, WuB 2018, 561 m.w.N. 5 BGH v. 16.3.1987 – II ZR 127/86, WM 1987, 977 ff. 6 In diesem Sinne auch LG Köln v. 26.11.2015 – 30 O 298/14, NJOZ 2016, 303. 7 BGH v. 27.6.1988 – II ZR 283/87, WM 1988, 1298, 1300. 8 LG Limburg v. 25.3.1992 – 5 O 101/90, WM 1992, 1399, 1403.
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Dokumentenakkreditive | Teil 7
Für den Einwand unzulässiger Rechtsausübung kommen daher nur extreme Ausnahmefälle in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall wurde von der Rechtsprechung auch dann angenommen, wenn die Inanspruchnahme des Akkreditivs als arglistig erscheint1, etwa wenn die Ware entgegen der Angabe in den Dokumenten gar nicht verladen wurde oder der Begünstigte sich durch vorsätzliche Verladung einer falschen Ware einer strafbaren Handlung schuldig macht.
7.240
2. Gerichtliche Eilmaßnahmen Hiermit übereinstimmend besteht im Ergebnis weitgehend Einigkeit, dass auch gerichtliche Eilmaßnahmen, mit denen der Bankkunde als Akkreditivauftraggeber die Auszahlung des Akkreditivbetrages an den Begünstigten verhindern will, nur dann angeordnet werden dürfen, wenn die Inanspruchnahme des Akkreditivs als offenkundige oder liquide beweisbare rechtsmissbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung anzusehen wäre. Soweit für die Glaubhaftmachung i.S.v. §§ 920 Abs. 2, 936 ZPO liquide Beweismittel verlangt werden, hat der Akkreditivauftraggeber diese beizubringen. Liquide Beweismittel sind im Wesentlichen nur Urkunden. Die sonst für einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung ausreichende Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung (§ 294 Abs. 1 ZPO) genügt dagegen nicht2.
7.241
Diese Maßstäbe gelten auch für das Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung. Nach dem BGH3 ist die Versuchung, die auf die angebliche oder wirkliche Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware gestützten Gegenansprüche im Wege der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Auszahlung des Akkreditivs zu sichern, bei dieser Variante des Akkreditivs ganz besonders groß. Sinn dieser Akkreditivform ist es, durch die hinausgeschobene Fälligkeit dem Käufer eine Kreditierung zu gewähren, nicht jedoch ihm die Möglichkeit zu verschaffen, die Ware in der Zwischenzeit zu untersuchen und Einwendungen aus dem Warengeschäft in das Akkreditivverfahren hineinzutragen. Einwendungen aus dem Grundgeschäft sind auch hier nur unter den gleichen engen Voraussetzungen und in den gleichen Ausnahmefällen zulässig wie bei dem Zug um Zug abzuwickelnden Akkreditiv.
7.242
Bei missbräuchlicher Inanspruchnahme eines Akkreditivs kommt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch eine einstweilige Verfügung oder einen Arrest in den Zahlungsanspruch aus dem Akkreditiv in Betracht. Die Frage nach der Zulässigkeit derartiger gerichtlicher Maßnahmen stellt sich gleichermaßen, wenn die Inanspruchnahme einer Bankgarantie als rechtsmissbräuchlich angegriffen wird (s. hierzu im Einzelnen Rz. 7.93 f.). In beiden Fällen ist die gleiche Rechtslage gegeben. Dies kann nicht überraschen, weil in beiden Fällen die abstrakte Zahlungspflicht der Bank gegenüber dem Begünstigten inhaltlich und rechtlich identisch ist4.
7.243
a) Einstweilige Verfügung Bei einem Rechtsmissbrauch steht dem Akkreditivauftraggeber ein Anspruch auf Nichteinziehung der Akkreditivsumme gegen den Akkreditivbegünstigten zu. Eine einstweilige 1 2 3 4
LG Aachen v. 10.2.1987 – 41 O 251/86, WM 1987, 499, 501. Vgl. Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. H 230. BGH v. 16.3.1987 – II ZR 127/86, WM 1987, 977 ff. LG Aachen v. 10.2.1987 – 41 O 251/86, WM 1987, 499, 501; Aden, RIW 1981, 439; Pilger, RIW 1979, 588, 589.
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7.244
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Verfügung kann nur gegen diesen und nicht gegen die akkreditiveröffnende Bank gerichtet werden1. Dies entspricht der Rechtsprechung zum einstweiligen Rechtsschutz bei Bankgarantien (s. hierzu Rz. 7.128 f.). Hinsichtlich der Zulässigkeit solcher gerichtlichen Maßnahmen sollten Bankgarantien und Akkreditive einheitlich behandelt werden. Denn im Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme besteht kein dogmatischer Unterschied zwischen einer Bankgarantie und einem Dokumentenakkreditiv2.
7.245
Auch einer zweitbeauftragten Bank kann nicht im Wege der einstweiligen Verfügung verboten werden, aus dem Akkreditiv Leistungen an den Begünstigten zu erbringen. Entweder fehlt es an einem materiell-rechtlichen Anspruch oder es fehlt deswegen an einem Verfügungsgrund, weil der Akkreditivauftraggeber bei einer Pflichtverletzung der zweitbeauftragten Bank die Erstattung des Akkreditivbetrages oder die Rückgängigmachung einer entsprechenden Belastung verlangen kann3.
7.246
Der Antrag bezüglich der einstweiligen Verfügung muss auf Erlass eines Verbots an den Akkreditivbegünstigten gehen, die Akkreditivsumme in Empfang zu nehmen. Das Verbot darf nicht pauschal die Benutzung des Dokumentenakkreditivs untersagen. Denn dem Begünstigten muss die Möglichkeit zur fristgerechten Einreichung der Dokumente belassen bleiben. Anderenfalls besteht die Gefahr des Verfalls des Akkreditivs während der Dauer des Verfügungsverfahrens.
7.247
Der Verfügungsgrund liegt in der tatsächlichen Vermögensgefährdung, die dem Akkreditivauftraggeber droht, wenn es zur Auszahlung des Akkreditivs kommt und er sich in der Folge dem Rückgriff der akkreditiveröffnenden Bank gegenübersieht.
7.248
Im Interesse eines schnellen Rechtsschutzes ergeht die Entscheidung über die einstweilige Verfügung regelmäßig nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss. Zur Wirksamkeit bedarf es einer Zustellung des Beschlusses an den Akkreditivbegünstigten (§§ 922 Abs. 2, 936 ZPO). Der Zustellung an die akkreditiveröffnende Bank bedarf es an sich nicht. Denn sie ist an der Auseinandersetzung der Parteien des Kaufvertrages (Valutaverhältnis) nicht beteiligt. Um aber die Wirkung der einstweiligen Verfügung gleichwohl auf die akkreditiveröffnende Bank zu erstrecken, wird die Zustellung an diese für zulässig und notwendig gehalten. Dies wird damit begründet, dass das erlassene Einziehungsverbot einem gesetzlichen oder gerichtlichen Veräußerungsverbot i.S.v. § 135 Abs. 1 BGB gleichstehe, wobei die Bank „eine Art Drittschuldnerin“ sei4. Nach Kenntnis vom Erlass eines Verbots auf Einziehung des Akkreditivbetrages hat die akkreditiveröffnende Bank jedenfalls mit erhöhter Sorgfalt zu prüfen, ob möglicherweise bereits der Tatbestand eines gerichtlichen Verfügungsverbots gegen den Begünstigten ein liquides Beweismittel für einen Rechtsmissbrauch darstellen kann5. b) Arrest
7.249
Ob der Akkreditivauftraggeber bei rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme des Akkreditivs, einen dinglichen Arrest gegen den Akkreditivbegünstigten erwirken und den An1 Überwiegende Meinung, vgl. LG Aachen v. 10.2.1987 – 41 O 251/86, WM 1987, 499, 501; Aden, RIW 1981, 439, 441. 2 LG Aachen v. 10.2.1987 – 41 O 251/86, WM 1987, 499, 501. 3 OLG Düsseldorf v. 13.2.1978 – 6 U 184/77, WM 1978, 359 ff. 4 Nielsen in BuB, Rz. 5/708; Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 472. 5 In diesem Sinne OLG Frankfurt v. 2.10.1996 – 21 U 224/95, WM 1997, 609 ff.
1060 | Seeger
Dokumentenakkreditive | Teil 7
spruch auf Akkreditiverlös pfänden lassen kann, ist umstritten1. Im Ergebnis ist der Auffassung beizupflichten, dass der Arrest deshalb nicht in Betracht kommt, weil als Arrestanspruch nach § 916 ZPO nur eine Geldforderung oder ein Recht, das in eine Geldforderung übergehen kann, in Betracht kommen. Durch den Arrest wird aber die Auszahlung des Anspruchs aus dem Dokumentenakkreditiv verhindert und der an sich als Arrestanspruch in Betracht kommende Schadenersatzanspruch des Akkreditivauftraggebers gegen den Begünstigten kann gar nicht mehr zum Entstehen kommen2. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich Akkreditivauftraggeber in der Praxis regelmäßig nicht für das Arrestverfahren, sondern für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entscheiden3. 3. Insolvenz Die folgende Darstellung insolvenzrechtlicher Grundzüge4 beschränkt sich auf inländische Akkreditivauftraggeber, -banken und -begünstigte und geht von der Anwendbarkeit deutschen Rechts5 sowie der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Akkreditiveröffnung6 aus.
7.250
a) Insolvenz des Akkreditivauftraggebers Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Akkreditivauftraggebers bleibt der zwischen Akkreditivauftraggeber und eröffnender Bank geschlossene Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, bestehen, weil er bereits ausgeführt ist7.
7.251
Die Akkreditivverpflichtung der eröffnenden Bank gegenüber dem Akkreditivbegünstigten wird von der Insolvenzverfahrenseröffnung nicht berührt. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn der Insolvenzverwalter sich in Ausübung seines Wahlrechts gem. § 103 InsO entschließt, die Erfüllung des Grundgeschäfts zu verweigern. Die Inanspruchnahme des Akkreditivs durch den Begünstigten ist in diesem Fall nicht rechtsmissbräuchlich, wofür auch spricht, dass die Ablehnung des Insolvenzverwalters auf Seiten des Begünstigten einen Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung auslöst. Zwar kommt der eröffnenden Bank in dieser Konstellation gegenüber dem Akkredi1 Vgl. zum Meinungsstand Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/435 ff. sowie Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 757f. 2 In diesem Sinne auch Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 476; Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/435; Borggrefe, Akkreditiv und Grundverhältnis, Diss. Berlin 1971, S. 87, 91; a.A. Schütze/Vorpeil, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, Rz. 757 f. Vgl. zur parallel geführten Diskussion bei der Garantie auch Rz. 7.133 f. 3 S. Nielsen in BuB, Rz. 5/717. 4 Vgl. zum Ganzen ausführlich Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 4.1 ff. 5 Vgl. zu den Auswirkungen ausländischen Rechts Schefold, IPrax 1996, 347 m.w.N. 6 Vgl. zu den Auswirkungen der Insolvenz vor Akkreditiveröffnung Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 4.1 ff. sowie Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. H 252 und H 256. 7 OLG Frankfurt v. 6.10.1987 – 5 U 247/86, WM 1988, 214 ff.; ebenso Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. H 252 f. mit Überblick zum Meinungsstand.
Seeger | 1061
7.252
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
tivauftraggeber nur die Stellung eines einfachen Insolvenzgläubigers zu. Es bleibt ihr jedoch unbenommen, gegebenenfalls ihr AGB-Pfandrecht bzw. Sicherungsrechte an bereits aufgenommenen Dokumenten geltend zu machen, soweit es sich bei diese Dokumenten um Traditionspapiere handelt, also Papiere, deren Übergabe die gleiche Wirkung hat wie die Übergabe der Ware1. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter hingegen dafür, das Grundgeschäft zu erfüllen, wird das Akkreditivgeschäft im Einklang mit den Akkreditivbedingungen abgewickelt; die eröffnende Bank wird in diesem Fall zur Massegläubigerin (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). b) Insolvenz der eröffnenden Bank
7.253
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der eröffnenden Bank hat zur Folge, dass der Akkreditivbegünstigte mit seiner Akkreditivforderung zum einfachen Insolvenzgläubiger mit gewöhnlicher Insolvenzforderung wird (§ 38 InsO).
7.254
Soweit der Akkreditivbegünstigte die Dokumente noch nicht eingereicht hat, wird er das Akkreditiv deshalb in aller Regel unbenutzt verfallen lassen. Anders stellt sich die Lage dar, wenn der Insolvenzverwalter sich dazu entschließt, das Grundgeschäft durchzuführen und deshalb der uneingeschränkten Honorierung der Dokumente zustimmt.
7.255
Wurden die Dokumente zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits präsentiert und liegen sie bei der eröffnenden Bank, ist der Akkreditivauftraggeber gem. § 47 InsO aussonderungsberechtigt, und zwar unabhängig davon, ob er oder die eröffnende Bank das Eigentum an den Dokumenten erworben hat. Da im Falle des Eigentumserwerb der eröffnenden Bank deren Eigentum mit Blick auf den Aufwendungsersatzanspruch gegenüber dem Akkreditivauftraggeber Sicherungsfunktion hat, ist der Insolvenzverwalter jedoch nach Maßgabe der Sicherungsabrede besitzberechtigt. Zudem ist der Akkreditivauftraggeber in diesem Fall nur dann berechtigt, sein Aussonderungsrecht zu realisieren, wenn er dem Insolvenzverwalter die Aufwendungen der eröffnenden Bank ersetzt2.
7.256
Der Anspruch des Akkreditivbegünstigten gegen den Akkreditivauftraggeber aus dem Grundgeschäft bleibt unberührt, da die Stellung eines Dokumentenakkreditivs im Verhältnis zwischen den Parteien des Grundgeschäfts nur Erfüllungshalber erfolgt. c) Insolvenz des Akkreditivbegünstigten
7.257
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Akkreditivbegünstigten lässt die Verpflichtung der eröffnenden Bank unberührt und führt gem. § 80 InsO dazu, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Akkreditivbegünstigten über sein Vermögen auf den Insolvenzverwalter übergeht. Dem Insolvenzverwalter obliegt nunmehr die Entscheidung darüber, ob er das Akkreditiv durch Einreichung der Dokumente in Anspruch nimmt oder verfallen lässt. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter dafür, die Do1 Vgl. zum Meinungsstand bezüglich der rechtlichen Konstruktion des Erwerbs eines Pfandrechts bzw. von Sicherungsrechten an den von der eröffnenden Bank aufgenommenen und bezahlten Dokumenten Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. H 255. 2 Vgl. Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 2/508–510.
1062 | Seeger
Dokumenten-Inkasso | Teil 7
kumente einzureichen, liegt hierin eine Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO im Sinne einer Erfüllung des zugrunde liegenden Liefergeschäfts im Ganzen, was dazu führt, dass auch die außerhalb des Akkreditivs bestehenden Verpflichtungen aus Gewährleistung, Lieferung von Ersatzteilen etc. übernommen werden1. Eingehende Akkreditiverlöse fallen in die Insolvenzmasse. Eine gegenüber dem Akkreditivbegünstigten schuldbefreiende Zahlung direkt an diesen (also unter Umgehung des Insolvenzverwalters) kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die eröffnende Bank ausnahmsweise keine Kenntnis über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte und eine konforme Dokumentenvorlage unmittelbar gegenüber dem Akkreditivbegünstigten honoriert hat (§ 82 InsO)2.
7.258
7.259–7.270
Einstweilen frei.
4. Abschnitt: Dokumenten-Inkasso (Seeger) Die Kreditinstitute übernehmen im Rahmen ihres Inkassogeschäftes den Einzug von Handelsforderungen, die gegen Vorlage von Dokumenten zahlbar sind. Dieses dokumentäre Inkasso ist ein Standardfall des bankmäßigen Inkassogeschäfts, stellt jedoch kein Bankgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 2 KWG dar, da es keiner der dort aufgeführten Geschäftsarten zuzuordnen ist3.
7.271
Die Ausführung der Inkassoaufträge dient dem grenzüberschreitenden (internationalen) bargeldlosen Zahlungsverkehr. Er umfasst sowohl bargeldlose Zahlungen vom Ausland ins Inland als auch, wie bei einer Banküberweisung in das Ausland, bargeldlose Zahlungsströme in die umgekehrte Richtung.
7.272
I. Wirtschaftliche Funktion Das Inkassogeschäft unterscheidet sich vom Akkreditivgeschäft vor allem darin, dass der Bankkunde als Dokumenteneinreicher keinen Zahlungsanspruch gegen die ausländische Bank erworben hat, bei der die Vorlage der Dokumente zur Einlösung zu erfolgen hat. Vielmehr muss der Bankkunde abwarten, ob der ausländische Käufer als Zahlungsverpflichteter aus dem zugrunde liegenden Kaufgeschäft die Dokumente von seiner Bank als Zahlstelle einlösen lassen wird. Diese zahlungsmäßige Abwicklung des Kaufgeschäfts setzt ein beiderseitiges Vertrauen voraus. Der Verkäufer vertraut darauf, dass der Käufer gegen Vorlage der Dokumente über die zu liefernden Waren zahlen wird. Der Käufer, der gegen Empfang nur der Dokumente und nicht schon der Ware Zahlung leistet, vertraut darauf, dass die erst später empfangene Ware den vertraglichen Abmachungen entspricht. Mit dieser Vorleistung geht der Verkäufer ein Kreditrisiko ein.
1 Vgl. Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 493. 2 Vgl. hierzu sowie zu der Frage, inwieweit die eröffnende Bank sich in diesem Fall Schadenersatzansprüchen des Akkreditivauftraggebers aussetzt, Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 4.77–78. 3 Vgl. hierzu T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 119 Rz. 1; Nielsen in BuB, Rz. 5/741 ff.
Seeger | 1063
7.273
Dokumenten-Inkasso | Teil 7
kumente einzureichen, liegt hierin eine Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO im Sinne einer Erfüllung des zugrunde liegenden Liefergeschäfts im Ganzen, was dazu führt, dass auch die außerhalb des Akkreditivs bestehenden Verpflichtungen aus Gewährleistung, Lieferung von Ersatzteilen etc. übernommen werden1. Eingehende Akkreditiverlöse fallen in die Insolvenzmasse. Eine gegenüber dem Akkreditivbegünstigten schuldbefreiende Zahlung direkt an diesen (also unter Umgehung des Insolvenzverwalters) kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die eröffnende Bank ausnahmsweise keine Kenntnis über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte und eine konforme Dokumentenvorlage unmittelbar gegenüber dem Akkreditivbegünstigten honoriert hat (§ 82 InsO)2.
7.258
7.259–7.270
Einstweilen frei.
4. Abschnitt: Dokumenten-Inkasso (Seeger) Die Kreditinstitute übernehmen im Rahmen ihres Inkassogeschäftes den Einzug von Handelsforderungen, die gegen Vorlage von Dokumenten zahlbar sind. Dieses dokumentäre Inkasso ist ein Standardfall des bankmäßigen Inkassogeschäfts, stellt jedoch kein Bankgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 2 KWG dar, da es keiner der dort aufgeführten Geschäftsarten zuzuordnen ist3.
7.271
Die Ausführung der Inkassoaufträge dient dem grenzüberschreitenden (internationalen) bargeldlosen Zahlungsverkehr. Er umfasst sowohl bargeldlose Zahlungen vom Ausland ins Inland als auch, wie bei einer Banküberweisung in das Ausland, bargeldlose Zahlungsströme in die umgekehrte Richtung.
7.272
I. Wirtschaftliche Funktion Das Inkassogeschäft unterscheidet sich vom Akkreditivgeschäft vor allem darin, dass der Bankkunde als Dokumenteneinreicher keinen Zahlungsanspruch gegen die ausländische Bank erworben hat, bei der die Vorlage der Dokumente zur Einlösung zu erfolgen hat. Vielmehr muss der Bankkunde abwarten, ob der ausländische Käufer als Zahlungsverpflichteter aus dem zugrunde liegenden Kaufgeschäft die Dokumente von seiner Bank als Zahlstelle einlösen lassen wird. Diese zahlungsmäßige Abwicklung des Kaufgeschäfts setzt ein beiderseitiges Vertrauen voraus. Der Verkäufer vertraut darauf, dass der Käufer gegen Vorlage der Dokumente über die zu liefernden Waren zahlen wird. Der Käufer, der gegen Empfang nur der Dokumente und nicht schon der Ware Zahlung leistet, vertraut darauf, dass die erst später empfangene Ware den vertraglichen Abmachungen entspricht. Mit dieser Vorleistung geht der Verkäufer ein Kreditrisiko ein.
1 Vgl. Jäger/Haas in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 120 Rz. 493. 2 Vgl. hierzu sowie zu der Frage, inwieweit die eröffnende Bank sich in diesem Fall Schadenersatzansprüchen des Akkreditivauftraggebers aussetzt, Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 4.77–78. 3 Vgl. hierzu T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 119 Rz. 1; Nielsen in BuB, Rz. 5/741 ff.
Seeger | 1063
7.273
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
II. Rechtsgrundlagen 7.274
Das auslandsbezogene Inkassogeschäft wird weltweit betrieben. Es besteht daher ein Bedürfnis nach einer international weitestmöglich anerkannten rechtlichen Ordnung der Geschäftsabwicklung. Inkassoaufträge lassen sich zwar weitgehend unter die geltenden allgemeinen Grundsätze des Zivil- und Handelsrechts der einzelnen Länder subsumieren. Aber auch das Inkasso bietet gelegentlich Auslegungszweifel bezüglich der Rechte und Pflichten der einzelnen Beteiligten. Es dient nicht der Sicherheit des Außenhandels, wenn solche Fälle je nach dem anzuwendenden Recht von Land zu Land eine unterschiedliche Beurteilung erfahren würden. International gültige Gesetze für das Inkassogeschäft bestehen nicht.
7.275
Die Praxis hat sich daher eigene Inkassoregelungen geschaffen. Dies ist in Gestalt der von der ICC publizierten „Einheitliche Richtlinien für Inkassi“ geschehen, deren letzte Version (ICC-Publ. Nr. 522) am 1.1.1996 in Kraft gesetzt worden ist (ERI 522). Die ERI 522 sind auch im Verhältnis des auftraggebenden Kunden zu seiner inländischen Bank maßgeblich. Im Jahr 2018 hat die ICC Banking Commission im Zuge einer Initiative zur Überprüfung der „e-compatibility of ICC rules“ festgestellt, dass die ERI nicht „e-compatible“ seien, da sie die Verwendung von Papierdokumenten voraussetzen. Aus diesem Grund wurde die Erarbeitung von „eURC“ beschlossen, um den Marktteilnehmern auch für den Fall der Verwendung von elektronischen Inkassodokumenten einen Regelungsrahmen zur Verfügung stellen zu können. Die Finalisierung und Publikation der „eURC“ ist im Laufe des Jahres 2019 zu erwarten1.
