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German Pages 2568 [2652] Year 2010
Kümpel . Wittig Bank- und Kapitalmarktrecht
Bank- und Kapitalmarktrecht 1. bis 3. Auflage von
Prof. Dr. Siegfried Kümpel in der 4. Auflage herausgegeben von
Arne Wittig Banksyndikus in Frankfurt a.M.
4. neu bearbeitete Auflage 2011
Bearbeiter Frieder Bauer Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Dr. Ulrich Brandt Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Dr. Philipp Federlin Banksyndikus, Frankfurt a.M. Klaus Löber Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Christian Merz Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Michael Seeger, LL.M. (Nottingham), Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Julius Seiffert Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Dr. Thorsten Seyfried Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Daniela Starke Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.
Dr. Robert Müller Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Dr. Stefan Werner Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Frankfurt a.M.
Dr. Mark K. Oulds Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Alexandra Will, LL.M. (Perth) Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.
Dr. Frank Peterek Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Arne Wittig Banksyndikus, Frankfurt a.M.
Markus Reiter Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Dr. Oliver Rossbach Rechtsanwalt, Hamburg Dr. Kay Rothenhöfer Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Stefan Rudolf Diplom-Kaufmann, Frankfurt a.M. Dr. Joachim Schelm Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
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Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Hcincmann-Ufcr 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de
ISBN 978-3-504-40058-3 ©2011 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
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„Auf den Schultern von Riesen“ Vorwort zur 4. Auflage Mehr als sieben Jahre sind vergangen, seit die letzte Auflage des „Kümpel“ erschienen ist. Dem Begründer und Autor dieses Werkes, Professor Dr. Siegfried Kümpel, war es über drei Auflagen hinweg gelungen, die umfassende Darstellung des Bank- und Kapitalmarktrechts in einem solchen Maße zu einem Standardwerk und renommierten Markenprodukt zu entwickeln, dass der Autorenname in Fachkreisen als Synonym für das Buch stand – ein Zeichen der höchsten Anerkennung, wie sie nur ganz wenigen Werken der juristischen Literatur, an der Spitze der „Palandt“, vergönnt ist. Für die vorliegende Neuauflage hat Siegfried Kümpel das Werk neuen, jüngeren Händen anvertraut. Eine Gruppe von 20 Autoren hat sich zusammengefunden, um die Darstellung des gesamten Bank- und Kapitalmarktrechts fortzuschreiben und zu aktualisieren. Dass zwanzig zusammenkommen müssen, um aufzunehmen, was einer, Siegfried Kümpel, über drei Auflagen hinweg im Wesentlichen allein, zuletzt mit Unterstützung in Teilbereichen der auch weiterhin mitwirkenden Autoren Klaus M. Löber und Stefan Rudolf, geleistet hat, zeigt, welch großartige Leistung Siegfried Kümpel mit der Begründung und Weiterentwicklung dieses Werkes erbracht hat. Es zeigt aber zugleich, dass das Bank- und Kapitalmarktrecht über die letzten Jahre hinweg eine solch dynamische Entwicklung und hohe Ausdifferenzierung erfahren hat, dass selbst in diesem, nur auf den ersten Blick scheinbar abgegrenzten Fachgebiet, so viele verschiedene Aspekte, Rechtsfragen und tatsächliche Fragen des Geschäftsablaufs zu berücksichtigen sind, dass heute keiner mehr alleine, sondern nur ein Team von Experten für die jeweils einzelnen Teilgebiete den Versuch wagen kann, eine umfassende Darstellung des gesamten Bank- und Kapitalmarktrechts in Angriff zu nehmen. Zur Entwicklung und Ausdifferenzierung, aber auch zur zunehmenden Komplexität und stetig zunehmenden Regelungsdichte des Bank- und Kapitalmarktrechts hat in den vergangenen Jahren wieder der Gesetzgeber, in Deutschland und Europa, seinen erheblichen Beitrag geleistet. Gesetzesänderungen und komplett neue Gesetze haben zu einer vollständigen Neubearbeitung der Darstellung in vielen Bereichen gezwungen. Im privaten Bankrecht ergab sich vor allem durch die Umsetzung der zweiten Verbraucherkreditrichtlinie und wegen der völligen Neuordnung des Rechtsrahmens für den Zahlungsverkehr aufgrund der Zahlungsdiensterichtlinie, beides im Bürgerlichen Gesetzbuch, großer Änderungsbedarf bei den Darstellungen des Kreditgeschäfts mit Verbrauchern und des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. In den Ausführungen zum Kreditsicherungsrecht waren insbesondere die Neuregelungen des Risikobegrenzungsgesetzes zur Sicherungsgrundschuld und die Folgen des MoMiG für die Kreditbesicherung zu berücksichtigen. Auch musste die Darstellung des Investmentgeschäfts wegen der Ablösung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften durch das VII
Vorwort
komplett neue Investmentgesetz auf völlig geänderten rechtlichen Grundlagen erfolgen. Im öffentlichen Bankrecht, dem Aufsichtsrecht, ergab sich gravierender Änderungsbedarf zum einen aus der Umsetzung von Basel II bzw. der europäischen Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie mit einer umfassenden Novellierung des KWG zum 1.1.2007 und der Ersetzung der früheren Eigenmittel- und Liquididätsgrundsätze durch die Sovabilitätsverordnung und die Liquiditätsverordnung. Zum anderen war die Umsetzung der MiFID durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz zu berücksichtigen. Ganz wesentlich hat das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz mit seinen zahlreichen Revisionen des Wertpapierhandelsgesetzes auch das Kapitalmarktrecht geändert. Dies war in vielfältiger Weise in dieser Neuauflage ebenso zu berücksichtigen wie die sonstigen Änderungen der deutschen Gesetze, die zur Umsetzung europäischer Richtlinien erfolgt sind, insbesondere der Prospektrichtlinie, der Marktmissbrauchsrichtlinie und der Transparenzrichtlinie. Auch hat die völlige Neufassung des Rechts der Anleihen im Schuldverschreibungsgesetz wesentliche Änderungen in der Darstellung des Anleihegeschäfts als ein Teil des Emissionsgeschäfts erforderlich werden lassen. Autoren und Herausgeber haben die Notwendigkeit der umfassenden Aktualisierung zum Anlass genommen, die Struktur des Werkes mit zugleich behutsamen und doch entschlossenen Umstellungen, Ergänzungen und gelegentlichen Streichungen mit klarer Konzeption neu auszurichten. Die jetzt vorliegende Gliederung wird vom Gedanken getragen, eine umfassende Darstellung des Bank- und Kapitalmarktrechts mit dem Blick auf die Rolle der Kreditinstitute und – für das Investmentgeschäft – Kapitalanlagegesellschaften zu verfassen. Dies erschien dem Verfasserteam nicht nur deshalb sinnvoll, weil es sich um hoch spezialisierte Autoren aus dem Bankensektor handelt, die in ihrer täglichen Praxis genau mit den Themen zu tun haben, die sie in diesem Handbuch bearbeiten. Vielmehr ist das Konzept auch davon getragen, dass für das Bank- und Kapitalmarktrecht die Kreditinstitute eminent wichtige Akteure sind. Dies ist für das Bankrecht evident, gilt aber in gleichem Maße für das Kapitalmarktrecht, das zwar in vielen Bereichen kein Sonderrecht für Banken und Bankgeschäfte ist, wo aber Banken die wichtigsten Vermittler des Zugangs zum Kapitalmarkt für Emittenten und Investoren und selbst wichtige Teilnehmer des Kapitalmarktgeschäfts sind. Entsprechend dieser Neukonzeption ist das Werk jetzt in drei große Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die Grundlagen und der Rechtsrahmen für das Bank- und Kapitalmarktgeschäft dargestellt, also vor allem die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für das Bank- und Wertpapiergeschäft, das Recht der Börsen und anderer Handelssysteme als die Plattformen des Wertpapierhandels und schließlich der Rechtsrahmen für den Euro, einschließlich des Europäischen Systems der Zentralbanken, da Geld unerlässliches Medium des Bank- und Kapitalmarktgeschäfts ist. Im zweiten Teil folgt eine Darstellung des Bankrechts für die Teilbereiche des Retail und Commercial Banking entlang der einzelnen Bankgeschäftsarten. Dies reicht von der Kontoführung als Grundlage fast jeden Bankgeschäfts über VIII
Vorwort
den Zahlungsverkehr, das Einlagen- und Spargeschäft, das Investmentgeschäft, das Kreditgeschäft mit Verbrauchern und Unternehmen sowie die Kreditsicherung bis hin zu Formen der Handelsfinanzierung durch Avale, Akkreditive ua. Den dritten Teil bilden schließlich die Ausführungen zum Kapitalmarktrecht (Investmentbanking). Hier finden sich, nach einer allgemeinen Darstellung der Grundlagen, z.B. der Prospektpflicht, Ausführungen zum Emissionsgeschäft, zum M&A-Geschäft der Banken, zum Effekten- und Depotgeschäft sowie zu Derivaten und anderen Finanzinstrumenten. Bei all dem, beim Aktualisieren, Neufassen und Umstellen, haben sich Autoren und Herausgeber stets von allerhöchstem Respekt vor der Leistung von Siegfried Kümpel und seinem Werk leiten lassen. Jedem Mitwirkenden war bewusst, dass die Neuauflage nur gelingen konnte, weil der Gründer das Werk in seiner dritten Auflage den neuen Verfassern uneingeschränkt für die Aktualisierung zur Verfügung gestellt hat. Völlig uneitel hat Kümpel dabei auf die sonst übliche Weiternennung seines Namens als Ko-Autor der Neubearbeitungen verzichtet. Tatsächlich ist er aber mit den Ausführungen seiner Vorauflagen Mitautor geblieben. Der Leser möge wissen, dass die vorangegangenen Darstellungen von Kümpel nicht nur in ganz weiten Teilen dieser Neuauflage fortgeschrieben sind, sondern unerlässliche Ausgangsbasis für die Arbeit des Verfasserteams bildeten. „Wir stehen auf den Schultern von Riesen“ – Siegfried Kümpel ist ein solcher in der Welt der Rechtswissenschaft, und nur seine Vorarbeiten, die Begründung des Werks und die drei Vorauflagen, haben diese neue Ausgabe möglich gemacht. Dafür sprechen wir – Autoren und Herausgeber – Herrn Professor Dr. Siegfried Kümpel von ganzen Herzen und mit größter Hochachtung unseren Dank aus. Unser Dank gilt auch dem Verlag Dr. Otto Schmidt dafür, dass er dieses Werk in die Hände des neuen Verfasserteams gelegt hat und das damit ausgesprochene Vertrauen in die Autoren und den Herausgeber. Die Verfasser haben dies als hohe Ehre und Auszeichnung begriffen. Dank schulden die Autoren insbesondere dem Team der Lektoren mit Frau Dr. Birgitta Peters an der Spitze und Herrn Dr. Bastian Schoppe, die fördernd und fordernd die Arbeit an der Neuauflage vorangetrieben und die Fertigstellung möglich gemacht haben. Als Herausgeber dankt der Unterzeichner schließlich besonders herzlich allen Autoren, die sich mit hoher Freude und größtem Einsatz der Aufgabe und immensen Herausforderung gestellt haben, ein hervorragendes Werk zu aktualisieren und den immens vielen Rechtsentwicklungen Rechnung zu tragen. Für Anregung und Kritik aus der Leserschaft bin ich dankbar. Dafür steht am Ende des Werkes eine Antwortkarte zur Verfügung. Frankfurt am Main, im Oktober 2010
Arne Wittig, Banksyndikus
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Inhaltsübersicht* Seite Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLVII
1. Hauptteil: Allgemeines 1. Teil: Einführung 1. Abschnitt: Bank- und Kapitalmarktrecht als Rechtsgebiete . . . . . .
2
I. Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 5
2. Abschnitt: Bedeutung des Bank- und Kapitalmarktrechts . . . . . . .
8
I. Bedeutung des Bankrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 10
3. Abschnitt: Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts . .
13
I. Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . .
13 20 22
4. Abschnitt: Fortentwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts – ein Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Entwicklungslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aktuelle Gesetzesvorhaben im deutschen und europäischen recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . Bank. . . . . . . . . .
30 32 39
1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
I. Das KWG und die Ziele des Bankaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . II. Institutionelle Grundstruktur des deutschen Finanzwesens . . . . .
44 45
2. Teil: Bankaufsichtsrecht
* Ausführliche Inhaltsverzeichnisse finden Sie zu Beginn der einzelnen Teile.
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Inhaltsübersicht
Seite 2. Abschnitt: Adressaten der Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
I. Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzdienstleistungsinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 60 69
3. Abschnitt: Erlaubnis und europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . .
70
I. Erlaubnispflicht für bankgeschäftliche Tätigkeiten . . . . . . . . . . . II. Inhaberkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 71 72
4. Abschnitt: Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
I. Organisationspflichten nach dem KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verknüpfung mit der „ersten Säule“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73 76
5. Abschnitt: Eigenmittel, Solvenz und Liquidität . . . . . . . . . . . . .
77
I. Eigenmittel nach dem KWG . . . . . II. Grundlagen der Solvenzregelungen . III. Adressrisiken . . . . . . . . . . . . . . IV. Operationelle Risiken . . . . . . . . . V. Marktpreisrisiken . . . . . . . . . . . VI. Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . VII. Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . .
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77 87 88 95 96 102 104
6. Abschnitt: Einlagensicherung und Anlegerentschädigung . . . . . .
107
I. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Freiwillige Einlagensicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108 110 110
7. Abschnitt: Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen . . . . . .
111
I. Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111 112
3. Teil: Wertpapieraufsichtsrecht 1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
I. Wertpapieraufsicht als Teil der staatlichen Aufsicht über den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben als Grundlage . . . . . . . . . . .
127 128
2. Abschnitt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
129
I. BaFin-Geschäftsbereich „Wertpapieraufsicht“ . . . . . . . . . . . . . . II. Wertpapierrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
131 147
XII
Inhaltsübersicht
Seite 3. Abschnitt: Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes . . . . . I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spezielle Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . VI. Prüfungsrichtlinien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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148 150 177 194 194
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205
4. Abschnitt: Compliance-Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
206
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Elemente einer Compliance-Organisation für das Wertpapiergeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufgaben der Compliance-Organisation für das Wertpapiergeschäft IV. Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
206 213 233 242
5. Abschnitt: Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insiderpapiere (§ 12 WpHG) . . . . . . . . . III. Insiderinformationen (§ 13 WpHG) . . . . . IV. Verbot von Insidergeschäften (§ 14 WpHG)
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1. Abschnitt: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
304
I. Überblick über die Handelsplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Novellierungen des Börsengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungen im Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . .
304 306 310
2. Abschnitt: Der Börsenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311
I. Historische Entwicklung des Börsenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . II. Legaldefinition der Börse durch Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311 316
3. Abschnitt: Außerbörsliche elektronische Handelssysteme . . . . . .
319
I. Multilaterale Handelssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Freiverkehr an den Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Systematische Internalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
321 324 325
4. Abschnitt: Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens . . . . . .
327
I. Trägerschaft für Börse und Marktveranstaltung als duales System . II. Rechtsstellung des Börsenträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
327 340
4. Teil: Börsen und andere Handelssysteme
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Inhaltsübersicht
Seite III. Marktveranstaltende Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts . . . IV. Unterschiede zwischen Multilateralen Handelssystemen und Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
360
5. Abschnitt: Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels . . . .
361
I. Parketthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Handel in einem elektronischen Handelssystem . . . . . . . . . . . . III. Marktsegmente des Kassahandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
361 375 380
6. Abschnitt: Börsenmäßig organisierter Terminmarkt . . . . . . . . . .
391
I. Terminmärkte der Wertpapierbörsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eurex Deutschland als eigenständige Terminbörse . . . . . . . . . . . III. Verknüpfung der Kassamärkte mit Terminmärkten . . . . . . . . . .
393 393 397
7. Abschnitt: Beaufsichtigung der Börsen und multilateralen Handelssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
398
I. Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befugnisse der Handelsüberwachungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . III. Kooperation von Länderaufsicht und Handelsüberwachungsstelle IV. Aufsicht über multilaterale Handelssysteme . . . . . . . . . . . . . . V. Auswirkungen der Aufsichtsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349
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398 400 402 403 403
8. Abschnitt: Benutzungsverhältnisse der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
404
I. Leistungsverhältnis zwischen Börse und ihren Benutzern . . . . . . . II. Benutzungsverhältnis der Börse zu den Handelsteilnehmern . . . . . III. Benutzungsverhältnis zwischen Börse und Emittenten . . . . . . . .
405 408 414
5. Teil: Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken 1. Abschnitt: Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) . . . . . . . . .
428
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weg zur Währungsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Europäischen Zentralbank (EZB) . . . . . . . . . . . . . . . . .
428 429
2. Abschnitt: Europäisches System der Zentralbanken und Eurosystem
436
I. Europäisches System der Zentralbanken . II. Eurosystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mitgliedstaaten mit Sonderstatus . . . . . . IV. Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . V. Gesamtverantwortung und Arbeitsteilung XIV
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436 436 437 438 439
Inhaltsübersicht
Seite 3. Abschnitt: Europäische Zentralbank (EZB) . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . II. Normative Rechtssetzungsbefugnisse . III. Weitere Aufgaben . . . . . . . . . . . . . IV. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . V. Transparenz und Rechenschaftspflicht VI. Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . VII. Organe der EZB . . . . . . . . . . . . . . .
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441 443 448 449 453 454 455
4. Abschnitt: Der Euro als europäische Währung . . . . . . . . . . . . .
460
I. Einheitliche Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsrahmen für den Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Euro in der Übergangszeit vom 1.1.1999 bis 31.12.2001 IV. Euro-Bargeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Euro und Drittwährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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460 463 477 480 485
5. Abschnitt: Ziele und Aufgaben des Eurosystems . . . . . . . . . . . .
485
I. Preisstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlegende Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
485 486
6. Abschnitt: Einheitliche Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Geldpolitische Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geldpolitisches Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die einzelnen geldpolitischen Instrumente des Eurosystems IV. Geschäftspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Abschnitt: Die Deutsche Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540
I. Rechtsrahmen und Integration ins Eurosystem . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsstellung und Organisation der Bundesbank . . . . . . . . . . . III. Aufgaben der Deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540 541 548
2. Hauptteil: Bankrecht (Retail und Commercial Banking) 6. Teil: Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung 1. Abschnitt: Bankmäßige Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . . . .
567
I. Geschäftsverbindung und einzelnes Bankgeschäft . . . . . . . . . . . II. Rechtsnatur der Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsübersicht
Seite 2. Abschnitt: Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . .
571
I. AGB im Verhältnis Bank – Kunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaltskontrolle von AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB . . . . . . . . . . . . . .
571 584 594
3. Abschnitt: AGB-Banken im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . .
597
I. Nr. 1 AGB-Banken: Geltungsbereich und Änderungen . . . . . . . II. Nr. 2 AGB-Banken: Bankgeheimnis und Bankauskunft . . . . . . . III. Nr. 3 AGB-Banken: Haftung der Bank; Mitverschulden des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nr. 4 AGB-Banken: Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Nr. 5 AGB-Banken: Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Nr. 6 AGB-Banken: Maßgebliches Recht und Gerichtsstand . . . VII. Nr. 7 AGB-Banken: Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufender Rechnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Nr. 8 AGB-Banken: Storno- und Berichtigungsbuchungen der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Nr. 9 AGB-Banken: Einzugsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Nr. 10 AGB-Banken: Fremdwährungsgeschäfte und Risiken bei Fremdwährungskonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Nr. 11 AGB-Banken: Mitwirkungspflichten des Kunden . . . . . . XII. Nr. 12 AGB-Banken: Zinsen, Entgelte und Auslagen . . . . . . . . XIII. Nr. 13 AGB-Banken: Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Nr. 14 AGB-Banken: Vereinbarung eines Pfandrechts zu Gunsten der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV. Nr. 15 AGB-Banken: Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI. Nr. 16 AGB-Banken: Begrenzung des Besicherungsanspruchs und Freigabeverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Nr. 17 AGB-Banken: Verwertung von Sicherheiten . . . . . . . . . XVIII. Nr. 18 AGB-Banken: Kündigungsrechte des Kunden . . . . . . . . XIX. Nr. 19 AGB-Banken: Kündigungsrechte der Bank . . . . . . . . . . XX. Nr. 20 AGB-Banken: Einlagensicherungsfonds . . . . . . . . . . . . XXI. Nr. 21 AGB-Banken: Ombudsmannverfahren und außergerichtliche Streitschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
597 603
4. Abschnitt: Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutzrichtung und Haftungsmaßtab . . . . . . . IV. Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten im XVI
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick
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620 625 628 633 637 643 649 655 661 667 689 697 704 709 716 720 723 732 736
737 737 738 739 741
Inhaltsübersicht
Seite 5. Abschnitt: Kontobeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff des Kontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Girokonto und Kontokorrent . . . . . . . . . . . . III. Kontoinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfügungs- und Vertretungsbefugnisse Dritter
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745 746 757 767
6. Abschnitt: Besondere Kontoarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konto zu Gunsten Dritter auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten einer Zuwendung von Kontoguthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Sperrkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Konto pro Diverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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805 811 815 817 820
1. Abschnitt: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Teil: Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
I. Buchgeld als Kontoguthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kontobelastung als Deckung für Buchgeldzahlung . . . . . III. Mitwirkungserfordernis der Zahlungsdienstleister . . . . . IV. Zugang des Publikums zum bargeldlosen Zahlungsverkehr V. Abgrenzung zur Bargeldzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Erfordernis des Einverständnisses des Buchgeldempfängers VII. Rechtliche Einordnung des Zahlungsvorganges . . . . . . . VIII. Buchgeldzahlung zur Erfüllung von Geldschulden . . . . . .
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2. Abschnitt: Die Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. EG-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umsetzung des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsbeziehung zwischen überweisendem Kunden und seinem Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbeziehungen zwischen mitwirkenden Zahlungsinstituten . V. Zahlungsinstitut des Buchgeldempfängers als Letztbeauftragter in der Girokette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbeziehung zwischen Buchgeldempfänger und seinem Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Erfüllungswirkung der Kontogutschrift im Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger . . . . . . . . . . . . . VIII. Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Banküberweisungen . . . .
858 860 892 919 925 928 940 942
XVII
Inhaltsübersicht
Seite 3. Abschnitt: Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
962
I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 962 II. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und seinem Institut . . . . 967 III. Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und seinem Zahlungsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 972 IV. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner (Valutaverhältnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995 V. Rechtsbeziehungen im Interbankenverhältnis . . . . . . . . . . . . . 999 VI. Schadensersatzansprüche wegen missbräuchlichen Verhaltens im Rahmen des Lastschriftverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1006 4. Abschnitt: Scheckinkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1010 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inkassoverhältnis zwischen Scheckinhaber und erster Inkassostelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Scheckvertragliche Beziehung zwischen Scheckaussteller und bezogener Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbeziehungen zwischen Scheckberechtigtem und bezogener Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Valutaverhältnis zwischen Scheckaussteller und erstem Schecknehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vertragsbeziehungen zwischen den mitwirkenden Kreditinstituten VII. Zahlungsverkehrsabkommen für den beleghaften Scheckeinzug . . VIII. Haftung der Inkassobank und bezogenen Bank gegenüber Scheckberechtigten bei abhanden gekommenen Schecks . . . . . . . . . . .
1010 1012 1018 1032 1036 1040 1041 1046
5. Abschnitt: Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1054 I. Datenträgeraustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1055 II. Datenfernübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1056 III. Überleitung belegbegleiteter Überweisungs- und Lastschrifteinzugsaufträge in die beleglose Zahlungsverkehrsabwicklung . . . . . 1056 6. Abschnitt: Kontobezogenes Online-Banking (Direkt-/Homebanking) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1060 I. Einführung des Bildschirmtext-(Btx-)Verfahrens 1984 . . . . . II. Institutsspezifisches Leistungsangebot der Kreditwirtschaft III. Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Nutzers . . . . IV. Rechtliche Aspekte des Online-Banking . . . . . . . . . . . . . V. Homebanking über offene Netze (Internet) . . . . . . . . . . .
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1060 1061 1061 1063 1065
7. Abschnitt: Kartengesteuerte Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . 1066 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066 XVIII
Inhaltsübersicht
Seite II. AGB-mäßige Sonderbedingungen für die Nutzung der Zahlungskarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Garantiefunktion der ec-Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bargeldloses Zahlen an automatisierten Kassen des electronic cash-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bargeldloses Bezahlen ohne Zahlungsgarantie an automatisierten Kassen mittels Lastschrift (POZ-System) . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zahlungskarte als Bedienungsmedium für Geldautomaten . . . . . VII. GeldKarte als elektronische Geldbörse . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 1073 . 1083 . 1092 . 1099 . 1101 . 1109
8. Abschnitt: Kreditkartengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1118 I. Wirtschaftliche Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1120 II. Rechtsnatur des Kreditkartengeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1124 III. Eigenemission von Kreditkarten durch Kreditinstitute . . . . . . . . 1142 9. Abschnitt: Reisescheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1143 I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsbeziehung zwischen Ersterwerber und Emittent . . . . . . . III. Übertragung von Reiseschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbeziehung zwischen Emittenten und der einlösenden oder in Zahlung nehmenden Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einlösung abhanden gekommener Reiseschecks . . . . . . . . . . . VI. Inkasso von Reiseschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 1144 . 1145 . 1146 . 1146 . 1147 . 1148
10. Abschnitt: Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins) . . . . . . . . . . . 1149 I. Funktion des Netzgeldes beim bargeldlosen Zahlungsvorgang . . . . 1149 II. Abweichende Grundkonzeption verschiedener Netzgeldsysteme . . 1150
8. Teil: Einlagen- und Spargeschäft 1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1152 I. Bedeutung und Begriff des Einlagengeschäftes . . . . . . . . . . . . . . 1152 II. Einlagenarten im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1155 2. Abschnitt: Sichteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1156 I. Rechtsnatur . . . . . . . II. Kontoguthaben . . . . . III. Tagesgeldkonto . . . . . IV. Sonstige Sichteinlagen
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3. Abschnitt: Termineinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1160 I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1160 II. Zeitdauer der Überlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1161 XIX
Inhaltsübersicht
Seite 4. Abschnitt: Spareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1163 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff der Spareinlage . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückzahlung und Leistungsbefreiung . . . . . . IV. Verzinsung und formularmäßige Zinsklauseln V. Sparbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9. Teil: Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG) 1. Abschnitt: Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1196 I. Entwicklung des Investmentrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1196 II. Abgrenzung von verwandten Geschäftsfeldern . . . . . . . . . . . . . 1203 2. Abschnitt: Grundstrukturen des Investmentgeschäfts . . . . . . . . . 1207 I. Ausgestaltung der Fondsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufgabenteilung zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bildung von Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Open-End-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Publikumsfonds und Spezialfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Wertpapiermäßige Verbriefung der Rechtsposition der Anleger .
. . 1207 . . . . .
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1211 1211 1213 1214 1216
3. Abschnitt: Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds . . . . . . 1217 I. Gesetzliche Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1217 II. Richtlinienkonforme Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1218 III. Nicht harmonisierte Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1222 4. Abschnitt: Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten . . . . . . . 1235 I. Rechtsbeziehung der Kapitalanlagegesellschaft zu den Anteilsinhabern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1236 II. Rechtsbeziehung der Kapitalanlagegesellschaft zur Depotbank . . . 1237 III. Rechtsbeziehung der Depotbank zu den Anteilsinhabern . . . . . . . 1237
10. Teil: Kreditgeschäft mit Verbrauchern 1. Abschnitt: Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1244 2. Abschnitt: Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . 1246 I. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1247 II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1250 XX
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Seite III. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1257 IV. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1258 3. Abschnitt: Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1258 I. Werbung für Kreditverträge (§ 6a PAngV) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1259 II. Werbung für Überziehungsmöglichkeiten (§ 6b PAngV) . . . . . . . . 1262 III. Sonderregelung für Darlehensvermittler (Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1262 4. Abschnitt: Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB) . . . 1263 I. Vorvertragliche Information (§ 491a Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . II. Vertragsentwurf (§ 491a Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Angemessene Erläuterung (§ 491a Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . IV. Haftung bei vorvertraglichen Informationspflichtverletzungen
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1263 1287 1287 1291
5. Abschnitt: Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 18 KWG) . . . . 1292 6. Abschnitt: Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages . . . . . . . 1294 I. Schriftform (§ 492 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelne Mindestangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen bei Verletzung der Formerfordernisse (§ 494 BGB) . IV. Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers (§ 499 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1295 1296 1312 1317
. . 1317
7. Abschnitt: Widerrufsrecht (§ 495 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1318 I. Widerrufsinformation (Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) . . . . . II. Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Widerrufsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausnahmen vom Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Das Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen (§ 356 BGB)
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1319 1320 1322 1322 1323 1324
8. Abschnitt: Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan . . . . 1324 I. Laufende Informationspflichten (§ 493 BGB) . . . . . . . . . . . II. Informationspflichten bei einem Gläubigerwechsel . . . . . . III. Unterrichtung bei Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 16 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unterrichtung bei geduldeten Überziehungen (Art. 247 § 17 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Tilgungsplan (§ 492 Abs. 3 Satz 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . .
. . . . 1325 . . . . 1327 . . . . 1327 . . . . 1328 . . . . 1330
XXI
Inhaltsübersicht
Seite 9. Abschnitt: Einwendungsverzicht/Wechsel- und Scheckverbot . . . 1331 I. Unwirksamkeit eines Einwendungsverzichts . . . . . . . . . . . . . . 1331 II. Wechsel- und Scheckverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1331 10. Abschnitt: Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1332 I. Verzugsschadenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1332 II. Anrechnung von Teilleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1333 11. Abschnitt: Vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehen . . . . 1334 I. Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 498 BGB) . . . . . . . . . . . II. Vertragliche Kündigungsrechte des Darlehensgebers (§ 499 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kündigungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 1 BGB) . . . IV. Vorzeitiges Rückzahlungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kostenermäßigung (§ 501 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Besonderheiten im Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Problematik der konkludenten Erlassverträge bei Not leidenden Krediten (sog. Erlassfalle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 1335 . 1336 . 1336 . . . . .
1337 1338 1338 1340 1341
. 1342
12. Abschnitt: Besondere Darlehensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1342 I. Verbundene Verträge (§ 358 BGB) . . . . . II. Immobiliardarlehensverträge (§ 503 BGB) III. Eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten IV. Geduldete Überziehungen (§ 505 BGB) . .
. . . . . . . . . . . . . . . . (§ 504 BGB) . . . . . . . .
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1342 1350 1351 1353
13. Abschnitt: Darlehensvermittler (§ 655a BGB) . . . . . . . . . . . . . 1355
11. Teil: Kreditgeschäft mit Unternehmen 1. Abschnitt: Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1360 I. Bedeutung und neuere Entwicklungen des Unternehmenskreditgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1360 II. Kreditarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1362 III. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1363 2. Abschnitt: Investitionskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1369 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Investitionskredite als Eurokredite . . . . . . . . . . . . III. Vertragsgestaltung von Konsortialkrediten als Leitbild IV. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXII
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Seite 3. Abschnitt: Betriebsmittelkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1405 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1405 II. Kreditarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1406 III. Rechtliche Grundlagen und Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . 1408 4. Abschnitt: Konsortialkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1408 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1408 II. Kreditkonsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1414 III. Syndizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1416 5. Abschnitt: Akquisitionsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1421 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1421 II. Ermittlung und Strukturierung des Kapitalbedarfs . . . . . . . . . . . 1427 III. Typischer Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1430 6. Abschnitt: Projektfinanzierung und Public Private Partnership . . . 1431 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1431 II. Ermittlung und Strukturierung des Fremdkapitalbedarfs . . . . . . . 1436 III. Typischer Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1437 7. Abschnitt: Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1437 I. Erscheinungsformen und wirtschaftlicher Zweck . . . . . . . . . . . . 1437 II. Factoring als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung . . . . . . . . . 1439 III. Zivilrechtliche Einordnung des Factoring-Geschäfts . . . . . . . . . . 1440 8. Abschnitt: Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1446 I. Entwicklung und wirtschaftlicher Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erscheinungsformen des Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Finanzierungsleasing als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung IV. Rechtsnatur des Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wirksamer Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen des Leasingnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1446 1447 1450 1450
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12. Teil: Kreditsicherung 1. Abschnitt: Bedeutung von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 1464 I. Kreditmaterielle Bedeutung (Risikoabsicherung) . . . . . . . . . . . . 1464 II. Kreditsicherheiten und ihre regulatorische Bedeutung (KWG, Basel II, MaRisk) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1465 III. Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten . . . . . 1467
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Seite 2. Abschnitt: Allgemeine rechtliche Risiken und Beschränkungen im Zusammenhang mit der Sicherheitenbestellung . . . 1474 I. Unwirksamkeit der Sicherheitenbestellung wegen Übersicherung . II. Weitere Gründe für die Unwirksamkeit/Sittenwidrigkeit der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung der sicherungsnehmenden Bank gegenüber Dritten . . . . IV. Besonderheiten bei der Sicherheitenbestellung durch Verbraucher V. Umfang des Sicherungszwecks (gesicherter Forderungskreis) . . . . VI. Besonderheiten bei vom Staat gestellten Sicherheiten . . . . . . . . VII. Unter-Deckung-Nehmen von Ansprüchen Dritter . . . . . . . . . . . VIII. Besicherung von Gesellschafterdarlehen/Kollision mit gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . IX. Auswirkungen einer Insolvenz auf die Kreditsicherung . . . . . . .
1475 1484 1488 1495 1499 1505 1510 1511 1519
3. Abschnitt: Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1529 I. Bedeutung für die Bankpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung der Bürgschaft von anderen Haftungsübernahmen III. Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsrecht . . . . . . . . . . IV. Bürgschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ausfallbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zeitbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1529 1531 1538 1543 1557 1569 1570
4. Abschnitt: Grundpfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1571 I. Grundstücksrechte als Mittel der Kreditsicherung . . . . . . . . . II. Übernahme der persönlichen Haftung durch den Grundschuldbesteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anspruch des Sicherungsgebers auf Teilfreigabe . . . . . . . . . . . V. Vertraglicher Rückgewähranspruch nach Wegfall des Sicherungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verwertung der Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 1571 . 1576 . 1582 . 1592 . 1593 . 1600
5. Abschnitt: Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1606 I. Sicherungsübertragung als Mittel der Kreditsicherung . . . . . . . . 1606 II. Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1612 III. Verwertung des Sicherungsgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1627 6. Abschnitt: Sicherungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1631 I. Anwendung in der Bankpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abtretung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kollision von verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession IV. Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXIV
1631 1636 1640 1645
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Seite 7. Abschnitt: Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1658 I. Bedeutung für die Bankpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Pfandrecht als Mittel der Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . . III. Formularpraxis der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verwertung des Sicherungsgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vereinbarung eines Pfandrechts zugunsten der Bank (Nr. 14 AGBBanken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1658 1659 1662 1664 1667
13. Teil: Avale, Akkreditive, Inkassi und ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung 1. Abschnitt: Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1690 2. Abschnitt: Garantiegeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1691 I. Grundlagen und wirtschaftliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundgeschäftsvertrag zwischen Avalauftraggeber und Avalbegünstigtem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beauftragung der avalierenden Bank durch den Avalauftraggeber . IV. Der Garantie-/Bürgschaftsvertrag zwischen avalierender Bank und Avalbegünstigtem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Einschaltung von Zweitbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Inanspruchnahme des Avals durch den Begünstigten . . . . . . VII. Typische Klauseln in Avalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Typische Avalformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Gerichtliche Eilmaßnahmen wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1691 1695 1695 1700 1705 1708 1716 1720 1725
3. Abschnitt: Dokumentenakkreditive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1729 I. Grundlagen, wirtschaftliche Funktionen und Erscheinungsformen II. Grundgeschäftsvertrag zwischen Akkreditivauftraggeber und Akkreditivbegünstigtem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beauftragung der eröffnenden Bank durch den Akkreditivauftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Akkreditiveröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Einschaltung von Zweitbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Inanspruchnahme des Akkreditivs durch den Akkreditivbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Akkreditivübertragung, Abtretung von Akkreditiverlösen und Gegenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsmissbrauchseinwand, gerichtliche Eilmaßnahmen und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1729 1740 1741 1744 1746 1749 1752 1754
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Seite 4. Abschnitt: Dokumenten-Inkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1760 I. Wirtschaftliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Praxis des Dokumenteninkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Insolvenz des Dokumenteneinreichers bei Bevorschussung des Inkassoerlöses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . 1761 . . . 1761 . . . 1762 . . . 1765
5. Abschnitt: Ausgewählte Formen der Handelsfinanzierung . . . . . . 1766 I. Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften der Bundesrepublik: Hermes-Deckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1766 II. Forfaitierung, mit und ohne Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . 1774
3. Hauptteil: Kapitalmarktrecht (Investment Banking) 14. Teil: Allgemeiner Teil des Kapitalmarktrechts 1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1782 I. Begriff des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1784 II. Reformen im Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1784 2. Abschnitt: Der Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1794 I. Kapitalmarkt als Finanzmarkt im weiteren Sinne . . . . . . . . II. Kapitalmarkt als Wertpapiermarkt im engeren Wortsinne . . . III. Kassa- und Terminmärkte als Teile des Kapitalmarktes . . . . . IV. Grauer Kapitalmarkt als Kapitalmarkt im weiteren Sinne . . . V. Abgrenzung des Kapitalmarktes vom Geld- und Devisenmarkt VI. Segmente des Kapitalmarkts (Primär- und Sekundärmarkt) . . .
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1795 1796 1801 1804 1805 1809
3. Abschnitt: Marktbezogene Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . 1814 I. Effektengeschäft . . . . . . . . II. Depotgeschäft . . . . . . . . . . III. Wertpapierleihe/Repogeschäft IV. Zahlstellendienst . . . . . . . .
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1816 1816 1818 1819
4. Abschnitt: Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1820 I. Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Skontroführer, Market Maker . . . . . . . . . . . . . . III. Emittenten als Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . IV. Anleger als Marktteilnehmer (Effektenkommittent)
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1820 1820 1822 1825
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Seite 5. Abschnitt: Regelungsziele des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . 1826 I. Funktionsschutz des Kapitalmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1827 II. Anlegerschutz als kapitalmarktrechtliches Schutzgut . . . . . . . . 1837 6. Abschnitt: Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . 1844 I. Spezielle kapitalmarktrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . II. Generelle Regelungen mit kapitalmarktrechtlicher Relevanz . . . III. Marktrelevante Gesetzesbestimmungen ohne kapitalmarktrechtliche Normenqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kapitalmarktrechtliche Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 1846 . 1846 . 1847 . 1848
7. Abschnitt: Ad-hoc-Publizität (§ 15 Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . 1860 I. Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Adressat der Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kreis der publizitätspflichtigen Finanzinstrumente . . . . . . . . . . IV. Publizitätspflichtige Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . V. Entstehungszeitpunkt der Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . VI. Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . VII. Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Veröffentlichungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Verletzung der Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Offenlegung der Geschäfte des Managements in Wertpapieren des eigenen Unternehmens – Directors' Dealings (§ 15a WpHG) . . . .
1860 1862 1862 1863 1864 1866 1871 1871 1873 1877
8. Abschnitt: Börseneinführung, Börsenzulassung . . . . . . . . . . . . 1881 I. Zulassungsvoraussetzungen im regulierten Markt . . . . . . . . II. Zulassungsvoraussetzungen im Freiverkehr . . . . . . . . . . . . III. Kurspflege und Verbot der Marktmanipulation, Stabilisierung IV. Zulassungsfolgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgen der Art der Börsenzulassung für den Emissionserfolg .
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1881 1883 1883 1892 1894
15. Teil: Emissionsgeschäft 1. Abschnitt: Grundlagen des Emissionsgeschäfts . . . . . . . . . . . . 1899 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1900 II. Wertpapiere des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1907 III. Formen der Emission und Rechtsnatur des Emissionsgeschäfts . . 1923 2. Abschnitt: Prospektpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1942 I. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1943 II. Prospekte für öffentliche Angebote und Zulassung zu einem organisierten Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1943 XXVII
Inhaltsübersicht
Seite III. Prospekte für sonstige Vermögensanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 1963 IV. Ausblick auf die künftige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1965 3. Abschnitt: Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1969 I. Übersicht über die Rechtsgrundlagen der Prospekthaftung II. Börsengesetzliche Prospekthaftung nach §§ 44, 45 BörsG . III. Prospekthaftung nach §§ 13, 13a VerkProspG . . . . . . . . IV. Prospekthaftung nach § 127 InvG . . . . . . . . . . . . . . . V. Allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung . . . . . . . . . VI. Internationale Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1970 1972 1992 1993 1994 1997
4. Abschnitt: Anleiheemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1999 I. Grundsätzliches zur Anleiheemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und emissionsbegleitenden Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsverhältnisse im Emissionskonsortium . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Anlegern . . . . . . . . . V. Besicherung von Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2000 2006 2016 2020 2042
5. Abschnitt: Aktienemissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2045 I. Grundsätzliches zum Aktienemissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . II. Strukturen von Aktienemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einzelne rechtliche Aspekte der Aktienemission . . . . . . . . . . . . IV. Umplatzierung von Aktien und sonstige Formen des Eigenkapitalemissionsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2046 2073 2103 2121
6. Abschnitt: Sonderformen von Wertpapieremissionen . . . . . . . . . 2127 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . II. Wandel-/Optionsanleihen . . . III. Umtauschanleihen . . . . . . . . IV. Gewinnschuldverschreibungen V. Genussscheine . . . . . . . . . . VI. Hybridanleihen . . . . . . . . . . VII. High Yield-Anleihen . . . . . .
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2127 2128 2141 2142 2143 2146 2150
16. Teil: Beratungsgeschäft M&A 1. Abschnitt: Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2158 2. Abschnitt: Dokumentation und Transaktionsablauf . . . . . . . . . . 2159 I. Typische Transaktionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2159 II. Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2160 III. Transaktionsablauf und Zeitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163 XXVIII
Inhaltsübersicht
Seite 3. Abschnitt: Öffentliche Übernahme nach WpÜG . . . . . . . . . . . . 2166 I. Anwendungsbereich des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2167 II. Angebotsarten des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2171 III. Ausgewählte Aspekte zum Übernahme- und Pflichtangebot . . . . 2172 4. Abschnitt: Finanzierungsbestätigung (§ 13 WpÜG) . . . . . . . . . . 2189 I. Regelungsgegenstand und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich der Finanzierungsbestätigung . . . . . . . . . . III. Tatbestandsvoraussetzungen der Finanzierungsbestätigung (§ 13 Abs. 1 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überprüfung der Maßnahmen zur Sicherstellung der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Haftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens (§ 13 Abs. 2 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2190 2191 2194 2198 2212
5. Abschnitt: Fairness Opinion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2220 I. Wirtschaftlicher Hintergrund und rechtliche Einordnung . II. Funktion und Anwendungsbereich der Fairness Opinion . III. Definition und Tatbestandselemente der Fairness Opinion IV. Inhaltliche Ausgestaltung der Fairness Opinion . . . . . . . V. Offenlegung der Fairness Opinion gegenüber Dritten . . . . VI. Haftung aus der Fairness Opinion . . . . . . . . . . . . . . . .
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2221 2224 2228 2236 2240 2243
17. Teil: Effektengeschäft 1. Abschnitt: Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2251 I. Begriff des Effektengeschäfts und der Effekten . . . . . . . . . . . II. Wertpapierdienstleistungsunternehmen als Marktintermediäre III. Überblick über die Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge . IV. Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte . . . . . . . . . . . . V. Vorgelagerte Betreuungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen . .
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2251 2254 2255 2257 2262 2262
2. Abschnitt: Ausführung von Kommissionsaufträgen . . . . . . . . . . 2264 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abschluss eines Ausführungsgeschäfts am Markt . . . . . . . . . . III. Ausführungsgeschäft für Rechnung des Kunden . . . . . . . . . . . IV. Entgeltliches Geschäftsbesorgungsverhältnis zum Kunden . . . . V. Pflicht zur ordnungsgemäßen Auftragsausführung . . . . . . . . . VI. Gültigkeitsdauer der Kundenaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Rechenschaftspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Reklamationspflicht des Kunden bei fehlerhafter oder ausgebliebener Effektenabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2264 2265 2266 2267 2272 2292 2296
. 2298 XXIX
Inhaltsübersicht
Seite IX. Ausführung im elektronischen Handel gegen die Bank . . . . . . . . 2299 X. Ausführung gegen dritte systematische Internalisierer . . . . . . . . . 2304 3. Abschnitt: Festpreisgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2305 I. Abgrenzung „Eigenhandel“ und „Eigengeschäft“ (Nostrogeschäft) II. Schuldrechtliche Natur des Festpreisgeschäfts und seine Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Relevanz der aufsichtsrechtlichen Anforderungen zur bestmöglichen Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gutglaubensschutz der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Aufsichtsrechtliche Rechenschaftspflicht und Obliegenheit des Kunden zur Reklamation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 2305 . 2306 . 2308 . 2310 . 2311
4. Abschnitt: Systematische Internalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 2311 I. Aufsichtsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . II. Schuldrechtlicher Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematische Internalisierung in Aktien . . . . . . . . V. Systematische Internalisierung in der heutigen Praxis
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2311 2312 2312 2312 2312
5. Abschnitt: Abwicklung von Effektengeschäften . . . . . . . . . . . . . 2312 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2312 II. Verschaffung von Wertpapiereigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2316
18. Teil: Depotgeschäft 1. Abschnitt: Grundstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2325 I. Depotgeschäftliche Regelungen als Teil des Kapitalmarktrechts . . 2325 II. Der Tatbestand des Depotgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2327 III. Geschäftsbeziehung als gemischttypischer Vertrag . . . . . . . . . . . 2329 2. Abschnitt: Depotsonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2329 I. Sperrdepot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Depot zugunsten Dritter auf den Todesfall . . . . . . . . . III. Verpfändungen durch den Depotkunden . . . . . . . . . . IV. Verpfändungsermächtigungen zugunsten der Depotbank
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2330 2330 2332 2333
3. Abschnitt: Depotgeschäftliche Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . 2335 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inkassopflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Benachrichtigungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Prüfungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auftrags-(Vollmachts-)Stimmrecht der Kreditinstitute . XXX
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2335 2335 2337 2339 2339
Inhaltsübersicht
Seite 4. Abschnitt: Verwahrarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2344 I. Sonderverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rationalisierung der Sammelverwahrung: Sammelurkunden . . IV. Nachteile der Inlandsaufbewahrung ausländischer Wertpapiere
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2344 2345 2352 2354
5. Abschnitt: Unverbriefte Schuldbuchforderungen (Wertrechte) . . . . 2355 I. Sammelschuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2355 II. Einzelschuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2357 6. Abschnitt: Auslandsaufbewahrung – Treuhand-WR-Gutschrift . . . 2358 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Treuhand-WR-Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsstellung des Depotkunden . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorteile der WR-Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Insolvenz- und vollstreckungsrechtlicher Schutz . . . . VI. Auskunftsersuchen ausländischer Aktiengesellschaften
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2358 2358 2361 2362 2363 2363
7. Abschnitt: Effektengiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2364 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lieferung von GS-Anteilen . . . . . . . . . . . III. Grenzüberschreitender Effektengiroverkehr IV. Treuhandgiroverkehr in WR-Guthaben . . .
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2364 2364 2370 2373
8. Abschnitt: Ausblick – Die Zukunft des Depotrechts . . . . . . . . . . 2375 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der UNIDROIT-Konventionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Kernelemente der UNIDROIT Konvention für intermediärverwahrte Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Initiative der Legal Certainty Group . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Voraussetzung für den Erfolg einer Depotrechtsreform . . . . . .
. . 2375 . . 2376 . . 2377 . . 2380 . . 2381
9. Abschnitt: Staatliche Depotprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2382 I. Neufassung der „Prüfungsberichtsverordnung“ . . . . . . . . . . . . . 2382 II. Amtliche Hinweise über die materiellen Prüfungserfordernisse . . . 2384
19. Teil: Finanzderivate 1. Abschnitt: Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2388 I. Finanzderivate – Aufbruch in eine moderne Finanzwelt II. Regulierung der Derivatenmärkte . . . . . . . . . . . . . . III. Legaldefinition und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Traditionelle Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . .
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2388 2389 2392 2396 XXXI
Inhaltsübersicht
Seite V. Klassische Motive für den Einsatz von Finanzderivaten VI. Vorzeitige Beendigung von Derivatgeschäften . . . . . . VII. Verlustrisiken aus Derivatgeschäften . . . . . . . . . . . . VIII. Effizientes Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Anlegerschützende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . .
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2399 2403 2404 2406 2406
2. Abschnitt: An einer Terminbörse gehandelte Finanzderivate . . . . 2407 I. Financial Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2407 II. Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2410 3. Abschnitt: Außerbörslich (OTC) gehandelte Finanzderivate . . . . . 2413 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dokumentation von OTC-Finanzderivaten III. Swapgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sonstige OTC-Finanzderivate . . . . . . . .
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2413 2413 2417 2425
4. Abschnitt: Kreditderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2435 I. Credit Default Swaps . . II. Total Return Swaps . . . III. Credit Spread-Produkte IV. Credit Linked Notes . .
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2437 2441 2441 2442
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2445
XXXII
Abkürzungsverzeichnis (Für hier nicht aufgeführte Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl. 2008) aA abl. ABl. ABS abw. AcP ACSM ADR aE AEUV aF AG AGB AGBFV FWB AGBG AGVO AIBD AICPA AIM AktG allg. Alt. aM AMA AMF AnfG Anm. AnlV AnSVG AnwBl AO APAG APAK ArbGG Art. ARUG AStG ATS
anderer Ansicht ablehnend Amtsblatt Asset Backed Securities abweichend Archiv für die civilistische Praxis Alternative Coupon Settlement Mechanism American Depositary Receipts am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift), Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung Association of International Bond Dealers American Institute of Certified Public Accountants Alternative Investment Market Aktiengesetz allgemein Alternative am Main Advanced Measurement Approaches Autorité des Marchés Financiers Anfechtungsgesetz Anmerkung Anlageverordnung Anlegerschutzverbesserungsgesetz Anwaltsblatt Abgabenordnung Abschlussprüferaufsichtsgesetz Abschlussprüferaufsichtskommission Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Außensteuergesetz Alternative Transaktionssysteme XXXIII
Abkürzungsverzeichnis
Aufl. AuslInvestmG AWG AWV Az.
Auflage Auslandinvestmentgesetz Außenwirtschaftsgesetz Außenwirtschaftsverordnung Aktenzeichen
BAFA BaFin BAFinBefugV
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bundesanzeiger Gesetz über Bausparkassen Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater British Bankers' Association Gesetz über die Deutsche Bundesbank Basel Committee for Banking Supervision Band Bundesverband deutscher Banken e.V. Begründung Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Schweiz) berichtigt Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch BGB-Informationspflicht-Verordnung Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie Bundesminister(ium) der Finanzen Bundesminister(ium) der Justiz Börsengesetz Börsenordnung Börsenzulassungs-Verordnung Bundesrat Bundesrats-Drucksache Bundesrechtsanwaltsordnung
BAKred BAnz. BausparkG BAV BAWe BayObLG BB BBA BBankG BCBS Bd. BdB Begr. BEHG ber. BFH BGB BGB-InfoV BGBl. BGH BGHZ BilMoG BIZ BKR BKRUG
BMF BMJ BörsG BörsO BörsZulV BR BR-Drucks. BRAO XXXIV
Abkürzungsverzeichnis
BS WP/vBP BSC BSG BSK BStBl. bspw. BT BT-Drucks. BuB BuSchuWG BVerfG BVerfGE BVerwG BVR BWpVerwG bzgl. bzw. CAPM CBFA CCBM CCP CDO CDS CEBS CEIOPS
Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer Banking Supervisory Committee Bundessozialgericht Börsensachverständigenkommission Bundessteuerblatt beispielsweise Bundestag Bundestags-Drucksache Bankrecht und Bankpraxis Bundesschuldenwesengesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. Bundeswertpapierverwaltungsgesetz bezüglich beziehungsweise
CESR CFD/CfD CLN CLO CLS CLMJ CMS CONSOB CP CpD CRD
Capital Asset Pricing Model Commission Bancaire, Financière et des Assurances Correspondent Central Banking Model Central Counterpart Collateralized Debt Obligations Credit Default Swaps Committee of European Banking Supervisors Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors Committee of European Securities Regulators Contracts for Difference Credit Linked Notes Collateralised Loan Obligations Continuous Linked Settlement System Capital Markets Law Journal Constant Maturity Swap Commissione Nazionale per le Società e la Borsa Commercial Paper Conto/Konto pro Diverse Capital Requirement Directive
D&O DB DCF DCGK DepotG DFÜ DGAP
Directors & Officers Der Betrieb Discounted Cash Flow Deutscher Corporate Governance Kodex Depotgesetz Datenfernübertragung Deutsche Gesellschaft für die Ad-hoc-Publizität mbH XXXV
Abkürzungsverzeichnis
dh. DiskE DJT DNotZ DRL Drucks. DSGV DStR DSW DVBl DVFA DZWIR E e.V. E.v. EAEG EAEGuaÄndG EAPS EBA eBAnz. EBF EBICS EBIT EBITDA EBT ECAF ECBC ECN ECOFIN EdB edc EDV EEX EFTA EG EG/EGV EGAktG EGBGB EGHGB EGInsO XXXVI
das heißt Diskussionsentwurf Deutscher Juristentag Deutsche Notarzeitschrift Durchführungsrichtlinie Drucksache Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. Deutsches Steuerrecht Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entwurf eingetragener Verein Eingang vorbehalten Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz Gesetz zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze Euro Alliance of Payments Schemes Euro Banking Association, European Banking Authority elektronischer Bundesanzeiger European Banking Federation Electronic Banking Internet Communication Standard Earnings before Interest and Taxes Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization Earnings before Taxes Eurosystem Credit Assessment Framework European Covered Bond Council Electronic Communication Networks Economic and Financial Affairs Council Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH electronic debit card Elektronische Datenverarbeitung European Energy Exchange European Free Trade Association Einführungsgesetz; Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung
Abkürzungsverzeichnis
EHUG Einl. EIOPA ELV EMZ endg. EONIA EPC ERA ERG ERI ESC ESFS ESMA ESME ESRB ESZB ETF EU EU-ProspektVO EuGH EuGVÜ EURIBOR, Euribor EUV EuZW EWI EWiR EWR EWS EZB f./ff. FamFG FASB FAZ FB FFG/FMFG FG FGG-ReformG
Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einleitung European Insurance and Occupational Pensions Authority Elektronisches Lastschriftverfahren Elektronischer Massenzahlungsverkehr endgültige Fassung (Teil des Aktenzeichens europäischer Dokumente) European OverNight Index Average European Payments Council Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive Einheitliche Richtlinien für auf Anforderung zahlbare Garantien Einheitliche Richtlinien für Inkasso European Securities Commission European System of Financial Supervisors European Securities and Markets Authority European Securities Markets Expert Group European Systemic Risk Board Europäisches System der Zentralbanken Exchange-traded Fund Europäische Union EU-Prospektverordnung Europäischer Gerichtshof Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen European Interbank Offered Rate Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Währungsinstitut Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Währungssystem Europäische Zentralbank folgende/fortfolgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Financial Accounting Standards Board Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanz-Betrieb Finanzmarktförderungsgesetz Finanzgericht Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit XXXVII
Abkürzungsverzeichnis
FIBOR FinAnV FinDAG FINRA FMA FMStBG FMStErgG FMStFG FMStFV FMStG FMVAStärkG Fn. FRA FRUG FS FSA FSAP FStFEntwG FtD FWB FWBO G GA GBO GbR GCCG GewAufspG GG ggf. ggü. GmbH GmbHG GmbHR GO-EZB grds. GroMiKV Großkomm. GS GS-Verwahrung GuV GVBl. GVG GWB GwG XXXVIII
Frankfurt Interbank Offered Rate Finanzanalyseverordnung Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Financial Industry Regulatory Authority Finanzmarktaufsicht (Österreich) Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung Finanzmarktstabilisierungsgesetz Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht Fußnote Forward Rate Agreement Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Festschrift Financial Services Authority Financial Services Action Plan Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung First to Default Frankfurter Wertpapierbörse Frankfurter Wertpapierbörsenordnung Gesetz Geldautomat Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts German Code of Corporate Governance Gewinnaufspürungsgesetz Grundgesetz gegebenenfalls gegenüber Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Geschäftsordnung der EZB grundsätzlich Großkredit- und Millionenkreditverordnung Großkommentar Gedächtnisschrift Girosammelverwahrung Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Geldwäschegesetz
Abkürzungsverzeichnis
GWR Gz.
Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Geschäftszeichen
HBCI Hdb. HeidelbergKomm. Hess. HGB HinterlO hM Hrsg. HV
Homebanking Computer Interface Handbuch Heidelberger Kommentar Hessisches/-er Handelsgesetzbuch Hinterlegungsordnung herrschende Meinung Herausgeber Hauptversammlung
IAS IASB IBIS ICAAP ICC ICMA idF idR IDW/IdW iE ieS/iwS IFA IFRS IFSRA IHR insb., insbes. InsO InvG IOSCO
IRBA IRG iS des/von ISDA ISMA ISP iVm. IW-Orders
International Accounting Standards International Accounting Standards Board Inter-Banken-Informations-System Internal Capital Adequacy Review Process International Chamber of Commerce International Capital Markets Association in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer im Ergebnis im engeren Sinne/im weiteren Sinne International Forfaiting Association International Financial Reporting Standards Irish Financial Services Regulatory Authority Internationales Handelsrecht insbesondere Insolvenzordnung Investmentgesetz International Organization of Securities Commissions International Primary Market Association Initial Public Offering Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Rating Based Approach Interest Rate Guarantee im Sinne des/von International Swaps and Derivatives Association International Securities Market Association Interantional Standby Practices in Verbindung mit interessewahrende Aufträge
JZ
Juristenzeitung
IPMA IPO IPR IPrax
XXXIX
Abkürzungsverzeichnis
K&R KAGG Kap. KapInHaG KapMuG KfW KG KGV KMU KölnKomm. KonTraG
KTS KWG
Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz Kreditanstalt für Wiederaufbau/KfW-Bankengruppe Kommanditgesellschaft, Kammergericht Kurs-Gewinn-Verhältnis Kleine und mittlere Unternehmen Kölner Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kreditrisiko-Standardansatz Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kreditwesengesetz
LBO LG LGD LIBA LIBOR LiqV lit. LME LoE LoI Ls. LSA LSG LTC LTV LZB
Leveraged Buy-Out Landgericht Loss Given Default London Investment Banking Association London Interbank Offered Rate Liquiditätsverordnung Buchstabe London Metal Exchange Letter of Engagement Letter of Intent Leitsatz Lastschriftabkommen Landessozialgericht Loan to Cost Loan to Value Landeszentralbank
m. Anm. M&A MAC MaK
mit Anmerkung Mergers & Acquisitions Material Adverse Change Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation Mindestanforderungen an das Risikomanagement mit anderen Worten Management Buy-In Management Buy-Out Mid-Cap-DAX Monatsschrift für Deutsches Recht
KSA KuMaKV
MaKonV MaRisk maW MBI MBO MDAX MDR XL
Abkürzungsverzeichnis
MiFID MiKapBG Mio. MMR MoMiG MoU Mrd. MTF MünchKomm. mwN mWv. n. rkr. NASD NASDAQ NaStraG NDA Neubearb. nF NJW NPL Nr./Nrn. NYSE NZB NZG OBO öAktG OECD
Markets in Financial Instruments Directive (Finanzmarktrichtlinie) Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz Million Multimedia und Recht (Zeitschrift) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Memorandum of Understanding Milliarde Multilateral Trading Facility, multilaterale Handelsplattform Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom nicht rechtskräftig National Association of Securities Dealers National Association of Securities Dealers Automated Quotation Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung non disclosure agreement Neubearbeitung neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift non-performing loans Nummer(n) New York Stock Exchange Nationale Zentralbanken Neue Zeitschrift für Gesellschaftrecht
OLG OTC OWiG
Owner Buy-Out Aktiengesetz (Österreich) Organisation for Economic Co-operation and Development Oberster Gerichtshof (Österreich) Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Oberlandesgericht over the counter Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
p.a. PAngV PatentG PCAOB PfandBG PFKapAV
per annum Preisangabenverordnung Patentgesetz Public Company Accounting Oversight Board Pfandbriefgesetz Pensionsfonds-Kapitalanlagenverordnung
öOGH OGAW
XLI
Abkürzungsverzeichnis
PIK PIN PL POS POZ PPP ProspektRL ProspektVO PrüfbV PTS
Payment in Kind Persönliche Identifikationsnummer performing loans Point of Sale Point of Sale ohne Zahlungsgarantie Public Private Partnership Prospektrichtlinie Prospektverordnung Prüfungsberichtsverordnung Proprietary Trading Systems
QIB
Qualified Institutional Buyer
RatingVAG RefE RegBegr. RegE REIT REITG RG RGZ RIW
Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung Referentenentwurf Regierungsbegründung Regierungsentwurf Real Estate Investment Trust REIT-Gesetz Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft (früher: Außenwirtschaftsdienst, AWD) rechtskräftig Richtlinie Rechtssache Rechtsprechung Real Time Gross Settlement Randziffer
rkr. RL/RiL/RiLi Rs. Rspr. RTGS Rz. S. S.W.I.F.T. SAS SBW SCF ScheckG SchVG SchVGEG
SE SEC SEPA SET SGB SGG SIFMA
XLII
Seite Society for Worldwide Interbank Transfer Statement on Auditing Standards Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte SEPA Cards Framework Scheckgesetz Schuldverschreibungsgesetz Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung Societas Europaea Securities and Exchange Commission Single Euro Payment Area Secure Electronic Transaction Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Securities Industry and Financial Markets Association
Abkürzungsverzeichnis
SIPS Slg. SoFFin sog. SolvV SPAC SPO SPV SREP SRF StGB str.
Systematically Important Payment Systems Sammlung Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung sogenannt Solvabilitätsverordnung Special Purpose Acquisition Company Secondary Public Offering Special Purpose Vehicle Supervisory Review and Evaluation Prozess Spitzenrefinanzierungsfazilität Strafgesetzbuch streitig
TAN TARGET
Transaktionsnummer Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Express-Transfer System Theoretical Ex Rights Price Transportrecht Transparenz- und Publizitätsgesetz Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Textziffer
TERP TranspR TransPuG TUG Tz. uÄ ua. uä. UCITS ÜbG ÜG UFK UKlaG UMAG UmwG unstr. Unterabs. URDG US-GAAP UStG usw. uU UWG v. v.a. VAEU
und Ähnliches unter anderem, und andere und ähnliche Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities (siehe OGAW) Übernahmegesetz (Österreich) Überweisungsgesetz ungebundener Finanzkredit Unterlassungsklagengesetz Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Umwandlungsgesetz unstreitig Unterabsatz Uniform Rules for Demand Guarantees United States Generally Accepted Accounting Principles Umsatzsteuergesetz und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom, von vor allem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union XLIII
Abkürzungsverzeichnis
VAG VaR VDLRÄndG
vdp VerbrKrG VergAnfG
VerkProspG VerkProspGebV VermVerkProspGebV VermVerkProspV VG VGH vgl. VO VÖB VorstAG VuR VVdStRL VVG VWAP VWD VwGO VwVfG VwVG WG WKM WKN WM WP WPg WpAIV WpDPV WpDRL WpDVerOV WPg WpHG XLIV
Versicherungsaufsichtsgesetz Value at Risk Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V. Verbraucherkreditgesetz Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen Verkaufsprospektgesetz Verkaufsprospektgebührenverordnung Vermögensanlagen-Verkaufsprospektgebührenverordnung Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e.V. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Versicherungsvertragsgesetz Volume Weighted Average Price Vereinigte Wirtschaftsdienste Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz Wechselgesetz Wechselkursmechanismus Wertpapierkennnummer Wertpapier-Mitteilungen Wirtschaftsprüfer Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung Wertpapierdienstleistungsrichtlinie Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz
Abkürzungsverzeichnis
WpHGMaAnzV WpHMV WpMiVoG WpPG WpPGebV WpÜG WpÜGAngebV WpÜGAnwendV WR WSB WWU
WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung Wertpapierhandel-Meldeverordnung Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte Wertpapierprospektgesetz Wertpapierprospektgebührenverordnung Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG-Angebotsverordnung WpÜG-Anwendbarkeitsverordnung Wertpapierrechnung Wertpapiersammelbank Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
Xetra
exchange electronic trading
ZAG zB ZBB ZDUG ZfIR ZfK/ZfgK/ZgesKredW/ ZKW ZGR
Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
ZHR Ziff. ZInsO ZinsVO
ZIP zit. ZKA ZPO zT ZV-DFÜ zzgl.
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Verordnung über die Neuregelung von Zinsvergünstigungen bei mit öffentlichen Mitteln und mit Wohnungsfürsorgemitteln geförderten Miet- und Genossenschaftswohnungen und Eigentumsmaßnahmen Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zentraler Kreditausschuss Zivilprozessordnung zum Teil Zahlungsverkehr-Datenfernübertragung zuzüglich
XLV
Allgemeines Literaturverzeichnis* Albrecht/Karahan/ Lenenbach (Hrsg.) Arndt/Voß (Hrsg.) Assies/Beule/Heise/ Strube (Hrsg.) Assmann/Pötzsch/ Uwe H. Schneider (Hrsg.) Assmann/Uwe H. Schneider (Hrsg.) Assmann/Schlitt/ von Kopp-Colomb (Hrsg.) Assmann/Schütze (Hrsg.)
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* Ausführliche Literaturhinweise finden Sie auch zu Beginn der einzelnen Teile.
XLVII
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XLIX
1. Hauptteil Allgemeines 1. Teil Einführung Rz.
Rz. 1. Abschnitt: Bank- und Kapitalmarktrecht als Rechtsgebiete . . . . . . . . I. Bankrecht . . . . . . . . . . 1. Gegenstand des Bankrechts . a) Öffentliches Bankrecht . . b) Privates Bankrecht . . . . 2. Bankrecht als eigenständiges Rechtsgebiet . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
1 1 1 3 5
. .
7
II. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . 1. Gegenstand des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalmarktrecht als eigenständiges Rechtsgebiet . . . . . . . .
10
2. Abschnitt: Bedeutung des Bankund Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . I. Bedeutung des Bankrechts
10 14
16
. . .
16
II. Bedeutung des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . .
25
3. Abschnitt: Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts . . . . . . I. Bankrecht . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen des öffentlichen Bankrechts . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlagen des privaten Bankrechts . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . .
31 31 32 34
III. Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . 2. Wichtige Rechtssetzungsakte der Europäischen Union . . . . . . . a) Öffentliches Bankrecht . . . . b) Privates Bankrecht . . . . . . c) Kapitalmarktrecht . . . . . . d) Rechtsrahmen für den Euro . .
59 59 63 63 66 69 72
4. Abschnitt: Fortentwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts – ein Ausblick . . . . . . . . .
73
I. Entwicklungslinien . . . . . . .
73
II. Aktuelle Gesetzesvorhaben im deutschen und europäischen Bankrecht . . . . . . . . . . . . 1. Öffentliches Bankrecht . . . . . a) Verbesserte Kapitalausstattung (Basel III) . . . . . . . . . . . b) Effizienterer Rechtsrahmen für die Restrukturierung und Abwicklung von Kreditinstituten c) Verbesserte europäische Aufsichtsstrukturen . . . . . . .
76 76 77
85 87
III. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . 1. Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz . . . . . . . 2. Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte . . . . . . . .
92 92
96
53
Wittig
|
1
1. Teil
Einführung
1. Abschnitt Bank- und Kapitalmarktrecht als Rechtsgebiete I. Bankrecht 1. Gegenstand des Bankrechts
1.1
Gegenstand des Bankrechts sind die besonderen rechtlichen Regelungen für Banken und Bankgeschäfte. Das Bankrecht kann definiert werden als Inbegriff der rechtlichen Ordnung der einzelnen Bankgeschäfte und des Kreditgewerbes als Wirtschaftszweig1. Kennzeichnend für bankrechtliche Normen ist, dass sie entweder die für Kreditinstitute typischen Bankgeschäfte im Verhältnis zwischen den Beteiligten oder hoheitlich die innere Organisation von Kreditinstituten und Durchführung der Bankgeschäfte regeln2.
1.2
Entsprechend diesem Regelungsgegenstand umfasst das Bankrecht das öffentliche und das private Bankrecht3. Die beiden Bereiche sind insbesondere in § 1 Abs. 1 KWG eng miteinander verzahnt: Danach sind Kreditinstitute alle Unternehmen, die Bankgeschäfte betreiben, sofern sie dies gewerbsmäßig oder in einem Umfang tun, der einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Der Betrieb von Bankgeschäften auf – im Wesentlichen – privatrechtlicher Grundlage qualifiziert ein Unternehmen als Bank im Sinne des KWG und führt zur Anwendung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des KWG. Umgekehrt unterliegen Banken im Sinne des KWG besonderen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des KWG bei der Ausübung ihrer privatrechtlichen Bankgeschäfte, zB hinsichtlich des Hinweises der Kunden auf die Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung (§ 23a KWG). Nicht jedes Handeln einer Bank ist aber ein Bankgeschäft, und umgekehrt kann das Betreiben von typischen Bankgeschäften auch durch Nichtbanken erfolgen, zB die Kreditvergabe, wenn sie nicht gewerbsmäßig oder nur in einem Umfang erfolgt, der einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, oder Darlehen rein konzernintern vergeben werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG). a) Öffentliches Bankrecht
1.3
Das öffentliche Bankrecht wird gebildet durch die gewerberechtlichen Spezialgesetze für Banken und für andere Unternehmen des Finanzdienstleistungswesens wie zB Finanzdienstleistungsinstitute, Kapitalanlagegesellschaften, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, etc. Es handelt sich um Aufsichts-
1 Ähnlich Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 1, Rz. 1. Abweichend Schwintowski in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 1 Rz. 1 f., mit einem funktionalen Begriff des Bankrechts. 2 In diesem Sinne auch Karahan in Albrecht/Karahan/Lenenbach, § 1 Rz. 2. 3 Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 1, Rz. 1; Kohls, Bankrecht, 2. Aufl. 1997, Rz. 1 f.; Karahan in Albrecht/Karahan/Lenenbach, § 1 Rz. 3.
2
|
Wittig
Bank- und Kapitalmarktrecht als Rechtsgebiete
1. Teil
recht, das, im Unterschied zum Bankprivatrecht, nicht primär auf die vertraglichen Beziehungen zwischen Bank und Kunde zielt. Normadressat sind vielmehr die Kreditinstitute als Gewerbetreibende. Diese aufsichtsrechtlichen Vorschriften finden sich vor allem im Kreditwesengesetz (KWG), aber daneben auch in einer Fülle weiterer aufsichtsrechtlicher Regelungen, zB dem Investmentgesetz (InvG), dem Gesetz über Bausparkassen (BausparkG) oder dem Geldwäschegesetz (GWG). Bei diesen Normen besteht zwischen den Kreditinstituten als Normadressaten und den zuständigen staatlichen Institutionen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung, das das öffentliche Recht von dem auf Gleichberechtigung beruhenden Privatrecht abgrenzt1. Das öffentlichrechtliche Bank(aufsichts)recht lässt das starke öffentliche Interesse an einem gesunden und funktionsfähigen Bankensystem erkennen. Öffentliches Recht und Privatrecht unterscheiden sich aus der Sicht der sog. Interessentheorie als einer der – je nach Zählung – drei oder vier wichtigsten Theorien zur Abgrenzung dieser beiden Rechtsgebiete nach der Art der Interessen, die durch den jeweiligen Rechtssatz geschützt werden sollen2. Danach sind öffentliches Recht die dem öffentlichen Interesse, Privatrecht die den Individual-(Privat-)Interessen dienenden Rechtssätze3. Das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Bankwesens erklärt sich damit, dass die Bevölkerung auf die Inanspruchnahme bankmäßiger Dienstleistungen angewiesen ist. So sollen zB die auf Giro-, Spar- und Termingeldkonten unterhaltenen Guthaben vor dem Risiko der Insolvenz des kontoführenden Kreditinstituts weitestmöglich geschützt sein (Stichwort: Sicherheit der Bankeinlagen). Das öffentliche Interesse gilt aber auch der ordnungsmäßigen Vermittlung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Außerhalb der Geschäfte des täglichen Bedarfs werden heute Geldschulden ganz überwiegend ohne Verwendung von Bargeld durch Kontogutschriften im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs erfüllt. Schließlich sind die Wirtschaft und die privaten Haushalte auf eine ausreichende Geldversorgung durch Bankkredite angewiesen.
1.4
b) Privates Bankrecht Das private Bankrecht regelt die privatrechtlichen Beziehungen der Bank zu ihrem Kunden bei der Durchführung von Bankgeschäften4. Das Bankprivatrecht ist rechtssystematisch Teil des Wirtschaftsrechts im Sinne eines Sonderprivatrechts der Wirtschaft. Das Grundgesetz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) unterteilt die Wirtschaft in Industrie, Energiewirtschaft, Bergbau, Handel, Ge-
1 Kohls, Bankrecht, 2. Aufl. 1997, Rz. 1. 2 Im Überblick zu den Theorien Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Aufl. 2010, § 1 VwVfG Rz.12 ff.; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 1 VwVfG, Rz. 94 ff., § 1 VwVfG Rz. 12 ff.; Ehlers in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 3 Rz. 14. 3 Ehlers in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 3 Rz. 16 mwN. 4 Ähnlich Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 1, Rz. 2.
Wittig
|
3
1.5
1. Teil
Einführung
werbe, Handwerk, privatrechtliches Versicherungswesen sowie das Bank- und Börsenwesen. Mit dem Börsenwesen sind aus heutiger Sicht die Kapitalmärkte gemeint, deren tragende Säulen die Wertpapierbörsen sind.
1.6
Vergleicht man das Bank-(Privat-)Recht mit der rechtlichen Ordnung der anderen Bereiche der Wirtschaft, so ist das Bankrecht sehr viel breiter gefächert. So konzentriert sich zB die Automobilindustrie auf die Produktion und den Absatz von Fahrzeugen; hier dominiert das Kaufrecht. Das Leistungsangebot des Bankgeschäfts ist dagegen durch eine große Vielfalt gekennzeichnet. Die Kreditinstitute vermitteln die Bezahlung fälliger Geldschulden im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (Girogeschäft). Sie verwahren Geldvermögen ihrer Kunden, die sie bei ihnen als Einlagen unterhalten (Einlagengeschäft), und vermitteln Geldanlagen in Wertpapieren, Devisen und Edelmetallen (Investmentgeschäft). Aus der Sicht dieses bankgeschäftlichen Leistungsangebots erscheint es angemessener, von „Geldinstituten“ und nicht von „Kreditinstituten“ zu sprechen. Ein weiterer traditioneller Schwerpunkt des Bankgeschäfts ist aber auch das Kreditgeschäft. Die Kreditversorgung der Wirtschaftsunternehmen einschließlich der privaten Haushalte ist eine Aufgabe von überragender Bedeutung für die Gesamtwirtschaft. Diese Funktion kommt durch die Bezeichnung „Kreditinstitute“ zum Ausdruck, die nach der Begriffsdefinition des Kreditwesengesetzes (§ 1 Abs. 1 KWG) Unternehmen sind, die Bankgeschäfte im Rahmen eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes erfordern. Die Begriffe „Bank“ und „Kreditinstitut“ sind also gleich bedeutend. Diese verschiedenartigen Bankgeschäfte vollziehen sich im Rahmen einer Vielzahl der im BGB-Schuldrecht geregelten Vertragstypen.
2. Bankrecht als eigenständiges Rechtsgebiet
1.7
Das Bankrecht hat sich mittlerweile als eigenständiges Rechtsgebiet, allerdings in enger Verknüpfung mit dem Kapitalmarktrecht, etabliert1. Symptomatisch dafür ist die gesetzliche Anerkennung der Spezialisierung auf das Bankrecht – gemeinsam mit dem Kapitalmarktrecht – seit dem 1.1.2008 in § 1 FAO als eigenständige Fachanwaltsbezeichnung. Entsprechend nennt § 14l FAO einen Kanon von Teilrechtsgebieten, die dem Bank- und Kapitalmarktrecht zuzurechnen sind. Die Anwendbarkeit einer Vielzahl von Bestimmungen aus den ersten drei Büchern des BGB zeigt die tiefe Verankerung des Bankrechts im bürgerlichen Recht. Dies steht aber der Eigenständigkeit dieses Rechtsgebietes nicht entgegen. Insoweit ergibt sich eine Parallele zum Arbeits- und Gesellschaftsrecht, deren Eigenständigkeit unbestritten ist. Das hochkomplexe Gefüge moderner Rechtsordnungen lässt sich nicht trennscharf und überschneidungsfrei in einzelne Rechtsgebiete zerlegen2. Die rechtssystematische Verselbständigung eines Rechtsgebietes ist häufig das Ergebnis eines längeren Erkenntnisprozesses, der durch Rechtsprechung, Wissenschaft und Gesetzgeber begleitet und gefördert wird. 1 So auch Karahan in Albrecht/Karahan/Lenenbach, § 1 Rz. 1. 2 Kübler, Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1995, 223 (227).
4
|
Wittig
Bank- und Kapitalmarktrecht als Rechtsgebiete
1. Teil
Wie das Gesellschafts- und Arbeitsrecht hat auch das Bankrecht einen solchen eigenständigen Platz im System unserer Rechtsordnung eingenommen. Einer der Gründe dafür ist, dass das öffentliche Bankrecht sehr spezifische Ziele mit seinen Regelungen verfolgt, nämlich primär den Schutz der Bankkunden, die ihrem Kreditinstitut Vermögenswerte in Gestalt von Geld und Depotguthaben anvertrauen. Die Ausformung als eigenständiges Rechtsgebiet ist zudem durch das öffentliche Interesse an geordneten Verhältnissen im Bankwesen gefördert worden, das sich in einer Vielzahl bankspezifischer Aufsichtsnormen niedergeschlagen hat.
1.8
Für die Ausprägung und Differenzierung des Bankrechts als eigenständiges Rechtsgebiet maßgeblich ist zudem die ständig zunehmende Regelungsdichte für die einzelnen Bankgeschäfte auf Grund der Aktivitäten des Gesetzgebers (siehe dazu auch bei Rz. 1.34 ff.). Lediglich beispielhaft seien hier die mittlerweile höchst ausführlich und detailliert normierten Bereiche des Kreditgeschäfts, vor allem auch mit Verbrauchern, in §§ 488 ff. BGB, der Zahlungsverkehrsdienstleistungen in §§ 675c ff. BGB oder der Beratung beim Wertpapiergeschäft in §§ 31 ff. WpHG genannt.
1.9
II. Kapitalmarktrecht 1. Gegenstand des Kapitalmarktrechts Das Kapitalmarktrecht kann definiert werden als die Gesamtheit der Normen, Geschäftsbedingungen und Standards, mit denen die Organisation der Kapitalmärkte und der auf sie bezogenen Tätigkeiten sowie das marktbezogene Verhalten der Marktteilnehmer geregelt werden sollen. Vorrangiges Schutzgut des Kapitalmarktrechts ist die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts1. Es ist sowohl auf die Ordnung von Kapitalmarkteinrichtungen gerichtet als auch auf die rechtliche Bewältigung von Vorgängen am Kapitalmarkt und den Schutz der Investoren in Produkte des Kapitalmarkts2.
1.10
Insbesondere sind das Effektengeschäft der Kreditinstitute mit den Bankkunden und der sich am Kapitalmarkt vollziehende Wertpapierhandel untrennbar miteinander verwoben. Der Bankkunde muss als Anleger darauf vertrauen können, dass sein Interesse an einer optimalen Ausführung seiner Effektenaufträge angemessen berücksichtigt wird. Denn die Anleger haben aus markttechnischen Gründen regelmäßig keinen unmittelbaren Zugang zu den Kapitalmärkten. Dies gilt insbesondere für die börsenmäßig organisierten Märkte, die – so vor allem in § 19 Abs. 2 BörsG – eine besondere Zulassung für die Teilnahme am Börsenhandel voraussetzen. Das Zulassungserfordernis
1.11
1 Hopt, Insiderwissen und Interessenkonflikte im europäischen und deutschen Bankrecht, in FS Heinsius, 1991, S. 289 (303, 304); Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 050, Lfg. 5/04, S. 14 ff., Rz. 31 ff. 2 Schwark im Vorwort zu Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004.
Wittig
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5
1. Teil
Einführung
erklärt sich damit, dass sich die unmittelbar am Markt agierenden Kreditinstitute bzw. der Zentrale Kontrahent auf eine ordnungsgemäße Abwicklung der an der Börse getätigten Geschäfte durch die Kontrahenten verlassen können müssen. Der Börsenhandel ist aber nicht nur auf die Zuverlässigkeit der zugelassenen Marktteilnehmer angewiesen. Da im Interesse eines möglichst reibungslosen Handels jeder vom zuständigen Börsenmakler zugeordnete Vertragskontrahent zu akzeptieren ist, ist jeder Marktteilnehmer, sofern kein Zentraler Kontrahent in die Geschäfte eingeschaltet ist (dazu unten bei Rz. 4.423, Rz. 18.202), und sonst der Zentrale Kontrahent wegen des Kontrahierungszwanges auf die Bonität der anderen Marktteilnehmer angewiesen1.
1.12
Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts als dem vorrangigen Schutzgut des Kapitalmarktrechts2 erfordert deshalb die Zwischenschaltung von Kreditinstituten als Marktintermediäre und damit ein auch rechtlich geordnetes Effektengeschäft. Dieses traditionelle Bankgeschäft ist also zugleich eine kapitalmarktbezogene gewerbliche Tätigkeit und gehört damit auch zum kapitalmarktrechtlichen Bereich. Dasselbe gilt für die Kapitalanlagegesellschaften im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)3. Diese sind zwar, anders als bis zum Wegfall von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG aF im Jahr 2007 auf Grund des Investmentänderungsgesetzes4, keine Kreditinstitute im Sinne des KWG, werden aber nach den Regelungen des Investmentgesetzes in gleicher Weise reguliert und beaufsichtigt, da sie für Rechnung der Einleger am Kapitalmarkt Wertpapiere kaufen und verkaufen (§ 31 InvG).
1.13
Zu den marktbezogenen Hilfsfunktionen im Sinne der Definition des Kapitalmarktrechts gehört auch das Depotgeschäft, wenngleich dies nicht so deutlich wie beim Effektengeschäft hervortritt. Der Anleger ist im Regelfall daran interessiert, dass die Bank die für ihn angeschafften Wertpapiere verwahrt und die üblichen Dienstleistungen erbringt, insbesondere das Inkasso fälliger Wertpapiere übernimmt. Auch beim bankmäßigen Depotgeschäft durchdringen sich also Bank- und Kapitalmarktrecht. Marktbezogene Verhaltensnormen im Sinne der Definition des Kapitalmarktrechts stellen insbesondere die Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes (§§ 31 ff. WpHG) dar, das eine tragende Säule des Kapitalmarktrechts als einem sich verselbständigenden Rechtsgebiet bildet.
1 Hammen in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 060, Lfg. 4/03, S. 131 f., Rz. 377. 2 Hopt, Insiderwissen und Interessenkonflikte im europäischen und deutschen Bankrecht, in FS Heinsius, 1991, S. 289 (303, 304); Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 050, Lfg. 5/04, S. 14 ff., Rz. 31 ff. 3 Investmentgesetz v. 15.12.2003 (BGBl. I 2003, S. 2676), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes v. 8.4.2010 (BGBl. I 2010, S. 386). 4 BGBl. I 2007, S. 3089 ff.
6
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Bank- und Kapitalmarktrecht als Rechtsgebiete
1. Teil
2. Kapitalmarktrecht als eigenständiges Rechtsgebiet Das Kapitalmarktrecht hat sich, in enger Verknüpfung mit dem Bankrecht, zu einem eigenständigen Rechtsgebiet entwickelt1. Ein deutliches Zeichen dafür sind die Kommentare und Handbücher, die unter dem Titel „Kapitalmarktrecht“ verschiedene Gesetzeswerke als gemeinsamen Rechtsrahmen erläutern2. Auch ist die Spezialisierung auf das Bank- und Kapitalmarktrecht seit dem 1.1.2008 in § 1 FAO als eigenständige Fachanwaltsbezeichnung anerkannt3 und gesetzlich ein Kanon von Teilrechtsgebieten, die dem Bank- und Kapitalmarktrecht zuzurechnen sind, in § 14l FAO genannt.
1.14
Zu dieser Entwicklung des Kapitalmarktrechts als eigenständiges Rechtsgebiet hat in hohem Maße der Gesetzgeber, in Europa wie in Deutschland, über die letzten zwanzig Jahre hinweg mit der Schaffung eines umfangreichen Korpus von gesetzlichen Regelung für Kapitalmarktgeschäfte und mit kapitalmarktbezogenen Verhaltensregeln für Emittenten von Kapitalmarktpapieren und anderen Akteuren am Kapitalmarkt beigetragen (siehe zur Entwicklung des Kapitalmarktrechts auch unten bei Rz. 1.25 ff.). Während in seinen Anfängen das Kapitalmarktrecht weitgehend auf das Börsenrecht als die Regulierung der Börse als Platz der Emission und des Handels von Aktien beschränkt war4, haben vor allem die umfänglichen Verhaltensregeln im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) von 19945, die Regelungen für das öffentlichen Angebot von Wertpapieren zunächst im Verkaufsprospektgesetz von 19906 und jetzt im Wertpapierprospektgesetz (WpPG) von 20057 und die Vorschriften für Angebote zum Erwerb börsennotierter Wertpapiere im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) von 20018 die kapitalmarktrechtlichen Regelungen erheblich ausgeweitet9.
1.15
1 Dazu auch Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 050, Lfg. 5/04, S. 1 ff. 2 ZB Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009; Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004; Schäfer/Hamann (Hrsg.), Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Loseblatt, 4. Lfg., Stand November 2009. 3 So auch Karahan in Albrecht/Karahan/Lenenbach, § 1 Rz. 1. 4 Zur Entwickung vom Börsenrecht und dem damit verbundenen Aktienrecht zum Kapitalmarktrecht auch Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rz. 7 ff. 5 Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz, WpHG) v. 26.7.1994, aktuell in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, S. 2708), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 21.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 945). 6 Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz, VerkProspG) v. 13.12. 1990, aktuell in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, S. 2701), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes v. 16.7.2007 (BGBl. I 2007, S. 1330). 7 Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz, WpPG) v. 22.6.2005 (BGBl. I 2005, S. 1698), zuletzt geändert durch Art. 36 des Gesetzes v. 19.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2794). 8 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) v. 20.12.2001 (BGBl. I 2001, S. 3822), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 30.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2479). 9 Zu dieser Entwicklung auch Schwark im Vorwort zu Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004.
Wittig
|
7
1. Teil
Einführung
2. Abschnitt Bedeutung des Bank- und Kapitalmarktrechts I. Bedeutung des Bankrechts
1.16
Die Bedeutung des Bankrechts ist seit den siebziger Jahren stark gewachsen. Die Inanspruchnahme bankmäßiger Dienstleistungen ist heute für jedermann selbstverständlich. Sie beschränkt sich keineswegs auf Kaufleute oder sonstige Gewerbetreibende. Bankgeschäftliche Kontakte sind weit verbreitet, auch im privaten Bereich. So hat insbesondere das Vordringen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dazu geführt, dass heute alle Bevölkerungsschichten ein Bankkonto unterhalten.
1.17
Im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs werden vor allem Zahlungsverbindlichkeiten durch Kontogutschriften statt durch Banknoten und Geldmünzen erfüllt. Das Kontoguthaben (Buchgeld) hat im modernen Zahlungsverkehr weitgehend die Funktionen des Bargeldes in Gestalt der Banknoten und Geldmünzen übernommen. Das Buchgeld in Gestalt von Kontoguthaben wird daher rechtlich zunehmend dem Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel gleichgestellt. So geht zB eine überwiegende Meinung heute davon aus, dass die Überweisung eines geschuldeten Betrages auf das vom Gläubiger angegebene Konto unmittelbar Erfüllung iS von § 362 BGB und nicht nur eine Leistung an Erfüllungs statt ist1.
1.18
Auch natürliche Personen nutzen umfänglich die Vorteile der bargeldlosen Zahlung. Dies gilt insbesondere für regelmäßig wiederkehrende Zahlungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen. So werden Gehälter und Löhne üblicherweise auf das Bankkonto der Mitarbeiter überwiesen. Auch die Vermieter sind an Mietzahlungen im Wege des bargeldlosen Zahlungsverkehrs interessiert. Die geschuldeten Beträge aus Wasser-, Strom- und Telefonrechnungen sowie die Krankenkassenbeiträge oder die monatlichen Bezugspreise für Zeitungen und Zeitschriften können bargeldlos im Lastschriftverfahren vom Konto des Zahlungspflichtigen abgebucht werden.
1.19
Schließlich werden auch beim Einkauf und bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen die vielgestaltigen Instrumente des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit stetig wachsenden Marktanteilen genutzt. Hierzu gehören neben der EC-Karte die Kreditkarte, die GeldKarte und in geringerem Maße auch elektronische Zahlungsinstrumente (Netzgeld – cyber coins). So wie eine moderne Industriegesellschaft auf öffentliche und private Verkehrsmittel nicht verzichten kann, ist für sie auch der durch die Kreditinstitute vermittelte bargeldlose Zahlungsverkehr unentbehrlich.
1.20
Die rechtsgeschäftlichen Kontakte der Privatpersonen zu den Kreditinstituten beschränken sich aber nicht nur auf die Unterhaltung von Bankkonten und die 1 So zB Wenzel in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 362 BGB Rz. 21.
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Bedeutung des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr. So ist die Inanspruchnahme von Bankkrediten durch die Privatkundschaft erleichtert worden (zum Rechtsrahmen für Darlehen an Verbraucher unten Rz. 10.1 ff.). Nach einer Anfangsphase der Geschäftsverbindung werden dem Kunden üblicherweise Kleinkredite in Form von persönlichen Dispositionskrediten angeboten. Die Dienstleistungen der Kreditinstitute werden zunehmend auch für eine geeignete Anlage des Geldvermögens genutzt, das sich in den privaten Haushalten angesammelt hat. Breite Schichten der Bevölkerung werden durch Einkommenszuwachs und Erbschaften zu wohlhabenden Bürgern, die geeignete Anlagemöglichkeiten suchen. Das breit gefächerte Leistungsangebot der Kreditinstitute hat zwangsläufig zur Folge, dass sich auch das Bankrecht als eigenständiges Rechtsgebiet ausdehnt. Dies gilt gleichermaßen für den Dienstleistungsbereich und für die kreditmäßige Versorgung der Bankkunden. Diese Finanzdienstleistungen erfordern im Interesse möglichst klarer Rechtsbeziehungen AGB-mäßige Regelungen, die zu einer Ausweitung des Bankrechts führen1.
1.21
Eine neue rechtliche Dimension für das Bankrecht ist durch das sog. Allfinanzangebot der Kreditinstitute und Versicherungen eröffnet worden. Dieses Angebot umfasst neben den traditionellen Bankdienstleistungen alle marktüblichen Dienstleistungen, mit denen auch sonstige finanzielle Vorsorgebedürfnisse des Kunden befriedigt werden können. Das Allfinanzangebot erstreckt sich deshalb neben dem Abschluss von Bausparverträgen auch auf die Vermittlung von geeigneten Grundstücken und Wohnungseigentum bis zum Abschluss von Lebensversicherungen und sonstigen Versicherungsverträgen. Diese Allfinanzstrategie hat zur Folge, dass auf die geschäftlichen Aktivitäten der Kreditinstitute zusätzliche Normenkomplexe anwendbar sind.
1.22
Die zunehmende Bedeutung des Bankrechts erklärt sich freilich nicht nur aus der Weiterentwicklung der Wirtschaft und den entsprechend wachsenden Bedürfnissen nach bankmäßigen Finanzdienstleistungen. Die intensivere Erörterung bankrechtlicher Fragen ist letztlich auch eine Auswirkung der in das BGB integrierten Sonderregelungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Gesetzgeber hat hierdurch handliche Orientierungsmaßstäbe für die Angemessenheitskontrolle der AGB-Klauseln normiert; hiervon macht die Rechtsprechung regen Gebrauch. Gefördert wird dies durch eine umfangreiche und ausführliche Kommentarliteratur zum AGB-Recht. Diese Entwicklung musste zwangsläufig auch den Bereich des Bankrechts erfassen, das durch eine Vielzahl von AGB-mäßigen Regelungen geprägt ist.
1.23
Die wachsende Bedeutung des Bankrechts in der Praxis führte auch dazu, dass beim Bundesgerichtshof ein eigens für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständiger (XI.) Senat geschaffen worden ist. Nach dem Geschäftsverteilungs-
1.24
1 Damit einhergehend verändert sich auch die Aufgabenstellung der in den Kreditinstituten tätigen Juristen. Hierzu Kohler, Von der Rechtsberatung zum Risikomanagement – Die gewandelte Rolle der Unternehmensrechtsabteilung, in FS Kümpel, 2003, S. 301 mwN.
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1. Teil
Einführung
plan des BGH1 gehören danach zu den Kernbereichen dieses Rechtsgebiets insbesondere die rechtlichen Regelungen für – das Effektengeschäft einschließlich der Ansprüche aus Wertpapieren, – Ansprüche auf Grund des Börsengesetzes und des Depotgesetzes sowie Prospekthaftungsansprüche sowie kapitalmarktrechtliche Ansprüche, soweit sie bank- oder börsenrechtlich fundiert sind, – das Wechsel- und Scheckgeschäft, – das Einlagengeschäft von Kreditinstituten, – den Kontokorrent (§ 355 HGB), – Schuldverschreibungen im Sinne des Schuldverschreibungsgesetzes, – das vom Auftragsrecht normierte Dienstleistungsgeschäft der Banken, – Ansprüche aus Bankgarantien und – Darlehensgeschäfte einschließlich der Besicherung an Sachen oder durch Bürgschaften.
II. Bedeutung des Kapitalmarktrechts
1.25
Ebenso wie das Bankrecht hat auch das Kapitalmarktrecht auf Grund einer immensen Ausweitung der geschäftlichen Aktivitäten, der Angebote von Kapitalmarktprodukten und -dienstleistungen in den letzten Jahren, beginnend ca. ab 1990, eine sehr dynamische Fortentwicklung erfahren2. Während aber im Bankrecht Gesetzgeber und Rechtsprechung im Wesentlichen auf die verstärkten geschäftlichen Angebote reagierten, zB mit dem Verbraucherkreditrecht auf die zunehmenden Angebote von Konsumentenfinanzierungen, gilt für das Kapitalmarktrecht umgekehrt, dass der Gesetzgeber mit einer Reihe von gesetzlichen Regelungen und vor allem Liberalisierungen erst die Rahmenbedingungen für das Wachstum des Kapitalmarktgeschäfts geschaffen hat.
1.26
Den Schwerpunkt oder Meilensteine bilden dabei die vier seit den neunziger Jahren in Kraft getretenen Finanzmarktförderungsgesetze3. Das „Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Finanzmärkte“ (Erstes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 22.2.19904 regelte insoweit neben Änderungen des 1 Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs für das Jahr 2010, abrufbar im Internet auf den Web-Seiten des BGH, http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/ Downloads/DE/DerBGH/GeschaeftsvertPDF/2010/geschaeftsverteilung2010.pdf?__ blob=publicationFile, zuletzt aufgerufen am 8.10.2010. 2 Sehr detailliert dazu auch Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rz. 5 ff.; Rudolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 3 ff. 3 Ebenso Rudolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 3, Rz. 7. Hierzu und zum folgenden auch Schäfer/Heldt in Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Finanzmarktförderungsgesetze, online im Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/7007/finanzmarktfoerderungsgesetze-v7.html. 4 BGBl. I 1990, S. 266.
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Bedeutung des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) und des Auslandinvestment-Gesetzes (Ausländische Investmentanteile) insbesondere die Aufhebung der Börsenumsatzsteuer ab 1991 und der Wechselsteuer (Kapitalverkehrsteuern) ab 1992. Dem „Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz)“ v. 26.7.19941 kommt eine Schlüsselrolle zu in der Modernisierung des Kapitalmarktrechts. Es wurden damit zum einen (in Umsetzung der Insider-Richtlinie der EU) der Insider-Straftatbestand eingeführt und das Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (mit Sitz in Frankfurt a.M.) geschaffen. Außer diesen in einem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zusammengefassten Gegenständen nahm das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz Anpassungen der Rahmenbedingungen im Börsenbereich und weitere Maßnahmen im Sinn einer Deregulierung vor, vor allem durch Änderungen des Börsengesetzes (BörsG), des Aktiengesetzes (AktG) und des Depotgesetzes (DepotG). Auch das „Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland“ (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.19982 trug zur weiteren Liberalisierung und Deregulierung des Finanzmarktes und damit zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Marktteilnehmer bei. Die Änderungen betrafen v.a. das BörsG, das Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG), das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Gesetz über die Kapitalanlagegesellschaften (KAGG), das Aktiengesetz (AktG) und das Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG). Schließlich änderte das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz3 vor allem das Börsengesetz, das Wertpapierhandelsgesetz, das damalige KAGG und das Kreditwesengesetz. Durch die Änderungen im BörsG wurde den Börsen mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Börsenhandels gegeben, das veränderte WpHG erhöhte den Anlegerschutz4. Natürlich entsprach aber diese Rechtsentwicklung auch der veränderten Finanzierungspraxis der großen Wirtschaftsunternehmen und der weltweiten Expansion des Wertpapiergeschäfts (Investment Banking). Die großen Unternehmen des In- und Auslands befriedigen zunehmend ihren Finanzierungsbedarf nicht mehr durch Inanspruchnahme von Bankkrediten, sondern durch Ausgabe von Aktien oder Emission von Wertpapieren im Kapital- und Geldmarkt (sog. Wertpapierfinanzierung oder Securitization). So ist zB bei den börsennotierten deutschen Unternehmen von 2002 bis 2005 die Quote der Finanzierung durch Bank- und Lieferantenkredit von knapp 60 % auf nur noch 50 % zurückgegangen, während umgekehrt die Finanzierung am Kapitalmarkt durch Aktien und Anleihen von etwas über 40 % auf über 50 % gestiegen ist5. 1 BGBl. I 1994, S. 1749. 2 BGBl. I 1998, S. 529. 3 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, S. 2010. 4 Ausführlich zur Entwicklung des Rechtsrahmens auch die tabellarische Übersicht bei Rudolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 1, Anh. I, S. 31 ff. 5 Rudolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 1 Rz. 32, Schaubild.
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1.27
1. Teil
Einführung
Auch die Kreditinstitute beschaffen sich die Refinanzierungsmittel für ihr Kreditgeschäft verstärkt durch die Emission von Kapitalmarkttiteln. Insofern hat der Gesetzgeber einerseits den Rechtsrahmen für das enorme Wachstum des Kapitalmarktgeschäfts geschaffen, damit aber anderseits auf einen entsprechenden Bedarf der Wirtschaft und der Märkte reagiert.
1.28
Die Gründe dafür, dass kapitalmarktorientierte Finanzierungsinstrumente und damit verbunden eine Unternehmenskontrolle durch die Kapitalmärkte erheblich an Bedeutung gewonnen haben, sind zum einen die Globalisierung der Weltwirtschaft und die damit verbundenen Internationalisierung der Finanzmärkte. Zum anderen und zugleich eng damit verknüpft sind zunehmend institutionelle Investoren, also Investmentfonds, Pensionsfonds und Hedgefonds sowie die Versicherungen am deutschen Markt aufgetreten, deren Anteil zB am gesamten Aktienbesitz ab Mitte der 1990er Jahre beträchtlich angestiegen ist. Die Anforderungen dieser Investoren an funktionsfähige Märkte, hohen Anlegerschutz und gute Corporate Governance haben erheblich zur Durchsetzung besserer Regelungen des Kapitalmarkts beigetragen1.
1.29
Die Bedeutung des Kapitalmarktrechts ist schließlich auch deshalb gewachsen, weil mittlerweile breite Bevölkerungsschichten in Deutschland im Kapitalmarkt investiert sind. So ist zB der Anteil von Aktien am Geldvermögen privater Haushalte von 6,5 % in 1991 auf 13,4 % in 1999 und der Nettoerwerb von Aktien pro Jahr von 0,3 Mrd. in 1991 auf über 20 Mrd. in 1999 und 2000 angestiegen2. Zwar spielt das direkte Investment in Aktien für Privatanleger hierzulande immer noch eine geringe und seit dem Platzen der „Tech Bubble“ und dem Zusammenbruch des Neuen Marktes ab 2001 sogar wieder abnehmende Rolle. Zugleich hat aber der Markt für Retail-Zertifikate, also für – zumeist börsennotierte – von Kreditinstituten begebene Anleihen, die zum großen Teil auch ein Instrument der indirekten Aktienanlage sind, einen enormen Aufschwung erfahren3.
1.30
Entsprechend diesem wachsenden Investment von privaten Anlegern in Kapitalmarktprodukte wurde spätestens seit den Kurseinbrüchen am Aktienmarkt in den Jahren 2002/2003 auf Grund des Platzens der „Tech Bubble“ für den Gesetzgeber der Anlegerschutz zunehmend wichtiger4. Der Ausbau der gesetzlichen Regelung insoweit rundet den Korpus des Kapitalmarktrechts ab und trägt zu seiner Bedeutung bei. Wichtigste Kodifikation insoweit war sicherlich im Jahr 2007 die Implementierung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive,
1 Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rz. 26; Rudolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 1 Rz. 5. 2 Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rz. 24. 3 Dazu insgesamt mit statistischen Angaben Rudolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 1 Rz. 36 ff. 4 Dazu Rudolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 1 Rz. 8 ff.
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Wittig
Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
MiFID) 2004/39/EG1 im Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)2 mit einer Fülle anlegerschützender Regelungen vor allem im Werpapierhandelsgesetz. Diese Regelungen, die für das marktvermittelte Zustandekommen, die Durchführung und Beendigung von Vertragsbeziehungen zwischen den Anbietern und den Nachfragern von Kapitalanlagemöglichkeiten sowie für die sich daraus für die Beteiligten jeweils ergebenden Rechte, Pflichten und Ansprüche gelten, werden heute unter dem Sammelbegriff des Kapitalanlagerechts als Ausschnitt des Kapitalmarktrechts begriffen3.
3. Abschnitt Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts I. Bankrecht Rechtsgrundlage des Bankrechts in Deutschland ist kein einheitliches Bankgesetz; und es ist trotz zunehmender Kodifizierung, zB der Zahlungsverkehrsdienstleistungen in §§ 675c ff. BGB, in überschaubarer Zukunft mit einem solchen Gesetz nicht zu rechnen4. Die einschlägigen Regelungen finden sich infolge der Vielgestaltigkeit des Bankgeschäfts in einer Vielzahl von Gesetzen.
1.31
1. Rechtsgrundlagen des öffentlichen Bankrechts Im Zentrum des öffentlichen Bankrechts stehen die bankaufsichtsrechtlichen Regelungen im Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz, KWG)5. Es enthält die maßgeblichen Vorschriften für das Betreiben von Kreditinstituten, regelt die Staatsaufsicht über Kreditinstitute und enthält Vorgaben für die Organisation von Kreditinstituten, zB hinsichtlich ihrer Kapitalausstattung. Ergänzt werden diese grundsätzlichen Regelungen durch zwei Gesetze, die Rechtsform, Organisation, Aufgaben und weitere Einzelheiten zu den beiden maßgeblichen Aufsichtsbehörden BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) und Bundesbank regeln. Es sind dies zum einen das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleis-
1 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, FRUG) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330; zuletzt geändert durch Art. 19a Nr. 4 des Gesetzes v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, S. 3089. 3 So Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rz. 1 ff. 4 Ebenso Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 1, Rz. 1. 5 Kreditwesengesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I 1998, S. 2776), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 21.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 950).
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1.32
Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
MiFID) 2004/39/EG1 im Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)2 mit einer Fülle anlegerschützender Regelungen vor allem im Werpapierhandelsgesetz. Diese Regelungen, die für das marktvermittelte Zustandekommen, die Durchführung und Beendigung von Vertragsbeziehungen zwischen den Anbietern und den Nachfragern von Kapitalanlagemöglichkeiten sowie für die sich daraus für die Beteiligten jeweils ergebenden Rechte, Pflichten und Ansprüche gelten, werden heute unter dem Sammelbegriff des Kapitalanlagerechts als Ausschnitt des Kapitalmarktrechts begriffen3.
3. Abschnitt Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts I. Bankrecht Rechtsgrundlage des Bankrechts in Deutschland ist kein einheitliches Bankgesetz; und es ist trotz zunehmender Kodifizierung, zB der Zahlungsverkehrsdienstleistungen in §§ 675c ff. BGB, in überschaubarer Zukunft mit einem solchen Gesetz nicht zu rechnen4. Die einschlägigen Regelungen finden sich infolge der Vielgestaltigkeit des Bankgeschäfts in einer Vielzahl von Gesetzen.
1.31
1. Rechtsgrundlagen des öffentlichen Bankrechts Im Zentrum des öffentlichen Bankrechts stehen die bankaufsichtsrechtlichen Regelungen im Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz, KWG)5. Es enthält die maßgeblichen Vorschriften für das Betreiben von Kreditinstituten, regelt die Staatsaufsicht über Kreditinstitute und enthält Vorgaben für die Organisation von Kreditinstituten, zB hinsichtlich ihrer Kapitalausstattung. Ergänzt werden diese grundsätzlichen Regelungen durch zwei Gesetze, die Rechtsform, Organisation, Aufgaben und weitere Einzelheiten zu den beiden maßgeblichen Aufsichtsbehörden BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) und Bundesbank regeln. Es sind dies zum einen das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleis-
1 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, FRUG) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330; zuletzt geändert durch Art. 19a Nr. 4 des Gesetzes v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, S. 3089. 3 So Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rz. 1 ff. 4 Ebenso Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 1, Rz. 1. 5 Kreditwesengesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I 1998, S. 2776), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 21.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 950).
Wittig
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1.32
1. Teil
Einführung
tungsaufsichtsgesetz, FinDAG)1 und zum anderen das Gesetz über die Deutsche Bundesbank (BBankG)2.
1.33
Daneben findet sich eine Fülle sehr spezieller aufsichtsrechtlicher Regelungen, die Sondervorschriften für bestimmte Formen des Bankgeschäfts bzw. die sie betreibenden Kreditinstitute vorsehen. Beispielhaft zu nennen sind hier – das Gesetz über Bausparkassen (BauSparkG)3 mit Sonderregelungen für Kreditinstitute, deren Geschäftsbetrieb darauf gerichtet ist, Einlagen von Bausparern (Bauspareinlagen) entgegenzunehmen und aus den angesammelten Beträgen den Bausparern für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen Gelddarlehen (Bauspardarlehen) zu gewähren; – das Pfandbriefgesetz (PfandBG)4, das als Nachfolger des ehemaligen Hypothekenbankgesetzes besondere Normen für Kreditinstitute vorsieht, deren Geschäftsbetrieb das Pfandbriefgeschäft umfasst; und – das Investmentgesetz (InvG)5 mit seinen speziellen Regelungen für Kapitalanlagegesellschaften und die von ihnen verwalteten Investmentvermögen.
2. Rechtsgrundlagen des privaten Bankrechts
1.34
Soweit Gegenstand der bankrechtlichen Regelungen die geschäftlichen Kontakte der Kreditinstitute zu ihren Kunden sind, gehören sie zum Privatrecht. Das private Bankrecht ist Teil des Zivilrechts, da es Rechtsbeziehungen zwischen Gleichstehenden regelt: dem Kreditinstitut und seinem Kunden6.
1.35
Im Vordergrund steht das Schuldrecht des BGB7. Das Bankgeschäft als Regelungsmaterie des Bankrechts wird durch die geschäftlichen Kontakte zwischen Bank und Kunde geprägt. Dieser Geschäftsbeziehung liegt jeweils ein 1 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz v. 22.4.2002 (BGBl. I 2002, S. 1310), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes v. 14.6.2010 (BGBl. I 2010, S. 786). 2 Gesetz über die Deutsche Bundesbank in der Fassung der Bekanntmachung v. 22.10.1992 (BGBl. I 1992, S. 1782), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes v. 5.2.2009 (BGBl. I 2009, S. 160). 3 Gesetz über Bausparkassen in der Fassung der Bekanntmachung v. 15.2.1991 (BGBl. I 1991, S. 454), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 29.7.2008 (BGBl. I 2008, S. 1509). 4 Pfandbriefgesetz v. 22.5.2005 (BGBl. I 2005, S. 1373), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 31.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2512). 5 Investmentgesetz v. 15.12.2003 (BGBl. I 2003, S. 2676), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes v. 8.4.2010 (BGBl. I 2010, S. 386). 6 Ebenso Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 12, Rz. 23, S. 64, Rz. 152. 7 Zu den Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung auf das Recht der Bankgeschäfte vgl. Habersack, Neues Schuldrecht und Bankgeschäfte/Wissenszurechnung bei Kreditinstituten, in Weber, Das neue Schuldrecht in der kreditwirtschaftlichen Praxis, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 20, 2003, S. 76 ff. Speziell für das Kreditgeschäft Wittig, Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf das Insolvenzrecht, ZInsO 2003, 629 ff.; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145 ff.; Wittig, Kritische und notleidende Kreditengagements – Änderungen auf Grund der Schuldrechtsreform, NZI 2002, 633 ff.
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Wittig
Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
vertragliches Schuldverhältnis in Gestalt einer der banküblichen Verträge zugrunde. Sie entsprechen überwiegend den Vertragstypen des Besonderen Teils des Schuldrechts, der Regelungen für eine Vielzahl von Schuldverhältnissen enthält. Von diesen Schuldverhältnissen haben insgesamt 23 eine vertragliche Grundlage. Diese 23 Vertragstypen des BGB kommen bis auf vier auch in der Bankpraxis vor. Diese Ausnahmen sind der Teilzeit-Wohnrechtevertrag (§§ 481 ff. BGB), der Pachtvertrag (§§ 581 ff. BGB), die Leihe (§§ 598 ff. BGB) und die Leibrente (§§ 759 ff. BGB). Die Verwendung fast sämtlicher im BGB geregelter Vertragstypen resultiert daraus, dass dem Kredit- und Dienstleistungsgeschäft der Banken eine Vielzahl gesetzlicher Vertragstypen zugrunde liegt.
1.36
So beschränkt sich das Kreditgeschäft keineswegs auf den Abschluss von Darlehensverträgen iS des § 488 BGB. Ein Geldkredit kann auch in der äußeren Form eines Kaufvertrages gewährt werden, wenn die Bank von ihrem Kreditkunden noch nicht fällige Forderungen ankauft, die der Kunde aus dem Verkauf von Handelsware gegen seine Abnehmer erworben hat. Auch in diesem Forderungsankauf liegt eine Kreditgewährung, wenn nicht ausnahmsweise auch das Bonitätsrisiko im Wege der Forfaitierung übernommen worden ist. Denn die Bank kann diesen Ankauf üblicherweise wieder insoweit rückgängig machen, als die zahlungspflichtigen Abnehmer bei Fälligkeit der angekauften Forderungen nicht zahlen. Infolge dieses partiellen Rücktritts vom Forderungsankauf erwächst dem Kreditkunden eine Rückzahlungspflicht wie bei der Inanspruchnahme eines Darlehens. Bei einem solchen Forderungsankauf verschafft sich der Kunde die für sein Unternehmen benötigten Geldmittel aber nicht durch Abschluss eines Darlehensvertrages, sondern durch Verkauf seiner noch nicht fälligen Außenstände gegen seine Abnehmer (§ 433 BGB). Der Kreditkunde erhält also die Geldbeträge aus rechtlicher Sicht nicht in der äußeren Form einer Darlehensgewährung iS des § 488 BGB. Mit der Geldzahlung tilgt vielmehr die Bank ihre Kaufpreisschuld aus dem Ankauf der noch nicht fälligen Forderungen ihres Kunden (§§ 433, 362 BGB).
1.37
Eine bankmäßige Kreditgewährung liegt aber auch vor, wenn die Bank keinen Geldkredit gewährt, sondern im Auftrage ihres Kunden eine Bürgschaft iS des § 765 BGB übernimmt, etwa wenn der Kunde eine Wohnung anmieten will und der Vermieter eine Bankbürgschaft für künftige Mietzahlungen verlangt. Mit dieser bürgschaftsmäßigen Haftung stellt die Bank dem Kunden ihre Kreditwürdigkeit zur Verfügung, damit dieser vom Vermieter als Vertragskontrahent akzeptiert wird (sog. Haftungskredit). Auch solche Bankbürgschaften gehören zum typischen bankmäßigen Kreditgeschäft, obwohl die zugrunde liegende Rechtsbeziehung der Bank zu ihrem Kunden einen Werkvertrag darstellt, der zu einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung verpflichtet (§ 675 BGB). Denn Gegenstand eines solchen Werkvertrages kann auch Herbeiführung eines körperlichen Erfolges sein (§ 631 Abs. 2 BGB), wie es die vom Kunden gewünschte Übernahme einer Bürgschaft darstellt.
1.38
Im Mittelpunkt des bankmäßigen Dienstleistungsgeschäfts stehen aus der Sicht des BGB-Schuldrechts Dienst- und Werkverträge, die eine entgeltliche
1.39
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1. Teil
Einführung
Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben (§ 675 BGB). Dienst- und Werkvertrag ist gemeinsam, dass beide eine entgeltliche Tätigkeit für den Vertragspartner zum Inhalt haben. Wesentliches Abgrenzungsmerkmal zwischen beiden Vertragstypen ist, dass beim Dienstvertrag nur eine bestimmte Tätigkeit zu leisten ist, während beim Werkvertrag die Herbeiführung eines vertraglich bestimmten Erfolges geschuldet wird, wie dies bei den vielfältigen Haftungsübernahmen der Bank geschieht. Hierfür eignen sich außer der Übernahme von Bürgschaften und Garantien vor allem Schuldversprechen iS des § 780 BGB. Solche Haftungsübernahmen haben eine große praktische Bedeutung im Bankgeschäft. So werden forderungsbegründende Schuldversprechen im bargeldlosen Zahlungsverkehr in Gestalt der Kontogutschrift erteilt. Hierdurch erwirbt der aus dem bargeldlosen Zahlungsverkehr begünstigte Kontoinhaber einen entsprechenden abstrakten Zahlungsanspruch gegen die kontoführende Bank. Schuldversprechen werden weiter im Auslandsgeschäft erteilt, wenn die Bank im Auftrage ihres importierenden Kunden ein Akkreditiv zu Gunsten eines ausländischen Exporteurs zu eröffnen hat.
1.40
Die Bank schuldet dagegen nur eine dienstvertragliche Tätigkeit, wenn der Kunde zB einen Auftrag zur Anschaffung bestimmter Wertpapiere erteilt. Hier muss sich die Bank als Einkaufskommissionärin darum bemühen, die gewünschten Wertpapiere durch Abschluss eines Kaufvertrages am Kapitalmarkt zu besorgen (§ 383 HGB). Bei der Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren kommt es aber auch zu rein kaufrechtlichen Geschäftsbeziehungen (§ 433 BGB), wenn die Bank ihrem Effektenkunden die gewünschten Wertpapiere ausnahmsweise aus ihrem eigenen Bestand verkaufen kann und sie sich deshalb nicht um eine Eindeckung am Kapitalmarkt zu bemühen braucht.
1.41
Sollen diese Wertpapiere – wie regelmäßig – in der Obhut der Bank verbleiben, so kommt mit dem Effektenkunden ein depotgeschäftlicher Verwahrungsvertrag zu Stande. Ein Mietvertrag kommt dagegen zu Stande, wenn die Bank dem Kunden ein Schließfach überlässt, in dem auch solche angeschafften Wertpapiere ohne Zugriffsmöglichkeit der Bank aufbewahrt werden können.
1.42
Ein weites praktisches Anwendungsfeld eröffnet sich auch für die meisten Regelungsbereiche des Allgemeinen Teils des Schuldrechts. Dies gilt vor allem für das Recht der Leistungsstörungen und des Rücktritts (§§ 275 ff., 346 ff. BGB). Der Vertrag zu Gunsten Dritter (§§ 328–335 BGB) wird bei der unentgeltlichen Zuwendung von Konto- und Depotguthaben beim Ableben des Bankkunden praktiziert. Von großer praktischer Bedeutung sind auch die Bestimmungen über das Erlöschen von Schuldverhältnissen, insbesondere durch Erfüllung und Aufrechnung (§§ 362, 387 ff. BGB). Die Übertragung von Forderungen (§§ 398–413 BGB) erfolgt bei der Sicherung von Bankkrediten in Gestalt der üblichen Zessionsverträge. Das Kreditgeschäft kennt die Schuldübernahme (§§ 414–418 BGB). Bei der Kontoführung werden die Regeln über die Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern (§§ 420–432 BGB) praktiziert, wenn ein Konto für mehrere Kunden eröffnet wird.
1.43
Neben den schuldrechtlichen Bestimmungen kommen auch viele Regelungskomplexe des Allgemeinen Teils des BGB im bankrechtlichen Bereich zum 16
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Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
Tragen. Hierzu gehören vor allem die Normen für Rechtsgeschäfte, insbesondere für das Wirksamwerden von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 130, 145 ff. BGB) sowie für die Vereinbarung von Bedingungen und Befristungen (§§ 158 ff. BGB). Auch für die Regelung der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) eröffnet sich ein weites Anwendungsfeld. Bei Konten und Depots sind häufig bevollmächtigte Dritte für den Kunden tätig. Schließlich nimmt das Sachenrecht des BGB einen breiten Raum in der Bankpraxis ein. So liefert das Wertpapiergeschäft anschauliche Beispiele für die drei Varianten der Übereignung beweglicher Sachen und ihre unterschiedlichen Anforderungen für den Schutz des gutgläubigen Erwerbers (§§ 932–934 BGB). Das Gleiche gilt für die verschiedenen Formen des Besitzes (§§ 866, 868, 871 BGB), die sich anhand der Girosammelverwahrung durch die Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank veranschaulichen lassen. Eine große praktische Bedeutung für das gesamte Bankgeschäft hat das Sachenrecht auch für die Kreditsicherung1. Beispielhaft genannt sei das Pfandrecht in Gestalt des AGB-Pfandrechts. Es besteht sowohl an gegen die Bank gerichteten Forderungen aus Kontoguthaben wie auch an den von ihr verwahrten Wertpapieren (§§ 1273 ff., 1204 ff. BGB). Hinzu kommen im Kreditgeschäft die Grundschulden und Hypotheken (§§ 1191 ff., 1113 ff. BGB) und als typische Ausprägungen der Kautelarpraxis die Indienstnahme von Abtretung, Übereignung und bedingter Übereignung als Kreditsicherungsinstrumente in Form von Sicherungszession, Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt.
1.44
Die Schwerpunkte des Bankrechts liegen also in den ersten drei Büchern des BGB als dem Kern des bürgerlichen Rechts. Das Bankrecht eignet sich aber auch als Einstieg in rechtsdogmatische Grundfragen. Das Bankrecht ist deshalb eng mit grundlegenden Fragen der Zivilrechtsdogmatik im Sinne der nicht unmittelbar praxisbezogenen rechtswissenschaftlichen Lehre vom geltenden Recht verknüpft.
1.45
Dies gilt zB für die Fallkonstellationen, in denen der Schädiger dem Geschädigten nach vertraglichen Grundsätzen haftet, obwohl zwischen beiden keine Vertragsbeziehung besteht. Hier gelten also nicht die milderen Haftungsmaßstäbe des Rechts der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. BGB), sondern die wesentlich strengeren Maßstäbe der vertraglichen Haftung (§§ 276, 278 BGB) ungeachtet des Fehlens einer Vertragsbeziehung als einer haftungsbegründenden Rechtsgrundlage. Solche Fallkonstellationen bilden die Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten am Vertrag unbeteiligter Dritter; beim bargeldlosen Zahlungsverkehr können Verträge zwischen den beteiligten Kreditinstituten eine solche Schutzwirkung entfalten.
1.46
Mit bankrechtlichen Sachverhalten lässt sich auch der von Rechtslehre und Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung herausgearbeitete Grundsatz veranschaulichen, dass die rechtsgeschäftliche Übertragung eines ganzen Schuldverhältnisses zulässig ist. Das BGB regelt nur die Abtretung einzelner
1.47
1 Ebenso Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 68, Rz. 168.
Wittig
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1. Teil
Einführung
Forderungen und die Übernahme einzelner Schulden (§§ 398–418 BGB). Praktische Beispiele für solche Vertragsübernahmen sind zB die sog. Give-up-Vereinbarungen beim Clearing im Börsenterminhandel. Mit diesen Verträgen werden die von einem Terminkunden eingegangenen Engagements und erworbenen Terminpositionen zwecks rationeller Geschäftsabwicklung auf eine einzige Clearingbank übertragen. Ebenso findet der Erwerb von Darlehensforderungen nicht selten in Form der Vertragsübernahme statt1.
1.48
Das Bankrecht bietet auch anschauliche Beispiele für die Rechtsfigur des „Typus“. Die moderne Zivilrechtsdogmatik hat erkannt, dass sich viele Lebenssachverhalte wegen ihrer Vielgestaltigkeit einer strengen begrifflichen Definition entziehen und sich lediglich anhand der wesentlichen Züge ihres Erscheinungsbildes, also nur typologisch, umschreiben lassen. Einen solchen Typus stellt nach einem Teil der Literatur auch das Finanztermingeschäft mit seinem besonders hohen Verlustrisiko dar. Den Termingeschäften fehlen Merkmale, die allen Varianten dieses Geschäftstypus in gleichem Maße gemeinsam sind.
1.49
Große praktische Bedeutung für das Bankgeschäft hat auch der 2. Abschnitt des 2. Buches des BGB, der die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen regelt (§§ 305 ff. BGB). Das Kreditgewerbe verwendet zum einen als Rahmenregelung Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die eine wichtige vertragsrechtliche Grundlage für die Geschäftsverbindung mit den Bankkunden und zugleich neben den gesetzlichen Regelungen den Rechtsrahmen für die Beurteilung der einzelnen Bankgeschäfte bilden. Für das private Bankgewerbe sind dies die AGB-Banken, für die weiteren Säulen der deutschen Kreditwirtschaft die AGB der Genossenschaftsbanken sowie die AGB-Sparkassen (dazu unten ausführlich bei Rz. 6.16 ff.). Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der Bank. Daneben werden von den Kreditinstituten für einzelne Geschäftsbeziehungen (zum Beispiel für das Wertpapiergeschäft, den Zahlungsverkehr und für den Sparverkehr) Sonderbedingungen verwandt, die Abweichungen oder Ergänzungen zu diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditgewerbes enthalten. Auch diese Sonderbedingungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen iS von §§ 305 ff. BGB.
1.50
Eine starke regulative Auswirkung auf das Kreditgeschäft haben ferner die speziellen und sehr detaillierten Regelungen für Verbraucherkredite (dazu unten bei Rz. 10.1 ff.)2. Diese Normen wurden erstmals im Jahre 1992 mit dem Verbraucherkreditgesetz eingeführt. Seit dem 1.1.2002 sind sie aber, wie das AGB-Gesetz, in das BGB integriert worden, um wieder eine Homogenität in der Regelung des Privatrechts herzustellen und das (zivilrechtliche) Verbrau1 Ausführlich dazu zB Wittig, Distressed Loan Trading – Handel mit notleidenden Krediten unter besonderer Berücksichtigung von Bankgeheimnis und aufsichtsrechtlichen Anforderungen, in Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Band 25, 2006, S. 145 ff. 2 Dazu auch Wittig/Wittig, Das neue Verbraucherdarlehensrecht – Schritte zur Vermeidung der Privatinsolvenz?, ZInsO 2009, 633 ff.
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Wittig
Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
cherrecht an den Grundprinzipien des BGB auszurichten1. Die Vorschriften der §§ 491–507, 509 BGB und §§ 655a–655e BGB enthalten weit gehende Regelungen des Kreditgeschäfts mit der Privatkundschaft. Ein breites Anwendungsfeld im Bankgeschäft haben im Übrigen das Handelsgesetzbuch und dort vor allem die kommissionsrechtlichen Regelungen (§§ 383 ff. HGB). Der Kommissionär erbringt Dienstleistungen, wie es für das Bankgeschäft typisch ist. Ebenso wichtig sind die Regelungen des Kontokorrents in §§ 355 ff. HGB für die Kontoführung sowie die §§ 352–354 HGB mit ihren Vorschriften zu Zinsen und Kosten2. Viele Berührungspunkte des Bankrechts bestehen schließlich mit dem Scheck- und Wechselgesetz.
1.51
Hinzu kommen Spezialgesetze für einzelne Bankgeschäfte. Im Pfandbriefgesetz (PfandBG)3, das im Jahr 2005 das Hypothekenbankgesetz (HBG) sowie das Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlichrechtlicher Kreditanstalten (ÖPG) abgelöst hat, ist das langfristige, durch Grundpfandrechte abgesicherte Kreditgeschäft der dafür zugelassenen Kreditinstitute geregelt. Dabei wurde mit dem Pfandbriefgesetz das früher geltende Spezialbankprinzip aufgegeben und die Befugnis zur Pfandbriefbegebung auf alle Kreditinstitute ausgedehnt, die bestimmten Anforderungen zum Schutz des Pfandbriefgeschäfts genügen und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Erlaubnis zur Pfandbriefbegebung erhalten4. Kreditwirtschaftliche Spezialinstitute sind dagegen weiterhin die Bausparkassen, die Einlagen von Bausparern entgegennehmen und aus den angesammelten Beträgen den Bausparern für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen Darlehen gewähren. Dieses Bauspargeschäft regelt das Gesetz über die Bausparkassen (BauSparkG)5. Aus dem Bereich des Wertpapiergeschäfts ist das Gesetz für die bankmäßige Aufbewahrung und Verwaltung von Wertpapieren – Depotgesetz (DepotG)6 zu nennen. Schließlich gehört zu diesen Spezialgesetzen das Investmentgesetz (InvG)7 mit seinen Regelungen für das Geschäft der Kapitalanlagegesellschaften, die Wertpapierfonds für gemeinschaftliche Rechnung einer unbegrenzten Anzahl von Anlegern bilden und verwalten, auch wenn diese nach Wegfall von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG aF im Jahr 2007 auf Grund des Investmentänderungsgesetzes8 nicht mehr Kreditinstitute im Sinne des KWG sind.
1.52
1 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 97. 2 Ebenso Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 68 f., Rz. 169. 3 Pfandbriefgesetz v. 22.5.2005 (BGBl. I 2005, S. 1373), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 31.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2512). 4 Dazu Reg.Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Pfandbriefrechts, BR-Drucks. 781/04 v. 15.10.2004, S. 1 f. 5 Gesetz über Bausparkassen in der Fassung der Bekanntmachung v. 15.2.1991 (BGBl. I 1991, S. 454), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 29.7.2008 (BGBl. I 2008, S. 1509). 6 Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz, DepotG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 11.1.1995 (BGBl. I 1995, S. 34), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes v. 31.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2512). 7 Investmentgesetz v. 15.12.2003 (BGBl. I 2003, S. 2676), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes v. 8.4.2010 (BGBl. I 2010, S. 386). 8 BGBl. I 2007, S. 3089 ff.
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1. Teil
Einführung
II. Rechtsgrundlagen des Kapitalmarktrechts
1.53
Das Kapitalmarktrecht wird gebildet von einer Gemengelage verwaltungsrechtlicher, privatrechtlicher, prozessualer und strafrechtlicher Bestimmungen1. Entsprechend seinem Schutzzweck spielt für das Kapitalmarktrecht das öffentliche Recht eine weitaus stärkere Rolle als im Bankrecht. Die rechtssystematische Verselbständigung des Kapitalmarktrechts ist vor allem durch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und die verschiedenen Novellierungen des Börsengesetzes (BörsG) mit seinen anlegerschützenden Regelungen sowie mit dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) und dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) bzw. zuvor mit dem Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) gefördert worden.
1.54
Der verhältnismäßig hohe Anteil öffentlichrechtlicher Normen im Kapitalmarktrecht erklärt sich aus dem starken Interesse des Staates an einer größtmöglichen Effizienz der Kapitalmärkte. Dies hat vielfältige Gründe. So ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft entscheidend von der Funktionsfähigkeit ihrer Finanz- und Kapitalmärkte abhängig. Auch haben die öffentlichen Hände ein überragendes Interesse an effizienten Kapitalmärkten. Ein großer Teil der staatlichen Finanzierungsbedürfnisse kann nur durch Emissionen von Anleihen befriedigt werden, deren erfolgreiche Platzierung von leistungsstarken Kapitalmärkten abhängt. Dieses vielschichtige Interesse des Staates an der Funktionsfähigkeit seiner Kapitalmärkte erfordert entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen, die überwiegend öffentlichrechtlicher Natur sind.
1.55
Ganz zentral für das Kapitalmarktrecht sind die Vorschriften des Gesetzes über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz, WpHG)2. Dieses Gesetz trifft umfängliche Regelungen für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, den börslichen und außerbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten, den Abschluss von Finanztermingeschäften, für Finanzanalysen und Ratings sowie für die Veränderungen der Stimmrechtsanteile von Aktionären an börsennotierten Gesellschaften. Es gilt nicht nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, also nicht nur für Kreditinstitute und andere Finanzdienstleistungsinstitute bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, sondern je nach seinen Regelungsbereichen sehr umfassend für alle Marktteilnehmer, zB für alle Emittenten und Investoren im Bereich der Insiderregelungen, für Emittenten hinsichtlich der Informationen zur Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren, für Ratingagenturen hinsichtlich ihrer Beaufsichtigung, oder wiederum für alle Markteilnehmer hinsichtlich des Verbots der Marktmanipulation.
1.56
Ergänzt wird das WpHG von einer Reihe speziellerer Regelungen, die für das Angebot von, den Handel in, und die Ausstattung von Wertpapieren gelten. Zu nennen sind insoweit insbesondere 1 Schwark im Vorwort zu Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004. 2 Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I 1998, S. 2708), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 21.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 945).
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Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
– das Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz, WpPG)1, das ergänzt wird durch das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz, VerkProspG)2 für das Angebot bestimmter anderer Vermögensanlagen; – das Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungsgesetz, SchVG)3 mit seinen Regelungen für die Ausgestaltung von inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen („Anleihen“) und – das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)4, das den Rechtsrahmen zieht für öffentliche Angebote zum Erwerb von börsennotierten Wertpapieren, insbesondere für Übernahme- und Pflichtangebote zum Erwerb von Aktien einer Zielgesellschaft. Unbedingt zum Kanon des Kapitalmarktrechts sind auch solche Normen zu rechnen, die die Errichtung und den Betrieb von Handelsplattformen wie organisierten Märkten (Börsen) und anderen multilateralen Handelssystemen sowie die Zulassung zum und die Durchführung des Handels dort regeln. Im Mittelpunkt steht dabei das Börsengesetz (BörsG)5, das anzuwenden ist auf den Betrieb und die Organisation von Börsen, die Zulassung von Handelsteilnehmern, Finanzinstrumenten, Rechten und Wirtschaftsgütern zum Börsenhandel und die Ermittlung von Börsenpreisen. Ergänzt werden die Regelungen durch verschiedene Normen des WpHG (insbesondere § 31f und § 31g WpHG), die Anwendung finden auf den Betrieb von multilateralen Handelssystemen.
1.57
Eher am Rande des Kapitalmarktrechts in marktbezogener Hilfsfunktion steht schließlich das Depotrecht, da moderne Kapitalmarkttransaktionen sehr stark auch davon abhängen, dass die Investoren Wertpapiere von einem Kreditinstitut verwahren und verwalten lassen können, und auch die Emittenten mangels direkten Kontakts zu den Investoren auf die vermittelnden Dienstleistungen der Wertpapierverwahrer angewiesen sind. Die meisten Regelungen dazu sind im Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz, DepotG)6 getroffen.
1.58
1 Wertpapierprospektgesetz v. 22. 6.2005 (BGBl. I 2005, S. 1698), zuletzt geändert durch Art. 36 des Gesetzes v. 19.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2794). 2 Verkaufsprospektgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I 1998, S. 2701), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes v. 16.7.2007 (BGBl. I 2007, S. 1330). 3 Schuldverschreibungsgesetz v. 31.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2512). 4 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz v. 20.12.2001 (BGBl. I 2001, S. 3822), zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes v. 30.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2479). 5 Börsengesetz v. 16.7.2007 (BGBl. I 2007, S. 1330, 1351), zuletzt geändert durch Art. 3a des Gesetzes v. 20.3.2009 (BGBl. I 2009, S. 607). 6 Depotgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 11.1.1995 (BGBl. I 1995, S. 34), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes v. 31.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2512).
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21
1. Teil
Einführung
III. Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union 1. Grundlagen
1.59
Die Grundzüge und die Weiterentwicklung des deutschen Bank- und Kapitalmarktrechts werden heute maßgebend von der Europäischen Union mitbestimmt1. Deutsches Bankrecht setzt in weiten Bereichen europäische Richtlinien in innerstaatliches Recht um, und zwar ohne dass dies immer aus dem nationalen Recht ersichtlich ist. Insofern handelt es sich beim Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union nicht um zusätzliche Normen, die neben die deutschen Regelungen treten, sondern vielmehr bilden die europarechtlichen Regelungen Grundlage und Hintergrund, auch für die Auslegung, vieler deutscher Vorschriften.
1.60
Die Basis für diese prägende Wirkung europäischen Rechts im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts bildet neben dem Vertrag über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von Lissabon2 vor allem der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)3. Für das Bank- und Kapitalmarktrecht bieten insbesondere Artt. 63, 58 AEUV (vormals Artt. 56, 51 EG-Vertrag aF) mit der Gewährleistung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs und der Liberalisierung der mit dem Kapitalverkehr verbundenen Dienstleistungen der Banken und Versicherungen die Grundlage für Rechtssetzungsakte der Europäischen Union. Hinzu kommen Artt. 114, 115 AEUV (vormals Artt. 95, 94 EG-Vertrag aF) als Grundlage europäischen Rechts zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken.
1.61
Solche Rechtsetzungsakte können nach Art. 288 AEUV (vormals Art. 249 EGVertrag aF) vor allem in Form von Verordnungen und Richtlinien ergehen. Gemäß Art. 288 AEUV haben Verordnungen allgemeine Geltung. Sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Eine Richtlinie dagegen ist nur für die Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel4. Soweit die Europäische Union mit Richtlinien arbeitet, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen, sind die nationalen Gerichte nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) auf Grund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV (vormals Art. 249 Abs. 3 EG-
1 Hierzu und zum weiteren auch Troberg/Kolassa in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 135 Rz. 1. 2 Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union, ABl. EU Nr. C 83 v. 30.3.2010, S. 13. 3 Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU Nr. C 83 v. 30.3.2010, S. 47. 4 Ausführlich zur Umsetzung von Richtlinien Hetmeier in Lenz/Borchardt (Hrsg.), EUVerträge, 5. Aufl. 2010, Art. 288 AEUV Rz. 10 ff.; Staudinger, WM 1999, 1546 ff.
22
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Wittig
Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
Vertrag aF) verpflichtet, zur Durchführung einer europäischen Richtlinie erlassene Gesetze unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraumes, den ihnen das nationale Recht einräumt, im Lichte des Wortlautes und des Zweckes der Richtlinie auszulegen1. Dies gilt auch bei der Auslegung von deutschen Vorschriften, die vor Erlass der Richtlinien in Kraft getreten sind. Die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Art. 288 AEUV, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, obliegt allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten und damit auch den Gerichten2. Soweit der EuGH eine Bestimmung der umgesetzten Richtlinie ausgelegt hat, sind die nationalen Gerichte daran gebunden3. Im Übrigen können die Betroffenen, wenn die nationalen Vorschriften nicht in einer der jeweiligen Richtlinie entsprechenden Weise ausgelegt werden können, im Rahmen der geeigneten Verfahren des nationalen Rechts den Ersatz des Schadens verlangen, der ihnen dadurch entstanden ist, dass die Richtlinie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist umgesetzt worden ist4. Eine deutliche Beschleunigung hat die europäische Rechtssetzung mit dem Lamfalussy-Prozess erfahren, der 2002 im Wertpapierbereich und danach im Banken- und Versicherungsbereich eingeführt wurde5. Er dient der Beschleunigung des europäischen Gesetzgebungsprozesses ebenso wie der Ausgestaltung der europäischen Aufsichtsstrukturen, insbesondere zur Realisierung des im Jahr 1999 von der Europäischen Kommission beschlossenen Aktionsplanes Finanzdienstleistungen (Financial Services Action Plan, FSAP)6. Das Verfahren geht auf seinen Namensgeber – Baron Alexandre Lamfalussy – zurück, der im Jahr 2001 als Vorsitzender eines vom Rat der Finanzminister beauftragten „Rats der Weisen“ den vierstufigen Gesetzgebungsprozess vorgeschlagen hatte: – Auf der 1. Stufe erfolgt eine Rahmengesetzgebung im üblichen Rechtsetzungsverfahren der Mitentscheidung unter Federführung der Kommission durch die Organe der Gemeinschaft. Neu dabei war, dass im LamfalussyProzess in den Richtlinien bzw. Verordnungen nur die politischen Grundentscheidungen getroffen werden, die die Grundzüge des Regelungsprogramms – gleichsam als Rahmen – vorgeben. Dabei sind Art und Umfang der auf Stufe 2 zu erlassenden technischen Durchführungsbestimmungen festzulegen, und die Rahmenregelung hat zu bestimmen, inwiefern und 1 EuGH v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89, Slg. I 1990, 4135 (4159 Rz. 8) (Marleasing); BGH v. 9.4.2002 – XI ZR 91/99, WM 2002, 1181 (1182 mwN) (Heininger). 2 EuGH v. 17.9.1997 – Rs. C-54/96, NJW 1997, 3365 (3367) (Dorsch Consult). 3 BGH v. 9.4.2002 – XI ZR 91/99, WM 2002, 1181 (1182) (Heininger). 4 Dazu Hetmeier in Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 5. Aufl. 2010, Art. 288 AEUV Rz. 16; EuGH v. 8.10.1996 – Rs. C-178/94 ua., NJW 1996, 3141; EuGH v. 17.9.1997 – Rs. C-54/96, NJW 1997, 3365 (3367) (Dorsch Consult); LG Bonn v. 16.4.1999 – 1 O 186/98, WM 1999, 1973 (1977). 5 Siehe dazu auch Schmolke, Der Lamfalussy-Prozess im Europäischen Kapitalmarktrecht – eine Zwischenbilanz, NZG 2005, 912 ff.; Gause in MünchKomm. VVG, Bd. 1, 2010, Systematische Einführung in das Aufsichtsrecht, D. III. 1., Rz. 327. 6 Mitteilung der Kommission v. 11.5.1999, KOM (1999) 232.
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1.62
1. Teil
Einführung
inwieweit diese Durchführungsbestimmungen geändert und aktualisiert werden können1. – Auf der 2. Stufe erfolgen Detailregelungen durch die Europäische Kommission mit Unterstützung der sog. Level 2-Ausschüsse. Bei den Detailregelungen bzw. technischen Durchführungsvorschriften auf der 2. Stufe haben Rat und Europäisches Parlament drei Monate lang das Recht, die Bestimmungen auf der 2. Stufe abzulehnen, wenn sie mit dem Ziel der Ermächtigungsgrundlage auf der 1. Stufe nicht zu vereinbaren sind. – Auf der 3. Stufe erfolgt die koordinierte Anwendung und Durchsetzung der Rechtsnormen durch den entsprechenden Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden (Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden – CEBS, Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden – CESR, Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge – CEIOPS). – Auf Stufe 4 schließlich überprüft die Kommission die Einhaltung sämtlicher EU-Rechtsvorschriften und leitet ggf. Vertragsverletzungsverfahren ein. Im Lamfalussy-Verfahren sind insbesondere die Marktmissbrauchsrichtlinie, die Prospektrichtlinie, die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und die Transparenzrichtlinie als vier Schlüsselmaßnahmen des FSAP verabschiedet worden. Die Entstehung dieser vier ersten Rahmenrichtlinien unter dem Lamfalussy-Prozess dauerte vom Vorschlag bis zur Verabschiedung durchschnittlich 20 Monate2.
2. Wichtige Rechtssetzungsakte der Europäischen Union a) Öffentliches Bankrecht
1.63
Wichtigste und grundlegende europäische Regelung im Bereich des Bankaufsichtsrecht sind die häufig als Capital Requirements Directive zusammengenannten beiden Richtlinien der Europäischen Union 2006/48/EG (Bankenrichtlinie)3 und 2006/49/EG (Kapitaladäquanzrichtlinie)4. Anlass für diese Richtlinien war die Umsetzung der Mindesteigenkapitalanforderungen von Basel II in europäisches Recht. Zugleich wurden mit der auch als Kodifizierungsrichtlinie bezeichneten Richtlinie 2006/48/EG die bereits in der Kodifizierungsrichtlinie 200/12/EG zusammengefassten sieben europäischen Richt-
1 Schmolke, Der Lamfalussy-Prozess im Europäischen Kapitalmarktrecht – eine Zwischenbilanz, NZG 2005, 912 (913). 2 Schmolke, Der Lamfalussy-Prozess im Europäischen Kapitalmarktrecht – eine Zwischenbilanz, NZG 2005, 912 (914). 3 Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. EU Nr. L 177 v. 30.6.2006, S. 1. 4 Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. EU Nr. L 177 v. 30.6.2006, S. 201.
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Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
linien zum Bankaufsichtsrecht aus den Jahren 1973 bis 1992 zusammengefasst und geändert. Es handelt sich daher um eine sehr umfassende Regelung der europäischen Vorgaben für das nationale Aufsichtsrecht mit detaillierten Vorgaben über die Voraussetzungen für die Aufnahme und die Ausübung der Geschäftstätigkeit von Kreditinsituten1. Die Inhalte der beiden Richtlinien sind mit Änderungen des Kreditwesengesetzes in der Solvabilitätsverordnung (SolvV), der Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV) und den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (BA) (MaRisk) in deutsches Recht umgesetzt worden2. Als weitere europäische Normen im Bereich des Bankaufsichtsrechts sind zu nennen – die CRD II 2009/111/EG3 – die Verordnung über Ratingagenturen (EG) Nr. 1060/20094 – die Einlagensicherungsrichtlinie 94/19/EG5 in der Fassung der Richtlinie 2009/14/EG v. 11.3.20096, – die Richtlinie über die Beaufsichtigung von E-Geld-Instituten 2009/110/EG7 – die Beteiligungsrichtlinie 2007/44/EG8,
1 Zu den Inhalten siehe auch Sauer/Wittmann in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010. 2 Dazu Wittig, Basel II: Das (externe) Rating von Emittenten und Emissionen als Maßstab für die Eigenkapitalerfordernisse der Kreditinstitute, in Kohler/Obermüller/Wittig (Hrsg.), Kapitalmarkt – Recht und Praxis, Gedächtnisschrift für Ulrich Bosch, 2006, S. 293 ff.; Wittig, Bankaufsichtsrechtliche Grundlagen des (internen) Ratings und seine Transformation in das Darlehensverhältnis mit Unternehmen, ZHR 169 (2005), 212. 3 Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisationen zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestandteile, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 97. 4 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über Ratingagenturen, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. 5 Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.5.1994 über Einlagensicherungssysteme, ABl. EU Nr. L 135 v. 31.5.1994, S. 5. 6 Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2009 zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme im Hinblick auf die Deckungssumme und die Auszahlungsfrist, ABl. EU Nr. L 68 v. 13.3.2009, S. 3. 7 Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG, ABl. EU Nr. L 267 v. 10.10.2009, S. 7. 8 Richtlinie 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.9.2007 zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG in Bezug auf Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtsrechtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor, ABl. EU Nr. L 247 v. 21.9.2007, S. 1.
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1.64
1. Teil
Einführung
– die Finanzkonglomeratsrichtlinie 2002/87/EG1, – sowie die Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie 2001/24/EG2.
1.65
Insgesamt liegen diesen europäischen Regelungen drei Prinzipien zu Grunde: Erstens gilt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der Zulassung von Kreditinstituten. Danach berechtigt die nationale Zulassung als Bank in einem Mitgliedstaat zur Geschäftstätigkeit im gesamten europäischen Markt, dh. die nationale Zulassung bewirkt zugleich als so genannter Europa-Pass. Zweitens setzen die Regelungen auf das Prinzip der Herkunftslandkontrolle. Danach unterliegt jedes Kreditinstitut im Grundsatz nur der einheitlichen Bankaufsicht durch sein Herkunftsland für die Geschäftstätigkeit im gesamten Binnenmarkt. Drittens schließlich erfolgt eine (Mindest-)Harmonisierung der Bedingungen für die Ausübung der Banktätigkeit. Die nationalen Aufsichtsrechte wurden dabei in Umsetzung von Basel II3 vor allem hinsichtlich der Eigenkapitalausstattung und der ausreichenden Eigenkapitalunterlegung von Geschäften nach Art ihres Risikos harmonisiert4. b) Privates Bankrecht
1.66
Auch im Bereich des Zivilrechts hat der europäische Gesetzgeber im Interesse des Verbraucherschutzes und zur Harmonisierung des Binnenmarkts eine Fülle von Regelungen geschaffen, die der deutsche Gesetzgeber in das nationale private Bankrecht zu transformieren hatte. Dabei handelt es sich zum einen um eine Reihe von Detailregelungen, zB in der Fernabsatzrichtlinie 2002/65/EG5 und der Haustürgeschäfterichtlinie 85/577/EWG6. Zum anderen wurden mit und auf Grund europäischer Richtlinen zwei Rechtsgebiete 1 Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 35 v. 11.2.2003, S. 1. 2 Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. EU Nr. L 125 v. 5.5.2001, S. 15. 3 Dazu auch Wittig, Basel II: Das (externe) Rating von Emittenten und Emissionen als Maßstab für die Eigenkapitalerfordernisse der Kreditinstitute, in Kohler/Obermüller/ Wittig (Hrsg.), Kapitalmarkt – Recht und Praxis, Gedächtnisschrift für Ulrich Bosch, 2006, S. 293 ff.; Wittig, Bankaufsichtsrechtliche Grundlagen des (internen) Ratings und seine Transformation in das Darlehensverhältnis mit Unternehmen, ZHR 169 (2005), 212. 4 Dazu Schürmann in Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 5. Aufl. 2010, Vorb. Art. 63– 66 AEUV Rz. 20. 5 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. EU Nr. L 271 v. 9.10.2002, S. 16. 6 Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. EG Nr. L 372 v. 31.12.1985, S. 31.
26
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Wittig
Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
grundlegend umgestaltet, der Rechtsrahmen für Kredite an Verbraucher ebenso wie die Normen für den Zahlungsverkehr. Mit der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG1 hat der europäische Gesetzgeber bereits zum zweiten Mal, nach der ersten Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG2, das Recht der Verbraucherkreditverträge grundlegend umgestaltet. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorgaben mit umfassenden Änderungen (vor allem des BGB) in den §§ 491 ff. BGB, aber auch in dem neu geschaffenen Art. 247 EGBGB, in nationales Recht transformiert. Diese Umsetzung ist im Jahr 2010 mit dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht3 erfolgt (dazu im Detail bei Rz. 10.1 ff.)4.
1.67
Gleich ein ganzes Bündel europäischer Gesetzgebungsakte ist ergangen, um einen einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraum (SEPA) zu schaffen. Im Zentrum der Regelungen stehen die Zahlungsdiensterichtlinie 2007/64/EG5 und die Verordnung zu grenzüberschreitenden Zahlungen Nr. 924/20096. In Deutschland hat dies im Jahr 2009 mit dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht7 zu Gesetzänderungen insbesondere im BGB geführt. §§ 675c ff. BGB sehen jetzt komplett neue Regelungen für die Abwicklung von Zahlungsverkehrsdienstleistungen vor (ausführlich dazu bei Rz. 7.112 ff.).
1.68
c) Kapitalmarktrecht Besonders umfängliche europäische Regelungen sind in den letzten Jahren im Bereich des Kapitalmarktrechts erfolgt. Einer der wesentlichen Treiber dabei 1 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 133 v. 22.5.2008, S. 66. 2 Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. EU Nr. L 42 v. 12.2.1987, S. 48. 3 Gesetz v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355 ff. Die Regeln zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie sind nach Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes am 11.6.2010 in Kraft getreten. 4 Dazu auch Wittig/Wittig, Das neue Verbraucherdarlehensrecht – Schritte zur Vermeidung der Privatinsolvenz?, ZInsO 2009, 633 ff. 5 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/ 65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. EU Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1. 6 Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) EU Nr. 2560/2001, ABl. EU Nr. L 266 v. 9.10.2009, S. 11. 7 Gesetz v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355 ff. Die Regeln zur Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie sind nach Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes am 31.10.2009 in Kraft getreten.
Wittig
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27
1.69
1. Teil
Einführung
war der von der Europäischen Kommission 1999 beschlossene Financial Services Action Plan1, der bis Ende 2005 umgesetzt werden sollte2. Zum anderen wurde gerade in diesem Bereich verschiedentlich das beschleunigte Lamfalussy-Verfahren (siehe oben Rz. 1.62) genutzt.
1.70
Als Kernstück bei der Umsetzung des Financial Services Action Plan wird die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive, MiFID) 2004/39/EG3 angesehen4. Es handelt sich dabei um eine umfassende Kodifizierung der für Wertpapierdienstleistungen und Wertpapierdienstleister geltenden Vorschriften. Der deutsche Gesetzgeber hat die MiFID mit einem Artikelgesetz, dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)5, in einer Reihe von Gesetzen implementiert. Die Änderungen sind vor allem im WpHG und im BörsG, aber auch im KWG, im WpÜG und einer Reihe anderer Gesetze erfolgt.
1.71
Weitere wichtige europäische Rechtsetzungen der letzten Jahre im Bereich des Kapitalmarktrechts sind die Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG6, die Prospektrichtlinie 2003/71/EG7 und die Transparenzrichtlinie 2004/109/ EG8. Zur Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie mit ihren Regelungen insbesondere zum Verbot von Insidergeschäften und Marktmanipulation ist in Deutschland im Jahr 2004 das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG)9 erlassen worden. Es hat im Wesentlichen zu Änderungen des Wertpapierhan-
1 Mitteilung der Kommission v. 11.5.1999, KOM (1999) 232. 2 Dazu auch Sauer/Wittmann in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, 1. Kap., Rz. 82 f. 3 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2002, S. 1. 4 So Sauer/Wittmann in Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts, Bankund Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, 1. Kap., Rz. 134 f. 5 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, FRUG) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330; zuletzt geändert durch Art. 19a Nr. 4 des Gesetzes v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, S. 3089. 6 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 7 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 8 Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EU Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27. 9 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz, AnSVG) v. 28.10.2004, BGBl. I 2004, S. 2630.
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Wittig
Rechtsgrundlagen des Bank- und Kapitalmarktrechts
1. Teil
delsgesetzes, aber zB auch im Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG), im Börsengesetz (BörsG) und in der Angebotsverordnung zum Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz (WpÜG-AngVO) geführt. Ein Jahr später, (2005) hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz1 die Regelungen der europäischen Prospektrichtlinie zu den Formalien und Inhalte von Prospekten, die bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen sind, in deutsches Recht transformiert. Im Mittelpunkt stand dabei die Schaffung des neuen Wertpapierprospektgesetzes (WpPG)2. Die Transparenzrichtlinie hat umfassende Regelungen zur Publikation von Kapitalmarktinformationen und zur Erweiterung kapitalmarktrechtlicher Publizitätspflichten getroffen. Die Umsetzung in Deutschland ist Anfang 2007 mit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)3 und seinen umfangreichen Änderungen vor allem des Wertpapierhandelsgesetzes erfolgt. d) Rechtsrahmen für den Euro Anlässlich der Einführung des Euro sind für den Finanzsektor im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion eine Vielzahl von Normen geschaffen worden, die gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs sind und damit in Deutschland geltende supranationale Vorschriften darstellen. Dies gilt vor allem für die beiden Verordnungen des EG-Rates, die den rechtlichen Rahmen für die Ersetzung der nationalen Währungen der Teilnehmerstaaten durch den Euro bilden. Es handelt sich hierbei um die Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates v. 3.5.1998 über die Einführung des Euro4 und die Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates v. 17.6.1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro5.
1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, S. 1698. 2 Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz, WpPG) v. 22.6.2005 (BGBl. I 2005, S. 1698), zuletzt geändert durch Art. 36 des Gesetzes v. 19.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2794). 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, TUG) v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, S. 10. 4 ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S. 1, ber. ABl. EG Nr. L 313 v. 21.11.1998, S. 29. 5 ABl. EG Nr. L 162 v. 19.6.1997, S. 1, ber. ABl. EG Nr. L 313 v. 21.11.1998, S. 29.
Wittig
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29
1.72
1. Teil
Einführung
4. Abschnitt Fortentwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts – ein Ausblick I. Entwicklungslinien
1.73
Im Rückblick auf die Entwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg lassen sich zwei wesentliche Leitmotive oder Entwicklungslinien ausmachen. Zum einen sind in vielen Bereichen Regelungen getroffen worden, die durch Liberalisierung oder zumindest durch Verbesserung von Rahmenbedingungen Bank- und Kapitalmarktgeschäfte erleichtern und fördern sollten. Beispielhaft dafür seien genannt die Erleichterung von (rechtswirksamen) Termin- und Differenzgeschäften1 bis hin zum völligen Wegfall des Termin- und Differenzeinwandes durch Abschaffung des Differenzeinwandes nach § 764 BGB und Ausschluss des Einwandes nach § 762 BGB durch eine gesetzliche Spezialvorschrift für Termingeschäfte (§ 37e WpHG) mit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz2 oder der Entfall der Genehmigungspflicht für die Emission von Inhaberschuldverschreibungen (Anleihen) Ende 1990 mit der Aufhebung von § 795 BGB3. Symptomatisch für diese Liberalisierung und Förderung von Bank- und Kapitalmarktgeschäften steht die Reihe der vier Finanzmarktförderungsgesetze von 1990 bis 2002 (dazu oben bei Rz. 1.26). Eine gewisse Umkehr in Richtung eines stärkeren Anlegerschutzes und einer stärkeren Regulierung war allerdings dann schon ab 2002 als Reaktion auf das Platzen der „Tech Bubble“ und den Niedergang des Neuen Markts zu verzeichnen. Zum anderen war die deutsche Gesetzgebung zum Bank- und Kapitalmarktrecht ganz wesentlich und in den letzten zehn Jahren fast ausschließlich durch die europäische Rechtssetzung vorgezeichnet (dazu oben bei Rz. 1.59 ff.).
1.74
Jetzt, am Ende des Jahres 2010, ist festzustellen, dass diese beiden Entwicklungslinien nicht mehr unverändert fortgeschrieben werden können. Grund dafür ist die im Jahr 2007 begonnene und noch nicht vollständig überwundene schwere Finanzmarktkrise und die Reaktion der Politik darauf. Die Ursachen der Finanzmarktkrise wurden in einer Reihe von internationalen Studien ausführlich beschrieben. Dies sind, um nur einige wichtige zu nennen, die G-20 Erklärung aus dem November 20084, der Report der Group of Thirty vom Januar 20095, der sog. de Larosière-Report einer von der EU-Kommission ein1 Dazu auch im Überblick König in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, Bd. 2, Rz. VIII 18 ff. 2 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, S. 2010. 3 Gesetz zur Vereinfachung der Ausgabe von Schuldverschreibungen v. 17.12.1990, BGBl. I 1990, S. 2839. 4 G-20 Declaration, Summit on Financial Markets and the World Economy, 15.11.2008, http://www.g20.org/Documents/g20_summit_declaration.pdf. 5 Group of Thirty, Financial Reform: A Framework for Financial Stability, 15.1.2009, http://www.group30.org/pubs/reformreport.pdf.
30
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Wittig
Fortentwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts – ein Ausblick
1. Teil
gesetzten Expertengruppe aus dem Februar 20091 und die sog. Turner Review der britischen Aufsicht FSA vom März 20092. Zugleich haben diese Studien als Lehren aus der Finanzmarktkrise umfängliche Empfehlungen zur Änderung und Verschärfung des Rechtsrahmens für den Bank- und Kapitalmarkt ausgesprochen. Die aktuelle Entwicklung ist danach von zwei anderen Phänomenen geprägt: Zum einen tritt an die Stelle der Liberalisierung und Förderung von Bank- und Kapitalmarktgeschäften als Reaktion auf die Finanzmarktkrise eine zunehmende Regulierung und Einschränkung3. Zum anderen wird die europäische Rechtsvereinheitlichung von noch weiter reichenden, globalen Bemühungen um eine Harmonisierung des Rechtsrahmens für Bank- und Kapitalmärkte überlagert4. Kennzeichnend hierfür sind insbesondere die Verabredungen der G20-Staaten5 und die konzeptionellen Vorarbeiten für global harmonisierte Regulierungsinitiativen des von den G20-Staaten eingesetzten Financial Stability Board6. Zugleich führt aber in Deutschland politische Ungeduld dazu, dass ohne Rücksicht oder Abwarten auf europäische Gesetzgebungsvorhaben im nationalen Alleingang restriktivere Regelungen für das Bank- und Kapitalmarktgeschäft getroffen werden sollen, zB mit der Einführung des Verbots ungedeckter Leerverkäufe im Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte (WpMiVoG)7, der Einführung einer Bankenabgabe im vorgesehenen Restrukturierungsfondsgesetz8 oder des Beharrens darauf, anders als durch die europäische Richtlinie vorgegeben, in § 18a KWGNeu einen Selbstbehalt des Kreditinstituts als Originator oder Sponsor von Verbriefungstransaktionen von 10 % statt 5 % zu verlangen9.
1 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, 25.2.2009 (sog. de Larosière-Report), http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/de_larosiere_report_en. pdf. 2 FSA, The Turner Review: A Regulatory Response to the Global Banking Crisis, März 2009, http://www.fsa.gov.uk/pages/Library/Corporate/turner/index.shtml. 3 Dazu im Überblick auch Wittig, Reform aufsichtsrechtlicher Rahmenbedingungen als Reaktion auf die Finanzmarktkrise, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 30, 2010, S. 129 ff. 4 Siehe auch Mülbert, Finanzmarktregulierung – Welche Regelungen empfehlen sich für den deutschen und europäischen Finanzsektor?, JZ 2010, 834 ff. 5 Dazu http://www.g20.org. 6 Dazu http://www.financialstabilityboard.org. 7 Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte (WpMiVoG) v. 21.7.2010, BGBl. I 2010, S. 945. 8 Art. 3 des Restrukturierungsgesetzes gemäß Regierungsentwurf eines Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz), BT-Drucks. 17/3024 v. 27.9.2010. 9 So die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie, BT-Drucks. 17/2472.
Wittig
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31
1.75
1. Teil
Einführung
II. Aktuelle Gesetzesvorhaben im deutschen und europäischen Bankrecht1 1. Öffentliches Bankrecht
1.76
Im Zentrum der Diskussionen um eine Verbesserung der aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für das Bankgeschäft stehen drei Dinge. Zum einen soll durch eine verbesserte Kapitalausstattung von Kreditinstituten verhindert werden, dass es in einer eventuellen künftigen Finanzkrise erneut zum Zusammenbruch von Banken kommt. Zweitens soll eine effizienterer Rechtsrahmen für die Abwicklung gescheiterter Kreditinstitute ermöglichen, auf die finanzielle Unterstützung von insolventen Kreditinstituten aus Steuermitteln zu verzichten, da ihre Insolvenz ohne Systemrisiken bewältigt werden kann. Drittens schließlich soll eine verbesserte europäische Aufsicht künftige Finanzkrisen vermeiden helfen. a) Verbesserte Kapitalausstattung (Basel III)
1.77
Als einer der Gründe für die Finanzkrise wurde sehr schnell identifiziert, dass Kreditinstitute nicht über eine ausreichende Kapitalausstattung verfügten, um die von ihnen eingegangenen Risiken tragen zu können2. Dementsprechend hatte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht bereits in einer Presseerklärung v. 12.3.2009 angekündigt, dass die Kapitalausstattung im gesamten Bankensystem gestärkt werden muss, damit dieses widerstandsfähiger wird in zukünftigen Wirtschafts- und Finanzkrisen3. Dies war beim G 20-Gipfeltreffen in Pittsburgh als globales Ziel bestätigt worden4. Danach soll eine verbesserte Kapitalausstattung durch eine Kombination von Maßnahmen erreicht werden, zB Vorgaben für den Aufbau von Eigenmittelpuffern als Vorsorge für Krisenzeiten, eine Stärkung der Qualität der Eigenmittel, eine verbesserte Risikoberücksichtigung bei den Kapitalanforderungen und ergänzende, nicht-risikobasierte Maßnahmen.
1.78
Entsprechend diesen Empfehlungen hat die Europäische Kommission eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt, die europarechtlichen Eigenkapitalvorschriften der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG zu ändern. Nach der englischen Bezeichnung der beiden Eigenkapitalrichtlinien in ihrer Gesamtheit
1 Zu den laufenden Gesetzesvorhaben auch Mülbert, Finanzmarktregulierung – Welche Regelungen empfehlen sich für den deutschen und europäischen Finanzsektor?, JZ 2010, 834 ff. 2 Dazu im Überblick auch Wittig, Reform aufsichtsrechtlicher Rahmenbedingungen als Reaktion auf die Finanzmarktkrise, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 30, 2010, S. 129 ff. 3 Dazu und zum folgenden: Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Presseerklärung v. 12.3.2009, http://www.bis.org/press/p090312.htm. 4 G-20 Leaders´ Statement: The Pittsburgh Summit, S. 8, Abs. 13.
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Wittig
Fortentwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts – ein Ausblick
1. Teil
als Capital Requirements Directive (CRD) sind die Vorschläge der Kommission kurz als CRD II, CRD III und CRD IV benannt1. Im Oktober 2008 hat die europäische Kommission bereits Maßnahmen zur Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen für Banken beschlossen (sog. CRD II)2. Dabei wurden folgende Änderungen vorgeschlagen:
1.79
– Verbesserung des Managements von Großkrediten: Banken dürfen bei der Kreditvergabe an eine Partei nicht über ein bestimmtes Limit hinausgehen. – Verbesserte Aufsicht über grenzübergreifend tätige Bankengruppen: Für Bankengruppen, die in mehreren EU-Ländern tätig sind, werden Aufsichtskollegien eingerichtet. Die einzelnen nationalen Aufsichtsbehörden erhalten klarere Rechte und Zuständigkeiten und können ihre Zusammenarbeit effizienter gestalten. – Verbesserung der Qualität des Bankenkapitals: EU-weit werden klare Kriterien dafür festgelegt, ob hybride Finanzinstrumente, die Merkmale sowohl von Eigen- als auch Fremdkapital aufweisen, dem Gesamtkapital einer Bank hinzugerechnet werden können – also dem Betrag, der ausschlaggebend dafür ist, wie viel Kredit eine Bank vergeben kann. – Verbessertes Liquiditätsrisikomanagement: Auch das Liquiditätsrisikomanagement von Bankengruppen, die in mehreren EU-Ländern tätig sind, also die tagtägliche Finanzierung ihrer Geschäfte, wird innerhalb der Aufsichtskollegien diskutiert und koordiniert. Die Liquiditätsbestimmungen entsprechen den laufenden Arbeiten im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht und im Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden. – Verbessertes Risikomanagement für verbriefte Produkte: Verschärft werden die Vorschriften für verbriefte Verbindlichkeiten – deren Rückzahlung von der Entwicklung des hierfür bestimmten Anleihepools abhängt. Ein großer Teil dieser Regelungen ist auf europäischer Ebene bereits durch die Richtlinien 2009/111/EG3 und 2009/83/EG4 verabschiedet worden. Ein deutsches Umsetzungsgesetz liegt als Entwurf vor5. 1 Dazu auch Mülbert, Finanzmarktregulierung – Welche Regelungen empfehlen sich für den deutschen und europäischen Finanzsektor?, JZ 2010, 834 ff. 2 Mitteilung der Europäischen Kommission (IP/08/1433) v. 1.10.2008, http://europa. eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/08/1433&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en. 3 Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisationen zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestandteile, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 97. 4 Richtlinie 2009/83/EG der Kommission vom 27.7.2009 zur Änderung bestimmter Anhänge der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates mit technischen Bestimmungen über das Risikomanagement, ABl. EU Nr. L 196 v. 28.7.2009, S. 14. 5 Entwurf eines Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie, in der Fassung der Beschlussempfehlung des BTFinanzausschusses, BT-Drucks. 17/2472.
Wittig
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1.80
1. Teil
Einführung
1.81
Weitere Beschlüsse für strengere Eigenkapitalvorschriften für Banken (CRD III) hat die Europäische Kommission am 13.7.2009 vorgeschlagen1. Diese Vorschläge betreffen vor allem, neben Regelungen der Vergütung im Bankgewerbe, die Eigenkapitalvorschriften für Weiterverbriefungen, die Offenlegung von Verbriefungsrisiken sowie Eigenkapitalanforderungen für das Handelsbuch. Im Juli 2010 hat das Europäische Parlament dazu mit legislativer Entschließung in erster Lesung den Entwurf einer Richtlinie verabschiedet2.
1.82
CRD IV, das zum Teil schon Basel III (dazu unten bei Rz. 1.83) vorwegnimmt, zielt schließlich auf sieben Bereiche3: – Liquidität: Einführung von Standards, die eine Liquiditätsdeckungsquote und eine längerfristige strukturelle Liquiditätsquote beinhalten. – Eigenkapital: Verbesserung von Qualität, Konsistenz und Transparenz der Eigenkapitalbasis. – Leverage Ratio: Einführung einer maximalen Verschuldungsquote als Ergänzung zum risikobasierten Ansatz von Basel II mit entsprechender Überprüfung und Kalibrierung. – Gegenparteiausfallrisiko: Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen für das Gegenparteirisiko bei Derivaten, Pensionsgeschäften und Wertpapiertransaktionen. – Antizyklische Maßnahmen: Antizyklische Eigenkapitalvorschriften werden zu einem stabileren Bankensystem beitragen und dafür sorgen, dass Wirtschafts- und Finanzschocks nicht noch verstärkt, sondern gedämpft werden. – Systemrelevante Finanzinstitute: Geeignete Maßnahmen gegen das von solchen Instituten ausgehende Risiko. – Einheitliches Regelwerk für Banken: Bereiche, die möglicherweise strenger reguliert werden müssen, zB bei der aufsichtliche Behandlung von Immobilienkrediten.
1.83
Mittlerweile sind die auch Diskussionen des Basler Ausschuss für Bankenaufsicht zu einer Neuregelung der Kapitalanforderungen („Basel III“) auf der Zielgerade. Anlässlich ihrer Sitzung v. 12.9.2010 beschloss das Führungsgremium des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, die Gruppe der Zentralbankpräsi1 Mitteilung der Europäischen Kommission (IP/09/1920) v. 13.7.2009, http://europa. eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/1120&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en. 2 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments v. 7.7.2010 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Weiterverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik (KOM(2009)0362 – C7-0096/2009 – 2009/0099 (COD)), P7_TA(2010)0274. 3 Mitteilung der Europäischen Kommission (IP/10/197) v. 26.2.2010, http://europa. eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/10/197&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=de.
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Wittig
Fortentwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts – ein Ausblick
1. Teil
denten und Leiter der Bankenaufsichtsinstanzen, eine erhebliche Verschärfung der bestehenden Eigenkapitalanforderungen1. Das Reformpaket des Basler Ausschusses wird die Mindestanforderung für das harte Kernkapital von 2 % auf 4,5 % anheben. Zudem werden Banken verpflichtet, ein Kapitalerhaltungspolster von 2,5 % vorzuhalten, um gegen künftige Stressphasen gewappnet zu sein. Damit steigen die Mindestanforderungen für das harte Kernkapital auf insgesamt 7 %. Dies wird ergänzt durch enger gefasste Definitionen für das Eigenkapital und höheren Eigenkapitalvorschriften für das Handels-, Derivativ- und Verbriefungsgeschäft, die Ende 2011 eingeführt werden sollen. Ein antizyklisches Kapitalpolster im Bereich von 0–2,5 % bestehend aus hartem Kernkapital oder sonstigem Kapital, das eine volle Verlustabsorption gewährleistet, wird entsprechend den jeweiligen nationalen Verhältnissen eingeführt. Dies soll den Bankensektor vor Phasen eines übermässig hohen Wachstums des Gesamtkreditvolumens zu schützen. Die neuen Eigenkapitalanforderungen werden ergänzt durch eine nicht risiko-basierte Höchstverschuldungsquote (Leverage Ratio), die als Korrektiv zu den risikobasierten Messgrössen wirkt. Anfangs soll dafür versuchsweise eine Mindestanforderung von 3 % des Kernkapitals gelten (siehe näher dazu Rz. 2.166a f.). Die Umsetzung der Regeln von Basel III in den Mitgliedsländern auf nationaler Ebene soll am 1.1.2013 beginnen. Allerdings sind ergänzend gewisse Übergangsregelungen bis Ende 2018 vorgesehen.
1.84
b) Effizienterer Rechtsrahmen für die Restrukturierung und Abwicklung von Kreditinstituten Der deutsche Gesetzgeber hat als eine der wesentlichen Lehren aus der Finanzmarktkrise den Schluss gezogen, dass geeignete Instrumente entwickelt werden müssen, um Banken, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, in einem geordneten Verfahren entweder zu sanieren oder abzuwickeln2. Es hat sich gezeigt, dass dies mit den Mitteln des herkömmlichen Insolvenzrechts nur in seltenen Ausnahmefällen zu bewältigen ist. Denn schon die Insolvenz einer mittelgroßen, aber stark vernetzten Bank kann Schockwellen auf dem Finanzmarkt auslösen, die die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden. Auch die bislang vorhandenen bankaufsichtsrechtlichen Instrumente zur Insolvenzbewältigung erscheinen dem Gesetzgeber für die Sanierung von systemrelevanten Banken nicht geeignet. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den Geschäftsbetrieb einzufrieren und die Vertragsbeziehungen zu anderen Finanzmarktteilnehmern zu unterbrechen und können damit dieselben Folgen wie eine Insolvenz auslösen.
1 Dazu und zum folgenden: Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Presseerklärung v. 12.9.2010, http://www.bis.org/press/p100912_de.pdf 2 Hierzu und zum folgenden Begr. RegE eines Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz), BT-Drucks. 17/3024 v. 27.9.2010, S. 1.
Wittig
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1.85
1. Teil
1.86
Einführung
Als Konsequenz hat die Bundesregierung den Entwurf eines Restrukturierungsgesetzes1 vorgelegt. Dieses Gesetz sieht neben Regelungen zur Verschärfung der Organhaftung vor allem drei Instrumente vor, die sich ergänzen: Zum einen ein privatrechtlich ausgestaltetes, zweistufiges Verfahren zur Sanierung und Reorganisation von Kreditinstituten, das in einem Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG) geregelt werden soll. Zum zweiten bessere und zusätzliche aufsichtsrechtliche Instrumente zum frühzeitigen Eingreifen und zur Krisenbewältigung. Wiederum zweistufig soll damit die Aufsicht zunächst frühzeitig Sanierungsschritte der Kreditinstitute fordern und durchzusetzen können, aber in einen zweiten Schritt auch erweiterte hoheitliche Handlungsinstrumente zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung einer gefährdeten Bank erhalten. Drittens schließlich soll ein aus einer Bankenabgabe von den Kreditinstituten selbst gespeister Restrukturierungsfonds errichtet werden, dessen Mittel zur Finanzierung künftiger Restrukturierungs- und Abwicklungsmaßnahmen bei systemrelevanten Banken bereitstehen. c) Verbesserte europäische Aufsichtsstrukturen
1.87
Schon früh hat die Europäische Kommission postuliert, dass die Finanzkrise erhebliche Schwachstellen bei der Einzel- und Systemaufsicht offen gelegt hat2. Die bestehenden Aufsichtsregelungen hätten die Krise wieder verhindern noch steuern oder beilegen können. Grund dafür sei, dass die nationalen Aufsichtsmodelle mit der Integration und der internationalen Verknüpfung der heutigen Finanzmärkte mit vielen grenzüberschreitend tätigen Finanzinstitute nicht mehr Schritt halte. Auch habe die Krise gezeigt, dass es in hohem Maße an Zusammenarbeit, Koordinierung, Kohärenz und gegenseitigem Vertrauen zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden fehle. Deshalb hatte die Kommission am 27.5.2009 im Anschluss an die Vorarbeiten der sog. de Larosière-Gruppe einen umfassenden Vorschlag für die Stärkung der europäischen Finanzaufsicht unterbreitet. Dieser sieht zum einen die Schaffung eines neuartigen europäischen Gremiums für die Überwachung der Risiken im Finanzsystem vor. Zum anderen soll durch neue europäische Finanzaufsichtsbehörden die Zusammenarbeit und Koordinierung der nationalen Aufsichtsbehörden gestärkt werden3. Diese Vorschläge waren am 19.6.2009 von den EU-Staats- und Regierungschefs im Rat der Europäischen Union weitgehend gebilligt worden4, am 23.9.2009 hatte die Kommission
1 RegE eines Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz), BT-Drucks. 17/3024 v. 27.9.2010, S. 1. 2 Dazu und zum folgenden: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung v. 27.5.2009, KOM (2009) 252, S. 1. 3 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung v. 27.5.2009, KOM (2009) 252. 4 Rat der Europäischen Union, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Tagung vom 18./ 19. Juni 2009, 11225/09, v. 19.6.2009.
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Wittig
Fortentwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts – ein Ausblick
1. Teil
dazu konkrete Regelungsentwürfe angenommen1, und am 2.12.2009 haben die Finanzminister im Rat der Europäischen Kommission (ECOFIN) dies in Kompromissvorschlägen2 weiter überarbeitet. Verabschiedet worden sind die Regelungen dann mit Beschluss des Europäischen Parlaments im September 20103. Danach soll der verbesserte europäische Aufsichtsrahmen ab dem 1.1.2011 aus zwei neuen Säulen bestehen, einem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (Makroaufsicht) und einem Europäischen System für die Finanzaufsicht mit drei neuen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (Mikroaufsicht)4: Als neues unabhängiges Gremium wird gemäß der Verordnung über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken ein Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) geschaffen. Der Vorschlag weist einige Parallelen zum US-Amerikanischen Financial Stability Oversight Council (FSCO) auf, das kürzlich durch den Dodd-Frank Act etabliert wurde. Aufgabe des ESRB wird es sein, potenzielle Risiken für die Finanzmarktstabilität, die sich aus makroökonomischen Entwicklungen und aus Entwicklungen innerhalb des Finanzsystems insgesamt ergeben, zu überwachen und zu bewerten („Aufsicht auf Makroebene“). Zu diesem Zweck soll der ESRB frühzeitig vor sich abzeichnenden systemweiten Risiken warnen und erforderlichenfalls Empfehlungen zur Eindämmung dieser Risiken aussprechen. Damit soll nach Vorstellung der EU-Kommission der Anfälligkeit des Finanzsystems gegenüber zusammenhängenden, komplexen sektoralen 1 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken v. 23.9.2009, KOM/2009/499 endg. – COD 2009/0140; Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Bankaufsichtsbehörde v. 23.9.2009, KOM/ 2009/0501 endg. – COD 2009/0142; Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung v. 23.9.2009, KOM/ 2009/0502 endg. – COD 2009/0143; Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde v. 23.9.2009, KOM/2009/0503 endg. – COD 2009/0144. 2 ZB Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council establishing a European Banking Authority v. 2.12.2009, 2009/0142 (COD). 3 Siehe dazu Pressemitteilung des Europäischen Parlaments v. 22.9.2010, „Parlament gibt grünes Licht für die neue Finanzaufsicht“, http://www.europarl.europa.eu/sides/ getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+IM-PRESS+20100921IPR83190+0+DOC+XML+V0// DE&language=DE; Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments v. 22.9.2010 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (KOM(2009)0499 – C70166/2009 – 2009/0140(COD)). 4 Dazu auch Wittig, Stärkung der europäischen Finanzaufsicht, DB 2010, Standpunkte, S. 69 f.; Hopt, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen und internationalen Finanzmarktarchitektur, NZG 2009, 1401 ff. (insbesondere 1404 ff.); Wittig, Reform aufsichtsrechtlicher Rahmenbedingungen als Reaktion auf die Finanzmarktkrise, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 30, 2010, S. 129 ff.
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1.88
1. Teil
Einführung
und sektorübergreifenden Systemrisiken entgegengewirkt werden, die in der Finanzkrise als eine der größten Schwachstellen erwiesen hätten1.
1.89
Daneben tritt als zweite Säule das neue Europäische System für Finanzaufsicht (European System of Financial Supervisors, ESFS) als Weiterentwicklung und Stärkung der drei bestehenden Europäischen Ausschüsse der Aufsichtsbehörden. Für das ESFS treten an Stelle der drei europäischen „Lamfalussy-/ Stufe 3-Ausschüsse“, in denen die europäischen Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten2, drei neue europäische Aufsichtsbehörden, die allesamt Rechtspersönlichkeit haben. Diese sollen zusammen mit den nationalen Aufsichtsbehörden ein operationelles europäisches Netz mit geteilten und sich gegenseitig verstärkenden Zuständigkeiten bilden3.
1.90
Im Einzelnen erfolgt dazu ab dem 1.1.2011 die Schaffung folgender Behörden: – Europäische Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA), – Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority, EIOPA) und – Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA). Diese drei Behörden werden ihren Sitz am bisherigen Sitz der drei Ausschüsse haben, also EBA in London, EIOPA in Frankfurt und ESMA in Paris.
1.91
Mit Schaffung des ESFS bleibt der Schwerpunkt der laufenden Beaufsichtigung bei den nationalen Aufsichtsbehörden. Diese sind weiterhin für die Beaufsichtigung der einzelnen Institute zuständig. Die Europäischen Aufsichtsbehörden werden aber nicht nur alle Aufgaben der derzeitigen Aufsichtsausschüsse übernehmen, sondern darüber hinaus mit erweiterten Zuständigkeiten, definierten Rechtsbefugnissen und einer größeren Autorität ausgestattet sein. Sie sollen auch an der Ausarbeitung eines einheitlichen Satzes harmonisierter Vorschriften beteiligt sein, die Beaufsichtigung grenzübergreifend tätiger Institute durch die Entwicklung gemeinsamer Aufsichtsanforderungen und -ansätze verbessern und einen Beitrag zur möglichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden leisten.
1 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung v. 27.5.2009, KOM(2009) 252, S. 3. 2 Ausschuss der europäischen Bankenaufsichtsbehörden (Committee of European Banking Supervisors, CEBS), Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Committee of European Insurance and Occupational Pensions Committee, CEIOPS) und Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (Committee of European Securities Regulators, CESR). 3 Dazu auch Hopt, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen und internationalen Finanzmarktarchitektur, NZG 2009, 1401 (1405 ff.); Stellungnahme der Europäischen Zentralbank v. 8.1.2010, ABl. EU Nr. C 13 v. 20.1.2010, S. 1 ff.
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Wittig
Fortentwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts – ein Ausblick
1. Teil
III. Kapitalmarktrecht 1. Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz Auch für das Kapitalmarktrecht zeichnet sich eine stärkere Regulierung und eine Stärkung des Anlegerschutzes als Reaktion auf die Finanzmarktkrise ab1. Im Mittelpunkt der Diskussion in Deutschland steht dabei der Entwurf eines Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz2. Der Gesetzgeber will damit in der Finanzmarktkrise erkannte Defizite an den Kapitalmärkten beseitigen, die nach seiner Auffassung das Vertrauen der Marktteilnehmer und der Gesamtbevölkerung in funktionsfähige Märkte und ein faires, kundenorientiertes Finanzdienstleistungsangebot unterhöhlen. Die drei, neben Ansätzen zu einer Regulierung des sog. Grauen Kapitalmarkts, wesentlichen Regelungskomplexe des Gesetzesentwurfs3, nämlich Schutz von Privatanlegern vor Falschberatung, Verbesserung der Transparenz von Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen und Stärkung der Liquidität von Investment in offenen Immobilienfonds für Privatanleger, stehen allerdings etwas unvermittelt nebeneinander.
1.92
Um die Beratung privater Investoren zu verbessern, sollen zum einen der BaFin zusätzliche Möglichkeiten eingeräumt werden, um Verstöße gegen die Gebote der anlegergerechten Beratung und der Offenlegung von Provisionen als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Zum anderen sollen Berater sowie Verantwortliche für Vertriebsvorgaben und die sog. Compliance-Funktion bei der BaFin registriert und ihre angemessene Qualifikation nachgewiesen werden. Bei Verstößen gegen anlegerschützende Vorschriften soll die BaFin als Sanktion gegen die Institute verhängen können, dass einzelne Personen für einen bestimmten Zeitraum nicht mehr in der Beratung eingesetzt werden dürfen. Außerdem wird für den Vertrieb von Finanzprodukten vorgesehen, dass in Zukunft ein kurzes und leicht verständliches Dokument die Anleger über die wesentlichen Merkmale eines Finanzinstruments informieren muss.
1.93
Mit einer Stärkung der Beteiligungstransparenz will der Gesetzgeber vermeiden, dass große Stimmrechtspositionen aufgebaut werden können, ohne dass die BaFin, der Markt oder Emittenten darüber frühzeitig in Kenntnis gesetzt werden. Dazu sollen die wertpapierhandelsrechtlichen Meldepflichten erweitert werden. Auch sollen zur Verbesserung der Kapitalmarkttransparenz in das Wertpapierhandelsgesetz neue Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für bislang nicht erfasste Finanzinstrumente, die lediglich das Recht auf einen Zahlungsausgleich enthalten, sowie Geschäfte mit ähnlicher Wirkung (zB Wertpapierdarlehen) eingefügt werden.
1.94
1 Siehe dazu auch Liebscher/Ott, Die Regulierung der Finanzmärkte – Reformbedarf und Regelungsansätze des deutschen Gesetzgebers im Überblick, NZG 2010, 841 ff. 2 RegE eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz), BR-Drucks. 584/10 v. 24.9.2010. 3 Zum Diskussionentwurf Sethe, Verbesserung des Anlegerschutzes? Eine kritische Würdigung des Diskussionsentwurfes für ein Anlegerstärkungs- und Funktionsverbesserungsgesetz, ZBB 2010, 26 ff.
Wittig
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1. Teil
1.95
Einführung
Bei den offenen Immobilienfonds will der Gesetzgeber mit der Abkehr von der täglichen Anteilrücknahme in Verbindung mit Mindesthaltefristen den Kapitalanlagegesellschaften eine bessere Liquiditätssteuerung ermöglichen, damit sie die Aussetzung der Anteilrücknahme künftig besser als heute vermeiden können. Für Kleinanleger soll auch innerhalb dieser Haltefristen weiterhin die Möglichkeit bestehen, monatlich Anteile im Wert bis zu 5000 Euro zurückzugeben. Fonds, die auch nach dem neuen Regime länger als zweieinhalb Jahre nicht über die erforderliche Rückgabeliquidität verfügen, sollen klareren Regeln für die Abwicklung des Sondervermögens und seine Verteilung an die Anleger unterliegen.
2. Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte
1.96
Ein weiteres wesentliches Rechtssetzungsvorhaben des deutschen Gesetzgebers war die Schaffung eines Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte (WpMiVoG)1 mit neuen Regelungen im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Zum einen werden damit ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und Schuldtiteln von Staaten der Eurozone, die an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, verboten. Zum anderen ist ein zweistufiges Transparenzsystem für Netto-Leerverkaufspositionen eingeführt worden. Außerdem werden bestimmte ungedeckte Kreditausfallversicherungen auf Verbindlichkeiten von EU-Mitgliedstaaten (so genannten Credit Default Swaps, CDS) verboten, bei denen kein eigener Absicherungszweck besteht. Schließlich wurde im neuen § 4a WpHG die BaFin autorisiert, im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank den Handel mit Finanzinstrumenten vorübergehend zu untersagen oder den Handel an Märkten, an denen solche Finanzinstrumente gehandelt werden, vorübergehend auszusetzen, soweit Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte zu befürchten sind oder das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte erschüttert werden könnte2.
1 Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte (WpMiVoG) v. 21.7.2010, BGBl. I 2010, S. 945. 2 Dazu auch Liebscher/Ott, Die Regulierung der Finanzmärkte – Reformbedarf und Regelungsansätze des deutschen Gesetzgebers im Überblick, NZG 2010, 841 (844 f.); Mülbert, Finanzmarktregulierung – Welche Regelungen empfehlen sich für den deutschen und europäischen Finanzsektor?, JZ 2010, 834 ff.
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Wittig
2. Teil Bankaufsichtsrecht
. . .
Rz. 1
I. Das KWG und die Ziele des Bankaufsichtsrechts . . . . . . .
1
1. Abschnitt: Grundsätzliches
II. Institutionelle Grundstruktur des deutschen Finanzwesens . . 1. Universalbanken . . . . . . . . a) Kreditbanken . . . . . . . . . b) Sparkassen- und Girozentralen (Sparkassenbereich) . . . . . . c) Kreditgenossenschaften . . . . 2. Kreditinstitute mit Sonderaufgaben . . . . . . . . . . . . . . 3. Organisation in Spitzenverbänden . . . . . . . . . . . . . . .
5 6 7 8 9 10 11
6. Eigenhandel . . . . . . . . . . . 7. Drittstaateneinlagenvermittlung 8. Sortengeschäft . . . . . . . . . . 9. Factoring . . . . . . . . . . . . . 10. Finanzierungsleasing . . . . . . 11. Anlageverwaltung . . . . . . . . 12. Eigengeschäfte . . . . . . . . . .
Rz. 80 81 82 83 86 87 93
III. Ausnahmetatbestände . . . . . .
95
3. Abschnitt: Erlaubnis und europäischer Pass . . . . . 111 I. Erlaubnispflicht für bankgeschäftliche Tätigkeiten . . . . . 111 II. Inhaberkontrolle . . . . . . . . . 113
2. Abschnitt: Adressaten der Aufsicht . . . . . . . I. Kreditinstitute . . . . . . . . . . 1. Einlagengeschäft . . . . . . . . 2. Pfandbriefgeschäft . . . . . . . . 3. Kreditgeschäft . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zu gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen . . . b) Übertragung von Kreditrisiken 4. Diskontgeschäft . . . . . . . . . 5. Finanzkommissionsgeschäft . . 6. Depotgeschäft . . . . . . . . . . 7. Revolvinggeschäft . . . . . . . . 8. Garantiegeschäft . . . . . . . . 9. Scheckeinzugsgeschäft, Wechseleinzugsgeschäft und Reisescheckgeschäft . . . . . . . . . 10. Emissionsgeschäft . . . . . . . . 11. E-Geld-Geschäft . . . . . . . . . 12. Tätigkeit als zentraler Kontrahent . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzdienstleistungsinstitute 1. Anlagevermittlung . . . . . . 2. Anlageberatung . . . . . . . . 3. Betrieb eines multilateralen Handelssystems . . . . . . . . 4. Platzierungsgeschäft . . . . . . 5. Finanzportfolioverwaltung . .
21 22 23 33 34 37 38 39 41 49 53 55
57 58 64 65
. . .
66 68 70
. . .
75 76 78
III. Europäischer Pass . . . . . . . . 119 4. Abschnitt: Organisationspflichten 126 I. Organisationspflichten nach dem KWG . . . . . . . . . . . . . . 1. Risikostrategie . . . . . . . . . . 2. Funktionentrennung . . . . . . . a) Kreditgeschäft . . . . . . . . . b) Handelsgeschäft . . . . . . . . 3. Risikosteuerungs- und -controllingprozesse . . . . . . . . . . . 4. Interne Revision . . . . . . . . .
126 128 131 133 134 136 137
II. Verknüpfung mit der „ersten Säule“ . . . . . . . . . . . . . . 139 5. Abschnitt: Eigenmittel, Solvenz und Liquidität . . . . . 151 I. Eigenmittel nach dem KWG . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Kernkapital (Tier 1-Kapital) . . . a) Eingezahltes Kapital . . . . . b) Offene Rücklagen . . . . . . . c) Fonds für allgemeine Bankrisiken . . . . . . . . . . . . . . d) Bilanzgewinn . . . . . . . . . e) Hybride Instrumente . . . . . f) Einschränkung der Zulässigkeit hybrider Kapitalia . . . . aa) Dauerhaftigkeit . . . . . . bb) Verlustabsorption . . . . .
Schelm
151 151 154 155 157 159 160 161 162 163 164
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2. Teil Rz. cc) Quantitative Grenzen . . . 165 dd) Fokussierung auf „harte“ Kernkapitalkomponenten . 166 ee) Ausblick auf Basel III . . . 166a g) Abzugsposten . . . . . . . . . 167 3. Ergänzungskapital . . . . . . . . 170 a) Ungebundene Vorsorgereserven . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Kumulative Vorzugsaktien . . 172 c) Neubewertungsreserven . . . 173 d) Weitere Anforderungen an das Ergänzungskapital . . . . . . 174 e) Längerfristige nachrangige Verbindlichkeiten . . . . . . 176 4. Drittrangmittel . . . . . . . . . 177 5. Anrechenbarkeit . . . . . . . . 178 6. Modifiziertes verfügbares Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . 179 7. Anrechnungsfähigkeit von Drittrangmitteln . . . . . . . . . . . 181 II. Grundlagen der Solvenzregelungen . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Adressrisiken . . . . . . . . . . 186 1. Ansätze zur Bestimmung der Adressrisiken . . . . . . . . . . 187 2. Adressenausfallrisikopositionen 188 3. Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) 189 a) Festlegung der relevanten Bemessungsgrundlage . . . . 190 b) Berechnung des KSA-Positionswerts . . . . . . . . . . 192 c) Berechnung der risikogewichteten Positionswerte . . . . . 193 d) Kreditrisikominderungstechniken . . . . . . . . . . . . . 196 4. Auf internen Ratings basierender Ansatz (IRBA) . . . . . . . . 197 a) Bemessungsgrundlage . . . . 198 b) Berechnung des IRBA-Positionswerts . . . . . . . . . . 200 c) Risikogewichtete IRBA-Positionswerte . . . . . . . . . . 202 5. Verbriefungen . . . . . . . . . . 205 IV. Operationelle Risiken . . . . . . 206 1. Basisindikatoransatz . . . . . . 207 2. Standardansatz . . . . . . . . . 208 3. Advanced Measurement Approach (AMA) . . . . . . . . 210 V. Marktpreisrisiken . . . . . . . . 211 1. Standardmethode . . . . . . . . 213
42
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Schelm
Bankaufsichtsrecht
a) Handelsbuchrisikopositionen aa) Zusammenfassung in Nettopositionen . . . . . bb) Aktienkursrisiken . . . . cc) Zinsrisiken . . . . . . . (1) Allgemeines Zinsrisiko . (2) Besonderes Zinsrisiko . . b) Fremdwährungsrisiken . . . 2. Eigene Modelle . . . . . . . . a) Value at Risk . . . . . . . . b) Schwächen und Weiterentwicklung der VaR-Modelle . VI. Meldepflichten . . . . . . . 1. Offenlegung und externe Kontrolle durch den Markt . . . 2. Offenlegung nach der SolvV . a) Offenlegung gegenüber dem Markt . . . . . . . . . . . b) Meldung an die Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . .
Rz. 213 214 215 217 218 224 225 226 226 228
. 231 . 231 . 232 . 232 . 236
VII. Liquidität . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Anforderungen des KWG . . . . . . . . . . . . . . 2. Liquiditätsanforderungen nach der LiqV . . . . . . . . . . . . a) Standardansatz der LiqV . . . b) Eigene Modelle der Institute 3. Vorgaben der MaRisk . . . . .
238 240 241 242 243 244
6. Abschnitt: Einlagensicherung und Anlegerentschädigung 251 I. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . 1. Europarechtliche Grundlagen . . 2. Geschützte Vermögenswerte . . 3. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . 4. Eintritt des Entschädigungsfalls . 5. Entschädigungseinrichtung deutscher Banken . . . . . . . . . .
252 252 253 255 256 258
II. Institutssicherung . . . . . . . . 259 III. Freiwillige Einlagensicherung . . 260 7. Abschnitt: Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen . . . . . . . . 271 I. Aufsichtsbehörden
. . . . . . . 271
II. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen 275 1. Handlungsformen . . . . . . . . 276
2. Teil
Bankaufsichtsrecht
Rz.
Rz. 2. Maßnahmen nach der Generalklausel . . . . . . . . . . . . . a) Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen . . . . . b) Institutsbezogene Missstände . c) Institutsübergreifende Missstände . . . . . . . . . . . . . 3. Verordnungen . . . . . . . . . . 4. Informelles Verwaltungshandeln 5. Spezielle Eingriffsbefugnisse . .
278 281 282 283 284 285 286
a) Maßnahmen bei unzureichender Solvenz . . . . . . . . . . b) Maßnahmen bei organisatorischen Mängeln . . . . . . . . c) Gefahr für anvertraute Vermögenswerte . . . . . . . . . . . d) Maßnahmen bei Insolvenzgefahr . . . . . . . . . . . . . e) Insolvenzantrag . . . . . . . . f) Moratorium . . . . . . . . . .
286 289 291 298 301 303
Schrifttum: Balzer, Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung, ZBB 2007, 333; Bigus/Leyens, Reform der Anlegerentschädigung und Einlagensicherung – Empfehlungen aus rechtsökonomischer Perspektive, ZBB 2008, 277; Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht – Regelungsziele, Anwendungsprobleme und Reformansätze, dargestellt am Beispiel des deutschen und englischen Rechts, 2005; Bömcke/Weck, Die Auswirkungen der deutschen Einlagensicherung auf den Anlegerschutz – insbes. bei der Vermittlung von Lehman-Zertifikaten, VuR 2009, 53; Canaris, Die Ausgabe von Namensgewinnschuldverschreibungen an Arbeitnehmer in bankaufsichtsrechtlicher Sicht, BB 1978, 227; Dietrich/Giermann, Bankeninsolvenz und Einlagensicherung in Deutschland, ZfgK 2003, 456; du Buisson, Die Reichweite der Erlaubnistatbestände Emissionsgeschäft und Eigenhandel für andere in § 1 Kreditwesengesetz (KWG), WM 2003, 1401; Eßer, Kollektive Anlagemodelle als Finanzportfolioverwaltung, WM 2008, 671; Görner/Dreher, Die Kapitalanlage in Finanzinstrumente durch Kommanditgesellschaften, ZIP 2005, 2139; Grabau/Hundt, Die Sicherheit von Bankguthaben bei Zahlungsunfähigkeit inländischer Kreditinstitute, DZWIR 2003, 275; Gstädtner/Elicker, Zur Erlaubnispflicht für kollektive Anlagemodelle nach § 32 KWG – Gerichte widersprechen BaFin-Praxis zu Finanzkommissionsgeschäft und Investmentgeschäft, BKR 2006, 437; Hammen, Genussscheinfinanzierte Geschäfte mit Finanzinstrumenten und Finanzkommissionsgeschäft nach § 1 Abs. 1 KWG, WM 2005, 813; Hammen, Erlaubnisfreiheit alternativer Anlageinstrumente, europarechtliches Transparenzgebot und Kapitalverkehrsfreiheit, WM 2008, 1901; von Livonius, Aktuelle Rechtsfragen des Vertriebs von Finanzprodukten, BKR 2005, 12; von Livonius/Bernau, Der neue Tatbestand der „Anlageverwaltung als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung, WM 2009, 1216; Mielk, Die wesentlichen Neuregelungen der 6. KWG-Novelle, WM 1997, 2200; Mülbert, Bankenaufsicht und Corporate Governance – Neue Organisationsanforderungen im Finanzdienstleistungsbereich, BKR 2006, 349; Oelkers, Der Begriff des „Eigenhandels für andere“ im KWG, WM 2001, 340; Ricke/Rudolph, Stichwort: Einlagensicherung, BKR 2002, 899; Sahavi, Kollektive Anlagemodelle und das Finanzkommissionsgeschäft iS von § 1 I S. 2 Nr. 4 KWG, ZIP 2005, 929; Schmalenbach/Sester, Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Eintragung in das neu geschaffene Refinanzierungsregister, WM 2005, 2025; Seitz, Die Regulierung von Wertpapierhandelssystemen in der EU, AG 2004, 497; Voge, Schuldrechtlich ausgestaltete Anlagemodelle als Finanzkommissionsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG – Zugleich Anmerkung zu den Urteilen des Hessischen VGH vom 13.12.2006, WM 2007, 1640; Weber, Einlagensicherung und Anlegerentschädigung in Deutschland – Status quo und Ausblick, ZfgK 2008, 560; Wittig, Bankaufsichtsrechtliche Grundlagen des (internen) Ratings und seine Transformation in das Darlehensverhältnis mit Unternehmen, ZHR 169 (2005), 212; Wolf, Bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis für geschlossene und offene Fonds?, DB 2005, 1723; Zerwas/Hanten, Abgrenzungsprobleme und Ausnahmen bei Handelsaktivitäten nach der Sechsten KWG-Novelle, ZBB 2000, 44.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
1. Abschnitt Grundsätzliches I. Das KWG und die Ziele des Bankaufsichtsrechts
2.1
Es besteht ein öffentliches Interesse an einem funktionsfähigen Bankensystem. Dies beginnt mit der Vermittlung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, da Geldschulden, soweit sie nicht aus Geschäften des täglichen Bedarfs herrühren, ganz überwiegend ohne Verwendung von Bargeld durch Kontogutschriften im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs erfüllt werden. Daneben sollen bei den Kreditinstituten unterhaltene Geldguthaben auf Giro-, Sparund Termingeldkonten vor dem Risiko der Insolvenz des kontoführenden Instituts weitestmöglich geschützt sein. Hinzu kommt das Bedürfnis der Wirtschaft und der privaten Verbraucher nach ausreichender Versorgung mit Bankkrediten.
2.2
Die zentrale rechtliche Grundlage für die Beaufsichtigung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen (Bankenaufsicht) ist das Gesetz über das Kreditwesen (KWG). Mit dem Kreditwesengesetz (KWG) hat der Gesetzgeber eine Grundordnung für die Kreditwirtschaft in Gestalt von Struktur- und Ordnungsvorschriften geschaffen. Dieses Gesetz enthält zugleich die Rechtsgrundlage für die staatliche Aufsicht über die Kreditinstitute. Der Vorläufer des heutigen KWG wurde im Jahre 1934 als Folge der Bankenkrise des Jahres 1931 geschaffen.
2.3
Die Hauptziele der Bankenaufsicht sind in § 6 KWG zusammengefasst. Sie bestehen darin, Missständen im Kreditwesen entgegenzuwirken, die die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft nach sich ziehen können. Dabei ist in den letzten Jahren zunehmend das Anliegen in den Vordergrund getreten, systemische Risiken des Finanzsektors zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Dieses gesetzgeberische Ziel sucht das KWG mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen in Einklang zu bringen.
2.4
Dabei ist das KWG von drei Prinzipien geprägt: Die grundsätzliche Freiheit der Institute in ihren geschäftspolitischen Entschlüssen und beim Betreiben der einzelnen Bankgeschäfte wird anerkannt. Allerdings gibt das KWG einen differenzierten rechtlichen Rahmen vor, innerhalb dessen diese Freiheiten ausgeübt werden können. Schließlich bestehen vielfältige Einwirkungsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden, um Missständen oder Risikosituationen – sei es im Bankgewerbe oder bei einzelnen Kreditinstituten – entgegenzutreten.
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2. Teil
Grundsätzliches
II. Institutionelle Grundstruktur des deutschen Finanzwesens Die deutsche Kreditwirtschaft, die sich derzeit aus ca. 21001 Kreditinstituten zusammensetzt, ist in verschiedene Bankengruppen unterteilt. In Anlehnung an die Übersichten der Deutschen Bundesbank können folgende Gruppen von Kreditinstituten unterschieden werden:
2.5
1. Universalbanken Kennzeichnend für das deutsche Bankwesen ist das Universalbankprinzip, bei dem Banken die gesamte Bandbreite – bzw. einen großen Ausschnitt – der Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte iS des KWG anbieten.
2.6
Hierunter fallen: a) Kreditbanken Zu den Kreditbanken gehören die Großbanken, Regionalbanken und sonstige Kreditbanken, Privatbankiers und Zweigstellen ausländischer Banken.
2.7
b) Sparkassen- und Girozentralen (Sparkassenbereich) Die Sparkassen sind Anstalten des öffentlichen Rechts im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge und haben die Aufgabe, in ihrem Geschäftsbereich die Versorgung mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen sicherzustellen. Hierzu zählen die Eröffnung der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch die Führung von Girokonten. Wenngleich die Sparkassen ihre öffentlichen Aufgaben mit privatrechtlichen Gestaltungsmitteln, insbesondere durch Abschluss von Verträgen erfüllen, sind sie bei der Ausgestaltung dieser Vertragsverhältnisse an die verfassungsrechtlichen Grundrechte gebunden.
2.8
c) Kreditgenossenschaften Genossenschaftsbanken sind in Deutschland in der Regel Banken in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft. Hierunter fallen die Volksbanken und die Raiffeisenbanken sowie Spar- und Darlehenskassen.
2.9
2. Kreditinstitute mit Sonderaufgaben Neben den Universalbanken stehen die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben. Hierunter fallen etwa Realkreditinstitute (zB Hypothekenbanken), Bausparkassen sowie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
1 Quelle: Bankstellenstatistik der Deutschen Bundesbank (Stand 31.12.2009).
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2.10
2. Teil
Bankaufsichtsrecht
3. Organisation in Spitzenverbänden
2.11
Die verschiedenen Gruppierungen der Kreditwirtschaft sind in den Spitzenverbänden der Kreditinstitute organisiert. Hierzu gehören: 1. Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB) für die Privatbanken; 2. Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) für die Genossenschaftsbanken; 3. Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. (DSGV) für die SparkassenFinanzgruppe; 4. Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V. (vdp) für die Hypothekenbanken und 5. Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e.V. (VÖB) für die öffentlichen Banken.
2.12
Diese Verbände, die im „Zentralen Kreditausschuss“ (ZKA) organisiert sind, vertreten die Interessen ihrer Mitgliedsinstitute auch gegenüber der Bundesbank und der BaFin. In bestimmten Fällen ist die Anhörung dieser Spitzenverbände sogar gesetzlich vorgeschrieben (vgl. zB § 22 Satz 3 KWG). Eine vergleichbare Mitwirkung des ZKA ist vorgesehen, wenn die BaFin Richtlinien für die Überwachung der Meldepflichten und Verhaltensregeln nach dem Wertpapierhandelsgesetz aufstellt (§ 35 Abs. 4 Satz 2 WpHG).
2.13–2.20
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Adressaten der Aufsicht 2.21
Regelungsadressaten des KWG sind in erster Linie Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1b KWG fasst diese unter dem Oberbegriff der Institute zusammen) sowie Finanzunternehmen.
I. Kreditinstitute
2.22
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG ist ein Unternehmen als Kreditinstitut zu qualifizieren, wenn es Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Das Kriterium der Gewerbsmäßigkeit, das alternativ neben dem des Umfangs, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, steht, wurde durch die 6. KWG-Novelle eingeführt. Da die Schwelle der Gewerbsmäßigkeit nach allgemeiner Ansicht und nach der Intention des Gesetzgebers niedriger liegt, hat der in kaufmännischer Weise eingerichtete Geschäftsbetrieb an Bedeutung verloren. Von einem gewerbsmäßigen Betrei46
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
3. Organisation in Spitzenverbänden
2.11
Die verschiedenen Gruppierungen der Kreditwirtschaft sind in den Spitzenverbänden der Kreditinstitute organisiert. Hierzu gehören: 1. Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB) für die Privatbanken; 2. Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) für die Genossenschaftsbanken; 3. Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. (DSGV) für die SparkassenFinanzgruppe; 4. Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V. (vdp) für die Hypothekenbanken und 5. Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e.V. (VÖB) für die öffentlichen Banken.
2.12
Diese Verbände, die im „Zentralen Kreditausschuss“ (ZKA) organisiert sind, vertreten die Interessen ihrer Mitgliedsinstitute auch gegenüber der Bundesbank und der BaFin. In bestimmten Fällen ist die Anhörung dieser Spitzenverbände sogar gesetzlich vorgeschrieben (vgl. zB § 22 Satz 3 KWG). Eine vergleichbare Mitwirkung des ZKA ist vorgesehen, wenn die BaFin Richtlinien für die Überwachung der Meldepflichten und Verhaltensregeln nach dem Wertpapierhandelsgesetz aufstellt (§ 35 Abs. 4 Satz 2 WpHG).
2.13–2.20
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Adressaten der Aufsicht 2.21
Regelungsadressaten des KWG sind in erster Linie Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1b KWG fasst diese unter dem Oberbegriff der Institute zusammen) sowie Finanzunternehmen.
I. Kreditinstitute
2.22
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG ist ein Unternehmen als Kreditinstitut zu qualifizieren, wenn es Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Das Kriterium der Gewerbsmäßigkeit, das alternativ neben dem des Umfangs, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, steht, wurde durch die 6. KWG-Novelle eingeführt. Da die Schwelle der Gewerbsmäßigkeit nach allgemeiner Ansicht und nach der Intention des Gesetzgebers niedriger liegt, hat der in kaufmännischer Weise eingerichtete Geschäftsbetrieb an Bedeutung verloren. Von einem gewerbsmäßigen Betrei46
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Adressaten der Aufsicht
2. Teil
ben ist auszugehen, wenn der Betrieb auf gewisse Dauer1 angelegt ist und der Betreiber ihn mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgt2. Daneben setzt die Qualifikation als Kreditinstitut voraus, dass ein Bankgeschäft aus dem Katalog des § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG betrieben wird.
1. Einlagengeschäft Als Einlagengeschäft (siehe hierzu Teil 8) gilt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden. Als fremd sind Gelder anzusehen, wenn die angenommenen Gelder nicht endgültig bei dem annehmenden Unternehmen verbleiben, dieses vielmehr verpflichtet ist, Geld gleicher Menge nach Maßgabe der hierüber getroffenen Vereinbarungen dem Berechtigten zurückzuerstatten3.
2.23
Der Begriff „Einlage“ wird vom Gesetz nicht näher erläutert. Einigkeit besteht darüber, dass es sich hierbei um einen Begriff handelt, der nur unter Berücksichtigung der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung bestimmt werden kann4. Die BaFin vertritt, kennzeichnend sei, dass Gelder von einer Vielzahl an Geldgebern auf Basis typisierter Verträge darlehensweise oder in ähnlicher Art laufend entgegengenommen und ihrer Art nach nicht banküblich besichert werden5. In Teilen des Schrifttums sind weitere Merkmale herausgearbeitet worden, um das Einlagengeschäft näher einzugrenzen. So wird etwa darauf abgestellt, ob von einer Vielzahl von Geldgebern „laufend“ Gelder entgegengenommen werden6.
2.24
Dagegen misst die Rechtsprechung diesen Kriterien nur eine Indizwirkung bei. Danach ist die Frage, ob eine Einlage vorliegt, auf Grund einer Wertung aller Umstände im Einzelfall sowie unter Berücksichtigung der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung zu ermitteln. Von zentraler Bedeutung ist dabei aus Sicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung das gesetzgeberische
2.25
1 Hierunter fallen – neben der wiederholten Tätigkeit – auch erstmalig vorgenommene Geschäfte, die subjektiv mit der Absicht regelmäßiger Wiederholung vorgenommen werden; hierzu Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 6; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 18, 23 f.; Haug in Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 1 KWG Rz. 4. 2 BT-Drucks. 13/7142, S. 62; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 6; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 18; Mielk WM 1997, 2200 (2201). 3 BVerwG v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, NJW 1985, 929 (930); BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts“ v. 9.1. 2009; Schwennicke in Schwennicke/ Auerbach, § 1 KWG Rz. 13. 4 BGH v. 9.3.1995 – III ZR 55/94, NJW 1995, 1494; Canaris, BB 1978, 227 (228). 5 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts“ v. 9.1.2009; weitere Nachweise bei Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 17. 6 Horn, ZGR 1976, 435 (437); vgl. auch Canaris, BB 1978, 227.
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Bankaufsichtsrecht
Ziel, das breite Publikum vor einem Verlust der Einlage zu schützen, die sich zB in den durch das KWG statuierten Regeln zur Erlaubnispflicht und zur adäquaten Kapitalausstattung manifestiere1. Insofern kann, bei typisierender Betrachtung, die Schutzbedürftigkeit des Einzahlenden einerseits für das Vorliegen eines Einlagengeschäfts sprechen; andererseits kann fehlende Schutzbedürftigkeit indizieren, dass ein Einlagengeschäft zu verneinen ist.
2.26
Mit Einführung der Alternative „Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums“ als Auffangtatbestand, nach dem jede subjektive Zwecksetzung im Hinblick auf die angenommenen Gelder für die Erfüllung des Tatbestands ohne Bedeutung ist, bildet die die Annahme als Einlage nur noch einen speziellen Unterfall des Einlagengeschäfts. Die Definition der Einlage hat daher kaum noch praktische Bedeutung.
2.27
Im Rahmen der 6. KWG-Novelle hat der Gesetzgeber den Tatbestand des Einlagengeschäfts erweitert. Dieses liegt nunmehr auch dann vor, wenn eine „Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums“ vorliegt. Zentrales Kriterium ist nunmehr die unbedingte Rückzahlbarkeit. Rückzahlbar sind Gelder, wenn ein zivilrechtlicher Anspruch auf ihre Rückzahlung besteht (zB aus einem Darlehen nach § 488 Abs. 1 BGB). Auch betagte Ansprüche oder Gelder, die erst durch eine Kündigung des Anspruchsberechtigten fällig gestellt werden, sind rückzahlbar2.
2.28
Das Merkmal der „unbedingten“ Rückzahlbarkeit ist nur erfüllt, wenn die Rückzahlung nicht durch ein ungewisses Ereignis bedingt ist3. Typische gesellschaftsrechtliche Beteiligungen mit Verlustteilnahme scheiden daher aus dem Einlagetatbestand aus4. Dagegen können bestimmte so genannte „Mezzanine-Finanzierungen“ in Form des partiarischen Darlehens, des Nachrangdarlehens und der stillen Gesellschaft im Einzelfall als „rückzahlbare Gelder“ iS des Einlagentatbestands anzusehen sein5. Dagegen fehlt es im Falle eines qualifizierten Rangrücktritts am Merkmal der Unbedingtheit6. Einfache Nachrangklauseln, die lediglich die Rangfolge der Rückzahlungsansprüche im Falle der Insolvenz oder Liquidation des kapitalannehmenden Unternehmens festlegen, reichen nach Ansicht der BaFin dagegen nicht aus, die Geldüberlassung als „bedingt“ anzusehen7.
1 BGH v. 9.3.1995 – III ZR 55/94, NJW 1995, 1495 f.; BVerwG v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, NJW 1985, 929 (930). 2 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts“ v. 9.1.2009. 3 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 26. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 42. 5 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts“ v. 9.1.2009. 6 Hierunter fallen Vereinbarungen, nach denen die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung durch die betreffende Vereinbarung solange und soweit ausgeschlossen ist, wie sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des geldannehmenden Unternehmens herbeiführen würde. 7 Siehe auch die Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2002, BT-Drucks. 15/3641, S. 36.
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Adressaten der Aufsicht
2. Teil
An einer Überlassung von Geldern als Einlage fehlt es in der Regel, wenn eine „bankübliche Sicherheit“ bestellt wurde. Entsprechend der Rechtsprechung des BVerwG, das von der Schutzbedürftigkeit des Anlegers ausgehend argumentiert1, liegt eine solche Sicherheit vor, wenn im Einzelfall auf Grund entsprechender Abreden Sicherheiten gewährt wurden, die dazu führen, dass das Risiko des Anlegers entsprechend reduziert wird bzw. entfällt – er also des Schutzes der durch das KWG postulierten Regeln nicht bedarf2.
2.29
Von einer Einlage ist nur auszugehen, wenn es sich um Gelder des Publikums handelt. Diese sind von Geldern konzernverbundener Unternehmen abzugrenzen. Danach sind Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen innerhalb des Konzerns von der Anwendung der KWG-Vorschriften freigestellt3.
2.30
Ohne Bedeutung für die Frage, ob ein Einlagengeschäft vorliegt, ist es dagegen, ob auch ein Kreditgeschäft betrieben wird4. Hierin unterscheidet sich der Kreditinstitutsbegriff des KWG von der EU-rechtlichen Definition nach Art. 4 Nr. 1 lit. a der Bankenrichtlinie 2006/48/EG v. 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute. Danach gilt ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren, als Kreditinstitut. Anders als das deutsche KWG geht das EU-Recht also davon aus, dass beide Geschäfte kumulativ betrieben werden müssen, um die Qualifikation als Kreditinstitut zu begründen.
2.31
Einstweilen frei.
2.32
2. Pfandbriefgeschäft Das Pfandbriefgeschäft (siehe hierzu Rz. 15.82) wird durch § 1 Abs. 1 Satz 2 PfandBG definiert. Hierzu gehören die Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen (gedeckte Schuldverschreibungen auf Grund erworbener Hypotheken), öffentlichen Pfandbriefen (Kommunalschuldverschreibungen und Kommunalobligationen), Schiffspfandbriefen (gedeckte Schuldverschreibungen auf Grund erworbener Schiffshypotheken) sowie Flugzeugpfandbriefen (gedeckte Schuldverschreibungen auf Grund erworbener Registerpfandrechte nach § 1 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen oder ausländischer Flugzeughypotheken). Kreditinstitute, deren Geschäftsbetrieb das Pfandbriefgeschäft umfasst, gelten gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PfandBG als Pfandbriefbanken; sie unterliegen – neben dem KWG – auch den Regelungen des PfandBG. 1 BVerwG v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, NJW 1985, 929 (930 f.). 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 19; Schäfer in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 42; BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts“ v. 9.1.2009. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 42. 4 Entsprechend können Bankgeschäfte iS des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG schon dann betrieben trieben werden, wenn sich die Betätigung auf das Kreditgeschäft beschränkt; hierzu BVerwG v. 25.6.1980 – 1 C 13.74, GewArch 1981, 70; VG Berlin v. 19.8.1996 – VG 25 A 41.94, WM 1997, 218 (221) mwNachw.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
3. Kreditgeschäft
2.34
Unter den Tatbestand des Kreditgeschäfts (siehe hierzu die Teile 10 und 11) fällt die Gewährung von Gelddarlehen sowie Akzeptkrediten. Für die Bestimmung, was Gelddarlehen iS des Tatbestands sind, ist grundsätzlich das Zivilrecht maßgeblich. Ein Gelddarlehen gewährt danach, wer einen privatrechtlichen Darlehensvertrag iS von § 488 BGB oder einen vergleichbaren Vertrag unter ausländischem Recht als Darlehensgeber schließt1.
2.35
Die Gelder müssen rückzahlbar sein und der Rückzahlungsanspruch muss auf eine Geldleistung gerichtet sein2. Unerheblich ist es, ob und in welcher Höhe Zinsen vereinnahmt werden3. Wie bereits unter Rz. 2.32 ausgeführt, ist es auch unerheblich, ob die Kreditgewährung mit Fremdmitteln refinanziert wird4.
2.36
Bei dem Akzeptkredit iS von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 KWG zieht der Kunde als Aussteller auf das Kreditinstitut einen Wechsel bzw. Scheck; das Kreditinstitut akzeptiert den Wechsel und verpflichtet sich damit, ihn am Fälligkeitstage einzulösen. a) Abgrenzung zu gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen
2.37
Die typologische Grenze zwischen stiller Gesellschaft und (partiarischem) Darlehen ist fließend. Für die Abgrenzung der stillen Gesellschaft vom partiarischen Darlehen ist nach Ansicht der Rechtsprechung entscheidend, ob die Vertragspartner einen gemeinsamen Zweck verfolgen oder ob ihre Beziehungen ausschließlich durch die Verfolgung unterschiedlicher eigener Interessen bestimmt werden. Sie ist durch Abwägung aller nach dem Vertragsinhalt maßgebenden Umstände vorzunehmen5. Die BaFin stellt daneben maßgeblich darauf ab, ob eine Verlustbeteiligung bzw. Gewinnbeteiligung vereinbart wur-
1 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 44; BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts“ v. 8.1.2009. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 Rz. 34. An diesem Merkmal fehlt es, wenn nach Ende der Laufzeit Wertpapiere, Sachen oder Rechte zu übertragen sind. Nach Ansicht der BaFin schließen die Vereinbarung, dass der Kreditnehmer das Recht habe, den Geldgeber nach Ablauf der Vertragslaufzeit auf die Befriedigung aus den sicherungsweise überlassenen Sachen zu verweisen, oder eine andere vertraglich zu Gunsten des Schuldners eingeräumte Ersetzungsbefugnis jedoch einen Darlehensvertrag nicht aus, solange der Rückzahlungsanspruch grundsätzlich auf Geld lautet. Auch die nachträgliche Vereinbarung, eine Darlehensschuld durch die Lieferung von Wertpapieren, Sachen oder Rechten zu tilgen, lässt nach Ansicht der BaFin das Betreiben des Kreditgeschäfts nicht rückwirkend entfallen (BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts“ v. 8.1.2009). 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 47; BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts“ v. 8.1.2009. 4 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 35 mit weiteren Nachweisen; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 48. 5 Grundlegend hierzu BGH v. 10.10.1994 – II ZR 32/94, NJW 1995, 192 mit umfangreichen weiteren Nachweisen.
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Adressaten der Aufsicht
2. Teil
de oder ob der zur Verfügung gestellte Betrag in jedem Fall in vollem Umfang zurückzuzahlen ist: Bei einem als stille Gesellschaft bezeichneten Vertrag, der die Vereinbarung einer Verlustteilnahme enthält, wird kein Darlehen begeben; werden Verlustteilnahme und Gewinnbeteiligung dagegen ausgeschlossen, ist der Darlehenscharakter zu bejahen. Wird in einem als stille Gesellschaft bezeichneten Vertrag zwar die Verlustbeteiligung ausgeschlossen, aber eine Gewinnbeteiligung vereinbart, lässt sich die Einstufung als Kreditgeschäft nach Ansicht der BaFin nur im Wege der Einzelfallprüfung entscheiden1. b) Übertragung von Kreditrisiken In der Praxis werden Kreditrisiken häufig durch den Kreditgeber auf Dritte übertragen2. Aus Sicht der BaFin liegt in diesen Fällen jedenfalls dann kein Kreditgeschäft vor, wenn das Darlehen zunächst von einem dem KWG unterliegenden Kreditinstitut ausgereicht wird und das (lizenzierte) Kreditinstitut dem Darlehensnehmer gegenüber auch weiter in der Pflicht bleibt. Aber selbst die Übertragung des gesamten Kreditverhältnisses ohne Zutun des Darlehensnehmers nach dem Umwandlungsgesetz im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine bestehende Gesellschaft oder neu gegründete Gesellschaft soll nach Auffassung der BaFin kein Kreditgeschäft iS des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG darstellen. Entscheidend ist dabei aus Sicht der BaFin, dass das Tatbestandsmerkmal „gewähren“ nicht erfüllt ist, wenn die Position des Gläubigers einer bereits bestehenden Darlehensforderung auf einen Dritten übergeht. Aus denselben Gründen wird das „Protection Selling“ im Rahmen von Kreditderivaten nicht als Kreditgeschäft angesehen3.
2.38
4. Diskontgeschäft Der Tatbestand des Diskontgeschäfts umfasst den Ankauf nicht fälliger Wechsel bzw. Schecks unter Abzug eines Diskonts mit der Möglichkeit eines Regresses gegen den Einreicher. Die Einbeziehung in den Katalog der Bankgeschäfte rechtfertigt sich daraus, dass der Wechselankauf bei wirtschaftlicher Betrachtung Elemente einer Kreditgewährung umfasst.
1 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts“ v. 8.1.2009. 2 Um Kreditrisiken zu übertragen, werden in der Praxis verschiedene Ausgestaltungen gewählt: Bei der vertraglichen Übertragung eines Kreditportfolios tritt der Erwerber (ggf. mit Zustimmung des Darlehensnehmers) in die einzelnen Kreditverhältnisse ein. Beim Forderungsverkauf (sog. „true sale“) wird das Kreditportfolio an eine Zweckgesellschaft oder anderen Dritten im Wege der stillen oder offenen Abtretung der Darlehensforderungen veräußert. Beim Unterbeteiligungsmodell (sog. „sub participation“) bildet der Investor im Wege der Einräumung einer offenen/oder stillen Unterbeteiligung eine bürgerlich-rechtlichen Innen- oder stille Gesellschaft. Bei sog. synthetischen Transaktionen überträgt der ursprüngliche Kreditgeber das Risiko (in der Regel mittels so genannter Kreditderivate) auf einen Dritten, behält den Kredit aber weiter in seinen Büchern und übernimmt auch die weitere Bearbeitung (sog. „Servicing“). 3 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts“ v. 8.1.2009.
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2. Teil
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Bankaufsichtsrecht
Das Diskontgeschäft ist vom reinen Wechsel- und Scheckinkasso, bei dem das wirtschaftliche Risiko nicht übergeht, zu unterscheiden. Hierbei handelt es sich rechtlich nur um eine Geschäftsbesorgung iS des § 675 BGB; ein Bankgeschäft liegt beim Wechsel- und Scheckinkasso liegt nicht vor1.
5. Finanzkommissionsgeschäft
2.41
Unter den Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts iS des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG fällt die kommissionsweise Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung. In der Vergangenheit war umstritten, ob hierbei eine wirtschaftliche Betrachtung zugrunde zu legen ist.
2.42
In den vergangenen Jahren war die BaFin gegen verschiedenste Angebote von Kollektivanlageformen vorgegangen, die nicht bereits der Investmentaufsicht nach dem Investmentgesetz (InvG) unterlagen. Im Mittelpunkt standen dabei schuldrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Strukturen, bei denen Anleger wirtschaftlich an der Wertentwicklung eines Portfolios aus bestimmten Finanzinstrumenten partizipierten. Um in diesen nicht vom InvG abgedeckten Fallgestaltungen einen effektiven Anlegerschutz zu gewährleisten, stützte sich die BaFin auf eine weite Interpretation des Tatbestands des Finanzkommissionsgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG). Von der BaFin und Teilen der Literatur wurde hierzu vertreten, dass ein Handeln „für fremde Rechnung“ immer dann vorliege, wenn die materiellen Vor- und Nachteile des Geschäfts nicht dem Abschließenden, sondern seinem Auftraggeber zugutekommen oder zur Last fallen sollen, wenn es sich also um ein rechtlich eigenes, wirtschaftlich aber fremdes Geschäft handelt2. War dieses Merkmal erfüllt, so war in der Vergangenheit nach Ansicht der BaFin die Ausgabe von an Finanzinstrumente gekoppelten Schuldverschreibungen als Finanzkommissionsgeschäft anzusehen.
2.43
Die überwiegende Ansicht in der Literatur geht dagegen davon aus, dass mit dem Finanzkommissionsgeschäft iS des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG nur der Handel mit Finanzinstrumenten im Wege des Kommissionsgeschäfts gemäß §§ 383 ff. HGB gemeint sei3. Auch das BVerwG hat sich dieser Auffassung 1 Vgl. VG Berlin v. 21.2.1994 – 25 A 207/91, WM 1994, 2238 f.; BaFin-Merkblatt v. 6.1.2009; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 56; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 41. 2 Eßer, WM 2008, 671 (672); Freiwald in Schwintowski, Handbuch Energiehandel, 2006, Rz. 1281 ff., S. 577 ff.; Puderbach/Zenke/Freiwald in Zenke/Schäfer, Energiehandel in Europa, 2005, § 9 Rz. 49 f. S. 148 f.; Sahavi, ZIP 2005, 929 (933 ff.); Voge, WM 2007, 1640 ff. 3 Dreher, ZIP 2004, 2161 ff.; Fock, ZBB 2004, 365 (368); Frey, BKR 2005, 200 (201); Görner/Dreher, ZIP 2005, 2139. Zur Frage, ob in den diskutierten Fällen § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG zur Anwendung kommt, Gstädtner/Elicker, BKR 2006, 437 (440 f.); Hammen, WM 2005, 813 (814); Kümpel/Bruski in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rz. 3; Oelkers, WM 2001, 340 (344 f.); Reischauer/Kleinhans, KWG, Bd. 1, § 1 KWG Rz. 85; Roth in Assmann/Schütze, § 10 Rz. 31; Schmalenbach/Sester, WM 2005, 2025
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angeschlossen und betont, dass ein Finanzkommissionsgeschäft nur dann vorliege, wenn die das Kommissionsgeschäft iS der §§ 383 ff. HGB prägenden Merkmale (also die typischen Eigenschaften des Kommissionsgeschäftes) vorliegen1. Hierfür spricht zum einen der sprachliche Bezug, da die Umschreibung des Tatbestandes des Finanzkommissionsgeschäfts in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG große Ähnlichkeit mit der Umschreibung des Begriffs des Kommissionärs in § 383 Abs. 1 HGB aufweist2. Auch die gesetzliche Systematik spricht aus Sicht des BVerwG gegen eine wirtschaftliche Betrachtung. Das KWG differenziere zwischen zwei verschiedenen Gruppen von Bankgeschäften bzw. Finanzdienstleistungen (so das BVerwG): Einerseits die grundsätzlich auf Einzelaufträge beschränkte Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten, die das Institut nicht (bzw. nicht endgültig) selbst erwirbt, und andererseits die sich auf unbestimmte Finanzinstrumente beziehende, ermessensgeleitete Vermögensverwaltung3. Gemeinsames Tatbestandsmerkmal der ersten Gruppe sei „die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten“. Eine wirtschaftliche Betrachtung würde diese Systematik durchbrechen und das Finanzkommissionsgeschäft zum – weitgehend konturlosen – Auffangtatbestand der Vermögensverwaltung machen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG ist also (nur) dann erfüllt, wenn die vereinbarten Leistungspflichten dem gesetzlichen Leitbild der Kommission iS des Handelsrechts entsprechen. Hierzu gehört, dass das Eigentum an den angeschafften Finanzinstrumenten vom Kommissionär auf den Kommittenten übertragen wird (§ 384 Abs. 2 Halbsatz 2 HGB), der Kommissionär Weisungen des Kommittenten beachten muss (§ 384 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB) und dem Kommissionär Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflichten obliegen (§ 384 Abs. 2 Halbsätze 1 und 2 HGB). § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG stellt aber keine Rechtsgrundverweisung auf §§ 383 ff. HGB dar. Ein Finanzkommissionsgeschäft iS des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG setzt also nicht voraus, dass alle Merkmale des handelsrechtlichen Kommissionstatbestands erfüllt sind. Entscheidend ist vielmehr, ob die vereinbarte Dienstleistung bei einer Gesamtwürdigung mit den Regelungen §§ 383 ff. HGB im Wesentlichen vergleichbar ist4.
2.44
Der Sicht des BVerwG ist zuzustimmen: Wie etwa Hammen ausführt, steht der Wortlaut am Anfang der Auslegung und tritt nicht gegenüber einer an – tatsächlichen oder vermeintlichen – Regelungsdefiziten orientierten Interpreta-
2.45
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3 4
(2030); Wolf, DB 2005, 1723 (1724); Zerwas/Hanten, ZBB 2000, 44 (47); siehe auch die Ausführungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 15/ 5852, S. 17 f. BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11.07 u. 12.07, WM 2008, 1359 (1362); dazu Hanten/von Livonius, BKR 2008, 230 ff.; Deppmeyer/Eßer, BKR 2009, 230 ff.; Hammen, WM 2008, 1901 ff. In beiden Vorschriften ist vom Handeln „im eigenen Namen“ und „für fremde Rechnung“ (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) bzw. „für Rechnung eines anderen“ (§ 383 Abs. 1 HGB) die Rede. BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11.07 u. 12.07, WM 2008, 1359 (1362); vgl. Kümpel/Bruski in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 104 Rz. 16. BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11.07 u. 12.07, WM 2008, 1359 (1366).
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tion zurück1. Auch die oft vorgebrachte Argumentation, das Kommissionsrecht selbst stelle viele Merkmale zur Disposition, vermag nicht zu begründen, dass man sich daher vom typischen Bild der Kommission lösen könnte. Es entspricht vielmehr dem Wesen schuldrechtlicher Vertragstypen, dass Einzelregelungen in der Regel dispositiv sind. Dass bestimmte Regelungen dispositiv sind, darf aber nicht dazu führen, dass die Bedeutung einzelner Merkmale – hier des Handelns mit wirtschaftlicher Wirkung für andere – in ihrer Bedeutung gegenüber anderen Merkmalen a priori überhöht werden. Vielmehr fehlten eben bei den durch die Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit adressierten Modellen die meisten prägenden Merkmale des Kommissionsgeschäfts2.
2.46
Auch das Argument, bei der oft gewählten Struktur einer KG-Beteiligung unter Einschaltung eines Treuhandkommanditisten liege das Weisungsrecht des Kommittenten als weiteres wesensprägendes Merkmal des Kommissionsgeschäfts vor3, vermag nicht zu überzeugen, da sich die Weisung typischerweise auf die Wahl der Anlagestrategie beschränkt (die mit Anlageentscheidung bereits vollzogen wird), was in Art und Umfang hinter dem typischen Weisungsrecht des Kommittenten zurückbleibt.
2.47
Auch die BaFin hat nunmehr darauf hingewiesen, dass der Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts jedenfalls immer dann erfüllt ist, wenn der Anleger einen weisungsunterworfenen Dritten damit beauftragt, bestimmte Finanzinstrumente im eigenen Namen anzuschaffen bzw. zu veräußern, wobei die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile dieses Geschäfts den Auftraggeber treffen und der Beauftragte verpflichtet ist, den Auftraggeber über die Ausführung des Geschäfts zu benachrichtigen, ihm über das Geschäft Rechenschaft abzulegen und das Eigentum an den angeschafften Finanzinstrumenten zu übertragen. Im Übrigen nähert sich die BaFin nunmehr der Ansicht der Rechtsprechung an, indem sie erklärt, dass es in den Fällen, in denen nicht alle genannten Merkmale der handelsrechtlichen Kommission vorliegen, auf die Umstände des Einzelfalls und insbesondere darauf ankomme, ob eine hinreichende Ähnlichkeit mit dem in den §§ 383 ff. HGB geregelten Typus des Kommissionsgeschäfts gegeben ist4. 1 Hammen, WM 2008, 1901, der auch europarechtliche Bedenken anführt, da sich die durch die BaFin propagierte Auslegung als überschießende Umsetzung europäischen Rechts darstelle, dabei aber das durch den EuGH in Sachen Testa u. Lazzeri aufgestellte Transparenzgebot verletze; hierzu umfassend: Brandner, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien – Tatbestand und Rechtsfolgen der autonomen Erstreckung des Regelungsgehalts einer Richtlinie auf Sachverhalte außerhalb ihres Anwendungsbereichs durch den nationalen Gesetzgeber, 2003. 2 So im Ergebnis auch Hanten/von Livonius, BKR 2008, 230 ff., die darauf hinweisen, dass eine derartig weite Ausdehnung des Tatbestands weder durch den Telos noch durch die Systematik des KWG gestützt werden. 3 So Deppmeyer/Eßer, BKR 2009, 230 (232), die dafür plädieren, etwa KG-Modelle weiterhin in den Tatbestand den Finanzkommissionsgeschäfts einzubeziehen, da nach ihrer Ansicht typische Merkmale wie Weisungsbefugnis und Benachrichtigungspflicht vorliegen. 4 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts“ v. 18.3.2010.
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2. Teil
Angesichts des neu eingefügten Tatbestands der Anlageverwaltung hat die Diskussion im Übrigen an Bedeutung verloren (siehe hierzu Rz. 2.87 ff.).
2.48
6. Depotgeschäft § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG definiert das Depotgeschäft (siehe hierzu Teil 18) als die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren. Nach Ansicht der BaFin1 ist dabei der Wertpapierbegriff des Depotgesetzes2 maßgeblich, nach anderer Ansicht3 entspricht die Wertpapierdefinition des § 1 Abs. 11 KWG weitgehend der des § 2 Abs. 1 WpHG4, muss aber unter Berücksichtigung des speziellen Regelungszwecks des KWG ausgelegt werden.
2.49
§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG erfasst nur das offene Depot, das eine offene Übergabe von Wertpapieren voraussetzt. Kennzeichnend hierfür ist, dass der Verwahrer Zugang zu den Wertpapieren hat. Die Annahme eines verschlossenen Depots zur Verwahrung fällt nicht unter das Depotgeschäft. Unter das Depotgeschäft fallen verschiedene Verwahrungsarten, die im Wesentlichen im Depotgesetz geregelt werden. Hierzu gehören die Sonderverwahrung (§ 2 DepotG) sowie die Sammelverwahrung5 iS von §§ 5 ff. DepotG. Typisch für letztere ist die Girosammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank. Charakteristisch ist dabei, dass der jeweilige Hinterleger sein Eigentum an den eingelieferten Wertpapieren oder jedenfalls einen gleichwertigen dinglichen Anteil an dem entsprechenden Sammelbestand be- bzw. erhält6.
2.50
Verwalten ist die laufende Wahrnehmung der Rechte aus dem Wertpapier, zB die Einlösung von Zins-, und Ertragsscheinen, die Ausübung von Stimmrechten, die Einlösung rückzahlbarer Wertpapieren bei deren Fälligkeit sowie die Ausübung von Bezugsrechten7. Auch die teilweise Vornahme von Verwaltungstätigkeiten genügt für ein Depotgeschäft iS von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG8.
2.51
1 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Depotgeschäfts“ v. 20.10.2009. 2 Wertpapiere iS des Depotgesetzes sind gemäß § 1 Abs. 1 DepotG Aktien, Kuxe, Zwischenscheine, Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine, auf den Inhaber lautende oder durch Indossament übertragbare Schuldverschreibungen, andere vertretbare Wertpapiere(mit Ausnahme von Banknoten und Papiergeld) sowie Namensschuldverschreibungen, soweit sie auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt wurden. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 63, 218. 4 Alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren (mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten), die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind, insbesondere Aktien, andere mit Aktien vergleichbare Gesellschaftsanteile, Aktien vertretende Zertifikate, Schuldtitel sowie Fondsanteile. 5 Als Sammelverwahrung gilt die Verwahrung vertretbarer Wertpapiere derselben Gattung in einem einheitlichen Bestand für mehrere Hinterleger. 6 Bei der Sammelverwahrung verliert der Hinterleger mit der Einlieferung seine bisherige eigentumsrechtliche Position in Bezug auf ein spezifisches Wertpapier. An dessen Stelle tritt Miteigentümer nach Bruchteilen an im Sammelbestand verwahrten Wertpapieren der jeweiligen Gattung. 7 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 68; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 51. 8 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Depotgeschäfts“ v. 20.10.2009.
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Bankaufsichtsrecht
Durch das Tatbestandsmerkmal „für andere“ werden zum einen Verwahrung und Verwaltung innerhalb eines Unternehmens und zum anderen Wertpapierdarlehens- bzw. Repogeschäfte1 aus dem Tatbestand ausgenommen, da hier Wertpapiere nicht für andere, sondern im eigenen Interesse verwahrt und verwaltet werden2. Das Rechtsverhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde wird beim Depotgeschäft durch die AGB-Banken und Sonderbedingungen geregelt.
7. Revolvinggeschäft
2.53
Kennzeichnend für das Revolvinggeschäft ist, dass langfristige Darlehensforderungen an Dritte verkauft werden, wobei der Verkäufer sich verpflichtet, die Forderung vor Endfälligkeit des Darlehens wieder zurückzukaufen. Dieser Vorgang wiederholt sich typischerweise mehrere Male. Wirtschaftlich stellt das Revolvinggeschäft eine Fristentransformation dar, da langfristige Aktivgeschäfte kurzfristig refinanziert werden. Aus dieser Fristentransformation resultieren Zinsänderungs- und Liquiditätsrisiken, die es rechtfertigen, das Revolvinggeschäft in den Geltungsbereich des KWG einzubeziehen3.
2.54
Kennzeichnend für ein Revolvinggeschäft ist die Verpflichtung, die veräußerten Darlehensforderungen zu einem späteren Zeitpunkt zurück zu erwerben. Unerheblich ist es dabei, ob die Rückkaufverpflichtung des Zedenten als Festgeschäft bzw. Terminkauf oder als Optionsrecht des Zessionars ausgestaltet wird4. Auch eine rein faktische Verpflichtung zum Rückkauf kann den Tatbestand des Revolvinggeschäfts begründen5.
8. Garantiegeschäft
2.55
§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG definiert das Garantiegeschäft (siehe hierzu Rz. 13.2 ff.) als Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen für andere. Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge iS des § 765 Abs. 1 BGB gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Der Garantievertrag iS des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG ist eine Vereinbarung, durch die sich der Garantiegeber gegenüber dem Garantienehmer verpflichtet, ganz oder teilwei1 Der Wertpapierdarlehensnehmer betreibt nicht daher das Depotgeschäft, auch wenn gemäß § 15 Abs. 3 DepotG die Formvorschrift des § 15 Abs. 2 DepotG sinngemäß gelten. 2 BaFin-Merkblatt v. 20.10.2009. Siehe auch Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 52; zu weiteren Details der depotgeschäftlichen Dienstleistungen siehe Rz. 18.51 ff. 3 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 74 f.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 53. 4 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 KWG (Darlehensrückkaufgeschäft)“ v. 7.1.2009; siehe auch Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 55. 5 OLG München v. 22.2.2006 – 7 U 4657/05, WM 2006, 1765 (1768).
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2. Teil
se für eine Gefahr einzustehen, die dem Garantienehmer aus einem Rechtsverhältnis mit einem Dritten entstehen kann. Als sonstige Gewährleistungen gelten alle sonstigen Geschäfte, die eine Einstandsverpflichtung für eine Verbindlichkeit Dritter begründet bzw. die wirtschaftlich einer Bürgschaft oder Garantie vergleichbar sind1. Tatbestandsmäßig sind daher etwa die Eröffnung und Bestätigung von Akkreditiven (siehe hierzu Rz. 13.101 ff.), das Eingehen einer Delkredereverpflichtung sowie harte Patronatserklärungen2. Hintergrund der Einbeziehung des Garantiegeschäfts in den Katalog der Bankgeschäfte ist, dass der Übernehmer von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen Vorsorge treffen muss, um etwaige Risiken abfangen zu können. Daher liegt nach Ansicht der BaFin kein Garantiegeschäft vor, wenn – wie bei barunterlegten Garantien – keine Vorsorge getroffen werden muss, um die Ansprüche aus der Inanspruchnahme aus Bürgschaft, Garantie bzw. sonstigen Gewährleistung erfüllen zu können3.
2.56
9. Scheckeinzugsgeschäft, Wechseleinzugsgeschäft und Reisescheckgeschäft Die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG geregelte Durchführung des bargeldlosen Scheckeinzugs (Scheckeinzugsgeschäft, siehe hierzu Rz. 5.472, 7.625 ff.), des Wechseleinzugs (Wechseleinzugsgeschäft) und die Ausgabe von Reiseschecks (Reisescheckgeschäft) sind zum 31.10.2009 in Teilen an die Stelle des bisherigen Tatbestands des Girogeschäfts4 getreten. Seit Inkrafttreten des Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes werden die bisherigen Regelungstatbestände des Girogeschäfts nunmehr weitgehend durch das Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz – ZAG) geregelt (siehe hierzu Rz. 7.1 ff.). Daher stellen die Mehrzahl der bislang unter dem Girogeschäft zusammengefassten Aktivitäten sowohl im Zusammenhang mit dem Zahlungsverkehr als auch mit dem Abrechnungsverkehr kein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft iS des KWG mehr dar5. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG umfasst danach nur noch diejenigen Geschäfte, die nicht zur Schnittmenge 1 Hierunter fallen zB die Eröffnung eines Dokumentenakkreditivs durch die Importeurbank, der Kreditauftrag (§ 778 BGB), der Schuldbeitritt sowie die wechsel- und scheckmäßigen Indossamentsverpflichtungen (Merkblatt der BaFin v. 8.1.2009); hierzu auch Haug in Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 1 KWG Rz. 63. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 56. 3 BaFin-Merblatt „Hinweise zum Tatbestand des Garantiegeschäfts“ v. 8.1.2009. 4 Nach der bisher anwendbaren Legaldefinition in dieser Norm umfasste das Girogeschäft die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs. 5 Auch Zahlungsinstitute iS des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes dürfen nunmehr Zahlungsdienste im bargeldlosen Zahlungsverkehr auf der Grundlage ihrer nach § 8 Abs. 1 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erteilten Erlaubnis erbringen und insoweit das Clearing durchführen; einer Bankerlaubnis bedürfen sie für das im Annex der Richtlinie umschriebene Kerngeschäft im Zahlungsverkehr mithin nicht. Auch Einlagenkreditinstitute dürfen auf Grund ihrer für Bankgeschäfte erteilten Erlaubnis Zahlungsdienste erbringen.
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2.57
2. Teil
Bankaufsichtsrecht
des bisherigen Girogeschäfts mit den Zahlungsaktivitäten des Annexes der Zahlungsdiensterichtlinie gehören1.
10. Emissionsgeschäft
2.58
§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG definiert das Emissionsgeschäft (siehe hierzu Teil 15) als die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien. Unter einer „Emission“ ist die erste Ausgabe einer bestimmten Anzahl von Wertpapieren durch einen Wertpapieraussteller (Emittenten) zu verstehen2. Das Emissionsgeschäft erfasst nur die Emission unter Beteiligung Dritter („Fremdemission“), nicht aber die Platzierung durch den Emittenten selbst („Eigenemission“)3.
2.59
Ein Emissionsgeschäft kann sowohl im Fall einer öffentlichen Platzierung als auch bei einer Privatplatzierung („private placement“) vorliegen. Auch die Art der Festlegung des Ausgabepreises (Festlegung eines festen Emissionspreises oder Bookbuilding) sowie die Art der Zuteilung sind unerheblich4.
2.60
Dem Platzieren muss eine sog. „Platzierungsabrede“ zugrundeliegen5. Unter einer „Platzierungsabrede“ ist eine Abrede zu verstehen, durch die der Emittent den oder die Platzierenden mit der Unterbringung der von ihm emittierten Finanzinstrumente im Kapitalmarkt oder an einen begrenzten Personenkreis beauftragt (sog. „Übernahmevertrag“).
2.61
Entscheidend ist, dass die Finanzinstrumente „für eigenes Risiko“ übernommen werden. Verbleibt das Platzierungsrisiko beim Emittenten (sog. „best effort underwriting“) liegt kein Emissionsgeschäft vor6. Unternehmen, die Finanzinstrumente im Namen des Emittenten (offene Stellvertretung) und für Rechnung des Emittenten platzieren (sog. Vermittlungs- oder Geschäftsbesorgungskonsortium), erbringen nach Ansicht der BaFin das Platzierungsgeschäft iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1c KWG.
2.62
Werden Finanzinstrumente für eigenes Risiko übernommen, grenzt das Ziel der Platzierung das Emissionsgeschäft gegenüber dem Eigenhandel (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG) ab. Kennzeichnend für den Eigenhandel ist, dass der Eigenhändler Wertpapiere erwirbt, um eine aktuelle oder erwartete Nachfrage zu befriedigen. Daher fehlt es am Merkmal einer Dienstleistung gegenüber dem 1 BT-Drucks. 16/11613, S. 58 f. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 61; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 112 Rz. 1; zu sog. „Secondary Placements“ siehe Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 103. 3 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Emissionsgeschäfts“ v. 7.1.2009; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 112 Rz. 1; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 61. 4 BaFin-Merkblatt v. 7.1.2009. 5 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Emissionsgeschäfts“ v. 7.1.2009; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 62. 6 BT-Drucks. 13/7142, S. 63; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 105.
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Adressaten der Aufsicht
2. Teil
Emittenten. Durch die Qualifikation des Eigenhandels als Finanzdienstleistung hat diese Abgrenzung indessen an Relevanz verloren. Mit der Tatbestandsvariante der Übernahme von Garantien, die einer festen Übernahmeverpflichtung wirtschaftlich gleichwertig sind, werden insbesondere diejenigen Fälle erfasst, in denen sich das platzierende Unternehmen für den Fall eines Scheiterns der Platzierung verpflichtet, die nicht verkauften Finanzinstrumente in den eigenen Bestand zu übernehmen (sog. Garantiekonsortium).
2.63
11. E-Geld-Geschäft § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG definiert das E-Geld-Geschäft (siehe hierzu Rz. 7.971 ff.) als die Ausgabe und die Verwaltung von elektronischem Geld. Das E-Geld-Geschäft umfasst damit die früheren Bankgeschäftstatbestände „Geldkartengeschäft“ und „Netzgeldgeschäft“. Elektronisches Geld sind gemäß § 1 Abs. 14 KWG Werteinheiten in Form einer Forderung gegen die ausgebende Stelle, die auf elektronischen Datenträgern gespeichert sind, gegen Entgegennahme eines Geldbetrages ausgegeben werden und von Dritten als Zahlungsmittel angenommen werden, ohne gesetzliches Zahlungsmittel zu sein. Nur das dreiseitige System, bei dem Kartenemittent, Karteninhaber und Leistungserbringer (Akzeptant) personenverschieden sind, unterfällt dem Tatbestand des E-Geld-Geschäfts1.
2.64
12. Tätigkeit als zentraler Kontrahent § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 KWG iVm. § 1 Abs. 31 KWG definiert einen zentralen Kontrahenten als Unternehmen, das bei Kaufverträgen innerhalb eines oder mehrerer Finanzmärkte2 zwischen den Käufer und den Verkäufer geschaltet wird, um als Vertragspartner für jeden der beiden zu dienen, und dessen Forderungen aus Kontrahentenausfallrisiken gegenüber allen Teilnehmern an seinen Systemen auf Tagesbasis hinreichend besichert sind. Der zentrale Kontrahent dient als unmittelbarer Vertragspartner für Käufer und Verkäufer. Dadurch, dass jeder Handelsteilnehmer nur einen Vertragspartner hat, ist eine Nettingeffizienz (Aufrechnungseffizienz) gegeben. Zentrale Kontrahenten sind auf Grund der systemischen Bedeutung stabiler Clearingabläufe für das Finanzsystem der Bankaufsicht unterworfen.
1 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 112; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 68; BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des E-Geld-Geschäfts“ v. 9.1.2009. 2 Als Finanzmarkt iS des § 1 Abs. 31 KWG kommen eine Börse (Wertpapierbörse oder Terminbörse etwa, § 1 Abs. 3e KWG), ein multilaterales Handelssystem iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG oder auch ein außerbörslicher Finanzmarkt in Betracht.
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2. Teil
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II. Finanzdienstleistungsinstitute
2.66
Gemäß § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG sind Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die keine Kreditinstitute sind, als Finanzdienstleistungsinstitute zu qualifizieren1. Die Qualifikation als Finanzdienstleistungsinstitut ist also gegenüber der als Kreditinstitute subsidiär.
2.67
Die Qualifikation als Finanzdienstleistungsinstitut setzt voraus, dass eine Finanzdienstleistung aus dem Katalog des § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG erbracht wird:
1. Anlagevermittlung
2.68
Als Anlagevermittlung (siehe hierzu Rz. 3.96, 3.170) iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG gilt die Entgegennahme und Übermittlung von Aufträgen über die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten. Die ineinander übergehenden Tatbestandsvarianten Entgegennahme und Übermittlung sind weit zu verstehen. Die Anlagevermittlung unterscheidet sich von der Anlageberatung dadurch, dass bei letzterer in der Regel nur ein Rechtsverhältnis zwischen Berater und Kunden besteht, der Berater aber keine Aufträge des Kunden entgegennimmt; daher spricht es für eine Anlageberatung, wenn sich der Kunde die Finanzinstrumente selbst beschafft. Dagegen liegt eine Abschlussvermittlung vor, wenn der Vermittler den Abschluss eines konkreten Geschäfts bereits so umfassend vorbereitet und abgewickelt hat, dass der Kunde den Auftrag nur noch zu unterschreiben und abzusenden hat2. Die Schwelle zur Anlagevermittlung wird regelmäßig auch dann überschritten, wenn über eine rein abstrakte Beratung hinaus hinsichtlich der Anlage von Vermögen konkrete Kauf- oder Verkaufsempfehlungen abgegeben und einem Anbieter von Finanzinstrumenten neue Kunden zugeführt werden3. Auch eine vom Anbieter an den Berater geleistete Provision spricht für eine Anlagevermittlung4.
2.69
Ob auch der bloße Nachweis von Geschäften unter den Tatbestand der Anlagevermittlung subsumiert werden kann, war umstritten. Die Regierungsbegründung scheint nahe zu legen, dass auch Nachweismakler erfasst sein könnten5. Dagegen spricht indessen, dass § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG die
1 Zum Kriterium des Erfordernisses eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs siehe oben Rz. 2.22. 2 VGH Kassel v. 18.7.2003 – 6 TG 3395/02, NJW 2003, 3578; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 77; kritisch Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 122a für die Fälle, in denen dem Kunden die Entscheidung bleibt, an welches Kreditinstitut der Auftrag weitergeleitet werden soll. 3 Von Livonius, BKR 2005, 12 f. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 80. 5 BT-Drucks. 13/7142, S. 65; so auch VG Frankfurt v. 17.3.2005 – 1 G 7060/04 (1), WM 2005, 1028.
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2. Teil
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie umsetzt, die den Nachweismakler nicht umfasst1, so dass die besseren Argumente dagegen sprechen, den Nachweismakler nicht in den Tatbestand der Anlagevermittlung einzubeziehen2.
2. Anlageberatung Eine Anlageberatung (siehe hierzu Rz. 3.137 ff., 17.81 ff.) iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG liegt vor, wenn eine persönliche Empfehlung abgegeben wird, die sich auf Geschäfte3 mit bestimmten Finanzinstrumenten bezieht, die Empfehlung gegenüber Kunden oder deren Vertretern erfolgt, die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird, und die Empfehlung nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird.
2.70
Eine „Empfehlung“ liegt vor, wenn dem Anleger zu einer bestimmten Handlung als in seinem Interesse liegend geraten wird. An einer Empfehlung fehlt es bei bloßen Informationen, zB wenn der Dienstleister dem Kunden lediglich Erläuterungen über dessen in Finanzinstrumenten angelegtes Vermögen gibt, ohne dabei konkrete Vorschläge zur Änderung der Zusammensetzung dieses Vermögens zu unterbreiten4.
2.71
Die Empfehlung muss sich auf „bestimmte“ Finanzinstrumente beziehen. Eine Anlageberatung liegt danach nur dann vor, wenn der Dienstleister ein oder mehrere Finanzinstrumente konkret benennt bzw. konkrete Handlungen (zB Ausübung bestimmter Optionsrechte)5 empfiehlt. Die Abgrenzung zu den nicht tatbestandsmäßigen generischen Empfehlungen ist fließend: Empfehlungen, die Aktienquote eines Portfolios zu erhöhen bzw. in Werte eines bestimmten Index zu investieren, werden allgemein noch nicht als Anlageberatung angese-
2.72
1 Vgl. Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 2004/39/EG v. 21.4.2004 (sowie Abschnitt A Ziff. 1.a) der (aufgehobenen) Richtlinie 93/22/EG v. 10.5.1993). 2 VGH Kassel v. 6.1.2006 – 6 TG 985/05, ZIP 2006, 701; Kühne/Eberhardt, BKR 2008, 336; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 77; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 122; aA Linker, ZBB 2007, 187. 3 „Geschäft“ iS der Vorschrift sind alle Rechtsgeschäfte, die die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten iS des § 1 Abs. 11 KWG zum Gegenstand haben. Darüber hinaus wird auch das Halten eines bestimmten Finanzinstruments sowie die Ausübung bzw. Nichtausübung eines mit einem bestimmten Finanzinstrument einhergehenden Rechts betreffend den Kauf, den Verkauf, die Zeichnung, den Tausch oder den Rückkauf eines Finanzinstruments erfasst (Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung v. 12.11.2007). 4 Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung v. 12.11.2007; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 83. 5 Nicht hierzu gehört die Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte aus den Wertpapieren, da es sich nicht um (Rechts-)Geschäfte iS des § 1 Abs. 1a Nr. 1a KG handelt (Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123c).
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hen. Andererseits genügt, dass der Berater dem Kunden eine Reihe konkreter Anlagevorschläge unterbreitet, die Auswahl jedoch dem Kunden überlässt1.
2.73
„Kunden“ iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG sind alle natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften2. Dies schließt sog. „institutionelle Anleger“ ein. Unerheblich ist auch, von wem die Initiative zur Beratung ausging3. Die Empfehlung muss auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt sein oder als für ihn geeignet dargestellt werden. Die BaFin bejaht eine Empfehlung bereits dann, wenn der Kunde den betreffenden Dienstleister lediglich in allgemeiner Form über seine finanzielle Situation unterrichtet und der Dienstleister daraufhin Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten empfiehlt bzw. wenn die Empfehlung vom Dienstleister „als für den Anleger geeignet dargestellt“ wird4. Entscheidend ist der Empfängerhorizont des Kunden5. Danach liegt eine Empfehlung vor, wenn der Dienstleister zurechenbar den Anschein setzt, bei der Abgabe der Empfehlung die persönlichen Umstände des Anlegers berücksichtigt zu haben6.
2.74
Eine Anlageberatung liegt nicht vor, wenn Empfehlungen ausschließlich über so genannte Informationsverbreitungskanäle bzw. an die Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Davon ist auszugehen, wenn die Empfehlung nach der Art ihrer Veröffentlichung geeignet und bestimmt ist, die Allgemeinheit, also einen individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, zu erreichen. In diesen Fällen kann indessen eine Finanzanalyse iS von § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG vorliegen. Finanzanalysen stellen keine Anlageberatung dar, da bei einer Finanzanalyse die betreffende Information einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll7.
3. Betrieb eines multilateralen Handelssystems
2.75
Ein multilaterales Handelssystem iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG liegt vor, wenn die Interessen einzelner Personen am Kauf bzw. Verkauf von Finanzinstrumenten gemäß § 1 Abs. 11 KWG zusammengeführt werden, ohne 1 Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung v. 12.11.2007; Kühne/Eberhardt, BKR 2008, 135; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 84. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 85. 3 BT-Drucks. 16/4028, S. 56. 4 Insofern liegt ein anderer Maßstab vor als der der „anlage- und anlegergerechten Beratung“. 5 Balzer, ZBB 2007, 333 (335); Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123f. 6 Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung v. 12.11.2007; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 86. 7 Zum Auslegung des Begriffs der Finanzanalyse siehe „Schreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Auslegung einzelner Begriffe des § 34b Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in Verbindung mit der Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (Finanzanalyseverordnung – FinAnV)“ v. 1.9.2005 (Gz.: WA 36 – W – 2534B – 2004/0030).
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dass dabei ein Entscheidungsspielraum bezüglich des endgültigen Geschäftsabschlusses mit einem bestimmten Vertragspartner verbleibt. Es bedarf eines festen Regelwerkes, eine Plattform im technischen Sinne ist nicht erforderlich1. Nicht als multilaterale Handelssysteme gelten bilaterale Systeme, bei dem das Gegenüber des Kaufs bzw. Verkaufs immer der gleiche Anbieter ist. Auch nicht erfasst wird die Internalisierung von Wertpapieraufträgen durch Zusammenführung von An- und Verkaufsaufträgen innerhalb eines Instituts, da es hier an der für multilaterale Handelssysteme charakteristischen Offenheit für mehrere Mitglieder (Marktplatzfunktion) fehlt2.
4. Platzierungsgeschäft § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1c KWG definiert das Platzierungsgeschäft (siehe hierzu Rz. 15.6) als „das Platzieren von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung“. Das Platzierungsgeschäft grenzt sich vom Emissionsgeschäft dadurch ab, dass das Platzierungsrisiko mangels einer Übernahmeverpflichtung beim Emittenten verbleibt. Unklar ist indessen das Verhältnis zur Abschlussvermittlung. Allerdings ist weitgehend unstreitig, dass jedenfalls die Fälle, in denen Wertpapiere im Wege einer offenen Stellvertretung für den Emittenten platziert werden, als Platzierungsgeschäft anzusehen sind. Insofern überschneiden sich die Tatbestände des Platzierungsgeschäft und der Abschlussvermittlung.
2.76
Umstritten ist dabei, ob das Platzierungsgeschäft lediglich einen Sonderfall der Abschlussvermittlung darstellt und sich damit auf die Fälle der offenen Stellvertretung beschränkt3 oder ob alle Fälle der Platzierung ohne Übernahme des Platzierungsrisikos als Platzierungsgeschäft anzusehen sind4. Unklar ist auch, ob das Platzierungsgeschäft einer Platzierungsabrede bedarf. Sieht man das Platzierungsgeschäft aber als komplementären Tatbestand zum Emissionsgeschäft, so liegt es nahe, dies zu bejahen5.
2.77
5. Finanzportfolioverwaltung Als Finanzportfolioverwaltung (siehe hierzu Rz. 3.137) definiert § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum. Kennzeichnend für die (ge1 BT-Drucks. 16/4028, S. 56. 2 Hierzu Liersch, WM 2003, 473 f.; Seitz, AG 2004, 497 f.; von Rosen in Assmann/ Schütze, § 2 Rz. 281; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 Rz. 91. 3 So die BaFin in ihrem Merkblatt zum neuen Tatbestand des Platzierungsgeschäfts v. 27.12.2007; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 94. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123n. 5 Dementsprechend liegt bei Verkauf im eigenen Namen auf „best efforts“-Basis typischerweise ein Finanzkommissionsgeschäft iS des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG oder eine Anlage- bzw. Abschlussvermittlung vor. So im Ergebnis die BaFin in ihrem Merkblatt zum neuen Tatbestand des Platzierungsgeschäfts v. 27.12.2007; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 97; offen gelassen bei Schäfer in Boos/ Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123o.
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2.78
2. Teil
Bankaufsichtsrecht
genüber dem Tatbestand des Depotgeschäfts subsidiäre)1 Finanzportfolioverwaltung ist das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlich eingeräumten Entscheidungsspielraums bei den zu treffenden Anlageentscheidungen, innerhalb dessen ein Ermessen ausgeübt werden kann. Ist vor Ausführung einer Anlageentscheidung dagegen die Zustimmung des Prinzipals einzuholen, scheidet eine Finanzportfolioverwaltung aus2. Die Verwaltung muss sich auf einzelne Vermögen beziehen, allerdings können mehrere Vermögen in einem gemeinsam verwalteten Portfolio zusammengefasst werden3. Wertpapiere hat der Portfolioverwalter in einem Wertpapierdepot des Kunden bei einem Kreditinstitut verwahren zu lassen; andernfalls bedarf er einer Erlaubnis zum Betreiben des Depotgeschäfts und wäre damit selbst Kreditinstitut.
2.79
Umstritten war in der Vergangenheit, ob auch dann eine Finanzportfolioverwaltung vorliegen kann, wenn die Anleger Gesellschafter einer Personengesellschaft (typisch sind die als GbR organisierten Investmentclubs) sind und die Anlage in Finanzinstrumente auf der Ebene der Gesellschaft stattfindet. Teile der Literatur verweisen darauf, dass die Anlage des Gesamthands- bzw. Gesellschaftsvermögens gesellschaftsrechtlich nicht für Rechnung Dritter erfolge und lehnen eine Anwendung des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG ab4. Das BVerwG sowie das BVerfG stellen die der Außen-GbR durch den BGH zugesprochene Rechtssubjektivität zwar nicht in Frage, ziehen aber aus der Anerkennung der Rechtssubjektivität keine zwingende Folgerung für die Auslegung des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG. Entscheidend sei vielmehr, ob es sich bei der jeweiligen Vertragsgestaltung um eine Zusammenführung einer unbestimmten Vielzahl von Anlegern handele, die ohne weitere Verbindung untereinander jeweils Verwaltungsdienstleistungen entgegennehmen wollten5. Sofern dies bejaht werden kann, ist auch der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG eröffnet.
6. Eigenhandel
2.80
Als Eigenhandel iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG gelten die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere. Erfasst werden damit die Fälle, in den Unternehmen im Kundenauftrag nicht als Kommissionär handeln, sondern gegenüber dem Kun1 BT-Drucks. 17/7142, S. 66. 2 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 125; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 104. 3 BT-Drucks. 17/7142, S. 66; BVerwG v. 22.9.2004 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 Rz. 126; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 Rz. 105; Eßer, WM 2008, 671 (675). 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 Rz. 131. 5 BVerfG v. 5.4.2006 – 1 BvR 2780/04, NZG 2006, 499; BVerwG v. 22.9.2004 – 6 C 29/ 03, ZIP 2005, 385; VGH Kassel v. 9.4.2003 – 6 TG 3151/02, ESVGH 53, 193; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 Rz. 107; Reischauer/Kleinhans, KWG, Bd. I, § 1 Rz. 192 (Stand: Februar 2004); siehe auch Eßer, WM 2008, 671 (675), der ebenfalls darauf hinweist, dass die Frage, ob die Dienstleistungen auf schuldrechtlicher oder formal gesellschaftsrechtlicher Basis erbracht werden, von sekundärer Natur ist.
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den als Käufer bzw. Verkäufer für eigene Rechnung auftreten. Zu dieser Geschäftsform gehört im Wesentlichen das so genannte Festpreisgeschäft. Hierbei tritt das Unternehmen dem Kunden als Käufer oder Verkäufer von bestimmten Finanzinstrumenten zu einem bestimmten Preis gegenüber. Der Eigenhändler trägt damit das Marktpreisrisiko. Die Vertragsbeziehung zum Kunden ist zivilrechtlich als Kaufvertrag zu qualifizieren. Gleichwohl liegt aufsichtsrechtlich eine Dienstleistung vor, da das Unternehmen nicht – wie beim Eigengeschäft – allein im eigenen Interesse, sondern auf Grund eines Kundenauftrags bzw. im Kundeninteresse tätig wird1. Im Gegensatz dazu steht das sog. Eigengeschäft, bei dem ein Händler, ohne dass dem ein entsprechender Kundenauftrag zu Grunde läge, Finanzinstrumente für sich kauft oder verkauft2. Gegenüber dem Eigengeschäft iS des § 1 Abs. 1a Satz 3 (siehe Rz. 2.93) wird der Eigenhandel als Finanzdienstleistung dadurch charakterisiert, dass für den Kunden ein Marktzugang ermöglicht oder vereinfacht wird. Typische Fälle des Eigenhandels für andere sind neben dem Festpreisgeschäft auch das Execution-Geschäft3.
7. Drittstaateneinlagenvermittlung Als Drittstaateneinlagenvermittlung iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG gilt die Vermittlung von Einlagengeschäften mit Unternehmen mit Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums. Die Vermittlung von Einlagen in andere Mitgliedstaaten der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums wird hiervon nicht umfasst, da das harmonisierte Bankrecht einen anderweitigen Kundenschutz gewährleistet4.
2.81
8. Sortengeschäft Das Sortengeschäft iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 7 KWG umfasst den Austausch von Banknoten und Münzen, die gesetzliche Zahlungsmittel darstellen, sowie den An- und Verkauf von Reiseschecks5.
2.82
9. Factoring Als Factoring iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG gilt der laufende Ankauf von Forderungen aus Lieferungen oder Leistungen des Factoringkunden durch 1 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11 u. 12/07, NJOZ 2008, 2191 (2205 f.); vgl. auch BTDrucks. 13/7142, S. 66 sowie VGH Kassel v. 14.2.2006 – 6 TG 1447/05, BeckRS 2006, 21379 = ZIP 2006, 800 (804); du Buisson, WM 2003, 1401 (1407 f.); Schäfer in Boos/ Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 133; Kümpel/Bruski in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 104 Rz. 22; Oelkers, WM 2001, 340 (345 f.); Zerwas/Hanten, ZBB 2000, 44 ff.; nicht ausreichend – und kaum praktikabel – ist es, auf die subjektive Absicht, eine Dienstleistung zu erbringen, abzustellen (vgl. Mielk, WM 1997, 2200 [2202 ff.]). 2 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 2 WpHG Rz. 49; Beck in Schwark, § 2 WpHG Rz. 23. 3 Siehe Zerwas/Hanten, ZBB 2000, 44 (45 ff.). 4 BT-Drucks. 13/7142, S. 66. 5 BT-Drucks. 13/7142, S. 67.
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Bankaufsichtsrecht
den Factor auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff. Beim sog. echten Factoring („non-recourse-factoring“) kauft der Factor die Forderungen des Anschlusskunden endgültig an und übernimmt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Anschlusskunden (Delkrederefunktion). Zivilrechtlich liegt hierin nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht in der Literatur ein Forderungskauf, der um Elemente einer Geschäftsbesorgung ergänzt wird1. Beim sog. unechten Factoring ist ein Rückgriff des Factors („recourse factoring“) im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners möglich. Wirtschaftlich und zivilrechtlich liegt dann ein Darlehen mit Sicherungsabtretung der Forderung vor.
2.84
Der Factoringdienstleistung muss eine Rahmenvereinbarung, die über den Erwerb des einzelnen Forderungsbestandes hinaus Gültigkeit haben soll, zugrundeliegen. Unter Ankauf ist jedes auf den Erwerb einer Forderung gerichtete Rechtsgeschäft zu verstehen. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Factorings ist, dass der Ankauf zu Finanzierungszwecken erfolgt2. Aus Sicht der BaFin entfällt der Tatbestand des Factorings dabei indessen nur dann, wenn jede Finanzierungsfunktion entfällt. Dies sei, so die BaFin, nur bei regresslosem Ankauf fälliger Forderungen durch einen Kaufvertrag iS der §§ 433 ff. BGB der Fall3.
2.85
Da der „Ankauf“ von Forderungen ohne Übernahme des Delkredererisikos („unechtes Factoring“) nach hM zivilrechtlich und wirtschaftlich ein Kreditgeschäft darstellt4, wäre auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG erfüllt. Entgegen der Grundregel in § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG, die grundsätzlich den Vorrang des Bankgeschäfts vorsieht, soll indessen in den Fällen des Factorings nur § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG erfüllt sind5. Die BaFin sieht das Factoring dennoch als Tatbestandsausschnitt des Kreditgeschäfts und (unter Berufung auf die Gesetzesbegründung) in den Fällen des Factorings § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG als subsidiär an. Diese Auffassung kann indessen nicht überzeugen: Gemäß § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG sind Finanzdienstleistungen gegenüber den Bankgeschäften, einschließlich des Kreditgeschäfts, subsidiär. Systematisch lässt sich das in der Gesetzesbegründung ausgedrückte Ziel nur 1 BGH v. 19.9.1977 – VIII ZR 169/76, BGHZ 69, 264 (257). 2 Bericht des Finanzausschusses v. 26.11.2008 (BT-Drucks. 16/11108 v. 27.11.2008), S. 67; BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Factoring“ v. 5.1.2009; siehe hierzu Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 2; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 134. 3 BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Factoring“ v. 5.1.2009. 4 BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, WM 1981, 1350; Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 102 Rz. 44 ff.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 134. 5 BT-Drucks. 16/11108, S. 67: „Unbeschadet der zivilrechtlichen Einordnung des unechten Factoring als Darlehen iS des § 488 BGB soll auf dieses Geschäft der Tatbestand des Kreditgeschäfts des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG entgegen seinem Wortlaut nicht zur Anwendung kommen. In Durchbrechung des in § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG grundsätzlich verankerten Prinzips des Vorrangs des Bankgeschäfts soll das Factoring in dem neuen § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG als Finanzdienstleistungstatbestand abschließend geregelt werden.“
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erreichen, indem der Tatbestand des Kreditgeschäfts insoweit eingeschränkt wird, als Factoring vorliegt1.
10. Finanzierungsleasing Das Finanzierungsleasing iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG umfasst den Abschluss von Finanzierungsleasingverträgen als Leasinggeber sowie die Verwaltung von Objektgesellschaften. Dabei ist das Finanzierungsleasing von nicht erlaubnispflichtigen Tätigkeiten abzugrenzen, bei denen schwerpunktmäßig, wenngleich nicht ausschließlich, die entgeltliche befristete Gebrauchsüberlassungen charakteristisch ist (sog. „Operating Leasing“/atypische Mietverträge). Die Erlaubnispflicht gilt nur für solche Verträge, bei denen die Finanzierungsfunktion2 im Vordergrund steht3.
2.86
11. Anlageverwaltung Der Tatbestand der Anlageverwaltung iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG wurde im Rahmen des Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts in das KWG eingefügt und trat am 26.3.2009 in Kraft. Mit der Schaffung dieses Tatbestands reagierte der Gesetzgeber insbesondere auf das Urteil des BVerwG v. 27.2.20084. Ziel des neu eingefügten Tatbestands der Anlageverwaltung war es, kollektive Anlagemodelle (gesellschafts- wie schuldrechtlicher Art), bei denen die Anleger über bestimmte Strukturen zusammengefasst werden, um ihre Gelder in Finanzinstrumenten anzulegen, in die Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz und die Organisations- und Wohlverhaltenspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz einzubeziehen5.
2.87
Die Tätigkeit des Anlageverwalters besteht in der Anschaffung und der Veräußerung von Finanzinstrumenten für eine Gemeinschaft von Anlegern, die natürliche Personen sind, mit Entscheidungsspielraum bei der Auswahl der Finanzinstrumente, sofern dies ein Schwerpunkt des angebotenen Produkts ist und zu dem Zweck erfolgt, dass die Anleger an der Wertentwicklung der erworbenen Finanzinstrumente teilnehmen.
2.88
Die BaFin grenzt die Anlageverwaltung von den erlaubnisfreien Geschäften entsprechend der Art des Angebots ab. Danach komme es darauf an, ob natür-
2.89
1 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 134. 2 Zivilrechtlich liegen indessen auch beim Finanzierungsleasing Gebrauchsüberlassungsverträge vor, so dass der Tatbestand des Kreditgeschäfts trotz wirtschaftlicher Parallelen nicht erfüllt ist. 3 Für die Annahme einer Finanzierungsfunktion sprechen insbesondere das Fehlen von Kündigungsrechten für eine längere Grundmietzeit, die idR einen wesentlichen Teil der Abschreibungsdauer umfasst, sowie die Übernahme der Instandhaltung und des Risikos des Untergangs durch den Leasingnehmer. 4 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11.07 u. 12.07, WM 2008, 1359 (1362); siehe hierzu Rz. 2.43. 5 BT-Drucks. 16/11130, S. 43.
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liche Personen für die Anlageverwaltung gewonnen und ihre Gelder und Finanzinstrumente gemeinsam verwaltet werden sollen; eine gesellschaftliche Verbundenheit der Anleger untereinander sei nicht Tatbestandsvoraussetzung1. Ein Handeln „für eine Gemeinschaft von Anlegern, die natürliche Personen sind“, liege – so die BaFin – dann vor, wenn die materiellen Vor- und Nachteile der Geschäfte über die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten den Anlegern zugutekommen oder zur Last fallen sollen, die Anleger also das Risiko der Geschäfte tragen und sich die Tätigkeit als Dienstleistung für die Anleger darstellt, denen die Teilhabe am Ergebnis versprochen wird2.
2.90
Die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten müssen dabei aus Sicht der Anleger Schwerpunkt des angebotenen Produktes sein. Unternehmen, die dauerhaft oder vorübergehend Liquiditätsreserven in Finanzinstrumenten anlegen oder Absicherungsgeschäfte abschließen, betreiben allein deswegen keine Anlageverwaltung3.
2.91
Der Tatbestand der Anlageverwaltung setzt eine laufende aktive Verwaltung des Portfolios, an dessen wirtschaftlicher Entwicklung die Anleger partizipieren, voraus. Fälle, in denen der Initiator bei Laufzeitbeginn ein statisches Portfolio zusammenstellt, sind daher nicht als Anlageverwaltung anzusehen4. Vielmehr muss ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Auswahl der Finanzinstrumente bestehen5.
2.92
Nach dem Willen des Gesetzgebers sind Beteiligungsformen, die auf eine aktive unternehmerische Einflussnahme in Bezug auf die Emittenten der Finanzinstrumente, in die investiert werden soll, abzielen, vom Anwendungsbereich nicht erfasst. Daher sind insbesondere Private Equity-Fonds vom Tatbe-
1 Umgekehrt schließt eine gesellschaftsrechtliche Verbindung der Anleger den Tatbestand der Anlageverwaltung aber auch nicht aus (BT-Drucks. 16/11130, S. 43: „Der Begriff einer Gemeinschaft von Anlegern schließt insbesondere auch die Angebote ein, die sich an das breite Publikum richten und bei denen Anleger über ihre Einbindung in gesellschaftsrechtliche Modelle, zB Treuhandkommanditmodelle, oder die Ausgabe von Genussrechten oder Schuldverschreibungen zusammengefasst werden, um deren gepoolte Gelder in Finanzinstrumente anzulegen.“); hierzu: von Livonius/ Bernau, WM 2009, 1216 (1219). 2 BaFin-Rundschreiben 7/2009 (WA) zu „Änderungen des Kreditwesengesetzes für Finanzdienstleistungsunternehmen – Einführung des Erlaubnistatbestandes der Anlageverwaltung, § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG“ v. 30.3.2009. 3 BT-Drucks. 16/11130, S. 43. 4 Als Anlage in ein statisches Portfolio ist auch die Anlage in ein festes Portfolio von Schuldverschreibungen anzusehen, die sich auf bestimmte Indizes beziehen. Eine Anlageverwaltung lässt sich in diesen Fällen allenfalls dann bejahen, wenn dem Initiator oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen bei der Auswahl der Indexbestandteile ein entsprechendes Ermessen zukommt (siehe auch von Livonius/Bernau, WM 2009, 1216 [1218]). In den typischen Fällen, in denen die Zusammensetzung der Indizes detaillierten Regeln folgt, wird dies indessen zu verneinen sein. 5 BT-Drucks. 16/11130, S. 43; von Livonius/Bernau, WM 2009, 1216 (1218).
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stand der Anlageverwaltung ausgenommen, da bei Private Equity-Strategien nicht eine bloße Teilnahme an der Wertentwicklung der Finanzinstrumente und damit keine reine Kapitalanlage gewollt ist1. Ein aktives Management besteht also bei der Anlageverwaltung nur auf der Ebene der Auswahl der Finanzinstrumente.
12. Eigengeschäfte Das Eigengeschäft iS des § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG umfasst die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung und stellt keine Dienstleistung für andere iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG dar. Das Eigengeschäft gilt als Finanzdienstleistung, soweit keiner der Ausnahmetatbestände des § 2 Abs. 6 KWG eingreift. Insbesondere kommt hier oft die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 6 Nr. 14 KWG in Betracht, der eine Ausnahme für Unternehmen, die als einzige Finanzdienstleistung Eigengeschäfte oder Eigenhandel betreiben, vorsieht. Voraussetzung ist indessen, dass diese Unternehmen nicht einem organisierten Markt (oder in einem multilateralen Handelssystem) kontinuierlich den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten zu selbst gestellten Preisen anbieten.
2.93
Unternehmen, die in organisierter und systematischer Weise häufig für eigene Rechnung außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems Handel treiben, indem sie ein für Dritte zugängliches System anbieten, um mit ihnen Geschäfte durchzuführen, können sich gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 14 lit. b KWG ebenfalls nicht auf die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 6 Nr. 14 KWG berufen.
2.94
III. Ausnahmetatbestände Die typisierenden Definitionen der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute bewirken, dass zahlreiche Unternehmen und Tätigkeitsfelder in den Tatbestand des KWG einbezogen wären, bei denen diese Einbeziehung im Hinblick auf die Schutzziele des KWG nicht als geboten erscheint. Daher enthält § 2 KWG in seinen Absätzen 1 und 6 zahlreiche Ausnahmeregelungen, die teilweise wiederum durch Rückausnahmen qualifiziert werden.
2.95
Nicht als Kreditinstitute gelten gemäß § 2 Abs. 1 KWG unter anderem die Deutsche Bundesbank, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Sozialversicherungsträger, die Bundesagentur für Arbeit, die öffentliche Schuldenverwaltung des Bundes, eines seiner Sondervermögen, eines Landes oder eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums und deren Zentralbanken2, Kapi-
2.96
1 BT-Drucks. 16/11130, S. 44. 2 Die Ausnahme gilt hinsichtlich der Zentralbanken indessen nur, sofern diese nicht fremde Gelder als Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums annehmen oder das Kreditgeschäft betreiben.
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talanlagegesellschaften und Investmentaktiengesellschaften, Versicherungsunternehmen und Unternehmen des Pfandleihgewerbes1.
2.97
Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (dh. Unternehmen, die auf Grund des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften als solche anerkannt sind) sowie Unternehmen, die auf Grund des Gesetzes über Wagniskapitalbeteiligungen als Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften anerkannt sind, gelten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 und 6a KWG ebenfalls nicht als Kreditinstitute.
2.98
Indessen gelten diese Ausnahmen für Versicherungsunternehmen, Pfandleihunternehmen und Unternehmensbeteiligungsgesellschaften gemäß § 2 Abs. 3 KWG nicht, wenn diese Bankgeschäfte betreiben, die nicht zu den für ihre jeweiligen Tätigkeitsfelder typischen Geschäften gehören.
2.99
Ausgenommen sind gemäß 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG auch Konzernfinanzierungsunternehmen, die Bankgeschäfte ausschließlich mit ihrem Mutterunternehmen oder ihren Tochter- oder Schwesterunternehmen betreiben, da in diesen Fällen keine Dritten des Schutzes durch das KWG bedürfen2.
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Einstweilen frei.
3. Abschnitt Erlaubnis und europäischer Pass I. Erlaubnispflicht für bankgeschäftliche Tätigkeiten
2.111
Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ist die Erbringung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen erlaubnispflichtig, sofern sie gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, geschieht3. Das danach vorgesehene Erlaubnisverfahren soll verhindern, dass ungeeignete Personen oder finanziell unzulänglich ausgestatteter Unternehmen Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringen. Daher ist die Erlaubnis ua. bei unzureichender Kapitalausstattung, bei fehlender Eignung der Inhaber oder der Geschäftsleiter oder bei mangelhaften organisatorischen Voraussetzungen zu versagen; ein Ermessen besteht insofern gemäß § 33 Abs. 1 KWG nicht. In den Fällen, in denen die Besorgnis besteht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich wäre, ist die Entscheidung der BaFin gemäß § 33 Abs. 3 KWG als Ermessensentscheidung ausgestaltet; indessen sind dabei die grundrechtlichen Bindungen, insbesondere Art. 12 GG zu beachten. Da § 33 KWG den Schutzbereich der grundrechtlich ge1 Die Ausnahme gilt hinsichtlich der Unternehmen des Pfandleihgewerbes indessen nur, soweit sie das Pfandleihgewerbe durch Gewährung von Darlehen gegen Faustpfand betreiben. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 2 KWG Rz. 12. 3 Bei der Postbank gilt diese Erlaubnis ab 1.1.1996 als erteilt (§ 64 KWG).
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
talanlagegesellschaften und Investmentaktiengesellschaften, Versicherungsunternehmen und Unternehmen des Pfandleihgewerbes1.
2.97
Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (dh. Unternehmen, die auf Grund des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften als solche anerkannt sind) sowie Unternehmen, die auf Grund des Gesetzes über Wagniskapitalbeteiligungen als Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften anerkannt sind, gelten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 und 6a KWG ebenfalls nicht als Kreditinstitute.
2.98
Indessen gelten diese Ausnahmen für Versicherungsunternehmen, Pfandleihunternehmen und Unternehmensbeteiligungsgesellschaften gemäß § 2 Abs. 3 KWG nicht, wenn diese Bankgeschäfte betreiben, die nicht zu den für ihre jeweiligen Tätigkeitsfelder typischen Geschäften gehören.
2.99
Ausgenommen sind gemäß 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG auch Konzernfinanzierungsunternehmen, die Bankgeschäfte ausschließlich mit ihrem Mutterunternehmen oder ihren Tochter- oder Schwesterunternehmen betreiben, da in diesen Fällen keine Dritten des Schutzes durch das KWG bedürfen2.
2.100–2.110
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Erlaubnis und europäischer Pass I. Erlaubnispflicht für bankgeschäftliche Tätigkeiten
2.111
Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ist die Erbringung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen erlaubnispflichtig, sofern sie gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, geschieht3. Das danach vorgesehene Erlaubnisverfahren soll verhindern, dass ungeeignete Personen oder finanziell unzulänglich ausgestatteter Unternehmen Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringen. Daher ist die Erlaubnis ua. bei unzureichender Kapitalausstattung, bei fehlender Eignung der Inhaber oder der Geschäftsleiter oder bei mangelhaften organisatorischen Voraussetzungen zu versagen; ein Ermessen besteht insofern gemäß § 33 Abs. 1 KWG nicht. In den Fällen, in denen die Besorgnis besteht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich wäre, ist die Entscheidung der BaFin gemäß § 33 Abs. 3 KWG als Ermessensentscheidung ausgestaltet; indessen sind dabei die grundrechtlichen Bindungen, insbesondere Art. 12 GG zu beachten. Da § 33 KWG den Schutzbereich der grundrechtlich ge1 Die Ausnahme gilt hinsichtlich der Unternehmen des Pfandleihgewerbes indessen nur, soweit sie das Pfandleihgewerbe durch Gewährung von Darlehen gegen Faustpfand betreiben. 2 Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 2 KWG Rz. 12. 3 Bei der Postbank gilt diese Erlaubnis ab 1.1.1996 als erteilt (§ 64 KWG).
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Erlaubnis und europäischer Pass
2. Teil
schützten Berufsfreiheit berührt, stellt § 33 Abs. 4 KWG stellt klar, dass eine Erlaubnis nur aus den in den Abs. 1 und 3 genannten Gründen versagt werden darf. Die Weite der Tatbestände des § 1 Abs. 1 und 1a KWG führt dazu, dass auch Unternehmen dem Anwendungsbereich des KWG unterfallen, bei denen keine Notwendigkeit einer Aufsicht besteht. Aus Gründen der Verwaltungsökonomie kann die BaFin daher gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 KWG im Einzelfall bestimmen, dass bestimmte aufsichtsrechtliche Regelungen auf ein Institut nicht anzuwenden sind, soweit das Unternehmen wegen der Art der von ihm betriebenen Geschäfte nicht der Aufsicht bedarf. Wie das Gesetz zum Ausdruck bringt („insgesamt“) ist zu prüfen, ob das Unternehmen hinsichtlich jeder einzelnen der in § 2 Abs. 4 Satz 1 KWG genannten Vorschriften einer Aufsicht bedarf.
2.112
II. Inhaberkontrolle Gemäß § 2c Abs. 1 KWG ist jedermann verpflichtet, der BaFin und der Deutschen Bundesbank unverzüglich die Absicht anzuzeigen, eine bedeutende Beteiligung1 an einem Institut erwerben zu wollen. Dabei kann die BaFin innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Anzeige den beabsichtigten Erwerb einer bedeutenden Beteiligung oder ihre Erhöhung untersagen. Die Untersagung kann darauf gestützt werden, dass der Anzeigepflichtige, ein gesetzlicher- oder satzungsmäßiger Vertreter oder ein Gesellschafter nicht zuverlässig ist oder aus anderen Gründen nicht den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Instituts zu stellenden Ansprüchen genügt (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 KWG).
2.113
Daneben kann eine Versagung gemäß § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 KWG auch darauf gestützt werden, dass der künftige Geschäftsleiter nicht zuverlässig oder nicht fachlich geeignet ist.
2.114
Im Übrigen kann die Aufsichtsbehörde den Erwerb untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Institut aufsichtsrechtlichen Anforderungen nicht genügt oder genügen wird oder durch die Begründung oder Erhöhung der bedeutenden Beteiligung in einem Unternehmensverbund eingebunden würde, der eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt. Hierfür genügt die Einbindung in einen Unternehmensverbund, der durch die Struktur des Beteiligungsgeflechts oder mangelhafte wirtschaftliche Transparenz eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 KWG).
2.115
1 Gemäß § 1 Abs. 9 KWG ist von einer bedeutenden Beteiligung auszugehen, wenn unmittelbar, oder mittelbar über und/oder im Zusammenwirken mit anderen Personen oder Unternehmen mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte eines anderen Unternehmens gehalten werden oder wenn auf die Geschäftsführung eines anderen Unternehmens ein maßgeblicher Einfluss ausgeübt werden kann.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
2.116
Während § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 KWG auf die Fälle abstellt, in denen Umstände in der Sphäre des Antragstellers bzw. des Instituts Zweifel an der Möglichkeit eine wirksame Aufsicht begründen, sieht § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 KWG vor, dass eine Untersagung auch darauf gestützt werden kann, wenn das Institut durch den Erwerb oder die Erhöhung der Beteiligung zum Tochterunternehmen eines anderen Instituts mit Sitz im Ausland würde, das im Staat seines Sitzes oder seiner Hauptverwaltung nicht wirksam beaufsichtigt wird oder dessen zuständige Aufsichtsstelle zu einer befriedigenden Zusammenarbeit mit der BaFin nicht bereit ist.
2.117
Schließlich kann die Versagung gemäß § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 6 KWG auch darauf gestützt werden, dass der Anzeigepflichtige nicht über die notwendige finanzielle Solidität verfügt, zB wenn die Anforderungen an Eigenmittel (siehe hierzu Abschnitt 5, Rz. 2.151 ff.) und Liquidität nicht erfüllt werden.
2.118
Ein Erwerber gilt auch dann als unzuverlässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die von ihm aufgebrachten Mittel für den Erwerb der bedeutenden Beteiligung aus einer Tat herrühren, die objektiv einen Straftatbestand erfüllt (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 KWG). Dieser Tatbestand wurde im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes1 entsprechend den Vorgaben des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht und insbesondere der bei der OECD angesiedelten Financial Action Task Force on Money Laundering ergänzt. Hierdurch soll unter anderem verhindert werden, dass der Erwerb einer bedeutenden Beteiligung an einem Institut mit Geldern erfolgt, die aus einer rechtwidrigen Tat herrühren, bzw. dass die eingesetzten Gelder durch den Erwerb reingewaschen werden oder das Institut zu weiteren Geldwäscheaktivitäten genutzt wird. Unbeachtlich ist es, ob der Antragsteller selbst oder ein Dritter diese Tat begangen hat. Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2005/60/EG wurde dieser Tatbestand durch § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 KWG ergänzt. Danach liegt ein Untersagungstatbestand bereits dann vor, wenn ein Zusammenhang mit einer Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung besteht oder wenn der Erwerb oder die Erhöhung das Risiko eines solchen Verhaltens erhöhen könnten.
III. Europäischer Pass
2.119
Eine Sonderregelung gilt für Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen aus den anderen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes, die im Inland eine Zweigniederlassung errichten, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen. Hierfür bedarf auf Grund des im Zuge der Liberalisierung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Europäischen Wirtschaftsraum eingeführten § 53b Abs. 1 KWG keiner Genehmigung der deutschen Bankenaufsicht. Dieser so genannte Europäische Pass berechtigt das jeweilige Unternehmen, im europäischen Wirtschaftsraum
1 Damals § 2b KWG.
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2. Teil
Organisationspflichten
Wertpapierdienstleistungen und Nebendienstleistungen über die Errichtung von Zweigniederlassungen oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs zu erbringen1. § 53b KWG korrespondiert mit § 24a KWG, der die Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Institute im Ausland sowie die grenzüberschreitende Erbringung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen im Ausland regelt. Beide Vorschriften setzen die Vorschriften des Art. 23 ff. Bankenrichtlinie2 und Art. 31 ff. Finanzmarktrichtlinie3 und das darin ausgedrückte Prinzip der gegenseitigen Anerkennung um4. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung rechtfertigt sich vor dem Hintergrund der weitgehenden Harmonisierung der bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen, die eine Kontrolle durch den Herkunftsstaat als ausreichend erscheinen ließ, so dass eine Kontrolle durch den Aufnahmestaat verzichtbar erscheint. Die Erlaubniserteilung des Herkunftsstaats ermöglicht es den Instituten damit, im gesamten EWR ihr Geschäft zu betreiben (daher „Europäischer Pass“ oder „EU-Pass“).
2.120
Die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde des Aufnahmestaates erschöpft sich im Wesentlichen in der Liquiditätskontrolle und die Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltensregeln (§§ 31 ff. WpHG). Aufsichtsrechtliche Spezialvorschriften haben nur Bestand, wenn sie ausländische Wertpapierfirmen nicht diskriminieren und der Sachverhalt EG-rechtlich noch nicht abschließend geregelt ist (sog. Vorrang des Europäischen Gesetzgebers), angemessene Kontrollen durch den Herkunftsstaat nicht existieren oder wenn die Vorschriften im Allgemeininteresse zwingend erforderlich sind5.
2.121
2.122–2.125
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Organisationspflichten I. Organisationspflichten nach dem KWG Eine der zentralen Neuerungen der Rahmenvereinbarung Basel II von Juni 2004 lag darin, Standards für einen qualitativ orientierten bankaufsichtlichen Überprüfungsprozess zu etablieren („Supervisory Review and Evaluation Process“ – SREP)6. Dieser Prozess stellt die so genannte „zweite Säule“ dar, die neben die quantitativen Eigenkapitalanforderungen („erste Säule“) tritt7. In1 Begr. RegE Richtlinien-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 13/7142, S. 55; hierzu allgemein Mielk, WM 1997, 2200 ff. 2 Richtlinie 2006/48 v. 14.6.2006. 3 Richtlinie 2004/39 v. 21.4.2004. 4 Begr. RegE Richtlinien-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 13/7142, S. 55. 5 Begr. RegE Richtlinien-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 13/7142, S. 56. 6 Hierzu umfassend: Wittig, ZHR 169 (2005), 212 (215). 7 Zur Verknüpfung mit der ersten Säule siehe unten Rz. 2.139.
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2.126
2. Teil
Organisationspflichten
Wertpapierdienstleistungen und Nebendienstleistungen über die Errichtung von Zweigniederlassungen oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs zu erbringen1. § 53b KWG korrespondiert mit § 24a KWG, der die Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Institute im Ausland sowie die grenzüberschreitende Erbringung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen im Ausland regelt. Beide Vorschriften setzen die Vorschriften des Art. 23 ff. Bankenrichtlinie2 und Art. 31 ff. Finanzmarktrichtlinie3 und das darin ausgedrückte Prinzip der gegenseitigen Anerkennung um4. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung rechtfertigt sich vor dem Hintergrund der weitgehenden Harmonisierung der bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen, die eine Kontrolle durch den Herkunftsstaat als ausreichend erscheinen ließ, so dass eine Kontrolle durch den Aufnahmestaat verzichtbar erscheint. Die Erlaubniserteilung des Herkunftsstaats ermöglicht es den Instituten damit, im gesamten EWR ihr Geschäft zu betreiben (daher „Europäischer Pass“ oder „EU-Pass“).
2.120
Die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde des Aufnahmestaates erschöpft sich im Wesentlichen in der Liquiditätskontrolle und die Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltensregeln (§§ 31 ff. WpHG). Aufsichtsrechtliche Spezialvorschriften haben nur Bestand, wenn sie ausländische Wertpapierfirmen nicht diskriminieren und der Sachverhalt EG-rechtlich noch nicht abschließend geregelt ist (sog. Vorrang des Europäischen Gesetzgebers), angemessene Kontrollen durch den Herkunftsstaat nicht existieren oder wenn die Vorschriften im Allgemeininteresse zwingend erforderlich sind5.
2.121
2.122–2.125
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Organisationspflichten I. Organisationspflichten nach dem KWG Eine der zentralen Neuerungen der Rahmenvereinbarung Basel II von Juni 2004 lag darin, Standards für einen qualitativ orientierten bankaufsichtlichen Überprüfungsprozess zu etablieren („Supervisory Review and Evaluation Process“ – SREP)6. Dieser Prozess stellt die so genannte „zweite Säule“ dar, die neben die quantitativen Eigenkapitalanforderungen („erste Säule“) tritt7. In1 Begr. RegE Richtlinien-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 13/7142, S. 55; hierzu allgemein Mielk, WM 1997, 2200 ff. 2 Richtlinie 2006/48 v. 14.6.2006. 3 Richtlinie 2004/39 v. 21.4.2004. 4 Begr. RegE Richtlinien-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 13/7142, S. 55. 5 Begr. RegE Richtlinien-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 13/7142, S. 56. 6 Hierzu umfassend: Wittig, ZHR 169 (2005), 212 (215). 7 Zur Verknüpfung mit der ersten Säule siehe unten Rz. 2.139.
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2.126
2. Teil
Bankaufsichtsrecht
nerhalb der zweiten Säule steht dem externen bankaufsichtlichen Überprüfungsprozess durch die Aufsicht der bankinterne Internal Capital Adequacy Review Process („ICAAP“) gegenüber. Grundlage beider Überprüfungsprozesse (SREP und ICAAP) ist der Grundsatz der doppelten Proportionalität, der besagt, dass sowohl die Steuerungsinstrumentarien in einer Bank als auch die Intensität der Überwachung durch die Bankenaufsicht proportional zu den eingegangenen Risiken der Bank sein sollen.
2.127
Zentrale Norm im Bereich der Ausgestaltung der Organisationspflichten im KWG ist der durch die 6. KWG-Novelle eingeführte § 25a KWG1. Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG muss ein Institut über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet. Ziel der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation ist gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG insbesondere, durch angemessenes und wirksames Risikomanagement die Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen. Die BaFin hat die sich hieraus ergebenden Vorgaben an das Risikomanagement in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (abgekürzt MaRisk) konkretisiert. Die MaRisk stellen normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften2 der BaFin dar, wurden von der BaFin erstmals mit Rundschreiben 18/2005 v. 20.12.2005 veröffentlicht und zuletzt am 14.8.2009 durch das Rundschreiben 15/2009 (BA) geändert.
1. Risikostrategie
2.128
Gemäß AT 4.1 Tz. 1 MaRisk ist die Risikotragfähigkeit eines Instituts gegeben, wenn auf der Grundlage des Gesamtrisikoprofils sichergestellt ist, dass die wesentlichen Risiken des Instituts durch das Risikodeckungspotenzial – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Wechselwirkungen – laufend abgedeckt sind. Da die Risiken in engem Zusammenhang mit der Geschäftsstrategie des Instituts stehen, fordert AT 4.1 Tz. 1 Satz 1 MaRisk, dass die Geschäftsleitung eine nachhaltige Geschäftsstrategie und eine dazu konsistente Risikostrategie festzulegen hat.
2.129
Die Geschäftsstrategie in den bankaufsichtlichen Überprüfungsprozess einzubeziehen, ist auf Kritik gestoßen3. Die BaFin hat klargestellt, dass es allein in der Verantwortung der Geschäftsleitung liegt, die Inhalte der Geschäftsstrategie festzulegen. Die Geschäftsstrategie selbst ist daher auch nicht Gegenstand
1 Der am 8.7.2010 vom BT angenommene Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie sieht durch den neu einzufügenden § 18b KWG zudem spezielle organisatorische Anforderungen in Bezug auf Verbriefungspositionen vor. Insbesondere sind Institute danach verpflichtet, Stresstests und Prozesse, die die Wertentwicklung der Verbriefungspositionen auf Basis relevanter Informationen zeitnah überwachen, zu implementieren (BR-Drucks. 518/10, S. 22 ff.). 2 Langen in Schwennicke/Auerbach, § 25a KWG Rz. 8 mwN. 3 Langen in Schwennicke/Auerbach, § 25a KWG Rz. 62.
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Organisationspflichten
2. Teil
von Prüfungshandlungen durch externe Prüfer oder die interne Revision1. Bei der Überprüfung der Risikostrategie ist die Geschäftsstrategie aber heranzuziehen, um die Konsistenz zwischen beiden Strategien nachvollziehen zu können. Daher sieht AT 4.1 Tz. 3 MaRisk auch vor, dass die Geschäftsleitung sowohl die Geschäfts- als auch die Risikostrategie mindestens jährlich zu überprüfen und ggf. anzupassen und dem Aufsichtsorgan des Kreditinstituts zur Kenntnis zu geben und mit diesem zu erörtern hat. Gemäß AT 4.3 Tz. 1 MaRisk sind in jedem Kreditinstitut entsprechend Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation zu treffen sowie Risikosteuerungs- und -controllingprozesse einzurichten.
2.130
2. Funktionentrennung Eines der Ziele der MaRisk liegt darin, die Effektivität des Risikomanagements durch die Trennung organisatorischer Bereiche innerhalb der Institute zu erhöhen. Dabei werden folgende Bereiche unterschieden:
2.131
– Der Bereich, der Kreditgeschäfte initiiert und bei den Kreditentscheidungen über ein Votum verfügt (Markt); – Der Bereich, der bei den Kreditentscheidungen über ein weiteres Votum verfügt (Marktfolge); – Der Bereich Handel; – Funktionen, die der Überwachung und Kommunikation der Risiken dienen (Risikocontrolling); – Funktionen, die der Abwicklung und Kontrolle der Handelsgeschäfte dienen. Eine der zentralen Vorgaben der MaRisk liegt darin, dass gemäß BTO Tz. 3 MaRisk organisatorisch sicherzustellen ist, dass die Bereiche Markt und Handel von den Bereichen Marktfolge, Risikocontrolling sowie den Funktionen, die der Abwicklung und Kontrolle der Handelsgeschäfte dienen, zu trennen sind. Diese Trennung ist auch auf der Ebene der Geschäftsleitung zu beachten; insbesondere sind gemäß BTO Tz. 4 MaRisk Funktionen des Marktpreisrisikocontrollings bis einschließlich der Ebene der Geschäftsleitung von Bereichen zu trennen, die die Positionsverantwortung tragen.
2.132
a) Kreditgeschäft Für das Kreditgeschäft bedeutet dies unter anderem gemäß BTO 1.1 Tz. 2 MaRisk, dass abhängig von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt des Kreditengagements eine Kreditentscheidung zwei zustimmende Voten der Bereiche Markt und Marktfolge voraussetzt. Das Kreditinstitut hat gemäß BTO 1.1 Tz. 6 MaRisk eine klare und konsistente Kompetenzordnung für Entscheidungen im Kreditgeschäft festzulegen. 1 Erläuterungen der BaFin zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) v. 14.8.2008, S. 9.
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2.133
2. Teil
Bankaufsichtsrecht
b) Handelsgeschäft
2.134
Neben dem Kreditgeschäft adressieren die MaRisk auch die Handelsgeschäfte. Neben zahlreichen prozeduralen Anforderungen, stellt die MaRisk dabei auch inhaltliche Anforderungen auf, indem festgelegt wird, dass bei Abschluss von Handelsgeschäften die Konditionen einschließlich der Nebenabreden vollständig vereinbart werden müssen und dass Handelsgeschäfte zu nicht marktgerechten Bedingungen in der Regel unzulässig sind.
2.135
Daneben sehen die MaRisk zB vor, dass vor Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit Handelsgeschäften durch eine vom Handel unabhängige Stelle zu prüfen ist, ob und inwieweit sie rechtlich durchsetzbar sind (BTO 2.2.1 der MaRisk). Daneben treffen die MaRisk auch Aussagen zur Dokumentation von Handelsgeschäften.
3. Risikosteuerungs- und -controllingprozesse
2.136
Das Modul BTR der MaRisk konkretisiert die Anforderungen in Bezug auf die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse für Adressenausfallrisiken (BTR 1), Marktpreisrisiken (BTR 2 der MaRisk), Liquiditätsrisiken (BTR 3 der MaRisk) und operationelle Risiken (BTR 4 der MaRisk).
4. Interne Revision
2.137
Das Modul BT2 konkretisiert die Aufgaben der internen Revision eines Kreditinstituts, die ihre Aufgaben selbständig und unabhängig wahrzunehmen hat und bei der Berichterstattung und der Wertung der Prüfungsergebnisse keinen Weisungen unterworfen sein darf (BT 2.2.1 Tz. 1 der MaRisk). Auch hier postuliert die MaRisk eine Funktionentrennung: Mitarbeiter, die in anderen Organisationseinheiten des Kreditinstituts beschäftigt sind, dürfen gemäß BT 2.2.2 Tz. 2 der MaRisk grundsätzlich nicht mit Aufgaben der internen Revision betraut werden.
2.138
Die interne Revision wird auf der Basis eines jährlich fortzuschreibenden Prüfungsplans tätig, den die Geschäftsleitung unter Beachtung des Risikoprofils zu erstellen hat (BT 2.3.1 der MaRisk).
II. Verknüpfung mit der „ersten Säule“
2.139
Die Rahmenvereinbarung Basel II vom Juni 2004 betont in Tz. 7231 den Zusammenhang zwischen dem von der Bank zur Risikounterlegung gehaltenen Eigenkapitalbetrag einerseits und der Robustheit und Effektivität des Risikomanagement-Systems und der internen Kontrollmechanismen der Bank andererseits. Danach stellt eine Erhöhung des Eigenkapitals nicht die einzige Mög1 Zitat bezieht sich auf: Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – überarbeitete Rahmenvereinbarung – Umfassende Version (Juli 2006).
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
lichkeit – aber eben doch eine mögliche Option dar –, um Risiken, die im Rahmen der zweiten Säule identifiziert wurden, zu begegnen. § 10 Abs. 1b Nr. 1 bis 4 KWG sieht daher vor, dass die BaFin im Rahmen bzw. auf Basis des bankaufsichtsrechtlichen Überprüfungsprozesses anordnen kann, dass ein Institut Eigenmittelanforderungen einhalten muss, die über die Anforderungen der SolvV hinausgehen, insbesondere, um nicht durch die SolvV abgedeckte Risiken zu berücksichtigen, wenn die Risikotragfähigkeit eines Instituts nicht gewährleistet ist, um den Aufbau eines zusätzlichen Eigenmittelpuffers für Perioden wirtschaftlichen Abschwungs sicherzustellen oder um einer besonderen Geschäftssituation des Instituts, etwa bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit, Rechnung zu tragen.
2.140–2.150
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Eigenmittel, Solvenz und Liquidität I. Eigenmittel nach dem KWG 1. Allgemeines Zu den zentralen Risiken von Banken gehört, dass die von ihnen gehaltenen Aktiva an Wert verlieren – etwa durch den Ausfall von Kreditnehmern oder durch eine negative Veränderung des Marktwerts der gehaltenen Wertpapiere. Dies wird umso bedeutender, als Banken überwiegend fremdfinanziert arbeiten. Da typische Fremdkapitalinstrumente in der Regel keine Verluste absorbieren können, führt dies dazu, dass sich Verluste auf der Aktivseite überproportional zu Lasten des Eigenkapitals auswirken.
2.151
Eine angemessene Eigenkapitalausstattung der Institute ist daher für die Stabilität des Finanzwesens von zentraler Bedeutung. Das Gesetz bringt dies in § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG zum Ausdruck, indem es verlangt, dass Institute, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen über angemessene Eigenmittel verfügen müssen. Dabei kommen dem Eigenkapital zwei zentrale Funktionen zu:
2.152
– Im laufenden Betrieb (sog. „going concern“) müssen die Eigenmittel in der Lage sein, Verluste zu absorbieren, so dass das Institut seine Tätigkeit trotz Verlusten fortsetzen kann. – Im Falle einer Insolvenz (sog. „gone concern“) muss sichergestellt sein, dass die Verbindlichkeiten des Instituts beglichen werden können. Entsprechend diesen unterschiedlichen Funktionen der Eigenmittel untergliedern die maßgeblichen Regelungswerke (die Rahmenvereinbarung Basel II1, 1 Sofern im Folgenden auf die Rahmenvereinbarung Basel II Bezug genommen wird, beziehen sich die Zitate auf: Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale
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2.153
Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
lichkeit – aber eben doch eine mögliche Option dar –, um Risiken, die im Rahmen der zweiten Säule identifiziert wurden, zu begegnen. § 10 Abs. 1b Nr. 1 bis 4 KWG sieht daher vor, dass die BaFin im Rahmen bzw. auf Basis des bankaufsichtsrechtlichen Überprüfungsprozesses anordnen kann, dass ein Institut Eigenmittelanforderungen einhalten muss, die über die Anforderungen der SolvV hinausgehen, insbesondere, um nicht durch die SolvV abgedeckte Risiken zu berücksichtigen, wenn die Risikotragfähigkeit eines Instituts nicht gewährleistet ist, um den Aufbau eines zusätzlichen Eigenmittelpuffers für Perioden wirtschaftlichen Abschwungs sicherzustellen oder um einer besonderen Geschäftssituation des Instituts, etwa bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit, Rechnung zu tragen.
2.140–2.150
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Eigenmittel, Solvenz und Liquidität I. Eigenmittel nach dem KWG 1. Allgemeines Zu den zentralen Risiken von Banken gehört, dass die von ihnen gehaltenen Aktiva an Wert verlieren – etwa durch den Ausfall von Kreditnehmern oder durch eine negative Veränderung des Marktwerts der gehaltenen Wertpapiere. Dies wird umso bedeutender, als Banken überwiegend fremdfinanziert arbeiten. Da typische Fremdkapitalinstrumente in der Regel keine Verluste absorbieren können, führt dies dazu, dass sich Verluste auf der Aktivseite überproportional zu Lasten des Eigenkapitals auswirken.
2.151
Eine angemessene Eigenkapitalausstattung der Institute ist daher für die Stabilität des Finanzwesens von zentraler Bedeutung. Das Gesetz bringt dies in § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG zum Ausdruck, indem es verlangt, dass Institute, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen über angemessene Eigenmittel verfügen müssen. Dabei kommen dem Eigenkapital zwei zentrale Funktionen zu:
2.152
– Im laufenden Betrieb (sog. „going concern“) müssen die Eigenmittel in der Lage sein, Verluste zu absorbieren, so dass das Institut seine Tätigkeit trotz Verlusten fortsetzen kann. – Im Falle einer Insolvenz (sog. „gone concern“) muss sichergestellt sein, dass die Verbindlichkeiten des Instituts beglichen werden können. Entsprechend diesen unterschiedlichen Funktionen der Eigenmittel untergliedern die maßgeblichen Regelungswerke (die Rahmenvereinbarung Basel II1, 1 Sofern im Folgenden auf die Rahmenvereinbarung Basel II Bezug genommen wird, beziehen sich die Zitate auf: Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale
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2.153
2. Teil
Bankaufsichtsrecht
die europäische Capital Requirements Directive1 sowie das diese umsetzende KWG) dabei die unterschiedlichen Positionen des bilanziellen Eigenkapitals anhand ihrer Haftungsqualität. Die Eigenmittel eines Kreditinstituts setzen sich gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 KWG aus dem haftenden Eigenkapital sowie den Drittrangmitteln (Tier 3-Kapital) zusammen. Dabei wird das haftende Eigenkapital wiederum in Kernkapital (Tier 1-Kapital) und Ergänzungskapital (Tier 2-Kapital) unterteilt.
2. Kernkapital (Tier 1-Kapital)
2.154
Im Rahmen der gegenwärtigen Systematik der Eigenmittel stellt das Kernkapital (sog Tier 1-Kapital) das qualitativ höchstwertige Kapital dar, dem die Funktion zukommt, sicherzustellen, dass das Kreditinstitut in der Lage ist, im „going concern“ auftretende Verluste zu absorbieren. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Kapitalbestandteile des Kernkapitals dem Institut dauerhaft zur Verfügung stehen. Daneben stellt das Kernkapital den Begrenzungsfaktor für die weiteren Arten des Bankkapitals dar, da Ergänzungskapital (Tier 2-Kapital) und Drittrangmittel (Tier 3-Kapital) nur in bestimmten Relationen zum Kernkapital anerkannt werden können. Wesentlich sind hierbei die folgenden Kapitalbestandteile: a) Eingezahltes Kapital
2.155
Als eingezahltes Kapital gilt der bilanziell als gezeichnetes Kapital ausgewiesene Betrag. Die zweite Capital Requirements Directive präzisiert dies, indem sie festlegt, dass als Basiseigenmittel iS des Art. 57 lit. a der Bankenrichtlinie2 diejenigen Instrumente anzusehen sind, die – nach nationalem Recht als Beteiligungskapital gelten, – den Stammaktien bei der Liquidation im Rang gleichgestellt sind und – die unter Zugrundelegung der Unternehmensfortführungsprämisse gleichrangig mit Stammaktien eine vollständige Verlustabsorption bieten3. Bei Instituten in der Rechtsform der Aktiengesellschaft umfasst dies das eingezahlte Grundkapital, bei Instituten in der Rechtsform der GmbH entsprechend das Stammkapital. Nicht kumulative Vorzugsaktien, die den Stammaktien bei der Liquidation im Rang gleichgestellt sind und eine vollständige Verlustabsorption bieten, werden ebenfalls dem Kernkapital zugerechnet4. Vorzugsaktien, deren Bedingungen dagegen auch eine Nachzahlung für die in
1 2 3 4
Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – überarbeitete Rahmenvereinbarung – Umfassende Version (Juli 2006). Als (erste) Capital Requirements Directive werden die Bankenrichtlinie 2006/48/EG v. 14.6.2006 und die Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG v. 14.6.2006 bezeichnet. Richtlinie 2006/48/EG v. 14.6.2006. Ziffer 4 der Präambel und Art. 1 Ziff. 7 der Richtlinie 2009/111/EG v. 16.9.2009 (CRD II). Ziffer 4 der Präambel der Richtlinie 2009/111/EG v. 16.9.2009 (CRD II).
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
Verlustjahren ausgefallenen Dividenden vorsehen (sogenannte kumulative Vorzugsaktien) weisen aufgrund des bestehenden Nachzahlungsanspruchs eine geringere Verlustabsorptionsfähigkeit auf; sie sind daher nur als hybride Kapitalia zu berücksichtigen1. Das KWG geht dabei von Grundsatz der effektiven Kapitalaufbringung aus2. Die Gesellschaftereinlage muss tatsächlich eingezahlt worden sein, um Berücksichtigung zu finden. Eine alternativ aktivierte Forderung gegen einen Gesellschafter etwa findet daher keine Berücksichtigung3.
2.156
b) Offene Rücklagen Gemäß § 10 Abs. 2a Satz 1 KWG gelten auch die in der Bilanz als Passivposten ausgewiesenen Rücklagen als Kernkapital (Gewinn- und Kapitalrücklagen). Gemäß § 10 Abs. 3a KWG sind hierfür zunächst die in der letzten festgestellten Jahresbilanz als Rücklagen ausgewiesenen Beträge maßgeblich4. Dies ist insbesondere für die Gewinnrücklage relevant und führte in der Vergangenheit dazu, dass eine Zuweisung zur Gewinnrücklage erst ab Feststellung der Bilanz eigenkapitalwirksam wurde5. Der im Rahmen der 7. KWG-Novelle überarbeitete Absatz 3 stellt indessen nunmehr unter bestimmten Umständen den einer prüferischen Durchsicht durch den Abschlussprüfer unterzogenen Zwischenabschluss für die Zwecke des § 10 KWG dem Jahresabschluss gleich, so dass in diesem Rahmen auch Zwischengewinne bei der Berechnung des Eigenkapitals berücksichtigt werden können.
2.157
Rücklagen, die auf Grund eines bei der Emission von Anteilen erzielten Aufgeldes oder anderweitig durch den Zufluss externer Mittel gebildet werden, können vom Zeitpunkt des Zuflusses an berücksichtigt werden. Allerdings bestehen im Rahmen der Revision der Baseler Eigenkapitalvereinbarungen Bestrebungen, ein Aufgeld nur noch im Rahmen derselben Eigenkapitalkategorie wie das zugrundeliegende emittierte Wertpapier zuzulassen6.
2.158
1 Siehe auch Ziffer 4 der Präambel der Richtlinie 2009/111/EG v. 16.9.2009 (CRD II); Auerbach/Fischer in Schwennicke/Auerbach, § 10 KWG Rz. 118. 2 Hierzu Boos in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 10 KWG Rz. 47. 3 Scharpf/Schaber in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, § 10 KWG Rz. 94; Auerbach/ Fischer in Schwennicke/Auerbach, § 10 KWG Rz. 102. Durch die zweite Capital Requirements Directive (CRD II) v. 16.9.2009 (RL 2009/111/EG) wird Art. 57 lit. a der Bankenrichtlinie dahingehend präzisiert, dass nur das eingezahlte Kapital Berücksichtigung finden kann. 4 Eine Ausnahme bilden Passivposten, die erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind. Als Rücklagen ausgewiesene Beträge, die aus Erträgen gebildet worden sind, auf die erst bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses Steuern zu entrichten sind, können nur in Höhe von 45 % berücksichtigt werden. 5 Scharpf/Schaber in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, § 10 KWG Rz. 127. 6 Konsultationspapier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, Strengthening the resilience of the banking sector (Dezember 2009), Tz. 94. Ein Agio auf kumulative Vorzugsaktien fände danach keine Berücksichtigung im Rahmen des Kernkapitals.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
c) Fonds für allgemeine Bankrisiken
2.159
§ 340g HGB erlaubt es den Kreditinstituten, eine offene Reserve in Form des Fonds zur Sicherung gegen allgemeine Bankrisiken1 zu bilden („Fonds für allgemeine Bankrisiken“). Ebenso wie die Gewinnrücklage kann der Fonds nur aus den versteuerten Ergebnissen gebildet werden. Die Höhe des Fonds steht im Ermessen des jeweiligen Instituts, das sich daran orientieren soll, inwieweit der Fonds nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wegen der besonderen Risiken des Geschäftszweigs notwendig ist. d) Bilanzgewinn
2.160
Gemäß § 10 Abs. 2a Satz 1 Nr. 9 KWG ist auch der Bilanzgewinn, soweit seine Zuweisung zum Geschäftskapital, zu den Rücklagen oder den Geschäftsguthaben beschlossen ist, dem Kernkapital zuzurechnen. e) Hybride Instrumente
2.161
Als hybride Instrumente gelten Finanzierungsinstrumente, die eine Zwischenstellung zwischen Eigen- und Fremdkapital einnehmen, da sie Merkmale beider Kapitalarten aufweisen. Hybride Finanzinstrumente haben im Bereich der Finanzierung von Kreditinstituten zunehmend an Bedeutung gewonnen, da sie einerseits als aufsichtsrechtliches Eigenkapital angesehen werden, andererseits aber eine günstigere und flexible Refinanzierung ermöglichen können. In den verschiedenen Rechtsordnungen wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl hybrider Finanzinstrumente entwickelt. Im deutschen Recht fallen etwa Pflichtwandelanleihen und Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter in diese Kategorie. f) Einschränkung der Zulässigkeit hybrider Kapitalia
2.162
Die Frage, unter welchen Bedingungen hybride Instrumente als Kernkapital anerkannt werden können, ist seit Längerem Gegenstand intensiver Diskussionen. Dabei ist aufsichtsrechtlich entscheidend, ob die beiden zentralen Anforderungen des going concern-Kapitals, Dauerhaftigkeit und Verlustabsorptionsfähigkeit, ausreichend gegeben sind. Die zweite Capital Requirements Directive2 hat die Bankenrichtlinie in Art. 57 lit. ca um eine eigene Kategorie für hybride Kapitalia ergänzt und mit Art. 63a entsprechende Anforderungen an diese definiert3. 1 Die Einschränkung auf allgemeine Bankrisiken grenzt diese Bilanzposition dabei von den Rückstellungen ab, die in Bezug auf konkrete Bilanzpositionen gebildet werden; siehe auch Boos in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 10 KWG Rz. 67. 2 Art. 1 Ziff. 7 und 10 der RL 2009/111/EG v. 16.9.2009 (CRD II). 3 Der am 8.7.2010 vom BT angenommene Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie sieht vor, dass § 10 KWG entsprechend ergänzt wird: Während § 10 Abs. 2a Satz 1 Nr. 8 KWG bislang die Möglichkeit vorsah, Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter im Rahmen des Kernkapitals zu berücksichtigen, und § 10 Abs. 4 KWG die entsprechenden Voraussetzungen an die stille Beteiligung regelte, soll künftig auf den Begriff der Vermögens-
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
aa) Dauerhaftigkeit Gemäß Art. 57 lit. ca der Bankenrichtlinie müssen hybride Kapitalia unbefristet sein oder eine Ursprungslaufzeit von mindestens 30 Jahren haben, um als Kernkapital anerkannt zu werden. Besondere Bedeutung im Rahmen der hybriden Kapitalia haben sogenannte innovative Finanzinstrumente gewonnen. Hierbei handelt es sich um Finanzinstrumente, die Kündigungsrechte zugunsten der Emittenten und Zinssteigerungen (sog. „step up“) zu bestimmten Terminen vorsehen. Da keine Kündigungsrechte zugunsten der Anleger bestehen, sind derartige Finanzinstrumente – sofern die o.g. Voraussetzungen an die Laufzeit eingehalten werden – als Kernkapital zulässig. Da die Zinssteigerungen aber wirtschaftliche Anreize für eine Kündigung zu bestimmten Zeitpunkten setzen, hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht bereits 1998 in der sogenannten „Sydney-Erklärung“1 quantitative Grenzen für Zinssteigerungen definiert und die Zulässigkeit innovativer Finanzinstrumente auf 15 % des Kernkapitals beschränkt. Die zweite Capital Requirements Directive2 ergänzt daher Art. 63a und 66 der Bankenrichtlinie um entsprechende Regelungen: Kündigungsrechte zugunsten der Emittenten sind danach zulässig; die Instrumente dürfen aber frühestens nach fünf Jahren zurückgezahlt werden. Bei unbefristeten Instrumenten sind maßvolle Rückzahlungsanreize zulässig; die Anreizwirkung darf aber frühestens nach zehn Jahren einsetzen. Bei befristeten Instrumenten dürfen Rückzahlungsanreize dagegen nur zum Fälligkeitstermin bestehen. In jedem Fall ist vor einer Kündigung die Zustimmung der zuständigen Behörde einzuholen.
2.163
bb) Verlustabsorption Die Bestimmungen des jeweiligen Finanzinstruments müssen dem Kreditinstitut die Möglichkeit geben, Zins- bzw. Dividendenzahlungen für unbegrenzte Zeit und ohne Kumulation ausfallen zu lassen. Im Insolvenzfall müssen hybride Kapitalia gegenüber den Finanzinstrumenten der Tier 2 und 3 nachrangig sein, um als Kernkapital anerkannt zu werden3.
2.164
cc) Quantitative Grenzen Durch die zweite Capital Requirements Directive wird Art. 66 der Bankenrichtlinie um differenzierte quantitative Vorgaben für verschiedene Hybride ergänzt4: Hybride Finanzinstrumente können danach einen Anteil von bis zu
1 2 3 4
einlagen stiller Gesellschafter als Ausgangspunkt für die Anrechnungsvoraussetzungen verzichtet werden. Maßgeblich ist danach nicht mehr die Zuordnung zu einer bestimmten Beteiligungsform iS des Gesellschaftsrechts. Vielmehr definieren § 10 Abs. 2a Satz 1 Nr. 8 und Nr. 10 iVm. Abs. 4 KWG nunmehr qualitative Kriterien, die sich an Art. 63 und 63a der geänderten Bankenrichtlinie orientieren (BR-Drucks. 518/10, S. 12 ff.). Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Instruments elegible for inclusion in Tier 1 capital (v. 27.10.1998). Art. 1 Ziff. 10 und 12 der RL 2009/111/EG v. 16.9.2009 (CRD II). Art. 1 Ziff. 10 der RL 2009/111/EG v. 16.9.2009 (CRD II). Art. 1 Ziff. 12 der RL 2009/111/EG v. 16.9.2009 (CRD II).
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
35 % am Tier 1-Kapital aufweisen1. Da Hybride, die in Krisensituationen bzw. auf Initiative der zuständigen Aufsichtsbehörde in Aktien umgewandelt können, ein höheres Haftungspotenzial aufweisen, dürfen weitere 15 % des Tier 1Kapitals auf derartige Instrumente entfallen2. dd) Fokussierung auf „harte“ Kernkapitalkomponenten
2.166
Bereits im Jahr 1998 formulierte der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, dass das Kernkapital in erster Linie aus dem auf Stammaktien (bzw. vergleichbare Instrumente anderer Rechtsformen) eingezahlten Kapital sowie den Rücklagen und den einbehaltenen Gewinnen bestehen sollte (sog. „Core Tier 1-Kapital“)3; diese Sicht hat der Ausschuss Ende 2009 nochmals bekräftigt und verschärft4: Übrige Elemente des Kernkapitals sollten, so der Ausschuss, nachrangig sein, eine (nicht-kumulative) Kuponzahlung müsse allein im Ermessen des Instituts stehen und es dürfe weder eine festgelegte Fälligkeit noch Anreize zur Rückzahlung geben. Innovative Finanzinstrumente, die durch „step-up clauses“ mit einem Anreiz zur Rückzahlung ausgestattet sind und die nach der zweiten Capital Requirements Directive5 auf maximal 15 % des Kernkapitals begrenzt sind, sollten – so der Baseler Ausschuss – künftig nicht mehr im Rahmen des Kernkapitals eingesetzt werden6. ee) Ausblick auf Basel III
2.166a
Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat am 12.9.2010 die Eckpunkte der künftigen Mindestkapitalstandards („Basel III“) bekannt gegeben. Danach sind die risikogewichteten Positionswerte ab dem 1.1.2015 zu 6,0 % mit Tier 1-Kapital zu unterlegen; dabei sind 4,5 % der risikogewichteten Positionswerte durch Core Tier 1-Kapital zu unterlegen7. Weiterhin die risikogewichteten Positionswerte daneben zu 8 % mit Tier 1 oder Tier 2-Kapital zu unterlegen. Ab dem 1.1.2019 ist zusätzlich ein Sicherheitspuffer von weiteren 2,5 % der risikogewichteten Positionswerte in Form von Core Tier 1-Kapitalia vorzuhalten. Dieser Sicherheitspuffer dient dazu, in Krisensituationen Verluste 1 Entsprechend den Vorgaben der Sydney-Erklärung sind innovative Finanzinstrumente dabei auf maximal 15 % des Tier 1-Kapital begrenzt. 2 Der am 8.7.2010 vom BT angenommene Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie sieht vor, dass § 10 Abs. 2 KWG entsprechend um die neu einzufügenden Sätze 3 bis 5 ergänzt wird, die die Anrechnungsgrenzen für hybride Finanzinstrumente regeln und die geänderte Bankenrichtlinie umsetzen (BR-Drucks. 518/10, S. 11 f.). 3 Zur den Merkmalen des Core Tier 1-Kapitals siehe Annex IV des Konsultationspapiers zur vierten Capital Requirements Directive (CRD IV) v. 26.2.2010. 4 Konsultationspapier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, Strengthening the resilience of the banking sector (Dezember 2009), Tz. 15; siehe CEBS, „Proposals for a common EU definition of tier1 hybrids“ v. 3.4.2008. 5 Richtlinie 2009/111/EG v. 16.9.2009. 6 Konsultationspapier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, „Strengthening the resilience of the banking sector“ aus dem Dezember 2009, Tz. 15. 7 Dabei ist vorgesehen, dass die Kapitalanforderungen ab dem 1.1.2013 stufenweise gesteigert werden.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
zu absorbieren. Dabei sind Banken in der Ausschüttung ihrer Mittel umso stärker eingeschränkt, je weiter ihre Kapitalausstattung in Richtung des so definierten Mindeststandards absinkt. Zusätzlich sieht Basel III vor, dass die jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden einen antizyklischen Risikopuffer von 0 bis 2,5 % der risikogewichteten Positionswerte anordnen können, um in Phasen zunehmender Kreditvergabe die Stabilität des Bankwesens zu gewährleisten. Neben den oben genannten Kapitalanforderungen, die – ebenso wie im Rahmen von Basel II – an risikogewichtete Aktiva anknüpfen, strebt Basel III daneben die Einführung eines von Risikogewichten unabhängigen maximalen Verhältnisses der Aktiva zur Eigenkapitalausstattung an („Leverage Ratio“). Diese soll nach einem vierjährigen Beobachtungszeitraum zum 1.1.2015 verbindlich festgeschrieben werden.
2.166b
g) Abzugsposten § 10 Abs. 2a Satz 2 KWG korrigiert das gemäß § 10 Abs. 2a Satz 1 KWG ermittelte Kernkapital. Danach ist der Bilanzverlust vom Eigenkapital abzuziehen. Dasselbe gilt für weitere Positionen, die im Insolvenzfall wirtschaftlich nur eingeschränkt als Haftungsmasse zur Verfügungsstehen (zB immaterielle Vermögensgegenstände). Auch Kredite an maßgebliche Kapitaleigner und stille Gesellschafter, die zu nicht marktüblichen Bedingungen gewährt wurden, werden an dieser Stelle in Abzug gebracht1.
2.167
§ 10 Abs. 2a Satz 2 Nr. 3 iVm. Abs. 3b KWG eröffnet der BaFin außerdem die Möglichkeit, einen Korrekturposten festzusetzen, der vom Kern- bzw. Ergänzungskapital abzuziehen ist. Hierdurch durch kann die BaFin insbesondere Fälle berücksichtigen, in denen Verluste erlitten wurden, die noch nicht bilanzwirksam wurden.
2.168
§ 10 Abs. 6 Nr. 1 bis 4 KWG sieht vor, dass unmittelbare Beteiligungen an Instituten und Finanzunternehmen sowie Forderungen aus nachrangigen Verbindlichkeiten und Genussrechten gegen Instituten und Finanzunternehmen jeweils hälftig vom Kern- und vom Ergänzungskapital abzuziehen sind2. Auf diese Weise wird vermieden, dass Kapital auf verschiedenen Beteiligungsunternehmen mehrfach zur Risikounterlegung genutzt werden kann; daher entfällt der Abzug in Bezug auf konsolidierte Unternehmen (10 Abs. 6 Satz 4 GWK). Eine ähnliche Regelung findet sich in § 10 Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 und 6 KWG für Beteiligungen an bzw. Forderungen aus nachrangigen Verbindlichkeiten und Genussrechten gegen bestimmte Versicherungsunternehmen.
2.169
1 Siehe Annex IV des Konsultationspapiers zur vierten Capital Requirements Directive (CRD IV) v. 26.2.2010. 2 Ausnahmen bestehen unter anderem, soweit die Beteiligungshöhe unter 10 % des Kapitals dieser Unternehmen liegt (sofern die Summe der danach ausgenommenen Positionen 10 % des haftenden Eigenkapital des Instituts nicht überschreitet) sowie für Beteiligungen, die vorübergehend im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Market Maker gehalten werden (§ 10 Abs. 6 Satz 3 KWG).
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
3. Ergänzungskapital
2.170
Als Ergänzungskapital gelten dem haftenden Eigenkapital zugerechnete, aber nicht als Eigenkapital bilanzierte Posten, die weitgehend dieselbe Haftungsfunktion wie das gebuchte Eigenkapital innehaben. Das Ergänzungskapital wird in zwei Klassen mit abnehmender Haftungsqualität unterteilt1, wobei die Summe beider Klassen des Ergänzungskapitals das anrechenbare Kernkapital nicht übersteigen darf. Das Ergänzungskapital der Klasse I umfasst ua. Vorsorgereserven, Genussrechtskapital, Neubewertungsreserven sowie kumulative Vorzugsaktien. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 4 KWG darf das berücksichtigte Ergänzungskapital nur bis zu 50 vom Hundert des Kernkapitals aus längerfristigen nachrangigen Verbindlichkeiten und dem Haftsummenzuschlag bestehen (Ergänzungskapital der Klasse II). Wesentlich sind hierbei insbesondere die folgenden Kapitalbestandteile: a) Ungebundene Vorsorgereserven
2.171
§ 340f Abs. 1 Satz 1 HGB räumt Banken die Möglichkeit ein, Forderungen, Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere sowie Aktien und andere nicht festverzinsliche Wertpapiere, die weder wie Anlagevermögen behandelt werden noch Teil des Handelsbestands sind, mit einem niedrigeren als dem nach § 253 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 HGB vorgeschriebenen oder zugelassenen Wert ansetzen. Voraussetzung ist, dass dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zur Sicherung gegen die besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute notwendig ist; daneben ist diese Reserve auf 4 % des Gesamtbetrags dieser Vermögensgegenstände beschränkt. Da in dieser Bildung einer Vorsorgereserve bereits ein Risikoabschlag auf der Aktivseite verwendet wird, ist es konsequent, dies auf der Eigenkapitalseite entsprechend zu berücksichtigen, indem der Betrag bei Berechnung des Ergänzungskapital angerechnet wird. b) Kumulative Vorzugsaktien
2.172
Aktien, die mit einem nachzuzahlenden Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet sind (siehe § 139 AktG), sind nicht als Kern-, sondern als Ergänzungskapital zu berücksichtigen (§ 10 Abs. 2b Satz 1 Nr. 2 KWG). Vom Institut selbst gehaltene Vorzugsaktien sind aufgrund des Grundsatzes der effektiven Kapitalaufbringung (dazu Rz. 2.156) nicht zu berücksichtigen. c) Neubewertungsreserven
2.173
§ 10 Abs. 2b Satz 1 Nr. 6 und 7 KWG ermöglicht es Instituten, Differenzen, die sich bei Grundstücks- und Anlagebuchpositionen und unter festgelegten
1 Das Konsultationspapier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, „Strengthening the resilience of the banking sector“ (Dezember 2009) schlägt vor, diese Unterteilung aufzugeben (Tz. 72).
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
Voraussetzungen zwischen dem Buchwert und dem höheren aktuellen Wert ergeben, zu berücksichtigen. Der so ermittelte Differenzbetrag darf zu 45 % in das Ergänzungskapital einfließen. d) Weitere Anforderungen an das Ergänzungskapital Gemäß § 10 Abs. 5 KWG darf Kapital dem Ergänzungskapital zugerechnet werden. Voraussetzung ist, dass es bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt und das Institut berechtigt ist, im Falle eines Verlustes Zinszahlungen aufzuschieben. Daneben eine Nachrangigkeit vereinbart sein und das Genussrechtskapital muss dem Institut für mindestens fünf Jahre zur Verfügung gestellt werden, wobei der Rückzahlungsanspruch nicht in weniger als zwei Jahren fällig wird. Schließlich darf der zugrundeliegende Vertrag keine Besserungsabreden enthält1.
2.174
Die Ausgabe von Genussrechten2, dem wesentlichen Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 KWG, ist unabhängig von der Rechtsform des Instituts möglich3. Anders als längerfristige nachrangige Verbindlichkeiten unterliegen Genussrechte nur der allgemeinen Begrenzung des Eigenkapitals auf 100 % des Kernkapitals.
2.175
e) Längerfristige nachrangige Verbindlichkeiten Nachrangige Verbindlichkeiten sind zum Ergänzungskapital der Klasse II zu rechnen und unterliegen damit der Beschränkung auf 50 % des Kernkapitals. Als nachrangige Verbindlichkeit gilt gemäß § 10 Abs. 5a KWG Kapital, bei dem vereinbart ist, dass es im Falle des Konkurses oder der Liquidation des Instituts erst nach Befriedigung aller nicht nachrangigen Gläubiger zurückgezahlt wird, das dem Institut mindestens fünf Jahre zur Verfügung gestellt worden ist, bei dem die Aufrechnung des Rückzahlungsanspruchs gegen Forderungen des Instituts ausgeschlossen ist und für das keine Sicherheiten durch das Institut oder durch Dritte gestellt werden.