7.276
Wie die ERA 600 und ihre Vorläufer haben die ERI 522 mangels Gesetzgebungskompetenz der ICC keinen Normcharakter. Sie stellen auch kein Gewohnheitsrecht dar. Die ERI 522 werden wie die ERA 600 als AGB eingestuft, die durch Einbeziehung in den Vertrag Geltung erlangen2. Auch die ERI gelten in ihrer Gesamtheit nicht kraft Handelsbrauches, wenngleich sie wie die ERA 600 in einzelnen Regelungen Handelsbrauch enthalten können3. Die Einbeziehung der ERI 522 richtet sich infolge ihres AGB-Charakters grundsätzlich nach § 305 Abs. 2 BGB, auf dessen strenge Anforderungen aber verzichtet werden kann, wenn der Bankkunde ein Unternehmer ist (§ 310 Abs. 1 BGB).
III. Praxis des Dokumenteninkasso 7.277
Bei auslandsbezogenen Inkassoaufträgen übergibt der Kunde seiner Bank regelmäßig Dokumente mit dem Auftrag, sie über die ausländische Zahlstelle dem Zahlungspflichtigen zur Leistung vorzulegen. Diese Dokumente werden unterteilt in Zahlungspapiere und Handelspapiere. Zu den Zahlungspapieren gehören Wechsel, Schecks, Zahlungsquittungen oder ähnliche zur Erlangung von Zahlungen dienende Dokumente. Zu den Handelspapieren zählen Rechnungen, Verladedokumente, Dispositionspapiere oder ähnliche Dokumente, die keine Zahlungspapiere darstellen. Dementsprechend unterscheidet die Praxis zwischen einfachen und dokumentären Inkassi. Bei einfachen Inkassi werden bei Erteilung 1 S. zu den „eUCP“ Rz. 7.154. 2 Stoffels in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Teil, Rz. I 3; von Westphalen, WM 1980, 178, 189; a.A. Wälzholz, WM 1994, 1457, 1462. 3 Vgl. zum Meinungsstand T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 119 Rz. 6–7.
1064 | Seeger
Dokumenten-Inkasso | Teil 7
des Inkassoauftrages allein Zahlungspapiere eingereicht (Art. 2c ERI 522). Als dokumentäre Inkassi werden dagegen Inkassoaufträge bezeichnet, die von Handelspapieren mit oder ohne Zahlungspapiere begleitet sind (Art. 2d ERI 522). Das Inkassogeschäft beginnt mit der Erteilung des Inkassoauftrages durch den Auftraggeber an seine Bank. Hierbei kommt ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter i.S.d. §§ 675, 611 BGB zustande. Diese Geschäftsbesorgung beinhaltet keine Werkleistung, weil kein bestimmter Erfolg, sondern nur eine Tätigkeit geschuldet wird. Die eingeschalteten Kreditinstitute können keine Gewähr dafür übernehmen, dass die Dokumente auch tatsächlich bezahlt werden. Die mit dem Inkasso beauftragte Bank übernimmt daher nur den Versuch, die Einlösung durch den Zahlungspflichtigen herbeizuführen. Die Dienstleistung der Bank beschränkt sich daher auf das Bemühen um Einzug der zugrunde liegenden Forderung und die anschließende Herausgabe des Inkassoerlöses. Die beteiligten Banken übernehmen daher auch keine Beratungspflichten gegenüber dem Auftraggeber etwa hinsichtlich der Bonität des Zahlungspflichtigen.
7.278
1. Spezielle Weisungen des Inkassoauftraggebers Bei Erteilung des Inkassoauftrages wird Wert darauf gelegt, dass die Bedingungen genau festgelegt werden, unter denen der Zahlungspflichtige zu leisten hat. Insbesondere sollte angegeben werden, ob bei Nichtakzeptierung der mit eingereichten Wechsel der wechselrechtliche Protest zu erheben ist oder nicht. Die Inkassobanken sind nach Art. 24 ERI 522 mangels einer derartigen Weisung nicht verpflichtet, einen solchen Wechselprotest erheben zu lassen. Der Auftraggeber läuft also bei der Nichterteilung spezieller Weisungen Gefahr, etwaige Rückgriffsansprüche gegen die sonstigen Wechselverpflichteten zu verlieren. Der Akzeptant des Wechsels haftet freilich in den meisten Ländern auch ohne eine Protesterhebung (für Deutschland: Art. 53 Abs. 1 WG).
7.279
Der Inkassobank obliegen im Übrigen keine Handlungspflichten für den Fall der Nichteinlösung der Dokumente. Art. 10b ERI 522 stellt ausdrücklich klar, dass die Inkassobanken mangels besonderen Auftrages nicht verpflichtet sind, irgendwelche Maßnahmen zum Schutz der Waren zu ergreifen, auf die sich das Inkasso bezieht.
7.280
Die am Inkasso beteiligten Banken haben sich an die ERI 522 zu halten und dürfen hiervon nicht abweichen, sofern nicht ausdrücklich anderweitige Vereinbarungen getroffen worden sind oder nicht nationale, staatliche oder örtliche Gesetze und/oder Verordnungen entgegenstehen, von denen nicht abgewichen werden darf (Art. 1a ERI 522).
7.281
2. Einschaltung der Inkassobank durch die Einreicherbank Bei Fehlen einer ausdrücklichen Weisung wählt die Bank des die Dokumente einreichenden Kunden (Einreicherbank) die Inkassobank aus (Art. 5f ERI 522). Die Einreicherbank wird freilich das Inkasso in der Regel selbst übernehmen, wenn sie im Land des Zahlungspflichtigen über eine Niederlassung verfügt. Die eingeschaltete Inkassobank ist nach herrschender Auffassung1 kein Erfüllungsgehilfe der Einreicherbank, sondern deren Substitut i.S.d. § 664 Abs. 1 BGB. Die Einreicherbank haftet also nicht für ein Verschulden der Inkassobank, sondern nur für sorgfältige Auswahl und Unterweisung (§ 664 Abs. 1 Satz 2 BGB). 1 Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. I 28 m.w.N.
Seeger | 1065
7.282
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
7.283
Zwischen der Einreicherbank und der Inkassobank besteht ebenfalls ein auf eine Dienstleistung gerichteter Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. §§ 675, 611 BGB. Der Dokumenteneinreicher steht dagegen nicht in unmittelbaren Vertragsbeziehungen zu der von der Einreicherbank eingeschalteten Inkassobank1. Der Kunde der Einreicherbank kann der Inkassobank daher auch keine direkten Weisungen erteilen. Ebenso wenig hat er das Recht, von der Inkassobank die Herausgabe des eingezogenen Inkassoerlöses zu beanspruchen. Der Dokumenteneinreicher kann sich vielmehr nur an seine Bank halten. Er kann freilich von seiner Bank die Abtretung der ihr gegen die Inkassobank zustehenden Ansprüche verlangen. 3. Sicherungsrechte der Einreicherbank
7.284
Werden der Bank z.B. Wechsel zum Einzug eingereicht, so erwirbt sie hieran im Zeitpunkt der Einreichung Sicherungseigentum (Nr. 15 Ziff. 1 Satz 1 AGB-Banken). Zugleich gehen auch die zugrunde liegenden Forderungen auf die Bank über (Nr. 15 Ziff. 2 Halbs. 1 AGB-Banken). Diese Abtretung kann jedoch im Einzelfall scheitern, wenn nach der für sie maßgeblichen Rechtsordnung die AGB-mäßig vereinbarte Zession unwirksam ist, weil sie dem Schuldner wie üblich nicht offen gelegt wird2. Im Gegensatz zum deutschen Recht verlangen viele fremde Rechtsordnungen, vor allem des romanischen und anglo-amerikanischen Rechtskreises, eine Benachrichtigung des Schuldners unter Beachtung von Formvorschriften. Nach anwendbarem internationalem Privatrecht entscheidet das für die abgetretene Forderung maßgebende Recht über die Voraussetzung einer wirksamen Abtretung (Art. 14 Abs. 2 Rom I-Verordnung). Für den AGB-mäßigen Erwerb der einem Inkassowechsel zugrunde liegenden Kaufpreisforderung kommt es also entscheidend darauf an, welchem Recht der Kaufvertrag zwischen dem Exporteur und seinem ausländischen Vertragspartner unterliegt.
7.285
Sollen die auf die Bank übergegangenen Forderungen auch für die Verbindlichkeiten eines Bürgen haften, so kann die Bank aus dieser Sicherungsabtretung Rechte erst herleiten, wenn die Bürgschaftsschuld fällig geworden ist. Eine vorherige Inanspruchnahme der abgetretenen Forderungen ist mit dem Leitbild der Bürgschaft unvereinbar3. 4. Entgegennahme und Vorlage der Dokumente
7.286
Die Bank ist zur Prüfung der eingereichten Dokumente nur insoweit verpflichtet, als sie festzustellen hat, ob die erhaltenen Dokumente den im Inkassoauftrag aufgezählten Dokumenten „zu entsprechen scheinen“. Fehlen Dokumente, so ist derjenige zu verständigen, von der ihr der Inkassoauftrag zuging (Art. 12a ERI 522).
7.287
Der Bank ist im Übrigen unter den ERI 522 nicht autorisiert, die Dokumente dem Zahlungspflichtigen zunächst zur näheren Prüfung zu überlassen, sie ihm also „zu treuen Händen“ auszuhändigen4.
7.288
Der Zahlungspflichtige trägt also das Risiko, dass ihm später ordnungsgemäße Waren geliefert werden5. Er hat allein anhand der Dokumente zu entscheiden, ob er zur Zahlung 1 2 3 4
OLG Hamburg v. 27.10.1969 – 8 U 63/69, MDR 1970, 335. BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057, 1058 = BGHZ 95, 149 ff. = NJW 1985, 2649 f. BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 142/89, WM 1990, 1910, 1911 = NJW 1991, 100. Tut sie dies dennoch, handelt sie auf eigenes Risiko, vgl. Nielsen in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2014, Band 6, Recht des Zahlungsverkehrs, Rz. I 34. 5 T. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 119 Rz. 3.
1066 | Seeger
Dokumenten-Inkasso | Teil 7
verpflichtet ist oder nicht. Der Zahlungspflichtige ist daher im Verhältnis zum Verkäufer als seinem Vertragspartner grundsätzlich auch nicht berechtigt, die Zahlung zu verweigern, wenn die Dokumente in Ordnung sind. Eine Ausnahme gilt freilich für den Fall eines offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. Die Geltendmachung dieses Einwands kommt etwa dann in Betracht, wenn die Dokumente zwar die bestellte Ware ausweisen, der Käufer aber weiß, dass andere als die bestellte Ware verladen worden ist. Ist nach dem Inhalt des Inkassoauftrages ein Wechselakzept statt sofortiger Bezahlung der Dokumente einzuholen, so hat die Inkassobank darauf zu achten, dass die Form der Akzeptierung vollständig und richtig erscheint. Sie haftet jedoch nicht für die Echtheit der Unterschriften und für die Zeichnungsberechtigung der Unterzeichner (Art. 22 ERI 522). Zudem regelt Art. 7b ERI 522, dass die Inkassobank bei fehlender Sonderweisung die Handelspapiere nicht schon gegen Akzept, sondern erst nach Zahlung unter dem Wechsel freigegeben darf.
7.289
5. Benachrichtigungspflichten der Inkassobank Die Inkassobank hat nach Auftragsausführung der Einreicherbank Nachricht zu geben. Dies gilt insbesondere für die sog. Bezahlt-/Akzeptmeldung bzw. die Meldung über Nichtzahlung/Nichtakzeptierung. Ist die Bezahlung der Dokumente verweigert oder ein Wechsel nicht akzeptiert worden, so soll die Inkassobank nach Möglichkeit die Gründe dafür feststellen und in ihre Meldung mit aufnehmen (Art. 26c ERI 522).
7.290
Wenn die Einreicherbank die Benachrichtigung über die Nichtaufnahme bzw. Nichtakzeptierung von Dokumenten erhält, hat sie innerhalb angemessener Zeit geeignete Weisungen hinsichtlich der weiteren Behandlung der Dokumente zu erteilen. Geschieht dies nicht innerhalb von 60 Tagen, so werden die Dokumente an die Einreicherbank zurückgesandt (Art. 26c ERI 522).
7.291
IV. Insolvenz des Dokumenteneinreichers bei Bevorschussung des Inkassoerlöses Hat die Einreicherbank – wie es häufig geschieht – das Dokumenteninkasso bevorschusst und kommt es in der Folge zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Dokumenteneinreicher, ist wie folgt zu unterscheiden:
7.292
Erfolgt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Weitergabe der Dokumente durch die Einreicherbank, steht dieser ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zu, weil die Bevorschussung als Bargeschäft zu qualifizieren ist. Da er an den Dokumenten und damit auch an der Ware keinen Besitz erworben hat und folglich die Voraussetzungen des § 166 InsO nicht erfüllt, ist der Insolvenzverwalter nicht zur Verwertung berechtigt1.
7.293
Bei Insolvenzeröffnung nach Weitergabe der Dokumente durch die Einreicherbank gilt Folgendes:
7.294
Geht der Inkassoerlös noch vor Insolvenzeröffnung bei der Einreicherbank ein, kann sie ihr AGB-Pfandrecht geltend machen und den Inkassoerlös mit einem debitorischen Saldo aus der Bevorschussung verrechnen. 1 Vgl. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 4.145.
Seeger | 1067
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Wenn der Inkassoerlös nach Insolvenzeröffnung bei der Einreicherbank eingeht, braucht die Einreicherbank diesen dann nicht herauszugeben, wenn ihr im Zuge der Erteilung des Inkassoauftrages gem. Nr. 15 Ziff. 2 AGB-Banken oder auf Grund einer gesonderten Sicherheitenabsprache gleichzeitig die Kaufpreisforderungen aus dem Grundgeschäft abgetreten worden sind. Die Kaufpreisforderung gehört in diesem Fall nicht mehr zur Masse, stattdessen folgt aus der Sicherungszession ein Recht der Einreicherbank auf abgesonderte Befriedigung, das durch Einzug und Verrechnung mit der gesicherten Forderung gegen den Dokumenteneinreicher verwertet werden kann1.
7.295–7.300 Einstweilen frei.
5. Abschnitt: Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung I. Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften der Bundesrepublik: Hermes-Deckungen (Frieder Bauer) 1. Allgemeines
7.301
Wie alle Industriestaaten fördert auch die Bundesrepublik Deutschland ihre Exportwirtschaft2. Ein wesentliches Instrument der Exportförderung sind die Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften. Hierdurch können Exportforderungen gegen das Risiko des Forderungsausfalles aus wirtschaftlichen und politischen Gründen abgesichert werden. Der Staat bietet Versicherungsschutz an, weil die private Versicherungswirtschaft insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländer keinen vergleichbaren Schutz anbietet3. Dieser Subsidiaritätsgrundsatz wird im Hinblick auf einen sich dynamisch entwickelnden Versicherungsmarkt und einer sich stetig verändernden geopolitischen Lage periodisch überprüft, zumal die EU-Kommission diese Form der staatlichen Exportförderung immer auch unter dem Blickwinkel der unzulässige Beihilfen nach Art. 107 AEUV beurteilt4. Mit diesem Sicherungsinstrument soll die Exportwirtschaft bei der Erschließung von ausländischen Absatzmärkten unterstützt und dazu beigetragen werden, die Handelsbeziehungen mit dem Ausland auch bei erhöhten Risiken aufrechtzuerhalten. Hermes-Deckungen dienen der Erschließung schwieriger Märkte und der Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Beziehungen auch in ungünstigen Zeiten. Mit der Übernahme von Hermesdeckungen können deutsche Exporteure und Kreditinstitute ihre Käufer- und Länderrisiken aus Exportgeschäften absichern. Leitlinien gewährleisten hierbei global verantwortliches Handeln, die unter http://www.agaportal.de näher erläutert werden5.
1 Vgl. BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057; Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 3/50. 2 Janus in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 122 Rz. 1 ff.; Nielsen in BuB, Rz. 5/808 ff. 3 S. hierzu den sehr informativen Internet-Auftritt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie unter: http://www.agaportal.de. 4 S. zur Vorgängerregelung in Art. 86, 87 EGV: Janus in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, § 122 Rz. 9. 5 AGA steht für AuslandsGeschäftsAbsicherung der Bundesrepublik Deutschland.
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Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Wenn der Inkassoerlös nach Insolvenzeröffnung bei der Einreicherbank eingeht, braucht die Einreicherbank diesen dann nicht herauszugeben, wenn ihr im Zuge der Erteilung des Inkassoauftrages gem. Nr. 15 Ziff. 2 AGB-Banken oder auf Grund einer gesonderten Sicherheitenabsprache gleichzeitig die Kaufpreisforderungen aus dem Grundgeschäft abgetreten worden sind. Die Kaufpreisforderung gehört in diesem Fall nicht mehr zur Masse, stattdessen folgt aus der Sicherungszession ein Recht der Einreicherbank auf abgesonderte Befriedigung, das durch Einzug und Verrechnung mit der gesicherten Forderung gegen den Dokumenteneinreicher verwertet werden kann1.
7.295–7.300 Einstweilen frei.
5. Abschnitt: Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung I. Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften der Bundesrepublik: Hermes-Deckungen (Frieder Bauer) 1. Allgemeines
7.301
Wie alle Industriestaaten fördert auch die Bundesrepublik Deutschland ihre Exportwirtschaft2. Ein wesentliches Instrument der Exportförderung sind die Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften. Hierdurch können Exportforderungen gegen das Risiko des Forderungsausfalles aus wirtschaftlichen und politischen Gründen abgesichert werden. Der Staat bietet Versicherungsschutz an, weil die private Versicherungswirtschaft insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländer keinen vergleichbaren Schutz anbietet3. Dieser Subsidiaritätsgrundsatz wird im Hinblick auf einen sich dynamisch entwickelnden Versicherungsmarkt und einer sich stetig verändernden geopolitischen Lage periodisch überprüft, zumal die EU-Kommission diese Form der staatlichen Exportförderung immer auch unter dem Blickwinkel der unzulässige Beihilfen nach Art. 107 AEUV beurteilt4. Mit diesem Sicherungsinstrument soll die Exportwirtschaft bei der Erschließung von ausländischen Absatzmärkten unterstützt und dazu beigetragen werden, die Handelsbeziehungen mit dem Ausland auch bei erhöhten Risiken aufrechtzuerhalten. Hermes-Deckungen dienen der Erschließung schwieriger Märkte und der Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Beziehungen auch in ungünstigen Zeiten. Mit der Übernahme von Hermesdeckungen können deutsche Exporteure und Kreditinstitute ihre Käufer- und Länderrisiken aus Exportgeschäften absichern. Leitlinien gewährleisten hierbei global verantwortliches Handeln, die unter http://www.agaportal.de näher erläutert werden5.
1 Vgl. BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057; Ehrlich/Haas/Zahn, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, Rz. 3/50. 2 Janus in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 122 Rz. 1 ff.; Nielsen in BuB, Rz. 5/808 ff. 3 S. hierzu den sehr informativen Internet-Auftritt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie unter: http://www.agaportal.de. 4 S. zur Vorgängerregelung in Art. 86, 87 EGV: Janus in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, § 122 Rz. 9. 5 AGA steht für AuslandsGeschäftsAbsicherung der Bundesrepublik Deutschland.
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Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung | Teil 7
a) Internationale Einbindung Um Wettbewerbsverzerrungen zwischen denjenigen Industrienationen zu vermeiden, die staatliche Exportförderung im eingangs beschriebenen Sinne betreiben, wurden am 1.4. 1978 Leitlinien von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelt, der sog. OECD-Konsensus.
7.302
Er findet auf öffentlich unterstütze Exportkredite Anwendung, die eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren haben sowie auf Entwicklungshilfekredite, die an Exporte aus dem Geberland gebunden sind1. Hierin sind im Wesentlichen geregelt: – Zahlungsbedingungen für An- und Zwischenzahlungen – Zulässige Höchstlaufzeiten für Kredite – Mindestvoraussetzungen für Rückzahlungsprofile und Zinsberechnungsmethodik – Eine Untergrenze für Zinsen – Eine Untergrenze für die zu entrichtende Prämie Der OECD-Konsensus ist kein formaler Rechtsakt der OECD, er leitet seine faktische Geltung dem „gentlement’s agreement“ der Konsensusteilnehmer ab und wurde inzwischen mehrfach an die sich verändernde Weltwirtschaftlage angepasst2. b) Die deutschrechtliche Grundlage Rechtsgrundlage für die Form, die Voraussetzungen und den Umfang dieser staatlichen Förderungsmaßnahmen ist das jährliche Haushaltsgesetz und der darin jährlich bestimmte Finanzierungsrahmen in Verbindung mit den Richtlinien für die Übernahme von Ausfuhrgewährleistungen. Im Jahr 2017 betrug der Ermächtigungsrahmen für Gewährleistungen von Ausfuhren 160,0 Milliarden Euro, der weitere Ermächtigungsrahmen für andere außenwirtschaftliche Maßnahmen (hierunter fallen etwa ungebundene Finanzkredite und die Absicherung von Direktinvestionen) umfasste 65,0 Milliarden Euro.
7.303
Die Bezeichnung „Ausfuhrgewährleistungen“ wird als Oberbegriff für Ausfuhrgarantien, Ausfuhrbürgschaften und Ausfuhr-Pauschal-Gewährleistungen verwendet, die allgemein auch als Hermes-Deckungen bezeichnet werden. Die Überwachung und Abwicklung solcher staatlichen Gewährleistungen sind einem Konsortium übertragen, das aus der federführenden Hermes-Kreditversicherungs-AG, Hamburg, und PriceWaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der Rechtsnachfolgerin der früheren Treuarbeit, Frankfurt/M., besteht. Die beiden Gesellschaften werden als Mandatare des Bundes bezeichnet.
7.304
Die Übernahme der Hermes-Deckung erfolgt nach der sog. Zweistufentheorie in einem zweistufigen Verfahren, wie sie Rechtsprechung und Schrifttum für die Fälle entwickelt haben, in denen sich der Staat zugleich auf den Gebieten des (Wirtschafts-)Verwaltungsrechts und des Wirtschaftsrechts bewegt3. Die Entscheidung in der ersten Stufe, in der
7.305
1 Moltrecht in Scheibe/Moltrecht/Kuhn, 2007, Kapitel 16 Rz. 3. 2 Moltrecht in Scheibe/Moltrecht/Kuhn, 2007, Kapitel 16 Rz. 8 f. 3 Schallehn/Stolzenburg, Garantien und derung der deutschen Ausfuhr, 1985,
Garantien und Bürgschaften, Loseblattausgabe Dezember Garantien und Bürgschaften, Loseblattausgabe Dezember Bürgschaften der Bundesrepublik Deutschland zur FörKapitel I Rz. 20.
Frieder Bauer | 1069
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
über die Deckungsübernahme entschieden wird, ist als Maßnahme auf den Gebieten des Wirtschaftsverwaltungsrechts dem Verwaltungsrecht zuzuordnen1. Deshalb erfolgt diese Entscheidung nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Die endgültige Deckungszusage begründet sodann einen Anspruch des Exporteurs auf Abschluss eines Gewährleistungsvertrages. Diese Vertragsbeziehung untersteht dem Zivilrecht und wird durch eine konkrete Garantie- oder Bürgschaftsurkunde unter Einbeziehung der maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher ausgestaltet2.