1 Der am 8.7.2010 vom BT angenommene Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie sieht vor, dass in § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 KWG festgelegt wird, dass aus Verlusten resultierende ermäßigte Rückzahlungsansprüche nicht durch Gewinne, die nach Laufzeitende entstehen, aufgefüllt werden können (BR-Drucks. 518/10, S. 15 f.). 2 § 10 Abs. 5 KWG sah bislang spezielle Anerkennungsvoraussetzungen für Genussrechtsverbindlichkeiten vor. Der am 8.7.2010 vom BT angenommene Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie basiert dagegen auf einem prinzipienorientierten Ansatz, der nicht an bestimmte gesellschafts- oder beteiligungsrechtliche Kategorien anknüpft (BRDrucks. 518/10, S. 15 f.). 3 Auerbach/Fischer in Schwennicke/Auerbach, § 10 KWG Rz. 179.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
4. Drittrangmittel
2.177
Drittrangmittel sind gemäß § 10 Abs. 2c KWG der anteilige Gewinn, der bei einer Glattstellung aller Handelsbuchpositionen entstünde. Hiervon abzuziehen sind vorhersehbare Aufwendungen und Ausschüttungen sowie der bei einer Liquidation des Unternehmens voraussichtlich entstehenden Verluste aus dem Anlagebuch. Daneben umfassen die Drittrangmittel die kurzfristigen nachrangigen Verbindlichkeiten sowie Positionen, die allein wegen einer Kappung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 und 4 KWG nicht als Ergänzungskapital berücksichtigt werden können1.
5. Anrechenbarkeit
2.178
Ergänzungskapital und Drittrangmittel sind bei der Berechnung der anrechenbaren Eigenmittel nur begrenzt berücksichtigungsfähig. So wird Ergänzungskapital nur bis zu 100 % des Kernkapitals als haftendes Eigenkapital anerkannt und darf auch nur bis zu 50 % des Kernkapitals aus langfristigen nachrangigen Verbindlichkeiten und dem Haftsummenzuschlag bestehen (§ 10 Abs. 2 Satz 3 und 4 KWG).
6. Modifiziertes verfügbares Eigenkapital
2.179
Das KWG sieht vor, dass haftendes Eigenkapital, das bereits zur Unterlegung anderer Risiken (z.B. Großkreditüberschreitungen gemäß §§ 13 und 13a, 13b KWG, qualifizierte Beteiligungen nach § 12 KWG, Organkredite nach § 15 KWG sowie Positionen nach § 10 Abs. 6a KWG) genutzt wurde, nicht mehr zur Unterlegung anderer Risikopositionen genutzt werden kann. Diese Positionen werden daher vom haftenden Eigenkapital abgezogen. Bei dem dann verbleibenden Betrag an Kern- und Ergänzungskapital handelt es sich um das modifizierte verfügbare Eigenkapital.
2.180
Das modifizierte verfügbare Eigenkapital steht als haftendes Kapital zur Gewährleistung der Solvenz zur Verfügung. Das 12,5-fache dieses modifizierten verfügbaren Eigenkapitals darf zur Unterlegung risikotragender Aktiva verwendet werden (§ 2 Abs. 6 SolvV).
7. Anrechnungsfähigkeit von Drittrangmitteln
2.181
Drittrangmittel stehen im Rahmen der SolvV ausschließlich zur Unterlegung der Anrechnungsbeträge von Marktrisiken zur Verfügung. Die Berücksichtigungsfähigkeit ist dabei durch die Höhe des freien Kern- und Ergänzungskapi1 Das Konsultationspapier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, „Strengthening the resilience of the banking sector“ (Dezember 2009) schlägt vor, diese Kategorie aufzugeben. Marktrisiken wären danach ebenfalls mit Tier 1 oder Tier 2-Kapital zu unterlegen (Tz. 79); ebenso auch Ziffern 64 f. des Konsultationspapiers zur vierten Capital Requirements Directive (CRD IV) v. 26.2.2010.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
tals begrenzt: Drittrangmittel dürfen nur bis zu einem Betrag herangezogen werden, der zusammen mit dem freien Ergänzungskapital1 250 %2 des freien Kernkapitals3 nicht übersteigt (§ 10 Abs. 2c Satz 2 KWG).
II. Grundlagen der Solvenzregelungeen
2.182
Die Rahmenvereinbarung Basel II vom Juni 20044 besteht aus drei Säulen: 1) den Mindestkapitalanforderungen, 2) dem aufsichtlichen Überprüfungsverfahren und 3) der Offenlegung. Die Strukturprinzipien und Vorgaben der Rahmenvereinbarung Basel II wurden durch die Bankenrichtlinie v. 14.6.2006 (Richtlinie 2006/48/EG) sowie die Kapitaladäquanzrichtlinie v. 14.6.2006 (Richtlinie 2006/49/EG) aufgenommen. Dabei ist der Anwendungsbereich beider Richtlinien nicht deckungsgleich, da sich die Kapitaladäquanzrichtlinie auch an Wertpapierdienstleister richtet, die keine Kreditinstitute sind. Da die Vorschriften der Kapitaladäquanzrichtlinie aber auch für die Kreditinstitute relevant sind, sind beide Richtlinien eng miteinander verbunden5. Mit der Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV) wurden die Mindestkapitalanforderungen der ersten Säule und die Offenlegungspflichten der dritten Säule der Rahmenvereinbarung Basel II sowie die sich hierauf beziehenden Eigenkapitalanforderungen und Offenlegungsvorschriften der Bankenrichtlinie und der Kapitaladäquanzrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die SolvV wurde am 20.12.2006 veröffentlicht und ist am 1.1.2007 in Kraft getreten.
2.183
Soweit die SolvV die an die Institute gestellten Eigenmittelanforderungen definiert, konkretisiert sie § 10 Abs. 1 KWG und tritt an die Stelle des früheren Grundsatz I. Sie gilt sowohl auf Ebene des Einzelinstitutes als auch für Instituts- und Finanzholding-Gruppen auf konsolidierter Basis. Gemäß § 2
2.184
1 Hierbei handelt es sich um das Ergänzungskapital, das nicht zur Unterlegung der Adressenausfallrisiken und des operationellen Risikos benötigt wird. 2 Bei Wertpapierhandelsunternehmen gilt hier ein Faktor von 200 % sofern von den Drittrangmitteln keine schwer realisierbaren Aktiva abgezogen werden. 3 Kernkapital, das nicht zur Unterlegung der Adressenausfallrisiken und des operationellen Risikos benötigt wird. 4 Zum Ausblick auf Basel III siehe Rz. 2.166a f. 5 Zusammenfassend werden beide Richtlinien daher auch als Capital Requirements Directive bezeichnet. Die in der Folge verabschiedete Änderungsrichtlinie 2009/111/ EG v. 16.9.2009 wird als Capital Requirements Directive II (CRD II) bezeichnet; weitere (geplante) Änderungsrichtlinien sind die Capital Requirements Directive III, die insbesondere Regelungen zur Unterlegung von Marktrisiken und zu Vergütungssystemen treffen soll, und die Capital Requirements Directive IV, die unter anderem die Regelungen zu den Eigenmitteln und zur Liquidität vorsehen soll; siehe Rz. 2.166a f. zum Ausblick auf Basel III.
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Bankaufsichtsrecht
Abs. 1 Satz 1 SolvV verfügt ein Institut über angemessene Eigenmittel, wenn es täglich zum Geschäftsschluss sowohl die Eigenkapitalanforderungen für Adressrisiken und das operationelle Risiko als auch die Eigenmittelanforderungen für Marktrisiken erfüllt.
2.185
Dabei können Adressrisiken und das operationelle Risiko gemäß § 2 Abs. 2 SolvV nur durch das modifizierte verfügbare Eigenkapital (siehe hierzu Rz. 2.179) unterlegt werden. Das Ergänzungskapital (siehe hierzu Rz. 2.170) steht dagegen gemäß § 2 Abs. 3 SolvV nur zur Unterlegung der Marktpreisrisiken zur Verfügung, wobei Marktpreisrisiken auch durch das modifizierte verfügbare Eigenkapital, soweit dieses nicht zur Unterlegung der Adressrisiken und des operationellen Risikos benötigt wird, abgedeckt werden können.
III. Adressrisiken
2.186
Als Adress- bzw. Kreditrisiko wird das Risiko bezeichnet, dass aus dem Ausfall der Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen durch einen Vertragspartner oder den Emittenten eines Wertpapiers entsteht. Bei Finanzinstrumenten überlagern sich dabei Markt- und Kreditrisiko teilweise, da sich eine Veränderung des Ausfallrisikos auf den Marktpreis auswirken wird. Da sich die Methode zur Ermittlung des Marktrisikos von der des Kreditrisikos unterscheidet und um eine Doppelerfassung von Risiken zu vermeiden, sieht § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SolvV vor, dass bei Handelsbuchinstituten nur die Positionen in die Bestimmung des Anrechnungsbetrags eingehen, die einem Adressenausfallrisiko unterliegen, das nicht durch eine Handelsbuch-Risikoposition abgedeckt wird.
1. Ansätze zur Bestimmung der Adressrisiken
2.187
Zentrale Größe für die Berechnung der Eigenkapitalunterlegung für Adressbzw. Kreditrisiken ist der Gesamtanrechnungsbetrag für Adressrisiken. Zu dessen Berechnung sieht die SolvV zwei alternative Ansätze vor: – den sogenannten Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) und – einen auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA). Methodisch wird der Gesamtanrechnungsbetrag für Adressrisiken ermittelt, indem aus der Gesamtheit der Adressrisikopositionen die einzelnen Adressenausfallrisikopositionen (mit Ausnahme der Abwicklungsrisikopositionen) bestimmt und diese entweder nach dem Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) oder dem auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA) in risikogewichtete Positionswerte überführt werden (§ 8 SolvV). Der Gesamtanrechnungsbetrag für Adressrisiken wird ermittelt, indem die Summe der risikogewichteten Positionswerte (KSA-Positionswerte, IRBA-Positionswerte und Positionswerte für Verbriefungspositionen) mit 8 % multipliziert wird.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
2. Adressenausfallrisikopositionen Die Adressenausfallrisikopositionen setzen sich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SolvV aus den bilanziellen Adressenausfallrisikopositionen, den derivativen Adressenausfallrisikopositionen, den außerbilanziellen Adressenausfallrisikopositionen sowie den Vorleistungsrisikopositionen zusammen. Zu den bilanziellen Adressenausfallrisikopositionen wiederum gehören insbesondere die Bilanzaktiva im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 9 KWG1. Zu den derivativen Adressenausfallrisikopositionen gehören insbesondere Derivate iS des § 19 Abs. 1a KWG (mit Ausnahme bestimmter Positionen unter Credit Default Swaps) sowie bestimmte Stillhalterverpflichtungen aus Optionen.
2.188
3. Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) Wird der Kreditrisiko-Standardansatz2 verwendet, so werden die risikogewichteten Positionswerte in folgenden Schritten ermittelt:
2.189
a) Festlegung der relevanten Bemessungsgrundlage Ausgang für die Bestimmung der risikogewichteten Positionswerte ist die Festlegung der relevanten Bemessungsgrundlage. Die Regelungenüber maßgeblichen Bemessungsgrundlagen finden sich in § 49 SolvV. Dieser entspricht in seinen Grundzügen Grundsatz I und differenziert zunächst danach, ob mit der entsprechenden Bemessungsgrundlage eine finanzielle Sicherheit verbunden ist.
2.190
Bei bilanziellen Adressenausfallrisikopositionen, denen keine finanziellen Sicherheiten zugeordnet sind, basiert die Bemessungsgrundlage auf dem Buchwert3. Derivative Adressenausfallrisikopositionen werden gemäß § 17 Abs. 1 SolvV wahlweise nach der Internen Modelle Methode4 (IMM), der Standardmethode (SM)5 oder der Marktbewertungsmethode6 ermittelt. Bei außerbilanziellen Adressenausfallrisikopositionen wird auf den Buchwert der Ansprüche
2.191
1 Ausgenommen sind im Falle von Pensions- und Darlehensgeschäften die entsprechenden beim Pensionsnehmer bzw. Darlehensnehmer bilanzierten Wertpapiere etc. 2 Hierzu: Wittig, ZHR 169 (2005), 212 (217). 3 Zu etwaigen Korrekturen siehe § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. a SolvV. 4 Bei der IMM erfolgt die Berechnung der Kreditäquivalenzbeträge mittels eines institutsinternen Risikomodells, das auf Basis modellierter Marktpreisbewegungen die Verteilung zukünftiger positiver Marktwerte von Derivaten abschätzt. Da den Instituten bei der Anwendung der IMM erhebliche Freiräume gewährt werden, darf diese Methode im Gegensatz zu den anderen genannten Verfahren nur nach Zustimmung der Aufsicht genutzt werden. 5 Die SM kann dabei auch als standardisierte IMM bezeichnet werden, die zwar bestimmte Kernelemente der IMM berücksichtigt und damit auch die Kreditrisiken wesentlich genauer abbildet als die bisherigen Verfahren, aber weniger aufwendig implementiert werden kann. 6 Bei der Marktbewertungsmethode wird der Kreditäquivalenzbetrag aus dem aktuellen Eindeckungsaufwand bei angenommenem Ausfall des Kontraktpartners („positiver Marktwert“) zuzüglich eines von den jeweiligen Restlaufzeiten abhängigen Zuschlages für mögliche künftige Risikoerhöhungen errechnet.
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und Gegenansprüche abgestellt; auch hier ist gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 2 lit. b iVm. § 17 Abs. 2 Satz 1 SolvV die Verwendung der Interne Modelle Methode (IMM) möglich. b) Berechnung des KSA-Positionswerts
2.192
Der KSA-Positionswert wird gemäß § 48 SolvV ermittelt, indem die jeweilige Bemessungsgrundlage mit dem in § 50 SolvV festgelegten KSA-Konversionsfaktor multipliziert wird. Der Konversionsfaktor dient dazu, außerbilanzielle Adressenausfallrisikopositionen entsprechend der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme zu berücksichtigen1. Während der Konversionsfaktor bilanzieller Positionen 100 % beträgt, ist innerhalb der bilanzunwirksamen Geschäfte also danach zu differenzieren, in welchem Umfang das Risiko einer Belastung bzw. Inanspruchnahme besteht. Während Kreditsubstitute ebenfalls mit 100 % in die Bewertung eingehen, sind Akkreditive und kündbare Kreditlinien (abhängig von der Kündigungsfrist) mit geringeren Konversionsfaktoren verbunden. c) Berechnung der risikogewichteten Positionswerte
2.193
Die risikogewichteten Positionswerte entsprechen den Produkten aus dem jeweiligen KSA-Positionswert mit dem jeweiligen KSA-Risikogewicht (§ 24 Abs. 1 Satz 2 SolvV2). Die Ermittlung der KSA-Risikogewichte setzt zunächst die Zuordnung des jeweiligen KSA-Positionswerts zu den folgenden in § 25 Abs. 1 SolvV festgelegten Forderungsklassen voraus: 1. Zentralregierungen, 2. Regionalregierungen und örtliche Gebietskörperschaften, 3. sonstige öffentliche Stellen, 4. multilaterale Entwicklungsbanken, 5. internationale Organisationen, 6. Institute, 7. von Kreditinstituten emittierte gedeckte Schuldverschreibungen, 8. Unternehmen, 9. Mengengeschäft, 10. durch Immobilien besicherte Positionen, 11. Investmentanteile, 12. Beteiligungen, 13. Verbriefungen, 14. sonstige Positionen, 15. überfällige Positionen. 1 Dürselein in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 50 SolvV Rz. 2 f. 2 Besondere Regelungen gelten hier für Verbriefungspositionen.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
Um sowohl die Besonderheiten der jeweiligen Forderungsklassen als auch die Bonität des einzelnen Schuldners zu berücksichtigen, sieht sie SolvV in §§ 26 ff. für die verschiedenen Forderungsklassen differenzierte Regelungen zur Ermittlung des jeweiligen KSA-Risikogewicht vor1.
2.194
Der Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) erlaubt es den Instituten, für bestimmte Forderungsklassen das Risikogewicht von Adressrisikopositionen auf der Grundlage externer Bonitätsbeurteilungen ermitteln. Voraussetzung ist, dass diese von anerkannten Ratingagenturen oder von Exportversicherungsagenturen veröffentlicht wurden. Abhängig von der Bonitätsbeurteilung und der Forderungsklasse werden den Adressrisikopositionen diskrete Risikogewichte von 0 % bis 1250 % zugeordnet. Für Adressrisikopositionen, für die keine Ratings vorliegen, sind pauschale Risikogewichte festgelegt. Ebenso kommen für bestimmte Forderungsklassen ausschließlich pauschale Risikogewichte zur Anwendung, die nur die Art der Adressrisikoposition, nicht aber externe Bonitätsbeurteilungen berücksichtigen.
2.195
d) Kreditrisikominderungstechniken Institute können durch finanzielle Sicherheiten und Gewährleistungen das Kreditrisiko mindern. Im KSA stehen den Instituten zur Berücksichtigung finanzieller Sicherheiten die einfache Methode sowie die anspruchsvollere umfassende Methode zur Verfügung (§180 SolvV). Während bei der einfachen Methode nach Maßgabe des § 40 SolvV das Risikogewicht der Sicherheit an die Stelle des Risikogewichts des Schuldners tritt2 (Risikogewichtssubstitution), werden bei der umfassenden Variante gemäß § 49 SolvV auch die Laufzeit des Sicherungsinstruments sowie mögliche Wert- und Währungsschwankungen berücksichtigt3.
2.196
4. Auf internen Ratings basierender Ansatz (IRBA) Neben dem KSA steht den Instituten der IRB-Ansatz (IRBA – Internal Rating Based Approach) als risikosensitiver Ansatz zur Risikogewichtung von Adressrisikopositionen zur Verfügung4. Innerhalb der IRB-Ansätze ist wiederum danach zu differenzieren, ob ein Institut jenseits des Mengengeschäfts nur die Ausfallwahrscheinlichkeit (Basis-Ansatz) oder auch die Verlustquote bei Ausfall und den Konversionsfaktor selbst schätzt (fortgeschrittener Ansatz). Im Rahmen beider IRB-Varianten werden proprietäre Ratingsysteme verwendet, um die Eigenkapitalanforderungen für Adressrisiken zu ermitteln. Dabei wird jeder Kreditnehmer auf der Basis interner Bonitätsbeurteilungen einer bestimmten Ratingstufe zugeordnet. Das für eine Adressrisikoposition anzu1 Hierzu Höhl in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, KWG (2009), §§ 24–54 SolvV Rz. 22 ff. 2 Hierzu Höhl in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, KWG (2009), §§ 24–54 SolvV Rz. 19. 3 Eingehend: Dürselein in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 49 SolvV Rz. 9. 4 Hierzu: Wittig, ZHR 169 (2005), 212 (219).
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
wendende Risikogewicht spiegelt dabei in erster Linie die Wahrscheinlichkeit dafür wieder, dass der Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Diese Ausfallwahrscheinlichkeit können die Institute auf der Basis einer typisierenden Analyse geeigneter Kreditnehmergruppe auf der Basis historischer Daten ermitteln. a) Bemessungsgrundlage
2.198
Im Regelfall der bilanziellen Adressenausfallrisikoposition entspricht die Bemessungsgrundlage im Rahmen des IRBA-Ansatzes gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 SolvV dem in Anspruch genommene Betrag, mindestens aber der Summe des Betrags, um den das haftende Eigenkapital bei vollständiger Abschreibung verringert würde und der berücksichtigten Beträge für eingetretene oder potenzielle Wertminderungen infolge des adressrisikobezogenen Verlustrisikos. Anders als im Rahmen des KSA ist also der Buchwert der Forderung um Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen zu korrigieren. Hintergrund ist, dass im Rahmen des IRBA gemäß §§ 104 f. SolvV auch erwartete Verluste (siehe hierzu Rz. 2.203) abgedeckt werden1.
2.199
Ebenso wie im Rahmen des KSA berechnet sich die Bemessungsgrundlage einer derivativen Adressenausfallrisikoposition gemäß § 17 SolvV; auch das Wahlrecht des § 17 Abs. 2 Satz 1 SolvV zugunsten des IMM kann auch im IRBA genutzt werden. Im Übrigen entsprechen die Bemessungsgrundlagen der außerbilanziellen Adressenausfallrisikopositionen den Buchwerten der Ansprüche und Eventualansprüche, die diese IRBA-Positionen bilden, wobei nicht in Anspruch genommene Teile von Kreditlinien und bestimmte andere Zusagen gemäß § 100 Abs. 2 Nr. 2 SolvV ebenfalls berücksichtigt werden. b) Berechnung des IRBA-Positionswerts
2.200
Der IRBA-Positionswert ist der erwartete Betrag, der infolge eines Schuldnerausfalls, eines Veritätsrisikos, einer Wertverschlechterung bei Sachanlagen oder eines Kontrahentenrisikos einem Verlustrisiko ausgesetzt ist (§ 99 Satz 1 SolvV). Er entspricht dem Produkt aus der IRBA-Bemessungsgrundlage und dem IRBA-Konversionsfaktor.
2.201
Der IRBA-Konversionsfaktor drückt den erwarteten Anteil aus, zu dem eine gegenwärtig nicht in Anspruch genommene Zusage bei einem Ausfall der Gegenpartei in Anspruch genommen wird. Dabei legt § 101 Abs. 1 Satz 1 SolvV fest, für welche Positionen der IRBA-Faktor durch das Institut geschätzt werden kann. Anders als beim KSA kann das Institut danach für diejenigen Positionen, denen ein aufsichtlicher Konversionsfaktor von weniger als 100 % zugewiesen wäre, die den IRBA-Forderungsklassen Zentralregierungen, Institute oder Unternehmen zuzuordnen sind und die in den Anwendungsbereich eines von der IRBA-Zulassung erfassten Ratingsystems fallen, einen selbstge-
1 Winkler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 100 SolvV Rz. 5.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
schätzten IRBA-Konversionsfaktor verwenden1; dasselbe gilt für die IRBA-Forderungsklasse Mengengeschäft. Für die Positionen, denen keine eigenen Schätzungen zugrunde gelegt werden dürfen, legt § 101 Abs. 2 SolvV Nr. 1 bis 6 aufsichtsrechtliche Konversionsfaktoren vor; nicht aufgeführten Positionen wird dabei gemäß § 101 Abs. 2 SovV Nr. 7 ein Konversionsfaktor in Höhe von 100 % zugewiesen. c) Risikogewichtete IRBA-Positionswerte Für jede IRBA-Position, die keine IRBA-Verbriefungsposition darstellt, ist der risikogewichtete IRBA-Positionswert gemäß § 84 SolvV zu ermitteln. Der risikogewichtete IRBA-Positionswert für eine IRBA-Position ist das Produkt aus ihrem IRBA-Positionswert und ihrem IRBA-Risikogewicht.
2.202
Das IRBA-Risikogewicht für eine IRBA-Position ist in der Regel2 ihr ausfallwahrscheinlichkeitsbasiertes IRBA-Risikogewicht. Entsprechend der Vorgaben der Richtlinie 2006/48/EG (Anhang VII, Teil 1, Nr. 3 und 10) basiert das ausfallwahrscheinlichkeitsbasierte Risikogewicht auf dem Produkt aus voraussichtlicher Verlustquote (sog. Loss Given Default, LGD) und bedingter Ausfallwahrscheinlichkeit. Dabei können die Institute die insbesondere Risikokomponenten LGD und EAD selbst anhand interner Ratingsysteme schätzen3. Dabei sollen indessen nur unerwartete Verluste Berücksichtigung finden, so dass der erwarte Verlust (also das Produkt aus erwarteter Ausfallwahrscheinlichkeit und LGD in Abzug zu bringen ist)4. Dies drückt § 86 SolvV aus, der vorsieht, dass das IRBA-Risikogewicht durch Multiplikation von Differenz aus bedingter und prognostizierter Ausfallwahrscheinlichkeit und LGD zu ermitteln ist.
2.203
Das so ermittelte Ergebnis wird anschließend noch in zweifacher Hinsicht modifiziert: Um die Auswirkungen der Laufzeit des Kredits ebenfalls zu erfassen, ist das Ergebnis mit dem Restlaufzeitkorrekturfaktor5 zu ermitteln. Daneben ist es mit dem 12,5-fachen des sog. aufsichtlichen Skalierungsfaktors gemäß § 86 Abs. 4 SolvV zu multiplizieren, der eine Kalibrierung der Mindest-
2.204
1 2 3 4
Siehe hierzu §§ 135 bis 137 SolvV. Zu den Ausnahmen siehe § 85 Abs. 2 bis 7 SolvV. Hierzu: Wittig, ZHR 169 (2005), 212 (221 ff.). Der erwartete Verlustbetrag findet über § 104 SolvV Berücksichtigung. Diese Norm bildet die Verknüpfung des IRBA-Ansatzes mit etwaigen bilanzwirksamen Maßnahmen (Wertberichtigungen und Rückstellungen) in Bezug auf die jeweiligen Positionen. Dabei werden die erwarteten Verluste der IRBA-Positionen mit den jeweiligen Wertberichtigungen und Rückstellungen verglichen. Übersteigen die nach IRBA ermittelten erwarteten Verluste die Wertberichtigungen bzw. Rückstellungen so ist der Differenzbetrag vom Kapital abzuziehen; Übersteigen Wertberichtigungen bzw. Rückstellungen dagegen die nach IRBA ermittelten erwarteten Verluste kann die Differenz ggf. dem Ergänzungskapital hinzugerechnet werden. Siehe Winkler in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 86 SolvV Rz. 3; Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung“ (Juli 2004), Tz. 17. 5 Formel 4 der Anlage 2 der SolvV.
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Bankaufsichtsrecht
eigenkapitalforderungen anhand neuerer Erkenntnisse und veränderter ökonomischer Rahmenbedingungen ermöglichen soll1.
5. Verbriefungen
2.205
Verbriefungen2 werfen besondere Herausforderungen auf, da sie es ermöglichen, die Kreditrisiken eines zugrunde liegenden Portfolios auf Finanzinstrumente mit unterschiedlichen Risikoprofilen aufzuteilen, mit der Folge, dass sich Risiken besonders in bestimmten Tranchen konzentrieren3. Um diese Risiken adäquat abzubilden, bestehen sowohl im Rahmen des KSA als auch im Rahmen des IRBA besondere Regelungen für Verbriefungstransaktionen4. Im KSA werden die Risikogewichte der Verbriefungspositionen gemäß den Vorgaben der SolvV aus externen Ratings abgeleitet. Im Rahmen des IRBA bestehen drei mögliche Berechnungsarten: – der ratingbasierten Ansatz gemäß § 257 SolvV (Ratings-Based Approach, RBA), der anzuwenden ist, wenn eine externe Bonitätsbeurteilung einer anerkannten Ratingagentur vorliegt (bzw. eine abgeleitete Bonitätsbeurteilung); – die Verwendung einer aufsichtsrechtlichen Formel (Supervisory Formula, SF) gemäß § 258 SolvV, die für unbeurteilte Positionen anzuwenden ist; sowie – der auf Asset Backed Commercial Paper anwendbare interne Bemessungsansatz (Internal Assessment Approach, IAA) gemäß § 259 SolvV.
1 Im Jahr 2006 wurde der Skalierungsfaktor auf der Basis der Studien QUI 4 und QUI 5 auf 1,06 festgelegt. 2 In einer Verbriefungstransaktion überträgt der Verkäufer (Originator) bestimmte Vermögenspositionen an einen Käufer. Bei dem Käufer handelt es sich in der Regel um eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle), die sich durch Ausgabe von Wertpapieren refinanziert. Typisch für Verbriefungstransaktionen ist, dass die emittierten Wertpapiere in Klassen (sog. Verbriefungstranchen) untergliedert sind. Die Verbriefungstranchen stehen einem Subordinationsverhältnis stehen, das vorsieht, in welcher Reihenfolge Zahlungen oder Verluste bei Realisation des Adressenausfallrisikos des verbrieften Portfolios den Haltern von Positionen in den Verbriefungstranchen zugewiesen werden (Wasserfall). Verbriefungstransaktionen bestehen grundsätzlich in zwei Ausgestaltungsformen: Traditionelle (True Sale) Verbriefungen und synthetische Verbriefungen: Während bei sog. „True Sale“-Verbriefungen die Vermögenspositionen rechtlich auf den Käufer (das SPV) übertragen werden, findet bei synthetischen Transaktionen nur eine wirtschaftliche Risikoübertragung durch Einsatz von Kreditderivaten statt. Siehe § 226 SolvV zur Definition von Verbriefungstransaktionen nach der SolvV. 3 Besondere Schwierigkeiten stellen sich in diesem Zusammenhang bei Wiederverbriefungen (Re-securitizations), da sich hohe und zugleich korrelierte Verluste der zugrunde liegenden Vermögenswerte in höherem Maße auf die höher gerateten Tranchen auswirken können (siehe Ziff. 3.3 des Konsultationspapiers zur vierten Capital Requirements Directive (CRD IV) v. 26.2.2010). 4 Der am 8.7.2010 vom BT angenommene Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie sieht vor, dass das KWG durch den neu einzufügenden § 1b KWG entsprechend um eine Definition der Verbriefungstransaktion ergänzt wird (BR-Drucks. 518/10, S. 3 f.). Dabei wird die bislang in § 226 SolvZ enthaltene Definition weitgehend übernommen.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
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Um Risiken aus Verbriefungspositionen zu reduzieren, sieht der am 8.7.2010 vom BT angenommene Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vor, das KWG um einen neu einzufügenden § 18a zu ergänzen. Dieser sieht vor, dass Institute in der Regel nur dann Verbriefungspositionen, die aus Verbriefungstransaktionen Dritter resultieren, im Anlage- oder Bankbuch halten dürfen, wenn der Originator bzw. Sponsor der Verbriefungstransaktion oder der ursprüngliche Kreditgeber weiter am Ausfallrisiko durch einen materiellen Nettoanteil von mindestens 5 % beteiligt bleibt1.
IV. Operationelle Risiken Als operationelles Risiko gilt gemäß § 269 Abs. 1 SolvV die Gefahr von Verlusten, die infolge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren und Systemen, Menschen oder infolge externer Ereignisse eintreten. Hierzu gehören auch Rechtsrisiken. Die SolvV sieht für die Berechnung des regulatorischen Eigenkapitalbedarfs für operationelle Risiken drei alternative Methoden vor: den Basisindikatoransatz, den Standardansatz sowie fortgeschrittene Messansätze (Advanced Measurement Approaches/AMA).
2.206
1. Basisindikatoransatz Berechnungsgrundlage für den Basisindikator- und den Standardansatz ist der Dreijahresdurchschnitt des so genannten relevanten Indikators, der aus bestimmten Posten der Gewinn- und Verlustrechnung zu berechnen ist. Die Eigenkapitalunterlegung ergibt sich bei Anwendung des Basisindikatoransatzes, indem der relevante Indikator pauschal mit 15 % multipliziert wird.
2.207
2. Standardansatz Alternativ können Institute den Standardansatz verwenden, der es ihnen ermöglicht, anstelle des pauschalen Faktors von 15 % für die einzelnen Geschäftsfelder unterschiedliche Faktoren zu verwenden. Ein Institut, das beabsichtigt, den Standardansatz zu verwenden, hat dies der Aufsicht anzuzeigen.
2.208
Zur Berechnung der Eigenkapitalunterlegung sind im Rahmen des Standardansatzes Teilanrechnungsbeträge zu bilden, indem für einzelne Geschäftsfelder jeweils der relevante Indikator berechnet wird und dieser dann (abhängig von der jeweiligen Zuteilung) mit Gewichtungssätzen zwischen 12 % und 18 % multipliziert wird2.
2.209
1 BR-Drucks. 518/10, S. 20 f. 2 Institute, die überwiegend Privat- oder Firmenkundengeschäft betreiben, dürfen mit Einwilligung der Aufsicht bei Verwendung des Standardansatzes den Anrechnungsbetrag in diesen Geschäftsfeldern durch Multiplikation des nominalen Kreditvolumens mit 0,035 berechnen.
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Bankaufsichtsrecht
3. Advanced Measurement Approach (AMA)
2.210
Sofern die Aufsicht einem Institut erlaubt, einen fortgeschrittenen Messansatz (Advanced Measurement Approach – AMA) zu verwenden, kann dieses den Eigenkapitalbedarf auf Basis eines institutseigenen Modells ermitteln. Hierzu sind indessen bestimmte aufsichtsrechtliche Vorgaben zu erfüllen, deren Einhaltung im Rahmen einer Zulassungsprüfung überprüft wird. So muss das Institut gemäß § 279 Abs. 1 SolvV unter anderem ein integriertes System zur Identifizierung, Messung, Überwachung, Berichterstattung und Steuerung seines operationellen Risikos eingeführt haben1.
V. Marktpreisrisiken
2.211
Als Marktpreisrisiko bezeichnet man das Risiko finanzieller Verluste, die sich aus einer der Änderung von Marktpreisen ergeben. Während die Eigenmittelanforderungen für das Adressausfall- sowie das operationelle Risiko in der Bankenrichtlinie geregelt werden, ergeben sich die Vorgaben über die Ermittlung der Eigenmittelanforderungen für Marktpreisrisiken aus der Kapitaladäquanzrichtlinie. Im deutschen Recht wurden deren Vorgaben ebenfalls in der SolvV (§§ 294 ff.) umgesetzt. Im Rahmen der Eigenmittelunterlegung der Marktpreisrisiken ist nach den einzelnen Marktpreisrisikokategorien (Fremdwährungs-, Rohwarenpreis-, Zins- und Aktienpreisrisiken sowie den anderen Marktrisiken) zu differenzieren. Institute mit einem geringen Volumen von Handelsgeschäften (sogenannte Nichthandelsbuchinstitute) werden gemäß § 2 Abs. 11 KWG durch eine Bagatellregelung von der Anwendung der komplexen Berechnungsverfahren für Handelsbuchpositionen mit Zins- und Aktienpreisrisiken befreit.
2.212
Entsprechend den Vorgaben der Kapitaladäquanzrichtlinie sieht auch die SolvV sowohl die in §§ 294–231 SolvV geregelte Standardmethode als auch die Verwendung eigener Risikomodelle (§§ 313–318 SolvV) vor.
1. Standardmethode a) Handelsbuchrisikopositionen
2.213
Die Eigenmittelunterlegung der Handelsbuchrisikopositionen dient der Abdeckung der Zinsänderungsrisiken sowie der Aktienkursrisiken der Positionen des Handelsbuchs2. 1 Siehe hierzu eingehend Rickwardt in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, 2009, §§ 269–293 SolvV Rz. 33 ff. 2 § 1a KWG regelt die Abgrenzung der Handelsbuchpositionen von den Positionen des Bankbuchs. Maßgeblich ist dabei unter anderem, ob die jeweilige Position gehalten bzw. erworben wird, um im Rahmen eines kurzfristigen Wiederverkaufs aus Preisdifferenzen bzw. Marktschwankungen einen Eigenhandelserfolg zu erzielen (Handelsabsicht); siehe hierzu auch das Rundschreiben 17/99 des BaKred.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
Zinsänderungsrisiken und Aktienkursrisiken lassen sich wiederum in die allgemeinen und die besonderen Kursrisiken unterteilen. Während allgemeine Kursrisiken die Gefahr einer Marktpreisänderung, die einer allgemeinen Bewegung am jeweiligen Markt zuzuschreiben ist, ausdrücken, gilt als besonderes Kursrisiko die Gefahr der Veränderung des Marktpreises, die auf den Emittenten zurückzuführen ist. Im besonderen Kursrisiko reflektiert sich auch das Kreditrisiko des jeweiligen Emittenten. Der Eigenmittelunterlegung der Handelsbuchrisikopositionen liegt das Prinzip zugrunde, dass die sich aus einzelnen Positionen ergebenden Risiken im Kontext des Gesamtportfolios zu ermitteln sind. Maßgeblich ist jeweils, ob und inwieweit die sich aus einzelnen Positionen ergebenden Risiken durch andere Positionen mit spiegelbildlichem Risikoprofil neutralisiert werden. aa) Zusammenfassung in Nettopositionen Um Risikopositionen, die sich gegenseitig neutralisieren, aus der Ermittlung des Handelsbuchrisikos auszuschließen, sieht § 299 SolvV vor, dass für einzelne Finanzinstrumente jeweils die Nettoposition zu ermitteln ist. Dabei gehen Bestände, Lieferverpflichtungen und Derivate in die Ermittlung der Nettoposition ein. § 299 SolvV sieht dabei grundsätzlich vor, dass nur innerhalb jeweils gleicher Finanzinstrumente eine Saldierung vorzunehmen ist1.
2.214
bb) Aktienkursrisiken Der Teilanrechnungsbetrag für das allgemeinen Aktienkursrisikos entspricht der Summe der Summe der Teilanrechnungsbeträge der einzelnen nationalen Aktienmärkte (siehe § 304 SolvV). Die Teilanrechnungsbeträge der einzelnen nationalen Aktienmärkte wiederum werden für jeden einzelnen nationalen Aktienmarkt durch Multiplikation der jeweiligen Differenz zwischen aktivischen und passivischen Aktiennettopositionen in dem betreffenden Markt mit dem Faktor 8 % ermittelt.
2.215
Der Teilanrechnungsbetrag für das besonderen Aktienkursrisikos entspricht der Summe der Aktiennettopositionen, die bei hochliquiden Aktien mit hoher Anlagequalität mit 2 %2, im Übrigen mit 4 % zu multiplizieren sind (siehe § 305 SolvV). Die ermittelten Teilanrechnungsbeträge für das allgemeine und besondere Aktienkursrisiko sind zum Gesamtanrechnungsbetrag des Aktienkursrisikos aufzuaddieren.
2.216
1 Zur Ausnahme im Rahmen des Pre-processings siehe Rz. 2.217. Wertpapiere sind gemäß § 299 Abs. 3 SolvV als gleich anzusehen, wenn sie von demselben Emittenten ausgegeben wurden, auf dieselbe Währung lauten und auf demselben nationalen Markt gehandelt werden, im Falle der Einbeziehung in die Zinsnettoposition in ihrem Rückzahlungsprofil übereinstimmen, im Falle der Einbeziehung in die Aktiennettoposition dem Inhaber hinsichtlich des Stimmrechtes dieselbe Stellung verleihen und im Falle der Insolvenz des Emittenten denselben Rang einnehmen. 2 Die reduzierte Gewichtung von 2 % gilt nur, soweit die jeweilige Nettoposition nicht mehr als 5 % des Wertes der gesamten Nettoposition darstellt.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
cc) Zinsrisiken
2.217
Ebenso wie bei Aktienkursrisiken wird auch bei Zinsrisiken zwischen allgemeinen Zinsrisiken (von Marktzinsänderungen abhängig) und besonderen Zinsrisiken (emittentenabhängig) unterschieden. Diese unterfallen in Wertpapier-Zinsnettoposition (aus Beständen gleiche Wertpapiere bzw. Ansprüchen und Verpflichtungen aus Kassapositionen) und Derivat-Zinsnettopositionen (Unterschiedsbeträge aus zinsbezogenen Derivaten). Eine Besonderheit besteht hierbei im Rahmen der Ermittlung der Nettoposition aus Zinsderivaten: Da diesen einerseits hohe Beträge zugrunde liegen, andererseits aber – da die Ausgestaltungen der Zinsderivate sehr vielgestaltig ist – nicht zu jeder Position eine exakt spiegelbildliche existiert, würden hieraus relativ hohe Eigenmittelanforderungen resultieren. Sofern die Unterschiede gegenläufiger Positionen aber gering sind, sich diese also weitgehend entsprechen, lässt § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm. Abs. 4 SolvV eine Saldierung auch bei geringfügigen Unterschieden zu. Da Positionen hierbei vorab aus der nachfolgend beschriebenen Ermittlung der Eigenmittel ausscheiden, spricht man hierbei auch vom „Pre-processing“ oder „Matched pairs-Verfahren“. (1) Allgemeines Zinsrisiko
2.218
Wie oben beschrieben, hängt das Zinsrisiko einer Position auch davon ab, inwieweit sie durch gegenläufige Positionen neutralisiert werden kann. Zur Ermittlung der Teilanrechnungsbeträge für das allgemeine Kursrisiko im Zinsbereich stehen nach der SolvV dabei die Jahresbandmethode und die Durationsmethode zur Verfügung. Beide sehen vor, dass offene Positionen schrittweise durch Saldierung gegenläufiger Positionen geschlossen werden. Da das Risiko, dass sich die ihm Rahmen der Saldierung geschlossenen Positionen bei Veränderungen des Zinsumfeldes nicht exakt gegenläufig verhalten, sieht die SolvV vor, dass Positionen schrittweise geschlossen werden und die zur Unterlegung ermittelten Beträge dabei um so höher sind, je mehr sich die geschlossenen Positionen unterscheiden.
2.219
Jahresbandmethode. Im Rahmen der Jahresbandmethode gemäß § 301 SolvV werden die jeweiligen Positionen mit ihren Marktwerten bestimmten Laufzeitbändern (zB sechs bis zwölf Monaten) und innerhalb der Laufzeitbänder einem Zinsbereich (über bzw. unter 3 %)1 zugeordnet. Die einzelnen Positionen werden in Risikowerte umgerechnet, indem sie mit einem dem jeweiligen Laufzeitband zugewiesenen Gewichtungssatz zur gewichteten Zinsnettopositionen multipliziert werden.
2.220
Anschließend werden für jedes Laufzeitband die gewichteten Zinsnettopositionen (über beide Zinsbereiche hinweg) getrennt nach ihrer Zinsbindungsrichtung zusammengefasst. Soweit sich die Summen der gewichteten Nettopositionen der jeweiligen Zinsbindungsrichtung entsprechen, stellen sie die ausgeglichene Bandpositionen dar; der verbleibende Unterschiedsbetrag ist die 1 Dabei bestehen in manchen Laufzeitbänden leicht unterschiedliche Laufzeitgrenzwerte für die jeweiligen Zinsbereiche.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Teil
offene Bandposition. Anschließend werden für Laufzeitzonen (die jeweils Laufzeitbänder zusammenfassen) nach dem gleichen Prinzip ausgeglichene1 bzw. ausgeglichene Zonenpositionen ermittelt. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die risikoreduzierenden Korrelationseffekte umso geringer sind, je unterschiedlicher die Laufzeit bzw. Verzinsung der jeweiligen Instrumente sind, gehen die offenen und geschlossenen Positionen mit unterschiedlichen Gewichtungen in den Teilanrechnungsbetrag für das allgemeine Zinsrisiko ein:
2.221
– Da in Positionen innerhalb eines Laufzeitbands nur in geringen Umfang Basisrisiken bestehen, werden diese mit nur 10 % gewichtet. – Soweit offene Bandpositionen durch „vertikale Saldierung“ zwischen den Laufzeitbändern einer Laufzeitzone geschlossen werden, werden die so geschlossenen Positionen mit 30 bzw. 40 % gewichtet. – Soweit offene Positionen durch „vertikale Saldierung“ zwischen den Zonen geschlossen werden, werden die so geschlossenen Positionen mit 40 % bis 150 % gewichtet. – Der danach immer noch offene Saldo zwischen den Zonen geht anschließend in voller Höhe in den Teilanrechnungsbetrag für das allgemeine Zinsrisiko ein. Durationsmethode. Die als Alternative zur Jahresbandmethode anwendbare Durationsmethode gemäß § 302 SolvV unterscheidet sich von der Jahresbandmethode im Wesentlichen durch die Berechnung von Kurssensitivitäten für jedes einzelne Finanzinstrument bezüglich vordefinierter Zinssatzveränderungen. Anders als bei der Jahresbandmethode, werden die Positionen nicht nach ihrer Laufzeit, sondern anhand ihrer Duration2 bestimmten Durationsbändern zugeordnet. Daneben erfolgt die Transformation der Marktwerte in Risikowerte mittels Gewichtungssätzen, die durch Multiplikation der modifizierten Duration3 mit den unterstellten Renditeänderungen ermittelt werden. Im Übrigen entspricht das Vorgehen (dh. Ermittlung offener und ausgeglichener Positionen und vertikale Saldierung) systematisch dem der Jahresbandmethode.
2.222
Der Unterschied zur Jahresbandmethode liegt zum einen darin, dass die Zusammenfassung nach Durationen in höherem Maße ermöglicht, risiko-
2.223
1 Soweit sich die Summen der zusammengefassten offenen Bandpositionen der einzelnen Laufzeitbänder der jeweiligen Zinsbindungsrichtung entsprechen, stellt dies die ausgeglichene Bandposition dar. 2 Als Duration gilt der gewichtete Mittelwert der Zeitpunkte, zu denen der Anleger Zahlungen aus einem Wertpapier erhält. Damit stellt die Duration eine Sensitivitätskennzahl dar, die die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer einer Geldanlage in einem festverzinslichen Wertpapier bezeichnet. 3 Die modifizierte Duration stellt eine Kennzahl aus der Finanzmathematik dar, die angibt, wie stark der Gesamtertrag einer Anleihe (Tilgungen, Kuponzahlungen und Zinseszinseffekt bei der Wiederveranlagung der Rückzahlungen) auf eine Zinssatzänderung am Markt reagiert.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
reduzierende Korrelationseffekte zu berücksichtigen1. Daneben sieht die Durationsmethode positionsbezogene Gewichtungsfaktoren vor, während die Jahresbandmethode nur laufzeitbandspezifische Gewichtungsfaktoren vorgibt2. (2) Besonderes Zinsrisiko
2.224
Zur Ermittlung des Teilanrechnungsbetrags für das besondere Zinsrisiko sind die Zinsnettopositionen in Höhe ihrer maßgeblichen Beträge zusammenzufassen und abhängig von Restlaufzeit und Anlagequalität mit 0 bis 8 % zu gewichten. b) Fremdwährungsrisiken
2.225
Als Fremdwährungsrisikopositionen gelten bilanzielle und außerbilanzielle Geschäfte, die auf fremde Währung (offene Einzelwährungsposition) oder auf Gold (offene Goldposition) lauten und damit einem Wechselkurs- bzw. Goldpreisrisiko ausgesetzt sind. Die eigenmittelunterlegungspflichtige Währungsgesamtposition wird ermittelt, indem für jede fremde Währung und für Gold jeweils die einbeziehungspflichtigen Aktiv- und Passivpositionen zusammenaddiert werden. Anschließend werden die offenen Einzelwährungspositionen der jeweiligen Währungen getrennt für Beträge mit aktivischer und passivischer Ausrichtung zusammengefasst. Der betragsmäßig größere Betrag (Nettowährungsposition) bildet zusammen mit dem Betrag der offenen Goldposition die mit 8 % zu unterlegende Währungsgesamtposition.
2. Eigene Modelle a) Value at Risk
2.226
Alternativ zur in §§ 294–312 SolvV geregelten Standardmethode dürfen die Institute mit Zustimmung der BaFin die Anrechnungsbeträge anhand eigener Risikomodelle ermitteln. Das in § 312 Abs. 2 SolvV skizzierte und in den folgenden Paragraphen näher präzisierte Modell basiert dabei auf dem Value at Risk (VaR). Das dem VaR zugrunde liegende Konzept versucht, Marktpreisrisiken stochastisch zu beschreiben. Dabei stellt der VaR den Grenzwert dar, den der Verlust eines Finanzinstruments bzw. eines Portfolios innerhalb eines bestimmten Zeitraums und mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschreiten wird. § 315 SolvV gibt dabei eine Haltedauer von zehn Arbeitstagen und ein Wahrscheinlichkeitsniveau (Konfidenzniveau) von 99 % vor. Dabei ist der Bestimmung des VaR ein Beobachtungszeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen. Das zur Ermittlung des VaR verwendete Modell muss dabei gemäß § 316 SolvV alle nicht nur unerheblichen Marktrisikopara1 Die Gesamtsumme der ausgeglichenen Bandpositionen ist daher gemäß § 300 Abs. 3 Satz 2 SolvV mit nur 5 % zu gewichten. 2 Vereinfacht ausgedrückt, entspricht die Jahresbandmethode einer standardisierten Durationsmethode.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
meter angemessen berücksichtigen. § 317 definiert dabei die qualitativen Anforderungen an die Modelle, an die Arbeits- und Ablauforganisation der Institute und die begleitenden Verfahren. Gemäß § 314 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SolvV ist dem nach einem eigenen Modell ermittelten Anrechnungsbetrag der VaR der zum Geschäftsabschluss des Vortags gehaltenen Finanzinstrumente zugrunde zu legen. Um zu vermeiden, dass eine unzureichende Modellierung zu unzureichenden Eigenkapitalanforderungen führt, definiert § 314 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SolvV eine Untergrenze des Anrechnungsbetrags. Diese basiert auf dem durchschnittlichen VaR der letzten 60 Arbeitstage. Indem dieser mit einem durch die BaFin festgelegten Gewichtungsfaktor multipliziert wird, kann dabei die Untergrenze anhand der Modellqualität und der empirisch ermittelten Prognosequalität angepasst werden. § 318 SolvV sieht dabei vor, dass die Prognosegüte anhand eines täglichen Vergleichs der Modellergebnisse mit der tatsächlichen Entwicklung zu ermitteln ist.
2.227
b) Schwächen und Weiterentwicklung der VaR-Modelle In der Finanzkrise sind Schwächen der VaR-basierten Modelle deutlich geworden: VaR-Modelle basieren in der Regel auf historischen Marktdaten; auch die SolvV sieht in § 315 SolvV einen einjährigen Beobachtungszeitraum vor. Daher besteht die Gefahr, dass die VaR-basierten Modelle Risiken, die sich im Beobachtungszeitraum nicht realisierten, nicht adäquat abbilden. Daneben liegen den Modellen Annahmen darüber zugrunde, inwieweit bestimmte Risiken typischerweise korreliert auftreten. Auch diese Annahmen basieren oft auf Analysen historischer Daten. Indessen hat sich gezeigt, dass bei erheblichen Marktstörungen – zB einem starken Liquiditätsrückgang – Werte, die sich in der Regel unkorreliert bzw. gegenläufig entwickeln, gleichermaßen beeinträchtigt werden.
2.228
VaR-Modelle treffen naturgemäß nur Aussagen über Entwicklungen innerhalb des jeweiligen Konfidenzintervalls. Dies bedeutet, dass dem VaR als singulärer Größe nicht entnommen werden kann, welche Risiken außerhalb des Konfidenzintervalls bestehen, zB ob unter bestimmten Umständen (deren Eintrittswahrscheinlichkeit außerhalb des Intervalls liegt) extrem hohe Verluste auftreten können. Um diesen Schwächen zu begegnen, bestehen vielfältige Bestrebungen, auch definierte Krisenszenarien in die Modelle einzubeziehen (sog. Stress Testing).
2.229
Neben die o.g. Schwächen, die unmittelbar aus dem methodischen Ansatz des VaR resultieren, tritt das Problem, dass ein VaR-basiertes Modell mit einem 99 %-Konfidenzniveau und einer zehntätigen Halteperiode Ausfallrisiken in einem geringeren Maße berücksichtigt als die Vorgaben, die durch die SolvV in Bezug auf die Adressrisiken des Bankbuchs aufgestellt werden. Falls Institute das besondere Kursrisiko durch eigene Modelle ermitteln, sieht § 314 Abs. 2 Satz 1 SolvV daher vor, dass sich der wie oben beschrieben ermittelte Anrechnungsbetrag in dem Ausmaß erhöht, in dem das Risikomodell das
2.230
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Bankaufsichtsrecht
Ausfallrisiko im Vergleich zu den sich ergebenden Anrechnungsbeträgen für Adressrisiken nicht angemessen abbildet (sog „Incremental Default Risk Charge“)1. Da sich aber gezeigt hat, dass Verluste bereits durch eine Veränderung der Ausfallwahrscheinlichkeit entstehen können, die sich typischerweise in interne oder externe Ratingveränderungen ausdrücket (credit migration), hat der Baseler Ausschuss vorgeschlagen, auch derartige Migrationen in die Berechnung der Incremental Risk Charge einzubeziehen2. Zugleich sieht der Ausschuss vor, das Konfidenzniveau für Ausfallereignisse und interne und externe Ratingmigrationen auf 99,9 % und den zugrunde liegenden Zeitraum auf ein Jahr zu erhöhen, so dass die Standards des Handelsbuchs insofern an die des Bankbuchs angeglichen werden3. Daneben sind die IRC Modelle so zu gestalten, dass sichergestellt ist, dass auch Liquiditätsengpässe in gestörten Märkten berücksichtigt werden4.
VI. Meldepflichten 1. Offenlegung und externe Kontrolle durch den Markt
2.231
Eine der Neuerungen der Rahmenvereinbarung Basel II vom Juni 2004 lag darin, Mindesteigenkapitalanforderungen (Säule 1) und das aufsichtliche Überprüfungsverfahren (Säule 2) durch die erweiterte Offenlegung als dritte Säule zu ergänzen. Der Ausschuss war bestrebt, die Marktdisziplin zu verstärken, indem eine Reihe von Offenlegungspflichten in das Regelungswerk Eingang fanden, die es den Marktteilnehmern ermöglichen sollten, Kerninformationen über den das Eigenkapital, die Risikopositionen und die Risikomessverfahren zu erhalten und so die Wirksamkeit der Vorgaben der ersten und der zweiten Säulen durch eine externe Sicht zu flankieren5.
1 Siehe auch Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung – Umfassende Version (Juni 2006), Ziff. 718(xcii) and 718(xciii); siehe auch Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, The application of Basel II to trading activities and the treatment of double default effects (July 2005). 2 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Guidelines for computing capital for incremental risk in the trading book – consultative document (2009), Ziff. 12 ff. Die Anforderungen an Kapitalermittlung für das allgemeine Marktrisiko bleiben dabei unverändert. 3 Für Verbriefungspositionen lehnt der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht die gegenwärtig existierenden Modelle zur Berechnung des Incremental Risk Charge ab; die Berechnung des Kapitalanforderungen soll sich nach Ansicht des Ausschusses daher an den Anrechnungsbeträge von Adressrisiken des Bankbuchs orientieren; siehe Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Revisions to the Basel II market risk framework (2009), Ziff. 1 und 9. 4 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Guidelines for computing capital for incremental risk in the trading book – consultative document (2009), Ziff. 20 ff. 5 Rahmenvereinbarung Basel II, Tz. 809.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
2. Offenlegung nach der SolvV a) Offenlegung gegenüber dem Markt Neben den Regelungen zu den Mindesteigenkapitalanforderungen wurden daher ergänzend die Vorschriften in Bezug auf die Offenlegung in die Solvabilitätsverordnung aufgenommen. Ziel dieser Bestimmungen ist es, die Marktmechanismen für Zwecke der Bankenaufsicht zu nutzen und die Transparenz sowie die Möglichkeit öffentlicher Kontrolle insbesondere bei der bankaufsichtlichen Anerkennung interner Verfahren zu gewährleisten.
2.232
Die SolvV regelt die durch die Rahmenvereinbarung Basel II vom Juni 2004 postulierte Offenlegung in erster Linie in §§ 319 ff. Gemäß § 321 SolvV muss die Offenlegung in der Regel jährlich erfolgen. Die Bundesanstalt kann in Einzelfällen indessen häufigere Offenlegungen anordnen, insbesondere wenn dies aufgrund des Umfangs und der Struktur der Geschäfte sowie der Marktaktivität des Instituts angemessen ist.
2.233
Im Einklang mit der Neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung vollzieht sich die Offenlegung nach der SolvV sowohl in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht. In qualitativer Hinsicht haben die Institute unter anderem gemäß § 322 SolvV in Bezug auf jeden einzelnen Risikobereich (einschließlich Adressenausfallrisiko, Marktrisiko, operationelles Risiko und Zinsänderungsrisiko des Anlagebuchs) ihr Risikomanagement zu beschreiben, was eine Darstellung der Strategien und Prozesse, den Modus der Risikosteuerung das Reporting sowie Risikominimierungstechniken einschließt. Daneben enthalten die §§ 322 ff. SolvV sowohl qualitative wie auch quantitative Vorgaben in Bezug auf die Darstellung der Eigenmittel sowie der unterschiedlichen Risiken (Kredit-, Markt- und operationelle Risiken).
2.234
Institute, die risikogewichtete Positionswerte nach dem IRBA ermitteln, haben gemäß § 335 Abs. 1 SolvV in qualitativer Hinsicht das im Rahmen des IRBA durch die Bundesanstalt zugelassenen Verfahren darzustellen. Dies schließt eine erläuternde Darstellung der Struktur des internen Ratingsystems und der Beziehung zwischen der internen Zuordnung von Positionen oder Schuldnern zu Ratingklassen oder Risikopools und externen Bonitätsbeurteilungen sowie die Darstellung der entsprechenden Prozesse und Kontrollmechanismen ein. Um es dem Markt zu ermöglichen, die Wirksamkeit des IRBA selbst zu bewerten, haben Institute, die den IRBA verwenden, gemäß 335 Abs. 2 Nr. 6 SolvV Gegenüberstellung zu den tatsächlich eingetretenen Ergebnissen über einen längeren Zeitraum offenzulegen1.
2.235
1 Hierzu gehören gemäß § 335 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 und 3 SolvV mindestens Informationen über die Verlustschätzungen im Vergleich zu den tatsächlich eingetretenen Verlusten für jede Forderungsklasse. Der betrachtete Zeitraum sollte hinreichend lang sein, um eine aussagekräftige Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Prozesses zur Zuordnung von Positionen oder Schuldnern zu Ratingklassen oder Risikopools für jede Forderungsklasse zu ermöglichen.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
b) Meldung an die Bankenaufsicht
2.236
Wenngleich die SolvV in bezug auf die Offenlegung gegenüber dem Markt nur in jährlichen Intervallen erfolgt, so sind die Anforderungen an eine angemessene Eigenmittelausstattung täglich zum Geschäftsschluss von den Instituten einzuhalten (siehe auch § 2 Abs. 5 SolvV, der eine tägliche Ermittlung der Kenngrößen in Bezug auf die Eigenmittel eines Instituts vorsieht).
2.237
Die Berechnung sowie die Meldung an die Bankenaufsicht haben die Institute in vierteljährlichem Turnus vorzunehmen.
VII. Liquidität
2.238
Die unter I. bis VI. genannten Gefahren, dass Kreditnehmer ausfallen und sich die Marktwerte von Vermögenswerten verschlechtern, wurden schon immer als zentrale Probleme der Banken und somit des Bankaufsichtsrechts angesehen. Gegenüber diesen „Risiken der Aktivseite“ ist das Risiko, benötigte Zahlungsmittel nicht oder nur zu erhöhten Kosten beschaffen zu können, lange in den Hintergrund geraten. Dieses Refinanzierungsrisiko – vereinfacht Liquiditätsrisiko genannt – besteht vor allem deswegen, weil Banken ihre Mittel oft mit einer längeren Kapitalbindungsfrist anlegen, als sie ihrerseits Mittel aufnehmen, sich typischerweise also nicht fristenkongruent refinanzieren.
2.239
Unter den historischen Ansätzen, mit denen dem Liquiditätsrisiko begegnet wurde, ist insbesondere die von Otto Hübner im Jahr 1854 formulierte goldene Bankenregel zu nennen, die das Ideal einer völlige Fristenkongruenz von Aktiv- und Passivseite postulierte. Dass die goldene Bankenregel – wenngleich sie immer wieder in der politische Diskussion zitiert wird – heute nicht mehr als sinnvoll angesehen wird, hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen werden durch die goldene Bankregel unrealistisch kurze Finanzierungsfristen vorgegeben, da Einlagen empirisch gesehen im Durchschnitt über die Dauer der nominalen Fristen hinaus zur Verfügung stehen1. Zum anderen negiert das Ideal einer völligen Fristenkongruenz die volkswirtschaftliche Funktion von Banken, die die Realwirtschaft – im sinnvollen Umfang – durch Fristentransformation unterstützen sollen.
1. Rechtliche Anforderungen des KWG
2.240
Dem KWG selbst sind in Hinblick auf die Liquidität der Institute nur wenig Vorgaben zu entnehmen. § 11 Abs. 1 Satz 1 KWG statuiert, dass Institute ihre Mittel so anlegen müssen, dass jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft (Liquidität) gewährleistet ist. Das Bundesministerium der Finanzen 1 Sog. „Bodensatztheorie“, da trotz Abzug von Mitteln bei empirischer Betrachtung ein Bodensatz an Mitteln beim Institut verbleibt. Ein typisches Beispiel hierfür sind Girokonten, die Instituten trotz nominal kurzer Fristen oft stabile Einlagen ermöglichen.
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Eigenmittel, Solvenz und Liquidität
wurde ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank nähere Anforderungen an die ausreichende Liquidität zu bestimmen. Durch Erlass der Liquiditätsverordnung (LiqV), die den Grundsatz II ersetzte, hat das Bundesministerium der Finanzen hiervon Gebrauch gemacht.
2. Liquiditätsanforderungen nach der LiqV Die am 1.1.2007 in Kraft getretene LiqV räumt den Instituten die Wahl ein, sich entweder an den Vorgaben der §§ 2 ff. LiqV zu orientieren oder eigene Modelle zu entwickeln, um die Liquiditätsrisiken zu steuern.
2.241
a) Standardansatz der LiqV Im Mittelpunkt des Standardansatzes der LiqV, der dem früheren Grundsatz II weitgehend entspricht, steht die Vorgabe, dass Institute jederzeit ausreichende Mittel zur Verfügung halten müssen, um ihre kurzfristigen Zahlungspflichten erfüllen zu können. Hierzu werden die Posten der Aktiv- und der Passivseite abhängig von ihrer Laufzeit vier Fristenbändern zugeteilt. Diese sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 LiqV:
2.242
– bis zu einem Monat (Laufzeitband 1), – mehr als ein Monat bis zu drei Monaten (Laufzeitband 2), – über drei Monate bis zu sechs Monaten (Laufzeitband 3) und – über sechs Monate bis zu zwölf Monaten (Laufzeitband 4). Dass die LiqV in ihrer gegenwärtigen Form die kurzfristige Liquidität1 in den Mittelpunkt rückt, findet seine Ausprägung in § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2, der vorsieht, dass die Liquidität eines Instituts dann als ausreichend gilt, wenn die zu ermittelnde Liquiditätskennzahl den Wert eins nicht unterschreitet, wobei die Liquiditätskennzahl das Verhältnis zwischen den im Laufzeitband 1 verfügbaren Zahlungsmitteln und den während dieses Zeitraumes abrufbaren Zahlungsverpflichtungen angibt.
2.242a
Auf der Aktivseite ordnet § 3 Abs. 1 LiqV dem Laufzeitband eins den Kassenbestand, Guthaben bei Zentralnotenbanken, Inkassopapiere, unwiderrufliche
2.242b
1 Gegenwärtig wird diskutiert, auch die längerfristige Liquidität stärker zu regulieren. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat hierzu die Net Stable Funding Ratio (NSFR) entwickelt. Diese entspricht dem Quotienten aus (i) über einen Zeitraum von einem Jahr als stabil anzusehenden Finanzierungsquellen (Available Stable Funding, ASF) und (ii) dem Kapitalbedarf (Required Stable Funding, RSF). Dabei ergibt sich der als ASF anzusehende Betrag durch Multiplikation der jeweiligen Eigen- und Fremdkapitalposten mit Gewichtungsfaktoren, die ausdrücken, in welchem Maße die jeweiligen Finanzierungsquellen in einer langfristige Liquiditätskrise zur Verfügung stehen. Der als RSF anzusehende Betrag ergibt sich durch Multiplikation der Vermögenswerte der Aktivseite mit Gewichtungsfaktoren, die ausdrücken, in welchem Umfang die jeweiligen Vermögenswerte in einer langfristigen Liquiditätskrise liquidiert bzw. als Collateral eingesetzt werden können; siehe hierzu das Konsultationspapier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, International Framework for liquidity risk, measurement, standards and monitoring (Dezember 2009).
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
Kreditzusagen sowie liquide Wertpapiere1 und andere Vermögensgegenstände zu. Forderungen an Zentralnotenbanken, an Kreditinstitute sowie an Kunden und weitere, in § 3 Abs. 2 LiqV genannte Vermögenswerte sind dagegen entsprechend ihrer Restlaufzeit zu erfassen.
2.242c
Während sich die Zuordnung der Positionen in die Laufzeitbänder auf der Aktivseite strikt anhand des Typs des jeweiligen Vermögenswerts und der Restlaufzeit vollzieht, hat bei der Behandlung der Posten der Passivseite die Bodensatztheorie – wenngleich in sehr granularer Form – Eingang in die gesetzliche Regelung gefunden. § 4 LiqV sieht nämlich vor, in Laufzeitband eins täglich fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und Kunden, Spareinlagen, Eventualverbindlichkeiten, Haftungsbeträge aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten, Platzierungs- oder Übernahmeverpflichtungen und noch nicht in Anspruch genommenen, unwiderruflich zugesagten Kredite jeweils nur zu in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 LiqV festgelegten Anteilen zu berücksichtigen sind; dabei sollen die unterschiedlichen, typisierten Faktoren die jeweils realistische Gefahr des Mittelabflusses reflektieren. Die übrigen in § 4 Abs. 2 LiqV genannte Verbindlichkeiten sind dagegen entsprechend ihrer Restlaufzeit in den Laufzeitbändern eins bis vier zu erfassen.
2.242d
Die LiqV gibt nur für das erste Laufzeitband eine feste Zielgröße vor. Für die drei folgenden Laufzeitbänder werden dagegen Beobachtungskennzahlen ermittelt, die ebenfalls das Verhältnis der verfügbaren Zahlungsmittel und der abrufbaren Verpflichtungen angeben. Für diese bestehen aber keine festen Vorgaben; vielmehr werden sie den Aufsichtsbehörden nachrichtlich übermittelt und sollen so helfen, kritische Entwicklungen frühzeitig extern erkennen zu können. b) Eigene Modelle der Institute
2.243
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 LiqV haben Institute die Möglichkeit, mit Zustimmung der Bundesanstalt anstelle der §§ 2 bis 8 LiqV eigene Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahren zu verwenden. Ebenso wie bei den nach der SolvV zulässigen Modellen bestehen auch hier keine speziellen Vorgaben in Bezug auf die zu verwendenden Methoden; vielmehr bleibt es den Instituten überlassen, geeignete Modelle zu entwickeln.
2.243a
Zu den Zulassungsvoraussetzungen eigener Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahren gehört, dass diese u.a. die besonderen institutsspezifischen Verhältnisse berücksichtigen , eine adäquate laufende Ermittlung und Überwachung des Liquiditätsrisikos ermöglichen und Liquiditätslage eingehender und angemessener darstellen als die typisierende Betrachtung der §§ 2 ff. LiqV. Ebenso wie § 2 LiqV betont auch § 10 LiqV die Bedeutung der kurzfristigen Liquidität: Nach Absatz 3 Nr. 1 Satz 2 soll das Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahren auch Aufschluss über zu erwartende kurzfristige Nettomittelabflüsse, die Möglichkeit zur Aufnahme unbesicherter Finanzierungsmittel sowie die Auswirkung von Stressszenarien ermöglichen. 1 Maßgeblich ist hierfür in erster Linie die Notierung an einem geregelten Markt.
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2. Teil
Einlagensicherung und Anlegerentschädigung
Bei Verwendung eines eigenen Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahrens haben Institute geeignete, quantitativ zu bemessende Obergrenzen für Liquiditätsrisiken einzurichten, die auch Stressszenarien berücksichtigen sollen. Sofern die festgelegten Kenngrößen das Niveau für ein mittleres oder hohes Risiko einer nicht ausreichenden Liquidität überschreiten, ist dies der Bundesbank und der BaFin mitzuteilen (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 und 3 LiqV).
2.243b
3. Vorgaben der MaRisk Neben der LiqV adressieren auch die MaRisk die Liquiditätsrisiken. Gemäß BTR 3 Tz. 1 und 2 der MaRisk haben Institute sicherzustellen, dass sie ihre Zahlungsverpflichtungen jederzeit erfüllen können. Hierzu postulieren die MaRisk eine ausreichende Diversifikation, vor allem im Hinblick auf die Vermögens- und Kapitalstruktur, und sehen vor, dass Institute für ihre Liquiditätsrisiken eine Risikotoleranz festzulegen haben. Gemäß den MaRisk ist laufend zu überprüfen, inwieweit Institute ihren Liquiditätsbedarf auch in einem angespanntem Marktumfeld decken können. Dies schließt die Prüfung ein, ob die Gefahr besteht, dass relevante Refinanzierungsquellen in Stresssituationen nicht mehr im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen1.
2.244
Gemäß BTR 3 Tz. 7 haben die Institute die Geeignetheit ihrer Risikomodelle durch Stresstests zu überprüfen. Diese Stresstests sind individuell zu definieren. Dabei sind den Stresstests unterschiedlich lange Zeithorizonte zugrunde zu legen. Kapitalmarktorientierte Institute haben zum einen institutsbezogene Szenarien Stresstests durchzuführen (zB Verschlechterung des eigenen Ratings). Zum anderen sind getrennt davon Stressszenarien zu betrachten, die auf marktweite Szenarien zurückzuführen sind (zB technischer Ausfall zentraler Kontrahenten, Kursverfall auf den Sekundärmärkten für Wertpapiere). Zudem haben Stresstests beide Aspekte kombiniert zu betrachten2.
2.245
2.246–2.250
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Einlagensicherung und Anlegerentschädigung Zu den zentralen Zielen des Bankaufsichtsrechts gehört es, die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte zu gewährleisten (siehe § 6 Abs. 2 KWG). Das KWG und weitere Gesetze statuieren hierzu eine Vielzahl an Anforderungen an die Tätigkeit der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute und sehen eine laufende Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden vor. Den1 Siehe BTR 3 Tz. 5 der MaRisk. Für kurzfristig eintretende Verschlechterungen der Liquiditätssituation hat das Institut ausreichend bemessene, nachhaltige Liquiditätsreserven (zB hochliquide, unbelastete Vermögensgegenstände) vorzuhalten (Erläuterungen der BaFin zu den MaRisk in der Fassung v. 14.8.2009). 2 Erläuterungen der BaFin zu den MaRisk in der Fassung v. 14.8.2009.
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2. Teil
Einlagensicherung und Anlegerentschädigung
Bei Verwendung eines eigenen Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahrens haben Institute geeignete, quantitativ zu bemessende Obergrenzen für Liquiditätsrisiken einzurichten, die auch Stressszenarien berücksichtigen sollen. Sofern die festgelegten Kenngrößen das Niveau für ein mittleres oder hohes Risiko einer nicht ausreichenden Liquidität überschreiten, ist dies der Bundesbank und der BaFin mitzuteilen (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 und 3 LiqV).
2.243b
3. Vorgaben der MaRisk Neben der LiqV adressieren auch die MaRisk die Liquiditätsrisiken. Gemäß BTR 3 Tz. 1 und 2 der MaRisk haben Institute sicherzustellen, dass sie ihre Zahlungsverpflichtungen jederzeit erfüllen können. Hierzu postulieren die MaRisk eine ausreichende Diversifikation, vor allem im Hinblick auf die Vermögens- und Kapitalstruktur, und sehen vor, dass Institute für ihre Liquiditätsrisiken eine Risikotoleranz festzulegen haben. Gemäß den MaRisk ist laufend zu überprüfen, inwieweit Institute ihren Liquiditätsbedarf auch in einem angespanntem Marktumfeld decken können. Dies schließt die Prüfung ein, ob die Gefahr besteht, dass relevante Refinanzierungsquellen in Stresssituationen nicht mehr im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen1.
2.244
Gemäß BTR 3 Tz. 7 haben die Institute die Geeignetheit ihrer Risikomodelle durch Stresstests zu überprüfen. Diese Stresstests sind individuell zu definieren. Dabei sind den Stresstests unterschiedlich lange Zeithorizonte zugrunde zu legen. Kapitalmarktorientierte Institute haben zum einen institutsbezogene Szenarien Stresstests durchzuführen (zB Verschlechterung des eigenen Ratings). Zum anderen sind getrennt davon Stressszenarien zu betrachten, die auf marktweite Szenarien zurückzuführen sind (zB technischer Ausfall zentraler Kontrahenten, Kursverfall auf den Sekundärmärkten für Wertpapiere). Zudem haben Stresstests beide Aspekte kombiniert zu betrachten2.
2.245
2.246–2.250
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Einlagensicherung und Anlegerentschädigung Zu den zentralen Zielen des Bankaufsichtsrechts gehört es, die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte zu gewährleisten (siehe § 6 Abs. 2 KWG). Das KWG und weitere Gesetze statuieren hierzu eine Vielzahl an Anforderungen an die Tätigkeit der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute und sehen eine laufende Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden vor. Den1 Siehe BTR 3 Tz. 5 der MaRisk. Für kurzfristig eintretende Verschlechterungen der Liquiditätssituation hat das Institut ausreichend bemessene, nachhaltige Liquiditätsreserven (zB hochliquide, unbelastete Vermögensgegenstände) vorzuhalten (Erläuterungen der BaFin zu den MaRisk in der Fassung v. 14.8.2009). 2 Erläuterungen der BaFin zu den MaRisk in der Fassung v. 14.8.2009.
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2.251
2. Teil
Bankaufsichtsrecht
noch haben die Erfahrungen der Vergangenheit1 gezeigt, dass ein Zusammenbruch einzelner Institute nicht völlig verhindert werden kann. Daher haben sich verschiedene gesetzliche und freiwillige Systeme zum Schutz der Einlagen von Kunden im Falle der Insolvenz entwickelt2. Insgesamt gewährleisten diese Systeme ein – auch im internationalen Vergleich – sehr hohes Schutzniveau3.
I. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen 1. Europarechtliche Grundlagen
2.252
Die gesetzliche Entschädigung für Bankkunden und Anleger ist im Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) geregelt. Das EAEG setzt die Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.5.1994 über Einlagensicherungssysteme (Einlagensicherungsrichtlinie) sowie die Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3.3.1997 über Anlegerentschädigungssysteme (Anlegerentschädigungsrichtlinie) um. Das EAEG wurde in Folge der Novellierung der Einlagensicherungsrichtlinie im ersten Halbjahr 2009 grundlegend modifiziert4 und ist in seiner jetzigen Form am 30.6.2009 in Kraft getreten.
2. Geschützte Vermögenswerte
2.253
Das EAEG schützt Einlagen. Hierbei handelt es sich gemäß § 1 Abs. 2 EAEG um Guthaben auf einem bei einem Einlagenkreditinstitut geführten Konto, die von diesem auf Grund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen zurückzuzahlen sind. Dazu zählen auch Forderungen, die das Institut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat. Nicht geschützt werden dagegen Inhaber- und Orderschuldverschreibungen (einschließlich Zertifikate)5 und Verbindlichkeiten aus eigenen Wechseln.
2.254
Daneben schützt das EAEG Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften. Dabei handelt es sich gemäß § 1 Abs. 4 EAEG um Verpflichtungen eines Insti1 Zur historischen Entwicklung der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung umfassend: Sethe in Assmann/Schütze, § 25 Rz. 10 ff. 2 Siehe hierzu Dietrich/Giermann, ZfK 2003, 456 ff.; Übersicht bei Grabau/Hundt, DZWiR 2003, 275 (281). Kehrseite der Einlagensicherung ist freilich, dass der Anreiz für die Anleger verringert wird, die Bonität des jeweiligen Kreditinstituts in seine Anlageentscheidungen einzubeziehen; zu der daraus resultierenden Gefahr, dass die „Kontrolle durch den Markt“ insofern verringert wird: Ricke/Rudolph, BKR 2002, 899 (900); Bömcke/Weck, VuR 2009, 53 (55). 3 Weber, ZfK 2008, 560; Bigus/Leyens, ZBB 2008, 277 (279); umfassende vergleichende Darstellung der nationalen Sicherungssysteme bei: Oxera, Description and assessment of the national investor compensation schemes established in accordance with Directive 97/9/EC, Report prepared for European Commission (Internal Market DG), Januar 2005. 4 Gesetz zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze v. 25.6.2009, BGBl. I 2009, S. 1528. 5 Siehe hierzu Bömcke/Weck, VuR 2009, 53 (55).
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2. Teil
Einlagensicherung und Anlegerentschädigung
tuts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden.
3. Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen Kern der gesetzlichen Einlagensicherung sind die gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen. Diese werden gemäß § 6 Abs. 1 EAEG als nicht rechtsfähige Sondervermögen des Bundes bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau errichtet. Gemäß § 6 Abs. 3 EAEG ziehen die Entschädigungseinrichtungen Beiträge der ihnen zugeordneten Institute ein und legen diese Mittel als Rücklage für einen eventuellen Entschädigungsfall an1.
2.255
4. Eintritt des Entschädigungsfalls Das EAEG knüpft gesetzliche Entschädigungsansprüche der Anleger an den Eintritt des Entschädigungsfalls. Ein Entschädigungsfall liegt gemäß § 1 Abs. 5 EAEG vor, wenn die BaFin feststellt, dass ein Institut aus Gründen, die mit seiner Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, nicht in der Lage ist, Einlagen zurückzuzahlen oder Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu erfüllen und keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung oder Erfüllung besteht.
2.256
Tritt ein Entschädigungsfall ein, so haben die Gläubiger einen Anspruch gegen die Entschädigungseinrichtung, der das Institut zugeordnet ist2. Gemäß § 4 Abs. 2 EAEG orientiert sich die Höhe des Entschädigungsanspruchs an der Höhe und dem Umfang der Einlagen bzw. den Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften (unter Berücksichtigung etwaiger Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts). Der Entschädigungsanspruch ist dabei der Höhe nach begrenzt auf 50 000 Euro für Einlagen bzw. 90 % der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften bis zu einem Maximalwert von 20 000 Euro.
2.257
5. Entschädigungseinrichtung deutscher Banken § 7 EAEG sieht vor, dass die Aufgaben und Befugnisse der Entschädigungseinrichtung einer juristischen Person des Privatrechts im Wege der Beleihung zugewiesen werden können. Für die privaten Banken ist dies die Entschädigungs1 Das BVerwG entschied im Jahr 2004 (BVerwG v. 21.4.2004 – 6 C 20/03, NJW 2004, 3198), dass die nach dem EAEG von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten zu erbringenden Beiträge mit europäischem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehen, den dafür verfassungsrechtlich geltenden Anforderungen genügen und ihre Erhebung keine Grundrechte verletzt; Letzteres wurde durch das BVerfG v. 24.11.2009 – 2 BvR 1387/04, ZIP 2010, 168, bestätigt. Zu den Anforderungen an eine Weiterentwicklung der Einlagensicherung, siehe Bigus/Leyens, ZBB 2008, 277 (281 ff.). 2 Zu den Ausnahmen siehe § 3 Abs. 2 EAEG.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
einrichtung deutscher Banken GmbH (EdB)1. Die EdB ist eine Tochter des Bundesverbandes deutscher Banken e.V., der durch Rechtsverordnung des Bundesfinanzministers vom 24.8.1998 die Aufgaben und Befugnisse einer Entschädigungseinrichtung für die privatrechtlichen Institute zugewiesen worden.
II. Institutssicherung
2.259
Gemäß § 12 Abs. 1 EAEG sind Institute, die den Sicherungseinrichtungen des Sparkassensektors bzw. des Volksbanken- und Raiffeisensektors angeschlossen sind, keiner Entschädigungseinrichtung zugeordnet, solange diese Sicherungseinrichtungen auf Grund ihrer Satzungen die angeschlossenen Institute selbst schützen. Maßgeblich ist dabei insbesondere, dass die Liquidität und die Solvenz in entsprechendem Umfang geschützt werden. Kernelemente der Institutssicherung2 der Sparkassen sind dabei die umlagefinanzierten regionalen Stützungsfonds (als erste Stufe der Institutssicherung) sowie die Sicherungsreserve der Landesbanken und ein möglicher überregionaler Ausgleich3.
III. Freiwillige Einlagensicherung
2.260
Das System der freiwilligen Sicherungseinrichtungen existierte bereits vor der Einführung der gesetzlichen Einlagensicherung. Der freiwillige Einlagensicherungsfonds privater Banken sichert Einlagen der Kunden in voller Höhe, begrenzt auf 30 % des haftenden Eigenkapitals des jeweiligen Instituts. Die freiwilligen Sicherungseinrichtungen werden von den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft getragen und durch eine Umlage bzw. Einzahlungen der Mitgliedsinstitute finanziert. Anders als Einlagensicherungssysteme der Sparkassen und Kreditgenossenschaften sichert der Einlagensicherungsfonds privater Banken nicht den Bestand des jeweiligen Instituts, sondern die Einlagen der Gläubiger. Geschützt sind alle Nichtbankeneinlagen, also die Guthaben von Privatpersonen, Wirtschaftsunternehmen und öffentlichen Stellen.
2.261
Die Zugehörigkeit zum System der freiwilligen Sicherungseinrichtung ist nicht zwingend. Allerdings sieht § 23a Abs. 1 KWG vor, dass Institute ihre 1 Daneben gibt es für die öffentlich-rechtlichen Institute die Entschädigungseinrichtung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands GmbH (EdÖ) und für sonstige Finanzdienstleister die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW). 2 Kritisch zur Institutssicherung Bigus/Leyens, ZBB 2008, 277 (279), die darauf verweisen, dass Institutssicherung dazu führe, dass leistungsschwache Institute am Markt verbleiben und eine Marktselektion nach dem Kriterium der Wettbewerbsfähigkeit verstellt werde; bei den auf freiwilliger Basis eingerichteten institutssicherndes Systemen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken könne diesem Risiko aber durch die Möglichkeit einer gegenseitigen Kontrolle begegnet werden. 3 Zur wegen Unvereinbarkeit mit dem Beihilfeverbot (Art. 87 EG) weggefallenen Anstaltslast und Gewährträgerhaftung: Sethe in Assmann/Schütze, § 25 Rz. 15 ff. mwN.
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2. Teil
Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen
Kunden im Preisaushang über die Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung zu informieren haben1.
2.262–2.270
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen I. Aufsichtsbehörden Die Aufsicht über die Institute obliegt gemäß § 6 Abs. 1 KWG in erster Linie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die gemäß dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) v. 22.4.2002 (BGBl. I 2002, S. 1310) durch Zusammenlegung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen und des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum 1.5.2002 errichtet wurde. Die BaFin ist eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts.
2.271
Die rechtlichen Grundlagen der Aufsicht über Banken finden sich in erster Linie im Gesetz über das Kreditwesen (KWG). Daneben finden sich Regelungen in verschiedenen Spezialgesetzen wie zB dem Pfandbriefgesetz, dem Depotgesetz, dem Bausparkassengesetz sowie den Sparkassengesetzen der einzelnen Bundesländer.
2.272
Die BaFin arbeitet bei der laufenden Überwachung der Institute mit der Bundesbank zusammen. Grundlagen und Art der Zusammenarbeit sind an verschiedenen Stellen im KWG geregelt. Daneben sieht der als Generalklausel formulierte § 7 Abs. 1 Satz 2 KWG vor, dass die Zusammenarbeit die laufende Überwachung der Institute durch die Deutsche Bundesbank umfasst. Hierunter fällt insbesondere die Auswertung der von den Instituten eingereichten Unterlagen, der Prüfungsberichte nach § 26 KWG und der Jahresabschlussunterlagen sowie die Durchführung und Auswertung der bankgeschäftlichen Prüfungen zur Beurteilung der angemessenen Eigenkapitalausstattung und Risikosteuerungsverfahren der Institute sowie das Bewerten von Prüfungsfeststellungen. Die laufende Überwachung erfolgt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 KWG in der Regel durch die Hauptverwaltungen der Bundesbank, die – anders als die BaFin – über ein weites Filialnetz verfügt und die Institute lokal besser beaufsichtigen kann.
2.273
Die Details der Zusammenarbeit finden sich in der Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Fi-
2.274
1 Zu weitgehend indessen Bömcke/Weck, VuR 2009, 53 (57), die aus einer analogen Anwendung von § 23a Abs. 1 KWG eine Hinweispflicht in den Fälle ableiten, in denen Kunden ihr Vermögen aus einer der vom EAEG geschützten Anlageform in zB Zertifikate umschichten; diese Fälle sind mit den allgemeinen Anforderungen an die Anlegerberatung zu lösen.
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2. Teil
Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen
Kunden im Preisaushang über die Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung zu informieren haben1.
2.262–2.270
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen I. Aufsichtsbehörden Die Aufsicht über die Institute obliegt gemäß § 6 Abs. 1 KWG in erster Linie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die gemäß dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) v. 22.4.2002 (BGBl. I 2002, S. 1310) durch Zusammenlegung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen und des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum 1.5.2002 errichtet wurde. Die BaFin ist eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts.
2.271
Die rechtlichen Grundlagen der Aufsicht über Banken finden sich in erster Linie im Gesetz über das Kreditwesen (KWG). Daneben finden sich Regelungen in verschiedenen Spezialgesetzen wie zB dem Pfandbriefgesetz, dem Depotgesetz, dem Bausparkassengesetz sowie den Sparkassengesetzen der einzelnen Bundesländer.
2.272
Die BaFin arbeitet bei der laufenden Überwachung der Institute mit der Bundesbank zusammen. Grundlagen und Art der Zusammenarbeit sind an verschiedenen Stellen im KWG geregelt. Daneben sieht der als Generalklausel formulierte § 7 Abs. 1 Satz 2 KWG vor, dass die Zusammenarbeit die laufende Überwachung der Institute durch die Deutsche Bundesbank umfasst. Hierunter fällt insbesondere die Auswertung der von den Instituten eingereichten Unterlagen, der Prüfungsberichte nach § 26 KWG und der Jahresabschlussunterlagen sowie die Durchführung und Auswertung der bankgeschäftlichen Prüfungen zur Beurteilung der angemessenen Eigenkapitalausstattung und Risikosteuerungsverfahren der Institute sowie das Bewerten von Prüfungsfeststellungen. Die laufende Überwachung erfolgt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 KWG in der Regel durch die Hauptverwaltungen der Bundesbank, die – anders als die BaFin – über ein weites Filialnetz verfügt und die Institute lokal besser beaufsichtigen kann.
2.273
Die Details der Zusammenarbeit finden sich in der Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Fi-
2.274
1 Zu weitgehend indessen Bömcke/Weck, VuR 2009, 53 (57), die aus einer analogen Anwendung von § 23a Abs. 1 KWG eine Hinweispflicht in den Fälle ableiten, in denen Kunden ihr Vermögen aus einer der vom EAEG geschützten Anlageform in zB Zertifikate umschichten; diese Fälle sind mit den allgemeinen Anforderungen an die Anlegerberatung zu lösen.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
nanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank (Aufsichtsrichtlinie), die die BaFin im Einvernehmen mit der Bundesbank gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 KWG erlassen hat.
II. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen
2.275
Zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen der BaFin die Generalklausel des § 6 KWG sowie Spezialregelungen (insbesondere §§ 45 ff. KWG zur Verfügung).
1. Handlungsformen
2.276
Typische Maßnahme des regelnden Verwaltungshandelns durch die BaFin ist zunächst der Verwaltungsakt iS des § 35 VwVfG. Charakteristisch für die Bankaufsicht ist außerdem, dass die BaFin neben dem – im Rechtssinne – regelnden Verwaltungshandeln – ein differenziertes Instrumentarium informellen Verwaltungshandelns nutzt. Dabei nimmt die BaFin Steuerungsfunktionen insbesondere im Wege des schlichten, nicht regelnden Verwaltungshandelns wahr. Hierzu gehört es zum einen, bereits im Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens informell (durch Gespräche, Auskunftsschreiben, Gesuche etc.) auf die Institute einzuwirken. Zum anderen geht von den Publikationen der BaFin (Mitteilungen, Rundschreiben und Merkblätter) eine erhebliche Steuerungswirkung aus, da die Adressaten ihr Handeln im Vertrauen auf eine entsprechende Selbstbindung der Aufsichtsbehörden an den Verlautbarungen der BaFin orientieren1.
2.277
Höhere unmittelbare Wirkungen entfalten die Richtlinien der BaFin, die das frühere Institut der Bekanntmachung ersetzt hat. Die Richtlinien können je nach Ausgestaltung normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften darstellen oder direkte Bindungswirkung iS des § 35 Satz 2 VwVfG entfalten.
2. Maßnahmen nach der Generalklausel
2.278
Der als Generalklausel des Bankaufsichtsrechts geltende § 6 KWG enthält bei genauer Betrachtung mehrere generalklauselartige Normen, die sich in Tatbestand und Rechtsfolgen teilweise überschneiden:
2.279
§ 6 Abs. 1 KWG weist der BaFin die Aufsicht über die Institute nach den Vorschriften des KWG zu. Zwar ist § 6 Abs. 1 KWG nicht als Ermächtigungsgrundlage formuliert. Da eine effiziente Wahrnehmung der Überwachungsfunktion aber nicht ohne die typische verwaltungsrechtliche Maßnahme des Verwaltungsakts iS des § 35 VwVfG möglich erschien, galt es in der Vergangenheit als allgemein anerkannt, dass die BaFin im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß § 6 Abs. 1 KWG – neben den Instrumenten des informellen Verwaltungshandelns – auch zum Erlass von Verwaltungsakten (einschließlich der 1 Hierzu Mülbert, BKR 2006, 349 (353).
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2. Teil
Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen
Allgemeinverfügungen) befugt war. Zusätzlich zu dieser anerkannten Rechtsgrundlage des § 6 Abs. 1 KWG sieht § 6 Abs. 3 KWG1 nunmehr eine ausdrückliche Kompetenz zum Erlass von Verwaltungsakten vor. Indessen unterscheiden sich § 6 Abs. 1 und Abs. 3 KWG in Tatbestand und Rechtsfolge, so dass weiterhin ein eigenständiger Anwendungsbereich des Abs. 1 verbleibt. § 6 Abs. 3 Satz 1 KWG sieht eine ausdrückliche Kompetenz zum Erlass von Verwaltungsakten vor, sofern diese geeignet und erforderlich sind, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu unterbinden oder um Missstände in einem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen.
2.280
a) Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen Der Tatbestand des § 6 Abs. 3 KWG ist somit zum einen dann erfüllt, wenn KWG-Vorschriften durch einzelne Institute verletzt werden. Sofern die jeweiligen KWG-Vorschriften indessen selbst Maßnahmen vorsehen, sind sie als speziellere Regelungen gegenüber § 6 Abs. 3 KWG anzusehen. Vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips behält § 6 Abs. 3 KWG indessen auch in diesen Fällen einen Anwendungsbereich, wenn eine ebenso geeignete, aber mildere Maßnahme auf § 6 Abs. 3 KWG gestützt werden kann.
2.281
b) Institutsbezogene Missstände Daneben ist der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 KWG eröffnet, wenn Missstände, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können, zu verhindern oder zu beseitigen sind. Als Missstand ist eine jede dauerhafte, negative und nachhaltige Abweichung vom Standard zu verstehen2. § 6 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 KWG geht dabei über Var. 1 hinaus, da auch die Verletzung institutionalisierter Industriestandards (sog. „best practices“) eine Missstand darstellen kann. § 6 Abs. 3 Satz 1 KWG setzt außerdem voraus, dass der jeweilige Missstand die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden kann oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigt. Wesentlich ist dabei, dass im Falle der Gefährdung der der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte die bloße Möglichkeit den Tatbestand eröffnet („können“), während die Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen tatsächlich bestehen muss. 1 Die Regelung des § 6 Abs. 3 KWG orientiert sich im Übrigen an vergleichbaren Vorschriften für andere Aufsichtsbehörden (§ 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG für die BaFin – Geschäftsbereich Wertpapieraufsicht, § 3 Abs. 5 BörsG für die Börsenaufsichtsbehörden der Länder und § 81 Abs. 2 VAG für die BaFin – Geschäftsbereich Versicherungsaufsicht). 2 Samm in Beck/Samm/Kokemoor, § 6 KWG Rz. 49; Schäfer in Boos/Fischer/SchulteMattler, § 6 KWG Rz. 35.
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2.282
2. Teil
Bankaufsichtsrecht
c) Institutsübergreifende Missstände
2.283
Die Abwehr von Missständen, die erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können, gehört zwar zum Aufgabenkreis der BaFin gemäß § 6 Abs. 2 KWG, diese Missstände sind aber nicht vom Tatbestand des § 6 Abs. 3 KWG umfasst. Daher lebt als Rechtsgrundlage von Verwaltungsakten, die diese Missstände adressieren, § 6 Abs. 1 KWG wieder auf.
3. Verordnungen
2.284
Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Daher kommt die allgemeine Generalklausel des § 6 KWG nicht als Rechtsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen in Betracht.
4. Informelles Verwaltungshandeln
2.285
Maßnahmen informellen Verwaltungshandelns sind nicht als Rechtsfolge in § 6 Abs. 3 KWG genannt. Sie können indessen auf § 6 Abs. 2 iVm. Abs. 1 KWG gestützt werden.
5. Spezielle Eingriffsbefugnisse a) Maßnahmen bei unzureichender Solvenz
2.286
Entsprechen bei einem Institut die Eigenmittel nicht den einschlägigen Anforderungen (§ 10 Abs. 1, § 45 Abs. 1b und § 45b Abs. 1 KWG) oder werden die Anforderungen des § 11 Abs. 1 KWG hinsichtlich der Liquidität der Anlagegegenstände nicht erfüllt, so kann die BaFin Gegenmaßnahmen ergreifen. Sie kann hierzu Entnahmen1 sowie die Ausschüttung2 von Gewinnen untersagen oder beschränken, Kreditgewährung untersagen oder beschränken3, die Aus1 Als Entnahmen gelten alle Vermögenszuwendungen an Gesellschafter, nicht jedoch die brachenübliche Vergütung für einen in der Geschäftsführung tätigen Gesellschafter; hierzu Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 45 KWG Rz. 16; Samm in Beck/Samm/Kokemoor, § 45 KWG Rz. 39; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 45 KWG Rz. 14 mwN. 2 Als Ausschüttung gelten ua. alle Zahlungsmaßnahmen, denen die Verteilung eines Bilanzgewinns zugrunde liegt (Samm in Beck/Samm/Kokemoor, § 45 KWG Rz. 44; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 45 KWG Rz. 14 mwN). Aber auch verdeckte Gewinnausschüttungen (vgl. BGH v. 1.12.1986 – II ZR 306/85, WM 1987, 348 f.) sind von § 45 Abs. 1 KWG umfasst, siehe hierzu Samm in Beck/Samm/Kokemoor, § 45 KWG Rz. 46. 3 Anerkannt ist indessen, dass Erfüllung von Verpflichtungen aus bestehenden Kreditverträgen nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 KWG untersagt werden kann (Samm in Beck/ Samm/Kokemoor, § 45 KWG Rz. 56; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 45 KWG Rz. 17; Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 45 KWG Rz. 25). Auch
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Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen
zahlung variabler Vergütungsbestandteile untersagen oder beschränken sowie weitere Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken1 anordnen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 KWG). Diese Möglichkeiten bestehen bereits im Vorfeld, wenn die Vermögens-, Ertrags- oder Finanzentwicklung eines Instituts die Annahme rechtfertigt, dass die genannten Anforderungen bzgl. des Eigenkapitals und der Liquidität nicht erfüllt werden. Dies wird dadurch flankiert, dass gemäß § 45 Abs. 4 Satz 3 KWG Beschlüsse über die Gewinnausschüttung insoweit nichtig sind, als sie einer entsprechenden Anordnung der BaFin widersprechen2. Indessen war die Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG, wonach Entnahmen durch die Inhaber oder Gesellschafter sowie die Ausschüttung von Gewinnen untersagt oder beschränkt werden konnten, in der Vergangenheit lückenhaft, da Ausschüttungen auf andere Eigenkapitalinstrumente, die nicht als Entnahmen bzw. Gewinne galten, zulässig blieben. Die durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht (FMVAStärkG) v. 29.7.2009 eingefügten Sätze 2 und 4 des § 45 Abs. 1 KWG haben diese Lücke beseitigt. Danach kann die BaFin die Auszahlung jeder Art von Erträgen auf Eigenmittelinstrumente untersagen oder beschränken, die nicht vollständig durch einen erzielten Jahresüberschuss gedeckt sind. Lediglich hinsichtlich der nachrangigen langfristigen Verbindlichkeiten ist dies insofern eingeschränkt, als bei diesen – anders als bei den übrigen Eigenmittelinstrumenten – die gerechtfertigte Annahme, dass die genannten Anforderungen bzgl. des Eigenkapitals und der Liquidität nicht erfüllt werden, nicht ausreicht. Der ebenfalls neu eingefügte Satz 3 flankiert dies, indem er vorsieht, dass unter entsprechenden Voraussetzungen bilanzielle Maßnahmen untersagt oder beschränkt werden, die dazu dienen, einen entstandenen Jahresfehlbetrag auszugleichen oder einen Bilanzgewinn auszuweisen. § 45 Abs. 2 Satz 2 KWG sieht vor, dass gegenüber Institutsgruppen und Finanzholdinggruppen die Großkreditobergrenze herabgesetzt werden kann. Daneben sieht § 45 Abs. 3 KWG vor, dass die risikoreduzierenden Maßnahmen des Abs. 1 bei unzureichenden Eigenmitteln eines Finanzkonglomerats gegenüber einem übergeordneten Finanzkonglomeratsunternehmen3 ergehen können, um einen zusätzlichen Mittelabfluss aus der Gruppe zu verhindern4;
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kann die BaFin keine Kündigung einer bestehenden Kreditlinie verlangen, Samm in Beck/Samm/Kokemoor, § 45 KWG Rz. 56. Der im Rahmen der 7. KWG-Novelle eingefügte § 45 Abs. 1 Nr. 3 KWG, der Maßnahmen zur Reduzierungen vorsieht, soll ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks. 16/1335, S. 66) in den Fällen zur Anwendung kommen, in denen sich Risiken aus bestimmten Produkte und Geschäftstätigkeiten ergeben. Beschlossene, aber noch nicht vollzogene Ausschüttungen sind daher bei Erlass einer Maßnahme gemäß § 45 Abs. 1 KWG zu unterlassen (hierzu Samm in Beck/Samm/ Kokemoor, § 45 KWG Rz. 68). Voraussetzung ist, dass das übergeordneten Finanzkonglomeratsunternehmen ebenfalls in der Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche tätig ist; ist das übergeordnete Finanzkonglomeratsunternehmen in der Versicherungsbranche tätig, kommen Maßnahmen gemäß § 104t VAG in Betracht (Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 45 KWG Rz. 21). BT-Drucks. 15/3641, S. 60; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 45 KWG Rz. 21.
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2. Teil
Bankaufsichtsrecht
unter denselben Voraussetzungen können auch Maßnahmen gegenüber gemischten Finanzholding-Gesellschaften getroffen werden.
2.288
Als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit sieht § 45 Abs. 4 Satz 1 KWG vor, dass das Institut zunächst zur Mängelbeseitigung aufzufordern ist. Leistet es dieser Aufforderung nicht Folge oder besteht rascher Handlungsbedarf, kann die BaFin Maßnahmen ergreifen. b) Maßnahmen bei organisatorischen Mängeln
2.289
§ 45b KWG beruht auf Art. 136 Bankenrichtlinie, wurde durch die Siebte KWG-Novelle in das KWG eingeführt, durch das FRUG an den geänderten Text des § 25a Abs. 1 KWG angepasst und zuletzt durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht (FMVAStärkG) v. 29.7.2009 geändert. Verfügt ein Institut nicht über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation und hat das Institut die Mängel nicht auf Grund einer Anordnung der BaFin fristgemäß behoben, kann die BaFin gemäß § 45b Abs. 1 KWG Maßnahmen gegenüber dem Institut ergreifen.
2.290
Einzige Tatbestandsvoraussetzung ist, dass das Institut nicht über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation iS von § 25a Abs. 1 KWG verfügt. § 45b Abs. 1 Satz 2 KWG sieht unter anderem vor, dass die Eigenkapitalanforderungen verschärft1 werden, bestimmte Geschäfte nicht oder nur in reduziertem Umfang betrieben werden können oder dass weitere Zweigstellen nur mit Zustimmung der BaFin errichtet werden dürfen. c) Gefahr für anvertraute Vermögenswerte
2.291
Besteht eine Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Instituts gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte oder besteht der begründete Verdacht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich ist, kann die BaFin zur Abwendung dieser Gefahr gemäß § 46 Abs. 1 KWG einstweilige Maßnahmen treffen.
2.292
Der Eingriffstatbestand des § 46 Abs. 1 KWG enthält zwei Varianten: Zum einen ist der Tatbestand erfüllt, wenn eine Gefahr für die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte oder für die Erfüllung anderer Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern besteht. Eine Gefahr ist nicht erst dann zu bejahen, wenn das Institut mit der Erfüllung von Verpflichtungen in Verzug gerät. Vielmehr genügen Tatsachen, die die Annahme begründen, dass 1 Sofern der risikobegründende Umstand zugleich ein operationelles Risiko iS der SolvV darstellt, konkurriert die erhöhte Eigenkapitalfestsetzung ggf. mit einer Erhöhung der Anrechnungsbeträge gemäß § 270 SolvV. Wird das operationelle Risiko pauschalierend unterlegt, so tritt die zusätzliche Eigenmittelfestsetzung hinzu. Hat das Institut eine erhöhte Unterlegung des operationellen Risikos mit Eigenkapital aber bereits von sich aus geleistet, kann dies dazu führen, dass eine Handlungsnotwendigkeit entfällt und das Ermessen der BaFin aus § 45b KWG entsprechend auf null reduziert wird (vgl. hierzu auch Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 45b KWG Rz. 12).
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Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen
das Institut in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist. Die Sicherheit der anvertrauten Vermögenswerte kann gefährdet sein, wenn abzusehen ist, dass Zahlungspflichten nicht fristgerecht erfüllt werden können oder wenn sich die Eigenmittel so verringert haben, dass eine Überschuldung zu befürchten ist1. Maßnahmen gemäß § 46 KWG können auch darauf gestützt werden, dass der begründete Verdacht besteht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich ist. Das Gesetz konkretisiert dies dahingehend, dass nur die in § 33 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 KWG genannten Fallgestaltungen erfasst sind. Hierunter gehören die Fälle,
2.293
– in denen das Institut in einen Unternehmensverbund eingebunden ist oder in einer engen Verbindung zu einem solchen steht, der eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt; – in denen eine wirksame Aufsicht über das Institut auf Grund des Rechts eines Drittstaates beeinträchtigt wird; sowie – die Fälle, in denen das Institut Tochterunternehmen eines Instituts mit Sitz in einem Drittstaat ist, das im Staat seines Sitzes oder seiner Hauptverwaltung nicht wirksam beaufsichtigt wird oder dessen zuständige Aufsichtsstelle zu einer befriedigenden Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt nicht bereit ist. Gemäß § 46 Abs. 1 KWG kann die BaFin zur Abwendung der Gefahr einstweilige Maßnahmen treffen. Insbesondere können Anweisungen an die Geschäftsleitung ergehen und die Annahme von Einlagen, Geldern oder Wertpapieren und die Gewährung von Krediten verboten oder begrenzt2 werden. Durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht (FMVAStärkG) wurde § 46 Abs. 1 KWG dahingehend ergänzt, dass auch nachteilige Zahlungen an Konzernunternehmen beschränkt bzw. untersagt werden können. Einstweilig ist eine Maßnahme, wenn sie sichernd für einen überschaubaren Zeitraum gedacht ist, innerhalb dessen die Behörde prüft, ob und welche endgültigen Maßnahmen zu ergreifen sind. Das Ermessen der BaFin wird dahingehend konkretisiert, dass die Maßnahmen „zur Abwehr der Gefahr“ ergriffen werden müssen; anderweitige Erwägungen können einen Ermessensfehler begründen3.
2.294
Die Vorschriften des § 46 KWG selbst enthalten kein Verbot bestimmter Geschäfte, sondern nur eine Ermächtigung an die Bankenaufsicht, ein solches Verbot durch Verwaltungsakt auszusprechen. Ein Darlehensvertrag, der gegen ein nach § 46 Abs. 1 KWG angeordnetes Kreditgewährungsverbot verstößt, ist daher auch nicht nach § 134 BGB nichtig4.
2.295
1 Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 8. 2 Zur Frage der Zulässigkeit von Aufrechnungen während eines Moratoriums nach §§ 46, 46a KWG siehe auch Zietsch, WM 1997, 954. 3 Hierzu Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 17. 4 BGH v. 5.10.1989 – III ZR 34/88, WM 1990, 54 (55) = NJW 1990, 1356 ff.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 46 KWG Rz. 38 mwN; gegen die Anwendbarkeit des § 134 BGB jetzt auch Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 25 unter
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Bankaufsichtsrecht
2.296
§ 46 Abs. 1 Satz 2 KWG sieht auch die Möglichkeit vor, Geschäftsleitern die Ausübung ihrer Tätigkeit zu untersagen bzw. eine Aufsichtsperson zu bestellen. Diese Aufsichtsperson kann freilich nur intern für die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung Sorge tragen. Sie ist kein Organ und kann nicht als Vertreter im Außenverhältnis auftreten1. Sind die Schwierigkeiten des Kreditinstitutes auf ein Versagen der Geschäftsführung zurückzuführen und erscheint die Kontrolle durch eine Aufsichtsperson als nicht ausreichend, so kann den Geschäftsleitern des Kreditinstitutes die Ausübung ihrer Tätigkeit einstweilen untersagt oder beschränkt werden.
2.297
Ebenso wie in den Fällen des § 45 KWG sind Beschlüsse über die Gewinnausschüttung sind insoweit nichtig, als sie einer Anordnung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 KWG widersprechen. d) Maßnahmen bei Insolvenzgefahr
2.298
§ 46a KWG sieht vor, dass die BaFin zur Vermeidung des Insolvenzverfahrens vorübergehend ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot an das Institut erlassen, die Schließung des Instituts für den Verkehr mit der Kundschaft anordnen und die Entgegennahme von Zahlungen verbieten kann. Voraussetzung ist, dass (neben dem Tatbestand des § 46 Abs. 1 Satz 1 KWG) auch eine Insolvenznähe vorliegen muss.
2.299
§ 46a KWG unterscheidet sich trotz der ähnlichen Tatbestände grundlegend von § 46 KWG. Während die Maßnahmen gemäß § 46 KWG nach innen wirken, sind die Maßnahmen gemäß § 46a KWG auf Außenwirkung gerichtet. Ergreift die BaFin Maßnahmen gemäß § 46a KWG, so ist typischerweise zu erwarten, dass Gläubiger ihre Mittel abziehen. Daher sieht § 46a KWG vor, dass ein völliges Veräußerungs- und Zahlungsverbot erlassen werden kann, um einen Zusammenbruch des Instituts bzw. eine Bevorteilung einzelner Gläubiger zu verhindern.
2.300
Anders als in den Fällen des § 46 KWG sind Verfügungen, die einem Veräußerungs- und Zahlungsverbot widersprechen, nach hM relativ, dh. nur gegenüber den Gläubigern des Instituts unwirksam. Die Maßnahme wird als ein behördliches Verfügungsverbot aufgefasst, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 BGB)2. e) Insolvenzantrag
2.301
§ 46b Abs. 1 Satz 1 KWG statuiert eine Anzeigepflicht der Geschäftsführer gegenüber der BaFin, wenn ein Institut zahlungsunfähig wird oder ÜberschulHinweis auf Binder, Bankeninsolvenzen, S. 219 ff., der auf die Schwierigkeiten einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im bargeldlosen Zahlungsverkehr verweist. 1 Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46 KWG Rz. 37; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 46 KWG Rz. 28 mwN. 2 BGH v. 5.10.1989 – III ZR 34/88, WM 1990, 54 ff.; Lindemann in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 46a KWG Rz. 19 ff.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 46a KWG Rz. 24.
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2. Teil
Aufsicht und aufsichtsrechtliche Maßnahmen
dung eintritt1. Dasselbe gilt in den Fällen der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Als zahlungsunfähig gilt ein Institut, wenn es nicht in der Lage ist, fällige Zahlungspflichten zu erfüllen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn das Institut seine Zahlungen eingestellt hat. Eine „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ iS des § 46b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KWG liegt vor, wenn das Institut voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen; der Wortlaut der Norm entspricht insofern dem des § 18 InsO2. § 46b Abs. 1 Satz 4 KWG sieht vor, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Instituts oder der als übergeordnetes Unternehmen geltenden Finanzholding-Gesellschaft nur von der BaFin gestellt werden kann3. Indem die Antragstellung bei der BaFin konzentriert wird, ausgeschlossen, dass ein durch die Gläubiger initiiertes Insolvenzverfahren die Sanierungsbemühungen im Rahmen eines Moratoriums nach § 46a KWG vereitelt4. § 46b KWG wurde im Rahmen der Zweiten KWG-Novelle in das Kreditwesengesetz eingefügt und sah zunächst vor, dass der Antrag der BaFin hinsichtlich der Beurteilung, ob ein Insolvenzgrund vorlag, unanfechtbar war. Seit dem Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung ist ein Antrag der BaFin indessen nunmehr wie ansonsten ein Antrag eines Gläubigers zu behandeln; der Beschluss des Amtsgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach § 34 InsO von dem Institut mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
2.302
f) Moratorium Sind wirtschaftliche Schwierigkeiten bei Kreditinstituten zu befürchten, die schwerwiegende Gefahren für die Gesamtwirtschaft, insbesondere den geordneten Ablauf des allgemeinen Zahlungsverkehrs erwarten lassen, so kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die in § 47 KWG genannten Maßnahmen ergreifen. Die in der Rechtsverordnung angeordneten Maßnahmen können bestehen in: – einem Moratorium für ein einzelnes Kreditinstitut, verbunden mit einem Verbot zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtlicher Maßnahmen; – einer vorübergehenden Schließung aller Kreditinstitute sowie – einer Schließung der Börsen. Im Unterschied zu den §§ 46 und 46a KWG dient § 47 KWG nicht dem Schutz der Gläubiger eines bestimmten Instituts. Vielmehr soll einer drohenden Krise für die Gesamtwirtschaft vorgebeugt werden.
1 Die Tatbestände der §§ 46a und 46b KWG überschneiden sich insofern teilweise, als auch § 46b KWG an die drohende Zahlungsunfähigkeit anknüpft; siehe hierzu Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46b KWG Rz. 9. Zu Überlegungen einer stärkeren Integration der §§ 46a und 46b KWG siehe Binder, Bankeninsolvenzen, 2005, S. 148 ff. 2 Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46b KWG Rz. 8. 3 Siehe hierzu auch Linden, ZInsO 2008, 583 ff. 4 Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 46b KWG Rz. 1.
Schelm
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119
2.303
3. Teil Wertpapieraufsichtsrecht Rz. 1. Abschnitt: Grundsätzliches (Seyfried) . . . . . . .
1
I. Wertpapieraufsicht als Teil der staatlichen Aufsicht über den Kapitalmarkt . . . . . . . . . .
1
II. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben als Grundlage . . . . . . . .
6
2. Abschnitt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) (Seyfried) . . . . . . . I. BaFin-Geschäftsbereich „Wertpapieraufsicht“ . . . . . . . . . 1. Überwachung der Verhaltensund Organisationspflichten . . . 2. Überwachung des Verbots von Insidergeschäften sowie des Verbots der Marktmanipulation . . a) Meldepflichten nach § 9 WpHG . . . . . . . . . . . . b) Anzeige von Verdachtsfällen nach § 10 WpHG . . . . . . . c) Verpflichtung zur Ad-hoc Publizität nach § 15 WpHG . . d) Anzeige- und Veröffentlichungspflichten bei Directors' Dealings nach § 15a WpHG . . e) Führung von Insiderverzeichnissen nach § 15b WpHG . . . f) Verbot der Marktmanipulation nach § 20a WpHG . . . . . . . 3. Überwachung der Publizität bei Transaktionen über bedeutende Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen . . . . . . . . . . 4. Überwachung der Prospektpflichten . . . . . . . . . . . . . a) Prospekt für Wertpapiere . . . b) Verkaufsprospekt für Angebote anderer Vermögensanlagen . . 5. Internationale Kooperation . . .
11 17 33
43 44 49 52
55 60 62
64 68 68 69 70
II. Wertpapierrat . . . . . . . . . .
76
3. Abschnitt: Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes (Seyfried) . .
86
I. Grundsätzliches . . . . . . . . .
86
II. Allgemeine Verhaltensregeln . . 1. Pflicht zur Interessenwahrung . . 2. Weitestmögliche Vermeidung von Interessenkonflikten . . . . 3. Informationspflichten . . . . . . a) Mindeststandards nach § 31 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . b) Mindestinhalte nach § 31 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . . c) Exkurs: Zivilrechtliche Grundsatzentscheidungen zu Informationspflichten . . . . . . . 4. Pflichten bei Anlageberatung oder Finanzportfolioverwaltung . a) Anlageberatung . . . . . . . . aa) Begriff der Anlageberatung bb) Explorationspflichten . . . cc) Geeignetheitstest . . . . . b) Finanzportfolioverwaltung . . 5. Pflichten im Rahmen des beratungsfreien Geschäfts . . . . . . a) Explorationspflichten . . . . . b) Angemessenheitstest . . . . . 6. Pflichten im Rahmen des reinen Ausführungsgeschäfts (Execution Only) . . . . . . . . . . . . . . 7. Berichtspflichten . . . . . . . . a) Berichtspflichten außerhalb der Finanzportfolioverwaltung b) Berichtspflichten bei Finanzportfolioverwaltung . . . . . . III. Spezielle Verhaltensregeln . . . 1. Bearbeitung von Kundenaufträgen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen (Best Execution) . . . . . . . . . . . . . . 3. Annehmen oder Gewähren von Zuwendungen . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . b) Begriff der Zuwendungen . . aa) Gesetzliche Definition (§ 31d Abs. 2 WpHG) . . bb) Ausnahme (§ 31d Abs. 5 WpHG) . . . . . . . . . cc) Drittbezug als Merkmal der Zuwendung . . . . .
Rothenhöfer/Seyfried
Rz. 92 92 98 103 105 113
127 137 139 140 146 153 156 160 161 164
167 174 177 182
. 187 . 187
. 196 . 203 . 205 . 206 . 206 . 211 . 213
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121
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht Rz.
c) „Im Zusammenhang mit“ der Erbringung von Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistungen . . . . . . . d) Qualitätsverbesserung und Unvoreingenommenheit . . . aa) Objektive Eignung zur Verbesserung der Qualität bb) Vermutungsregel des § 31d Abs. 4 WpHG . . . . . . . cc) Wahrung des Kundeninteresses . . . . . . . . . . . e) Offenlegung . . . . . . . . . f) Dokumentation . . . . . . . . 4. Getrennte Vermögensverwahrung . . . . . . . . . . . . . . .
219 223 224 227 232 235 237 238
IV. Organisationspflichten . . . . . 245 V. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . 1. Generelle Aufzeichnungspflicht . a) Kundenaufträge und Handelsentscheidungen . . . . . . . . b) § 34 Abs. 1 WpHG konkretisiert durch § 14 WpDVerOV . 2. Aufzeichnungspflichten bei Kundenvereinbarungen . . . . . 3. Aufzeichnungspflichten bei Anlageberatung für Privatkunden . a) Protokoll über die Anlageberatung (Beratungsprotokoll) b) Telefonische Anlageberatung und Rücktrittsrecht . . . . . c) Inhaltliche Ausgestaltung des Beratungsprotokolls . . . . . 4. Aufbewahrungspflichten . . . .
248 248 249 250 255 256 257 265 269 278
VI. Prüfungsrichtlinien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . . . . . . . . . . 279 4. Abschnitt: Compliance-Organisationen (Rothenhöfer) 301 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . 3. Schutzzweck . . . . . . . . . . 4. Einordnung von Compliance im System des Risikomanagements
301 301 303 307 311
II. Elemente einer ComplianceOrganisation für das Wertpapiergeschäft . . . . . . . . . . . . . 318 1. Compliance-Funktion . . . . . . 320
122
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Rothenhöfer/Seyfried
a) Unabhängigkeit . . . . . . . b) Fachkenntnisse, Mittel und Kompetenzen . . . . . . . . 2. Vertraulichkeitsbereiche . . . a) Chinese Walls . . . . . . . b) Wall Crossing . . . . . . . . 3. Beschwerdemanagement . . . 4. Ablauforganisation . . . . . . a) Beobachtungs-Liste (WatchList) . . . . . . . . . . . . . b) Sperr- oder Stopp-Liste (Restricted-List) . . . . . . . . .
Rz. . 322 . . . . . .
328 334 335 344 351 356
. 360 . 363
III. Aufgaben der Compliance-Organisation für das Wertpapiergeschäft . . . . . . . . . . . . . 1. Ausbildung und Beratung von Mitarbeitern . . . . . . . . . . . a) Ausbildung, Schulung und Unterrichtung . . . . . . . . . b) Beratung . . . . . . . . . . . 2. Erkennen von Interessenkonflikten, Vermeidung der Beeinträchtigung von Kundeninteressen . . a) Vorkehrungen zur Erkennung von Interessenkonflikten . . . b) Maßnahmen zur Bewältigung von Interessenkonflikten . . . 3. Kontroll- und Überwachungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . 4. Berichtspflicht . . . . . . . . . . IV. Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . 1. Grundlagen des Mitarbeitergeschäfts . . . . . . . . . . . . . a) Mitarbeiter . . . . . . . . . . b) Mitarbeitergeschäft . . . . . . 2. Organisationspflichten . . . . . a) Zu erfassende Mitarbeiter und Mitarbeitergeschäfte . . . . . b) Einzusetzende Mittel und Verfahren . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahmen . . . . . . . . . . .
370 371 372 375
377 381 385 393 396 399 403 403 406 408 409 415 429
5. Abschnitt: Insiderrecht (Rothenhöfer) . . . . . 451 I. Grundlagen . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlagen . . . . . . a) Auslegungsgrundsätze . . b) Marktbezogener Regelungsansatz . . . . . . . . . . . 3. Schutzzweck . . . . . . . .
. . . .
. . . .
451 451 453 455
. . 456 . . 458
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
II. Insiderpapiere (§ 12 WpHG) . . . 1. Finanzinstrumente . . . . . . . 2. An einem inländischen Markt gehandelt . . . . . . . . . . . . 3. Zulassung an einem organisierten Markt . . . . . . . . . . . . 4. Antrag auf Zulassung gestellt oder öffentlich angekündigt . . . 5. Derivate, deren Preis von Finanzinstrumenten abhängt . . . . . . III. Insiderinformationen (§ 13 WpHG) . . . . . . . . . . . 1. Konkrete Informationen über Umstände . . . . . . . . . . . . a) Eingetretene Umstände . . . . b) Zukünftige Umstände . . . . 2. Nicht öffentlich bekannte Informationen . . . . . . . . . . . . a) Definition der Öffentlichkeit . b) Herstellung der Öffentlichkeit c) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . 3. Emittenten- oder Insiderpapierbezug der Informationen . . . . a) Emittentenbezug der Informationen . . . . . . . . . . . . . b) Insiderpapierbezug der Informationen . . . . . . . . . . . 4. Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung . . . . . . . . . . a) Eignung zur Kursbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . b) Erheblichkeit der Kursbeeinflussung . . . . . . . . . . . . 5. Konkrete öffentlich nicht bekannte Informationen . . . . .
Rz. 462 463 464 468 469 471 475 477 478 483 488 489 491 493 494 495 496 497 498 503 507
Rz. a) Frontrunning (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG) . . . . . . 508 b) Derivate (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . 510 6. Bewertung ausschließlich auf Grund öffentlich bekannter Umstände (§ 13 Abs. 2 WpHG) . 511 IV. Verbot von Insidergeschäften (§ 14 WpHG) . . . . . . . . . . . 1. Erwerbs- und Veräußerungsverbot . . . . . . . . . . . . . . a) Objektiver Tatbestand . . . . aa) Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte . . . . . . bb) Eigen- oder Fremdgeschäft cc) Verwenden einer Insiderinformation . . . . . . . . b) Subjektiver Tatbestand . . . . 2. Weitergabeverbot . . . . . . . . a) Objektiver Tatbestand . . . . aa) Einem anderen . . . . . . bb) Mitteilen oder Zugänglichmachen . . . . . . . . . . cc) Unbefugte Weitergabe . . . b) Subjektiver Tatbestand . . . . 3. Empfehlungs- und Verleitungsverbot . . . . . . . . . . . . . . a) Objektiver Tatbestand . . . . aa) Empfehlungsverbot . . . . bb) Gegenstand der Empfehlung . . . . . . . . . . . . cc) Ursächlichkeit der Kenntnis der Insiderinformationen . . . . . . . . . . . dd) Verleitungsverbot . . . . . b) Subjektiver Tatbestand . . . .
515 520 521 521 528 530 543 546 547 547 548 552 560 563 564 566 570
573 574 575
Schrifttum: Abegglen, Wissenszurechnung bei der juristischen Person und im Konzern bei Banken und Versicherungen, 2004; Assmann, Insiderrecht und Kreditwirtschaft, WM 1996, 1337; Assmann, Interessenkonflikte auf Grund von Zuwendungen, ZBB 2008, 21; Assmann, Das künftige deutsche Insiderrecht, AG 1994, 196 (Teil I), 237 (Teil II); Assmann, Das neue deutsche Insiderrecht, ZGR 1994, 494; Assmann, Die Pflicht von Anlageberatern und Anlagevermittlern zur Offenlegung von Innenprovisionen, ZIP 2009, 2125; Assmann, Rechtsanwendungsprobleme des Insiderrechts, AG 1997, 50; Assmann, Übernahmeangebote im Gefüge des Kapitalmarktrechts, insbesondere im Licht des Insiderrechts, der Ad-hoc-Publizität und des Manipulationsverbots, ZGR 2002, 697; Assmann, Unternehmenszusammenschlüsse und Kapitalmarkt, ZHR 172 (2008), 635; Bachmann, Kapitalmarktrechtliche Probleme bei der Zusammenführung von Unternehmen, ZHR 172 (2008), 597; Balzer, Rechtsfragen des Effektengeschäfts der Direktbanken, WM 2001, 1533; Baum in Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. 1, 2009; Bergles, Prüfung der Mitarbeitergeschäfte – Umsetzung in der Bankenpraxis, ZBB 2000, 140; von Bliesener, Auf-
Rothenhöfer/Seyfried
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
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Rothenhöfer/Seyfried
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
NZG 2005, 104; Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs der Insiderinformationen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 1998; Lutter, Die Treuepflicht des Aktionärs, ZHR 153 (1989), 446; Mennicke, Sanktionen gegen den Insiderhandel, 1996; Merkner/Sustmann, Insiderrecht und Ad-Hoc-Publizität – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz „in der Fassung durch den Emittentenleitfaden der BaFin“, NZG 2005, 729; Möllers, Insiderinformationen und Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG, WM 2005, 1393; Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten – Beratungspflichten, Offenlegungspflichten bei Interessenkonflikten und die Änderungen durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), WM 2007, 1149; Müller-Glöge/Preis/ Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010; Nerlich, Die Tatbestandsmerkmale des Insiderhandelsverbots nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 1999; Nobbe, Verjährung von Forderungen im Bank- und Kapitalmarktrecht in der Praxis, ZBB 2009, 93; Oppitz, Insiderrecht aus ökonomischer Perspektive, 2003; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, 1998; Pananis, Zur Abgrenzung von Insidertatsache und adhoc-publizitätspflichtigem Sachverhalt bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen, WM 1997, 460; Park, Kapitalmarktstrafrecht und Anlegerschutz, NStZ 2007, 369; Pellens/ Fülbier, Publizitätspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz, DB 1994, 1381; Peltzer, Die neue Insiderregelung im Entwurf des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, ZIP 1994, 746; Pfeifer, Einführung der Dokumentationspflicht für das Beratungsgespräch durch § 34 Abs. 2a WpHG, BKR 2009, 485; Pieroth/Hartmann, Verfassungsrechtliche Grenzen rückwirkender Rechtsprechungsänderungen, dargestellt am Beispiel der Aufklärung über Provisionen für den Vertrieb geschlossener Fonds, ZIP 2010, 753; Ransiek, Zur strafrechtlichen Verantwortung des Compliance Officers, AG 2010, 147; Reichert/ Ott, Non-Compliance in der AG – Vorstandspflichten im Zusammenhang mit der Vermeidung, Aufklärung und Sanktionierung von Rechtsverstößen, ZIP 2009, 2173; Renz/ Hense (Hrsg.), Wertpapier-Compliance in der Praxis, 2010; Rodewald/Tüxen, Neuregelung des Insiderrechts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz – Neue Organisationspflichten für Emittenten und ihre Berater, BB 2004, 2249; Rodewald/Unger, Kommunikation und Krisenmanagement im Gefüge der Corporate Compliance-Organisation, BB 2007, 1629; Röh, Compliance nach der MiFID – zwischen höherer Effizienz und mehr Bürokratie, BB 2008, 398; Rönnau/Schneider, Der Compliance-Beauftragte als strafrechtlicher Garant, ZIP 2010, 53; Rozok, Tod der Vertriebsprovisionen oder Alles wie gehabt? – Die Neuregelungen über Zuwendungen bei der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie, BKR 2007, 217; Rudolph, Ökonomische Theorie und Insiderrecht, FS Moxter, 1994, S. 1333; Salvenmoser/Hauschka, Korruption, Datenschutz und Compliance, NJW 2010, 331; Schäfer, Die Pflicht zur Aufdeckung von Rückvergütungen und Innenprovisionen beim Vertrieb von Fonds in Rechtsprechung und Gesetzgebung, FS Nobbe, 2009, S. 725; Schäfer, Sind die §§ 31 ff. WpHG nF Schutzgesetze iSv. § 823 Abs. 2 BGB?, WM 2007, 1872; Schäfer, Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz mit BörsZulV, Verkaufsprospektgesetz mit VerkaufsprospV, 1999; Scherp/Stief, Compliance – Sonderuntersuchungen in Banken und der Datenschutz, BKR 2009, 404; Schirp/Mosgo, Aufklärungspflichten bei internen Innenprovisionen, BKR 2002, 354; Schlegelberger, Kommentar zum HGB, Bd. 6, 5. Aufl. 1977; Schlicht, Compliance nach Umsetzung der MiFIDRichtlinie – Wesentliche Änderungen oder gesetzliche Verankerung schon gelebter Praxis, BKR 2006, 469; Schneider, Wider Insiderhandelsverbot und die Informationseffizient des Kapitalmarkts, DB 1993, 1429; Sven H. Schneider, Die Weitergabe von Insiderinformationen – Zum normativen Verhältnis der verschiedenen Formen der Informationsweitergabe, NZG 2005, 702; Uwe H. Schneider, Die Weitergabe von Insiderinformationen im Konzern – Zum Verhältnis von Konzernrecht und Konzern-Kapitalmarktrecht, FS Wiedemann, 2002, S. 1255; Uwe H. Schneider/Burgard, Am Trillern erkennt man die Lerche – oder: Sind Absichtserklärungen, Prognosen und Meinungen von Unternehmensvertretern Insidertatsachen iSd. § 13 Abs. 1 WpHG?, FS Buxbaum, 2000, S. 501; Uwe H. Schneider/Burgard, Scalping als Insiderstraftat, ZIP 1999, 381; Uwe H. Schneider/von Buttlar, Die Führung von Insider-Verzeichnissen: Neue CompliancePflichten für Emittenten, ZIP 2004, 1621; Uwe H. Schneider/Singhof, Die Weitergabe von Insidertatsachen in der konzernfreien Aktiengesellschaft, insbesondere im Rahmen
126
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Rothenhöfer/Seyfried
3. Teil
Grundsätzliches
der Hauptversammlung und an einzelne Aktionäre, FS Kraft, 1998, S. 585; Schulz, Das Insiderhandelsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG im Lichte der Spector-Rechtsprechung des EuGH, ZIP 2010, 609; Schwarze, Die Orderlage im Skontro eines Börsenmaklers als Insidertatsache, WM 1997, 1564; Schweizer, Insiderverbote – Interessenkonflikte und Compliance, 1996; Sester, Zur Interpretation der Kapitalmarkteffizienz in Kapitalmarktgesetzen, Finanzmarktrichtlinien und -standards, ZGR 2009, 310; Sethe, Anlegerschutz in der Vermögensverwaltung, 2005; Sethe, Die Verschärfung des insiderrechtlichen Weitergabeverbots, ZBB 2006, 243; Seyfried, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), WM 2006, 1375; Siebold, Das neue Insiderrecht, 1994; Simon, Die neue Ad-hoc-Publizität, Der Konzern 2005, 13; Singhof, Zur Weitergabe von Insiderinformationen im Unterordnungskonzern, ZGR 2001, 146; Soesters, Die Insiderhandelsverbote des Wertpapierhandelsgesetzes, 2002; Spindler, Compliance in der multinationalen Bankengruppe, WM 2008, 905; Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001; Spindler/Kasten, Änderungen des WpHG durch das FRUG, WM 2007, 1245; Spindler/Kasten, Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – Teil II, WM 2006, 1797; Süßmann, Die befugte Weitergabe von Insidertatsachen, AG 1999, 162; Süßmann, Insiderhandel – Erfahrungen aus der Sicht des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel, AG 1997, 63; Szagunn/Haug/Ergenzinger, Gesetz über das Kreditwesen, 6. Aufl. 1997; Teuber, Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) – Auswirkungen auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung im Überblick, BKR 2006, 429; Tippach, Das Insider-Handelsverbot und die besonderen Rechtspflichten der Banken, 1995; Tippach, Marktdaten im künftigen Insiderrecht, WM 1993, 1269; Veil, Compliance-Organisationen in Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zeitalter der MiFID – Regelungskonzepte und Rechtsprobleme, WM 2008, 1093; Versteegen/Schulz, Auslegungsfragen des Insiderhandelsverbots gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG bei der Teilnahme an Aktienoptionsprogrammen, ZIP 2009, 110; Volk, Brauchen wir Chinese Walls im Rating Advisory?, ZBB 2005, 273; Wagner, Die geänderten Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, WM 2007, 1725; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, 2001; Wätke/Kopka, Einzelfragen zu Zuwendungen im Rahmen der Prüfung nach § 36 WpHG, WPg 2010, 520; Weichert/Wenninger, Erkundigungs- und Aufklärungspflichten gem. Art. 19 MiFID und FRUG; WM 2007, 627; Widder/Kocher, Die Zeichnung junger Aktien und das Insiderhandelsverbot, AG 2009, 654; Zeidler, Marketing nach MiFID, WM 2008, 238; Ziemons, Neuerungen im Insiderrecht und bei der Adhoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 537.
1. Abschnitt Grundsätzliches (Seyfried)
I. Wertpapieraufsicht als Teil der staatlichen Aufsicht über den Kapitalmarkt Das starke öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes erfordert, dass für die Durchsetzung der kapitalmarktrechtlichen Normen Aufsichtsinstanzen vorgehalten werden. So spielt diese institutionelle Absicherung auch bei der Wahl eines bestimmten Kapitalmarktes durch Anleger und Emittenten insofern eine Rolle, als für diese auch ausschlaggebend ist, ob Transparenz und Fairness des Handels, die Funktionsfähigkeit börslicher EinSeyfried
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127
3.1
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
richtungen, die Überwachung von Solvenz und Zuverlässigkeit der Marktintermediäre sowie eine umfassende Anlegerinformation sichergestellt ist1.
3.2
Eine vorrangige Aufgabe der staatlichen Aufsicht über den Kapitalmarkt ist es, das Verhalten der am Markt agierenden Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute auf Recht- und Ordnungsmäßigkeit zu überwachen, soweit diese Wertpapierdienstleistungen erbringen. Diese Aufsicht beschränkt sich nicht nur auf die Wertpapiergeschäfte, die an der Börse getätigt werden2. Einbezogen werden auch die Geschäftsbeziehungen der Kreditinstitute zu ihren Kunden im Rahmen des Effektengeschäfts, denn die Anleger können sich regelmäßig nur über Kreditinstitute als Marktintermediäre Zugang zum Kapitalmarkt verschaffen. Sie sind deshalb auf eine interessenwahrende Ausführung ihrer Effektenorder im Markt angewiesen.
3.3
Als Wertpapieraufsicht erstreckt sich die staatliche Aufsicht auch auf die Solvenz und die Zuverlässigkeit der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, wird die erforderliche Geschäftserlaubnis erteilt. Solvenzaufsicht bedeutet hierbei die Überwachung der Fähigkeit von Unternehmen, ihr Bestehen und die ständige Erfüllbarkeit aller fälligen Verbindlichkeiten sowohl durch eine entsprechende Geschäftspolitik als auch durch ausreichendes Eigenkapital sicherzustellen.
3.4
Zu den weiteren Aufgaben der Wertpapieraufsicht zählen die Bekämpfung von Insidergeschäften und der Marktmanipulation, die Überprüfung der Veröffentlichung von Ad-hoc-, Directors' Dealings- und bedeutenden Stimmrechtsmeldungen, sowie Aufsicht über Kapitalanlagegesellschaften sowie die Zuständigkeit für die Billigung von Verkaufsprospekten von Wertpapieren und Vermögensanlagen.
3.5
Im Ergebnis ist es Ziel der Wertpapieraufsicht, die Transparenz und Integrität des Finanzmarktes sowie den Anlegerschutz zu gewährleisten3.
II. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben als Grundlage
3.6
Bei der Ausgestaltung der Regeln zur Wertpapieraufsicht hatte der nationale Gesetzgeber diverse Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft zu berücksichtigen.
3.7
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine bundesweite effiziente staatliche Wertpapieraufsicht wurden schon durch das Zweite Finanzmarktförde1 Kurth, WM 1998, 1715. 2 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, BT-Drucks. 12/7918, S. 97. 3 Informationsblatt des früheren Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel v. 14.1.1999; abgedruckt in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Rz. 631/2. Die BaFin übt mit der Wertpapieraufsicht eine spezielle Form der Wirtschaftsaufsicht aus, vgl. Schlette/Bouchon in Fuchs, § 4 WpHG Rz. 3.
128
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Seyfried
3. Teil
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
rungsgesetz1 geschaffen, durch welches die Insider-Richtlinie2 und die Transparenz-Richtlinie3 in nationales Recht umgesetzt wurden. Das Gesetz führte zur Einrichtung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel mit nachfolgenden Aufgaben: Aufsicht in Insiderangelegenheiten, Überwachung der Ad-hoc-Berichterstattungspflicht, Überwachung der Melde- und Informationspflichten beim Erwerb und Veräußerung von bedeutenden Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften, internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wertpapieraufsicht4. Die maßgeblichen aufsichtsrechtlichen EG-Bestimmungen enthielt die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie vom 10.5.1993 (WpDRL) über Wertpapierdienstleistungen5. Zuletzt bestimmten die Vorgaben der Finanzmarktrichtlinie v. 21.4.2004 (MiFID)6 die Ausgestaltung der Wertpapieraufsicht.
3.8
3.9–3.10
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) (Seyfried) Durch das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz v. 22.4.2002 (FinDAG)7 wurde die bisherige Organisationsstruktur der staatlichen Aufsicht über den Kapitalmarkt grundlegend geändert. Hierbei ist das bisherige Konzept der Einzelaufsicht über Banken, Versicherungen und den Wertpapiermarkt durch drei Bundesaufsichtsämter zu Gunsten einer Allfinanzaufsicht ersetzt worden. Die zu diesem Zweck mit Wirkung vom 1.5.2002 neu errichtete Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vereint nach dem Vorbild der britischen Financial Service Authority (FSA) die früheren Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen (BAKred), den Wertpapierhandel (BAWe) und das Versicherungswesen (BAV) in einer Bundesbehörde (§ 1 Abs. 1 Satz 1 FinDAG)8. Um den 1 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 1994, S. 1749. 2 Richtlinie 89/592/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte, ABl. EG Nr. L 334, S. 30 ff. 3 Richtlinie 88/627/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 12.12.1988 über die bei Erwerb oder Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichen Informationen; ABl. EG Nr. L 348, S. 62 ff. 4 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 40. 5 Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27 ff. 6 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff. 7 Gesetz über die Bundesanstalt über Finanzdienstleistungsaufsicht v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, S. 1310; abgedruckt in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Rz. 535; vgl. weiter Hagemeister, WM 2002, 1773 ff. 8 Weitere Informationen auf http://www.bafin.de; zum britischen Regelungsvorbild einführend Baas, Die Bank 2001, 828 ff.; vertiefend Fleischer, RIW 2001, 817 ff.; Binder, WM 2001, 2230 ff.; zur Problematik der grenzüberschreitenden Wertpapieraufsicht Kurth, WM 2000, 1521 ff.; Wittich, Die Bank 2001, 278 ff.
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3.11
3. Teil
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
rungsgesetz1 geschaffen, durch welches die Insider-Richtlinie2 und die Transparenz-Richtlinie3 in nationales Recht umgesetzt wurden. Das Gesetz führte zur Einrichtung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel mit nachfolgenden Aufgaben: Aufsicht in Insiderangelegenheiten, Überwachung der Ad-hoc-Berichterstattungspflicht, Überwachung der Melde- und Informationspflichten beim Erwerb und Veräußerung von bedeutenden Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften, internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wertpapieraufsicht4. Die maßgeblichen aufsichtsrechtlichen EG-Bestimmungen enthielt die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie vom 10.5.1993 (WpDRL) über Wertpapierdienstleistungen5. Zuletzt bestimmten die Vorgaben der Finanzmarktrichtlinie v. 21.4.2004 (MiFID)6 die Ausgestaltung der Wertpapieraufsicht.
3.8
3.9–3.10
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) (Seyfried) Durch das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz v. 22.4.2002 (FinDAG)7 wurde die bisherige Organisationsstruktur der staatlichen Aufsicht über den Kapitalmarkt grundlegend geändert. Hierbei ist das bisherige Konzept der Einzelaufsicht über Banken, Versicherungen und den Wertpapiermarkt durch drei Bundesaufsichtsämter zu Gunsten einer Allfinanzaufsicht ersetzt worden. Die zu diesem Zweck mit Wirkung vom 1.5.2002 neu errichtete Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vereint nach dem Vorbild der britischen Financial Service Authority (FSA) die früheren Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen (BAKred), den Wertpapierhandel (BAWe) und das Versicherungswesen (BAV) in einer Bundesbehörde (§ 1 Abs. 1 Satz 1 FinDAG)8. Um den 1 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 1994, S. 1749. 2 Richtlinie 89/592/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte, ABl. EG Nr. L 334, S. 30 ff. 3 Richtlinie 88/627/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 12.12.1988 über die bei Erwerb oder Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichen Informationen; ABl. EG Nr. L 348, S. 62 ff. 4 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 40. 5 Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27 ff. 6 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff. 7 Gesetz über die Bundesanstalt über Finanzdienstleistungsaufsicht v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, S. 1310; abgedruckt in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Rz. 535; vgl. weiter Hagemeister, WM 2002, 1773 ff. 8 Weitere Informationen auf http://www.bafin.de; zum britischen Regelungsvorbild einführend Baas, Die Bank 2001, 828 ff.; vertiefend Fleischer, RIW 2001, 817 ff.; Binder, WM 2001, 2230 ff.; zur Problematik der grenzüberschreitenden Wertpapieraufsicht Kurth, WM 2000, 1521 ff.; Wittich, Die Bank 2001, 278 ff.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
unterschiedlichen Zielen der einzelnen Aufsichtsbereiche weiterhin gerecht werden zu können, bestehen jedoch innerhalb der BaFin die jeweiligen früheren Bundesaufsichtsämter als Geschäftsbereiche fort. Die BaFin ist eine rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts iS von Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG, die dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen zugeordnet ist und dessen Rechts- und Fachaufsicht unterliegt (§§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 FinDAG)1. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt a.M. und Bonn (§ 1 Abs. 2 FinDAG).
3.12
Auf Grund der erheblichen Unterschiede der einzelnen Geschäftsbereiche der Aufsicht waren mit der Neueinführung der BaFin Änderungen des materiellen Aufsichtsrechts nicht verbunden2.
3.13
Damit ist seit 2002 auch die zuvor bestehende Aufgabenteilung zwischen BAWe und BAKred gegenstandslos geworden3. Der Zuständigkeit der BaFin unterliegen somit im Bereich der Banken- und Wertpapieraufsicht die Beaufsichtigung der Wertpapierfirmen und der Kreditinstitute, soweit sie Wertpapierdienstleistungen erbringen. Die noch aus der Zeit der funktionalen Aufgabenteilung zwischen BAKred und BAWe stammende Regelung, dass die Aufgaben und Befugnisse im KWG einerseits und WpHG andererseits geregelt worden sind, ist hingegen auch nach Errichtung der BaFin beibehalten worden. Sie ergibt sich daraus, dass die früheren Geschäftsbereiche der zusammengefassten Bundesaufsichtsämter als getrennte Organisationseinheiten bzw. Aufsichtssäulen innerhalb der BaFin bestehen bleiben.
3.14
Die Bankenaufsicht durch die BaFin im früheren Geschäftsbereich des BAKred umfasst insbesondere die Zulassung der Institute, die Überprüfung der persönlichen Zuverlässigkeit und fachlichen Eignung der Geschäftsleitung und ihre Abberufung sowie die laufende Überwachung der wirtschaftlichen Situation der Institute einschließlich der aktuellen Liquidität und Ertragslage4.
3.15
Die Wertpapieraufsicht durch die BaFin im früheren Geschäftsbereich des BAWe erstreckt sich vor allem auf die Überwachung der Einhaltung der Verhaltensregeln (§§ 31 ff. WpHG), die Bekämpfung von Insidergeschäften sowie der Kurs- und Marktpreismanipulation, die Kontrolle der Ad-hoc-Publizität und auf die Überwachung der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht der Stimmrechtsanteile an börsennotierten Gesellschaften.
3.16
Die Aufsicht über die einzelnen Börsen ist hingegen nicht Aufgabe der BaFin sondern Aufgabe der Börsenaufsichtsbehörden der Länder. Diese beaufsichtigen die ordnungsgemäße Durchführung des Handels an den einzelnen Börsen nach den Vorschriften des Börsengesetzes. Die Börsenaufsicht überwacht da1 Vgl. dazu Hagemeister, WM 2002, 1773 f. 2 Hagemeister, WM 2002, 1773 (1774); Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 3 WpHG Rz. 2. 3 Zur zuvor bestehenden Aufgabenteilung zwischen BAWe und BAKred siehe die 2. Aufl. dieses Buches, Rz. 18.20 ff. 4 Zur Bankenaufsicht siehe Teil 2.
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3. Teil
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
bei insbesondere die Preisbildungsprozesse in Zusammenarbeit mit den Handelsüberwachungsstellen.
I. BaFin-Geschäftsbereich „Wertpapieraufsicht“ Der Geschäftsbereich „Wertpapieraufsicht“ umfasst im Wesentlichen vier Hauptaufgaben: (1) Überwachung der Verhaltens- und Organisationspflichten (unten Rz. 3.33 ff.), (2) Überwachung des Verbots von Insidergeschäften sowie des Verbots der Marktmanipulation (unten Rz. 3.43 ff.), (3) Überwachung der Publizität bei Transaktionen über bedeutende Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen (unten Rz. 3.64 ff.) sowie (4) Überwachung der Prospektpflichten (unten Rz. 3.68 ff.). Darüber hinaus obliegt dem Geschäftsbereich die Zusammenarbeit mit den Wertpapieraufsichtsbehörden in- und außerhalb der Europäischen Gemeinschaft.
3.17
Die Aufgaben und Befugnisse der BaFin im Bereich der Wertpapieraufsicht sind – soweit nicht ausnahmsweise auf Grund spezialgesetzlicher Normen Kompetenzen zugesprochen werden (zB nach Verkaufsprospektgesetz) – umfassend in der Generalbefugnisnorm1 § 4 WpHG verankert. Den umfassenden Charakter hinsichtlich ihres Regelungsgegenstandes erfuhr diese Vorschrift insbesondere durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG), durch welches 2004 die zuvor in den §§ 16, 18, 20b, 29 und 35 WpHG normierten Einzelbefugnisse zusammengezogen wurden2. Davon unberührt blieben als bereichsspezifische Spezialnormen die §§ 35, 36 und 36b WpHG. Auch soweit Aufsicht kein aktives Handeln der BaFin verlangt, sondern lediglich Entgegennahme von Mitteilungen (vgl. §§ 9, 15, 21 Abs. 1 WpHG), blieben die entsprechenden Gebotsnormen bestehen.
3.18
In Anbetracht des umfassenden Regelungsgegenstandes stellen § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpHG klar, dass die Wertpapieraufsicht sowohl durch den Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben als auch auf die Prüfung der Einhaltung der Vorschriften des WpHG beschränkt ist.
3.19
Im Rahmen der allgemeinen Missstandsaufsicht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpHG hat die BaFin Missständen entgegenzuwirken, welche die ordnungsgemäße Durchführung des Handels mit Finanzinstrumenten oder von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Finanzmarkt bewirken können. Dabei kann die BaFin zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen die geeigneten und erforderlichen Anordnungen treffen. Unter den unbestimmten Rechtsbe-
3.20
1 Giesberts in KölnKomm. WpHG, § 4 WpHG Rz. 6; Schlette/Bouchon in Fuchs, § 4 WpHG Rz. 1. 2 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, BGBl. I 2004, S. 2630; darüber hinaus wurden die Absätze 4, 5 und 11 der Vorschrift durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 19.7.2007 den Vorgaben der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) angepasst.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
griff des Misstands wird man in Anlehnung an allgemeine Gefahrenbegriffe des Polizei- und Ordnungsrechts jeden nicht unerheblichen Verstoß gegen zwingende Vorschriften des WpHG fassen können1.
3.21
Der allgemeine Auffangtatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpHG hat nach Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes allerdings insofern an Bedeutung verloren, als dadurch insb. in den Absätzen 2 und 3 der Norm umfassende Eingriffsbefugnisse aufgenommen worden sind.
3.22
So wird die BaFin durch § 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG befugt, die Einhaltung der Verbote und Gebote des WpHG zu überwachen und Anordnungen zu treffen, die zu ihrer Durchsetzung geeignet und erforderlich sind. Damit wurde eine zentrale Befugnisnorm geschaffen, die im Ergebnis bei jedem (drohenden) Verstoß gegen eine WpHG-Regelung ein Einschreiten ermöglicht2.
3.23
Eine Anordnung kann zunächst in Form eines Verwaltungsaktes gegen einen einzelnen oder eine Vielzahl von Marktteilnehmern (§ 35 Satz 1 VwVfG) ergehen. Verwaltungsrechtlich ist aber auch der Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrags iS des § 54 Abs. 1 VwVfG denkbar. Oft wird allerdings ein schlichtes Verwaltungshandeln ausreichen, wie zB ein Gespräch, ein formloses Ersuchen, Rundschreiben3 oder der Erlass von Richtlinien4.
3.24
Als weitere mögliche Maßnahme erlaubt § 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG ausdrücklich, in Bezug auf einzelne oder mehreren Finanzinstrumente den Handel entweder vorübergehend zu untersagen oder dessen Aussetzung anzuordnen. Der seit Inkrafttreten des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (FRUG) bestehende Gesetzeswortlaut legt nahe, dass diese Maßnahme im Grundsatz zur Durchsetzung sämtlicher Verbote und Gebote des WpHG ergriffen werden kann5. Da die Befugnis zur Untersagung oder Aussetzung des Handels für einen Marktteilnehmer jedoch eine besonders eingreifende Maßnahme darstellt, ist sie vor dem Hintergrund der erforderlichen Verhältnismäßigkeit im Verwaltungshandeln regelmäßig nur in Ausnahmefällen und als Ultima Ratio anzuordnen6. 1 Vgl. Schlette/Bouchon in Fuchs, § 4 WpHG Rz. 17 ff.; Giesberts in KölnKomm. WpHG, § 4 WpHG Rz. 23 ff. 2 So auch Schlette/Bouchon in Fuchs, § 4 WpHG Rz. 32. 3 So zB Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, veröffentlicht auf http://www.bafin.de. 4 So zB die sog. „Compliance-Richtlinie“ oder die „Wohlverhaltens-Richtlinie“; beide aufgehoben mit Wirkung zum 1.11.2007 mit Schreiben v. 23.10.2007; veröffentlicht auf http://www.bafin.de. 5 Zuvor war diese Maßnahme auf die Durchsetzung des Verbots von Insidergeschäften, des Verbots von Marktmanipulationen sowie der Missbrauchskontrolle nach § 4 Abs. 1 WpHG aF beschränkt; dagegen erstrecken Art. 50 Abs. 2 Buchstabe j und k MiFID die Kompetenzen der nationalen Aufsichtsbehörden in Bezug auf die Durchsetzung der Bestimmungen über die Tätigkeit der Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch auf das Recht zur Untersagung und Aussetzung des Handels, vgl. hierzu auch Schlette/Bouchon in Fuchs, § 4 WpHG Rz. 34. 6 Hierbei handelt es sich um eine aus wertpapieraufsichtsrechtlichen Gründen gesondert und parallel zu den Befugnissen der Börsengeschäftsführung bestehende Kompe-
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Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Nach § 4 Abs. 2 WpHG getroffene Anordnungen hat die BaFin unverzüglich auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen (§ 40b Satz 2 WpHG). Soweit dies zur Beseitigung oder Verhinderung von Misständen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 WpHG geeignet und erforderlich ist, kann die BaFin aber auch andere unanfechtbare Maßnahmen, die sie wegen Verstößen gegen Gebote oder Verbote des WpHG getroffen hat, auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt machen. Dies ist allerdings dann nicht zulässig, wenn die Veröffentlichung zu einem unverhältnismäßigen Schaden bei den Beteiligten führen würde oder die Finanzmärkte erheblich gefährden würde (§ 40b Satz 1 WpHG).
3.25
§ 4 Abs. 3 WpHG enthält als allgemeine Befugnisnorm1 die Grundlage für das Einfordern von Auskünften und Unterlagen sowie das Laden und Vernehmen von Personen durch die BaFin. Soweit dies auf Grund von Anhaltspunkten für die Überwachung der Einhaltung eines Verbots oder Gebots des WpHG erforderlich ist, hat danach die BaFin die Ermächtigung, von jedermann Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien zu verlangen sowie Personen zu laden und zu vernehmen. Welcher Art und Häufigkeit bestehende Hinweise sein müssen, um als „Anhaltspunkte“ für das Vorliegen eines Verstoßes gegen ein Verbot oder Gebot des WpHG gelten zu können, bestimmt das Gesetz nicht. Gegen eine zu weite Auslegung spricht, dass bei Vorliegen von entsprechenden Anhaltspunkten erhebliche und weit reichende Eingriffsbefugnisse der BaFin geknüpft werden. Denkbar erscheint es daher, sich bei der Auslegung dieses unbestimmten Begriffs an den Begriff der „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“ iS des § 152 Abs. 2 StPO anzulehnen. Das Vorliegen dieses Anfangsverdachts ist Voraussetzung für die Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungserfahrens. Danach würden bloße, nicht belegte Vermutungen nicht ausreichen. Erforderlich wären bestimmte tatsächliche Begebenheiten, die allerdings auch in Form von Indizien vorliegen könnten2. Solche Anhaltspunkte können sich insbesondere aus Inhalten der Meldungen nach § 9 WpHG und § 15 WpHG ergeben (näher hierzu unter Rz. 3.44 und Rz. 3.52 ff.).
3.26
Die gegenständlich unbeschränkte Befugnis Auskunft zu verlangen, wird in § 4 Abs. 3 Satz 2 WpHG dahingehend konkretisiert, dass die BaFin „insbesondere“ Auskunft über Bestandsveränderungen in Finanzinstrumenten sowie Auskünfte über die Identität weiterer Personen, insbesondere der Auftraggeber und der aus Geschäften berechtigten oder verpflichteten Personen, verlangen kann. Ihre Grenzen findet die Befugnis jedoch dort, wo ihr gesetzliche Auskunfts- oder Aussageverweigerungsrechte sowie gesetzliche Verschwiegenheitsreche entgegenstehen (§ 4 Abs. 3 Satz 3, Abs. 8 und Abs. 9 WpHG).
3.27
Hält es die BaFin für erforderlich, die Geschäftsräume eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens zu dem Zweck zu betreten, das betroffene Unterneh-
3.28
tenz der BaFin, vgl. Entwurf eines Gesetzes zu Verbesserung des Anlegerschutzes v. 24.5.2004, BT-Drucks. 15/3174, S. 30. 1 Mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurden die entsprechenden nur für bestimmte Bereiche bestehenden Befugnisse (zB § 16 Abs. 2 und Abs. 3, § 20b Abs. 2 WpHG aF) zusammengeführt; zu diesen vgl. die 3. Aufl. Rz. 18.98 ff. 2 Ausführlich hierzu Schlette/Bouchon in Fuchs, § 4 WpHG Rz. 37.
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men zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen aufzufordern, so ist ihr das während der üblichen Arbeitszeit regelmäßig zu gestatten (§ 4 Abs. 4 Satz 1 WpHG). Das Betretensrecht beinhaltet allerdings nicht die Befugnis zur Durchführung von Prüfungen und Besichtigungen oder gar die Befugnis zur Durchsuchung der betretenen Räumlichkeiten1. Außerhalb der üblichen Arbeitszeit ist das Betreten der Geschäftsräume ohne Einverständnis des Betroffenen von strengen Voraussetzungen abhängig. Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 WpHG muss dies zur Verhütung von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich sein und beim betroffenen Unternehmen müssen Anhaltspunkte für ein Verstoß gegen ein Verbot oder Gebot des WpHG vorliegen.
3.29
Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit von nach § 4 Abs. 1 bis Abs. 4 WpHG ergangenen Anordnungen der BaFin kann der Betroffene gegen diese Verwaltungsmaßnahmen einer Behörde verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe ergreifen. Widerspruch und Anfechtungsklage haben allerdings keine aufschiebende Wirkung (§ 4 Abs. 7 WpHG)2.
3.30
Die BaFin nimmt die ihr zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse war (§ 4 Abs. 4 FinDAG). Die Aufsichtstätigkeit im Bereich „Handel mit Finanzinstrumenten“ erfolgt ausschließlich zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes und damit nur zum Schutz des Anlegerpublikums. Der hieraus resultierende (mittelbare) Schutz des einzelnen Anlegers ist ein bloßer Rechtsreflex3.
3.31
Die BaFin kann sich bei der Durchführung ihrer Aufgaben anderer Personen und Einrichtungen bedienen (§ 4 Abs. 3 FinDAG sowie § 4 Abs. 11 WpHG). Hierunter fällt neben der Inanspruchnahme anderer öffentlicher Stellen auch die Einschaltung privater Dritter wie zB Wirtschaftsprüfer. Diese Befugnis soll es der BaFin ermöglichen, bei Bedarf Spezialisten hinzuzuziehen4.
3.32
Durch das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte (WpMiVOG) v. 21.7.20105 wurden der BaFin neue Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems eingeräumt. Hierzu wurde ein neuer § 4a WpHG (Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems) in das WpHG aufgenommen, mit dem Ziel, der BaFin die Möglichkeit zu geben, über den Anwendungsbereich des § 4 WpHG hinausgehende Maßnahmen zugunsten der Stabilität der Finanzmärkte und des Vertrauens in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu ergreifen. § 4a WpHG räumt der BaFin die Befugnis ein,
1 Giesberts in KölnKomm. WpHG, § 4 WpHG Rz. 132; Schlette/Bouchon in Fuchs, § 4 WpHG Rz. 81. 2 Die fehlende aufschiebende Wirkung ist Voraussetzung für die Anwendung von Zwangsmitteln zur Durchsetzung der angeordneten Maßnahmen nach § 17 FinDAG (Zwangsmittel); vgl. Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 3 WpHG Rz. 67. 3 So auch Schlette/Bouchon in Fuchs, § 4 WpHG Rz. 10. 4 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 41. 5 BGBl. I 2010, S. 945.
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im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank den Handel von Finanzinstrumenten vorübergehend zu untersagen oder den Handel an Märkten, an denen solche Finanzinstrumente gehandelt werden, vorübergehend auszusetzen, soweit Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte zu befürchten sind oder das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte erschüttert werden könnte. Diese Maßnahmen sind aus Gründen der Verhältnismäßigkeit allerdings auf höchstens zwölf Monate zu befristen (§ 4a Abs. 4 Satz 1 WpHG). Damit soll die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte aus ökonomischer Sicht auf Grund ihrer ökonomischen Bedeutung geschützt werden. Die geplante Regelung des § 4a WpHG soll es der BaFin ermöglichen, im Einzelfall Anordnungen zu treffen. Exemplarisch wird ein vorübergehendes Verbot von Geschäften in Derivaten benannt, deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis von Aktien oder bestimmten Schuldtiteln von Staaten und bestimmten Gebietskörperschaften ableitet. Als milderes Mittel oder flankierend kommt nach der Neuregelung auch eine Veröffentlichungs- und/ oder Mitteilungspflicht hinsichtlich Positionen in Finanzinstrumenten in Betracht (§ 4a Abs. 2 WpHG).
1. Überwachung der Verhaltens- und Organisationspflichten Eine wesentliche Bedeutung für den Schutz der Anleger und funktionierende Finanzmärkte kommt den Verhaltens- und Organisationspflichten zu, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach den §§ 31 ff. WpHG einzuhalten haben. Daher prüft die BaFin die Einhaltung dieser Verhaltensregeln regelmäßig jährlich oder auch im Rahmen von Sonderprüfungen.
3.33
Die Einhaltung der Verhaltensregeln sind einmal jährlich durch einen geeigneten Prüfer zu prüfen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 WpHG). Dabei sind auch die Einhaltung der Meldepflichten nach § 9 WpHG sowie die sich aus der MiFIDDurchführungsverordnung1 ergebenden Pflichten zu prüfen. Bei den Pflichten aus der Verordnung handelt es ich insbesondere um Aufzeichnungspflichten im Zusammenhang mit Kundenaufträgen und ausgeführten Geschäften (Art. 7 und 8 der VO) sowie Vor- und Nachhandelstransparenzpflichten (Art. 17 ff. und 27 ff. der VO). Bei Kreditinstituten, die das Depotgeschäft iS von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG betreiben, hat sich die Prüfung auch hierauf zu erstrecken.
3.34
Die unter Bezugnahme auf den Prüfgegenstand auch als „WpHG-Prüfung“ bezeichnete Prüfung wird regelmäßig durch einen vom betroffenen Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst bestellten Prüfer vorgenommen, wobei die BaFin aber auch Befugnis hat, in Einzelfällen die Prüfung selbst oder durch Beauftragte durchzuführen (§ 36 Abs. 4 WpHG). Als geeignete Prüfer nennt
3.35
1 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 v. 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/ 39/EG betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1 ff.
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das Gesetz Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer sowie Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften, die hinsichtlich des Prüfungsgegenstandes über ausreichende Kenntnisse verfügen. Die BaFin kann jederzeit neben dem Prüfer an den Prüfungen teilnehmen. Hierfür ist ihr der Beginn der Prüfung rechtzeitig mitzuteilen.
3.36
Zur Durchführung der Prüfung kann die BaFin nach § 36 Abs. 3 WpHG gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen Bestimmungen über den Inhalt der Prüfung treffen, die dann vom Prüfer zu berücksichtigen sind. Insbesondere kann sie dabei Schwerpunkte für die Prüfung festlegen, ohne dass hierfür einen besonderer Anlass vorliegen muss1.
3.37
Art, Umfang und Zeitpunkt der Prüfung wird durch die nach § 36 Abs. 5 WpHG erlassene Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung (WpDPV) konkretisiert2.
3.38
Der Wortlaut in § 36 Abs. 1 Satz 1 WpHG „Unbeschadet des § 35 ist [...] einmal jährlich [...] zu prüfen.“ macht deutlich, dass die regelmäßige Prüfung und die Sonderprüfung der BaFin als jeweils eigenständige Befugnisse zur Verfügung stehen, die selbstverständlich auch kumulativ eingesetzt werden können.
3.39
§ 35 Abs. 1 WpHG befugt die BaFin zur Überwachung der Einhaltung der Verhaltensregeln und Meldepflichten bei bestimmten – abschließend genannten – Personen und Unternehmen auch ohne besonderen Anlass Prüfungen vorzunehmen. Ihre Funktion als zentrale Ermächtigungsnorm hat die Norm mit Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes insoweit eingebüßt, als damit Einzelbefugnisse der BaFin in der Generalbefugnisnorm § 4 WpHG zusammengefasst wurden. Jedoch sind die in § 35 WpHG „verbliebenen“ Befugnisse insofern praxisrelevant, als diese in Abgrenzung zu § 4 Abs. 3 WpHG zum einen eine Prüfung erlauben, ohne dass „Anhaltspunkte“ für Verstöße gegen §§ 31 ff. WpHG vorliegen müssen, zum anderen jedoch Prüfbefugnisse nicht gegen „jedermann“, sondern nur gegen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, den mit diesen verbundenen Unternehmen, den Zweigniederlassungen iS des § 53b KWG, den Unternehmen, mit denen eine Auslagerungsvereinbarung iS des § 25a Abs. 2 KWG besteht oder bestand, und sonstigen zur Durchführung eingeschalteten dritten Personen oder Unternehmen gegeben sind. Unter dem Begriff der „Prüfung“ wird wiederum mehr zu
1 In der Praxis wird allerdings regelmäßig ein konkreter Anlass gegeben sein. So wurde zB für die WpHG-Prüfung im Jahr 2009 ein Schwerpunkt auf die Prüfung des Vertriebs von Zertifikaten im Beratungsgeschäft gesetzt, da nach Auffassung der BaFin der Vertrieb dieser Finanzinstrumente in den Jahren davor an Bedeutung gewonnen hatte und für Privatanleger noch eine relativ neue Anlageform darstellten. Daher wollte sich die BaFin ein Bild davon machen, inwiefern die betroffenen Kreditinstitute den besonderen Herausforderungen begegnen, die Zertifikate an den Vertrieb im Privatkundengeschäft stellen. 2 Verordnung über die Prüfung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 36 WpHG aF v. 16.12.2004; BGBl. I 2004, S. 3515. Näher hierzu später unter Rz. 3.281.
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verstehen sein, als Auskünfte zu verlangen und die Vorlage von Unterlagen einzufordern1. In Abgrenzung zur routinemäßigen Prüfung nach § 36 WpHG, die insbesondere durch die WpDPV detailliert beschrieben ist, wird unter „Prüfung“ iS des § 35 Abs. 1 WpHG auch die im Regelfall unangemeldete und somit überraschende Sonderprüfung zulässig sein. Die BaFin ist ermächtigt, Richtlinien zur einheitlichen Auslegung der Anwendung der Verhaltensregeln aufzustellen (§ 35 Abs. 4 Satz 1 WpHG)2. Im Interesse einer möglichst praxisgerechten Ausgestaltung dieser Richtlinien sind vor deren Erlass die Deutsche Bundesbank und die Spitzenverbände der betreffenden Wirtschaftskreise, insbesondere der Kreditwirtschaft anzuhören (§ 35 Abs. 4 Satz 2 WpHG). Anhand dieser Richtlinien beurteilt die BaFin für den Regelfall, ob die Verhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG nach Maßgabe der Finanzmarktrichtlinie (MiFID)3 sowie der diese konkretisierenden Durchführungsrichtlinie4 eingehalten worden sind.
3.40
Bei den auf Grundlage von § 34 Abs. 4 WpHG erlassenen Richtlinien handelt es sich nicht um Rechtsnormen oder Verwaltungsakte, so dass an ihre Nichtbeachtung keine unmittelbaren Rechtsfolgen geknüpft werden5. Diese Richtlinien geben vielmehr den Adressaten Auskunft darüber, wie die BaFin ihren Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der Frage, wie die Verhaltensregeln zu beachten sind, ausüben wird. Die Richtlinien verkörpern die Erfahrungen der Verwaltungspraxis, die sich im Laufe der Zeit herausbilden. Sie können von der BaFin abgeändert werden, wenn dies geboten erscheint. Da Vermutungen nur durch Rechtsnormen begründet werden, kann bei einem Verstoß gegen die Richtlinien nicht vermutet werden, dass die betreffende Verhaltensregel verletzt wurde und damit ein Missstand im Sinne dieses Gesetzes vorliegt6. Auch die Zivilrechtsprechung sieht in den Richtlinien lediglich norminterpretierende aufsichtsbehördliche Verwaltungsvorschriften, die weder für
3.41
1 Dies ergibt sich schon aus der systematischen Zusammenschau mit dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 WpHG, wonach die BaFin von Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat lediglich „Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen“ verlangen kann. 2 In Folge der Änderung des WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz und den Erlass konkretisierender Rechtsverordnungen wurde mit BaFin-Schreiben v. 23.10.2007 sowohl die sog. „Compliance-Richtlinie“ v. 25.10.1999 als auch die „Wohlverhaltens-Richtlinie“ v. 23.8.2001 zum 1.11.2007 aufgehoben. 3 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff. 4 Richtline 2006/73/EG der Kommission v. 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26 ff. Die Regelungen dieser Richtlinie wurden im Rahmen der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) v. 20.7.2007 in deutsches Recht umgesetzt, BGBl. I 2007, S. 1432. 5 AA Schlette/Bouchon in Fuchs, § 36 WpHG Rz. 16, der den Richtlinien „verordnungsähnliche rechtliche Bindungswirkung im Außenverhältnis“ zuspricht. 6 Vgl. Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 35 WpHG Rz. 4 mwN; die Vermutungswirkung bejaht allerdings die Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, S. 212 (zu § 35 Abs. 6 WpHG aF).
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Wertpapieraufsichtsrecht
vertragliche Verpflichtungen noch für Zivilgerichte unmittelbare rechtliche Bedeutung habe1.
3.42
Um Missständen bei der Werbung für Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zu begegnen, kann die BaFin bestimmte Arten der Werbung untersagen (§ 36b WpHG). Ein Missstand liegt vor, wenn eine Werbemaßnahme geeignet ist, die Ordnungsmäßigkeit der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen zu beeinträchtigen oder zu gefährden2. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn Werbung gegen die Verhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG oder die Pflicht zur Interessewahrung verstößt, oder ein solcher Verstoß zu befürchten ist3. Praktische Anwendung fand § 36b WpHG, als am 27.7.1999 eine Allgemeinverfügung des BAWe ergangen ist, mit der Werbung in Form des „cold calling“ untersagt wurde4. Unter „cold calling“ wird allgemein eine telefonische Kontaktaufnahme mit Privatpersonen ohne deren vorherige Zustimmung verstanden.
2. Überwachung des Verbots von Insidergeschäften sowie des Verbots der Marktmanipulation
3.43
Ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeit der BaFin im Bereich Wertpapieraufsicht ist die präventive Bekämpfung sowie Aufdeckung von Insiderverstößen und Verletzungen des Verbots der Marktmanipulation. Hierzu wird die BaFin durch das WpHG mit den erforderlichen Kompetenzen ausgestattet. Die entsprechende Verwaltungspraxis der BaFin wird im sog. Emittentenleitfaden der BaFin5 erläutert. Der Leitfaden will Emittenten praktische Hilfestellungen im Umgang mit den entsprechenden Vorschriften des WpHG bieten, ohne eine juristische Kommentierung darzustellen. a) Meldepflichten nach § 9 WpHG
3.44
Eine wichtige Voraussetzung für die Insiderüberwachung enthalten die in § 9 Abs. 1 WpHG festgeschriebenen umfangreichen Meldepflichten. 1 BGH v. 8.5.2001 – XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343; BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 320/04, NJW 2006, 1429 (1431); vergleichbar OLG Düsseldorf v. 31.7.2003 – 6 U 7/03, NJWRR 2004, 409. 2 Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 13/7142, S. 114. 3 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 36b WpHG Rz. 3 mwN. 4 BAnz. Nr. 149 v. 12.8.1999, S. 13518 ff.; abgedruckt in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Rz. 636b/1. 5 Emittentenleitfaden der BaFin (Stand: 28.4.2009); veröffentlicht auf http://www. bafin.de; diese 3. Auflage des Emittentenleitfadens berücksichtigt insbesondere die seit der 2. Auflage (v. 15.7.2005) in Kraft getretenen Regelungen des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (v. Juni 2007) mit dazugehöriger DurchführungsVO, das Riskobegrenzungsgesetz (v. August 2008) sowie das Bilanzkontrollgesetz (v. Dezember 2004). Die 2. Auflage hatte ihrerseits den 1998 vom Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel und der Deutsche Börse AG herausgegebenen Leitfaden zur Ad-hocPublizität und zum Insiderrecht ersetzt.
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Danach haben sämtliche Wertpapierdienstleistungsunternehmen iS von § 2 Abs. 4 WpHG und Zweigniederlassungen iS des § 53b KWG zu melden (1) Geschäfte in Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder in einem regulierten Markt oder den Freiverkehr einer inländischen Börse einbezogen sind, (2) den Erwerb oder die Veräußerung von Rechten auf Zeichnung von Wertpapieren, sofern diese Wertpapiere an einem organisierten Markt oder im Freiverkehr gehandelt werden sollen und (3) Geschäfte in Aktien und Optionsscheinen, bei denen ein Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder auf Einbeziehung in den regulierten Markt oder den Freiverkehr gestellt oder öffentlich angekündigt ist.
3.45
Die Meldepflicht für Freiverkehrswerte wurde zum 1.11.2009 durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht1 (wieder)eingeführt. Hiermit wird weitgehend die Rechtslage vor Inkrafttreten des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 16.7.20072 wiederhergestellt. Dies stellt sicher, dass die auch für den Freiverkehr geltenden Verbote von Insiderhandel und Marktmanipulation wirksam überwacht werden können. Auch Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben und an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, haben Geschäfte in Freiverkehrswerten zu melden (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 WpHG).
3.46
Somit ist der Kreis der meldepflichtigen Geschäfte sehr weit gezogen. Nicht erfasst werden sog. OTC-Derivate, da diese mangels Börsenzulassung nicht börsenhandelsfähig sind3.
3.47
Die nach § 9 WpHG gewonnenen Daten ermöglichen es der BaFin, ständig Preis- und Umsatzbewegungen von Insidertatsachen zu analysieren und andere Vergleiche durchzuführen, um Anhaltspunkte für eventuelle Insiderfälle feststellen zu können4.
3.48
b) Anzeige von Verdachtsfällen nach § 10 WpHG Der Stärkung der präventiven Überwachung im Bereich des Insiderhandels und der Marktmanipulation dient auch das sog. whistle-blowing nach § 10 Abs. 1 WpHG. Danach haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen, andere Kreditinstitute und Betreiber von außerbörslichen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, bei der Feststellung von Tatsachen, die einen Verdacht begründen, dass mit einem Geschäft über Finanzinstrumente gegen ein Verbot oder Gebot nach § 14 WpHG (Verbot von Insidergeshäften) oder 1 Gesetz v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2305. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330. 3 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 9 WpHG Rz. 25. 4 Süßmann, WM 1996, 937 (938). Obwohl in der Praxis die Insiderüberwachung im Vordergrund steht, können die nach § 9 WpHG in systematischer Auswertung gewonnenen Daten auch für andere Zwecke der Wertpapieraufsicht verwendet werden, vgl. Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 9 WpHG Rz. 5.
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3.49
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Wertpapieraufsichtsrecht
§ 20a WpHG (Verbot der Marktmanipulation) verstoßen wird, diese unverzüglich der Bundesanstalt mitzuteilen.
3.50
Inhalt und Form dieser Pflicht zur Anzeige werden in der Norm des § 10 WpHG nicht näher definiert. Allerdings hat das Bundesministerim für Finanzen von der Verordnungsermächtigung in § 10 Abs. 4 WpHG Gebrauch gemacht und durch §§ 2 und 3 der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV)1 Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung und der Form erlassen.
3.51
Die Bereitschaft zur Erstattung von Anzeigen soll durch § 10 Abs. 3 WpHG erhöht werden2, wonach bei zutreffend erstatteten Anzeigen und auch bei leicht fahrlässigen Falschanzeigen dem Anzeigenden eine umfassende Haftungsfreistellung gewährt wird. c) Verpflichtung zur Ad-hoc Publizität nach § 15 WpHG
3.52
Eine weitere präventive Maßnahme zur Verhinderung von Insiderhandel ist in § 15 WpHG verankert. Danach ist jeder Inlandsemittent3 von Finanzinstrumenten verpflichtet, Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich zu veröffentlichen. Insiderinformationen sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG konkrete Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen4.
3.53
Noch vor der Veröffentlichung hat der Emittent die zu veröffentliche Information zunächst der BaFin und der Geschäftsführung derjenigen organisierten Märkte mitzuteilen, an denen die Finanzinstrumente oder Derivate davon zum Handel zugelassen sind, wobei die Geschäftsführungen der betroffenen Börsen auf Grundlage dieser Information entscheiden, ob die Ermittlung des Börsenpreises auszusetzen oder einzustellen ist (§ 15 Abs. 4 WpHG).
3.54
§ 15 WpHG trifft keine Aussage über Inhalt und Form der erforderlichen Veröffentlichung bzw. Mitteilung. Das Bundesministerim für Finanzen hat von der Verordnungsermächtigung in § 15 Abs. 7 WpHG Gebrauch gemacht und durch Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 (§§ 4–9) Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV)5 Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung, der Art und der Form erlassen. 1 Siehe Abschnitt 2 „Anzeige von Verdachtsfällen“ der Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und von Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz v. 13.12.2004, BGBl. I 2004, S. 3376. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33. 3 Eine Legaldefinition von „Inlandsemittent“ findet sich in § 2 Abs. 7 WpHG. 4 Ausführlich zum Insiderverbot unter Rz. 3.451 ff. 5 Siehe Abschnitt 2 „Anzeige von Verdachtsfällen“ der Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und von Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur
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d) Anzeige- und Veröffentlichungspflichten bei Directors' Dealings nach § 15a WpHG Präventiven Charakter im Zusammenhang mit dem Bestreben Insiderhandel zu unterbinden hat auch § 15a WpHG. Nach § 15a Abs. 1 WpHG sind Personen, die bei einem Emittenten Führungsaufgaben wahrnehmen, verpflichtet, eigene Geschäfte mit Aktien des Emittenten oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten dem Emittenten und der BaFin innerhalb von fünf Werktagen mitzuteilen.
3.55
Als Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, werden zunächst persönlich haftende Gesellschafter oder Organmitglieder im formellen Sinne (Mitglieder eines Verwaltungs-Leitungs- oder Aufsichtsorgans) angesehen. § 15a Abs. 2 WpHG erfasst jedoch auch sonstige Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind. Diese sonstigen Personen definiert die BaFin im Emittentenleitfaden1, wobei die Merkmale der europäischen Vorgaben aufgegriffen werden. Über letztere sind dann nur sog. „top executives“ erfasst, die unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven des Emittenten, dh. strategische Entscheidungen für das Unternehmen treffen können2. Allein die Tatsache, dass die betreffende Person in das Insiderverzeichnis des Emittenten nach § 15b WpHG aufgenommen worden ist, begründet für diese noch keine Mitteilungspflicht3.
3.56
Eine Mitteilung an die BaFin ist solange nicht erforderlich, wie die Gesamtsumme der Geschäfte einer Person mit Führungsaufgaben und der mit dieser Person in einer engen Beziehung stehenden Personen insgesamt einen Betrag von 5000 Euro bis zum Ende des Kalenderjahres nicht erreicht (Bagatellgrenze des § 15a Abs. 1 Satz 4 WpHG).
3.57
Der Verhinderung von Umgehungsgeschäften4 dient der Umstand, dass eine selbständige Mitteilungspflicht für in enger Beziehung zur Person mit Führungsaufgaben stehende natürliche oder juristische Personen, Gesellschaften und Einrichtungen besteht (§ 15a Abs. 1 Satz 2 iVm. Abs. 3 WpHG), also zB Ehepartner oder eine Gesellschaft, die direkt von der mitteilungspflichtigen Person kontrolliert wird.
3.58
1 2
3
4
Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz v. 13.12.2004, BGBl. I 2004, S. 3376. Siehe Emittentenleitfaden der BaFin (Stand: 28.4.2009), V.1.2.1; veröffentlicht auf http://www.bafin.de. Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 35 mwN; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 71 ff., hierzu gehören zB Mitglieder des sog. erweiterten Vorstandes einer deutschen Aktiengesellschaft. Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 41; so nun auch die 3. Auflage des Emittentenleitfadens der BaFin (Stand: 28.4.2009), V.1.2.1; veröffentlicht auf http:// www.bafin.de. Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 42.
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Von der Verordnungsermächtigung in § 15a Abs. 5 WpHG hat das Bundesministerim für Finanzen insofern Gebrauch gemacht, als durch Abschnitt 3 Unterabschnitt 3 (§§ 10–13) Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV)1 Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung, der Art und der Form erlassen wurden. e) Führung von Insiderverzeichnissen nach § 15b WpHG
3.60
Einen weiteren Baustein der unternehmensinternen Prävention von Verstößen gegen das Insiderrecht durch gesetzlich geregelte Organisationspflichten bildet § 15b WpHG. Hiernach werden Emittenten verpflichtet, in einem Verzeichnis alle Personen zu erfassen, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Darüber hinaus ist er verpflichtet, diesen Personenkreis über die rechtlichen Pflichten zu belehren, die sich aus dem Zugang zu Insiderinformationen ergeben sowie über die Rechtsfolgen von Verstößen. Die entsprechenden Verzeichnisse sind unverzüglich, dh. ohne schuldhafte Verzögerung, zu aktualisieren und der BaFin auf Verlangen zu übermitteln (§ 15b Abs. 1 Satz 2 WpHG).
3.61
Regelungen zum Inhalt, der Berichtigung sowie zur Aufbewahrung und Vernichtung des Verzeichnisses hat das Bundesministerim für Finanzen auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 15b Abs. 2 WpHG durch Abschnitt 3 Unterabschnitt 4 (§§ 14–16) Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) erlassen2. f) Verbot der Marktmanipulation nach § 20a WpHG
3.62
Eine weitere Regelung, die im Rahmen der Wertpapieraufsicht bedeutsam ist, findet sich in § 20a WpHG. Diese Norm ermöglicht es der BaFin, unter Rückgriff auf die Ermächtigung des § 4 Abs. 2 WpHG Anordnungen zu treffen, die zur Durchsetzung des Verbots der Marktmanipulation geeignet und erforderlich sind3. Tatsachen, die einen Verdacht begründen, dass mit einen Geschäft über Finanzinstrumente gegen das Verbot der Marktmanipulation bzw. diesbezügliche Gebote verstoßen wird, sind unverzüglich der BaFin mitzuteilen (§ 10 Abs. 1 WpHG)4. § 20a WpHG bildet die zentrale Verhaltensnorm in Bezug auf die Marktmanipulation und soll die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten schützen und unerlaubte Eingriffe in das Marktgeschehen unterbinden. Ein Schutz individueller Vermögensinteressen 1 Siehe Abschnitt 2 „Anzeige von Verdachtsfällen“ der Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und von Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz v. 13.12.2004, BGBl. I 2004, S. 3376. 2 Siehe Abschnitt 2 „Anzeige von Verdachtsfällen“ der Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und von Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz v. 13.12.2004, BGBl. I 2004, S. 3376. 3 Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a WpHG Rz. 7. 4 Näher zu § 10 WpHG siehe oben Rz. 3.49 ff.
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einzelner Anleger ist hingegen nicht bezweckt1. Die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten wird dabei in § 20a Abs. 1 WpHG auf drei Arten geschützt: (Nr. 1) Verbot unrichtiger oder irreführender Angaben, (Nr. 2) Verbot von Geschäften oder Aufträgen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Preissignale zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen und (Nr. 3) Verbot sonstiger Täuschungshandlungen. Auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 20a Abs. 5 WpHG hat das Bundesministerium für Finanzen eine Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (MaKonV)2 erlassen, in welcher u.a. die in Abs. 1 der Norm aufgeführten Tathandlungen näher beschrieben werden (vgl. §§ 2 ff. MaKonV).
3.63
3. Überwachung der Publizität bei Transaktionen über bedeutende Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen Im fünften Abschnitt des WpHG (§§ 21 ff. WpHG) finden sich Normen, die über Mitteilung- und Veröffentlichungspflichten eine Information des Marktes über die Kontrollstrukturen börsennotierter Gesellschaften erreichen wollen3.
3.64
Ihr Ziel, der börsennotierten Gesellschaft und der BaFin die Veränderung von maßgeblichen Beteiligungsverhältnissen zur Kenntnis zu geben, verfolgt die Norm § 21 WpHG dadurch, dass jeder, der durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 % der Stimmrechte an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, erreicht, überschreitet oder unterschreitet, dies unverzüglich dem Emittenten und gleichzeitig der BaFin mitzuteilen hat.
3.65
Regelungen zum Inhalt, der Art, Form und Sprache der Mitteilung hat das Bundesministerim für Finanzen auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 21 Abs. 3 WpHG durch Abschnitt 3 Unterabschnitt 5 (§§ 17 und 18) Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) erlassen4.
3.66
Der am 24.9.2010 veröffentlichte Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts5 sieht zur Verbesserung der Kapitalmarkttransparenz vor, in das
3.67
1 Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 1 mwN. 2 Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung v. 1.3.2005, BGBl. I 2005, S. 515; diese ersetzt in Orientierung an europarechtlichen Vorgaben seit dem 11.3.2005 die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV). Zur Kommentierung der Einzelregelungen der MaKonV siehe Mock/Stoll/ Eufinger in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I. 3 Hirte in KölnKomm. WpHG, § 21 WpHG Rz. 3. 4 Siehe Abschnitt 2 „Anzeige von Verdachtsfällen“ der Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und von Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz v. 13.12.2004, BGBl. I 2004, S. 3376. 5 BR-Drucks. 584/10 v. 24.9.2010.
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WpHG neue Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für bislang nicht erfasste Finanzinstrumente, die lediglich das Recht auf einen Zahlungsausgleich enthalten, sowie Geschäfte mit ähnlicher Wirkung (zB Wertpapierdarlehen) aufzunehmen. Hierzu soll der bestehende § 25 WpHG um eine Mitteilungspflicht für „sonstige Instrumente“ erweitert und ein neuer § 25a WpHG aufgenommen werden. Als sonstige Instrumente sollen alle Vereinbarungen gelten, die ein Recht auf den Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien gewähren, ohne unter den Finanzinstrumentenbegriff des § 2 Abs. 2b WpHG zu fallen. Hierzu gehören insbesondere Rückforderungsansprüche des Darlehensgebers eines Wertpapierdarlehens und die Rückkaufvereinbarung bei einem Repo-Geschäft (Repurchase-Agreement). Die geplante Neuregelung des § 25a WpHG soll die Mitteilungspflichten des WpHG auf alle Finanzinstrumente und sonstigen Instrumente erweitern, die nicht bereits von § 25 WpHG erfasst sind und es ihrem Inhaber faktisch oder wirtschaftlich ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten zu erwerben.
4. Überwachung der Prospektpflichten a) Prospekt für Wertpapiere
3.68
Für Wertpapiere, die im Inland öffentlich angeboten werden, muss der Anbieter grundsätzlich einen von der BaFin gebilligten Prospekt veröffentlichen (§ 3 Abs. 1 iVm. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpPG)1. Der Prospekt muss dabei in leicht analysierbarer und verständlicher Form sämtliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emittenten und die angebotenen Wertpapiere notwendig sind, um dem Anlegerpublikum ein zutreffendes Urteil hierüber zu ermöglichen. Die Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung regeln dabei die §§ 5 ff. WpPG iVm. der ProspektVO2. Die BaFin entscheidet über die Billigung nach Abschluss einer Vollständigkeitsprüfung des Prospekts einschließlich einer Prüfung der Kohärenz (innere Widerspruchsfreiheit) und Verständlichkeit der vorgelegten Informationen. Die inhaltliche Richtigkeit ist insofern nicht Gegenstand der Prüfung3. Werden der BaFin allerdings bei einem Prospekt, auf Grund dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, Umstände bekannt gegeben, aus denen sich begründete Anhaltspunkte für die wesentliche inhaltliche Unrichtigkeit oder wesentliche inhaltliche Unvollständigkeit ergeben, die zu einer Übervorteilung des Anle-
1 Wertpapierprospektgesetz v. 22.7.2005, BGBl. I 2005, S. 1698. Die Veröffentlichungspflicht gilt nicht bei bestimmten Arten von Angeboten (sog. Privatplatzierungen) iS des § 3 Abs. 2 WpPG oder für öffentliche Angebote bestimmter Arten von Wertpapieren iS des § 4 Abs. 1 WpPG. 2 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in den Prospekten enthaltenden Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3 ff. 3 Ausführlich zum Prüfungsumfang Leuering in Holzborn, § 13 WpPG Rz. 19 ff.
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gerpublikums führen, kann sie vom Anbieter verlangen, das öffentliche Angebot bis zur Klärung des Sachverhalts auszusetzen. Steht im Ergebnis die inhaltliche Unrichtigkeit oder die inhaltliche Unvollständigkeit fest, kann die BaFin eine erteilte Billigung widerrufen und das öffentliche Angebot untersagen (§ 21 Abs. 8 WpPG). Bereits im Rahmen des Billigungsverfahrens kann die BaFin vom Anbieter die Aufnahme zusätzlicher Angaben in den Prospekt verlangen, wenn dies zum Schutz des Anlegerpublikums geboten erscheint1. b) Verkaufsprospekt für Angebote anderer Vermögensanlagen Seit 2005 müssen auch Anbieter von Anteilen an geschlossenen Fonds grundsätzlich einen Verkaufsprospekt erstellen (§ 8f VerkProspG2). Der Verkaufsprospekt muss nach § 8g Abs. 1 VerkProspG alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um den Anlegerpublikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlage zu ermöglichen. Detaillierte Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung enthält die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung (VermVerkProspV)3. Vor der Veröffentlichung muss der Anbieter den zu erstellenden Verkaufsprospekt der BaFin übermitteln. Diese prüft, ob die erforderlichen Angaben enthalten sind. Ist dies nicht der Fall, untersagt sie die Veröffentlichung (§ 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG)4. Sie kann Werbung mit Angaben untersagen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 VerkProspG irrezuführen.
3.69
5. Internationale Kooperation Die Zusammenarbeit im Rahmen des Aufgabenbereichs des WpHG mit zuständigen Stellen im Ausland wurde mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz v. 28.10.2004 neu geregelt5. In diversen Normen des WpHG (zB §§ 19 oder
1 Zu Details zu Prospekten für öffentliche Angebote und Zulassung zu einem organisierten Markt siehe Rz. 15.132 ff. 2 Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.12.1998, BGBl. I 1998, S. 2701. Die gesetzliche Prospektpflicht für nicht in Wertpapieren verbriefte Vermögensanlagen wurde durch Art. 2 des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes v. 28.10.2004, BGBl. I 2004, S. 2630, eingeführt. 3 Verordnung über Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte v. 16.12.2004, BGBl. I 2004, S. 3464. 4 Ausführlich zum Gestattungsverfahren Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 25 ff. Aktuell ist der Prüfauftrag der BaFin auf die Prüfung der Vollständigkeit beschränkt. Künftig sollen die Prospekte für Produkte des grauen Kapitalmarkts von der BaFin intensiver, dh. auch auf Kohärenz geprüft werden. Darüber hinaus sollen auch die inhaltlichen Anforderungen an die Prospekte erhöht werden. Diese Maßnahmen sollen im Rahmen eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und der Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes 2011/12 umgesetzt werden; vgl. den entsprechenden RegE, BR-Drucks. 584/10 v. 24.9.2010. 5 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, BGBl. I 2004, S. 2630 ff.; darüber hinaus wurde § 7 WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 19.7.2007 den Vorgaben der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) angepasst (Umsetzung der Art. 32, 41 ff., 56 ff. MiFID).
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3.70
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Wertpapieraufsichtsrecht
20b aF) speziell geregelte Befugnisse bei der Zusammenarbeit wurden dabei in § 7 WpHG aufgenommen. Für die internationale Zusammenarbeit wurde insoweit eine umfassende Generalnorm geschaffen1. Sie regelt im Einklang mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben die organisatorische Einbindung der BaFin in ein Netzwerk mitgliedstaatlicher Aufsichtsbehörden, welches den europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen möglichst lückenlos und unter gleichen Vorgaben kontrollieren soll2.
3.71
§ 7 Abs. 1 bis Abs. 6 WpHG regeln die Zusammenarbeit mit den EU- und EWR-Staaten, wobei Abs. 1 das Prinzip der zentralen Zuständigkeit der BaFin statuiert. Ihr obliegt die internationale Zusammenarbeit nicht nur in Fragen der Wertpapieraufsicht, sondern auch in Angelegenheiten, die innerstaatlich in die Kompetenz der Börsenaufsicht der Länder fallen3.
3.72
Die Regelungen in § 7 Abs. 1 bis 6 WpHG gliedern sich auf in eine Befugniszuweisung einschließlich der Pflicht entsprechende Vorkehrungen zu treffen (Abs. 1), eine Berechtigung und Verpflichtung der BaFin auf Ersuchen einer ausländischen Aufsichtsbehörde tätig zu werden und Daten auszutauschen (Abs. 2), die Möglichkeit der ausländischen Aufsichtsbehörde eigene Feststellungen im Inland zu ermöglichen (Abs. 2b), die Möglichkeit der BaFin bei ausländischen Aufsichtsbehörden Unterstützung anzufordern (Abs. 4) sowie einen Informationsaustausch beim Vorliegen von Anhaltspunkten für einen Verstoß, ohne dass eine vorherige Aufforderung nötig ist (Abs. 5). § 7 Abs. 6 WpHG enthält darüber hinaus eine Verweisung auf die Regelungen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen.
3.73
§ 7 Abs. 7 WpHG regelt die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und verweist hierfür mit bestimmten Einschränkungen auf die Regelungen der Abs. 1 bis 6.
3.74
Zwischen den Aufsichtsbehörden werden in der Praxis regelmäßig schriftliche Vereinbarungen über den Informationsaustausch, sog. Memoranda of Understanding (MoU) geschlossen4. Diese schaffen zwar keine über die jeweilige nationale Gesetzgebung hinausgehenden Rechte oder Verpflichtungen sind jedoch geeignet, nach Maßgabe der europarechtlichen Vorgaben bzw. in Auslegung der nationalen Vorschriften die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Aufsichtsbehörden näher auszugestalten5.
3.75
Die internationale Zusammenarbeit ist durch diverse Gremien institutionalisiert. Hierzu gehört zum einen die Internationale Vereinigung der Wertpapierund Börsenaufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions, IOSCO) und zum anderen auf europäischer Ebene das Commitee of 1 Entwurf eines Gesetzes zu Verbesserung des Anlegerschutzes v. 24.5.2004, BTDrucks. 15/3174, S. 31. 2 Carny in KölnKomm. WpHG, § 7 WpHG Rz. 2. 3 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 7 WpHG Rz. 11. 4 Einen Überblick über die zum 31.10.2008 bestehenden MoUs findet sich bei Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 7 WpHG Rz. 6. 5 Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 8 KWG Rz. 21.
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European Securities Regulators (CESR). Mitglieder von CESR sind die Wertpapieraufsichtsbehörden der EU sowie Islands und Norwegens, die dort die Aufgabe verfolgen, ihre Zusammenarbeit zu verbessern sowie die EU-Kommission bei der Erarbeitung von Stellungnahmen und Entwürfen im Bereich der Wertpapieraufsicht zu beraten. Dabei begleitet CESR auch die Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinien (zB der MiFID) und Durchführungsmaßnahmen in den Mitgliedstaaten nebst Förderung der Harmonisierung der Verwaltungspraxis1. Insoweit hat die Arbeit von CESR wachsende Bedeutung für die nationale Aufsichtstätigkeit der BaFin.
II. Wertpapierrat Die BaFin vertritt die Bundesrepublik Deutschland international auch auf Gebieten, für die originär die Länder zuständig sind. Deshalb ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Ländern unerlässlich. Die Länder werden deshalb über die Einrichtung eines Wertpapierrates bei der BaFin an allen wichtigen Angelegenheiten der zentralen Wertpapieraufsicht institutionell beteiligt (§ 5 WpHG). Sie haben hierbei beratende Funktion.
3.76
Dieser Wertpapierrat wird aus Vertretern der Länder gebildet. Jedes Land entsendet einen Vertreter (§ 5 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Die Bundesministerien der Finanzen, der Justiz und für Wirtschaft und Technologie sowie die Deutsche Bundesbank sind berechtigt, an den Sitzungen des Wertpapierrates teilzunehmen. Der Wertpapierrat kann Sachverständige insbesondere aus dem Bereich der Börsen, der Marktteilnehmer, der Wirtschaft und der Wissenschaft anhören (§ 5 Abs. 1 Satz 6 WpHG).
3.77
Der Wertpapierrat berät die BaFin, insbesondere bei der Aufstellung von Richtlinien für die Aufsichtstätigkeit, bei der Aufstellung von Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, hinsichtlich der Auswirkungen von Aufsichtsfragen auf die Börsen- und Marktstrukturen sowie den Wettbewerb im Wertpapierhandel sowie bei der Abgrenzung von Zuständigkeiten der BaFin und der Börsenaufsichtsbehörden der Länder.
3.78
Der Wertpapierrat kann bei der BaFin Vorschläge zur allgemeinen Weiterentwicklung der Aufsichtspraxis einbringen (§ 5 Abs. 2 Satz 3 WpHG). Die BaFin berichtet dem Wertpapierrat mindestens einmal jährlich über die Aufsichtstätigkeit und die Weiterentwicklung der Aufsichtspraxis (§ 5 Abs. 2 Satz 4 WpHG).
3.79
3.80–3.85
Einstweilen frei.
1 Zu den Aufgaben siehe auch http://www.cesr-eu.org.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
3. Abschnitt Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes (Seyfried)
I. Grundsätzliches
3.86
Durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)1 sowie die Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV)2 kam es zu einer grundlegenden Neugestaltung der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltensregeln. Europarechtlich liegen dieser Neugestaltung die Regelwerke der MiFID3 und der MiFID-Durchführungsrichtlinie4 zu Grunde. Vom zweifachen Ziel der MiFID – Gewährleistung eines reibungslosen Funktionierens der Finanzmärkte sowie Schutz der Anleger – ist insbesondere Letzteres ein Leitmotiv im Hinblick auf die Neugestaltung der Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen5.
3.87
Neben materiellen Änderungen, wie zB der Regelung über die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Zuwendungen oder auch der Angemessenheitsprüfung im beratungsfreien Geschäft kam es auch zur Verstärkung struktureller Ansätze. Dies insofern, als Verhaltensregeln nunmehr ausgerichtet am Schutzniveau des betroffenen Kundentyps und dem Gegenstand der tatsächlich erbrachten Wertpapierdienstleistung abgestuft zur Anwendung kommen6.
3.88
Insgesamt wurden die Regelungen im Vergleich zur noch auf der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie beruhenden Fassung des WpHG aus dem Jahre 1993 wesentlich detaillierter ausgestaltet7. Dabei wurden die weit reichenden WpHG-Regelungen zusätzlich durch die WpDVerOV inhaltlich konkretisiert. Diesen insgesamt hohen Detaillierungsgrad hat die BaFin am 23.10.2007 zum
1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330. Die Änderungen des WpHG finden sich in Art. 1 des FRUG. 2 Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen v. 20.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1432. 3 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff. Im Jahre 2010 findet gerade – wie schon ursprünglich durch sog. review clauses in der Richtlinie vorgesehen – der sog. MiFID-Review statt, bei dem CESR zu diversen MiFID-Themen Konsultationen durchführt. Das Konsultationspapier Investor Protection an Intermediaries (CESR/10-417) behandelt dabei ua. die Themen Best Execution, Telefonaufzeichnungen, Definition einer persönlichen Empfehlung, Unterscheidung zwischen komplexen und nicht-komplexen Produkten. 4 Richtlinie 2006/73/EG der Kommission v. 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26 ff. 5 Fuchs in Fuchs, Vor §§ 31 bis 37a WpHG Rz. 14. 6 Vgl. auch Seyfried WM 2006, 1375 f.; Spindler/Kasten, WM 2006, 1797 (1798 f.); Fleischer, BKR 2006, 389 (394). 7 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, Vor § 31 WpHG Rz. VI 182.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Anlass genommen, ihre so genannte Wohlverhaltensrichtlinie1 mit Wirkung zum 1.11.2007 aufzuheben2. Andererseits hat die BaFin zur Präzisierung einzelner Wohlverhaltensregeln am 7.6.2010 ein neues Rundschreiben zu Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren VerhaltensOrganisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) veröffentlicht3. Trotz der „relativ großen Detailliertheit“ auch dieses Teils der Verhaltensregeln will die BaFin hiermit zusätzlich Orientierungshilfen geben. So enthält das modular aufgebaute Rundschreiben an verschiedenen Stellen eine beispielhafte Auflistung möglicher Maßnahmen, die aus Sicht der BaFin geeignet sind, den Anforderungen der Wohlverhaltensregeln nachzukommen. Somit dient es als Kompendium, das die Verwaltungspraxis der BaFin zu einzelnen Regelungen zusammenführt. Nach § 2 Abs. 3 WpHG sind sowohl das Finanzkommissionsgeschäft (Nr. 1) als auch der Eigenhandel (Nr. 2) Wertpapierdienstleistungen. Insofern gelten insbesondere die transaktionsbezogenden Verhaltensregeln nicht nur wenn die Bank einen Kommissionsauftrag für Ihren Kunden auszuführen hat, sondern auch bei Festpreisgeschäften4 mit dem Kunden. In beiden Fällen fungieren Banken als Finanzintermediäre, die als Dienstleister Dritten den mittelbaren Zugang zum Kapitalmarkt öffnen. Die Geschäftstätigkeit der Banken besteht hierbei jeweils im gewerbsmäßigen Bereitstellen einer Organisation zur Durchführung von Wertpapiergeschäften „für andere“ und geht somit in beiden Fällen über die proprietäre Eigennutzung (zB Teilnahme der Bank am Marktgeschehen zum Zwecke des Einsatzes eigener Mittel zur Erzielung von Handelserträgen) hinaus5.
3.89
Die aufsichtsrechtlichen Verhaltensregeln des WpHG sind immer auch im Zusammenhang mit den zivilrechtlichen Pflichten zu sehen. So sieht sich eine Bank beispielsweise bei den später unter Rz. 3.103 ff. zu behandelnden Informationspflichten einerseits dem Pflichtenkreis des § 31 Abs. 3 WpHG und andererseits umfangreicher Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten
3.90
1 Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6 WpHG zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG, für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen v. 23.8.2001, BAnz. Nr. 165 v. 4.9.2001, S. 19217 ff. 2 Veröffentlicht auf http://www.bafin.de unter „Aufgehobene Richtlinien“; mit dieser Veröffentlichung wurden mit Wirkung zum 1.11.2007 auch die sog. ComplianceRichtlinie v. 25.10.1999 sowie die sog. Mitarbeiter-Leitsätze v. 7.6.2000 aufgehoben. 3 Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, veröffentlicht auf http://www.bafin.de. 4 Beim Festpreisgeschäft vereinbaren Bank und Kunde für das einzelne Geschäft einen festen oder bestimmbaren Preis; siehe auch Nr. 1 (3) Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken in der Fassung v. 1.11.2007, veröffentlicht in WM 2007, 1769 ff.; zu den Änderungen im Vergleich zur Fassung v. 1.1.2003 siehe Wagner, WM 2007, 1725 ff. 5 Zur Einheitlichkeit des Pflichtenstandards siehe Clouth in Ellenberger/Schäfer/ Clouth/Lang, S. 375 (410 mwN).
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
im Kapitalanlagegeschäft mit Wertpapieren und Derivaten ausgesetzt1. Das Verhältnis der aufsichts- und zivilrechtlichen Verhaltenspflichten zueinander ist Gegenstand sowohl der höchstrichterlichen Rechtsprechung als auch kontroverser Diskussionen in der Literatur2. Nach der Rechtsprechung des BGH können die Verhaltenspflichten des WpHG, soweit ihnen anlegerschützende Wirkung zukommt, für Inhalt und Reichweite (vor-)vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten von Bedeutung sein. Ihr zivilrechtlicher Schutzbereich geht aber nicht über diese (vor-)vertraglichen Pflichten hinaus. Daraus folge, dass den §§ 31 ff. WpHG, also den Verhaltensregeln, keine eigenständige, über die zivilrechtlichen Aufklärungs- und Beratungspflichten hinausgehende, schadensersatzrechtliche Bedeutung zukommt3.
3.91
Die Verhaltensregeln umfassen allgemeine und spezielle4 Verhaltensregeln sowie Organisations- und Aufzeichnungspflichten. Im Folgenden werden zunächst die allgemeinen Verhaltensregeln beleuchtet.
II. Allgemeine Verhaltensregeln 1. Pflicht zur Interessenwahrung
3.92
§ 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG bestimmt als vorrangige Pflicht der Bank, Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse seiner Kunden zu erbringen. Die Regelung legt damit die grundsätzlichen Verhaltenselemente einer Bank beim Vertrieb von Wertpapieren und Derivaten fest5. 1 Grundlegend für das Kapitalanlagegeschäft BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 („Bond“-Urteil). 2 Einen guten Überblick zum Stand der Diskussion bietet Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 31 WpHG Rz. 3 ff. sowie Clouth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, in den Fußnoten S. 411/412. 3 BGH v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 227 (232), noch zu §§ 31, 32 WpHG aF; zum beratungsfreien Wertpapiergeschäft (Discount-Broker) BGH v. 5.10.1999 – XI ZR 296/98, BGHZ 142, 346 (356). 4 Vor Neufassung des WpHG durch das FRUG zum 1.11.2007 war – in der Literatur teilweise noch heute – das Begriffspaar „allgemeine“ (amtliche Überschrift zu § 31 WpHG aF) und „besondere“ (amtliche Überschrift zu § 32 WpHG aF) Verhaltensregeln üblich. Nach der Neufassung findet sich im Abschnitt 6 des WpHG keine Überschrift „besondere Verhaltenspflichten“ mehr. An Stelle eines mehrere Pflichten verbindenden § 32 WpHG aF wurden für die verschiedenen Pflichten (im Vergleich detailliertere) Einzelvorschriften eingefügt. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, verwendet der Verfasser vorliegend das neue Begriffspaar „allgemeine“ und „spezielle“ Verhaltensregeln. Der ggf. begrifflich sich damit aufdrängende Gedanke, die „speziellen“ Pflichten müssten als lex specialis gegenüber den allgemeinen Pflichten behandelt werden, war schon vor Neufassung des WpHG Gegenstand der Kommentarliteratur, vgl. nur Möllers in KölnKomm. WpHG, § 32 WpHG Rz. 16 mwN, und ist im Ergebnis mangels inhaltlicher Überschneidungen auch weiterhin zu verneinen. 5 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, BT-Drucks. 12/7918, S. 103 (noch zu § 31 Abs. 1 Satz 1 aF, dessen Wortlaut aber bis heute unverändert blieb).
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Die Regelung deckt sich weitgehend mit der (handelsgesetzlichen) Pflicht des Kommissionärs, das übernommene Geschäft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszuführen und dabei die Interessen des Kommittenten wahrzunehmen (§ 384 Abs. 1 HGB)1.
3.93
Der Wortlaut des § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG blieb auch mit der Umsetzung der MiFID durch das FRUG unverändert. Die Regelung spricht von den „Interessen“ des Kunden. Im Hinblick hierauf zeigt – wie schon der Vergleich zum Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 Satz 4 Spiegelstrich 2 WpDRL2 – auch der Vergleich zu Art. 19 Abs. 1 MiFID3 („ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Kunden“), dass in richtlinienkonformer Auslegung Wortlautdivergenzen überwunden werden müssen. Dies ist insofern möglich, als materiell keine Divergenzen zwischen den europarechtlichen Vorgaben und der WpHG-Regelung bestehen: Da das Kundeninteresse nicht teilbar ist, kann bei der Wahl zwischen mehreren zumutbaren Handlungsoptionen immer nur eine Leistungserbringung im „bestmöglichen“ Kundeninteresse geschuldet sein4.
3.94
Die ausdrücklich erwähnte Erforderlichkeit bezieht sich nach dem Wortlaut der Regelung nicht alleine auf die Sachkenntnis sondern auch auf die beiden Begriffe Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit. Damit wird erneut der normative Maßstab der verkehrsüblichen kaufmännischen Sorgfaltspflicht betont, so dass dem Begriff an dieser Stelle keine eigenständige Bedeutung zukommt5. Die Bank muss damit über hinreichende Sachkenntnis verfügen wobei es nicht auf den real-durchschnittlichen Anlageberater, sondern auf einen ordentlichen Angehörigen in der Branche ankommen wird.
3.95
Bei der Bestimmung des Inhalts und des Umfangs der Sachkenntnis, als dem Wissen der Bank um die im konkreten Fall bei der Dienstleistung erheblichen sachlichen Umstände, stellt sich die Frage, wie intensiv sich eine Bank mit den Eigenschaften und Risiken eines von ihr angebotenen Produkts vertraut machen muss („know your product“). Auf der Ebene des Zivilrechts unterscheidet der BGH bei der Bestimmung des diesbezüglichen Prüfmaßstabs zwischen der Erbringung einer Anlagevermittlung und der Erbringung einer Anlageberatung. Die sich aus einem Beratungsvertrag ergebene Pflicht zur objektgerechten Beratung beschränkt sich nicht darauf, einen über die Kapitalanlage herausgegebenen Prospekt lediglich auf seine innere Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Die Prüfung auf Schlüssigkeit und innere Plausibilität kann im Rahmen eines Anlagevermittlungsvertrages ausreichend sein, wenn ein Anlageprodukt ohne Beratung vertrieben wird6. Der Berater schuldet dagegen nicht
3.96
1 So auch Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 6. 2 Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27. 3 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff. 4 Vgl. Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 15. 5 So Möllers in KölnKomm. WpHG, § 31 WpHG Rz. 67, vgl. auch Koller in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 6. 6 Zuletzt BGH v. 5.3.2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739 (740).
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nur eine zutreffende, vollständige und verständliche Mitteilung von Tatsachen, sondern darüber hinaus auch eine fachmännische Bewertung, um eine dem Anleger und der Anlage gerecht werdende Empfehlung abgeben zu können. Zur Vermeidung zivilrechtlicher Haftungsansprüche hat die Bank eine Anlage, die sie empfehlen will, zuvor mit banküblichem kritischen Sachverstand zu prüfen1.
3.97
Weiter war im Zusammenhang mit der zivilrechtlich erforderlichen Sachkenntnis sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung diskutiert, in welchem Umfang sich ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen aktiv Sachkenntnis verschaffen muss. In Bezug auf die Dienstleistung Anlageberatung haben hier zwei höchstrichterliche Entscheidungen aus 2009 nochmals Klarheit gebracht. Ein Anlageberater, der sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent geriert, hat sich aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen, das er empfehlen will. Dazu gehört auch die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Bei einer privaten Anleihe muss danach über zeitnahe und gehäufte negative Berichte in der Börsen-Zeitung, der Financial Times Deutschland, dem Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unterrichtet werden2. In einer weiteren Entscheidung Ende 20093 äußert sich der BGH dann dahingehend, dass es dahinstehen könne, ob jedes der vier Presseorgane „minimales Pflichtenprogramm“ sei. Jedenfalls das Handelsblatt sei eine unverzichtbare Lektüre. Dieses biete als werktäglich erscheinende Zeitung mit spezieller Ausrichtung auf Wirtschaftsfragen und einem diesbezüglich breiten Informationsspektrum in ganz besonderem Maße die Gewähr, aktuell über wichtige und für die Anlageberatung relevante Nachrichten informiert zu werden. Kenntnisnahme erst drei Tage nach Erscheinung sei dabei nicht mehr pflichtgemäß.
2. Weitestmögliche Vermeidung von Interessenkonflikten
3.98
Konflikte zwischen Kunden- und Bankinteresse lassen sich insbesondere im Universalbankensystem nicht ausschließen. Sie sind insofern systemtypisch. Hier geht es vor allem um das Spannungsverhältnis der Kundeninteressen im kundenbezogenen Wertpapiergeschäft einerseits und den im Rahmen der Wertpapieremission bestehenden Interessen der Drittemittenten bzw. dem Eigeninteresse der Bank beim Eigenhandel andererseits4. Solche potentiellen Interessenkonflikte begründen die Gefahr einer Vernachlässigung der in § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG statuierten Pflicht, Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen im bestmöglichen Kundeninteresse zu erbringen.
3.99
Dieser Gefahr steuert § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG entgegen, indem er Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, sich um die Vermeidung von Inte1 2 3 4
BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 (2304). Zuletzt BGH v. 5.3.2009 – III ZR 302/07, WM 2009, 688 (690). BGH v. 5.11.2009 – III ZR 302/08, WM 2009, 2360 (2362). Vgl. nur Hopt in FS Heinsius, S. 289 (324 ff.), der eine gute Übersicht über potentielle Interessenkonflikte gibt.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
ressenkonflikten zu bemühen. Diese Pflicht hat keinen Schutzgesetzcharakter, soweit sie die Ergreifung organisatorischer Maßnahmen beinhaltet1. Reichen die primär geschuldeten angemessenen Organisationsmaßnahmen2 nicht aus, um nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden, sieht die Regelung vor, dass vor Durchführung von Geschäften für Kunden die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig darzulegen sind. Die ausdrückliche Nennung dieser Aufklärungspflicht im Falle des unvermeidbaren Interessenkonflikts wurde erst zum 1.11.2007 mit Neufassung der Regelung durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)3 aufgenommen. Zuvor war im Rahmen des § 31 WpHG aF zwar anerkannt, dass bei unvermeidbaren Interessenkonflikten die Aufklärung des Kunden im Grundsatz ein taugliches Mittel zur Konfliktbekämpfung darstellen konnte. Allerdings war umstritten, ob dadurch der Interessenkonflikt tatsächlich vermieden werden kann4.
3.100
Die Anforderungen an die Unterrichtung des Kunden über Interessenkonflikte werden durch § 13 Abs. 4 WpDVerOV weiter konkretisiert. Danach muss die Unterrichtung dem Kunden ermöglichen, seine Entscheidung über die Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistung, in deren Zusammenhang der Interessenkonflikt auftritt, auf informierter Grundlage zu treffen. Hierzu sind hinreichende Details anzugeben, wobei der erforderliche Detailgrad auf Grund des unterschiedlichen Vorverständnisses je nach Kundentyp unterschiedlich ausfallen kann. Insofern sieht die Regelung vor, dass bei der Bestimmung der Art und der Umfangs der Information die Einstufung des Kunden als Privatkunde, professioneller Kunde oder geeignete Gegenpartei zu berücksichtigen ist5. Die Information hat auf einem dauerhaften Datenträger zu erfolgen, dh. sie ist dem Kunden in einer Urkunde oder einer anderen lesbaren
3.101
1 BGH v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 227 (232) (noch zu § 31 Abs. 1 Nr. 2 aF), der an dieser Stelle auch klarstellt, dass soweit ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen Interessenkonflikt nicht nur durch organisatorische Maßnahmen, sondern auch durch sachgerechte Information des Kunden vermeiden kann, der zivilrechtliche Schutzzweck einer solchen Informationspflicht nicht weiter geht, als die Aufklärungs- und Beratungspflichten aus einem Beratungsvertrag oder aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB. 2 Zu diesen in § 33 Abs. 1. Satz 2 Nr. 3 WpHG iVm. § 13 WpDVerOV geregelten Organisationspflichten siehe später unter Rz. 3.303 ff. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330. 4 Mülbert, WM 2007, 1149 (1160) spricht von einem „zweispurigen Konfliktbewältigungssystem“, wobei die damit gestellte Anforderung, zum einen offenzulegen und zum anderen „auch bei erfolgter Offenlegung“ weiterhin zur Konfliktbewältigung verpflichtet zu sein, in Anbetracht des eindeutigen Regelungsinhalts der Vorschrift (Aufklärung nur bei unvermeidbarem Interessenkonflikt) insofern zu weit geht. Zum Diskussionsstand vor Neufassung vgl. Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 48, sowie Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rz. 44, 74 und 77. 5 Die Kundenkategorisierung im Wertpapier- und Derivategeschäft der Kreditinstitute ist in § 31a WpHG geregelt; zur Ausgestaltung, Zielsetzung und Bedeutung der Kundenkategorisierung für die Verhaltenspflichten ausführlich Clouth/Seyfried in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 33 ff. sowie Seyfried, WM 2006, 1375 ff.
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Wertpapieraufsichtsrecht
Form zur Verfügung zu stellen, die für einen angemessenen Zeitraum die inhaltlich unveränderte Wiedergabe der Informationen ermöglicht1.
3.102
Durch die Beschränkung der Konfliktoffenlegung auf „die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte“ und dem Umstand, dass die Aufklärungstiefe sich darüber hinaus nach typisierten Kundenkategorien richtet hat der Gesetzgeber allen Forderungen nach einer konkreten Darstellung der konfliktbegründenden Umstände, wie sie vor der Neufassung des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG erhoben wurden, eine Absage erteilt2. Damit kann sich die im Rahmen dieser Regelung aufsichtsrechtlich geschuldete Aufklärung auf die Schilderung der Konfliktart und Konfliktursachen (zB Interesse der Bank an Eigenhandelsgewinnen und am Absatz eigenemittierter Wertpapiere; erfolgsbezogene Vergütung von Mitarbeitern, Erhalt oder Gewähr von Zuwendungen von Dritten oder an Dritte im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen) beschränken. Weitergehender kann allerdings eine zivilrechtlich begründete Aufklärungspflicht über Interessenkonflikte im Rahmen der Wertpapierdienstleistung Anlageberatung sein3. Vor dem Hintergrund der Vorgabe, dass die im Rahmen des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG geschuldete Aufklärung über Interessenkonflikte auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln sind, ist eine standardisierte Information möglich4.
3. Informationspflichten
3.103
Den Informationspflichten, die ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen beim kundenbezogenden Geschäft mit Wertpapieren und Derivaten berücksichtigen muss, kommt als Teil der Verhaltensregeln eine wesentliche Bedeutung zu. Kunden sollen ihre Anlageentscheidungen auf der Basis für sie adäquater Informationen treffen.
3.104
Unabhängig von der konkret erbrachten Wertpapierdienstleistung, die im Einzelfall als Anlageberatung, Finanzportfolioverwaltung, beratungsfreies Geschäft oder auch als reines Ausführungsgeschäft ausgestaltet sein kann, enthält § 31 Abs. 2 WpHG Grundsätze der Informationspflicht (Mindeststandards) und § 31 Abs. 3 WpHG Anforderungen an den Inhalt (Mindestinhalt).
1 Ist wie hier für die Bereitstellung von Informationen die Verwendung eines dauerhaften Datenträgers angeordnet, sind die Vorgaben des § 3 WpDVerOV zu beachten. 2 Ekkenga in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, Effektengeschäft Rz. 396. 3 Hierzu siehe später unter Rz. 3.131 ff. Hier geht es insbesondere um die zivilrechtlich geschuldete Aufklärung des Kunden über Rückvergütungen, um einen insoweit bestehenden Interessenkonflikt der Bank offen zu legen, vgl. auch BGH v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 227 (234): „... darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie [die Bank] Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält.“ 4 Kreditinstitute gaben in 2007 solche standardisierten „Informationen über den Umgang mit Interessenkonflikten“ im Rahmen sog. MiIFD-Startpakete an ihre Kunden.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
a) Mindeststandards nach § 31 Abs. 2 WpHG Nach § 31 Abs. 2 WpHG müssen alle Informationen einschließlich Werbemitteilungen, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kunden zugänglich machen, redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Dieser Dreiklang an Mindeststandards wird für Informationen, die Privatkunden zugänglich gemacht werden, durch ausführliche Regelungen in § 4 WpDVerOV weiter konkretisiert. Zur Beseitigung von verbleibenden Auslegungsunsicherheiten und zur Herstellung möglichst einheitlicher Rahmenbedingungen für die Wettbewerber untereinander hat die BaFin darüber hinaus am 7.6.2010 ein Rundschreiben veröffentlicht, in welchem die gesetzlichen Regelungen erläutert werden1.
3.105
Der in der Regelung verwendete Begriff „Kunde“ ist in § 31a Abs. 1 WpHG legal definiert. Kunden sind demnach alle natürlichen oder juristischen Personen, für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistungen erbringen oder solche anbahnen. Somit sind zum einen nicht nur Bestandskunden, sondern auch alle Personen erfasst, zu denen noch keine Kundenbeziehung besteht, an die eine Bank jedoch Informationen richtet, um sie als Kunden zu gewinnen. Da sowohl „natürliche“ als auch „juristische“ Personen erfasst sind, gilt § 31 Abs. 2 WpHG zum anderen für Privatkunden ebenso wie für professionelle Kunden. Lediglich ausschließlich an geeignete Gegenparteien gerichtete Informationen sind im Rahmen des Anwendungsbereichs des 31b WpHG ausgenommen, so dass insofern § 31 Abs. 2 WpHG nur in eingeschränktem Maße greift.
3.106
§ 31 Abs. 2 Satz 2 WpHG bestimmt, dass Werbemitteilungen eindeutig als solche erkennbar sein müssen. Der Umgang mit Werbemitteilungen wurde mit der Neufassung des § 31 WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)2 erstmals explizit aufgenommen. Dabei stellt die Regelung klar, dass die zum Thema Werbung bereits bestehenden Regelungen des § 124 Investmentgesetz (InvG) und § 15 Wertpapierprospektgesetz (WpPG) unberührt bleiben, dh. neben den Vorschriften des § 31 Abs. 2 und § 4 WpDVerOV Anwendung finden.
3.107
Bei einer Werbemitteilung handelt es sich um eine Information, welche die Adressaten zum Erwerb eines Finanzinstruments oder zur Beauftragung einer Wertpapierdienstleistung bewegen will (absatzfördernde Zielrichtung). Allein die Verwendung einer Information im Rahmen einer Beratungssituation ver-
3.108
1 Modul BT 3 (Informationen einschließlich Werbung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 31 Abs. 2 WpHG und § 4 WpDVerOV) des Rundschreibens 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010,veröffentlicht auf http://www.bafin.de. In Modul BT 3 MaComp ist das BaFin-Rundschreiben 1/2010 (WA) v. 11.2.2010 zur Auslegung der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes über Informationen einschließlich Werbung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen an Kunden aufgegangen. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330.
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leiht dieser noch nicht zwangsläufig eine primär absatzfördernde Zielrichtung. Nicht unter den Begriff der Werbung fallen neutrale Produktinformationen, die eine Bank im Rahmen der Erfüllung der Verpflichtung zur anlage- und anlegergerechten Beratung zugänglich macht1.
3.109
Eine Pflicht zur ausdrücklichen Kennzeichnung ergibt sich nur dann, wenn der werbliche Charakter der Information ansonsten nicht eindeutig erkennbar ist, wobei sich die Erkennbarkeit aus Art und Form der Darstellung der Information als auch aus ihrem Inhalt ergeben kann. Dies ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls. Reine Imagewerbung ist von den Vorschriften von vornherein nicht erfasst2. Ein Beispiel für kennzeichnungspflichtige Informationen sind nach dem Rundschreiben der BaFin ihrem Anschein nach objektive Beiträge in Kundenzeitschriften einer Bank, die primär jedoch eine absatzfördernde Zielrichtung verfolgen.
3.110
Von derartigen Informationen zu unterscheiden sind diejenigen Informationen, die gemäß § 31 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 WpHG zwingend als Werbemitteilungen zu kennzeichnen sind. Hierbei handelt es sich um eine besondere Form von Finanzanalysen, auf die die Vorschriften des § 34b WpHG sowie der Finanzanalyseverordnung (FinAnV) anwendbar sind3. Als Finanzanalysen sollen diese Informationen gerade eine objektive und unabhängige Empfehlung darstellen. Werden dabei allerdings nicht alle Anforderungen an die Finanzanalyse eingehalten, sind sie – obwohl kein unmittelbar werblicher Charakter gegeben ist – als Werbemitteilung zu kennzeichnen und mit dem ausdrücklichen Hinweis zu versehen, dass nicht allen gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse genügen und einem Verbot des Handelns vor der Veröffentlichung von Finanzanalysen nicht unterliegen. Damit soll dem Kunden transparent gemacht werden, dass es sich bei der allgemeinen Empfehlung nicht um eine objektive Analyse, sondern lediglich um eine Marketingmaßnahme handelt4.
3.111
Das Rundschreiben der BaFin erläutert, dass es bei der Frage, ob ein Zugänglichmachen iS des § 31 Abs. 2 WpHG gegeben ist, nicht darauf ankommt, ob 1 BT 3.1.1 Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, veröffentlicht auf http://www.bafin.de; zur Historie der Werbemitteilungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum FRUG vgl. Spindler/Kasten, WM 2007, 1245 (1246 f.), speziell zu Marketing auch Zeidler, WM 2008, 238 ff. 2 So schon Erwägungsgrund 46 Richtlinie 2006/37/EG der Kommission v. 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26 ff. (MiFID-Durchführungsrichtlinie), vgl. auch BT 3.1.1 Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, veröffentlicht auf http://www.bafin.de. 3 BT 3.1.1 Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, veröffentlicht auf http://www.bafin.de. 4 Teuber, BKR 2006, 429 (430).
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die Information ursprünglich auch von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen stammt. Auch Informationen, die zunächst von einem Dritten zur Verfügung gestellt und daraufhin seitens des Wertpapierdienstleistungsunternehmens den Kunden zugänglich gemacht werden (zB Vertriebsmaterialien eines Emittenten), fallen damit in den Anwendungsbereich der Regelung1. Wie eingangs erläutert, konkretisiert § 4 WpDVerOV die Vorgaben für an Privatkunden gerichtete Informationen. In insgesamt zehn Absätzen werden umfangreiche und detaillierte Vorgaben gemacht. Dies geht über Vorgaben zur ausreichenden und verständlichen Darstellung über Vorgaben zur Aktualität der Darstellung, der Darstellung von Chancen und Risiken, der Darstellung von Wertentwicklungen bis hin zur Aussage, dass Informationen im Zusammenhang mit einer Werbemitteilung nicht denjenigen Informationen widersprechen dürfen, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden im Zuge der Erbringung von Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen zur Verfügung gestellt hat, wobei sich bei Letzterem die Frage stellt, warum dies nur für Privatkunden gelten soll. Ergibt sich hieraus insbesondere, dass Angaben im Rahmen der Werbung im Einklang stehen müssen mit Angaben in Verkaufsprospekten oder sonstigen Informationsmaterialien2, so sollte dies – schon aus zivilrechtlichen Gründen – auch im Rahmen einer Kundenbeziehung zu professionellen Kunden berücksichtigt werden.
3.112
b) Mindestinhalte nach § 31 Abs. 3 WpHG § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG aF verpflichtete Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kunden „alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist“.
3.113
Umstritten war die Frage, ob die aufsichtsrechtlich geschuldeten „zweckdienlichen Informationen“ nur abstrakt im Hinblick auf die verschiedenen Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen oder auch im Hinblick auf die besonderen Eigenschaften der konkreten Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen geschuldet sind, die der Kunde erkennbar ins Auge gefasst hat. Fanden sich in der Literatur Stimmen, die stets eine individualisierte Aufklärung für erforderlich hielten3, hatte die BaFin es über die Konkretisierung der Regelung im Rahmen der sog. Wohlverhaltensrichtlinie ausrei-
3.114
1 BT 3.2 Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, mit weiteren Konkretisierungen insb. zu Drittkonstellationen, veröffentlicht auf http:// www.bafin.de. 2 BT 3.5 Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, veröffentlicht auf http://www.bafin.de. 3 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rz. 132 mit weiteren Literaturstellen sowie 3. Aufl. dieses Buches, Rz. 16.542.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
chen lassen, Kunden mittels standardisierter Informationsbroschüren über die Eigenschaften und Risiken der verschiedenen Anlageformen zu unterrichten1.
3.115
Die durch das FURG2 neu gefasste Regelung des § 31 Abs. 3 WpHG verpflichtet Wertpapierdienstleistungsunternehmen rechtzeitig und in verständlicher Form Informationen zur Verfügung zu stellen, die angemessen sind, damit die Kunden nach vernünftigem Ermessen die Art und die Risiken der ihnen angebotenen oder von ihnen nachgefragten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen verstehen und auf dieser Grundlage Anlageentscheidungen treffen können.
3.116
Der Wortlaut der Regelung („Art“ bzw. „Arten von Finanzinstrumenten“) wie auch der Wortlaut der konkretisierenden Regelung in § 5 Abs. 1 WpDVerOV, nach der die zur Verfügung stellenden Informationen „eine ausreichend detaillierte allgemeine Beschreibung der Art und der Risiken der Finanzinstrumente enthalten“ müssen, lässt die Wertung zu, dass im Grundsatz aufsichtsrechtlich lediglich eine standardisierte Information geschuldet ist. Dies ist in § 31 Abs. 3 Satz 2 WpHG darüber hinaus auch ausdrücklich normiert. Standardisierte Informationen geben Kreditinstitute insbesondere im Rahmen der branchenweit einheitlich verwendeten und im Zuge der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) überarbeiteten Basisinformationsbroschüren „Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren“ (Stand: November 2008), „Basisinformationen über Termingeschäfte“ (Stand: November 2008) und „Basisinformationen über Finanzderivate“ (Stand: Juli 2008)3. Hierin werden den Kunden Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge, Anwendungsmöglichkeiten und Risiken der betreffenden Finanzinstrumente erläutert.
3.117
Die standardisierte Information ist unabhängig von der Art der erbrachten Wertpapierdienstleistung zu geben, dh. im Grundsatz auch in Falle des reinen Ausführungsgeschäfts 4. Allerdings stellt sich wie schon bei § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG aF die Frage nach den Schranken einer aufsichtsrechtlich angeordneten Informationspflicht. Auch § 31 Abs. 3 WpHG wird als eine Norm des Aufsichtsrechts und des Verbraucherschutzrechts nicht durch einen rechtsgeschäftlichen Verzicht des Kunden auf Information abdingbar sein. Andererseits wird das WpHG auch weiterhin die Freiheit des Kunden unberührt lassen, die Annahme von Information zu verweigern. Eine aufsichtsrechtliche Verpflichtung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei Kunden, die in
1 Ziff. 2.2. Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6 WpHG zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG, für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen v. 23.8.2001, BAnz. Nr. 165 v. 4.9.2001, S. 19217 ff., mit Wirkung zum 1.11.2007 aufgehoben. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330. 3 Alle Informationsbroschüren herausgegeben von der Bank-Verlag Medien GmbH, Köln. 4 Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 (633); Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 30 und Rz. 63; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 31 WpHG Rz. VI 236.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
sich eine Informationsbarriere aufbauen, sinnlose Anstrengungen zu unternehmen ist nicht zielführend. Hier ist auch weiterhin im Ergebnis dem Ansatz zu folgen, das WpHG habe nicht den Zweck, den Anleger vor sich selbst zu schützen1. Bei der Informationserteilung im Rahmen der Wertpapierdienstleistungen Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung (§ 31 Abs. 4 WpHG) ist zu hinterfragen, ob die grundsätzliche Wertung, dass aufsichtsrechtlich eine standardisierte Informationserteilung ausreicht (siehe oben Rz. 3.116) auch hier uneingeschränkt gilt. Dies bedarf insofern einer näheren Betrachtung, als bei diesen Wertpapierdienstleistungen bei der Frage der Geeignetheit der Geschäfte für den Kunden im Gesetzeswortlaut auf das „konkrete Geschäft“ abgestellt wird.
3.118
Dies kann aber regelmäßig nur dann beantwortet werden, wenn sowohl der Kunde als auch der Anlageberater die spezifischen Risiken des betreffenden Geschäfts betrachten. Dies wiederum setzt eine entsprechend spezifische Informationserteilung voraus.
3.119
§ 31 Abs. 3 Satz 3 WpHG enthält einen Katalog der Mindestinhalte der geschuldeten standardisierten Information. Drei der darin aufgenommenen Mindestinhalte (Nr. 1, 2 und 4) werden durch § 5 WpDVerOV konkretisiert2. Erst im Rahmen dieser Konkretisierung wird nach den Mindestinhalten einerseits und nach der Informationserteilung an Privatkunden und anderen Kunden unterschieden. Insofern kommt § 31 Abs. 3 Satz 3 WpHG sowohl Privatkunden als auch professionellen Kunden zugute. Auf geeignete Gegenparteien findet die Regelung jedoch keine Anwendung (§ 31b Abs. 1 Satz 1 WpHG).
3.120
§ 5 Abs. 1 WpDVerOV konkretisiert unter Verwendung einer abschießenden Aufzählung den Umfang der gegenüber allen Kundenkategorien zur Verfügung zu stellenden Informationen über die Arten von Finanzinstrumenten und vorgeschlagene Anlagestrategien einschließlich damit verbundener Risiken3. Zu den erforderlichen Informationen zählen demnach zB auch Angaben über das
3.121
1 Ausführlich zu § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG aF Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, 4. Aufl. 2006, § 31 WpHG Rz. 153 ff., der in Rz. 161 auch auf die entsprechende Rechtsprechung des BGH eingeht. 2 Weiterführend zum Umfang der Informationspflichten Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 144 ff.; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 32 ff. 3 Als Folge der Finanzkrise und in diesem Zusammenhang verloren gegangenem Verbrauchervertrauen hatte die deutsche Verbraucherschutzministerin die Wertpapierdienstleistungsinstitute aufgefordert, auf freiwilliger Basis standardisierte und verständliche Produktinformationen für Anlageprodukte zu erstellen, vgl. das Muster auf http://www.bmelv.de. Als Reaktion auf diese Forderung hatten die Verbände der deutschen Privatbanken, der Sparkassen, der Genossenschaftsbanken, der öffentlichen Banken sowie der Deutsche Derivate Verband Anfang 2010 entsprechende Muster zum (freiwilligen) Einsatz durch ihre Mitglieder veröffentlicht; vgl. die jeweilige website. Ungeachtet dieser Bemühungen der Kreditwirtschaft hat die Bundesregierung am 24.9.2010 einen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts veröffentlicht, der unter anderem gesetzliche Vorgaben für den Einsatz und den Inhalt eines Produktinformationsblattes enthält, siehe BR-Drucks. 584/10 v. 24.9.2010.
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Ausmaß der Schwankungen des Preises (Volatilität) der betreffenden Finanzinstrumente und etwaige Beschränkungen des für solche Finanzinstrumente verfügbaren Marktes (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpDVerOV). Der sog. Erforderlichkeits-Vorbehalt („soweit ... erforderlich“) des früheren Rechts findet sich insoweit auch in den aktuellen Regeln wieder, als § 5 Abs. 1 Satz 2 WpDVerOV bei der konkreten Ausgestaltung des Mindestinhalts zu den Risiken die Art des Finanzinstruments sowie die Einstufung und Kenntnis des Kunden berücksichtigt („soweit ... relevant“).
3.122
§ 5 Abs. 2 WpDVerOV konkretisiert die Mindestinhalte Nr. 1, 2 und 4 des § 31 Abs. 3 Satz 3 WpHG. Anders als § 5 Abs. 1 WpDVerOV ist sein Anwendungsbereich ausschließlich auf die Informationserteilung an Privatkunden beschränkt. Für diese sind weiter gehende Mindestinhalte vorgesehen. So umfasst im Fall von Finanzinstrumenten, die eine Garantie durch einen Dritten beinhalten, die Mindestinformation bei Privatkunden auch alle wesentlichen Angaben über die Garantie und über den Garantiegeber. Für Privatkunden werden darüber hinaus die Angaben hinsichtlich des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und seiner Dienstleistungen, die Angaben bei der Erbringung von Finanzportfolioverwaltung sowie die Angaben hinsichtlich der Kosten und Nebenkosten näher konkretisiert. Schließlich wird noch normiert, dass bei öffentlichen Angeboten mit Prospekt nach WpPG die Angabe erforderlich ist, bei welcher Stelle der Prospekt erhältlich ist.
3.123
Beim Vertrieb von Investmentfondsanteilen im Sinne des Investmentgesetzes fingiert § 31 Abs. 3 Satz 4 WpHG, dass die im vereinfachten Verkaufsprospekt nach § 121 Abs. 1 bis 3 und § 123 des Investmentgesetzes enthaltenen Informationen als angemessen iS des § 31 Abs. 3 Satz 1 WpHG. Diese „Erleichterung“ hat allerdings in der Praxis allerdings bisher wenig Relevanz, da zum einen die Grundstrukturen und Risiken dieser Finanzinstrumente auch in den branchenweit eingesetzten „Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren“ enthalten sind. Zum anderen erfolgt die Informationserteilung über den konkreten Investmentfonds regelmäßig durch Informationsdokumente (zB standardisierte Produkinformationsblätter), die von der vertreibenden Bank auf der Grundlage des ausführlichen Verlaufsprospektes erstellt werden und die gleichzeitig den zivilrechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung genügen sollen. Die Akzeptanz des vereinfachten Verkaufsprospekts im Vertrieb der Banken ist insofern nicht sehr hoch.
3.124
In zeitlicher Hinsicht müssen die Informationen nach § 31 Abs. 3 WpHG „rechtzeitig“ zur Verfügung gestellt werden. § 5 Abs. 3 WpDVerOV konkretisiert dies für die Informationsweitergabe an Privatkunden lediglich dahingehend, dass die Informationen zur Verfügung zu stellen sind, bevor eine Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistung erbracht oder ein Vertrag hierüber abgeschlossen wird. Kunden werden allerdings nur dann „auf informierter Grundlage“ entscheiden können, wenn sie die Informationen eine angemessene Zeit vor Treffen der Anlageentscheidung erhalten haben1. Hier 1 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 41 ff.; Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 122 ff.
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
wird eine Entscheidung im Einzelfall erforderlich sein. Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung können gute Anhaltspunkte hierfür im Erwägungsgrund 48 der MiFID-Durchführungsrichtlinie1 gefunden werden. Danach solle eine Wertpapierfirma unter Berücksichtigung der Dringlichkeit und der Zeit, die der Kunde für die Aufnahme der betreffenden Information und die Reaktion darauf benötigt, dem Umstand Rechnung tragen, dass der Kunde vor seiner Anlageentscheidung genügend Zeit benötige, um die Information zu lesen und zu verstehen. Wahrscheinlich werde ein Kunde für die Überprüfung einer Information über ein Produkt oder eine Dienstleistung mit einfachen oder standardisierten Merkmalen oder über ein Produkt oder eine Dienstleistung, das bzw. die er bereits zuvor einmal erworben hat, weniger Zeit benötigen als für ein komplexeres oder weniger vertrautes Produkt oder eine entsprechende Dienstleistung. Auf der Ebene des Zivilrechts wird die Frage der Rechtzeitigkeit der Informationserteilung insbesondere im Rahmen des Vertriebs von geschossenen Fonds thematisiert. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Prospekt so rechtzeitig dem Anleger zu übergeben, dass er sich mit seinem Inhalt vertraut machen konnte2. Das von Anlegern in diesem Zusammenhang nun häufig benutzte Argument, ein ordnungsgemäßer Prospekt habe nicht als Mittel der Aufklärung dienen können, weil dieser erst am Tag der Zeichnung übergeben worden sei und somit keine Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Inhalts gegeben war, begegnet die Rechtsprechung mit konsequenter Anwendung der Regeln über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast3. Die Informationen haben nach § 31 Abs. 3 WpHG in verständlicher Form zu erfolgen. Die Fähigkeit, Informationen verstehen zu können, hängt wesentlich vom Adressatenkreis ab. Sie müssen also in einer Art und Weise dargestellt sein, dass sie für den konkret angesprochenen Kundenkreis verständlich sind (vgl. auch § 4 Abs. 1 WpDVerOV).
3.125
Hier bietet sich eine Unterscheidung zwischen Privatkunden und professionellen Kunden an; individuelle Kenntnisse bzw. fehlende Kenntnisse einzelner Kunden sind hierbei nicht maßgebend4.
3.126
c) Exkurs: Zivilrechtliche Grundsatzentscheidungen zu Informationspflichten Das Verhalten der Wertpapierdienstleistungsinstitute in der Praxis des kundenbezogenen Wertpapier- und Derivategeschäfts wird werden neben dem Aufsichtsrecht immer auch die zivilrechtlichen Auswirkungen ihres Handelns bzw. Unterlassens berücksichtigen. 1 Richtlinie 2006/37/EG der Kommission v. 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26 ff. 2 Vgl. BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 338/08, WM 2009, 2306 ff.; BGH v. 25.9.2007 – XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 (200): „rechtzeitig vor Abgabe der Beitrittserklärungen“. 3 So zuletzt OLG Frankfurt v. 19.8.2009 – 17 U 98/09, BB 2009, 2334 (2336) unter Bezugnahme auf BGH v. 11.5.2006 – III ZR 205/05, WM 2006, 1288 f. und OLG München v. 2.6.2008 – 17 U 5678/07. 4 Weiterführend Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 31.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
3.128
Für die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs wegen Beratungsverschuldens sind die Grundsätze der sog. Bond-Judikatur zu berücksichtigen1. Danach muss eine Bank bei einer Anlageberatung den – gegebenenfalls zu erfragenden – Wissenstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft berücksichtigen („anlegergerechte Beratung“) und das von ihr danach empfohlene Geschäft hat diesen Kriterien Rechnung zu tragen („objektgerechte Beratung“). In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung dabei auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können.
3.129
Das Bond-Urteil des BGH ist nur eines der Beispiele dafür, dass die bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen bestehenden Informationspflichten nicht nur durch mittlerweile detaillierte Regelungen im WpHG und WpDVerOV vorgegeben sind, sondern auch zivilrechtlich weitgehend ausjudiziert sind.
3.130
Als weiteres Grundsatzurteil zu Aufklärungspflichten im kundenbezogenden Wertpapier- und Derivategeschäft ist das Urteil des BGH v. 5.10.19992 zum beratungsfreien Geschäft zu nennen, nach dem Discount-Broker, die sich ausdrücklich nur an gut informierte und erfahrene Anleger wenden, jede Beratung ablehnen und lediglich Order ausführen, nur reduzierten Aufklärungspflichten unterliegen, die grundsätzlich durch Übermittlung standardisierter Informationen an den Kunden bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung erfüllt werden können.
3.131
In die Reihe der zivilrechtlichen Grundsatzurteile zu Aufklärungspflichten sind schließlich die Entscheidungen des BGH zu den Aufklärungspflichten einer Bank über Rückvergütungen3 aufzunehmen. Schon im Jahre 2000 hatte der BGH4 entschieden, dass eine Bank, die mit dem Vermögensverwalter eines Kunden eine Vereinbarung über die Beteiligung des Verwalters an ihren Provisionen und Depotgebühren geschlossen hat, verpflichtet ist, dies gegenüber dem Kunden offen zu legen.
1 Grundsatzurteil zur Anlageberatung BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 („Bond“-Urteil). 2 BGH v. 5.10.1999 – XI ZR 296/98; NJW 2000, 359 ff. („Discount-Broker“). 3 Literatur zu diesem Thema: Schirp/Mosgo, BKR 2002, 354 ff; Spindler, WM 2009, 1821 ff.; Assmann, ZIP 2009, 2125 ff.; Geßner, BKR 2010, 89 ff.; Schäfer in FS Nobbe, S. 725 ff.; Habersack, WM 2010, 1245 ff.; Harnos, BKR 2009, 316 ff.; Herresthal, ZBB 2009, 348 ff.; Heße, MDR 2009, 1197 ff.; Nobbe, ZBB 2009, 93 ff.; Casper, ZIP 2009, 2409 ff.; Ellenberger in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 349 ff.; Koch, BKR, 2010, 177 ff.; Pieroth/Hartmann, ZIP 2010, 753 ff. 4 BGH v. 19.12.2000 – XI ZR 349/99; BGHZ 146, 235 (239); als Rechtsfolge einer unterbliebenen Aufklärung haftet die beklagte Bank grundsätzlich für alle mit einer nachteiligen Anlageentscheidung verbundenen Schäden, dh. nicht beschränkt auf die betreffenden Teile der Provisionen und Depotgebühren.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Auf den Tag genau sechs Jahre später übertrug der BGH in 20061 diese Rechtsprechung auf den Fall, dass eine Bank ohne Zwischenschaltung eines Vermögensverwalters selbst eine Anlageberatung erbringt und dabei an empfohlenen Fonds durch Rückvergütungen verdient. Eine Bank, die Fondsanteile empfiehlt, muss darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält.
3.132
Die Frage, ob diese Offenlegungspflicht auf Finanzinstrumente beschränkt sei, die dem Anwendungsbereichs des WpHG unterfallen, klärte der BGH dann Anfang 20092, indem er im Zusammenhang mit einer Anlageberatung über einen Medienfonds klarstellte, dass der erkennende Senat in seinem Urteil in 2006 zwar § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aF im Zusammenhang mit der Vermeidung eines Interessenkonflikts angeführt, seine Ausführungen zum Interessenkonflikt aber nicht auf den Anwendungsbereich des WpHG beschränkt habe. In § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aF sei lediglich der allgemein anerkannte Grundsatz der Vermeidung von vertragswidrigen Interessenkonflikten aufsichtsrechtlich für den Bereich des Wertpapierhandels normiert worden.
3.133
Die weitere Frage, ob ein solcher die Aufklärungspflicht auslösender Interessenkonflikt nur dann besteht, wenn Zahlungen von einem Dritten empfangen worden sind, also diesbezüglich eine Dreieckskonstellation gegeben ist, hat BGH in einem obiter dictum seines Urteils v. 27.10.20093 dahingehend behandelt, dass er feststellt, aufklärungspflichtige Rückvergütungen lägen nur dann vor, wenn Teile der – offen ausgewiesenen – Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über seine Bank an die Gesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen, so dass diese ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen. Diese Ausführungen des BGH können dahingehend verstanden werden, dass es neben dem Kunden und der Bank noch eines Dritten – hier der Gesellschaft – bedarf, der an die beratende Bank eine umsatzabhängige Zahlung leistet, ohne dass der Kunde hiervon Kenntnis hat (Element der Heimlichkeit). Soweit ersichtlich verneint auch die aktuelle instanzgerichtliche Rechtsprechung beim Fehlen von Dreieckskonstellationen die Aufklärungspflichtverletzung4. Im Wesentlichen wird dabei argumentiert, dass
3.134
1 BGH v. 19.12.2006 – ZR 56/05, BGHZ 170, 226 (234). Als Rechtsfolge der unterbliebenen Aufklärung haftet die beklagte Bank auf Schadensersatz in Form der Rückabwicklung des betreffenden Geschäfts. 2 BGH v. 20.1.2009 – XI ZR 510/07, WM 2009, 405 ff. In Abgrenzung zur Beratung durch einen Bankberater hat der III. Zivilsenat des BGH für den Fall einer Beratung durch einen nicht bankmäßig gebundenen, freien Anlageberater entschieden, dass für diesen keine Verpflichtung bestehe, ungefragt den Anleger über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Vertriebsprovision aufzuklären, wenn dieser keine Provision an den Berater zahlt und im Prospekt offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen sind, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen erbracht werden, BGH v. 15.4.2010 – III ZR 196/09, WM 2010, 885 (887). 3 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 338/08, WM 2009, 2306 (2307). 4 OLG Celle v. 30.9.2009 – 3 U 45/09, WM 2009, 2171 ff. (Swapgeschäft); OLG Frankfurt v. 29.7.2009 – 23 U 76/08, WM 2009, 1563 ff. (Swapgeschäft); OLG Bamberg v.
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dem Kunden – anders als bei der verdeckten Zahlung eines Dritten – offensichtlich sein müsse, dass eine Bank beim Festpreis- bzw. Eigengeschäft im eigenen wirtschaftlichen Interesse auch einen Gewinn vereinnahmt1.
3.135
Die im vorangegangenen Absatz zitierte Klarstellung des BGH zur Frage, wann aufklärungspflichtige Rückvergütungen vorliegen, ermöglicht zudem eine Abgrenzung der aufklärungspflichtigen Rückvergütungen von sog. Innenprovisionen2. Über solche Innenprovisionen, verstanden als Kostenbestandteile, die der Emittent eines Finanzinstruments in deren Preis für den Vertrieb der Finanzinstrumente einpreist, muss die beratende Bank ihre Anleger grundsätzlich nicht aufklären3. Innenprovisionen werden aus dem Anlagevermögen geleistet und können daher zwar beim Anleger ggf. eine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit des Investments hervorrufen. Anders als Rückvergütungen lösen sie jedoch keine Fehlvorstellung über die Neutralität der Beratungsleistung der beratenden Bank und deren diesbezügliche Unabhängigkeit aus. Es fehlt insofern am Element der Heimlichkeit. Allerdings bestehen auch bei Innenprovisionen Aufklärungspflichten, wenn diese Provisionen ungewöhnlich hoch sind und damit die Werthaltigkeit des Investments in Frage stellen. Ab welcher Höhe dies der Fall ist, muss im Einzelfall und unter Berücksichtigung des in Frage stehenden Finanzinstruments beurteilt werden4. Zur Erfül-
1
2 3 4
14.5.2009 – 4 U 92/08, WM 2009, 1082 ff. (Swapgeschäft); OLG Düsseldorf v. 29.6.2009 – 19 U 187/08, WM 2009, 1410 (Vertrieb eigenemittierter Anleihe); OLG Celle v. 4.3.2010 – 3 U 9/10, ZIP 2010, 876 ff. (Vertrieb Lehman-Zertifikate); LG Berlin v. 15.4.2010 – 37 O 262/09 (Vertrieb eigenemittierter Zertifikate); OLG Hamburg v. 23.4.2010 – 13 U 117/09, WM 2010, 1029 (1030) (Vertrieb Lehman-Zertifikate). Insbesondere das LG Hamburg hatte hingegen in – mittlerweile durch das soeben benannte OLG Hamburg aufgehobenen – Urteilen zu Festpreisgeschäften mit Lehman-Zertifikaten jeweils entschieden, dass eine Aufklärungspflicht auch hier bestehe; vgl. Urteil v. 10.7.2009 – 329 O 44/09, WM 2009, 1511; v. 1.7.2009 – 325 O 22/09, WM 2009, 1363; v. 23.7.2009 – 310 O 4/09, WM 2009, 1282. So auch Nobbe, WuB I G 1.–11.10 mwN zur Literatur, der eine Pflicht zur Offenlegung auch dann verneint, wenn eine Bank von anderen Banken emittierte Produkte ankauft, damit das wirtschaftliche Risiko nimmt und mit Gewinn weiterverkauft. Die Gewinnmarge als Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis habe mit verdeckten Rückvergütungen hinter dem Rücken des Anlegers nichts gemein. Diese in der Sache richtige Wertung findet sich auch im Urteil des OLG Hamburg v. 23.4.2010 – 13 U 117/09, WM 2010, 1029 (1030). Damit bleibt der Tatbestand der Rückvergütung und die daran anknüpfenden Aufklärungspflichten hinter demjenigen der aufsichtsrechtlichen Zuwendungen iS des § 31d WpHG zurück; vgl. hierzu Habersack, WM 2010, 1245 (1248). Vgl. hierzu auch Koch, BKR 2010, 177 ff., der einer möglichen Abgrenzung kritisch gegenüber steht. Nobbe, WuB I G 1.–5.10 sowie Nobbe, WuB I G 1.–11.10. Anhaltspunkt für Optionsgeschäfte (Aufschlag von mehr als 11 % auf die Optionsprämie) in BGH v. 27.11.1990 – XI ZR 115/89, WM 1991, 127 (129); Anhaltspunkt für geschlossene Fonds (Innenprovision von 15 % und mehr) in BGH v. 25.9.2007 – XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 (200) sowie dem Grundsatzurteil zur Schwellenwert-Rechtsprechung BGH v. 12.2.2004 – III ZR 359/02, BKR 2004, 195 (198); Anhaltspunkt für Zertifikate (3,5 % „branchenübliche Provision“) in LG Itzehoe v. 6.8.2009 – 7 O 39/ 09, WM 2009, 1745 (1747); LG Chemnitz v. 23.7.2009 – 7 O 359/09, WM 2009, 1505 (1508) sowie zustimmend Nobbe, WuB I G 1.–11.10.
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lung der diesbezüglichen Aufklärungspflichten reicht es zumindest bei geschlossenen Fonds dann aus, dass die Innenprovisionen im Fondsprospekt dem Inhalt und der Höhe nach korrekt ausgewiesen sind. Eine beratende Bank muss dann nicht von sich aus ungefragt über solche Kosten weiter aufklären, wenn sie dem Anleger den Fondsprospekt so rechtzeitig übergeben hat, dass er sich mit seinem Inhalt vertraut machen konnte1. Anders als beim Vorliegen einer Rückvergütung hat der BGH hier eine Information über den Umstand, dass die Innenprovision gerade an die beratende Bank fließt, nicht für erforderlich gehalten. Verletzt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen seine Pflicht, den Kunden über Rückvergütungen ordnungsgemäß aufzuklären, stellten sich im Zivilprozess auf dem Weg zur Feststellung eines Schadensersatzanspruchs die Folgefragen, ob das Fehlverhalten schuldhaft war und ob der klagende Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte. Insoweit ist im Zusammenhang mit Aufklärungspflichten über Rückvergütungen auch das Urteil des BGH v. 12.5.20092 von grundsätzlicher Bedeutung. Unter konsequenter Anwendung von § 276 BGB sowie § 282 BGB aF (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), wonach der Schuldner zu beweisen hat, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, urteilt der Senat, dass die beklagte Bank im Falle der Aufklärungspflichtverletzung die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass sie nicht vorsätzlich gehandelt hat. Dies gelte auch dann, wenn die Haftung für fahrlässiges Handeln nach § 37a WpHG aF verjährt ist. Die beklagte Bank habe „vorzutragen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen, dass sie trotz Kenntnis der Auskunfts- und Herausgabepflichten des Geschäftsbesorgers nach §§ 675, 666, 667 BGB bzw. des Kommissionärs nach §§ 383, 384 Abs. 2 HGB und der dazu veröffentlichten Rechtsprechung sowie der darauf Bezug nehmenden BAWe-Richtlinie v. 26.5.1997 eine Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht erkannt hat und auch nicht für möglich gehalten hat und sie es deswegen nicht im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit unterlassen hat, ihre Anlageberater zur Aufklärung der Kunden zu verpflichten3. In der Folge kam es insbesondere bei instanzgerichtlichen Urteilen zur Offenlegung von Vertriebsvergütungen bei geschlossenen Fonds sowohl zu Entscheidungen, die das Verschulden (Vertretenmüssen in Form der Fahrlässigkeit) bejahten, als auch zu Entscheidungen, die fahrlässig schuldhaftes Verhalten der beratenden Banken verneinten4. Mit 1 BGH v. 25.9.2007 – XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 (200); BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 338/08, WM 2009, 2306 (2307). 2 BGH v. 12.5.2009 – XI ZR 586/07, BKR 2009, 342 ff. 3 Das Berufungsgericht hatte schon festgestellt, dass der Anlageberater, der die Anlageberatung durchführte sich in einem Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtum befunden habe, daher stand die Frage des vorsätzlichen Organisationsverschuldens im Raum. 4 Schuldhaftes Handeln bejaht haben KG Berlin v. 7.12.2009 – 24 U 171/08; OLG Celle v. 21.10.2009 – 3 U 86/09; OLG Frankfurt v. 20.10.2009 – 14 U 98/08; OLG Stuttgart v. 6.10.2009 – 6 U 126/09, ZIP 2009, 2185 ff.; OLG Karlsruhe v. 3.3.2009 – 17 U 149/ 07, NZG 2009, 1155 ff. (vgl. auch Parallelverfahren: v. 3.3.2009 – 17 U 372/08); OLG München v. 8.2.2010 – 17 U 2893/09, WM 2010, 836 ff.; OLG Naumburg v. 9.2.2010 – 6 U 147/09, BKR 2010, 215 ff.; OLG Stuttgart v. 24.2.2010 – 9 U 58/09, WM 2010, 844 ff.; schuldhaftes Handeln verneint haben OLG Oldenburg v. 11.9.2009 – 11 U 75/
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
Beschluss v. 29.7.20091 hatte der BGH schließlich die Möglichkeit, über die Frage zu entscheiden, ab welchem Zeitpunkt für Kreditinstitute die ihnen obliegende Verpflichtung zur Aufklärung über Rückvergütungen erkennbar sein musste und sie deshalb im Falle einer Nichtaufklärung ein Verschulden trifft. Dabei stellte der BGH nochmals dar, dass die Haftung wegen Fahrlässigkeit entfalle, wenn der beklagten Bank die ihr obliegende Verpflichtung zur Aufklärung über Rückvergütungen zum Zeitpunkt der Beratung nicht erkennbar war (sog. unvermeidbarer Rechtsirrtum). An das Vorliegen eines solchen unvermeidbaren Rechtsirrtums seien jedoch strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten müsse. Grundsätzlich treffe den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handle schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt annehme. Nach diesen Maßstäben liege eine Haftung wegen Fahrlässigkeit schon ab dem Jahr 1990 vor, da für eine Bank bereits ab diesem Zeitpunkt erkennbar war, dass auch im Verhältnis zu ihren Kunden bei der Beratung über eine Kapitalanlage eine Aufklärungspflicht über solche Umstände besteht, die das Beratungsziel in Frage stellen und die Kundeninteressen gefährden. Neben der Frage des Verschuldens hat das erwähnte BGH-Urteil v. 12.5.2009 dann nochmals klargestellt, dass, wenn eine Aufklärungspflichtverletzung feststeht, für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens streitet, das heißt, dass der Aufklärungspflichtige beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte. Diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gelte grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, also auch für die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen.
4. Pflichten bei Anlageberatung oder Finanzportfolioverwaltung
3.137
Im Zusammenhang mit Vermögensanlagen in Wertpapieren und Derivaten bietet ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verschiedene transaktionsbezogene Dienstleistungen an. Nach den Vorgaben des WpHG ist sowohl der Umfang der einzuholenden Kundenangaben als auch die Reichweite der Pflicht, Finanzinstrumente oder Services auf ihre Geeignetheit bzw. Angemessenheit für den Kunden zu prüfen, von der Art der jeweils angebotenen Wertpapierdienstleistung abhängig. Insoweit bestehen abgestufte Interessewahrungs- bzw. „Fürsorgepflichten“. Die in diesem Abschnitt beschriebenen Wertpapierdienstleistungen Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung 08, BB 2009, 2390; OLG Dresden v. 27.7.2009 – 8 U 1240/08, WM 2009, 1689 ff.; LG Bremen v. 28.1.2010 – 2 O 2431/08, WM 2010, 798 ff. Zur soeben genannten Entscheidung des OLG Karlsruhe v. 3.3.2009 hatte der BGH die Revision der Beklagten zugelassen, mit der diese die vollständige Klageabweisung erstrebte. Mit Urteil v. 9.2.2010 – XI ZR 117/09 erging ein Anerkenntnisurteil; die Beklagte hatte die Revision zurückgenommen. 1 BGH v. 29.7.2009 – XI ZR 308/09, WM 2010, 1335 ff., Grundlage war der Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
lösen für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen die stärksten Fürsorgepflichten aus. Das beratungsfreie Geschäft sowie Dienstleistungen im Rahmen des reinen Ausführungsgeschäfts 1 unterliegen – nochmals abgestuft – geringeren Anforderungen. Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung werden in § 31 Abs. 4 WpHG sowie in der diese Vorschrift konkretisierenden Regelung des § 6 Abs. 1 WpDVerOV jeweils gemeinsam geregelt. Zwar weisen die beiden Wertpapierdienstleistungen untereinander grundsätzliche Unterschiede auf, die in der jeweiligen Struktur begründet sind. So soll der Anlageberater mit einer Empfehlung die Basis für eine informierte Entscheidung geben, die der Kunde dann aber selbst trifft, während der Vermögensverwalter nach eigenem Ermessen entscheiden und den Kunden im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung dauerhaft begleiten soll. Jedoch ist beiden gemeinsam, dass sie Beratungselemente enthalten. Darüber hinaus ist es bei beiden erforderlich, die ausgewählten Finanzinstrumente fachkundig zu bewerten und auf die Anforderungen des Kunden abzustimmen. Vor diesem Hintergrund verlangen die diesbezüglichen Vorgaben des WpHG bzw. der WpDVerOV vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sich den höchsten Wissenstand bezogen auf den Kunden anzueignen, um dann auf dieser Basis die umfangreichste Prüfung im Hinblick auf die Geeignetheit eines Produkts für den Kunden vorzunehmen.
3.138
a) Anlageberatung Die praktische Relevanz der Frage, welches Verhalten eines Bankmitarbeiters gegenüber seinem Kunden eine Anlageberatung darstellt, hat seit Beginn des Jahres 2010 nochmals zugenommen. Durch das neue Schuldverschreibungsrecht2 werden Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung unter anderem verpflichtet, über jede Anlageberatung bei einem Privatkunden ein schriftliches Beratungsprotokoll anzufertigen (näher hierzu unter Rz. 3.257). Insofern lohnt sich nicht nur im Rahmen der Frage nach dem Umfang der Fürsorgepflichten ein genauer Blick auf die aufsichtsrechtliche Ausgestaltung3 des Begriffs der Anlageberatung.
3.139
aa) Begriff der Anlageberatung Die Anlageberatung ist im Katalog der Wertpapierdienstleistungen des § 2 Abs. 3 WpHG aufsichtsrechtlich definiert4. Danach ist eine Anlageberatung 1 Zu den beiden Letzteren später unter Rz. 3.160 und Rz. 3.167. 2 Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung (SchVGEG) v. 31.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2512. 3 Zu den Voraussetzungen für das Zustandekommen eines zivilrechtlichen (Anlage-) Beratungsvertrages, der auch konkludent geschlossen werden kann, siehe BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (128) („Bond“-Urteil). 4 Als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung ist die Anlageberatung wortgleich auch in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG (Gesetz über das Kreditwesen) definiert.
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3. Teil
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gegeben, wenn es zur Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter kommt, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (§ 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG)1.
3.141
Die Empfehlung muss ich auf bestimmte Finanzinstrumente beziehen. Es muss also ein Finanzinstrument konkret benannt werden, wobei es genügt, dass ein Anlageberater dem Kunden eine Reihe konkreter Anlagevorschläge unterbreitet, die Auswahl jedoch dem Kunden überlasst2. Die Nennung von Papieren einer bestimmten Branche (zB „Bankentitel“) wird aber eben so wenig erfasst wie die Empfehlung, die sich nur auf eine bestimmte Art von Finanzinstrumenten (zB „Zertifikate“) bezieht. Schließlich reicht es nicht aus, Empfehlungen zur Vermögensstruktur zu geben, so dass das sog. Financial Planning, Estate Planning oder auch die Asset Allocation insoweit nicht als Anlageberatung erfasst sind.
3.142
Zu den „Geschäften“ in bestimmten Finanzinstrumenten iS des § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG zählen insbesondere der Kauf, der Verkauf, die Zeichnung, der Tausch, der Rückkauf oder die Übernahme eines bestimmten Finanzinstruments. Auch das Halten eines bestimmten Finanzinstruments wird erfasst3.
3.143
Fraglich ist, ob auch Geschäfte von Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen als Anlageberatung zu werten sind. Eine klare Grenzziehung zwischen Anlageberatung und sog. „corporate finance advice“ lässt sich beispielsweise bei einem in Familienbesitz stehenden Unternehmen nur schwer ziehen. Ansatzpunkt kann hier die Frage nach dem vorrangigen Zweck des Beratungswunsches des Kunden sein. Sucht der Kunde eine Beratung, die sich auf die Kapitalstruktur, industrielle Strategie und damit verbundene Fragen sowie Zusammenschlüsse und Übernahmen von Unternehmen fokussiert4, dürften die gegebenen Empfehlungen außerhalb der Anlageberatung liegen. Es handelt sich in diesem Falle vorrangig um unternehmensstrategische Entscheidungen und nicht um Empfehlungen sinnvoller Anlagen zur Vermögensbildung5. 1 Auf europäischer Ebene hat das Committee of European Securities Regulators (CESR) nach erfolgter Konsultation der Marktteilnehmer am 19.4.2010 zum Thema „Understanding the definition of advice under MiFID“ sowohl ein sog. „Feedback Statement“ (CESR/10-294) als auch „Questions and Answers“ (CESR/10-293) veröffentlicht, http://cesr.eu. Darin empfiehlt CESR ein Prüfungsschema, das in fünf Schritten eine Überprüfung, ob eine persönliche Empfehlung eines bestimmten Finanzinstruments vorliegt, ermöglicht. 2 Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung v. 12.11.2009 unter Ziff. 2, http://www.bafin.de. 3 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56; vgl. auch Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 45. 4 Vgl. den Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 7 KWG. 5 Ausführlich zur Abgrenzung „investment advice“ zu „corporate finance advice“ in CESR/10-294 v. 19.4.2010 (Box S. 13 f.) und CESR/10-293 v. 19.4.2010 (S. 15 ff.), veröffentlicht unter http://cesr.eu.
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Empfehlungen von Financial Services, zB Empfehlung eines bestimmten Brokers, sind nicht erfasst, da es hierbei nicht um Finanzinstrumente handelt.
3.144
Bei Bekanntgabe über sog. Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit handelt es sich nicht um eine Anlageberatung. Unter diese Ausnahme fallen regelmäßig Werbemaßnahmen, wenn diese geeignet und bestimmt sind, die Allgemeinheit, also einen individuell nicht bestimmbaren Personenkreis zu erreichen (zB Ratschläge in der Presse). Postsendungen, die nur an Einzelne oder an einen bestimmten, zuvor festgelegten Personenkreis adressiert sind, fallen hingegen – auch wenn es sich hierbei um mehrere gleich lautende Mitteilungen handelt – nicht unter diese Ausnahme1.
3.145
bb) Explorationspflichten Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen kann dem Kunden nur dann geeignete Finanzinstrumente bzw. Wertpapierdienstleistungen empfehlen, wenn es sich zuvor ein umfassendes Bild von seinen Erkenntnissen und Erfahrungen in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, seinen Anlagezielen und seinen finanziellen Verhältnissen gemacht hat. Im Rahmen der Anlageberatung ist das Wertpapierdienstleistungsunternehmen daher nach § 31 Abs. 4 Satz 1 WpHG zur Einholung solcher Kundenangaben verpflichtet (sog. Explorationspflicht).
3.146
In Bezug auf die Anlageziele und die finanziellen Verhältnisse bestimmt § 6 Abs. 1 WpDVerOV, welche Informationen konkret einzuholen sind. Welche Einzelinformationen im Rahmen der Exploration der kundenseitigen Kenntnisse und Erfahrungen einzuholen sind, regelt schließlich § 6 Abs. 2 WpDVerOV2.
3.147
Für die Einholung der Kundenangaben ist keine bestimmte Form vorgesehen. Aus Dokumentations- und Beweisgründen wird dies allerdings regelmäßig schriftlich erfolgen. In der Praxis werden die Informationen – meist elektronisch – mit Hilfe standardisierter Erfassungsbögen (sog. WpHG-Bögen) eingeholt, die vom Anlageberater in Anwesenheit des Kunden nach dessen Angaben ausgefüllt werden. Dabei darf der Kunde nicht dazu verleitet werden, Angaben zurückzuhalten (§ 6 Abs. 2 Satz 2 WpDVerOV). Eine Unterschrift des Kunden ist nicht notwendig, wenn auch einzelne Wertpapierdienstleister dies eher aus „kundenpsychologischen“ Erwägungen vorsehen.
3.148
Die Explorationspflicht findet ihre Grenzen in der Erforderlichkeit der Angaben. Sowohl § 31 Abs. 4 WpHG als auch die konkretisierenden Bestimmungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 WpDVerOV enthalten jeweils ausdrücklich den Vor-
3.149
1 Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung v. 12.11.2009 unter Ziff. 5, http://www.bafin.de. 2 Die einzuholenden Informationen können im Einzelnen § 6 Abs. 1 und Abs. 2 WpDVerOV entnommen werden. Ausführlich hierzu Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 46–48; Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 217–235; Braun/ Lang/Loy in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 117 ff.
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behalt der Erforderlichkeit. Es sind „nur“ diejenigen Informationen einzuholen, die erforderlich sind, um den Kunden ein für sie geeignetes Finanzinstrument bzw. Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können. Hieran gemessen sind Informationen nur dann einzuholen, wenn und soweit sie nicht bereits beim Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorliegen, beispielsweise durch ein früheres aussagekräftiges Anlageverhalten des Kunden1. Auf Grund der zweifelhaften Aussagekraft der Information ist insbesondere die in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpDVerOV vorgegebene Pflicht zur Erkundigung über die Ausbildung, sowie die gegenwärtigen und früheren relevanten beruflichen Tätigkeiten des Kunden kritisch am Vorbehalt der Erforderlichkeit zu messen. In einer Parallelwertung zur Rechtsprechung des BGH ist der Beruf nicht notwendigerweise ein Indiz für einen bestimmten Kenntnisstand. Hiernach soll beispielsweise die Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Notar für sich gesehen noch kein Indiz für entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen sein2. Gleiches gilt für die Ausbildung des Kunden, die für die aktuell vorliegenden Kenntnisse und Erfahrungen von Bedeutung sein kann aber eben nicht muss3.
3.150
Bedient sich der Kunde – in der Regel über eine Depotvollmacht – eines Vertreters stellt sich die Frage ob und inwieweit im Rahmen der Exploration auf diesen abgestellt werden kann. Im Hinblick auf die Erkenntnisse und Erfahrungen wird unter Zugrundelegung des allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatzes der Wissenszurechnung (§ 166 BGB) auf die Person des Vertreters abzustellen sein. Anders bei der Erkundigung nach den finanziellen Verhältnissen und den Anlagezielen. Hier hat sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ausschließlich an den Vorgaben des Depotinhabers als Vertragspartner zu orientieren4.
3.151
Nach § 31 Abs. 6 WpHG darf sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen grundsätzlich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Kundenangaben verlassen. Es besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Überprüfung und auch keine Nachforschungspflicht5. Dies gilt dann nicht, wenn ihm die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist.
3.152
Erlangt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht alle Informationen, die für die Empfehlung geeigneter Finanzinstrumente erforderlich sind, darf es im Zusammenhang mit einer Anlageberatung kein Finanzinstrument empfehlen (Empfehlungsverbot des § 31 Abs. 4 Satz 3 WpHG). Dies gilt selbst dann, wenn sich der Kunde der Aufforderung, erforderliche Angaben zu bestimmten Punkten zu erteilen, ausdrücklich verweigert6. 1 2 3 4 5 6
Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 49. BGH v. 28.9.2004 – XI ZR 259/03, WM 2004, 2205 (2207). Braun/Lang/Loy in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 121 f. Vgl. Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 209 mwN. Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 203 mwN. Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 52. Insofern löst nicht jede Verweigerung des Kunden, einzelne Angaben zu machen, automatisch ein Empfehlungsverbot aus. Vielmehr ist zu prüfen, ob die fehlende Angabe im konkreten Fall für die Empfehlung geeigneter Finanzinstrumente tatsächlich erforderlich ist.
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cc) Geeignetheitstest Im Rahmen der Empfehlung geeigneter Finanzinstrumente hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf der durch die Exploration geschaffenen Informationsgrundlage einen sog. Geeignetheitstest („suitability-test“) durchzuführen. Die Geeignetheit beurteilt sich danach, ob das konkrete Geschäft das dem Kunden empfohlen wird, den Anlagezielen des betreffenden Kunden entsprich, die hieraus erwachsenden Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind und der Kunde mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die hieraus erwachsenden Risiken verstehen kann (§ 31 Abs. 4 Satz 2 WpHG). Ein Geschäft kann für den Kunden im Ergebnis aus verschiedenen Gründen ungeeignet sein, so beispielsweise auf Grund der damit verbundenen spezifischen Risiken, der Geschäftsart (zB short sales) oder der vorgesehenen Häufigkeit des Handels.
3.153
Bei professionellen Kunden iS des § 31a Abs. 2 WpHG („geborene“ professionelle Kunden)1 profitiert das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen seiner Pflichten aus § 31 Abs. 4 WpHG von den Erleichterungen des § 31 Abs. 9 WpHG. Danach darf davon ausgegangen werden, dass Kunden dieser Kategorie für Produkte und Geschäfte, für die sie als professionell eingestuft sind, über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die mit den Geschäften einhergehenden Risiken zu verstehen und dass für sie etwaige mit dem Geschäft einhergehende Anlagerisiken entsprechend ihren Anlagezielen tragbar sind. Die Geeignetheitsprüfung hat daher bei diesen Kunden nur noch mit Blick darauf zu erfolgen, ob ein Produkt oder ein im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung zu tätigendes Geschäft den Anlagezielen des Kunden entspricht.
3.154
Ungeachtet des Umstandes, dass § 31 Abs. 9 WpHG diese Erleichterung ausschließlich für „geborene“ professionelle Kunden normiert, dürfte sie auch für solche Kunden gelten, die nachträglich auf Grund einer Herauf- oder Herabstufung nach § 31a Abs. 7 oder Abs. 5 WpHG professioneller Kunde sind2. Unterschiedslos alle professionellen Kunden erfüllen die gruppentypische Charakteristik, dass es sich um Kunden handelt, bei denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen davon ausgehen kann, dass sie über hinreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um ihre Anlageentscheidungen zu treffen und damit verbundene Risiken angemessen beurteilen zu können. Hier gleichen sich die Wortlaute des § 31 Abs. 2 und des Abs. 7 WpHG in den wesentlichen Punkten.
3.155
b) Finanzportfolioverwaltung Nach der gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 3 Nr. 7 WpHG umfasst die Finanzportfolioverwaltung die Verwaltung Einzelner oder mehrerer in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum. 1 Zu diesem Typ des professionellen Kunden vgl. Clouth/Seyfried in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 42 ff. 2 Vgl. Braun/Lang/Loy in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 119; dem folgend auch Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 200.
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Wertpapieraufsichtsrecht
3.157
Da, wie oben schon erwähnt, die Finanzportfolioverwaltung mit der Anlageberatung in § 31 Abs. 4 WpHG sowie den diese Regelung konkretisierenden Bestimmungen jeweils gemeinsam geregelt ist, gilt im Grundsatz das soeben zur Anlageberatung Beschriebene.
3.158
Auch der Vermögensverwalter unterliegt der Explorationspflicht des § 31 Abs. 4 WpHG iVm. § 6 WpDVerOV. Im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung lassen sich die Grenzen der Erforderlichkeit bestimmter Angaben jedoch ggf. enger ziehen als bei der Anlageberatung1. § 31 Abs. 6 und Abs. 9 WpHG greifen auch im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung.
3.159
Die Pflicht zur Durchführung eines Geeignetheitstest („suitability-test“) besteht im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung in zwei unterschiedlichen Situationen2. Zunächst muss vor Abschluss dieser Wertpapierdienstleistung die Empfehlung der Wertpapierdienstleistung Finanzportfolioverwaltung sowie die damit verbundene Anlagestrategie für den Anleger geeignet sein. Schließlich müssen die vom Vermögensverwalter im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung veranlassten konkreten Tansaktionen nach der vereinbarten Anlagestrategie für das Portfolio geeignet sein. Im Rahmen des letztgenannten „transaktionsbezogenen“ Geeignetheitstests dürfte ein abstrakterer Prüfungsmaßstab als bei der einzelgeschäftsbezogenen Anlageberatung zulässig sein. Im Unterschied zur Anlageberatung wurde hier bereits eine für die individuellen Verhältnisse des Kunden geeignete Form der Finanzportfolioverwaltung bzw. eine geeignete Anlagestrategie vereinbart. Maßstab für die Prüfung der Eignung der einzelnen Transaktion bei Durchführung der Finanzportfolioverwaltung ist somit die Einhaltung der mit dem Kunden vereinbarten Anlagestrategie3.
5. Pflichten im Rahmen des beratungsfreien Geschäfts
3.160
Im Gegensatz zur Anlageberatung bzw. Finanzportfolioverwaltung verlässt sich der Kunde im beratungsfreien Geschäft nicht auf eine Beratungsleistung oder die Expertise eines Vermögensverwalters bei der Verwaltung des Portfolios. Korrespondierend hierzu sind bei dieser Wertpapierdienstleistung die Anforderungen an die Fürsorgepflichten reduziert. a) Explorationspflichten
3.161
So besteht zwar auch hier die Pflicht, die erforderlichen Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Geschäfte mit be1 Vgl. hierzu Teuber/Müller in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 230 ff., die bestimmten Angaben keine bzw. relativierte Bedeutung zukommen lassen wollen; nicht so weitgehend hingegen Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 269 ff. 2 Teuber/Müller in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 230; zustimmend Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 269 ff. 3 Teuber/Müller in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 246; so auch Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 274 ff.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
stimmten Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen einzuholen. Allerdings ist es nicht erforderlich, Angaben zu Anlagezielen und den finanziellen Verhältnissen des Kunden zu erfragen (§ 31 Abs. 5 Satz 1 WpHG). Macht der Kunde die erforderlichen Angaben nicht, löst dies im Gegensatz zur Anlageberatung bzw. Finanzportfolioverwalung kein Handlungsverbot aus. Erlangt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht die erforderlichen Informationen, um die Angemessenheit eines Finanzinstruments für den Kunden beurteilen zu können, darf es eine Wertpapierorder im beratungsfreien Geschäft dennoch ausführen (§ 31 Abs. 5 Satz 4 WpHG). Es muss den Kunden jedoch darüber informieren, dass eine Beurteilung der Angemessenheit nicht möglich ist. Diese Information kann nach § 31 Abs. 5 Satz 5 WpHG in standardisierter Form erfolgen.
3.162
Die Angaben des Kunden zu seinen Kenntnissen und Erfahrungen haben die gleichen Informationen wie bei Vorliegen einer Anlageberatung zu beinhalten (§ 6 Abs. 2 WpDVerOV). Auch hier findet der Umfang der einzuholenden Angaben seine Grenze in der Erforderlichkeit der Information für die Beurteilung der Angemessenheit von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen für den Kunden.
3.163
b) Angemessenheitstest Auf der Grundlage der vorliegenden Kundenangaben führt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im beratungsfreien Geschäft den sog. Angemessenheitstest („appropriateness-test“) durch. Die Angemessenheit beurteilt sich danach, ob der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken im Zusammenhang mit der Art der Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen angemessen beurteilen zu können (§ 31 Abs. 5 Satz 2 WpHG).
3.164
Gelangt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Grund der Angaben des Kunden zu der Auffassung, dass das vom Kunden gewünschte Finanzinstrument oder die Wertpapierdienstleistung für den Kunden nicht angemessen ist, hat es darauf hinzuweisen (§ 31 Abs. 5 Satz 3 WpHG). Auch dieser Hinweis kann nach § 31 Abs. 5 Satz 5 WpHG in standardisierter Form erfolgen.
3.165
Die Erleichterung des § 31 Abs. 9 WpHG, wonach ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen davon ausgehen darf, dass professionelle Kunden1 für Produkte und Geschäfte, für die sie als professionell eingestuft sind, über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die mit den Geschäften einhergehenden Risiken zu verstehen und dass für sie etwaige mit dem Geschäft einhergehende Anlagerisiken entsprechend ihren Anlagezielen tragbar sind, gilt nach dem Wortlaut der Regelung nur für § 31 Abs. 4 WpHG und
3.166
1 Zur Frage, ob sich die Erleichterung des § 31 Abs. 9 WpHG auch auf Kunden erstreckt, die durch Herauf- oder Herabstufung professionell geworden sind siehe oben unter Rz. 3.155.
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Wertpapieraufsichtsrecht
somit nicht ausdrücklich für das beratungsfreie Geschäft. Dennoch wird die Erleichterung auch im Rahmen des § 31 Abs. 5 WpHG greifen, da es nicht sachgerecht ist, in einem Bereich, wo der Kunde den höchsten Standard an Fürsorgepflichten genießt, die Erleichterung zuzulassen, um die Erleichterung dann im Bereich mit reduzierten Pflichten zu versagen1. Damit entfällt für professionelle Kunden die Pflicht zur Prüfung der Angemessenheit.
6. Pflichten im Rahmen des reinen Ausführungsgeschäfts (Execution Only)
3.167
Im Rahmen des reinen Ausführungsgeschäfts sind die Fürsorgepflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens gegenüber dem Kunden im Vergleich zum beratungsfreien Geschäft nochmals reduziert.
3.168
§ 31 Abs. 7 WpHG ermöglicht dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen seine Tätigkeit auf die reine Ausführung des vom Kunden gewünschten Geschäfts in einem bestimmten Finanzinstrument zu reduzieren, ohne dass zuvor Kundenangaben eingeholt und bewertet werden müssen.
3.169
Dieses „Execution-only-Privileg“ ist jedoch an verschiedene Voraussetzungen geknüpft.
3.170
Im Rahmen dieser Wertpapierdienstleistungen dürfen nach § 31 Abs. 7 Nr. 1 das Finanzkommissionsgeschäft und die Abschluss- und Anlagevermittlung getätigt werden sowie der Eigenhandel betrieben werden2.
3.171
Die betreffende Wertpapierdienstleistung muss auf Veranlassung des Kunden erbracht werden. Nach Erwägungsgrund 30 MiFID3 ist dies nicht der Fall, wenn der (potentielle) Kunde die Dienstleistung als Reaktion auf eine an ihn persönlich gerichtete Mitteilung der Wertpapierfirma anfordert, mit der er zum Kauf eines bestimmten Finanzinstruments aufgefordert wird oder bewogen werden soll.
3.172
Die betreffende Wertpapierdienstleistung muss sich darüber hinaus auf sog. „nicht komplexe Finanzinstrumente“ beziehen. § 31 Abs. 7 Nr. 1 WpHG nennt hierzu beispielhaft Aktien, die zum Handel an einem organisierten Markt oder einem gleichwertigen Markt zugelassen sind, Geldmarktinstru1 So im Ergebnis auch Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 57 (analoge Anwendung); Braun/Lang/Loy in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 183 (die darauf hinweisen, dass zwar § 31 Abs. 9 Satz 2 WpHG, der ausdrücklich § 31 Abs. 5 WpHG von der Geltung für professionelle Kunden ausnahm, im Gesetzgebungsverfahren vom Finanzausschuss ersatzlos gestrichen wurde, jedoch damit keine inhaltliche Änderung beabsichtigt gewesen sei); aA Ekkenga in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, Effektengeschäft Rz. 382. 2 Die gesetzlichen Definitionen dieser Dienstleistungen finden sich im Katalog der Wertpapierdienstleistungen des § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG. 3 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff.; näher zu dieser Voraussetzung Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 62.
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mente, Schuldverschreibungen und andere verbriefte Schuldtitel ohne derivatives Element und OGAW-Fonds. Die Einzelheiten der Bestimmung sonstiger nicht-komplexer Finanzinstrumente regelt schließlich § 7 WpDVerOV1. Schließlich muss der Kunde informiert werden, dass die Wertpapierfirma nicht prüft, ob das betreffende Finanzinstrument für ihn angemessen ist. Dieser Warnhinweis kann auch in standardisierter Form erfolgen (§ 31 Abs. 7 Nr. 2 WpHG).
3.173
7. Berichtspflichten Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind nicht nur verpflichtet, ihre Kunden im Vorfeld von Geschäftsabschlüssen und Wertpapierdienstleistungen zu informieren. Sie haben darüber hinaus auch nachgelagerte Berichtspflichten.
3.174
§ 31 Abs. 8 WpHG verpflichtet Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ihren Kunden in geeigneter Form über die ausgeführten Geschäfte oder die erbrachte Finanzportfolioverwaltung zu berichten. Eine zivilrechtliche Dokumentationspflicht wird hierdurch nicht begründet2.
3.175
§ 31 Abs. 8 WpHG gilt im Grundsatz für alle Kategorien von Kunden in gleicher Weise. Jedoch enthalten die §§ 8, 9 WpDVerOV bis ins Einzelne konkretisierende Regelungen, die zum Teil weiterreichende Vorgaben für Geschäfte mit Privatkunden enthalten. Dabei regelt § 9 WpDVerOV die Berichtspflichten bei Finanzportfolioverwaltung und § 8 WpDVerOV die nicht auf die Finanzportfolioverwaltung bezogenen Berichte.
3.176
a) Berichtspflichten außerhalb der Finanzportfolioverwaltung Nach § 8 Abs. 1 WpDVerOV sind dem Kunden unverzüglich nach Ausführung des Auftrags die wesentlichen Informationen über dessen Ausführung zu übermitteln. Handelt es sich um einen Privatkunden, so ist diesem nach § 8 Abs. 2 WpDVerOV darüber hinaus unverzüglich, spätestens am ersten Geschäftstag nach Ausführung des Auftrags, eine Bestätigung der Auftragsausführung zu übermitteln. Sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Bestätigung der Ausführung von einem Dritten erhält, ist sie spätestens am ersten Geschäftstag nach Eingang dieser Bestätigung zu übermitteln.
3.177
Nach Ausführung des Auftrags meint den Abschluss des Ausführungsgeschäftes (Selling), nicht dessen Erfüllung (Settlement)3. Als Transortmedium für die Information ist jeweils ein dauerhafter Datenträger (vgl. § 3 WpDVerOV) zu verwenden. Dabei kann die Information nach § 8 Abs. 1 WpDVerOV mit der Information nach § 8 Abs. 2 WpDVerOV zeitlich zusammenfallen, wenn dadurch keine Verzögerung eintritt4.
3.178
1 2 3 4
Hierzu näher Fuchs in Fuchs, § 31 WpHG Rz. 305 ff. Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 65. Ekkenga in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, Effektengeschäft Rz. 494. Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 66.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
3.179
§ 8 Abs. 2 WpDVerOV listet in Nr. 1 bis 15 im Einzelnen auf, welche Angaben die Bestätigung der Auftragsausführung bei Geschäften mit Privatkunden enthalten muss.
3.180
Um Doppelmeldungen zu vermeiden sieht § 8 Abs. 2 Satz 4 WpDVerOV vor, dass die Berichtspflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens entfällt, wenn die Bestätigung der Auftragsausführung die gleichen Informationen enthalten würde wie eine Bestätigung, die dem Privatkunden unverzüglich von einer anderen Person zuzusenden ist.
3.181
Bei Fondssparplänen mit Privatkunden gilt hinsichtlich der Häufigkeit der Information eine Sonderregelung. Nach § 8 Abs. 5 WpDVerOV kann ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen zwischen zwei Alternativen wählen. Entweder es informiert unverzüglich über jede Orderausführung oder es lässt dem Privatkunden mindestens alle sechs Monate eine Sammelinformation zukommen. Inhaltlich gelten dieselben Anforderungen wie für die Ausführung von Einzelorders. b) Berichtspflichten bei Finanzportfolioverwaltung
3.182
Erbringt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Finanzportfolioverwaltung, hat es nach § 9 Abs. 1 WpDVerOV dem Kunden auf einem dauerhaften Datenträger periodisch eine Aufstellung der in seinem Namen erbrachten Finanzportfoliverwaltungsdienstleistungen zu übermitteln, es sei denn, eine derartige Aufstellung wird bereits von anderer Seite übermittelt.
3.183
Verlangt der Kunde Einzelmitteilungen über die jeweiligen Geschäfte, sind ihm die wesentlichen Informationen über das betreffende Geschäft unverzüglich nach dessen Ausführung durch den Finanzportfolioverwalter auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln (§ 9 Abs. 4 Satz 1 WpDVerOV).
3.184
Zugunsten von Privatkunden werden in § 9 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 WpDVerOV erweiterte Berichtspflichten statuiert1. So ist nach dem des Wortlaut in § 9 Abs. 2 Nr. 4 WpDVerOV, der anzugebende Gesamtbetrag der in dem Berichtszeitraum angefallenen Gebühren und Entgelte mindestens in Gesamtverwaltungsgebühren und Gesamtkosten aufzuschlüsseln. Eine weiter gehende Aufschlüsselung in Einzelpositionen ist auf dieser Ebene zunächst nicht erforderlich. Es steht dem Kunden natürlich frei, eine detaillierte Aufschlüsselung anzufragen, die ihm daraufhin dann zu übermitteln ist.
3.185
Nach § 9 Abs. 1 WpDVerOV hat die Berichterstattung „periodisch“ zu erfolgen. Handelt es sich um einen Privatkunden, sind zeitliche Mindestvorgaben für das Reporting zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 bis 3 WpDVerOV): Die Berichterstattung hat grundsätzlich alle sechs Monate zu erfolgen. Auf Wunsch des Kunden ist dieser Zeitraum auf drei Monate zu verkürzen; der Finanzportfolioverwalter hat den Kunden auf dieses Wahlrecht hinzuweisen.
1 Näher hierzu Teuber/Müller in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 281 f.
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Der Zeitraum der periodischen Aufstellung beträgt höchstens einen Monat, wenn der Finanzportfolioverwaltungsvertrag ein kreditfinanziertes Portfolio oder Finanzinstrumente mit Hebelwirkung zulässt1. Wurden im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung mit einem Privatkunden Schwellenwerte vereinbart und werden diese überschritten, sind dem Kunden entstandene Verluste spätestens am Ende des Geschäftstages, an dem der Schwellenwert überschritten wird, oder falls der Schwellenwert an einem geschäftsfreien Tag überschritten wird, am Ende des folgenden Geschäftstages mitzuteilen2 (§ 9 Abs. 5 iVm. § 8 Abs. 6 WpDVerOV). Mitzuteilen ist dabei nicht der Betrag, um den die Schwelle überschritten wird, sondern der sich ergebende Verlust. Wegen der Eilbedürftigkeit dürfte es dabei ausreichen, zunächst ad hoc das Überschreiten der Schwelle mitzuteilen und die sich ergebenden Verlustbeträge zu einem späteren Zeitpunkt nachzuliefern.
3.186
III. Spezielle Verhaltensregeln 1. Bearbeitung von Kundenaufträgen § 31c WpHG stellt Grundsätze für die Bearbeitung von Kundenaufträgen auf und konkretisiert damit für diesen Bereich die allgemeine, bereits aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (hierzu oben Rz. 3.98 ff.) folgende Interessenwahrungspflicht auf Seiten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen3.
3.187
Die Pflichten sind sowohl gegenüber Privatkunden als auch gegenüber professionellen Kunden einzuhalten. Im Verhältnis zu geeigneten Gegenparteien gelten sie nicht (§ 31b Abs. 1 Satz 1 WpHG).
3.188
Dabei enthält § 31c Abs. 1 Nr. 1 bis 6 WpHG einen Katalog von sechs Einzelpflichten, die bei der Ausführung (Nr. 1 und Nr. 2), bei der Verbuchung (Nr. 3), im Zusammenhang mit erlangten Informationen über ausstehende Kundenaufträge (Nr. 5) und im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Aufträgen (Nr. 4 und Nr. 6) vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu berücksichtigen sind4.
3.189
1 Eine monatliche Berichtspflicht ergibt sich also nicht schon aus dem bloßen Umstand, dass das verwaltete Vermögen auch als Sicherheit für einen zu anderen Zwecken aufgenommenen Kredit dient. In Anlehnung an die gesetzliche Alternative Vorliegen eines „kreditfinanzierten Portfolios“ wird man den Begriff „Finanzinstrumente mit Hebelwirkung“ nicht auf jedes entsprechende Derivat ausdehnen müssen, sondern auf Termingeschäfte mit Nachschusspflichten beschränken können. 2 „Mitteilen“ wird man im Sinne von „die Mitteilung an den Kunden veranlassen“ (zB Absenden einer entsprechenden Information) verstehen müssen. Verstünde man „Mitteilen“ dahingehend, dass der der Kunde die Information am folgenden Geschäftstag schon erhalten haben muss, würde man Unmögliches verlangen. 3 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 65. 4 Näheres zu den einzelnen Pflichten bei Fuchs in Fuchs, § 31c WpHG Rz. 6 ff.; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31c WpHG Rz. 2 ff.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
3.190
Nach § 31c Abs. 1 Nr. 1 WpHG sind Kundenaufträge unverzüglich und redlich im Verhältnis zu anderen Kundenaufträgen und den Handelsinteressen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens auszuführen oder an Dritte weiterzuleiten. Die Pflicht zur unverzüglichen Ausführung besteht auch im Rahmen der privatrechtlichen Regelungen des Auftrags- und Kommissionsrechts wonach Aufträge ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) zu erfüllen sind1. Im Zentrum der Diskussionen steht insbesondere die Bestimmung des Zeitpunktes, bis zu dem beim Kommissionsgeschäft mit Kunden das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die geschuldete Leistungshandlung vorgenommen haben muss. Hier werden die Maßstäbe umso strenger sein müssen, je volatiler das Marktsegment und je konkreter sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Ausführungsgeschwindigkeit gegenüber seinen Kunden äußert. So sind Online- oder Discount-Broker gehalten, entsprechende technischen Voraussetzungen zu schaffen, beispielsweise die Leistungskapazität seines Systems der Nachfrage dahingehend anzupassen, dass nicht alleine wegen fehlender Kapazitäten eine rechtzeitige Umsetzung von Kundenorders entfällt2.
3.191
§ 31 Abs. 2 Nr. 4 WpHG bestimmt, dass bei der Zusammenlegung von Kundenaufträgen mit anderen Kundenaufträgen oder mit Aufträgen für eigene Rechnung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens die Interessen aller beteiligten Kunden zu wahren sind.
3.192
Welche Vorkehrungen hierzu konkret erforderlich sind, beschreibt im Einzelnen § 10 WpDVerOV. Der in § 10 Abs. 1 WpDVerOV festgeschriebene Pflichtenkatalog für Sammelaufträge, dh. Zusammenlegung von Kundenaufträgen mit Aufträgen anderer Kunden oder Eigengeschäften, schreibt neben organisatorischen Pflichten und Warnpflichten bezüglich möglicher Nachteile auch vor, dass eine Benachteiligung der betroffenen Kunden durch die Zusammenlegung unwahrscheinlich ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 WpDVerOV). Eine Benachteiligung unter Kostengesichtspunkten dürfte schon dann als unwahrscheinlich zu qualifizieren sein, wenn die in einer Sammelorder zusammengefassten Kundenaufträge unter Berücksichtigung der Transaktionskosten zumindest gleich günstig wie Einzelorders ausgeführt werden3.
3.193
Für Sammelaufträge, die aus einer Zusammenlegung von Kundenaufträgen mit Eigengeschäften, entstehen sind zusätzlich die weiter gehenden Vorgaben des § 10 Abs. 2 WpDVerOV zu beachten, wonach unter anderem zu gewährleisten ist, dass bei einer Teilausführung eines solchen Sammelauftrags die Kundenaufträge gegenüber den Eigengeschäften bevorzugt werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpDVerOV). Abweichend davon ist nach § 10 Abs. 2 Satz 2 WpDVerOV eine anteilige Zuordnung insoweit gestattet, als Kundenaufträge
1 Fuchs in Fuchs, § 31c WpHG Rz. 6. 2 Ekkenga in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, Effektengeschäft Rz. 476 mwN; hier auch weiter gehende Ausführungen zur Ausführungszeit bei Kommissions- und Festpreisgeschäften (Rz. 476 bis 483). 3 So auch Möllers in KölnKomm. WpHG, § 31 WpHG Rz. 96 zum WpHG aF; aA Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31c WpHG Rz. 5.
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3. Teil
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erst durch die Zusammenlegung überhaupt oder für den Kunden wesentlich vorteilhafter ausführbar sind. Als spezielle Informationspflichten im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Aufträgen sieht § 31c Abs. 1 Nr. 6 WpHG vor, dass geeignete Vorkehrungen zu treffen sind, um jeden betroffenen Kunden über die Zusammenlegung der Aufträge und damit verbundene Risiken und jeden betroffenen Privatkunden unverzüglich über alle dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen bekannten wesentlichen Probleme bei der Auftragsausführung zu informieren. Aus der Formulierung „jeden betroffenen“ Kunden, ist nicht zu schließen, dass die vorgesehenen Informationen von Fall zu Fall immer dann zu geben sind, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Zusammenlegung beabsichtigt oder dies entsprechend der Marktlage nahe liegt1. § 31c Abs. 1 Nr. 6 WpHG normiert eine allgemeine Informationspflicht2. Diese kann wie andere aufsichtsrechtlich geschuldete Informationen auch in standardisierter Form vor Vertragsschluss gegeben werden (§ 31 Abs. 3 Satz 2 WpHG). Alleine dadurch verlieren die Informationen nicht ihre Warnfunktion. Eine andere Wertung würde das WpHG-Konzept einer anlageformbezogene Basisaufklärung durch das Einstreuen jeweils anlassbezogener Informationspflichten unterlaufen3.
3.194
§ 31c Abs. 2 WpHG soll in Bezug auf nicht ausgeführte limitierte Kundenaufträge die Markttransparenz erhöhen und die Wahrscheinlichkeit einer Ausführung dieser Aufträge steigern. Die Regelung normiert daher für Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Offenlegungspflicht gegenüber dem Markt, für den Fall, dass limitierte Kundenaufträge in Bezug auf Aktien, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, auf Grund der Marktbedingungen nicht unverzüglich ausgeführt werden. Solche Kundenaufträge sind unverzüglich so bekannt zu machen, dass sie anderen Marktteilnehmern leicht zugänglich sind, soweit der Kunde keine andere Weisung erteilt. Dazu ist es ausreichend, wenn die Aufträge an einen organisierten Markt oder ein multilaterales Handelssystem weitergeleitet worden sind oder werden. Somit stellt neben dem elektronischen Handel auch der sog. Skontroführerhandel eine geeignete Möglichkeit der Weiterleitung dar4.
3.195
2. Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen (Best Execution) Bereits § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG normiert die grundsätzliche Verhaltenspflicht, Wertpapierdienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse des Kunden zu erbringen (näher hier1 So aber zum Hinweis nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31c WpHG Rz. 7, der lediglich im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung einen Hinweis in der Rahmendokumentation zulassen will. 2 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 67. 3 Vgl. zu diesem Thema auch Ekkenga in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, Effektengeschäft Rz. 362 und 364. 4 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 67.
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3.196
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
zu siehe Rz. 3.92 ff.). Durch die mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)1 eingeführte Regelung des § 33a WpHG wird diese allgemeine Verhaltenspflicht in Bezug auf die bestmögliche Auftragsausführung konkretisiert. Dabei werden in Verbindung mit § 11 WpDVerOV detaillierte organisatorische und inhaltliche Pflichten für eine solche Auftragsausführung normiert2.
3.197
Die Pflichten finden sowohl gegenüber Privatkunden als auch gegenüber professionellen Kunden Anwendung, wobei für Privatkunden spezielle Vorgaben gemacht werden. So sind bei diesen beispielsweise gesonderte Hinweispflichten zu beachten und es wird ausdrücklich das Gesamtentgelt für eine Auftragsausführung als maßgeblicher Faktor für die Bewertung bestimmt, ob ein bestmögliches Ergebnis erzielt worden ist (§ 33a Abs. 3 WpHG). Im Verhältnis zu geeigneten Gegenparteien findet § 33a WpHG keine Anwendung (§ 31b Abs. 1 Satz 1 WpHG).
3.198
§ 33a Abs. 1 WpHG legt den Anwendungsbereich und den grundsätzlichen Inhalt der Pflicht, das bestmögliche Ergebnis bei der Ausführung von Kundenaufträgen zu erzielen, fest. Diese Pflicht bezieht sich auf alle Finanzinstrumente und jede Art der Ausführung von Kundenaufträgen iS des WpHG. Damit unterliegt den Vorgaben auch die Ausführung von Aufträgen für eigene Rechnung iS von § 2 Abs. 3 Nr. 2 WpHG (Eigenhandel), womit Festpreisgeschäfte3 und Auftragsausführungen über ein Direktbanksystem mit einbezogen sind. Dagegen ist die iS von § 23 des Investmentgesetzes (InvG) über eine Depotbank erfolgende Ausgabe und die Rücknahme von Anteilen an Sondervermögen oder Investmentaktiengesellschaften und ausländischen Investmentvermögen, deren Vertrieb im Inland zulässig ist, keine Ausführung von Kundenaufträgen iS des § 33a Abs. 1 WpHG. Diese Wertung hat ihren Grund darin, dass der Abruf von Anteilsscheinen über eine Depotbank, dem Handel an einem Ausführungsplatz iS des § 33a WpHG nicht vergleichbar ist. Die Preisermittlung erfolgt nach 36 InvG, der einen angemessenen Kundenschutz gewährleistet und als lex specialis den Regelungen des § 33a WpHG vorgeht4.
3.199
Eine wesentliche Neuerung ist die Pflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die Grundsätze ihrer Ausführungspolitik (sog. Execution Policy) schriftlich zu fixieren. Diese Grundsätze müssen bestimmten, in § 33a Abs. 3
1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330. 2 Eine weitere Konkretisierung der Regelungen zu Best Execution enthält Modul BT 4 Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, veröffentlicht auf http://www.bafin.de. Ausführlich zum Thema Best Execution siehe Rz. 17.103 ff. 3 Bei Festpreisgeschäften ist die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung dahingehend auszulegen, dass die Konditionen der Marktlage entsprechen müssen; so ausdrücklich Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 73. 4 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 72.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
WpHG festgelegten Kriterien (zB Preise der Finanzinstrumente, Geschwindigkeit und Wahrscheinlichkeit der Ausführung) genügen und durch § 33a Abs. 5 WpHG vorgegebene Mindestangaben (zB Liste der wichtigsten Ausführungsplätze) enthalten. Sie sind mindestens jährlich zu überprüfen. Den Kunden ist eine Zusammenfassung der Grundsätze in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen. Die Pflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens besteht darin, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, wozu insbesondere die Grundsätze zur Auftragsausführung gehören, die sicherstellen, dass das bestmögliche Ergebnis erreicht werden kann. Dabei ist zu gewährleisten, dass bei Ausführung eines jeden Kundenauftrags nach diesen Grundsätzen verfahren werden wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei jedem einzelnen ausgeführten Kundenauftrag tatsächlich das bestmögliche Ergebnis erzielt werden muss1.
3.200
Führt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Auftrag eines Kunden gemäß dessen ausdrücklicher Weisung aus, so gilt nach § 33a Abs. 4 WpHG die Pflicht zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses entsprechend dem Umfang der Weisung als erfüllt. Der Kunde kann sowohl Einzelweisungen als auch generelle Weisungen erteilen, solange es sich um individuelle Absprachen handelt2. Eine seitens des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Weisung ist demnach nicht gesetzeskonform. Privatkunden ist nach § 33a Abs. 6 Nr. 2 WpHG der Hinweis zu geben, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Falle einer Kundenweisung den Auftrag entsprechend der Weisung ausführt und insoweit nicht verpflichtet ist, den Auftrag entsprechend seinen Grundsätzen zur Auftragsausführung zum bestmöglichen Ergebnis auszuführen.
3.201
Die Vorgaben zur bestmöglichen Auftragsausführung sind entsprechend auch dann anzuwenden, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Aufträge seiner Kunden an ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Ausführung weiterleitet oder Finanzportfolioverwaltung betreibt, ohne die Entscheidungen selbst auszuführen. Die in diesem Falle geltenden Mindestanforderungen ergeben sich aus § 33a Abs. 8 WpHG. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat in seinen Ausführungsgrundsätzen unter Beachtung der in § 33a Abs. 2 und 3 WpHG normierten Kriterien für jede Gruppe von Finanzinstrumenten diejenigen Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu bestimmen bzw. auszuwählen, welche mit der Ausführung der Wertpapieraufträge beauftragt werden (Auswahlgrundsätze). In den Auswahlgrundsätzen sind die wesentlichen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die mit der Ausführung der Wertpapieraufträge beauftragt wurden, namentlich zu benennen. Die Auswahl des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, welches mit der Ausführung beauftragt wird, hat hierbei insbesondere anhand dessen Ausführungsgrundsätzen zu erfolgen. Hierbei ist zu überprüfen, ob die Ausführungsgrundsätze des beauftragten Wertpapierdienstleistungsunternehmens
3.202
1 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 72. 2 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 72.
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eine bestmögliche Ausführung der Wertpapieraufträge gewährleisten und die Kundeninteressen in ausreichendem Maße berücksichtigt werden1. Es ist Aufgabe des Finanzportfolioverwalters sicherzustellen, dass der ausgewählte Dritte geeignete Vorkehrungen trifft, um seinen Pflichten zur bestmöglichen Ausführung zu genügen. Hierzu hat der Finanzportfolioverwalter nach § 33a Abs. 8 WpHG angemessene Vorkehrungen zu treffen, beispielsweise regelmäßig überwachen, ob der ausgewählte Dritte die Aufträge im Einklang mit den getroffenen Vorkehrungen ausführt und bei Bedarf etwaige Mängel beheben (§ 33a Abs. 8 Nr. 3 WpHG).
3. Annehmen oder Gewähren von Zuwendungen
3.203
§ 31d WpHG enthält Regelungen zu Interessenkonflikten, die durch die Annahme oder Gewährung von Zuwendungen begründet werden können2. Danach ist die Annahme von Zuwendungen aller Art von Dritten oder deren Gewährung an Dritte nur unter bestimmten engen Voraussetzungen gestattet3.
3.204
Bei Anwendung dieser aufsichtsrechtlichen Bestimmung in der Praxis des kundenbezogenen Wertpapier- und Derivategeschäfts werden Wertpapierdienstleistungsinstitute immer auch die zivilrechtlichen Vorgaben im Blick haben müssen, die der BGH in seinen grundlegenden Entscheidungen zum Thema Offenlegungspflichten bei Rückvergütungen entwickelt hat und die sich mittlerweile in einer Vielzahl instanzgerichtlicher Entscheidungen widerspiegelt4. Die darin behandelten Rückvergütungen sind häufig auch als Zuwendungen iS des § 31d WpHG einzustufen. a) Anwendungsbereich
3.205
Die Vorgaben des § 31d WpHG gelten für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen iS des § 2 Abs. 4 WpHG, soweit sie Wertpapierdienstleistungen aus dem Katalog des § 2 Abs. 3 WpHG oder Wertpapiernebendienstleistungen aus dem Katalog des § 2 Abs. 3a WpHG gegenüber professionellen Kunden oder 1 BT 4.4. Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, veröffentlicht auf http://www.bafin.de. 2 Zum Thema Umgang mit Inducements wurde auf europäischer Ebene (CESR/10-295) am 19.4.2010 ein „Report on good and poor practices“ veröffentlicht. Dieses Lamfalussy Level 3 Papier soll den Markteilnehmern die Meinung von CESR zu bestimmten „industry practices on MiFID iducement rules“ zur Kenntnis geben und insoweit als benchmark dienen. Es ist nicht unmittelbar rechtlich verpflichtend, wird jedoch auch von der BaFin als Erkenntnisquelle herangezogen werden. 3 Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen dem grundsätzlichen Verbot und der ausnahmsweisen Zulässigkeit bei kumulativer Erfüllung vorgegebener Kriterien. 4 Ausführlicher Exkurs zu diesen zivilrechtlichen Offenlegungspflichten bei den Ausführungen zu den aufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten nach § 31 Abs. 3 WpHG, Rz. 3.131 ff.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Privatkunden erbringen. Im Verhältnis zu geeigneten Gegenparteien findet die Regelung keine Anwendung (§ 31b Abs. 1 Satz 1 WpHG). b) Begriff der Zuwendungen aa) Gesetzliche Definition (§ 31d Abs. 2 WpHG) § 31d Abs. 2 WpHG definiert Zuwendungen schon im Ansatzpunkt weit gefasst als Provisionen, Gebühren oder sonstige Geldleistungen sowie alle geldwerten Vorteile.
3.206
Der Begriff der Zuwendung ist weit auszulegen, da die Interpretation des § 31d WpHG richtlinienkonform im Kontext von Art. 19 Abs. 1 MiFID (ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Kunden) vorgenommen werden muss. Daher sind auch marktübliche Zahlungen („standard commissions and fees“) erfasst; die tatsächliche Beeinflussung oder Intention des Zuwendenden den Empfänger zu beeinflussen ist nicht erforderlich1.
3.207
Als Beispiele für im Markt heute übliche Geldleistungen sind die transaktionsbezogen Zahlungen, wie Platzierungsprovision im Primärmarktgeschäft mit Zertifikaten oder auch bestandsbezogene Zahlungen, wie Vertriebsfolgeprovision bei Investmentfonds oder Zertifikaten, zu nennen.
3.208
Geldwerte Vorteile sind solche Vorteile, die für Geld erworben werden können bzw. für die ein Entgelt gezahlt wird. Damit sind auch immaterielle Leistungen erfasst, sofern sie einen materiellen Wert haben. Hierunter ist beispielsweise auch die Erbringung von Dienstleistungen, die Übermittlung von Finanzanalysen, das Überlassen von IT-Hardware oder Software oder die Durchführung von Schulungen zu fassen. Die Reduzierung von Gebühren und anderen Kosten durch einen Dritten ist dann als geldwerter Vorteil anzusehen, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen seinem Kunden diese Gebühren oder Kosten in vollem Umfang in Rechnung stellt2.
3.209
Eine Bagatellgrenze ist zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, wird aber in der Sache anzuerkennen sein. Im Zusammenhang der Behandlung von Zahlungen an sog. „relevant persons“, die für eine Bank Wertpapierdienstleistungen erbringen, findet sich in den CESR-Recommendations zu „Inducements under MiFID“ der Hinweis, „small gifts and minor hospitality“ seien irrelevant3. Dies erscheint eine sinnvolle Wertung, sofern eine potentielle Gefährdung der Unvoreingenommenheit der Bank angesichts der Geringfügigkeit und der Art der Zuwendung bei realistischer Betrachtung von vornherein ausgeschlossen scheint4.
3.210
1 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 4 (zu „standard commissions and fees“) und 5: „Art. 26 should not be treated as applying only to payments or receipts that are made with the purpose or intent to influence the actions of a firm.“; auch Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31d WpHG Rz. 2. 2 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 67. 3 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 5. 4 Fuchs in Fuchs, § 31d WpHG Rz. 9; im Ergebnis auch Wätke/Kopka, WPg 2010, 520 (526).
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Wertpapieraufsichtsrecht
bb) Ausnahme (§ 31d Abs. 5 WpHG)
3.211
In § 31d Abs. 5 WpHG findet sich eine sachgerechte, am Regelungszweck orientierte Eingrenzung des weit geratenen Zuwendungsbegriffs1.
3.212
Gebühren und Entgelte, die die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen erst ermöglichen oder dafür notwendig sind, und die ihrer Art nach nicht geeignet sind, die Erfüllung der Pflicht nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu gefährden, sind vom Verbot des § 31d Abs. 1 WpHG ausgenommen. Hierzu gehören insbesondere Entgelte für die Verwahrung von Finanzinstrumenten, die Abwicklung von Geschäften oder die Nutzung von Handelsplätzen, behördliche Kosten oder gesetzliche Gebühren2. Allerdings ist diese sich aus der Gesetzesbegründung ergebende Aufzählung beispielhaft und nicht abschließend, so dass durch die Anwendung der in § 31d Abs. 5 WpHG genannten Kriterien auch weitere Zahlungen als sog. „proper fees“ eingestuft werden können. Bei Anwendung der Kriterien kommt es nicht darauf an, ob eine Gebühr bzw. ein Entgelt im Ergebnis das Kundeninteresse gefährdet. Es ist schon auf die Eignung auf Grund der Art der Zahlung abzustellen. So können insbesondere auch marktübliche Zuwendungen schon ihrer Art nach geeignet sein, das Einhalten der Pflicht im Kundeninteresse zu handeln, zu gefährden3. Liegt die Zuwendung dagegen qua Natur der Sache im Kundeninteresse, wie beispielsweise bei der Erstattung von Abwicklungskosten an die Depotbank bei Kapitalmaßnahmen von Emittenten, dürfte der Ausnahmetatbestand greifen4. In der Regel kommen als „proper fees“ ausschließlich Zahlungen Betracht, die von Wertpapierdienstleistungsunternehmen an Dritte gewährt werden5. cc) Drittbezug als Merkmal der Zuwendung
3.213
§ 31d Abs. 1 Satz 1 WpHG bezieht sich ausdrücklich auf Zuwendungen „von Dritten“ bzw. auf Zuwendungen „an Dritte“. Nach dem Wortlaut des § 31d Abs. 1 Satz 2 WpHG liegt eine Zuwendung iS des Satz 1 nicht vor, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen diese von einem Dritten, der dazu vom Kunden beauftragt worden ist, annimmt oder sie einem solchen Dritten gewährt.
3.214
Anknüpfend an den Wortlaut des § 31d Abs. 1 Satz 2 WpHG, eine Zuwendung liege „nicht vor, wenn [...]“, ist der Drittbezug aus tatbestandsbildendes Merkmal zu behandeln.
3.215
Dritte sind alle außerhalb des (vertraglichen) Verhältnisses zwischen Kunde der Dienstleistung und dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen stehenden Personen oder Unternehmen6. 1 2 3 4 5
Fuchs in Fuchs, § 31d WpHG Rz. 12. Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 67. CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 7. Vgl. BdB-Leitfaden zur Umsetzung der MiFID (Version 2.0), S. 182. CESR/10-295 v. 19.4.2010 (Inducements: Report on good and poor practices) enthält auf S. 14 ff. weitere Positiv- und Negativbeispiele für „proper fees“. 6 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 67. So auch Fuchs in Fuchs, § 31d WpHG Rz. 19.
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Auch eine rechtliche selbständige Konzerntochter ist im Verhältnis zum Mutterunternehmen oder anderen Konzerngesellschaften als Dritter anzusehen. Die dadurch bewirkte Einbeziehung der sog. intra-group inducements in den Zuwendungsbegriff verhindert, dass unter dem Gesichtspunkt der Zuwendungen das System der „Open Architecture“, bei dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht nur konzerneigene, sondern auch Drittprodukte vertreiben, benachteiligt wird1. Interne Zahlungen zwischen einzelnen unselbständigen Bereichen eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, dh. innerhalb derselben juristischen Person, sind hingegen nicht erfasst, wobei sich hier allerdings die Frage nach der ordnungsgemäßen Behandlung unternehmensinterner Interessenkonflikte nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG stellt2. In diese Fallgruppe fallen beispielweise die in einer Universalbank zwischen Emittentenseite und Vertriebsseite erfolgenden bankinternen Verrechnungen von Erträgen aus Produktmargen.
3.216
Entsprechend der Klarstellung in § 31d Abs. 1 Satz 2 WpHG, ist eine für die Annahme oder Gewährung vom Kunden beauftragte Person nicht als Dritter anzusehen. Hiermit werden solche Fälle aus dem Anwendungsbereich des § 31d WpHG ausgeschlossen, in denen der Kunde selbst den Auftrag erteilt hat, entsprechende Zuwendungen zu gewähren oder zu vereinnahmen3. Voraussetzung für einen solchen (spezifischen) Auftrag ist, dass sich der Kunde der Zahlungen und ihrer Begleitumstände bewusst ist, und eine entsprechende klare hierauf bezogene Bevollmächtigung des Kunden vorliegt4. Die im Auftrag des Kunden geflossene Zuwendung muss am Ende nicht nur rechtstechnisch, sondern auch materiell eine Leistung des Kunden oder an den Kunden sein. Im Ausgangspunkt muss der beauftragte Dritte hierfür im Lager des Kunden stehen5.
3.217
Die Frage, ob auch Zuwendungen an natürliche Personen, die als Organmitglieder oder Angestellte auf Seiten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens tätig sind, vom Verbot der Drittzuwendungen erfasst sind, bedarf einer differenzierten Betrachtung. Die Regelung des § 31d WpHG richtet sich unmittelbar nur an das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst. Für eine grundsätzliche Erfassung auch der Organmitglieder und Angestellten sprechen
3.218
1 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 4 stellt insofern klar, dass „(...) payments made between distinct legal entities pertaining to the same group which only offer their own products are treated the same way as payments in the context of open architecture firms.“ 2 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 5: „(...) does not deal with payments made within the investment firm, such as internal bonus programmes, even though these could give rise to a conflict of interest (...)“. 3 Ausführlich zu § 31d Abs. 1 Satz 2 WpHG Fuchs in Fuchs, § 31d WpHG Rz. 21–23. 4 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 6: „(...) clear payment instruction, agency agreement, or the other person is acting as a ,mere conduit‘ for the payment“; vgl. auch Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31d WpHG Rz. 6. 5 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 6: „(...) independent third party who has no relevant connection with the investment firm regarding the investment service provided to the client, such as an accountant or lawyer, acting on behalf of the client“; vgl. auch Fuchs in Fuchs, § 31d WpHG Rz. 23.
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3. Teil
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allerdings die deutschen Regelungen über die Zurechnung des Verhaltens von Mitarbeitern zu ihrem Unternehmen. Grundvoraussetzung für eine Zurechnung ist zunächst, dass die begünstigte natürliche Person „für“ das Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelt1. Erfolgt die Zuwendung ausschließlich im privaten Umfeld des Angestellten, ist sie demnach nicht von § 31d WpHG erfasst2. Darüber hinaus kommt eine Zurechnung im Rahmen des § 31d WpHG aus systematischen Gründen nur dann in Betracht, wenn eine personengebundene Zuwendung einen Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistungen durch die begünstigte natürliche Person steht3. Schließlich muss entweder der Umstand vorliegen, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Zuwendungen Dritter an seine Angestellten billigt oder im Ergebnis mittelbar selbst Adressat der Zuwendung ist4. Liegt eine Bestechung eines Angestellten vor, handelt es sich unzweifelhaft nicht im Zuwendungen iS des § 31d WpHG. Kommt man mit den vorliegend beschriebenen Kriterien zur Wertung, die betrachtete Geldleistung bzw. der geldwerte Vorteil ist nicht als Zuwendung iS des § 31d WpHG zu qualifizieren, bedeutet dies allerdings nicht, dass diese sich außerhalb des Regelungsregime des WpHG befinden. Da solche Leistungen zumindest potentiell geeignet sind, einen Interessenkonflikt auf Ebene des Leistungsempfängers hervorzurufen, ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verpflichtet, geeignete organisatorische Vorkehrungen zu treffen, solche Konflikte zu vermeiden (zB Erstellen einer internen Arbeitsanweisung, die Angestellten und Organmitgliedern die Annahme von Zuwendungen oberhalb einer Bagatellgrenze verbietet; sog. „gift-policy“) oder zumindest gegenüber den Kunden darzulegen. c) „Im Zusammenhang mit“ der Erbringung von Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistungen
3.219
Eine Zuwendung wird nur dann von § 31d WpHG erfasst, wenn sie im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistung erbracht wird (§ 31d Abs. 1 Satz 1 WpHG). 1 Siehe auch CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 5: „When a relevant person is acting for the firm in relation to the provsion of an investment or ancilliary service to a client Article 26 also applies to items paid by a third party to that relevant person acting in such a capacity.“ (Hervorhebung durch Verf.). 2 So auch Wätke/Kopka, WPg 2010, 520 (525). 3 Siehe auch CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 5: „When a relevant person is acting for the firm in relation to the provsion of an investment or ancilliary service to a client Article 26 also applies to items paid by a third party to that relevant person acting in such a capacity.“ (Hervorhebung durch Verf.); vgl. auch Rozok, BKR 2007, 217 (220), der dann keine Zuwendung iS des § 31d WpHG annimmt, wenn Zahlungen an Mitarbeiter nicht für konkrete Abschlüsse oder den Gesamterfolg beim Vertrieb bestimmter Finanzinstrumente erfolgen, sondern beispielsweise für allgemeine Repräsentationsaufgaben. 4 Diese enge Auslegung des Handelns „für“ das Wertpapierdienstleistungsunternehmen vertritt auch Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31d WpHG Rz. 2, Fn. 6.
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Knüpft das Annehmen bzw. einer Geldleistung oder eines geldwerter Vorteil unmittelbar an den Vertrieb eines Finanzinstruments oder den Abschluss einer Finanzportfolioverwaltung, ist dieses Erfordernis unzweifelhaft erfüllt.
3.220
Vor den Hintergrund, dass § 31d WpHG der Entstehung von Konflikten zwischen den Kundeninteressen und den Eigeninteressen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens umfassend entgegenwirken will, sind mit einem weiten Verständnis des Begriffs „im Zusammenhang“ jedoch auch indirekte Beeinflussungen des Verhaltens des Zuwendungsempfängers erfasst, ohne dass es auf die rechtliche oder tatsächliche Zuordnung einer Zuwendung zu einer konkreten Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistung ankäme1. Voraussetzung ist allerdings, dass eine nicht zu vernachlässigende Anreizwirkung dahingehend vorhanden ist, dass die Zuwendung objektiv geeignet erscheint, den Zuwendungsempfänger zu einer Bevorzugung des Zuwendenden bei der Erbringung von Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistungen zu veranlassen2.
3.221
Ein solcher Zusammenhang wäre beispielsweise einer finanziellen oder organisatorischen Unterstützung einer allgemeinen Kundenveranstaltung einer Bank durch den Produktanbieter zu verneinen, wenn bei der Veranstaltung keine Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistung angeboten werden3. Einer differenzierten Betrachtung bedürfen Zahlungen im Rahmen von sog. Zuführerverträgen. Erhält ein Dritter vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen für die Zuführung eines Kunden eine einmalige Zahlung für den Kunden selbst („finder's fee“) oder in Abhängigkeit von der Höhe des zugeführten Volumens („introduction fee“), liegt kein Bezug zu Wertpapierdienstoder Wertpapiernebendienstleistungen vor. Erhält der Dritte fortlaufende Zahlungen abhängig von den jeweils zu einem bestimmten Stichtag gehaltenen „liquiden assets“, liegt kein Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen vor. Selbst ein – nur – mittelbarer Zusammenhang mit Wertpapiernebendienstleistungen (etwa Depotgeschäft, dh. Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten für andere und damit verbundene Dienstleistungen) kann verneint werden, da „liquide assets“ immer auch das Einlagengeschäft des Kunden mit umfassen. Erhält der Dritte allerdings fortlaufend einen Teil der dem Kunden von der Bank in Rechnung gestellten Transaktionskosten, ist ein Zusammenhang mit einer Wertpapiernebendienstleistung (Kommissionsgeschäft; Eigenhandel) gegeben4.
3.222
d) Qualitätsverbesserung und Unvoreingenommenheit Das grundsätzliche Verbot von Zuwendungen Dritter oder an Dritte gilt dann nicht („... es sei denn ...“), wenn dabei die Vorgaben des § 31 Abs. 1 Satz 1 1 Rozok, BKR 2007, 217 (219); Fuchs in Fuchs, § 31d WpHG Rz. 10; Koller in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 31d WpHG Rz. 2. 2 Assmann, ZBB 2008, 21 (25); Fuchs in Fuchs, § 31d WpHG Rz. 10. 3 AA Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31d WpHG Rz. 2. 4 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 13.
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3.223
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
Nr. 1 und Nr. 2 WpHG beachtet werden. Aus diesen beiden Ziffern lassen sich drei kumulativ zu erfüllende Zulässigkeitsvoraussetzungen entnehmen, wovon im Folgenden mit der Eignung zur Qualitätsverbesserung und der Pflicht zur Wahrung des Kundeninteresses die ersten beiden behandelt werden. Die Offenlegung der Zuwendung als dritte Voraussetzung wird dann im Anschluss unter Rz. 3.235 behandelt. aa) Objektive Eignung zur Verbesserung der Qualität
3.224
Nach § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 WpHG, ist eine der Zulässigkeitsvoraussetzungen, dass die Zuwendung darauf ausgelegt ist, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern. Dies ist positiv festzustellen.
3.225
Ungeachtet der Formulierung „darauf ausgelegt“ reicht es nicht aus, dass die Qualitätsverbesserung vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen subjektiv intendiert ist. Die Zuwendung muss auch objektiv geeignet sein, die Qualität der Dienstleistung zu verbessern. Dabei ist nicht zwingend die Erhöhung einer bestimmten bereits vorhandenen Dienstleistungsqualität erforderlich. Vielmehr ist ausreichend, dass angenommene Zuwendungen fixe und variable Kosten der angebotenen Dienstleistungen ganz oder zum Teil abdecken1. Insoweit erscheint es zulässig, einen angemessenen Teil der Zuwendungen dem Gewinn des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zuzuführen2. Objektiv qualitätsverbessernd sind beispielsweise Zuwendungen, die dazu dienen, effiziente und qualitativ hochwertige Infrastrukturen für den Erwerb und die Veräußerung von Finanzinstrumenten aufzubauen oder zu erhalten3.
3.226
Der Wortlaut des § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 WpHG lässt grundsätzlich die Interpretation zu, es sei die Qualität der für den konkreten Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern4. Doch bedarf es keines solchen unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Zuwendung und der Dienstleistung an einen bestimmten Kunden. Es reicht die abstrakt-generelle Eignung, dh. eine nach Art und Größenordnung typische Verbindung zwischen Zuwendung und der Qualitätsverbesserung. So sind auch solche Zuwendungen qualitätsverbessernd, die auch andere Kunden oder Kundengruppen derselben Geschäftssparte (business line) begünstigen und nicht nur den konkreten Kun1 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31d WpHG Rz. 9. 2 Siehe aber CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 13 (Beispiel IV): Im Falle eines Finanzportfolioverwalters, der dem Kunden bereits 1 % des verwalteten Vermögens/Jahr berechnet, sieht CESR in einer zusätzlichen Vereinbarung mit dem Broker, nach der der Finanzportfolioverwalter weitere 20 % der dem Kunden berechneten Gebühren rückvergütet erhält, nicht, dass aus dieser Zuwendung ein zusätzlicher Vorteil für den Kunden ersichtlich sei. Eine Qualitätsverbesserung sei in einem solchen Fall unwahrscheinlich. Vielmehr erziele der Finanzportfolioverwalter selbst einen Vorteil und habe deshalb einen Anreiz, sich über die Interessen des Kunden hinwegzusetzen. 3 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 67. 4 Die englische Fassung der Norm (Art. 26 Level 2 Directive) spricht von „relevant service to the client“.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
den, an den die Dienstleistung erbracht wird, aus deren Anlass die Zuwendung geleistet wird. Voraussetzung ist lediglich, dass diese anderen Kunden dieselbe Art von Dienstleistungen auch erhalten1. Insofern wird auch die Bereitstellung von Beratern und Filialen im Privatkundengeschäft ebenso qualitätsverbessernd sein wie das Zur-Verfügung-Stellen eines technisch ausgereiften und schnellen Online-Zugangs für Kunden des entsprechenden Vertriebskanals2. bb) Vermutungsregel des § 31d Abs. 4 WpHG § 31d Abs. 4 WpHG setzt eine Fiktion3, welche die Zulässigkeitsvoraussetzung „Qualitätsverbesserung“ des § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 WpHG teilweise faktisch leer laufen lässt. Es wird vermutet, dass die Annahme einer Zuwendung von Dritten durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit der Erbringung von Anlageberatung oder mit allgemeinen Empfehlungen darauf ausgerichtet ist, eine qualitative Verbesserung dieser Dienstleistungen gegenüber dem Kunden zu bewirken, wenn die jeweilige Anlageberatung oder allgemeine Empfehlung trotz der Zuwendung unvoreingenommen erbracht wird.
3.227
Festzuhalten ist zunächst, dass diese Vermutung zum einen nur das Entgegennehmen und nicht die Gewährung von Zuwendungen durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen erfasst und zum anderen auf die Finanzportfolioverwaltung keine Anwendung findet. Bei einer Finanzportfolioverwaltung ist es also immer erforderlich, die Qualitätsverbesserung durch Zuwendungen positiv festzustellen.
3.228
Fraglich ist, ob dem Tatbestandsmerkmal der Unvoreingenommenheit eine eigenständige Bedeutung zukommt. Dies ist insoweit zweifelhaft, als Zuwendungen nach den Vorgaben des § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 WpHG ohnehin nur dann zulässig sind, wenn sie nicht einer ordnungsgemäßen Erbringung von Dienstleistungen im Interesse des Kunden entgegenstehen4. Verneint man auf der Ebene des § 31d Abs. 4 WpHG die Unvoreingenommenheit auf Seiten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, würde die Zuwendung zugleich den Interessen des Kunden entgegenstehen, und somit auch an dieser Zulässigkeitsvoraussetzung des § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 WpHG scheitern5.
3.229
Lässt man dem Tatbestandsmerkmal jedoch auf Grund der expliziten Nennung im Wortlaut des § 31d Abs. 4 WpHG eigenständige Bedeutung zukom-
3.230
1 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 8; Rozok, BKR 2007, 217 (222). 2 Rozok, BKR 2007, 217 (222). 3 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31d WpHG Rz. 12. Der Nachweis des Gegenteils ist insoweit unzulässig. 4 Zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung siehe Rz. 3.232. 5 Auch Rozok in Clouth/Lang, S. 234 und Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 12 erkennen dem Tatbestandsmerkmal der Unvoreingenommenheit keine eigenständige Bedeutung zu.
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3. Teil
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men1, stellt sich die Anschlussfrage, ob dessen Vorliegen auch vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen darzulegen und zu beweisen ist. Unterstellt man die Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze, wäre dies zu bejahen, weil die Begründung des Vermutungstatbestandes zu Gunsten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens gereicht2. Allerdings ist § 31d WpHG keine zivilrechtliche Norm, sondern eine solche des Aufsichtsrechts. Deren Verletzung darf durch die zuständige Behörde nur dann sanktioniert werden, wenn sie die Verletzung der Norm durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zweifelsfrei nachweisen kann3.
3.231
Allgemeine Empfehlungen iS des § 31d Abs. 4 WpHG sind beispielsweise Marketingmitteilungen oder Finanzanalysen, die sich an eine Vielzahl von Personen richten und sich in allgemein gültiger Form auf Geschäfte mit Finanzinstrumenten beziehen, ohne eine persönliche, auf den individuellen Kunden zugeschnittene Anlageempfehlung zu erhalten4. cc) Wahrung des Kundeninteresses
3.232
Als zweite Voraussetzung für die Ausnahme vom Verbot der Annahme bzw. der Gewährung von Zuwendungen verlangt § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 WpHG, dass die Zuwendung der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Kunden iS des § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nicht entgegensteht.
3.233
Auf Grund der Verweisung auf die Grundnorm zur Bewältigung von Interessenkonflikten stellt sich die Frage nach dem eigenständigen Regelungsgehalt dieser Zulässigkeitsvoraussetzung5. Jedenfalls wird einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Verbindung mit dem Thema Zuwendungen kein relevanter zusätzlicher Prüfungs- und Dokumentationsaufwand entstehen, sofern es im Rahmen seiner generell bestehenden Organisationspflichten insbesondere seinen Pflichten zur Identifizierung, Vermeidung und Offenlegung potentieller Interessekonflikte nachkommt6.
3.234
Eigenständige Bedeutung kann der Verweis auf § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG allerdings dann gewinnen, wenn sich im Zusammenhang mit Zuwendungen (ad 1 So Ellenberger in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 365. 2 Ellenberger in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 365 f., der allerdings nicht die Frage beantwortet, ob und warum die Anwendung zivilrechtlicher Grundsätze auf eine aufsichtsrechtliche Norm „unterstellt“ werden kann. 3 Assmann, ZBB 2008, 21 (27), der konstatiert, dass dies – außer im Falle offenkundiger Beratungsfehler oder Spesenreiterei – in der Praxis schwer fallen wird und daher im Ergebnis Zuwendungen im Zusammenhang mit Anlageberatung und allgemeinen Empfehlungen de facto generell zulässig sind. 4 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 67/68. 5 Rozok, BKR 2007, 217 (223) nimmt eine lediglich deklaratorische Bedeutung an; Fuchs in Fuchs, § 31d WpHG Rz. 32 zweifelt den eigenständigen Regelungsgehalt an; Assmann, ZBB 2008, 21 (28) nimmt wohl eine eigenständige Bedeutung an, spricht der Zulässigkeitsvoraussetzung allerdings die selektive Wirkung ab; sie könne nur Extremfälle aussondern. 6 So auch Fuchs in Fuchs, § 31d WpHG Rz. 32.
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hoc) Fallkonstellationen ergeben, die bis dahin noch keinen Eingang in die bestehenden organisatorischen Maßnahmen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zur Bewältigung von Interessenkonflikten gefunden haben. Anhaltspunkte dafür, welche Fallkonstellationen dies sein könnten, geben die in den CESR-Recommendations zu „Inducements under MiFID“ im Zusammenhang mit der Pflicht der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Kunden aufgeführten Beispiele1. So sei bei Schulungen des Produktlieferanten darauf abzustellen, in welchem Verhältnis die Schulung zu den an Kunden (später) erbrachte Dienstleistungen stehe. Eine Schulung an exotischen Ferienorten werde mit großer Wahrscheinlichkeit die Bereitschaft der Bank, im Interesse der Kunden zu handeln, untergraben und sei deshalb nicht zulässig. Nicht verboten, aber im Sinne der Wahrung des Kundeninteresses sensibel zu handhaben sei auch der Fall, dass im Rahmen der Vermögensverwaltung der Finanzportfoliomanager eine Kombination aus unmittelbarer Vergütung und Provisionen erhalte. Auch bei der Vereinbarung von Staffelprovisionen kommt eine eigenständige Bedeutung des Verweises auf § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG in Betracht. Hierbei handelt es sich um eine Gestaltungsform, welche zumindest die Gefahr birgt, unangemessene Vertriebsanreize zu setzen. e) Offenlegung Die dritte der kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Annahme bzw. der Gewährung von Zuwendungen verlangt die Offenlegung der Zuwendungen. Nach § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden vor der Erbringung der Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistung die Existenz, Art und den Umfang der Zuwendung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise offen zu legen. Soweit sich der Umfang der Zuwendung zum Zeitpunkt der Offenlegung noch nicht bestimmen lässt, ist zumindest die Art und Weise seiner Berechnung offen zu legen.
3.235
§ 31d Abs. 3 WpHG erleichtert die Erfüllung der Pflicht zur Offenlegung dahingehend, dass diese auch in Form einer Zusammenfassung der wesentlichen Bestandteile der Vereinbarungen über Zuwendungen erfolgen kann. In diesem Falle ist dem Kunden allerdings die Offenlegung näherer Einzelheiten anzubieten und auf Nachfrage zu gewähren. Im Rahmen dieses zweistufigen Verfahrens2 kann die Offenlegung auf der ersten Stufe in einer aggregierten Darstellung folgen3. Eine Zusammenfassung muss dabei so ausgestaltet sein, dass der Kunde die gegebene Information der ihm gegenüber angebotenen Dienstleistung bzw. Finanzinstrument zuordnen kann und somit entscheiden kann, ob er die Dienstleistung in Anspruch nimmt bzw. das Finanzinstrument erwirbt und ob er weitere Einzelheiten erfragt. Nicht ausreichend ist daher ein lediglich allgemeiner Hinweis, dass das Wertpapierdienstleistungsunterneh-
3.236
1 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 13 (Beispiel V.) und 14 (Beispiel XI.). 2 Rozok, BKR 2007, 217 (225) spricht vom „zweistufigen Transparenzmodell“. 3 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 67; CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 10 („summary disclosure“).