7.306
Die Bezeichnung als Ausfuhrgarantie oder Ausfuhrbürgschaft haben keinerlei Einfluss auf die Rechtsnatur der jeweiligen Deckungsform: Es handelt sich in beiden Fällen um einen staatlich gewährten Schutz gegen Forderungsausfälle, der aber weder einer akzessorische Bürgschaft noch einer abstrakten Garantie gleichkommt, sondern vielmehr ein Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Mandatare darstellt, der den nachfolgend noch näher zu beschreibenden Regelungen folgt. Die unterschiedlichen Begriffe (Ausfuhrbürgschaft und Ausfuhrgarantie) rühren lediglich aus dem Umstand her, dass die Ausfuhrbürgschaften Ausfallrisiken absichern, die gegenüber hoheitlichen Schuldnern im Ausland bestehen (sog. „Sovereign risks“) während hingegen die Ausfuhrgarantieformen zum Schutz vor Ausfallrisiken der privatwirtschaftliche Schuldner im Ausland gewährt werden („corporate risks“). c) Das Antragsverfahren
7.307
Je nach gewählter Deckungsform beantragt entweder der deutsche Exporteur (etwa bei einer Ausfuhrdeckung) oder das finanzierende Kreditinstitut (bei einer Finanzkreditdeckung) bei der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG eine Exportkreditgewährleistung. Der Antrag muss möglichst früh, spätestens aber vor Risikobeginn gestellt werden und muss je nach Umfang und Gegenstand der Lieferung Angaben über Finanzierung, Infrastruktur, Umweltaspekte und volkswirtschaftliche Bedeutung des Projektes enthalten. Diese Informationen sind entscheidend für die Frage der Förderungswürdigkeit und die Deckungsfähigkeit des Projektes. Einschränkungen hierbei können etwa aus der Warenart, aus dem Bestellerland oder aus anderen Gesichtspunkten wie Umweltaspekten, Menschenrechte oder Korruptionsverdachtsmomenten resultieren.
7.308
Im Zuge des Antragsverfahrens gibt die Bundesregierung eine „Grundsätzliche Stellungnahme“ ab: Diese ist bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage für sechs Monate verbindlich und gibt dem Exporteur Planungssicherheit bei seinen Vertragsverhandlungen. Sobald der entsprechende Exportvertrag abgeschlossen ist, wird über die endgültige Deckung entschieden und bei positivem Bescheid die Deckungsurkunde ausgestellt, die dann die entscheidenden Vorgaben für das konkrete Geschäft machen. 1 Roland Scheibe, Garantien & Bürgschaften von A–Z, Lexikon der Ausfuhrgewährleistungen des Bundes, 2002, S. 239. 2 Janus in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 122 Rz. 23; Nielsen in BuB, Rz. 5/838 ff.
1070 | Frieder Bauer
Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung | Teil 7
d) Die staatliche Exportgewährleistung im Lichte der Solvabilitätsverordnung Die Förderungsmaßnahmen in Form der Bundesdeckung bestehen also nicht in der Gewährung von Exportkrediten, sondern in der Absicherung gegen Forderungsausfälle. Diese Hermesdeckungen sind aber regelmäßig für die Finanzierung eines Exportgeschäfts von großer Bedeutung, da die kreditgewährenden Banken üblicherweise das Vorhandensein einer Ausfuhrgarantie oder -bürgschaft und die Abtretung der Entschädigungsansprüche verlangen. Durch die Übernahme einer „Hermes-Deckung“ wird der zu gewährende Kredit im Umfang der Deckung vom Risiko des ausländischen Schuldners auf das sehr geringe Ausfallrisiko der Bundesrepublik Deutschland aufgewertet. Damit geht eine entsprechende Kapitalentlastung nach der Solvabilitätsverordnung einher, denn die verschiedenen Formen der Hermes-Deckung führen zu einer vollständigen Kapitalentlastung („Nullanrechnung“) in Höhe des jeweiligen Deckungsanteils. Die kreditgebende Bank ist damit nicht mehr verpflichtet, den „gedeckten Teil“ des Exportfinanzkredites mit Eigenkapital zu unterlegen. Dies schlägt sich in attraktiven Zinssätzen für den ausländischen Importeur nieder und wirkt damit direkt exportfördernd.
7.309
e) Die gedeckten Risiken Eine auch nur kursorische Darstellung aller Deckungsformen würde den Umfang dieses Kapitels sprengen und verlöre den bankrechtlichen Schwerpunkt des Werkes aus den Augen. Im Weiteren beschränken sich daher die Anmerkungen auf diejenigen Gewährleistungsformen des Bundes, die im Bankgeschäft von erheblicher Relevanz sind.
7.310
Die Struktur der Bundesdeckung ist dabei aber grundsätzlich gleich:
7.311
Auf der Basis des jeweils einschlägigen Regelwerks (sog. Allgemeine und Besondere Bedingungen, die AGB-Charakter haben) wird der konkrete Deckungsvertrag zwischen dem Deckungsnehmer und der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Mandatare abgeschlossen. In der Deckungsurkunde werden die individuellen Abweichungen von den Allgemeinen und Besonderen Bedingungen sowie Spezifika des Einzelfalles festgelegt. Die Allgemeinen Bedingungen, die der jeweiligen Deckungsform zugrunde gelegt werden, zählen die Deckungstatbestände enumerativ auf und unterscheiden nach folgenden Gruppen:
7.312
– Politische Risiken – Wirtschaftliche Risiken – Nichtzahlungsrisiken Die Nichtzahlungsrisiken („protacted default“) stellen dabei einen Auffangtatbestand dar, deren Voraussetzungen zum Teil geringer als bei den vorgenannten Risikogruppen ausfallen. Dies wird mit den teilweise abweichenden Selbstbehalten gerechtfertigt1. aa) Politische Risiken
7.313
Unter diese Sammelbezeichnung fasst man folgende Unterformen: Das Nichtzahlungsrisiko eines öffentlich-rechtlichen Käufers wird meist dem politischen Risiko zugeordnet, da man mit den üblichen zivilrechtlichen Mitteln keine Insolvenz des 1 Scheibe in Scheibe/Moltrecht/Kuhn, Garantien und Bürgschaften, Loseblattausgabe Februar 2005, Kapitel 3 Rz. 11.
Frieder Bauer | 1071
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Käufers herbeiführen kann: Die Insolvenzvoraussetzungen richten sich immer nach nationalem Recht, welches üblicherweise kein geregeltes Verfahren für den eigenen „Staatsbankrott“ vorsieht.
7.314
Das Konvertierungs- und Transferrisiko (KT-Risiko) liegt vor (vgl. § 4 Abs. 2 Ziff. 2 der allgemeinen Bedingungen G/B und AB [FKG/FKB])1, wenn infolge von Beeinträchtigungen des zwischenstaatlichen Zahlungsverkehrs der ausländische Schuldner fällige Beträge zwar im Ausland einbezahlt hat, diese Beträge aber nicht in die geschuldete Währung konvertiert oder nicht transferiert werden können.
7.315
Verhindern gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen im Ausland oder kriegerische Ereignisse, Aufruhr oder Revolution die Erfüllung der gedeckten Forderung, so sind derlei Ausfälle in gleichem Umfang geschützt, wie dies bei ausländischen Zahlungsverboten und Moratorien der Fall ist. bb) Wirtschaftliche Risiken
7.316
Wirtschaftliche Risiken treten per definitionem nur bei Geschäften mit privaten ausländischen Schuldnern auf. Hierunter sind insbesondere die Insolvenztatbestände zu fassen2. cc) Der Nichtzahlungsfall
7.317
Er ist ein Sonderfall des wirtschaftlichen Risikos bei privaten Schuldnern und beschreibt die Uneinbringlichkeit der Forderung, wenn die gedeckte Forderung sechs Monate nach Fälligkeit nicht erfüllt worden ist. Bei der Finanzkreditdeckung sind die Banken insoweit privilegiert, da diese Wartezeit auf einen Monat verkürzt ist. In keinem Fall darf der Nichtleistungsfall auf begründeten Gegenrechten des ausländischen Importeurs beruhen. 2. Finanzkreditdeckung
7.318
Die für Banken mit Abstand wichtigste Deckungsform ist die gebundene Finanzkreditdeckung. Mit ihr sichert der Bund das Kreditinstitut gegen Ausfallrisiken eines ausländischen Kreditnehmers ab, die sich in einem ausgezahlten Finanzkredit realisieren können. Der gebundene Finanzkredit, der regelmäßig durch die Vermittlung des deutschen Exporteurs zwischen dem inländischen Kreditinstitut und entweder dem ausländischen Importeur direkt oder aber mit dessen Hausbank im Ausland zustande kommt, ermöglicht es, dass der Exporteur bereits bei Lieferung der Ware mit der Kreditvaluta bezahlt wird. Damit vermeidet der Exporteur, den Importeur in der Form eines Lieferantenkredits zu finanzieren und er erhält durch die zeitnahe Bezahlung eine sofortige Bilanzentlastung. a) Unmittelbarer Kredit an den Importeur
7.319
Dies kann zum einen der Fall sein, wenn die Bank einen direkten Kredit an den ausländischen staatlichen oder privatwirtschaftlichen Importeur gewährt. Die Bank muss sich dabei im Rahmen der kaufmännischen Sorgfalt Gewissheit darüber verschaffen, dass sie ei1 Sämtliche Bedingungswerke sind unter http://www.agaportal.de abrufbar. 2 Näher hierzu Scheibe in Scheibe/Moltrecht/Kuhn, Garantien und Bürgschaften, Loseblattausgabe Februar 2005, Kapitel 3 Rz. 29.
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Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung | Teil 7
nen rechtsbeständigen und durchsetzbaren Kreditrückzahlungsanspruch sowie gegebenenfalls durchsetzbare Sicherheiten gegenüber dem ausländischen Kreditnehmer in der Vertragsdokumentation begründet, denn die allgemeinen Bedingungen für Garantien beziehungsweise Bürgschaften für gebundene Finanzkredite (AB [FKG] und AB [FKB]) adressieren dieses Risiko klar beim Deckungsnehmer. Die Kreditvaluta kann auf zweierlei Weise verwendet werden: aa) Direkte Auszahlung Die Mehrheit der Finanzkredite werden ausgezahlt, in dem der Exporteur bestimmte Unterlagen bei der kreditgewährenden Bank einreicht, mit denen der dokumentäre Nachweis geführt werden soll, dass die Lieferungen und Leistungen dem Exportvertrag entsprechend erbracht worden sind. Im Kreditvertrag zwischen Bank und Importeur (= Kreditnehmer) ist entsprechend vereinbart, dass die Auszahlung der Kreditvaluta im Direktauszahlungsverfahren unmittelbar an den Exporteur erfolgen soll.
7.320
Es ist umstritten, ob das Direktauszahlungsverfahren dem Exporteur einen eigenen, direkt durchsetzbaren Anspruch gegenüber der kreditierenden Bank gewährt. Da der Exporteur keinen eigenen Vertrag mit der Bank abschließt, wird ein eigener Anspruch mit der Rechtsfigur des echten Vertrages zugunsten Dritter gem. § 328 Abs. 1 BGB begründet. Da die Kreditvertragsdokumentation hierzu regelmäßig keine ausdrückliche Aussage trifft, wird man nach § 328 Abs. 2 BGB den Vertragszweck und die Interessenlage der Vertragsparteien heranziehen müssen.
7.321
Scheibe1 argumentiert damit, dass regelmäßig feststünde, dass der Besteller die zur Erfüllung der Barzahlungsbedingungen notwendigen Finanzmittel nicht zur Verfügung hätte und dass deshalb das Exportgeschäft und die Erfüllungsfähigkeit des Importeurs mit der Finanzierung „stehen und fallen würde“. Damit käme der Finanzierung eine derart große Bedeutung für das Gesamtgeschäft zu, dass die Auszahlungsverpflichtung der Bank sich nicht nur auf das Innenverhältnis zwischen kreditgebender Bank und Kreditnehmer beschränken solle, sondern nach der Interessenlage des Exporteurs sei es gerechtfertigt, dass er bei Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen die Darlehensvaluta auch selbst fordern kann2. Diese Argumentation erscheint nicht zwingend, denn dabei bleibt die Interessenlage der kreditgebenden Bank gänzlich unberücksichtigt. Es ist zwar völlig unumstritten, dass der gebundene Finanzkredit zur Finanzierung des Exportgutes zu verwendet ist. Dies unterscheidet ihn vom ungebundenen Finanzkredit (s. Näheres hierzu Rz. 7.325). Gleichwohl ist ebenso unzweifelhaft, dass der Finanzkreditvertrag vom Exportvertrag verschieden, von diesem abstrakt ist und mit unterschiedlichen Vertragsparteien geschlossen wird. Dies ist ein ganz wesentliches Abschlusskriterium für die kreditgebende Bank, denn wegen der Abstraktheit läuft die Bank nicht Gefahr, dass ihr erfolgreich etwaige Mängel aus dem Exportgeschäft vom Kreditnehmer gegen die Rückzahlungsverpflichtung unter dem Kreditvertrag entgegengehalten werden könnten. Es muss nicht im zwingenden Interesse der Bank stehen, ein vertragsähnliches Rechts- und Vertrauensverhältnis mit dem Exporteur zu begründen, was bei der Bejahung eines echten Vertrags zugunsten Dritter der Fall wäre3. 1 Scheibe in Scheibe/Moltrecht/Kuhn, Garantien und Bürgschaften, Loseblattausgabe Oktober 2008, Kapitel 6 Rz. 4 f. 2 So auch Fehr, RIW 2004, 440, 443. 3 Grüneberg in Palandt, Einf. v. § 328 BGB Rz. 5.
Frieder Bauer | 1073
7.322
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Gerade bei einer sog. isolierten Finanzkreditdeckung, bei der der Bund ausschließlich den Finanzkredit der Bank absichert, aber keine Deckung für das zugrunde liegende Liefergeschäft übernommen hat, kann die Interessenlage der Bank darauf gerichtet sein, sich primär mit ihrem Vertragspartner auseinander setzen zu wollen und nicht noch zusätzlich ein quasi-vertragliches Rechtsverhältnis zum Exporteur zu begründen. bb) Erstattungsverfahren
7.323
In Ausnahmefällen, die vom Bund genehmigt sein müssen, kann vom Direktauszahlungsverfahren abgewichen werden, indem die Kreditvaluta an den Kreditnehmer ausbezahlt wird. Ein zulässiger Grund wäre etwa der sich verzögernde Abschluss des Finanzkreditvertrages, wenn und soweit sich die Exportvertragsparteien auf Barzahlungsbedingungen in dem Verständnis geeinigt haben, dass dem Käufer die geleisteten Barzahlungen aus dem Finanzkredit später erstattet werden. Mit anderen Worten muss bei dem Exportgeschäft ein konditionierter Zusammenhang zwischen der bereits erfolgten Barzahlung an den Exporteur und der gewünschten Erstattung an den ausländischen Importeur vorliegen1. Hierfür wird aber nicht zwingend vorausgesetzt, dass der Kreditnehmer zuvor selbst die Barzahlung geleistet hat. b) Bank-zu-Bank-Kredit
7.324
Als weitere deckungsfähige Variante des Finanzkredites ist anerkannt, dass das deutsche Kreditinstitut einen Darlehensvertrag mit der Hausbank des Importeurs abschließt, um die Hausbank in die Lage zu versetzen, dem Importeur den Import des Exportgutes zu finanzieren. Dies ist unbedenklich, solange der unmittelbare Zusammenhang mit dem Exportgeschäft gewahrt bleibt und die Zweckbestimmung des Finanzkredits, der Bezahlung eines deutschen Exporteurs aus einem bestimmten Exportgeschäft zu dienen, nicht in Frage steht2. Bemerkenswert ist dabei, dass die eingangs skizzierten Mindestvoraussetzungen aus dem OECD-Konsensus nur für den unmittelbaren Kredit an die Auslandsbank gelten, nicht aber für den Kreditvertrag zwischen Auslandsbank und Importeur. Durch die Zwischenschaltung einer lokalen Bank kann der Importeur damit in zulässiger Weise „konsensusfreie“ Rückzahlungsbedingungen vereinbaren3. 3. Besondere Deckungsformen (UFK, Direktinvestitionen)
7.325
Gilt für die verschiedenen Deckungsarten der Grundsatz, dass jeweils konkrete, förderungswürdige und förderungsfähige Ausfuhrgeschäfte der Deckung zugrunde liegen müssen, so wird diese Regel in einer bedeutsamen Kategorie durchbrochen. Der ungebundene Finanzkredit (UFK) verlangt gerade nicht, dass ein entsprechender Export aus Deutschland heraus stattfindet, sondern der Bund verfolgt mit der Gewährung einer UFK-Deckung andere Ziele: Als rohstoffarmes Land mit hohem Energiebedarf ist Deutschland auf entsprechende Importe angewiesen. Um diese sicherzustellen, unterstützt der Bund Projekte im Ausland, die der 1 Scheibe in Scheibe/Moltrecht/Kuhn, Garantien und Bürgschaften, Loseblattausgabe Oktober 2008, Kapitel 6 Rz. 56a. 2 Scheibe in Scheibe/Moltrecht/Kuhn, Garantien und Bürgschaften, Loseblattausgabe Oktober 2008, Kapitel 6 Rz. 29. 3 Scheibe in Scheibe/Moltrecht/Kuhn, Garantien und Bürgschaften, Loseblattausgabe Oktober 2008, Kapitel 6 Rz. 49.
1074 | Frieder Bauer
Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung | Teil 7
Rohstoff- und Energieversorgung Deutschlands dienen. Es muss daher sichergestellt sein, dass ein erheblicher Anteil der späteren Produktionsmengen nach Deutschland geliefert wird. Nach einer grundlegenden Reformierung der entsprechenden Bedingungen sichert die UFK-Deckung nicht nur politische sondern jetzt auch wirtschaftliche Risiken ab und sieht einen einheitlichen Selbstbehalt von 10 % für alle gedeckten Risiken vor. Schließlich unterstützt die Bundesregierung die einheimische Industrie auch bei ihrer Expansion in ausländische Märkte, indem sie die Direktinvestitionen im Ausland unter bestimmten Bedingungen schützt. Förderungswürdig ist eine deutsche Direktinvestition vorzugsweise dann, wenn sie zugleich zur Vertiefung der bundesdeutschen Beziehung zum Anlageland beiträgt. Eine Absicherung kommt neben anderen Voraussetzungen aber nur in Frage, wenn durch Abschluss eines entsprechenden Investitionsschutzabkommens zwischen der Bundesrepublik und dem Anlagestaat beziehungsweise durch die innerstaatliche Rechtsordnung im Anlagestaat ein hinreichender Rechtsschutz der Investition sichergesellt ist1.
7.326
II. Forfaitierung, mit und ohne Versicherungsschutz (Frieder Bauer/Seeger) 1. Begriff, Abgrenzung zum Factoring, Auslandsberührung, aktuelle Entwicklungen Unter Forfaitierung2 versteht man allgemein den regresslosen Ankauf (§§ 433, 453 BGB) von kurz-, mittel- und langfristigen Forderungen mit einer Laufzeit bis zu zehn Jahren. Die Übertragung der Forderung auf den Käufer erfolgt in der Weise, das als Erfüllungsgeschäft ein Abtretungsvertrag gem. § 398 BGB zwischen Forderungsverkäufer (Zedent) und Forderungskäufer (Zessionar) geschlossen wird. Die Bezeichnung „à forfait“ (= in Bausch und Bogen kaufen) weist auf die pauschale Risikoübernahme des Forderungsankäufers hin. Mit der Forfaitierung gehen das Risiko der wirtschaftlichen Einbringlichkeit (Bonität) und die politischen Risiken (Länderrisiko) der Forderungen sowie das Risiko eines Kursverfalls der zugrunde liegenden Währung auf den Forderungskäufer über. Der Verkäufer der Forderung haftet hingegen nur für die Verität, d.h. den Bestand und die Einredefreiheit der angekauften Forderungen3. Der Forderungsverkäufer kann im Übrigen seine Bilanz entlasten und verbessert damit seine Kreditmöglichkeiten.
7.327
Eine weitere Möglichkeit des Forderungsverkaufs bietet das Factoring (s. hierzu Rz. 6.301 ff.). Wenngleich eine trennscharfe Unterscheidung letztlich nicht möglich ist, lässt sich doch grundsätzlich sagen, dass sich das Factoring von einer Forfaitierung regelmäßig darin unterscheidet, dass die angekauften Forderungen beim Factoring grundsätzlich kurze Laufzeiten (maximal 180 Tage) haben, nicht wechselmäßig verbrieft sind (Buchforderungen) und global auf Grund eines Rahmenvertrages und nicht als Einzelforderung erworben werden. Dem Factoring liegt also eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung zwischen
7.328
1 Moltrecht in Scheibe/Moltrecht/Kuhn, Garantien und Bürgschaften, Loseblattausgabe Oktober 2008, Kapitel 21 Rz. 6. 2 Vgl. Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 103; Bernard, Rechtsfragen des Forfaitierungsgeschäfts, 1991; Deuber, Rechtliche Aspekte der Forfaitierung, 1993; Hakenberg, RIW 1998, 906 ff. Vgl. weiter BGH v. 21.6.1994 – XI ZR 183/93, WM 1994, 1370, 1371; BFH v. 5.5.1999 – XI R 6/98, WM 1999, 1763, 1764. 3 Bis zur Schuldrechtsreform war die Veritätshaftung in § 437 BGB gesetzlich geregelt. Nach Wegfall des § 437 BGB ist die Forfaitierungspraxis dazu übergegangen, eine vertragliche Garantiehaftung für die Verität der Forderungen festzuschreiben; vgl. zum Ganzen ausführlich von Westphalen, WM 2001, 1837, 1842.
Frieder Bauer/Seeger | 1075
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
Forderungsverkäufer und Factor-Unternehmen zugrunde. Hierin liegt ein struktureller Unterschied zur Forfaitierung, bei der es sich regelmäßig um den Ankauf einer einzelnen Forderung handelt.
7.329
Beim Factoring verbleibt das typische Auslandsrisiko (politisches sowie Wechselkurs-/ Transfer-Risiko) zudem regelmäßig beim Forderungsverkäufer. Dagegen trägt das Factor-Unternehmen wie der Forfaiteur in der Regel das Risiko der Bonität der Schuldner der angekauften Forderungen. Schließlich übernimmt der Forderungsankäufer beim Factoring üblicherweise das gesamte Forderungsmanagement einschließlich Inkasso, während diese Aufgabe bei der Forfaitierung meist beim Forderungsverkäufer verbleibt1.
7.330
Im Bereich des Forfaitierungsgeschäfts entstehen immer wieder Berührungspunkte zu ausländischen Rechtsordnungen. So haben Forderungsschuldner und/oder Forderungsverkäufer regelmäßig ihren Sitz außerhalb Deutschlands; zudem unterliegt die anzukaufende Forderung oft nicht deutschem, sondern einem ausländischen Recht. Die sich hieraus ergebenden Rechtsfragen aus dem Bereich des Internationalen Privatrechts sind mannigfaltig und für die Forfaitierungspraxis von erheblicher Bedeutung2.