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men Zuwendungen erhält und gewährt1. Im Ergebnis ist es auf der ersten Stufe ausreichend aber auch erforderlich, dem Kunden das Bestehen, die Art der erhaltenen und gewährten Zuwendungen (zB umsatzabhängige Vertriebsfolgeprovisionen oder Platzierungsprovisionen von Fondsgesellschaften und Wertpapieremissionshäusern) sowie nach Arten von Finanzinstrumenten (zB Aktienfonds, Zertifikate, Anleihen) untergliedert die Bandbreiten in Prozent2 anzugeben. f) Dokumentation
3.237
Im Zusammenhang mit der Annahme und der Gewährung von Zuwendungen hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 34 Abs. 1 WpHG iVm. § 14 Abs. 2 Nr. 5 WpDVerOV die Umstände aufzuzeichnen, aus denen sich ergibt, dass eine Zuwendung iS des § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG darauf ausgelegt ist, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistungen zu verbessern. Diese Aufzeichnung soll insbesondere der BaFin eine diesbezügliche Überprüfung ermöglichen.
4. Getrennte Vermögensverwahrung
3.238
Einen wichtigen Baustein eines tragfähigen und möglichst lückenlosen Anlegerschutzes bildet auch § 34a WpHG. Die Notwendigkeit für diese – durch § 9a und § 14a WpDVerOV weiter konkretisierte – Regelung entspringt dem Umstand, dass Kunden Geld und Wertpapiere auch solchen Wertpapierdienstleistungsunternehmen überlassen, die selbst nicht über eine Erlaubnis für das Einlagengeschäft bzw. für das Betreiben des Depotgeschäfts verfügen und damit nicht bereits den bankaufsichtsrechtlichen Regelungen des KWG bzw. des DepotG unterfallen3.
3.239
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 WpHG hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das über keine Erlaubnis für das Einlagengeschäft iS des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG verfügt, Kundengelder, die es im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung entgegennimmt, unverzüglich so lange getrennt von den Geldern des Unternehmens und von anderen Kundengeldern zu verwahren, bis die Gelder zum vereinbarten Zweck verwendet werden. Zum Begriff der Kundengelder gehört neben Bargeld auch ausgehändigte Schecks sowie Beträge, die auf das Eigenkonto des Wertpapier1 CESR/07-228b vom Mai 2007, S. 11 (“a generic disclosure [...] is not sufficient“). 2 Eine Bandbreitenangabe kann beispielsweise wie folgt aussehen: „Die Höhe der Platzierungsprovisionen beträgt bei Zertifikaten in der Regel zwischen 0,5 % und 2,0 %“. Die Angabe in Form „bis zu 2,0 %“ birgt die Gefahr, dass beim Kunden die Fehlvorstellung erweckt wird, das betreffende Wertpapierdienstleistungsunternehmen erhalte tatsächlich Platzierungsprovisionen in einer Bandbreite von 0 % bis 2,0 %, wobei es im Beispiel tatsächlich in der Regel nicht mehr als 0,5 % erhält, vgl. hierzu und zu weiteren „good and poor practices“ im Rahmen der Offenlegung von Zuwendungen auch CESR/10-295 v. 19.4.2010, S. 33 (Good and poor practices – use of bands). 3 Fuchs in Fuchs, § 34a WpHG Rz. 1.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
dienstleistungsunternehmens überwiesen werden, falls diese auf Rechnung des Kunden entgegengenommen werden1. Zu Verwahren sind die Gelder auf Treuhandkonten bei solchen Kreditinstituten, Unternehmen iS des § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG oder vergleichbaren Instituten mit Sitz in einem Drittstaat, welche zum Betreiben des Einlagengeschäfts befugt sind, einer Zentralbank oder einem qualifizierten Geldmarktfonds. Welche Investmentvermögen als qualifizierte Geldmarktfonds eingestuft werden bestimmt § 14a Abs. 11 WpDVerOV. Zur Verwahrung bei einem qualifizierten Geldmarktfonds ist die vorherige Zustimmung des Kunden einzuholen.
3.240
§ 34a Abs. 2 Satz 1 WpHG bestimmt, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ohne eine Erlaubnis zum Betreiben eines Depotgeschäfts iS des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG Wertpapiere, die es im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung entgegennimmt, unverzüglich an einen Dritten zur Verwahrung weiterzuleiten hat. Zulässige Adressaten der Weiterleitung sind Kreditinstitute, die im Inland zum Betreiben des Depotgeschäfts befugt sind und bei welchen dem Kunden eine Rechtsstellung eingeräumt wird, die derjenigen nach dem Depotgesetz gleichwertig ist.
3.241
In beiden Fällen sind Kunden unverzüglich darüber zu unterrichten, bei welchem Institut und auf welchem Konto die Kundengelder verwahrt werden und ob das Institut, bei dem die Kundengelder verwahrt werden, einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Einlegern und Anlegern angehört und in welchem Umfang die Kundengelder durch diese Einrichtung gesichert sind (§ 34a Abs. 1 Satz 5 WpHG; § 34a Abs. 2 Satz 2 WpHG).
3.242
Weitere Informations- und Warnpflichten enthalten die Regelungen des § 14a Abs. 6 bis Abs. 8 WpDVerOV, wobei die beiden letztgenannten Absätze ausschließlich gegenüber Privatkunden Anwendung finden. Die Informationen sind vor Erbringung der Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistung zu übermitteln (§ 14a Abs. 10 WpDVerOV).
3.243
§ 9a WpDVerOV enthält schließlich Vorgaben zu den Berichtspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Finanzinstrumente oder Gelder eines Kunden nach § 34a Abs. 1 oder Abs. 2 WpHG halten. Diese müssen dem Kunden mindestens einmal jährlich auf einem dauerhaften Datenträger eine Aufstellung der betreffenden Gelder oder Finanzinstrumente übermitteln. Diese Pflicht gilt nicht, falls eine solche Aufstellung bereits in einer anderen periodischen Aufstellung übermittelt wurde (§ 9a Abs. 1 WpDVerOV).
3.244
1 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 34a WpHG Rz. 3.
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IV. Organisationspflichten
3.245
§ 33 WpHG stellt zusammen mit den konkretisierenden Bestimmungen der §§ 12, 13 WpDVerOV einen umfangreichen Katalog organisatorischer Anforderungen auf, der eine einheitliche Anwendung der Vorgaben des WpHG durch eine angemessene betriebliche Organisation des Wertpapiergeschäfts gewährleisten soll. Hierdurch werden die allgemeinen und speziellen Verhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG um unternehmensbezogene Organisationspflichten ergänzt1.
3.246
Aufsichtsrechtliche Organisationspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen wurden bereits in 1994 durch das 2. Finanzmarktförderungsgesetz v. 26.7.19942 eingeführt und in der Folge durch Verlautbarungen der Aufsicht konkretisiert3.
3.247
Zu den wesentlichen Neuerungen, die durch die Neufassung des § 33 WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)4 eingeführt wurden, ist die ausdrücklich verankerte Pflicht, zur Einrichtung einer dauerhaften und wirksamen Compliance-Funktion (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG), das Erfordernis eines wirksamen und transparenten Verfahrens für die angemessene und unverzügliche Bearbeitung von Privatkundenbeschwerden (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG) sowie eine mindestens einmal jährlich zu erfüllende Berichtspflicht des mit der Compliance-Funktion betrauten Mitarbeiters an die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 WpHG)5.
V. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten 1. Generelle Aufzeichnungspflicht
3.248
Die auf Seiten eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens bestehenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten werden in im Wesentlichen in § 34 WpHG normiert. Konkretisiert wird diese durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)6 neu gefasste Norm durch § 14 WpDVerOV. 1 Lösler, NZG 2005, 104. 2 BGBl. I 1994, S. 1749. 3 Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um die Compliance-Richtlinie und die Mitarbeiterleitsätze. Beide Verlautbarungen wurden mit BaFin-Schreiben v. 23.10.2007 aufgehoben. Die aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten nun im Rundschreiben 4/2010 (WA) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010 konkretisiert, siehe http:// www.bafin.de. 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330. 5 Ausführlich zur Compliance-Organisation Rz. 3.301 ff. 6 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, S. 1330.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
a) Kundenaufträge und Handelsentscheidungen Die früher in § 34 WpHG aF geregelten Aufzeichnungspflichten sind nun weitgehend in Art. 7 und Art. 8 der MiFID-Durchführungsverordnung (DVO)1 enthalten. Diese beiden Regelungen sind unmittelbar anwendbares Recht2, was auch § 34 Abs. 1 WpHG ausdrücklich klarstellt. Sie befassen sich inhaltlich mit der Aufzeichnung von Kundenaufträgen und Handelsentscheidungen im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung. Hierfür enthalten sie einen Katalog von transaktionsbezogenen Aufzeichnungspflichten. Nach Art. 7 DVO ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, zu jedem eingegangenen Kundenauftrag und für jede Handelsentscheidung im Rahmen einer Finanzportfolioverwaltung unverzüglich bestimmte Daten aufzuzeichnen, die sich auf den Auftrag oder die Handelsentscheidung beziehen (zB Kundenname, Auftragstyp, Eingangszeit des Auftrags). Art. 8 Abs. 1 DVO gibt vor, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen unverzüglich nach Ausführung eines Kundenauftrags oder – im Falle der Weiterleitung zwecks Ausführung an einen Dritten – nach Erhalt der Bestätigung der Auftragsausführung bestimmte Daten zum betreffenden Geschäft aufzeichnen müssen (zB Kundenname, Handelstag, Handelszeit, Gesamtentgelt). Der Begriff des Auftrags umfasst dabei nicht nur Kommissionsgeschäfte sondern auch den Eigenhandel und die Abschlussvermittlung, so kann der Auftrag neben dem Sekundärmarkt auch den Primärmarkt betreffen3.
3.249
b) § 34 Abs. 1 WpHG konkretisiert durch § 14 WpDVerOV Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben nach § 34 Abs. 1 WpHG über die von ihnen erbrachten Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen sowie die von ihnen getätigten Geschäfte Aufzeichnungen zu erstellen, die es der BaFin ermöglichen, die Einhaltung der §§ 31 ff. WpHG (Abschnitt 6 WpHG) zu prüfen. Dieser Pflicht wird Genüge getan, wenn auf Grund der Aufzeichnung nachvollziehbar ist, ob das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die jeweils in Rede stehende Pflicht erfüllt hat. Hierfür geeignete Formen können auch Organisationsanweisungen und Aufzeichnungen über systemische Vorkehrungen sein, wenn durch sie die Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist (§ 14 Abs. 1 WpDVerOV).
3.250
Inhaltlich wird die generelle Aufzeichnungspflicht des § 34 Abs. 1 WpHG durch die Regelung des § 14 Abs. 2 WpDVerOV ausgestaltet, die einen nicht abschließenden („insbesondere“) Katalog von Aufzeichnungspflichten enthält. Im Rahmen dieses Katalogs ergeben sich teilweise Überschneidungen mit den
3.251
1 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 v. 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/ 39/EG betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1 ff. 2 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 75. 3 Fuchs in Fuchs, § 34 WpHG Rz. 9.
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3. Teil
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Pflichten aus Art. 7 und Art. 8 DVO (zB bei der Pflicht die Identität des Kunden zu erfassen).
3.252
Die Pflicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WpDVerOV zur Aufzeichnung der Merkmale oder der Bewertung als professioneller Kunde wird durch § 14 Abs. 8 WpDVerOV für den Fall erleichtert, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ausschließlich Geschäfte mit nur einer Art von Kunden iS des § 31a Abs. 2, 3 oder 4 WpHG tätigt. Dann ist hinsichtlich der Einstufung der Kunden die Aufzeichnung der entsprechenden Organisationsanweisung ausreichend.
3.253
Auch die Kundeninformationen des § 31 Abs. 3 WpHG sind aufzuzeichnen (14 Abs. 2 Nr. 3 WpDVerOV). Diese Pflicht erfährt ihre Einschränkung in § 14 Abs. 7 WpDVerOV, wonach neben der Aufbewahrung eines Exemplars der jeweiligen standardisierten Information, Werbemitteilung oder Finanzanalyse keiner weiteren Aufzeichnungen bedarf. Voraussetzung ist allerdings, dass aus der Aufzeichnung hervorgeht, an welchen Kundenkreis sie sich richtet.
3.254
In § 14 Abs. 3 bis Abs. 5 WpDVerOV werden schließlich weitere wesentliche Aufzeichnungspflichten festgeschrieben. Hierbei handelt es sich um die Grundsätze und Organisationsanweisungen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Verhaltensregeln im Wertpapiergeschäft mit Kunden sicherstellen, die notwendigen Berichte an die Geschäftsleitung, Angaben der Kunden, die im Rahmen der Explorationspflichten erlangt wurden bzw. entsprechende Weigerungen der Kunden, diese Angaben zu machen sowie Dienstleistungen bei denen ein erheblicher Interessenkonflikt aufgetreten ist oder noch auftreten könnte.
2. Aufzeichnungspflichten bei Kundenvereinbarungen
3.255
In Bezug auf Vereinbarungen mit Kunden wird die allgemeine Aufzeichnungspflicht durch § 34 Abs. 2 WpHG konkretisiert. § 34 Abs. 2 Satz 2 WpHG normiert dabei besondere Vorgaben für die Aufzeichnungspflichten bei Vereinbarungen mit Privatkunden. Danach muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das für einen Privatkunden erstmals eine Wertpapierdienstleistung erbringt, die keine Anlageberatung ist, Aufzeichnungen erstellen, die mindestens den Abschluss einer schriftlichen Rahmenvereinbarung mit dem Kunden dokumentieren, in der die wesentlichen Rechte und Pflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und des Kunden niedergelegt sind. Es handelt sich dabei nicht um eine materielle Regelung zum Inhalt oder Abschluss des Vertrages, sondern ausschließlich um eine aufsichtsrechtliche Dokumentationspflicht1. Durch den in § 34 Abs. 2 Satz 2 WpHG verwendeten Begriff „Rahmenvereinbarung“ wird darüber hinaus klargestellt, dass es nicht um die Dokumentation einzelner Rechte und Pflichten einer bestimmten Wertpapierdienstleistung geht. Sinn und Zweck der Dokumentation ist es,
1 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 75.
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Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
dass der Privatkunde und das Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung ein Einverständnis über grundsätzliche beiden Parteien obliegende Rechte und Pflichten erzielen und dies auch entsprechend dokumentiert wird1. Die Dokumentation kann dabei auch durch Verweis auf andere Dokumente oder Rechtstexte erfolgen (§ 31 Abs. 2 Satz 3 WpHG), wobei diese Vorgaben die Vorschriften zur Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in eine Vereinbarung über die Erbringung einer bestimmten Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistung unberührt lassen. Eine Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Verweis ist daher nur möglich, wenn damit in Abhängigkeit von der Gestaltung der Rahmenvereinbarung die Vorgaben zur Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfüllt werden2. Die Rahmenvereinbarung ist dem Privatkunden in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen (§ 31 Abs. 2 Satz 4 WpHG).
3. Aufzeichnungspflichten bei Anlageberatung für Privatkunden Die sog. Finanzkrise und die dadurch ausgelöste öffentliche Diskussion über die Vertrauenskrise der Verbraucher in das Finanzsystem im Allgemeinen und die Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Besonderen, führte in 2009 zu einem parteiübergreifenden Aktionismus3, der im Wege rein nationaler Ge1 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 75. In der Praxis haben Wertpapierdienstleistungsinstitute dies durch sog. „Rahmenvereinbarungen für Wertpapiergeschäfte“ umgesetzt. Darin werden regelmäßig durch Verweis die AGB, die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte einschließlich der Ausführungsgrundsätze (Best Execution) sowie der das Wertpapiergeschäft betreffende Auszug aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis einbezogen. In einer solchen Rahmenvereinbarung können weiter ein Verzicht des Kunden auf Herausgabe von Vertriebsvergütungen, seine Zustimmung zur Ausführung von Wertpapiergeschäften außerhalb organisierter Märkte und MTFs, seine Zustimmung zur Nutzung elektronischer Medien zur Informationserteilung sowie seine Zustimmung zur Bereitstellung von Informationen auf einer Internetseite aufgenommen werden. 2 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 75/76. 3 Vgl. auch BT-Drucks. 16/13612 zum Thema „Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen erweitern und durchsetzen“. Aktuell wird die Vorgabe eines standardisierten Produktinformationsblattes für Anlageprodukte per Gesetz gefordert, siehe hierzu nur http://www.bemelv.de; des Weiteren hat die Bundesregierung am 24.9.2010 einen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts veröffentlicht, der zusätzliche Anforderungen (Einsatz eines Produktinformationsblattes, Registrierung von Anlageberatern, Vertriebsbeauftragten und Compliance-Beauftragten) an und Sanktionen (temporäre Suspendierung von Anlageberatern) gegen Finanzdienstleistungsinstitute zur Vermeidung von Falschberatung vorsieht, siehe BR-Drucks. 584/10 v. 24.9.2010; allerdings wird das Thema Anlegerschutz auch auf europäischer Ebene vorangetrieben. Für sog. „Packaged Retail Investment Products“ (PRIPs) wird ein Regelwerk entwickelt, welches ein einheitliches europäisches Maß an Vertriebsregeln vorsieht. Unabhängig von der Verpackung der Produkte in Fonds, Zertifikate, Anleihen oder fondsgebundene Versicherungen sollen harmonisierte Standards für Informationspflichten vorgesehen werden (zB Verwendung einer Kurzinformation, der sog. Key Investor Information, oder vergleichbare Standards zur Kostentransparenz). Damit soll die Vergleichbarkeit
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
setzgebung die noch jungen1 europarechtlich harmonisierten Regelungen des § 34 WpHG sowie § 14 Abs. 6 WpDVerOV maßgeblich erweitert hat. Dabei wurden durch das am 5.8.2009 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung (SchVGEG)2 zur Konkretisierung der Pflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen in § 34 WpHG zwei neue Absätze eingefügt, die für jede nach dem 31.12.2009 mit Privatkunden durchgeführte Anlageberatung Anwendung finden. a) Protokoll über die Anlageberatung (Beratungsprotokoll)
3.257
Im neuen § 34 Abs. 2a WpHG wird die generelle Aufzeichnungspflicht nach § 34 Abs. 1 WpHG, die alle Wertpapierdienstleistungen betrifft, für den Bereich der Anlageberatung konkretisiert.
3.258
Gemäß § 34 Abs. 2a Satz 1 WpHG muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei einem Privatkunden über jede Anlageberatung ein schriftliches Protokoll anfertigen. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung3 soll das Protokoll soll der BaFin eine nachträgliche Kontrolle des Gesprächshergangs ermöglichen. Bislang hätten Wertpapierdienstleistungsunternehmen häufig nur ansatzweise Aufzeichnungen über die von ihnen durchgeführte Anlageberatung erstellt. Der üblicherweise vorhandene WpHG-Bogen dokumentiere zwar die eingeholten Kundenangaben und eine danach gewählte Risikoklasse, der die für einen Kunden gewählten angehören sollen. Die Unterlagen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gäben allerdings oft keinen Aufschluss über den Hergang und die abschließenden Empfehlungen des eigentlichen Beratungsgesprächs. Dieser Praxis solle nun mit dem Beratungsprotokoll entgegengewirkt werden.
3.259
Beratungsaffine Kunden, die eine Vielzahl von Anlageempfehlungen ihres Anlageberaters empfangen, wollen ggf. nicht gleichzeitig eine Vielzahl von Beratungsprotokollen erhalten, so dass sich die Frage stellt, ob Kunden auf das
der Produkte im Ergebnis der Schutz des Anlegers verbessert werden, siehe dazu http://www.ec.europa.eu. 1 Die Neufassung des § 34 WpHG sowie § 14 WpDVerOV sind erst seit 1.1.2008 in Kraft. 2 BGBl. I 2009, S. 2512. Mit diesem Gesetz wurde auch die kurze Sonderverjährung des § 37a WpHG aF für Schadensersatzansprüche wegen Informationspflichtverletzungen oder fehlerhafter Anlageberatung im Wertpapierbereich mit Wirkung zum 5.8.2009 gestrichen. Die Verjährung richtet sich für ab diesem Zeitpunkt erbrachte Dienstleistungen auch in diesem Bereich nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 195, 199 BGB. Nach der Übergangsregelung des § 43 ist § 37a WpHG aF auf Ansprüche anzuwenden, die in der Zeit vom 1.4.1998 bis zum Ablauf des 4.8.2009 entstanden sind. 3 Begr. RegE Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung, BT-Drucks. 16/12814, S. 27.
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Beratungsprotokoll verzichten können. Die Protokollierung der Anlageberatung stellt eine aufsichtsrechtliche Pflicht dar. Insoweit findet die grundsätzlich geltende zivilrechtliche Vertragsfreiheit ihre Grenze. Daher wird ein Kunde weder individualvertraglich noch über Allgemeine Geschäftsbedingungen auf die Erstellung oder Aushändigung des Beratungsprotokolls verzichten können1. Auch die – später noch zu behandelnde – Pflicht zur Einräumung eines Rücktrittsrechts bei telefonischer Anlageberatung mit sofortiger Ordererteilung ist auf Grund des gesetzgeberischen Zwecks, dem Kunden die Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche zu erleichtern, weder generell abdingbar noch (abweichend von §§ 346 ff. BGB) inhaltlich modifizierbar. Wertpapierdienstleistungsunternehmen treffen insbesondere im Bereich Private Wealth Management desweiteren auf Privatkunden, die sich von professionellen Kunden wie beispielweise von Family Offices oder lizenzierten (externen) Vermögensverwaltern, vertreten lassen. In diesem Falle wird man vertretbar von der Erstellung eines Beratungsprotokolls absehen können. Die Schutzfunktion des § 34 Abs. 2a WpHG greift in dieser Konstellation nicht, da der professionell vertretene Privatkunde sich im Rahmen der Anlageberatung auf vergleichbarem Wissens- und Verständnisniveau bewegt. Allerdings erscheint es erforderlich vor dem ersten Beratungsgespräch vom Privatkunden als Vertragspartner die ausdrückliche Zustimmung zu dem Umstand einzuholen, dass im Falle seiner Vertretung durch den Professionellen kein Beratungsprotokoll erstellt wird.
3.260
Die Pflicht zur Erstellung eines Beratungsprotokolls wird auch dann verneint werden können, wenn ein Kunde eine Empfehlung zum Erwerb eines Finanzinstruments schriftlich (zB per E-Mail) erhält, nachdem er den Berater zuvor selbst schriftlich zur Abgabe einer Empfehlung aufgefordert hat. Das Protokoll ist nach § 34 Abs. 2a Satz 2 WpHG von demjenigen zu unterzeichnen, der die Anlageberatung durchgeführt hat, dh. vom Anlageberater des Kunden. Dabei ist auch die Verwendung einer faksimilierten Unterschrift ausreichend. Das aufsichtsrechtliche Erfordernis einer Unterschrift dient primär aufsichtsrechtlichen Kontroll- und zivilrechtlichen Beweiszwecken, dh. der Identifikation des Ausstellers2. Dem kommt auch eine faksimilierte Unterschrift nach, denn auch durch sie kann das Beratungsprotokoll eindeutig dem jeweiligen Anlageberater zugeordnet werden. Das Schriftformgebot des § 126 BGB ist auf Grund des primär aufsichtsrechtlichen Charakters des § 34 Abs. 2a WpHG nicht direkt anwendbar. Hinzu kommt, dass § 34 Abs. 2a WpHG auch die Übermittlung des Beratungsprotokolls – dazu gleich – mittels eines anderen dauerhaften Datenträgers als Papier zulässt, was die Übermittlung einer Originalunterschrift ausschließt3.
1 So auch Leuering/Zetzsche, NJW 2009, 2856 (2858). 2 Begr. RegE Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung, BT-Drucks. 16/12814, S. 27. 3 So auch Pfeifer, BKR 2009, 485 (488).
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Eine Unterzeichnung durch den Kunden wurde bewusst nicht aufgenommen, weil ein solches Erfordernis Fernabsatzgeschäfte erschweren könnte. Für die Funktion des Beratungsprotokolls als Beweismittel ist es wichtig, aber auch ausreichend, dass es vom Anlageberater unterschrieben wird. Die Unterschrift des Kunden hätte keine anlegerschützende Funktion. Allerdings steht es der Bank frei, sich das Beratungsprotokoll vom Kunden – ggf. nach einer von ihm gewünschten Prüfungsfrist – unterzeichnen zu lassen1. Soll eine Kundenunterschrift eingeholt werden, sind die Grenzen des § 309 Nr. 12 BGB („Bestätigung von Tatsachen“) zu beachten, so dass es nicht zulässig ein dürfte, sich die Korrektheit der Anlageberatung bestätigen zu lassen2. Es kann sich aber anbieten, eine Bestätigung einzuholen, dass das Beratungsprotokoll ausgehändigt wurde.
3.263
Eine Ausfertigung ist dem Kunden unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung, jedenfalls vor einem auf der Beratung beruhenden Geschäftsabschluss in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger3 zur Verfügung zu stellen (§ 34 Abs. 2a Satz 2 WpHG). Damit wird der Kunde in die Lage versetzt, das Beratungsprotokoll zu überprüfen und es wird vor Manipulationen geschützt. Im Streifall, insbesondere im Zivilprozess um eine Fehlberatung, kann das Protokoll als Beweismittel dienen. Darüber hinausgehende Regelungen zur Beweislast erscheinen nicht erforderlich4. Insbesondere der im neuen § 34 Abs. 2b WpHG festgeschriebene Anspruch des Kunden gegen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Herausgabe einer Ausfertigung des Beratungsprotokolls erleichtert dem Kunden etwaige zivilrechtliche An1 Begr. RegE Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung, BT-Drucks. 16/12814, S. 27 und S. 36; Leuering/ Zetzsche, NJW 2009, 2856 (2859), sehen mit der Kundenunterschrift eine bankfreundliche Beweislastumkehr verbunden und fordern daher, dass der Kunde über deren Bedeutung zu informieren sei. 2 Böhm, BKR 2009, 221 (224) sieht die Möglichkeit, den Kunden bestätigen zu lassen, dass das Beratungsprotokoll den Verlauf des Beratungsgesprächs richtig und vollständig widerspiegelt. 3 Unter Beachtung der Voraussetzungen des § 3 WpDVerOV ist es damit grundsätzlich möglich, dem Kunden das Beratungsprotokoll als CD-Rom, per E-Mail oder auch durch Einstellen in einen sog. elektronischen Briefkasten zur Verfügung zu stellen. 4 Begr. RegE Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung, BT-Drucks. 16/12814, S. 36, womit der Gesetzgeber der Forderung nach einer vollständigen Beweislastumkehr zu Lasten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Falle einer behaupteten Falschberatung eine klare Absage erteilt. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Zivilrechtsprechung unter prozessrechtlichen Gesichtspunkten bei Nichterstellen eines Beratungsprotokolls weitere Beweiserleichterungen im Hinblick auf eine behauptete Fehlberatung ausjudizieren wird. Vor Einführung des neuen § 34 Abs. 2a und 2b WpHG hatte der BGH mit Urteil v. 24.1.2006 – XI ZR 320/04, NJW 2006, 1429 (1430) noch entschieden, dass sich aus dem WpHG keine Aufzeichnungspflicht ergeben und insofern keine diesbezügliche Pflichtverletzung bestehe, welche Grundlage für Beweiserleichterungen oder eine Beweislastumkehr sein könnte. Nunmehr enthält das WpHG eine solche Aufzeichungspflicht.
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
sprüche gegen das Unternehmen zu prüfen und durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist der Norm auch unmittelbar anlegerschützenden Charakter zuzusprechen1. Bei persönlicher Anwesenheit des Anlageberaters und des Kunden wird die sofortige Fertigstellung des Beratungsprotokolls keine praktischen Schwierigkeiten bereiten, da es unmittelbar während des Gesprächs schriftlich oder auch elektronisch angefertigt werden kann. Unstimmigkeiten über den Inhalt können unmittelbar geklärt werden.
3.264
b) Telefonische Anlageberatung und Rücktrittsrecht Im Falle telefonischer Beratung mit anschließender Ordererteilung ist das unter Rz. 3.257 ff. geschilderte Vorgehen allerdings nicht möglich. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und regelt daher diesen Fall gesondert. Wählt der Kunde für Anlageberatung und Geschäftsabschluss Kommunikationsmittel, die die Übersendung des Beratungsprotokolls vor Geschäftsabschluss nicht gestatten, muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 34 Abs. 2a Satz 3 WpHG dem Kunden eine Ausfertigung des Beratungsprotokolls unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung zusenden.
3.265
In diesem Fall kann der Geschäftsabschluss auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden vor Erhalt des Beratungsprotokolls erfolgen, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden für den Fall, dass das Protokoll nicht richtig oder nicht vollständig ist, ausdrücklich ein innerhalb von einer Woche nach dem Zugang des Beratungsprotokolls auszuübendes Recht zum Rücktritt von dem auf der Beratung beruhenden Geschäft einräumt2. Der Kunde muss auf das Rücktrittsrecht und die Frist hingewiesen werden. Bestreitet das Wertpapierdienstleistungsunternehmen das Recht zum Rücktritt, hat es die Richtigkeit und die Vollständigkeit des Protokolls zu beweisen.
3.266
Fraglich ist, ob unterschiedslos jede Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Beratungsprotokolls ein Rücktrittsrecht des Kunden auslöst, oder ob eine wertende Betrachtung der falschen Angabe ein anderes Ergebnis rechtfertigen kann. Der Gesetzeswortlaut selbst sieht eine Wertung nicht vor. Allerdings dürfte das Schutzbedürfnis des Kunde gering sein, falls es sich die Unrichtigkeit auf einen bloßen Schreibfehler im Namen des Kunden oder in der neben der korrekten namentlichen Produktbezeichnung mit einem Zahlendreher versehenen Wertpapierkennnummer beschränkt. Andererseits dürften fehlerhaft oder unvollständig dokumentierte finanzielle Verhältnisse des Kunden oder ein fehlerhaft dokumentierter Anlagehorizont zweifelsfrei zum Rücktritt berechtigen.
3.267
1 Leuering/Zetzsche, NJW 2009, 2856 (2859) sprechen von offensichtlicher Individualschutztendenz. 2 An Stelle des Rücktrittsrechts war im ursprünglichen Gesetzentwurf noch eine technische Aufzeichnung des Gesprächs vorgesehen im Falle, dass der Kunde nicht ausdrücklich auf diese verzichtet.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
Das Rücktrittsrecht besteht grundsätzlich auch dann, wenn ein Anlageberater eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens nach Abschluss der Beratung einen Kundenauftrag annimmt und ihn an ein anderes Institut zur Ausführung weiterleitet.
3.268
Die Beweislast für den Zugang des Beratungsprotokolls liegt beim Wertpapierdienstleistungsunternehmen, wobei auf den tatsächlichen Zugang abzustellen ist. Eine Zugangsfiktion dürfte an § 308 Nr. 6 BGB scheitern. Allerdings muss der Privatkunde nach Nr. 11 Abs. 5 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Banken dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen unverzüglich benachrichtigen, wenn eine Mitteilung, deren Eingang er erwartet ausbleibt (siehe dazu Rz. 6.334 ff.). Da der Kunde nach erfolgter Anlageberatung den Eingang eines Protokolls erwartet, dürfte Nr. 11 Abs. 5 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Banken unmittelbar anwendbar sein. Eine Verletzung dieser Benachrichtigungspflicht kann eine Schadensersatzpflicht des Kunden begründen oder im Falle des Verschuldens des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zumindest als Mitverschulden anzurechnen sein. Auch das sog. Einschreiben mit Rückschein sowie das Einwurfeinschreiben helfen hier nur bedingt. Sie können zwar den Anscheinsbeweis des Zugangs auslösen; dies jedoch nur bezogen auf den Zugang einer Postsendung, aber nicht auf den Zugang eines bestimmten Inhalts. c) Inhaltliche Ausgestaltung des Beratungsprotokolls
3.269
Gemeinsam mit Einführung des § 34 Abs. 2a WpHG wurde auch § 14 Abs. 6 WpDVerOV neu gefasst. Satz 1 dieser Regelung normiert in fünf Ziffern die inhaltliche Ausgestaltung eines Beratungsprotokolls1. Danach hat das Beratungsprotokoll Angaben zu enthalten über den Anlass der Anlageberatung (Nr. 1), die Dauer des Beratungsgesprächs (Nr. 2), die der Beratung zu Grunde liegenden Informationen über die persönliche Situation des Kunden, einschließlich der nach § 31 Abs. 4 Satz 1 WpHG einzuholenden Informationen, sowie über die Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen, die Gegenstand der Anlageberatung sind (Nr. 3), die vom Kunden im Zusammenhang mit der Anlageberatung geäußerten wesentlichen Anliegen und deren Gewichtung (Nr. 4) sowie die im Verlauf des Beratungsgesprächs erteilten 1 Im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens wurde auch die gesetzliche Normierung eines „Muster-Beratungsprotokolls“ diskutiert, aber im Ergebnis nicht weiterverfolgt, da gerade die individuelle Beratung des Anlegers wünschenswert erschien und ein für alle Beratungsgespräche vorgegebenes Muster demgegenüber das Risiko einer unerwünschten Standardisierung des Gesprächs mit sich brächte. In der Praxis des Massengeschäfts mit Privatkunden wird es sich allerdings nicht vermeiden lassen, eine gewisse technisch unterstütze Standardisierung der Beratungsprotokolle vorzusehen. Dies ist auch unproblematisch, solange es – etwa durch Verwendung von Freitextfeldern – dennoch möglich ist, die individuellen Besonderheiten des konkreten Beratungsgesprächs bzw. des konkreten Kunden zu berücksichtigen. Ein solches Musterprotokoll wurde beispielsweise vom Bundesverband deutscher Banken für seine Mitgliedsinstitute entwickelt, vgl. Eil-Mitteilung des BdB „Neues Recht der Anlageberatung: Erweitertes Musterprotokoll“ v. 9.11.2009.
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
Empfehlungen und die für diese Empfehlungen genannten wesentlichen Gründe (Nr. 5). Der Anlass der Anlageberatung nach § 14 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 WpDVerOV kann im Wesentlichen in nachfolgende Fallgruppen zusammengefasst werden: Anlage neuer Gelder; aktuelle Kapitalmarktsituation, Grundsatzgespräch Depotstrategie, Änderung des Chance-/Risikoprofils, Kapitalbedarf, Einschätzungsänderungen seitens des zentralen Research des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, Investmentidee seitens des zentralen Research des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, Sonstiges (Freitextfeld). Vorab wird an dieser Stelle fest zu halten sein, auf wessen Initiative – Institut oder Kunde – die Anlageberatung erfolgt.
3.270
Im Rahmen des § 14 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpDVerOV kann mit Zeitfenstern gearbeitet werden (zB bis zu 5 Minuten; zwischen 5 und 15 Minuten; mehr als 45 Minuten). Eine exakte Angabe Dauer dürfte nicht erforderlich sein, jedoch sollte vor dem Hintergrund, dass ein ordnungsgemäßes Beratungsgespräch im Einzelfall auch weniger als fünf Minuten dauern kann, beim ersten Zeitfenster nicht zu hoch begonnen werden.
3.271
Bei der erforderlichen Dokumentation der nach § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 WpHG einzuholenden Informationen ist eine vollständige Wiederholung von bereits in einem sog. WpHG-Bogen dokumentierten Kundenangaben nicht erforderlich. Ausreichend ist, im Beratungsprotokoll auf einen zu einem früheren Zeitpunkt angefertigten Erfassungsbogen (sog. WpHG-Bogen; vgl. Rz. 3.148) hinreichend konkret Bezug zu nehmen, wenn dieser dem Kunden auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt wurde. In Folge dieser Wertung müsste der WpHG-Bogen dann mindestens so lange aufbewahrt werden, wie das Protokoll selbst. In Bezug auf die Finanzinstrumente, die Gegenstand der Anlageberatung sind, ist genaue namentliche Bezeichnung in Verbindung mit der Nennung der Wertpapierkennnummer zur exakten Identifizierung ausreichend. Das Erfordernis, die vollständigen Produktinformationen in das Beratungsprotokoll aufzunehmen, sei es ausdrücklich oder durch Verweis auf ein beigefügtes Produktinformationsdokument lässt sich weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Regelung entnehmen.
3.272
Auch die Angaben nach § 14 Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 WpDVerOV lassen sich weitgehend fallgruppenbezogen darstellen. Hier wären neben einem Freitextfeld zur Aufnahme spezifischer Kundenanliegen beispielsweise die/der Vermögensanlage/-aufbau, die Altersvorsorge oder das Thema Absicherung der Familie zu nennen. Hier muss der Kunde angeben, wenn er im Rahmen der konkreten Anlageberatung ein von seinen bisher mitgeteilten – und im WpHG-Bogen dokumentierten – Angaben abweichendes besonderes Anliegen wüscht.
3.273
Im Falle der telefonischen Beratung mit sofortiger Ordererteilung ist im Beratungsprotokoll außerdem der ausdrückliche Wunsch des Kunden zu vermer-
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
ken, einen Geschäftsabschluss auch vor Erhalt des Protokolls zu tätigen, sowie auf das eingeräumte Rücktrittsrecht hinzuweisen (§ 14 Abs. 6 Satz 2 WpDVerOV).
3.275
Wird ein Protokoll nicht, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt bzw. zugesandt, handelt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ordnungswidrig iS des § 39 Abs. 2 Nr. 19b bzw. Nr. 19c WpHG. Dies gilt auch für den Fall, dass das Beratungsprotokoll nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig angefertigt wird (§ 39 Abs. 2 Nr. 19a WpHG)1.
3.276
Das Nichteinräumen des Rücktrittsrechts wird aufsichtsrechtlich hingegen nicht sanktioniert. Allerdings könnte § 34 Abs. 2a WpHG auch diesbezüglich anlegerschützenden Charakter haben und damit ein Schutzgesetz iS des § 823 Abs. 2 BGB sein2. Das Nichteinräumen des Rücktrittsrechts würde damit einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch auslösen, dessen Inhalt mit dem an sich einzuräumenden Rücktrittsrecht zumindest wirtschaftlich vergleichbar sein dürfte.
3.277
Eine Anlageberatung kann nicht nur mündlich sondern auch rein schriftlich erfolgen, indem Wertpapierdienstleistungsunternehmen einem Privatkunden beispielsweise eine schriftliche Produktinformation über ein bestimmtes Finanzinstrument verbunden mit einer konkreten Kaufempfehlung zusenden. Im Grundsatz dürfte auch in diesem Falle ein Beratungsprotokoll erforderlich sein, wobei allerdings im Hinblick auf die Frage, welche Daten dieses enthalten muss eine an Sinn und Zweck der Norm orientierte differenzierte Betrachtung erforderlich sein wird. So dürften Angaben zur Dauer der Beratung, wenig Sinn machen, wohingegen Angaben über die persönliche Situation des Kunden auch hier erforderlich sein werden.
4. Aufbewahrungspflichten
3.278
Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 WpHG sind alle Aufzeichnungen mindestens fünf Jahre ab dem Zeitpunkt ihrer Erstellung aufzubewahren. Damit gilt eine gegenüber der bisherigen Rechtslage um ein Jahr verkürzte Aufbewahrungspflicht. Etwas anderes gilt nach § 34 Abs. 3 Satz 2 WpHG nur für Aufzeichnungen über Rechte und Pflichten des Wertpapierdienstleistungsunterneh1 Abgesehen von den diesen aufsichtsrechtlichen Folgen dürfte ein fehlendes Beratungsprotokoll sich im Falle eines Zivilprozesses wegen Fehlberatung nachteilig in Bezug auf den behaupteten Inhalt des Protokolls auswirken (§§ 421, 422, 427 ZPO). 2 Hinsichtlich des anlegerschützenden Charakters der Norm ist ggf. eine nach den darin verankerten Pflichten differenzierende Betrachtung erforderlich. So scheint der anlegerschützende Charakter der Pflicht zur Protokollerstellung bzw. der Pflicht, dieses dem Kunden zur Verfügung zu stellen, unzweifelhaft. Ob allerdings auch die Pflicht, dem Kunden ein zivilrechtliches Rücktrittsrecht einzuräumen, anlegerschützenden Charakter hat, ist zu hinterfragen. Die Begründung des Regierungsentwurfs enthält hierzu keine Hinweise, da das Rücktrittsrecht erst später im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommen wurde.
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3. Teil
Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes
mens und seiner Kunden sowie sonstige Bedingungen, zu denen Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen erbracht werden. Diese sind mindestens für die Dauer der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden aufzubewahren.
VI. Prüfungsrichtlinien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Die Einhaltung der allgemeinen und speziellen Verhaltensregeln durch das Wertpapierdienstleistungsinstitut sind einmal jährlich durch einen geeigneten Prüfer zu prüfen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 WpHG). Dabei sind auch die Einhaltung der Meldepflichten nach § 9 WpHG sowie die sich aus der MiFID-Durchführungsverordnung1 ergebenden Pflichten zu prüfen. Bei Kreditinstituten, die das Depotgeschäft iS von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG betreiben, hat sich die Prüfung auch hierauf zu erstrecken2.
3.279
Die unter Bezugnahme auf den Prüfgegenstand auch als „WpHG-Prüfung“ bezeichnete Prüfung wird regelmäßig durch einen vom betroffenen Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst bestellten Prüfer vorgenommen, wobei die BaFin aber auch Befugnis hat, in Einzelfällen die Prüfung selbst oder durch Beauftragte durchzuführen (§ 36 Abs. 4 WpHG).
3.280
Art, Umfang und Zeitpunkt der Prüfung wird durch die nach § 36 Abs. 5 WpHG erlassene Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung (WpDPV)3 konkretisiert. Diese regelt das Verhältnis zwischen Prüfer und geprüftem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und umschreibt Berichtspflichten für den Prüfer gegenüber der Aufsicht. Dafür enthält sie nähere Angaben über den Prüfungs- und Berichtszeitraum (§ 3 WpDPV), Art und Umfang der Prüfung (§ 4 WpDPV) sowie allgemeine und besondere Anforderungen an den Prüfbericht (§ 4 und § 5 WpDPV). Nach diesen Vorgaben ist im Prüfungsbericht insbesondere jeder festgestellte Mangel ausführlich darzustellen und auch darzulegen, wie die bei der vorangegangenen Prüfung festgestellten Mängel beseitigt oder welche Maßnahmen zu ihrer Beseitigung eingeleitet worden sind. Der Begriff des Mangels ist in § 2 Abs. 2 WpDPV definiert.
3.281
Unverzüglich nach Beendigung der Prüfung hat der Prüfer der BaFin sowie der Bundesbank seinen Prüfungsbericht einzureichen. Eine feste zeitliche Frist
3.282
1 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 v. 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/ 39/EG betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1 ff. 2 Zu den Prüfungsfeldern und den nach Implementierung der MiFID bestehenden Schwerpunkten bei Prüfungen Füser/Serafin in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, S. 906. 3 Verordnung über die Prüfung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 36 des Wertpapierhandelsgesetzes v. 16.12.2004, BGBl. I 2004, S. 3515.
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Wertpapieraufsichtsrecht
sieht das Gesetz zwar nicht vor, jedoch wird nach der bisherigen Praxis ein Zeitraum von bis zu vier Wochen noch als „unverzüglich nach Beendigung“ anzusehen sein1. Stellt der Prüfer während der Prüfung allerdings schwerwiegende Verstöße gegen die Verhaltenspflichten oder die Meldepflichten nach § 9 WpHG fest, hat er die BaFin noch vor Beendigung unverzüglich zu unterrichten.
3.283–3.300
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Compliance-Organisationen (Rothenhöfer)
I. Grundlagen 1. Begriff
3.301
Der Begriff Compliance2 stammt aus dem angelsächsischen „to comply with“ und bedeutet ein Verhalten, dass in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen und Vorschriften steht3. Ein entsprechendes Verhalten sicherzustel1 Schlette/Bouchon in Fuchs, § 36 WpHG Rz. 4 mwN. 2 In der Literatur wird zwischen dem weiten und dem engen Compliance-Begriff differenziert; vgl. Assmann, AG 1994, 237 (256); Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 3 mwN; Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 4 ff. Unter dem weiten Compliance-Begriff wird die Einhaltung sämtlicher, insbesondere öffentlich-rechtlicher, gesellschaftsrechtlicher und kapitalmarktrechtlicher, Vorschriften verstanden; aktuell sind insbesondere die Anforderungen an Compliance bei der Korruptionsbekämpfung, hierzu: Salvenmoser/Hauschka, NJW 2010, 331 (334 f.); Stierle in Albrecht/Karahan/Lenenbach, § 32 Rz. 1 ff. Zu ComplianceOrganisationen in Industriekonzernen: Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113 ff.; in der Versicherungswirtschaft: Preusche in Hauschka, Corporate Compliance, § 37 Rz. 1 ff. Der enge Compliance-Begriff umfasst hingegen den Bereich Wertpapier-Compliance, der teilweise auch als Kapitalmarkt-Compliance bezeichnet wird. Bei ihm steht das Wertpapiergeschäft mit dem Schwerpunkt der Geschäftsbeziehung zu den Effektenkunden im Vordergrund; zentral ist die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflicht zur interessewahrenden Ausführung der Kundenaufträge im Effektengeschäft; bereits die kommissionsrechtliche Verpflichtung zur interessewahrenden Ausführung (§ 384 Abs. 1 HGB) gebietet es, dem Kundeninteresse Vorrang vor dem Interesse der Bank und ihren Mitarbeitern einzuräumen; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1888; Hefermehl in Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1977, § 384 HGB Rz. 14; Koller in Staub, HGB-Großkommentar, 4. Aufl. 2004, § 384 HGB Rz. 7. Weitere Felder der Wertpapier-Compliance sind die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Insiderregelung (ausführlich hierzu: Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, S. 25 ff.) sowie die Überwachung der Einhaltung der Verhaltensregeln für Mitarbeiter. 3 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 1; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 3; Lösler, NZG 2005, 104 (104).
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Wertpapieraufsichtsrecht
sieht das Gesetz zwar nicht vor, jedoch wird nach der bisherigen Praxis ein Zeitraum von bis zu vier Wochen noch als „unverzüglich nach Beendigung“ anzusehen sein1. Stellt der Prüfer während der Prüfung allerdings schwerwiegende Verstöße gegen die Verhaltenspflichten oder die Meldepflichten nach § 9 WpHG fest, hat er die BaFin noch vor Beendigung unverzüglich zu unterrichten.
3.283–3.300
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Compliance-Organisationen (Rothenhöfer)
I. Grundlagen 1. Begriff
3.301
Der Begriff Compliance2 stammt aus dem angelsächsischen „to comply with“ und bedeutet ein Verhalten, dass in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen und Vorschriften steht3. Ein entsprechendes Verhalten sicherzustel1 Schlette/Bouchon in Fuchs, § 36 WpHG Rz. 4 mwN. 2 In der Literatur wird zwischen dem weiten und dem engen Compliance-Begriff differenziert; vgl. Assmann, AG 1994, 237 (256); Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 3 mwN; Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 4 ff. Unter dem weiten Compliance-Begriff wird die Einhaltung sämtlicher, insbesondere öffentlich-rechtlicher, gesellschaftsrechtlicher und kapitalmarktrechtlicher, Vorschriften verstanden; aktuell sind insbesondere die Anforderungen an Compliance bei der Korruptionsbekämpfung, hierzu: Salvenmoser/Hauschka, NJW 2010, 331 (334 f.); Stierle in Albrecht/Karahan/Lenenbach, § 32 Rz. 1 ff. Zu ComplianceOrganisationen in Industriekonzernen: Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113 ff.; in der Versicherungswirtschaft: Preusche in Hauschka, Corporate Compliance, § 37 Rz. 1 ff. Der enge Compliance-Begriff umfasst hingegen den Bereich Wertpapier-Compliance, der teilweise auch als Kapitalmarkt-Compliance bezeichnet wird. Bei ihm steht das Wertpapiergeschäft mit dem Schwerpunkt der Geschäftsbeziehung zu den Effektenkunden im Vordergrund; zentral ist die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflicht zur interessewahrenden Ausführung der Kundenaufträge im Effektengeschäft; bereits die kommissionsrechtliche Verpflichtung zur interessewahrenden Ausführung (§ 384 Abs. 1 HGB) gebietet es, dem Kundeninteresse Vorrang vor dem Interesse der Bank und ihren Mitarbeitern einzuräumen; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1888; Hefermehl in Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1977, § 384 HGB Rz. 14; Koller in Staub, HGB-Großkommentar, 4. Aufl. 2004, § 384 HGB Rz. 7. Weitere Felder der Wertpapier-Compliance sind die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Insiderregelung (ausführlich hierzu: Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, S. 25 ff.) sowie die Überwachung der Einhaltung der Verhaltensregeln für Mitarbeiter. 3 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 1; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 3; Lösler, NZG 2005, 104 (104).
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3. Teil
Compliance-Organisationen
len ist Aufgabe der Compliance-Organisation1. Sie soll durch Errichtung von unternehmensinternen Strukturen, insbesondere Verhaltens- und Kontrollstrukturen, rechtswidrige Geschäftspraktiken verhindern2. Die BaFin versteht unter Compliance die Pflicht der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, eine ihrer Struktur und Geschäftstätigkeit entsprechende Aufbau- und Ablauforganisation sowie eine laufende Überwachung aufzubauen, um eine ordnungsgemäße Durchführung der Wertpapier(neben)dienstleistungen zu gewährleisten; dieses Verständnis ist im WpHG kodifiziert. Die angemessene Umsetzung der Organisationspflichten beurteilt sich aus einer Gesamtbetrachtung der getroffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung von Größe, Geschäftstätigkeit und Struktur des Unternehmens3.
3.302
2. Rechtsgrundlagen Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben für eine Compliance-Struktur bei Banken finden sich insbesondere in § 25a Abs. 1 KWG. Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben ferner die Vorgaben des § 33 WpHG4, der durch das 2. Finanzmarktförderungsgesetz im Jahr 1994 eingeführt5 und durch Verlautbarungen der Aufsichtsämter näher konkretisiert wurde6, zu beachten. Der Umgang
1 Zur Herausbildung von Compliance als eigenständige Kategorie: Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 7 ff. Zum Outsourcing von Compliance-Funktionen: Bürkle in Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rz. 57 ff. 2 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, WM 2009, 1882 (Rz. 27); Eisele, WM 1993, 1021 (1021); Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 3. 3 Ziffer 2.1 BAWe, Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG v. 25.10.1999 (BAWe, Compliance-Richtlinie), Bundesanzeiger Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18453 (folgend: BAWe, Compliance-Richtlinie). Obwohl diese Richtlinie durch das BaFin, Schreiben „Aufhebung der Wohlverhaltensrichtlinie, der Compliance-Richtlinie und der Mitarbeiterleitsätze“ v. 23.10.2007, abrufbar unter: http://www.bafin.de (folgend: BaFin, Schreiben v. 23.10.2007), aufgehoben wurde, dient ihr Inhalt noch als Erkenntnisquelle, vgl. unten Rz. 3.306. 4 § 33 WpHG findet seine bankaufsichtsrechtliche Entsprechung in § 25a KWG, hierzu: Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 7 ff. mwN. Das WpHG verfolgt einen marktbezogenen Ansatz, der sich am Schutz des Kunden und der Marktintegrität orientiert, während das KWG auf die Gewährleistung von Solvenz und Bestand der Institutionen abzielt (vgl. Braun in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 25a KWG Rz. 88 f.; Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Einf. Rz. 61 ff. u. 102 ff.). Die Regelungen des § 33 WpHG stehen dabei ergänzend neben den Regelungen des § 25a KWG, vgl. Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1648. 5 BGBl. I 1994, S. 1749. Zu § 33 WpHG aF: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, 4. Aufl. 2006, § 33 WpHG Rz. 1; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 1 ff. (sehr ausführlich); Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 1. 6 Ua.: BAWe, Rundschreiben Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen nach § 33 Abs. 2 WpHG v. 18.8.1998, abrufbar unter: http://www.bafin.de (folgend: BAWe, Rundschreiben Auslagerung); BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302); BAWe, Begleitschreiben zur Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG (Compliance) v.
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3.303
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
mit Mitarbeitergeschäften – der früher lediglich durch eine Bekanntmachung der Aufsichtsbehörde geregelt war1 – ist in § 33b WpHG normiert2. Die Neufassung des § 33 WpHG durch das FRUG3 setzt Art. 13 MiFID4 und zahlreiche Vorschriften der DRLMiFID5 in nationales Recht um und normiert das Grundprinzip, durch angemessene organisatorische Vorkehrungen für die Einhaltung der Pflichten des WpHG zu sorgen6.
3.304
Zu den wesentlichen Neuerungen gehört, dass § 33 WpHG nF ausdrücklich die Pflicht zur Einrichtung einer dauerhaften und wirksamen ComplianceFunktion (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG), eine Berichtspflicht des mit der Compliance-Funktion betrauten Mitarbeiters an die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 WpHG) sowie das Erfordernis eines Verfahrens zum Umgang mit Beschwerden (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG) normiert7. Darüberhinaus ist trotz zum Teil weitreichender Änderungen des Wortlauts festzustellen, dass sich die materiellen Änderungen vor dem Hintergrund, dass die meisten der nach § 33 Abs. 1 Satz 2 WpHG geforderten Organisationspflichten bereits nach der alten Rechtslage – insbesondere nach der Compliance-Richtlinie8 – bestanden haben, im überschaubaren Rahmen halten9.
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1.11.1999, abrufbar unter: http://www.bafin.de (folgend: BAWe, Begleitschreiben Compliance-Richtlinie). BAKred/BAWe, Bekanntmachung über Anforderungen an Verhaltensregeln für Mitarbeiter der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte v. 7.6.2000, abrufbar unter: http://www.bafin.de (folgend: BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze). Diese Bekanntmachung wurde aufgehoben durch BaFin, Schreiben v. 23.10.2007 (Rz. 3.302). Zum Verhältnis der §§ 31 ff. WpHG zu § 25a KWG: Ziffer AT 7 BaFin, Rundschreiben 4/2010 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) v. 7.6.2010, abrufbar unter: http://www. bafin.de (folgend: BaFin, MaComp). Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2007 (BGBl. I 2007, S. 1330 ff.). Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff. Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definitionen bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie v. 10.8.2006, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 247. Vergleichbare Pflichten ergaben sich bisher aus der BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302); hierzu Rz. 3.319 ff., 3.350 ff. u. 3.395 ff. Vgl. insbesondere die Ziffern 2–4 der BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 2; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 1.
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3. Teil
Compliance-Organisationen
Die Regelungen des WpHG werden durch die WpDVerOV1, die FinAnV2 sowie die Verlautbarungen der BaFin3 näher konkretisiert. Dabei ist aber zu beachten, dass trotz der Konkretisierung es auf die Angemessenheit und Wirksamkeit der konkreten Maßnahme ankommt (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 WpHG) und somit ein Spielraum für das Institut bei der Umsetzung der Regelungen bestehen bleibt4.
3.305
Mit dem Inkrafttreten des FRUG zum 1.11.2007 wurden die ComplianceRichtlinie und die Mitarbeiterleitsätze aufgehoben5, da ihre Regelungsbereiche durch die Neufassung des WpHG weitgehend gesetzlich reguliert sind. Beide Verlautbarungen sind aber als Erkenntnisquelle zur Auslegung und Konkretisierung der neuen Regelungen fruchtbar zu machen6.
3.306
3. Schutzzweck § 33 WpHG ist als öffentlich-rechtliche Regelung zu qualifizieren7. Compliance bezweckt sowohl den Funktionsschutz des Kapitalmarktes als auch den (mittelbaren) Anlegerschutz8. Denn unternehmensbezogene Organisationspflichten sind Voraussetzung für die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln9 (hierzu: Rz. 3.86 ff.) sowie deren Absicherung und bewirken somit einen mittelbaren 1 Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Wertpapierdienstleistungs-, Verhaltensund Organisationsverordnung – WpDVerOV) v. 20.7.2007 (BGBl. I 2007, S. 1432), geändert durch Erste Verordnung zur Änderung der Wertpapierdienstleistungs-, Verhaltensund Organisationsverordnung v. 21.11.2007 (BGBl. I 2007, S. 2602), durch Art. 8 Abs. 9 des Gesetzes zur Umsetzung der VerbraucherkreditRL, des zivilrechtlichen Teils der ZahlungsdiensteRL sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2355), durch Art. 7 des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung v. 31.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2512). 2 Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (Finanzanalyseverordnung – FinAnV) v. 17.12.2004 (BGBl. I 2004, S. 3522), geändert durch Erste Verordnung zur Änderung der Finanzanalyseverordnung v. 20.7.2007 (BGBl. I 2007, S. 1430). 3 BaFin, Rundschreiben 8/2008 (WA) – Überwachung von Mitarbeitergeschäften gemäß § 33b WpHG und § 25a KWG v. 18.8.2008, abrufbar unter: http://www.bafin.de (folgend: BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte); BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 4 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 5; Ziffer AT 3.2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Auch nach § 33 WpHG aF bestand auf Grund der weit gefassten Kriterien und der unbestimmten Rechtsbegriffe ein Umsetzungsspielraum für die Institute. 5 BaFin, Schreiben v. 23.10.2007 (Rz. 3.302). 6 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 2 u. 12; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 1. Ferner können auch die Verwaltungsgrundsätze der BaFin zu den „Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk“ (BaFin, Rundschreiben 15/ 2009 (BA) v. 14.8.2009, Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, abrufbar unter: http://www.bafin.de [folgend: BaFin, MaRisk]); als Erkenntnisquelle herangezogen werden, vgl. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 12. 7 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 6. 8 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 4; Lösler, NZG 2005, 104 (104 f., 108). 9 Kodifiziert in § 31 WpHG.
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3.307
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
bzw. vorgelagerten Schutz der Anleger1. Dies folgt bereits daraus, dass beide Schutzrichtungen in einer Wechselwirkung miteinander verbunden sind. Die Stärkung des einen bedingt regelmäßig die Stärkung des anderen, genau wie die Schwächung des einen regelmäßig zur Schwächung des anderen führt2.
3.308
Vom mittelbaren Anlegerschutz ist der Schutz des individuellen Anlegers zu unterscheiden; also die Frage, ob die Verletzung der Regelung auch Individualansprüche der Anleger, zB über § 823 Abs. 2 BGB, begründen kann. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln, wird im Regelfall aber zu verneinen sein, da Compliance auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes abzielt3.
3.309
Schließlich hat Compliance auch Schutzwirkung zu Gunsten der Bank und ihrer Mitarbeiter4. Denn durch die Einhaltung von gesetzlichen Verhaltenspflichten wird die Wahrscheinlichkeit von aufsichtsrechtlichen Sanktionen, zivilrechtlichen Haftungs- und Reputationsrisiken für die Bank reduziert5. Gleichzeitig sollen Organe und Mitarbeiter durch Compliance vor der Verletzung von straf- und bußgeldbewehrten Vorschriften, der Begründung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche sowie arbeitsrechtlichen Konsequenzen bewahrt werden6. Dies soll erstens dadurch sichergestellt werden, dass Compliance Organe und Mitarbeiter bereits präventiv vor Fehlhandlungen bewahrt – indem sowohl zulässige als auch unzulässige Verhaltensweisen klar aufgezeigt werden – und zweitens dadurch, dass eine effiziente Compliance-Organisation es der Bank und ihren Mitarbeitern erleichtert, sich gegen unberechtigte Vorwürfe und Anschuldigungen seitens der Kundschaft und der Öffentlichkeit effektiv zu verteidigen7.
3.310
Aus der Zielsetzung der Compliance-Organisation, Organe und Mitarbeiter insbesondere vor der Verletzung von straf- und bußgeldbewährten Vorschriften zu bewahren, leitet der BGH eine strafrechtliche Garantenpflicht iS des § 13 Abs. 1 StGB des Compliance-Officers (zum Compliance-Officer: Rz. 3.320 ff.), der für die Compliance-Organisation verantwortlich ist8, ab, im Zusammen1 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 1. Zum Zusammenspiel zwischen unternehmensbezogenen und transaktionsbezogenen Verhaltenspflichten: Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 1 f., 169 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 224 ff. Bereits 1975 wurde von Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 438 ff., eine Organisationspflicht der Kreditinstitute im Interesse der Anleger gefordert, die durch Behörden durchzusetzen sei. 2 Ausführlich hierzu: Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 333 ff. 3 Ausführlich hierzu: Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 6; Lösler, NZG 2005, 104 (108); Schäfer, WM 2007, 1872 (1876). Für dieses Verständnis spricht auch, dass Art. 13 MiFID, der durch § 33 WpHG ins deutsche Recht transformiert wird, mit „organisatorische Anforderungen“ überschrieben ist. 4 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 4; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 4; Lösler, NZG 2005, 104 (104 f.). 5 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 4. 6 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 4; Lösler, NZG 2005, 104 (104 f.). 7 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 4. 8 Die Verantwortung für die Einhaltung der im WpHG geregelten Pflichten trägt die Geschäftsleitung; auch bei Delegation der Aufgaben besteht die Verantwortung fort, vgl. Ziffer AT 4 BaFin, MaComp (Rz. 3.303).
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3. Teil
Compliance-Organisationen
hang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern1. Diese strafrechtliche Verantwortung ist nach dem BGH die notwendige Kehrseite der vom Compliance-Officer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden2. Gegen die Annahme einer Garantenpflicht des Compliance-Officers bestehen aber erhebliche Bedenken3. So ist bereits fraglich, warum die strafrechtliche Verantwortung – die Garantenpflicht – die notwendige Kehrseite der zivilrechtlichen Verpflichtung – aus dem Anstellungsvertrag – ist und warum nicht eine zivilrechtliche Sanktion ausreichen soll. Ferner spricht gegen die Einordnung als Garantenpflicht, dass nach § 130 OWiG die Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat verfolgt wird4.
4. Einordnung von Compliance im System des Risikomanagements Kernstück einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation ist ein angemessenes und wirksames Risikomanagement; detaillierte Vorgaben enthält § 25a Abs. 1 KWG, welche gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG auch von Wertpapierdienstleistungsunternehmen einzuhalten sind5. Das System des Risikomanagements setzt sich aus Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation sowie aus Risikosteuerungs- und Risikocontrollingprozessen zusammen6. Die ordnungsgemäße Aufbau- und Ablauforganisation zielt darauf ab, die jeweiligen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter sowie
1 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, WM 2009, 1882 (Rz. 27) m. krit. Anm. Stoffers, NJW 2009, 3176 f.; Deutscher, WM 2010, 1387 ff.; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/ Lang, Rz. 1691 ff. (mit Ausführungen zu Möglichkeiten zur Begrenzung des ggf. bestehenden Haftungsrahmens des Compliance-Officers); zustimmend: Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (61); Ransiek, AG 2010, 147. Zu den zivilrechtlichen Aspekten: Favoccia/Richter, AG 2010, 137 ff. 2 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, WM 2009, 1882 (Rz. 27) m. krit. Anm. Stoffers, NJW 2009, 3176 f.; Deutscher, WM 2010, 1387 ff.; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/ Lang, Rz. 1691 ff. (mit Ausführungen zu Möglichkeiten zur Begrenzung des ggf. bestehenden Haftungsrahmens des Compliance-Officers); zustimmend: Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (61); Ransiek, AG 2010, 147. Zu den zivilrechtlichen Aspekten: Favoccia/Richter, AG 2010, 137 ff. 3 Stoffers, NJW 2009, 3176 f.; differenzierend auch Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (32), die den Compliance-Officer nicht als Beschützer des Rechtsguts „Integrität des Unternehmens“, sondern als Überwachungsgarant des von ihm implementierten Systems einordnen. 4 Stoffers, NJW 2009, 3176; aA Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Ransiek, AG 2010, 147 (149). 5 Ausführlich zu § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG: Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 15 ff. mwN. Zum Verhältnis der §§ 31 ff. WpHG zu § 25a KWG: Ziffer AT 7 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 6 Ziffer 7 BaFin, Rundschreiben 3/2009 (VA) – Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk VA) v. 22.1.2009, abrufbar unter: http:// www.bafin.de (folgend: BaFin, MaRisk VA); vgl. Ziffer AT 6.1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303).
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3.311
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
die Kommunikationswege und Kontrollen klar zu definieren und aufeinander abzustimmen1. Der Risikosteuerungs- und Risikocontrollingprozess zielt hingegen auf die frühzeitige Erkennung der wesentlichen Risiken, ihrer vollständigen Erfassung und angemessenen Darstellung ab2.
3.312
Compliance ist Bestandteil des Risikomanagements und wird als Managementaufgabe zur Steuerung des Risikos verstanden3. Um die Risiken erfassen und steuern zu können, entwickelt und etabliert Compliance angemessene Grundsätze und Verfahren, die insbesondere effektive Überwachungsmechanismen einschließen4.
3.313
Neben Compliance existieren in einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen weitere Abteilungen, namentlich die Rechts- und die Revisionsabteilung, die die Bewertung von Risiken zum Gegenstand haben und eine Kontrollfunktion ausüben5. Dies erfordert einerseits eine Abgrenzung und andererseits eine enge Verzahnung, damit die aus verschiedenen Perspektiven erkannten und beurteilten Risiken zusammengeführt werden.
3.314
Die Tätigkeit der Revision6 hat ausschließlich das Unternehmensinteresse im Blick und behandelt im Schwerpunkt die nachträgliche Kontrolle von abgeschlossenen Vorgängen7. Compliance hingegen überwacht8 (siehe dazu unten Rz. 3.393 ff.) und steuert den unternehmensinternen Informationsfluss als neutrale Stelle, um vorbeugend Regelverstöße und Reputationsrisiken zu verhindern und so das Vertrauen des Anlegers in die Integrität des Unternehmens und des Marktes zu stärken9. Daher hat der Leiter der Innenrevision auch
1 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 34; vgl. Ziffer AT 6.1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 2 Ziffer 7.3.2.3 und 7.3.2.4 BaFin, MaRisk VA (Rz. 3.311). 3 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 1; Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 4; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 83; Spindler, WM 2008, 905 (909). Das Compliancewesen ist auch ein wesentlicher Bestandteil der Grundsätze für eine „erfolgsorientierte Unternehmensleitung und verantwortliche Unternehmenskontrolle“, wie sie auch von der OECD im Mai 1999 veröffentlicht worden sind (sog. Corperate Governance). Zur Frage, ob die Compliance-Abteilung auf Dritte ausgelagert werden kann: Spindler, WM 2008, 905 (912). Zu den Vorstandspflichten im Zusammenhang mit der Vermeidung, Aufklärung und Sanktionierung von Rechtsverstößen: Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 ff. 4 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 28; Ziffer 7.3.2.4 BaFin, MaRisk VA (Rz. 3.311). 5 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 74. 6 Einen Überblick über die Aufgaben, Kompetenzen und Tätigkeit der Revision gibt Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 36 ff. mwN. Zur Zusammenarbeit von Compliance und interner Revision: Bürkle in Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rz. 54 f. 7 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 86; Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 22. 8 Soweit Compliance auch zur Überwachungstätigkeit verpflichtet ist (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 WpHG), bezieht sich diese Verpflichtung primär auf die Kontrolle, ob die eingerichteten organisatorischen Maßnahmen wirksam sind. 9 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 85. Einen Überblick über Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Aufgaben der Compliance-Abteilung und der internen Revision gibt: Röh in Renz/Hense, Wertpapier-Compliance, III.1 Rz. 32.
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3. Teil
Compliance-Organisationen
keine Garantenstellung iS des § 13 Abs. 1 StGB für die Unterbindung von Straftaten aus dem Unternehmen zu Lasten Dritter1. Gleichzeitig überschneiden und ergänzen sich die Kontrolltätigkeit der Compliance- und der Revisionsabteilung2. Denn die Tätigkeit der Revision zielt auf die Kontrolle des Einzelfalls, während durch Compliance eine Kontrolle der Struktur erfolgt, die die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben sicherstellen soll.
3.315
Die Aufgaben der Rechtsabteilung sind in der Literatur, soweit ersichtlich, nicht klar umrissen. In der Praxis reicht das Aufgabenfeld von der Beschwerde-/Prozessbetreuung über die Beratung der Geschäftseinheiten und der Geschäftsleitung – insbesondere bei der Implementierung neuer Rechtsvorschriften – bis hin zur rechtlichen Prüfung von Marketingmaterial bzw. Vertriebsunterlagen im NPA-Prozess. Da zumindest einige dieser Aufgaben – zB das Beschwerdemanagement – auch von dem modernen Compliance-Begriff erfasst werden, besteht auf den ersten Blick zwischen der Rechts- und Complianceabteilung teilweise eine Überschneidung der Aufgabenbereiche, die historisch bedingt ist. Denn das weite anglo-amerikanische Verständnis von Compliance erfasst zunehmend auch Aufgaben, die nach deutschen Verständnis typischerweise der Rechtsabteilung zugewiesen werden.
3.316
Die teilweise Überschneidung der Aufgabenbereiche bedingt die Gefahr, dass Tätigkeiten doppelt ausgeführt werden. Die Zuweisung einer Tätigkeit zu zwei Bereichen ist dann sinnvoll, wenn dies zu einem höheren Nutzen für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen führt; ein solch höherer Nutzen kann zum Beispiel daraus resultieren, dass die Abteilungen unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe anlegen oder über unterschiedliches Know-how verfügen. Im Sinne einer effizienten Steuerung ist die Aufgabe der Abteilung zu zuweisen, die über das erforderliche Know-how verfügt und die Aufgabe zu den geringsten Kosten durchführen kann. Die Aufgabenzuweisung ist Managementaufgabe. Dabei stehen das erforderliche Know-how und die kostengünstige Risikokontrolle im Spannungsverhältnis. Schwierig ist insbesondere die Ex-ante-Prognose, welches Know-how zur Risikokontrolle erforderlich ist.
3.317
II. Elemente einer Compliance-Organisation für das Wertpapiergeschäft § 33 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 WpHG verlangen, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine angemessene betriebliche Organisation einrichtet, um sicherzustellen, dass das Institut selbst und seine Mitarbeiter den Verpflichtungen nach dem WpHG nachkommen. Auf Grund der Flexibilisierungs- oder Proportionalitätsklausel – die Ausdruck des Grundsatzes der Ver1 Ebenfalls zurückhaltend gegenüber der Annahme einer Garantenpflicht des Leiters der Innenrevision: BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, WM 2009, 1882 (Rz. 27). 2 Bürkle in Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rz. 54.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
hältnismäßigkeit ist – des § 33 Abs. 1 Satz 3 WpHG1 richten sich die Pflichten zur Aufstellung von Grundsätzen und Verfahren, nach der Art, dem Umfang, der Komplexität und dem Risikogehalt der Geschäfte des Institutes sowie der Art und dem Spektrum der von ihm angebotenen Wertpapierdienstleistungen2. Mithin ist das genaue Ausmaß der organisatorischen Maßnahmen für jedes Unternehmen im Einzelfall zu bestimmen; dennoch bestehen Mindestanforderungen, allgemeine Grundsätze und Prinzipien, die – wenn auch teilweise in unterschiedlicher Ausprägung – von der ganz überwiegenden Zahl der Institute zu beachten sind3. Die Vorgaben des § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG werden durch § 12 WpDVerOV sowie § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2–6 WpHG konkretisiert.
3.319
Eine effiziente Compliance-Organisation setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Gemeinsam ist allen Elementen die auf Verhinderung bzw. Reduzierung von Interessenkonflikten gerichtete Zielsetzung. Unterschiede bestehen im Hinblick auf die Ansätze, mit denen die Interessenkonflikte bekämpft werden. Die zentralen Elemente werden im Folgenden kurz erläutert. Zu beachten ist, dass die Organisationspflichten gemäß § 33 WpHG nicht tiefer in die unternehmerische Freiheit eingreifen sollen, als es für den Schutz des Kapitalmarktes erforderlich ist4. Daher bleibt die konkrete Auswahl der organisatorischen Maßnahme dem Institut überlassen5.
1. Compliance-Funktion
3.320
Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen insbesondere eine dauerhafte6 und wirksame Compliance-Funktion einzurichten, die ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen kann7. Die nähere 1 Eine entsprechende Klausel enthält § 25a Abs. 1 Satz 4 KWG für die Ausgestaltung des Risikomanagements. 2 Das Kriterium der Angemessenheit wird ausdrücklich in § 12 Abs. 2 WpDVerOV genannt; § 12 WpDVerOV konkretisiert die Organisationspflichten des § 33 Abs. 1 WpHG. Der Proportionalitätsgrundsatz findet sich auch in Ziffer AT 3.2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Dieser Grundsatz bestand bereits nach der alten Rechtslage: Vgl. Abs. 9 BAWe, Begleitschreiben Compliance-Richtlinie (Rz. 3.303); Koller in Assmann/ Uwe H. Schneider, 4. Aufl. 2006, § 33 WpHG Rz. 16; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 68; Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 12. 3 Zu den Mindestanforderungen gehören ausreichende Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz des Unternehmens und der Kundengelder, insbesondere gegen Angriffe auf die Computersysteme, eine Notfallplanung für Systemausfälle sowie die Einführung des Vier-Augen-Prinzips in besonders sensiblen Bereichen, vgl. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 19, 63 ff.; Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 8; Ziffer AT 6.2 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); so bereits Ziffer 2.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). 4 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 21. 5 Vgl. Ziffer AT 3.2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); so bereits Ziffer 2.2.1 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302); Jütten, Die Bank 1999, 126 (127). 6 Zur Dauerhaftigkeit der Compliance-Funktion: Ziffer BT 1.1.3 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 7 Eine entsprechende Anforderung enthält Ziffer AT 6 Abs. 1 und Ziffer BT 1.1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG setzt Art. 13 Abs. 2 MiFID und
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3. Teil
Compliance-Organisationen
Ausgestaltung ist in § 12 Abs. 3–5 WpDVerOV in Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 und 3 DRLMiFID geregelt. § 12 Abs. 4 Satz 1 WpDVerOV verlangt ausdrücklich die Benennung eines Compliance-Beauftragten, der für die Compliance-Funktion sowie den Bericht an die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 WpHG (siehe dazu unten unter Rz. 3.396 ff.) verantwortlich ist1. § 12 Abs. 4 Satz 2 WpDVerOV nennt die Anforderungen, die an die Compliance-Funktion bzw. die mit der Compliance-Funktion betraute Person gestellt werden.
3.321
a) Unabhängigkeit Die mit der Compliance-Funktion betraute Person muss gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 und 3 und Abs. 5 WpDVerOV in mehrfacher Hinsicht unabhängig sein2.
3.322
Fachlichen Weisungen unterliegt die mit der Compliance-Funktion betraute Person lediglich gegenüber der Geschäftsleitung3. Die neutrale und wirksame Überwachung könnte beeinträchtigt sein, wenn der Compliance-Beauftragte zwar hinsichtlich seiner Compliancetätigkeit nur den Weisungen der Geschäftsleitung untersteht4, er aber gleichzeitig auch andere Aufgaben wahrnimmt und insoweit in die hierarchische Unternehmensstruktur eingebunden ist. Deshalb sollte eine anderweitige Beschäftigung vermieden werden; ein striktes Verbot besteht nicht5.
3.323
Die Unabhängigkeit erfordert weiter, dass die mit der Compliance-Funktion betrauten Mitarbeiter nicht an Wertpapierdienstleistungen beteiligt sein dür-
3.324
1
2
3
4 5
Art. 6 Abs. 1 DRLMiFID in nationales Recht um. Zur Entwicklung und Aufgaben der Compliance-Stelle: Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 83 ff. mwN. Ausführlich hierzu: Lösler, Compliance, S. 190 ff. Zur Rechtsnatur von Compliance-Funktion und Compliance-Beauftragtem: Veil, WM 2008, 1093 (1096 f.). So auch Ziffer BT 1.1 Nr. 2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Eine weitgehend vergleichbare Regelung enthielt bereits Ziffer 4.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). Zu den Elementen eines „Compliance-Bauftragten-Systems“: Bürkle in Hauschka, Corporate Compliance, § 9 Rz. 7 ff. Ziffer BT 1.1.1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); kritsch gegenüber der Anwendung des Unabhängigkeitskriteriums auf alle mit Compliance-Funktionen betrauten Mitarbeiter: Spindler, WM 2008, 905 (910). Bürkle in Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rz. 31; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 82; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1660 („sollte der ComplianceBeauftragte keinen fachlichen Weisungen anderer Stellen unterliegen“); Lösler, NZG 2005, 104 (107 f.), nachdem das Eskalationsrecht der Compliance-Abteilung ein wesentliches Moment ihrer Unabhängigkeit ist; Röh, BB 2008, 358 (403); Stierle in Albrecht/Karahan/Lenenbach, § 32 Rz. 55; Ziffer BT 1.1.1 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); so bereits Ziffer 4.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302) und indirekt § 35 Abs. 2 Nr. 6 KWG. Zum Verhältnis des Compliance-Beauftragten zum Vorstand und zum Aufsichtsrat: Veil, WM 2008, 1093 (1097 f.). Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 82.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
fen, die sie zu überwachen haben (§ 12 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 WpDVerOV)1. Eine Tätigkeit in anderen Bereichen – insbesondere im Risikomanagement – ist, soweit dies nach Art, Umfang und Komplexität des Geschäfts des Institutes angemessen ist, hingegen zulässig2.
3.325
Eine disziplinarische Weisungsunabhängigkeit ist nicht geboten; die disziplinarische Weisungsabhängigkeit muss aber so ausgestaltet sein, dass der Compliance-Beauftragte nicht bei seiner Aufgabenwahrnehmung eingeengt ist3.
3.326
Eine weitere Stärkung der persönlichen Unabhängigkeit durch Einräumung einer arbeitsrechtlichen Sonderstellung – insbesondere bezogen auf den Kündigungsschutz – wird von der Literatur nicht gefordert4. Die BaFin empfiehlt allerdings die Bestellung des Compliance-Beauftragten für mindestens 24 Monate sowie die Vereinbarung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist seitens des Arbeitgebers5.
3.327
Die Vergütung des Compliance-Beauftragten muss nach § 12 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 WpDVerOV so ausgestaltet sein, dass seine Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung seiner Tätigkeit nicht gefährdet wird6. Demnach sind insbesondere Vergütungssysteme, die Anreize zur Duldung von Regelverstößen schaffen, nicht zulässig7. Dieser Grundsatz führt nicht zur Unzulässigkeit variabler, insbesondere erfolgsbezogener, Vergütungssysteme für die Beschäftigen in der Complianceabteilung8. Vielmehr sind variable Vergütungen dann zulässig, wenn sichergestellt ist, dass durch sie keine Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit der Mitarbeiter erfolgt9. Ob dies der Fall ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Sofern eine variable Vergütung gewählt wird, ist es sinnvoll, zu dokumentieren, aus welchen Gründen diese die Unvoreingenommenheit nicht beeinträchtigt. Teilweise wird für Compliance-Beauftragte gefordert, dass deren Vergütung unabhängig vom geschäftlichen Erfolg des Instituts ausgestaltet sein muss, damit diese ihre überwachende und
1 Ziffer BT 1.1.1 Nr. 2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); weitergehend: Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 64. 2 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 84; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1661; Erwägungsgrund 15 der DRLMiFID. Vgl. Ziffer BT 1.1.1 Nr. 2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 3 Bürkle in Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rz. 33; Held in Ellenberger/Schäfer/ Clouth/Lang, Rz. 1660; Röh, BB 2008, 358 (403). 4 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 83; Röh, BB 2008, 398 (403); Spindler, WM 2008, 905 (910). 5 Ziffer BT 1.1.1 Nr. 7 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 6 So auch die hM in der Literatur: Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 64; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 12. 7 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 83; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1662; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 12 mwN. 8 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 83; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1663; Röh, BB 2008, 398 (403); Spindler, WM 2008, 905 (910); vgl. Ziffer BT 1.1.1 Nr. 9 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); aA Schlicht, BKR 2006, 469 (470), die eine Erhöhung des Grundgehalts unter Verzicht auf die variable Vergütung anregt. 9 Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1663.
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3. Teil
Compliance-Organisationen
beratene Funktion unvoreingenommen wahrnehmen1. Dem ist entgegenzuhalten, dass gerade die Anknüpfung an den nachhaltigen Erfolg des gesamten Institutes als Bezugspunkt für die variable Vergütung die Gefahr von Fehlanreizen stark reduziert2. b) Fachkenntnisse, Mittel und Kompetenzen Nach § 12 Abs. 4 Satz 2 WpDVerOV müssen die mit der Compliance Funktion betrauten Mitarbeiter über die erforderlichen Fachkenntnisse, Mittel und Kompetenzen sowie Zugang zu allen für ihre Tätigkeit relevanten Informationen verfügen.
3.328
Auf das Vorliegen der erforderlichen Fachkenntnisse kann grundsätzlich entweder aus der Erfahrung oder aus der Ausbildung des Mitarbeiters geschlossen werden3. Da bislang weder durch den Gesetz- noch durch den Verordnungsgeber eine Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „erforderlichen Fachkenntnisse“ erfolgte, hatten Wertpapierdienstleistungsunternehmen bisher einen Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des konkreten Anforderungsprofils der mit Compliance-Funktionen betrauten Mitarbeiter. Dabei galt der Grundsatz, dass Mitarbeiter über die Qualifikationen verfügen müssen, die sie in die Lage versetzen, die zu kontrollierende Tätigkeit des Instituts zu erfassen und den in der Tätigkeit liegenden Risikogehalt zu erkennen und zu beurteilen4. Dieser Zustand wird sich in Zukunft wahrscheinlich ändern. So enthält der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes v. 24.9.20105 in § 34d Abs. 3 WpHG-E eine erste Konkretisierung der Anforderungen an Mitarbeiter mit Verantwortlichkeit für die Compliance-Funktion iS des § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG. Demnach müssen Mitarbeiter sachkundig sein (§ 34d Abs. 3 Satz 1 WpHG-E) und über die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit verfügen (§ 34d Abs. 3 Satz 1 WpHG-E). Auf Basis von § 34d Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpHG-E kann das Bundesministerium der Finanzen die Anforderungen mittels einer Verordnung konkretisieren. Der Regierungsentwurf enthält, anders als der zuvor erstellte Diskussionsentwurf (v. 3.5.2010), keinen Vorschlag für eine entsprechende Verordnung. Nach dem vorliegenden Diskussionsentwurf für eine Verordnung über den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlagebe-
3.329
1 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 89. 2 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 12; Röh, BB 2008, 358 (403); Spindler, WM 2008, 905 (910); vgl. Bundesfinanzministerium, Begr. zu § 12 Abs. 4 WpDVerOV v. 1.10.2007, S. 18, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de. 3 Ziffer BT 1.1.2 Nrn. 2 und 3 BaFin, MaComp (Rz. 3.303) enthält nunmehr eine Auflistung von Kenntnissen und Erfahrungen, die im Sinne der erforderlichen Fachkenntnisse notwendig sind. 4 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 79; für Industrieunternehmen wird vertreten, dass als Chief Compliance Officer nur derjenige geeignet ist, der über eine handfeste juristische Ausbildung und einschlägige Erfahrungen verfügt, Hüffer/Uwe H. Schneider, ZIP 2010, 55. 5 BR-Drucks. 584/10.
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ratung, als Vertriebsbeauftragte und Compliance-Beauftragte und die Anzeigepflichten nach § 34d WpHG v. 3.5.2010 umfasst die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 WpHGMaAnzV-E konkretiserte Sachkunde insbesondere Kenntnisse in folgenden Gebieten und ihre praktische Anwendung: – Rechtliche Kenntnisse der von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen einzuhaltenden Rechtsvorschriften sowie der zur Konkretisierung der Rechtsnormen erlassenen Verwaltungsvorschriften der BaFin, – Kenntnisse der Anforderung und Ausgestaltung angemessener Prozesse von Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Aufdeckung von Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen, – Kenntnisse der Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Compliance-Funktion. Sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen über Insiderinformationen verfügt oder Wertpapierdienstleistungen mit Auslandsbezug erbringt, bestehen nach dem Diskussionsentwurf zusätzliche Anforderungen. Weiter erfordert die Sachkenntnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 WpHGMaAnzV-E fachliche Kenntnisse über die Grundzüge der Organisation und Zuständigkeiten der BaFin (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpHGMaAnzV-E), über sämtliche durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen erbrachten Arten von Wertpapier(neben)dienstleistungen sowie der ihnen innewohnenden Risiken (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WpHGMaAnzV-E), über mögliche Interessenkonflikte und ihre Ursachen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHGMaAnzV-E), über verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten von Vertriebsvorgaben sowie der Aufbauund Ablauforganisation des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und von Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Allgemeinen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. e WpHGMaAnzV-E). Schließlich sind fundierte Kenntnisse der Funktionsweisen und Risiken der Finanzinstrumente, in denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungen erbringt, erforderlich (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHGMaAnzV-E). Wie in der Literatur gefordert1, wird in § 3 Abs. 2 WpHGMaAnzV-E ferner ein Nachweis über die Sachkunde verlangt. In § 4 WpHGMaAnzV-E wird festgelegt, dass bestimmte Berufsqualifikationen als Nachweis der Sachkunde anerkannt werden. Hierzu zählen der Abschluss eines Studiums der Rechtswissenschaft, der Abschluss eines betriebswirtschaftlichen Studienganges der Fachrichtung Banken oder Finanzdienstleistungen, wenn darüber hinaus eine fachspezifische Berufspraxis nachgewiesen werden kann, die gewährleistet, dass der Mitarbeiter den an die Sachkunde zu stellenden Anforderungen genügt, oder der Abschluss als Bank- oder Sparkassenbetriebswirt einer Bank- oder Sparkassenakademie.
3.330
Die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 34d Abs. 3 Satz 1 WpHG-E (Regierungsentwurf) wird durch § 6 WpHGMaAnzV-E (Diskussionsentwurf) in der 1 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 79; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1669.
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3. Teil
Compliance-Organisationen
Weise konkretisiert, dass sie nicht vorliegt, wenn die Person in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Tätigkeit wegen eines Verbrechens oder wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung, Betruges, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wuchers, einer Insolvenzstraftat, einer Steuerhinterziehung oder auf Grund des § 38 WpHG rechtskräftig verurteilt ist. Die für eine ordnungsgemäße und unabhängige Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Mittel erfordern eine adäquate sachliche und personelle Ausstattung der Compliance-Stelle1. Ob eine entsprechende Ausstattung gegeben ist, ist danach zu beurteilen, ob mittels der gegebenen Sach- und Personalmittel das Geschäft des Institutes unter Berücksichtigung von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt und der entsprechend erforderlichen Kontrollen hinreichend beurteilt werden kann2.
3.331
Die für die ordnungsgemäße und unabhängige Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Kompetenzen setzen unverzichtbar voraus, dass Compliance-Beauftragte alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen erhalten. Dies gebietet ein uneingeschränktes Auskunfts-, Zugangs- und Einsichtsrecht in Unterlagen, Aufzeichnungen und Tonbandaufnahmen, die unmittelbar oder mittelbar Auskunft über die Art und Weise der Erfüllung der nach dem WpHG bestehenden Pflichten geben3. Um die erforderliche Informationserlangung zu gewährleisten, ist es weiter geboten, dem ComplianceBeauftragten ein Weisungsrecht gegenüber anderen Institutsmitarbeitern bezogen auf die Informationserlangung – sog. aufgabenbezogene Weisungsrechte – zu geben4.
3.332
Die mit der Compliance-Funktion betraute Person hat ferner das Recht zur Untersagung bzw. nachträglichen Stornierung oder Glattstellung von Geschäf-
3.333
1 Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1670. Gemäß Ziffer BT 1.1.2 Nr. 4 BaFin, MaComp (Rz. 3.303) schließt dies ein eigenes Budget für die Compliance-Funktion ein. Der Compliance-Beauftragte ist vor Festlegung des Budgets zu hören, wesentliche Kürzungen des Budgets sind schriftlich zu begründen und bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsorgans. 2 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 80; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1671; Ziffer BT 1.1.2 Nr. 4 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); zur Frage der Effizienz von Compliance und ihrer Bewertung: Lösler, WM 2007, 676 ff. 3 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 81; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1673; Ziffer BT 1.1.2 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); vgl. Ziffer 4.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302); Stierle in Albrecht/Karahan/Lenenbach, § 32 Rz. 51. Der Zugang zu allen für die Tätigkeit benötigten Informationen steht nicht unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 81. Zur Frage, ob die von den Arbeitnehmern erlangten Auskünfte einem Beweisverwertungsverbot unterliegen: Böhm, WM 2009, 1923 (1926 ff.). 4 Bürkle in Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rz. 34 f.; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 81; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1673; Spindler, WM 2008, 905 (911); Ziffer BT 1.1.2 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Ziffer 4.2 BAWe, ComplianceRichtlinie (Rz. 3.302). Zu den Rechtsgrundlagen des Auskunftsrechts und zur Frage der Verwertbarkeit der Aussage des Arbeitnehmers gegen ihn in einem Strafverfahren: Böhm, WM 2009, 1923 ff.
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Wertpapieraufsichtsrecht
ten, bei denen der Verdacht auf das unlautere Ausnutzen compliance-relevanter Informationen besteht1.
2. Vertraulichkeitsbereiche
3.334
Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG auf Dauer wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen treffen, um Interessenkonflikte zu erkennen und eine Beeinträchtigung des Kundeninteresses zu vermeiden. Diese Anforderung wird durch § 13 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 WpDVerOV wie folgt konkretisiert: Soweit es zur Gewährleistung des erforderlichen Grades an Unabhängigkeit notwendig und angemessen ist, sind Vorkehrungen zu wirksamen Verhinderung oder Kontrolle eines Informationsaustausches zwischen Mitarbeitern zu errichten, wenn dieser Informationsaustausch Kundeninteressen beeinträchtigen könnte. In der Praxis wird diese Forderung durch Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen (Chinese Walls) erfüllt. a) Chinese Walls
3.335
Chinese Walls2 werden definiert als organisatorische Maßnahmen und Verfahrensweisen, die das Institut in verschiedene, voneinander getrennte, Vertraulichkeitsbereiche einteilt.
3.336
Ziel der Chinese Walls ist, dass vertrauliche Informationen in dem Bereich verbleiben, in dem sie anfallen oder verwendet werden, und diesen Bereich lediglich im Fall einer betrieblichen Notwendigkeit auf einem vorgeschriebenen Weg verlassen3. Für die Praxis bedeutet das, dass unveröffentlichte kurssensitive Informationen, die in einem bestimmten Geschäftsbereich, einer Stabsabteilung sowie ad-hoc-gebildeten oder ständigen Produkt- oder Projekteinheiten anfallen, diese Bereiche grundsätzlich nicht verlassen sollen. Mittels Chinese Walls kann die Einhaltung von Gesetzen – insbesondere dem Insiderrecht – und Richtlinien sichergestellt werden (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG)4. Ferner ermöglicht die Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen, dass die so getrennten Geschäftsbereiche ihre ununterbrochene und uneingeschränkte interessenkonfliktfreie Handlungsfähigkeit behalten und somit kontinuierlich
1 Eisele, WM 1993, 1021 (1025); Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 75. 2 Zu rechtlichen Anerkennung und Bedeutung der Chinese Walls: Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 107 ff. mwN; Hopt in FS Heinsius, 1991, S. 298 (319 ff.); Marbeiter in Brinkmann/Haußwald/ua., Compliance, Rz. 73 f.; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 69 ff. 3 Hopt, ZGR 2004, 4 (43 f.); Lösler, Compliance, S. 73 ff.; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 69 mwN; Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. a BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 4 Chinese Walls können ua. die Einhaltung des Weitergabeverbots des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG sicherstellen. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 136; Meyer/ Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 69.
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3. Teil
Compliance-Organisationen
Wertpapier(neben)dienstleistungen anbieten können (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG)1. Die Errichtung von Chinese Walls erfolgt je nach Größe des Unternehmens durch funktionale und räumliche Trennungen; denkbar sind ua. separate Stockwerke, Zutrittsbeschränkungen sowie die Beschränkung von Zugriffsberechtigungen auf Daten2. Ferner ist es – auch bei räumlicher Trennung – geboten, compliance-relevante Informationen3 sicher, dh. vor der Kenntnisnahme durch Dritte zu verwahren. Hierzu kann die Einführung einer „Clean Desk Policy“ und ihre wirksame Umsetzung beitragen4. Eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle für die Einhaltung der bestehenden Vertraulichkeitsbereiche ist der Email-Verkehr5. Daher ist insbesondere bei Projektgruppen die genaue Definition der Email-Verteiler erforderlich. Auch telefonische Kontakte sind zu begrenzen; aus Beweisgründen kann eine Aufzeichnung der Telefongespräche sinnvoll sein6.
3.337
Die konsequente Wahrung der durch die Chinese Walls geschaffenen Vertraulichkeitsbereiche hat zur Folge, dass dem Sinn und Zweck der Chinese Walls bei einem Wechsel eines Mitarbeiters von einem Vertraulichkeitsbereich in einen anderen Rechnung zu tragen ist. Voraussetzung für einen derartigen Wechsel ist, dass die Funktion der geschaffenen Vertraulichkeitsbereiche nicht beeinträchtigt wird. Dabei ist ein Abteilungswechsel bei Vorliegen von compliance-relevanten Informationen im Regelfall nicht ausgeschlossen, vielmehr kann der Wechsel unter Berücksichtigung von Wartezeiten, deren Länge durch Bedeutung und Relevanz der compliance-relevanten Information bestimmt wird, möglich sein7. Praktisch sinnvoll ist daher ein Abteilungswechsel insbesondere nach einem längeren Urlaub8.
3.338
Die Festlegung von Vertraulichkeitsbereichen hat auf der Grundlage des analysierten Informationsflusses im Wertpapierdienstleistungsunternehmen und
3.339
1 So kann die Bank ungeachtet ihrer Aktivitäten im Eigenhandel gegenüber Privatkunden Wertpapier(neben)dienstleistungen anbieten, sofern die Bereiche durch Chinese Walls getrennt sind. Weitere Beispiele finden sich bei: Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 69 mwN; Volk, ZBB 2005, 273 (277 ff.); Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. a BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Ziffer 3.3.1 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). 2 Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, S. 280 ff.; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 109; Gebauer in DIRK (Deutscher Investor Relations Kreis), Handbuch Investor Relations, S. 505 (534); Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11; Marbeiter in Brinkmann/Haußwald/ua., Compliance, Rz. 75 ff.; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 71 mwN; Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 15; Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. a BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 3 Ziffer 3.a. BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305). 4 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 71. 5 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 71. 6 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 109; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11. Weitergehend Schweizer, Insiderverbote, S. 184 f., der die direkte Durchwahl zwischen getrennten Vertraulichkeitsbereichen verhindern will. 7 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 71. 8 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11.
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Wertpapieraufsichtsrecht
nicht abstrakt zu erfolgen1. Dabei stehen sich das Interesse an schnellen, unkomplizierten Arbeitsabläufen, welches auf die Festlegung von großen Vertraulichkeitsbereichen abzielt, und das Interesse, die geltenden Bestimmungen sicher einzuhalten, welches auf kleine Vertraulichkeitsbereiche abzielt, gegenüber. Ziel ist es, Synergievorteile von Universalbanken nicht weitgehend zu eleminieren und gleichzeitig zu verhindern, dass sich sensible Informationen ohne Kontrolle im Unternehmen ausbreiten können2. Als allgemeine Richtschnur empfiehlt sich die Abgrenzung von den Abteilungen, die über ein Sonderwissen verfügen3. Üblich ist, dass die Vermögensverwaltung, die Emissionsabteilung, die Kreditabteilung, die für Research und Analyse zuständige Abteilung sowie die Abteilung für Beteiligungsverwaltung, das Vorstandssekretariat sowie oft auch Stabsabteilungen als selbständige Vertraulichkeitsbereiche erfasst werden4. Die Mitglieder der Leitungsebene sind hingegen nicht zu erfassen5. Der jeweilige Vertraulichkeitsbereich hat eigenverantwortlich im Einvernehmen mit dem zuständigen Compliance-Mitarbeiter alle Vorkehrungen zu treffen, um die Vertraulichkeit der Informationen sicherzustellen6.
3.340
Aus der hierarischen Struktur des Unternehmens folgt, dass die Vertraulichkeitsbereiche spätestens auf der Ebene der Geschäftsleitung überschritten werden – sog. Supra-Chinese-Wall-Status7. Dieser Supra-Chinese-Wall-Status des Vorstands stellt eine natürliche Begrenzung der Chinese-Walls dar und wird über die aus § 76 Abs. 1 AktG folgende Gesamtverantwortung des Vorstands für die unternehmerischen Entscheidungen gerechtfertigt8. Die daraus resultierenden Gefahren sind durch Gegenmaßnahmen zu senken. Insbesondere ist daran zu denken, dass auch für den Vorstand, entsprechend der arbeitsteiligen Vorstandsorganisation, das Need-to-know-Prinzip (siehe dazu un-
1 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 115; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 108; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 70; Ziffer 2.1 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). Vertraulichkeitsbereiche können sich über rechtliche und organisatorische Einheiten und Ländergrenzen hinweg erstrecken; Eisele in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 109 Rz. 145; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72 (94). 2 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 108; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11. 3 Anders hingegen Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 108. 4 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11. Eine Liste der sensiblen Bereiche findet sich bei: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 71. 5 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72 (88). 6 Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. a BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Im Übrigen sind die Entscheidungen in einem bestimmten Vertraulichkeitsbereich im Interesse dieses Geschäftsbereichs zu treffen, selbst wenn sie im Konflikt mit Interessen anderer Geschäftsbereiche stehen (Prinzip geschäftspolitischer Unabhängigkeit). 7 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwoski, § 109 Rz. 147 f.; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 118; Schweizer, Insiderverbote, S. 185. 8 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 118.
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3. Teil
Compliance-Organisationen
ten Rz. 3.345 ff.) gilt1. Weiter ist sicherzustellen, dass die sensiblen Informationen Dritten nicht offenbart werden dürfen, dass der Vorstand sein Handeln ständig auf die Vereinbarkeit mit den Compliance-Grundsätzen überprüft (sog. Self-Compliance) und dass er sich Eingriffen in das operative Tagesgeschäft enthält2. Einigkeit besteht darin, dass die Geschäftsleitung ihren Informationsvorsprung nutzen kann, um kritische Transaktionen zu verhindern3. Da auch Compliance-Mitarbeiter im Rahmen ihrer Prüfungstätigkeit über die Grenzen der Vertraulichkeitsbereiche schauen können, besitzen auch sie den Supra-Chinese-Wall-Status. Den daraus resultierenden Gefahren ist – wie bei der Geschäftsleitung – entgegenzuwirken; soweit die Gefahren nicht ausgeschaltet werden können, sind sie als systemimmanent hinzunehmen4. Umstritten ist, wie sich die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen auf die Wissenszurechnung innerhalb des Unternehmens auswirkt5. Neben den beiden Extrempostionen – einerseits wird vertreten, dass Chinese Walls nicht zu einer Unterbrechung der Zurechnung des innerhalb einer Bank vorhandenen Wissens führen6, andererseits wird angeführt, dass Chinese Walls die Zurechnung des innerhalb der Bank vorhanden Wissens unterbrechen7 – wird ua. von Meyer/Paetzel ein vermittelnder Ansatz aufgezeigt, dem zuzustimmen ist8. Dabei gehen sie vom Verkehrsschutz aus und folgen dem BGH, der grundsätzlich für eine Wissenszurechnung innerhalb einer juristischen Person eintritt9. Diese Zurechnung müsse aber dort aufhören, wo Informationsbeschränkungen rechtlich vorgegeben seien. Denn in diesem Fall liegt keine selbstgewählte Organisation des Unternehmens vor, an die der BGH die Wissenszurechnung anknüpft, sondern Rechtspflichten, die gerade darauf ausgerichtet sind, Vertraulichkeitsbereiche zu schaffen10. 1 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 148. 2 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 119 mwN; Schweizer, Insiderverbote, S. 186. 3 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 119; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 70 mwN; Schweizer, Insiderverbote, S. 186 f.; mit gleichem Ergebnis Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 235. 4 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 120. 5 Die Frage der Wissenszurechnung ist ua. für die Anlageberatung relevant. Dabei geht es darum, ob und ggfs. wie weit das Institut im Unternehmen vorhandene Informationen in die Anlageberatung einfließen lassen muss. Hierzu: Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 106; Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, S. 23 ff.; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 121 ff. mwN; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 238 ff.; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 74; Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 20; Siol in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 43 Rz. 22 ff.; Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 254 ff. 6 Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 263. 7 Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 238; Hopt in FS Heinsius, 1991, S. 289 (320 f.); Lösler, Compliance, S. 116 ff. 8 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 74; einen weiteren vermittelnden Ansatz nennt Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 20. 9 BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (35). 10 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 124; grundlegend: Lösler, Compliance, S. 116 ff. Zu beachten ist, dass der Anreiz für Unternehmen zur Schaffung einer zum Teil sehr aufwendigen Compliance-Struktur stark reduziert wird, wenn die Wissenszurechnung auch über die Grenzen der Vertraulichkeitsbereiche vorgenommen wird und
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
3.342
Durch die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen kann die Beweissituation der Bankmitarbeiter und der Bank in einem Straf- oder Zivilverfahren verbessert werden1. Denn es kann sowohl bei Prozessen gegen den Mitarbeiter als auch gegen das Institut, dem das Verhalten seiner Mitarbeiter haftungsrechtlich zugrechnet wird, bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, dass die Schaffung der Chinese Walls schon für sich gegen die Kenntnis des Handelnden von der compliance-relevanten Information spricht, die in einem anderen Vertraulichkeitsbereich vorlag2.
3.343
Die Beachtung der eingerichteten Vertraulichkeitsbereiche ist durch begleitende Maßnahmen, insbesondere Schulungen, die den Mitarbeitern die Bedeutung der Vertraulichkeitsbereiche aufzeigen, sowie Kontrollen sicherzustellen3. b) Wall Crossing
3.344
Wall Crossing liegt vor, wenn vertrauliche Informationen ihren Vertraulichkeitsbereich verlassen. Institute haben grundsätzlich ein Interesse an einem Wall Crossing, da es ihnen ermöglicht, die vorhanden Ressourcen und Spezialisten bestmöglich zu nutzen. Praktische Relevanz hat das Wall Crossing insbesondere in großen Universalbanken, die auf vielen Geschäftsfeldern tätig und arbeitsteilig organisiert sind, denn es wird häufig vorkommen, dass ein Projekt nur unter Hinzuziehung des Sachverstandes aus anderen Bereichen zu bewältigen ist. Vor allem komplexe Transaktionen mit hohem Schwierigkeits- oder Risikograd und die Erstellung von objektiven Risikoprognosen hinsichtlich der in den verschiedenen Geschäftsbereichen vorhandenen Risiken, können ohne ein Wall Crossing nicht durchgeführt werden4.
3.345
Der bereichsüberschreitende Informationsfluss ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig5. Die Voraussetzungen ergeben sich aus den Zielen, die zur Schaffung der Vertraulichkeitsbereiche geführt haben. Demnach ist jede Informationsüberschreitung im Einzelfall auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen und auf die unbedingt erforderlichen Informationen zu begrenzen (Need-toknow-Prinzip)6. Danach darf eine Information nur dann ihren Vertraulich-
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den Unternehmen somit die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche von Anlegern durch Schaffung eines Safe Harbours den Boden zu entziehen, genommen wird, Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 129. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 51, 116; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 107 mwN. Assmann, AG 1994, 237 (256). Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 110. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 112; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 72 mwN; Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. b BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Ziffer 3.3.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). Bülow, Die Bank 1997, 290 (291); Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109, Rz. 146 f.; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 113; Irmen in BuB, Rz. 7/851; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 72; Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 18; Schweizer, Insiderverbote, S. 181 f.; Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. b BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Vgl. Eisele, WM 1993, 1021 (1024 f.); Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 113; Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. b BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Ziffer 3.3.2 BAWe, Compliance-Richt-
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Compliance-Organisationen
keitsbereich verlassen, wenn die andere Person außerhalb des Vertraulichkeitsbereiches die Information zur Erfüllung ihrer Tätigkeit benötigt, die Informationsweitergabe auf das Erforderliche beschränkt wird und die Vertraulichkeit der Information gewahrt bleibt1. Ferner ist die Zulässigkeit eines Wall Crossings durch eine Interessenabwägung zu bewerten. Im Verhältnis Wertpapierdienstleistungsunternehmen – Kunde kommt es darauf an, ob die legitimen Vorteile für das Institut wesentlich höher sind als die potentiellen Schäden für die gefährdete Kundengruppe2. Im Verhältnis der Kunden untereinander ist die Durchbrechung der Vertraulichkeitsbereiche dann zulässig, wenn die legitimen Vorteile der begünstigten Kunden die potentiellen Nachteile der gefährdeten Kunden weit überwiegen3.
3.346
Demnach dürfen öffentlich bekannte Informationen immer weitergegeben werden4; wobei stets sehr genau zu prüfen ist, ob die gesamten Informationen tatsächlich öffentlich bekannt sind und ob aus der Form der Weitergabe Rückschlüsse gezogen werden können5.
3.347
Besonderheiten ergeben sich im Rahmen von größeren Transaktionen, bei denen die einseitige Informationsabfrage ohne direkten Kontakt der beteiligten Mitarbeiter nicht ausreichend ist. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass aus der anfragenden Person und der Anfrage Rückschlüsse auf das geplante Vorhaben gezogen werden können6. Noch extremer ist die Beeinträchtigung der Vertraulichkeitsbereiche, wenn die Arbeitskraft und Kompetenz von Mitarbeitern eines Vertraulichkeitsbereiches während eines Projektes in einem anderen Vertraulichkeitsbereich benötigt werden. Diese Beeinträchtigung der Vertraulichkeitsbereiche ist durch Gegenmaßnahmen in ihren Auswirkungen abzumildern. Hierzu gehört insbesondere, dass die Mitarbeiter, die an einem bereichsübergreifenden Projekt beteiligt sind, während dieser Zeit – ggf. auch länger – aus ihrem ursprünglichen Vertraulichkeitsbereich zu entfernen und dem anderen Vertraulichkeitsbereichen zuzuordnen sind. Diese Mitarbeiter sind zu strengem Stillschweigen zu verpflichten und haben während des Projektes den Kontakt zu ihrer ursprünglichen Abteilung einstellen7.
3.348
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linie (Rz. 3.302). Ausführlich zum Need-to-know-Prinzip: Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 72 mwN; Schweizer, Insiderverbote, S. 180 ff. Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 72 mwN. Die Voraussetzungen für die Informationsweitergabe als auch der Umfang der Informationen, die den Vertraulichkeitsbereich verlassen dürfen, ist umstritten; eine kurze Übersicht gibt: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11. Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11. Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 146; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 114; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11; Bülow, Die Bank 1997, 290 (292), der auch die Weitergabe von sensiblen Informationen mit schriftlicher Genehmigung des Kunden für zulässig hält. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 114. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 115; Schweizer, Insiderverbote, S. 188. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 116.
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3.349
Die Durchlässigkeit der Chinese Walls steht im Einklang mit dem insiderrechtlichen Weitergabeverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, hierzu: Rz. 3.546 ff.). Denn dieses Verbot erfasst nur die „unbefugte“ Weitergabe von Insiderinformationen1. Hieran fehlt es aber, wenn die Weitergabe an einen Nicht-Insider aus betrieblichen Anforderungen unvermeidbar ist2.
3.350
Die Entscheidungszuständigkeit für ein Wall-Crossing muss auf Grund seiner weit reichenden Folgen3 klar geregelt sein. Vor einem Wall-Crossing ist die Erlaubnis der übergeordneten Leitungsebene und der Compliance-Abteilung einzuholen4. Sofern die Beteiligten keine Einigung hinsichtlich der Zulässigkeit des Wall-Crossings erzielen, ist es abzulehnen5. Die Entscheidung selbst und die Entscheidungsfindung sind zu dokumentieren6.
3. Beschwerdemanagement
3.351
Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG ein wirksames und transparentes Verfahren für die angemessene und unverzügliche Bearbeitung von Beschwerden7 von Privatkunden sowie die Dokumentation der für jede Beschwerde getroffenen Abhilfemaßnahmen einzurichten8. Die ordnungsgemäße Bearbeitung von Beschwerden liegt nicht ausschließlich im Interesse des Kunden, sondern hilft dem Unternehmen, Schwachstellen zu identifizieren und Rechts- sowie Reputationsrisiken zu reduzieren9.
3.352
Ein wirksames Verfahren zur angemessen und unverzüglichen Bearbeitung von Kundenbeschwerden setzt voraus, dass bei der Bank ein bestimmter Prozess für den Umgang mit Kundenbeschwerden besteht. Dieser kann sowohl die Einschaltung externer Kanzleien als auch die interne Bearbeitung vorse1 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 117; Schweizer, Insiderverbote, S. 180 f. 2 Assmann, AG 1994, 237 (247); Assmann, ZGR 1994, 494 (520). 3 Hier ist zum Beispiel an Verstöße gegen das Insiderrecht, aber auch an die Einschränkung der geschäftlichen Handlungsfähigkeit zu denken, hierzu: Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 72. 4 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 147; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 116; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 73, die teilweise allerdings nur von einer Einbeziehung der Compliance-Stelle eintreten. 5 Ähnlich Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 73, die von der Zuständigkeit einer hohen Hierarchieebene und der Einbeziehung der Compliance-Stelle ausgehen. 6 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 11; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 73. 7 Zum Begriff der Beschwerde: Korinth in Renz/Hense, Wertpapier-Compliance, II.7 Rz. 18 f.; Schäfer in Brinkmann/Haußwald/ua., Compliance, Rz. 725. 8 Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Bereits vor Einführung des § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG wurden die Institute gemäß Ziffer 2.2.3 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302), aufgefordert, Vorkehrungen zum Umgang mit Beschwerden zu treffen. 9 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 141.
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hen. Als Beschwerden gelten alle Hinweise der Kunden auf Fehler bzw. angebliche Fehler des Wertpapierdienstleistungsunternehmens1. Der Prozess erfordert, dass eingehende Beschwerden als solche identifiziert, anschließend der Beschwerdestelle zugeleitet und von dieser unverzüglich erfasst werden. Bei der zentralen Erfassung von Kundenbeschwerden ist es sinnvoll – insbesondere bei großen Instituten – auch den Grund der Beschwerde zu erfassen, um somit eine Zuweisung der Beschwerde zu der entsprechend spezialisierten Abteilung vornehmen zu können2. Weiter ist es erforderlich, dass die Beschwerdebearbeiter für die Bearbeitung der Beschwerden hinreichend qualifiziert sind3. Sofern die Beschwerden nicht von Juristen bearbeitet werden, sollten im Verfahren Schnittstellen zur Rechtsabteilung oder einer externen Kanzlei vorgesehen sein. Der Compliance-Beauftragte muss Zugriff auf alle Beschwerden erhalten4. Dabei ist kein unmittelbarer Zugriff erforderlich, sondern ein Auskunftsrecht (siehe hierzu oben Rz. 3.332) gegenüber dem Beschwerdemanagement ist ausreichend. Die Transparenz des Verfahrens ist gegeben, wenn mittels interner Richtlinien nachvollziehbar das Verfahren im Umgang mit Beschwerden festgelegt ist. Hinsichtlich der einzelnen Beschwerde ist die Transparenz durch die Dokumentation ihrer Bearbeitung zu gewährleisten. Der Umfang der Dokumentation ist bedingt durch den Beschwerdefall; bei einfachen Beschwerden ist die Erfassung der Beschwerde und die Art ihrer Erledigung ausreichend5; bei komplexen Beschwerden wird hingegen regelmäßig die Ablage der im Rahmen des Beschwerdevorgangs geführten Korrespondenz erforderlich sein.
3.353
Die Bearbeitung der Beschwerden muss angemessen und unverzüglich erfolgen. Eine unverzügliche Bearbeitung erfordert eine Bearbeitung ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bei komplexen Beschwerden ist eine längere Bearbeitungszeit noch als unverzüglich anzusehen, während hinsichtlich der Erfassung von Beschwerden kaum ein zeitlicher Spielraum besteht. Eine angemessene Bearbeitung erfordert, dass es eine ausreichende Anzahl qualifizierter Beschwerdebearbeiter gibt, um das Beschwerdepotential zu bearbeiten. Der Kunde ist in angemessener Zeit6 darüber zu informieren, wie das
3.354
1 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 18; aA von Böhlen in MiFIDKompendium, S. 13 (24 f.). 2 Eine zentrale Erfassung ist aus Sicht des WpHG nicht erforderlich, Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 18; aA Sethe, Anlegerschutz in der Vermögensverwaltung, S. 632. 3 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 142. 4 Brinkmann in Brinkmann/Haußwald/ua., Compliance, Rz. 305; Koller in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 18. 5 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 18. 6 Nach Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 143 sollte in der Regel die Bearbeitung eine Woche nicht überschreiten und ist durch entsprechende Verfahren abzusichern; andernfalls drohe eine Schadensersatzpflicht wegen Verletzung dieser Organisationspflichten (hierzu: LG Itzehoe v. 21.9.2000 – 6 O 197/00, ZIP 2001, 154 [155]; Balzer, WM 2001, 1533 [1538]). Vor dem Hintergrund, dass die Bearbeitung der Beschwerden eine zT aufwändige Sachverhaltserforschung sowie die Beantwortung von einer Vielzahl teils komplexer Rechtsfragen erfordern kann, ist es vorzugswürdig, die Bemes-
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Wertpapieraufsichtsrecht
Institut auf die Beschwerde reagieren will1. Das angemessene Verfahren erfordert weiter, dass die Beschwerde nicht ausschließlich durch die Personen bearbeitet wird, die bzw. deren Handlungen Anlass der Beschwerde sind2.
3.355
Soweit teilweise gefordert wird, dass der Kunde immer darauf hinzuweisen ist, dass er die Gerichte einschalten kann3, ist diese pauschale Forderung abzulehnen; sie führt insbesondere bei unberechtigten Beschwerden zu unnötigen Kosten. Ferner wird in der Vielzahl der Fälle, insbesondere wenn ein Anwalt eingeschaltet ist oder der Kunde selbst mit Einschaltung der Gerichte droht, ein entsprechender Hinweis obsolet sein. Sinnvoll ist ein entsprechender Hinweis, insbesondere auf die Möglichkeit der Einschaltung eines Ombudsmanns, vielmehr nur dann, wenn dieser Hinweis die Interessen des Kunden schützt.
4. Ablauforganisation
3.356
Neben den Anforderungen an eine Aufbauorganisation stellt § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG auch Anforderungen an die Ablauforganisation. Hierzu zählt insbesondere die Aufstellung von genauen Anforderungen und Anweisungen an das Verhalten der Mitarbeiter mittels Richtlinien4.
3.357
Die Einhaltung von Gesetzen und Verhaltensanforderungen setzt voraus, dass der jeweilige Normadressat die Vorschrift kennt. Da compliance-relevante Sachverhalte über eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen verteilt sind, setzt die Schaffung eines Compliance-Bewusstseins voraus, dass die relevanten Vorschriften in Compliance-Richtlinien gebündelt den Mitarbeitern zur Kenntnis gegeben werden5. Richtlinien dienen primär dazu, Regelverstöße und Interessenkonflikte präventiv zu verhindern6.
3.358
Aus ihrer Zielsetzung heraus müssen Compliance-Richtlinien verschiedene Anforderungen erfüllen. Um die Übersichtlichkeit für Anwender zu gewährleisten ist es geboten, nicht sämtliche Compliance-Anforderungen in einer Richtlinie zusammenzufassen, sondern sowohl hinsichtlich des geographi-
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sung der angemessenen Bearbeitungszeit anhand des jeweiligen Einzelfalls und nicht pauschal zu beurteilen. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 142; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 18, der zusätzlich fordert, dass der Kunde über den Eingang der Beschwerde zu unterrichten ist. Eine entsprechende Pflicht wird man jedenfalls dann verneinen, wenn die Beschwerdebearbeitung im zeitlich üblichen Rahmen erfolgt. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 142; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 18. Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 18; relativierend Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 142, der von Mitteilung von zweckdienlichen Informationen spricht. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 132. Eisele, WM 1993, 1021 (1023). Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 127 ff. u 135. Insbesondere bei der Aufstellung von sog. Ethikrichtlinien (Verhaltenskodex) sind die Grenzen zu beachten, die sich aus dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers sowie aus den Vorgaben der betrieblichen Mitbestimmung ergeben, hierzu: Kock, ZIP 2009, 1406 ff.
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Compliance-Organisationen
schen als auch des inhaltlichen Anwendungsbereiches zu differenzieren1. Auch die einzelnen Richtlinien müssen übersichtlich gegliedert und im Idealfall mit einem Schlagwortkatalog ausgestattet sein, damit dem Mitarbeiter die Orientierung innerhalb der Richtlinie und das Auffinden von zentralen Begriffen bzw. Fragestellungen erleichtert wird. Weiter müssen sie in einer Sprache verfasst sein, die der Adressat versteht. Die Schwierigkeit für den Richtliniengeber besteht darin, dass die präventive Zielsetzung der Richtlinie verlangt, dass die Vorgaben der Richtlinie für den Mitarbeiter klar verständlich formuliert sind, während insbesondere die fortschreitende Entwicklung die flexible Gestaltung mittels unbestimmter Rechtsbegriffe erfordert2. Regelungsinhalt der Richtlinien ist ua. die Einrichtung von Kompetenzbereichen3. Obwohl die genaue Ausgestaltung der zu erstellenden Richtlinien dem Unternehmen überlassen sind, bestehen für die Beobachtungs- und Sperrliste gemäß Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c der BaFin, MaComp (Rz. 3.303) allgemeine Vorgaben, die als angemessenes Verfahren iS von § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 WpHG zu beachten sind4.
3.359
a) Beobachtungs-Liste (Watch-List) Die in der Praxis weit verbreitete5 Beobachtungsliste6 wird gemäß Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c der BaFin, MaComp (Rz. 3.303) definiert als eine nicht öffentliche, laufend aktualisierte Liste von Finanzinstrumenten, zu denen im Wertpapierdienstleistungsunternehmen compliance-relevante Informationen iS von Ziffer AT 6.1 der BaFin, MaComp7 vorliegen. Sinnvoll ist ferner die 1 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 129, gibt eine Übersicht über Compliance-Richtlinientypen. 2 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 127. 3 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 26. Als weitere Maßnahmen werden insbesondere die Beschränkung der Vertretungsmacht und die Einführung des Vier-Augen-Prinzips genannt. 4 Vgl. auch Ziffer 3.3.3.1 u. 3.3.3.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). 5 Bergles, ZBB 2000, 140 (141); Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 75; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1622). 6 Zur Abgrenzung der Beobachtungsliste von dem gemäß § 15b WpHG zu führenden Insiderverzeichnis siehe Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 136 mwN. 7 Ziffer AT 6.1 BAFin, MaComp (Rz. 3.303) lautet: Die unter AT 6 Tz. 1 beschriebenen Vorkehrungen haben sich daran zu orientieren, inwieweit Wertpapierdienstleistungsunternehmen und ihre Mitarbeiter einem Interessenkonflikt unterliegen können oder ob diese regelmäßig Zugang zu compliance-relevanten Informationen haben. Zugang zu compliance-relevanten Informationen haben insbesondere die Personen, die Zugang zu Insider- oder anderen vertraulichen Informationen haben. Als Insiderinformationen gemäß § 13 WpHG sind insbesondere Kenntnisse über die im Emittentenleitfaden in Kapital IV 2.2.4., S. 56–57 (BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28.4.2009) aufgeführten Sachverhalte anzusehen, sofern sie im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens geeignet sind, den Kurs/Börsenpreis eines Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen. Des Weiteren ist als compliance-relevante Information die Kenntnis von Kundenaufträgen anzusehen, soweit diese durch den Abschluss von Eigengeschäften des Unternehmens oder Mitarbeitergeschäften zum Nachteil des Kunden verwendet werden kann (Vor-, Mit- oder Gegenlaufen).
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
Erfassung der zum jeweiligen Vertraulichkeitsbereich gehörenden Mitarbeiter1. Die Liste schränkt die Geschäftstätigkeit des Unternehmens nicht ein2. Zu beachten ist, dass die Aufnahme eines Wertpapiers in die Watch-List eine Signalwirkung entfaltet. Daher ist es geboten, dass die Watch-List lediglich für die Kontrolltätigkeit der Compliance-Abteilung bestimmt ist3.
3.361
Die Beobachtungsliste ermöglicht der Compliance-Stelle, ihre Kontrolltätigkeit auf die Papiere zu konzentrieren, bei denen die erhöhte Gefahr von pflichtwidrigem Verhalten gegeben ist; so kann insbesondere Verstößen gegen die Grundsätze des Insiderhandels sowie verbotenen Mitarbeitergeschäften vorgebeugt werden4. In Ergänzung mit weiteren Informationen aus dem Kunden- und Eigenhandel sowie der Mitarbeitergeschäfte erlaubt sie der Compliance-Stelle Anhaltspunkte für einen die Chinese Walls überschreitenden Informationsfluss zu finden5. Weiter sind die Daten der Beobachtungsliste bei einer Entscheidung zur Vorabgenehmigung von Mitarbeitergeschäften sowie zur Aufdeckung von Interessenkonflikten zwischen verschiedenen Bereichen heranzuziehen6.
3.362
Die effektive Arbeit mit der Beobachtungsliste setzt voraus, dass sie alle erforderlichen Informationen enthält, was nur dann sichergestellt ist, wenn die Informationserhebung verfahrensbasiert erfolgt7. Das Verfahren zur Informationserhebung erfordert, dass die Mitarbeiter, die in Ausübung ihrer Tätigkeit angefallenen compliance-relevanten Tatsachen unverzüglich an die Compliance-Stelle weiterleiten und ansonsten zu strengem Stillschweigen verpflichtet sind8. Sinnvoll ist es, in den Geschäftsbereichen für die Meldung verantwortliche Personen zu benennen. Die Meldung sollte auf davor vorgesehenen Formularen erfolgen; dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass alle erforderlichen Angaben gemacht werden; und erleichtert der Compliance-Stelle die notwendige Dokumentation9.
1 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 133; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 75. 2 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 150; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 134; Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Ziffer 3.3.3.1 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). 3 Eisele, WM 1993, 1021 (1024); Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 135; Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 24; Ziffer 3.3.3.1 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). 4 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 150; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 134; Irmen in BuB, Rz. 7/853. 5 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 150; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 134; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 75; Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 6 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 75. Sofern ein verbotenes Mitarbeitergeschäft vorliegt, kann der Compliance-Officer das Geschäft untersagen oder nachträglich stornieren, vgl. oben Rz. 3.333. 7 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 76. 8 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 150; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 135; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 76; Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Ziffer 3.3.3.1 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). 9 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 76 mwN.
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3. Teil
Compliance-Organisationen
b) Sperr- oder Stopp-Liste (Restricted-List) Die Restricted-List1 wird von der BaFin definiert als Kontrollinstrument, um in bestimmten Konfliktsituationen Mitarbeitern Restriktionen bei der Durchführung von Geschäften aufzuerlegen2. Da der Mitarbeiter des Wertpapierdienstleistungsunternehmens Adressat der sich aus der Restricted-List ergebenden Verbote ist, ist sie dem Mitarbeiter mit Hinweis, dass der Inhalt der Liste vertraulich zu behandeln und nicht gegenüber Unternehmensfremden kundgetan werden darf, bekannt zu geben3.
3.363
Ziel der Restricted-List ist es, die Durchführung von bestimmten Geschäften zum Zweck der Einhaltung von Gesetzen, des Reputationsschutzes oder aus geschäftspolitischen Gründen zu verhindern4. Insbesondere können mittels der Restricted-List negative Auswirkungen von erkannten Verletzungen von Chinese Walls begrenzt werden5.
3.364
Die Aufnahme von Wertpapieren in die Stopp-Liste erfolgt, wenn die vorhandenen compliance-relevanten Informationen eine Qualität erlangt haben, deren Veröffentlichung zu sofortigen wesentlichen Kursveränderungen bei den betreffenden Wertpapieren führen könnte; der Grund für ihre Aufnahme wird – sofern er nicht öffentlich bekannt ist – nicht in der Liste vermerkt6. Ebenso werden die Wertpapiere in die Restricted-List aufgenommen, die externen oder internen Handelsbeschränkungen oder -verboten unterliegen.
3.365
Die Art und Dauer der Restriktion sind abhängig vom Einzelfall. Ausschlaggebend ist, welche Interessenkonflikte und Reputationsrisiken von den jeweiligen Transaktionen ausgehen und wie diese effizient verhindert werden können. Hinsichtlich der Art der Restriktion kann zwischen einem kompletten Verbot des Tätigwerdens bezogen auf das Wertpapier und inhaltlichen Beschränkungen in der Art der Transaktion unterschieden werden7. Um Besonderheiten im Einzelfall Rechnung tragen zu können, ist es sinnvoll, dass die Compliance-Stelle – nach entsprechender Anfrage – Ausnahmen von den in der Stopp-Liste genannten Restriktionen zulassen kann; daher handelt es sich
3.366
1 Die Restricted-List wird auch als Stopp-, Verbots- oder Sperrliste bezeichnet, vgl. Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 151; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 137; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 77. 2 Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Eisele in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 109 Rz. 151; Irmen in BuB, Rz. 7/858; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 77; Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 25; Ziffer 3.3.3.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). 3 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 151; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 137; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 77; Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 25; Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Ziffer 3.3.3.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). 4 Gebauer in DIRK (Deutscher Investor Relations Kreis), Handbuch Investor Relations, S. 505 (537); Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 77. 5 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 138. 6 Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Ziffer 3.3.3.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). 7 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 77.
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bei der Stopp-Liste um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt hinsichtlich der genannten Geschäfte1. Aus dem Verbotscharakter der Stopp-Liste folgt, dass bei ihrer Erstellung den Grundsätzen der Klarheit und Verständlichkeit besondere Bedeutung zukommt.
3.367
Die Stopp-Liste wird ihre Zielsetzung nur dann erfüllen können, wenn sie die mit Restriktionen zu belegenden Geschäfte vollständig erfasst. Dies setzt voraus, dass ein Verfahren für die Aufnahme von Vorgängen in die Stopp-Liste besteht. Nach der Zielsetzung der Stopp-Liste sind alle Vorgänge bzw. Geschäfte, aus denen sich Gesetzesverstöße des Institutes oder Reputationsrisiken für die Bank ergeben können, aufzunehmen. Ob entsprechende Geschäfte vorliegen hat, die Compliance-Stelle im ersten Schritt auf Grund des internen Informationsflusses und der Marktbeobachtung zu ermitteln. Im zweiten Schritt hat die Compliance-Stelle unter Hinzuziehung der Geschäftsseite den Restriktionsumfang festzulegen und ihn zu veröffentlichen. Um eine im Geschäftsinteresse möglichst frühzeitige Aufhebung der Restriktion zu ermöglichen, hat die Compliance-Stelle engen Kontakt mit der die Restriktion auslösenden Geschäftseinheit zu halten.
3.368
In der Praxis werden Restricted-Listen vor allem verwendet, um Mitarbeiterund Eigenhandelsgeschäfte mit Restriktionen zu belegen2. Ferner wird das Beratungsgeschäft oft mit Restriktionen in der Art versehen, dass für auf der Sperr-Liste aufgenommene Werte keine Empfehlung abgegeben werden darf3. Zulässig bleiben aber Käufe und Verkäufe auf Initiative des Kunden4 sowie die marktausgleichende Tätigkeit als Market-Maker (passives Marketmaking)5.
3.369
Zu beachten ist, dass das Platzieren eines Wertes auf der Restriced-List – trotz der Verpflichtung zur strengsten Geheimhaltung – oft eine Signalwirkung am Kapitalmarkt hat; insbesondere bei großen Unternehmen wird es auffallen, wenn diese deutlich weniger Transaktionen in einem Wert durchführen6. Zur Vermeidung dieser Wirkung kann es sinnvoll sein, weitere Titel auf die Restricted-List aufzunehmen, um so den Effekt der Signalwirkung abzuschwächen7.
1 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 151; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 77. 2 Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 77; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 138, denn gerade hier besteht eine erhöhte Manipulationsmöglichkeit, zB durch Insidergeschäfte. 3 Ziffer AT 6.2 Nr. 3 lit. c BaFin, MaComp (Rz. 3.303); Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 138; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 77. 4 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 151; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 138. 5 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 151; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 77. 6 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 139. 7 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 139 mit Verweis auf das US-Recht.
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Compliance-Organisationen
III. Aufgaben der Compliance-Organisation für das Wertpapiergeschäft Die Aufgaben von Compliance bestehen darin, die Gefahr einer Verletzung des WpHG sowie die mit einer Verletzung verbundenen Risiken aufzudecken, Maßnahmen und Verfahren zu ergreifen, um die Gefahren und die Risiken einer Verletzung des WpHG zu reduzieren, sowie die getroffen Maßnahmen zu überwachen und die Mitarbeiter zu schulen und zu beraten1.
3.370
1. Ausbildung und Beratung von Mitarbeitern Gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2 WpDVerOV muss die Compliance-Funktion die Mitarbeiter im Hinblick auf die Einhaltung der in § 12 Abs. 3 Nr. 1 WpDVerOV genannten Bestimmungen beraten und unterstützen. Unter Unterstützung wird man die mit der Beratung der Mitarbeiter eng verknüpfte und den gleichen Zielsetzungen dienende Ausbildung, Schulung und Unterrichtung der Mitarbeiter verstehen2.
3.371
a) Ausbildung, Schulung und Unterrichtung Das Ziel der präventiv wirkenden Schulungen ist erstens, die Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, sich compliancekonform zu verhalten3. Dies erfordert die, soweit nötig laufende, Vermittlung der bestehenden Anforderungen4. Diese Ausbildung ist insbesondere deshalb erforderlich, da die ComplianceRichtlinien auf Grund des Erfordernisses der Flexibilität zur Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen gezwungen sind. Zweitens zielen die Schulungen übergeordnet darauf ab, dem Mitarbeiter das Erkennen von compliancerelevanten Vorgängen zu ermöglichen sowie dessen Sensibilität für den Umgang mit diesen Daten zu wecken5 und somit eine Compliance-Kultur im Unternehmen zu schaffen6.
3.372
Da es an einer ausdrücklichen und inhaltlich detaillierten gesetzlichen Vorgabe für Inhalt, Ablauf und Umfang der Schulungen fehlt, besteht für die
3.373
1 2 3 4
§ 12 Abs. 1–3 WpDVerOV; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 69 ff. mwN. Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 87 mwN. Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 50. Vgl. Ziffer BT 1.2 Nr. 5 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Das Vermitteln der bestehenden Anforderungen umfasst zB, dass dem Mitarbeiter dargelegt wird, ob und ggf. zu welchem Vertraulichkeitsbereich er gehört und welche Konsequenz die Weitergabe von vertraulichen Informationen für ihn hat; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 2; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 59 u. 71 mwN. 5 Lampert in Hauschka, Corporate Compliance, § 9 Rz. 27; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 71 mwN. 6 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 135; Eisele, WM 1993, 1021 (1023 f.); Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 73; Gebauer in DIRK (Deutsche Investor Relations Kreis), Handbuch Investor Relations, S. 505 (531); Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/ Lang, Rz. 1684; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 87 mwN.
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Institute bei der Umsetzung ihrer Schulungsverpflichtung ein Gestaltungsspielraum1. Sinnvoll und geboten im Sinn einer effektiven Schulung ist es, auf Grundlage des Schulungsbedarfs im Unternehmen ein grundlegendes Trainingskonzept zu erstellen2. Dabei sollte – zB über verschiedene Module – sichergestellt werden, dass jeder Mitarbeiter die Schulungen erhält, die er benötigt. Auf weiter gehende Schulungen, die der Mitarbeiter auf Grund seiner Stellung und Funktion nicht benötigt, sollte verzichtet werden. Demnach ist die Gliederung in Basisschulungen 3, die alle Mitarbeiter erhalten, und Schulungen für Mitarbeiter mit besonderen Funktionen4 sinnvoll5. Bei Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen durch Gesetzgebung, Rechtsprechung, Richtlienen etc. sind die davon betroffenen Mitarbeiter zeitnah durch ad-hoc-Schulungen bzw. Sonderschulungen zu unterrichten6.
3.374
Als Schulungsart sind die verschiedenen Lernformen – Präsenz-, Selbstschulung (insbesondere computer-gestützte) sowie Workshops – denkbar7. Um zu gewährleisten, dass die Mitarbeiter den Schulungsinhalt sowohl abstrakt verstehen als auch bezogen auf den Einzelfall anwenden können, ist eine Kombination von abstrakter Wissensvermittlung und Fallstudien grundsätzlich sinnvoll. Art und Konzeption der Schulung müssen für das jeweilige Schulungsthema und den Adressatenkreis geeignet sein. Die regelmäßige Wiederholung bestimmter Schulungen, zB der Compliance-Grundlagen, hat sich als zweckmäßig erwiesen und ist in der Praxis vielfach etabliert8. b) Beratung
3.375
Die gegenüber Mitarbeitern und Geschäftsabteilungen vorzunehmende Beratungstätigkeit zielt auf die präventive Verhinderung von Normverstößen und Interessenkonflikten ab9.
1 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 87. 2 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 87; Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 (649). 3 Zu den Basisschulungen wird zB der Umgang und die Anwendung von internen Richtlinien gehören. 4 Hierzu kann zB die Schulung von Anlageberaten im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anlageberatung gezählt werden. 5 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 87 mwN. 6 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 87 mwN. 7 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 135; Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 51 f.; Lampert in Hauschka, Corporate Compliance, § 9 Rz. 30. 8 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 135. 9 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 135; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 72 f.; Lampert in Hauschka, Corporate Compliance, § 9 Rz. 32. Zur Abgrenzung und Zusammenarbeit hinsichtlich der Beratungstätigkeit der Rechtsabteilung und der Compliance-Abteilung: Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 47.
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Inhalt der Beratung kann zB die Anwendung und Auslegung von Gesetzen und Richtlinien sein1. Bei der Beratung durch Compliance stehen Fragen des Umgangs mit Interessenkonflikten und Reputationsrisiken im Mittelpunkt2. Da interne Richtlinien auch bei der Produktentwicklung zu beachten sind und bei dieser insbesondere auch Interessenkonflikte auftreten können, ist Compliance auch im Rahmen der Produktentwicklung einzubeziehen3, wobei auch hier eine verfahrensbasierte Einbeziehung sinnvoll ist. Auf Grund ihrer Verantwortung für die Betreuung von Mitarbeitergeschäften ist die Compliance-Stelle insbesondere auf diesem Gebiet beratend tätig4. Beratungen kommen auch bei der Steuerung des innerbetrieblichen Informationsflusses, zB bei der Festlegung von Vertraulichkeitsbereichen, in Betracht.
3.376
2. Erkennen von Interessenkonflikten, Vermeidung der Beeinträchtigung von Kundeninteressen Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Dauer wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen zu treffen, um Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen zwischen ihnen einschließlich ihrer Mitarbeiter und der mit ihnen direkt oder indirekt durch Kontrolle iS des § 1 Abs. 8 KWG verbundenen Personen oder Unternehmen5 und ihren Kunden oder zwischen ihren Kunden zu erkennen und eine Beeinträchtigung des Kundeninteresses zu vermeiden6. Die Vorschrift wird durch § 13 WpDVerOV konkretisiert7.
3.377
Der Begriff des Interessenkonfliktes8 ist weit zu fassen9 und lässt sich definieren als das Aufeinandertreffen gegenläufiger Interessen mehrerer Beteiligter an
3.378
1 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 135; Lösler, NZG 2005, 104 (105); Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 86 mwN; Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 (646). 2 Lösler, NZG 2005, 104 (105); Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 86 mwN. 3 Lösler, NZG 2005, 104 (105); Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 86 mwN. 4 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 86. 5 Zur Definition der Unternehmensgruppe siehe § 13 Abs. 2 Satz 3 WpDVerOV. 6 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 91; wesentliche Änderungen sind damit nicht verbunden, denn schon nach der alten Gesetzeslage (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aF) galt ein Vorrang des Kundeninteresses. Zur geschäftspolitischen Bedeutung des Interessenkonfliktmanagements: Görres in MiFID-Kompendium, S. 301 (304 ff.). 7 § 13 WpDVerOV implementiert die Vorgaben der Art. 21 bis 25 DRLMiFID in deutsches Recht. 8 Grundlegend zu Interessenkonflikten im Bankrecht: Ekkenga in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, Effektengeschäft, Rz. 390 ff.; Hopt, ZGR 2004, 1 ff.; Hopt in FS Heinsius, 1991, S. 289 (314 ff.); Leyens in Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 423 ff.; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72 ff. 9 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 6; Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 62; Schlicht, BKR 2006, 469 (471 f.).
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der Gestaltung eines bestimmten Lebenssachverhaltes1. Erfasst werden dabei alle Interessen, die der Kunde mittels eines Auftrages an das Institut heranträgt2. Weiter erfordert das Vorliegen eines Interessenkonfliktes, dass die Benachteiligung eines Kunden droht3. Die in § 13 Abs. 1 WpDVerOV genannte Auflistung der Interessenkonflikte ist nicht abschließend4. Interessenkonflikte können als Folge unterschiedlicher Interessen sowohl in vertikaler Hinsicht zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und seinen Kunden als auch in horizontaler Beziehung – zwischen den verschiedenen Kunden – auftreten5.
3.379
Die zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Kunden bestehenden Interessenkonflikte resultieren grundlegend – aber nicht ausschließlich – aus dem Konflikt zwischen dem wahrzunehmenden Fremdinteressen und den Eigeninteressen des Interessenwahrers6. Beispielhaft ist der Konflikt im Rahmen der emissionsbegleitenden Tätigkeit einer Bank zwischen ihren Eigeninteressen und den Interessen der Anleger an einer anlegerund anlagegerechten Beratung.
3.380
Interessenkonflikten zwischen den verschiedenen Kunden liegen immer dann vor, wenn unterschiedliche Kunden entweder in Konkurrenz zueinander stehen oder ihre Interessen miteinander kollidieren7. Paradebeispiel für einen Interessenkonflikt zwischen Kunden ist das Interesse jedes Kunden, den günstigsten Kurs bei der Orderausführung zu erhalten8. a) Vorkehrungen zur Erkennung von Interessenkonflikten
3.381
Anders als § 31 WpHG zielt § 33 WpHG auf die Reduzierung struktureller Interessenkonflikte9. Es soll losgelöst von der konkreten individuellen Kundenbeziehung das latente Risiko von Interessenkonflikten bereits im Vorfeld durch die Schaffung einer entsprechenden Organisation verringert werden10.
3.382
Das systematische Erkennen und Erfassen von Interessenkonflikten erfordert die fortlaufende Analyse der vorhandenen Geschäftsbeziehungen auf gegen1 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 62; ähnlich: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 6; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72 (84). 2 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 6. 3 Görres in MiFID-Kompendium, S. 301 (308); Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 6; Erwägungsgrund Nr. 24 der DRiLMiFID. 4 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 6. 5 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 92. 6 Hopt, ZGR 2004, 1 (4). Übersichten von (potentiellen) Interessenkonflikten finden sich bei: Eisele, WM 1993, 1021 (1022 f.); Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 63 mwN; Schweizer, Insiderverbote, S. 158 ff. 7 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, § 33 WpHG Rz. 64, mit Beispielen für beide Arten von Interessenkonflikten sowie mwN; grundlegend: Hopt, ZGR 2004, 1 (14 f.). 8 Dieser Interessenkonflikt kann durch Anwendung des Prioritätsprinzip entschärft werden; hierzu: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31c WpHG Rz. 3. 9 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 94. 10 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 94.
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wärtige und in der Zukunft mögliche Interessenkonflikte1. Die Analyse hat gemäß § 13 Abs. 1 WpDVerOV insbesondere zu prüfen, ob: – das Institut auf Grund der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen zu Lasten von Kunden einen finanziellen Vorteil erzielen oder einen Verlust vermeiden könnte (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 WpDVerOV); – ein Interesse am Ergebnis, der für die Kunden erbrachten Dienstleistung oder für diese getätigten Geschäfte besteht, das nicht mit dem Kundeninteresse an diesem Ergebnis übereinstimmt (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV); – ein finanzieller Anreiz besteht, die Interessen eines Kunden oder einer Kundengruppe über die Interessen anderer Kunden zu stellen (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 WpDVerOV); – das Institut dem gleichen Geschäft nachgeht wie die Kunden (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 WpDVerOV)2; – der Empfang oder die künftige Möglichkeit des Empfangs einer Zuwendung von Dritten im Zusammenhang mit der für einen Kunden erbrachten Dienstleistung über die hierfür übliche Provision oder Gebühr hinausgeht (§ 13 Abs. 1 Nr. 5 WpDVerOV). Da Interessenkonflikte zwischen dem Kunden und dem Institut insbesondere durch die Finanzanalyse, die Anlageberatung, den Eigenhandel, die Vermögensverwaltung, die Unternehmensfinanzierung, die Emissionstätigkeit und die Beratung bei Unternehmenstransaktionen entstehen können, bilden diese Geschäftsbereiche den Schwerpunkt der Analyse3.
3.383
Die Institute haben auf Grundlage der Ergebnisse der Analyse der Geschäftsbeziehungen angemessene Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten aufzustellen und diese auf einem dauerhaften Datenträger (§ 3 WpDVerOV) zu fixieren und anzuwenden4. Umfang und genaue Ausgestaltung hängen nach § 13 Abs. 2 Satz 2 WpDVerOV von Größe und Organisation sowie Art, Umfang und Komplexität der Geschäftstätigkeit des jeweiligen Institutes ab5. Die Grundsätze müssen festlegen, unter welchen Umständen bei der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen Interessenkonflikte auftreten können, die den Kundeninteressen erheblich schaden können (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
3.384
1 Göres in MiFID-Kompendium, S. 301 (307); Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 8 u. 17; Marbeiter in Brinkmann/Haußwald/ua., Compliance, Rz. 65 ff.; Art. 21 DRLMiFID. 2 Zum Verhältnis der einzelnen Nummern des § 13 Abs. 1 WpDVerOV: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 8. 3 Görres in MiFID-Kompendium, S. 301 (308); Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 8; Erwägungsrund Nr. 26 DRLMiFID. Die Analyse selbst ist mittels einer sog. Interessenkonfliktmatrix durchzuführen, hierzu: Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 25 f.; Görres in MiFID-Kompendium, S. 301 (309 ff.). 4 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 96. Ausführlich zu den Anforderungen an Form und Inhalt der internen Conflict-Policy: Loy in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1772 ff. 5 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 96.
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3. Teil
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WpDVerOV), und welche Maßnahmen zur Bewältigung dieser Interessenkonflikte getroffen werden (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpDVerOV)1. b) Maßnahmen zur Bewältigung von Interessenkonflikten
3.385
Die Bewältigung der Interessenkonflikte liegt vor, wenn sich die handelnde Person von den Interessen, die im Widerspruch zum Kundeninteresse stehen, nicht beeinflussen lässt; dies ist der Fall, wenn die handelnde Person unabhängig von dem Interessenkonflikt ist2. Bezugspunkt ist der durchschnittliche Mitarbeiter3. Die Maßnahmen zur Bewältigung von Interessenkonflikten müssen unter Beachtung der Größe und Art der Geschäftstätigkeit des Instituts sowie unter Beachtung des Risikos einer Beeinträchtigung von Kundeninteressen ausgestaltet sein (§ 13 Abs. 3 Satz 1 WpDVerOV). Demnach müssen angemessene Maßnahmen zum Schutz der Kundeninteressen ergriffen werden4. Die finanzielle Leistungsfähigkeit ist dabei kein relevantes Kriterium zur Begrenzung der Angemessenheit der Maßnahmen5. Lassen sich die Interessenkonflikte nicht durch angemessene Organisation ausschalten, so müssen sie gemäß § 31 Abs. 1 Satz Nr. 2 WpHG iVm. § 13 Abs. 4 WpDVerOV offen gelegt werden, damit die Kunden auf informierter Grundlage entscheiden können, ob sie das Geschäft durchführen oder von ihm Abstand nehmen wollen6. Daraus folgt, dass kleine Unternehmen nicht benachteiligt werden, da keine einheitlichen Organisationsstandards auferlegt werden7. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss die Maßnahmen wählen, die ihm nach Struktur, Größe und Art des Konflikts möglich und zumutbar sind. Innerhalb des umrissenen Rahmens bleibt dem Institut die genaue Ausgestaltung überlassen, doch hat es grundsätzlich die effizienteste Methode zu wählen8.
3.386
Die Maßnahmen zur Konfliktbewältigung werden durch § 13 Abs. 3 WpDVerOV konkretisiert, der darauf abzielt, einen angemessenen Grad an Unabhängigkeit bei den Mitarbeitern herbeizuführen9. § 13 Abs. 3 Satz 2 WpDVerOV nennt unter dem Vorbehalt ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit fünf Arten von Maßnahmen, die zur Bewältigung von Interessenkonflikten in Betracht kommen. Wie § 13 Abs. 3 Satz 3 WpDVerOV klarstellt, handelt es sich um keine abschließende Aufzählung10.
1 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 97. Ausführlich hierzu: Görres in MiFID-Kompendium, S. 301 (312 ff.). 2 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 10; Umsetzung Art. 22 DRLMiFID. 3 Vgl. Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 10. 4 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 10; vgl. § 13 Abs. 3 Satz 1 u. 2 WpDVerOV. 5 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 10. 6 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 101. 7 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 104. 8 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 104; vgl. Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 16. 9 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 103. 10 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 99.
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3. Teil
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Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 WpDVerOV sind Vertraulichkeitsbereiche mit angemessenem Aufwand einzurichten, um einen Informationsaustausch zwischen Mitarbeitern, deren Tätigkeit einen Interessenkonflikt nach sich ziehen könnte zu verhindern, wenn dieser Informationsaustausch Kundeninteressen beeinträchtigen könnte (hierzu Rz. 3.334 ff.).
3.387
Die Vergütung der Mitarbeiter darf nicht direkt von der Vergütung oder den Prämien solcher Mitarbeiter des Institutes oder der Unternehmensgruppe abhängig gemacht werden, die konfligierende Interessen betreuen (§ 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 WpDVerOV)1. Zulässig bleibt die Bestimmung der Vergütung in Abhängigkeit von dem Gesamtgeschäftserfolg des Institutes bzw. der Unternehmensgruppe2. Nicht erfasst von § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 WpDVerOV sind die Konstellationen, dass die Höhe der Vergütung vom Geschäftserfolg der jeweiligen Abteilung, insbesondere der Zahl der veräußerten Produkte abhängt. Diese Art der Vergütung wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt3. Eine pauschale Betrachtung geht fehl. Vielmehr ist zu prüfen, in welcher Weise die Vergütung der Mitarbeiter an den geschäftlichen Erfolg gekoppelt wird und wieweit dadurch Kundeninteressen gefährdet sein können. Dabei gilt der Grundsatz, je geringer der Gehaltsteil ist, der vom geschäftlichen Erfolg abhängt, und je stärker der Aspekt der Nachhaltigkeit des geschäftlichen Erfolgs berücksichtigt wird4, desto geringer wird die Gefahr sein, dass Kundeninteressen geschädigt werden.
3.388
Nach § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 WpDVerOV ist die Verhinderung eines unsachgemäßen Einflusses von Personen auf Mitarbeiter, die Wertpapier(neben)dienstleistungen erbringen, geboten. Mittel hierzu sind neben der Abgrenzung durch Vertraulichkeitsbereiche (hierzu Rz. 3.334 ff.) die Schaffung von klaren Hierarchien und Arbeitsanweisungen sowie ein Vergütungssystem, das Konflikte vermeidet5.
3.389
§ 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 WpDVerOV verlangt die Verhinderung oder Kontrolle einer Beteiligung eines Mitarbeiters an verschiedenen Wertpapier(neben)dienstleistungen in engem zeitlichen Zusammenhang, sofern diese Beteiligung ein ordnungsgemäßes Interessenkonfliktmanagement beeinträchtigen könnte. Ziel der Regelung ist es, zu verhindern, dass Mitarbeiter Informationen, die sie im Rahmen der Beteiligung an einer Wertpapier(neben)dienstleistung erhalten haben, zu Lasten des Kunden im Rahmen einer anderen Wertpapier(neben)dienstleistung ausnutzen. Um diese Gefahr zu reduzieren,
3.390
1 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 12; Röh, BB 2008, 398 (406). 2 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 12. 3 Für die Zulässigkeit einer derartigen Vergütung: Görres in MiFID-Kompendium, S. 301 (316). Dagegen: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 12. Kritisch: Röh, BB 2008, 398 (406), der aufzeigt, dass eine Umstellung des Vergütungssystems in die Grundrechte eingreifen kann. 4 Ein Mittel hierzu ist die Vergütung mittels Aktienoptionen, die mit entsprechenden Haltefristen belegt sind. 5 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 100; Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 13.
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3. Teil
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sind Vertraulichkeitsbereiche zu schaffen1. Wo die Verhinderung nicht möglich ist, ist das Verhalten der Mitarbeiter entsprechend zu kontrollieren.
3.391
Zur Vermeidung einer erheblichen Schädigung von Kundeninteressen sind diejenigen Mitarbeiter gesondert zu überwachen, die im Rahmen ihrer Haupttätigkeit potentiell widerstreitende Interessen, insbesondere Kundeninteressen oder solche des Wertpapierdienstleistungsunternehmens wahrnehmen (§ 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 WpDVerOV). Demnach wird das Unternehmen diejenigen Personen gesondert überwachen müssen, die bei Interessenkonflikten zu Lasten der Kundeninteressen entscheiden können2. Die Überwachung kann mittels Reporting-Listen durchgeführt werden. Je größer die Gefahr für das Kundeninteresse und je bedeutender das Kundeninteresse, desto stärker sind die Überwachungsmaßnahmen auszugestalten.
3.392
Als Gegenmaßnahmen bei Interessenkonflikten zwischen verschiedenen Kundengruppen ist insbesondere die Regelung des § 31c WpHG zu beachten, die Vorgaben für die Bearbeitung von Kundenaufträgen macht3.
3. Kontroll- und Überwachungstätigkeit
3.393
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 6 WpHG hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Angemessenheit und Wirksamkeit der getroffenen organisatorischen Maßnahmen zu überwachen und regelmäßig zu bewerten sowie die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Unzulänglichkeiten zu ergreifen. Die Kontroll- und Überwachungstätigkeit ist Aufgabe der Compliance-Abteilung4. Die Kontroll- und Überwachungstätigkeit zielt darauf ab, dass die eingerichteten Maßnahmen und Verfahren die Einhaltung der einschlägigen Gesetze gewährleisten. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um eine betriebsinterne Aufsicht, bei der insbesondere der interne Informationsfluss zu überwachen und mittels Stichproben die Einhaltung der Vorschriften zu prüfen ist. Die gebotene laufende Kontrolle kann im Rahmen der gemäß § 25a Abs. 1 Satz 5 KWG notwendigen Überprüfungen des Risikomanagements erfolgen5.
3.394
Da Compliance sowohl aus praktischen als auch aus arbeitsrechtlichen Gründen keine umfassende und lückenlose Kontrolle vornimmt, kommt der Meldung von Verdachtsfällen eine große Bedeutung zu6. Vor dem Hintergrund, 1 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 14. Hierzu oben Rz. 3.334 ff. 2 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 15. 3 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33 WpHG Rz. 17. Ausführlich hierzu Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31c WpHG Rz. 3. 4 Ziffer BT 1.2 Nr. 7 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); ausführlich zur Kontroll- und Überwachungstätigkeit: Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 22 ff. Zu den Anforderungen, die der Datenschutz an Compliance stellt: Scherp/ Stief, BKR 2009, 404 ff. 5 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 144. 6 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 87; Schweizer, Insiderverbote, S. 212. Allgemein zur Mitarbeiterüberwachung: Schmidt in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Art. 2 GG Rz. 97 ff.; Kania in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 87 BetrVG Rz. 48 ff.
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3. Teil
Compliance-Organisationen
dass eine effektive Compliance-Organisation somit auch auf die Verdachtsmeldungen angewiesen ist, ist es sinnvoll, in den verschiedenen Geschäftsbereichen hierfür verantwortliche Mitarbeiter zu bestimmen, die die relevanten Daten erfassen und an die Compliance-Stelle übermitteln sowie als Kontaktperson bzw. Schnittstelle zwischen dem Geschäftsbereich und der Compliance-Stelle dienen1. Im Rahmen der Leitung und Kontrolle des internen Informationsflusses ist die Compliance-Abteilung keinesfalls darauf beschränkt zu warten, bis Ereignisse – insbesondere Handelsaktivitäten – eintreten, die erfordern, bestimmte Werte auf die Sperrliste zu setzen; vielmehr ist es ihr möglich, durch gezielte Informationsweitergabe an einzelne Bereichsleiter diese davon abzuhalten, bestimmte Geschäfte durchzuführen, und somit die uU unerwünschte Signalwirkung des Eintrags in die Sperrliste zu verhindern2.
3.395
4. Berichtspflicht Neu durch das FRUG eingeführt wurde die in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 WpHG verankerte Berichtspflicht3. Hiernach müssen die mit der Compliance-Funktion betrauten Mitarbeiter die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan in angemessenen Zeitabständen, mindestens einmal jährlich, über die Angemessenheit und Wirksamkeit der Grundsätze, Mittel und Verfahren, die zur Einhaltung der aus dem WpHG folgenden Verpflichtungen aufgestellt sind, unterrichten. Ferner hat der Bericht Angaben darüber zu enthalten, ob zur Behebung von Verstößen des Institutes oder seiner Mitarbeiter gegen das WpHG oder zur Beseitigung des Risikos eines solchen Verstoßes geeignete Maßnahmen ergriffen wurden. Art. 9 Abs. 2 DRLMiFID gibt vor, dass es sich bei den Berichten um schriftliche Berichte handeln muss.
3.396
Das Ziel der Vorschrift ist es, der Geschäftsleitung, die verantwortlich für die Einhaltung der Vorschriften des WpHG ist4, mit den Berichten eine geeignete
3.397
1 2 3
4
Zur Erhebung von Mitarbeiterdaten: Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 28 BDSG Rz. 3 ff. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 87; Schweizer, Insiderverbote, S. 214. Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 88; Schweizer, Insiderverbote, S. 214; Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 235 (Prinzip der Administered Chinese Wall). So auch § 12 Abs. 4 Satz 1 WpDVerOV; vgl. auch Ziffer BT 1.2 Nrn. 9 u. 10 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Eine entsprechende Verpflichtung bestand bereits nach Ziffer 4.2 BAWe, Compliance-Richtlinie (Rz. 3.302). Zur Anzeigepflicht des ComplianceBeauftragten gegenüber der BaFin: Lösler, WM 2007, 676 (677 ff.). Zur Auswirkung der Berichtspflicht auf die Compliance-Funktion: Hense/Renz, CCZ 2008, 181 ff. Ausführlich zur Berichtspflicht: Welsch/Dost in Renz/Hense, Wertpapier-Compliance, I.3 Rz. 1 ff. Ziffer AT 4 BaFin, MaComp (Rz. 3.303); so bereits Ziffer 4.2 BAWe, ComplianceRichtlinie (Rz. 3.302) sowie Art. 9 Abs. 1 Satz 2 DRLMiFID und indirekt § 35 Abs. 2 Nr. 6 KWG. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation liegt gemäß § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG bei der Geschäftsleitung (Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 16).
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
Grundlage für die unternehmerische Beurteilung der zu treffenden Vorkehrungen zu geben1.
3.398
Der Inhalt des Berichts wird nur sehr unpräzise festgelegt; insbesondere bleibt der anzulegende Beurteilungsmaßstab offen. Dadurch wird der ComplianceStelle ein Beurteilungsmaßstab eingeräumt, der dazu führt, dass die Compliance-Stelle systematisch in die Risikosteuerung des Unternehmens eingebunden wird2. Entscheidend für den Detailierungsgrad des Berichts ist seine Zielsetzung; demnach muss er so ausgestaltet sein, dass er der Geschäftsleitung ein Gesamtbild von der Einhaltung der Vorschriften des WpHG sowie der Geeignetheit der Maßnahmen zur Behebung von Verstößen gibt.
IV. Mitarbeitergeschäfte
3.399
Mitarbeiter von Wertpapierdienstleistungsunternehmen verfügen berufsbedingt über ein Sonderwissen3. Die Nutzung dieses Sonderwissens für private Transaktionen begründet die Gefahr, dass Kundeninteressen verletzt werden. Dieser Gefahr muss das Institut entgegenzuwirken; die Behandlung der Mitarbeitergeschäfte stellt ein wesentliches Element einer Compliance-Organisation dar4.
3.400
Durch das FRUG haben die Vorschriften zur Regelung von Mitarbeitergeschäften in § 33b WpHG eine eigene gesetzliche Grundlage erhalten5; die BaFin hat die Regelung erläutert6. Die zuvor geltenden Mitarbeiterleitsätze7 wurden aufgehoben8.
3.401
§ 33b WpHG ist kein Schutzgesetz iS des § 823 Abs. 2 BGB9; im Einzelfall ist aber § 826 BGB als Rechtsgrundlage für Schadensersatzansprüche denkbar10. 1 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 90; Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 44. Vertiefend zur Kommunikation und zu den Berichtswegen in einer Compliance-Organisation: Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (1631); Spindler, WM 2008, 905 (913 f.). 2 Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 90. 3 Dieser grundsätzliche Interessenkonflikt wurde bereits in einer Mitteilung des Centralverbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes v. 12.10.1908 festgestellt. 4 von Kopp-Colomb, WM 2000, 2414 (2414); Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 1. 5 § 33b WpHG wurde durch das FRUG eingeführt, (BGBl. I 2007, S. 1330) und dient der Umsetzung der Art. 2 Nr. 3, 11, 12 und 25 der DRLMiFID, die ihrerseits die organisatorischen Anforderungen der Art. 13 Abs. 2 und 3 MiFID konkretisieren. 6 BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305); Ziffer BT 2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 7 BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303), hierzu: Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 3 mwN. 8 BaFin, Schreiben v. 23.10.2007 (Rz. 3.302). Zu den Anforderungen an die Mitarbeitergeschäfte während einer einjährigen Übergangsphase: Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 4. 9 Schäfer, WM 2007, 1872 (1876); Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 6. 10 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 6.
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Compliance-Organisationen
Verstöße gegen § 33b WpHG sind im WpHG nicht eigenständig straf- oder bußgeldrechtlich sanktioniert; können aber gleichwohl den Tatbestand des § 130 OWiG erfüllen1. § 33b WpHG bildet eine ausdrückliche Rechtsgrundlage zur Überwachung von Privatgeschäften der Mitarbeiter; bei Einführung der Maßnahmen zur Kontrolle der Mitarbeitergeschäfte ist der Betriebsrat nicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6 BetrVG zu beteiligen2.
3.402
1. Grundlagen des Mitarbeitergeschäfts a) Mitarbeiter Ausgangspunkt für die Behandlung von Mitarbeitergeschäften ist der in § 33b Abs. 1 WpHG definierte Mitarbeiterbegriff3. Demnach sind Mitarbeiter: – die Mitglieder der Leitungsorgane, die persönlich haftenden Gesellschafter und vergleichbare Personen, die Geschäftsführer sowie die vertraglich gebundenen Vermittler4 des Wertpapierdienstleistungsunternehmens iS des § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG5; – die Mitglieder der Leitungsorgane, die persönlich haftenden Gesellschafter und vergleichbare Personen sowie die Geschäftsführer der vertraglich gebundenen Vermittler6; – alle natürlichen Personen, deren sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder dessen vertraglich gebundene Vermittler bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, insbesondere auf Grund eines Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnisses, bedienen7; – alle natürlichen Personen, die im Rahmen einer Auslagerungsvereinbarung unmittelbar an Dienstleistungen für das Wertpapierdienstleistungsunter-
1 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 5. Zur Frage, inwieweit eine Verletzung der Organisationspflichten den Tatbestand des § 130 OWiG erfüllt: Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 185. 2 Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 22; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 42. 3 Zu den Unterschieden der neuen gesetzlichen Regelung im Vergleich zu den aufgehobenen BAKred/BAWe, Mitarbeiterteilsätzen (Rz. 3.303): Held in Ellenberger/Schäfer/ Clouth/Lang, Rz. 1702 ff. 4 Zum Begriff des vertraglich gebundenen Vermittlers: Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 12 f. 5 Zu § 33b Abs. 1 Nr. 1 WpHG Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 2; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 8 mwN. 6 Zu § 33b Abs. 1 Nr. 2 WpHG Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 2; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 9. 7 Zu § 33b Abs. 1 Nr. 3 WpHG Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 2; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 10. Als Mitarbeiter sind nach Ziffer BT 2.1 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303) sowohl Arbeitnehmer, freie Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer, Zeitarbeitskräfte und Praktikanten eines Unternehmens anzusehen.
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Wertpapieraufsichtsrecht
nehmen oder dessen vertraglich gebundene Vermittler zum Zweck der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen beteiligt sind1.
3.404
Die neue Definition erfasst erstmals – neben den ausdrücklich genannten Personen – die Aufsichtsratsmitglieder2 und erweitert so den Mitarbeiterbegriff3.
3.405
Nach dem Wortlaut des § 33b Abs. 1 Nr. 3 und 4 WpHG werden lediglich die Mitarbeiter erfasst, die an der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen für das Institut beteiligt sind4. Daher stellt sich die Frage, wie die Mitarbeiter, die keine Wertpapierdienstleistungen erbringen, insbesondere die Mitarbeiter, die zuvor als Mitarbeiter mit besonderen Funktionen von den Mitarbeiterleitsätzen der BaFin erfasst wurden, zu behandeln sind5. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung müssen alle Personen erfasst werden, die über ein Sonderwissen verfügen, welches sie mittels Transaktionen zu Lasten der Kunden nutzen können. Demnach sind insbesondere die Mitarbeiter, die nach dem aufgehobenen BaFin-Leitfaden als Mitarbeiter mit besonderen Funktionen eingeordnet wurden, zu erfassen6. Auch nach den BaFin-Rundschreiben sollen alle Personen erfasst werden, die Mitarbeiter – die selbst Wertpapierdienstleistungen erbringen – sowohl im Rahmen begleitender als auch nachfolgender kontrollierender Handlungen unterstützen7. b) Mitarbeitergeschäft
3.406
Das Mitarbeitergeschäft ist in § 33b Abs. 2 WpHG definiert und erfasst bestimmte Geschäfte der Mitarbeiter, die diese mit einem Finanzinstrument8 tätigen9. Demnach zählen zu den Mitarbeitergeschäften: 1 Zu § 33b Abs. 1 Nr. 4 WpHG Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 2; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 11; Ziffer BT 2.1 Nr. 2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 2 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 2; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 8 mwN, unter Berufung auf die richtlinienkonforme Auslegung. 3 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 14. 4 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 14. 5 Für eine Erfassung von nicht an der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen beteiligten Mitarbeitern: Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1705 ff. (mit Ausführungen zur Rechtsgrundlage für eine Überwachung); Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 2; Röh, BB 2008, 398 (407). Dagegen: Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 15. 6 Abschnitt A Ziffer IV BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303). 7 Ziffer 1 Abs. 1 BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305); Ziffer BT 2.1 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 8 In Erweiterung des in den Mitarbeiterleitsätzen definierten Mitarbeitergeschäft (Abschnitt A Ziffer II) knüpft das Mitarbeitergeschäft iS des § 33b WpHG an Geschäfte in einem Finanzinstrument an und erfasst somit auch Geschäfte in Geldmarktinstrumenten, Kreditderivaten oder finanzielle Differenzgeschäfte (Held in Ellenberger/ Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1711; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 20). Zur Definition des Finanzinstrumentes siehe § 2 Abs. 2b WpHG. 9 Eine Konkretisierung erfolgt durch Ziffer 2 BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305).
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Compliance-Organisationen
– Geschäfte für eigene Rechnung des Mitarbeiters unabhängig davon, ob der Mitarbeiter innerhalb oder außerhalb seines Aufgabenbereichs handelt (§ 33b Abs. 2 Nr. 1 WpHG)1; – diejenigen Geschäfte, die der Mitarbeiter innerhalb seines Aufgabenbereiches für Rechnung von Personen durchführt, mit denen er iS des § 15a Abs. 3 Satz 1 WpHG in enger Beziehung steht, sowie von minderjährigen Stiefkindern oder Personen, an deren Geschäftserfolg der Mitarbeiter ein zumindest mittelbares wesentliches Interesse hat, welches nicht in einer Gebühr oder Provision für die Ausführung des Geschäfts besteht, ausführt (§ 33b Abs. 2 Nr. 2 WpHG)2. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes ist ein wesentliches Interesse auch dann zu bejahen, wenn Gebühren oder Provisionen vereinbart werden, die über die „üblichen Gebühren und Provisionen hinausgehen“3; – Geschäfte, die der Mitarbeiter außerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenbereiches vornimmt – unabhängig davon, ob das Geschäft für eigene oder fremde Rechnung oder für eine nahe stehende Person vorgenommen wurde (§ 33b Abs. 2 Nr. 3 WpHG)4. Unerheblich ist in allen Konstellationen, ob der Mitarbeiter das Geschäft im eigenen Namen abschließt oder ob eine dritte Person als Stellvertreter im Namen des Mitarbeiters handelt5.
3.407
2. Organisationspflichten Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben angemessene Mittel und Verfahren einzusetzen, die geeignet sind, unzulässige Mitarbeitergeschäfte zu verhindern6.
3.408
a) Zu erfassende Mitarbeiter und Mitarbeitergeschäfte Die von dem Institut zu errichtenden organisatorischen Maßnahmen beziehen sich nicht auf alle Mitarbeiter nach § 33b Abs. 1 WpHG und nicht auf alle Mitarbeitergeschäfte nach § 33b Abs. 2 WpHG, sondern nur auf eine bestimmte Teilgruppe, die in § 33b Abs. 3 WpHG definiert ist7. 1 Hierzu: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 3; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 17; Ziffer BT 2.2 Nr. 2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 2 Hierzu: Ziffer BT 2.2 Nr. 2 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Im Vergleich zu Abschnitt A Ziffer II BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303), die sämtliche Drittgeschäfte des Mitarbeiters erfasst, ist die neue Regelung enger. 3 BT-Drucks. 16/4028, S. 74. 4 Hierzu: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 3; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 19; Ziffer BT 2.2 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 5 Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1711 (mit Begründung); Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 16. 6 Ziffer 3.a. BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305). 7 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 21. Zu den organisatorischen Anforderungen gem. § 33b Abs. 3 WpHG: Ziffer BT 2.3 BaFin, MaComp (Rz. 3.303).