7.331
Zu den jüngsten Entwicklungen im Bereich des internationalen Forfaitierungsgeschäfts zählen die von der ICC Banking Commission und der International Trade and Forfaiting Association (IFTA, vormals IFA)3 gemeinsam entwickelten und Ende 2012 publizierten Uniform Rules for Forfaiting (URF 8004), die seit dem 1.1.2013 gelten. Die IFA hatte im Jahre 2004 zunächst die „IFA Guidelines“ publiziert und in diesem Dokument den Versuch unternommen, die allgemein akzeptierten Usancen für Geschäfte im Sekundärmarkt, also dem Markt in dem Forderungsankäufer die von ihnen angekauften Forderungen an Dritte weiterveräußern, zu beschreiben. Hierauf folgte im Jahre 2008 die Veröffentlichung der „Introduction to the Primary Forfaiting Market“, die den Versuch unternahm, Marktteilnehmern eine Anleitung für Forfaitierungsgeschäfte im Primärmarkt an die Hand zu geben. Zwischenzeitlich hatten die IFA und die ICC eine Kooperation vereinbart, deren Ziel die Entwicklung internationaler, den ERA 600 und ERI vergleichbarer Forfaiting-Rules für den Primärund Sekundärmarkt ist. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 2009 eine gemeinsame Drafting Group eingesetzt, der Vertreter der IFA und der ICC angehören und deren Arbeit mit der Publikation der URF 800 ihren Abschluss fand. Dem vom Secretary General der ICC stammenden Vorwort zu den URF 800 lässt sich entnehmen, dass die URF 800 darauf abzielen, der vertragliche Standardwortlaut für die globalen Forfaitierungsmärkte zu werden.
7.332
Die URF 800 bestehen aus insgesamt vierzehn Artikeln und enthalten u.a. einen Abschnitt mit Definitionen (Art. 2 URF 800), Artikel zu den für das Forfaitierungsgeschäft zentralen Themen „Without recourse“ und „Liabilities of the parties“ (Art. 4 und 13 URF 800) sowie spezielle Regelungen für den Primärmarkt, d.h. den erstmaligen Verkauf einer Forderung durch den „initial seller“ an den „primary forfaiter“ (s. Art. 5 bis 7 URF 800) und den Sekundärmarkt, d.h. den Weiterverkauf einer Forderung, die i.d.R. durch den „primary 1 Vgl. zur Abgrenzung Hopt/Mülbert in Staudinger, 12. Aufl. 1989, Vorbem. §§ 607 ff. BGB Rz. 713 ff. sowie ausführlich Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 103 Rz. 5. 2 Vgl. hierzu ausführlich Zeidler in Blesch/Lange u.a., Bankgeschäfte mit Auslandsbezug, Rz. 887 ff. sowie Martinek/Omlor in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 103 Rz. 27 ff. 3 Nähere Informationen finden sich auf der Website der IFTA unter http://www.ifta.org. 4 ICC Publication No 800E.
1076 | Frieder Bauer/Seeger
Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung | Teil 7
forfaiter“ an einen anderen Käufer erfolgt (s. Art. 8 bis 10 URF 800). In den Anhängen zu den URF 800 finden sich zudem die folgenden Musterverträge: Master Forfaiting Agreement (Rahmenforfaitierungsvereinbarung für den Primärmarkt), Forfaiting Agreement (Einzelforfaitierungsvereinbarung für den Primärmarkt), Forfaiting Agreement in S.W.I.F.T. format (S.W.I.F.T.-Version der Einzelforfaitierungsvereinbarung für den Primärmarkt) und Forfaiting Confirmation (Bestätigung von Forfaitierungen im Sekundärmarkt). Aus deutscher Sicht von besonderem Interesse ist, dass sich in den Anhängen zu den URF 800 auch eine optionale Klausel findet, die es ermöglicht, die in den Regelungen der URF 800 so nicht enthaltene, insbesondere im deutschen Markt aber weit verbreitete garantieartig ausgestaltete Veritätshaftung des Forderungsverkäufers in einem Forfaitierungsvertrag vorzusehen, der den URF 800 untersteht1. Gemäß Art. 1 URF 800 finden die URF dann auf ein Forfaitierungsgeschäft Anwendung, wenn die zwischen den Parteien getroffene vertragliche Vereinbarung ausdrücklich besagt, dass sie den URF unterliegt. Die URF sind ebenso wie die ERA 600 als AGB einzustufen und unterliegen grundsätzlich der Inhaltskontrolle2.
7.333
Ob und inwieweit sich die URF wie seitens der ICC und der IFTA erhofft als Marktstandard für das Forfaitierunggeschäft durchsetzen, bleibt bis auf weiteres abzuwarten.
7.334
2. Forfaitierung von Exportforderungen mit Versicherungsschutz Will ein Exporteur neue Märkte im Ausland erschließen, stellt sich regelmäßig die Frage, ob er seine entsprechenden Exportforderungen gegen Ausfall des ausländischen Importeurs und gegen Beeinträchtigungen „von hoher Hand“ schützen will.
7.335
a) Private Warenkreditversicherer Dies kann zum einen dadurch erfolgen, dass der Exporteur einen Vertrag mit einem Warenkreditversicherer abschließt und sich damit die Expertise und die Erfahrung des Versicherers hinsichtlich der Bonität des ausländischen Importeurs zunutze macht. Die großen Warenkreditversicherer haben je nach geographischer Ausrichtung eine detaillierte Übersicht über die verschiedenen Auslandsmärkte und werten die verfügbaren Erkenntnisquellen fortlaufend aus, um ihr eigenes Versicherungsportfolio aktiv zu überwachen. Versicherungsschutz wird nach etwaiger Berücksichtigung von vereinbarten Selbstbehalten dann gewährt, wenn der Versicherungsnehmer einen Ausfall auf ein versichertes Risiko erleidet. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer eine durchsetzbare Forderung gegen den ausländischen Schuldner besitzt und er alle vereinbarten Nebenpflichten und Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag erfüllt hat.
7.336
Kauft die Bank eine solchermaßen versicherte Forderung an, so ist darauf zu achten, dass der Versicherer über die Abtretung der Forderungen rechtzeitig informiert wird und er die Bank als Begünstigten aus der Versicherung in ihren Unterlagen vermerkt. Der Begüns-
7.337
1 S. die „Alternative Clause 6.1“ in Annex 1 (Optional Clauses) zu den URF 800, zu der es in der zugehörigen Fußnote wie folgt heißt: „Art. 13b URF may not cover practice for forfaiting agreements in some markets. Where it is common practice for the seller to give a guarantee as to the existence and legal enforceability of the payment claim this option for clause 6.1 may be considered.“ Vgl. hierzu auch Vorpeil, RIW 2013, Heft 3, Erste Seite. 2 Ebenso Hakenberg in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2015, Handelsgesetzbuch Rz. V 50a.
Frieder Bauer/Seeger | 1077
Teil 7 | Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung
tigte, der in englisch-sprachigen Versicherungspolicen als „loss payee“ bezeichnet ist, wird durch die Abtretung nicht zum Vertragspartner der Versicherung, sondern erwirbt lediglich den Entschädigungsanspruch, ohne ein eigenes Antragsrecht zu haben. Hierauf legt der Versicherer Wert, um den Exporteur über die verschiedenen Zusicherungen und Nebenpflichten im Versicherungsvertrag weiterhin zu motivieren, sich um die versicherte Forderungen zu kümmern und sich nicht darauf zu verlassen, dass er die Forderung ja verkauft und über den Forfaitierungserlös wirtschaftlich auch erhalten habe.
7.338
Der Ankauf von derart versicherten Forderungen birgt somit zwar den wirtschaftlichen Vorteil in sich, dass mit der Versicherung ein potenter „Ersatzschuldner“ hinzutritt, doch ist die forfaitierende Bank auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass der Exporteur seinen mitunter umfänglichen Verpflichtungen unter dem Versicherungsvertrag rechtzeitig nachkommt. b) Staatliche Exportkreditgewährleistungen
7.339
Wie bereits beschrieben (s. Rz. 7.301), gewährt die Bundesrepublik Deutschland und viele andere Exportnationen Deckungsschutz für Exportforderungen im Rahmen verschiedener Deckungsstrukturen, für Einzeltransaktionen wie für revolvierende Lieferungen und ständige Geschäftsbeziehungen1. Im Rahmen des sog. Konjunkturpakets II wurden im März 2009 die relevanten Bedingungen abgeändert, um die Refinanzierung der deutschen Exporteure zu erleichtern, indem der Abtretung des Entschädigungsanspruchs gegenüber einem privilegierten Empfängerkreis2 vorab zugestimmt wurde und indem der Entschädigungsanspruch auf Wunsch dem forfaitierenden Institut direkt zugestanden werden kann, in der Weise, dass die Bank selbst einen Entschädigungsantrag stellen kann. Diese sog. „Quasi-Forfaitierungen“ bieten bei entsprechender Mitübertragung des Entschädigungsanspruchs interessante Finanzierungskonditionen, denn in Höhe des gedeckten Teils der Exportforderung führt die staatliche Deckung zu einer Nullanrechnung (s. Rz. 7.309).
III. Bank Payment Obligation und URBPO (Seeger) 7.340
In Zusammenarbeit mit S.W.I.F.T. hat die ICC die Uniform Rules for Bank Payment Obligations („URBPO“) entwickelt, deren Version 1.0 mit Wirkung vom 1.7.2013 in Kraft getreten ist3. Die Entwicklung dieses Regelwerkes erfolgte als Reaktion auf das wachsenden Bedürfnis der Teilnehmer am internationalen Handel, aus Kosten- und Effizienzgründen Handelsgeschäfte zunehmend gegen einfache Rechnung (open account trade) und nicht mehr dokumentär, sondern elektronisch abzuwickeln4.
7.341
Im Zentrum der URBPO, deren Regelungen sich an Banken richten, steht ein neues Instrument zur Zahlungssicherung von Ansprüchen aus in der Regel Warenlieferungsverträgen, die sog. Bank Payment Obligation („BPO“). Gemäß den Regelungen der URBPO5 versteht man unter einer BPO in der Grundkonstellation eine unwiderrufliche und vom zugrunde 1 S. hierzu die Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter http:// www.agaportal.de. 2 Kreditinstitute mit Sitz im EWR-Raum und weiteren Industrieländern sowie an Forfaitierungsund/oder Factoringgesellschaften, die der Aufsicht der BaFin unterliegen. 3 ICC Publication No. 750E. 4 Vgl. zum Ganzen von Bernstorff, RIW 2014, 34–37. 5 S. insbesondere Art. 3, 6 und 10 URBPO.
1078 | Frieder Bauer/Seeger
Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung | Teil 7
liegenden Grundgeschäft abstrakte Verpflichtung der Bank eines Käufers („Obligor Bank“) gegenüber der Bank eines Verkäufers („Recipient Bank“) bei Fälligkeit Zahlung zu leisten oder eine Verpflichtung zur Übernahme einer hinausgeschobenen Zahlung zu übernehmen. Bedingung für die Fälligkeit der BPO ist, dass es zu einem erfolgreichen elektronischen Abgleich von grundgeschäftsbezogenen Daten gekommen ist (sog. „Data Match“). Um welche Daten es sich handelt – z.B. bestimmte Rechnungsdaten – vereinbaren die beteiligten Banken (jeweils in Abstimmung mit der Grundvertragspartei, in deren Interesse die jeweilige Bank agiert) im Rahmen einer sog. Established Baseline. Die Vereinbarung der Established Baseline wie auch der Datenabgleich selbst erfolgt mittels einer elektronischen Plattform, zu der nur die beteiligten Banken unmittelbaren Zugang haben (sog. „Transaction Matching Application“)1; die elektronisch in die Transaction Matching Application eingelieferten Daten werden von dieser gegen die Established Baseline abgeglichen. Die Kommunikation zwischen den Banken und der Transaction Matching Application erfolgt mittels elektronischer Messages2; gem. den URBPO müssen sämtliche verwendeten MessageTypen dem Standard ISO 20022 entsprechen3. Auch im Falle eines Data Mismatch kann es zur Fälligkeit der BPO kommen, allerdings nur dann, wenn die Obligor Bank (in Abstimmung mit dem Käufer, in dessen Interesse die Bank agiert) die Abweichung der Daten von der Established Baseline akzeptiert (sog. „Mismatch Acceptance“). Gemäß Art. 15 URBPO bestimmt sich das auf die BPO anwendbare Recht nach dem Sitzrecht der Obligor Bank; anderslautende Vereinbarungen sind im Rahmen der Parteiautonomie möglich4. Die URBPO enthalten darüber hinaus u.a. Regelungen zu den folgenden Themen: Verfalldatum einer BPO (Art. 8 URBPO), Änderungen einer Established Baseline (Art. 11 URBPO), Force Majeure (Art. 13 URBPO) und Abtretung von BPO-Erlösen (Art. 16 URBPO).
7.342
Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang sich die BPO im Markt durchsetzen wird. Als Hindernis hierfür könnte sich der Umstand erweisen, dass sich – da es sich bei der BPO um eine Bank-zu-Bank-Verpflichtung handelt – die URBPO bislang ausschließlich an die beteiligten Banken, jedoch nicht an die involvierten Grundgeschäftsparteien richten. Diese Entscheidung wurde seitens der ICC Banking Commission bewusst getroffen, da man die zwischen den Banken und den Grundgeschäftsparteien zu treffenden vertraglichen Abreden (z.B. die BPO einbindende Finanzierungsvereinbarungen) gerade nicht im Zuge eines Regelwerkes vereinheitlichen, sondern deren Herausbildung dem Markt überlassen wollte5. Es wurde allerdings recht schnell deutlich, dass es auch für diese Sphäre ein Bedürfnis nach Orientierungspunkten für die Vertragsgestaltung gibt. Diesem Umstand hat die ICC zwischenzeitlich durch Publikation des Papiers „ICC Guidelines for the creation of BPO Customer Agreements“ zu entsprechen versucht6.
7.343
1 Z.B. durch die von S.W.I.F.T. unterhaltene elektronische Plattform „Trade Service Utility“. 2 Die Definitionen der verschiedenen verfügbaren Message-Types sind in Art. 4 URBPO aufgeführt. 3 S. die Definition von „Trade Services Management (TSMT) messages“ in Art. 3 URBPO. 4 Die Möglichkeit von den URBPO abweichende Regelungen zu treffen, ist in Art. 2 (a) URBPO geregelt. 5 Im Vorwort zu den URBPO heißt es hierzu wie folgt: „URBPO do not cover the interaction between a bank and their corporate client. It is for each bank, in what can be described as the „competetive“ space to offer their clients financing or other services and products based on the strength of agreeing to incur a BPO or through the receiving of one.“ 6 Verfügbar unter https://iccwbo.org/publication/icc-guidelines-for-the-creation-of-bpo-customeragreements.
Seeger | 1079
8. Teil Kreditsicherung 1. Abschnitt: Bedeutung von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . I. Kreditmaterielle Bedeutung (Risikoabsicherung) . . . . . . . . . II. Kreditsicherheiten und ihre regulatorische Bedeutung (KWG, CRR, MaRisk) . . . . . . . . III. Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten . . 1. Originärer Besicherungsanspruch (Nr. 13 Abs. 1 AGB-Banken) . . . a) Erfordernis einer bankmäßigen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Überprüfungspflicht der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachbesicherungsanspruch (Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken) . . . 3. Grenzen des Besicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorrang der Individualabrede . b) Erlöschen des Besicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderregelung für Verbraucherkredite . . . . . . . . . . . . . d) Eingeschränkter Besicherungsanspruch gegen Bürgen . . . . . e) Fristgewährung für die Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . 4. Nichterfüllung des Besicherungsanspruchs als Kündigungsgrund (Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken) . . . 5. Kein Anspruch des Sicherungsgebers auf Austausch von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
2. Abschnitt: Allgemeine rechtliche Risiken und Beschränkungen im Zusammenhang mit der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . I. Unwirksamkeit der Sicherheitenbestellung wegen Übersicherung . 1. Unschädlichkeit nachträglicher Übersicherungen durch ermessensunabhängige Freigabepflicht der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermeidung einer unangemessenen Übersicherung durch Freigabeanspruch . . . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ _ _ _
8.1 8.1
8.2 8.6 8.9
8.12 8.13 8.14 8.21 8.22 8.23 8.24 8.25 8.26 8.27 8.28
_ _ _ _
8.31 8.35
8.41 8.41
b) Maßgebliche Deckungsgrenze . . c) Bewertung der Sicherheiten . . . 2. Ursprüngliche Übersicherung . . . . II. Weitere Gründe für die Unwirksamkeit/Sittenwidrigkeit der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . 1. Knebelung des Sicherungsgebers . . 2. Verleitung zum Vertragsbruch (Kollision einer Globalzession mit verlängertem Eigentumsvorbehalt) 3. Überforderung des Sicherungsgebers (Unwirksamkeit wegen Einkommens- und Vermögenslosigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung der sicherungsnehmenden Bank gegenüber Dritten . . 1. Haftung wegen Gläubigergefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kredittäuschung . . . . . . . . . b) Insolvenzverschleppung . . . . . 2. Haftung wegen Vermögensübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
IV. Besonderheiten bei der Sicherheitenbestellung durch Verbraucher 1. Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften/Außergeschäftsraumverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sicherheitenbestellung im Fernabsatzgeschäft . . . . . . . . . . .
__ _ __ _ _ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
8.47 8.50 8.57
8.60 8.60 8.62
8.64 8.70 8.71 8.76 8.79 8.87 8.88 8.89 8.97
V. Umfang des Sicherungszwecks (gesicherter Forderungskreis) . . . 8.99 1. Identität von persönlichem Schuldner und Sicherungsgeber . . 8.104 2. Sicherheitenbestellung durch einen Dritten (Personenverschiedenheit von persönlichem Schuldner und Sicherungsgeber) . . . . . . . . . . . . 8.107 3. Kündigungsrecht des Drittsicherungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . 8.114 VI. Besonderheiten bei vom Staat gestellten Sicherheiten . . . . . . 1. Notifizierungspflicht staatlicher Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen von der Notifizierungspflicht staatlicher Beihilfen a) Bürgschaftsmitteilung der Europäischen Kommission . .
. . 8.115 . . 8.116 . . 8.119 . . 8.119a
Federlin | 1081
Teil 8 | Kreditsicherung b) De-minimis-Verordnung der Europäischen Kommission . c) Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) . . 3. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen EU-Beihilferecht . . . . . . 4. Verbot der Sicherheitenbestellung im Kommunalrecht . . . . .
_ _ _ _ _
. 8.119b . 8.119c . 8.120 . 8.120a
VII. Unter-Deckung-Nehmen von Ansprüchen Dritter . . . . . . . . 8.121 VIII. Besicherung von Gesellschafterdarlehen/Kollision mit gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften . . . . . . 1. Gewährung eines Gesellschafterdarlehens gegen Sicherheiten . . . 2. Gesellschaftsanteile am Kreditnehmer als Sicherungsgrundlage des Darlehens . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschafterbesicherte Drittdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Upstream-Besicherung und Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30, 31 GmbHG, § 57 AktG) . IX. Auswirkungen einer Insolvenz auf die Kreditsicherung . . . . . . 1. Anfechtung der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtungsrelevante Zeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorsatzanfechtung . . . . . bb) Besicherung als kongruente Deckung (§ 130 InsO) . . . cc) Besicherung als inkongruente Deckung (§ 131 InsO) b) Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts . . . . . . . . . c) Sicherheitenbestellung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bargeschäft . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtslage bis zum 5.4.2017 . . . . . . . . . . . . bb) Rechtslage seit dem 5.4.2017 . . . . . . . . . . . . e) Zusätzliche Besicherung bestehender Verbindlichkeiten . . . 2. Rechtsstellung der sicherungsnehmenden Bank in der Insolvenz des Sicherungsgebers . . . . . 3. Rechtsstellung der Bank nach erfolgreicher Anfechtung der erfolgten Tilgung der gesicherten Hauptschuld . . . . . . . . . . . . . .
1082 | Federlin
_ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ __ _ _ _ _ _
8.124 8.130 8.131 8.136 8.138 8.144 8.144 8.146 8.148 8.151 8.153 8.154 8.158 8.160
8.160a
8.160b 8.162 8.163
8.171
_ _ __ __ _ _ _ _ __ __ _ _ _ _ __ __ __ __ __ _ _ _ _
3. Abschnitt: Bürgschaft . . . . . . . . 8.201 I. Bedeutung für die Bankpraxis . . 8.201 II. Abgrenzung der Bürgschaft von anderen Haftungsübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . 2. Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bürgschaft auf erstes Anfordern 4. Mitdarlehensübernahme und Mithaftung . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
8.204 8.205 8.208 8.211
. 8.218
III. Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsrecht . . . . . . . . . . . . 8.221 1. Erfordernis der Gläubigeridentität . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.229 2. Getrennte Abtretung von Hauptund Bürgschaftsforderung . . . . . 8.232 IV. 1. 2. 3. 4. 5.
Bürgschaftsvertrag . . . . . . . . . . Schriftformerfordernis . . . . . . . . Bestimmbarkeitsgrundsatz . . . . . Gesicherter Forderungskreis . . . . Aufklärungspflichten der Bank . . Unwirksamkeit von Bürgschaften wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kriterien für die Unwirksamkeit der Bürgschaft . . . . . . . . b) Hinausschieben der Fälligkeit der Bürgschaftsforderung durch Vertragsauslegung . . . .
V. Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Höchstbetragsbürgschaften . . . . . 2. Inanspruchnahme aus der Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übergang von Sicherheiten . . . . . 4. Anrechnung von Zahlungseingängen . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftung mehrerer Bürgen . . . . . a) Mitbürgschaft . . . . . . . . . . . . b) Teilbürgschaft . . . . . . . . . . . c) Innenausgleich bei Zusammentreffen von Bürgschaft und weiteren Sicherheiten . . . 6. Freigabe von Sicherheiten . . . . . 7. Recht des Bürgen zur Kündigung der Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . 8. Verjährung der Bürgschaftsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.234 8.236 8.242 8.246 8.250 8.252 8.254 8.266 8.267 8.268 8.271 8.277 8.280 8.282 8.282 8.285 8.288 8.291 8.295 8.298
VI. Ausfallbürgschaft . . . . . . . . . . 8.300 VII. Zeitbürgschaft . . . . . . . . . . . . . 8.303
_ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ __ _ _ __ _ _ _ __ _ _
4. Abschnitt: Grundpfandrechte . . . 8.321 I. Grundstücksrechte als Mittel der Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Grundstücksrechte für die Bankpraxis . . . . . . . . . . . 2. Kreditsicherung mittels Grundpfandrechten . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Grundschuld als in der Kreditsicherungspraxis bevorzugtes Grundpfandrecht . . . . . . . . . . . . a) Mangelnde Praktikabilität der Höchstbetragshypothek . . . . . . b) Inhalt und Verwendung der Sicherungsgrundschuld . . . . . . II. Übernahme der persönlichen Haftung durch den Grundschuldbesteller . . . . . . . . . . . . 1. Abstraktes Schuldversprechen . . 2. Vereinbarkeit mit der AGBInhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . a) Personenidentität von Kreditnehmer und Grundschuldbesteller . . . . . . . . . . . . . . . b) Personenverschiedenheit von Kreditnehmer und Grundschuldbesteller . . . . . . . . . . .