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
3.410
Danach sind die organisatorischen Vorkehrungen auf Mitarbeiter auszurichten, deren Tätigkeit Anlass zu Interessenkonflikten1 geben könnte oder die auf Grund ihrer Tätigkeit Zugang zu Insiderinformationen nach § 13 WpHG (zum Begriff der Insiderinformation: Rz. 3.475 ff.) oder anderen vertraulichen Informationen über Kunden oder solche Geschäfte, die mit oder für den Kunden getätigt werden, haben. Dabei ist der Begriff „andere vertrauliche Informationen“ eng auszulegen; nach der Begründung des Regierungsentwurfes fallen darunter sensible Informationen, die der Insiderinformation vergleichbar sind2. Somit bestehen gemäß § 33b Abs. 3 WpHG zusätzliche – über den in § 33b Abs. 1 WpHG definierten Mitarbeiterbegriff hinausgehende – Anforderungen, die dazu führen, dass die Zahl der zu erfassenden Mitarbeiter reduziert wird3. Erfasst werden demnach insbesondere Mitarbeiter der Bereiche: Compliance, Emissions- und Platzierungsgeschäft, Handel, Abwicklung, Mandantenbetreuung, Anlageabteilung für Privatkunden, M&A Abteilung und Research (sog. compliance-relevanter Mitarbeiter)4.
3.411
§ 33b Abs. 3 Nr. 1–3 WpHG nennt die Geschäfte, der in Satz 1 genannten Mitarbeiter, die mittels organisatorischer Vorkehrungen verhindert werden sollen.
3.412
Gemäß § 33b Abs. 3 Nr. 1 WpHG muss die zu errichtende Compliance Organisation insbesondere darauf abzielen, Mitarbeitergeschäfte zu verhindern, die gegen die §§ 31 ff. WpHG oder § 13 WpHG verstoßen (§ 33b Abs. 3 Nr. 1 lit. a WpHG) oder die mit dem Missbrauch oder der vorschriftswidrigen Weitergabe vertraulicher Informationen verbunden sind (§ 33b Abs. 3 Nr. 1 lit. b WpHG).
3.413
Gem. § 33b Abs. 3 Nr. 2 WpHG sind die organisatorischen Maßnahmen darauf auszurichten, zu verhindern, dass Mitarbeiter außerhalb ihrer vorgesehenen Tätigkeit einem anderen Geschäfte über Finanzinstrumente empfehlen, welche als Mitarbeitergeschäft die Voraussetzungen des § 33b Abs. 3 Nr. 1 oder § 33b Abs. 5 Nr. 1 oder 2 WpHG (Handelsbeschränkungen für Finanzanalysten)5 erfüllen oder gegen § 31c Abs. 1 Nr. 5 WpHG verstoßen6 oder einem Dritten zu einem solchen Geschäft zu verleiten. Die Begriffe des Empfehlens und des Verleitens finden sich im Tatbestand des § 14 WpHG und sind entsprechend zu verstehen7.
3.414
Nach § 33b Abs. 3 Nr. 3 WpHG muss die Organisation verhindern, dass Mitarbeiter außerhalb ihrer vorhergesehenen Tätigkeit anderen Personen Meinungen oder Informationen in dem Bewusstsein zugänglich machen, dass die an-
1 Eine Konkretisierung des Interessenkonfliktes erfolgt durch Ziffer 3.a. BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305). 2 Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 4; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 22; BT Drucks. 16/4028, S. 74. 3 So auch Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1713. 4 BT-Drucks. 16/4028, S. 74. 5 Hierzu Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 45 ff. mwN. 6 Dazu Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31c WpHG Rz. 6. 7 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 25; zu § 14 WpHG: Rz. 3.563 ff.
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dere Person hierdurch verleitet werden dürfte, ein Geschäft zu tätigen, welches als Mitarbeitergeschäft die Voraussetzungen des § 33b Abs. 3 Nr. 1 WpHG oder § 33b Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG erfüllt oder gegen § 31c Abs. 1 Nr. 5 WpHG verstößt (§ 33b Abs. 3 Nr. 3 lit. a WpHG)1 oder einem Dritten ein solches Geschäft zu empfehlen oder ihn dazu zu verleiten (§ 33b Abs. 3 Nr. 3 lit. b WpHG). Hinsichtlich der Begriffe des Empfehlens und des Verleitens kann auf die Ausführungen bei § 14 WpHG verwiesen werden2. b) Einzusetzende Mittel und Verfahren Das Mindestmaß der gemäß § 33b Abs. 3 WpHG einzusetzenden Mittel und Verfahren wird durch § 33b Abs. 4 WpHG bestimmt; Konkretisierungen enthalten die BaFin-Rundschreiben3.
3.415
Die von § 33b Abs. 3 WpHG erfassten Mitarbeiter müssen die Beschränkungen für Mitarbeitergeschäfte und die Vorkehrungen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens nach Absatz 3 kennen (§ 33b Abs. 4 Nr. 1 WpHG).
3.416
Mitarbeiter sind mittels Richtlinien zu informieren; diese sollten sowohl die allgemeinen Grundsätze für Mitarbeitergeschäfte als auch konkrete Verhaltensanweisungen an Mitarbeiter enthalten4. Da an unterschiedliche Personen unterschiedliche Anforderungen gestellt werden können, ist es möglich, differenzierte Pflichtenkataloge für verschiedene Mitarbeiter aufzustellen5. Zu den dem Mitarbeiter zu vermittelnden Grundsätzen zählen ua. folgende Informationen: Mitarbeiter dürfen bei der Durchführung von Geschäften nicht besser gestellt werden als Kunden, ein Ausnutzen des berufsbedingten Informationsvorsprungs ist zu unterlassen6; bei Konflikten ist dem Kundeninteressen Vorrang einzuräumen7. Teilweise wird gefordert, dass Mitarbeiter nur im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse, ggfs. auf zuvor eingeräumter Kreditbasis, spekulieren dürfen8. Angesichts der rechtlichen Schranken, die das Selbstbestimmungsrecht des Mitarbeiters setzt und der schwierigen Kontrolle entsprechender Gebote, wird es sich bei diesem Gebot um einen Appell handeln, in dessen Rahmen die Mitarbeiter insbesondere auf die Folgen riskanter Spekulationen hinzuweisen sind9.
3.417
1 Zur richtlinienkonformen Auslegung dieser Regelung, die dazu führt, dass Geschäfte bereits im Vorfeld des tatsächlichen Verleitens erfasst werden: Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 26. 2 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 26; zu § 14 WpHG: Rz. 3.563 ff. 3 Vgl. Ziffer 4 BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305); Ziffer BT 2.4 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 4 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 33. 5 Vgl. Ziffer 3.b. BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305). 6 Bergles, ZBB 2000, 140 (142); Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 133; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 38. 7 Bergles, ZBB 2000 140 (142); Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 131; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 33. 8 Bergles, ZBB 2000, 140 (142 f.); Schweizer, Insiderverbote, S. 204; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 34 mwN. 9 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 34.
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Zu den konkret zu benennenden Verhaltensanforderungen gehört die Nennung der unzulässigen Handlungen. Insbesondere folgende unzulässige Handlungen sind zu benennen: – das Verbot der Annahme von im Zusammenhang mit der jeweiligen Tätigkeit stehenden Zuwendungen, sofern diese die Geringwertigkeit übersteigen1; – das Verbot, Mitarbeitergeschäfte auf Grund Kenntnis oder Erwartung von Kunden- oder Eigengeschäftsorders durchzuführen, wenn diese Geschäfte des Mitarbeiters Nachteile für den Kunden oder die Bank zur Folge haben könnten (Verbot des Vor-, Mit- oder Gegenlaufens)2; – das Verbot von Geschäften, bei denen sich Mitarbeiter an Geschäften Dritter, insbesondere der Kunden oder des Instituts, beteiligen3; – das Verbot von Geschäften zu nicht marktgerechten Kursen und Bedingungen4.
3.419
Im Rahmen der Richtlinie sind die Mitarbeiter auch auf bestehende Beschränkungen bei Mitarbeitergeschäften hinzuweisen. Hierzu zählen ua. Hinweise auf Handelsverbote und die Restricted-List, die diese enthält. Die Handelsbeschränkung mittels Restricted-List ist immer dann sinnvoll, wenn im Gesamtunternehmen ein Informationsvorsprung vor dem Markt vorhanden ist. Unterhalb der Verbotsschwelle der Restricted-List kann durch Vorgabe von bestimmten Handelsfenstern, die typischerweise an Zeitpunkte bestmöglicher Marktinformation – also im Regelfall nach den Quartals- bzw. Jahresberichten – zu knüpfen sind, dem Vorwurf der Ausnutzung von Sonderwissen entgegengewirkt werden5. Eine weitere Beschränkung stellt die Pre-Approval-Regelung dar, welche insbesondere für Mitarbeiter in besonderen Verantwortungsstufen sinnvoll sein kann und nach der Geschäfte dieser Mitarbeiter unter einen Genehmigungsvorbehalt stehen, um der Compliance-Stelle einen Abgleich mit den auf der Watch-Liste aufgeführten Papieren zu ermöglichen6.
3.420
Das Verständnis der Richtlinien ist durch Schulungen zu fördern (hierzu Rz. 3.372 ff.). 1 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 33, ohne eine Einschränkung auf die Geringwertigkeit. 2 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 35; Schweizer, Insiderverbote, S. 205. Vgl. Abschnitt B Ziffer I.3. BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303). Vor dem Hintergrund, dass das frühere Verbot taggleicher Geschäfte für Mitarbeiter im Rahmen der Neufassung der Mitarbeiterleitsätze aufgehoben wurden, sind auch andere kurzfristige Transaktionen der Mitarbeiter als zulässig anzusehen und Haltepflichten nur in Ausnahmefällen erforderlich (Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 36 mwN). 3 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 35. Vgl. Abschnitt B Ziffer 1.7. BAKred/ BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303). 4 Eisele in Schimanyky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 133; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 38. 5 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 134; Schweizer, Insiderverbote, S. 207; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 37. 6 Bergles, ZBB 2000, 140 (143); Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 33; Schweizer, Insiderverbote, S. 207 f.; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 41.
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Die organisatorischen Vorkehrungen haben zu gewährleisten, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen von jedem Mitarbeitergeschäft iS des § 33b Abs. 3 WpHG entweder durch Anzeige des Mitarbeiters oder durch ein anderes Feststellungsverfahren unverzüglich Kenntnis erhält (§ 33b Abs. 4 Nr. 2 WpHG)1. Über die aus dieser organisatorischen Anforderung an das Unternehmen folgenden Verpflichtung des einzelnen Mitarbeiter – insbesondere seine Pflicht Mitarbeitergeschäfte zu melden oder sein Depot und Konto durch eine bestimmte Stelle führen lassen – ist der Mitarbeiter zu informieren.
3.421
Die Durchführung der Kontrolle, ob die vorgegebenen Verhaltensweisen eingehalten werden, erfordert eine Transparenz hinsichtlich der Mitarbeiterkonten und -depots2. Daher sollten die entsprechenden Mitarbeiter (siehe Rz. 3.409 ff.) angehalten werden, ihr Konto und Depot bei dem eigenen Unternehmen bzw. der Konzerngesellschaft zu führen3, da dies eine Kontrolle, insbesondere mittels EDV, erleichtert bzw. erst ermöglicht. Sofern die Mitarbeiter Konten oder Depots bei einem Drittinstitut eröffnen wollen, bedarf dies der Zustimmung der Compliance-Abteilung; bereits bestehende Konten und Depots sind dieser anzuzeigen4. Sofern der Mitarbeiter Depots bei einem Drittinstitut führen lässt, hat er die Übersendung von Zweitschriften an seinen Arbeitgeber zu verlassen und diesem somit die Kontrolle zu ermöglichen5. Sofern dies nicht möglich ist, hat der Mitarbeiter selbst Zweitschriften zu erstellen und einmal jährlich eine Vollständigkeitserklärung an seinen Arbeitgeber zu geben6. Die Compliance-Organisation hat diese dann – stichprobenartig – durch Abgleich mit der Vollständigkeitserklärung des Drittinstituts, die der Mitarbeiter auf Verlangen anzufordern und vorzulegen hat, zu überprüfen7. Auch die nicht compliance-relevanten Mitarbeiter haben bei einem berechtigten Interesse des Institutes auf dessen Verlangen Depotverbindungen, Mitarbeitergeschäfte und Vollmachten offen zu legen8.
3.422
1 Es genügt nicht, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen sich nur auf Nachfrage die von dem Mitarbeiter getätigten Geschäfte offen legen lässt, Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 5. Zu den Unterschieden zu den Mitarbeiterleitsätzen: Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 29. Zur Sicherstellung der unverzüglichen Kenntnis werden in Ziffer BT 2.4 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303) verschiedene Verfahren aufgezeigt. 2 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 39; vgl. Nr. 4.a. BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305). 3 Bergles, ZBB 2000, 140 (142); Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 134; von Kopp-Colomb, WM 2000, 2414 (2419); Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 39; vgl. Abschnitt B Ziffer I.8. BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303). 4 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 132; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 39. Allerdings ist dieses System anfällig für bewusste Umgehungen, hierzu: Schlicht, BKR 2006, 469 (475). 5 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 132; Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 39; Ziffer BT 2.4 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 6 Gebauer/Niermann in Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rz. 32; Ziffer BT 2.4 Nr. 1 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). 7 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 39. 8 Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 109 Rz. 132.
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3.423
Für die Geschäfte, die der (compliance-relevante) Mitarbeiter als Bevollmächtiger durchführt, gelten zunächst die gleichen Grundsätze wie für Eigengeschäfte1. Dh. insbesondere erstreckt sich eine bestehende Pre-Approval-Regelung nicht nur auf die Eigengeschäfte des compliance-relevanten Mitarbeiters, sondern auch auf die Geschäfte, die er in seiner Funktion als Vertreter vornimmt. Bei einer Bevollmächtigung des Mitarbeiters sind ferner die Vorgaben der BaFin aus ihrer Bekanntmachung über Anforderungen an Verhaltensregeln für Mitarbeitergeschäfte der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte zu berücksichtigen. Zwar wurde diese Bekanntmachung durch die BaFin mit Schreiben v. 23.10.20072 aufgehoben; Ursache für diese Aufhebung waren die neuen (weiter gehenden) Anforderungen des § 33b WpHG, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die von der BaFin-Bekanntmachung vorgeschriebenen internen Verfahren zur Überwachung von Mitarbeitergeschäften weiter zu beachten sind3. Demnach gilt für Mitarbeiter iS des § 33b Abs. 3 WpHG Folgendes: Vollmachten für bei der Bank, einer Konzerngesellschaft oder bei Drittinstituten geführte Konten oder Depots Dritter bedürfen der vorherigen Zustimmung der Geschäftsleitung oder der von ihr benannten Stelle4. Ist der Mitarbeiter bei diesen Konten und Depots gesetzlich oder amtlich bestellter Vertreter, hat er dies anzuzeigen5. Der Mitarbeiter muss vom Vollmachtgeber bei der Übernahme der Vollmacht das Einverständnis für die Offenlegung von Mitarbeitergeschäften einholen6. Wird das Einverständnis widerrufen, hat er das arbeitgebende Institut hiervon zu unterrichten und darf er von der Vollmacht keinen Gebrauch machen7.
3.424
Das Monitoring muss, um die unverzügliche Kenntnis des Institutes sicherzustellen, auf täglicher Basis erfolgen8.
3.425
Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben zu gewährleisten, dass im Rahmen von Auslagerungsvereinbarungen iS des § 25a Abs. 2 KWG die Mitarbeitergeschäfte iS des § 33b Abs. 1 Nr. 4 WpHG, welche die Voraussetzungen des § 33b Abs. 3 WpHG erfüllen, durch das Auslagerungsunternehmen dokumentiert und der Bank auf Verlangen vorgelegt werden (§ 33b Abs. 4 Nr. 3 WpHG).
1 Vgl. Nr. 4.a. BaFin, Rundschreiben Mitarbeitergeschäfte (Rz. 3.305). 2 BaFin, Schreiben v. 23.10.2007 (Rz. 3.302). 3 Für dieses Verständnis spricht auch BaFin, Schreiben v. 23.10.2007 (Rz. 3.302), in dem es heißt: „... Ferner werde ich eine Fortführung der derzeitigen, auf den MitarbeiterLeitsätzen basierenden internen Verfahren zur Überwachung von Mitarbeitergeschäften für einen Übergangszeitraum von einem Jahr ab Inkrafttreten des FRUG als Einhaltung des § 33b WpHG anerkennen. Um den Voraussetzungen des § 33b WpHG Rechnung zu tragen, sind jedoch die folgenden Vorgaben zu berücksichtigen: ...“. So auch Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 40, der auch trotz Aufhebung der Bekanntmachung von einem Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers für die Übernahme von Vollmachten für Mitarbeiter iS des § 33b Abs. 3 WpHG ausgeht. 4 Vgl. Abschnitt B Ziffer II.1.c BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303). 5 Vgl. Abschnitt B Ziffer II.1.c BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303). 6 Vgl. Abschnitt B Ziffer II.1.c BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303). 7 Vgl. Abschnitt B Ziffer II.1.c BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303). 8 Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1717.
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3. Teil
Compliance-Organisationen
Der Vorgabe ist durch vertragliche Gestaltung der Auslagerungsverträge Rechnung zu tragen1. Die organisatorischen Vorkehrungen haben sicherzustellen, dass das Institut alle Mitarbeitergeschäfte, von denen es nach § 33b Abs. 4 Nr. 2 und 3 WpHG Kenntnis erhält und alle Erlaubnisse und Verbote, die hierzu erteilt werden, dokumentiert werden (§ 33b Abs. 4 Nr. 4 WpHG). Obwohl nicht gesetzlich gefordert, ist eine Dokumentation – auch im elektronischen Wege – geboten, die so zu gestalten ist, dass die Daten im Beweisfall und für die Prüfung nach § 36 WpHG oder im Rahmen der Jahresabschlussprüfung zur Verfügung stehen (§ 34 Abs. 1 WpHG)2. Die Liste ist mit größter Vertraulichkeit zu behandeln.
3.426
Die richtlinienkonforme Auslegung ergibt, dass die Umsetzung des § 33b Abs. 4 WpHG nur einen Mindeststandard schafft; dieser ist durch weitere – einzelfallabhängige – angemessene Mittel und Verfahren iS des § 33b Abs. 3 WpHG zu ergänzen3.
3.427
§ 33b Abs. 5 und 6 WpHG enthalten Sonderregeln für Institute, die Finanzanalysen erstellen oder erstellen lassen, die unter ihren Kunden oder in Öffentlichkeit verbreitet werden sollen oder deren Verbreitung wahrscheinlich ist4.
3.428
3. Ausnahmen Für bestimmte Mitarbeitergeschäfte gelten die in den § 33b Abs. 3 und 4 WpHG aufgestellten Anforderungen nicht (§ 33b Abs. 7 WpHG).
3.429
Nach § 33b Abs. 7 Nr. 1 WpHG werden Geschäfte eines Mitarbeiters ausgenommen, die für ihn im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung getätigt werden, sofern vor dem jeweiligen Geschäftsabschluss kein Kontakt zwischen dem Mitarbeiter und der Finanzportfolioverwaltung stattgefunden hat. Diese Regelung ist sachgerecht, da bei der ihr zu Grunde liegenden Konstellation Interessenkonflikte ausgeschlossen sind5.
3.430
Gemäß § 33b Abs. 7 Nr. 2 WpHG fallen auch Mitarbeitergeschäfte mit Anteilen von Investmentvermögen, die den Vorgaben der OGAW-Richtlinie6 ent-
3.431
1 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 30. 2 Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1719; von Kopp-Colomb, WM 2000 2414 (2421); Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 30. 3 Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 31 mit Darlegungen zur europarechtskonformen Auslegung. 4 Hierzu: Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 33b WpHG Rz. 7; Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1721 ff. 5 Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1730 mwN; eine vergleichbare Regelung war bereits in Abschnitt A Ziffer II BAKred/BAWe, Mitarbeiterleitsätze (Rz. 3.303) vorhanden. 6 Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, ABl. EG Nr. L 375 v. 31.12.1985, S. 3 ff.
Rothenhöfer
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
sprechen (§ 33b Abs. 7 Nr. 2 lit. a WpHG) oder im Inland oder einem anderen EU- oder EWR-Staat beaufsichtigt werden und ein gleich hohes Maß an Risikostreuung wie die Investmentvermögen, die der OGW-Richtlinie entsprechen, aufweisen (§ 33 Abs. 7 Nr. 2 lit. b WpHG), nicht unter die Regelungen des § 33b Abs. 3 und 4 WpHG, sofern der Mitarbeiter oder eine andere Person, für deren Rechnung das Geschäft getätigt wird, nicht an der Verwaltung des Fonds beteiligt sind. Die fehlende Beteiligung an der Verwaltung des Fonds erfordert, dass die Beteiligung des Mitarbeiters an der Verwaltung des Investmentvermögens ausgeschlossen sein muss1.
3.432
Auch für Geschäfte in Schuldverschreibungen des Bundes oder eines anderen EWR-Vertragsstaates besteht, wie früher, ebenfalls eine Ausnahmeregelung2.
3.433–3.450
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Insiderrecht (Rothenhöfer)
I. Grundlagen 1. Begriff
3.451
Insidergeschäfte sind im Kern der Erwerb und die Veräußerung von bestimmten Finanzinstrumenten, die eine Person unter Nutzung eines Informationsvorsprungs über den Emittenten der Insiderpapiere oder die Insiderpapiere selbst abschließt, wenn die Nutzung des Informationsvorsprungs untersagt ist3. Die Sanktionierung von Insidergeschäften basiert auf dem Unrechtsgehalt4 dieser Geschäfte, besteht international in allen modernen Rechtsordnungen5 und ist für die Vertrauenswürdigkeit des Finanzplatzes Deutschland von herausragender Bedeutung6. In Deutschland können verbotene Insiderge1 Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1731. 2 Ziffer BT 2.6 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Zur früheren Rechtslage: Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 44. 3 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 1; einen kurzen Überblick – unter Einbeziehung der internationalen Perspektive – gibt Baum in Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 866 ff. 4 In der Literatur wird eine Vielzahl von Theorien zum Rechtsgrund der Insiderregelungen vertreten. Hierzu: Assmann, AG 1994, 196 (202 f.); Rudolph in FS Moxter, 1994, S. 1333; eine kurze Übersicht über verschiedene ökonomische Begründungsansätze gibt Baum in Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 866 f.; Hopt, AG 1995, 353 (355 ff.); Hopt, ZGR 1991, 17 (22 f.); ausführlich: Lahmann, Insiderhandel, S. 37 ff.; Oppitz, Insiderrecht aus ökonomischer Perspektive. 5 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33. 6 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
sprechen (§ 33b Abs. 7 Nr. 2 lit. a WpHG) oder im Inland oder einem anderen EU- oder EWR-Staat beaufsichtigt werden und ein gleich hohes Maß an Risikostreuung wie die Investmentvermögen, die der OGW-Richtlinie entsprechen, aufweisen (§ 33 Abs. 7 Nr. 2 lit. b WpHG), nicht unter die Regelungen des § 33b Abs. 3 und 4 WpHG, sofern der Mitarbeiter oder eine andere Person, für deren Rechnung das Geschäft getätigt wird, nicht an der Verwaltung des Fonds beteiligt sind. Die fehlende Beteiligung an der Verwaltung des Fonds erfordert, dass die Beteiligung des Mitarbeiters an der Verwaltung des Investmentvermögens ausgeschlossen sein muss1.
3.432
Auch für Geschäfte in Schuldverschreibungen des Bundes oder eines anderen EWR-Vertragsstaates besteht, wie früher, ebenfalls eine Ausnahmeregelung2.
3.433–3.450
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Insiderrecht (Rothenhöfer)
I. Grundlagen 1. Begriff
3.451
Insidergeschäfte sind im Kern der Erwerb und die Veräußerung von bestimmten Finanzinstrumenten, die eine Person unter Nutzung eines Informationsvorsprungs über den Emittenten der Insiderpapiere oder die Insiderpapiere selbst abschließt, wenn die Nutzung des Informationsvorsprungs untersagt ist3. Die Sanktionierung von Insidergeschäften basiert auf dem Unrechtsgehalt4 dieser Geschäfte, besteht international in allen modernen Rechtsordnungen5 und ist für die Vertrauenswürdigkeit des Finanzplatzes Deutschland von herausragender Bedeutung6. In Deutschland können verbotene Insiderge1 Held in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Rz. 1731. 2 Ziffer BT 2.6 BaFin, MaComp (Rz. 3.303). Zur früheren Rechtslage: Zimmermann in Fuchs, § 33b WpHG Rz. 44. 3 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 1; einen kurzen Überblick – unter Einbeziehung der internationalen Perspektive – gibt Baum in Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 866 ff. 4 In der Literatur wird eine Vielzahl von Theorien zum Rechtsgrund der Insiderregelungen vertreten. Hierzu: Assmann, AG 1994, 196 (202 f.); Rudolph in FS Moxter, 1994, S. 1333; eine kurze Übersicht über verschiedene ökonomische Begründungsansätze gibt Baum in Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 866 f.; Hopt, AG 1995, 353 (355 ff.); Hopt, ZGR 1991, 17 (22 f.); ausführlich: Lahmann, Insiderhandel, S. 37 ff.; Oppitz, Insiderrecht aus ökonomischer Perspektive. 5 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33. 6 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33.
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3. Teil
Insiderrecht
schäfte mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden (§§ 38, 39 WpHG)1. Da Insidergeschäfte in der Regel unter Einschaltung von Banken getätigt werden, besteht für Kreditinstitute stets die Gefahr, mit den Vorgaben des Insiderrechts in Konflikt zu kommen2. Der Gefährdungsgrad steigt insbesondere dann, wenn die Banken durch die Betreuung von komplexen Transaktionen, zB im Investment- oder Firmenkundengeschäft, über eine Vielzahl von nicht öffentlich bekannten Informationen verfügen.
3.452
2. Rechtsgrundlagen Das deutsche Insiderrecht ist in den §§ 12–14 WpHG normiert3. § 12 WpHG definiert die Insiderpapiere, § 13 WpHG die Insiderinformationen und § 14 WpHG die untersagten Verhaltensweisen4. Schließlich enthalten die §§ 38, 39 WpHG Sanktionen für den Fall der Verletzung der Vorgaben des § 14 WpHG. Die nationalen Regelungen beruhen auf der Umsetzung von europarechtlichen Vorgaben. Gesetzlich reguliert wurde das Insiderrecht in Deutschland erstmals 1994 mit dem durch das Zweite Finanzmarkförderungsgesetz5 in Kraft gesetzten Wertpapierhandelsgesetz, wodurch die nationale Umsetzung der am 13.11.1989 verabschiedeten Insiderrichtlinie der Europäischen Ge-
1 Einen Kurzüberblick über die strafrechtlichen Sanktionen gibt: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 WpHG Rz. 25 ff.; siehe hierzu auch unten Rz. 3.515 ff. 2 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 2. 3 Einen Kurzüberblick über die Regelungen des Insiderhandels im WpHG gibt: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 WpHG Rz. 15 ff. Die Geschichte des Insiderrechts reicht in Deutschland bis in das 19. Jahrhundert zurück, beruhte aber zunächst auf freiwilliger Selbstregulierung. Bereits im Jahr 1908 wurden Teilaspekte des Insiderrechts durch eine Mitteilung des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes reguliert. Allerdings erfolgte über eine lange Zeit keine Weiterentwicklung dieser ersten Regulierungsschritte. Erst Ende der 1960er Jahre war in der Bundesrepublik ein Regelungsbedürfnis für das Insiderproblem weitgehend anerkannt. Die Börsensachverständigenkommission beim Bundesfinanzministerium beschloss daher am 13.11.1970 „Empfehlungen zur Lösung der Insider-Probleme“. Diese Empfehlungen bestanden aus den Insiderhandels-Richtlinien und den Händler- und Beraterregeln. Im Rahmen der Selbstverwaltung der Wirtschaft wurden hierdurch Regelungen auf freiwilliger Basis geschaffen, durch die der Missbrauch von Insider-Informationen unterbunden werden sollte. Ausführlich zu der Entwicklung des deutschen Insiderrechts: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 WpHG Rz. 1 ff. 4 Damit hat sich der Gesetzgeber gegen die teilweise von Vertretern der ökonomischen Theorie hervorgebrachte Kritik entschieden. Danach ist der Insiderhandel im Interesse effizienter Kapitalmärkte und effektiver Unternehmensführung sogar wünschenswert (vgl. zB Schneider, DB 1993, 1429 ff.; Pellens/Fülbier, DB 1994, 1381 ff.). Zu den ersten praktischen Erfahrungen mit den Regelungen des Insiderhandels: Süßmann, AG 1997, 63 ff. 5 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) v. 26.7.1994, BGBl. I 1994, S. 1749 ff. Zu den Vorüberlegungen: Hopt in FS Beusch, 1993, S. 393 ff.
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3.453
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
meinschaft erfolgt ist1. Eine grundlegende Neuregelung erfuhr das Insiderrecht durch das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz)2, welches die an die Stelle der Insiderrichtlinie getretene Europäische Marktmissbrauchsrichtlinie3 von 2003 in nationales Recht umgesetzt hat. Eine zentrale Änderung des Insiderrechts lag darin, dass nicht nur der Erwerb und die Veräußerung von Insiderpapieren unter Ausnutzung der Kenntnis von Insidertatsachen verboten war, sondern bereits der Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren unter der Verwendung von Insiderinformationen verboten wurde.
3.454
Für das Verständnis der gesetzlichen Regelungen und insbesondere für die Praxis ist der von der BaFin im Dialog mit der Wirtschaft entwickelte und nunmehr überarbeitete Emittentenleitfaden4 von besonderer Bedeutung. Bei dem Emittentenleitfaden handelt es sich nicht um eine verbindliche Rechtsverordnung, sondern lediglich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die grundsätzlich nur eine interne Bindungswirkung entfaltet. Allerdings wird auf Grundlage des Emittentenleitfadens eine ständige Verwaltungspraxis entstehen, die über Art. 3 GG eine mittelbare Außenwirkung entfalten wird5. a) Auslegungsgrundsätze
3.455
Die gesetzliche Regelung ist dadurch gekennzeichnet, dass zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden. Auf Grund der europäischen Wurzeln des deutschen Insiderrechts ist im Rahmen der Auslegung insbesondere dem Aspekt der richtlinienkonformen Auslegung Rechnung zu tragen6. Bei Auslegungszweifeln sind daher letztinstanzliche nationale Gerichte verpflichtet, die Frage dem EuGH vorzulegen. Dem EuGH kommt als eine Art Superrevisionsinstanz der Letztentscheid zu. b) Marktbezogener Regelungsansatz
3.456
Sowohl der europäische Richtliniengeber als auch der deutsche Gesetzgeber haben sich für eine marktbezogene Regelungsperspektive entschieden7. Die 1 Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 13.11.1989 (89/592/EWG) zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte, ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30 ff.; hierzu: Hopt, ZGR 1991, 17 (18 ff.). 2 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) v. 28.10.2004, BGBl. I 2004, S. 2630. 3 Richtlinie 2004/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 ff.; hierzu: Ferrarini, Common Market Law Review, 41 (2004), 711. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Stand Mai 2009, abrufbar unter: http://www.bafin.de. 5 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 8; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (729 f.). 6 Assmann, AG 1994, 196 (200); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 5. 7 Den marktbezogenen Ansatz verfolgte bereits die frühere EG-Richtlinie zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte vom 13.11.1989 (89/592/EWG),
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3. Teil
Insiderrecht
Insiderregelungen werden daher nicht aus einem unternehmensorientierten oder gesellschaftsrechtlichen Ansatz gestaltet, bei dem die Reichweite der verschiedenen Tatbestände verbotenen Insiderhandelns stark eingeschränkt wäre. Die Marktbezogenheit der Insiderregelung zeigt sich darin, dass zu den Insidern auch Personen gehören können, die nicht zum Unternehmensbereich der Gesellschaft gehören und zu ihr auch in keinerlei Vertragsverhältnis stehen1. So ist Insider auch jeder gesellschaftsferne Dritte, der Kenntnis von einer Insiderinformation erlangt hat.
3.457
3. Schutzzweck Mit dem Marktbezug steht der Funktionsschutz, dh. der Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und des Vertrauens der Anleger in die Ordnungsmäßigkeit der Märkte als vorrangiger Schutzzweck, im engen Zusammenhang2. Funktionsfähige Kapitalmärkte setzen das Vertrauen des Anlegerpublikums voraus3. Anleger, die sich in einem Markt unfair behandelt fühlen, werden sich von diesem Markt abwenden und ihre Kapitalanlagen an anderen Märkten tätigen4. Insidergeschäfte werden von den Anlegern als Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit der Investoren am Markt angesehen, daher sind Handelsverbote als Bestandteil und Indikator einer guten Ordnung der Kapitalmärkte erforderlich, weil sie den diesbezüglichen Erwartungen des An-
1 2
3
4
ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. Zur marktbezogenen Regelungsperspektive des Insiderrechts: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 WpHG Rz. 47; Assmann, AG 1994, 196 (202); Schäfer in Schäfer/Hamann, vor § 12 WpHG Rz. 20. Teilweise werden die Insiderregelungen auch aus dem gesellschaftsrechtlichen Treueverhältnis abgeleitet: Dieser Ansatz, der auf dem zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern bestehenden Treueverhältnis basiert, kann aber nicht erklären, warum das Insiderrecht auch Verpflichtungen gegenüber Dritten, die außerhalb der Gesellschaft stehen, begründet (Assmann, AG 1994, 196 [203 f.]; Lutter, ZHR 153 (1989), 446 [459]). Dies scheitert schon daran, dass die zum Schadensersatz verpflichtende Treuepflicht eine Mitgliedschaft des Geschädigten bei der Gesellschaft voraussetzt (Lutter, ZHR 153 (1989), 446 [458]). Aus der Treuepflicht können sich jedoch zB Grenzen für die gesprächsweise Offenbarung kurssensitiver Tatsachen an Journalisten und Finanzanalysten ergeben, wie sie bei Informationen mit insiderrelevantem Kursbeeinflussungspotential durch das insiderrechtliche Weitergabeverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) gezogen sind. Assmann, AG 1994, 196 (203); Hopt in FS Beusch, 1993, S. 393 (398). Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 12 WpHG Rz. 49; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 4; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 3; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, S. 95; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/ 6679, S. 45 zu § 12 Abs. 1 WpHG. Zur institutionellen Funktionsfähigkeit von Kapitalmärkten: Assmann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2004, Einl. Rz. 360; zur Interpretation des Begriffs der Kapitalmarkteffizienz: Sester, ZGR 2009, 310 ff. (337, 345). Erwägungsgrund Nr. 4 der Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30 ff., aufgehoben mit Wirkung zum 11.4.2003; Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 33. Caspari, ZGR 1994, 530 (533).
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
legerpublikums und dessen Vorstellung von Fairness entsprechen1. Die Gleichbehandlung der Anleger gebietet es, dass kurserhebliche Tatsachen vor ihrer Veröffentlichung einem Verwertungsverbot unterworfen sind2. Ausschlaggebend für die gesetzliche Insiderregelung war also die schutzwürdige Erwartung des Anlegerpublikums3. Insbesondere die ausländischen institutionellen Großinvestoren erwarten von einem Finanzplatz mit internationalem Geltungsanspruch ein staatlich geregeltes und überwachtes Insiderhandelsverbot. Das Insiderrecht dient mithin dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte4.
3.459
Neben dem Funktionsschutz bezweckt das Insiderrecht auch den Individualschutz, dh. den Schutz der Anleger an der Börse und am Kapitalmarkt5. Funktionsschutz und Individualschutz sind wie zwei Seiten einer Medaille eng miteinander verbunden; praktisch wirken sich Maßnahmen zu Gunsten des einen notwendigerweise zu Gunsten des anderen aus6. Zielkonflikte zwischen beiden Schutzrichtungen sind theoretisch denkbar, bleiben aber für den Bereich des Insiderrechts ohne Bedeutung7. Auch der Gesetzgeber, für den der Funktionsschutz im Mittelpunkt stand8, lässt keine Anhaltspunkte für eine Ablehnung des Individualschutzes erkennen9.
3.460
Von dem Schutzzweck einer Norm ist die Frage abzugrenzen, ob die Regelung als Schutzgesetz iS des § 823 Abs. 2 BGB einzuordnen ist und mithin ihre Verletzung zivilrechtliche Schadensersatzansprüche des einzelnen Anlegers begründen kann. Die Einordnung als Schutzgesetz iS von § 823 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Vorschrift zumindest auch dem Individualschutz dient sowie weitere Voraussetzungen erfüllt. Ob diese vorliegen, ist nach allgemei1 Assmann, AG 1994, 196 (202). 2 Assmann, AG 1994, 196 (202); Caspari, ZGR 1994, 530 (533); vgl. Erwägungsgrund Nr. 5 der Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30 ff., aufgehoben mit Wirkung zum 11.4.2003; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33. 3 Assmann, AG 1994, 196 (201). 4 Caspari, ZGR 1994, 530 (532); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 6; vgl. Erwägungsgründe Nrn. 4–6 der Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30 ff., aufgehoben mit Wirkung zum 11.4.2003; Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 47, 57; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, S. 95. 5 Assmann, AG 1994, 196 (203 f.), der dem Insiderrecht auch einen „individualschützenden Charakter nicht schlechthin absprechen“ will; Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 6; Schwark in Schwark, vor § 12 WpHG Rz. 8 f. 6 Hopt, ZGR 1991, 17 (26). 7 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 6; Hopt, ZGR 1991, 17 (26 f.). 8 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 4 und Nr. 6 der Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30 ff., aufgehoben mit Wirkung zum 11.4.2003; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33, 45, 47, 57; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, S. 95 u. 102. 9 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 6.
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3. Teil
Insiderrecht
nen Auslegungsregeln für jede einzelne Vorschrift zu entscheiden1. Für die Regelungen des Insiderrechts ergeben sich aus der Auslegung keine zwingenden Anhaltspunkte, die für eine Einordung der Regelungen als Schutzgesetz iS von § 823 Abs. 2 BGB sprechen. Es liegt vielmehr ein nur das Anlegerpublikum als Gesamtheit aller potentiellen Anleger schützendes Gesetz vor, dass als Rechtsreflex auch die Individualinteressen der einzelnen Anleger schützt2. Aber selbst dann, wenn man die Regelungen des Insiderrechts als Schutzgesetz iS des § 823 Abs. 2 BGB einordnet, wird es – zumindest für den Bereich der Börsenumsatzgeschäfte3 – im Regelfall an der für den Schadensersatzspruch erforderlichen Kausalität fehlen4. Denn ein Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass eine Person auf Grund des Insiderverstoßes einer anderen Person einen Schaden erlitten hat. Ausgehend davon, dass der Vertragspartner des Insiders zur Transaktion entschlossen war, wird ihm der Nachweis eines Schadens nur in Ausnahmefällen möglich sein, insbesondere wenn er nachweisen kann, dass ohne den Insider als Marktgegenseite das Geschäft nicht zu Stande gekommen wäre5. In Extremkonstellationen können Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB resultieren6.
3.461
II. Insiderpapiere (§ 12 WpHG) § 12 WpHG7 enthält eine Legaldefinition des Tatbestandsmerkmals „Insiderpapiere“ und legt somit den sachlichen Anwendungsbereich des deutschen Insiderrechts fest.
1 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 7. 2 Die hM verneint eine Einordnung als Schutzgesetz: Caspari, ZGR 1994, 530 (532 f.); Happ, JZ 1994, 240 (243); F. Immenga, ZBB 1995, 197 (205); Kaiser, WM 1997, 1557 (1559 f.); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 443; Mennicke, Sanktionen gegen den Insiderhandel, S. 618 ff., 624; Schwark in Schwark, § 14 Rz. 4; Sethe in Assmann/ Schütze, § 12 Rz. 133. 3 Ausführlich zur Frage, ob bei Face-to-Face-Geschäften eine abweichende Beurteilung geboten ist: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 420 ff. 4 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 445. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 209; J. Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme, S. 249 ff.; Kaiser, WM 1997, 1557 (1558 ff.); Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 97; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 133. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 211; Bruns, Der Wertpapierhandel von Insidern als Regelungsproblem, S. 57 f.; Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S. 27; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 448; Kaiser, WM 1997, 1557 (1560 f.); Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 99 (der einer Haftung aus § 826 BGB aber keine praktische Bedeutung beimisst); Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 134. 7 Zu den Gesetzesänderungen, die § 12 WpHG nach seinem Inkrafttreten erfahren hat: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 12; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 6 ff.
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3.462
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
1. Finanzinstrumente
3.463
Zentraler Begriff der Definition ist der Terminus des Finanzinstruments, der in § 2 Abs. 2b WpHG definiert ist. Erfasst sind somit Wertpapiere iS von § 2 Abs. 1 WpHG (zB Aktien, Schuldverschreibungen, Genuss- und Optionsscheine), Geldmarktinstrumente iS von § 2 Abs. 1a WpHG, Derivate iS von § 2 Abs. 2 WpHG sowie Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren1.2 Insbesondere werden vom Begriff des Finanzinstrumentes auch Derivate auf Waren und Edelmetalle erfasst3. Da auch Strom als Ware eingeordnet wird, zählen auch Derivate auf Strom, die an der European Energy Exchange (EEX) gehandelt werden, zu den Finanzinstrumenten4.
2. An einem inländischen Markt gehandelt
3.464
Gemäß § 12 Satz 1 Nr. 1 WpHG sind nur die Finanzinstrumente als Insiderpapiere erfasst, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder den Freiverkehr einbezogen sind. Keine Insiderpapiere stellen somit die ausschließlich im außerbörslichen Telefonverkehr gehandelten Finanzinstrumente (OTC-Markt) dar5. Gleiches gilt für die Anlagen des sog. grauen Kapitalmarktes6.
3.465
An einer inländischen Börse zum Handel zugelassene Finanzinstrumente sind Finanzinstrumente iS von § 2 Abs. 2b WpHG, die an einer inländischen Börse (am regulierten Markt, §§ 32 ff. BörsG), Terminbörsen oder Warenbörsen gehandelt werden7. Neben der Zulassung (§ 32 BörsG) ist auch die Einbeziehung von Wertpapieren an Wertpapierbörsen zum regulierten Markt möglich (§ 33 BörsG). Eine Einbeziehung in den regulierten Markt liegt vor, wenn die Finanzinstrumente auf Antrag eines Handelsteilnehmers oder von Amts wegen ohne Antrag des Emittenten bei Vorliegen der in § 33 Abs. 1
1 Hierbei handelt es sich um gesetzliche Bezugsrechte (§ 186 AktG) oder um vertraglich eingeräumte Bezugsrechte wie Call- oder Put-Optionen, Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 5; Caspari, ZGR 1994, 530 (535). 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.1.1, S. 27 f. Zur Frage, ob junge Aktien als Insiderpapiere einzuordnen sind: Widder/Kocher, AG 2009, 654 (656 f.). 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.1.1, S. 27; Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 11. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.1.1, S. 28; Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 11. Zur Ad-hoc-Publizität von Produkten, die über die EEX gehandelt werden: Enstahler/Bock/Stübbe, BB 2006, 733 ff. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 6; Hopt, ZGR 1991, 17 (41); Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 16; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 12 WpHG Rz. 13; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 12 WpHG Rz. 10; Schwark in Schwark, § 12 WpHG Rz. 5; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 15; Siebold, Das neue Insiderrecht, S. 127 f. Teilweise wurde gefordert, auch diesen Teil des Wertpapierhandels dem Insiderrecht zu unterwerfen: Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S. 80. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 6; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 17. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 7.
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Rothenhöfer
3. Teil
Insiderrecht
BörsG statuierten Voraussetzungen in den Handel zum regulierten Markt einbezogen sind1. Unerheblich ist, ob der organisierte Markt (vgl. § 2 Abs. 5 WpHG) als Parketthandel oder elektronisches Handelssystem organisiert ist2. Unerheblich dafür, ob ein Insiderhandelsverbot iS des § 14 WpHG verletzt wurde ist weiter, ob die konkrete Transaktion in dem Markt, in dem das Papier gehandelt wird, oder außerhalb stattgefunden hat3.
3.466
Auch solche Wertpapiere, die in den Freiverkehr (iS des § 48 BörsG) an einer inländischen Börse einbezogen sind, sind der Insiderregelung unterworfen. Mit dieser Einbeziehung der Freiverkehrswerte in das Insiderhandelsrecht hat der deutsche Gesetzgeber eine strengere Regelung getroffen, als es die europäischen Vorgaben erfordern, da der Freiverkehr nicht öffenlich-rechtlich, sondern privatrechtlich organisiert ist4. Die Einbeziehung der Freiverkehrswerte in die Insiderregelung ist gleichwohl sachgerecht5. Denn die Anleger können häufig nicht zwischen dem öffentlich-rechtlich normierten Markt6 und dem privatrechtlich organisierten Freiverkehr unterscheiden und sehen daher auch in Freiverkehrswerten „Börsenwerte“7. Daher kann Insiderhandel im Freiverkehr die Integrität der Börse insgesamt in Zweifel ziehen und damit auch die Funktionsfähigkeit des regulierten Marktes und somit das öffentlich-rechtlich geregelte Marktsegment beeinträchtigen8.
3.467
1 Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 12. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 7; Lösler in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 7; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 11; Siebold, Das neue Insiderrecht, S. 127 f.; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 12 WpHG Rz. 4. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 6. 4 Zur privaten Rechtsnatur des Freiverkehrs: Hopt in Baumbach/Hopt, § 48 BörsG Rz. 1, 3 mwN. Zwar wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts (BGBl. I 2009, S. 607 ff.) das Erfordernis der (öffentlich-rechtlichen) Handelsordnung für den Freiverkehr eingeführt, dies dient aber lediglich dazu, das Sanktionsverfahren bei Regelverstößen im Freiverkehr gesetzlich zu verankern; die übrigen Regelungen bleiben privatrechtlich. 5 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 12; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 14. 6 Der regulierte Markt ist durch das FRUG neu geschaffen worden. Er ergibt sich aus der Zusammenfassung des amtlichen und geregelten Marktes, die bis zum FRUG getrennt waren; Groß, Kapitalmarktrecht, § 48 BörsG Rz. 1a; Hopt in Baumbach/ Hopt, BörsG Einl. Rz. 19. 7 Weitere Argumente für die Einbeziehung des Freiverkehrs nennt Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 7 mwN. 8 Assmann, AG 1994, 237 (245); Caspari, ZGR 1994, 530 (534); Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 45.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
3. Zulassung an einem organisierten Markt
3.468
Weiter zählen auch die Finanzinstrumente zu den Insiderpapieren, die an einem organisierten Markt eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR1 zum Handel zugelassen sind (§ 12 Satz 1 Nr. 2 WpHG). Ein organisierter Markt ist gemäß § 2 Abs. 5 WpHG ein im Inland, einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, dass die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in der Weise zummenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt2.
4. Antrag auf Zulassung gestellt oder öffentlich angekündigt
3.469
Gemäß § 12 Satz 2 WpHG ist der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in den regulierten Markt oder den Freiverkehr gleichgestellt, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt ist3. Dabei ist der Antrag dann gestellt, wenn er der Zulassungs- oder Einbeziehungsstelle zugegangen ist4. Eine öffentliche Ankündigung liegt vor, wenn ein Emittent oder eine Person, welche Finanzinstrumente anbietet, in einer an einen unbestimmten Personenkreis gerichteten Erklärung darlegt, dass die Notierung der betreffenden Finanzinstrumente in einem der genannten Marktsegmente beabsichtigt ist5.
3.470
Dieser erweiterte Schutz ist sinnvoll, weil das schutzwürdige Vertrauen der Anleger in die Integrität der Wertpapiermärkte bereits durch Insidergeschäfte 1 Zu den EWR-Vertragsstaaten gehören Island, Liechtenstein und Norwegen, wobei in Island und Liechtenstein kein börsenmäßig organisierter Wertpapierhandel existiert, Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 9. 2 Demnach werden Wertpapiere, die auf Wertpapiermärkten in einem EU-Mitgliedstaat oder einem EWR-Vertragsstaat, die privatrechtlich organisiert sind, nicht als Insiderpapiere eingestuft, Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 19. Ausführlich zum multilateralen Handelssytem: Kumpan, Die Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 13 ff. 3 Der deutsche Gesetzgeber geht mit dieser Regelung über die in Art. 9 Abs. 1 der EGMarktmissbrauchsrichtlinie geforderte Vorverlagerung hinaus, indem er nicht nur die Antragsstellung auf Zulassung oder Einbeziehung, sondern bereits ihre öffentliche Ankündigung ausreichen lässt. Hierzu: Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 22 u. 25. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.1.2, S. 29; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 8; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 23; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 12 WpHG Rz. 25; Schwark in Schwark, § 12 WpHG Rz. 3; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.1.2, S. 29; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 8; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 16; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 25; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 12 WpHG Rz. 25; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 18.
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3. Teil
Insiderrecht
im Vorfeld einer beabsichtigten Börsennotierung gefährdet ist1. Durch die Anknüpfung des Insiderhandelsverbotes bereits an den Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung soll insbesondere auch der Handel per Erscheinen in die Insiderregelung einbezogen werden2.
5. Derivate, deren Preis von Finanzinstrumenten abhängt Ferner werden gemäß § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG Derivate in den Kreis der Insiderpapiere einbezogen, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von den Finanzinstrumenten nach § 12 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG abhängt. Dadurch wird einerseits der Kreis der Insiderpapiere erweitert, da die Derivate nicht selbst an den in § 12 Satz 1 Nr. 1 oder 2 WpHG genannten Märkten gehandelt werden müssen3. Andererseits schränkt § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG den Kreis der erfassten Derivate in der Weise ein, dass nur die Derivate erfasst werden, deren Basiswert Finanzinstrumente gemäß § 12 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG sind4.
3.471
Sinn und Zweck der Regelung des § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG ist die Verhinderung der Umgehung des Verbots von bestimmten Insidergeschäften5. Da Derivate wegen ihrer Hebelwirkung (sog. Leverage Effekt) für verbotene Insidergeschäfte besonders geeignet sind, ist ihre Einbeziehung sinnvoll6.
3.472
Die Einbeziehung von bestimmten Derivaten hat für die Banken insbesondere Auswirkungen bei der Beratung und Administration von Aktienoptionsprogrammen. Denn durch die durch das AnSVG geschaffene Rechtslage ist auch die Begebung von Optionen bzw. Einräumung von Rechten auf Bezug von börsennotierten Aktien insiderrechtlich relevant7. Deshalb werden auch Aktienoptionen aus Mitarbeiterprogrammen, die auf börsennotierte Aktien bezogen sind und bei denen tatsächlich Aktien bezogen werden, als Insiderpapiere erfasst. Dies ergibt sich bereits aus § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG8.
3.473
1 Caspari, ZGR 1994, 530 (534 f.). 2 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 11; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 29; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 12 WpHG Rz. 14; Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 33. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 11; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 27. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 12; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 29; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679 S. 45. 6 Caspari, ZGR 1994, 530 (535); Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 29; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 13 ff.; Claussen/Florian, AG 2005, 745 (748); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 14; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 32 ff.; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 12 WpHG Rz. 20; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 12 WpHG Rz. 16. Hierzu: Versteegen/Schulz, ZIP 2009, 110 ff. 8 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 14; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 14; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 12 WpHG Rz. 22.
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3. Teil
3.474
Wertpapieraufsichtsrecht
Wertsteigerungsrechten, Stock Appreciation Rights und Phantom Stocks fehlt hingegen bereits die Eigenschaft als Finanzinstrument, weshalb diese Formen der Mitarbeiterbeteiligung keine Insiderpapiere darstellen1.
III. Insiderinformationen (§ 13 WpHG)
3.475
Für eine Bank, insbesondere eine Universalbank, ist die genaue Kenntnis der Definition der Insiderinformation Voraussetzung, um im Rahmen der Compliance-Organisation (hierzu: Rz. 3.301 ff.) einen Informationsfluss innerhalb des Unternehmens zu organisieren, der den Anforderungen des Insiderrechts entspricht.
3.476
Nach der Legaldefinition des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG2 ist eine Insiderinformation3 eine konkrete Information über öffentlich nicht bekannte Umstände, die einen Emittenten- oder Insiderpapierbezug aufweist und geeignet ist, den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.
1. Konkrete Informationen über Umstände
3.477
Eine Information ist konkret4, wenn sie so bestimmt ist, dass sie eine hinreichende Grundlage für die Einschätzung über den zukünftigen Verlauf des Börsen- oder Marktpreises eines Insiderpapiers bilden kann5. Dies ist der Fall,
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.1.3, S. 29; Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 15; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 13; Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 39; Klasen, AG 2006, 24 (27 f.); aA Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 16; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 12 WpHG Rz. 20. Ausführlich zur Frage, welche Mitarbeiterprogramme bzw. welche Ausgestaltung von Mitarbeiterprogrammen den Anwendungsbereich des Insiderrechts eröffnet: Mennicke in Fuchs, § 12 WpHG Rz. 31 ff. mwN. 2 Zur Entwicklung der Norm: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 1 f. mwN; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 10 ff. mwN. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit auf Grund der verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe äußert Park, NStZ 2007, 369 (372 ff.). 3 Der Begriff der Insiderinformation ist durch das AnSVG eingeführt worden und ersetzt den Begriff der Insidertatsache. 4 Da der vom deutschen Gesetzgeber verwendete Begriff der konkreten Information dem vom europäischen Gesetzgeber verwendeten Begriff der präzisen Information entspricht (Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 6; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 18; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 15), kann für die Auslegung des Begriffs der konkreten Information auf die Erläuterung des Begriffs der präzisen Information in Art. 1 Nr. 1 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG (Richtlinie 2003/124/ EG der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktpreismanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 2.12.2003, S. 70 ff.) zurückgegriffen werden. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.1, S. 30.
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Rothenhöfer
3. Teil
Insiderrecht
wenn die Umstände1, auf die sich die Information bezieht, bereits eingetreten sind oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werden2. a) Eingetretene Umstände Eine konkrete bzw. eine präzise Information liegt dann vor, wenn Umstände oder Ereignisse bereits eingetreten sind. Konkrete Informationen über Umstände sind Tatsachen. Diese werden definiert als konkrete vergangene oder gegenwärtige Geschehnisse oder Zustände, die sinnlich wahrnehmbar und dem Beweis zugänglich sind, wobei die Geschehnisse und Zustände sowohl Vorgänge der Außenwelt als auch des menschlichen Innenlebens erfassen3. Innere Tatsachen können auch für die Personen selbst Insiderinformationen darstellen4. Unwahre Informationen werden grundsätzlich nicht als Tatsachen angesehen5; etwas anderes gilt dann, wenn sich Angaben erst im Nachhinein als unwahr herausstellen, bei Bekanntwerden vom Markt aber zunächst als wahre Tatsachen wahrgenommen werden6.
3.478
Tipps, Empfehlungen und Ratschläge stellen regelmäßig keine Tatsachen dar7.
3.479
Werturteile sowie subjektive Wertungen, die nicht der Verifizierung zugänglich sind, sind im Grundsatz keine Tatsachen8. Von diesem Grundsatz bestehen Ausnahmen9. Werturteile werden dann als Tatsachen angesehen, wenn
3.480
1 Der nunmehr in § 13 WpHG verwendete Begriff Umstände ist weiter als der früher verwendete Begriff der Insidertatsache; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 18; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 19; Spindler, NJW 2004, 3449 (3450); Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3493 v. 1.7.2004, S. 51. Kritisch gegenüber diesem Verständnis hingegen: Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (731). 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 7; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 18; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 29; Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.1, S. 30; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 11 f.; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 19; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 29, 31; Pananis, WM 1997, 460 (461 f.). 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 10 mit einem Beispiel; EuGH v. 10.5.2007 – Rs. C-391/04, EuZW 2007, 572 (Georgakis); aA BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 (303). 5 Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs der Insiderinformationen, S. 54; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 35; Tippach, Das Insiderhandelsverbot, S. 77 f. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 12; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 35; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 33; aA Tippach, Das Insiderhandelsverbot, S. 78. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 14; Assmann, WM 1996, 1337 (1341); Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 20. 8 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 13; F. Immenga, ZBB 1995, 197 (201); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 39; Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 46. 9 Insoweit erscheinen die Gesetzesmaterialien missverständlich, wenn es dort heißt, dass „Werturteile wie Meinungsäußerungen, Rechtsauffassungen, Auffassungen per-
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
sie einen Tatsachenkern enthalten oder auf einen solchen schließen lassen1. Demnach liegt eine Insiderinformation dann vor, wenn Meinungen auf Grund nicht allgemein zugänglicher bzw. nicht öffentlich bekannter Tatsachen erstellt werden; dafür ist ausreichend, dass der Betreffende in seiner Meinung oder Prognose durch die Tatsache beeinflusst wurde2. Werturteile sind ferner dann insiderrechtlich relevant, wenn sie im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens von den die Kursbildung beeinflussenden Markteilnehmern als Tatsachen behandelt werden3. Der Grund für die Einordnung des Werturteils als Tatsache kann dabei in der Person des Meinungsträgers liegen, dies wird insbesondere bei Werturteilen von Funktionsträgern wie Vorstandsmitgliedern der Fall sein4. Besonders relevant dürfte dies für Wirtschaftprüfer, Analysten und Ratingagenturen sein5. Die Abgabe eines Werturteils, einer Meinung oder einer Empfehlung ist der äußeren Wahrnehmung zugänglich und mithin als Tatsache einzuordnen6.
3.481
Marktinformationen sind nicht hinreichend konkret und stellen mithin keine präzise Information dar7. Etwas anderes gilt erst dann, wenn Marktinformationen bestimmte Auswirkungen auf einzelne Emittenten oder Insiderpapiere haben und ein Urteil über ihre Auswirkungen auf die Kurse der in Betracht kommenden Insiderpapiere erlaubt8. Da Marktinformationen regelmäßig öffentlich bekannt sind, werden sie typischerweise nicht als Insiderinformation eingeordnet werden können.
3.482
Gerüchte stellen im Grundsatz keine Insiderinformationen dar, da sie im Regelfall nicht hinreichend präzise sind9. Gerüchte werden aber dann als kon-
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sönlicher Art und andere subjektive Wertungen, die subjektive Meinungen ausdrücken, keine Tatsachen sein können“, BT-Drucks. 12/6679, S. 46. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 15; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 40 ff.; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 10 ff.; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 33. Dies gilt auch für Rechtsgutachten, speziell dazu: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 44 f. Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 42; Uwe H. Schneider/Burgard in FS Buxbaum, 2000, S. 501 (509). Caspari in Baetge, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 65 (68); Happ, JZ 1994, 240 (242); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 43; Pananis, WM 1997, 460 (462). Caspari in Baetge, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 65 (68); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 43; Pananis, WM 1997, 460 (462); Uwe H. Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381 (390); Uwe H. Schneider/Burgard in FS Buxbaum, 2000, S. 501 (509). So auch Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 19. Cramer in FS Triffterer, 1996, S. 323 (333); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 62. Kritisch: Uwe H. Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381 (385). Einschränkend: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 13. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 9; Lösler in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 18; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 29, 45. Ausführlich hierzu: Tippach, WM 1993, 1269 ff. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 9; Sethe in Assmann/ Schütze, § 12 Rz. 29, 45; Begr. RegE AnSVG BT-Drucks. 15/3174, S. 34. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 17; Cahn, Der Konzern 2005, 5 (7); Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (930); Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 24; Krauel, Insiderhandel, S. 260; Merkner/Sustmann, NZG 2005,
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3. Teil
Insiderrecht
krete Informationen eingeordnet, wenn sie einen Tatsachenkern haben1. Hierfür spricht der auf die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte abzielende Schutzzweck des Insiderrechts. Die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte setzt voraus, dass die Anleger auf den Markt und seine Preisbildungsmechanismen vertrauen. Da auch Gerüchte Einfluss auf die Preisbildung von Finanzmarktinstrumenten haben, würde die Ablehnung der Einordnung der Gerüchte als konkrete Information zur Folge haben, dass ein Teil des Preisbildungsmechanismus und mithin ein Teil der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes nicht durch das Insiderrecht geschützt wird. Dies ist abzulehnen2. Wird ein Gerücht danach als konkrete Information eingeordnet, ist anhand der weiteren Tatbestandsmerkmale des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG – insbesondere dem Kriterium der Eignung zur Kursbeeinflussung3 – zu prüfen, ob das Gerücht auch als Insiderinformation eingeordnet werden kann. Unerheblich ist, ob die Gerüchte sich später als wahr oder unwahr erweisen4. b) Zukünftige Umstände Zukünftige Umstände und Ereignisse können gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG auch Insiderinformationen darstellen. Dies setzt voraus, dass die zukünftigen Umstände und Ereignisse hinreichend konkret iS des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG sind und weiter gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit aufweisen. Dies ist gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die den Eintritt des Umstandes als voraussehbar erscheinen lassen5. Voraussetzung ist nicht, dass der Eintritt mit Sicherheit wahrscheinlich ist6, wohl aber, dass ein verständiger Anleger den zukünftigen Umstand trotz der noch bestehenden Unsicherheit hinsichtlich seiner Eintrittswahrscheinlichkeit bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde7. Nach dem BGH ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben, wenn eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 % besteht8. Das Wahrscheinlich-
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729 (731); Möllers, WM 2005, 1393 (1394); Koch, DB 2005, 267 (268); Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformationen, § 2 Rz. 21; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 17, 19; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 39; Spindler, NJW 2004, 3449 (3450); Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 31, 34. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.1.2, S. 31; Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (14); Cahn, Der Konzern 2005, 5 (7); Claussen/Florian, AG 2005, 745 (749); Fleischer/ Schmolke, AG 2007, 841 (846); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 24; Krauel, Insiderhandel, S. 260; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 50 f.; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 16; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 17, 19; aA Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 17. Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 52. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.1.2, S. 31. Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 24. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.1.2, S. 32; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 66; Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 1573174, S. 34. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.1.2, S. 32. Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 66. BGH v. 25.2.2008 – II ZB 97/07, NZG 2008, 300; dazu auch: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 61; kritisch zum Urteil: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 25; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 68 ff. Das
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
keitsurteil ist aus ex-ante-Sicht zu überprüfen (hierzu aus der Perspektive der Ad-hoc-Publizität: Rz. 14.244 ff.)1. Ohne Bedeutung ist, ob das Ereignis später tatsächlich eintritt2.
3.484
Absichten, Pläne oder Vorhaben sind Informationen über zukünftige Umstände und daher an § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG zu messen3. Gleiches gilt für Prognosen4.
3.485
Mehrstufige Entscheidungsprozesse liegen vor, wenn eine bestimmte Entscheidung von einer Vielzahl von Einzelschritten abhängt (hierzu aus der Perspektive der Ad-hoc-Publizität: Rz. 14.244 f.)5. Typisch hierfür ist die Entscheidungsfindung in einer Gesellschaft, die durch Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat gekennzeichnet ist; klassisches Beispiel ist die Fusion zweier Unternehmen. Vor dem Hintergrund der Definition der konkreten Information stellt sich die Frage, wann bei mehrstufigen Entscheidungen die Information konkret genug ist, um als hinreichende Grundlage für die Einschätzung über den zukünftigen Börsenverlauf des Insiderpapiers dienen zu können6. Bei der Beurteilung ist auf zwei verschiedene Bezugspunkte abzustellen.
3.486
Erstens ist jede einzelne Teilentscheidung darauf zu untersuchen, ob bereits eine konkrete Information über Umstände bei isolierter Betrachtung des Teilsachverhalts vorliegt; dies hat unabhängig davon zu erfolgen, ob der Eintritt des am Ende des gestreckten Vorgangs liegenden Umstands aus ex-anteSicht hinreichend wahrscheinlich ist7.
3.487
Zweitens ist auf den Sachverhalt abzustellen, der am Ende des mehrstufigen Entscheidungsprozesses stehen kann. Auf diesen bezogen liegt dann eine konkrete Information vor, wenn auf Grundlage des Zwischenschritts davon aus-
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in der Literatur vorhandene Meinungsspektrum wird dargestellt bei: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 67 mwN. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 26 mwN. Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 20; Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.2.2003, S. 70. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 21; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 61. Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AnSVG: Mennicke/ Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 57 ff. mwN. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 22; Sethe in Assmann/ Schütze, § 12 Rz. 37; Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33. Zur Abgrenzung der Insidertatsache nach altem Recht und ad-hoc-pubitzitätspflichtigem Sachverhalt bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen: Pananis, WM 1997, 460 ff. Hierzu ua.: Caspari in Baetge, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 65 (77); Kiem/ Kotthoff, DB 1995, 1999 (2002 ff.). BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.1.1, S. 31; Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 20; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 74; Möllers, WM 2005, 1393 (1394); Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 15 f.
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Insiderrecht
gegangen werden kann, dass das angestrebte Vorhaben mit hinreichender Wahrscheinlichkeit realisiert wird1. Unerheblich ist, ob das angestrebte Vorhaben tatsächlich erreicht wird2. Wann bei komplexen, mehrstufigen Entscheidungsprozessen, die von der Zustimmung verschiedener Personen abhängen, diese hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben ist, kann nicht generell abstrakt, sondern muss auf Grundlage des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Dabei gilt der Grundsatz, dass sich Eintrittswahrscheinlichkeit erhöht, je weiter der mehrstufige Entscheidungsprozess seinem Ende entgegengeht3.
2. Nicht öffentlich bekannte Informationen Die Qualifikation der Information als Insiderinformation setzt weiter voraus, dass die Information nicht öffentlich bekannt ist4. Bei dem Tatbestandsmerkmal „nicht öffentlich bekannt“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Konkretisierung bedarf5.
3.488
a) Definition der Öffentlichkeit Nach dem deutschen Gesetzgeber6, der BaFin7 und der überwiegenden Auffassung in der Literatur8 ist „öffentlich bekannt“ im Sinne der Bereichsöffentlichkeit9 zu verstehen. Die Bereichsöffentlichkeit liegt vor, wenn es einer unbestimmten Anzahl von Personen aus dem Kreis der Marktteilnehmer
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.1.1, S. 31; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 28 mwN; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 75. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.1.1, S. 31; Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 20. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 29; Lösler in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 26. Die Gefahr einer ungerechtfertigten Ausweitung der Insiderinformation durch dieses weite Verständnis der konkreten Information besteht nicht, da über das weitere Tatbestandsmerkmal der erheblichen Preisbeeinflussung Einschränkungen vorgenommen werden können, Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 21. 4 Das Tatbestandsmerkmal beruht auf Art. 1 Nr. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie. Eine entsprechende Vorgabe enthielt zudem bereits Art. 1 Nr. 1 der EG-Insiderrichtlinie. Zum Verhältnis der öffentlichen Bekanntgabe zu anderen Formen der Informationsweitergabe: Sven H. Schneider, NZG 2005, 702 ff. 5 Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 78; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 94. 6 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46; Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7928, S. 101. 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.2, S. 32. 8 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 34; Assmann, AG 1994, 237 (241 f.); Caspari, ZGR 1994, 530 (539); Dreyling/Schäfer, Insiderrecht und Ad-hocPublizität, S. 83; F. Immenga, ZBB 1995, 197 (202); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 81; Pawlik in KölnKomm. WpHG § 13 WpHG Rz. 29; Tippach, Das Insiderhandelsverbot, S. 81. 9 Kritisch zum Konzept der Bereichsöffentlichkeit: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 90 f. Gründe für das Konzept der Bereichsöffentlichkeit nennt: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 35.
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möglich ist, von der Information Kenntnis zu nehmen1; eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich2. Der Begriff der Marktteilnehmer wird eng im Sinne der professionellen Marktteilnehmer, also nicht im Sinne des breiten Anlegerpublikums, verstanden3.
3.490
Durch dieses Verständnis werden die Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal „öffentlich bekannt“ doppelt eingeschränkt. Erstens wird die Öffentlichkeit auf die Bereichsöffentlichkeit reduziert und zweitens genügt für das Kennen der Information die Möglichkeit, Kenntnis nehmen zu können. Unerheblich für die Qualifizierung als öffentlich bekannt ist, ob der Emittent oder ein Dritter die Information verbreitet4. Entscheidend für dieses Verständnis ist der mit der Zielrichtung des Insiderrechts verfolgte Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Haben die professionellen Marktteilnehmer die Möglichkeit, von der kurssensitiven Information Kenntnis zu nehmen, so werden sie diese im Regelfall nutzen und die Information in ihre Dispositionen einfließen lassen mit der Folge, dass sich die Information in den Börsen- oder Marktpreisen niederschlägt. Es ist daher im Hinblick auf die Schutzrichtung des Insiderhandelsverbots nicht erforderlich, dass das breite Anlegerpublikum ebenfalls Gelegenheit hat, die Information zur Kenntnis zu nehmen; vielmehr wird das breite Anlegerpublikum mittelbar geschützt5. b) Herstellung der Öffentlichkeit
3.491
Bei Einschaltung von Informationsmedien ist die Bereichsöffentlichkeit dann hergestellt, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge davon ausgegangen werden darf, dass die Bereichsöffentlichkeit Zugang zu dieser Information hat6. Daher ist die Information dann öffentlich bekannt, wenn sie über ein allgemein verbreitetes und von Personen aus dem Kreis der Markteilnehmer typischerweise genutztes elektronisches Informationsverbreitungssystem, wie 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.2, S. 32; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 34; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 25; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 28; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 82; Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 46. 2 Die Möglichkeit der Kenntnisnahme darf nicht bloß hypothetischer Natur sein, Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 82 u. 100. Demnach genügt nach hM eine Veröffentlichung in der Regionalpresse nicht, um die Bereichsöffentlichkeit herzustellen (vgl. Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 37; Caspari in Baetge, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 65 (70); Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 101). 3 Assmann, ZGR 1994, 494 (511); Dierlamm, NStZ 1996, 519 (522); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 83 ff. 4 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 25; Lösler in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 28. 5 Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 89; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 96 f.; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 38; Krauel, Insiderhandel, S. 257; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 87 u. 94; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 101.
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zB über Reuters oder Bloomberg; verbreitet wurde1. Gleiches wird für entsprechende Printmedien gelten2. Ob Stille Reserven mit Veröffentlichung der Rechnungslegung als bekannt anzusehen sind, richtet sich danach, ob die Bereichsöffentlichkeit mittels der erhalten Informationen auf die Stillen Reserven schließen kann, was im Regelfall zu verneinen ist3. Nicht geeignet zur Herstellung der Bereichsöffentlichkeit ist die Bekanntgabe von Informationen an einen Kreis, der nicht allgemein zugänglich ist, weil von vornherein nur ein ausgewählter/beschränkter Adressatenkreis die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat4. Die Bereichsöffentlichkeit ist daher nicht hergestellt, wenn im Rahmen sog. „Investor Relations“ lediglich ein ausgesuchter Personenkreis Informationen über das Unternehmen erhält5. An einer öffentlichen Bekanntgabe fehlt es auch, wenn der Vorstand des Emittenten Journalisten und Finanzanalysten zu einem Gespräch einlädt6. Gleiches gilt für Mitteilung von Informationen im Rahmen der Presse- oder Bilanzkonferenz, und zwar unabhängig davon, ob diese jedermann oder nur geladenen Personen zugänglich sind7. Auch wenn der Vorstand über die kursrelevanten Sachverhalte in der Hauptversammlung berichtet, wird die Bereichsöffentlichkeit nicht hergestellt, selbst wenn – wie bei großen Publikumsgesellschaften üblich – mehrere tausend Personen versammelt sind8. Zu keiner anderen Beurteilung führt die Übertragung der Hauptversammlung im Internet9. Auch
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 14; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 25; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 92; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 32; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 41. 2 Bei Zeitungen wird nicht der Druckstart, sondern der Verkaufsbeginn ausschlaggebend sein (Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs von Insiderinformationen, S. 60). 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 41; Kübler in FS Budde, 1995, S. 361 (374 f.). 4 Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 97. 5 Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 31; so auch Ekkenga, NZG 2001, 1 (8), der das Gesamtbild der kapitalmarktrechtlichen Aspekte der Investor Relations darstellt. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 39; Assmann, AG 1994, 237 (242); Cramer in FS Triffterer, 1996, S. 323 (330); Lösler in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 30; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 97; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 31; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 36. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 39; Cramer in FS Triffterer, 1996, S. 323 (330); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 25; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 97; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 36. 8 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.2, S. 32; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 40; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 25; Irmen in BuB, Rz. 7/715, 7/740; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 30; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 34; Sethe, ZBB 2006, 243 (251). Ausführlich zur Weitergabe von Insiderinformationen an den Aktionär als Teilnehmer der Hauptversammlung: Uwe H. Schneider/ Singhof in FS Kraft, 1998, S. 585 (594 ff.). 9 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.2, S. 32; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 40; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 25;
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
die Gerichtsöffentlichkeit kann nicht mit der Bereichsöffentlichkeit gleichgesetzt werden1. Nicht ausreichend für die Herstellung der Bereichsöffentlichkeit ist die Einstellung der Daten auf der Homepage des Emittenten2 sowie die Weiterleitung der Informationen an entsprechende Verteilungsstellen, zB Nachrichtenagenturen3. c) Ad-hoc-Publizität
3.493
Unter den Voraussetzungen des § 15 WpHG haben Emittenten eine Pflicht, Öffentlichkeit herzustellen4. Einzelheiten hierzu bei Rz. 14.231 ff.
3. Emittenten- oder Insiderpapierbezug der Informationen
3.494
Die Qualifizierung als Insiderinformation setzt voraus, dass die Information sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst bezieht (§ 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG)5. Der Bezug kann sowohl mittelbar6 als auch unmittelbar erfolgen7.
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Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 30; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 98; Pananis, Insidertatsache und Primärinisider, S. 99 f.; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 34; aA Sven H. Schneider, NZG 2005, 702 (706). Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 39; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 99; Pawlik in KölnKomm. WpHG § 13 WpHG Rz. 36. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.2, S. 32; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 39; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 93; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 35; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 36; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 41; aA: J. Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme, S. 209. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 38; Lösler in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 29; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 41. Zum Spannungsverhältnis zwischen der Ad-hoc-Publizitätspflicht und den Vorgaben des Insiderrechts: Federlin in FS Hromadka, 2008, S. 69 ff. Zum Streitstand, ob es sich bei dem Emittenten- oder Insiderpapierbezug um ein eigenständiges Prüfungsmerkmal im Rahmen der Legaldefinition der Insiderinformation handelt: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 105 ff. Kritisch gegenüber der Bedeutung des Kriteriums des Emittenten- und Insiderpapierbezugs: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 46 mwN. Hierzu: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 104 mwN. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.3, S. 32; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 43; Claussen/Florian, AG 2005, 745 (749 f.); Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 31; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 104; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 42; Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16–25; Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/ 3174, S. 33. Die Ad-hoc-Pulizität fordert hingegen einen unmittelbaren Emittentenbezug, hierzu Rz. 14.241 f.; Simon, Der Konzern 2005, 13 (14).
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3. Teil
Insiderrecht
a) Emittentenbezug der Informationen1 Hierunter werden Informationen verstanden, die interne Vorgänge des Unternehmens oder Beziehungen des Unternehmens zur Umwelt betreffen, ohne sich auf Umstände zu beziehen, die nur eine bestimmte Klasse oder Art von Insiderpapieren berühren, die von dem in Rede stehenden Unternehmen emittiert worden sind2. Unternehmensinterne Informationen sind die Veränderung von Unternehmenskennziffern, wie etwa Veränderung des Gewinns oder des Umsatzes, aber auch wesentliche Vertragsabschlüsse (insbesondere Beherrschungsund Gewinnabführungsverträge), Kapitalmaßnahmen sowie Veränderung der Personal- oder Organisationsstruktur des Unternehmens3. Unternehmensexterne Informationen mit Emittentenbezug sind hingegen Übernahmeangebote eines anderen Unternehmens, Entscheidungen von Gerichten und Behörden, insbesondere Ermittlungsverfahren, die das Unternehmen betreffen sowie die Veränderung der Gesetzgebung, sofern sie für den Emittenten wesentliche Auswirkungen hat4. Entscheidungen eines Unternehmens, die sich auch auf ein anderes Unternehmen auswirken, haben Bezug zu beiden Unternehmen5.
3.495
b) Insiderpapierbezug der Informationen Einen Bezug zum Insiderpapier haben die Informationen, die das Finanzinstrument selbst oder den Handel mit ihm betreffen6. Hierzu zählen die Veränderung des Dividendensatzes7, die Ausgabe junger Aktien, die Kündigung einer Anleihe8, das Wissen über Ordervolumen9, aber auch Kurspflegemaßnahmen, 1 Zur Ad-hoc-Publizität des Emittenten siehe Rz. 14.231 ff. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 48; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 26; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 111; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 85 f. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 48; Caspari, ZGR 1994, 530 (539); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 110; Lösler in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 32; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 85; Pawlik in KölnKomm. WpHG § 13 WpHG Rz. 39; Schwark in Schwark, § 13 Rz. 41; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 43; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.2, S. 33; Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 26; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 34 mwN; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 111. 5 Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 112; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 86. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 49; Caspari, ZGR 1994, 530 (540). 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 49; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 26. Da die Höhe des Dividendensatzes auch Bezug zum Unternehmen aufweist, wird sie oft auch als emittentenbezogen eingeordnet: Hopt, ZGR 1991, 17 (31); Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 44. 8 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46. 9 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 49 mwN; Caspari, ZGR 1994, 430 (540); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 114; Schäfer in Schäfer/ Hamann, § 13 WpHG Rz. 44; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 86. Weitere Beispiele für insiderpapierbezogene Informationen nennen: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 115 mwN.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
Aktienrückkaufprogramme oder die beabsichtigte Aussetzung einer Kursnotiz. Auch Gerichtsurteile können hierzu zählen1. Da die Information mit Emittentenbezug oft auch Bezug zum Insiderpapier aufweist, ist eine scharfe Trennung zwischen Emittentenbezug und Bezug zum Insiderpapier nicht möglich2; eine Trennung ist aber auch nicht geboten, da an die verschiedenen Bezugspunkte keine unterschiedlichen Rechtsfolgen geknüpft sind.
4. Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung
3.497
Die Information muss geeignet sein, im Falle ihres Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis des Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen, § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG3. Mit diesem Tatbestandsmerkmal werden wirtschaftlich unbedeutende Informationen als Bagatellfälle aus dem Anwendungsbereich des Insiderrechts herausgenommen4. Die unbestimmten Rechtsbegriffe „geeignet“ und „erheblich“ bedürfen einer Konkretisierung5. a) Eignung zur Kursbeeinflussung
3.498
Ob eine Information geeignet ist, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen, ist mittels einer objektiv-nachträglichen Prognose auf den Zeitpunkt des Insiderhandels und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln6. Es geht mithin
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 49 mwN. 2 Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 35; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 109; Nerlich, Die Tatbestandsmerkmale des Insiderhandelsverbots nach dem WpHG, S. 118. 3 Gegen die Einordnung des „erheblichen Kursbeeinflussungspotentials“ als objektive Bedingung der Strafbarkeit: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 52; Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (17). AA: Hirte in Hadding/Hopt/Schimansky, Das 2. FFG in der praktischen Umsetzung, S. 47 (80 f.). 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 51; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 28; F. Immenga, ZBB 1995, 197 (203); Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.36; Loesche, Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung, S. 107 ff.; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 124; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 104, 115; Die Einschränkung ist geboten, um den weiten Informationsbegriff sinnvoll zu begrenzen. Kritisch gegenüber der Herauslösung von Bagatellfällen aus dem Anwendungsbereich: J. Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme, S. 212. 5 Teilweise wird vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 Abs. 2 GG Kritik an der Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe erhoben (Krauel, Insiderhandel, S. 266; Haouache, Börsenaufsicht durch Strafrecht, S. 104). Diese Kritik ist mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, BVerfGE 48, 48 [56]; BVerfG v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/ 87, BVerfGE 83, 130 [145]) zum Bestimmtheitsgrundsatz nicht überzeugend; so auch: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 126. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 55 f.; Assmann, AG 1994, 237 (244); Assmann, ZGR 1994, 404 (514); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 27; Hopt, ZGR 1991, 17 (32); F. Immenga, ZBB 1995, 197 (202); Mennicke/ Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 129; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider,
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Insiderrecht
darum, bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem das insiderrelevante Verhalten vorgenommen wurde, mittels einer ex-ante-Prognose zu beurteilen, ob die fraglichen Informationen zur Kursbeeinflussung geeignet waren1. Es reicht dabei aus, dass eine Kursveränderung aus Sicht des potentiellen Insiders als wahrscheinlich erscheint2. Die Kursveränderung muss tatsächlich nicht eingetreten sein; es genügt für die Kurserheblichkeit die abstrakte Möglichkeit der Kursänderung3. Sofern allerdings eine erhebliche Änderung eingetreten ist, kann dies als Indiz für ein in Erwartung der Kursbewegung vorgenommenes Geschäft gewertet werden4. Im Rahmen der ex-ante-Prognose sind bei der Würdigung der Kurserheblichkeit der in Rede stehenden Information neben der Information selbst alle im ex-ante-Prognosezeitpunkt bekannten Marktverhältnisse zu berücksichtigen5.
3.499
Bei der ex-ante-Beurteilung, ob eine bestimmte Information geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs des Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen, ist auf einen objektiven Standpunkt und nicht auf die individuelle Sicht der jeweils handelnden Person abzustellen6. Heranzuziehen ist der Standpunkt des verständigen börsenkundigen Anlegers7.
3.500
Von erheblicher Bedeutung im Rahmen der ex-ante-Prognose ist, welche Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad gestellt werden, mit dem im Zeitpunkt des vermeintlichen Insiderhandelns erwartet werden durfte, dass die
3.501
1 2
3
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7
S. 104 (112); Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 48; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 45. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 55; Assmann, AG 1994, 237 (244); Assmann, ZGR 1994, 494 (514); Caspari, ZGR 1994, 530 (540). BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.4, S. 33; Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 27; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 131; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 48. AA: Hirte in Hadding/Hopt/Schimansky, Das 2. FFG in der praktischen Umsetzung, S. 47 (77 ff.). BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.4, S. 33; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 55; Caspari, ZGR 1994, 530 (540); Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 27; F. Immenga, ZBB 1995, 197 (202); Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs von Insiderinformationen, S. 64; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 123; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 42. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.4, S. 33; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 55; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 131; Loesche, Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung, S. 111 ff., 114 ff., 166 ff.; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 104; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 42; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 45; Waldhausen, Die ad-hocpublizitätspflichtige Tatsache, S. 267 (bezogen auf die Ad-hoc-Publizität). BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.4, S. 34; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 59, mit Bsp. für die im Rahmen der Marktverhältnisse zu berücksichtigenden Umstände; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 132; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 50 ff. Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 137; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.37. Eine Darstellung des Meinungsbildes zur Frage, welcher Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, findet sich bei: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 136 ff. mwN; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 56. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.4, S. 33; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 56; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 141.
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Veröffentlichung der bislang nicht öffentlich bekannten Informationen eine erhebliche Kursveränderung hervorrufen wird. Einigkeit besteht in der Literatur, dass dies der Fall ist, wenn eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % besteht, dass die Information zu einer erheblichen Kursveränderung führt1.
3.502
Regelmäßig wird im Rahmen der Prognose auch der voraussichtliche Zeitraum bis zum öffentlichen Bekanntwerden der Insidertatsache zu berücksichtigen sein; dies ergibt sich aus dem Kursrisiko, dass der Insider bei seinem Insidergeschäft stets einzukalkulieren hat. Der voraussichtliche Zeitraum bis zum öffentlichen Bekanntwerden kann zudem den Gewinn aus dem Insidergeschäft auch aus Renditegesichtspunkten stark beeinträchtigen. Mit dem Kauf von Insiderpapieren wird in Höhe des Gegenwertes Liquidität gebunden, die anderweitig verzinslich hätte angelegt werden können. Daher ist es auch aus Renditegesichtspunkten für den Insider wesentlich, ob er mit der Veröffentlichung der Insiderinformation schon innerhalb von 24 Stunden oder wenigen Tagen rechnen kann oder er einen längeren Zeitraum bis zur marktmäßigen Realisierung des erhofften Kursvorteils einkalkulieren muss. b) Erheblichkeit der Kursbeeinflussung
3.503
Ob erhebliches Kursbeeinflussungspotential vorliegt, ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG2 anhand des subjektiven Ansatzes3 zu ermitteln4. Demnach muss der im Fall des öffentlichen Bekanntwerdens der Information zu erwartende Kursanstieg ausreichen, um einen rational handelnden Investor in Ansehung der mit einer solchen Transaktion verbundenen Kosten und Risiken zum Erwerb oder der Veräußerung des betreffenden Papiers zu veranlassen5. Aus ökonomischem Blickwinkel ist die Information dann erheblich, wenn sie 1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 60; Uwe H. Schneider/ Burgard in FS Buxbaum, 2000, S. 501 (512); Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 47. Dies führt dazu, dass bei zukunftsbezogenen Informationen – Plänen, Vorhaben und Absichten – ein zweifaches Wahrscheinlichkeitsurteil erforderlich ist, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 61. 2 Zu den europäischen Grundlagen dieser Regelung: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 122. 3 Kritisch zur der Frage, ob der subjektive Ansatz mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar ist: Bürgers, BKR 2004, 424 (425); Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1951); Spindler, NJW 2004, 3449 (3451). Aus der Formulierung des § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG wird eine Absage des Gesetzgebers abgeleitet, die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung mittels fixer Schwellenwerte zu bestimmen, Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 37; Mennicke/ Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 146. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 65; Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (17); Claussen/Florian, AG 2005, 745 (750); Koch, DB 2005, 267 (267); Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 37 f.; Pawlik in KölnKomm. WpHG § 13 WpHG Rz. 74, 78; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 59. 5 Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (18); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 29; Hopt, ZHR 1995, 135 (155); Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 37 f.; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 161; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 112 ff.
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Insiderrecht
die Erzielung einer Rendite ermöglicht, die nach Abzug der Transaktionskosten über dem risikoäquivalenten Zinssatz liegt1. Demnach liegt dann eine kurserhebliche Information vor, wenn der rational handelnde professionelle Investor in der noch nicht veröffentlichten Information eine Chance, einen Handlungsanreiz sieht2. Um den Handlungsanreiz richtig zu bewerten, ist sowohl der Höhe als auch der Sicherheit des zu erwartenden Gewinns Rechnung zu tragen. Nach dem Emittentenleitfaden der BaFin hat die Prüfung in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst ist zu klären, ob der Umstand grundsätzlich ex ante und nach allgemeiner Lebenserfahrung Kursbeeinflussungspotential hat. Sofern dies bejaht wird, ist auf der zweiten Stufe zu untersuchen, ob im konkreten Einzelfall ex ante Umstände vorlagen, die das grundsätzlich vorhandene Kursbeeinflusssungspotential erhöht oder gesenkt haben3. Zur Beurteilung, ob ein Sachverhalt mit erheblichem Kursbeeinflussungspotential vorliegt, kann der nichtabschließende Katalog von möglicherweise kursrelevanten Sachverhalten im Emittentenleitfaden der BaFin Hilfestellungen geben4.
3.504
Vor dem Hintergrund der Formulierung des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG, wonach eine erhebliche Beeinflussung des Börsen- und Markpreises verlangt wird, ist der subjektive Ansatz einzuschränken. Denn die nach dem subjektiven Ansatz erfassten Fälle, die zwar nur einen kleinen, dafür aber relativ sicheren Gewinn ausreichen lassen, stehen im Widerspruch zur Formulierung des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG, wonach eine erhebliche Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises verlangt wird5. Daher wird teilweise eine Konkretisierung des subjektiven Ansatzes in der Weise vorgeschlagen, dass der Kauf- oder Verkaufsanreiz allein aus der zu erwartenden Kursbewegung resultieren muss6.
3.505
Aus der Formulierung „im Falle des öffentlichen Bekanntwerdens“ ergibt sich, dass ein tatsächliches Bekanntwerden nicht erforderlich ist7. Es geht um ein hypothetisches öffentliches Bekanntwerden; dh. die Kurserheblichkeit der Information muss im Fall ihres hypothetischen öffentlichen Bekanntwerdens kausal für die Kursveränderung sein8.
3.506
1 2 3 4
5 6 7 8
Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 161; Schweizer, Insiderverbote, S. 122. Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 162. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.4, S. 34. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.14, S. 34 mit Verweis auf Beispiele im Rahmen der Darstellung der Ad-hoc-Publizität in Abschnitt IV. Die Beispiele sind ferner abgedruckt bei Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 68. Zur Frage, ob die potentiell kurserheblichen Informationen in einem Katalog zusammengefasst werden sollten: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 133 ff. (im Ergebnis verneinend). Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 66; Assmann., AG 1997, 50 (58); Schwarze, WM 1997, 1564 (1564). Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 66; Sethe in Assmann/ Schütze, § 12 Rz. 49. Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 143. Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 143. Kritsch zum Tatbestandsmerkmal „im Fall des öffentlichen Bekanntwerdens“: Liersch, Die Regulierung des Blockhandels, S. 269 ff.
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5. Konkrete öffentlich nicht bekannte Informationen
3.507
In § 13 Abs. 1 Satz 4 WpHG hat der Gesetzgeber zwei Regelbeispiele1 für eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände genannt – die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen einer Insiderinformation, wie die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung, bleiben unberührt und müssen in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden2. a) Frontrunning (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG)
3.508
Nach § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG kann eine Insiderinformation insbesondere auch eine Information über nicht öffentlich bekannte Umstände iS von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG sein, die sich auf Aufträge von anderen Personen über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten oder auf Derivate bezieht. Erfasst werden somit Eigengeschäfte des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die in Kenntnis von Kundenaufträgen vor Einstellung der Kundenorder in die entsprechenden Handelssysteme (Vorlaufen, sog. Frontrunning) erfolgen oder das Gegenlaufen in Kenntnis der Kundenorder3. Ebenfalls von Nr. 1 soll das Verhalten eines (Mitarbeiters eines) Kreditinstitutes erfasst werden, dass in Kenntnis einer limitierten Kundenorder durch ein gezieltes Gegengeschäft das Limit der Order abschöpft4.
3.509
§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG erfasst jede Person, nicht lediglich Kreditinstitute und deren Mitarbeiter; andernfalls könnte der außerhalb des Wertpapierdienstleistungsunternehmens stehende Dritte insiderrechtlich unbedenklich sein Wissen über bestehende Großaufträge verwerten5. b) Derivate (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG)
3.510
§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG stellt klar, dass als Insiderinformation auch eine Information über öffentlich nicht bekannte Umstände in Frage kommt, die sich auf Derivate nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG mit Bezug auf Waren bezieht, und die die Marktteilnehmer auf den fraglichen organisierten Märk-
1 Hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 69 ff. (70 ff. zu Nr. 1 u. 73 f. zu Nr. 2). 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.5, S. 34 f.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 70; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 31; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 166; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 31; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 53 f. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.5, S. 34; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 71; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 166 ff.; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 53; Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.5, S. 35; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 71. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 72; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 166 ff.; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 96; aA: Koch, DB 2005, 267 (268); Ziemons, NZG 2004, 537 (538).
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Insiderrecht
ten üblicherweise zur Verfügung gestellt bekommen oder von denen die Marktteilnehmer erwarten, dass sie sie in Überstimmung mit der zulässigen Praxis erhalten1. Der Begriff der Ware ist in § 2 Abs. 2c WpHG definiert2.
6. Bewertung ausschließlich auf Grund öffentlich bekannter Umstände (§ 13 Abs. 2 WpHG) Das WpHG stellt klar, dass eine „Bewertung, die ausschließlich auf Grund öffentlich bekannter Umstände“ erstellt wird, keine Insiderinformation darstellt, selbst wenn sie den Kurs von Insiderpapieren erheblich beeinflussen kann (§ 13 Abs. 2 WpHG)3.
3.511
Der Begriff der Bewertung ist weit zu verstehen und erfasst jede Art von Einschätzung oder Beurteilung4. Damit unterfällt die „Verarbeitung“ von bereits öffentlichen Informationen, wie sie insbesondere von Wirtschaftsjournalisten, Finanzanalysten5, Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfern vorgenommen wird, nicht dem Insiderrecht6. Deshalb kann jeder, der die Bewertung erstellt oder von ihr Kenntnis erlangt hat, auf ihrer Grundlage Wertpapiergeschäfte tätigen, Ratschläge erteilen oder die Information weitergeben, ohne dadurch gegen das Insiderhandelsverbot zu verstoßen7.
3.512
Sofern in die Bewertungen auch Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände einfließen, gilt die in § 13 Abs. 2 WpHG aufgestellte Negativabgrenzung nicht8.
3.513
Von der Bewertung als solcher ist der Umstand der geplanten Verwendung einer derartigen Bewertung zu differenzieren; d.h. die Bewertung und ihre geplante Veröffentlichung sind zu trennen9. Daher kann der Umstand, dass
3.514
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.5., S. 35; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 170. 2 Beispiele für entsprechende Informationen enthält der BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.1.5, S. 35. 3 Zu § 13 Abs. 2 WpHG: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 172 ff. mwN; zu den europäischen Grundlagen: Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 173. 4 Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 175; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 110. 5 Hierzu: Claussen, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität. S. 82 ff. 6 Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 42; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 172; Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks., 12/6679, S. 47. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 75; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 176; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 37 u. 42. 8 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 75, nach dem Wortlaut der Bestimmung ist es dabei unerheblich, ob die nicht öffentlich bekannte Information kurserheblich ist; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 176 f., einschränkend für den Fall, dass die öffentlich nicht bekannten Informationen nicht kausal im Sinne der conditio sine qua non Formel für die Bewertung sind. 9 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 76 f. mit einem Beispiel.
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in Kürze eine Bewertung, die auf Grund öffentlich bekannter Umstände erstellt wurde, veröffentlicht wird, grundsätzlich eine Insiderinformation darstellen1.
IV. Verbot von Insidergeschäften (§ 14 WpHG)
3.515
Gemäß § 14 Abs. 1 WpHG sind Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte in Insiderpapieren unter Verwendung von Insiderinformationen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, Erwerbs- und Veräußerungsverbot), die unbefugte Mitteilung oder Zugänglichmachung von Insiderinformationen (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, Weitergabeverbot) sowie die Empfehlung bzw. die Verleitung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren in Kenntnis von Insiderinformationen (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG, Empfehlungsverbot) verboten2.
3.516
Gemäß Art. 13 der EG-Insiderrichtlinie sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bei Umsetzung der Richtlinie Sanktionen für den Fall von Verstößen zu normieren; nach Art. 13 Satz 2 der EG-Insiderrichtlinie müssen die Sanktionen so weit reichen, „dass sie einen hinreichenden Anreiz zur Einhaltung dieser Vorschrift darstellen.“
3.517
Der Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3 WpHG wird als Straftat oder Ordnungswidrigkeit gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, Abs. 4, § 39 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 WpHG sanktioniert3. Als weitere strafrechtliche Sanktionen kommt ein Berufsverbot gemäß § 70 StGB4 sowie der Anordnung des Verfalls von Vermögensvorteilen gemäß § 73 StGB in Betracht5.
1 So die hM: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 76; Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (20 f.); J. Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme, S. 210; Hopt, ZGR 1991, 17 (34); F. Immenga, ZBB 1995, 197 (203); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 178; aA: Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 61, der eine entsprechende Differenzierung ablehnt. 2 Zu den europäischen Grundlagen und den Novellierungen von § 14 WpHG: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 1 f. Zu Vollendung und Versuch bei § 14 WpHG: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 179 ff. Zu Täterschaft und Teilnahme bei § 14 WpHG: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 183 ff. Für eine einschränkende Auslegung des § 14 WpHG abhängig von der Art der Information: Grechenig, ZBB 2010, 232 ff.; ebenso bezogen auf die Ausübung von Aktienoptionen bei einem Aktienoptionsprogramm: Versteegen/ Schulz, ZIP 2009, 110 (116). 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, vor § 12 WpHG Rz. 25 ff. Zur möglichen Rechtfertigung: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 408 (Einwilligung), 409 ff. (Notstand/Nothilfe). 4 Hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 199; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 415. 5 Hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 200; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 415; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 128. Ausführlich zu der strafrechtlichen Sanktionierung gemäß § 38 Abs. 1 u. 4 WpHG sowie zu den strafrechtlichen Nebenfolgen: Waßmer in Fuchs, § 38 WpHG Rz. 81 ff.
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3. Teil
Insiderrecht
Die Verjährungsfrist für Insiderstraftaten beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB); sie beginnt nach § 78a Satz 1 StGB mit Beendigung der Tat1. Für Insiderverstöße, die eine Ordnungswidrigkeit darstellen, beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG); sie beginnt nach § 31 Abs. 3 OWiG mit Beendigung der Handlung2.
3.518
Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 WpHG wird durch die Regelung des § 14 Abs. 2 WpHG eingeschränkt3. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 WpHG ist der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen4 und Kursstabilisierungsmaßnahmen5 von den Insiderverboten des § 14 Abs. 1 WpHG ausgenommen6. § 14 Abs. 2 Satz 2 WpHG erweitert den Anwendungsbereich der Safe-Harbour-Regelungen über die europäischen Vorgaben hinaus, indem auch Finanzinstrumente erfasst werden, die zwar nicht auf einem Börsenmarkt zum Handel zugelassen sind, aber in den Freiverkehr einbezogen sind7.
3.519
1. Erwerbs- und Veräußerungsverbot Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist es verboten, unter Verwendung von Insiderinformationen Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern. Neben börslichen Transaktionen findet die Regelung auch auf außerbörsliche Geschäfte, die unter Verwendung einer Insiderinformation getätigt werden, Anwendung8. Voraussetzung ist, das die Finanzinstrumente, die Gegenstand der Transaktion sind, zum Börsenhandel zugelassen sind bzw. ihr Preis von einem börsennotierten Finanzinstrument abhängt (zur Definition des Insiderpapiers vgl. Rz. 3.462 ff.)9.
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 202. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 203. 3 Zur Beschränkung des Anwendungsbereichs: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 1 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 15 f. 4 Hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 214 ff., der darlegt, welche Zwecke im Einzelnen in Betracht kommen; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 105 ff. 5 Hierzu: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 115 ff. Zu den Voraussetzungen, die Maßnahmen zur Kursstabilisierung erfüllen müssen, um in den Genuss der in § 14 Abs. 2 WpHG vorgesehenen Freistellung zu kommen, siehe: Assmann in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 223 ff. (ausführlich). 6 Zu den europäischen Rechtsgrundlagen der Regelung: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 212; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 391 ff. 7 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 399. 8 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 42; Cahn, Der Konzern 2005, 5 (7 f.); Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (931); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 11; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 8. 9 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 14.
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3.520
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
a) Objektiver Tatbestand aa) Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte
3.521
Die Tatbestandsmerkmale des „Erwerbens“ und „Veräußerns“ sind nicht gesetzlich definiert und streitig1. Im Kern geht es darum, ab welchem Zeitpunkt ein Erwerben oder Veräußern vorliegt2.
3.522
Ob ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft vorliegt, ist auf Grund des europäischen Ursprungs der Regelung nicht auf Grundlage des deutschen Abstraktionsprinzips, sondern danach zu beurteilen, ob eine Rechtsposition begründet wurde, die sicherstellt, dass der Insider den erwarteten Gewinn realisieren kann3; nicht erforderlich ist dabei, dass es tatsächlich zu dem angestrebten Gewinn kommt4. Auch die Verschiebung der Verfügungsmacht ist nicht erforderlich5; andernfalls entstünden Strafbarkeitslücken6. Für die Erfüllung des Erwerbs- oder Veräußerungstatbestandes ist es insbesondere nicht erforderlich, dass es bei einer Seite zu einem Vollerwerb und bei der anderen zu einem entsprechenden Rechtsverlust kommt7. Ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft liegt somit bereits dann vor, wenn eine Kaufs- oder Verkaufsorder ausgeführt wurde, da dann der entsprechende Gewinn bereits vertraglich abgesichert ist8.
3.523
Echte und unechte Wertpapierpensionsgeschäfte und die Wertpapierleihe werden als Übertragung von Wertpapieren eingeordnet und haben somit insider-
1 Eine Darstellung des Meinungsbildes mit den jeweiligen Argumenten findet sich bei: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 19 ff. 2 Der Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags allein genügt nicht, wenn seine Erfüllung ausbleibt: J. Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme, S. 231; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 23; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 12; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 151. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.1.1, S. 36 („der Insider den möglichen Gewinn vertraglich abgesichert hat“); ausführlich hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 12 ff.; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 44. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 12; Assmann, AG 1994, 237 (246); Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 44; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 39; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 61. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 12; Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 53; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.48; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 44 f.; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 39; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 7. 6 Ein anschauliches Beispiel dafür, dass ein Erfordernis der Verschiebung der Verfügungsmacht zu Strafbarkeitslücken führen würde, nennt Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 14. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 15; Assmann, AG 1994, 237 (246); Hopt, ZGR 1991, 17 (42); Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 7. 8 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.1.1, S. 36; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 13; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 57 mwN.
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3. Teil
Insiderrecht
rechtliche Relevanz1. Auch die Ausübung des Wandlungsrechts einer Wandlungsanleihe sowie die Annahme eines Kauf- oder Umtauschangebotes werden insiderrechtlich erfasst2. Entsprechend der oben genannten Definition liegt dann kein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft vor, wenn das Geschäft aufschiebend oder auflösend bedingt ist und der Bedingungseintritt von der Willenserklärung des Vertragspartners abhängig ist3.
3.524
Da der Erwerb bzw. die Veräußerung auf der eigenen Willensbildung des Insiders beruhen müssen, werden Vorgänge, die ohne Zutun des Insiders erfolgen, nicht vom Insiderrecht erfasst4.
3.525
Transaktionen außerhalb von Erwerbs- und Veräußerungsgeschäften, wie insbesondere Verpfändung, Schenkung oder Vererbung, unterfallen nicht dem Erwerbs- oder Veräußerungsbegriff5.
3.526
Grundsätzlich nicht erfasst wird auch das Unterlassen6 des Erwerbs oder der Veräußerung von Wertpapieren7. Dies gilt selbst dann, wenn der Insider sei-
3.527
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.1.1, S. 36; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 15; Assmann, AG 1994, 237 (246); Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 35; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 44; Krauel, Insiderhandel, S. 280; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 27; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 13. 2 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 32. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.1.1, S. 36; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 18; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 36; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 44; OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, AG 2004, 512 (513); aA: J. Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme, S. 231 (nach dem auch eine bedingte Übereignung für die Bejahung des Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts nicht ausreichend ist, wenn der Eintritt oder das Ausbleiben der Bedingung nur an die Willenserklärung des Täters geknüpft ist); Krauel, Insiderrecht, S. 280; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 24; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 59. 4 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 28. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.1.1, S. 36; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 15; Claussen, Insiderhandelsverbot- und Ad hoc-Publizität, Rz. 38; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 36; Lösler in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 44 f.; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 6; einschränkend für die Verpfändung für den Fall, dass bei den Beteiligten bereits bei Abschluss eine Umgehungsabsicht vorliegt: Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 40; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 13; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 58; zu den damit einhergehenden Lücken im Anwendungsbereich des Insiderrechts: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 26, 29 u. 33. 6 Zur Begehung durch Unterlassen: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 36 f. 7 Fürhoff, AG 1998, 83 (86); Hopt, ZGR 1991, 17 (45); Hopt in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 107 Rz. 36; Hopt in Hadding/Hopt/Schimansky, Das 2. FFG in der praktischen Umsetzung, 3 (17); Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.49; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 34; Peltzer, ZIP 1994, 746 (750); Schäfer in Schäfer/ Hamann, § 14 WpHG Rz. 14; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 62; aA: Claussen, Insiderhandelsverbot- und Ad-hoc-Publizität, Rz. 63.
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
nen schon erteilten Verkaufsauftrag auf Grund zwischenzeitlicher negativer Insiderinformationen widerruft1. Auch das Nichtausüben von Kauf- oder Verkaufsoptionen wird nicht durch das Insiderrecht sanktioniert2. Insoweit schafft der Wortlaut des strafrechtlich sanktionierten Tatbestandes eine klare Grenze3. bb) Eigen- oder Fremdgeschäft
3.528
Der Erwerb oder die Veräußerung der Insiderpapiere muss entweder für eigene oder für fremde Rechnung oder für einen anderen erfolgen. Erfasst ist somit jeder Erwerb bzw. jede Veräußerung von Insiderpapieren, die ein Insider für sich selbst, also im eigenen Namen und für eigene Rechnung durchführt4. Weiter sind erfasst alle Transaktionen, die der Insider entweder in unmittelbarer offener oder mittelbarer Stellvertretung für Dritte ausführt5.
3.529
Von der Formulierung „für einen anderen“ werden insbesondere die Fälle erfasst, in denen dem Insider Konto- und Depotvollmacht von einem Dritten eingeräumt werden oder der Insider als Vermögensverwalter für einen Anleger tätig wird und dabei sein Insiderwissen zu Gunsten der anderen Person nutzt6. Anderer kann sowohl eine juristische als auch eine natürliche Person sein7. cc) Verwenden einer Insiderinformation
3.530
Der Erwerbs- oder Veräußerungsvorgang muss unter Verwendung8 einer Insiderinformation erfolgen.
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 17; Dickersbach, Das neue Insiderrecht, S. 183; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 36; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.49; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 35; Irmen in BuB, Rz. 7/722; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 14; Schröder, NJW 1994, 2879 (2880); Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 8; Sethe in Assmann/ Schütze, § 12 Rz. 62; aA: Claussen, Insiderhandelsverbot- und Ad-hoc-Publizität, Rz. 63. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 17; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 35; Dickersbach, Das neue Insiderrecht, S. 183. 3 BVerfG v. 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82, BVerfGE, 71, 108 (114 f.). 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 21; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 39. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 21; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 40; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 11; Schwark in Schwark, Vor § 12 WpHG Rz. 9. 6 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 43; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 11. 7 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 42. 8 Der Begriff des Verwendens wurde in Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie – in welcher die Formulierung „unter Nutzung der Insiderinformation“ verwendet wird – durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz eingeführt und ersetzt den Begriff des Ausnutzens, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 23 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 46 ff.; BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09, WM 2010, 399 (401).
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3. Teil
Insiderrecht
Unter der Verwendung ist zu verstehen, dass der Insider von der Insiderinformation „aktiv Gebrauch macht“1. Nicht ausreichend ist daher, wenn die Transaktion von einer Person vorgenommen wird, die Kenntnis von Insiderinformation hat2. Einigkeit besteht, dass die Kenntnis von der Insiderinformation ursächlich für den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren sein muss3. Um ursächlich für den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu sein, muss die Insiderinformation in das Handeln des Täters mit einfließen4.
3.531
Die Kenntnis des Täters von der Insiderinformation muss kausal für seinen Willensbildungsprozess und den daraus resultierenden Tatentschluss sein5. Hierfür genügt es, dass die Insiderinformation für die Transaktion mitbestimmend war6. Mitursächlich soll die Information dann sein, wenn die Mitursächlichkeit einen Unterschied in der Entscheidungsbildung bedingt und somit einen Verstoß gegen die Chancengleichheit am Kapitalmarkt belegt7. Für die Praxis folgt daraus, dass, sofern der Anschein der Kausalität einer Insiderinformation besteht, die Motive und Erwägungen der Transaktion genau zu dokumentieren sind8. Nach dem EuGH wird für einen (primären) Insider, der über Insiderinformationen verfügt und für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Information bezieht, erwirbt oder veräußert oder dies versucht, eine Nutzung der Information vermutet, wobei die Vermutung widerlegbar ist9.
3.532
Das Verbot gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist auch bei außerbörslichen Geschäften (Face-to-face-Geschäft) zu beachten10. Hat nur eine Vertragspartei
3.533
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 2; Lösler in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 48; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 51. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 25; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 51. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 25; Bürgers, BKR 2004, 424 (425); Cahn, Der Konzern 2005, 5 (8); Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (932); Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 48; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 52; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 7; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 75; Spindler, NJW 2004, 3449 (3451); Ziemons, NZG 2004, 537 (539); aA: Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 15 ff., 20 ff. Die Ausführung des eigenen Vorhabens – sofern dieses eine Insiderinformation darstellt – wird hingegen nicht erfasst, da es an der Ursächlichkeit der Insiderinformation für das Handeln fehlt, Assmann, ZHR 172 (2008), 635 (657 mwN). 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.1.2, S. 36; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 29 mit Beispielen; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 37; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 48; Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 5 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 55. 6 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 57. 7 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 57. 8 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 58. 9 EuGH v. 23.12.2009 – Rs. C-45/08, WM 2010, 65 (Spector). Hierzu: Cascante/Bingel, AG 2009, 894 ff.; Langenbucher/Brenner/Gellings, BKR 2010, 133 ff.; Heusel, BKR 2010, 77 ff.; Rolshoven/Renz/Hense, BKR 2010, 74 ff.; Schulz, ZIP 2010, 609 ff. 10 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 42; Assmann, AG 1997, 50 (55); Cahn, Der Konzern 2005, 5 (7); Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (931).
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
Kenntnis von Insiderinformationen, kommt ein Verstoß gegen das Verbot des Erwerbs oder der Veräußerung unter Verwendung in Betracht1.
3.534
Außerbörsliche Geschäfte, bei denen beide Seiten über die Insiderinformation verfügen, sind insiderrechtlich nicht relevant2. Nach einer Ansicht liegt mangels Kausalität bereits kein Verwenden vor3, nach anderer Ansicht ist zwar die Kausalität gegeben, die vorliegende Konstellation aber im Wege einer teleologischen Reduktion aus dem Verwendungsverbot herauszunehmen4.
3.535
Hatte der Insider bereits bei Ordererteilung Kenntnis von der Insiderinformation, ist es auf Grund des Gefährdungsdeliktscharakters des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG für die Verwirklichung des Insiderverbotstatbestands unerheblich, ob der angestrebte Gewinn tatsächlich erzielt wurde5.
3.536
Ob ein Verwenden vorliegt, ist grundsätzlich bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbs- bzw. Veräußerungsgeschäfts zu beurteilen6. Besonderheiten gelten bei zeitlich gestreckten Erwerbs- oder Veräußerungsvorgängen7. An der Ursächlichkeit fehlt es ohne Frage dann, wenn die handelnde Person im Zeitpunkt ihres Handelns – typischerweise bei Ordererteilung – über keine Insiderinformation verfügte8.
3.537
Wann ein Verwenden einer Insiderinformation vorliegt, wird durch Fallgruppenbildung konkretisiert9. Für die Bankpraxis dürften insbesondere die folgenden Fallgruppen von Bedeutung sein. 1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 42; Assmann, AG 1994, 237 (246). 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 28 mit Hinweis auf unterschiedliche Begründungsansätze für diese Einordnung; Assmann, AG 1994, 237 (246). 3 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 61. 4 Cahn, Der Konzern 2005, 5 (10 f.); Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (931); Koch, DB 2005, 267 (269). 5 Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 49 mwN. 6 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 163; Hopt in Hadding/Hopt/Schimansky, Das 2. FFG in der praktischen Umsetzung, S. 3 (18). 7 Ausführlich hierzu: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 164 ff. mwN. 8 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 29; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 37. 9 In der Literatur wird insbesondere für folgende Konstellationen bzw. Situationen erörtert, ob bzw. unter welchen Umständen beim Einsatz von Insiderinformation deren unzulässige Verwendung gegeben ist: Pakethandel/Beteiligungs- oder Unternehmenserwerb, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 43 ff.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (644 ff.); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 43; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 72 ff.; Umsetzung einer eigenen unternehmerischen Entscheidung, insbesondere beim Beteiligungserwerb, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 31 ff.; Caspari, ZGR 1994, 530 (542); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 65 ff.; Cahn, Der Konzern 2005, 5 (9); Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 60; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 82; Pawlik in KölnKomm. WpHG § 14 WpHG Rz. 21; Erlangung bzw. Weitergabe von Insiderinformationen im Rahmen der DueDiligence-Prüfung/beim Unternehmenskauf, hierzu: BaFin, Emittentenleitfaden 2009,
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3. Teil
Insiderrecht
Sofern Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapier-Kauf- bzw. Verkaufsaufträge für ihre Kunden durchführen, gleichzeitig aber über Insiderinformationen bezüglich der betreffenden Werte verfügen, ist aus dem Blickwinkel des Insiderrechts eine differenzierte Betrachtung geboten.
3.538
Unerheblich sind Insiderinformationen der Bank, wenn die Kundenaufträge der Bank keinen Handlungsspielraum lassen und sie die Aufträge im üblichen Geschäftsgang ausführt, ohne ihr vorhandenes Sonderwissen einzusetzen1. Dies ist typischerweise dann gegeben, wenn die Bank Wertpapiergeschäfte des Kunden lediglich ausführt, ohne Einfluss auf die Entscheidung des Kunden, zB durch Empfehlung, zu nehmen.
3.539
Anders ist es hingegen, wenn der Mitarbeiter einen Entscheidungsspielraum hat; dies ist typischerweise dann gegeben, wenn der Kunde die Order interessenwahrend erteilt oder die Bank für den Kunden im Rahmen der Vermögensverwaltung die Anlageentscheidung trifft. Lässt die Bank im Rahmen ihrer Entscheidung Insiderkenntnisse einfließen, verwendet sie diese für eine andere Person2. Um derartige Gefahren weitgehend zu reduzieren, ist es Aufgabe der Compliance-Organisation in der Bank, vorhandenes Wissen so zu steuern, dass entsprechende Konflikte nicht auftreten können. Sofern der mit Entscheidungsspielraum handelnde Bankmitarbeiter ausnahmsweise über Insiderwissen verfügt, ist der Auftrag vorsorglich an einen Nicht-Insider weiterzuleiten3. Rät der Mitarbeiter dem Kunden hingegen von der Transaktion auf Grundlage seines Insiderwissen ab, ohne die Insidertatsache mitzuteilen, und zieht der Kunde daraufhin den Auftrag zurück, verstoßen die Beteiligten nicht gegen das Insiderrecht4.
3.540
1
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3 4
Teil III.2.2.1.4.1.2, S. 37 f.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 45; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597 (624 ff.); Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (644 ff.); Cahn, Der Konzern 2005, 5 (9 f.); Hasselbach, NZG 2004, 1087 (1091 f.); Hemeling, ZHR 169 (2005), 274 (284 f.); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 43; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 75; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 71 ff.; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 17; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 82; Ziemons, NZG 2004, 537 (539 f.); sukzessiver Aufbau einer Beteiligung, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 Rz. 46; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 79 ff.; Ausübung von Aktienoptionen und Veräußerung von Bezugsaktien im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen: Versteegen/Schulz, ZIP 2009, 110 ff.; Zeichnung Junger Aktien: Widder/Kocher, AG 2009, 654 (657 ff.). Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 53; Assmann, AG 1994 237 (246); Caspari, ZGR 1994, 530 (543); Cramer, AG 1997, 59 (60); Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 51; F. Immenga, ZBB 1995, 197 (204); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 145; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 84 f.; Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 47. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 54; Cramer, AG 1997, 59 (60); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 53; Irmen in BuB, Rz. 7/726, 756; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 146; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 14. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 54; Caspari, ZGR 1994, 530 (543); Cramer, AG 1997, 59 (60); Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 53. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 54; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 19; aA: Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 86. Zur Behandlung des Verhaltens des Mitarbeiters in den Konstellationen, in denen der Kunde über
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
3.541
Sofern der Mitarbeiter in Kenntnis von Kundenaufträgen eigene – gleichgerichtete – Aufträge vorschaltet (Frontrunning, dazu oben Rz. 3.508) liegt ein typischer Fall des Verwendens vor1.
3.542
Nach dem Wortlaut von § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG wäre eine Bank, die einen Kredit mit Insiderpapieren besichert, an der Verwertung der Sicherheiten gehindert, wenn sie Insiderinformationen über den Kreditgeber erhält. Dies würde in der Konsequenz dazu führen, dass der Kreditnehmer durch die gezielte Weitergabe von Insiderinformationen an die Bank die Verwertung von Sicherheiten verhindern könnte. Insofern ist es zu begrüßen, dass die BaFin klargestellt hat, dass die Verwertung von Sicherheiten trotz Kenntnis von entsprechenden Insiderinformationen im Regelfall keine Verwendung von Insiderinformationen darstellt2. Durch die Verwertung von Sicherheiten wird, insbesondere wenn man beachtet, dass die Verwertung nur unter engen Voraussetzungen erfolgen kann, das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte auch nicht beeinträchtigt3. b) Subjektiver Tatbestand
3.543
Der subjektive Tatbestand des Verwendungsverbotes erfordert, dass der Insider das Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft unter Verwendung einer Insiderinformation vorsätzlich oder leichtfertig durchgeführt hat (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 WpHG)4. Da ein vorsätzlicher Verstoß gegen das Verwendungsverbot gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden kann und leichtfertiges Handeln lediglich mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe sanktioniert wird (§ 38 Abs. 4 WpHG), kommt der Abgrenzung Bedeutung zu.
3.544
Vorsatz wird in der Kurzformel als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung beschrieben5. Dabei muss sich der Vorsatz auf alle objektiven
1
2 3 4
5
Insiderwissen verfügt: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 55; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 149 f., wobei für die Bank keine Nachforschungspflicht dahingehend besteht, ob der Kunde über Insiderwissen verfügt (Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 55; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 51). Hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 33; Caspari, ZGR 1994, 530 (540); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 151 ff. mwN; Hopt, ZGR 1991, 17 (34); Schwark in Schwark, § 14 Rz. 24. Ausführlich zur Frage, ob das Scalping – Kauf von Wertpapieren in der Absicht sie einem anderen zu empfehlen und dann die zuvor gekauften Wertpapiere mit Gewinn veräußern zu können – ein „Verwenden“ darstellt: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 48 ff.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 154 ff. mwN; Uwe H. Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381 ff. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.1.4.1, S. 37. Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 42. Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 170; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 56; vor dem AnSVG war lediglich vorsätzliches Handeln gegen das Ausnutzverbot erfasst. Fischer, § 15 StGB Rz. 3; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 171; unzweifelhaft ist auch die Vorsatzform des dolus eventualis umfasst, was nach der alten Rechtslage strittig war, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 58.
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Tatbestandsmerkmale beziehen1. Demnach liegt vorsätzliches Handeln vor, wenn der Täter in der Kenntnis handelt, dass die Transaktion Insiderpapiere zum Gegenstand hat und dass er hierfür Insiderinformationen verwendet; ferner muss er den Erwerb bzw. die Veräußerung herbeiführen wollen2. Leichtfertiges Handeln liegt vor, wenn die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt wird3. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn sich die geradezu aufdrängende Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung außerachtgelassen wird4. Leichtfertigkeit verlangt somit einen besonders starken Grad an Fahrlässigkeit; demnach wird Leichtfertigkeit insbesondere dann vorliegen, wenn der Täter eine Pflicht in besonders schwerer Weise vernachlässigt und die Tatbestandsverwirklichung in einer gesteigerten Weise vorhersehbar ist; Letzteres soll dann der Fall sein, wenn der Täter dasjenige unbeachtet lässt, was jedermann beachtet und verstanden hätte5. Hierzu ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.
3.545
2. Weitergabeverbot Das Verbot der unbefugten Mitteilung und des unbefugten Zugänglichmachens (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) setzt bereits im Vorfeld eines Insidergeschäft an und zielt darauf ab, den Kreis der Insider möglichst klein zu halten6.
3.546
a) Objektiver Tatbestand aa) Einem anderen Ein anderer ist jede andere juristische oder natürliche Person als der Absender der Insiderinformation7. Daher ist sowohl die Weitergabe einer Insiderinformation an die eigene Gesellschaft als auch von der Gesellschaft an den Aktionär erfasst8. Anzahl und Identität der Adressaten müssen der kundgeben1 Ausführlich dazu: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 172 ff. mwN. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.2.3, S. 42; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 57; zu den Bezugspunkten des Vorsatzes im Einzelnen: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 59 f. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.3.4, S. 44; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 62; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 179. 4 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 357. 5 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 179. 6 Caspari, ZGR 1994, 530 (545); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 182. Zu den europäischen Rechtsgrundlagen der Norm: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 64; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 182. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 67; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 184; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 29. Eine Weitergabe einer Insiderinformation an eine andere Person kann auch dann gegeben sein, wenn eine Person Dritten einen von ihr gefassten Entschluss oder ein Vorhaben mitteilt, welchen sie selbst ohne Verstoß gegen das Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, dh. ohne Verwendung von Insiderinformationen umsetzen dürfte, Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 68 mit entsprechendem Beispiel. 8 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 184.
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den Person nicht bekannt sein; die richtlinienkonforme Auslegung verlangt auch eine unbegrenzte Anzahl von Dritten, deren Identität und Zahl der Absender nicht kennt, unter dem Tatbestandsmerkmal „einem anderen“ zu erfassen1. bb) Mitteilen oder Zugänglichmachen
3.548
Mitteilen und Zugänglichmachen sind Unterbegriffe der Weitergabe, die die willentliche Äußerung voraussetzt2.
3.549
Mitteilen ist jede willentliche Weitergabe der Insiderinformation, die selbst Gegenstand der Information ist; unerheblich sind die Art und das Medium der Informationsvermittlung3. Unerheblich ist dabei ferner, ob der Insider auf den Charakter der Information als Insiderinformation hinweist und ob der Empfänger sie als solche erkennt bzw. qualifiziert4. Sowohl das Mitteilen unmittelbar an den Empfänger als auch mittelbar über einen Dritten an den Empfänger ist von der Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG erfasst5.
3.550
Das Zugänglichmachen liegt vor, wenn bewusst die Voraussetzungen geschaffen werden, die es einer anderen Person ermöglichen, von einer Insiderinformation Kenntnis zu nehmen und die Information selbst zum Gegenstand einer Weitergabe an Dritte zu machen6. Dies kann durch Tun oder Unterlassen erfolgen7. Anders und in Abgrenzung zur Alternative des Mitteilens ist bei dem Zugänglichmachen eine Aktivität des Dritten zur Erlangung der Insiderinformation erforderlich8. Als Beispiel für das Zugänglichmachen durch 1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 67 mit entsprechender Begründung; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 65; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 42. Nach Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 184, ist hingegen die Bestimmbarkeit des Adressatenkreises erforderlich. 2 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 186. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 65; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 188; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 19; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 27; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 43; Sethe, ZBB 2006, 243 (246 f.), 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 65, 69; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 56; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 51 ff.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 189; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 43; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 23; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 29; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 97; Süßmann, AG 1999, 162 (163). 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 65; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 188; Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs der Insiderinformation, S. 104; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 93; Sethe, ZBB 2006, 243 (247). 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.2.1, S. 41; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 66; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 57; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 186; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 20; Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs von Insiderinformationen, S. 104; Krauel, Insiderhandel, S. 292. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 66; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 57. 8 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 190.
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eine Handlung wird die Mitteilung eines Kennwortes genannt, dass den Zugang zu Insiderinformationen ermöglicht1. Für das Zugänglichmachen durch Unterlassen genügt bereits der nicht ordnungsgemäße Umgang mit Informationen, der Dritten die Kenntnisnahme ermöglicht; beispielhaft hierfür wird die fehlende Sperrung bzw. Sicherung von Computern2 sowie die unverschlossene Versendung von Insiderinformationen genannt3. Eine besondere Garantenstellung ist nicht erforderlich, da das Tatbestandsmerkmal des Unterlassens auch ein unechtes Unterlassungsdelikt enthält4. Der objektive Tatbestand ist erst dann erfüllt, wenn der andere von der Insiderinformation tatsächlich Kenntnis erlangt5. Bei der Weitergabe an eine Gruppe ist erforderlich, dass eine Person aus diesem Kreis die Information zur Kenntnis nimmt6. Nicht erforderlich ist, dass der Täter und der Dritte zusammenwirken7.
3.551
cc) Unbefugte Weitergabe Die unbefugte Weitergabe8 wird ganz überwiegend nicht als allgemeines Verbrechensmerkmal, sondern als echtes Tatbestandsmerkmal verstanden9.
3.552
Wann eine Weitergabe als befugt bzw. unbefugt anzusehen ist, ist durch Abwägung der gegenüberstehenden Interessen – den Zielen des Insiderrechts und
3.553
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.2.1, S. 41; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 66; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 191; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47 f. 2 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 191. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 66. 4 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 191; Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs von Insiderinformationen, S. 104. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 69; Hopt in Hadding/Hopt/ Schimansky, Das 2. FFG in der praktischen Umsetzung, S. 3 (19); Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.53; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 53; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 21; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 28. Nach einer aA ist es nicht erforderlich, dass der Dritte tatsächlich Kenntnis von den Insiderinformationen erlangt; vielmehr genügt es zur Vollendung des Tatbestandes, wenn der Dritte in der konkreten Situation die Insiderinformation zur Kenntnis nehmen kann. Denn mit Eröffnung der konkreten Zugriffsmöglichkeit hat der Täter eine konkrete Gefahr für die Verbreitung der Insiderinformation geschaffen, so: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 193; Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs der Insiderinformationen, S. 104 ff. (107); Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 96; Sethe, ZBB 2006, 243 (248 f.). 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 69. 7 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 192. 8 Zum Verhältnis des Weitergabeverbots zur Ad-hoc-Publizität: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 217 ff. 9 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 72; Caspari, ZGR 1994, 530 (545); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 197; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 44; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 25; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 30; Süßmann, AG 1999, 162 (163); Sethe in Assmann/ Schütze, § 12 Rz. 99. Zu den europäischen Grundlagen des Begriffs der „unbefugten Weitergabe“: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 196.
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den Funktionserfordernissen rechtlicher und wirtschaftlicher Institutionen – zu ermitteln1. Zur Konkretisierung sind die europäischen Rechtsakte2 heranzuziehen, nach denen die in einem normalen Rahmen der Ausübung einer Arbeit, eines Berufs oder einer Aufgabe erfolgte Weitergabe einer Insiderinformation nicht unbefugt erfolgt3.
3.554
Der EuGH tritt für eine restriktive Auslegung des Kriteriums „unbefugt“ ein und fordert, dass für die befugte Weitergabe ein enger Zusammenhang zwischen der Weitergabe der Information und den beruflichen Aufgaben besteht, derentwegen die Weitergabe erfolgt, und dass die Weitergabe für die Aufgabenerfüllung unerlässlich4 ist, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten sei5. Diese Voraussetzungen sollen dann erfüllt sein, wenn der Informationsempfänger die Information benötigt, um eine aus betriebsorganisatori1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 73; Irmen in BuB, Rz. 7/735; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 46; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 27; Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, 2002, S. 1257 (1261 ff.) (ausführlich); Singhof, ZGR 2001, 141 (153). 2 Art. 3 lit. a der Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte (Insiderrichtlinie) ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30 (31) und Art. 3 lit. a der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 (21). In den europäischen Richtlinien, die im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen sind, heißt es, „dass die Insiderinformation an einen Dritten weitergeben werden darf, soweit dies in einem normalen Rahmen in Ausübung seiner Arbeit oder seines Berufs oder in Erfüllung seiner Aufgaben geschieht“ (EG-Insiderrichtlinie). Entsprechend formulierte der Gesetzgeber in der Begründung zum 2. FFG, dass dann keine unbefugte Weitergabe vorliegt, „wenn die Tatsache im normalen Rahmen der Berufs- und Geschäftsausübung weitergegeben wird“ (Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47). Auch in Art. 3 lit. a der Marktmissbrauchsrichtlinie ist eine entsprechende Einschränkung vorhanden; zu untersagen ist danach die Weitergabe an Dritte, „soweit dies nicht im normalen Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufs oder in Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht.“ 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 73; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 31; mit gleicher Tendenz: BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.2.1, S. 41 („Unbefugt erfolgt eine Weitergabe von Insiderinformationen auf jeden Fall dann, wenn sie nicht im üblichen Rahmen bei Ausübung der Arbeit oder des Berufs oder in Erfüllung von Aufgaben des Insiders für den Emittenten erfolgt“). 4 Eine Beschränkung der Weitergabebefugnis auf die Fälle, in denen eine Weitergabe zwingend erforderlich ist, wird mehrheitlich abgelehnt, Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 75; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 206; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 33; Süßmann, AG 1999, 162 (163). 5 EuGH v. 22.11.2005 – Rs. C-384/02, WM 2006, 612 (Grongaard und Bang), dem EuGH folgend: Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 54. Kritsch gegenüber dem EuGH-Urteil: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 74. Mennicke fordert einschränkend, dass die vom EuGH geforderte Unerlässlichkeit nicht im Sinne einer objektiven Notwendigkeit zu verstehen ist, da dieses Verständnis das Unternehmen zu weit einschränken würde; vielmehr soll die Weitergabe der Insiderinformation dann als befugt angesehen werden, wenn bereits vernünftige Gründe – insbesondere aus betrieblicher Sicht – eine Weitergabe der betreffenden Tatsache erfordern (Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 206 f.; Süßmann, AG 1999, 162 [164 f.]).
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scher Sicht sinnvolle Aufgabe oder Tätigkeit beruflicher oder sonstiger Art sachgerecht wahrnehmen zu können1. Allein die Tatsache, dass der Adressat einer besonderen gesetzlichen, berufsrechtlichen oder vertraglich begründeten Verschwiegenheitspflicht unterliegt, führt nicht dazu, dass die Weitergabe befugt ist2.
3.555
Die Grenzlinien zwischen einer befugten und einer unbefugten Weitergabe werden unter Abwägung der Ziele des Insiderrechts und den Interessen der Beteiligten in der Literatur durch die Bildung von Fallgruppen konkretisiert3. Für die Bank, die auf vielfältige Art und Weise Insiderinformationen erhält und die oft ein Interesse an deren Weitergabe hat, sind insbesondere die folgenden Fallgruppen interessant.
3.556
Sofern ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen über Insiderinformationen verfügt, besteht zwischen den Vorgaben des Insiderrechts und den Verpflichtungen im Rahmen der Anlageberatung, bei der die Banken zur bestmöglichen Beratung des Anlegers verpflichtet sind (vgl. hierzu Rz. 3.137 ff.), ein Spannungsverhältnis4. Nach heute überwiegender Meinung ist der Interessenkonflikt zwischen dem Interesse des Kunden an einer bestmöglichen Beratung einerseits und dem Interesse an der Funktionsfähigkeit des Marktes andererseits im Ergebnis zu Lasten des einzelnen Kunden und zu Gunsten des die Funktionsfähigkeit des Marktes schützenden Weitergabeverbotes zu entscheiden5.
3.557
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 74. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.2.1, S. 41; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 75; Assmann, ZGR 2002, 697 (709); von Falkenhausen/ Widder, BB 2005, 225 (227 f.); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 211 ff.; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 32; aA: Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2249 (2252). 3 Wann und unter welchen Umständen die Weitergabe von Insiderinformationen als befugt anzusehen ist, wird insbesondere für folgende Konstellationen erörtert: Weitergabe an Organmitglieder, hierzu: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 232 ff.; Weitergabe auf Grund von gesetzlichen Geboten/Obliegenheiten, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 80 ff.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 223 ff.; Weitergabe bei Unterrichtungspflichten nach dem BetrVG, hierzu: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 237 ff.; Weitergabe an Aktionäre, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 84 ff., 92; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 277 mwN; innerbetriebliche Weitergabe sowie Weitergabe im Konzern, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 94 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 243 ff. mwN; Weitergabe im Zusammenhang mit öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren, hierzu: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 133 ff. mwN; Weitergabe bei Unternehmenskäufen, hierzu: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 298 ff.; Weitergabe im Rahmen eines Gerichts- oder Schiedsverfahren, hierzu: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 229 ff.; Weitergabe außerhalb des Konzerns/Unternehmens, hierzu: Assmann in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 96 ff. mwN; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 258 ff. m.w.N. 4 Zur Behandlung dieser Frage vor Einführung des WpHG: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 335. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 107 u. 109; Assmann, AG 1994, 237 (254); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 336; ausführlich: Tippach, Das Insider-Handelsverbot, S. 272 ff. Teilweise wird ein die Weitergabe einer Insiderinfor-
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Begründet wird dies damit, dass es keinen Anspruch des Kunden auf Insiderinformationen gibt, weshalb dem Anspruch aller Anleger auf Chancengleichheit der Vorzug einzuräumen ist1. Von erheblicher Bedeutung ist ferner, dass die Eingehung vertraglicher Verpflichtungen nicht zwingendes Gesetzesrecht abbedingen kann2. Ziel der Bank muss es sein, bereits im Vorfeld durch geeignete Vorkehrungen im Rahmen einer Compliance-Organisation (vgl. hierzu Rz. 3.301 ff.) zu verhindern, dass derartige Konfliktlagen entstehen3.
3.558
Für Kreditinstitute, die im Emissionsgeschäft tätig sind, kann dann ein Interessenkonflikt entstehen, wenn andere Einheiten der Bank – zB die Kreditabteilung – Kenntnis von Insiderinformationen erhalten, die eigentlich im Prospekt genannt werden müssten, dort aber mangels Information durch den Emittenten nicht enthalten sind. Es besteht somit ein Konflikt zwischen der grundsätzlichen Pflicht zur Offenlegung der Information auf Grund der Prospektverantwortlichkeit und dem insiderrechtlichen Weitergabeverbot4. Die überzeugenderen Argumente sprechen in diesem Fall dafür, dass die Information innerhalb der Bank an die Konsortialabteilung weitergeleitet werden darf5. Denn die innerbetriebliche Weitergabe von Informationen ist zulässig, wenn sie vernünftig und notwendig ist, um die übernommen Aufgaben erfüllen zu können6.
3.559
Unbefugt ist eine innerbetriebliche Weitergabe dann, wenn Mitarbeiter einer Bank Insiderinformationen, die in einem Geschäftsbereich bekannt geworden sind, an den Eigenhandel weitergeben7. Dies ergibt sich bereits daraus, dass eine derartige Weitergabe Interessenkonflikte schafft, die die Bank gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu vermeiden hat8.
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mation rechtfertigendes Nothilferecht eingeräumt, um in Extremfällen zu verhindern, dass Kunden nicht sehenden Auges wirtschaftlich unsinnige Entscheidungen treffen (Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1894; Heinsius, ZHR 145 [1981] 177 [194 f.]; Hopt in FS Heinsius, 1991, 289 [301 ff.]). Ablehnend gegenüber dieser Ausnahme: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 110; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 337 f. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 64; Assmann, AG 1994, 237 (254); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 336. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 108; Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (42); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 336; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 45. Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 339. Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 342. Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 343; Süßmann, AG 1999, 162 (172 f.). Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 343. Zu beachten ist dabei, dass von der Frage, ob die Information an die Konsortialabteilung weitergegeben werden kann, die Frage, ob die Information in den Prospekt aufzunehmen ist, zu trennen ist; zur letzteren Frage: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 111, der sich vor dem Hintergrund der Chancengleichheit gegen eine Aufnahme der Insiderinformation in den Prospekt ausspricht, das Kreditinstitut aber gleichzeitig dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Prospekt im Lichte der Insiderinformationen keine falschen Angaben enthält und keinen unzutreffenden Gesamteindruck vermittelt; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 344. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 93. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 93.
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Insiderrecht
b) Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand setzt voraus, dass der Täter die Insiderinformation einem Dritten vorsätzlich oder leichtfertig unbefugt mitteilt oder zugänglich macht. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen das Weitergabeverbot stellt für den Primärinsider1, der eines der in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a bis d WpHG genannten Merkmale aufweisen muss, eine Straftat dar (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG). Handelt der Primärinsider hingegen leichtfertig, begeht er, genau wie der vorsätzlich oder leichtfertig handelnde Sekundärinsider2 (§ 39 Abs. 2 Nr. 3 WpHG), eine Ordnungswidrigkeit, die gemäß § 39 Abs. 4 WpHG mit einem Bußgeld von bis zu 200 000 Euro geahndet werden kann.
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Vorsätzliches Verhalten, wobei Vorsatz in Form des bedingten Vorsatzes ausreichend ist, erfordert, dass der Täter Wissen um alle objektiven Tatbestandsmerkmale hat und deren Verwirklichung erreichen will oder zumindest billigend in Kauf nimmt3. Dh. dem Täter muss bewusst sein, dass es sich bei der Information um eine Insiderinformation handelt4, er einer anderen Person durch sein Handeln oder Unterlassen die Insiderinformation unbefugt mitteilt oder zugänglich macht, und er muss dies auch wollen oder zumindest billigend in Kauf nehmen. In der Alternative des Zugänglichmachens muss der Täter wissen und wollen, zumindest billigend in Kauf nehmen, dass der Dritte sich die Kenntnis von der Insiderinformation verschaffen wird5.
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Leichtfertig handelt zum Beispiel6, wer passwortgeschützte Dateien offen lässt oder wer vertrauliche Informationen in den Papierkorb wirft7.
3.562
3. Empfehlungs- und Verleitungsverbot Das Empfehlungs- und Verleitungsverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG) stellt, wie das in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG normierte Weitergabeverbot, einen Straftatbe1 Primärinsider sind Personen, die einen unmittelbaren Zugang zu Insiderinformationen haben oder hierüber verfügen können. Zu diesen Insidern gehören die Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans sowie die persönlich haftenden Gesellschafter des Emittenten oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens. Primärinsider sind schließlich Personen, die auf Grund ihres Berufes oder ihrer Tätigkeit oder ihrer Aufgabe bestimmungsgemäß Kenntnis von den Insiderinformationen erlangt haben. Es muss also ein Ursachenzusammenhang zwischen Beruf, Tätigkeit oder Aufgabe und der Erlangung der Insiderinformation bestehen, Assmann, AG 1994, 237 (238 f.); Caspari, ZGR 1994, 530 (537 f.). 2 Sekundärinsider sind Person, die Kenntnis von einer Insiderinformationen haben, ohne Primärinsider zu sein. 3 Ausführlich hierzu: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 346 ff. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 115. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 115; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 48; aA: Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 113. 6 Zur Definition der Leichtfertigkeit siehe oben unter Rz. 3.545. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 116; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 359.
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3.563
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
stand im Vorfeld des eigentlichen Insidergeschäfts dar1. Es schafft eine Umgehungschranke für die in § 14 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG geregelten Verbote und schließt somit eine Strafbarkeitslücke2. a) Objektiver Tatbestand
3.564
Erforderlich ist, dass der Täter einem Dritten auf Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren empfiehlt oder ihn dazu verleitet. Täter des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG kann jede Person sein, die über Insiderinformationen verfügt3.
3.565
Anderer ist jede natürliche oder juristische Person, die nicht mit der empfehlenden oder verleitenden Person übereinstimmt4. Daher ist eine andere Person iS des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG auch ein rechtlich selbständiges Konzernunternehmen5. aa) Empfehlungsverbot
3.566
Für den Begriff der Empfehlung wird auf die Konkretisierung des Begriffs im Kartellrecht zurückgegriffen6. Danach gilt als Empfehlung jede einseitige, rechtlich unverbindliche Erklärung, durch die jemand in der Absicht, den Willen des Adressaten zu beeinflussen, ein Verhalten als für den Adressaten vorteilhaft bezeichnet und die Verwirklichung dieses Verhaltens anrät7. Demnach ist eine Empfehlung iS des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG ein zielgerichtetes Verhalten eines Insiders, bei dem Empfänger der Empfehlung eine bewusste, auf diese Empfehlung bezogene Marktaktivität auslösen8. Daher wird der „Tipp“ im Regelfall unter das Empfehlungsverbot fallen9. Die Verletzung des Empfehlungsverbotes erfordert nicht, dass die empfohlenen Geschäfte durchgeführt werden10. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Empfehlung um 1 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 360. Zu den europäischen Rechtsgrundlagen der Regelung und der nationalen Umsetzung: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 117; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 361. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 118; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 360; Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs von Insiderinformationen, S. 115; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks.12/6679, S. 47, 48. 3 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 360. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 121; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 364. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 121; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 62; Sethe in Assmann/Schütze, § 11 Rz. 118. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 119; Assmann, ZGR 1994, 494 (520); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 366; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 34. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 119; Cahn, Der Konzern, 2005, 5 (12); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 366; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 63; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 118. 8 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 366; Krauel, Insiderhandel, S. 301. 9 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 119. 10 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 120; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 366; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 63.
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3. Teil
Insiderrecht
eine Tat im Vorfeld der eigentlichen Insidertat handelt, wird vertreten, dass der Begriff der Empfehlung eng auszulegen ist und insbesondere generelle Lobpreisungen über ein Unternehmen, zumindest wenn keine weiteren Umstände hinzutreten, nicht vom Empfehlungsverbot erfasst werden1. Die Empfehlung kann sowohl durch direktes Mitteilen als auch durch bloßes Zugänglichmachen erfolgen2. Unerheblich für das Vorliegen einer Empfehlung ist, ob der Täter eine Gegenleistung erhält oder altruistisch handelt3. Unerheblich ist ferner, ob der Täter sich des Dritten bedient oder mit diesem kollusiv zusammenarbeitet4.
3.567
Erfasst werden nur die Empfehlungen, die einem beschränkten Personenkreis gegeben werden; ist die Empfehlung hingegen an die gesamte Bereichsöffentlichkeit gerichtet, ist die Chancengleichheit der Marktteilnehmer nicht verletzt, weshalb eine derartige Empfehlung nicht vom Empfehlungsverbot erfasst wird5.
3.568
In Abgrenzung zum Weitergabeverbot zeichnet sich das Empfehlungsverbot dadurch aus, dass seine Verletzung nicht die Weitergabe der Insiderinformation erfordert; vielmehr genügt für ein Verstoß gegen das Empfehlungsverbot, dass der Insider die sich aus der Insiderinformation ergebende Bewertung des Kursverlaufs in Form einer Empfehlung weitergibt6.
3.569
bb) Gegenstand der Empfehlung Gegenstand der Empfehlung ist der Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren; nicht erfasst wird die Empfehlung, eine Transaktion zu unterlassen7. Somit verstößt die Empfehlung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens an seine Kunden, eine bestimmte Transaktion zu unterlassen, nicht gegen das Empfehlungsverbot8. An dieser Wertung ändert sich auch dann nichts, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen darlegt, dass Insiderwissen Grundlage für seine Empfehlung ist9.
1 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 367. 2 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 370. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 120; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 64; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 376. 4 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 64; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 377. 5 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 378; Krauel, Insiderhandel, S. 300 f. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 120; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 369. 7 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 372; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 36; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 51, 63. 8 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 122; Cramer, AG 1997, 59 (62); Irmen in BuB, Rz. 7/750; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 372; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 66; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 36, 45; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 51, 63. 9 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 122.
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3.570
3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
3.571
Soweit teilweise vertreten wird, dass das Abraten von einer Veräußerung zugleich die Empfehlung für einen Erwerb der entsprechenden Papiere darstellt1, geht diese Ansicht zu weit und wird mit guten Gründen abgelehnt2. Hierfür spricht, dass aus dem Rat, eine Transaktion zu unterlassen, noch kein positives Argument folgt, die entgegensetzte Transaktion durchzuführen. Weiter steht diese Auffassung nicht im Einklang mit der Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG3. Zu beachten ist allerdings, dass die Empfehlung. den Erwerb bzw. die Veräußerung bestimmter Papiere zu unterlassen, ein Verleiten für die entgegengesetzte Transaktion darstellen kann.
3.572
Aus der Systematik des § 14 WpHG und im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung ergibt sich, dass Nr. 3 auch Empfehlungen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren für einen anderen oder für fremde Rechnung erfasst4. cc) Ursächlichkeit der Kenntnis der Insiderinformation
3.573
Die Empfehlung muss auf Grundlage der Kenntnis von einer Insiderinformation erfolgt sein, dh. die Kenntnis von einer Insiderinformation muss ursächlich für die konkret erteilte Empfehlung sein5. Empfehlungen, die lediglich in Kenntnis der Insiderinformation abgegeben werden, aber nicht auf dieser beruhen, werden nicht erfasst6. Daher unterfällt eine Empfehlung, die auch ohne das Insiderwissen abgegeben worden wäre, nicht dem Empfehlungsverbot7. Ist die Empfehlung auch ohne Einbeziehung der Insiderinformation plausibel, wird die Ursächlichkeit der Insiderinformation schwer zu beweisen sein8. Allerdings muss bei der Empfehlung nicht zum Ausdruck kommen,
1 Cahn, Der Konzern, 2005, 5 (12); Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (44). 2 So Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 123 (unter der Nennung von guten Gründen); Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 63. 3 Zur Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG: Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 123; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 63. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 124; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 63; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 374; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.56; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 64; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 51; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 120. Kritisch gegenüber diesem Verständnis: Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 36. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 120; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 63; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 375; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 35; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 118. Einschränkend: Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 65, nach dem die Mitursächlichkeit der Insiderinformation ausreichend sei. 6 Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (43); Hopt in Hadding/Hopt/Schimansky, Das 2. FFG in der praktischen Umsetzung, S. 3 (20); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 375. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 120. 8 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 375.
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3. Teil
Insiderrecht
dass sie auf einer Insiderinformation beruht, um als verboten eingeordnet zu werden1. dd) Verleitungsverbot Zum Erwerb oder der Veräußerung verleitet, wer den Willen des anderen durch beliebige Mittel beeinflusst2. Die Empfehlung ist ein spezieller Unterfall des Verleitens3. Beim Verleiten handelt es sich um ein zielgerichtetes Verhalten eines Insiders, bei dem Verleiteten eine bewusste, auf die Verleitungshandlung bezogene Marktaktivität auszulösen4. Alle sonstigen Tatbestandsmerkmale des Empfehlungsverbotes und des Verleitungsverbotes als den beiden Begehungsformen des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG stimmen überein5; insoweit wird auf die Ausführungen zum Empfehlungsverbot (Rz. 3.564 ff.) verwiesen.
3.574
b) Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand erfordert, dass der Täter einen anderen vorsätzlich oder leichtfertig auf Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren empfiehlt oder einen anderen dazu verleitet. Ein vorsätzlicher Verstoß des Primärinsiders6, der eines der persönlichen Merkmale des § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a bis d WpHG aufweisen muss, stellt gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eine Straftat dar. Ein leichtfertiger Verstoß des Primärinsider sowie ein vorsätzlicher oder leichtfertiger Verstoß des Sekun-
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 120; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 107 Rz. 63; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 375; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 119. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.2.2, S. 41; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 116; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 379; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 67; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 Rz. 32; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 122; Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Teil III.2.2.2.2, S. 41; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 126; Cahn, Der Konzern 2005, 5 (11 f.); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 379; Pawlik in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 67; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 32; Sethe in Assmann/Schütze, § 12 Rz. 122; Begr. RegE AnsSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 4 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 379. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 127 ff.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 380 ff. 6 Primärinsider sind Personen, die einen unmittelbaren Zugang zu Insiderinformationen haben oder hierüber verfügen können. Zu diesen Insidern gehören die Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans sowie die persönlich haftenden Gesellschafter des Emittenten oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens. Primärinsider sind schließlich Personen, die auf Grund ihres Berufes oder ihrer Tätigkeit oder ihrer Aufgabe bestimmungsgemäß Kenntnis von den Insiderinformationen erlangt haben. Es muss also ein Ursachenzusammenhang zwischen Beruf, Tätigkeit oder Aufgabe und der Erlangung der Insiderinformation bestehen, Assmann, AG 1994, 237 (239 f.); Caspari, ZGR 1994, 530 (537 f.).
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3. Teil
Wertpapieraufsichtsrecht
därinsiders1 stellen eine Ordnungswidrigkeit (§ 39 Abs. 2 Nr. 4 WpHG) dar, die gemäß § 39 Abs. 4 WpHG mit einem Bußgeld von bis zu 200 000 Euro geahndet werden kann.
3.576
Der Vorsatz, der auch bedingten Vorsatz umfasst, muss sich auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen2.
3.577
Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt3.
1 Sekundärinsider sind Person, die Kenntnis von einer Insidertatsache haben, ohne Primärinsider zu sein. 2 Ausführlich hierzu: Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 385 ff.; vgl. die Ausführungen zum Vorsatz bei Nr. 1 und Nr. 2. Zur Definition des Vorsatzes siehe oben unter Rz. 3.544. 3 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 390; vgl. hierzu die Ausführungen oben bei Nr. 1 und Nr. 2. Zur Definition der Leichtfertigkeit siehe oben unter Rz. 3.545.
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4. Teil Börsen und andere Handelssysteme
1. Abschnitt: Einführung . . . . . .
Rz. 1
I. Überblick über die Handelsplattformen . . . . . . . . . . . . .
1
II. Novellierungen des Börsengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Finanzmarktförderungsgesetze . 2. Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz . . . . . . . . . . .
7 8 14
III. Regelungen im Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . .
17
2. Abschnitt: Der Börsenbegriff . . .
21
I. Historische Entwicklung des Börsenbegriffs . . . . . . . . . . 1. Elektronisierung des Börsenhandels . . . . . . . . . . . . . . . 2. Börsenspezifische Preisqualität als Abgrenzungsmerkmal . . . . 3. Neue Begriffsdefinition . . . . . 4. Viertes Finanzmarktförderungsgesetz ohne Definition des Börsenbegriffs . . . . . . . . . . . .
23 25 28 34
37
II. Legaldefinition der Börse durch Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz . . . . . . . . . . .
39
3. Abschnitt: Außerbörsliche elektronische Handelssysteme . . . . . . . .
51
I. Multilaterale Handelssysteme . . 1. Merkmale . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zu Börsen . . . . . .
57 58 70
II. Freiverkehr an den Börsen . . . .
71
III. Systematische Internalisierung .
76
4. Abschnitt: Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens . . . . . . . . I. Trägerschaft für Börse und Marktveranstaltung als duales System . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Aufteilung der Aufgaben aus der Betriebspflicht auf Börsenträger und Börse . . . . .
91
91
94
Rz. a) Börsenträger als Beauftragter des Sitzlandes der Börse . . . . b) Marktveranstaltende Börse und ihre Organe als gesetzlich bestellte Substitute des Börsenträgers . . . . . . . . . . . aa) Organisationshoheit der Börse . . . . . . . . . . . bb) Vorliegen der Substitutionsmerkmale . . . . . . cc) Multilaterale Handelssysteme und Freiverkehr ohne duales System . . . . . . . 2. Parallele zum aktienrechtlichen Betriebsführungsvertrag . . . . . a) Börsenträger als „Besitz“gesellschaft . . . . . . . . . . . . . b) Marktveranstaltende Börse als „geschäftsbesorgende“ Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . c) Handeln der Börse „für Rechnung“ des Börsenträgers . . . . 3. Public-Private-Partnership zwischen Börse und ihrem Träger . . a) Adäquate Rechtsform für die Börse als faktischem Marktveranstalter . . . . . . . . . . b) Gesteigertes öffentliches Interesse an funktionsfähigen Börsen . . . . . . . . . . . . . . c) Funktionsfähiger Börsenhandel als staatliche Aufgabe . . . . . d) Öffentlichrechtliche Organisationsstruktur kein Hindernis für grenzüberschreitende Kooperationen . . . . . . . .
96
99 103 109
113 115 119
120 123 126
130
137 139
143
II. Rechtsstellung des Börsenträgers 1. Börsenträger als beliehenes Unternehmen . . . . . . . . . . a) Betriebspflicht des Börsenträgers als schlichte Hoheitsverwaltung . . . . . . . . . . . . b) Öffentlichrechtliches Auftragsverhältnis zum genehmigenden Bundesland . . . . . . . . c) Grenzen der Betriebspflicht des Börsenträgers . . . . . . .
147
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Seiffert
144 145
151 156
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme Rz.
aa) Konkretisierung der Betriebspflicht . . . . . . bb) Unzulässigkeit eines Genehmigungsverzichts . d) Anteilseignerkontrolle beim Börsenträger . . . . . . . . . 2. Verhältnis zur marktveranstaltenden Börse . . . . . . . . . . a) Keine Einflussmöglichkeiten auf innere Börsenangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftliches Management der Börse durch Börsenträger . III. Marktveranstaltende Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts . 1. Marktveranstaltung als mittelbare Staatsverwaltung . . . . . . a) Selbstverwaltungsrecht der Börse . . . . . . . . . . . . . b) Verleihung autonomer Rechtsetzungsbefugnis . . . . . . . 2. Teilrechtsfähigkeit der Börse . . a) Beteiligungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren . . . . . . b) Parteifähigkeit in Verwaltungsgerichtsverfahren . . . . 3. Haftungsrechtliche Aspekte . . . a) Wegfall der Staatshaftung durch Viertes Finanzmarktförderungsgesetz . . . . . . . b) Haftung des Börsenträgers . . 4. Börsenorgane . . . . . . . . . . a) Börsengeschäftsführung . . . aa) Geschäftsführung mit Behördenstatus . . . . . . bb) Umfassender Zuständigkeitskatalog . . . . . . . . cc) Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Börsenhandels . . . . . . . . . . . . dd) Zulassung von Handelsteilnehmern und Wertpapieren . . . . . . . . . . b) Börsenrat . . . . . . . . . . . c) Handelsüberwachungsstelle . d) Sanktionsausschuss . . . . .
158 159 161 164
165 168 175 178 181 184 185 188 189 190
190 193 196 198 199 201
204
207 208 213 217
IV. Unterschiede zwischen Multilateralen Handelssystemen und Börsen . . . . . . . . . . . . . . 219
300
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Seiffert
Rz. 5. Abschnitt: Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels . . . . . . 231 I. Parketthandel . . . . . . . . . . 1. Mitwirkung skontroführender Makler (Skontroführer) . . . . . a) Zulassung zum Skontroführer b) Pflichten des Skontroführers . c) Erteilung eines Vermittlungsauftrages . . . . . . . . . . . d) Ausführungsanspruch der Handelsteilnehmer . . . . . . e) Aufgabengeschäfte . . . . . . 2. Preisermittlung im Parketthandel . . . . . . . . . . . . . . a) Ordnungsmäßiges Zustandekommen von Börsenpreisen . b) Ermittlung des Einheitspreises c) Preisermittlung im fortlaufenden (variablen) Handel . . . . 3. Aussetzung und Einstellung des Handels . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zur vorübergehenden Handelsunterbrechung . . b) Voraussetzung der Aussetzung der Notierung . . . . . . . . . aa) Ermessensentscheidung der Börsengeschäftsführung . . bb) Keine Handelsaussetzung bei nichtkursrelevanten Tatsachen . . . . . . . . . cc) Dauer der Aussetzung der Notierung . . . . . . . . . 4. Zwangsregulierung der Börsengeschäfte . . . . . . . . . . . . II. Handel in einem elektronischen Handelssystem . . . . . . . . . 1. Elektronisches Handelssystem XETRA . . . . . . . . . . . . . 2. Bereitstellung zusätzlicher Marktliquidität durch sog. Designated Sponsors . . . . . . . 3. Preise im elektronischen Handelssystem als Börsenpreise . . . 4. Handel im elektronischen Handelssystem (Xetra) . . . . . . . . a) Zulässige Auftragsarten . . . . b) Preisermittlung . . . . . . . . aa) Auktionsverfahren . . . . bb) Fortlaufender Handel mit untertägigen Auktionen . .
232 235 236 239 241 243 246 250 252 255 261 235 268 270 271
275 278 280 282 286
291 292 293 296 298 301 303
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme Rz. cc) Fortlaufende Auktion . . . 305 dd) Midpoint Order Matching . 306 III. Marktsegmente des Kassahandels . . . . . . . . . . . . . 1. Zwei-Segmente-Prinzip . . . . . a) Zulässigkeit von Teilbereichen b) Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse . . . . . . 2. Regulierter Markt (§§ 32 ff. BörsG) . . . . . . . . . . . . . . 3. Freiverkehr an der Wertpapierbörse (§ 48 BörsG) . . . . . . . . a) Zulassung des Freiverkehrs . . b) Handelsordnung für den Freiverkehr . . . . . . . . . . . . c) Einbeziehung von Wertpapieren in den Freiverkehr . . . . d) Freiverkehrspreise als Börsenpreise . . . . . . . . . . . . . e) Entry Standard als Premiumsegment des Freiverkehrs . . . 4. Handelstransparenz . . . . . . .
307 310 313 314 316 319 320 327 328 333 335 340
6. Abschnitt: Börsenmäßig organisierter Terminmarkt . 351 I. Terminmärkte der Wertpapierbörsen . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Eurex Deutschland als eigenständige Terminbörse . . . . . . 1. Vollelektronische Börse . . . . . 2. Clearing . . . . . . . . . . . . . 3. Zulassung von Finanzinstrumenten zu Handel . . . . . . . . . . 4. „Give up“-Vereinbarungen beim Clearing . . . . . . . . . . . . .
357 363 365 372 373
III. Verknüpfung der Kassamärkte mit Terminmärkten . . . . . . . 376 7. Abschnitt: Beaufsichtigung der Börsen und multilateralen Handelssysteme
381
I. Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . 381 II. Befugnisse der Handelsüberwachungsstelle . . . . . . . . . . . 390 III. Kooperation von Länderaufsicht und Handelsüberwachungsstelle
399
IV. Aufsicht über multilaterale Handelssysteme . . . . . . . . . . . 401 V. Auswirkungen der Aufsichtsstruktur . . . . . . . . . . . . . 404
Rz. 8. Abschnitt: Benutzungsverhältnisse der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten . . . . 411 I. Leistungsverhältnis zwischen Börse und ihren Benutzern . . . 416 1. Außerbörsliche Vertragsbeziehung für die Geschäftsabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 423 2. Außerbörsliche Vertragsbeziehung für den Handel . . . . . . . 424 II. Benutzungsverhältnis der Börse zu den Handelsteilnehmern . . . 1. Öffentlichrechtliches Leistungsverhältnis . . . . . . . . . . . . a) Hoheitliche Eingriffsbefugnisse der Börsenorgane gegenüber dem einzelnen Handelsteilnehmer . . . . . . . . . . . . b) Börsengebühren . . . . . . . . aa) Äquivalenzprinzip als Gebührenmaßstab . . . . . bb) Privatrechtliche Nutzungsentgelte . . . . . . . . . . 2. Beendigung des Benutzungsverhältnisses mit den Handelsteilnehmern . . . . . . . . . . . . . a) Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Zulassung . . . . . b) Erlöschen der Zulassung durch Verzicht des zugelassenen Unternehmens . . . . . . . . III. Benutzungsverhältnis zwischen Börse und Emittenten . . . . . . 1. Anspruch auf Einführung in den Börsenhandel . . . . . . . . . . 2. Öffentlichrechtliche Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses . 3. Beendigung des Benutzungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . a) Rücknahme und Widerruf der Zulassung . . . . . . . . . . . b) Beendigung des Benutzungsverhältnisses auf Verlangen des Emittenten . . . . . . . . aa) Gesetzliche Regelung des Delisting . . . . . . . . . bb) Going Private . . . . . . . cc) Vollständiger Rückzug ausländischer Emittenten von deutschen Wertpapierbörsen . . . . . . . . . . .