8.321 8.321 8.323 8.328 8.328 8.334
. 8.341 . 8.344 . 8.349 . 8.350 . 8.354
III. Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . 1. Gesicherter Forderungskreis . . . . a) Identität von Forderungsschuldner und Grundstückseigentümer b) Grundschuldbestellung durch einen Dritten . . . . . . . . . . . . 2. Versicherung des belasteten Grundbesitzes und Verpfändung der Ansprüche aus der Zubehörversicherung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tilgungszweck-Klausel . . . . . . . . a) Identität von Grundschuldbesteller und persönlichem Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundschuldbestellung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.356 8.359 8.361 8.363
8.367 8.375 8.377 8.380
IV. Anspruch des Sicherungsgebers auf Teilfreigabe . . . . . . . . . . . . 8.385 V. Vertraglicher Rückgewähranspruch nach Wegfall des Sicherungszwecks . . . . . . . . . 1. Form des Rückgewähranspruchs 2. Gläubiger des Rückgewähranspruchs . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückgewähranspruch als Sicherungsinstrument . . . . . . . . . .
. . 8.387 . . 8.391 . . 8.395 . . 8.399
Kreditsicherung | Teil 8 4. Mehrheit von Sicherungsgebern als ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner analog § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 8.404 5. Anspruch der Bank auf Ausübung des Rückgewähranspruchs durch den Sicherungsgeber? . . . . . . . . . 8.407a VI. 1. 2. 3.
Verwertung der Grundschuld . . Zwangsversteigerung . . . . . . . . Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . Freihändiger Verkauf der Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . .
_ _ __ _ _ _ _ _ __
. 8.408 . 8.413 . 8.414 . 8.415
5. Abschnitt: Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.441 I. Sicherungsübertragung als Mittel der Kreditsicherung . . . . . . . . . 1. Treuhandcharakter der Sicherungsübertragung . . . . . . . . . . . a) Bindung der Rechtsmacht des Sicherungsnehmers . . . . . . . . . b) Treuhandverhältnis . . . . . . . . c) Behandlung der fiduziarischen Sicherheiten in der Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Sicherungsgebers und in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelfragen zur Sicherungsübereignung in der Bankpraxis . . . . . . II. Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesicherter Forderungskreis . . . . 2. Übertragung von Anwartschaftsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz des Anwartschaftsrechts . b) Schutz der Bank bei Nichterfüllung des Kaufvertrages durch den Kreditnehmer . . . . . . . . . c) Haftungszugriff Dritter auf das Anwartschaftsrecht . . . . . . . . . aa) Anwartschaftsrecht als Teil des grundpfandrechtlichen Haftungsverbandes . . . . . . bb) Vermieterpfandrecht . . . . . 3. Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . 4. Verfügungsbefugnisse des Sicherungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bestandsmeldungen . . . . . . . . . . 6. Mindestdeckungsbestand (Deckungsgrenze) und Anschlusszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Versicherung des Sicherungsgutes .
8.441 8.445 8.445 8.448
_ _ __ __ _ _ __ _ __ __
8.451 8.453 8.458 8.459 8.462 8.465 8.467 8.469 8.471 8.473 8.474 8.480 8.483 8.484 8.487
Federlin | 1083
Teil 8 | Kreditsicherung
_ __ _ _ _ _ __ _
8. Gesetzliche Pfandrechte, Pfändungen oder sonstige Maßnahmen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.491 9. Verhaltenspflichten des Sicherungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . 8.493 10. Rückgewähr des Sicherungsgutes . 8.496 III. Verwertung des Sicherungsgutes . 1. Ausgestaltung der Verwertungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entsprechende Anwendung pfandrechtlicher Bestimmungen . . . . . . 3. Umsatzsteuer bei der Verwertung von Sicherungseigentum . . . . . . . 4. Verwertung in der Insolvenz des Sicherungsgebers . . . . . . . . . . . .
8.505 8.505 8.511 8.514
7. Verwertung der abgetretenen Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzung für Offenlegung der Zession . . . . . . . . . . . . . . aa) Rücksichtnahmepflicht der Bank . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ankündigung der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aushändigung von Blankobenachrichtigungsschreiben . . . c) Ermessensspielraum bei Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ _ __ __ _ _ _
8.595 8.597 8.597 8.599 8.603 8.606
7. Abschnitt: Pfandrecht . . . . . . . . 8.621
8.517
I. Bedeutung für die Bankpraxis . . 8.621
6. Abschnitt: Sicherungszession . . . 8.531
II. Das Pfandrecht als Mittel der Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . 8.624
I. Anwendung in der Bankpraxis . . 1. Die Sicherungszession als Alternative zur Verpfändung von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. AGB-Pfandrecht als Ausnahmetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formen der Sicherungszession . . . a) Globalzession . . . . . . . . . . . . b) Mantelzession . . . . . . . . . . . .
8.531
_ __ __ __ _ __ _ __ __ __ __ __
8.534 8.537 8.539 8.540 8.545
II. Abtretung künftiger Forderungen 8.546 1. Grundsatz der Bestimmbarkeit . . . 8.549 2. Insolvenzfestigkeit globalzedierter Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . 8.552 III. Kollision von verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession 1. Prioritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . 2. Sittenwidrigkeit der Globalzession . 3. Dingliche Verzichtsklausel im Globalzessionsvertrag . . . . . . . . . IV. Formularpraxis der Kreditinstitute 1. Gesicherter Forderungskreis . . . . 2. Übertragung von Nebenrechten . . 3. Einziehung der Forderungen durch den Bankkunden . . . . . . . . 4. Einreichung von Bestandslisten . . 5. Verhaltenspflichten des Sicherungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sicherheitenfreigabe . . . . . . . . . . a) Anspruch auf Teilfreigabe der sicherungszedierten Forderungen b) Bewertung der Sicherheiten . . .
8.557 8.559 8.561 8.566 8.570 8.571 8.572 8.574 8.578 8.581 8.584 8.585 8.586
III. Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesicherter Forderungskreis . . . . 2. Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . 3. Orderpapiere . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusätzliche Vereinbarungen bei Personenverschiedenheit von Verpfänder und Kreditnehmer . . . 5. Sicherheitenfreigabe/Bewertung der Pfandgegenstände . . . . . . . . .
8.629 8.631 8.632 8.633 8.634 8.636
IV. Verwertung des Sicherungsgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.637 V. Vereinbarung eines Pfandrechts zugunsten der Bank bzw. der Sparkasse (Nr. 14 AGB-Banken bzw. Nr. 21 AGB-Sparkassen) . . 1. Einigung über den Pfandrechtserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsobjekte . . . . . . . . . . . a) Wertpapiere und sonstige bewegliche Sachen . . . . . . . . b) Kontoguthaben und sonstige Forderungen . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahmen vom Pfandrecht (Nr. 14 Abs. 3 AGB-Banken bzw. Nr. 21 Abs. 2 AGB-Sparkassen) . 4. Gesicherte Forderungen . . . . . . 5. Nicht durch das AGB-Pfandrecht gesicherte Forderungen . . . . . . .
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. 8.643 . 8.643 . 8.651 . 8.653 . 8.659 . 8.661 . 8.662 . 8.663
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Kreditsicherung | Teil 8 grundschuldbesicherter Kredite mit weiter Sicherungszweckerklärung, BKR 2017, 221; Obermüller, Obergerichtliche Rechtsprechung des Jahres 2009 zur Position von Banken in einer Insolvenz ihres Kunden, ZInsO 2010, 593; Obermüller, Die Kreditklemme und der Niedergang der Kreditsicherheiten, NZI 2010, 201; Obermüller, Sicherungsabtretung von und AGB-Pfandrecht an Kontokorrentforderungen in der Insolvenz, ZInsO 2009, 1527; Obermüller, Der umgekehrte Konzernvorbehalt, FS Schimansky, 1999, S. 457; Obermüller, Eingriffe in die Kreditsicherheiten durch Insolvenzplan und Verbraucherinsolvenzverfahren, WM 1998, 483; Obermüller/Hartenfels, Finanzsicherheiten, BKR 2004, 440; Obermüller/Hess, InsO, Eine systematische Darstellung des neuen Insolvenzrechts, 4. Aufl. 2003; Oechsler, Globalzession, Teilabtretung und Rangrücktritt beim gemischten Factoring, BKR 2019, 53; Oechsler, Das Finanzierungsverbot des § 71a I 1 AktG bei Erwerb eigener Aktien – Schutzzweck und praktische Anwendung, ZIP 2006, 1661; Oepen, Auf erstes Anfordern versprochene Bürgschaften und Garantien, NJW 2009, 1110; Otte, Die Verjährung des Anspruchs auf Rückübertragung einer „stehengelassenen“ Sicherungsgrundschuld, DNotZ 2011, 897; Otto, Fremdfinanzierte Übernahmen, DB 1989, 1389; Paefgen, Grenzen der Vertrauenshaftung im Dreiecksverhältnis – Anmerkungen zu BGH, Urteil vom 6.12.2000 = WM 2001, 243, WM 2001, 2367; Pape/Holz, Die Voraussetzungen vergabefreier In-house-Geschäfte, NJW 2005, 2264; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2010; Peters, Die Zahlungspflicht des selbstschuldnerischen Bürgen „nach Aufforderung durch die Bank“, NJW 2013, 2942; Peters, Wem gehören die Windkraftanlagen auf fremdem Grund und Boden?, WM 2002, 110; Peters/Lwowski, Das Kreditinstitut als Zahlstelle und Sicherungsnehmer – auch unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Aspekte, WM 1999, 258; Pfeiffer, Übersicherung, Freigabeanspruch, Freigabeklausel, WM 1995, 1565; Piekenbrock, Das AGB-Pfandrecht am Kundenguthaben in der Klauselkontrolle, WM 2009, 49; Rainer, Die Auswirkungen des AGB-Gesetzes auf die formularmäßige Sicherungszweckerklärung für Grundschulden und die dingliche und persönliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung, WM 1988, 1657; Reiners, Rechtliche Anforderungen an Sanierungskonzepte, WM 2018, 993; Reinicke/Tiedtke, Die Rechtsstellung des Kreditnehmers und des Grundstückseigentümers als Sicherungsgeber einer Grundschuld, WM-Sonderbeilage Nr. 5/ 1991; Reinicke/Tiedtke, Bestimmtheitserfordernis und weite Sicherungsabrede im Bürgschaftsrecht, DB 1995, 2301; Reinicke/Tiedtke, Geheißerwerb von Briefgrundschulden, NJW 1994, 345; Reinicke/ Tiedtke, Übersicherung und Freigabeklauseln bei der Sicherungsübereignung, WiB 1994, 497; Reinicke/ Tiedtke, Der Übergang der verbürgten Forderung auf den Bürgen als Nachteil für den Gläubiger, DB 1990, 1953; Reinicke/Tiedtke, Das Schicksal der persönlichen Forderung bei Ablösung der Grundschuld durch den Eigentümer des Grundstücks, WM 1987, 485; Rellermeyer, Objektive Bezugsgrößen für die Bewertung von Kreditsicherheiten, WM 1994, 1009, 1053; Reuter, Kreditrisikominderung durch Garantien nach SolvV bei konsortialen Projekt- und anderen Finanzierungen, BKR 2010, 102; Riggert, Neue Anforderungen an Raumsicherungsübereignungen?, NZI 2009, 137; Rösler, Aktuelle Rechtsfragen zu grundpfandrechtlich gesicherten Krediten, WM 1998, 1377; Rösler/Fischer, Sicherungszweckvereinbarungen als zentraler Bestandteil aller Kreditsicherheiten: Probleme aus AGB-Kontrolle und Akzessorietät, BKR 2006, 50; Rümker, Gläubigerbenachteiligung durch Gewährung und Belassung von Krediten, ZHR 143 (1979), 195; Ruzik, Risikoerhöhung durch Risikobegrenzung? – Die Auswirkungen des § 1193 II Satz 2 BGB n. F. auf die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld, ZInsO 2008, 1225; Saenger, Ende der Unsicherheiten bei den Globalsicherheiten?, ZBB 1998, 174; Samhat, Erstreckung von Kreditsicherheiten auf verlängerte Kredite mithilfe der Prolongationsklausel, WM 2016, 962; Schäfer, Unverjährbarkeit des Anspruchs auf Rückgewähr der stehengelassenen Grundschuld nach Erledigung des Sicherungszwecks?, WM 2009, 1308; Schäffler, Bankenhaftung wegen Insolvenzverschleppung bei Auskehrung von Krediten in der Unternehmenskrise, BB 2006, 56; Schapp, Privatautonomie und Verfassungsrecht, ZBB 1999, 30; Schimansky, Aktuelle Rechtsprechung des BGH zur krassen finanziellen Überforderung von Mithaftenden bei der Kreditgewährung, WM 2002, 2437; Schinkels, Verbraucherbürgschaft und Verbraucherverkauf als Außergeschäftsraum- oder Fernabsatzvertrag i.S.d. Verbraucherrechte-Richtlinie?, WM 2017, 113; Schmid/Voss, Die Sicherungsgrundschuld nach dem Risikobegrenzungsgesetz, DNotZ 2008, 740; Georg Schmidt, Formfreie Bürgschaften eines geschäftsführenden Gesellschafters, ZIP 1986, 1510; Holger Schmidt, Auf dem Weg zur vollen Anerkennung immaterieller Vermögenswerte als Kreditsicherheit?, WM 2012, 721; Karsten Schmidt, Zur Rechtsfolgenseite des § 354a HGB, FS Schimansky, 1999, S. 503; Karsten Schmidt, Gesellschafterbesicherte Drittkredite nach neuem Recht, BB 2008, 1966; Karsten Schmidt, GmbH-Re-
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Teil 8 | Kreditsicherung form auf Kosten der Geschäftsführer? Zum (Un-)Gleichgewicht zwischen Gesellschaftsrisiko und Geschäftsführerrisiko im Entwurf eines MoMiG und in der BGH-Rechtsprechung, GmbHR 2008, 449; Schmidt-Räntsch, Zivilrechtliche Wirkungen von Verstößen gegen das EU-Beihilfenrecht, NJW 2005, 106; Schmitz, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Hypothek und Grundschuld, WM 1991, 1061; Schmolke, Bürgschaft und Verjährung – Zur Reichweite der Durchsetzungsakzessorietät im Bürgschaftsrecht –, WM 2013, 148; Schnauder, Die Parallelverpflichtung als Sicherungsinstrument der Konsortialkreditpraxis, NJOZ 2010, 1663; Schneider/Dreibus, Die Kettenabtretung, FS Schimansky, 1999, S. 521; Schönfelder, Sanierungskredite und Verschleppungshaftung – Sinn und Unsinn von Sanierungsgutachten, WM 2013, 112; Schönfelder, Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz – auch ohne Krise in die Krise?, WM 2009, 1401; Schröter, Die Freigabe von Globalsicherheiten, WM 1997, 2193; Schürnbrand, Anwendbarkeit des Rechts der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge und des Fernabsatzrechts auf Kreditsicherheiten, WM 2014, 1157; Schuhmacher, Apps als Kreditsicherheit, BKR 2016, 53; Schulz/Mettke, Die Garantie auf erstes Anfordern als Sicherungsinstrument im Kreditgeschäft, WM 2014, 54; Schwab, Globalsicherheiten und Freigabeklauseln vor dem Großen Senat, WM 1997, 1883; Schwarz/Joachim, „Erfassen“ oder „Erlöschen“? – Zur Wirksamkeit dinglicher Teilverzichtsklauseln, ZInsO 2010, 1530; G. Schwarz, Die Bürgschaft des Ehegatten zur Sicherung betrieblicher Ruhegehaltsansprüche, NJW 1993, 2916; Séché/Theusinger, Upstream-Sicherheiten und Kapitalerhaltung – Neues vom BGH, BB 2017, 1550, 1554; Serick, Der erweiterte Eigentumsvorbehalt in Formularverträgen ohne zureichende Freigabeklausel bei unverhältnismäßigen Übersicherungen und § 9 AGBG, JZ 1994, 714; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2, 1965; Bd. 3, 1970; Serick, Neues zur formularmäßigen Globalzession, zugleich zur Unentbehrlichkeit eines Spruchs des Großen Senats für Zivilsachen oder des Bundesverfassungsgerichts zum Gewohnheitsrecht, BB 1996, 857; Serick, Das normative Leitbild der gewohnheitsrechtlichen Sicherungstreuhand und ihrer Haftobergrenze auf der Waage des Großen Senats für Zivilsachen, WM 1997, 2053; Siegmund, Ausgleichspflicht zwischen Banken als Mitbürgen gemäß § 769 BGB bei Entlassung einzelner Mitbürgen aus ihren Bürgschaften – Risiko der Haftung trotz Entlassung?, WM 2008, 2349; Siol, Die neuere Rechtsprechung des BGH zu Hypothek und Grundschuld, WM 1996, 2217; Smid, Kreditsicherheiten in der Insolvenz, 3. Aufl. 2015; Smid, Sicherungseigentum und publizitätslose Pfandrechte an Forderungen auf Grund Sicherungsabtretung als sachenrechtliche Typen, ZInsO 2009, 1721; Soltész, Risiken für Kreditinstitute bei beihilferechtlichen Staatsbürgschaften – Das Residex-Urteil des EuGH, WM 2012, 923; Soltész, Gemeinschaftsrechtswidrige Staatsbürgschaften – Geht die Bank leer aus?, WM 2005, 2265; Soltész/Pfeffer/Wagner, Patronatserklärungen für öffentliche Unternehmen im Konflikt mit EU-Beihilferecht? – Praktische Konsequenzen für Kreditnehmer, Banken und die öffentliche Hand, WM 2013, 831; Soltész/von Köckritz, Der „vorübergehende Gemeinschaftsrahmen“ für staatliche Beihilfen – die Antwort der Kommission auf die Krise in der Realwirtschaft, EuZW 2010, 167; Soltész/Vorsich, Entwicklung der EU-Rechtsprechung zu den Nichtigkeitsfolgen bei EU-beihilferechtswidrigen Staatsgarantien, WM 2019, 717; Sonnenhol/Groß, Besicherung von Krediten Dritter an Konzernunternehmen, ZHR 159 (1995), 388; Steinhauer, Kreditsicherheiten als Instrumente der Kreditrisikominderung für syndizierte Unternehmensfinanzierungen, WM 2014, 1264; Stodolkowitz, Akzessorische Sicherheiten und Haustürwiderruf, ZBB 2008, 306; Sutter, Überlegungen zur Notwendigkeit der Limitation Language angesichts der aktuellen Rechtsprechung, WM 2018, 360; Sutter/Kuznetsova, Berücksichtigung von § 64 Satz 3 GmbHG für die Limitation Language im Rahmen einer Unternehmensfinanzierung?, WM 2017, 745; Sutter/Masseli, Keine Änderungen der Vertragspraxis bei aufsteigenden Sicherheiten in Folge des MoMiG, WM 2010, 1064; Tetzlaff, Die anfängliche Übersicherung, ZIP 2003, 1826; Thole, Die Ersatzabsonderung bei Einziehung sicherungszedierter Kundenforderungen und beim verlängerten Eigentumsvorbehalt, ZIP 2019, 552; Thole, Gesellschafterbesicherte Kredite und die Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO, ZIP 2015, 1609; Thole, Gläubigerbenachteiligung und Gläubigerbegünstigung unter § 826 BGB – zur Dritthaftung von Kreditgebern wegen sittenwidrigen Verhaltens, WM 2010, 685; Tiedtke, Ausgleichsansprüche zwischen dem Bürgen und dem Besteller einer Grundschuld, WM 1990, 1270; Tiedtke, Enge und weite Bürgschaftsverpflichtungen, ZIP 1994, 1237; Tiedtke, Ausgleichsansprüche des Bürgen gegen andere Sicherungsgeber, DNotZ 1993, 291; Tiedtke, Die Änderung der Zweckerklärung zu Lasten des persönlichen Schuldners, JZ 1988, 1006; Tiedtke, Erwerb und Verlust des Sicherungseigentums an Waren, WM 1978, 446; Tiedtke/Szczesny, Die Grundschuld im Haustürwiderrufsrecht, WM
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Bedeutung von Kreditsicherheiten | Teil 8 2006, 1661; Tillmann, Upstream-Sicherheiten der GmbH im Lichte der Kapitalerhaltung – Ausblick auf das MoMiG, NZG 2008, 401; Tollmann, Das Nichtigkeitsrisiko von Staatsbürgschaften vor dem Hintergrund des EG-Beihilfeverbots, WM 2000, 2030; Treber, Europäischer Verbraucherschutz im Bürgschaftsrecht, WM 1998, 1908; Uhlenbruck/Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, Kommentar, 14. Aufl. 2015; Undritz/Degenhardt, Banksicherheiten im Insolvenzverfahren – die Limitation Language in Zeiten des MoMiG, NZI 2015, 348; J. Vetter, Kapitalerhaltung nach MoMiG, in Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, S. 107; Vinke, Verrechnung des Erlöses aus der Verwertung einer Grundschuld für Verbindlichkeiten sowohl des Sicherungsgebers als auch eines Dritten, FS Schimansky, 1999, S. 563; Vogel/Schmitz, Zahlungsverzug des selbstschuldnerischen Bürgen, NJW 2011, 2096; Vollkommer/Heinemann, Schutz des Bürgen in der Bankenpraxis, JZ 2000, 1163; Volmer, Die Kündigung der Sicherungsgrundschuld nach dem Risikobegrenzungsgesetz, MittBayNot 2009, 1; Volmer, Die Vereinbarkeit der „weiten Grundschuldzweckerklärung“ mit dem AGBG, WM 1998, 914; Wäger, Umsatzsteuer bei der Verwertung von Kreditsicherheiten und Krediten, WM 2012, 769; Wagner, Materiell-rechtliche und prozessuale Probleme des § 354a HGB, WM-Sonderbeilage Nr. 1/1996; Christoph Weber, Sicherheitenfreigabe und Regressbehinderung, WM 2001, 1229; Jens Weber, Anforderungen an den Inhalt von Sanierungskonzepten nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs, ZInsO 2011, 904; de Weerth, Dreifachumsatz bei Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände im eröffneten Insolvenzverfahren, NZI 2014, 597; de Weerth, Umsatzsteuer bei Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände bei Eigenverwaltung, NZI 2013, 922; de Weerth, Zur Umsatzsteuerhaftung bei „Alt-Zessionen“, ZInsO 2009, 2326; de Weerth, Zu Auswirkungen der Steuerhaftung nach § 13c UStG – Insbesondere auf die Insolvenzpraxis, ZInsO 2004, 190; de Weerth, Die Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände nach Inkrafttreten der Insolvenzrechtsreform im Blickwinkel des Umsatzsteuerrechts, BB 1999, 821; Weick, Probleme der Bürgschaft in rechtsvergleichender Sicht, FS Kümpel, 2003, S. 569; Weitnauer, Die Akquisitionsfinanzierung auf dem Prüfstand der Kapitalerhaltungsregeln, ZIP 2005, 790; Wenzel, Grundschuld, in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis (Stand 08.2017), Rz. 4/1800; Wenzel/Gratias, Allgemeine Fragen zur Kreditsicherung, in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2009), Rz. 4/1; Wilhelm, Die Entwicklung des Zivilrechts aus seinen Grundsätzen am Beispiel des Anspruchs auf Rückgewähr der nicht valutierten Sicherungsgrundschuld in Zwangsversteigerung und Zwangsvollstreckung, JZ 1998, 18; Winkler/ Becker, Die Limitation Language bei Akquisitions- und Konzernfinanzierungen unter Berücksichtigung des MoMiG, ZIP 2009, 2361; Wittig, Insolvenzordnung und Konsumentenkredit, WM 1998, 157 (Teil I), 209 (Teil II); Zahn, Die Bürgschaft des Verbrauchers bei Haustürgeschäften und Kreditverträgen, ZIP 2006, 1069; Zimmer, Zwangsvollstreckungsunterwerfung ohne Sicherungsabrede?, NJW 2008, 3185; Zoepffel, Auswirkungen der CRR auf das Kreditsicherungsrecht, WM 2014, 928; Zöllner, Die Bürgschaft des Nichtunternehmers, WM 2000, 1.