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427 431
437 440 441 443
446 447
450 451 455 457 462 463
465 466 470
473
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
Schrifttum: Achleiter/Thoma, Währungs-Futures und -Forwards, Handbuch Corporate Finance, 2. Aufl. 2001; Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, 2005; Backherms, Das DIN – Deutsches Institut für Normung als Beliehener, 1978; Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963; Balzer, Anleger- und Funktionenschutz bei außerbörslichen Wertpapierhandelssystemen, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2002, S. 93; Bansch, Die Beleihung als verwaltungsrechtliches Problem, 1973; Bauer, Die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), 243; Beck, Die Reform des Börsenrechts im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, Teil 1: Änderungen des Börsenorganisationsrechts, BKR 2002, 662; Beck, Das neue elektronische Handelssystem Xetra der Frankfurter Wertpapierbörse, WM 1998, 417; Beck, Börsen- und kapitalmarktrechtliche Aspekte der grenzüberschreitenden Tätigkeit und Zusammenarbeit von Börsen, FS Kümpel, 2003, S. 17; Beck, Die erwerbswirtschaftliche Betätigung Beliehener am Beispiel des Trägers einer Wertpapierbörse, WM 1996, 2313; Braue/Hille, Xetra – Elektronisches Handelssystem am Finanzplatz Deutschland, Die Bank 1997, 140; Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, 2000; Breuer, Entwicklungstendenzen im Wertpapiergeschäft, ZGesKredW 1993, 10; Brockhausen, Kapitalmarktaufsicht in Selbstverwaltung, WM 1997, 1924; Budäus/Eichhorn, Public-Private-Partnerschip, 1997; Budäus, Organisationswandel öffentlicher Aufgabenwahrnehmung, 1998; Bullinger, Staatsaufsicht, VVDStRL 22 (1965), 264; Bungert, Delisting und Hauptversammlung, BB 2000, 53; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999; Burgi, Börse, Börsenträger und Börsenaufsicht im System des Wirtschaftsverwaltungsrechts, WM 2009, 2337; Canaris/Schilling/Ulmer, Staub Kommentar zum HGB, Band 2, 5. Aufl. 2008; Caspari, Die geplante Insiderregelung in der Praxis, ZGR 1994, 530; Chen Ai-er, Öffentlichrechtliche Anstalt und ihre Nutzung, 1994; Christoph, Börsenkooperationen und Börsenfusionen, 2007; Claussen, Noch einmal: Die Rechtsform deutscher Wertpapierbörsen, ZBB 2000, 1; Cohn, Alternative Handelssysteme – Ein Beitrag zur Neufassung der §§ 58 ff. BörsG, ZBB 2002, 365; Degner, Das Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes vom 28. April 1975, WM 1975, Sonderbeil. Nr. 3, 16; Domowitz/Lee, The legal Basis for Stock Exchanges, The Classification and Regulations of Automated Trading System, 1996; Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und Europa, 1999; Dreyling, Zur staatlichen Aufsicht über Börsen mit überregionalem Wirkungsbereich, WM 1990, 1529; Duve/Keller, MiFID: Die neue Welt des Wertpapiergeschäfts, BB 2006, 2537; Ellenberger, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Börsenterminhandel, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 2, 5; Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 3. Aufl. 2010; Erichsen/ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010; Fleckner, Die Lücke im Recht des Devisenterminhandels – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz: außerbörsliche Devisentermingeschäfte als „Finanztermingeschäfte“ im Sinne des § 2 Abs. 2a WpHG und Anwendbarkeit der §§ 37d ff. WpHG, WM 2003, 168; Fleckner, Schicksal der Gegenleistungspflicht beim Kauf von Wertpapieren – Zum Gefahrübergang im Wertpapierhandel sowie zur Konkurrenz zwischen allgemeinem Leistungsstörungsrecht und börsenrechtlicher Zwangsregulierung, WM 2009, 2064; Fischer/Kunz, Börsenhandel in Europa: Fakten, Trends, Szenarien, Die Bank 2001, 756; Fluck, Zum Verzicht des Begünstigten auf Rechte aus einem Verwaltungsakt am Beispiel der Börsenzulassung, WM 1995, 553; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. 1973; Gebhardt, Prime und General Standard: Die Neusegmentierung des Aktienhandels an der Frankfurter Wertpapierbörse, WM 2003, Sonderbeil. Nr. 2; Gericke, Die Börsenzulassung von Wertpapieren, 1961; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Band VI, 1976; Gomber/Hirschberg, Ende oder Stärkung der konventionellen Börsen, AG 2006, 777; Gomber/Chistalla/Groth, Neue Börsenlandschaft in Europa? Die Umsetzung der MiFID aus Sicht der europäischen Marktplatzbetreiber, ZBB 2008, 2; Groß, Rechtsprobleme des Delisting, ZHR 165 (2001), 141; Grupp, Der Börseneintritt und der Börsenaustritt im Spannungsfeld individueller und institutioneller Interessen, 1995; Hadding, Zur Tragweite der „Zwangsregulierung“ bei Geschäften im Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse, FS Schwark, 2009, S. 697; Häuser, Außerbörsliche Optionsgeschäfte (OTC-Optionen) aus Sicht des novellierten Börsengesetzes, ZBB 1992, 249; Hammen, Zwischen-
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
berichtspflicht im Geregelten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse?, WM 2003, 997; Hammen, Börsen- und kreditwesengesetzliche Aufsicht über börsenähnliche Handelssysteme, Wertpapierbörsen und Börsenträger, WM 2001, 929; Hammen, Börsenorganisationsrecht im Wandel, AG 2001, 549; Hammen, Recht der Emittenten bei der „Fusion“ von Wertpapierbörsen, ZBB 2001, 84; Hammen, Börsenreform und Verfassungsrecht, WM 2007, 1297; Hammen, „Best“ – Was ist Börsenhandel?, WM 2002, 2129; Hammen, Verschmelzung von Börsen?, Der Konzern 2008, 269; Harrer/Müller, Die Renaissance des Freiverkehrs – Eine aktuelle Analyse mit internationalem Vergleich, WM 2006, 653; Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform – eine ökonomische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Untersuchung, 1997; Horn, Die Erfüllung von Wertpapiergeschäften unter Einbeziehung eines zentralen Kontrahenten an der Börse, WM 2002, Sonderbeilage 2; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1953; Jarras, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl. 1997; Kienle, Die Give-up-Vereinbarungen beim Clearing im Börsenterminhandel, WM 1993, 1313; Kindermann, Rechtliche Strukturen der Deutschen Terminbörse, WM 1989, Sonderbeil. Nr. 2, 24; Klein, „Auftrag“ und „Geschäftsführung ohne Auftrag“ im öffentlichen Recht, DVBl. 1968, 129; Klenke, Der Rückzug mehrfach notierter Unternehmen von den deutschen Regionalbörsen, WM 1995, 1089; Kölble, „Gemeinschaftsaufgaben“ der Länder und ihre Grenzen, NJW 1962, 1081; Köndgen/Theissen, „Internalisierter“ Wertpapierhandel zu Börsenpreisen?, WM 2003, 1497; Kümpel, Das Effektengeschäft im Lichte des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes, WM 1993, 2025; Kümpel, Die Preisfeststellung im geregelten Markt, WM 1988, 1623; Kümpel, Amtlicher Markt und Freiverkehr an der Börse, WM 1985, Sonderbeil. Nr. 5; Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003; Kümpel, Zur Aufnahme des elektronischen Handels an der Frankfurter Wertpapierbörse, WM 1991, Sonderbeil. Nr. 4, 8; Kümpel, Die künftige Kapitalmarktaufsicht und die europäische Rechtsangleichung, WM 1994, 229; Kümpel, Sonderbedingungen für Börsentermingeschäfte – Kurzkommentar, WM 1991, Sonderbeil. Nr. 1, 2; Kümpel, Zur Neugestaltung des Termin-, Differenz- und Spieleinwandes für den Bereich der Derivate, WM 1997, 49; Kümpel, Die Preisfeststellung im Geregelten Markt, WM 1988, 1621; Krebs, Die öffentlichrechtliche Anstalt, NVwZ 1985, 609; Kriebel, Die Rechtsnatur des ehrenamtlichen Dienstes in Nothilfesituationen, DÖV 1962, 766; Krumnow/Lange (Hrsg.), Management eBanking, 2001; Kumpan, Die Regulierung außerbörslicher Handelssysteme im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht, 2006; Kumpan, Die neuen Transparenzvorschriften der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, WM 2006, 797; Kurth, Handlungsbefugnisse der Landesverwaltung bei Börsenaufsicht und -zulassung, ZKW 1998, 618; Ledermann, Die Rechtsstellung des Kursmaklers an den deutschen Wertpapierbörsen, 1990; Liersch, Nachteile für den Finanzplatz durch außerbörsliche Wertpapiergeschäfte, WM 2003, 461; Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 57. Aufl. 2010; Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, 3. Aufl. 1924; Meyer-Bremer, Börsengesetz, 4. Aufl. 1957; Michaelis, Der Beliehene – Ein Beitrag zur Verflechtung von öffentlichem und privatem Recht, 1969; Möller, Die Neuregelung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2002, 309; Mülbert, Rechtsprobleme des Delisting, ZHR 165 (2001), 104; Müller, Kooperationen und Zusammenschlüsse von Börsen als Bewährungsprobe für das Börsenrecht, Der Konzern 2008, 263; Mues, Anmerkungen zum Börsengesetz nach dem Diskussionsentwurf für das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, ZBB 2001, 353; Mues, Die Börse als Unternehmen, 1999; Nobel, Börsenallianzen und -fusionen, FS Lutter, 2000, S. 1485; Nussbaum, Kommentar zum Börsengesetz, 1910; Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 40. Aufl. 2000; Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983; Pötzsch, Das dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 949; Possega, Gesellschafts- und aufsichtsrechtliche Aspekte des Zusammenschlusses von Börsen am Beipsiel der Verschmelzung der Trägergesellschaften – Zugleich ein Beitrag zur „Betriebspflicht“ des Börsenträgers im Sinne des § 1 Abs. 2 Börsengesetz nF, WM 2002, 2402; Rehm/Trumpler/Dove/Neukamp/Schmidt-Ernsthausen/ Breit, Kommentar zum Börsengesetz, 1909; Reuschle/Fleckner, Börsenähnliche Einrichtungen – die privatrechtliche Organisation einer Börse im materiellen Sinne, BKR 2002, 617; Richard/Weinheimer, Der Weg zurück: Going Private, BB 1999, 1613; Rüfner,
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967; Rüfner, Zur Lehre von der öffentlichen Anstalt, DÖV 1985, 605; Samm, Börsenrecht, 1978; Samm, „Bundesbörse“ unter Landesaufsicht? Zur verfassungsrechtlichen Standortbestimmung von Börsenveranstaltungen in der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, WM 1990, 1265; Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 1977; Schlitt, Die neuen Marktsegmente der Frankfurter Wertpapierbörse, AG 2003, 57; Schlüter, Börsenhandelsrecht, 2. Aufl. 2002; Schmidt, Wertpapierbörsen, 1988; Uwe H. Schneider/Burgard, Börsenrechtliche Bewertung einer Einbeziehung der Trägergesellschaft der Frankfurter Wertpapierbörse in einen multinationalen Börsenkonzern und die Verlagerung des Handels in Standardwerten an eine andere Börse, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 3, 24; Schmidt, Freiverkehrsmärkte an Europas Börsen, Die Bank 1987, 288; Schönle, Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976; Schwark, Das neue Kapitalmarktrecht, NJW 1987, 2041; Schwark/Geiser, Delisting, ZHR 161 (1997), 739; Schwark, Zur rechtlichen Zulässigkeit der Konzerneingliederung des Trägers der Frankfurter Wertpapierbörse unter eine ausländische Holding und eines blue-chips-Handelssegments in alleiniger Zuständigkeit einer ausländischen Börsenholding, WM 2000, 2517; Schwark, Börsen und Wertpapierhandelsmärkte in der EG, WM 1997, 293; Seibt/Wollenschläger, Downlisting einer börsennotierten Gesellschaft ohne Abfindungsangebot und Hauptversammlungsbeschluss, AG 2009, 807; Seitz, Regulierung von Wertpapierhandelssystemen in der EU, AG 2004, 497; Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Band 4/2, 12. Aufl. 1999; Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Band 12, 13. Aufl. 2005; Spindler, Internationale Kapitalmarktangebote und Dienstleistungen im Internet – Öffentlich-rechtliche Regulierung und Kollisionsrecht unter besonderer Berücksichtigung der E-Commerce-Richtlinie, WM 2001, 1689; Spindler, Elektronische Finanzmärkte und Internet-Börsen, Teil I: Grundlegende Risiken und Reform des nationalen Kapitalmarktrechts, WM 2002, 1325; Streit, Delisting light – Die Problematik der Vereinfachung des freiwilligen Rückzugs von der Frankfurter Wertpapierbörse, ZIP 2002, 1279; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975; Stuible-Treder, Der Beliehene im Verwaltungsrecht, 1986; Teske, Das Ende der Vormachtstellung?, Die Bank 8/2009, 13; Tettinger, Die rechtliche Ausgestaltung von Public Private Partnerschips, DÖV 1996, 764; Tilly, Die amtliche Kursnotierung an den Wertpapierbörsen, 1975; Vaupel, Genehmigungszuständigkeit für grenzüberschreitenden computergestützten Börsenhandel, RIW 1993, 733; Vollmer/Grupp, Der Schutz der Aktionäre beim Börseneintritt und Börsenaustritt, ZGR 1995, 459; Walter, Rechtliche Aspekte der Zulassung als Freimakler an einer deutschen Wertpapierbörse, WM 1986, 1489; Wastl/Schlitt, Abkehr vom klassischen Börsenbegriff – Chance für einen Neuanfang de lege lata?, WM 2001, 1702; Wolf, Anlegerschutz und Förderung des Finanzplatzes Deutschland – Notwendigkeit der Reform des Kapitalmarkt- und Börsenrechts, WM 2001, 557; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, 6. Aufl. 2004; Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, 2003.
1. Abschnitt Einführung I. Überblick über die Handelsplattformen
4.1
In den letzten Jahren hat es einen markante Veränderungen in der europäischen Börsenlandschaft gegeben, geprägt von dem gescheiterten Übernahmeversuch der Deutsche Börse AG für die London Stock Exchange und der transatlantischen Fusion zwischen NASDAQ und Euronext. Eine fortschrei304
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Seiffert
4. Teil
Einführung
tende Elektronisierung und immer höhere Handelsgeschwindigkeiten haben den klassischen Parketthandel zurückgedrängt, gleichzeitig konnten außerbörslich organsierte Handelssysteme beständig Marktanteile im Aktienhandel von den etablierten Börsen gewinnen. Der Präsenzhandel verliert zunehmend seine Bedeutung und wird an der Frankfurter Wertpapierbörse spätestens zum 28.3.20121 ganz eingestellt. Mit Verabschiedung der Richtlinie für Märkte für Finanzinstrumente2 wurde der Grundstein für eine möglichst einheitliche europäische Finanzmarktverfassung gelegt, in deren Umsetzung es zu erheblichen Änderungen im Börsengesetz und Wertpapierhandelsgesetz kam. Für den Handel in Finanzinstrumenten, insbesondere in Wertpapieren, hat der Gesetzgeber nunmehr drei Handelsplätze im Wertpapierhandelsgesetz und dem Börsengesetz normiert. Die gesetzlich geregelten Handelsplätze sind Börsen, Multilaterale Handelsplattformen und systematische Internalisierer3. Das Börsengesetz regelt ausschließlich den Betrieb und die Organisation einer Börse sowie den an der Börse stattfindenden Freiverkehr. Der Betrieb eines multilateralen Handelssystems und die systematische Internalisierung wurden durch den Gesetzgeber im Wertpapierhandelsgesetz geregelt und stehen daher auch unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Gleiches gilt für die systematische Internalisierung, die ohne eine eigenständige Wertpapierdienstleistung zu sein, ebenfalls im Wertpapierhandelsgesetz geregelt ist und der Überwachung durch die BaFin unterliegt. Der Schwerpunkt dieses Teils liegt zunächst auf der Darstellung der Grundstrukturen des Börsenrechts, um dann die Abweichungen und Unterschiede zu den jeweiligen anderen Handelsplätzen darzustellen.
4.2
Das Börsengesetz wurde mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz neu verkündet und an die europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/ 39/EG (Finanzmarktrichtlinie) angepasst. Damit das Börsengesetz in weiten Teilen neu gestaltet und den Erfordernissen einer wachsenden Technisierung angepasst. Der Wertpapierhandel an den deutschen Börsen hat auch nach Internationalisierung und Globalisierung der Wertpapiermärkte seine überragende Bedeutung für den inländischen Kapitalmarkt und damit für den Finanzplatz Deutschland bewahren können4. In Deutschland bestehen derzeit sechs Wertpapierbörsen in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München, Stutt-
4.3
1 Beschluss des Börsenrates der Frankfurter Wertpapierbörse v. 1.3.2010, siehe Präsenzhandel-Rundschreiben Nr. 02/10 v. 5.3.2010, abrufbar unter www.deutsche-boerse. com. 2 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und Rates v. 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. Nach Ihrer englischen Bezeichnung wird diese Richtlinie auch vielfach als MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) bezeichnet. Der deutsche Gesetzgeber hat die Bezeichnung Finanzmarktrichtlinie gewählt. 3 Holzborn, NJW 2008, 791 (795). 4 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, in Grundlagen und Praxis des Bankund Börsenwesens, Bd. 31, S. 4.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
gart und Berlin. Die weitaus größten Umsätze werden an der Frankfurter Wertpapierbörse getätigt1, insbesondere in deren elektronischem Handelssystem Xetra2.
4.4
Aus der Sicht der Anleger – und der öffentlichen Medien – stehen die börsenmäßig organisierten Sekundärmärkte im Vordergrund der Wahrnehmung. Insbesondere Privatanleger legen Wert darauf, dass ihre Kauf- und Verkaufsaufträge zu einem bestmöglichen Ergebnis3 ausgeführt werden. Allgemein wird den Preisen, die an den Börsen ermittelt werden, eine besondere Qualität zugemessen. Diese beruht auf der neutralitätswahrenden, transparenten und staatlich überwachten Ermittlung der Preise.
4.5
Während die Anleger insbesondere beim Kauf oder Verkauf von Aktien den Börsenhandel bevorzugen, vollzieht sich der Wertpapierhandel zwischen den Kreditinstituten für eigene Rechnung (Nostro- oder Eigengeschäft) überwiegend außerhalb der Börsen (Interbankenhandel/Telefonverkehr).
4.6
Der Sekundärhandel an den Wertpapierbörsen und die strukturelle Organisation der Börsen ist im Börsengesetz (BörsG) geregelt. Dem Börsengesetz fehlt jedoch eine ausschließlich kapitalmarktrechtliche Ausrichtung, wie sie das Wertpapierhandelsgesetz kennzeichnet. Dieser Unterschied erklärt sich schon damit, dass sich das Börsengesetz nicht auf die Wertpapiermärkte beschränkt, sondern auch Teilaspekte der Devisen- und Warenmärkte regelt. Hinzu kommt, dass die Börsengesetzgebung weniger den Kapitalmarkt und den Schutz der Anleger im Blickfeld hat. Regelungen zum Schutz der Anleger wurden in einer Vielzahl von Spezialgesetzen, wie dem Wertpapierprospektgesetz oder aber auch partiell im Wertpapierhandelsgesetz umgesetzt.
II. Novellierungen des Börsengesetzes
4.7
Das Börsenrecht war lange Jahre eine vernachlässigte Materie. Erst ab Ende der 1990er Jahre wurden – auch im Zuge der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben – eine Vielzahl von Regelungen aufgenommen, die der rasanten tatsächlichen Entwicklung Rechnung tragen. Bei der Novellierung durch das Zweite4 bis Vierte Finanzmarktförderungsgesetz5 wurden eine Vielzahl weiterer Regelungskomplexe in das Börsengesetz eingefügt, die der technischen Fortentwicklung, aber auch dem öffentlichen Interesse an einem funktions1 Kassamarktstatistik für das Jahr 2009, veröffentlicht unter www.deutsche-boerse. com. 2 Müller, Der Konzern 2008, 263 (264). 3 Zu den Anforderungen an die bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen iS des § 33a WpHG siehe unter Rz. 17.103. 4 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 1994, S. 1749. 5 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2002, S. 2010.
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4. Teil
Einführung
tüchtigen Börsenhandel Rechnung trugen. Den – vorläufigen – Abschluss bildete das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz1, welches zu einer Neuverkündung des Börsengesetzes und zahlreichen inhaltlichen Änderungen führte.
1. Finanzmarktförderungsgesetze Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz fügte § 22 Abs. 1 BörsG in das Börsenrecht ein, der in der bis 30.10.2007 geltenden Fassung vorsah, dass mangels Kundenweisung die Aufträge für den Kauf und Verkauf von Wertpapieren, die zum Handel an einer inländischen Wertpapierbörse zugelassen oder in den Freiverkehr einbezogen sind, über den Handel an der Börse auszuführen seien2. Mit diesem gesetzlichen Börsenzwang sollte nicht nur die Liquidität der Börsenmärkte im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit verbessert werden. Nach den Gesetzesmaterialien des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes boten die gesetzlichen Regelungen des börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels und die staatliche Marktaufsicht Gewähr für eine ordnungsmäßige Ausführung der Effektenorder der Bankkundschaft3. Dieser Börsenzwang sollte dem Anlegerschutz dienen. Durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde diese Regelung ersatzlos gestrichen, da eine der europarechtlichen Vorgaben auch die Gleichbehandlung von (außerbörslichen) multilateralen Handelssystemen und Börsen ist. Hinter dieser Vorgabe stand das Ziel, Wettbewerb zwischen den Börsen und den außerbörslichen Handelsplattformen zu fördern4.
4.8
Das Börsengesetz enthielt nach seiner Novellierung durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz auch eine einheitliche Definition des Börsenpreises für sämtliche Marktsegmente der Wertpapierbörse. Unter solchen Börsenpreisen sind Preise für Wertpapiere zu verstehen, die während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse in den seinerzeit bestehenden Segmenten Amtlicher oder Geregelter Markt als den beiden öffentlichrechtlich organisierten Marktsegmenten oder im privatrechtlich organisierten Freiverkehr festgestellt werden (§§ 24 Abs. 1 Satz 1, 57 Abs. 2 Satz 1 BörsG in der bis 30.10.2007 geltenden Fassung). Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Börsenpreise durch den skontroführenden Makler im Parkett-(Präsenz-)handel festgestellt worden waren oder sie sich in einem börsenintegrierten elektronischen Handelssystem gebildet haben (§ 25 Satz 1 BörsG in der bis 30.10.2007 geltenden Fassung). Der Anleger sollte auf ein manipulationsfreies Zustandekommen der Börsenpreise vertrauen können5. Eine ordnungsgemäße Preisbildung wurde bereits
4.9
1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (RiL 2004/ 39/EG, MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (RiL 2006/73/EG) der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2007, S. 1330. 2 Eine Ausnahme galt für festverzinsliche Schuldverschreibungen, die Gegenstand einer Emission waren, deren Gesamtnennbetrag weniger als 1 Mrd. Euro beträgt (§ 22 Abs. 2 BörsG in der bis zum 31.10.2007 geltenden Fassung). 3 Begr. RegE Zweites Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 12/6679, S. 69. 4 Erwägungsgrund 5 zur Richtline 2004/39/EG des europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente ABl. EU Nr. L 145, S. 1. 5 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 69.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
damals erkannt als ein herausragendes Qualitätsmerkmal für einen Wertpapiermarkt, der sich auch im internationalen Wettbewerb behaupten will1.
4.10
Durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz2 wurde den tatsächlichen Entwicklungen des Wertpapierhandels Rechnung getragen, indem insbesondere erstmalig auch Handelsplattformen, die gerade keine Börse waren, einem bestimmten Regelungsregime im Börsengesetz unterworfen wurden. Der seinerzeit neu eingeführte Begriff der börsenähnlichen Einrichtungen warf die Frage auf, ob der Gesetzgeber – trotz seines ausdrücklich erklärten Verzichts3 – hiermit implizit eine Börsendefinition eingeführt hatte oder dieser neue Begriff zumindest auf den Börsenbegriff ausstrahlte4. Jedenfalls wurden die neu in das Börsengesetz aufgenommen „börsenähnlichen Einrichtungen“ der Aufsicht der Börsenaufsichtsbehörden unterstellt (§§ 59, 60 BörsG in der bis zum 31.10.2007 geltenden Fassung).
4.11
Als börsenähnliche Einrichtung wurde ein im Inland betriebenes elektronisches Handelssystem, in dem Angebot und Nachfrage in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern oder Rechten mit dem Ziel zusammengeführt werden, Vertragsabschlüsse unter mehreren Marktteilnehmern innerhalb des Systems zu ermöglichen, wenn die Marktveranstaltung von einem Kreditinstitut, einem Finanzdienstleistungsinstitut, einem ausländischen Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut mit inländischer Repräsentanz (§ 53a Abs. 1 Satz 1 KWG) oder einem in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ansässigen Unternehmens iS des § 53 b Abs. 1 Satz 1 KWG (Einlagenkreditinstitut oder Wertpapierhandelsunternehmen) betrieben wird (§ 59 Satz 1 BörsG)5 bezeichnet. In Anbetracht des begriffswesentlichen Kriteriums der Ermöglichung von Geschäftsabschlüssen zwischen den Handelsteilnehmern sprachen die Gesetzesmaterialien auch von einem System mit „Marktplatzfunktion“6, wie es sich als anschauliche Bezeichnung in verschiedenen Stellungnahmen und Veröffentlichungen im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens herausgebildet hatte.
4.12
Die börsenähnliche Einrichtung, mitunter auch als „multilaterales“ System charakterisiert, war von dem als „bilaterales“7 System oder als Kontrahenten1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 69. 2 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2002, S. 2010. 3 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/804, S. 146. Vgl. weiter Hagena (Vorsitzender des Arbeitskreises der Bundesländer für Börsen-Wertpapierfragen) in Zenke/ Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, 2003, S. 307 (310). 4 Spindler, WM 2002, 1325 (1333); Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617 (624). 5 Cohn, ZBB 2002, 365 ff.; Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617 ff.; Balzer, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2002, S. 93 ff.; § 59 BörsG in der bis zum 31.10.2007 geltenden Fassung. 6 BT-Drucks. 14/8601, S. 16. 7 BT-Drucks. 14/8601, S. 16. Vgl. weiter das Papier des Committee of European Securities Regulators (CESR), CESR/02–086b: „Standards for Alternative Trading Systems“ vom Juli 2002, S. 4.
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4. Teil
Einführung
system1 bezeichneten elektronischen Handelssystem zu unterscheiden. Bei diesem bilateralen Handelssystem sollten die Wertpapiergeschäfte im Unterschied zu den börsenähnlichen Handelssystemen nicht zwischen den Handelsteilnehmern abgeschlossen werden. Vielmehr erfolgt der Geschäftsabschluss der Handelsteilnehmer stets mit dem Betreiber des Handelssystems, wie es für die Market Maker-Systeme kennzeichnend ist2. Für diese bilateralen Handelssysteme führte das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz lediglich eine Anzeigepflicht ein (§ 58 BörsG aF). Bei dem Begriff „elektronisches Handelssysteme“ handelte es sich um einen Oberbegriff, während die börsenähnlichen Einrichtungen nur eine Untergruppe der außerbörslichen elektronischen Handelssysteme darstellte, die eine Marktplatzfunktion wahrnehmen3.
4.13
2. Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)4 wurden die Vorgaben der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) in deutsches Recht umgesetzt. Im Zuge der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie wurde das Börsengesetz vollständig neu erlassen.
4.14
Zentrales Anliegen der Finanzmarktrichtlinie war die Förderung des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Ausführungsplätzen bei gleichzeitiger Harmonisierung5 der jeweils geltenden Pflichten für die Ausführungsplätze, wobei anerkannt wurde, dass eine neue Generation von Systemen des organisierten Handels entstanden war6. Um den Wettbewerb zwischen den Handelsplattformen nicht zu behindern, musste daher auch der Börsenvorrang für Kundenaufträge im Effektenhandel (§ 22 BörsG aF) als mit der Finanzmarktrichtlinie nicht vereinbar aufgegeben werden7.
4.15
Durch das neugefasste Börsengesetz soll die Flexibilität der Börsen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung erhöht werden, insbesondere in Bezug auf die
4.16
1 Vgl. die von der Börsensachverständigenkommission veröffentlichten „Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme“ vom Mai 2001, S. 6. 2 Nach den Gesetzesmaterialien ist es im Übrigen für den Begriff des elektronischen Handelssystems iS des § 58 BörsG unerheblich, ob ein elektronischer Geschäftsabschluss (Matching) im System erfolgt oder der Vertragsschluss außerhalb des Systems erfolgt (BT-Drucks. 14/8601, S. 16). 3 Cohn, ZBB 2002, 365 (368). 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (RiL 2004/ 39/EG, MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (RiL 2006/73/EG) der Kommission (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2007, S. 1330. 5 Erwägungsgrund 6 der RL 2004/39/EG des europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente ABl. EU Nr. L 145, S. 1. 6 Erwägungsgrund 5 der RL 2004/39/EG des europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente ABl. EU Nr. L 145, S. 1. 7 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz BT-Drucks. 16/4028, Begründung S. 93.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
Beteiligung der Skontroführer im Rahmen der Feststellung des Börsenpreises1. Gleichzeitig wurde die Aufteilung der börslichen Segmente im Handel mit Wertpapieren in Amtlichen und Geregelten Markt zu Gunsten des neu geschaffenen Regulierten Marktes als einzigem börslichen Segment aufgegeben. Die Zulassung von Wertpapieren zum Handel wird nunmehr durch die Geschäftsführung erteilt, die Zulassungsstelle als Börsenorgan wurde gestrichen, eine auf Grund der an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht abgegebenen Zuständigkeit für die Prospektprüfung folgerichtige Neuordnung. Darüber hinaus wurden erstmalig dezidierte Regelungen hinsichtlich der herzustellenden Vor- und Nachhandelstransparenz im Handel mit Aktien und aktienvertretenden Zertifikaten aufgenommen2. Die Börsen sind nunmehr gesetzlich verpflichtet, die aktuellen Brief- und Geldkurse und die Handelstiefe in Abhängigkeit vom jeweiligen Marktmodell zu veröffentlichen. Insbesondere wurde auf Grund der parallelen Ausgestaltung der Regelungen betreffend multilaterale Handelssysteme der Betrieb einer nicht genehmigten Börse nunmehr zum unerlaubten Erbringen einer Finanzdienstleistung, die in den Zuständigkeitsbereich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht fällt3.
III. Regelungen im Wertpapierhandelsgesetz
4.17
Das Betreiben eines multilateralen Handelssystems wurde in das Wertpapierhandelsgesetz als Wertpapierdienstleistung aufgenommen und unterfällt nun der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Die vorhergehenden Regelungen über „börsenähnliche Einrichtungen“ im Börsengesetz wurden ersatzlos gestrichen. Für multilaterale Handelssysteme gelten nunmehr dezidierte Regelungen in Bezug auf die Organisation, die Handelstransparenz und die Aufzeichnung von Geschäften, die auch durch Vergleichbarkeit der Verpflichtungen der Handelsplätze den Wettbewerb unter diesen fördern soll4.
4.18
Ebenfalls neu sind die Regelungen für systematische Internalisierer5 in Aktien und aktienvertretenden Zertifikaten, für deren Tätigkeit vor Erlass des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes letztlich keine gesetzliche Regelung bestand. Die Regelungen betreffend die systematische Internalisierung wurden in das Wertpapierhandelsgesetz aufgenommen, die systematische Internalisierung selbst stellt jedoch keine eigenständige Wertpapierdienstleistung dar. Nunmehr sind systematische Internalisierer verpflichtet, verbindliche Quotes im Rahmen der Vorhandelstransparenz zu stellen, und im Übrigen an die Vorgaben der §§ 32 bis 32d WpHG gebunden.
4.19–4.20
Einstweilen frei.
1 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz BT-Drucks. 16/4028, Begründung S. 95. 2 Eingehend hierzu: Seiffert/Vollmuth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 1552 ff. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, § 4 BörsG Rz. 2. 4 Erwägungsgrund 5 der RL 2004/39/EG (Finanzmarktrichtlinie). 5 §§ 32 bis 32d WpHG.
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4. Teil
Der Börsenbegriff
2. Abschnitt Der Börsenbegriff Die Errichtung eines börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels bedarf nach dem Börsengesetz der staatlichen Erlaubnis. Die Genehmigung zur Errichtung einer Börse wird dem Träger der Börse von der zuständigen obersten Landesbehörde als Börsenaufsichtsbehörde erteilt (§ 4 Abs. 1 BörsG).
4.21
Bis zur Änderung des Börsengesetzes durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz enthielt die Genehmigung die Befreiung von dem präventiven Verbot nicht erlaubter Börsenzusammenkünfte (Privatbörsen)1. Dieses präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt wurde durch das FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz dahingehend modifiziert, dass nun nicht mehr die Börsenaufsicht für eine etwaige Verfolgung nicht genehmigter Handelsplätze zuständig ist, sondern die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, da es sich nunmehr um das nicht genehmigte Erbringen einer Finanzdienstleistung (des Betriebs eines multilateralen Handelssystems) handelt2. Durch die Genehmigung der Errichtung einer Börse wird dem Börsenträger aber auch weiterhin die öffentliche Aufgabe zugewiesen, eine funktionsfähige Börse zu errichten und angemessen fortzuentwickeln (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BörsG).
4.22
I. Historische Entwicklung des Börsenbegriffs Das Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt hat seit Erlass des Börsengesetzes im Jahre 1896 wiederholt zu Schwierigkeiten bei seiner praktischen Umsetzung geführt3. Denn es fehlte an einer Legaldefinition der Börse, an der sich die Börsenaufsichtsbehörde bei der rechtlichen Einordnung eines außerbörslichen Wertpapierhandels hätte orientieren können. Der Verzicht auf eine Legaldefinition bei Erlass des Börsengesetzes im Jahre 1896 erschien dem Gesetzgeber vertretbar. Die damals in Deutschland existierenden Börsen sollten nach seiner Meinung genügend Anhaltspunkte bieten, die der Rechtsprechung im Einzelfall eine Feststellung ermöglichen würden, ob ein organisierter Wertpapierhandel eine genehmigungspflichtige Marktveranstaltung iS des Börsengesetzes darstellt4.
4.23
Rechtsprechung und Schrifttum haben sodann im Laufe der Zeit einen Börsenbegriff entwickelt, der auf das äußere Erscheinungsbild der Börse als einer bekannten Institution fixiert war. Nach diesem sog. institutionellen Börsenbegriff ist eine Börse eine regelmäßig am gleichen Ort stattfindende Veranstaltung für Kaufleute, auf der vorwiegend Großhandelsgeschäfte über dort zuge-
4.24
1 PreußOVGE 34, S. 315, Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 14 mwN. 2 BT-Drucks. 16/4028, S. 81. 3 Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform – eine ökonomische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Untersuchung (im Folgenden: Börsenreform), 1997, S. 378. Vgl. weiter Mues, Die Börse als Unternehmen, 1999, S. 53 ff. 4 Amtliche Begründung I zu § 1 BörsG, S. 4.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
lassene Gegenstände abgeschlossen werden können1. Der historische Börsenbegriff war somit durch die Ortsgebundenheit des Börsenhandels geprägt. Dieses Handelsgeschehen wurde auch als „Parketthandel“ bezeichnet, weil diese Marktveranstaltungen unter persönlicher Anwesenheit der Börsenhändler auf dem Parkett des Börsensaales durchgeführt werden.
1. Elektronisierung des Börsenhandels
4.25
Bereits nach der Novellierung des Börsengesetzes im Jahre 1989 war die „Ortsgebundenheit“ des bisherigen Börsenbegriffes nicht mehr geeignet, den börsenmäßig organisierten Wertpapierhandel gegenüber den außerbörslichen Märkten klar abzugrenzen2. Die Marktteilnehmer konnten bereits damals ihre für die Geschäftsabschlüsse an der Börse erforderlichen Erklärungen von verschiedenen Orten über elektronische Datenübertragung abgeben.
4.26
Eine räumliche Beziehung der Marktveranstaltung ist nach geltendem Recht unverzichtbar für die örtliche Zuständigkeit der Börsenaufsichtsbehörde, die zunächst die Errichtung der Börse und die für sie zu erlassende Börsenordnung zu genehmigen hat. Bei dieser Aufsichtsbehörde handelt es sich um die hierfür zuständige oberste Landesbehörde (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Diese aufsichtsrechtliche Zuständigkeit von Behörden der Bundesländer entspricht der börsenrechtlichen Tradition mit ihren föderativen dezentralen Verwaltungskompetenzen3. Die Befugnisse der Verwaltungsbehörde eines Landes (hier der Börsenaufsicht) enden an den Landesgrenzen4. Angesichts dieser regional abgegrenzten Zuständigkeit der Länder könnte die Effizienz der Börsenaufsicht stark beeinträchtigt werden, wenn die verantwortlichen Personen für eine ordnungsmäßige Organisation und Durchführung des Börsenhandels ihren dienstlichen Aufenthaltsort (Dienstsitz) weit außerhalb des genehmigenden Bundeslandes hätten. Denn die Aufsichtsbehörde kann gegenüber der Börse und ihren Organen Anordnungen treffen, die geeignet sind, Verstöße gegen börsenrechtliche Vorschriften und Anordnungen zu unterbinden oder sonstige Missstände zu beseitigen oder zu verhindern, welche die ordnungsmäßige Durchführung des Handels an der Börse und der Börsengeschäftsabwicklung sowie deren Überwachung beeinträchtigen können (§ 2 Abs. 2 BörsG). Die Durchsetzung solcher belastenden Verwaltungsakte wäre jedoch zumindest stark erschwert, wenn deren Adressaten ihren Dienstsitz nicht innerhalb des Landes der zuständigen Börsenaufsichtsbehörde hätten. Für eine „ländergrenzenüberschreitende“ Vollstreckung solcher Aufsichtsmaßnahmen würden der Aufsichtsbehörde die erforderlichen staatlichen Befugnisse fehlen5. 1 Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 2; Kümpel, WM 1988, 1621 (1623). 2 Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 380. 3 Nußbaum, BörsG, 1910, § 1 Anm. IVb, 4d; Vaupel, RIW 1993, 733 (735).Vgl. weiter Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 060, Lfg. 4/03, Rz. 13. 4 Dreyling, WM 1990, 1529; Kurth, ZKW 1998, 618; Möller, WM 2002, 309 (310); Kölble, NJW 1962, 1081 (1083). 5 Dreyling, WM 1990, 1529 (1530); Samm, WM 1990, 1265 (1267 mwN).
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4. Teil
Der Börsenbegriff
Nach alledem könnte vor allem der Dienstsitz der Mitglieder der Börsenorgane ein sachgerechter „örtlicher“ Anknüpfungspunkt für eine effiziente Reglementierung der Börse sein. Dies gilt vor allem für die Börsengeschäftsführung, die mit der Leitung der Börse betraut ist (§ 15 Abs. 1 BörsG). Soweit Geschäftsführungsmaßnahmen und die sonstigen Tätigkeiten nicht rechtmäßig sind, werden die verwaltungsrechtlich zulässigen Anordnungen und Maßnahmen gegen die Mitglieder der Börsenorgane getroffen. Es könnte sich deshalb empfehlen, insbesondere die Geschäftsführer der Börse zu verpflichten, ihren Dienstsitz im Lande der genehmigenden Börsenaufsichtsbehörde zu unterhalten. Dies könnte in dem Anstellungsvertrag geschehen, den der Träger der Börse im Rahmen seiner personellen Ausstattungspflicht mit dessen Organmitglieder abzuschließen hat. Eine korrespondierende Verpflichtung zu einer solchen Ausgestaltung des Anstellungsvertrages könnte der Börsenträger im Rahmen seiner ihm obliegenden Betriebspflicht gegenüber der Börsenaufsichtsbehörde übernehmen.
4.27
2. Börsenspezifische Preisqualität als Abgrenzungsmerkmal Bei der Diskussion um einen trennscharfen Börsenbegriff ist in den letzten Jahren die Ermittlung der Börsenpreise mehr und mehr in das Blickfeld geraten. Dies trifft auch auf das Schrifttum im angelsächsischen Kapitalmarktrecht zu1. Hierin liegt eine deutliche Distanzierung von der Sichtweise der Rechtssprechung und des ihr folgenden Schrifttums unmittelbar nach In-Kraft-Treten des Börsengesetzes im Jahre 1896. So hat die in der älteren Literatur noch häufig zitierte „Feenpalast“-Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts v. 26.11.1898 ausdrücklich erkannt2, dass die Preisfeststellung kein notwendiges Kriterium dafür ist, ob eine Marktveranstaltung als Wertpapierbörse qualifiziert werden kann. Die älteren Kommentare zum Börsengesetz haben sich dieser rechtlichen Bewertung ohne eigene Stellungnahme angeschlossen3.
4.28
Ein Schwerpunkt des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes war eine ausführliche Regelung der Ermittlung von Börsenpreisen, insbesondere wegen ihrer großen Bedeutung für den Anlegerschutz4. Wie die Gesetzesmaterialien betonen, bestand ein dringendes Bedürfnis nach einer gesetzlichen Vorgabe für
4.29
1 So befürworten Domowitz/Lee für den US-amerikanischen Kapitalmarkt funktionell darauf abzustellen, ob in dem Handelssystem eine Preisfeststellung erfolgt (The legal Basis for Stock Exchanges, The Classification and Regulation of Automated Trading System, EVANSTON, London, 1996, S. 108 ff. [113 ff.]), zitiert bei Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 386 Fn. 425. 2 Die Getreidehändler Berlins hatten nach In-Kraft-Treten des Börsengesetzes versucht, ihren Handel der staatlichen Aufsicht dadurch zu entziehen, dass sie private Zusammenkünfte in dem ehemaligen Varietétheater „Feenpalast“ abhielten (vgl. PrOVGE 34, S. 315 ff.). 3 Nußbaum, BörsG, 1910, § 29 Abs. II; § 1 II S. 4; Meyer-Bremer, Börsengesetz, 4. Aufl. 1957, § 1 Rz. 1. Auch nach Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, 2000, S. 36, ist die Preisermittlung kein konstitutives Merkmal der Börse; differenzierend Reuschle/ Fleckner, BKR 2002, 617 (623 f.). 4 Hammen, WM 2001, 929 (931).
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
die Kriterien, die an ein ordnungsmäßiges Zustandekommen der Börsenpreise zu stellen sind1. Eine faire Preisbildung sei ein Gütesiegel für einen funktionsfähigen Finanzplatz2. Die Anleger wie auch die am Markt agierenden Handelsteilnehmer müssen auf ein manipulationsfreies Zustandekommen von Börsenpreisen vertrauen können3. Auch hat die Preisermittlung mit ihrer betriebs- und volkswirtschaftlichen Leitfunktion als zentrales Anliegen einer Börse für die Funktionsfähigkeit von Kapitalmärkten eine große Bedeutung4.
4.30
In der jüngeren Literatur kamen vereinzelt Stimmen auf, die in der staatlichen Regelung und Überwachung der Preisermittlung die entscheidenden Begriffsmerkmale der Börse erblicken wollten5. Zweifellos sind diese beiden Aspekte der Börsenpreise insbesondere aus der Sicht der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wertpapierbörsen ein wesentliches Qualitätsmerkmal. Die Regulierung und staatliche Kontrolle der Preisermittlung sind jedoch als konstitutive Begriffsmerkmale ungeeignet. Denn beide Kriterien sind nur die Rechtsfolge der Genehmigung eines organisierten Wertpapierhandels als Börse. Sie können damit schwerlich zum Tatbestand des materiellen Börsenbegriffs gehören6.
4.31
Die Qualität der Ermittlung und die Neutralität der Börsenpreise ist auch im Schrifttum als ein Abgrenzungsmerkmal des Börsenhandels von den außerbörslichen Handelssystemen anerkannt.
4.32
Die „neutralitätswahrende“ Preisermittlung, die seit jeher ein wesentliches Merkmal der Börse war, ist für die Begriffsdefinition als konstitutives Merkmal der Börse im materiellen Sinne geeignet. Denn ein solches neutrales Verhalten lässt sich auch ohne börsenrechtliche Genehmigung bereits dadurch herbeiführen, dass skontroführende Makler mit dem neutralen Zustandebringen der Wertpapiergeschäfte und der hierzu erforderlichen Ermittlung der Preise betraut werden. Die Pflicht zur Unparteilichkeit und Neutralität gehört bereits nach den einschlägigen Bestimmungen des BGB und des HGB zu den wesentlichen Pflichten eines Maklers, ohne dass dieser zunächst durch börsenrechtliche Genehmigung den Status eines „Börsen“maklers erlangen muss. Ist wie im Börsenhandel der Makler von beiden Vertragsparteien beauftragt, gehört es zu seinen vornehmsten Berufspflichten, streng unparteiisch zu sein und beide Auftraggeber fair zu behandeln7. Bei Geschäftsabschlüssen in 1 BT-Drucks. 12/6679, S. 69. 2 BT-Drucks. 12/6679, S. 76. 3 BT-Drucks. 12/6679, S. 11, 69, 70, 76. Den Schutz dieses Vertrauens auf die Qualität der Preise betonen auch die Gesetzesmaterialien zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz. Nach Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497 (1500 f.) hat das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz die Funktion des Börsenpreises noch eindeutiger pointiert und damit die Integrität der Preisbildung nochmals unter verstärkten Schutz gestellt. 4 Hagena in Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, 2003, S. 307 (311). 5 Wastl/Schlitt, WM 2001, 1702 (1708). 6 Hammen, WM 2001, 929 (930); Spindler, WM 2001, 1689 (1696); Hopt/Baum in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 383 f.; Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617 (623). 7 BGH v. 18.5.1973 – IV ZR 21/72, NJW 1973, 1458 (1459); Reuter in Staudinger 1995, Neubearb. 2010, §§ 652–653 BGB Rz. 225, § 654 BGB Rz. 8; Lorentz in Soergel,
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4. Teil
Der Börsenbegriff
einem elektronischen Handelssystem wird diesen Aspekten bei der Programmierung der hierfür verwendeten Software Rechnung getragen werden1. Für die Preisermittlung im Börsenhandel gilt aber nicht nur das Gebot der Neutralität. Infolge der Anwendbarkeit des Börsengesetzes ist diese Preisermittlung in der Börsenordnung zu regeln. Überdies ist eine staatliche Überwachung der Ermittlung der Preise vorgesehen. Diese Regulierung und staatliche Kontrolle der Preisermittlung kann aber im Unterschied zur Neutralität kein konstitutives Merkmal des Börsenbegriffes sein. Denn sie ist die Rechtsfolge der Genehmigung eines börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels und damit für eine Definition des Börsenbegriffs ungeeignet.
4.33
3. Neue Begriffsdefinition
4.34
Nach alledem wurde die Börse in der 3. Auflage definiert als „ein in regelmäßig kürzeren Zeitabständen zugängliches Handelssystem, das in ihm Geschäftsabschlüsse zwischen den Handelsteilnehmern über dort gehandelte Gegenstände mit transparenter und neutraler Preisermittlung ermöglicht“ (vgl. Voraufl., Rz. 17.68). Die Bezeichnung des Marktgeschehens als „Handelssystem“ trug der zunehmenden „Elektronisierung“ des Börsenhandels Rechnung.
4.35
Diese enge Verknüpfung der Definition eines modernen Börsenbegriffs mit der Neutralität der Preisermittlung steht auch im vollen Einklang mit den regulatorischen Zielen des deutschen und europäischen Gesetzgebers. So fügte das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz in das Wertpapierhandelsgesetz einen neuen Abschnitt 4 (§ 20a) ein, der das Verbot der Manipulation von Kursen und Marktpreisen und die effiziente Durchsetzung dieses Verbots regelt. Dieser Gewährleistung eines manipulationsfreien neutralen Preises dient auch die EG-Richtlinie über Marktmissbrauch2. Auch dies spiegelt den hohen rechtspolitischen Stellenwert einer neutralen Preisermittlung wider, wie sie die Börse als Marktveranstaltung sicherstellen soll.
4.36
12. Aufl. 1999, § 654 BGB Rz. 4; Roth in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 654 BGB Rz. 11a; Hoyningen-Huene in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2005, § 93 HGB Rz. 48; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2008, § 93 HGB Rz. 43. 1 Nach Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 421, kann auch in einem elektronischen Handelssystem ein Kurs höchster Qualität durch vollständig definierte, öffentlich bekannt gemachte und kontrollierte Preisermittlungsregeln erreicht werden. Vgl. weiter Hammen, WM 2002, 2129 (2134). 2 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16.
Seiffert
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4. Viertes Finanzmarktförderungsgesetz ohne Definition des Börsenbegriffs
4.37
In der Schlussphase des Gesetzgebungsverfahrens ist auf Grund einer Beschlussempfehlung des Bundestag-Finanzausschusses mit Rücksicht auf die Länder-Börsenaufsichtsbehörden festgeschrieben worden, dass diese auch für die Aufsicht über die so genannten börsenähnlichen Einrichtungen nach Maßgabe der hierfür neu geschaffenen Bestimmungen zuständig sind (§§ 59, 60 BörsG aF). Der damals neu eingeführte Begriff der börsenähnlichen Einrichtungen warf die Frage auf, ob der Gesetzgeber – trotz seines ausdrücklich erklärten Verzichts1 – hiermit implizite eine Börsendefinition eingeführt hatte oder dieser neue Begriff zumindest auf den Börsenbegriff ausstrahlte2.
4.38
Wie sich schon aus der Bezeichnung „börsenähnliche Einrichtung“ und zudem aus verschiedenen Passagen der Gesetzesmaterialien ergibt, wollte der Gesetzgeber mit der börsenähnlichen Einrichtung eine (qualifizierte) elektronische Marktveranstaltung schaffen, die sich einerseits von der Börse im engeren Wortsinne und andererseits von den sonstigen (bilateralen) elektronischen Handelssystemen abgrenzt3. So heißt es bei der Erläuterung der in den §§ 58, 59 BörsG des neu eingefügten Abschnittes 5 getroffenen Regelungen: „Auch mit den Regelungen des neu eingefügten Abschnitts 5 des Börsengesetzes über die Bestimmungen über den elektronischen Handel in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern und Rechten wird zwischen Börse, börsenähnlichen Einrichtungen und sonstigen elektronischen Handelssystemen unterschieden.“4
II. Legaldefinition der Börse durch FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz
4.39
Mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde in § 2 Abs. 1 BörsG eine Legaldefinition des Begriffs Börse eingeführt und eine lang geführte Diskussion zu einem Abschluss gebracht5. Demnach sind Börsen teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, die nach Maßgabe des Börsengesetzes multilaterale Systeme regeln und überwachen, welche die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Wirtschaftsgütern und Rechten innerhalb des Systems nach festgesetzten Be-
1 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/804, S. 146. Vgl. weiter Hagena in Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, 2003, S. 307 (310). 2 Spindler, WM 2002, 1325 (1333); Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617 (624). 3 Vgl. Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617 (624). 4 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 14/8601, S. 15. 5 Burgi, WM 2009, 2337 (2338); Hammen, Der Konzern 2008, 269 (273); Gleiches gilt für die Frage, ob eine privatrechtlich organisierte Börse eine rechtliche Option darstellen könnte, siehe hierzu die Voraufl. unter Rz. 17.404 ff., im Ergebnis aber zu Recht ablehnend, Rz. 17.440.
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4. Teil
Der Börsenbegriff
stimmungen in einer Weise zusammenbringen oder das Zusammenbringen fördern, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Handelsobjekte führt. Die Begriffsdefinition der Börse lehnt sich stark an die Definition des geregelten Marktes in Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der Finanzmarktrichtlinie an1 und entspricht in weitem Teilen auch dem materiellen Börsenbegriff. Nach der Gesetzesbegründung soll für den Börsenbegriff die nach Erteilung der Genehmigung entstehende Anstalt des öffentlichen Rechts einschließlich der nach dem Börsengesetz vorgegebenen Börsenstruktur nebst den Börsenorganen als formelle Kriterien prägend sein2. Die materiellen Kriterien sollen sich aus den Eigenschaften des organisierten Marktes iS des § 2 Abs. 5 WpHG ergeben3. Der Gesetzgeber geht daher von einer „materiellen Identität“ zwischen multilateralem Handelssystem und Börse aus4. Eine Unterscheidung kann mithin erst erfolgen, wenn die Genehmigung zum Betrieb erteilt wurde. Der antragstellende (zukünftige) Betreiber entscheidet damit letztlich darüber, ob er bereit ist die Anforderungen des Börsengesetzes einzuhalten oder ob er eine Finanzdienstleistung5, den Betrieb eines multilateralen Handelssystems, erbringen möchte6. Kann das antragstellende Unternehmen alle im Börsengesetz geforderten Nachweise im Rahmen der Antragstellung erbringen, ist der Betrieb der Börse dann auch zu genehmigen, unabhängig davon, ob die Börsenaufsicht ein Bedürfnis für eine (neue) Börse erkennen kann oder nicht.
4.40
Die Begriffsbestimmung der Börse besteht im Wesentlichen aus vier Punkten: (1) Über und in einem (zentralen) System, (2) welches den Anforderungen des Börsengesetzes Rechnung trägt, können (3) zugelassene Handelsteilnehmer (4) in zum Handel zugelassenen Wirtschaftsgütern oder Rechten Kaufverträge abschließen7. Die Anknüpfung an ein System ist dabei historisch betrachtet die Fortschreibung der Ortsgebundenheit8, die es den Teilnehmern ermöglicht, Kaufverträge zu schließen. Das besondere Zulassungserfordernis für Handelsteilnehmer und Handelsgegenstände war ebenfalls bereits Bestandteil frühester Börsendefinitionen9. Neu ist hingegen, dass das System nach den Vorgaben des Börsengesetzes ausgestaltet sein muss. Diese – gesetzgeberisch beabsichtigte – Abkehr von dem Versuch der Definition anhand bestimmter äußerer Merkmale einer Versammlung von Maklern führt dazu, dass mit dem Zeitpunkt der Genehmigung die Vorschriften des Börsengesetzes einzuhalten sind und die entsprechende Organisationsstruktur vorzuliegen hat.
4.41
1 2 3 4 5 6
Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 76. Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 76. Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 79. Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG. Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 81 spricht daher auch von einem Wahlrecht des antragstellenden Unternehmens. 7 Vgl. hierzu insbesondere Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 2. 8 Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 Rz. 5; unter Verweis auf die bereits vor dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz bestehende Auffassung bei Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 3, Hammen, WM 2001, 929 (930); Foelsch in BuB, Rz. 7/432 ff. 9 Schwark in Schwark, § 16 BörsG Rz. 1.
Seiffert
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317
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4.42
Die staatliche Preisüberwachung ist auf den ersten Blick nicht in die materielle Definition einer Börse eingeflossen. Nach Groß1 soll es sich aber (trotzdem) um eine Voraussetzung für eine Qualifikation als Börse und nicht um eine Rechtsfolge der Genehmigung handeln, gleiches gelte in Bezug auf die begrenzte Teilnehmerschaft. Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems wird dagegen über § 31f Abs. 1 Nr. 1 WpHG dazu verpflichtet, Regelungen für den Zugang zum System aufzustellen, die denen des § 19 Abs. 2 und 4 Satz 1 BörsG entsprechen. Zu Gunsten des Betreibers eines multilateralen Handelssystems ist daher auch anerkannt, dass selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des Börsengesetzes für eine Teilnehmerschaft der Betreiber keinem Kontrahierungszwang unterliegt2. Dagegen hat der potentielle Börsenhandelsteilnehmer, der die Voraussetzungen zur Teilnahme am Börsenhandel nach § 19 Absatz 4 BörsG erfüllt, einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Zulassung3.
4.43
Eine Einbeziehung der staatlichen Preisüberwachung in den Begriff der Börse ergibt sich jedoch daraus, dass die Regelung des Systems „Börse“ nach Maßgabe des Börsengesetzes zu erfolgen hat. Das Börsengesetz sieht gerade „Qualitätsstandards“ für die Ermittlung des Börsenpreises vor, die von einer unabhängigen staatlichen Stelle (der Handelsüberwachungsstelle, welche eine Behörde im Rechtssinne ist), überwacht werden. Um diese besondere Qualität des Börsenpreises in vergleichbarere Weise auch im Handel über multilaterale Handelssysteme zu erreichen, hat der Betreiber eines multilateralen Handelssystems sicherzustellen, dass die Preise, die in dem System zu Stande kommen, den Anforderungen des § 24 Abs. 2 BörsG entsprechen. Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems ist insoweit an identische Regelungen gebunden, was zeigt, dass die Qualität des Börsenpreises der zu erreichende Maßstab ist. In der Tat ist daher die staatliche Preisüberwachung ein prägendes Merkmal einer Börse, welches aber erst als Rechtsfolge aus der Genehmigung folgt.
4.44
Gleichfalls nicht Gegenstand der Definition einer Börse ist das Merkmal der Handelstransparenz geworden4. Vor dem Hintergrund der materiellen Identität des multilateralen Handelssystems und der Börse ist es daher auch folgerichtig, dass identische Standards für die Herstellung der Vor- und Nachhandelstransparenz im Handel mit Aktien und aktienvertretenden Zertifikaten, welche zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen wurden, gelten5.
4.45
Die Definition der Börse in § 2 Abs. 1 BörsG ermöglicht nicht, allein anhand der materiellen Definition einer Börse eine Abgrenzung zum multilateralen 1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 BörsG Rz. 5. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31f WpHG Rz. 8. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 19 BörsG Rz. 17; Ledermann in Schäfer/Hamann, § 16 BörsG Rz. 5. 4 Die Handelstransparenz ist auch nicht Merkmal eines organisierten Marktes iS des § 2 Abs. 5 WpHG. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31g WpHG Rz. 1; Seiffert/Vollmuth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 1443.
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Seiffert
4. Teil
Außerbörsliche elektronische Handelssysteme
Handelssystem iS des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG vorzunehmen. Folgerichtig geht daher auch die Regierungsbegründung zum FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz von einer Wahlmöglichkeit des Betreibers einer Börse beziehungsweise eines multilateralen Handelssystems aus1. Ist die Erlaubnispflicht zur Errichtung einer Börse aber kein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, ist die Frage der vorausschauenden Unterscheidbarkeit von Börse zu multilateralen Handelssystem entbehrlich geworden, da der Betreiber letztlich mit der Art des Systems auch eine bestimmte Rechtsform für sein Handelssystem wählen kann. Eine formale Abgrenzung ist daher letztlich nur über die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts möglich, ein Rechtszustand, der erst durch die Genehmigung als Börse erreicht wird.
4.46–4.50
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Außerbörsliche elektronische Handelssysteme Ausgehend von den USA in den frühen 80er Jahren ist inzwischen weltweit eine Vielzahl von elektronischen Handelssystemen (Alternative Transaktionssysteme – ATS) am Wertpapierhandel beteiligt. Diese Handelsplattformen stehen in einem massiven Wettbewerb zu den traditionellen Börsen2. So wurde es bereits lange vor Verabschiedung der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente allgemein für wahrscheinlich gehalten, dass der Einsatz moderner Kommunikationstechnologien im Wertpapiergeschäft zu einer starken Verlagerung der Liquidität von den Börsen auf die außerbörslichen Handelssysteme im In- und Ausland führen wird3. Eine solche Prognose enthält auch das Konsultationspapier „Proposed Standards for Alternative Trading Systems“, das das „Committee of European Securities Regulators“ (CESR), das offizielle Beratungsgremium der EG-Kommission für das Wertpapier- und Börsenwesen, bereits 2002 veröffentlicht hat4.
4.51
So haben professionelle, global agierende Marktteilnehmer früh die Möglichkeit genutzt, dass hoch entwickelte Technologie zu immer niedrigeren Kosten verfügbar ist, um neue Electronic Communication Networks (ECNs)5 zu gründen oder sich an bereits bestehenden ECNs zu beteiligen. Die ECNs stellen
4.52
1 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 81. 2 So bereits BT-Drucks. 14/8601, S. 15. 3 BT-Drucks. 14/804, S. 152; Ackermann (Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank AG), Internationale Kapitalmärkte der Zukunft – der Einfluss des Internets, in Krumnow/Lange (Hrsg.), Management eBanking, 2001, S. 155 (167); Liersch, WM 2003, 461 (474). 4 Abrufbar unter http://www.cesr-eu.org, Ref.: CESR/02-001. 5 Einen guten Überblick über die ECNs, die bereits im Jahr 1999 bestanden, enthält eine Broschüre der Deutsche Börse AG (1999) sowie eine Studie von Forit Internet Business Research (2000).
Seiffert
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4. Teil
Außerbörsliche elektronische Handelssysteme
Handelssystem iS des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG vorzunehmen. Folgerichtig geht daher auch die Regierungsbegründung zum FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz von einer Wahlmöglichkeit des Betreibers einer Börse beziehungsweise eines multilateralen Handelssystems aus1. Ist die Erlaubnispflicht zur Errichtung einer Börse aber kein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, ist die Frage der vorausschauenden Unterscheidbarkeit von Börse zu multilateralen Handelssystem entbehrlich geworden, da der Betreiber letztlich mit der Art des Systems auch eine bestimmte Rechtsform für sein Handelssystem wählen kann. Eine formale Abgrenzung ist daher letztlich nur über die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts möglich, ein Rechtszustand, der erst durch die Genehmigung als Börse erreicht wird.
4.46–4.50
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Außerbörsliche elektronische Handelssysteme Ausgehend von den USA in den frühen 80er Jahren ist inzwischen weltweit eine Vielzahl von elektronischen Handelssystemen (Alternative Transaktionssysteme – ATS) am Wertpapierhandel beteiligt. Diese Handelsplattformen stehen in einem massiven Wettbewerb zu den traditionellen Börsen2. So wurde es bereits lange vor Verabschiedung der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente allgemein für wahrscheinlich gehalten, dass der Einsatz moderner Kommunikationstechnologien im Wertpapiergeschäft zu einer starken Verlagerung der Liquidität von den Börsen auf die außerbörslichen Handelssysteme im In- und Ausland führen wird3. Eine solche Prognose enthält auch das Konsultationspapier „Proposed Standards for Alternative Trading Systems“, das das „Committee of European Securities Regulators“ (CESR), das offizielle Beratungsgremium der EG-Kommission für das Wertpapier- und Börsenwesen, bereits 2002 veröffentlicht hat4.
4.51
So haben professionelle, global agierende Marktteilnehmer früh die Möglichkeit genutzt, dass hoch entwickelte Technologie zu immer niedrigeren Kosten verfügbar ist, um neue Electronic Communication Networks (ECNs)5 zu gründen oder sich an bereits bestehenden ECNs zu beteiligen. Die ECNs stellen
4.52
1 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 81. 2 So bereits BT-Drucks. 14/8601, S. 15. 3 BT-Drucks. 14/804, S. 152; Ackermann (Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank AG), Internationale Kapitalmärkte der Zukunft – der Einfluss des Internets, in Krumnow/Lange (Hrsg.), Management eBanking, 2001, S. 155 (167); Liersch, WM 2003, 461 (474). 4 Abrufbar unter http://www.cesr-eu.org, Ref.: CESR/02-001. 5 Einen guten Überblick über die ECNs, die bereits im Jahr 1999 bestanden, enthält eine Broschüre der Deutsche Börse AG (1999) sowie eine Studie von Forit Internet Business Research (2000).
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
regelmäßig gegen Entgelt ihren Kunden auf vertraglicher Grundlage Fazilitäten für Wertpapiergeschäfte über ein Computernetzwerk zur Verfügung. Auch haben große Investmentbanken eigene Handelsplattformen aufgebaut, um den „Orderflow“ anderer in- und ausländischer Kreditinstitute in das eigene Haus zu leiten („internalisieren“). Die so an sich gezogenen Kundenaufträge werden „inhouse“ ausgeführt und nur noch die Spitzen an eine Börse weitergeleitet (sog. Internalisierungs-System)1. Bereits Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts konnte daher insbesondere in den USA das Aufkommen alternativer Handelssysteme2 für Wertpapiere beobachtet werden. Im Zuge der fortschreitenden Elektronisierung der Kommunikation wurden immer schnellere und leistungsfähigere Systeme entwickelt, die sich im Laufe der Zeit auch zu einer erheblichen Konkurrenz für die etablierten Börsen entwickelten.
4.53
In Europa begann diese Entwicklung etwas später und wurde gebremst durch den in vielen Staaten herrschenden Börsenzwang oder Börsenvorrang für Aktiengeschäfte, der eine weit gehende Konzentrierung des Handels auf die Börsen zur Folge hatte. Auch in Deutschland wurde der in § 22 BörsG aF geregelte Börsenvorrang erst mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz aufgehoben. In Deutschland erfolgte die erstmalige, rudimentäre Regelung dieser als börsenähnliche Einrichtung oder bilaterales System bezeichneten außerbörslichen Handelssysteme im Zuge des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes im Börsengesetz (§§ 58, 59 BörsG aF).
4.54
Im Zuge des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes wurden die nunmehr als multilaterales Handelssystem beziehungsweise systematische Internalisierung bezeichneten Tatbestände in das Wertpapierhandelsgesetz überführt und der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterworfen. Zudem besteht nunmehr die Möglichkeit, über den so genannten „europäischen Pass“3 ein multilaterales Handelssystem grenzüberschreitend zu betreiben. Diese multilateralen Handelssysteme haben sich insbesondere im Aktienhandel als Konkurrenz zu den etablierten Börsen entwickelt4, wobei alle Konkurrenten der großen etablierten Börsen unter der Aufsicht der Financial Services Authority (FSA) in London unterstehen5.
4.55
In Deutschland gibt es multilaterale Handelssysteme mit Ausnahme der an den Börsen stattfinden Freiverkehre nur im Nichtaktienbereich. Zu nennen sind hier insbesondere die Eurex Bonds und Eurex Repo, die als multilaterale 1 Ackermann, Internationale Kapitalmärkte der Zukunft – der Einfluss des Internets, in Krumnow/Lange (Hrsg.), Management eBanking, 2001, S. 155 (165, 166). Vorteile der internalisierten Orderausführung sind ihre Sofortigkeit und die geringeren Transaktionskosten (Schuster, Börsen-Zeitung v. 19.12.2002). 2 Ausführlich zu außerbörslichen elektronischen Handelssystemen siehe Kümpel in der 3. Aufl. unter Rz. 17.115 ff. und 17.130 ff. 3 § 53b Abs. 1 KWG, siehe auch Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 36a WpHG Rz. 2. 4 Teske, Die Bank 2009, 13 (14). 5 MiFID Database von CESR, abrufbar unter http://mifiddatabase.cesr.eu/.
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4. Teil
Außerbörsliche elektronische Handelssysteme
Handelssysteme den Handel in Unternehmensanleihen und Wertpapierpensionsgeschäfte anbieten. Als Systematischer Internalisierer ist in Deutschland kein Unternehmen registriert (Stand Juni 2010)1.
4.56
I. Multilaterale Handelssysteme Der Betrieb eines multilateralen Handelssystems ist eine Wertpapierdienstleistung (§ 2 Abs. 3 Nr. 8 WpHG) und eine Finanzdienstleistung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG) und bedarf daher der Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 32 Abs. 1 KWG). Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems ist damit bestimmten Eigenkapitalanforderungen und Organisationserfordernissen unterworfen.
4.57
1. Merkmale Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems hat vielfältige aufsichtsrechtliche Anforderungen zu beachten, die letztlich dazu führen sollen, dass es sich bei einem multilateralen Handelssystem um eine adäquate Konkurrenz zu den etablierten Börsen handelt2.
4.58
Der Betreiber muss Regelungen für den Zugang von Handelsteilnehmern zu dem Multilateralen Handelssystem festlegen, die den Anforderungen des § 19 Abs. 2 und 4 Satz BörsG entsprechen (§ 31f Abs. 1 Nr. 1 WpHG). Im Gegensatz zu den Börsen ist der Betreiber jedoch bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht verpflichtet, den Zugang zu gewähren, er unterliegt insoweit keinem „Zulassungszwang“3. Dem Betreiber ist es darüber hinaus auch unbenommen, weiter gehende Kriterien für den Zugang aufzustellen, wobei die Erfüllung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 und 4 BörsG die Mindestkriterien darstellt. Diese Möglichkeiten des Betreibers eines multilateralen Handelssystems korrespondieren mit dem Umstand, dass der Betreiber eine Wertpapierdienstleistung erbringt und insoweit frei ist, einen Kundenkreis ebenso wie die Ausgestaltung der Dienstleistung im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Rahmens selbst zu bestimmen.
4.59
Der Betreiber hat Regelungen zu schaffen, die die Einbeziehung von Finanzinstrumenten, die ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Preisermittlung sowie der Abwicklung behandeln. Dies wird der Betreiber regelmäßig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen abbilden, die im Gegensatz zu den entsprechenden börslichen Regelwerken nicht der Genehmigung durch die Auf-
4.60
1 MiFID Database von CESR, abrufbar unter http://mifiddatabase.cesr.eu/. 2 Erwägungsgründe 5 und 6 zur Richtlinie 2004/39/EG des europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU Nr. L 145, S. 1. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31f WpHG Rz. 8.
Seiffert
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
sichtsbehörde bedürfen1. Zu beachten ist, dass auf Grund § 31f Abs. 2 WpHG Emittenten, deren Finanzinstrumente ohne ihre Zustimmung in den Handel einbezogen wurden, keiner weiteren zwingenden Informationsverpflichtung auf Grund der Einbeziehung unterworfen werden können; eine Regelung, die in § 48 Abs. 1 Satz 2 und 4 BörsG auch für den Freiverkehr getroffen wurde.
4.61
Die Überwachung der selbst gesetzten Bedingungen iS des § 31f Abs. 1 Nr. 2 WpHG obliegt dem Betreiber selbst, es gibt kein weisungsunabhängiges Organ, wie etwa die Handelsüberwachungsstelle an den Börsen, das die Einhaltung der Regelungen überwachen würde.
4.62
Der Betreiber hat auch dafür Sorge zu tragen, dass die Preise den Anforderungen des § 24 BörsG entsprechen. Diese Regelung verfolgt den Zweck, ein einheitliches Schutz- und Qualitätsniveau für Aufträge in Finanzinstrumenten zu schaffen, unabhängig von dem Ort der Ausführung2. Dies korrespondiert mit der Verpflichtung des Betreibers, über angemessene Kontrollverfahren zur Überwachung der Einhaltung des Verbots von Insidergeschäften (§ 14 WpHG) und des Verbots der Marktmanipulation (§ 20a WpHG) zu verfügen (vgl. § 31f Abs. 1 Nr. 3 WpHG) (hierzu eingehend Rz. 3.451 ff.). Um dieses Ziel auch nachprüfbar zu erreichen, hat der Betreiber Aufzeichnungen über die erteilten Aufträge und abgeschlossenen Geschäfte zu führen, die der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine lückenlose Überwachung ermöglichen (§ 31f Abs. 1 Nr. 5 WpHG). Auch hat der Betreiber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht schwerwiegende Verstöße gegen die Handelsregeln und Störungen der Marktintegrität mitzuteilen.
4.63
Diese Masse an unbestimmten Rechtsbegriffen im WpHG führt zu einiger Unsicherheit im Rahmen der Anwendbarkeit, wobei jedoch betont werden muss, dass es in Deutschland keine dem § 31f WpHG unterfallenden Systeme für den Aktienhandel gibt3. Vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen und europäischen Ziels, den Wettbewerb zwischen Handelsplätzen zu ermöglichen und zu erhöhen, gerade auch durch Schaffung vergleichbarer aufsichtsrechtlicher und organisatorischer Standards, wird man im Rahmen der Auslegung des § 31f WpHG auf die im Bereich des Börsenrechts gemachten Erfahrungen zurückgreifen können und diese als Richtschnur zu Grunde legen.
4.64
Der Handel muss multilateral ausgestaltet sein. Dieses Kriterium dient der Abgrenzung des Systems von reinen Informationssystemen wie auch von bilateralen Systemen, bei denen ein Kaufvertrag nur mit dem Internalisierer selbst zu Stande kommt. Im Rahmen des multilateralen Handels muss es Kunden möglich sein, Kaufverträge über Wertpapiere mit anderen Kunden des multilateralen Handelssystems abzuschließen4. 1 Siehe § 16 Abs. 3 BörsG für die Börsenordnung und § 17 Abs. 2 BörsG für die Gebührenordnung. 2 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 68. 3 MiFIDDatabase, abrufbar unter http://mifidatabase.cesr.eu/. 4 Im Gegensatz zu den systematischen Internalisierern, die Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems für eigene Rechnung ausführen.
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4. Teil
Außerbörsliche elektronische Handelssysteme
Gegenstand des Handels an multilateralen Handelssystemen sind Finanzinstrumente iS des § 2 Abs. 2b WpHG. Für Waren kann daher kein Handel in einem multilateralen Handelssystem stattfinden1. Ferner gelten die Regelungen betreffend die Vor- und Nachhandelstransparenz auch nur für den Handel mit Aktien und Aktien vertretende Zertifikate, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 31g Abs. 1 WpHG). Die Eurex Bonds und Eurex Repo sind daher auch nicht von diesen Regelungen betroffen, sondern können das Transparenzregime in eigener Regie festlegen2.
4.65
Multilaterale Handelssysteme haben, sofern sie den Handel in Aktien und aktienvertretenden Zertifikaten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, anbieten, die Transparenzvorschriften des § 31f WpHG in Verbindung mit Abschnitt IV der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 (im Folgenden: VO) zu beachten.
4.66
Für multilaterale Handelssysteme gelten grundsätzlich die Vorschriften betreffend die Vorhandelstransparenz, die auch für die Börsen einschlägig sind3. Dies hat seinen Grund darin, dass es erklärtes Ziel der EU-Kommission war, für geregelte Märkte und multilaterale Handelssysteme ein „Level-PlayingField“ zu schaffen4. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum für multilaterale Handelssysteme die Vorschriften des Kapitels IV. Abschnitte 1 und 3 der VO ebenso wie für die Börsen gelten. Das WpHG enthält in § 31g WpHG lediglich eine Orientierungshilfe bei der Frage, was zu veröffentlichen ist. Nach § 31g Abs. 1 WpHG sind jedenfalls der Preis des am höchsten limitierten Verkaufsauftrages und des am niedrigsten limitierten Verkaufsauftrages und das zu diesen Preisen handelbare Volumen (die Stückzahl) kontinuierlich zu veröffentlichen. Die Adressaten dieser Veröffentlichung sind die Kunden des multilateralen Handelssystems, aber nicht eine darüber hinaus gehende Öffentlichkeit.
4.67
Der Kunde hat für die Nutzung eines multilateralen Handelssystems im Regelfall ein Entgelt zu zahlen, welches sich je nach Preismodell an der Größe der ausgeführten Order oder anderen Faktoren bestimmen kann. Zu beachten ist aber, dass die Betreiber von multilateralen Handelssystemen an die Regelungen des GWB hinsichtlich ihrer Preispolitik gebunden sind.
4.68
Der Betreiber ist frei in der Gestaltungsmöglichkeit seines Preisverzeichnisses, ihm steht aber nicht die Möglichkeit der Erhebung von Gebühren zur Verfügung. Dies bedeutet auch, dass Außenstände über das allgemeine Zivilrecht und nicht über das Verwaltungsvollstreckungsrecht eingebracht werden müssten.
4.69
1 Termingeschäfte mit Bezug auf Waren wären jedoch als Derivate ein zulässiger Handelsgegenstand, vgl. § 2 Abs. 2b WpHG. 2 Siehe die AGB der Eurexbonds unter www.eurex-bonds.de und diejenigen der Eurex Repo unter www.eurexrepo.com. 3 Seiffert/Vollmuth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 1587. 4 Seiffert/Vollmuth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 1587.
Seiffert
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
2. Abgrenzung zu Börsen
4.70
Aus Handelssicht gibt es zwischen einem multilateralen Handelssystem und einer Börse keinen wesentlichen Unterschied1. Insoweit wurde das gesetzgeberische Ziel einer Gleichstellung der Handelsplätze zur Erhöhung des Wettbewerbs erreicht. Allerdings scheint sich auch ein Teil der im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsprozesses erhobenen Bedenken, insbesondere die teilweise Fragmentierung der vorhandenen Liquidität und die Konzentration der Liquidität auf die „großen“ Börsen, bewahrheitet zu haben2. Die etablierten Börsen habe merkliche Marktanteilsverluste im Aktienhandel hinnehmen müssen, was allerdings wesentlich auf den Handel institutioneller – kostensensitiver – Kunden zurückzuführen ist3. Soweit ersichtlich, sind insbesondere im Aktienhandel multilaterale Handelssysteme nicht in größerem Umfang von Privatanlegern frequentiert worden. Die Unterschiede zwischen Börsen und multilateralen Handelssystemen sind insbesondere in der der Überwachung der Preisbildung durch die unabhängige Handelsüberwachungsstelle sowie in der organisatorischen Selbständigekit der Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts zu sehen. Multilaterale Handelssysteme operieren ausschließlich auf der privatrechtlicher Basis.
II. Freiverkehr an den Börsen
4.71
Der Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse ist rechtstechnisch ebenfalls ein multilaterales Handelssystem4. Dieses multilaterale Handelssystem wird jedoch durch die Börsenaufsicht überwacht, da – zu Recht – im Gesetzgebungsverfahren zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz darauf hingewiesen wurde, dass bei der Börsenaufsicht die größere Sachkompetenz und Nähe zum Börsenhandel vorhanden ist.
4.72
Der Freiverkehr ist damit ein multilaterales Handelssystem, welches von einem Börsenträger betrieben wird. Der Freiverkehr unterliegt deshalb den Anforderungen des WpHG, sondern den Regelungen des Börsengesetzes, wie § 48 BörsG klarstellt. Durch die gefundene Regelung im Börsengesetz ist der Betrieb des Freiverkehrs auch keine Wertpapierdienstleistung5, die eine entsprechende Genehmigung des Börsenträgers (als Betreiber des Freiverkehrs) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfordern würde.
4.73
Die Einrichtung des Freiverkehrs bedarf vielmehr der Genehmigung durch die Börsengeschäftsführung6. Zudem sind die Handelsbedingungen durch den Börsenrat als Satzung zu erlassen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BörsG). Durch diese Erforder1 2 3 4 5 6
Teske, Die Bank 2009, 14 (15). Gomber/Hirschberg, AG 2006, 777 (782). Gomber/Chistalla/Groth, ZBB 2008, 2 (10). Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 68. Vgl. § 2a Abs. 1 Nr. 13 WpHG. Vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 BörsG („... kann die Börse ... zulassen ...“), wobei die Börse durch die Geschäftsführung vertreten wird, § 15 Abs. 3 BörsG.
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4. Teil
Außerbörsliche elektronische Handelssysteme
nisse wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Missstände im Freiverkehr auch die Reputation des Börsenhandels beschädigen können, da in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit keine Unterscheidung zwischen Freiverkehr und Handel im Regulierten Markt gemacht wird. Der Handel im Freiverkehr unterfällt daher auch dem Insiderhandelsverbot wie dem Marktmanipulationsverbot die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erhält daher auch Meldungen über die abgeschlossenen Geschäfte im Rahmen der Meldungen gemäß § 9 WpHG. Der im Handel im Freiverkehr zu Stande kommende Preis gilt als Börsenpreis und daher sind auch die Anforderungen des § 24 BörsG einzuhalten1. Der Handel im Freiverkehr wird durch die Handelsüberwachungsstelle überwacht2. Eine Sanktion für einen Regelwerksverstoß durch einen Handelsteilnehmer kann jedoch, im Unterschied zum börslichen Handel, nicht durch den Sanktionsausschuss erfolgen, da der Sanktionsausschuss lediglich die Verletzung börslicher Anordnungen und Regelwerke ahnden kann. Eine Sanktion könnte daher über Vertragsstrafen erfolgen, sofern nicht ohnehin eine Verfolgung bestimmter Verstöße durch die Börsenaufsichtsbehörde oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfolgt.
4.74
Der Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse wird geregelt durch Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Handel, die der Freiverkehrsträger, die Deutsche Börse AG, und die Handelsbedingungen, die der Börsenrat der Frankfurter Wertpapierbörse erlässt3. Der Handel im Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse unterscheidet sich im Handelsablauf nicht vom börslichen Handel.
4.75
III. Systematische Internalisierung Gab es zunächst keinen speziellen Rechtsrahmen für die Internalisierung von Kundenaufträgen, dies bedeutet gegen den Eigenbestand an Wertpapieren auszuführen und erst gar nicht an eine Börse zu leiten, der dieser Art der Auftragsausführung Rechnung trug, wurde mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz das „elektronische Handelssystem“ als bilaterales System in das Börsengesetz einbezogen und damit der Börsenaufsicht unterstellt. Die Regelungen waren jedoch nur rudimentär ausgestaltet. Durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz kam es zu einer Neudefinition und einer Überführung der Regelungen betreffend die Internalisierung ins Wertpapierhandelsgesetz.
4.76
In diesem Zusammenhang wurden vielfältige Regelungen betreffend die systematische Internalisierung in das Wertpapierhandelsgesetz aufgenommen, die
4.77
1 Vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 BörsG; Groß, Kapitalmarktrecht, § 24 BörsG Rz. 5. 2 § 48 Abs. 3 Satz 2 BörsG erklärt insoweit für den Betrieb des Freiverkehrs § 7 BörsG für entsprechend anwendbar; Groß, Kapitalmarktrecht, § 48 BörsG Rz. 9. 3 § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BörsG.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
aufsichtsrechtlich sicherstellen sollen, dass die Internalisierung Standards unterworfen ist, die diese Art der Auftragsausführung aus Kundensicht nicht weniger reguliert erscheinen lässt, und zum anderen durch eine entsprechende Beaufsichtigung den Wettbewerb mit den anderen Handelsplätzen ermöglichen soll1.
4.78
Die systematische Internalisierung ist keine Wertpapierdienstleistung2. Gleichwohl definiert § 2 Abs. 10 WpHG einen Systematischen Interalisierer als ein Unternehmen, welches nach Maßgabe des Art. 21 der VO (EG) Nr. 1287/2006 häufig, regelmäßig und auf organisierte und systematische Weise Eigenhandel außerhalb organisierter Märkte und multilateraler Handelssysteme betreibt. Eigenhandel ist die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 WpHG). Internalisierung meint damit ein Szenario, in dem ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kundenaufträge gegen den Eigenbestand in Wertpapieren ausführt3. Systematische Internalisierer sind grundsätzlich frei in der Auswahl derjenigen Wertpapiere, in denen sie eine Internalisierung anbieten möchten. Die Auswahl könnte sich insbesondere auf wenige Wertpapiere beschränken.
4.79
Art. 21 der VO (EG) Nr. 1287/2006 zur Richtlinie über Märkte in Finanzinstrumenten gibt den in den in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geltenden Rahmen vor, wann der Tatbestand der systematischen Internalisierung erfüllt wird und die entsprechenden Folgepflichten erfüllt werden müssen.
4.80
Die im Wertpapierhandelsgesetz für den systematischen Internalisierer getroffenen Regelungen sind sehr technischer Natur. Die Regelungen betreffen im Wesentlichen die Verpflichtungen des Systematischen Internalisieres zur Herstellung der notwendigen Transparenz.
4.81
Erfüllt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Voraussetzungen des Art. 21 der VO (EG) Nr. 1287/2006, was es der BaFin anzeigen muss, greifen die Folgepflichten der §§ 32 bis 32d WpHG ein. Diese Regelungen gelten aber nur, wenn ein systematischer Internalisierer Aufträge bis zur standardmäßigen Marktgröße4 ausführt. Ein besonderer Schwerpunkt der Regelungen liegt dabei bei der durch den systematischen Internalisierer herzustellenden Handelstransparenz, insbesondere in der Verpflichtung, regelmäßig und kontinuierlich Quotes5 zu veröffentlichen, sofern es für die einbezogenen Aktien
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 32 WpHG Rz. 1; Kumpan, Die Regulierung außerbörslicher Handelssysteme im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht, 2006, S. 360. 2 Siehe den abschließenden Katalog des § 2 Abs. 3 WpHG. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 2 WpHG Rz. 186; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, Rz. VI 292. 4 Die Bestimmung der Standardmäßigen Marktgröße obliegt der BaFin gemäß § 32b WpHG unter Beachtung der in der VO (EG) 1287/2006, dort Art. 23 niedergelegten Kriterien. Eine Veröffentlichung erfolgt unter www.bafin.de. 5 Als Quotes bezeichnet § 32a Abs. 1 WpHG verbindliche Kauf- und Verkaufsangebote.
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Seiffert
4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
einen liquiden Markt gibt. Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht obliegt dabei auf der Grundlage des § 32b WpHG die Bestimmung, ob es in einer bestimmten Aktiengattung in Deutschland einen liquiden Markt gibt1. Die Ausführung von Kundenaufträgen durch systematische Internalisierer behandelt § 32c WpHG, der zum einen bestimmt, dass die Auftragsausführung zu dem Preis zu erfolgen hat, der dem zum Zeitpunkt des Auftragseingangs gültigen Quotes entspricht. Der systematische Internalisierer hat also grundsätzlich verbindliche Quotes zu stellen2. Die Ausführung der Aufträge von Privatkunden3 hat den Anforderungen des § 33a WpHG zu genügen4.
4.82
Im Übrigen gelten gemäß § 32a Abs. 4 WpHG für systematische Internalisierer die Vorschriften des Kapitel IV Abschnitt 2 und 4 der VO (EG) Nr. 1287/ 20065 hinsichtlich der Verpflichtung zur Herstellung der notwenigen Handelstransparenz.
4.83
4.84–4.90
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens I. Trägerschaft für Börse und Marktveranstaltung als duales System Die Errichtung und das Betreiben einer Börse bedarf der Genehmigung der zuständigen obersten Landesbehörde als Börsenaufsichtsbehörde (§ 4 Abs. 1 BörsG).
4.91
Diese Genehmigung entspricht der erforderlichen Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die den Teilnehmern am Börsenhandel erteilt wird. Die Handelsteilnehmer an einer Börse betreiben als Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungen iS des § 2 Abs. 3 WpHG.
4.92
Mit Erteilung der Genehmigung wird der Antragsteller „als Träger der Börse zu deren Errichtung und Betrieb berechtigt und verpflichtet“ (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BörsG).
4.93
1 Die Veröffentlichung erfolgt unter www.bafin.de. 2 Ausnahmen gelten für die Aufträge professioneller Kunden gemäß § 32c Abs. 2 WpHG. 3 Siehe zur Kundenkategorisierung Clouth/Seyfried in Ellenberger/Schäfer/Clouth/ Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 57 ff. 4 Zu den Grundsätzen die für die Anforderungen an die bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen gelten siehe bei Rz. 3.196. 5 Zu den Einzelheiten siehe Seiffert/Vollmuth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 1588 und Rz. 1616.
Seiffert
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4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
einen liquiden Markt gibt. Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht obliegt dabei auf der Grundlage des § 32b WpHG die Bestimmung, ob es in einer bestimmten Aktiengattung in Deutschland einen liquiden Markt gibt1. Die Ausführung von Kundenaufträgen durch systematische Internalisierer behandelt § 32c WpHG, der zum einen bestimmt, dass die Auftragsausführung zu dem Preis zu erfolgen hat, der dem zum Zeitpunkt des Auftragseingangs gültigen Quotes entspricht. Der systematische Internalisierer hat also grundsätzlich verbindliche Quotes zu stellen2. Die Ausführung der Aufträge von Privatkunden3 hat den Anforderungen des § 33a WpHG zu genügen4.
4.82
Im Übrigen gelten gemäß § 32a Abs. 4 WpHG für systematische Internalisierer die Vorschriften des Kapitel IV Abschnitt 2 und 4 der VO (EG) Nr. 1287/ 20065 hinsichtlich der Verpflichtung zur Herstellung der notwenigen Handelstransparenz.
4.83
4.84–4.90
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens I. Trägerschaft für Börse und Marktveranstaltung als duales System Die Errichtung und das Betreiben einer Börse bedarf der Genehmigung der zuständigen obersten Landesbehörde als Börsenaufsichtsbehörde (§ 4 Abs. 1 BörsG).
4.91
Diese Genehmigung entspricht der erforderlichen Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die den Teilnehmern am Börsenhandel erteilt wird. Die Handelsteilnehmer an einer Börse betreiben als Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungen iS des § 2 Abs. 3 WpHG.
4.92
Mit Erteilung der Genehmigung wird der Antragsteller „als Träger der Börse zu deren Errichtung und Betrieb berechtigt und verpflichtet“ (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BörsG).
4.93
1 Die Veröffentlichung erfolgt unter www.bafin.de. 2 Ausnahmen gelten für die Aufträge professioneller Kunden gemäß § 32c Abs. 2 WpHG. 3 Siehe zur Kundenkategorisierung Clouth/Seyfried in Ellenberger/Schäfer/Clouth/ Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 57 ff. 4 Zu den Grundsätzen die für die Anforderungen an die bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen gelten siehe bei Rz. 3.196. 5 Zu den Einzelheiten siehe Seiffert/Vollmuth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 1588 und Rz. 1616.
Seiffert
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327
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
1. Gesetzliche Aufteilung der Aufgaben aus der Betriebspflicht auf Börsenträger und Börse
4.94
Mit der staatlichen Erlaubnis wird dem Börsenträger auf der Grundlage des § 5 BörsG ein bestimmter Pflichtenkanon auferlegt. Hierzu zählt auch die bereits im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz angelegte Betriebspflicht, „die genehmigte Börse als Veranstaltung künftig zu betreiben und zu erhalten“1. Diese Betriebspflicht folgt nach den Gesetzesmaterialien zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz aus der „Betriebsberechtigung“.
4.95
Diese umfassende Betriebspflicht bedeutet freilich nicht, dass der Börsenträger selbst („höchstpersönlich“) sämtliche hiernach geschuldete Leistungen zu erbringen hat. Das Börsengesetz hat vielmehr die Tätigkeiten, die für die Durchführung eines börsenmäßig organisierten Handels in Finanzinstrumenten erforderlich sind, größtenteils der Börse als einer weiteren mitwirkenden Rechtsperson zugewiesen. Aus der Sicht der Praxis kann deshalb die Börse auch als „faktischer“ Marktveranstalter bezeichnet werden. Dagegen ist dem Börsenträger, obwohl er Inhaber der Börsenerlaubnis ist, nur die Rolle eines Marktveranstalters im rechtlichen Sinne zugewiesen worden. Angesichts dieser Aufspaltung der Betriebspflichten zwischen Börsenträger und Börse wird nachfolgend von einer dualen Organisationsstruktur des deutschen Börsenwesens gesprochen. a) Börsenträger als Beauftragter des Sitzlandes der Börse
4.96
Die dem Börsenträger mit der erteilten Börsenlizenz zugleich übertragene Aufgabe zum Betrieb einer Börse erfolgt in der Form der öffentlichen Beleihung. Dies wurde in den Gesetzesmaterialien zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz ausdrücklich klargestellt2 und hat auch weiterhin Gültigkeit. Die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe im Wege der Beleihung begründet nach einhelliger Meinung von Rechtsprechung und Schrifttum ein öffentlichrechtliches Auftragsverhältnis (vgl. nachstehend Rz. 4.151).
4.97
Seit jeher beschränken sich jedoch die eigenen Leistungen des Börsenträgers aus dem ihm erteilten umfassenden Auftrag auf die erforderliche Ausstattung des Börsenbetriebes. Der Börsenträger ist „verpflichtet, der Börse auf Anforderung der Geschäftsführung der Börse die zur Durchführung und angemessenen Fortentwicklung des Börsenbetriebs erforderlichen finanziellen, personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung zu stellen“. Mit dieser Regelung soll nach den Gesetzesmaterialien die „Betriebspflicht“ des Börsenträgers „konkretisiert“ werden3. 1 Begr. RegE 4. Finanzmarktförderungsgesetz (4. FFG), BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 198; Beck, Börsen- und kapitalmarktrechtliche Aspekte der grenzüberschreitenden Tätigkeit und Zusammenarbeit von Börsen, FS Kümpel, 2003, S. 19 (42); Uwe H. Schneider/Burgard, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 3, 26; Possega, WM 2002, 2402 (2403); Groß, Kapitalmarktrecht, § 5 BörsG Rz. 4. 2 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 202. 3 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 202.
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Seiffert
4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
Die vom Börsenträger zu bewirkenden Leistungen beschränken sich also im Wesentlichen auf die Bereitstellung der erforderlichen Räumlichkeiten für den Parketthandel und die EDV-Einrichtungen für den elektronischen Handel sowie den Abschluss der Anstellungsverträge mit den Geschäftsführern der Börse und den weiteren Mitarbeitern der Börse. Im Übrigen sind die erforderlichen finanziellen Mittel für die Organisation und die Aufrechterhaltung des Börsenbetriebs zur Verfügung zu stellen. Dabei erschöpfen sich diese Leistungen nicht darin, die Börse als Marktveranstaltung in ihrem genehmigten Bestand zu erhalten. Der Börsenträger hat vielmehr im Rahmen seiner Betriebspflicht in einem Umfang einzustehen, der eine „angemessene Fortentwicklung“ der Börse als Marktveranstaltung ermöglicht (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 BörsG)1. Der Börsenträger hat auch dafür Sorge zu tragen, dass geeignete Notfallmaßnahmen für Systemausfälle vorgehalten werden, Risikomanagementsysteme müssen vorhanden sein und es müssen Vorkehrungen zum Schutz vor Interessenkonflikten getroffen werden. Die Regelungen des § 5 Abs. 4 und 5 BörsG wurden durch die Umsetzung der Richtlinie 2004/39/EG („Finanzmarktrichtlinie“ oder „MiFID“) in das Börsengesetz aufgenommen, haben aber für die deutsche Börsenlandschaft letztlich wenig Bedeutung, da auf Grund des Dualismus der deutschen Börsenlandschaft, der Trennung zwischen öffentlichrechtlicher Börse und privatrechtlichem Träger, die Regelung hinsichtlich der Vorkehrungen zum Schutz vor Interessenkonflikten letztlich leer laufen. Die Verpflichtung zur Vorhaltung von Risikomanagementsystemen hat einen nur beschränkten Umfang, da bereits seit 2003 ein Großteil der in dem Handelssystem Xetra abgeschlossenen Börsengeschäfte über die Eurex Clearing AG als zentralen Kontrahenten gecleart wird und auf diese Weise das Kontrahentenrisiko begrenzt wurde2.
4.98
b) Marktveranstaltende Börse und ihre Organe als gesetzlich bestellte Substitute des Börsenträgers Mit den vom Börsenträger als Beauftragten des Sitzlandes der Börse selbst zu bewirkenden Leistungen werden im Wesentlichen die wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen für den Betrieb einer Börse im Sinne einer organisierten Marktveranstaltung geschaffen. Wie insbesondere die Wertpapierbörse zeigt, bedarf es jedoch für die Funktionsfähigkeit solcher Marktveranstaltungen einer Vielzahl weiterer Maßnahmen und Tätigkeiten. Diese betriebsnotwendigen Aktivitäten liegen seit jeher in dem Verantwortungsbereich einer weiteren eigenständigen Rechtsperson, die als „Börse“ im Sinne eines faktischen Marktveranstalters bezeichnet wird.
4.99
Die „Börse“ als verantwortliches Rechtssubjekt für die Durchführung des Börsenhandels ist also von der üblicherweise auch mit Börse bezeichneten Marktveranstaltung zu unterscheiden. Im Rahmen dieser Veranstaltung voll-
4.100
1 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 202, 203. 2 Eingehend hierzu Horn, Die Erfüllung von Wertpapiergeschäften unter Einbeziehung eines zentralen Kontrahenten an der Börse, WM 2002, Sonderbeilage 2 und Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, S. 85 ff.
Seiffert
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329
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
zieht sich der börsentägliche Wertpapierhandel zwischen den Handelsteilnehmern.
4.101
Soweit die einzelnen „Betriebs“pflichten zum Verantwortungsbereich der Börse als faktischem Marktveranstalter gehören, weist das Börsengesetz diese Pflichten verschiedenen Organen der Börse zu. Als juristische Person ist die Börse selbst nicht handlungsfähig und bedarf somit für sie handelnder Organe. Bei diesen Organen handelt es sich vor allem um die Geschäftsführung der Börse, den Börsenrat mit seiner „Grundlagen“zuständigkeit, den Sanktionsausschuss und die Handelsüberwachungsstelle.
4.102
Das deutsche Börsenwesen beruht also auf dem Zusammenwirken zweier Rechtspersonen. Der Börse als faktischem Marktveranstalter sowie dem Träger der Börse. Die Kenntnis dieser „dualen“ Organisationsstruktur des Börsenhandel ist der Schlüssel zu einem besseren Verständnis der börsengesetzlichen Regelungen. aa) Organisationshoheit der Börse
4.103
Aus rein organisatorischer Sicht trägt die Hauptlast der Betriebspflicht nicht der Börsenträger, sondern die Börse als faktischer Marktveranstalter. Die Gesetzesmaterialien zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz sprachen deshalb von der „Organisationshoheit“ der Börse1. Die veranstaltungsbezogenen Leistungspflichten beziehen sich vor allem auf die Schaffung des organisatorischen Rahmens für den an der Börse stattfindenden Handel. Im Übrigen bedarf es einer Vielzahl von Vorkehrungen und Maßnahmen für das ordnungsmäßige Funktionieren des Börsenbetriebes. Hier liegt der Verantwortungsbereich der Börse als weiterer eigenständiger Rechtsperson.
4.104
Konkretisierungen der von der Börse geschuldeten Leistungen enthält zB die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse (§ 8)2 bei dem Aufgabenkatalog für die Börsengeschäftsführung. Danach muss die Geschäftsführung die Organisation und die Geschäftsabläufe der Börse regeln, Ort und Zeit des Börsenhandels bestimmen, die Ordnung an der Frankfurter Wertpapierbörse aufrechterhalten und die ordnungsgemäße Benutzung der Börseneinrichtungen, insbesondere der EDV-Anlagen, sicherstellen und hierfür geeignete Maßnahmen treffen.
4.105
Zu den wesentlichen Organisationspflichten beim Betreiben einer Börse gehören im Übrigen die Zulassung der Handelsteilnehmer zum Besuch der Börse. Der vom skontroführenden Makler oder vom elektronischen Handelssystem als Vertragspartner zugewiesene Marktteilnehmer beziehungsweise der Zentrale Kontrahent muss akzeptiert werden (sog. Kontrahierungszwang)3. Auch bedarf es einer Zulassung der an der Börse handelbaren Wertpapiere. 1 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 214. 2 Abrufbar unter www.deutsche-boerse.com, nachfolgend bezeichnet als „BörsO FWB“ (Stand: 1.7.2010). 3 Beim elektronischen Wertpapierhandel bedarf es auch des Anschlusses an das Netzwerk. Beim elektronischen Handelssystem der Frankfurter Wertpapierbörse umfasst
330
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Seiffert
4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
Neben den organisatorischen Vorkehrungen und Maßnahmen sind die nicht weniger wichtigen rechtlichen Rahmenbedingungen für den Börsenhandel zu schaffen. Hierzu gehört vor allem die grundlegende Börsenordnung, zu deren Wirksamwerden die Genehmigung der Börsenaufsichtsbehörde erforderlich ist. Sie soll nach dem Börsengesetz (§ 16 Abs. 1 BörsG) sicherstellen, dass die Börse als Marktveranstaltung die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen kann und dabei den Interessen des Publikums und des Handels gerecht wird.
4.106
In der Börsenordnung sind insbesondere die Geschäftszweige und die Handelsarten1 zu bestimmen sowie Regelungen über die Börsenorgane, insbesondere für den Börsenrat, die Geschäftsführung und die Handelsüberwachungsstelle zu treffen. Des Weiteren bedarf es näherer Bestimmungen über die Aufnahme der Notierungen der zugelassenen Wertpapiere sowie deren Aussetzungen, Einstellung oder Unterbrechung. Ein aus Anlegerschutzgründen wesentlicher Regelungskomplex ist die Ermittlung der Börsenpreise2. Zu diesen rechtlichen Rahmenbedingungen gehören schließlich detaillierte Geschäftsbedingungen für den Handel. Diese sog. Börsenusancen gelten für sämtliche Geschäfte, die an der Börse zwischen den an ihr zugelassenen Unternehmen während der Börsenzeit getätigt werden3.
4.107
Aus dem Blickwinkel des Handelsgeschehens an der Börse stehen ganz im Vordergrund die Tätigkeiten, die das Börsengesetz der Börse als Rechtssubjekt zugewiesenen hat. Deshalb kann die Börse als „faktischer“ Marktveranstalter bezeichnet werden. Diese Verantwortlichkeit für die Durchführung eines funktionsfähigen Börsenhandel lässt die Börse zum Substituten des Börsenträgers als Beauftragtem des Sitzlandes im Sinne der auftragsrechtlichen Grundsätze werden, die nach allgemeiner Meinung prinzipiell auch im öffentlichen Recht gelten.
4.108
bb) Vorliegen der Substitutionsmerkmale Eine Substitution liegt nach Auftragsrecht vor, wenn ein Beauftragter (Börsenträger) den ihm erteilten Auftrag nicht selbst ausführt, sondern zumindest einen wesentlichen Teil hiervon einem Dritten, dem Substituten (Börse), zur Ausführung überträgt4. Die Voraussetzungen der Substitution dürften im We-
1
2 3 4
dieses Netzwerk die Gesamtheit aller in einzelnen Netzwerk-Knoten zusammengefassten Hardware-Elemente sowie alle für die Verbindung der Netzwerk-Knoten notwendige Komponenten (Standleitungen zur Telekommunikation etc.), die die technische Basis für die Durchführung des Handels im elektronischen Handelssystem der Wertpapierbörse schaffen (§ 45 BörsO FWB). Hierbei ist nach den Gesetzesmaterialien zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz zB zu bestimmen, ob der Handel im sog. Auktionsverfahren des Parketthandels oder auf der Grundlage eines automatischen Systems mit fortlaufendem Orderausgleich stattfindet (Begr. RegE, BR-Drucks. 936/01 [neu], S. 209). Vgl. §§ 78–97 und §§ 151–165 Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse (Stand: 1.7.2010); abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. Vgl. § 1 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse (Stand: 8.3.2010); abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. RGZ 78, 310 (311); Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 664 BGB Rz. 4.
Seiffert
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331
4.109
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
sentlichen gegeben sein. Denn der Börsenträger ist auf Grund der ihm im Beleihungswege zugewiesenen Aufgabe verpflichtet, die ihm genehmigte Börse „als Veranstaltung“ zu betreiben und zu erhalten1. Die Organisation des Börsenhandels gehört also zu den Pflichten des Börsenträgers aus dem ihm mit der Börsenlizenz erteilten umfassenden Betriebspflicht. Mit der Veranstaltung des Börsenhandels führt die Börse einen sehr wesentlichen Teil des dem Börsenträger übertragenen Auftrages aus, wie es für die Substitution typisch ist.
4.110
Auch ist das wesentliche Kriterium der Substitution erfüllt, wonach der mitwirkende Dritte (Börse) die ihm übertragenen Aufgaben selbständig ausführt2. Denn für eine ordnungsmäßige Durchführung des Börsenhandels ist nach dem Börsengesetz nicht der Börsenträger, sondern allein die Börse verantwortlich.
4.111
Eine solche Substitution ist nach auftragsrechtlichen Grundsätzen nur zulässig, wenn sie der Auftraggeber (Sitzland der Börse) seinem Beauftragten (Börsenträger) gestattet hat (§ 664 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dabei ist eine ausdrückliche Gestattung durch das Sitzland der Börse entbehrlich. Denn der Gesetzgeber hat selbst mit den börsengesetzlichen Regelungen die Börse mit der faktischen Marktveranstaltung unter eigener Verantwortung betraut. Das duale System der Börsenorganisation ist also durch eine gesetzlich angeordnete Substitution geprägt.
4.112
Dabei ist auch die für das Geschäftsbesorgungsrecht typische Ausgangsposition gegeben, dass der Beauftragte (Börsenträger) seinen Substituten (Börse) nach pflichtgemäßem Ermessen selbst auswählt. Denn der Anstellungsvertrag mit den Geschäftsführern als den für die Leitung der Börse Verantwortlichen (§ 15 Abs. 1 BörsG) wird mit dem Börsenträger auf Grund dessen Betriebspflicht gegenüber dem Sitzland als Auftraggeber abgeschlossen. Das erforderliche Einvernehmen der Aufsichtsbehörde mit der Bestellung der Börsengeschäftsführer (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BörsG) ändert an diesem Auswahlrecht des Börsenträgers ebenso wenig wie der gesetzliche Zustimmungsvorbehalt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht für die Bestellung der Geschäftsleiter von Kreditinstituten (§ 33 KWG). In beiden Fällen geht es um die Wahrung des öffentlichen Interesses an der ordnungsmäßigen Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben. cc) Multilaterale Handelssysteme und Freiverkehr ohne duales System
4.113
Diese Mitwirkung zweier Rechtspersonen bei der Erfüllung der umfassenden Betriebspflicht des Börsenträgers ist eine Eigentümlichkeit des deutschen Börsenwesens mit seiner dualen Organisationsstruktur. Sie fehlt insbesondere bei den multilateralen Handelssystemen, bei denen der Eigentümer des Systems zugleich auch als Veranstalter des sich darin vollziehenden multilateralen Wertpapierhandels tätig wird. Diese Handelsplattformen wurden deshalb auch 1 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 202. 2 Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 664 BGB Rz. 4.
332
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Seiffert
4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
als „proprietäre“ Handelssysteme – Proprietary Trading Systems (PTS) – bezeichnet1. An einem dualen System wie es für das deutsche Börsenwesen typisch ist, fehlt es aber auch beim traditionellen Freiverkehr an den deutschen Börsen. Dieses weitestgehend privatrechtlich organisierte Marktsegment ist kein Teil der Börse im engeren rechtlichen Sinne. Deshalb ist beim Freiverkehr der Träger zugleich auch Veranstalter des darin stattfindenden Wertpapierhandels, wenngleich auch der Börsenrat der jeweiligen Börse im Interesse eines geordneten Handelsablaufs die Handelsrichtlinien zu erlassen hat. Im Unterschied zur Börse im rechtlichen Sinne sind also beim Freiverkehr die „Pflicht“ zur Veranstaltung eines solchen Wertpapierhandels und die Pflicht zur Bereitstellung der benötigten Infrastruktur bei einer einzigen Rechtsperson angesiedelt. Auch insoweit zeigt sich wiederum deutlich, dass der historisch gewachsene Freiverkehr rechtlich nicht in die Börse integriert war, sondern sich dort nur faktisch anlässlich der börsentäglichen Marktveranstaltung vollzog. Diese Gestaltung zeigt jedoch, dass diese gesetzgeberische Aktivität nicht hinreichend durchdacht war und letztlich strukturelle Fragen aufwirft, weshalb bereits der Finanzausschuss sich eindeutig für die vollständige privatrechtliche Regelung des Freiverkehrs2 aussprach. Der Freiverkehr erfüllt jetzt im Wesentlichen die Voraussetzungen, die für einen organisierten Markt iS des § 2 Abs. 5 WpHG gelten, da nunmehr auch der Börsenrat (als staatliche Stelle) das multilaterale System regelt. Der Freiverkehr kann jedenfalls nicht mehr als das rein privatrechtliche Segment „an“ der Börse beschrieben werden, der Freiverkehr wurde in den Handlungsbereich der Börse einbezogen.
4.114
2. Parallele zum aktienrechtlichen Betriebsführungsvertrag Die strikte Trennung zwischen der Börse als faktischem Marktveranstalter und ihrem Träger, ferner die Unterscheidung zwischen öffentlichrechtlichen Entscheidungen und Entscheidungen, die jenseits des Kerns der Börse liegen und damit dem Privatrecht unterfallen, ist auf den ersten Blick schwer zu treffen.
4.115
Es ist jedoch nichts Außergewöhnliches, wenn zur Wahrnehmung einer unternehmerischen Aufgabe zwei organisatorisch miteinander verbundene Rechtspersonen tätig werden. Eine solche duale Organisationsstruktur findet sich insbesondere im deutschen Aktienrecht beim Recht der verbundenen Unternehmen (§§ 291 ff. AktG). Zu den dort geregelten Unternehmensverträgen gehört auch der sog. Betriebsführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG).
4.116
1 Vgl. zB Schwark, WM 1997, 293 (299); von Rosen, ZKW 1994, 1213 ff.; Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 375; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 1.22; Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und Europa, 1999; vgl. weiter die Auflistung gebräuchlicher Begriffe bei Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617 (623). 2 Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/4899, S. 35.
Seiffert
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
Bei diesem Unternehmensvertrag hat der „Betriebsführer“ den Betrieb seines Vertragspartners („Besitzunternehmen“) für dessen Rechnung („Betriebsführer“) zu führen1. Wesentliches Element dieses aktienrechtlichen Vertragstypus ist also eine Geschäftsbesorgung des einen Vertragspartners zu Gunsten des anderen.
4.117
Dabei ist es nach herrschender Meinung unerheblich, ob der Betriebsführer im eigenen Namen oder im Namen des Besitzunternehmens handelt2. Denn wie insbesondere die kommissionsgeschäftliche Regelung zeigt, ist es für solche Geschäftsbesorgungen zu Gunsten anderer durchaus vereinbar, dass der Geschäftsbesorger nicht im Namen seines Auftraggebers als Geschäftsherrn, sondern im eigenen Namen tätig wird (vgl. § 383 HGB). Auch bei der Durchführung eines börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels tritt die Börse als faktischer Marktveranstalter unter ihrem Namen als Börse und nicht im Namen des Börsenträgers auf. So bezeichnet sich der Veranstalter des Frankfurter Börsenhandels als Frankfurter Wertpapierbörse und verwendet nicht die Firma seines Trägers (Deutsche Börse AG).
4.118
Gegen diese Parallele der Börsenorganisation zum aktienrechtlichen Betriebsführungsvertrages spricht auch nicht, dass der Börsenträger nach allgemeiner Meinung keinen Einfluss auf die inneren Angelegenheiten der Börse ausüben darf und damit ihren Organen auch keine Weisungen erteilen darf (vgl. nachstehend). Denn auch in der aktienrechtlichen Praxis gibt es Fälle, in denen das für solche Geschäftsbesorgungsverträge geltende auftragsrechtliche Weisungsrecht des Besitzunternehmens (§ 665 BGB) ausdrücklich oder konkludent ausgeschlossen ist3. a) Börsenträger als „Besitz“gesellschaft
4.119
Beim Vergleich des dualen Systems des deutschen Börsenwesens mit dem aktienrechtlichen Betriebsführungsvertrag übernimmt der Träger der Börse die Rolle der „Besitz“gesellschaft. Denn sämtliche auf die börsenmäßige Marktveranstaltung bezogenen Vermögensrechte und Verbindlichkeiten sind dem Börsenträger zugeordnet. Diese vermögensmäßige Zuordnung betrifft vor allem das Eigentum an den Börseneinrichtungen und den Rechten an den EDVProgrammen, deren Bedeutung wegen der Computerisierung des Börsenhandels enorm ist. b) Marktveranstaltende Börse als „geschäftsbesorgende“ Gesellschaft
4.120
Die Betriebsführung im Sinne des aktienrechtlichen Betriebsführungsvertrages übernimmt beim dualen System des deutschen Börsenwesens die recht1 Altmeppen in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 292 AktG Rz. 143; Hüffer, § 292 AktG Rz. 20. 2 Hüffer, § 292 AktG Rz. 20; vgl. weiter Altmeppen in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 292 AktG Rz. 144 mwN. 3 Altmeppen in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 292 AktG Rz. 146.
334
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Seiffert
4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
lich eigenständige Börse als faktischer Marktveranstalter. Die Rolle der Börse als „Geschäftsbesorger“ des Börsenträgers wird sichtbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit der Erteilung der erforderlichen Genehmigung der Börsenträger als Adressat dieser Verwaltungsakte „zur Errichtung und Betrieb“ einer Börse berechtigt und verpflichtet wird (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 BörsG). Aus dieser Börsengenehmigung folgt nach einhelliger Auffassung die Pflicht des Trägers, „die genehmigte Börse als Veranstaltung (!) zu betreiben und zu erhalten“1. Zu der umfassenden Betriebspflicht gehört aber nicht nur die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur der börsentäglichen Marktveranstaltungen, wie sie vom Börsenträger selbst zu leisten ist. Wie ausgeführt erfordert der Börsenhandel eine Vielzahl zusätzlicher Tätigkeiten, damit die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für funktionsfähige Marktveranstaltungen vorhanden sind. Auch diese Tätigkeiten gehören zu dem „Betrieb“ einer Börse, zu dem der Börsenträger durch die erteilte Börsenlizenz berechtigt und verpflichtet wird. Infolge der „Arbeits“teilung werden diese Tätigkeiten aber nicht vom Träger der Börse als Inhaber der Börsenlizenz, sondern von der marktveranstaltenden Börse ausgeführt. Vor dem Hintergrund des aktienrechtlichen Betriebsführungsvertrages kommt bei dieser Aufteilung der beiden Tätigkeitsbereiche der Börse als faktischen Marktveranstalter die Rolle des geschäftsbesorgenden „Betriebsführers“ zu, dessen administrative und regulatorische Pflichten in§ 5 BörsG geregelt werden.
4.121
Dabei ist es für die Übertragung des aktienrechtlichen Leitbildes eines Verbundes von „Besitz“gesellschaft und geschäftsbesorgender „Betriebsführungs“gesellschaft unwesentlich, dass die Mitwirkung der marktveranstaltenden Börse als „Geschäftsbesorger“ des Börsenträgers nicht auf Grund eines rechtsgeschäftlichen Auftrages erfolgt, sondern durch den Gesetzgeber angeordnet und im Börsengesetz näher geregelt worden ist.
4.122
c) Handeln der Börse „für Rechnung“ des Börsenträgers De Geschäftsbesorgung durch die Börse für ihren Träger als Inhaber der Börsenlizenz erfolgt wie beim aktienrechtlichen Betriebsführungsvertrag „für Rechnung“ des Börsenträgers, der sich vor diesem aktienrechtlichen Hintergrund in der Rolle des „Besitzunternehmens“ befindet. Von einem solchen Handeln für fremde Rechnung spricht man gewöhnlich, wenn die materiellen Vorteile (Gewinne) und Nachteile (Aufwand, Risiko) des Geschäfts nicht dem Geschäftsbesorger, sondern seinem Auftraggeber zu Gute kommen und zur Last fallen sollen2. Ein solches Handeln der Börse „für Rechnung“ des Börsenträgers ist gegeben. Für die Nutzung der Börseneinrichtungen haben die Handelsteilnehmer und Emittenten verschiedene Gebühren zu zahlen3, die die 1 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 202; Beck, WM 1996, 2313 (2316); Posegga, WM 2002, 2402 (2403); Mues, ZBB 2001, 353 (356). 2 Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2007, § 383 HGB Rz. 12. 3 Schwark in Schwark, § 14 BörsG Rz. 1.
Seiffert
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335
4.123
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
Gegenleistung der von der Börse als Marktveranstalter erbrachten Leistungen darstellen1. Gläubiger der Gebührenforderungen ist die Börse als „Geschäftsbesorger“, die allerdings das Gebührenaufkommen an den Börsenträger als „Besitzunternehmen“2 auszukehren hat.
4.124
So bestimmt zB die Gebührenordnung der Frankfurter Börse (§ 5)3 unter der Überschrift „Gebührengläubiger“: „Gebührengläubiger ist die Frankfurter Wertpapierbörse. Die Frankfurter Wertpapierbörse hat die Gebühren unmittelbar an den Träger auszukehren.“.
4.125
Diese Zuordnung der Einnahmen ist geboten. Hiermit soll die Inanspruchnahme der Börseneinrichtungen abgegolten werden, die der Börsenträger für die Durchführung des Börsenhandels zur Verfügung gestellt hat4. Verwaltungsrechtlicher Gebührengläubiger ist aber zunächst die Anstalt des öffentlichen Rechts „Börse“. Für zu zahlenden Entgelte, die für Dienstleistungen verlangt werden, die durch die Gebühren noch nicht abgegolten sind5 gilt direkt, dass der Träger diese Dienstleistungen – auf vertraglicher Basis – erbringt und daher auch diese Entgelte ihm zufließen.
3. Public-Private-Partnership zwischen Börse und ihrem Träger
4.126
Das duale System der deutschen Börsenorganisation ermöglicht nicht nur die Verteilung der für einen effizienten Börsenhandel notwendigen Tätigkeiten auf zwei Rechtspersonen und die Unterstellung einer dieser beiden Rechtspersonen (Börse als faktischer Marktveranstalter) unter ein gesondertes Reglement in Form des Börsengesetzes. Hierdurch wird zugleich die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die marktveranstaltende Börse als eine Rechtsperson des öffentlichen Rechts gegründet und damit in den öffentlichrechtlichen Organisationsbereich eingegliedert werden kann. Dagegen ist für den Träger der Börse keine bestimmte Rechtsform vorgeschrieben, wenngleich aber alle Trägergesellschaften deutscher Börsen als Aktiengesellschaften korporiert sind. Ein solches Zusammenwirken von juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit privatrechtlichen Personen vollzieht sich heute in vielfältiger Form6.
4.127
Eine solche öffentlichrechtlich-privatrechtliche Partnerschaft zwischen der marktveranstaltenden Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts und dem ak-
1 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 42 ff.; Schwark in Schwark, § 14 BörsG Rz. 1. 2 Beck, WM 1996, 2313 (2316). 3 Abrufbar unter www.deutsche-boerse.com (Stand: 1.1.2010). 4 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 88; die zuvor getroffene Regelung, dass der Gebührengläubiger direkt der Träger sein sollte, wurde aufgegeben. 5 Schwark in Schwark, § 14 BörsG Rz. 8; Beck, WM 1996, 2313 (2315). 6 Tettinger, DÖV 1996, 764 ff.; Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 ff.; Budäus/Eichhorn (Hrsg.), Public-Private-Partnership, 1997; Budäus (Hrsg.), Organisationswandel öffentlicher Aufgabenwahrnehmung, 1998.
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4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
tienrechtlich organisierten Börsenträger als Fundament des Börsenhandels erscheint bei genauerer Betrachtung als ein besonders geeignetes Organisationsmodell1. Hierfür sprechen mehrere gewichtige Gründe. So wird den Börsenorganen insbesondere der Zugriff auf die effizienten Regelungsinstrumente des öffentlichen Rechts eröffnet. Dies gilt vor allem für die Möglichkeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Börsenhandel im Einvernehmen mit der Börsenaufsichtbehörde einseitig ohne Mitwirkung der Börsenbenutzer jederzeit ändern zu können.
4.128
Die öffentlichrechtliche Organisationsstruktur ermöglicht im Übrigen dem Bundesgesetzgeber, die erforderlichen gesetzlichen Regelungen der rechtlichen Rahmenbedingungen weitgehend auf die Börse zu übertragen. Dies geschieht durch Verleihung einer autonomen Rechtssetzungsbefugnis, von der seit langem ausgiebig im Rahmen der Börsenselbstverwaltung Gebrauch gemacht wird.
4.129
a) Adäquate Rechtsform für die Börse als faktischem Marktveranstalter Die Organisationsstruktur des Marktveranstalters als öffentlichrechtlicher Anstalt steht zudem in vollem Einklang mit dem gesteigerten öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit des börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels. Dieses öffentliche Interesse an der Durchführung eines Börsenhandels lässt sich vor allem aus drei volkswirtschaftlichen Bedürfnissen herleiten. So ist auch nach Meinung des Gesetzgebers die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft entscheidend von der Funktionsfähigkeit ihrer Finanz- und Kapitalmärkte abhängig, die die wirtschaftspolitisch erwünschte Zuordnung („Allokation“) der Ressourcen gewährleisten und damit Motor für Wachstum und Strukturwandel sein sollen Zur Deckung des Finanzierungsbedarfs der kapitalmarktfähigen Unternehmen müsse deshalb neben den heimischen Ersparnissen auch die anlagesuchenden Gelder des Auslandes als Finanzierungsquelle erschlossen werden2.
4.130
Der Kapitalmarkt dient ferner dem Erwerb von Aktien und Schuldverschreibungen für die private Altersvorsorge. Sie ist als Alternative zur staatlichen Sozialversicherung unverzichtbar. Diese Funktion des Kapitalmarktes wird nach den Gesetzesmaterialien zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz noch zunehmen3. Schließlich haben auch der Bund und die Länder ein großes Interesse an effizienten Kapitalmärkten, um ihre Finanzierungsbedürfnisse durch möglichst breit gestreute Anleiheemissionen befriedigen zu können.
4.131
1 Nach Seifert/Potthoff (damalige Vorstandsmitglieder der Deutsche Börse AG) liegt der große Vorzug der gegenwärtigen Organisationsstruktur darin begründet, dass sie ein unternehmerisches Handeln des Börsenträgers (Deutsche Börse AG) mit umfassenden Gestaltungs- und Regelungsmöglichkeiten der Frankfurter Wertpapierbörse als Anstalt des öffentlichen Rechts und faktischen Marktveranstalter ermöglicht (BörsenZeitung v. 8.2.2002); Hammen, Der Konzern 2008, 269 (274). 2 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 13. 3 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 45.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4.132
Dieses öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit besteht nun im besonderen Maße bei den Wertpapierbörsen als tragenden Säulen des Kapitalmarktes. Die für die Marktliquidität notwendige Anlagebereitschaft des breiten Publikums wie auch der Kapitalsammelstellen ist weitgehend davon abhängig, dass die Wertpapiere über die Börse gekauft und auch wieder verkauft werden können. Denn der Preisermittlung an der Börse wird allgemein eine besonders hohe Qualität zugemessen.
4.133
Dabei geht es nicht nur um die Neutralität der Preisermittlung als börsenspezifisches Merkmal solcher Marktveranstaltungen, sondern auch um die staatliche Beaufsichtigung der Preisermittlung.
4.134
Bei den Börsen handelt es sich nach alledem weiterhin um Einrichtungen von großer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung1. Es besteht damit auch ein Interesse des Staates an der regelmäßigen Veranstaltung des börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels, auch wenn durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz die multilateralen Handelssysteme den Börsen in weiten Teilen gleichgestellt wurden2. Schon Göppert, langjähriger Staatskommissar an der damals dominierenden Berliner Börse und Referent für Börsenangelegenheiten im zuständigen Preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe, hat in seiner 1932 erschienenen umfassenden Darstellung des Börsenrechts betont, dass das öffentliche Interesse am börsenmäßig organisierten Wertpapierhandel nicht nur an der Reglementierung und Beaufsichtigung, sondern auch an dem Fortbestand als institutioneller Veranstaltung besteht3.
4.135
Dieses öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels lässt die Existenz der Börsen zur ständigen öffentlichen Aufgabe werden4.
4.136
An dieses öffentliche Interesse knüpft der Gesetzgeber ausdrücklich an, wenn das Börsengesetz in § 15 Abs. 6 bestimmt, dass die Geschäftsführung der Börse die ihr nach diesem Gesetzen zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur „im öffentlichen Interesse“ wahrnimmt. Damit soll nach den Gesetzesmaterialien zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz klargestellt werden, dass die Geschäftsführung wie die anderen Börsenorgane (vgl. §§ 7 Abs. 6, 12 Abs. 6, 15 Abs. 6 BörsG) und die Börsenaufsichtsbehörde (§ 3 Abs. 3 BörsG) nicht zum Schutze individueller Anlegerinteressen, sondern im Interesse der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Börse tätig wird5.
1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 63. 2 Wiede, Die Börse als verwaltungsrechtliches Problem und Rechtsinstitut, Diss. Köln, 1965, S. 136. 3 Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 89. 4 Wiede, Die Börse als verwaltungsrechtliches Problem und Rechtsinstitut, Diss. Köln, 1965, S. 196 (197). 5 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 209.
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Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
b) Gesteigertes öffentliches Interesse an funktionsfähigen Börsen Aus der Sicht der besonderen Qualität der börslichen Preisermittlung wäre sogar die Konzentration des börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels auf eine noch wesentlich geringere Anzahl von Börsen erwünscht, wenn dem nicht das traditionell föderative Börsenwesen in Deutschland entgegenstünde. Denn der Anleger erwartet nicht nur neutrale, sondern auch marktgerechte Preise. Aus dieser Sicht wäre es im Interesse größtmöglicher Marktliquidität sogar optimal, die gesamte Nachfrage von Angebot für jedes Wertpapier in einer einzigen börsenmäßig organisierten Marktveranstaltung zu konzentrieren1 um im Wettbewerb mit neuen multilateralen Handelssystemen und etablierten europäischen Börsen den deutschen Kapitalmarkt zu stärken.
4.137
Das gesteigerte öffentliche Interesse an der kontinuierlichen Durchführung eines börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels zeigt sich schließlich auch darin, dass der Träger der Börse nach einhelliger Meinung nicht auf die ihm erteilte „Börsen“lizenz verzichten kann2. Dagegen bleibt es jedem Kreditinstitut unbenommen, die erteilte Lizenz zum Betrieb eines multilateralen Handelssystems nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG wieder zurückzugeben.
4.138
c) Funktionsfähiger Börsenhandel als staatliche Aufgabe Dieses gesteigerte öffentliche Interesse am Börsenhandel lässt die Errichtung und Fortentwicklung von Börsen als Marktveranstaltungen zu einer öffentlichen und zugleich auch staatlichen Aufgabe werden3. Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben obliegt regelmäßig der öffentlichen Verwaltung, unter der die organisierte Verwaltung solcher öffentlicher Angelegenheiten zu verstehen ist4. Zu dieser öffentlichen Verwaltung gehören auch die Anstalten des öffentlichen Rechts, wie sie die Börsen als faktische Marktveranstalter darstellen.
4.139
Die Erhaltung funktionsfähiger Börsen liegt im Übrigen nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch im (engeren) staatlichen Interesse. Nicht jede öffentliche Aufgabe wird stets auch zu einer Aufgabe des Staates5. Eine Staatsaufgabe liegt aber nach allgemeiner Meinung vor, wenn der damit betraute Verwaltungsträger in den öffentlichrechtlichen Organisationsbereich eingegliedert wird, wie dies bei der Börse als Träger mittelbarer „Staats“verwaltung der Fall ist. Der Betrieb funktionsfähiger Börsen wird deshalb allgemein als eine staatliche Aufgabe angesehen6. Das öffentliche Interesse an solchen börsenmäßig organisierten Marktveranstaltungen ist deshalb zugleich auch ein
4.140
1 Fischer/Kunz, Die Bank 2001, 756. 2 Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 24; Ledermann in Schäfer/Hammen, § 1 BörsG Rz. 6. Zur Beendigung der Betriebspflicht durch Insolvenz oder Verschmelzung siehe Posegga, WM 2002, 2402 (2402). 3 Wiede, Die Börse als verwaltungsrechtliches Problem und Rechtsinstitut, Diss. Köln, 1965, S. 136 (137); Ohlenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 44 mwN. 4 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 3 Rz. 15. 5 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 3 Rz. 15. 6 Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, 2000, S. 88; Allgemein Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 77.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
staatliches Interesse. An diesem staatlichen Interesse eines börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels wurde auch durch die weit gehende Gleichstellung der multilateralen Handelssysteme mit den etablierten Börsen nicht gerüttelt.
4.141
Nach alledem erscheint weiterhin die öffentlichrechtliche Organisationsstruktur des börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels als eine Rechtsform, die dem großen Interesse des Staates und der Öffentlichkeit an der Funktionsfähigkeit des Börsenhandels am besten entspricht1.
4.142
Die öffentlichrechtlichen Organisationsstrukturen bilden schließlich auch keine Erschwernis für die Beschaffung der Finanzmittel, die für die Fortentwicklung der Börse benötigt werden. So eröffnet die Organisation des Börsenträgers als Aktiengesellschaft den Zugang zum Kapitalmarkt. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, die erwünschte Expansion der Börse als Marktveranstaltung zur Stärkung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit mit Hilfe der Ausgabe von Aktien oder anderen kapitalmarktfähigen Schuldtiteln zu finanzieren. Zugleich kann sich die Börse mit solchen neuen Aktien auch die „Akquisitionswährung“ beschaffen, die zur Bezahlung des Kaufpreises beim Erwerb anderer Börsen oder Handelssysteme erforderlich ist. d) Öffentlichrechtliche Organisationsstruktur kein Hindernis für grenzüberschreitende Kooperationen
4.143
Gegen die Public-Private-Partnership im deutschen Börsenrecht wurde lange Zeit eingewendet, die Rechtsform der öffentlichrechtlichen Anstalt sei für supranationale Zusammenarbeit ungeeignet. Die öffentlichrechtliche Konstruktion sei ausländischen Kooperationspartnern nicht zu vermitteln2. Diese Einwände können sich nicht auf die Rechtswirklichkeit stützen3 und sind mittlerweile verstummt. Es ist inzwischen anerkannt, dass sich die vorhandene Organisationsstruktur mit dem Dualismus zwischen Trägergesellschaft und Börse gerade kein Hindernis für grenzüberschreitende Kooperationen oder Fusionen darstellt4.
II. Rechtsstellung des Börsenträgers
4.144
Die Rechtsstellung des Trägers der Börse ist dadurch geprägt, dass ihm mit der beantragten Börsengenehmigung zugleich die Aufgabe zugewiesen wird, die genehmigte Börse künftig als Veranstaltung zu betreiben und zu unterhalten5. 1 Siehe auch Hammen, Der Konzern 2008, 269 (274). 2 Claussen, ZBB 2000, 1 (4). 3 Kurth, Börsen-Zeitung v. 6.5.2000, Sonderbeil. B 2; Hammen, AG 2001, 549 (551); vgl. weiter Nobel, Börsenallianzen und -fusionen, FS Lutter, 2000, S. 1485 ff. 4 Müller, Der Konzern 2008, 263 (268); Christoph, Börsenkooperationen und Börsenfusionen, S. 276 ff. 5 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 202. Nach einer Grundsatzentscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts wird dem Börsenträger mit der Ge-
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4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
In dieser Aufgabenzuweisung liegt eine Beleihung, die dem Börsenträger den Status eines „beliehenen“ Unternehmens im verwaltungsrechtlichen Sinne verschafft1.
1. Börsenträger als beliehenes Unternehmen Eine Beleihung im verwaltungsrechtlichen Sinne erfolgt, wenn einer natürlichen oder juristischen Person (Privatrechtssubjekt) bestimmte Verwaltungsaufgaben zur selbständigen hoheitlichen Wahrnehmung übertragen werden2. Eine solche Verwaltungsaufgabe stellt das Betreiben einer Börse dar, wie sie dem Börsenträger mit der Erteilung der Börsengenehmigung als Aufgabe zugewiesen wird. Denn an der Durchführung einer funktionsfähigen börsenmäßig organisierten Marktveranstaltung besteht ein starkes öffentliches Interesse. Die Wahrnehmung solcher Interessen gehört von jeher zu den Aufgaben öffentlicher Verwaltung3. Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Börsenbetriebes durch Bereitstellung der hierfür erforderlichen finanziellen, personellen und sachlichen Mitteln gehört deshalb zum übertragenen hoheitlichen Aufgabenbereich des Börsenträgers4.
4.145
Soweit solche beliehenen Unternehmen wie der Börsenträger rechtlich selbständig und eigenverantwortlich tätig werden, gehören sie zu den Verwaltungsträgern im weitesten Sinne5 und haben damit eine öffentlichrechtliche Funktion6. Der Börsenträger ist aber im Unterschied zur Börse als Marktveranstalter kein Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung, sondern der staatlichen Organisation nur angegliedert7. Eine „Ein“gliederung in die öffentliche Verwaltung wird von einem Teil des Schrifttums hinsichtlich der Verpflichtung des Börsenträgers bejaht, die Funktionsfähigkeit der Börse als faktischen Marktveranstalter zu erhalten8.
4.146
1
2 3 4 5 6 7 8
nehmigung der Börsenaufsichtsbehörde zunächst eine Befreiung von dem präventiven Verbot des Betreibens eines nicht genehmigten börsenmäßig organisierten Börsenhandels (Privatbörse) erteilt. Vgl. die berühmte Feenpalast-Entscheidung dieses Gerichts v. 26.11.1898 (PreußOVGE 34, S. 315 ff.), in deren sehr ausführlichen Begründung das Wesen der Börse im Mittelpunkt gestanden hat (vgl. Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 4 [73, 90]; Meyer/Bremer, Börsengesetz, 1957, § 1 Anm. 3). Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 202 stellt ausdrücklich klar, dass die Betrauung mit dem Betrieb einer Börse „in der Form der Beleihung“ erfolgt. Zu dieser Beleihung vgl. Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 15; Wiede, Die Börse als verwaltungsrechtliches Problem und Rechtsinstitut, 1965, S. 187; Beck, WM 1996, 2313 (2316); aA Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, 2000, S. 187, der in dem Börsenträger lediglich einen sog. Verwaltungshelfer erblickt. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 21 Rz. 11, § 23 Rz. 56. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 1 Rz. 10. Beck, WM 1996, 2313 (2316). Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 21 Rz. 11, § 23 Rz. 56; Schwark, WM 2000, 2517 (2521). Beck, WM 1996, 2313 (2316, Fn. 47). Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90 Rz. 19; Reuter in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 89 BGB Rz. 4. Schwark, WM 2000, 254; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl. 1997, S. 85 ff.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
a) Betriebspflicht des Börsenträgers als schlichte Hoheitsverwaltung
4.147
Im Unterschied zu den Organen der Börse als Marktveranstalter sind dem Börsenträger bei der Übertragung der öffentlichen Aufgabe, eine Börse zu betreiben und zu erhalten (Betriebspflicht), keine Befugnisse zu einem einseitigen hoheitlichen Handeln verliehen worden, wie dies zB auf die Geschäftsführung der Börse zutrifft. Die dem Börsenträger zugewiesene öffentliche Betriebspflicht gehört deshalb nicht zur obrigkeitlichen, sondern zur schlichten Hoheitsverwaltung. Von Letzterer spricht man, wenn ein Träger öffentlicher Verwaltung wie der Börsenträger als beliehenes Unternehmen auf Grund öffentlichen Rechts errichtet, aber nicht obrigkeitlich tätig wird1. Die verwaltungsrechtliche Beleihung setzt nach heute herrschender Meinung die Einräumung einer solchen Befugnis zu einseitigem hoheitlichen Handeln nicht mehr voraus. Es genügt vielmehr, wenn eine schlichte öffentliche Aufgabe einem Privatrechtsubjekt zur Wahrnehmung zugewiesen wird, wie dies bei der staatlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Börse geschieht2.
4.148
Der Beliehene unterliegt im Rahmen der ihm übertragenen öffentlichen Aufgabe der staatlichen Aufsicht3. Es ist deshalb unstreitig, dass auch der Börsenträger hinsichtlich seiner Betriebspflicht der dauernden Aufsicht unterliegt4. Dabei ist lediglich unklar, ob es sich um eine Rechtsaufsicht oder um eine Fachaufsicht handelt, in die auch Zweckmäßigkeitserwägungen der Aufsichtsbehörde einfließen können5.
4.149
Diese Streitfrage spielt jedoch nach Schwark in der Praxis nur eine geringe Rolle: Auch die Rechtsaufsicht gestattet es, die ordnungsmäßige Erfüllung der Betriebspflicht durch den Börsenträger zu überprüfen und erforderlichenfalls zu sanktionieren. Der Börsenträger wäre freilich bei der Begrenzung auf die Rechtsaufsicht insbesondere bei der Wahl und Ausgestaltung elektronischer Handelssysteme oder der Auswahl des der Börse zur Verfügung zu stellenden Personals freier als bei Bestehen einer Fachaufsicht6. Auch die Rechtsaufsicht schließe es aber aus, dass der Börsenträger nach Erteilung der Börsengenehmigung „frei schalten und walten kann7“. 1 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 23 Rz. 40. 2 Michaelis, Der Beliehene – Ein Beitrag zur Verflechtung von öffentlichem und privatem Recht, Diss. Münster, 1969, S. 66; Stuible-Treder, Der Beliehene im Verwaltungsrecht, Diss. Tübingen, 1986, S. 9; Backherms, Das DIN – Deutsches Institut für Normung als Beliehener, Diss. Köln 1978, S. 18. 3 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90 Rz. 46. 4 Schwark, WM 2000, 2517 (2520). 5 Die Fachaufsicht bejahen Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90 Rz. 46; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 203; Bansch, Die Beleihung als verwaltungsrechtliches Problem, Diss. Frankfurt, 1973, S. 153 und tendenziell Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl. 1953, Bd. 1, S. 536. Für eine Begrenzung der Aufsicht auf eine Rechtsaufsicht Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 251; Bullinger, Staatsaufsicht, VVDStRL 22 (1965) S. 264 (318) Fn. 226. 6 Schwark, WM 2000, 2517 (2521); Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 41. 7 Schwark, WM 2000, 2517 (2521); Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 41.
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Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
Nach Auffassung der Börsenaufsichtsbehörden kann im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten überprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Erfüllung der übertragenen Betriebspflicht noch gegeben sind. Hierzu gehört erforderlichenfalls auch die Unterbindung drohender Verletzungen der Verpflichtung, eine funktionsfähige Börse zu betreiben und zu erhalten. Gemäß § 4 Abs. 5 BörsG kann die Börsenaufsichtsbehörde bei Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen auch die Erlaubnis zum Betrieb einer Börse aufheben.
4.150
b) Öffentlichrechtliches Auftragsverhältnis zum genehmigenden Bundesland Die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe im Wege der Beleihung begründet nach einhelliger Meinung von Rechtsprechung und Schrifttum eine öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis1. Dieses Auftragsverhältnis besteht gegenüber dem Sitzland der Börse. Denn die Börsengenehmigung wird von dem betreffenden Bundesland durch die hierfür zuständige oberste Landesbehörde als Börsenaufsichtsbehörde erteilt (vgl. § 4 Abs. 1 BörsG). Auch wird die staatliche Aufsicht durch das genehmigende Land ausgeübt, wobei die Zuständigkeit wiederum bei der Börsenaufsichtbehörde als oberster Landesbehörde liegt2.
4.151
Auf dieses öffentliche Rechtsverhältnis finden die zivilrechtlichen Bestimmungen des Auftragsrechts Anwendung, soweit nicht das öffentliche Recht Besonderes bestimmt oder die Parteien Besonderes vereinbaren (vgl. § 62 Satz 2 VwVfG)3.
4.152
Der Börsenträger muss aber bei seinen Aktivitäten außerhalb der börsenbezogenen Tätigkeitsfelder bedenken, ob diese noch im Einklang mit seiner Treuepflicht gegenüber dem beleihenden Lande stehen4. Als Grundsatz gilt, dass der Beliehene wirtschaftliche Tätigkeiten jedweder Art ausüben darf5. Der Börsenträger ist also nicht allein auf den Betrieb der Börse beschränkt. Er kann sich deshalb auch neue Betätigungsfelder erschließen, soweit dies der satzungsmäßig vorgeschriebene Unternehmenszweck zulässt6.
4.153
So ist Unternehmensgegenstand der Deutsche Börse AG nach ihrer Satzung7 neben dem Betrieb von Börsen die Planung, Entwicklung und Durchführung elektronischer Datenverarbeitung, insbesondere im Bereich des Börsenge-
4.154
1 BVerwG v. 25.11.1971 – I C 7.70, BB 1972, 422 (422), DVBl. 1973, S. 50 (Nr. 18); Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90 Rz. 45; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 23 Rz. 57; Ibler in Maunz/Dürig, Art. 86 GG Rz. 63. 2 Schwark, WM 2000, 2517 (2520). 3 Beuthien in Soergel, 2000, vor § 662 BGB Rz. 39; Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 662 BGB Rz. 68; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 226; Klein, DVBl. 1968, 129 (134); Kriebel, DÖV, 1962, 766 (767). 4 Vgl. hierzu Hammen, AG 2001, 549 (559). 5 Beck, WM 1996, 2313 (2319). 6 Beck, WM 1996, 2313 (2319). 7 Abrufbar unter www.deutsche-boerse.com.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
schäfts und des Wertpapiergeschäfts der Kreditinstitute einschließlich der Abwicklung sowie die Sammlung, Verarbeitung und der Vertrieb von auf Wertpapieren bezogenen Informationen, die Erbringung von unterstützenden Dienstleistungen für mit dem Börsen- und Wertpapiergeschäft befasster Unternehmen, insbesondere durch Wahrnehmung zentraler Dienste in sämtlichen Tätigkeitsbereichen für die betreffenden Unternehmen. Auch kann die Gesellschaft Hardware und Software und alle dazugehörigen Einrichtungen erwerben, veräußern, entwickeln, mieten, vermieten oder für Dritte einsetzen.
4.155
In Grenzfällen, insbesondere bei Kooperationen mit Wettbewerbern der ihr anvertrauten Börse, kann sich aber die Frage stellen, ob dies noch mit der Treuepflicht gegenüber dem genehmigenden Land in Einklang steht. Dabei wird freilich zu berücksichtigen sein, dass dem Börsenträger aus der Betriebspflicht ein enormes finanzielles Engagement erwächst. Die hierfür benötigten Beträge lassen sich jedoch durch Ausgaben neuer Aktien über den Kapitalmarkt nur refinanzieren, wenn dieser hierfür aufnahmebereit ist. Der Börsenträger muss deshalb weitestmöglich in der Lage sein, die für die Erfüllung seiner Betriebspflicht benötigten Gelder selbst zu erwirtschaften. c) Grenzen der Betriebspflicht des Börsenträgers
4.156
Unstreitig beschränkt sich die Betriebspflicht des Börsenträgers nicht nur darauf, die Börse in ihrem einmal genehmigten Bestand zu erhalten. Das Börsengesetz (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BörsG) stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass der Börse auf Anforderung der Geschäftsführung auch die zur „angemessenen Fortentwicklung“ des Börsenbetriebs erforderlichen finanziellen, personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung zu stellen sind. Dabei lassen sich die Grenzen dieser finanziellen Last nicht generell bestimmen1. Art und Umfang dieser Leistungspflichten werden sich daran zu orientieren haben, welchen konkreten Anforderungen beim Betrieb der einzelnen Börse Rechnung zu tragen ist2. Die gesetzliche Untergrenze wurde in § 5 Abs. 5 BörsG festgelegt, nachdem der Träger zumindest über ausreichende finanzielle Mittel für eine ordnungsgemäße Durchführung des Börsenbetriebs zu verfügen hat.
4.157
Die Konkretisierung der Art und des Umfanges der Leistungspflichten des Börsenträgers hat sich an den Tatbestandsmerkmalen der Betriebspflicht „angemessene Fortentwicklung“ der Börse und die hierfür „erforderlichen Mittel“ zu orientieren3. Deshalb braucht eine nachweislich untaugliche Handelseinrichtung nicht eingeführt und eine nicht benötigte Erweiterung etwa des elektronischen Handelssystems nicht durchgeführt zu werden. Auch brauchen keine Maßnahmen finanziert zu werden, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Börsenträgers übersteigen4. 1 2 3 4
Beck, BKR 2002, 662 (664). Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 203. Beck, BKR 2002, 662 (664). Beck, BKR 2002, 662 (664).
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4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
aa) Konkretisierung der Betriebspflicht Die Regelungen des § 5 BörsG werfen die Frage auf, wie weit die Betriebspflicht angesichts einer extremen Elektronisierung des Börsenhandels und noch vor Jahren für undenkbar gehaltener Ausführungsgeschwindigkeiten geht. Die Bereitstellung extrem leistungsfähiger elektronischer Handelssysteme schließt auch fortwährende Entwicklungsinvestitionen ein, um mit den Entwicklungen anderer Börsen oder multilateraler Handelssysteme Schritt zu halten. Dagegen besitzt der Börsenträger bei kostspieligen oder neuartigen Investitionen ein unternehmerisches Ermessen. Solche Investitionen seien nur dann zu finanzieren, wenn anderenfalls ein Niedergang des Handels an der Börse und ein weit gehendes Ausscheiden aus dem Kapitalmarkt die Folge wäre1. Auch nach dem sonstigen Schrifttum braucht der Träger die Börse lediglich in dem Umfange auszustatten, wie ihm dies zuzumuten ist2.
4.158
bb) Unzulässigkeit eines Genehmigungsverzichts Die Problematik einer die finanziellen Mittel übersteigenden Fortführung des Börsenbetriebes lässt sich auch nicht dadurch beseitigen, dass für diesen Fall eine Rückgabe der Börsengenehmigung ins Auge gefasst wird. Der Börsenträger kann nach einhelliger Meinung auf die ihm erteilte Genehmigung zum Betrieb einer Börse nicht einseitig verzichten3. Denn es kann nicht in das Belieben des Börsenträgers gestellt sein, ob eine solche im öffentlichen Interesse bestehende Einrichtung aufgelöst wird oder weiterbesteht4.
4.159
Die Rechtsprechung hat zwar den allgemeinen Rechtsgrundsatz entwickelt, dass ein Dauerschuldverhältnis, wie dieses durch die Pflicht zum Börsenbetrieb begründet wird, aus wichtigem Grund gekündigt werden kann (vgl. § 314 BGB). Mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse am Fortbestand einer bestehenden Börse kann dieser Grundsatz schwerlich auf das öffentlichrechtliche Auftragsverhältnis zwischen dem genehmigenden Land und dem Börsenträger angewendet werden. Der Börsenträger wird aber im Bedarfsfalle Einvernehmen mit der Börsenaufsichtsbehörde darüber erzielen können, einen geeigneten Nachfolger als neuen Träger zu bestellen.
4.160
d) Anteilseignerkontrolle beim Börsenträger Mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz ist eine Kontrolle der Inhaber bedeutender Beteiligungen iS des Kreditwesengesetzes (§ 1 Abs. 9 KWG) an 1 Schwark, WM 2000, 2517 (2520). 2 Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 91. Nach Mues ist die Börsenaufsichtsbehörde nicht befugt, den vom Börsenträger zu erbringenden Leistungsumfang zu bestimmen (ZBB 2001, 353 [357]). 3 Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 76; Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, 2000, S. 187; Mues, ZBB 2001, 353 (357). Nach Beck erlischt die Verpflichtung, die einmal genehmigte Börse in ihrem Bestand zu erhalten, mit der Liquidation oder der Insolvenz des privatrechtlichen Börsenträgers (Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 25). 4 Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 89 ff.
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4.161
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
einer Börsenträgergesellschaft eingeführt worden (§ 6 BörsG). Eine solche bedeutende Beteiligung besteht, wenn unmittelbar oder mittelbar über ein oder mehrere Tochterunternehmen oder ein gleichartiges Verhältnis oder durch Zusammenwirken mit anderen Personen oder Unternehmen mindestens zehn von Hundert des Kapitals oder der Stimmrechte eines Unternehmens gehalten werden oder wenn auf die Geschäftsführung des Unternehmens, an dem eine Beteiligung besteht, ein maßgeblicher Einfluss ausgeübt werden kann1.
4.162
Ziel dieser Anteilseignerkontrolle ist es, die Funktionsfähigkeit der Börse, insbesondere im Hinblick auf die Durchführung und angemessene Fortentwicklung des Börsenbetriebes zu sichern2. Der Erwerb einer solchen bedeutenden Beteiligung ist der Börsenaufsichtsbehörde anzuzeigen, damit diese überprüfen kann, ob die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vertreter der Erwerbsgesellschaft zuverlässig sind oder den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Trägers der Börse zu stellenden Ansprüchen nicht genügen. Bei einem negativen Prüfungsergebnis kann der Erwerb der Beteiligung untersagt werden. Die gesetzliche Regelung ermöglicht es im Übrigen, die Ausübung der Stimmrechte zu untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Börsenbetrieb und seine angemessene Fortentwicklung beeinträchtigt wird (§ 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BörsG).
4.163
Des Weiteren sieht die Neuregelung eine unverzügliche Anzeige vor, wenn durch Aufstockung der Beteiligung die Schwellen von 20 %, 33 % oder 50 % der Stimmrechte oder des Kapitals erreicht oder überschritten werden oder der Träger unter die Kontrolle eines Großaktionärs kommt. Eine solche Anzeige ist auch zu erstellen, wenn diese Schwellen bei Abbau der Beteiligung unterschritten werden (§ 6 Abs. 5 BörsG). Schließlich ist eine entsprechende Anzeigepflicht dem Börsenträger selbst auferlegt, wenn er von solchen Beteiligungen Kenntnis erlangt (§ 6 Abs. 6 BörsG).
2. Verhältnis zur marktveranstaltenden Börse
4.164
Die Beziehungen zwischen der Börse und ihrem Träger ist weitgehend durch die Aufteilung der Leistungspflichten aus der übertragenen öffentlichen Aufgabe geprägt, wie sie im Börsengesetz geregelt ist. Danach hat der Börsenträger im Wesentlichen die zur Durchführung und angemessenen Fortentwicklung des Börsenbetriebes erforderlichen finanziellen, personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. a) Keine Einflussmöglichkeiten auf innere Börsenangelegenheiten
4.165
Aus dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit kann der Börsenträger aber nach einhelliger Meinung nicht das Recht herleiten, auf die inneren Börsenange-
1 Auch das österreichische Börsegesetz (§ 6) kennt eine Anteilseignerkontrolle, vgl. hierzu Hammen, WM 2001, 929 (940). 2 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 205.
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4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
legenheiten, insbesondere auf den organisatorischen Rahmen für den Börsenhandel Einfluss zu nehmen1. Dies ist im sog. Berliner Börsenstreit der Jahre 1902 und 1903 klargestellt worden, der im Zuge der Übertragung der Börsenaufsicht von der Kooperation der Berliner Kaufmannschaft als Börsenträger auf die neugegründete Handelskammer Berlin entstanden war. Die Kooperation reklamierte als Eigentümerin der Berliner Börse für sich das Recht, die Börse weiterhin zu verwalten, insbesondere die Börsenordnung zu erlassen und die Mitglieder des Börsenvorstandes und der Zulassungsstelle zu benennen. Das zuständige Preußische Ministerium für Handel und Gewerbe genehmigte gleichwohl die von der Handelskammer Berlin vorgelegte Börsenordnung, nachdem vier anerkannte Staatsrechtslehrer als Gutachter überwiegend zu dem Ergebnis gelangt waren, dass die Börse eine öffentlichrechtliche Organisationsstruktur habe2.
4.166
Die fehlende Einflussmöglichkeit des Börsenträgers auf die inneren Börsenangelegenheiten erklärt sich vor allem daraus, dass die Veranstaltung eines börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels im öffentlichen Interesse erfolgt3. Die Börsenorgane haben sich deshalb vorrangig am allgemeinen Interesse zu orientieren4, weil sie in Wahrnehmung staatlicher Aufgaben tätig werden5. Mit dieser Interessenwahrung stünde es nicht in Einklang, wenn der Börsenträger Einfluss auf die inneren Angelegenheiten der Börse nehmen könnte.
4.167
b) Wirtschaftliches Management der Börse durch Börsenträger Das Verhältnis zwischen der Börse und ihrem Träger ist im Wesentlichen dadurch geprägt, dass der Träger der Börse die für ihren Betrieb erforderlichen finanziellen, personellen und rechtlichen Mitteln zur Verfügung zu stellen hat. Mit dieser Verpflichtung zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Marktveranstaltung obliegt dem Börsenträger das wirtschaftliche Management der Börse als Marktveranstaltung6. Das Schrifttum spricht in diesem Zusammenhang auch von einer finanziellen Verwaltung7.
4.168
Die Funktion des Börsenträgers als wirtschaftlicher Verwalter der Börse veranschaulicht insbesondere die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung der
4.169
1 Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 91; Wiede, Die Börse als verwaltungsrechtliches Problem und Rechtsinstitut, Diss. Köln, S. 118; Schwark, WM 2000, 2517 (2520); Spindler, WM 2001, 1689 (1696). 2 Die öffentlichrechtliche Organisationsstruktur bejahten Otto Mayer, Loening, Rosin, während sich Anschütz für die privatrechtliche Rechtsnatur der Börse aussprach (Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 4 [5]). Der Ansicht von Anschütz hat sich Nußbaum ohne nähere Begründung angeschlossen (Kommentar zum Börsengesetz, 1910, § 1 IV, S. 8). 3 Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 75 (90). 4 Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 90. 5 Wiede, Die Börse als verwaltungsrechtliches Problem und Rechtsinstitut, Diss. Köln, 1965, S. 110. 6 Schwark, WM 2000, 2517 (2520). 7 Göppert, Das Recht der Börsen, 1932, S. 88; Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 15.
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Börsen und andere Handelssysteme
Deutsche Börse AG als Trägerin der Frankfurter Wertpapierbörse. Mit Rücksicht auf die fehlende Vollrechtsfähigkeit der Börse sind die auf sie bezogenen privatrechtlichen Rechtspositionen ihrem rechtsfähigen Träger zuzuordnen1. Dies gilt insbesondere für die Sachanlagen in Form der Computer-Hardware, der Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie den Rechten an den EDV-Programmen, deren Bedeutung wegen der Elektronisierung des Börsenhandels ständig wächst.
4.170
Obwohl die Börse ohne die weit reichende Pflicht ihres Trägers, die erforderliche Infrastruktur für den Börsenhandel zur Verfügung zu stellen, nicht existenzfähig ist, ist der Börsenträger aus der Sicht des Börsengesetzes lediglich eine bloße Begleiterscheinung des Börsengeschehens. Die Ausstattungspflicht des Börsenträgers ist in § 5 Abs. 1 BörsG ausdrücklich angesprochen, ferner werden die weiter gehenden Pflichten des Trägers in § 5 BörsG normiert. Durch diese Regelungen werden die wesentlichen Rechte und Pflichten des Börsenträgers auf eine gesetzliche Grundlage gestellt2.
4.171
Faktischer Veranstalter des an der Börse stattfindenden Wertpapierhandels ist die Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts.
4.172
Schließlich muss der Umstand, dass faktischer Veranstalter des Börsenhandels die Börse und nicht ihr Träger ist, Konsequenzen für die Rechtsverhältnisse aus der Inanspruchnahme der Börsendienstleistungen haben. Die diesen zugrunde liegenden Leistungsverhältnisse bestehen infolgedessen zwischen der Börse einerseits und andererseits den Handelsteilnehmern und den Emittenten als Börsenbenutzer. Dagegen wird kein öffentlichrechtliches Benutzungsverhältnis zwischen dem Träger der Börse und ihren Nutzern begründet3.
4.173
Die rechtlichen Kontakte zwischen dem Börsenträger und den Börsenbenutzern beschränken sich auf Sonderfälle. So werden die privatrechtlichen sog. Anschlussverträge4, mit denen den zugelassenen Handelsteilnehmern die Nutzung des betriebenen elektronischen Handelssystem gestattet wird5, mit dem Börsenträger als Eigentümer des Systems abgeschlossen.
4.174
Die Begründung solcher öffentlichrechtlichen Leistungsverhältnissen ist also allein der Börse als faktischem Marktveranstalter vorbehalten. Hierbei werden ihre Organe tätig. Die Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts ist eine juristische Person, die nicht selbst handlungsfähig ist.
1 Schwark in Schwark, § 12 BörsG Rz. 8; Beck, WM 1996, 2313 (2315). 2 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 202. 3 Ohlenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 35; Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, 2000, S. 51 (52). 4 Vgl. § 15 Abs. 2 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 5 Beck, WM 1998, 417 (424).
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Seiffert
4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
III. Marktveranstaltende Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts Der Veranstalter des börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts1.
4.175
Die klassisch gewordene Definition von Otto Mayer umschreibt die öffentlichrechtliche Anstalt als einen „Bestand von sachlichen und persönlichen Mitteln, die in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt ist“2. Diese funktionale Bestimmung der Anstalt als öffentlich-rechtliche Rechtsperson ist im Wesentlichen noch heute aktuell3. Die für die öffentlichrechtliche Anstalt charakteristischen personellen und sachlichen Mitteln hat der Börsenträger im Rahmen seiner Ausstattungspflicht bereitzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BörsG). Diese Bereitstellung geschieht gegenüber der Börse als faktischem Marktveranstalter, die für die Organisation und die Geschäftsabläufe des Börsenhandels und der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Benutzung der Börseneinrichtungen, insbesondere der EDV-Anlagen zuständig ist4.
4.176
Der börsenmäßig organisierte Wertpapierhandel dient im Sinne des traditionellen Anstaltsbegriffes auch einem „auf Dauer angelegten besonderen öffentlichen Zweck“. Es herrscht Einvernehmen, dass ein überragendes öffentliches (staatliches) Interesse an einem funktionsfähigen Börsenhandel besteht. Denn die börsenmäßig organisierte Marktveranstaltung gewährleistet vor allem eine neutrale Preisermittlung. Auf diese börsenspezifische Dienstleistung legt insbesondere das breite Anlegerpublikum größten Wert. Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes mit seinen traditionellen Börsen ist insbesondere auf das Nachfrage- und Angebotspotential dieser Investoren angewiesen. Das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Börsenhandel lässt deshalb die Einrichtung und den Betrieb von Wertpapierbörsen zu einer öffentlichen (staatlichen) Aufgabe werden. Somit sollen solche Marktveranstaltungen „dauernd einem besonderen öffentlichen Zweck dienen“5.
4.177
1. Marktveranstaltung als mittelbare Staatsverwaltung Die Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts gehört zum öffentlichrechtlichen Organisationsbereich6. Eine solche Eingliederung bedeutet freilich nicht, dass die Börse zur staatlichen Verwaltung im engeren Wortsinne gehört, bei 1 Siehe die Klarstellung im neugefassten § 2 Abs. 1 BörsG. 2 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, 3. Aufl. 1924, § 51, S. 268. 3 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 86 Rz. 1; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 23 Rz. 46; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. 1973, § 25, 3, S. 494 (495); Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 291; Rüfner, DÖV 1985, 605 (606); Krebs, NVwZ 1985, 609 (610); Chen Ai-er, Öffentlich-rechtliche Anstalten und ihre Nutzung, 1994, S. 14. 4 Vgl. zB § 8 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 5 Samm, Börsenrecht, 1978, S. 49. 6 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 54 (59).
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4.178
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
der der Staat seine Verwaltungsaufgaben durch eigene Behörden1 selbst erfüllt. Der Staat kann vielmehr die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ausgliedern und rechtlich oder zumindest organisatorisch verselbständigten Verwaltungsträgern übertragen oder überlassen2. Diese Verwaltungsträger gehören zur sog. mittelbaren Staatsverwaltung. Sie ist gegeben, wenn der Staat seine Verwaltungsaufgaben nicht selbst durch eigene Behörden erfüllt, sondern rechtlich selbständigen Dritten überlässt3, wie dies durch die Erteilung einer Börsenlizenz geschieht.
4.179
Die Börsen als Anstalten des öffentlichen Rechts gehören deshalb zur mittelbaren Staatsverwaltung4. Die Schwerpunkte der Börse als faktischem Marktveranstalter liegen, wie es für Anstalten des öffentlichen Rechts typisch ist, im technisch-organisatorischen Rahmen mit seinen Personal- und Sachmitteln sowie in den Leistungen an die Handelsteilnehmer und Emittenten als Anstaltsbenutzer.
4.180
Die Verselbständigung der Träger mittelbarer Staatsverwaltung bedeutet vor allem eine organisatorische Verselbständigung der Personal- und Sachmittel und Verselbständigung der Willensbildung der Organisation, insbesondere durch eigene Organe5. Dies trifft auf die Börse als faktischen Veranstalter eines börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels zu. a) Selbstverwaltungsrecht der Börse
4.181
Die organisatorische Verselbständigung der Börse als faktischer Marktveranstalter ermöglicht es, ihr die Eigenverantwortung für die Ordnungsmäßigkeit des Börsenhandels zu übertragen. Das Börsengesetz hat den Börsen hierzu weit reichende Rechte und Pflichten zugewiesen, wie sie für solche Träger mittelbarer Staatsverwaltung charakteristisch sind.
4.182
Die Börse kann diese Rechte und Pflichten im Rahmen ihrer Selbstverwaltung wahrnehmen. Unter dieser Selbstverwaltung ist die selbständige und fachweisungsfreie Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten zu verstehen, die enumerativ oder global innerstaatlichen Trägern öffentlicher Verwaltung zugewiesen oder überlassen worden sind6. Mit einem solchen Selbstverwaltungsrecht können auch Anstalten des öffentlichen Rechts ausgestattet sein, wie dies bei den Börsen geschehen ist7. 1 Unter einer Behörde ist eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln zu verstehen, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet und dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geforderter Zwecke tätig zu sein (BVerfG v. 14.7.1959 – 2 BvE 2/58, 2 BvE 3/58, BVerfGE 10, 20 [48]). 2 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. 1973, § 25, 3, S. 494 (495). 3 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 23 Rz. 1. 4 Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 32. 5 Krebs, NVwZ 1985, 609 (616); Chen Ai-er, Öffentlichrechtliche Anstalten und ihre Nutzung, 1994, S. 4. 6 Ehlers in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rz. 19. 7 Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 32; Groß, Kapitalmarktrecht, § 15 BörsG Rz. 5.
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Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
Ein Wesensmerkmal der Selbstverwaltung im Rechtssinne ist vor allem die Eigenverantwortlichkeit. Innerhalb dieses Verantwortungsrahmens werden die übertragenen öffentlichen Aufgaben von einem freien Glied des öffentlichrechtlichen Organisationsbereichs im staatlichen Interesse erledigt. Mit Rücksicht auf diese Eigenverantwortlichkeit sind die mit dem Selbstverwaltungsrecht ausgestatteten Verwaltungsträger keiner staatlichen Leitungsgewalt unterworfen. Die Selbstverwaltungsträger unterliegen deshalb keiner Organ- oder Fachaufsicht. Die staatliche Aufsicht beschränkt sich vielmehr auf die Rechtsaufsicht, die lediglich die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, nicht aber deren Zweckmäßigkeit gewährleisten soll1.
4.183
b) Verleihung autonomer Rechtsetzungsbefugnis Die Börsenselbstverwaltung umfasst auch eine autonome Rechtssetzungsbefugnis. Diese Befugnis ist der Börse verliehen worden, um die erforderliche Reglementierung des Börsenhandels weitestmöglich autonom vornehmen zu können. Sie wird ausgeübt durch Erlass einer Börsenordnung, die die Rechtsnatur einer öffentlichrechtlichen Satzung hat (§ 12 Abs. 2 BörsG). Durch solches Satzungsrecht werden materielle Gesetze geschaffen2. Hierdurch wird der Börse ermöglicht, die rechtlichen Rahmenbedingungen ohne Mitwirkung der Börsenbenutzer einseitig im Einvernehmen mit der Börsenaufsicht jederzeit zu ändern.
4.184
2. Teilrechtsfähigkeit der Börse Die Vollrechtsfähigkeit fehlt der Börse3. Sie würde einen entsprechenden hoheitlichen Verleihungsakt voraussetzen4. Denn für die Vollrechtsfähigkeit ist nicht schon ausreichend, dass der Träger der Börse für die Errichtung einer staatlichen Genehmigung bedarf und die Börse als Marktveranstaltung durch die Börsenaufsichtsbehörde aufgehoben werden kann mit der Folge, dass die Börse ihren Charakter als öffentlichrechtliche Anstalt verliert5. Die Börse ist deshalb als Anstalt des öffentlichen Rechts nur organisatorisch verselbständigt6. Es fehlt ihr aber infolge der mangelnden Vollrechtsfähigkeit die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Personen des öffentlichen Rechts7. 1 Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 31. 2 BVerfG v. 22.10.1980 – 2 BvR 1172/79, 2 BvR 1238/79, NJW 1981, 1087. 3 Auch nach den Gesetzesmaterialien zum 4. FFG wird die Börse als „unselbständige“ öffentlichrechtliche Anstalt errichtet (Begr. RegE 4. FGG, BR-Drucks. 936/01 [neu], S. 202), nunmehr in § 2 Abs. 1 BörsG explizit klargestellt. 4 VG Frankfurt v. 9.4.1963 – VI/1-1090/62, AG 1963, 306; Kümpel, WM 1985, Sonderbeil. Nr. 5, 4. 5 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl. 1953, S. 620. 6 Vgl. BGH v. 29.5.1978 – II ZR 173/77, NJW 1978, 2548 (2549) zu den insoweit vergleichbaren Hochschulinstituten als anstaltlich organisierte, aber nicht rechtsfähige Einheiten. 7 Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 8.
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4.185
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4.186
Anstelle der fehlenden Vollrechtsfähigkeit im privatrechtlichen Sinne verfügt die Börse jedoch über eine weit gehende Teilrechtsfähigkeit, wie sie auch den sonstigen teilrechtsfähigen Trägern öffentlicher Verwaltung eigen ist1.
4.187
Bei solchen teilrechtsfähigen Verwaltungsträgern handelt es sich um öffentlichrechtlich strukturierte Organisationen, denen zwar der Status vollrechtsfähiger Personen des öffentlichen Rechts fehlt, die aber zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben berufen und insoweit mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattet sind2. Einen solchen organisatorisch verselbständigten Verwaltungsträger mit angemessener Teilrechtsfähigkeit stellt auch die Börse als faktischer Marktveranstalter dar. Der Gesetzgeber hat die Börse mit Rechten und Pflichten in einem Umfang ausgestattet, der für das Betreiben eines börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels benötigt wird. a) Beteiligungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren
4.188
Die Börsen haben auch ohne Vollrechtsfähigkeit die sog. Beteiligungsfähigkeit für Verwaltungsverfahren, wie diese in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder definiert worden sind. Solche Verwaltungsverfahren sind alle nach außen wirkenden Tätigkeiten einer Behörde, mit denen geprüft wird, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrages gegeben sind (vgl. § 9 VwVfG). Eine Behörde im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze ist also jede Stelle, die wie die Börse Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und hierbei Verwaltungsakte erlässt oder öffentlichrechtliche Verträge abschließt. Solche Behörden können an einem Verwaltungsverfahren beteiligt sein3. Die Reichweite dieser Beteiligungsfähigkeit bestimmt sich im Übrigen nach den hoheitlichen Befugnissen, wie sie dem teilrechtsfähigen Verwaltungsträger eingeräumt worden sind4. b) Parteifähigkeit in Verwaltungsgerichtsverfahren
4.189
Die Börse kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter ihrem Namen klagen und verklagt werden kann (§ 2 Abs. 4 BörsG)5.
1 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 78 (86); Beck, WM 1996, 2313 (2315); Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, S. 112. 2 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 21 Rz. 10. 3 § 11 VwVfG. 4 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 19 Rz. 13. 5 Hierzu Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 64.
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Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
3. Haftungsrechtliche Aspekte a) Wegfall der Staatshaftung durch Viertes Finanzmarktförderungsgesetz Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz1 hat die haftungsrechtliche Situation grundlegend neu gestaltet. § 15 Abs. 6 BörsG stellt klar, dass die mit der Börsenleitung betraute Geschäftsführung die ihr nach dem Börsengesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse „nur im öffentlichen Interesse“ wahrnimmt. Erläuternd heißt es hierzu in den Gesetzesmaterialien, dass die Geschäftsführung „wie die anderen Börsenorgane und die Börsenaufsichtsbehörde im Interesse der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Börse und nicht zum Schutze individueller Anlegerinteressen tätig wird2. Die gleiche Regelung ist für Pflichtverletzungen durch die Handelsüberwachungsstelle (§ 3 Abs. 3 BörsG), den Börsenrat (§ 12 Abs. 6 BörsG) und getroffen worden.
4.190
Eine Amtspflichtverletzung iS des § 839 BGB, bei der die Staatshaftung gemäß Art. 34 GG zum Tragen kommt, setzt aber voraus, das die Amtspflicht auch gegenüber dem Geschädigten bestand3. Für diese erforderliche drittschützende Wirkung kommt es nach übereinstimmender Meinung auf den Schutzzweck der Amtspflicht an4. Dient jedoch eine ordnungsmäßige Wahrnehmung der Amtspflicht ausschließlich den Interessen des Staates oder der Öffentlichkeit, so begründet eine Verletzung dieser Dienstpflicht keine Staatshaftung5. Nach den Gesetzesmaterialien zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz soll durch diese Regelung gerade klargestellt werden, dass die Geschäftsführung der Börse „nicht zum Schutze individueller Anlegerinteressen“, sondern allein im Interesse der Funktionsfähigkeit der Börse und damit ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig wird6. An dieser Ausgangslage hat sich auch durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz nichts geändert.
4.191
Dieser Wegfall der Staatshaftung beschränkt sich im Übrigen nicht nur auf solche fehlerhaften Maßnahmen der Börsengeschäftsführung, bei denen sie gegenüber den Börsenbenutzern einseitig verbindlich regelnd durch Verwaltungsakte handelt oder ihre verwaltungsrechtlichen Vollstreckungsbefugnisse einsetzt (sog. obrigkeitlich-hoheitliche Verwaltung). Wenn Art. 34 GG die Verletzung eines Dritten „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ voraussetzt, so ist nach herrschender Meinung damit auch die sog. schlichthoheit-
4.192
1 Zur Rechtslage bis zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz siehe die 3. Aufl., dort Rz. 17.331 bis 17.335. 2 Beg. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 209. 3 Vgl. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB: „Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus zu entstehenden Schaden zu ersetzen.“ 4 BGH v. 26.1.1989 – III ZR 194/87, BGHZ 106, 323, 331; Wurm in Staudinger, Neubearb. 2007, § 839 BGB Rz. 170; Sprau in Palandt, § 839 BGB Rz. 44. 5 Papier in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 BGB Rz. 227; Wurm in Staudinger, Neubearb. 2007, § 839 BGB Rz. 175; Thomas in Palandt, § 839 BGB Rz. 47; Grzeszik in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 43 Rz. 18. 6 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 209.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
liche Verwaltung gemeint. Bei letzterer Verwaltungsart wird eine öffentliche Aufgabe zwar ohne solche hoheitlichen Eingriffsbefugnis, gleichwohl aber in einer öffentlichrechtlichen Handlungsform wahrgenommen. Dies geschieht insbesondere bei der staatlichen Leistungsverwaltung1. Hierzu gehören auch die öffentlichrechtlichen Benutzungsverhältnisse, die zwischen der Börse als faktischem Marktveranstalter und den Handelsteilnehmern und Emittenten begründet werden. Denn die Börse nimmt im Rahmen dieser Rechtsverhältnisse die ihr übertragenen öffentlichen Aufgaben (Betrieb eines funktionsfähigen Börsenhandels) wahr. Überdies lässt sie sich diese Tätigkeiten auch von den Börsenbenutzern durch die Zahlung öffentlichrechtlicher Gebühren angemessen vergüten. Soweit die Börse die ihr hieraus geschuldeten Dienstleistungen erbringt, sind sie also dem Bereich der schlichthoheitlichen Verwaltung zuzurechnen. Somit werden die Börsenorgane, insbesondere die Geschäftsführung der Börse bei der Erbringung ihrer Dienstleistungen in Ausübung eines „öffentlichen Amtes“ iS des Art. 34 GG tätig. b) Haftung des Börsenträgers
4.193
Das Haftungsregime des Börsengesetzes wird freilich dadurch stark relativiert, dass für die Benutzung der EDV-Anlagen des elektronischen Handelssystems XETRA ein privatrechtlicher „Anschluss“vertrag zwischen dem Börsenträger und dem Handelsteilnehmer abzuschließen ist. In diesem Vertrag sind auch die für die Benutzung des elektronischen Handelssystems zu zahlenden Entgelte festgelegt2.
4.194
Mit Rücksicht auf Haftungsansprüche bei Störungen des elektronischen Handelssystems sind die Verantwortungsbereiche zwischen der Börse und den Handelsteilnehmern abgegrenzt worden3. Dies ist in § 45 der BörsO FWB geschehen. Danach fällt das börsliche Netzwerk, das in § 45 BörsO FWB definiert ist, in den Verantwortungsbereich der Börse. Die Handelsteilnehmer sind dagegen für die Funktionsfähigkeit ihres jeweiligen Teilnehmerhandelssysteme gemäß § 46 BörsO FWB verantwortlich. Bei technischen Störungen in dem Handelssystem der Handelsteilnehmer und damit in deren Risikosphäre scheiden Schadensersatzansprüche gegen die Börse bzw. deren Träger von vorneherein aus4.