1. Abschnitt: Bedeutung von Kreditsicherheiten I. Kreditmaterielle Bedeutung (Risikoabsicherung) Mit einer Kreditgewährung ist für die Bank immanent das Risiko verbunden, dass der Kreditnehmer seine (Rück-)Zahlungsverpflichtung bei Fälligkeit nicht ordnungsgemäß erfüllt. Zwar lassen sich insbesondere die Risiken einer späteren Insolvenz des Schuldners nicht gänzlich ausschließen, dessen ungeachtet hat die Bank ein Interesse daran, ihre Risiken aus der Kreditgewährung so weit wie möglich zu begrenzen. Mit der Hereinnahme geeigneter Sicherheiten treffen die Kreditinstitute Vorsorge dafür, dass diese Kreditrisiken möglichst zu keinen finanziellen Verlusten führen, indem sie sich die Rückgriffsmöglichkeit auf die entsprechenden Sicherheiten einräumen lassen. Sicherheiten sollen der Bank somit eine verbesserte Rechtsstellung hinsichtlich der gesicherten schuldrechtlichen Forderung gegenüber dem Kreditnehmer verschaffen. Die Bedeutung der Kreditsicherheiten liegt in diesem Sinne primär in der Vorsorge für Risiken (auch nicht vorhersehbarer Federlin | 1091
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Bedeutung von Kreditsicherheiten | Teil 8 2006, 1661; Tillmann, Upstream-Sicherheiten der GmbH im Lichte der Kapitalerhaltung – Ausblick auf das MoMiG, NZG 2008, 401; Tollmann, Das Nichtigkeitsrisiko von Staatsbürgschaften vor dem Hintergrund des EG-Beihilfeverbots, WM 2000, 2030; Treber, Europäischer Verbraucherschutz im Bürgschaftsrecht, WM 1998, 1908; Uhlenbruck/Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, Kommentar, 14. Aufl. 2015; Undritz/Degenhardt, Banksicherheiten im Insolvenzverfahren – die Limitation Language in Zeiten des MoMiG, NZI 2015, 348; J. Vetter, Kapitalerhaltung nach MoMiG, in Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, S. 107; Vinke, Verrechnung des Erlöses aus der Verwertung einer Grundschuld für Verbindlichkeiten sowohl des Sicherungsgebers als auch eines Dritten, FS Schimansky, 1999, S. 563; Vogel/Schmitz, Zahlungsverzug des selbstschuldnerischen Bürgen, NJW 2011, 2096; Vollkommer/Heinemann, Schutz des Bürgen in der Bankenpraxis, JZ 2000, 1163; Volmer, Die Kündigung der Sicherungsgrundschuld nach dem Risikobegrenzungsgesetz, MittBayNot 2009, 1; Volmer, Die Vereinbarkeit der „weiten Grundschuldzweckerklärung“ mit dem AGBG, WM 1998, 914; Wäger, Umsatzsteuer bei der Verwertung von Kreditsicherheiten und Krediten, WM 2012, 769; Wagner, Materiell-rechtliche und prozessuale Probleme des § 354a HGB, WM-Sonderbeilage Nr. 1/1996; Christoph Weber, Sicherheitenfreigabe und Regressbehinderung, WM 2001, 1229; Jens Weber, Anforderungen an den Inhalt von Sanierungskonzepten nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs, ZInsO 2011, 904; de Weerth, Dreifachumsatz bei Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände im eröffneten Insolvenzverfahren, NZI 2014, 597; de Weerth, Umsatzsteuer bei Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände bei Eigenverwaltung, NZI 2013, 922; de Weerth, Zur Umsatzsteuerhaftung bei „Alt-Zessionen“, ZInsO 2009, 2326; de Weerth, Zu Auswirkungen der Steuerhaftung nach § 13c UStG – Insbesondere auf die Insolvenzpraxis, ZInsO 2004, 190; de Weerth, Die Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände nach Inkrafttreten der Insolvenzrechtsreform im Blickwinkel des Umsatzsteuerrechts, BB 1999, 821; Weick, Probleme der Bürgschaft in rechtsvergleichender Sicht, FS Kümpel, 2003, S. 569; Weitnauer, Die Akquisitionsfinanzierung auf dem Prüfstand der Kapitalerhaltungsregeln, ZIP 2005, 790; Wenzel, Grundschuld, in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis (Stand 08.2017), Rz. 4/1800; Wenzel/Gratias, Allgemeine Fragen zur Kreditsicherung, in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2009), Rz. 4/1; Wilhelm, Die Entwicklung des Zivilrechts aus seinen Grundsätzen am Beispiel des Anspruchs auf Rückgewähr der nicht valutierten Sicherungsgrundschuld in Zwangsversteigerung und Zwangsvollstreckung, JZ 1998, 18; Winkler/ Becker, Die Limitation Language bei Akquisitions- und Konzernfinanzierungen unter Berücksichtigung des MoMiG, ZIP 2009, 2361; Wittig, Insolvenzordnung und Konsumentenkredit, WM 1998, 157 (Teil I), 209 (Teil II); Zahn, Die Bürgschaft des Verbrauchers bei Haustürgeschäften und Kreditverträgen, ZIP 2006, 1069; Zimmer, Zwangsvollstreckungsunterwerfung ohne Sicherungsabrede?, NJW 2008, 3185; Zoepffel, Auswirkungen der CRR auf das Kreditsicherungsrecht, WM 2014, 928; Zöllner, Die Bürgschaft des Nichtunternehmers, WM 2000, 1.
1. Abschnitt: Bedeutung von Kreditsicherheiten I. Kreditmaterielle Bedeutung (Risikoabsicherung) Mit einer Kreditgewährung ist für die Bank immanent das Risiko verbunden, dass der Kreditnehmer seine (Rück-)Zahlungsverpflichtung bei Fälligkeit nicht ordnungsgemäß erfüllt. Zwar lassen sich insbesondere die Risiken einer späteren Insolvenz des Schuldners nicht gänzlich ausschließen, dessen ungeachtet hat die Bank ein Interesse daran, ihre Risiken aus der Kreditgewährung so weit wie möglich zu begrenzen. Mit der Hereinnahme geeigneter Sicherheiten treffen die Kreditinstitute Vorsorge dafür, dass diese Kreditrisiken möglichst zu keinen finanziellen Verlusten führen, indem sie sich die Rückgriffsmöglichkeit auf die entsprechenden Sicherheiten einräumen lassen. Sicherheiten sollen der Bank somit eine verbesserte Rechtsstellung hinsichtlich der gesicherten schuldrechtlichen Forderung gegenüber dem Kreditnehmer verschaffen. Die Bedeutung der Kreditsicherheiten liegt in diesem Sinne primär in der Vorsorge für Risiken (auch nicht vorhersehbarer Federlin | 1091
8.1
Teil 8 | Kreditsicherung
Art) im Zusammenhang mit der Kreditgewährung – diese stellen somit ein wesentliches Mittel zur Begrenzung der Ausfallrisiken der Bank dar. Zu unterscheiden ist dabei zwischen persönlichen und dinglichen Sicherheiten. Bei persönlichen Sicherheiten tritt neben den Kreditnehmer ein weiterer Schuldner, der grundsätzlich mit seinem gesamten Vermögen haftet (z.B. Bürgschaft, Garantie) – dingliche Sicherheiten verschaffen der Bank dagegen ein (dingliches, grundsätzlich gegenüber Dritten durchsetzbares) Recht, sich bei Ausfall des Kreditnehmers aus einem bestimmten Sicherungsgegenstand zu befriedigen (z.B. (Grund-)Pfandrechte, Sicherungsabtretung, Sicherungsübereignung). Soweit durch entsprechende Sicherheiten das Risiko eines Ausfalls der Bank verringert werden kann, wirkt sich dies auch für den Kreditnehmer positiv aus, da die Bewertung des Kreditausfallrisikos regelmäßig in die Kalkulation des Kredits miteinbezogen wird und somit Auswirkungen auf die Konditionengestaltung hat.
II. Kreditsicherheiten und ihre regulatorische Bedeutung (KWG, CRR, MaRisk) 8.2
Kreditsicherheiten kommt auch eine aufsichtsrechtliche Bedeutung zu, da sie unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise zur Reduzierung der Eigenkapitalanforderungen von Kreditinstituten herangezogen werden können. Die (in weiten Teilen) mit Wirkung zum 1.1.2014 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (kurz: CRR) hat dazu geführt, dass sich die Anforderungen an die Banken zur Unterlegung ihrer Risikopositionen deutlich erhöht haben. Korrespondierend mit den gestiegenen Eigenmittelanforderungen hat auch die Bedeutung von Kreditrisikominderungstechniken für die Banken an Bedeutung gewonnen, da hierdurch der Betrag der für eine Risikoposition vorzuhaltenden Eigenmittel reduziert werden kann1. „Kreditrisikominderung“ ist dabei in Art. 4 Abs. 1 Nr. 57 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) als ein Verfahren definiert, das ein Institut einsetzt, um das mit einer oder mehrerer Risikopositionen, die es im Bestand hält, verbundene Kreditrisiko herabzusetzen. Die zulässigen Formen der Kreditrisikominderung und die Voraussetzungen für deren Anerkennungsfähigkeit werden nunmehr in Teil 3, Kapitel 4 der VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) geregelt2. Hinsichtlich der Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken wird dabei zwischen der Besicherung mit Sicherheitsleistung (Art. 195 ff. VO (EU) Nr. 575/2013 [CRR]) und der Absicherung ohne Sicherheitsleistung (Art. 201 ff. VO (EU) Nr. 575/2013 [CRR]) als grundsätzlich zulässige Formen der Kreditrisikominderung unterschieden3, an deren regulatorische Anerkennungsfähigkeit jeweils unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Sind die entsprechenden Mindestanforderungen an die Bestellung und Verwaltung derartiger Kreditsicherheiten, die teilweise rechtlicher, aber auch operationeller und wirtschaftlicher Art sind, im Einzelfall erfüllt, können die Institute nach Art. 193 Abs. 3 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) die Berech1 Vgl. Lehmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, 24. Kap. Rz. 15. 2 Zur alten Rechtslage und den rechtlichen Anforderungen an die Berücksichtigung von Kreditsicherheiten im Rahmen der Solvabilitätsverordnung vgl. Glos/Sester, BKR 2008, 315. 3 Desweiteren können nach Art. 204 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) bestimmte Arten von Kreditderivaten, wie Kreditausfallswaps, als zulässige Form der Kreditrisikominderung anerkannt werden.
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Bedeutung von Kreditsicherheiten | Teil 8
nung der risikogewichteten Positionsbeiträge und im IRB-Ansatz auch den erwarteten Verlustbeitrag anpassen1. Unter einer Besicherung mit Sicherheitsleistung ist gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 58 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) ein Verfahren der Kreditrisikominderung zu verstehen, bei dem sich das mit der Risikoposition eines Instituts verbundene Kreditrisiko dadurch vermindert, dass das Institut das Recht hat, bei Ausfall der Gegenpartei oder bei bestimmten anderen, mit der Gegenpartei zusammenhängenden Kreditereignissen bestimmte Vermögenswerte oder Beträge zu verwerten, ihren Transfer oder ihre Aneignung zu erwirken oder sie einzubehalten oder aber den Risikopositionsbetrag auf die Differenz zwischen diesem und dem Betrag einer Forderung gegen das Institut herabzusetzen bzw. diesen durch diese Differenz zu ersetzen. Kennzeichnend hierfür ist mithin, dass die risikoreduzierende Wirkung durch konkrete Vermögenswerte, etwa finanzielle Sicherheiten, Immobiliensicherheiten, Forderungen oder sonstige Sachsicherheiten, aus denen sich die Bank bei Bedarf befriedigen kann, erreicht wird. Hierunter fallen als Formen der Absicherung etwa Sicherungsabtretungen, Sicherungsübereignungen, Pfandrechte an beweglichen Sachen oder Rechten sowie Grundpfandrechte. Die besonderen Anforderungen an die Anerkennungsfähigkeit sind abhängig von dem zur Ermittlung des Kreditrisikos gewählten Ansatz und der Methode zur Berücksichtigung der Sicherheit sowie der konkreten Sicherheitenart und richten sich nach Art. 195 ff. VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR).
8.3
Dagegen ist unter einer Absicherung ohne Sicherheitsleistung gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 59 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) ein Verfahren der Kreditrisikominderung zu verstehen, bei dem sich das mit der Risikoposition eines Instituts verbundene Kreditrisiko durch die Verpflichtung eines Dritten vermindert, bei Ausfall oder bestimmten anderen Kreditereignissen eine Zahlung zu leisten. Hauptanwendungsfall für diese Form der Kreditrisikominderung sind Garantien, die in Art. 203 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) ausdrücklich erwähnt werden. Des Weiteren werden hiervon aber auch andere Personalsicherheiten, wie die Bürgschaft i.S.v. §§ 765 ff. BGB, oder sonstige vergleichbar wirkende Sicherungsmittel, wie Kreditversicherungen oder Risikounterbeteiligungen erfasst2. Damit diese Formen der Risikominderung als Absicherung ohne Sicherungsleistung anerkannt werden können, müssen die besonderen Anforderungen an Garantien gem. Art. 213 und 215 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) bzw. im Falle von Rückbürgschaften gem. Art. 214 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) erfüllt sein.
8.4
Um diese Kreditsicherheiten risikomindernd berücksichtigen zu können, müssen zahlreiche in der CRR festgelegte Kriterien erfüllt sein. Neben speziellen Anforderungen an die Verwaltung und Handhabung von Kreditsicherheiten ist allgemeine Anforderung an alle Arten der Kreditsicherheiten gem. Art. 194 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) deren rechtliche Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit in allen relevanten Rechtsräumen; ein mit Inkrafttreten der CRR neu hinzugekommene Anforderung ist dabei, dass die Prüfung der rechtlichen Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit des Sicherungsinstruments durch
8.4a
1 Eine Berücksichtigung im Rahmen der Vorschriften zur Kreditrisikominderung kommt indes dann nicht mehr in Betracht, wenn die Kreditabsicherung bereits gem. Art. 111 ff. VO (EU) Nr. 575/ 2013 (CRR) im Rahmen des Standardansatzes oder gem. Art. 142 ff. VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) im Rahmen des IRB-Ansatezs beim risikogewichteten Positionsbetrag berücksichtigt worden ist (Art. 193 Abs. 2 VO (EU) Nr. 575/2013 [CRR]). 2 Weber/Seifert/Schmid in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, KWG und CRR, Band 2, 3. Aufl. 2015, Art. 203 CRR Rz. 2 ff.; Zoepffel, WM 2014, 928, 929.
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Teil 8 | Kreditsicherung
ein „unabhängiges, schriftliches und mit einer Begründung versehenes Rechtsgutachten“ zu belegen ist, das in seiner jüngsten Fassung auf Anforderung der zuständigen Behörde vorzulegen ist (Art. 194 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 575/2013 [CRR]). Hieraus ergeben sich als unmittelbare Anforderungen, dass das Rechtsgutachten (a) von einer unabhängigen Stelle abgegeben werden muss, (b) mit einer Begründung versehen sein muss, und (c) Aussagen zur Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit in den jeweils relevanten Rechtsräumen enthalten muss. Das geforderte Rechtsgutachten muss dabei nicht zwingend durch einen externen Rechtsberater (z.B. eine Rechtsanwaltskanzlei) erstellt werden. Solange die Unabhängigkeit der beurteilenden Stelle gewährleistet ist, kann das Rechtsgutachten grundsätzlich auch durch eine Stelle innerhalb des kreditgebenden Instituts, wie z.B. der Rechtsabteilung, erstellt werden1. Gewährleistet sein muss dabei allerdings, dass die Überprüfung von einer (für die jeweils einschlägige Rechtsordnung) ausreichend qualifizierte Person vorgenommen wird, die aufbauorganisatorisch eine vom Markt unabhängige Stelle darstellt (die also insbesondere nicht der Marktseite gegenüber weisungsgebunden ist)2. Nicht notwendig ist weiter, dass jede einzelne von dem Institut abgeschlossene Sicherungsvereinbarung auch individuell einer rechtlichen Beurteilung unterzogen wird. Verwendet die Bank standardisierte Sicherungsverträge kann sich das geforderte Rechtsgutachten im Falle gleichartiger Sicherungsgeschäfte (d.h. insbesondere gleichartige Transaktion, Rechtsordnung und Kreditrisikominderungstechnik) auf diese Musterverträge beziehen, sofern im Einzelfall die rechtlich relevanten Regelungen des Mustervertrags unangetastet bleiben3. In Fällen, in denen von den jeweiligen Mustertexten abgewichen wird, bedarf es dann allerdings einer Begutachtung, ob die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der Sicherungsvereinbarung durch die vorgenommenen Änderungen beeinträchtigt wird – hierfür genügt, wenn unter Bezugnahme auf das vorhandene generische Rechtsgutachten geprüft wird, dass die Abweichung die in dem Rechtsgutachten gemachte Aussage zur Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit nicht berührt4. An die Begründung, mit der das Rechtsgutachten zu versehen ist, werden keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sein – insofern dürfte genügen, dass sich aus der Gesamtschau des Rechtsgutachtens erkennen lässt, dass die Bestätigung der rechtlichen Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der Sicherungsvereinbarung in der entsprechend relevanten Rechtsordnung auf Grundlage einer fundierten Prüfung erfolgt ist, die keinen Anlass gibt, an der Richtigkeit der Beurteilung zu zweifeln.
8.4b Sicherheiten können indes auch über die Berücksichtigung bei den Eigenmittelanforderun-
gen hinaus in anderem aufsichtsrechtlichen Zusammenhang von Bedeutung sein. So können bestimmte Sicherheiten dazu führen, dass einzelne Risikopositionen bei der Berechnung der Obergrenzen für Großkredite nach Art. 395 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) ausgenommen werden, vgl. etwa Art. 400 Abs. 1 lit. g) und lit. h) VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR), oder jedenfalls herabgesetzt werden, vgl. Art. 402 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR). Auf der anderen Seite ist in Fällen, in denen die Bank bei einer Absicherung durch einen Dritten, sei es als Garant oder als Schuldner der Sicherheit, diese Absicherung risikomindernd heranzieht, der Dritte dann insoweit unter dem Blickwinkel der Regelungen zu Großkrediten als „Qua1 Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2013_23 zu Art. 194 Abs. 1; zur Einhaltung dieser Anforderung bei Konsortialverträgen/Poolsicherheiten vgl. Steinhauer, WM 2014, 928, 931 f. 2 Vgl. Zoepffel, WM 2014, 928, 930; Achtelik in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Art. 194 CRR Rz. 2. 3 EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2013_23 zu Art. 194 Abs. 1; vgl. auch Weber/Seifert/ Schmid in Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, KWG und CRR, Band 2, 3. Aufl. 2015, Art. 203 CRR Rz. 4. 4 Zoepffel, WM 2014, 928, 931.
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Bedeutung von Kreditsicherheiten | Teil 8
si“-Schuldner anzusehen, vgl. Art. 403 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) (Substitutionsansatz). Darüber hinaus kann eine Besicherung auch dazu führen, dass Kredit- oder Garantiegeschäfte mit (inländischen) Hedgefonds oder (ausländischen) Alternativen Investmentfonds, die Leverage in beträchtlichem Umfang einsetzen, auch für Banken, die grundsätzlich unter den Anwendungsbereich des sog. Abschirrmungs- oder Trennbankengesetzes fallen (s. dazu Rz. 2.160 ff.), nicht unter den Verbotstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG fallen, sofern die rechtswirksam bestellten Sicherheiten eine ausreichende Qualität aufweisen1. Desweiteren sieht § 18 Abs. 1 Satz 2 KWG vor, dass Banken bei ausreichend besicherten Krediten von einer Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers absehen können (vgl. hierzu Rz. 8.7) – andererseits kann eine bestimmte Form der Besicherung bei Verbraucherdarlehensverträgen nach § 18a KWG auch zu erhöhten Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung führen – vgl. zu den Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung von sog. Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen Rz. 5.161 ff. Auf der Grundlage des § 25a KWG hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Dezember 2005 die „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) veröffentlicht, die in der Zwischenzeit mehrfach, zuletzt im Oktober 2017, überarbeitet worden sind2, und die Verwaltungsanweisungen beinhalten, die insbesondere von allen Kreditinstituten i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG zu beachten sind. Die MaRisk sind u.a. eine Präzisierung der gesetzlichen Anforderungen nach § 25a Abs. 1 KWG an die Ausgestaltung des Risikomanagements aus Sicht der Aufsichtsbehörden. In den MaRisk sind bankübliche Standards für die Prozesse im Kreditgeschäft formuliert, die im Wesentlichen für die Kreditgewährung, die Kreditweiterbearbeitung, die Kreditbearbeitungskontrolle, die Intensivbetreuung, die Behandlung von Problemkrediten einschließlich Sanierungskonzepten und die Risikovorsorge gelten. Außerdem setzen die MaRisk einen Rahmen für die Ausgestaltung der Verfahren zur Identifizierung, Steuerung und Überwachung der Kreditrisiken. Auch in Bezug auf Kreditsicherheiten enthalten die MaRisk relativ dezidierte Vorgaben. So hat das Institut die von diesem akzeptierten Sicherheitenarten sowie die Verfahren zur Wertermittlung (wobei hier auf geeignete Wertermittlungsverfahren abzustellen sein soll), der Verwaltung und der Verwertung dieser Sicherheiten festzulegen (vgl. BTO 1.2 Tz. 2 der MaRisk). Die Überprüfung bestimmter, unter Risikogesichtspunkten festzulegender Sicherheiten ist dabei zwingend außerhalb des Bereichs Markt durchzuführen (vgl. BTO 1.1 Tz. 7 der MaRisk). Vorgeschrieben ist ferner, dass die Werthaltigkeit und der rechtliche Bestand von Sicherheiten grundsätzlich vor der Kreditvergabe zu überprüfen sind (vgl. BTO 1.2.1 Tz. 3 der MaRisk). Hängt der Sicherheitenwert dabei maßgeblich von den Verhältnissen eines Dritten ab (z.B. bei einer Bürgschaft), so ist eine angemessene Überprüfung der Adressenausfallrisiken des Dritten durchzuführen (vgl. BTO 1.2.1 Tz. 4 der MaRisk). Des Weiteren sind die Werthaltigkeit und der rechtliche Bestand (also die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit) von Sicherheiten im Rahmen der Kreditweiterbearbeitung in Abhängigkeit von der Sicherheitenart (ab einer vom Kreditinstitut unter Risikogesichtspunkten festzulegenden Grenze) in angemessenen Abständen zu überprüfen (vgl. BTO 1.2.2 Tz. 3 der MaRisk). 1 Vgl. hierzu, und zu den Anforderungen, die an die Besicherung in dieser Konstellation zu stellen sind, Zeile 8 Tz. 3 der Auslegungshilfe der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum Art. 2 des Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 7.8.2013, BGBl. I 2013, 3090 (Abschirmungsgesetz) vom 14.12.2016. 2 Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Rundschreiben 09/2017 (BA) vom 27.10. 2017 Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk; für einen Überblick zu der 5. Novelle der MaRisk vgl. Dürselen/Schulte-Mattler, WM 2018, 1237 ff. und 1289 ff.
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8.5
Teil 8 | Kreditsicherung
III. Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten 8.6
Die Banken haben grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse, sich vor der nicht ordnungsgemäßen Nichterfüllung ihrer Forderungen, insbesondere aus einer Kreditgewährung, zu schützen. Schon in ihrem eigenen Interesse ist die Bank bei der Gewährung eines Kredits gehalten, sich entsprechend zu sichern, dass Verluste nach Möglichkeit vermieden werden. Verluste aus solchen Forderungsausfällen können letztlich aber auch dazu führen, dass ein Kreditinstitut nicht mehr in der Lage ist, die ihm anvertrauten Gelder bei Fälligkeit zurückzuzahlen. Der Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten ist insofern auch eng mit dem notwendigen Einlegerschutz verknüpft1. Im Ergebnis ergibt sich – auch ohne entsprechende allgemeine gesetzliche Regelungen – ein legitimes Interesse der Banken an ausreichenden Sicherheiten und auch die formularmäßige Verankerung eines Besicherungsanspruchs ist vor diesem Hintergrund grundsätzlich gerechtfertigt2.
8.7
Zum gesetzlichen Leitbild gehört nämlich auch die aufsichtsrechtliche Norm des § 18 KWG, die unter dem Gesichtspunkt der ordnungsgemäßen Geschäftsführung bei jeder Form der Kreditgewährung eine Überprüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers verlangt. Bei der Bestellung ausreichender Sicherheiten kann die Bank allerdings nach § 18 Abs. 1 Satz 2 KWG ausnahmsweise darauf verzichten, sich von dem Kreditnehmer dessen wirtschaftliche Verhältnisse offen legen zu lassen. Diese Offenlegung, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, ist bei Kreditgewährungen von mehr als 750.000 € (oder 10 vom Hundert des nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 71 VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) anrechenbaren Eigenkapitals des Kreditinstituts) ist an sich durch das Kreditwesengesetz in § 18 Abs. 1 Satz 1 KWG grundsätzlich vorgeschrieben. Wie die Bestellung der Sicherheiten dient auch die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers u.a. dem Schutz der Bankengläubiger3.
8.8
Insofern steht es der Bank grundsätzlich frei, eine Kreditgewährung von der Bestellung geeigneter Sicherheiten abhängig zu machen. Unabhängig hiervon bestimmen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditwirtschaft in Nr. 13 AGB-Banken, dass die Bank die Bestellung oder die Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten verlangen kann4. Hierbei ist grundsätzlich zwischen dem originären Besicherungsanspruch („Bestellung“ von Sicherheiten) und dem Nachbesicherungsanspruch („Verstärkung“ von Sicherheiten) zu unterscheiden. Während die Bank ihren originären Besicherungsanspruch nach Nr. 13 Abs. 1 AGB-Banken grundsätzlich ohne besonderen Anlass geltend machen kann, wird der Anspruch auf Verstärkung von Sicherheiten in Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken von Umständen, die eine erhöhte Risikobewertung für die Bank rechtfertigen, abhängig gemacht. Die Rechtsprechung hatte es zwar offen gelassen, ob der Nachbesicherungsanspruch einen besonderen sachlichen Grund für das Sicherheitenverlangen der Bank voraussetzt, hatte die1 Vgl. BGH v. 14.11.1983 – II ZR 39/83, WM 1983, 1406 = NJW 1984, 728 f. 2 Vgl. BGH v. 28.4.1992 – XI ZR 164/91, WM 1992, 1362, 1363 = NJW-RR 1992, 1135 f.; BGH v. 28.6.1984 – III ZR 177/83, WM 1984, 1178, 1179; BGH v. 18.12.1980 – III ZR 157/78, WM 1981, 150 = NJW 1981, 1363 f.; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 265; Fandrich in von Westphalen, AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67; Wenzel/Gratias in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10/2009), Rz. 4/32; Krings, ZBB 1992, 326, 330; Merkel, WM 1993, 725, 729. 3 Szagunn/Haug/Ergenzinger, 6. Aufl. 1997, § 18 KWG Rz. 1; Bock in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 18 KWG Rz. 7; Gießler in Luz/Neus/Schaber/Schneider/ Wagner/Weber, KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 18 Rz. 9. 4 Für die Sparkassen vgl. Nr. 22 Abs. 1 AGB-Sparkassen.
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Bedeutung von Kreditsicherheiten | Teil 8
sem aber immanente Schranken gesetzt, die eine missbräuchliche Anwendung verhinderte1. Um Bedenken aus der Sicht der Angemessenheitskontrolle (§ 307 BGB) von vornherein auszuschließen, ist bei der Überarbeitung der AGB-Banken im Jahre 1993 der Anspruch auf Sicherheitenverstärkung insofern ausdrücklich eingeschränkt worden2. Der Nachsicherungsanspruch der Bank ist dabei an objektivierte Voraussetzungen geknüpft, die eine missbräuchliche Geltendmachung verhindern sollen3. Damit ist zugleich der Rechtsprechung Rechnung getragen worden, wonach die Bank bei der Geltendmachung ihres Anspruches auf Sicherheitenverstärkung an die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebunden ist4. 1. Originärer Besicherungsanspruch (Nr. 13 Abs. 1 AGB-Banken) Die Bestellung von Sicherheiten kann nur für Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung verlangt werden (Nr. 13 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken). Ansprüche, die der Bank nur zufällig und ohne inneren Zusammenhang mit dem Geschäftsverkehr erwachsen sind, werden von der Sicherungsklausel nicht erfasst; dies gilt insbesondere für deliktische Ansprüche ohne Bezug zur Geschäftsverbindung5.
8.9
Die Sicherheitenbestellung kann auch für bedingte Forderungen verlangt werden. Die Besicherungsklausel erwähnt ausdrücklich den auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) wegen der Inanspruchnahme aus einer für den Kunden übernommenen Bürgschaft. Solche Ersatzansprüche entstehen nicht nur bei der Gewährung eines sog. Haftungskredites in Form eines Bankavals, sondern auch außerhalb des Kreditgeschäfts im Dienstleistungsgeschäft, dem regelmäßig ein entgeltliches Geschäftsbesorgungsverhältnis zugrunde liegt (§ 675 BGB). Voraussetzung für den auftragsrechtlichen Ersatzanspruch ist, dass die Bank zum Zweck der Ausführung des ihr erteilten Auftrages Aufwendungen gemacht hat, die sie den Umständen nach für erforderlich halten durfte (§ 670 BGB).
8.10
Befristete Forderungen (vgl. § 163 BGB) werden in Nr. 13 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken nicht (mehr) ausdrücklich erwähnt. Sie haben nur geringe praktische Bedeutung und fallen zudem ohnehin bereits unter die in der Sicherungsklausel genannten, entsprechend nicht eingegrenzten „Ansprüche der Bank“6. Nicht erfasst sind dagegen künftige Ansprüche der Bank. Hier ist das Sicherungsinteresse regelmäßig noch zu unbestimmt7.
8.11
1 BGH v. 19.9.1979 – III ZR 93/76, WM 1979, 1176, 1179; BGH v. 18.12.1980 – III ZR 157/78, WM 1981, 150, 151 = NJW 1981, 1363 f.; vgl. hierzu Grunewald, ZIP 1981, 586 ff.; Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rz. 2654; vgl. weiter Hettich/Thieves/Timmann/Windhöfel, BB 1990, 2347, 2352. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 2, 20; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/361. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 19; Merkel, WM 1993, 725, 729. 4 BGH v. 18.12.1980 – III ZR 157/78, WM 1981, 150, 151 = NJW 1981, 1363 f. 5 BGH v. 17.12.1980 – VIII ZR 307/79, NJW 1981, 756 = WM 1981, 162; BGH v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, WM 1985, 78, 79; BGH v. 8.5.1987 – V ZR 89/86, BGHZ 101, 29, 34 m.w.N. = WM 1987, 802 ff. 6 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 266; Fandrich in von Westphalen, AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67. 7 Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rz. 2652; Fandrich in von Westphalen, AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67; Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 5.
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Teil 8 | Kreditsicherung
a) Erfordernis einer bankmäßigen Sicherheit
8.12 Die vom Kunden zu bestellende Sicherheit muss „bankmäßig“ sein (Nr. 13 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken). Es darf sich also nicht um eine im Bankgeschäft ganz unübliche oder gar um eine für die Bank ungeeignete Sicherheit handeln1. Hier mag es im Laufe der Zeit durchaus zu Veränderungen in der Bewertung der „Bankmäßigkeit“ einer Sicherheit kommen. Charakteristisch für eine bankmäßige Sicherheit ist jedenfalls deren leichte und rasche Verwertbarkeit2. Für eine Sicherheitsleistung ungeeignet sind deshalb etwa nichtmarktgängige oder verderbliche Waren sowie Geldforderungen, deren Durchsetzbarkeit infolge eines Abtretungsverbotes, einer Aufrechenbarkeit oder Einwendungsmöglichkeiten zweifelhaft ist. Sofern eine Aufbewahrung durch die Bank nach der Natur der Sicherheit erforderlich ist, müsste dies insbesondere Platz sparend und kostengünstig möglich sein. b) Keine Überprüfungspflicht der Bank
8.13 Die Bank ist gegenüber dem Kreditnehmer nicht verpflichtet, die Werthaltigkeit einer
ihr bestellten Sicherheit zu prüfen. Soweit sie eine solche Prüfung bei einer von einem Dritten bestellten Sicherheit vornimmt, erfolgt diese grundsätzlich nur im eigenen und nicht im Kundeninteresse3. Weiterhin besteht auch keine Pflicht der Bank, den Sicherungsgeber ungefragt über den Umfang des Risikos oder die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu unterrichten4. 2. Nachbesicherungsanspruch (Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken)
8.14 Hat die Bank bei der Entstehung von Ansprüchen gegen den Kunden zunächst ganz oder teilweise davon abgesehen, die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten zu verlangen, kann sie auch später noch eine Besicherung fordern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine erhöhte Risikobewertung der Ansprüche gegen den Kunden rechtfertigen (Nr. 13 Abs. 2 Satz 1, 2 AGB-Banken). Diese erhöhte Risikobewertung muss sich anhand von nachvollziehbaren, objektiven Umständen ergeben. Eine rein subjektiv geänderte Risikoeinschätzung der Bank oder eine Änderung in der Geschäftsund insbesondere Kreditvergabepolitik der Bank genügt hierfür nicht. Im Zweifel trägt die Bank die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen ihres Nachbesicherungsanspruchs.
8.15 Die Nachsicherungsklausel erwähnt zwei, nicht als abschließende Aufzählung zu verste-
hende Beispiele, die eine erhöhte Risikobewertung rechtfertigen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nachteilig verändert haben oder sich zu verändern drohen oder sich die vorhandenen Sicherheiten wertmäßig 1 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 268. 2 BGH v. 5.10.1989 – III ZR 34/88, WM 1990, 54, 57 = NJW 1990, 1356 ff.; Hopt in Baumbach/ Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 3; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 8; Fandrich in von Westphalen, AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67; Wenzel/Gratias in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10/2009), Rz. 4/41; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/368. 3 BGH v. 8.3.1982 – II ZR 60/81, WM 1982, 480, 481 = NJW 1982, 1520 f.; OLG Hamm v. 7.5. 2001 – 31 U 196/00, WM 2001, 2438, 2439. 4 BGH v. 9.10.1990 – XI ZR 200/89, WM 1990, 1956 m.w.N. = NJW-RR 1991, 170 f.; vgl. weiter BGH v. 1.7.1999 – IX ZR 161/98, WM 1999, 1614 = NJW 1999, 2814 f.; OLG Hamm v. 7.5.2001 – 31 U 196/00, WM 2001, 2438, 2439.
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Bedeutung von Kreditsicherheiten | Teil 8
verschlechtert haben oder zu verschlechtern drohen. Die „nachteilige Veränderung“ oder „wertmäßige Verschlechterung“ im Sinne der Nachsicherungsklausel ist von einem schwächeren Grad als die „wesentliche Verschlechterung“ der Vermögenslage des Kunden im Sinne des außerordentlichen Kündigungsrechts der Bank gem. Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB-Banken. Diese Abstufung ermöglicht es der Bank, im Interesse des Kunden die außerordentliche Kündigung durch Geltendmachung des Nachsicherungsanspruches zu vermeiden1. Anstelle einer Nachbesicherung in Form der Bestellung neuer Sicherheiten kann die Bank auch bereits bestehende Sicherheiten, etwa ein auf Grundlage des Nr. 14 ABG-Banken bestelltes Pfandrecht z.B. durch Kontosperre aktivieren. Besteht ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis der Bank, kann diese von ihrem sog. AGB-Pfandrecht auch schon vor Pfandreife Gebrauch machen, indem sie zur Sicherung einer späteren Verwertung keine Verfügungen des Kunden mehr zulässt. Die Sicherstellung einer späteren Verwertung durch eine Kontosperre ist dabei durch § 1281 Satz 2 Halbs. 1 BGB gedeckt2.
8.16
Treuwidrig wäre es, wenn das Verlangen der Bank nach weiteren Sicherheiten zu ihrer Übersicherung führen würde3. Denn eine Rechtsausübung ist grundsätzlich dann missbräuchlich, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine Leistung gefordert wird, die alsbald zurück zu gewähren wäre4. Eine solche Rückgewähr der Sicherheit im Wege ihrer Freigabe müsste aber gem. Nr. 16 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken erfolgen, wenn die Bank sie auch für die nähere Zukunft nicht mehr benötigt. Ferner kann die Geltendmachung des Besicherungsanspruchs gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens5 als weiterer Ausprägung des Treuegebots verstoßen. Ein solcher Verstoß kommt in Betracht, wenn der Kreditnehmer wegen des bisherigen Verhaltens darauf vertrauen durfte, keine weiteren Sicherheiten mehr bestellen zu müssen6.
8.17
Die Sicherungsklausel gewährt der Bank nach allgemeiner Meinung keinen Anspruch auf Bestellung einer konkreten Sicherheit, sondern auf bankmäßige Sicherheiten überhaupt7. Der Kunde hat also die freie Wahl zwischen mehreren geeigneten Sicherungsobjekten. Hierbei handelt es sich nicht um eine Wahlschuld im engeren Wortsinne (§ 262 BGB), sondern um eine Konkretisierung i.S.d. die Sicherheitsleistung regelnden §§ 232 ff. BGB8.
8.18
1 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 275; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/371; Wenzel/ Gratias in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10/2009), Rz. 4/34. 2 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, NJW 2004, 1660, 1662 = WM 2004, 620 ff.; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7. 3 BGH v. 18.12.1980 – III ZR 157/78, WM 1981, 150, 151 = NJW 1981, 1363 f. Nach dem OLG Hamm v. 7.5.2001 – 31 U 196/00, WM 2001, 2438, 2439 verletzt eine Bank ihre Vertragspflichten gegenüber dem Kunden nicht, wenn sie die Verstärkung von Kreditsicherheiten fordert, obwohl die Voraussetzungen für ein solches Verlangen nicht gegeben ist, soweit unstreitig eine Unterdeckung besteht und solange das Verlangen nicht völlig willkürlich erscheint. 4 Grüneberg in Palandt, 78. Aufl. 2019, § 242 BGB Rz. 50, 52. 5 Grüneberg in Palandt, 78. Aufl. 2019, § 242 BGB Rz. 55 ff. 6 BGH v. 18.12.1980 – III ZR 157/78, WM 1981, 150, 151. 7 BGH v. 18.12.1980 – III ZR 157/78, WM 1981, 150, 151 = NJW 1981, 1363 f.; BGH v. 28.6.1984 – III ZR 177/83, WM 1984, 1178, 1179; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGBBanken Rz. 7; Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rz. 2655. 8 Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 5; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 15.
Federlin | 1099
Teil 8 | Kreditsicherung
8.19 Erst in der Zwangsvollstreckung, die gemäß des für die Erzwingung vertretbarer Handlungen geltenden § 887 ZPO erfolgt, könnte die Bank die zu bestellenden Sicherheiten analog § 264 BGB bestimmen1. In der Praxis wird jedoch die Bank regelmäßig ihren Besicherungsanspruch nicht einklagen, sondern den Kredit wegen Nichterfüllung ihres Anspruchs auf Sicherheitenbestellung kündigen (Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken) – vgl. hierzu Rz. 8.27. 8.20 Die Konkretisierungsbefugnis des Kunden kann insolvenzrechtliche Auswirkungen haben. Bestellt der Kunde die Sicherheit in dem anfechtungsrechtlich relevanten Zeitraum, so handelt es sich nach allgemeiner Meinung um ein inkongruentes Deckungsgeschäft2. Das gilt selbst dann, wenn der Schuldner zuletzt nur noch über ein einziges werthaltiges Sicherungsgut verfügt, weil die Inkongruenz nur durch einen bestimmten Sicherungsanspruch ausgeschlossen wird, der auf einen von vornherein individualisierbaren Gegenstand gerichtet ist3 – vgl. hierzu ausführlich Rz. 8.144 ff. 3. Grenzen des Besicherungsanspruchs
8.21 Der Anspruch auf Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten ist in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. a) Vorrang der Individualabrede
8.22 Der Besicherungsanspruch der Bank besteht in den Fällen nicht, in denen ausdrücklich vereinbart worden ist, dass der Kunde keine oder ausschließlich im Einzelnen benannte Sicherheiten zu bestellen hat (Nr. 13 Abs. 2 Satz 4 AGB-Banken). Hierin liegt eine individuelle Vertragsabrede, die Vorrang vor den AGB hat (§ 305b BGB). Für einen solchen Ausschluss des Nachsicherungsanspruchs genügt es freilich nicht, dass im Kreditvertrag bestimmte Sicherheiten vorgesehen sind4. Der Abschluss einer bestimmten Sicherungsabrede bedeutet grundsätzlich keinen Verzicht auf weitere Sicherheiten. Nach dem BGH besteht für eine Bank ohne besonderen Grund kein Anlass, von vornherein auf die Inanspruchnahme der als Sicherheit geeigneten Vermögenswerte zu verzichten5. Die Sicherungsklausel stellt deshalb klar, dass es für eine Einschränkung des Besicherungsanspruchs einer ausdrücklichen Vereinbarung mit dem Kunden bedarf. Bei einem vollständigen Ausschluss des Besicherungsanspruchs spricht die Praxis üblicherweise von einem „Blankokredit“6. 1 Ellenberger in Palandt, 78. Aufl. 2019, § 232 BGB Rz. 1; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 15 m.w.N. 2 BGH v. 2.7.1969 – VIII ZR 96/67, WM 1969, 968 f.; Canaris in Großkomm. HGB, 3. Aufl. 1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rz. 2655; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl. 2016, Rz. 6.132; Hopt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2018, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 5; Kirchhof, ZInsO 2004, 465. 3 BGH v. 3.12.1998 – IX ZR 313/97, WM 1999, 12, 13 = NJW 1999, 645 f.; vgl. hierzu Eckhardt, DZWir 1999, 206 f. 4 BGH v. 19.9.1979 – III ZR 93/76, WM 1979, 1176, 1179; BGH v. 18.12.1980 – III ZR 157/78, WM 1981, 150, 151; BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, WM 1983, 926, 927 = NJW 1983, 2701 ff. 5 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, WM 1983, 926, 927. 6 Fandrich in von Westphalen, AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 68; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/373; Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 270.
1100 | Federlin
Bedeutung von Kreditsicherheiten | Teil 8
b) Erlöschen des Besicherungsanspruchs Der Besicherungsanspruch der Bank erlischt, wenn der realisierbare Wert der bestellten Sicherheiten die Deckungsgrenze im Sinne einer Sicherungsobergrenze überschreitet. So bestimmen die AGB der Kreditwirtschaft, dass die Bank ihren Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten so lange geltend machen kann, bis der realisierbare Wert aller Sicherheiten dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung entspricht (Nr. 16 Abs. 1 AGB-Banken). Würde der Besicherungsanspruch daher zu einer Übersicherung der Bank führen, kann dieser nicht mehr geltend gemacht werden. Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Übersicherung vgl. ausführlich Rz. 8.35 ff.
8.23
c) Sonderregelung für Verbraucherkredite Bei Krediten, die unter die Normen der §§ 491 ff. BGB (Verbraucherdarlehensverträge) fallen, besteht ein Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach § 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 BGB grundsätzlich nur, soweit die Sicherheiten im Kreditvertrag angegeben sind. Wenn jedoch der Nettodarlehensbetrag 75.000 €1 übersteigt, besteht der Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten im Falle des Vorliegens eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags i.S.v. § 491 Abs. 2 BGB auch dann, wenn der Kreditvertrag keine oder keine abschließenden Angaben über Sicherheiten enthält (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB, § 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BGB). Dieser gesetzlichen Vorgabe trägt die formularmäßige Sicherungsklausel der Kreditinstitute Rechnung. Danach kann die Bank ihren Besicherungsanspruch nur hinsichtlich der im Kreditvertrag bezeichneten Sicherheiten geltend machen. Übersteigt jedoch der Nettodarlehensbetrag 75.000 €, kann die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten auch dann verlangt werden, wenn der Kreditvertrag über ein vor dem 21.3.2016 abgeschlossenes Verbraucherdarlehen oder in einem ab dem 21.3.2016 abgeschlossenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag i.S.v. § 491 Abs. 2 BGB keine oder keine abschließenden Angaben über Sicherheiten enthält (Nr. 13 Abs. 2 Satz 5 AGB-Banken bzw. Nr. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 AGB-Sparkassen). Diese Regelung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge kann zu einem Forderungsausfall der Bank führen, wenn die im Kreditvertrag bezeichneten Sicherheiten den Rückzahlungsanspruch in nicht vorhersehbarer Weise nicht mehr decken. Andererseits ist ein zu großzügig bemessenes Sicherheitenverlangen und die entsprechende Sicherheitsleistung bei Kreditgewährung vor dem Hintergrund des Verbots der Übersicherung problematisch – vgl. hierzu Rz. 8.35 ff.
8.24
d) Eingeschränkter Besicherungsanspruch gegen Bürgen Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank z.B. in Gestalt einer Bürgschaft oder Garantie übernommen, so kann die Bank die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten für die aus der Haftungsübernahme folgende Schuld grundsätzlich erst ab deren Fälligkeit beanspruchen (Nr. 13 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken). Hierdurch wird der BGH-Rechtsprechung Rechnung getragen, wonach der Bürge nach dem gesetzlichen Leitbild die verbürgte Forderung nur per1 Bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie zum 11.6.2010 belief sich der Schwellenwert auf 50.000 €.
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8.25
Teil 8 | Kreditsicherung
sönlich sichern und daher konkrete Vermögenswerte erst aufzuwenden brauchen soll, wenn seine Bürgschaftsverbindlichkeit fällig geworden ist1. e) Fristgewährung für die Sicherheitsleistung
8.26 Die Bank hat dem Kunden eine angemessene Frist einzuräumen, um dem Sicherheitenver-
langen der Bank Rechnung tragen zu können (Nr. 13 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken). Mit dieser Regelung wird dem Verbot, den Besicherungsanspruch zur Unzeit geltend zu machen, wie auch der Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 242 BGB) Rechnung getragen, da die aus der Nichtbeachtung des Besicherungsanspruchs folgende Kündigungsmöglichkeit der Bank eine einschneidende Rechtsfolge darstellt2. Die Länge der Frist ist abhängig von der konkreten Situation im Einzelfall zu bestimmen. Zu berücksichtigen sind dabei sowohl die Belange des Kunden als auch die der Bank. Eine Frist von acht bis 14 Tagen dürfte dabei als Untergrenze einzuhalten sein3. 4. Nichterfüllung des Besicherungsanspruchs als Kündigungsgrund (Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken)
8.27 Kommt der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten
nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nach, ist in Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 Unterpunkt 3 AGB-Banken vorgesehen, dass die Bank die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die eine Laufzeit oder eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart worden ist, fristlos kündigen kann. Nach Nr. 13 Abs. 3 Satz 2 AGB-Banken ist eine solche außerordentliche Kündigung aber nur zulässig, wenn die Bank den Kunden zuvor hierauf hinweist. Dem Kunden sollen damit die Konsequenzen einer möglichen Nichtbestellung von Sicherheiten entsprechend deutlich gemacht werden. Ohne diesen Hinweis ist eine erneute Fristsetzung für die Kündigung erforderlich, die dann freilich kürzer bemessen werden kann4. Die wechselseitigen Verweisungen in Nr. 13 Abs. 3 und Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 Unterpunkt 3 AGB-Banken lassen die enge Verknüpfung von Besicherungsanspruch und außerordentlichem Kündigungsrecht der Bank transparent werden.
5. Kein Anspruch des Sicherungsgebers auf Austausch von Sicherheiten
8.28 Haben die Bank und der Sicherungsgeber die Stellung einer bestimmten Sicherheit vereinbart, hat der Sicherungsgeber grundsätzlich keinen Anspruch, einen Austausch dieser Sicherheit gegen Stellung einer anderen Sicherheit zu verlangen. Sofern die Möglichkeit eines Austauschs der bestellten Sicherheit(en) nicht bereits im Sicherungsvertrag angelegt
1 BGH v. 11.10.1984 – IX ZR 73/83, WM 1984, 1465, 1466 = BGHZ 92, 295 ff. = NJW 1985, 45 ff.; BGH v. 10.11.1988 – III ZR 215/87, WM 1989, 129, 130 = NJW 1989, 1284 f.; Merkel, WM 1993, 725, 729; Mackenthun in Bankrecht und Bankpraxis (Stand 10.2016), Rz. 1/367. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 18 Rz. 29 m.w.N.; M. Casper in Derleder/Knops/Bamberger, 3. Aufl. 2017, § 3 Rz. 98; vgl. auch BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701, 2703. 3 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkasen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 278; von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stand 2014, Rz. 125; M. Casper in Derleder/Knops/Bamberger, 3. Aufl. 2017, § 3 Rz. 98. 4 Bunte in AGB-Banken, AGB-Sparkassen, Sonderbedingungen, 4. Aufl. 2015, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 279.
1102 | Federlin
Risiken und Beschränkungen bei der Sicherheitenbestellung | Teil 8
ist, lässt sich ein Anspruch des Sicherungsgebers auf Sicherheitentausch insbesondere nicht aus Billigkeitserwägungen oder aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herleiten1. Hiervon abzugrenzen ist das Recht der Bank, unter bestimmten Umständen den Austausch einer Sicherheit oder auch die Bestellung zusätzlicher Sicherheiten zu verlangen, vgl. hierzu Rz. 8.14 ff. Die Möglichkeit des Austauschs der Sicherheit soll aber bei einem Realkreditnehmer in dem Vertragsverhältnis mit der Bank angelegt sein können. Hat der Darlehensnehmer gegen die realkreditgebende Bank einen Anspruch auf Einwilligung in eine vorzeitige Darlehensablösung gegen angemessene Vorfälligkeitsentschädigung, so kann er bei einer Veräußerung des belasteten Grundstücks anstelle der Ablösung des Darlehens die Zustimmung zu einem bloßen Austausch der vereinbarten Sicherheiten verlangen, wenn eine von dem Darlehensnehmer als Ersatz angebotene Grundschuld das Risiko der realkreditgebenden Bank genauso gut abdeckt wie die der Bank vereinbarungsgemäß eingeräumte Grundschuld, der Darlehensnehmer bereit und in der Lage ist, alle mit dem Sicherungsaustausch verbundenen Kosten zu tragen, und die Bank nicht befürchten muss, etwa bei der Verwaltung oder der Verwertung der Ersatzsicherheit irgendwelche Nachteile zu erleiden2. Dessen ungeachtet reichen allein Billigkeits- und Zumutbarkeitserwägungen nicht aus, um einen Anspruch des Sicherungsgebers auf Sicherheitenaustausch zu begründen3.
8.29
Einstweilen frei.
8.30
2. Abschnitt: Allgemeine rechtliche Risiken und Beschränkungen im Zusammenhang mit der Sicherheitenbestellung Die Bestellung von Kreditsicherheiten ist nicht unbeschränkt zulässig, darüber hinaus kann eine Hereinnahme von Kreditsicherheiten mit spezifischen rechtlichen Risiken für die Bank verbunden sein. So kann die Bestellung von Sicherheiten unter bestimmten Voraussetzungen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein (§ 138 BGB). Ist der Vertrag über die Bestellung von Kreditsicherheiten – wie in der Kreditsicherungspraxis üblich – formularmäßig abgeschlossen und damit einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterworfen, ist neben überraschenden Klauseln vor allem eine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers zu vermeiden (§§ 305c, 307 BGB).
8.31
In bestimmten Fallkonstellationen kann sich die Bank durch die Hereinnahme der Sicherheiten sogar gegenüber anderen Gläubigern des Sicherungsgebers schadensersatzpflichtig machen, wenn hierin eine vorsätzliche sittenwidrige Handlung gem. § 826 BGB liegt, die zur Schädigung dieser Personen führt (Haftung wegen Gläubigergefährdung).
8.32
Der gesetzliche Tatbestand der haftungsbegründenden sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) und der des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts (§ 138 BGB) haben starke Berührungspunkte. Nach der Rechtsprechung sind jedoch die Klagevoraussetzungen in wesentlichen Punkten verschieden. So ist bei § 138 BGB auf den Inhalt des zwischen der Bank und dem
8.33
1 BGH v. 30.6.2017 – V ZR 248/16, WM 2017, 1937 m. Anm. Krüger, EWiR 2018, 109. 2 BGH v. 3.2.2004 – XI ZR 398/02, WM 2004, 780 = BGHZ 158, 11; so im Ergebnis auch Ganter, WM 2017, 261, der den Anspruch des Sicherheitengebers – anders als der BGH – aber auf § 242 BGB stützt. 3 BGH v. 30.6.2017 – V ZR 248/16, WM 2017, 1937.
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Risiken und Beschränkungen bei der Sicherheitenbestellung | Teil 8
ist, lässt sich ein Anspruch des Sicherungsgebers auf Sicherheitentausch insbesondere nicht aus Billigkeitserwägungen oder aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herleiten1. Hiervon abzugrenzen ist das Recht der Bank, unter bestimmten Umständen den Austausch einer Sicherheit oder auch die Bestellung zusätzlicher Sicherheiten zu verlangen, vgl. hierzu Rz. 8.14 ff. Die Möglichkeit des Austauschs der Sicherheit soll aber bei einem Realkreditnehmer in dem Vertragsverhältnis mit der Bank angelegt sein können. Hat der Darlehensnehmer gegen die realkreditgebende Bank einen Anspruch auf Einwilligung in eine vorzeitige Darlehensablösung gegen angemessene Vorfälligkeitsentschädigung, so kann er bei einer Veräußerung des belasteten Grundstücks anstelle der Ablösung des Darlehens die Zustimmung zu einem bloßen Austausch der vereinbarten Sicherheiten verlangen, wenn eine von dem Darlehensnehmer als Ersatz angebotene Grundschuld das Risiko der realkreditgebenden Bank genauso gut abdeckt wie die der Bank vereinbarungsgemäß eingeräumte Grundschuld, der Darlehensnehmer bereit und in der Lage ist, alle mit dem Sicherungsaustausch verbundenen Kosten zu tragen, und die Bank nicht befürchten muss, etwa bei der Verwaltung oder der Verwertung der Ersatzsicherheit irgendwelche Nachteile zu erleiden2. Dessen ungeachtet reichen allein Billigkeits- und Zumutbarkeitserwägungen nicht aus, um einen Anspruch des Sicherungsgebers auf Sicherheitenaustausch zu begründen3.
8.29
Einstweilen frei.
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2. Abschnitt: Allgemeine rechtliche Risiken und Beschränkungen im Zusammenhang mit der Sicherheitenbestellung Die Bestellung von Kreditsicherheiten ist nicht unbeschränkt zulässig, darüber hinaus kann eine Hereinnahme von Kreditsicherheiten mit spezifischen rechtlichen Risiken für die Bank verbunden sein. So kann die Bestellung von Sicherheiten unter bestimmten Voraussetzungen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein (§ 138 BGB). Ist der Vertrag über die Bestellung von Kreditsicherheiten – wie in der Kreditsicherungspraxis üblich – formularmäßig abgeschlossen und damit einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterworfen, ist neben überraschenden Klauseln vor allem eine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers zu vermeiden (§§ 305c, 307 BGB).
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In bestimmten Fallkonstellationen kann sich die Bank durch die Hereinnahme der Sicherheiten sogar gegenüber anderen Gläubigern des Sicherungsgebers schadensersatzpflichtig machen, wenn hierin eine vorsätzliche sittenwidrige Handlung gem. § 826 BGB liegt, die zur Schädigung dieser Personen führt (Haftung wegen Gläubigergefährdung).
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Der gesetzliche Tatbestand der haftungsbegründenden sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) und der des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts (§ 138 BGB) haben starke Berührungspunkte. Nach der Rechtsprechung sind jedoch die Klagevoraussetzungen in wesentlichen Punkten verschieden. So ist bei § 138 BGB auf den Inhalt des zwischen der Bank und dem
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1 BGH v. 30.6.2017 – V ZR 248/16, WM 2017, 1937 m. Anm. Krüger, EWiR 2018, 109. 2 BGH v. 3.2.2004 – XI ZR 398/02, WM 2004, 780 = BGHZ 158, 11; so im Ergebnis auch Ganter, WM 2017, 261, der den Anspruch des Sicherheitengebers – anders als der BGH – aber auf § 242 BGB stützt. 3 BGH v. 30.6.2017 – V ZR 248/16, WM 2017, 1937.
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Teil 8 | Kreditsicherung
Sicherungsgeber geschlossenen Vertrages und auf die sie leitenden Beweggründe, vor allem die der Bank im Hinblick auf den Sicherungsgeber, abzustellen. Dagegen kommt es bei § 826 BGB wesentlich auf das Verhalten der Bank im Hinblick auf die benachteiligten Gläubiger des Sicherungsgebers an1.
8.34 Vorsorge gegen solche zu missbilligenden Benachteiligungen anderer Gläubiger hat der
Gesetzgeber indes vor allem durch die anfechtungsrechtlichen Vorschriften der Insolvenzordnung bzw. des Anfechtungsgesetzes für die Anfechtung von Rechtshandlungen außerhalb des Insolvenzverfahrens getroffen. Bei Rechtshandlungen, deren Inhalt und Zweck im Wesentlichen darin besteht, die Gläubiger zu benachteiligen, regeln diese grundsätzlich abschließend, unter welchen Voraussetzungen die Gläubiger geschützt werden. Die allgemeine Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB kommt daneben nur zur Anwendung, wenn das Rechtsgeschäft besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände aufweist2.
I. Unwirksamkeit der Sicherheitenbestellung wegen Übersicherung 8.35 Die Besicherung der Kreditforderungen kann zu einer Übersicherung der Bank führen, die
unter bestimmten Voraussetzungen die Unwirksamkeit des Sicherungsvertrages zur Folge hat. Eine Übersicherung ist gegeben, wenn der Wert der Sicherheit(en) das gesicherte Risiko nicht nur vorübergehend deutlich übersteigt und deshalb zwischen der Sicherheit und der (entsprechend gesicherten) Forderung kein ausgewogenes, die berechtigten Interessen von Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer berücksichtigendes Verhältnis besteht3. Eine solche Übersicherung kann die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Sicherungsgebers in einem unerträglichen Maße einschränken, so dass dieser hierdurch unangemessen benachteiligt wird4. Zur Feststellung einer möglichen Übersicherung ist auf der einen Seite auf die Höhe der gesicherten Forderungen abzustellen, auf der anderen Seite auf den realisierbaren Wert der Sicherheit5, also auf den Erlös, der bei der Verwertung der Sicherheiten erzielt werden kann; hierbei sind des Weiteren mögliche im Zusammenhang mit einer Verwertung anfallende Feststellungs-, Verwertungs- sowie ggf. Rechtsverfolgungskosten zu berücksichtigen6.
8.36 Die Problematik einer etwaigen Übersicherung stellt sich in erster Linie bei nicht-akzes-
sorischen (abstrakten) Sicherheiten, deren rechtlicher Bestand grundsätzlich unabhängig von Bestand und Umfang der gesicherten Forderung ist, also z.B. bei der Sicherungsüber1 BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, WM 1970, 399 = NJW 1970, 657, 658; OLG Köln v. 9.1.2002 – 13 U 22/01, WM 2003, 1070, 1071. 2 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, AG 1998, 342 = WM 1998, 968, 970 = BGHZ 138, 291 ff. = NJW 1998, 2592 ff.; vgl. hierzu Früh, GmbHR 2000, 105 ff.; K. Schmidt, JuS 1998, 948 f. 3 So die Definition bei BGH v. 13.1.1994 – IX ZR 79/93, NJW 1994, 861, 862; vgl. auch Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 90 Rz. 349. 4 BGH v. 13.1.1994 – IX ZR 79/93, NJW 1994, 861, 862. 5 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 u. 2/97, WM 1998, 227, 231 u. 233; BGH v. 20.3.1985 – VIII ZR 342/83, WM 1985, 605, 607 = BGHZ 94, 105 ff. = NJW 1985, 1836 ff.; BGH v. 2.12.1992 – VIII ZR 241/91, WM 1993, 139, 140 = BGHZ 120, 300 ff. = NJW 1993, 533 f.; vgl. hierzu Serick, BB 1996, 857 ff.; BGH v. 12.3.1998 – IX ZR 74/95, WM 1998, 856, 857 = NJW 1998, 2047 f.; Merkel, WM 1993, 725, 732 m.w.N. 6 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 u. 2/97, WM 1998, 227, 232; BGH v. 6.3.1997 – IX ZR 74/95, WM 1997, 750, 756 f. = NJW 1997, 1570 ff.; vgl. hierzu Serick, WM 1997, 2053 ff.
1104 | Federlin
Risiken und Beschränkungen bei der Sicherheitenbestellung | Teil 8
eignung, Sicherungszession und der Sicherungsgrundschuld. Ungeachtet der Tatsache, dass sich bei akzessorischen Sicherheiten der Umfang der Sicherheit nach dem jeweiligen Bestand der gesicherten Forderung richtet, kommt eine Übersicherung aber grundsätzlich auch bei akzessorischen Sicherheiten in Betracht – für das Pfandrecht ergibt sich dies aus dem in § 1222 BGB enthaltenen Prinzip der ungeteilten Pfandhaftung; auch wenn die gesicherte Forderung geringer ist als der Wert der Pfandsache, kann die verpfändete Sache eben nicht anderweitig durch den Sicherungsgeber beliehen werden1. Die Frage einer möglichen Übersicherung stellt sich insbesondere in den Fällen, in denen ein Warenlager mit wechselndem Bestand sicherungshalber übereignet oder die Gesamtheit der gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Sicherungsgebers gegen dessen Abnehmer der Bank zur Sicherheit übertragen werden. Bei diesen „revolvierenden“ Globalsicherheiten lässt sich eine (auch nicht nur vorübergehende) Übersicherung kaum vermeiden. Denn auch bei einem solchen sich laufend verändernden Bestand an Sicherungsgegenständen muss dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz bzw. dem zessionsrechtlichen Bestimmbarkeitsgrundsatz zweifelsfrei Rechnung getragen werden, damit der Sicherungsvertrag überhaupt wirksam abgeschlossen werden kann2.
8.37
Bei einer Übersicherung der Bank besteht die Möglichkeit, dass der Sicherungsvertrag wegen sittenwidriger Missachtung der schutzwürdigen Interessen des Sicherungsgebers unwirksam ist (§ 138 BGB). Bei der Bestellung der Kreditsicherheiten unter Verwendung eines den §§ 305 ff. BGB unterworfenen Formularvertrages kann die Übersicherung überdies eine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers i.S.d. Generalklausel des § 307 BGB darstellen.
8.38
Für Individualverträge ist dagegen der Überprüfungsmaßstab allein dem § 138 BGB zu entnehmen, der weniger streng ist als die Generalklausel des § 307 BGB. Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB erfordert objektiv eine Schädigung des Vertragspartners oder eines Dritten und subjektiv eine verwerfliche Gesinnung des Schädigers, wobei es stets entscheidend auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommt. Dagegen liegt ein Verstoß gegen die Generalklausel des § 307 BGB regelmäßig schon vor, wenn die formularmäßige Verteilung der beiderseitigen Rechte und Pflichten bei einer generalisierenden, von den konkreten Umständen des Einzelfalls absehenden Betrachtungsweise zu einem erheblichen Ungleichgewicht führt, das die Bank begünstigt und den Sicherungsgeber benachteiligt. Deshalb können Klauseln nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein, obwohl sie noch nicht als sittenwidrig einzustufen sind3.
8.39
Stellt sich die Frage, ob eine Übersicherung den Sicherungsgeber unangemessen benachteiligt (§ 307 BGB) oder sogar als sittenwidrig (§ 138 BGB) erscheint, so ist nach der BGHRechtsprechung zwischen der ursprünglichen (anfänglichen) und der nachträglichen Übersicherung zu unterscheiden. Eine ursprüngliche Übersicherung liegt vor, wenn bereits bei Vertragsschluss feststeht, dass im noch ungewissen Verwertungsfall zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung ein auffälliges Missverhältnis be-
8.40
1 Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 90 Rz. 352a; Ganter, WM 2001, 1, 2; Ganter, WM 1999, 1741, 1742; vgl. auch BGH v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, NJW 1995, 1085, 1086 = BGHZ 128, 295 ff. = WM 1995, 375 ff. 2 BGH v. 8.10.1986 – VIII ZR 342/85, WM 1986, 1545, 1547 = BGHZ 98, 303 ff. = NJW 1987, 487 ff.; Weber, WM 1994, 1549, 1559; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 21 Rz. 20. 3 Ganter, ZIP 1994, 257, 258.
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Teil 8 | Kreditsicherung
stehen wird1. Im Falle einer nachträglichen Übersicherung ergibt sich dieses auffällige Missverhältnis erst im Laufe der Geschäftsbeziehung – dieses kann aus einer Verminderung der gesicherten Forderung oder einem Anwachsen der Sicherheit bzw. ihres Wertes resultieren. 1. Unschädlichkeit nachträglicher Übersicherungen durch ermessensunabhängige Freigabepflicht der Bank a) Vermeidung einer unangemessenen Übersicherung durch Freigabeanspruch
8.41 Nach einhelliger Meinung von Rechtsprechung und Schrifttum wird die Unwirksamkeit
der Sicherheitenbestellung im Falle einer nachträglichen Übersicherung dadurch vermieden, dass der Sicherungsgeber die Freigabe der Sicherheiten bei Erreichung einer die beiderseitigen Interessen berücksichtigenden konkreten Deckungsgrenze verlangen kann2. Der Zweck dieses Freigabeanspruchs ist es, die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Sicherungsgebers sicherzustellen3. Eine solche Freigabeverpflichtung sehen die AGB der Kreditwirtschaft ausdrücklich vor (vgl. Nr. 16 Abs. 2 AGB-Banken, s. hierzu Rz. 3.602 ff.). Danach hat die Bank auf Verlangen des Kunden Sicherheiten nach ihrer Wahl zurückzugeben, wenn der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend übersteigt. Mangels besonderer Absprachen mit dem Kreditnehmer ist mit dieser Deckungsgrenze der Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gemeint (Nr. 16 Abs. 1 AGB-Banken).
8.42 Dieser AGB-Klausel kommt freilich nur eine sekundäre Bedeutung zu. Im Regelfall werden in den einzelnen Sicherstellungsverträgen besondere, auf die jeweiligen Sicherheiten bezogene Deckungsgrenzen oder andere Grenzen für die Freigabe von Sicherheiten vorgesehen, die als Sondervereinbarung Vorrang haben (Nr. 16 Abs. 3 AGB-Banken)4, sofern sie den Anforderungen der BGH-Rechtsprechung an die Wirksamkeit von derartigen Freigabeklauseln entsprechen.
8.43 Nach dem Beschluss des Großen Zivilrechtssenats des BGH vom 27.11.1997 bedürfte es
einer ausdrücklichen Freigabeklausel an sich nicht. Der Sicherungsgeber hat nämlich bei einer Übersicherung einen ermessensunabhängigen Freigabeanspruch auch dann, wenn der Sicherungsvertrag keine oder eine vom Ermessen der Bank abhängige Freigabeverpflichtung enthält. Dieser Freigabeanspruch des Sicherungsgebers ergibt sich nach der gem. § 157 BGB gebotenen Auslegung des Sicherungsvertrages aus dem fiduziarischen Charakter der Sicherungsabrede sowie der Interessenlage der Vertragsparteien5.
1 BGH v. 12.3.1998 – IX ZR 74/95, WM 1998, 856 = NJW 1998, 2047; Brünink in Lwowski/ Fischer/Gehrlein, Das Recht der Kreditsicherung, § 3 Rz. 63; Ganter, WM 2014, 1457, 1460 f.; Ganter, WM 2001, 1; Ganter, WM 1999, 1741, 1742. 2 BGH v. 20.3.1985 – VIII ZR 342/83, WM 1985, 605 = BGHZ 94, 105 ff. = NJW 1985, 1836 ff.; BGH v. 8.10.1986 – V