4.195
Soweit sonstige Schadensersatzansprüche gegen die Börse geltend gemacht werden können, dürfte der Träger der Börse letztlich auch für diese einzustehen haben. Denn die die Haftungsgrundlage bildenden Vermögenswerte sind nicht der Börse, sondern ihrem Träger zugeordnet. Der Börsenträger ist aber
1 Wurm in Staudinger, Neubearb. 2007, § 839 BGB Rz. 81; Vinke in Soergel, 1998, § 839 BGB Rz. 55, 63; Papier in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 BGB Rz. 149. 2 Siehe die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vertrags über die Nutzung der Handels-EDV der Frankfurter Wertpapierbörse (Anschlussvertrag) unter § 4, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 3 Beck, WM 1998, 417 (425). 4 Beck, WM 1998, 417 (425).
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Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
auf Grund der ihm zugewiesenen Betriebspflicht verpflichtet, der Börse die zur Durchführung des Börsenbetriebs erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BörsG). Dies bedeutet auch, die von der Börse zu ersetzenden Schäden zu übernehmen. Haftungsrechtlich ist also eine vergleichbare Situation wie bei den außerbörslichen Handelssystemen gegeben, bei denen im Unterschied zu dem dualen System des deutschen Börsenwesens die Funktion des Marktveranstalters und die des Systemträgers als Eigentümer und Finanzier in einer Person vereinigt sind.
4. Börsenorgane Die Börse als Marktveranstalter ist wie jeder andere Träger öffentlicher Verwaltung nicht handlungsfähig. Verwaltungsträger brauchen deshalb Menschen, die für sie tätig werden und sie hierdurch handlungsfähig machen. Rechtstechnisch geschieht dies durch Organe und Organwalter. Bei den Organen handelt es sich um rechtlich geschaffene Einrichtungen der Verwaltungsträger, die dessen Zuständigkeit wahrzunehmen haben. Als Organwalter werden diejenigen Personen bezeichnet, die den Organen zugeordnete Zuständigkeiten faktisch ausüben.
4.196
Zu den Organen der Börsen gehören die Börsengeschäftsführung, der Börsenrat, die Handelsüberwachungsstelle sowie der Sanktionsausschuss1.
4.197
a) Börsengeschäftsführung Die Leitung der Börse obliegt der Geschäftsführung in eigener Verantwortung (§ 15 Abs. 1 BörsG). Sie nimmt die ihr nach dem Börsengesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr (§ 15 Abs. 6 BörsG). Die Geschäftsführung wird also wie die anderen Börsenorgane und die Börsenaufsichtsbehörde im Interesse der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Börse und nicht zum Schutz individueller Anlegerinteressen tätig2.
4.198
aa) Geschäftsführung mit Behördenstatus Die Anordnungen der Börsengeschäftsführung im Rahmen der ihr zustehenden Befugnisse sind Verwaltungsakte3. Sind wie bei der Börse die Organe eines Verwaltungsträgers zur eigenen Durchführung konkreter Verwaltungsmaßnahmen im Außenverhältnis berufen und können sie deshalb gerichtlich überprüfbare Verwaltungsakte erlassen, handelt es sich bei diesen Organen 1 § 3 Abs. 1 Satz 2 BörsG, der nunmehr eine Legaldefinition der Börsenorgane enthält. Nach Schwark in Schwark, § 2 BörsG Rz. 4 und 5 zählten auch die skontroführenden Makler, weil mit der Preisfeststellung betraut, zu den Börsenorganen, da sie Funktionen, die sich auf die Börse beziehen selbständig wahrnehmen. Zu ehemals weiterem Organverständnis siehe bei Schwark, Börsengesetz Kommentar, 2. Aufl. 1994, § 2 Rz. 4. 2 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 209. 3 Schwark in Schwark, § 12 BörsG Rz. 2.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
um Behörden im verwaltungsrechtlichen Sinne1. Die Börsengeschäftsführung besitzt deshalb auch Behördeneigenschaft2.
4.200
Soweit die im Einzelfall getroffenen Maßnahmen der Börsengeschäftsführung in die Rechtssphäre der Handelsteilnehmer und der Emittenten als Börsenbenutzer eingreifen, bedürfen diese belastenden Verwaltungsakte nach dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einer gesetzlichen Grundlage (Vorbehalt des Gesetzes). Diese Voraussetzungen erfüllen auch die Eingriffsbefugnisse der Börsengeschäftsführung, selbst wenn sie lediglich durch die Börsenordnung geschaffen worden sind. Denn die Börsenordnung wird als öffentlichrechtliche Satzung erlassen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 BörsG). Ihre Bestimmungen stellen deshalb materielle Gesetze dar3. Auch solche materiellen Normen stellen wie die formellen Gesetzesbestimmungen eine ausreichende Rechtsgrundlage dar, um zu Lasten der Börsenbenutzer Verwaltungsakte zu erlassen. bb) Umfassender Zuständigkeitskatalog
4.201
Die Börsengeschäftsführung ist als Leitungsorgan der Börse zuständig für alle Aufgaben, die nicht ausdrücklich den anderen Börsenorganen zugewiesen sind4. Sie hat insbesondere hierfür geeignete Unternehmen und Personen zur Teilnahme am Börsenhandel zuzulassen oder davon auszuschließen sowie die Organisation und den Geschäftsablauf der Börse zu regeln5, soweit dies nicht schon in der Börsenordnung geschehen ist (§ 16 Abs. 1 BörsG).
4.202
Zu den organisatorischen Maßnahmen gehört die Verteilung der Geschäfte unter die einzelnen skontroführenden Makler. Diese Skontrobildung ist auch für die Feststellung des Börsenpreises im Regulierten Markt zu veranlassen. Die Börsengeschäftsführung hat hiermit einen oder mehrere Makler zu beauftragen und zu beaufsichtigen.
4.203
Die Börsengeschäftsführung hat unbeschadet der Zuständigkeit der Handelsüberwachungsstelle die Befolgung der börsenrelevanten Gesetze, Verordnungen, Geschäftsbedingungen und sonstigen Regelungen zu überwachen. Auch hat dieses Leitungsorgan die Ordnung in den Börsenräumen aufrechtzuerhalten und die ordnungsgemäße Benutzung der übrigen Börseneinrichtungen sowie den reibungslosen Ablauf des Börsenhandels sicherzustellen (vgl. § 15 Abs. 4 BörsG)6.
1 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 21 Rz. Rz. 32 f. 2 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 64; Wiede, Die Börse als verwaltungsrechtliches Problem und Rechtsinstitut, Diss. Köln, 1965, S. 139. 3 BVerfG v. 14.7.1959 – 2 BvE 2/58, 2 BvE 3/58, BVerfGE 10, 20 (50); BVerfG v. 25.4.1972 – 1 BvL 14/71, BVerfGE 33, 125 (156). Mit solchem Satzungssrecht kann jedoch in die Grundrechte nur in beschränktem Umfang eingegriffen werden. 4 Vgl. zB § 9 Abs. 2 Frankfurter Börsenordnung; abrufbar unter www.deutsche-boerse. com. 5 Vgl. § 8 Abs. 1 der BörsO der Frankfurter Wertpapierbörse, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 6 Begr. RegE 2. FFG, BT Drucks. 12/6679, S. 68.
356
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Seiffert
4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
cc) Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Börsenhandels Eine weitere wesentliche Verantwortung der Börsengeschäftsführung liegt in der weitestmöglichen Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Börsenhandels. Die Börsengeschäftsführung kann deshalb den Börsenhandel einstellen, wenn wie zB bei Insolvenz des Emittenten ein ordnungsgemäßer Börsenhandel für die Wertpapiere nicht mehr gewährleistet ist.
4.204
Des Weiteren kann die Börsengeschäftsführung eine vorübergehende Unterbrechung des Börsenhandels anordnen, wenn ein ordnungsgemäßer Wertpapierhandel zeitweilig gefährdet oder wenn dies zum Schutz des Publikums geboten erscheint (§ 25 BörsG).
4.205
Mit einer solchen Kursaussetzung wird in das Benutzungsverhältnis zwischen der Börse und den Börsenbenutzern in einer Weise eingegriffen, die über eine „innerbetriebliche“ Maßnahme hinausgeht1. Denn die Emittenten wie die Handelsteilnehmer haben einen Anspruch auf Feststellung von Börsenpreisen. Die Einstellung oder vorübergehende Unterbrechung des Börsenhandels als ein die Börsenbenutzer belastender Verwaltungsakt bedarf daher der gesetzlichen Grundlage des § 25 BörsG.
4.206
dd) Zulassung von Handelsteilnehmern und Wertpapieren Neben den Handelsteilnehmern (§ 19 BörsG) bedürfen Wertpapiere, die im Regulierten Markt an der Börse gehandelt werden sollen, grundsätzlich der Zulassung (vgl. § 32 Abs. 1 BörsG). Unter dieser Zulassung versteht das Börsengesetz eine besonders ausgestaltete Erlaubnis, für Geschäfte in den zugelassenen Wertpapieren die Börseneinrichtungen zu benutzen. Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt, dessen Erlass jeder Emittent im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen verlangen kann. Die Benutzung der Börse als einer öffentlichen Einrichtung zum Wertpapierhandel steht jedem Emittenten in gleicher Weise offen2.
4.207
b) Börsenrat Mit der fortschreitenden „Computerisierung“ hat der börsenmäßig organisierte Wertpapierhandel eine Dimension erreicht, die ein ständig präsentes und professionelles Management für die Wahrnehmung der Leitungsaufgaben erfordert3. Die allgemeinen Leitungsfunktionen für den täglichen Börsenhandel sind deshalb der Börsengeschäftsführung zugewiesen worden. Dagegen sind dem Börsenrat Aufgaben zugeordnet, die aus der Sicht der Organisationsstruktur einer Aktiengesellschaft teils dem Aufsichtsrat und teils der Hauptversammlung mit ihrer Grundlagenzuständigkeit obliegen4. So hat der Börsen1 2 3 4
Schwark in Schwark, § 43 BörsG Rz. 11. Kümpel in Kümpel/Hammen, S. 145. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 62. Nach den Gesetzesmaterialien zum 2. FFG findet die Aufgabenverteilung zwischen Börsenrat und Geschäftsführung ihr Vorbild im Aufsichtsrat und Vorstand des Aktienrechts (Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 62).
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4.208
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
rat die Geschäftsführer im Einvernehmen mit der Börsenaufsichtsbehörde zu bestellen und abzuberufen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BörsG)1. Ihm obliegt auch der Erlass einer Geschäftsordnung für die Börsengeschäftsführung sowie die Überwachung der Geschäftsführung. Im Übrigen ist er zuständig für die Bestellung und Abberufung des Leiters der Handelsüberwachungsstelle und seines Stellvertreters. Hierbei ist den Vorschlägen der Börsengeschäftsführung zu entsprechen, über die zuvor Einvernehmen mit der Börsenaufsichtsbehörde herbeigeführt werden muss (§ 7 Abs. 2 Satz 1 BörsG).
4.209
Neben diesen Personalentscheidungen, die bei einer AG dem Aufsichtsrat obliegen, ist der Börsenrat für einige Grundlagenentscheidungen zuständig, wie sie das Aktiengesetz der Hauptversammlung zuweist. So muss er im Einvernehmen mit der Börsenaufsichtsbehörde die Börsenordnung und die Gebührenordnung erlassen. Die der Börse verliehene autonome Rechtssetzungsbefugnis wird also von diesem Organ mit Grundlagenzuständigkeit ausgeübt2.
4.210
Eine weitere Zuständigkeit des Börsenrates ist der Erlass der Bedingungen für Geschäfte an der Börse. Damit obliegt die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Börsenhandel weitgehend dem Börsenrat. Er hat im Übrigen bei der Einführung technischer Systeme für den Wertpapierhandel und seiner Abwicklung einschließlich der hierfür getroffenen Geschäftsbedingungen und sonstigen Reglementierungen mitzuentscheiden.
4.211
Bei Kooperations- und Fusionsabkommen des Börsenträgers, die den Börsenbetrieb betreffen, sowie bei der Auslagerung von Funktionen und Tätigkeiten auf ein anderes Unternehmen nach § 5 Abs. 3 BörsG ist dem Börsenrat zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 12 Abs. 2 Satz 4 BörsG). Diese Mitwirkung des Börsenrates, der die Interessen der Börse zu vertreten hat, ist unverzichtbar, wenn die einzelnen Maßnahmen den Kernbereich der Börse betreffen3.
4.212
Die Mitglieder des Börsenrates werden auf die Dauer von drei Jahren von bestimmten Gruppen gewählt, die von den verschiedenen am Börsengeschehen besonders interessierten Kreisen gebildet werden (§ 13 Abs. 1 BörsG). Hierzu gehören die zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Kreditinstitute einschließlich der Wertpapierhandelsbanken, die zugelassenen Finanzdienstleistungsinstitute und sonstigen zugelassenen Unternehmen, die skontroführenden Börsenmakler, die Versicherungsunternehmen, deren emittierte Papiere an der Börse zugelassen sind, sowie die zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Kapitalanlagegesellschaften und die Anleger (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BörsG).
1 Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ersetzte das zuvor geltende „Benehmen“ durch „Einvernehmen“ (vgl. BT-Drucks. 14/804, S. 149). 2 Vgl. Hammen, AG 2001, 549 (553). 3 BT-Drucks. 14/804, S. 149; kritisch hierzu Beck, BKR 2002, 662 (667, 668).
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4. Teil
Rechtliche Grundstrukturen des Börsenwesens
c) Handelsüberwachungsstelle Die Handelsüberwachungsstelle ist das Börsenorgan, das eigenverantwortlich das Tagesgeschäft an der Börse kontrollieren, Untersuchungen bis zur Entscheidungsreife durchführen und die Ergebnisse an die Börsenaufsichtsbehörde und Börsengeschäftsführung weiterleiten soll1. Die Handelsüberwachungsstelle hat zu diesem Zweck die Daten über den Börsenhandel und die Börsengeschäftsabwicklung systematisch und lückenlos zu erfassen und auszuwerten sowie die notwendigen Ermittlungen durchzuführen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BörsG).
4.213
Zu den Kontrollfunktionen gehören vor allem die Überwachung der Preisbildung und der Handelsvolumina, die ständige Kontrolle der Einhaltung der Regelwerke sowie die Beobachtung der Eigen- und Aufgabegeschäfte der skontroführenden Makler und Freimakler. Des Weiteren sind die an der Börse festgestellten Preise mit denen anderer Börsenplätze und Handelssysteme zu vergleichen. Dies ist insbesondere wegen der Wechselwirkungen zwischen den Aktien- und Terminmärkten erforderlich2. Die Handelsüberwachungsstelle hat im Übrigen bei den Marktteilnehmern, die keine Kreditinstitute sind, die Einhaltung des Sicherheitsrahmens auf der Grundlage der geleisteten Sicherheiten zu überwachen (§ 20 Abs. 4 BörsG).
4.214
Im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit hat die Handelsüberwachungsstelle dieselben Befugnisse wie die Börsenaufsichtsbehörde3. Die Bediensteten dieses Börsenorgans können deshalb von den Handelsteilnehmern Auskünfte, insbesondere die Übermittlung aller handels- und abwicklungsbezogenen Daten verlangen4.
4.215
Stellt die Handelsüberwachungsstelle fest, dass Missstände vorliegen, die die ordnungsgemäße Durchführung des Börsenhandels oder der Börsengeschäftsabwicklung beeinträchtigen können, so darf die Börsengeschäftsführung geeignete eilbedürftige Anordnungen treffen (§ 7 Abs. 5 Satz2 BörsG). Bei Überschreiten des Sicherheitsrahmens kann die Börsengeschäftsführung die unverzügliche Leistung weiterer Sicherheiten verlangen und notfalls den säumigen Börsenteilnehmer mit sofortiger Wirkung ganz oder teilweise, längstens aber für die Dauer von sechs Monaten, vom Börsenhandel ausschließen (§ 20 BörsG). Der Handelsüberwachungsstelle sind also hoheitliche Eingriffsbefugnisse nur für die Erfüllung ihrer Kontrolltätigkeit eingeräumt worden. Eilbedürftige Anordnungen auf Grund der Prüfungsergebnisse der Handelsüberwachungsstelle sind dagegen von der Börsengeschäftsführung zu treffen. Die Geschäftsführung soll als Leitungsorgan der Börse nach der gesetzgeberischen Konzeption für die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Börsenhandels allein zuständig sein5.
4.216
1 2 3 4 5
Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 36. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 60. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 61. Vgl. etwa § 3 Abs. 4 BörsG. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 68.
Seiffert
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359
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
d) Sanktionsausschuss
4.217
Der Sanktionsausschuss hat gemäß § 22 BörsG Verstöße der Handelsteilnehmer oder eine für ihn tätige Hilfsperson und Emittenten gegen das börsliche Regelwerk zu ahnden. Die Sanktionsmaßnahmen sind insbesondere zulässig, wenn der Handelsteilnehmer vorsätzlich oder fahrlässig gegen börsenrechtliche Vorschriften oder Anordnungen verstößt, die eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels an der Börse oder der Börsengeschäftsabwicklung sicherstellen sollen oder der Emittent entsprechend gegen sene Pflichten aus der Zulassung verstößt. Bei den Entscheidungen des Sanktionsausschusses handelt es sich um gerichtlich anfechtbare Verwaltungsakte1.
4.218
Die Sanktionsmaßnahmen sollen deshalb mit dazu dienen, das Vertrauen der Anleger, Emittenten und der Handelsteilnehmer in die Funktionsfähigkeit der Wertpapierbörse zu schützen2.
IV. Unterschiede zwischen Multilateralen Handelssystemen und Börsen
4.219
Trotz der sehr weit reichenden Harmonisierung der Bestimmungen, die für multilaterale Handelssysteme und Börsen gelten, sind doch wesentliche, allerdings weitestgehend formale, Unterschiede erhalten geblieben.
4.220
Börsen sind kraft Gesetzes Anstalten des öffentlichen Rechts. Die zugelassenen Handelsteilnehmer können über den Börsenrat wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungen „ihrer“ Börse ausüben. Erwähnenswert ist in diesem Kontext, dass dem Börsenrat der Erlass der Gebührenordnung, der Handelsbedingungen und der Börsenordnung obliegt, mithin alle wesentlichen Entscheidungen durch den Börsenrat getroffen werden müssen. Ein Umstand der auch darauf fußt, dass es sich um „Teilnehmer“ einer Börsenveranstaltung und nicht nur um „Kunden“ einer Wertpapierdienstleistung handelt.
4.221
Emittenten können ihre Wertpapiere an einer Börse zum Handel zulassen. Die förmlich erteilte Zulassung von Wertpapieren zum Handel an der Börse mit all ihren im Übrigen an diesen Akt knüpfenden Folgen kann nur durch das Zulassungsverfahren an einer Börse erreicht werden. Ein multilaterales Handelssystem, beziehungsweise dessen Betreiber, kann lediglich Finanzinstrumente in den Handel einbeziehen.
4.222
Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems ist als Erbringer einer Wertpapierdienstleistung aber keinem Kontrahierungszwang wie die Börsen ausgesetzt. Börsen haben gemäß § 19 Abs. 4 BörsG interessierten Teilnehmern, die die Kriterien für die Zulassung erfüllen, diese zu erteilen, gleiches 1 Schwark in Schwark, § 20 BörsG Rz. 24. 2 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 68.
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Seiffert
4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
gilt für die Zulassung von Wertpapieren. Betreiber eines multilateralen Handelssystems können selbst entscheiden, welchen Kunden sie diese Dienstleistung anbieten und welche Wertpapiere handelbar sein sollen. In tatsächlicher Hinsicht sind die Unterschiede jedoch weit größer und vielfältiger. Multilaterale Handelssysteme haben in der Regel wenige Mitarbeiter, schnelle IT-Systeme und beschränken sich im Wesentlichen auf die Ermöglichung des Handels in hochliquiden Wertpapieren. Börsen dagegen bieten den Handel in einem wesentlich breiteren Wertpapierspektrum, insbesondere auch in weniger liquiden Wertpapieren an. Börsen müssen daher Kraft ihrer öffentlichen Aufgabe ein größeres Spektrum an Handelsmöglichkeiten anbieten, während multilaterale Handelssysteme ihre Handelsfaszilitäten fast ausschließlich auf die institutionellen Orderströme ausrichten.
4.223
Multilaterale Handelssysteme sind – im Gegensatz zu deutschen Börsen – auf ein ausschließlich privatrechtlich geregeltes Verhältnis zu ihren Kunden oder Teilnehmern gestützt. Verstöße gegen die Vertragsbedingungen, die den Handelsablauf oder bestimmte Einbeziehungsabläufe regeln, können ausschließlich im Wege der Vertragsstrafe oder in schweren Fällen mit der Kündigung des diesbezüglichen Vertragsverhältnisses geahndet werden.
4.224
4.225–4.230
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels Vom rechtlichen Organisationsrahmen der Börse als Veranstalter des an ihr stattfindenden Börsenhandels zu unterscheiden ist die marktmäßige Organisation dieser Handelsaktivitäten. Hierbei ist vor allem zwischen dem Wertpapierhandel – in der Praxis auch als Kassahandel bezeichnet – und dem Terminhandel zu differenzieren. Kassageschäfte und Termingeschäfte weisen nach Geschäftszweck und Rechtsnatur sowie hinsichtlich ihrer Reglementierung starke Unterschiede auf. Beim traditionellen Kassahandel ist wiederum zwischen dem Marktgeschehen auf der Parkett-(Präsenz-)Börse und dem Handel in einem elektronischen Handelssystem zu unterscheiden, wie ihn das XETRA-System der Frankfurter Wertpapierbörse als dem Börsenplatz mit den weitaus größten Handelsumsätzen ermöglicht.
4.231
I. Parketthandel Der Kassahandel1 vollzieht sich in einem Börsensaal (auf dem Börsen„parkett“) und wird deshalb auch als „Parkett“handel bezeichnet. Die andere bislang gebräuchlichere Bezeichnung „Präsenz“handel wird der heutigen Börsen1 Zur Historie des Begriffs „Kassahandel“ siehe die 3. Aufl. unter Ziffer 17.446.
Seiffert
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4.232
4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
gilt für die Zulassung von Wertpapieren. Betreiber eines multilateralen Handelssystems können selbst entscheiden, welchen Kunden sie diese Dienstleistung anbieten und welche Wertpapiere handelbar sein sollen. In tatsächlicher Hinsicht sind die Unterschiede jedoch weit größer und vielfältiger. Multilaterale Handelssysteme haben in der Regel wenige Mitarbeiter, schnelle IT-Systeme und beschränken sich im Wesentlichen auf die Ermöglichung des Handels in hochliquiden Wertpapieren. Börsen dagegen bieten den Handel in einem wesentlich breiteren Wertpapierspektrum, insbesondere auch in weniger liquiden Wertpapieren an. Börsen müssen daher Kraft ihrer öffentlichen Aufgabe ein größeres Spektrum an Handelsmöglichkeiten anbieten, während multilaterale Handelssysteme ihre Handelsfaszilitäten fast ausschließlich auf die institutionellen Orderströme ausrichten.
4.223
Multilaterale Handelssysteme sind – im Gegensatz zu deutschen Börsen – auf ein ausschließlich privatrechtlich geregeltes Verhältnis zu ihren Kunden oder Teilnehmern gestützt. Verstöße gegen die Vertragsbedingungen, die den Handelsablauf oder bestimmte Einbeziehungsabläufe regeln, können ausschließlich im Wege der Vertragsstrafe oder in schweren Fällen mit der Kündigung des diesbezüglichen Vertragsverhältnisses geahndet werden.
4.224
4.225–4.230
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels Vom rechtlichen Organisationsrahmen der Börse als Veranstalter des an ihr stattfindenden Börsenhandels zu unterscheiden ist die marktmäßige Organisation dieser Handelsaktivitäten. Hierbei ist vor allem zwischen dem Wertpapierhandel – in der Praxis auch als Kassahandel bezeichnet – und dem Terminhandel zu differenzieren. Kassageschäfte und Termingeschäfte weisen nach Geschäftszweck und Rechtsnatur sowie hinsichtlich ihrer Reglementierung starke Unterschiede auf. Beim traditionellen Kassahandel ist wiederum zwischen dem Marktgeschehen auf der Parkett-(Präsenz-)Börse und dem Handel in einem elektronischen Handelssystem zu unterscheiden, wie ihn das XETRA-System der Frankfurter Wertpapierbörse als dem Börsenplatz mit den weitaus größten Handelsumsätzen ermöglicht.
4.231
I. Parketthandel Der Kassahandel1 vollzieht sich in einem Börsensaal (auf dem Börsen„parkett“) und wird deshalb auch als „Parkett“handel bezeichnet. Die andere bislang gebräuchlichere Bezeichnung „Präsenz“handel wird der heutigen Börsen1 Zur Historie des Begriffs „Kassahandel“ siehe die 3. Aufl. unter Ziffer 17.446.
Seiffert
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4.232
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
praxis nicht mehr gerecht. Die Kauf- und Verkaufsaufträge werden mittlerweile ganz überwiegend nicht mehr von im Börsensaal anwesenden Börsenhändlern, sondern durch elektronische Datenübertragung an die Börse zwecks Ausführung übermittelt (elektronisch gestützter Kassahandel)1. Bis zum 28.3.2012 wird die Frankfurter Wertpapierbörse den Präsenzhandel einstellen und den bislang im Präsenzhandel stattfindenden Börsenhandel auch elektronisch über spezielle Handelsarten im elektronischen Handelssystem XETRA stattfinden lassen. Skontroführer wird es in diesem System nicht geben, gleichwohl sollen dann auch im elektronischen Handelssystem XETRA so genannte Spezialisten eine maklerähnliche Funktion wahrnehmen2.
4.233
Der Kassakurs im ursprünglichen Sinne wird gemäß der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse als Einheitskurs bezeichnet3. Beim Einheitskurs hat der für die Preisfeststellung zuständige Skontroführer iS des § 27 BörsG alle ihm erteilten Vermittlungsaufträge zu sammeln und bei der Errechnung und Feststellung der Einheitskurse gegen Mitte der Börsenversammlung zu berücksichtigen.
4.234
Die Börse hat über die Art und Weise der Preisermittlung zu entscheiden. Dies hat in der Börsenordnung zu geschehen. Denkbar ist auch, dass für ein Wertpapier die Preisermittlung sowohl auf elektronischem Wege als auch durch einen Skontroführer erfolgt, was für eine Vielzahl von Aktien an der Frankfurter Wertpapierbörse börsentägliche Realität ist. Die Börse kann im Übrigen die Preisermittlung für den Regulierten Markt sowie für mögliche Teilbereiche dieser Segmente einheitlich regeln oder aber auf Grund unterschiedlicher Markterfordernisse verschiedene Handelsarten und Preisfeststellungsverfahren vorsehen4.
1. Mitwirkung skontroführender Makler (Skontroführer)
4.235
Der Parketthandel ist geprägt durch die Mitwirkung der Skontroführer (§ 27 BörsG). Vorrangige Aufgabe des Skontroführer ist es, auf einen geordneten Marktverlauf hinzuwirken und die Skontroführung neutral auszuüben, dies bedeutet die Vermittlung und der Abschluss von Geschäften in den zur Skontroführung zugewiesenen Wertpapieren (§ 28 BörsG). Mit dieser Abschlussvermittlung erfüllen die Skontroführer die ihnen erteilten Kauf- und Verkaufsaufträge. Im Rahmen dieser Vermittlungstätigkeit haben die Skontroführer auch die Börsenpreise zu ermitteln (§ 27 Satz 1 BörsG).
1 Dieser elektronisch gestützte Handel ist vom vollelektronischen Handel zu unterscheiden, vgl. Gesetzesmaterialien zum 4. FFG (BT-Drucks. 14/804, S. 63). 2 Präsenzhandel-Rundschreiben Nr. 02/10 v. 5.3.2010, abrufbar unter www.deutscheboerse.com. 3 § 82 Abs. 1 der BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 4 BT-Drucks. 14/804, S. 77.
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Seiffert
4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
a) Zulassung zum Skontroführer Das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz führte zu einer Ausdünnung der vormals sehr detaillierten Regelungen betreffend die Zulassung der Skontroführer. Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise den Gestaltungsspielraum der Börsen erweitern, um der stetigen Entwicklung neuer Marktstrukturen und der wachsenden technischen Möglichkeiten flexibel Rechnung tragen zu können1. Mit der Funktion des Skontroführers können zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassene Unternehmen auf Antrag betraut werden. Voraussetzung ist die Erfüllung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 BörsG. Der Antragsteller und seine Geschäftsleiter müssen zuverlässig sein und auf Grund ihrer fachlichen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Skontroführung geeignet sein (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BörsG). Darüber hinaus benötigen auch die für die Skontroführer handelnden natürlichen Personen eine Zulassung (§ 27 Abs. 1 Satz 3 BörsG). Diese sind zuzulassen, wenn sie Börsenhändler sind und die für die Skontroführung erforderliche berufliche Eignung haben (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3 BörsG aE). Durch die gesonderte Zulassung soll sichergestellt werden, dass die Börsengeschäftsführung im Bedarfsfalle unmittelbar gegen die handelnden Personen vorgehen kann2. Die Zulassungen werden von der Börsengeschäftsführung erteilt (§ 27 Abs. 1 BörsG). Sie stellen Verwaltungsakte dar3.
4.236
Der Widerruf und die Anordnung des Ruhens der Zulassung als Skontroführer sind in § 27 Abs. 2 und 3 BörsG geregelt worden. Solche Maßnahmen sind insbesondere möglich, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Skontroführers nicht (mehr) gesichert ist. Zur Überwachung hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Börsengeschäftsführung unverzüglich über ihrerseits ergriffene Maßnahmen zur Sicherung der Erfüllung der Verbindlichkeiten des Skontroführers zu unterrichten (§ 27 Abs. 4 BörsG).
4.237
Über die Verteilung der Skontren und die Anzahl der Skontren unter den geeigneten Antragstellern entscheidet die Börsengeschäftsführung (§ 29 Satz 1 BörsG). Die Verteilung kann befristet erfolgen, das Börsengesetz gibt keine Höchstgrenze vor. Um den Börsen den notwendigen Spielraum zu geben, auf aktuelle Entwicklungen und neue Herausforderungen reagieren zu können, letztlich um also die Flexibilität der Börse zu erhöhen, sieht das Gesetz vor, dass weitere Einzelheiten in der Börsenordnung zu regeln sind. Im Rahmen der Zuteilung können dabei als Kriterien für die Zuteilung der Skontren insbesondere die fachliche und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers Berücksichtigung finden. Die Frankfurter Wertpapierbörse hat von dieser Möglichkeit extensiven Gebrauch gemacht und sieht in §§ 98 bis 134 (!) der Börsenordnung (Stand: 1.7.2010) Regelungen hinsichtlich des Verteilungsverfahrens und der Kriterien vor, die deutlich das Spannungsfeld zwischen dem Bestreben nach Wettbewerb unter den Skontroführern einerseits und anderer-
4.238
1 Begr. RegE zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/4028, S. 86. 2 Bericht des Finanzausschusses zum RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8601, S. 14. 3 Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/804, S. 77.
Seiffert
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
seits die berechtigten grundrechtlich geschützten Interessen der Skontroführer an der Ausübung ihres Berufes illustrieren1. b) Pflichten des Skontroführers
4.239
Die Pflichten eines Skontroführers sind in § 28 BörsG konkretisiert worden. Der Skontroführer hat im Rahmen seiner Tätigkeit auf einen geordneten Marktverlauf hinzuwirken und seine Tätigkeit vor allem neutral auszuüben (§ 28 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Diese Neutralitätspflicht verpflichtet auch zur Unparteilichkeit gegenüber den Handelsteilnehmern. Der Skontroführer hat weisungsfrei zu handeln. Alle vorliegenden Aufträge sind gleich zu behandeln. Daraus ergibt sich ein Ausführungsanspruch der Handelsteilnehmer gegen den jeweiligen Skontroführer2. Auch hat der Skontroführer eine wirksame Überwachung der Einhaltung seiner Pflichten zu gewährleisten.
4.240
Weitere Bestimmungen über die Zulassung sowie die Rechte und Pflichten der Skontroführer werden durch die Börsenordnung festgelegt (§§ 27, 28, 29 BörsG)3, was den Börsen mehr Flexibilität gewähren soll. Diese zusätzliche Flexibilität der Börsen im Rahmen der Verteilung von Skontren, aber auch im Rahmen der Ausgestaltung der Handelsarten, war eines der wesentlichen Anliegen der diesbezüglichen Änderungen durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz4. c) Erteilung eines Vermittlungsauftrages
4.241
Die Handelsteilnehmer erteilen dem für das betreffende Wertpapier zuständigen Skontroführer einen entsprechenden Vermittlungsauftrag.
4.242
Die Wertpapiergeschäfte kommen durch die Zuordnung der Kontrahenten durch den Skontroführer zu Stande5. Die Rechtskonstruktion dieses Geschäftsabschlusses wird nicht einheitlich beurteilt. Die herrschende Meinung6 erblickt in dem Skontroführer einen Boten beider Vertragsparteien. Dabei handelt der Skontroführer als Empfangsbevollmächtigter. Er kann deshalb bereits durch seine Zuordnung deckungsgleicher Vermittlungsaufträge Geschäftsabschlüsse herbeiführen. An solchen sofortigen Geschäftsabschlüssen besteht ein starkes praktisches Bedürfnis7. d) Ausführungsanspruch der Handelsteilnehmer
4.243
Die Handelsteilnehmer können von dem vermittelnden Skontroführer eine weitestmögliche Ausführung ihrer Aufträge verlangen, und zwar unabhängig 1 2 3 4 5
Siehe hierzu auch VGH Kassel v. 27.9.2006 – 6 N 1388/05, ZIP 2007, 215 (218). Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/804, S. 78. §§ 116 bis 129 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. RegE zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/4028, S. 86. Ledermann, Die Rechtsstellung des Kursmaklers an den deutschen Wertpapierbörsen, 1990, S. 55. 6 Beck in Schwark, § 27 BörsG Rz. 5. 7 Kümpel, WM 1991, Sonderbeil. Nr. 4, 8.
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4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
von der jeweiligen Handelsart. Dem entspricht ein Ausführungsanspruch der Marktteilnehmer aus den erteilten Vermittlungsaufträgen. Dieser Anspruch hängt aber von der konkreten Marktsituation ab, weil sein Bestehen die Erfüllbarkeit voraussetzt. So entfällt der Ausführungsanspruch, wenn der Handel der Wertpapiere ausgesetzt oder eingestellt ist1. Hierdurch erlangen die Kreditinstitute auch die erforderliche Rechtsposition, um der kommissionsrechtlichen Verpflichtung aus den Aufträgen ihrer Kundschaft zu genügen (§ 384 HGB). Die Ausführung der Vermittlungsaufträge erfolgt im Handel zu gerechneten Kursen (Eröffnungs-, Kassa-, Schlusskurs) mit der Preisfeststellung. Sämtliche Aufträge, die in diese Feststellung Eingang gefunden hatten, gelten zu diesem Zeitpunkt als gleichzeitig ausgeführt2. Dagegen erfüllt der skontroführende Makler seine Ausführungspflicht im Handel zu fortlaufenden Notierungen mit der Zuordnung seiner Auftraggeber. Der Skontroführer bringt hierdurch Wertpapiergeschäfte zu Stande, soweit ihm ausgleichsfähige Kauf- und Verkaufsanträge vorliegen3. In Anbetracht dieser Ausführungspflicht nähert sich der Vermittlungsauftrag an den Skontroführer dem Maklerwerkvertrag4. Dabei hängt freilich der Umfang der Ausführungspflicht von der Marktsituation ab. Insbesondere muss eine Preisermittlung stattgefunden haben und eine Ausführung nach den vorgegebenen Preislimiten möglich gewesen sein5.
4.244
§ 28 Abs. 2 Satz 1 BörsG bestimmt, dass der Skontroführer alle zum Zeitpunkt der Preisfeststellung vorliegenden Aufträge bei ihrer Ausführung unter Beachtung der an der Börse bestehenden besonderen Regelungen gleich zu behandeln hat. Diese Gleichbehandlungspflicht statuiert nach den Gesetzesmaterialien zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz einen Ausführungsanspruch der Handelsteilnehmer6. Dieser Anspruch steht nach den Gesetzesmaterialien naturgemäß unter der Voraussetzung der Erfüllbarkeit und hängt deshalb von der konkreten Marktsituation ab. So besteht kein Ausführungsanspruch, wenn zB der Handel der Wertpapiere iS des § 25 BörsG ausgesetzt oder eingestellt worden ist7.
4.245
e) Aufgabengeschäfte Makler, die nicht auf die Tätigkeit als Vermittlungsmakler beschränkt waren, dürfen nach § 5 der Bedingungen für Geschäfte an der FWB ihnen erteilte 1 BT-Drucks. 14/804, S. 78. 2 Siehe bereits Rehm/Trumpler/Dove/Neukamp/Schmidt-Ernsthausen/Breit, Komm. zum Börsengesetz, 1909, Vorbem. 1 zu § 29 Anm. 1. 3 Ledermann, Die Rechtsstellung des Kursmaklers an den deutschen Wertpapierbörsen, 1990, S. 53. 4 Ledermann, Die Rechtsstellung des Kursmaklers an den deutschen Wertpapierbörsen, 1990, S. 54. 5 Rehm/Trumpler/Dove/Neukamp/Schmidt-Ernsthausen/Breit, Komm. zum Börsengesetz, 1909, Vorbem. 1 zu § 29 Anm. 1; Ledermann, Die Rechtsstellung des Kursmaklers an den deutschen Wertpapierbörsen, 1990, S. 54. 6 BT-Drucks. 14/804, S. 78. 7 BT-Drucks. 14/804, S. 78.
Seiffert
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4.246
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
Aufträge auch vorbehaltlich der Aufgabe vermitteln. Bei solchen Geschäften muss der Vertragspartner, wenn es sich um die Benennung des Verkäufers handelte, bis zum Schluss der nächsten Börsenversammlung aufgegeben werden. Wird die Bezeichnung des Käufers vorbehalten, so ist dessen Benennung spätestens am zweiten Börsentag nach dem Abschlusstag vor Börsenschluss vorzunehmen.
4.247
Aufgaben außerhalb des börsenmäßigen Handelsverbundes können nur durch Benennung eines an der Börse mit der Befugnis zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Unternehmens, geschlossen werden. Soweit die Aufgabe zu einem anderen Kurs als dem ursprünglichen geschlossen wird, sind die sich aus der Kursdifferenz ergebenden Beträge sofort fällig (vgl. § 5 Abs. 5 Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, Stand: 8.3.2010).
4.248
Wird die Aufgabe nicht rechtzeitig geschlossen, kann der Auftraggeber den Makler auf Erfüllung in Anspruch nehmen (§ 6 Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse). Bei dieser Haftung aus dem Aufgabegeschäft handelt es sich nach einhelliger Meinung um eine Haftung aus einer gesetzlichen Garantie1 und nicht aus einer kaufrechtlichen Lieferverbindlichkeit iS des § 433 BGB. Der haftende Makler hat auch kein Selbsteintrittsrecht2 wie der Kommissionär, der jederzeit durch Ausübung des Selbsteintrittsrechts eine solche kaufvertragliche Geschäftsbeziehung zustandebringen kann.
4.249
Der Auftraggeber ist berechtigt, ohne vorherige Ankündigung die Zwangsregulierung während der nächsten Börsenversammlung vorzunehmen. Auf Verlangen des Maklers ist er zur unverzüglichen Zwangsregulierung verpflichtet. Vor Schließung der nicht fristgemäß geschlossenen Aufgaben hat sich der Makler vorbörslich mit dem Auftraggeber in Verbindung zu setzen, um über die Zwangsregulierung durch den Auftraggeber oder die Schließung durch den Makler Verständigung zu erzielen. Das Risiko der „Doppelschließung“ trägt der Makler, soweit die Zwangsregulierung nicht missbräuchlich vorgenommen wird. Unberührt bleibt das Recht des Auftraggebers, dem Makler Zinsen zu berechnen und einen weiter gehenden Schaden geltend zu machen.
2. Preisermittlung im Parketthandel
4.250
Die Ermittlung der Börsenpreise erfolgt an Wertpapierbörsen durch zur Feststellung des Börsenpreises zugelassene Unternehmen – Skontroführer – oder im elektronischen Handel. Die Entscheidung über die Art der Preisermittlung ist in der Börsenordnung unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Handels in den Wertpapieren, des Schutzes des Publikums und eines ordnungsgemäßen Börsenhandels zu treffen (§ 24 BörsG iVm. § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BörsG).
4.251
Das Börsengesetz enthält nur globale und zum Teil unvollständige Regelungen über die Feststellung der Börsenpreise. Das Börsengesetz sieht in § 24 1 Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2008, § 95 HGB Rz. 43; Schlegelberger/Hefermehl/Schröder, § 95 HGB Rz. 11. 2 Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2008, § 95 HGB Rz. 43.
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4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
Abs. 2 und 3, aber auch durch den Verweis auf die Vorschriften zur Vor- und Nachhandelstransparenz im Aktienhandel Ausnahmen vor, die ungleich detaillierter sind, was seinen Grund in der direkten Anwendbarkeit der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie hat. Nach dem Börsengesetz sollen die Einzelheiten der Preisfeststellung in der Börsenordnung geregelt werden (§ 24 Abs. 3 Satz 2 BörsG). Detaillierte Regelungen über die Art und Weise der Börsenpreisbildung an den Börsen finden sich in der Börsenordnung wieder, für den Präsenzhandel in §§ 78 ff. der BörsO FWB und für den Handel im elektronischen Handelssystem in §§ 151 ff. der BörsO FWB. a) Ordnungsmäßiges Zustandekommen von Börsenpreisen § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG bestimmt, dass Börsenpreise ordnungsgemäß zu Stande kommen und der wirklichen Marktlage des Börsenhandels entsprechen müssen. Hierfür besteht eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen im Börsengesetz und in den Börsenordnungen der Wertpapierbörsen. So müssen insbesondere den Handelsteilnehmern die Angebote zugänglich und deren Annahme möglich sein, soweit § 30 BörsG über die EU-Verordnung 1287/2006 keine Ausnahme vorsieht. Eine solche Ausnahme sind die „ausgehandelten Geschäfte“ iS des Art. 19 der EU-Verordnung 1287/2006. In Deutschland ist von dieser Ausnahme bislang kein Gebrauch gemacht worden. Die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse sieht jedoch eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Regelungen zur Ermittlung des Börsenpreises vor. Diese variieren teilweise auf Grund des zu Grunde liegenden Marktmodells oder aber auch der gehandelten Wertpapiere. Es besteht aber auf der Grundlage des § 24 Abs. 4 BörsG unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. § 151 BörsO FWB) auch die Möglichkeit, dass trotz Börsenhandel kein Börsenpreis ermittelt wird. Unabhängig von der jeweiligen Art der Preisermittlung, sind Chancengleichheit der Handelsteilnehmer und Transparenz die wichtigsten Anforderungen, die an einen ordnungsgemäß zu Stande gekommenen Börsenpreis gestellt werden müssen1.
4.252
Als Börsenpreis ist derjenige Preis festzustellen, welcher der wirklichen Geschäftslage des Börsenhandels entspricht (§ 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG). Dabei können auch Preise einer anderen Börse oder eines multilateralen Handelssystems im Inland oder eines organisierten Marktes im Ausland berücksichtigt werden.
4.253
Die Feststellung des Börsenpreises bezeichnet die Praxis als Notierung. Hieran anknüpfend verwendet auch das Börsengesetz diesen gebräuchlichen Begriff „Notierung“ insbesondere bei der Regelung der sog. „Einführung“ der zugelassenen Wertpapiere zwecks Aufnahme der Notierung und der Aussetzung und der vorübergehenden Einstellung der Preisermittlung (§§ 25, 38 BörsG).
4.254
1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 70.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
b) Ermittlung des Einheitspreises
4.255
Die Feststellung des Einheitspreises erfolgt auf Basis der Auftragslage (§ 82 BörsO FWB). Es ist derjenige Preis festzustellen, zu dem die meisten Aufträge erledigt werden können1. Dieses sog. Meistausführungsprinzip besagt nach § 78 Abs. 2 BörsO FWB, dass als Börsenpreis derjenige Preis festzustellen ist, zu dem sich der größte Umsatz bei minimalem Überhang der dem Skontroführer vorliegenden Orders innerhalb der zuletzt veröffentlichten Taxe ergibt. Unter Überhang ist die zu einem feststellbaren Börsenpreis bestehende Differenz der Volumina der ausführbaren Kauf- und Verkaufsaufträge zu verstehen. Können unter Berücksichtigung des Meistausführungsprinzips mehrere Börsenpreise ermittelt werden, so ist von diesen derjenige festzustellen, der möglichst nahe zum zuletzt festgestellten Börsenpreis liegt. Darüber hinausgehende Abweichungen müssen begründbar sein2. Dieses Gebot der Wahrung der Preiskontinuität folgt aus der Verpflichtung des Skontroführers, bei seiner Vermittlungstätigkeit „auf einen geordneten Marktverlauf hinzuwirken“ (§ 28 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Hiernach beschränkt sich die Aufgabe des Skontroführers nicht auf das rein mechanische Zusammenführen von Aufträgen. Er ist vielmehr nach den Gesetzesmaterialien verpflichtet, neben der Aufrechterhaltung des Handels auch auf die Sicherstellung der Preiskontinuität hinzuwirken. Hierzu gehört wiederum die Möglichkeit, Eigenhandelsaktivitäten zu entfalten3, wobei jedoch die Vermittlung immer Vorrang vor dem Selbsteintritt zu haben hat4.
4.256
Dieses Meistausführungsprinzip ermöglicht eine vollständige Abwägung des gesamten Angebots mit der gesamten Nachfrage, wie sie beim skontroführenden Makler jeweils zum Ausgleich zusammengeführt werden. Das Einheitspreisverfahren wird deshalb als Optimum eines zeitlich konzentrierten Marktes angesehen und soll die Idealvorstellung eines marktgerechten Preises verwirklichen5.
4.257
Einen Ausführungsanspruch erlangen die Handelsteilnehmer gegen den skontroführenden Makler, weil dieser alle zum Zeitpunkt der Preisfeststellung vorliegenden Aufträge bei ihrer Ausführung gleich zu behandeln hat (§ 28 Abs. 2 Satz 1 BörsG). Durch diese Gleichbehandlungspflicht soll dieser Ausführungsanspruch statuiert werden6. Dabei steht dieser Anspruch unter der Voraussetzung seiner Erfüllbarkeit. Auch hängt der Ausführungsanspruch von der konkreten Marktsituation ab. Er entfällt deshalb, wenn zB der Handel des Wertpapiers ausgesetzt oder eingestellt worden ist7.
4.258
Der Handel zu diesem Einheitspreis wird häufig auch als Auktionsbörse bezeichnet, für die das Sammeln von Angebot und Nachfrage zwecks Ausgleichs 1 Tilly, Die amtliche Kursnotierung an den Wertpapierbörsen, 1975, S. 56 (72); Kümpel, WM 1988, 1623; Beck in Schwark, § 25 BörsG Rz. 45. 2 § 78 Abs. 8 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 3 BT-Drucks. 14/804, S. 78. 4 § 78 Abs. 6 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 5 Tilly, Die amtliche Kursnotierung an den Wertpapierbörsen, 1975, S. 56, 72 mwN. 6 BT-Drucks. 14/804, S. 78. 7 BT-Drucks. 14/804, S. 78.
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4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
zu einem bestimmten Zeitpunkt typisch ist. Beim Auktionsverfahren im strengen Wortsinne ruft aber der Makler die einzelnen Wertpapiere zwecks Abgabe von Geboten auf. Dieses Verfahren findet an den deutschen Wertpapierbörsen grundsätzlich nicht statt. In vergleichbarer Weise verläuft nur das „Kursmachen“ als Teil des in der Börsenordnung geregelten Verfahrens bei der Preisfeststellung1. So hat der Skontroführer die auf Basis der Auftragslage ermittelten unverbindliche Taxe2 oder ein verbindliches Geschäftsangebot (Kauf-, Verkaufsangebot, Spanne3) bekannt zu geben, innerhalb deren die Preisfeststellung erfolgen soll, wobei die Taxe explizit kein Geschäftsangebot darstellt.
4.259
Von diesem Einheitspreisverfahren ist das sog. Market Maker-Prinzip zu unterscheiden, wie es auch an der EUREX Deutschland praktiziert wird. Der Market Maker ist anders als der Börsenmakler nicht mit der neutralen Vermittlung von Angebot und Nachfrage betraut. Er ist vielmehr berechtigt, Börsengeschäfte auf eigene Rechnung abzuschließen und zugleich verpflichtet, jederzeit für die von ihm betreuten Wertpapiere verbindliche Geldkurse (Ankaufspreise) und Briefkurse (Verkaufspreise) bei vorgegebener Maximalspanne zwischen Geld und Brief zu stellen. Hierdurch sollen kontinuierliche Handelsmöglichkeiten für alle Marktteilnehmer geschaffen werden4.
4.260
c) Preisermittlung im fortlaufenden (variablen) Handel Der nur einmal gegen Mittag festgesetzte Einheitspreis hat insbesondere bei volatilen Märkten den erheblichen Nachteil, dass bis zu seiner Feststellung alle dem Skontroführer erteilten Aufträge in der Schwebe bleiben. Auch sind nach dieser Preisfeststellung bis zum Ende der Börsenversammlung keine Geschäftsabschlüsse mehr möglich. Hierdurch werden insbesondere die für die Funktionsfähigkeit der Börse wichtigen Arbitragegeschäfte behindert5. Bei umsatzstarken Wertpapieren findet deshalb auch im Kassamarkt der Parkettbörse ein fortlaufender Handel mit variablen Preisen statt.
4.261
Beim fortlaufenden Handel mit variablem Börsenpreis ermittelt der skontroführende Makler den Eröffnungspreis zu Beginn des Parketthandels ebenfalls nach dem Einheitspreisverfahren auf der Grundlage der ihm bis dahin vorliegenden variabel ausführbaren Aufträge6. Die Aufträge werden hiernach zu fortlaufenden Kursen ausgeführt, soweit sich der im Auftrag angegebene Betrag (Stückzahl oder Nennbetrag) mit dem Ein- oder Mehrfachen des für die fortlaufende Notierung festgesetzten Mindestbetrages deckt.
4.262
1 Beck in Schwark, § 25 BörsG Rz. 41; Kümpel, WM 1991, Sonderbeil. Nr. 4, 10. 2 Vgl. § 79 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 3 Eine Spanne setzt sich aus einem verbindlichen Kauf- und Verkaufsangebot zusammen, § 1 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 4 Beck in Schwark, § 25 BörsG Rz. 40. 5 Zapotocky in Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 40. Aufl. 2000, S. 1081 f. 6 Vgl. § 82 Abs. 2 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4.263
Vor der Feststellung eines Börsenpreises hat der Skontroführer die aus Angebot und Nachfrage ermittelte Taxe bekannt zu geben, innerhalb deren die Preisfeststellung erfolgen soll. Den Handelsteilnehmern müssen die Angebote zugänglich und deren Annahme möglich sein. Dies gilt nicht, wenn der Skontroführer auf im Markt bekannt gegebene Angebote und Nachfragen eingeht (§ 87 Abs. 3 BörsO FWB).
4.264
Die Feststellung des Einheitspreises beginnt für die fortlaufend gehandelten Wertpapiere zu einem von der Geschäftsführung bestimmten Zeitpunkt. Beim Kassahandel mit fortlaufender Notierung werden im Übrigen die nicht limitierten Aufträge zum nächsten nach ihrem Eingang festgestellten Preis ausgeführt, der ihre Berücksichtigung zulässt. Ein zum variablen Preis nicht ausführbarer Rest wird zum Einheitspreis ausgeführt.
3. Aussetzung und Einstellung des Handels
4.265
Die Börsengeschäftsführung kann den Handel mit Wertpapieren im Regulierten Markt aussetzen, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel zeitweilig gefährdet oder wenn dies zum Schutze des Publikums geboten erscheint (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG). Diese Handelsaussetzung ist von der Einstellung des Handels (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG) zu unterscheiden. Diese Regelungen gelten unabhängig davon, in welcher Handelsart das betreffende Wertpapier gehandelt wird.
4.266
Die Preisfeststellung kann vollständig oder zumindest nicht nur kurzfristig eingestellt werden, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel für die Wertpapiere nicht mehr gewährleistet erscheint (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG). Mit Rücksicht auf die negativen Auswirkungen für die Reputation der Emittentin ist eine solche Einstellung der Notierung nur sehr begrenzt zulässig. Hierzu muss eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass ein ordnungsgemäßer Börsenhandel wie etwa bei Insolvenz der Emittentin, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird, für die Zukunft ausgeschlossen erscheint oder zumindest für einen längeren Zeitraum nicht mehr stattfinden kann, wie dies bei einer Weigerung der Emittentin zur Erfüllung ihrer Pflichten gemäß §§ 40 ff. BörsG unterstellt werden kann. Sind die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Einstellung der Preisfeststellung gegeben, so kann die Zulassungsstelle der Börse die Zulassung der Wertpapiere widerrufen (vgl. § 39 Abs. 1 BörsG) und damit das Benutzungsverhältnis mit der Emittentin als Voraussetzung für Preisfeststellungen beenden.
4.267
Die Handelsaussetzung iS des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG beruht dagegen auf Umständen, die regelmäßig nicht auf eine technische Marktsituation wie insbesondere eines erheblichen Überhangs der Angebots- oder Nachfrageseite zurückzuführen sind, sondern in einem bestimmten Verhalten des Emittenten oder Dritter begründet sind1. Deshalb ist die Handelsaussetzung auch das geeignete verwaltungsrechtliche Instrument, um im Interesse der Ordnungs1 Heidelbach in Schwark, § 38 BörsG Rz. 4.
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4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
mäßigkeit des Börsenhandels und des Schutzes des Anlegerpublikums insbesondere auf die Mitteilung von Insidertatsachen durch die Emittenten zu reagieren (vgl. § 15 Abs. 2 WpHG). a) Abgrenzung zur vorübergehenden Handelsunterbrechung Eine Handelsaussetzung bezweckt, dass der Börsenhandel und die Preisfeststellung in den betreffenden Wertpapieren vorübergehend mit sofortiger Wirkung ausgesetzt werden1. Bereits erteilte Order erlöschen, sofern die Geschäftsführung2 nicht explizit bekannt gegeben hat, dass die Order nicht erlöschen werden.
4.268
Die Aussetzung der Preisfeststellung bedeutet praktisch eine vorübergehende Unterbrechung des Börsenhandels in den betreffenden Wertpapieren.
4.269
Bei einer solchen Handelsaussetzung bleibt es den Börsenmitgliedern aber unbenommen, weiterhin Geschäfte in diesen Wertpapieren außerhalb der Börse zu tätigen. Mit der Aussetzung der Preisfeststellung ist kein allgemeines Handelsverbot verknüpft3, da mit der Aussetzung des Handels lediglich der Ausgleich temporär bestehenden Informationsassymetrien bezweckt wird. b) Voraussetzung der Aussetzung der Notierung Die Kursaussetzung setzt voraus, dass ein ordnungsgemäßer Börsenhandel zeitweilig gefährdet oder dies zum Schutz des Publikums geboten erscheint. Beide Tatbestandsmerkmale werden häufig zusammentreffen4. Denn der Börsenhandel dient nicht nur dem Berufshandel für den Abschluss von Eigengeschäften. An der Börse werden vor allem Kauf- und Verkaufsaufträge ausgeführt, die die Kunden den Kreditinstituten im Rahmen des Effektengeschäfts erteilen. Mit der Gefährdung der Ordnungsmäßigkeit des Börsenhandels wird deshalb im Regelfall zwangsläufig auch das Schutzbedürfnis des breiten Anlegerpublikums berührt.
4.270
aa) Ermessensentscheidung der Börsengeschäftsführung Die Unterbrechung des Börsenhandels ist eine Ermessensentscheidung der Börsengeschäftsführung5. Der Geschäftsführung ist damit ein gewisser Spielraum zur eigenverantwortlichen Entscheidung eingeräumt. Innerhalb dieser Ermessensbefugnis können grundsätzlich mehrere unterschiedliche und auch gegensätzliche Maßnahmen in gleicher Weise rechtmäßig sein. Dabei ist wie bei jedem hoheitlichen Verwaltungshandeln der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten6. 1 2 3 4 5 6
Begr. RegE Börsenzulassungs-Gesetz v. 16.12.1986, BT-Drucks. 10/4296, S. 15. § 72 Abs. 2 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. Heidelbach in Schwark, § 38 BörsG Rz. 10. Heidelbach in Schwark, § 38 BörsG Rz. 5. Heidelbach in Schwark, § 38 BörsG Rz. 9. Jaestedt in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rz. 4; Wolff/Bachof/ Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 31 Rz. 50.
Seiffert
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371
4.271
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4.272
Dieser Grundsatz ist verletzt, wenn das Ermessen zu einer zwar abstrakt zulässigen Maßnahme geführt hat, diese aber im konkreten Fall nicht erforderlich oder unangemessen ist. Bei der Entscheidung über die Kursaussetzung wird die Börsengeschäftsführung deshalb unterschiedliche Fallkonstellationen und die durchaus nicht deckungsgleichen Schutzbedürfnisse der professionellen Marktteilnehmer sowie des Anlegerpublikums, insbesondere der Kleinanleger und der für ihre Rechnung tätigen Kreditinstitute, in ausgewogener Weise zu berücksichtigen haben.
4.273
Aus der Sicht der am Markt agierenden Handelsteilnehmer besteht für die Kursaussetzung insbesondere dann kein Bedürfnis mehr, wenn die publizitätspflichtigen Insidertatsachen über ein im professionellen Wertpapierhandel weit verbreitetes elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem veröffentlicht worden sind. Haben die professionellen Marktteilnehmer von den Insidertatsachen Kenntnis genommen, werden sie diese in ihre geschäftliche Disposition einfließen lassen, so dass sich diese Informationen in den Börsenpreisen niederschlagen1. Die Geschäftsabschlüsse bewegen sich sodann auf einem den publizitätspflichtigen Sachverhalten adäquaten Kursniveau und können daher die zu gewährleistende Ordnungsmäßigkeit des Börsenhandels nicht mehr gefährden.
4.274
So kann bei einer negativen Nachricht der ursprünglich gewünschte Kauf selbst zu einem deutlich niedrigeren Preis nicht mehr gewollt sein, wenn die Wertpapiere als Anlage angesichts der bekannt gewordenen Umstände insbesondere bei großen wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten des Emittenten nicht mehr geeignet erscheinen. Umgekehrt können Effektenkunden angesichts der positiven Informationen von dem ursprünglich gewollten Verkauf absehen wollen, weil diese Wertpapiere als Anlageobjekte in einem wesentlich günstigeren Licht erscheinen. In dieser Fallkonstellation würde eine Veräußerung der Wertpapiere selbst zu einem unerwartet hohen Verkaufserlös nicht mehr dem Anlegerinteresse entsprechen. Bei diesem Kundenkreis kann ein Interesse am Erlöschen der noch nicht ausgeführten Effektenaufträge insbesondere unterstellt werden, wenn die Insiderinformation nach ihrem öffentlichen Bekanntwerden zu einer erheblichen Kursbeeinflussung geeignet ist. Soweit das Schutzbedürfnis dieses Kreises von Anlegern als vorrangig anzusehen ist, kann dem Anlegerschutz mit Hilfe der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Rechnung getragen werden. Nach Nr. 8 Abs. 2 dieser Sonderbedingungen lässt eine Kursaussetzung wegen besonderer Umstände im Bereich der Emittenten, wie sie insbesondere die ad-hoc-publizitätspflichtigen Insidertatsachen darstellen, sämtliche an der Börse auszuführenden Effektenorder im Kommissionsgeschäft der Kreditinstitute erlöschen2, sofern die Bedingungen des Ausführungsplatzes dies vorsehen.
1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46. 2 Vgl. § 72 Abs. 1 Satz 3 BörsO FWB.
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4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
bb) Keine Handelsaussetzung bei nichtkursrelevanten Tatsachen Die Börsengeschäftsführung kann bei ihrer Ermessensentscheidung das AGBmäßig vereinbarte Erlöschen der Effektenorder infolge einer Handelsaussetzung nicht unberücksichtigt lassen. Mit Rücksicht auf diese Konsequenzen für das Effektengeschäft kann die Handelsaussetzung nur in den Fällen angeordnet werden, in denen die von den Emittenten nach § 15 Abs. 1 WpHG mitgeteilten Sachverhalte auch nach der Einschätzung der Börsengeschäftsführung offensichtlich geeignet sind, den Börsenpreis erheblich zu beeinflussen.
4.275
Bei der Ermessensentscheidung über die Handelsaussetzung ist weiter zu berücksichtigen, dass die Wertpapierbörse eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist und der ihr zugewiesenen öffentlichen Aufgabe gerecht werden muss. Die Ermessensentscheidung der Börsengeschäftsführung hat sich deshalb nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen an dem Anstaltszweck zu orientieren, wie ihn die Börsenordnung der Wertpapierbörse definiert. Danach dient die Börse als Marktveranstaltung dem Abschluss von Handelsgeschäften in Wertpapieren1. Infolgedessen wird mit der Handelsaussetzung in das Benutzungsverhältnis zwischen Börse und Emittentin und den Börsenmitgliedern in einer Weise eingegriffen, die über eine inner„betriebliche“ Maßnahme hinausgeht. Nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen hat die Börse deshalb den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dies verbietet eine aus der Sicht des Anstaltszwecks der Börse nicht erforderliche oder zumindest unangemessene Unterbrechung des Börsenhandels.
4.276
Von einer solchen Kursaussetzung kann im Übrigen regelmäßig abgesehen werden, wenn die wegen ihrer Preisrelevanz publizitätspflichtigen Sachverhalte nach Ende des Börsenhandels über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem veröffentlicht werden und zugleich sichergestellt erscheint, dass die überregionale Wirtschaftspresse hierüber berichtet.
4.277
cc) Dauer der Aussetzung der Notierung Der Ermessensspielraum der Börsengeschäftsführung bei der Kursaussetzung besteht nicht nur für die Anordnung der Aussetzung, sondern auch für die Bemessung ihrer Dauer. Auch insoweit sind verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden, in denen die Dauer der Handelsaussetzung mit Rücksicht auf den verwaltungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterschiedlich zu bestimmen ist. Eine solche zeitweilige Handelsunterbrechung, die die Interessen der Emittentin, Marktteilnehmer und der kauf- und verkaufsentschlossenen Anleger erheblich beeinträchtigen kann, darf hiernach nur so lange Wirksamkeit entfalten, wie es aus der Sicht der sicherzustellenden Ordnungsmäßigkeit des Börsenhandels und des Schutzes des Anlegerpublikums erforderlich oder zumindest angemessen erscheint. Angesichts des Anstaltszwecks und der volkswirtschaftlichen Funktion der Börse als eines gesetzlich geregelten, staatlich kontrollierten „Handelsplatzes“ für die dort zu1 Vgl. § 1 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com.
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4.278
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
gelassenen Wertpapiere ist der Börsenhandel weitestmöglich aufrecht zu erhalten. Dementsprechend ist die Dauer der Handelsunterbrechungen möglichst kurz zu bemessen.
4.279
Bei der Ausschöpfung des Ermessensspielraums hat die Geschäftsführung der Börse zum Teil konträre Interessen zu berücksichtigen. So haben institutionelle Anleger ein verständliches Interesse an möglichst kurzen Unterbrechungen des Börsenhandels. Auch ist der Terminhandel in starkem Maße von der Preisfeststellung im Kassahandel der Börse abhängig.
4. Zwangsregulierung der Börsengeschäfte
4.280
Für Börsengeschäfte, die direkt zwischen Handelsteilnehmern zu Stande kommen, gelten besondere Regelungen für die seltenen Fälle, in denen eine Partei den ihr obliegenden Pflichten (zB: Lieferung des verkauften Wertpapiers) nicht nachkommen kann. Bei nicht rechtzeitiger Erfüllung der Liefer- oder Zahlungsverpflichtung aus dem Börsengeschäft ist dem säumigen Vertragspartner gemäß den Bedingungen für Geschäfte eine Nachfrist zu setzen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist der nicht säumige Vertragspartner mangels anderweitiger Vereinbarung verpflichtet, an dem Börsentag, an dem die Frist endet, die Zwangsregulierung vorzunehmen (§ 10 Abs. 1 Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, Stand: 8.3.2010)1. Die Zwangsregulierung erfolgt unter Vermittlung eines Skontroführers der jeweiligen Wertpapierbörse durch Kauf bzw. Verkauf der zugrunde liegenden Wertpapiere (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Bedingungen für Geschäfte).
4.281
Der Differenzbetrag zwischen dem Zwangsregulierungspreis und dem Preis aus dem nicht ordnungsgemäß erfüllten Börsengeschäft ist dem Vertragspartner zu erstatten, zu dessen Gunsten er sich ergibt. Der säumige Vertragspartner hat außerdem die Kosten der Zwangsregulierung zu tragen. Diese Zwangsregulierung stellt ein praktisches Beispiel der sog. konkreten Schadensberechnung dar. In einem solchen Fall wird der zu ersetzende Schaden durch einen Deckungskauf bzw. -verkauf ermittelt. Weitere Einzelheiten der Zwangsregulierung sind in den Bedingungen für Geschäfte (§§ 4, 18) näher geregelt2. Die Bedingungen für Geschäfte regeln jedoch auch weite Teile der denkbaren Konstellationen einer Nichtbelieferung, insbesondere deren rechtlichen Hintergrund, nicht ab3. In der Praxis bereitet das beschriebene Verfahren einen erheblichen Aufwand, weshalb über eine grundsätzliche Reform dieses Instituts nachgedacht wird. Unabhängig davon sind jedoch die Regelungen des allgemeinen Zivilrechts, insbesondere das allgemeine Leistungsstörungsrecht auf die Fälle der Nichtbelieferung von Wertpapieren anzuwenden4. 1 Abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 2 Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, abrufbar unter www. deutsche-boerse.com; Hammen, WM 2007, 1297 (1298). 3 Eingehend hierzu Fleckner, WM 2009, 2064 (2072). 4 Fleckner, WM 2009, 2064 (2072); aA: Hadding in FS Schwark, 2009, S. 697 (702).
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4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
II. Handel in einem elektronischen Handelssystem Beim elektronischen Börsenhandel (Computerhandel) geben die Marktteilnehmer ihre verbindlichen Kauf- und Verkaufsangebote über Terminals in einen Zentralrechner, der deckungsgleiche Gebote zu Geschäftsabschlüssen zusammenführt.
4.282
Das börsenmäßige Marktgeschehen in Form der elektronischen Geschäftsabschlüsse vollzieht sich also in einem Zentralcomputer. Für die Funktion der Börse als einer organisierten Umsatzstelle ist es unwesentlich, ob die hierfür erforderlichen Willenserklärungen durch physisch anwesende Händler oder online mittels der EDV abgegeben werden1. Wesentlich ist vielmehr, dass es dort zu multilateralen Geschäftsabschlüssen kommt.
4.283
In Deutschland wurde die Eurex Deutschland (seinerzeit als Deutsche Terminbörse) Anfang 1990 als eine reine Computerbörse eröffnet. Hier ist die Versammlung der Händler im Börsensaal, wie sie für die traditionelle Parkett(Präsenz-)Börse typisch ist, durch eine internationale elektronische Handelsplattform ersetzt. Die Marktteilnehmer kommunizieren mit dem Markt über Computerterminals. Aufträge werden automatisch vom System sortiert, gegenübergestellt und ausgeführt. Die Preise der abgeschlossenen Geschäfte werden im EDV-System der Terminbörse erfasst.
4.284
Die Ausgestaltung der Deutschen Terminbörse als Computerbörse wurde durch die Börsengesetznovelle 1989 ermöglicht. Das im Jahre 1896 in Kraft getretene Börsengesetz stellte entsprechend den damaligen Kommunikationsmöglichkeiten auf die physische Anwesenheit der Händler im Börsensaal ab. Bei der Novellierung des Börsengesetzes im Jahre 1989 wurde klargestellt, dass das Börsengesetz den neuen Kommunikationstechniken, die eine physische Präsenz der Händler nicht mehr erfordern, Rechnung tragen soll. Hierzu wurde eine Bestimmung eingefügt, wonach „zum Börsenhandel auch Geschäfte über zugelassene Gegenstände gehören, die durch Übermittlung von Willenserklärungen durch elektronische Datenübertragung börsenmäßig zustandekommen“ (§ 16 Abs. 1 Satz 2 BörsG aF). Auf Grund der fortschreitenden Technisierung hat sich mittlerweile eine explizite Gleichstellung erübrigt, da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt, dass der Börsenhandel elektronisch stattfindet.
4.285
1. Elektronisches Handelssystem XETRA Im November 1997 wurde an der Frankfurter Wertpapierbörse das elektronische Handelssystem XETRA eingeführt.
4.286
Das XETRA-System ist eine leistungsfähige und komplexe Handelsplattform2, die im Laufe der Jahre ständige Erweiterungen und Leistungssteigerungen er-
4.287
1 Kümpel, WM 1988, 1621. 2 Vgl. Beck, WM 1998, 417 (418, Fn. 4), wonach das abgelöste IBIS-System infolge seiner technischen Beschränkungen zuletzt nur ca. 120 Wertpapiergattungen ermöglichte.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
fahren hat. In einer globalisierten Finanzwelt gehört die Zukunft entlokalisierten und entpersonalisierten elektronischen Handelssystemen, mit deren Hilfe die Marktteilnehmer schnell und preiswert rund um den Globus zu jeder Zeit Finanzprodukte handeln können.
4.288
XETRA bietet aber nicht nur die Möglichkeit, dass ausländische Marktteilnehmer zum Handel an der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen werden können. So findet auch der gesamte Handel an den Börsen in Dublin und Wien auf dem XETRA-System statt. Die Durchführung dieses ausländischen Börsenhandels obliegt der Deutsche Börse AG, die Träger der Frankfurter Wertpapierbörse ist. Diese beiden Börsen verfügen also über kein eigenes Handelssystem mehr, sondern bedienen sich eines Dritten als Geschäftsbesorger1.
4.289
Die Teilnahme am Handel aus Lokationen eines Unternehmens außerhalb der Bundesrepublik Deutschland kann durch die Geschäftsführung abgelehnt werden, wenn die Geltung und Einhaltung der börslichen Regelwerke in dem Drittstaat nicht gewährleistet ist und einer Prüfung durch die Geschäftsführung nicht unterzogen werden kann (§ 48 Abs. 2 BörsO FWB). Im Übrigen hat der Handelsteilnehmer auf geeignete Weise dafür Sorge zu tragen, dass Zustellungsakte, soweit solche an sein Unternehmen oder an für das Unternehmen tätige Personen im Ausland zu richten sind, an einen Zustellungsbevollmächtigten in der Bundesrepublik Deutschland besorgt werden können (§ 12 Abs. 4 BörsO FWB).
4.290
Der Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich der Börse endet also nicht am Netzausgang des Zentralrechners, sondern des umfassenden Netzwerks, damit die Handelsteilnehmer eine homogene Netzwerktechnologie nutzen können. Dagegen obliegt die Verantwortung für die Funktionsfähigkeit des Teilnehmerhandelssystems, wie in § 46 Abs. 1 BörsO FWB beschrieben, dem jeweiligen Handelsteilnehmer2.
2. Bereitstellung zusätzlicher Marktliquidität durch sog. Designated Sponsors
4.291
Zur Steigerung der Liquidität des Marktes beauftragt der Träger der Börse, also die Deutsche Börse AG sog. Designated Sponsors (§ 145 BörsO FWB). Bei diesen Handelsteilnehmern handelt es sich der Sache nach um sog. Market Maker, die sich zu Geschäftsabschlüssen auf Basis ihrer Geld- und Briefkurse verpflichten müssen3. Hierdurch sollen vor allem die Liquidität in mittleren und kleineren Wertpapiergattungen gesteigert und die Preisqualität durch das Stellen möglichst enger Spannen für die Kaufgebote (Geldkurse) und Verkaufs1 Beck, Börsen- und kapitalmarktrechtliche Aspekte der grenzüberschreitenden Tätigkeit und Zusammenarbeit von Börsen, FS Kümpel, 2003, S. 19 (33). 2 Beck, WM 1998, 417 (425). 3 Beck, WM 1998, 417 (430). Zum Begriff des Market Maker vgl. Franke in Assmann/ Schütze, § 2 Rz. 120, zu den Aufgaben im Einzelnen siehe die Regelung des § 146 BörsO FWB.
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Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
gebote (Briefkurse) verbessert werden1. Die Designated Sponsors müssen dem Träger vor ihrer Beauftragung nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 145 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BörsO FWB erfüllen, also insbesondere über entsprechende Erfahrung und Eignung verfügen.
3. Preise im elektronischen Handelssystem als Börsenpreise Die im elektronischen Handelssystem XETRA ermittelten Preise sind Börsenpreise (§ 24 BörsG). Dabei kommen die Börsenpreise im elektronischen Wertpapierhandel unabhängig von den im Präsenzhandel festgestellten Preisen zu Stande2. Denn das elektronische Handelssystem ist eine eigenständige Handelsplattform neben dem Parketthandel. In beiden Handelsplattformen bilden sich deshalb nach den vorgegebenen Regelungen eigenständige Börsenpreise3. Dabei ähnelt die Art der Preisermittlung im sog. Auktionsverfahren des elektronischen Handels dem Verfahren der Feststellung des Einheitskurses durch den skontroführenden Makler im Präsenzhandel4.
4.292
4. Handel im elektronischen Handelssystem (Xetra) Die Ausführung der Kauf- und Verkaufsaufträge und die Preisfeststellung im elektronischen Börsenhandel wurden der ursprünglichen der Handhabung im Präsenzhandel weitgehend nachgebildet5 und haben sich seitdem fortentwickelt. Dies gilt gleichermaßen sowohl für das sog. Auktionsverfahren und den fortlaufenden Handel im elektronischen Handelssystem. Ferner stehen im elektronischen Handel im Xetra System noch die Handelsmodelle der Fortlaufenden Auktion und des Midpoint Order Matching zu Auswahl (§ 135 BörsO FWB).
4.293
Die Wertpapiergeschäfte kommen im elektronischen Börsenhandel bei Einschaltung des zentralen Kontrahenten dadurch zu Stande, dass beispielsweise der Vertragsschluss zwischen dem Clearing Mitglied auf der Kaufseite und dem zentralen Kontrahenten und zwischen dem zentralen Kontrahenten und dem Clearing Mitglied der Verkaufsseite zu Stande kommt. Ein direkter Vertragsschluss zwischen den Handelsteilnehmern (als Clearing Mitglieder) kommt nicht zu Stande. Jedes Clearing Mitglied kontrahiert ausschließlich mit dem zentralen Kontrahenten, welcher an der Frankfurter Wertpapierbörse die Eurex Clearing AG ist6. Der zentrale Kontrahent schließt mit den beteiligten Clearing-Mitgliedern spiegelbildidentische Verträge ab. Dadurch haben Clearing Mitglieder immer nur den zentralen Kontrahenten als Vertragspart-
4.294
1 2 3 4 5 6
Braue/Hille, Die Bank 1997, 140 (145). Schwark, WM 1997, 293 (297); Beck, WM 1998, 417 (422). Beck, WM 1998, 417 (426). Beck, WM 1998, 417 (422, 427). Beck, WM 1998, 417 (427). Siehe zum Clearing insbesondere Rz. 4.368 ff.; grundsätzlich zum Vertragsschluss unter Einbeziehung eines zentralen Kontrahenten Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, S. 85 ff.
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Börsen und andere Handelssysteme
ner. Diese Konstruktion minimiert das Kontrahentenrisiko der Clearing Mitglieder. Die Konstruktion des zentralen Kontrahenten, ursprünglich in den Derivatemärkten entstanden, wird als sehr wichtig für die Stabilität und Transparenz der Finanzmärkte angesehen.
4.295
Ein Handelstag in XETRA unterteilt sich in drei aufeinander folgende Phasen auf: Vorhandelsphase, Haupthandelsphase und Nachhandelsphase (§ 136 BörsO FWB). Während der Vorhandelsphase können Aufträge in das elektronische Handelssystem eingegeben, geändert oder gelöscht werden; das Auftragsbuch bleibt geschlossen, außer für Spezialisten im Handelsmodell der Fortlaufenden Auktion. An die Vorhandelsphase schließt sich die Haupthandelsphase an, während derer Wertpapiere in den Handelsmodellen gehandelt werden können. Über die Art und Weise des Handels in den einzelnen Wertpapieren, insbesondere die Zahl der täglichen Auktionen und die Aufnahme in den fortlaufenden Handel, entscheidet die Geschäftsführung. Nach Abschluss der Haupthandelsphase steht das elektronische Handelssystem den Handelsteilnehmern in der Nachhandelsphase weiterhin zur Vornahme von Eingaben zur Verfügung. a) Zulässige Auftragsarten
4.296
Beim Handel in XETRA sind eine Vielzahl von Auftragsarten zugelassen (§ 143 BörsO FWB). Als Aufträge können in das elektronische Handelssystem insbesondere unlimitierte Aufträge (Market Orders) und limitierte Aufträge (Limit Orders) eingegeben werden. Unlimitierte Aufträge sind Kauf- und Verkaufsaufträge, die ohne Angabe eines Preislimits eingegeben und zum nächsten vom System ermittelten Preis ausgeführt werden sollen. Limitierte Aufträge sind Kauf- und Verkaufsaufträge, die mit einem Preislimit eingegeben und zu diesem oder besser ausgeführt werden sollen. Ferner stehen eine Vielzahl weiterer Orderarten zur Verfügung, die je nach Handelsmodell Gültigkeitsbestimmungen (zB Immediate or cancel) enthalten oder auch Handelsbeschränkungen (zB Opening auction only).
4.297
Unlimitierte und limitierte Aufträge, welche ohne Gültigkeitsbestimmung eingegeben wurden, sind nur bis zum Ende der Haupthandelsphase eines Börsentages gültig. Soweit sie nicht ausgeführt wurden, werden sie nach Beendigung der Haupthandelsphase im elektronischen Handelssystem gelöscht. b) Preisermittlung
4.298
Die Börsenpreise werden durch das elektronische Handelssystem ermittelt (§ 151 BörsO FWB). Die Geschäftsführung überwacht deren ordnungsgemäßes Zustandekommen im System. Als Grundlage verschiedener Berechnungen, insbesondere der Festlegung der Preiskorridore, innerhalb deren in der Auktion und im fortlaufenden Handel Aufträge zu Geschäftsabschlüssen zusammengeführt werden können, wird ein Referenzpreis bestimmt. Dieser entspricht dem letzten Preis des gleichen Handelstags, anderenfalls dem an einem vorangegangenen Handelstag im System zuletzt ermittelten Preis. 378
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Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
Im fortlaufenden Handel wird ein weiterer Referenzpreis bestimmt, der regelmäßig dem Preis der Eröffnungsauktion oder einer nachfolgenden Auktion des gleichen Handelstags, anderenfalls dem an einem vorangegangenen Handelstag im System zuletzt ermittelten Preis entspricht. Mit der Bestimmung von Referenzpreisen wird dem Prinzip der Preiskontinuität Rechnung getragen1.
4.299
Um die Marktteilnehmer auf kurzfristige, extreme Preissprünge hinzuweisen, sind sog. Volatilitätsunterbrechungen vorgesehen (§§ 164, 165 BörsO FWB). Diese werden dadurch ausgelöst, dass der zu erwartende Ausführungspreis außerhalb des Dynamischen Preiskorridors (§ 159 BörsO FWB) oder außerhalb des Statischen Preiskorridors (§ 160 BörsO FWB) um den Referenzpreis liegt. Für die Handhabung einer erweiterten Volatilitätsunterbrechung gilt die Regelung des § 165 BörsO FWB, der auch festlegt, wann ein Preis als marktgerecht anzusehen ist (§ 165 Abs. 5 BörsO FWB) Mit diesen Maßnahmen sollen sehr hohe Kurssprünge verhindert werden2.
4.300
aa) Auktionsverfahren In der Auktion wird auf Grundlage der bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegenden limitierten und unlimitierten Aufträge derjenige Preis ermittelt, zu dem das größte Auftragsvolumen bei minimalem Überhang ausgeführt werden kann. Unlimitierte Aufträge werden vorrangig ausgeführt (§ 153 Abs. 1 BörsO FWB). Unter Überhang ist die zu einem feststellbaren Börsenpreis bestehende Differenz der Volumina der ausführbaren Kauf- und Verkaufsaufträge zu verstehen.
4.301
Die Auktion untergliedert sich in den Aufruf und die Preisermittlung. Während der Aufrufphase können die Handelsteilnehmer Aufträge eingeben, ändern oder löschen. Stehen sich Aufträge ausführbar gegenüber, wird bei der Auktion mit geschlossenem Auftragsbuch ein potentieller Ausführungspreis angezeigt.
4.302
bb) Fortlaufender Handel mit untertägigen Auktionen Der fortlaufende Handel beginnt mit einer Eröffnungsauktion (§ 154 Abs. 1 BörsO FWB). Während des fortlaufenden Handels kommen die Preise durch das Zusammenführen (Matching) von Aufträgen zum jeweils besten im Auftragsbuch angezeigten Geld- oder Brieflimit zu Stande. Aufträge mit gleichem Preis werden in der Reihenfolge der Eingabe in das System (Preis-Zeit-Priorität) gematcht. Unlimitierte Aufträge werden vorrangig ausgeführt (vgl. § 154 Abs. 2 BörsO FWB).
4.303
Die für die Auktion und den fortlaufenden Handel vorliegenden Aufträge werden im Aufruf zur Auktion zu einer einheitlichen Auftragslage zusammengeführt. Der fortlaufende Handel endet mit einer Schlussauktion (§ 154 Abs. 5 BörsO-FWB).
4.304
1 Beck, WM 1998, 417 (428). 2 Braue/Hille, Die Bank 1997, 140 (143); Beck, WM 1998, 417 (428).
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Börsen und andere Handelssysteme
cc) Fortlaufende Auktion
4.305
In der Fortlaufenden Auktion wird auf der Grundlage der bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegenden Orders durch das elektronische Handelssystem derjenige Preis ermittelt, zu dem im Market-Maker-Modell entsprechend oder innerhalb des verbindlichen Quotes des Quote-Verpflichteten und im Spezialistenmodell entsprechend oder innerhalb des verbindlichen Quotes des Spezialisten das größte Ordervolumen bei minimalem Überhang durchgeführt werden kann wobei unlimitierte Order vorrangig ausgeführt werden (§ 155 Abs. 1 BörsO FWB) dd) Midpoint Order Matching
4.306
Im Midpoint Order Matching werden Orders fortlaufend gegeneinander ausgeführt, sofern diese speziell für das Midpoint Order Matching eingegeben wurden (§ 156 BörsO FWB). Im Midpoint Order Matching werden ausschließlich Preise ermittelt, die sich aus dem rechnerischen Mittelwert (Midpoint) der zur gleichen Zeit im fortlaufenden Handel besten, im Orderbuch angezeigten Geld- und Brieflimits ergeben (§ 156 Abs. 2 BörsO FWB). Eine Ausführung erfolgt nur, wenn der zu erwartende Preis innerhalb des dynamischen Preiskorridors oder des statischen Preiskorridors liegt. Die Orderausführung im Midpoint Order Matching erfolgt fortlaufend, allerdings müssen die Order bei Eingabe dahingehend gekennzeichnet werden, dass eine Ausführung im Midpoint Order Matching erfolgen darf. Preise, die im Rahmen des Midpoint Order Matching zu Stande kommen sind Börsenpreise, müssen aber entsprechend gekennzeichnet werden1.
III. Marktsegmente des Kassahandels
4.307
Der Wertpapierhandel an den deutschen Wertpapierbörsen vollzieht sich in den zwei Marktsegmenten: Regulierter Markt (§§ 32 ff. BörsG) und Freiverkehr (§ 48 BörsG). Aus der Sicht des äußerlichen Handelsgeschehens lassen sich die zwei Marktsegmente nur schwer auseinander halten. Der Handel in beiden Marktsegmenten erfolgt häufig in demselben Börsensaal oder elektronischen Handelssystem. Zwischen den einzelnen Marktbereichen besteht also keine räumliche Abgrenzung. Für die organisationsrechtliche Abgrenzung der Handelsplattformen ist vielmehr die Zulassung2 beziehungsweise die Einbeziehung der einzelnen Wertpapiergattungen in das jeweilige Marktsegment entscheidend. Eine parallel erfolgende Zulassung und Notierung von Wertpa-
1 Zur Behandlung der Vor- und Nachhandelstransparenz siehe Seiffert/Vollmuth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 1455. 2 Neben dieser regelmäßigen „Zulassung“ gibt es für den Geregelten Markt eine wesentlich erleichterte „Einbeziehung“, deren Voraussetzungen in § 56 BörsG geregelt sind. Im Übrigen gibt es im Freiverkehr keine Zulassung, sondern es wird von einer Einbeziehung gesprochen; Groß, Kapitalmarktrecht, § 32 BörsG Rz. 6.
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Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
pieren in den Marktsegmenten ist im Interesse einer marktgerechten Preisfeststellung ausgeschlossen1 (sog. Verbot der Doppelnotierung). Wesentliche Unterschiede ergeben sich dagegen bei der rechtlichen Organisationsstruktur der verschiedenen Marktsegmente. Der Regulierte Markt ist durch seine öffentlichrechtliche Struktur geprägt2. Der Freiverkehr an der Börse ist dagegen grundsätzlich privatrechtlich organisiert. Für dieses Marktsegment gelten vor allem das HGB und die AGB, die der Freiverkehrsträger für dieses Marktsegment erlassen hat, sowie die Handelsrichtlinien, die durch den jeweiligen Börsenrat erlassen werden.
4.308
Aus rechtlicher Sicht ist nur der Regulierte Markt in die Börse als Segment des Börsenmarktes integriert, während der Freiverkehr von der Börse nur über die Handelsrichtlinien reglementiert wird und damit nur faktisch, aber nicht rechtlich zum Börsenhandel gehört3. Der Freiverkehr in den einzelnen Wertpapiergattungen bedarf lediglich einer Zulassung durch die Börse und des Erlasses der Handelsbedingungen durch den Börsenrat. Die Zulassung ist davon abhängig, dass eine ordnungsmäßige Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung gewährleistet erscheint (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Missstände im Freiverkehr könnten der Börse insgesamt angelastet werden und hierdurch ihr Ansehen schädigen4. Damit könnte auch die Funktionsfähigkeit ihres Regulierten Marktes gefährdet werden. Diese Vorgabe gilt auch für den Erlass der Handelsrichtlinien.
4.309
1. Zwei-Segmente-Prinzip Die marktmäßige Untergliederung des Börsenhandels in zwei Segmente wird im Interesse der erwünschten Transparenz des Börsengeschehens allgemein für erforderlich gehalten5.
4.310
Bei diesen beiden börsenrechtlichen Marktsegmenten können die gesetzlichen Standards durch zusätzliche Regelungen in der Börsenordnung erhöht werden6. Dies gilt insbesondere für Publizitätsanforderungen als sog. Zulassungsfolgepflichten, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen7. Beim Regulierten Markt kann die Börsenordnung für Teilbereiche zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel weitere Voraussetzungen für die Einführung und weitere Unterrichtungspflichten des Emittenten
4.311
1 Gesetzesmaterialien zum 4. FFG, BT-Drucks. 14/804, S. 81. 2 Dieses Marktsegment des Börsenhandels erfüllt die Voraussetzungen eines geregelten Marktes iS der Europäischen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Art. 16); vgl. dazu BT-Drucks. 14/804, S. 63. 3 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 76. 4 Ledermann in Schäfer/Hamann, § 57 BörsG Rz. 3; BT-Drucks. 12/6679, S. 76. 5 Schmidt, Die Bank 1987, 288 ff. Vgl. weiter Schwark, NJW 1987, 2041 (2043); Hammen, WM 2003, 997 (1000). 6 BT-Drucks. 14/804, S. 63. 7 § 42 BörsG, siehe auch BT-Drucks. 16/4028, S. 88.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
auf Grund der Einführung von Aktien oder Aktien vertretenden Zertifikaten vorsehen (§ 42 Abs. 1 BörsG).
4.312
Der Teilbereich der Frankfurter Wertpapierbörse mit weiteren Zulassungsfolgepflichten ist ein eigenständiges Marktsegment im Regulierten Markt, der so genannte Prime Standard. Im Freiverkehr wurde auf rein privatrechtlicher Basis eine parallele Segmentierung vorgenommen, der Entry Standard ist ein Segment innerhalb des Freiverkehrs in dem weitere Folgepflichten gelten. a) Zulässigkeit von Teilbereichen
4.313
§ 42 BörsG gibt den Börsen den gestalterischen Freiraum, um für Teilbereiche weiter gehende besondere Pflichten zu statuieren. Dieser Freiraum soll den Börsen die notwendige Flexibilität und Kreativität bei dem Erlass weiter gehender Regelungen geben. Inhaltlich entsprechen die Gestaltungsmöglichkeiten der Börse denjenigen für den Geregelten Markt vor Erlass des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes1. Der gestalterische Spielraum der Börsen wurde jedoch durch Erlass des Wertpapierprospektgesetzes sowie des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes erheblich eingeschränkt, so dass eine Nutzung des § 42 BörsG über die bestehende Segmentierung hinaus wohl nicht zu erwarten ist, zumal wesentliche Transparenzpflichten eines Unternehmens durch Gesetz festzulegen sind2. b) Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse
4.314
Die Frankfurter Wertpapierbörse hat die gesetzliche Ermächtigung zur Errichtung von Teilbereichen mit zusätzlichen Zulassungsfolgepflichten bereits durch Änderung der Börsenordnung zum 1.1.2003 unter dem damals geltenden § 50 Abs. 3 BörsG genutzt und den neu geschaffenen Teilbereich zwecks terminologischer Abgrenzung zu den weiter bestehenden gesetzlichen Grundformen (General Standard) des damaligen Amtlichen und des Geregelten Marktes als „Prime Standard“ bezeichnet3. Ziel dieser neuen Marktstrukturen ist und war es, unter Beibehaltung der vom Börsengesetz vorstrukturierten beiden öffentlichrechtlichen Marktsegmente, aber quer zu diesen und über die zwischen ihnen gezogenen Grenzen hinweg, zwei mehr oder weniger einheitlichen Teilbereiche (General Standard und Prime Standard) zu schaffen4. Diese Teilbereiche wurden auch nach der Aufgabe des Zwei-Segmente Prinzips im Kassahandel fortgeführt, so dass der Regulierte Markt der Frankfurter Wertpapierbörse sich nunmehr in Prime Standard und General Standard unterteilt. Wenn nunmehr von einer Segmentierung des Frankfurter Börsenhandels in Prime Standard, General Standard und Freiverkehr gesprochen wird, so ist hiermit nicht die börsengesetzlich vorgegebene Segmentierung in Regulierter 1 BT-Drucks. 16/4028, S. 88 zu § 42 Abs. 1 BörsG. Zu der Rechtslage vor Erlass des Finanzmarktrichtline-Umsetzungsgesetzes siehe die 3. Aufl. unter Ziffer 17.591 ff. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 42 Rz. 5. 3 Vgl. Gebhardt, WM 2003, Sonderbeil. Nr. 2; Hammen, WM 2003, 997 (998). 4 Schlitt, AG 2003, 57 (58); Hammen, WM 2003, 997 (998).
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4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
Markt und Freiverkehr gemeint. Eine solche Darstellung der Marktsegmente will vor allem auf die Erwartungen ausländischer Anleger Rücksicht nehmen1. Die zusätzlichen Anforderungen für den Prime Standard im Regulierten Markt sind in §§ 63–70 BörsO FWB geregelt. So sind die Emittenten dieses Premiumsegmentes zu Quartalsberichten und sog. Unternehmenskalendern mit Angaben über die wesentlichen Termine des Emittenten, insbesondere der Hauptversammlung, Bilanzpressekonferenz und der Analystenveranstaltungen, verpflichtet. Des Weiteren ist mindestens einmal jährlich eine Analystenveranstaltung außerhalb der Bilanzpressekonferenz durchzuführen. Im Übrigen sind Ad-hoc-Veröffentlichungen nach § 15 WpHG auch in englischer Sprache vorzunehmen.
4.315
2. Regulierter Markt (§§ 32 ff. BörsG) Durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde die Segmentierung in Amtlicher Markt und Geregelter Markt zu Gunsten des eines einheitlichen Marktsegments, des neuen Regulierten Marktes, aufgegeben. Die zuvor geltende Unterscheidung wurde als nicht mehr zeitgemäß empfunden, zumal auch durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vereinheitlichte Transparenzstandards bereits von Gesetzes wegen gelten2.
4.316
Das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels und der Schutz des Anlegerpublikums erfordern es, dass die an der Börse handelbaren Wertpapiere zunächst förmlich zum Börsenhandel zugelassen werden (§ 32 Abs. 1 BörsG). Dies geschieht für den Regulierten Markt durch die Geschäftsführung, da seit dem Inkrafttreten des Wertpapierprospektgesetzes die Prüfung und Billigung der Wertpapierprospekte durch die BaFin vorgenommen wird und daher für ein eigenständiges Börsenorgan für die Zulassung der Wertpapiere kein Bedarf mehr besteht.
4.317
Von dieser Zulassung der Wertpapiere ist deren Einführung in den Börsenhandel zu unterscheiden. Hierunter ist die Aufnahme der Notierung zu verstehen (vgl. § 38 Abs. 1 BörsG). Hiermit beginnt der Börsenhandel in diesen zuvor zugelassenen Wertpapieren (§ 32 Abs. 1 BörsG). Wie die „Zulassung“ zum Börsenhandel durch die Geschäftsführung erfordert auch die „Einführung“ in den Börsenhandel einen Verwaltungsakt, für den ebenfalls die Börsengeschäftsführung zuständig ist, ferner legt die Geschäftsführung in dem Verwaltungsakt auch fest, ob die zugelassenen Wertpapiere im Präsenzhandel und/ oder im elektronischen Handel eingeführt werden und legt darüber hinaus die Handelswährung fest (vgl. § 71 Abs. 2 BörsO FWB).
4.318
1 Potthoff, Börsen-Zeitung v. 25.10.2002; vgl. weiter Börsen-Zeitung v. 27.9.2002; Mewes, Börsen-Zeitung v. 11.2.2003. 2 BT-Drucks. 16/4028, S. 87 zu § 32 BörsG.
Seiffert
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
3. Freiverkehr an der Wertpapierbörse (§ 48 BörsG)
4.319
Der Freiverkehr an der Wertpapierbörse ist aus rechtlicher Sicht dadurch gekennzeichnet, dass dieses Marktsegment nicht in die öffentlichrechtliche Organisation der Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts integriert ist1. Der Handel in den Freiverkehrswerten vollzieht sich lediglich faktisch an den Wertpapierbörsen, ist für sich betrachtet jedoch ein multilaterales Handelssystem, welches durch einen Börsenträger betreiben wird. Lediglich aus der Sicht des Handelsgeschehens kann deshalb von einem dritten Marktsegment der Börse gesprochen werden. Der Gesetzgeber wollte nicht jeden marktmäßig organisierten Wertpapierhandel von einer zusätzlichen staatlichen Erlaubnis abhängig machen, selbst wenn dieser an einer der staatlichen Genehmigung bedürftigen Börse stattfindet. Der Freiverkehr ist deshalb seit jeher an den Wertpapierbörsen unter bestimmten Einschränkungen toleriert worden. Im Zuge der Neufassung des Pfandbriefrechts2 kam es jedoch auch zu einer Änderungen der in Bezug auf den Freiverkehr geltenden Regelungen. So ist gemäß § 13 Abs. 2 BörsG eine Handelsordnung durch den Börsenrat zu erlassen, welche den Ablauf des Handels regelt. Diese Regelung kann nicht darauf abzielen, Verstöße gegen die Handelsordnung dem Regime des Sanktionsausschusses der jeweiligen Börse zu unterwerfen, da dieser ausschließlich Verstöße gegen börsliche Regelwerke zu ahnden hat. Der Freiverkehrsträger selbst ist aufgerufen, durch geeignete Instrumentarien wie Vertragsstrafen dafür zu Sorge zu tragen, dass das Ansehen des börslichen Handels nicht beeinträchtigt wird. Sinn und Zweck der Regelung gebieten darüber hinaus zumindest eine Einschränkung der Ausgestaltung der Handelsordnung dahingehend, dass der Börsenrat als Grenze seiner Regelungsbefugnis die unternehmerische Freiheit als Grundrecht des Trägers wird beachten müssen, wurde doch eine bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vorgeschlagene Überprüfung der Handelsrichtlinien in das öffentliche Recht3 letztlich nicht übernommen. Die nunmehr entstandene Nähe zu einem organisierten Markt sollte genutzt werden, um den Gestaltungsspielraum der Börse zu erhöhen4. a) Zulassung des Freiverkehrs
4.320
Der Betrieb eines Freiverkehrs durch den Börsenträger bedarf gemäß § 48 Abs. 3 BörsG der Zulassung durch die Geschäftsführung der Börse.
4.321
Zum Schutze des Regulierten Marktes muss eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels im Freiverkehr und der Geschäftsabwicklung gewährleistet sein. Denn das Anlegerpublikum würde Missstände im Freiverkehr der Börse insgesamt anlasten. Hierdurch könnte auch die Reputation und damit letzt1 2 3 4
Hammen, WM 2001, 929 (939). Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts, BGBl. I 2009, Nr. 16, S. 607. Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 89. Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 106.
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4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
lich die Funktionsfähigkeit des Handels im Regulierten Markt gefährdet werden. Die Börsengeschäftsführung darf deshalb einen Freiverkehr an der Börse nur zulassen, wenn durch eine Handelsordnung, die der Börsenrat zu erlassen hat, und durch Geschäftsbedingungen, die der Börsenträger zu erlassen hat und die von der Geschäftsführung zuvor gebilligt werden müssen, eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung gewährleistet erscheint (§ 48 Abs. 1 BörsG)1. Der notwendige Schutz des Regulierten Marktes erfordert es auch, dass die Börsengeschäftsführung den Freiverkehr untersagen kann, wenn Missstände im Handel mit den darin einbezogenen Wertpapieren zu befürchten oder eingetreten sind. Die Kontrollbefugnis der Börsengeschäftsführung auf Grund der Anbindung des Freiverkehrs an die öffentlichrechtliche Selbstverwaltung der Börse wird ergänzt durch eine Untersagungsbefugnis der Börsenaufsichtsbehörde (§ 48 Abs. 3 BörsG). Sofern ein ordnungsgemäßer Börsenhandel nicht mehr gewährleistet erscheint, muss die Aufsichtsbehörde wegen der Anbindung des privatrechtlich organisierten Freiverkehrs an die Börse und der Verantwortung des Staates für die Börse als Anstalt des öffentlichen Rechts eine Letztkontrollbefugnis besitzen2.
4.322
Diese Eingriffsbefugnisse der Börsengeschäftsführung und der Aufsichtsbehörde lassen jedoch den Freiverkehr noch zu keinem Organisierten Markt iS der engeren Marktdefinition des § 2 Abs. 5 WpHG werden, der mit dem geregelten Markt (regulated market) iS der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente3 (Art. 4 Nr. 14) identisch ist. Dieser Marktbegriff erfasst jedes im Inland, in einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes, multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt (§ 2 Abs. 5 WpHG). An der Regelung durch eine staatlich anerkannte Stelle fehlte es beim Freiverkehr4. Der Erlass der Handelsordnung für den Freiverkehr durch den Börsenrat führt zu keiner anderen Bewertung, da der Freiverkehr weiterhin privatrechtlich organisiert und von seinem privatrechtlich organisierten Träger ohne weitere Mitsprache der Börse geregelt wird. Diese Abgrenzung ist jedoch durch die gesetzliche Neuregelung der Zuständigkeit für den Erlass der Handelsordnung nicht einfacher
4.323
1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 76. 2 BT-Drucks. 14/804, S. 83. 3 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 4 Caspari, ZGR 1994, 530 (534); Hammen, WM 2001, 929 (940); Fuchs in Fuchs, § 2 WpHG Rz. 149.
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Börsen und andere Handelssysteme
geworden. Allerdings zeigt auch die noch junge Praxis, dass die Handelsordnung für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse lediglich die Regelungen betreffend den Handel aus der Börsenordnung übernimmt, ohne größere Abweichungen vorzusehen.
4.324
Würde der Freiverkehr einen organisierten Markt iS des § 2 Abs. 5 WpHG darstellen, unterlägen die Emittenten der Freiverkehrswerte insbesondere der Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG). Eine solche Publizitätspflicht, deren Verletzung mit einer Geldbuße bis zu 1 Mio. Euro geahndet werden kann (§ 39 Abs. 4 WpHG), würde mit großer Wahrscheinlichkeit zum „Austrocknen“ dieses allseits erwünschten Marktsegmentes führen1. Denn die Einbeziehung in den Freiverkehr bedarf keiner Zustimmung der Emittenten und erfolgt häufig nur im Interesse der erleichterten Handelsmöglichkeiten für die Marktteilnehmer.
4.325
Wegen der weit reichenden Konsequenzen der Ad-hoc-Publizität wäre zu befürchten gewesen, dass sich insbesondere die ausländischen Emittenten aus dem Freiverkehr zurückgezogen hätten. Von einer Einbeziehung der Freiverkehrswerte in die Ad-hoc-Publizität ist deshalb abgesehen worden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Börsen nicht zu beeinträchtigen. Ferner wurde in § 48 Abs. 3 BörsG klargestellt, dass Emittenten, deren Wertpapiere ohne ihre Zustimmung n den Freiverkehr einbezogen worden sind, nicht dazu verpflichtet werden können, Informationen in Bezug auf diese Wertpapiere zu veröffentlichen.
4.326
Dagegen hat der deutsche Gesetzgeber die in den Freiverkehr einbezogenen Wertpapiere zu Insiderpapieren erklärt (§ 12 Abs. 1 WpHG)2. Die Einbeziehung der Freiverkehrswerte in die Insiderregelung des Wertpapierhandelsgesetzes ist geboten. Denn die Anleger können häufig nicht zwischen dem Regulierten Markt als dem öffentlichrechtlich strukturierten Marktsegment und dem privatrechtlich organisierten Freiverkehr unterscheiden und sehen daher auch in den Freiverkehrswerten „Börsenwerte“. Der Insiderhandel im Freiverkehr kann deshalb den gesamten Börsenhandel in Misskredit bringen und damit auch die Funktionsfähigkeit des öffentlichrechtlich strukturierten Marktsegmentes beeinträchtigen3. b) Handelsordnung für den Freiverkehr
4.327
Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts4 wurde ohne weitere Begründung die Zuständigkeit zum Erlass einer Handelsordnung dem Börsenrat übertragen, der diese Handelsordnung als Satzung zu erlassen hat (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BörsG). Die durch den Börsenrat der Frankfurter Wertpapierbörse verabschiedete Handelsordnung beschränkt sich darauf, die
1 2 3 4
Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 76. Ausführlich zum Insiderrecht unter Rz. 3.451 ff. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45. Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts, BGBl. I 2009, Nr. 16, S. 607.
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4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
Anwendbarkeit der Bestimmungen aus der Börsenordnung für den Freiverkehr zu regeln. Die Organisationsstruktur des Freiverkehrs ähnelt damit der Definition des Organisierten Marktes iS des § 2 Abs. 5 WpHG. Eine Gleichstellung des Freiverkehrs mit dem regulierten Markt dürfte jedoch nicht beabsichtigt gewesen sein. Vor dem Hintergrund der weiterhin vorhandenen primären Zuständigkeit des Freiverkehrsträgers für die Teilnahme am Handel und die Einbeziehung der handelbaren Wertpapiere ist der privatrechtliche Charakter des Freiverkehrs nicht berührt worden. Auch wird der Sanktionsausschuss als Börsenorgan weiterhin keine Zuständigkeit für die Sanktionierung von Verstößen gegen die vom Börsenrat erlassene Handelsordnung aus der Zuständigkeit des Börsenrates ableiten können, da es sich nicht um eine börsenrechtliche Vorschrift handelt, sondern um eine Vorschrift, die nur im Freiverkehr Gültigkeit besitzt. In der Praxis findet der Freiverkehr auf identischen Systemen wie der Handel im regulierten Markt statt, weshalb faktisch bereits vor Inkrafttreten bezeichneter Änderung allein die börslichen Regelungen für den Ablauf des Handels maßgeblich waren. Im Übrigen zeigen aber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine starke Anlehnung dieses privatrechtlich organisierten Marktsegmentes an die Wertpapierbörse als Veranstalter des öffentlichrechtlich organisierten Marktsegmentes in Gestalt des Regulierten Marktes. c) Einbeziehung von Wertpapieren in den Freiverkehr Die Einbeziehung der Wertpapiere in den Freiverkehr bedarf des schriftlichen Antrages eines an der Frankfurter Wertpapierbörse uneingeschränkt zum Börsenhandel zugelassenen Unternehmens. Soweit noch keine Preise an einem anderen in- oder ausländischen organisierten Markt festgestellt werden, muss der Antragsteller die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 13 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse erfüllen, insbesondere ein gebilligter Prospekt vorliegen. Sollte kein Prospekt vorliegen, was auf Grund der Regelung des § 3 WpPG nur in eng begrenzten Szenarien denkbar ist, muss ein Formblatt mit Emittentendaten vorliegen, welches nähere Angaben über Wertpapier und Emittent enthält. Ein Anspruch eines Teilnehmers auf Einbeziehung bestimmter Wertpapiere besteht auch bei Vorliegen der Einbeziehungsvoraussetzungen nicht (§ 9 Abs. 2 AGB Freiverkehr, Stand: 12.7.2010).
4.328
Das die Einbeziehung beantragende Unternehmen (Antragsteller) übernimmt durch die Einbeziehung von Wertpapieren bestimmte Mitteilungspflichten gegenüber der Deutsche Börse AG (§ 14 AGB Freiverkehr FWB). Der Antragsteller hat rechtzeitig über bevorstehende Hauptversammlungen, Dividendenzahlungen, Kapitalveränderungen und sonstige Umstände zu informieren, die für die Bewertung der Wertpapiere oder des Emittenten von wesentlicher Bedeutung sein können. Im Übrigen müssen die Wertpapiere frei handelbar sein und eine ordnungsgemäße Abwicklung der Wertpapiergeschäfte gewährleistet sein.
4.329
Die Deutsche Börse AG bestimmt, ob die einbezogenen Wertpapiere im elektronischen Handel und/oder im Präsenzhandel gehandelt werden und bestimmt die Handelswährung.
4.330
Seiffert
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387
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4.331
Im Interesse der Ordnungsmäßigkeit des Freiverkehrs gelten für den Handel und für die Preisfeststellung, die für den Regulierten Markt getroffenen Regelungen über die Handelsordnung weitestgehend mit identischem Inhalt.
4.332
Mit diesen Regelungen für den Freiverkehr ist entsprechend den Intentionen der früheren Börsengesetznovelle „sichergestellt, dass ein den öffentlich-rechtlich geregelten Börsenhandel ergänzender privatrechtlicher Handel an der Börse nur unter der Voraussetzung ordnungsgemäßer Abwicklung stattfindet“1. d) Freiverkehrspreise als Börsenpreise
4.333
Die Preise für die im Freiverkehr gehandelten Wertpapiere sind Börsenpreise (§ 24 Abs. 2 Satz 2 BörsG). Die Preise des Freiverkehrs müssen deshalb dieselben Anforderungen wie die Preise des Regulierten Marktes erfüllen. Die Einzelheiten der Preisermittlung und ihre Überwachung sind letztlich in der Handelsordnung zu regeln, was weitestgehend durch einen Verweis auf die für den Regulierten Markt gültigen Regelungen verwirklicht wird. Für das ordnungsgemäße Zustandekommen der Börsenpreise gelten daher im Regulierten Markt wie auch im Freiverkehr dieselben Qualitätsstandards.
4.334
Eine faire Preisbildung ist ein Gütesiegel für einen funktionsfähigen Finanzplatz. Sie muss daher im Interesse der Anleger und der Handelsteilnehmer auch im Freiverkehr an der Börse gewährleistet sein2. Dies umso mehr, als die Anleger häufig nicht zwischen dem Regulierten Markt als dem öffentlichrechtlich strukturierten Marktsegment und dem privatrechtlich organisierten Freiverkehr zu differenzieren vermögen. Missstände im Freiverkehr können deshalb auch die Funktionsfähigkeit des Börsenhandels beeinträchtigen3. e) Entry Standard als Premiumsegment des Freiverkehrs
4.335
Am 25.10.2005 wurde der Entry Standard als ein Teilbereich des Freiverkehrs an der Frankfurter Wertpapierbörse und als ein alternativer Kapitalmarktzugang zum Regulierten Markt eingeführt4.
4.336
Der Entry Standard ist konzipiert für Unternehmen, die einen effizienten Handel ihrer Aktien bei geringen formalen Pflichten anstreben. Es gibt keine Mindestanforderungen an Unternehmensalter oder -größe. Eine Notierungsaufnahme im Entry Standard wählen Unternehmen, die sich innerhalb des Freiverkehrs positionieren und dem Kapitalmarkt mehr Informationen zur Verfügung stellen wollen5.
4.337
Die Zugangsvoraussetzungen zum Entry Standard unterscheiden sich nur geringfügig von denen des Freiverkehrs im Übrigen. Ein Nachweis über die 1 2 3 4 5
Vgl. BT-Drucks. 10/4296, S. 18. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 76. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 76. Harrer/Müller WM 2006, 653 (653). Harrer/Müller, WM 2006, 653 (657).
388
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Seiffert
4. Teil
Organisation des Kassamarktes des Börsenhandels
Verpflichtung eines Deutsche Börse Listing Partners ist erforderlich1. Zudem muss der FWB Handelsteilnehmer, der die Einbeziehung beantragt, die Verpflichtungserklärung für den Entry Standard unterzeichnen2. Der Antrag auf Einbeziehung in den Entry Standard muss bei öffentlichen Angeboten der von der nationalen Aufsichtsbehörde gebilligte und notifizierte Prospekt3. Ferner hat der Antragsteller eine Verpflichtungserklärung abzugeben, durch die er sich verpflichtet, die Regeln des Entry Standard einzuhalten und die vom Unternehmen zu erfüllenden Transparenzanforderungen zu überwachen4.
4.338
Aktien, die in den Entry Standard einbezogen wurden, sind Insiderpapiere (§ 12 Satz 1 Nr. 1 WpHG). Die Überwachung der Preisfindung wird durch die Handelsüberwachungsstelle vorgenommen. Die Transparenzanforderungen an den Emittenten, dessen Aktien in den Handel im Entry Standard einbezogen wurden, werden von dem Antrag stellenden FWB-Handelsteilnehmer überwacht.
4.339
4. Handelstransparenz Mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurden in Deutschland erstmalig Regelungen in das Börsengesetz aufgenommen, die eine Verpflichtung der Börsen zur Herstellung bestimmter Transparenzstandards für die Vorhandels- und Nachhandelstransparenz enthalten5.
4.340
Vorhandelstransparenz im Sinne des europäischen und deutschen Gesetzgebers bedeutet die Veröffentlichung von Kursen6 und Volumina, welche Handelsteilnehmer mit dem Ziel eines Vertragsschlusses in den in Rede stehenden Finanzinstrumenten anbieten.
4.341
§ 31 BörsG beinhaltet die für Börsen maßgeblichen Regelungen zur Herstellung der Vorhandelstransparenz. Die Lektüre dieser Vorschrift allein gibt allerdings kaum Aufschluss darüber, was und in welcher Form eine Börse tat-
1 § 16 Abs. 3 lit. g der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse, abrufbar unter www.deutscheboerse.com. 2 Siehe Anlage 1 zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse, abrufbar unter www.deutscheboerse.com. 3 Vgl. § 13 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 4 § 17 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 5 Siehe Seiffert/Vollmuth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rz. 1566; Kumpan, WM 2006, 797 (798); Seitz, AG 2004, 497 (502). 6 Der Begriff „Kurse“ wird im Rahmen der Vorhandelstransparenz, der Begriff „Preise“ im Rahmen der Nachhandelstransparenz verwandt.
Seiffert
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
sächlich veröffentlichen muss. Lediglich die betroffenen Finanzinstrumente, ausschließlich Aktien und aktienvertretende Zertifikate, werden benannt. Vielmehr ist § 31 BörsG dazu in Verbindung mit der direkt anwendbaren Durchführungsverordnung der EU-Kommission1 zu lesen.
4.342
In Abhängigkeit von der Ausgestaltung des jeweiligen Marktmodells legt Art. 17 und 18 der VO die konkrete Ausgestaltung der Transparenzpflichten und mögliche Ausnahmen fest.
4.343
Für die Zwecke der Herstellung der Vorhandelstransparenz enthält insbesondere Art. 17 VO die detaillierte Regelungen, die in Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Marktmodells der Börse unterschiedliche Verpflichtungen enthalten. Für die Zwecke der Herstellung der Vorhandelstransparenz wird hierbei unterschieden zwischen Orderhandelsbuchsysteme, basierend auf einer fortlaufenden Auktion2, Quotierungsgetriebene Handelssysteme3, Handelssysteme, die auf periodischen Auktionen basieren4. Ferner enthält Art. 17 Abs. 5 VO es einen Auffangtatbestand: Handelssysteme, die nicht unter die drei zuvor beschriebenen Handelssysteme fallen, weil sie entweder ein hybrides System sind oder weil der Preisfindungsprozess anders ausgestaltet ist, insbesondere auch natürliche Personen an der Preisfindung beteiligt sein können.
4.344
Die Regelungen zur Vorhandelstransparenz bieten vielfältige Möglichkeiten zur Gewährung von Ausnahmen, für deren Bewilligung die Börsenaufsichtsbehörde zuständig ist5 beziehungsweise die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bei multilateralen Handelssystemen6. Um eine europaweit einheitliche Handhabung der Ausnahmeregelungen zu erreichen, hat CESR auf seiner Homepage exemplarische Sachverhalte und deren Einschätzung durch die jeweiligen Aufsichtsbehörden dargestellt7. Diese Darstellung wird in unregelmäßigen Abständen durch CESR überarbeitet.
4.345
Die Nachhandelstransparenzvorschriften für Börsen sind harmonisiert in Art. 27 VO niedergelegt. Der technische Detaillierungsgrad der Vorschriften ist erheblich. Die Veröffentlichung der Nachhandelstransparenzdaten hat gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 der VO grundsätzlich in Echtzeit zu erfolgen, in Ausnahmefällen kann die Obergrenze auf drei Minuten verlängert werden8. 1 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission v. 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe iS dieser Richtlinie, ABl. EU Nr. L 241, S. 1, nachfolgend als VO bezeichnet. 2 Art. 17 Abs. 2 VO. 3 Art. 17 Abs. 3 VO. 4 Art. 17 Abs. 4 VO. 5 § 30 Abs. 1 Satz 2 BörsG. 6 § 31g Abs. 2 WpHG. 7 Waivers from Pre-trade Transparency Obligations under the Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), Ref.: CESR/09-324, abrufbar unter www.cesr-eu.org. 8 Art. 29 Abs. 2 Satz 2 VO; Duve/Keller, BB 2006, 2537 (2538).
390
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Seiffert
4. Teil
Börsenmäßig organisierter Terminmarkt
Die VO gibt jedoch auch die Möglichkeit, die Transparenz verzögert herzustellen1, insbesondere bei Geschäften mit großem Volumen.
4.346–4.350
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Börsenmäßig organisierter Terminmarkt Der Wertpapierhandel an den Kassamärkten der Wertpapierbörsen ist zu unterscheiden vom Handel in Derivaten, insbesondere Termingeschäften, der sich an börsenmäßig organisierten Terminmärkten vollzieht. In der Praxis werden jedoch in großem Umfang solche Derivate außerhalb von Börsen – Over The Counter (OTC) – abgeschlossen. Diese OTC-Derivate werden insbesondere für den Abschluss von Devisentermingeschäften und Zinsswaps bevorzugt2. Im Unterschied zu den an den Terminbörsen gehandelten Terminkontrakten, die hinsichtlich Basiswert, Kontraktgröße, Laufzeit, Basispreis sowie Ort der Abschlüsse und der Geschäftsabwicklung standardisiert sind, kann bei den OTC-Derivaten den individuellen Bedürfnisse der Vertragspartner weitaus besser Rechnung getragen werden3. Wegen dieser fehlenden Standardisierung ist auch bei anderen Arten von derivativen Finanzinstrumenten ein starkes Wachstum dieser außerbörslichen Terminmärkte festzustellen4.
4.351
Der börsliche Terminhandel ist mit Rücksicht auf seinen spezifischen Geschäftszweck und der besonderen Reglementierung vom börsenmäßig organisierten Kassahandel zu unterscheiden, der im Wesentlichen der Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren in Gestalt von Aktien und Schuldverschreibungen aller Art am Kassamarkt dient. In der Praxis besteht aber gleichwohl aus verschiedenen Gründen eine enge Wechselbeziehung zwischen Kassahandel und Terminhandel.
4.352
Beim Kassa-Geschäft als Handelskauf iS der §§ 373, 381 HGB sind die beiderseitigen Leistungen nach kaufrechtlichen Grundsätzen Zug um Zug im sofortigen Austausch zu erbringen (§§ 271, 320 BGB). Die gehandelten Wertpapiere sind nach dem hier beispielhaft genannten § 7 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse innerhalb von zwei Börsentagen nach Abschluss des Geschäfts gegen Zahlung des Kaufpreises zu liefern. Diese zweitägige Frist ist aus technischen Gründen für eine ordnungsgemäße Belieferung
4.353
1 Siehe Art. 28 VO mit Verweis auf Tabelle 4 von Anhang II zur VO, welche die relevanten Schwellenwerte und die jeweils geltenden Veröffentlichungsfristen für eine verzögerte Veröffentlichung regelt. 2 Pfennig/Rudolph, Währungs-Futures und -Forwards, in Achleiter/Thoma, Handbuch Corporate Finance, 2. Aufl. 2001, Nr. 8.2.1, S. 51; Clouth in Ellenberger/Schäfer/ Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier und Derivategeschäft, Rz. 992. 3 Clouth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier und Derivategeschäft, Rz. 992. 4 Breuer, ZGesKredW 1993, 10 (12); Häuser, ZBB 1992, 249 (250) m.w.Hinw. auf die Wirtschaftpresse; vgl. weiter Fleckner, WM 2003, 168 (171, 176, Fn. 125).
Seiffert
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4. Teil
Börsenmäßig organisierter Terminmarkt
Die VO gibt jedoch auch die Möglichkeit, die Transparenz verzögert herzustellen1, insbesondere bei Geschäften mit großem Volumen.
4.346–4.350
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Börsenmäßig organisierter Terminmarkt Der Wertpapierhandel an den Kassamärkten der Wertpapierbörsen ist zu unterscheiden vom Handel in Derivaten, insbesondere Termingeschäften, der sich an börsenmäßig organisierten Terminmärkten vollzieht. In der Praxis werden jedoch in großem Umfang solche Derivate außerhalb von Börsen – Over The Counter (OTC) – abgeschlossen. Diese OTC-Derivate werden insbesondere für den Abschluss von Devisentermingeschäften und Zinsswaps bevorzugt2. Im Unterschied zu den an den Terminbörsen gehandelten Terminkontrakten, die hinsichtlich Basiswert, Kontraktgröße, Laufzeit, Basispreis sowie Ort der Abschlüsse und der Geschäftsabwicklung standardisiert sind, kann bei den OTC-Derivaten den individuellen Bedürfnisse der Vertragspartner weitaus besser Rechnung getragen werden3. Wegen dieser fehlenden Standardisierung ist auch bei anderen Arten von derivativen Finanzinstrumenten ein starkes Wachstum dieser außerbörslichen Terminmärkte festzustellen4.
4.351
Der börsliche Terminhandel ist mit Rücksicht auf seinen spezifischen Geschäftszweck und der besonderen Reglementierung vom börsenmäßig organisierten Kassahandel zu unterscheiden, der im Wesentlichen der Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren in Gestalt von Aktien und Schuldverschreibungen aller Art am Kassamarkt dient. In der Praxis besteht aber gleichwohl aus verschiedenen Gründen eine enge Wechselbeziehung zwischen Kassahandel und Terminhandel.
4.352
Beim Kassa-Geschäft als Handelskauf iS der §§ 373, 381 HGB sind die beiderseitigen Leistungen nach kaufrechtlichen Grundsätzen Zug um Zug im sofortigen Austausch zu erbringen (§§ 271, 320 BGB). Die gehandelten Wertpapiere sind nach dem hier beispielhaft genannten § 7 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse innerhalb von zwei Börsentagen nach Abschluss des Geschäfts gegen Zahlung des Kaufpreises zu liefern. Diese zweitägige Frist ist aus technischen Gründen für eine ordnungsgemäße Belieferung
4.353
1 Siehe Art. 28 VO mit Verweis auf Tabelle 4 von Anhang II zur VO, welche die relevanten Schwellenwerte und die jeweils geltenden Veröffentlichungsfristen für eine verzögerte Veröffentlichung regelt. 2 Pfennig/Rudolph, Währungs-Futures und -Forwards, in Achleiter/Thoma, Handbuch Corporate Finance, 2. Aufl. 2001, Nr. 8.2.1, S. 51; Clouth in Ellenberger/Schäfer/ Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier und Derivategeschäft, Rz. 992. 3 Clouth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier und Derivategeschäft, Rz. 992. 4 Breuer, ZGesKredW 1993, 10 (12); Häuser, ZBB 1992, 249 (250) m.w.Hinw. auf die Wirtschaftpresse; vgl. weiter Fleckner, WM 2003, 168 (171, 176, Fn. 125).
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
der Wertpapiergeschäfte erforderlich1. Sie unterliegt also nicht der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit der Geschäftskontrahenten. Deshalb liegt in dieser zweitägigen Abwicklungsfrist keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung über das Hinausschieben des Erfüllungszeitpunktes. Sie zwingt also auch nicht, die verhältnismäßig kurzfristig zu erfüllenden Kassageschäfte als Termingeschäfte einzuordnen2. Dagegen ist der vertraglich hinausgeschobene Erfüllungszeitpunkt gerade ein kennzeichnendes Merkmal des Termingeschäfts3, was auch in der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG zum Ausdruck kommt, wenn dort von einem Geschäft gesprochen wird, welches zeitlich verzögert zu erfüllen ist.
4.354
Kassageschäfte können grundsätzlich keine Termingeschäfte darstellen, weil sie einen wesentlich anderen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, der auch nach der Rechtsprechung des BGH für die Abgrenzung von den Termingeschäften entscheidend war4. Mit den Kassageschäften sind regelmäßig Umsatzgeschäfte in Wertpapieren gewollt5. Denn bei einem Kassakauf bezweckt der Effektenkunde, zumindest vorübergehend die Wertpapiere in sein Depot nehmen. Der Kassaverkauf dient in der Regel der Veräußerung der im Depot verbuchten Wertpapiere. In den beiden Alternativen für die Inanspruchnahme des Kassamarktes kommt es also zu Umsatzgeschäften mit anschließender effektiver Lieferung der zugrunde liegenden Wertpapiere und Zahlung des vereinbarten Kaufpreises.
4.355
Dagegen verfolgen die Termingeschäfte einen gegenüber diesen Umsatzgeschäften wesentlich anderen wirtschaftlichen Zweck. So können Termingeschäfte abgeschlossen werden, um sich vor Verlusten aus den Schwankungen der Marktkurse an den Kapitalmärkten zu schützen (Hedginggeschäfte). Mit Termingeschäften können aber auch Differenzgewinne aus den Kursschwankungen der Märkte erzielt werden (Terminspekulation)6. Dieser spezielle Geschäftszweck der Terminspekulation wie auch der Sicherungszweck eines Hedginggeschäfts erfordern eine gegenüber den Kassageschäften des Kapitalmarktes wesentlich längere Laufzeit. Dies gilt insbesondere für Hedginggeschäfte, die mitunter eine Laufzeit von mehr als einem Jahr haben. Bei reinen Spekulationsgeschäften sollen sich in dem vereinbarten, die usancemäßige Kassafrist von zwei Börsentagen deutlich überschreitenden Zeitraum die Kurse möglichst stark in der von den Vertragsparteien entgegengesetzt erwarteten Richtung entwickeln können, damit ein möglichst großer Differenzgewinn erzielt werden kann. 1 2 3 4
Schmidt, Wertpapierbörsen, 1988, S. 48. BGH v. 18.12.2001 – XI ZR 363/00, WM 2002, 283 (284). KG v. 5.2.2002 – 19 U 38/01, WM 2002, 746 (747). BGH v. 9.12.1997 – XI ZR 85/97, WM 1998, 274 (275) = NJW 1998, 994 f.; Ellenberger, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 2, 5. 5 BGH v. 22.10.1984 – II ZR 262/83, WM 1984, 1598 (1599) = BGHZ 92, 34 ff. = NJW 1985, 634 ff.; vgl. hierzu Canaris, WM 1988, Sonderbeil. Nr. 10, 3 ff.; Kümpel, WM 1991, Sonderbeil. Nr. 1, 2. 6 BGH v. 22.10.1984 – II ZR 262/83, WM 1984, 1598 (1599); Häuser, ZBB 1992, 249 (259); Kümpel, WM 1991, Sonderbeil. Nr. 1, 3; Kümpel, WM 1997, 49 (52).
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Seiffert
4. Teil
Börsenmäßig organisierter Terminmarkt
I. Terminmärkte der Wertpapierbörsen Ein Terminhandel könnte als eigenständiges Marktsegment auch an Wertpapierbörsen stattfinden, findet aber in Deutschland ausschließlich an der in Frankfurt ansässigen Eurex Deutschland statt1.
4.356
II. Eurex Deutschland als eigenständige Terminbörse Träger der Eurex Deutschland ist die Eurex Frankfurt AG mit Sitz in Frankfurt (Pkt. 1.2 der Börsenordnung für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich – Eurex Börsenordnung, Stand: 18.1.2010). Hierbei handelt es sich um eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Eurex Zürich AG, deren Gesellschafter zu je 50 % die Deutsche Börse AG und die Schweizerische Börse sind. Die Eurex Frankfurt AG hat auf Grund ihrer Trägerfunktion der Eurex Deutschland die für den Börsenbetrieb erforderlichen Pflichten des § 5 BörsG zu erfüllen. Bei der Eurex Deutschland als Veranstalter des Terminhandels handelt es sich also um eine nach dem deutschen Börsengesetz genehmigte Terminbörse in Gestalt einer Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Frankfurt. Die Aufsicht über die Eurex Deutschland als Marktveranstalter wird deshalb durch die zuständige oberste Landesbehörde des Landes Hessen als Börsenaufsichtsbehörde ausgeübt.
4.357
Wenngleich beim Eurex-Handelssystem nur eine vollelektronische Handelsplattform besteht, ist Veranstalter dieses Computerhandels neben der Eurex Deutschland die Eurex Zürich als einer nach Schweizer Recht bewilligten Terminbörse mit Sitz in Zürich (Pkt. 1.1 Eurex-Börsenordnung). Die Eurex Zürich erhält die für ihren Betrieb erforderlichen personellen, sachlichen und finanziellen Mittel von der Eurex Zürich AG (Pkt. 1.3 Eurex-Börsenordnung). Die Aufsicht über die Eurex Zürich wird durch die FINMA (Eidgenössische Finanzmarktaufsicht ausgeübt (Pkt. 1.3 Eurex-Börsenordnung). Die Eurex-Zürich hat die gleiche Börsenordnung wie die Eurex-Deutschland (Pkt. 1.1 EurexBörsenordnung).
4.358
Die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich als die beiden Eurex-Börsen unterstehen also der Aufsicht der jeweiligen Aufsichtsbehörde beider Länder. Sofern aufsichtsrechtliche Maßnahmen der hessischen Börsenaufsichtsbehörde in der Schweiz oder umgekehrt der Eidgenössischen Bankenkommission in Deutschland erforderlich sind und zwischenstaatliche Vereinbarungen nichts anderes vorsehen, erfolgen diese regelmäßig im Wege der Amts- oder Rechtshilfe. Dabei sind die Maßnahmen der deutschen Börsenaufsichtsbehörde über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu leiten (Pkt. 1.3 EurexBörsenordnung).
4.359
Entsprechend der Grundkonzeption des Eurex-Systems und der hiernach ausgerichteten Organisationsstruktur des sich hierin vollziehenden Terminhan-
4.360
1 Zur historischen Entwicklung des Terminhandels an Wertpapierbörsen siehe die instruktive Darstellung durch Kümpel in der 3. Aufl., dort, Ziffer 17.652 ff.
Seiffert
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393
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
dels sind alle Geschäfte, die über die gemeinsame Handelsplattform der beiden Eurex-Börsen zu Stande kommen, Geschäfte an der Eurex Deutschland und, sofern beide an einem solchen Geschäft beteiligten Börsenteilnehmer an der Eurex Zürich zugelassen sind, auch Geschäfte an der Eurex Zürich (Pkt. 1.1 Eurex-Börsenordnung). Diese Zurechnung der Transaktionen erfordert eine gleichzeitige Mitgliedschaft der Marktteilnehmer bei den beiden Eurex-Börsen. Hierzu bestimmt die Eurex-Börsenordnung (Pkt. 3), dass die Teilnahme von Unternehmen und Börsenhändlern am Terminhandel auf der gemeinsamen Handelsplattform eine Zulassung an der Eurex Zürich und zugleich an der Eurex Deutschland voraussetzt (Pkt. 3 Eurex-Börsenordnung). Diese Zulassung an der Eurex Zürich erhalten die in Deutschland ansässigen Unternehmen ohne weiteres mit ihrer Zulassung an der Eurex Deutschland, nachdem ihnen von der Eidgenössischen Bankenkommission gemäß § 53 schweizerische BEHV eine Effektenhändler-Bewilligung erteilt worden ist, wie sie auch für die Zulassung zum Terminhandel an der Eurex Zürich erforderlich ist (Pkt. 3.1.2 Eurex-Börsenordnung).
4.361
Zur Eurex Deutschland können Unternehmen mit Sitz im Ausland nur zugelassen werden, soweit zwischen den zuständigen Börsenaufsichtsbehörden im In- und Ausland zwecks Überwachung der Börsenteilnehmer ein Informationsaustausch möglich ist und die antragstellenden Unternehmen in ihrem Heimatstaat einer Banken- oder Börsenaufsicht unterliegen (Pkt. 3.1.1 EurexBörsenordnung).
4.362
Die Eurex-Börsenordnung (Pkt. 3.7.1) enthält auch Regelungen für die Marktüberwachung im Ausland ansässiger Börsenteilnehmer. So kann sich die Geschäftsführung der Eurex-Börsen zur Erfüllung ihrer Aufgabe, die Einhaltung der Eurex-Regelwerke zu überprüfen, bei diesen ausländischen Teilnehmern auf privatrechtlichem Wege der Eurex Frankfurt AG oder der Eurex Zürich bedienen. Insbesondere beauftragt die Geschäftsführung die Eurex Deutschland beziehungsweise die Deutsche Börse AG die Eurex Zürich für die Überprüfung bestimmter oder aller Geschäftsaktivitäten eines in der Schweiz domizilierten, an der Eurex Zürich zugelassenen Börsenteilnehmers auf die Einhaltung des Eurex-Regelwerkes. Umgekehrt erteilt die Geschäftsführung der Eurex Zürich einen entsprechenden Auftrag der Eurex Deutschland bzw. der Deutsche Börse AG als ihrem Träger.
1. Vollelektronische Börse
4.363
Der von den beiden Eurex-Börsen gemeinsam betriebene Terminhandel ist eine voll elektronische Börse. Die Handelsteilnehmer geben deshalb ihre verbindlichen Aufträge und Quotes über Terminals in einen Zentralrechner, der deckungsgleiche Angebote zu Geschäftsabschlüssen zusammenführt (Matching – Pkt. 4.5.4 Eurex-Börsenordnung).
4.364
Die Börsenpreise werden gemäß der Eurex-Börsenordnung (Pkt. 4.5.1) durch das gemeinsame Handelssystem der Eurex-Börsen ermittelt. Die Handelsüberwachungsstelle der Eurex Deutschland beziehungsweise die Überwachungs394
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Seiffert
4. Teil
Börsenmäßig organisierter Terminmarkt
stelle der Eurex Zürich überwacht das ordnungsgemäße Zustandekommen der Börsenpreise. Die Börsenpreise während der eigentlichen Handels-(Trading-) Periode kommen durch das Zusammenführen von Aufträgen und Quotes (Matching) zum jeweils besten Nachfrage- und Angebotspreis, bei gleichem Preis in der Reihenfolge der Eingabe in das Eurex-Handelssystem zu Stande (Pkt. 4.5.3 Eurex-Börsenordnung- Preis-Zeit-Priorität).
2. Clearing Bei der Eurex ist zwischen den nur zum Handel zugelassenen Börsenmitgliedern und solchen Mitgliedern zu unterscheiden, die auch zum Clearing der an der Terminbörse zu Stande gekommenen Terminkontrakte über die Eurex Clearing AG als dem zentralen Kontrahenten zugelassen sind (Clearingmitglieder).
4.365
Der Handel findet zwischen allen Börsenmitgliedern statt, die hierbei Aufträge ihrer Kunden ausführen oder für eigene Rechnung Geschäfte tätigen können. Die geldmäßige Regulierung, die spätere Erfüllung (Valutierung) und die Besicherung der Kontrakte erfolgen jedoch ausschließlich über solche Handelsmitglieder, die zugleich auch Clearing-Mitglieder der Eurex Clearing AG sind1. Dementsprechend kommen die Terminkontrakte stets zwischen dem zentralen Kontrahenten und denjenigen Clearingmitgliedern zu Stande, die nach Maßgabe der privatrechtlichen Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG als solche zugelassen und von den Handelsteilnehmern bei der Ordereingabe als Abwicklungsbeauftragte für die von ihnen getätigten Vertragsabschlüsse benannt worden sind (Pkt. 1.2.1 der Clearing-Bedingungen für den Handel an der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich – Eurex-Clearingbedingungen2). Diese Geschäfte, insbesondere deren Clearing und die aus einer Clearing-Lizenz folgenden Rechte und Pflichten unterliegen deutschem Recht (Präambel Eurex-Clearingbedingungen).
4.366
Soweit die Clearingmitglieder als Abwicklungsbeauftragte für zum Clearing nicht zugelassene Handelsteilnehmer fungieren, werden die zwischen ihnen und dem zentralen Kontrahenten zu Stande kommenden Terminkontrakte für Rechnung ihrer Auftraggeber getätigt. Clearingstelle ist die Eurex Clearing AG, Frankfurt, die eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Eurex Frankfurt AG ist (Präambel der Eurex-Clearingbedingungen) und eine Erlaubnis zum Erbringen des Bankgeschäfts des zentralen Kontrahenten iS des § 1 Abs. 31 KWG besitzt.
4.367
Die Eurex Clearing AG führt als Clearing-Stelle die Abwicklung, Besicherung und geld- und stückemäßige Regulierung (Clearing) der an der Eurex Deutschland und Eurex Zürich abgeschlossenen Geschäfte durch3. Diese gemeinsame
4.368
1 Kindermann für die in der Eurex Deutschland aufgegangene Deutsche Terminbörse, WM 1989, Sonderbeil. Nr. 2, 24. 2 Abrufbar unter www.eurexchange.com. 3 Ferner cleart die Eurex Clearing AG auch Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse und der Irish Stock Exchange, siehe Clearing Bedingungen der Eurex Clearing AG, abrufbar unter www.eurexchange.com.
Seiffert
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
Clearingstelle der Eurex Deutschland und Eurex Zürich ermöglicht es, die an die zusammengeführten beiden Terminmärkten gestellten Sicherheiten (Margins) für alle Termingeschäfte zu nutzen (sog. Cross-Margening)1.
4.369
Zwischen den Clearing-Mitgliedern und den von ihnen beim Clearing vertretenen Handelsteilnehmern kommen gleichzeitig deckungsgleiche identische Kontrakte zu Stande. Infolge dieser vertragsmäßigen Zwischenschaltung der Eurex Clearing AG als Clearingstelle wird für die Handelsteilnehmer das Bonitätsrisiko des jeweiligen Handelspartners vermieden. Bei der sich an die Handelsphase anschließenden Abwicklung des Börsengeschäfts ist stets die Eurex Clearing AG Vertragspartner (Präambel der Eurex-Clearingbedingungen).
4.370
Diese Mitwirkung der Eurex Clearing AG als Vertragskontrahent im Rahmen ihrer Clearingfunktion hat nur markttechnische Gründe. Deshalb befindet sich die Eurex Clearing AG hierbei auch nicht in der typischen Rolle der Marktgegenseite, die sich auf eigene Rechnung oder für Rechnung eines anderen im Terminmarkt engagiert.
4.371
Jedes Clearing-Mitglied hat zur Besicherung seiner gesamten Kontraktverpflichtungen börsentäglich in der von den Eurex-Börsen festgelegten Höhe Sicherheit in Geld oder in den von den Eurex-Börsen akzeptierten Wertpapieren zu leisten. Die Clearing-Mitglieder müssen wiederum von den NichtClearing-Mitgliedern, für die sie als Abwicklungsbeauftragte beim Clearing tätig sind, Sicherheiten verlangen. Auch für die Mindesthöhe dieser Sicherheit ist die Berechnungsmethode der Eurex-Börsen maßgeblich. Entsprechendes gilt für das Vertragsverhältnis des Clearing-Mitglieds bzw. Nicht-ClearingMitglieds zu seinen Terminkunden (vgl. 1.3.1 Eurex-Clearingbedingungen). Zudem besteht auch das Recht der Eurex Clearing AG, untertägig weitere Sicherheiten zu fordern (Additional Margin)2.
3. Zulassung von Finanzinstrumenten zu Handel
4.372
Die an der Eurex Deutschland gehandelten Termingeschäfte unterfallen rechtlich dem Begriff der Finanzinstrumente, stellen aber keine Wertpapiere iS des BGB dar, da für sie keine Urkunden ausgestellt werden. Letztlich werden daher an der Eurex Deutschland Rechte iS des § 23 BörsG gehandelt. Insoweit stellt § 23 BörsG klar, dass diese Rechte einer Zulassung durch die Geschäftsführung der Börse, als zuständigem Organ bedürfen (Pkt. 4.1 Eurex-Börsenordnung). Der Beschluss der Geschäftsführung der Eurex Deutschland stellt einen Verwaltungsakt dar, der den entsprechenden verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften unterliegt. Die jeweiligen Details der zugelassenen Kontrakte werden in der Kontraktspezifikationen, einem Regelwerk, welches durch die Geschäftsführung erlassen
1 Franke, Börsen-Zeitung v. 5.9.1998, Sonderbeil. „Optionsscheine – Derivate“, 1. 2 Ziffer 3.1 der Clearing Bedingungen der Eurex Clearing AG, abrufbar unter www. eurexchange.com.
396
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Seiffert
4. Teil
Börsenmäßig organisierter Terminmarkt
wird, niedergelegt. Der Rechtscharakter dieses Regelwerks wird am ehesten als Allgemeinverfügung iS des § 35 VwVfG bestimmt werden können.
4. „Give up“-Vereinbarungen beim Clearing In der Praxis besteht ein Bedürfnis, den Abschluss eines Termingeschäfts und dessen Clearing von verschiedenen Marktteilnehmern vornehmen zu lassen. Eine solche Konzentration von Clearing-Tätigkeiten auf wenige Clearing-Institute bietet sich unter Risikoaspekten an. Der Terminkunde braucht sodann risiko- und bonitätsmäßig nur diese eine Clearingbank zu beurteilen.
4.373
Dies gilt insbesondere für Terminkunden, die weltweit an verschiedenen Terminmärkten operieren1. Hierdurch können an den verschiedenen Terminbörsen örtliche Marktteilnehmer mit der Geschäftsausführung beauftragt werden. Nach Abschluss dieser Geschäfte können diese sodann auf eine Clearing-Bank zur weiteren Abwicklung übertragen werden, zu der eine dauerhafte Geschäftsverbindung unterhalten wird.
4.374
Diese Give up-Vereinbarung stellt einen Vertrag sui generis dar. Dabei handelt es sich regelmäßig um die rechtsgeschäftliche Übertragung eines Schuldverhältnisses im Ganzen von einer Vertragspartei auf einen Dritten2. Rechtsprechung und Lehre haben im Wege der Rechtsfortbildung den allgemeinen Grundsatz herausgebildet, dass solche rechtsgeschäftlichen Übertragungen eines ganzen Schuldverhältnisses zulässig sind3.
4.375
III. Verknüpfung der Kassamärkte mit Terminmärkten Wie die internationalen Erfahrungen gezeigt haben, sind Kassamärkte und Terminmärkte keine voneinander getrennten, eigenständigen Märkte. Der Terminmarkt ist vielmehr aus vielerlei Gründen wie der Kassamarkt integrierter und anerkannter Bestandteil des Kapitalmarktes.
4.376
So hat die zunehmende Volatilität im Zuge der Globalisierung des Wertpapiergeschäfts ein stärkeres Bedürfnis nach Absicherung (Hedging) gegen Kursrisiken entstehen lassen. Terminmärkte stellen Instrumente zur Absicherung bereit und ermöglichen einen Risikotransfer zwischen verschiedenen Marktteilnehmern. Die Möglichkeit, sich gegen unerwünschte Kursentwicklungen am Kassamarkt durch entsprechende Engagements im Terminmarkt schützen zu können, fördert im Übrigen die Bereitschaft zu Engagements im Kassageschäft. Dies führt zusammen mit der Arbitrage zwischen Kassa- und Terminmarkt zu Umsatzsteigerungen am Kassamarkt. Höhere Handelsvolumina durch Arbitrage- und Hedging-Geschäfte bedeuten aber Erhöhung der Liquidität, eine für die Akzeptanz eines Kassamarktes sehr wesentliche Voraussetzung.
4.377
1 Vgl. Kienle, WM 1993, 1313. 2 Kienle, WM 1993, 1313 (1315); Beck in Schwark, § 9 WpHG Rz. 18. 3 Heinrichs in Palandt, § 398 BGB Rz. 38 mwN.
Seiffert
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4. Teil
4.378
Börsen und andere Handelssysteme
Ein effizienter Terminmarkt ist im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Kassamarktes von entscheidender Bedeutung. Ein Finanzplatz, der nicht die von international operierenden Marktteilnehmern nachgefragten Hedgingmöglichkeiten in Form eines leistungsfähigen Terminmarktes anbieten kann, wird wesentliche Teile seines Kassageschäfts an konkurrierende ausländische Kapitalmärkte verlieren.
4.379–4.380
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Beaufsichtigung der Börsen und multilateralen Handelssysteme I. Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörde
4.381
Die Börsenaufsichtsbehörde kann im Wege der Rechtsaufsicht das Handeln der Börsenorgane, insbesondere der Geschäftsführung daraufhin überprüfen, ob die getroffenen Entscheidungen oder Maßnahmen rechts- und ordnungsmäßig sind1. Ist dies nicht der Fall, so kann die Börsenaufsichtsbehörde die Entscheidungen und Maßnahmen beanstanden und erforderlichenfalls aufheben. Kommt die Börsengeschäftsführung einer gesetzlichen Handlungspflicht nicht nach, so kann die Aufsichtsbehörde diese Handlung im Wege der Ersatzvornahme vornehmen (§ 3 Abs. 10 BörsG).
4.382
Im Börsengesetz (§ 3 Abs. 3) ist klargestellt worden, dass die Börsenaufsichtsbehörde wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 4 Abs. 4 FinDAG) die ihr zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt2. Die Börsenaufsicht bezweckt den Schutz des Vertrauens des Anlegerpublikums in die Fairness und Chancengleichheit an den Börsen und erfolgt somit im Interesse der Funktionsfähigkeit der Börsen. Durch die Aufsicht wird den Belangen der Anleger in ihrer Gesamtheit Rechnung getragen. Der Schutz des einzelnen Anlegers ist daher als bloße Reflexwirkung einzuordnen.
4.383
Unberührt von dieser Klarstellung bleibt die Pflicht der Börsenaufsichtsbehörde zu rechtmäßigem Verhalten gegenüber den zu beaufsichtigenden Personen und Unternehmen. Soweit ihnen gegenüber schuldhaft Amtspflichten verletzt werden, gelten die allgemeinen Grundsätze3.
4.384
Neben der Rechtsaufsicht durch die staatliche Verwaltung, wie sie üblicherweise gegenüber Selbstverwaltungsträgern wahrgenommen wird, hat die Bör1 Bröcker in Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 335. 2 Siehe hierzu EuGH (Plenum) v. 12.10.2004 – C-222/02, NJW 2004, 3479 ff. (Peter Paul ua./Bundesrepublik Deutschland) und BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, NJW 2005, 742 (743 ff.). 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, S. 220.
398
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Seiffert
4. Teil
4.378
Börsen und andere Handelssysteme
Ein effizienter Terminmarkt ist im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Kassamarktes von entscheidender Bedeutung. Ein Finanzplatz, der nicht die von international operierenden Marktteilnehmern nachgefragten Hedgingmöglichkeiten in Form eines leistungsfähigen Terminmarktes anbieten kann, wird wesentliche Teile seines Kassageschäfts an konkurrierende ausländische Kapitalmärkte verlieren.
4.379–4.380
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Beaufsichtigung der Börsen und multilateralen Handelssysteme I. Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörde
4.381
Die Börsenaufsichtsbehörde kann im Wege der Rechtsaufsicht das Handeln der Börsenorgane, insbesondere der Geschäftsführung daraufhin überprüfen, ob die getroffenen Entscheidungen oder Maßnahmen rechts- und ordnungsmäßig sind1. Ist dies nicht der Fall, so kann die Börsenaufsichtsbehörde die Entscheidungen und Maßnahmen beanstanden und erforderlichenfalls aufheben. Kommt die Börsengeschäftsführung einer gesetzlichen Handlungspflicht nicht nach, so kann die Aufsichtsbehörde diese Handlung im Wege der Ersatzvornahme vornehmen (§ 3 Abs. 10 BörsG).
4.382
Im Börsengesetz (§ 3 Abs. 3) ist klargestellt worden, dass die Börsenaufsichtsbehörde wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 4 Abs. 4 FinDAG) die ihr zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt2. Die Börsenaufsicht bezweckt den Schutz des Vertrauens des Anlegerpublikums in die Fairness und Chancengleichheit an den Börsen und erfolgt somit im Interesse der Funktionsfähigkeit der Börsen. Durch die Aufsicht wird den Belangen der Anleger in ihrer Gesamtheit Rechnung getragen. Der Schutz des einzelnen Anlegers ist daher als bloße Reflexwirkung einzuordnen.
4.383
Unberührt von dieser Klarstellung bleibt die Pflicht der Börsenaufsichtsbehörde zu rechtmäßigem Verhalten gegenüber den zu beaufsichtigenden Personen und Unternehmen. Soweit ihnen gegenüber schuldhaft Amtspflichten verletzt werden, gelten die allgemeinen Grundsätze3.
4.384
Neben der Rechtsaufsicht durch die staatliche Verwaltung, wie sie üblicherweise gegenüber Selbstverwaltungsträgern wahrgenommen wird, hat die Bör1 Bröcker in Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 335. 2 Siehe hierzu EuGH (Plenum) v. 12.10.2004 – C-222/02, NJW 2004, 3479 ff. (Peter Paul ua./Bundesrepublik Deutschland) und BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, NJW 2005, 742 (743 ff.). 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, S. 220.
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Seiffert
4. Teil
Beaufsichtigung der Börsen und multilateralen Handelssysteme
senaufsichtsbehörde auch das Verhalten der Handelsteilnehmer auf Rechtund Ordnungsmäßigkeit zu überwachen. Damit kann die Börsenaufsichtsbehörde – ungeachtet der primären Verantwortung der Börsenselbstverwaltung – sämtliche Angelegenheiten der Handelsaufsicht an sich ziehen und eigene – auch parallele – Ermittlungen führen1. Die Börsenaufsichtsbehörde wird im Übrigen für die BaFin im Wege der Organleihe tätig, wenn sie eilbedürftige Maßnahmen für die Überwachung des Verbots von Insidergeschäften oder des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation durchführt (§ 6 Abs. 2 WpHG). Die Marktaufsicht bezieht sich im Wesentlichen auf die ordnungsgemäße Durchführung des Handels an der Börse und der Geschäftsabwicklung. Hierbei ist nach den Gesetzesmaterialien insbesondere die Einhaltung der jeweiligen Börsenordnung sowie der Geschäftsbedingungen für den Börsenhandel zu überwachen2. Des Weiteren hat die Marktaufsicht die Einhaltung der für die Börse getroffenen Anordnungen zu kontrollieren (§ 3 Abs. 1 Satz 3 BörsG).
4.385
Mit diesen Anordnungen sind vor allem Verwaltungsakte im engeren Wortsinne gemeint, die insbesondere die Geschäftsführung in Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten zu erlassen hat. Die Aufsicht erstreckt sich auch auf die Einrichtungen, die sich auf den Börsenverkehr und auf die Börsengeschäftsabwicklung beziehen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 BörsG). Dies bedeutet nicht, dass etwa die Deutsche Börse Systems AG, als Dienstleister für die Börsen-EDV, der Aufsicht durch die Börsenaufsichtsbehörde unterworfen ist, was auch durch § 1 BörsG klargestellt wird. Vielmehr beschränkt sich die Aufsicht auf die Einhaltung der börsenrechtlichen Vorschriften, der Adressat dieser Vorschriften ist jedoch nur der Börsenträger, die Deutsche Börse AG, oder die Börse, die Frankfurter Wertpapierbörse. Da die Aufsicht auch die Börsengeschäftsabwicklung umfasst, wird ein Spannungsfeld zur Aufsicht der BaFin über den zentralen Kontrahenten, der ein Bankgeschäft erbringt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 KWG), geschaffen. Dieses Spannungsfeld lässt sich nur dahingehend auflösen, dass die Börsenaufsicht die Überwachung des zentralen Kontrahenten nur soweit ausüben kann, als er börsenrechtlichen Regelungen unterworfen ist3, insbesondere im Bereich des Clearings der börslichen Geschäfte. Die wertpapiermäßige und geldliche Abwicklung der Geschäfte durch die Wertpapiersammelbank (Clearstream Banking AG) wird von dieser Börsenaufsicht nicht erfasst4.
4.386
Die Börsenaufsichtsbehörde kann sich bei der Durchführung ihrer Aufgaben anderer Personen und Einrichtungen bedienen (§ 3 Abs. 8 BörsG). Die Aufsichtsbehörde kann daher beispielsweise Wirtschaftsprüfer oder EDV-Fachleute mit speziellen Aufträgen betrauen5. Die Landesregierung ist zudem ermäch-
4.387
1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 59. 2 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, S. 215. 3 BT-Drucks. 16/4028, S. 80 zu § 3 BörsG 4 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 59. 5 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 61.
Seiffert
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399
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
tigt worden, Aufgaben und Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörde auf eine andere Behörde zu übertragen (§ 3 Abs. 7 BörsG). Eine solche Übertragung ist zB erforderlich, wenn die Börsenaufsichtsbehörde eines bestimmten Bundeslandes den überregionalen elektronischen Wertpapierhandel für die anderen Börsenaufsichtsbehörden mit überwachen soll. Diese Kooperationsmöglichkeit war im Übrigen mit Blick auf die Situation kleinerer regionaler Wertpapierbörsen geboten1.
4.388
Die Börsenaufsichtsbehörde kann, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, jederzeit und ohne besonderen Anlass von der Börse und den zum Börsenhandel zugelassenen Unternehmen und Börsenhändlern Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen (§ 3 Abs. 4 Satz 1 BörsG). Die Bediensteten der Börsenaufsichtsbehörde können die Geschäftsräume der Börse und die der Handelsteilnehmer während der üblichen Geschäftszeiten betreten (§ 3 Abs. 4 Satz 5 BörsG). Diese Befugnisse stehen auch den von der Börsenaufsichtsbehörde beauftragten Personen und Einrichtungen zu, soweit sie nach diesem Gesetz tätig werden (§ 3 Abs. 4 Satz 8 BörsG).
4.389
Die Börsenaufsichtsbehörde kann im Übrigen gegenüber der Börse und den Handelsteilnehmern Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, Verstöße gegen börsenrechtliche Vorschriften und Anordnungen zu unterbinden oder sonstige Missstände zu beseitigen oder zu verhindern, welche die ordnungsmäßige Durchführung des Handels an der Börse und der Geschäftsabwicklung sowie deren Überwachung beeinträchtigen können (§ 3 Abs. 5 BörsG). Die Börsenaufsicht kann dabei insbesondere die Aussetzung oder Einstellung des Handels in einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten anordnen. Auch kann die Nutzung eines bestimmten zentralen Kontrahenten untersagt werden oder auch die Nutzung eines externen Abwicklungssystems iS des § 21 BörsG2. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen solche Maßnahmen haben keine aufschiebende Wirkung (§ 3 Abs. 9 BörsG).
II. Befugnisse der Handelsüberwachungsstelle
4.390
Mit Rücksicht auf die internationale Akzeptanz des inländischen Kapitalmarktes liegt der Marktaufsicht ein dreistufiges Konzept zugrunde, das auf der engen Kooperation zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, der Länderbörsenaufsicht und der Handelsüberwachungsstelle als selbständigem Börsenorgan beruht. Dabei obliegt der Börsenselbstverwaltung die 1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 61. 2 Diese Vorgaben dienen der Umsetzung von Art. 50 und Art. 46 der Richtlinie 2004/ 39/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1.
400
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Seiffert
4. Teil
Beaufsichtigung der Börsen und multilateralen Handelssysteme
primäre Verantwortung für die Marktaufsicht über den Börsenhandel1. Hierdurch wird die Selbstverantwortung der Börsen für transparente und attraktive Marktplätze, auf denen faire Handelsbedingungen gesichert sind, betont2. Die Überwachung des Börsenhandels ist der Handelsüberwachungsstelle zugewiesen, die als eigenständiges Börsenorgan einzurichten und zu betreiben ist (§ 7 BörsG)3. Mit dem vom Gesetzgeber bewusst verwendeten Begriff „Börsenorgan“ sollte verdeutlicht werden, dass die Handelsüberwachungsstelle Funktionen, die sich auf die Börse beziehen, selbständig wahrzunehmen hat4. Aufgabe dieses Börsenorgans ist insbesondere die eigenverantwortliche Überwachung des Handels an der Börse.
4.391
Die Marktaufsicht ist daher ein wesentlicher Teil der den Börsen zugewiesenen Aufgaben, die im Rahmen der Selbstverwaltung wahrzunehmen sind5. Selbstverwaltung wird heute allgemein als selbständige, fachweisungsfreie Wahrnehmung zugewiesener oder überlassener eigener öffentlicher Angelegenheiten durch Subjekte öffentlicher Verwaltung im eigenen Namen verstanden6. Hierzu gehören auch die Börsen als Anstalten des öffentlichen Rechts und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung.
4.392
Die Handelsüberwachungsstelle ist nicht der Börsengeschäftsführung unterstellt. Der Leiter der Handelsüberwachungsstelle kann nur im Einvernehmen mit der Börsenaufsichtsbehörde bestellt und abberufen werden (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BörsG). Er hat der Börsenaufsichtsbehörde regelmäßig zu berichten. Die Börsenaufsichtsbehörde kann der Handelsüberwachungsstelle auch Weisungen erteilen und jederzeit deren Ermittlungen selbst übernehmen (vgl. hierzu § 7 Abs. 1 Satz 3 BörsG)7.
4.393
Dieses Weisungsrecht lässt aber das arbeitsrechtliche Direktionsrecht der Börsengeschäftsführung als Leitungsorgan der Börsen unberührt8. Die Börsengeschäftsführung kann zudem die Handelsüberwachungsstelle mit der Durchführung von Untersuchungen beauftragen (§ 7 Abs. 1 Satz 4 BörsG). Diese sind durchzuführen, soweit sie nicht den Weisungen der Börsenaufsichtsbehörde widersprechen.
4.394
Die Handelsüberwachungsstelle hat im Rahmen der Marktaufsicht Daten über den Börsenhandel und die Börsengeschäftsabwicklung systematisch und lückenlos zu erfassen und auszuwerten sowie notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 7 Abs. 1 BörsG).
4.395
1 2 3 4 5 6
Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 59, 60. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 60. Brockhausen, WM 1997, 1924 ff. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 60, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 BörsG . Kümpel, WM 1994, 229 (231). Burgi in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rz. 20; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rz. 22. 7 Zu den Befugnissen der Handelsüberwachungsstellen bei Beauftragung durch die Börsenaufsichtsbehörde vgl. Hess. VGH v. 4.6.1998 – 8 TG 4000/97, WM 1998, 1870 (1871). 8 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 60.
Seiffert
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401
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4.396
Die Handelsüberwachung ist zu einer laufenden und umfassenden Kontrolle des Tagesgeschäfts an der Börse verpflichtet1. Ein Schwerpunkt ist der komplexe Bereich der Preisbildung und Kursfeststellung. Die Festsetzung marktgerechter Kurse hat eine Bedeutung, die weit über die Interessen der an diesen Wertpapiergeschäften Beteiligten hinausragt. Das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation (§ 20a WpHG) verdeutlicht die Bedeutung des Börsenpreises2. Eine Vielzahl von Gesetzesbestimmungen aus den verschiedensten Rechtsgebieten knüpfen denn auch an den Börsenpreis an. Die Handelsüberwachung hat daher ein besonderes Auge auf die Maßnahmen bei erheblichen Kursschwankungen, insbesondere auf die sog. Plus/Minus-Ankündigungen und auf Kursaussetzungen zu werfen. Bei solchen Aussetzungen erlöschen die Kundenaufträge, damit die Kunden ihre Dispositionen nochmals überdenken können (Nr. 8 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte).
4.397
Die Handelsüberwachungsstelle kann wie die Börsenaufsichtsbehörde von den Handelsteilnehmern Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen (§ 7 Abs. 3 BörsG). Stellt die Handelsüberwachungsstelle Tatsachen fest, welche die Annahme rechtfertigen, dass börsenrechtliche Vorschriften oder Anordnungen verletzt werden oder sonstige Missstände vorliegen, welche die ordnungsmäßige Durchführung des Handels an der Börse oder die Geschäftsabwicklung beeinträchtigen können, hat sie unbeschadet ihrer weiteren Ermittlungspflicht die Börsenaufsichtsbehörde und die Geschäftsführung unverzüglich zu unterrichten (§ 7 Abs. 5 BörsG). Die Börsenaufsichtsbehörde kann die weiteren Ermittlungen an sich ziehen oder auch die Handelsüberwachungsstelle damit beauftragen (§ 7 Abs. 1 Satz 3 BörsG).
4.398
Die laufende Überwachung des Marktgeschehens ist den Handelsüberwachungsstellen überlassen, und die Übernahme der Ermittlungen durch die Börsenaufsichtsbehörde bildet die Ausnahme3.
III. Kooperation von Länderaufsicht und Handelsüberwachungsstelle
4.399
Die Börsenaufsichtsbehörden und die Bundesanstalt sind verpflichtet, eng zusammenzuarbeiten, und sollen nach Maßgabe des § 10 BörsG Informationen austauschen, die sachdienlich sind (§ 8 BörsG). Diese Regelungen dienen der Umsetzung des Art. 46 der Finanzmarktrichtlinie und sollen der Herstellung einer einheitlichen Informationsdichte in den Bereichen, in denen ein Informationsgleichgewicht als sachdienlich angesehen werden kann, dienen.
4.400
Wie das Weisungsrecht und die Befugnis der Länderaufsichtsbehörde zur Übernahme der Ermittlungen verdeutlichen, besteht zwischen Länderbörsenaufsicht und Handelsüberwachungsstelle kein anderes Verhältnis als das zwischen einer über- und untergeordneten Behörde. 1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 60. 2 Vgl. Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497 (1500). 3 Kümpel, WM 1994, 229 (231).
402
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Seiffert
4. Teil
Beaufsichtigung der Börsen und multilateralen Handelssysteme
IV. Aufsicht über multilaterale Handelssysteme Die Aufsicht über multilaterale Handelssysteme wird durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wahrgenommen, da es sich bei dem Betrieb eines multilateralen Handelssystems um eine Wertpapierdienstleistung handelt (§ 2 Abs. 3 Nr. 8 WpHG). Die BaFin hat hierbei insbesondere das Handelsgeschehen, aber auch die organisatorischen Anforderungen an den Betrieb des Handelssystems zu überwachen.
4.401
Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems muss keine der börslichen Handelsüberwachungsstelle vergleichbare Institution vorhalten. Gleichwohl hat der Betreiber eine Reihe von Pflichten zu erfüllen, durch die sichergestellt werden soll, dass es kein wettbewerbsverzerrendes „Aufsichtsgefälle“ zwischen den Handelsplatzen gibt. Die Preise, die im multilateralen Handelssystem zu Stande kommen, müssen daher entsprechend den Regelungen des § 24 Abs. 2 BörsG zu Stande kommen. Der Betreiber muss ferner über angemessene Kontrollverfahren zur Überwachung der Einhaltung der Regelungen hinsichtlich der Einbeziehung von Finanzinstrumenten in den Handel, die Durchführung des Handels und der Preisermittlung sowie der Geschäftsabwicklung verfügen (§ 31f Abs. 1 Nr. 3 WpHG). Ebenso hat der Betreiber die Überwachung des Insiderhandelsverbotes sowie des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation sicherzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass die Aufzeichnungen über die erteilten Aufträge und abgeschlossenen Geschäfte eine lückenlose Überwachung durch die BaFin gewährleisten.
4.402
Die Aufsicht über den Freiverkehr, der letztlich auch ein multilaterales Handelssystem darstellt1, liegt jedoch nicht bei der BaFin, sondern bei der Börsenaufsichtsbehörde2, die für die Überwachung der jeweiligen Börse zuständig ist. Dieser gesetzgeberische Kompromiss soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Aufsicht über das Geschehen an einer Börse nicht durch zwei unterschiedliche Behörden beaufsichtigt werden sollte, zumal die Börsenaufsichtsbehörden auf Grund des meist in gleicher Weise ablaufenden Handelsgeschehens an Börse und Freiverkehr die größere Sachnähe aufweisen.
4.403
V. Auswirkungen der Aufsichtsstruktur Die unterschiedliche Zuständigkeit in der Beaufsichtigung der Marktplätze könnte zu einer „Aufsichtsarbitrage“ zwischen den Handelsplätzen führen. Dieses im Gesetzgebungsverfahren zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz verwendete Argument3 hat in der Praxis bis dato keine Bestätigung gefunden, jedenfalls nicht innerhalb Deutschlands. Erstrebenswert erscheint
1 RegE zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/4028, S. 43. 2 RegE zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz BT-Drucks. 16/4028, S. 80 zu § 3 BörsG. 3 Vgl. Empfehlung des Finanzausschusses, BR-Drucks. 833/1/6, S. 11.
Seiffert
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403
4.404
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
in der Tat die Zuständigkeit einer Behörde für die Überwachung des Handels, auch um unterschiedliche aufsichtsrechtliche Interpretationen ein und desselben Sachverhaltes zu vermeiden. Darüber hinaus wäre eine Harmonisierung der Handhabung der weitestgehend identischen Regelungen im europäischen Kontext hilfreich, ist aber letztlich Zukunftsmusik. Beachtlich ist, dass es in Deutschland de facto kein multilaterales Handelssystem für den Handel in Aktien gibt. Der Wettbewerb, dem insbesondere die Frankfurter Wertpapierbörse ausgesetzt ist, kommt insofern ausschließlich durch multilaterale Handelssysteme, die unter englischem Recht und der Aufsicht der britischen Financial Services Authority stehen1.
4.405–4.410
Einstweilen frei.
8. Abschnitt Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten 4.411
Die Grundstruktur der Rechtsverhältnisse der Börse mit den Handelsteilnehmern und den Emittenten als ihren Benutzern ist durch die Rechtsform der Börse als einer Anstalt des öffentlichen Rechts geprägt. Solche Anstalten stehen in einem rechtlichen Sonderverhältnis zu ihren Benutzern2. Dieses Benutzungsverhältnis ist als ein Leistungsverhältnis zu qualifizieren, weil die Benutzer das Leistungsangebot der jeweiligen Anstalt in Anspruch nehmen. Dieses Leistungsverhältnis ist in Bezug auf die Börse öffentlichrechtlich ausgestaltet3.
4.412
Bei einer öffentlichrechtlichen Ausgestaltung dieses Leistungsverhältnisses liegt ein auf Dauer angelegtes Verwaltungsrechtsverhältnis vor4. Solche Rechtsverhältnisse sind deshalb vor allem bei der Leistungsverwaltung anzutreffen5. Hierzu gehören auch die Börsen, die als Veranstalter eines börsenmäßig organisierten Marktes Dienstleistungen an die Handelsteilnehmer und die Emittenten erbringen.
4.413
Das Benutzungsverhältnis der Börse mit ihren Handelsteilnehmern ist offensichtlich, wenn diese Personen die Einrichtungen der Börse, insbesondere den Börsensaal und das elektronische Handelssystem zum Abschluss von Wertpapiergeschäften benutzen. Die Handelsteilnehmer sind Leistungsempfänger der Börse aber auch insoweit, als die weitere Hauptfunktion der Börse in der
1 MiFID Database, abrufbar unter http://mifiddatabase.cesr.eu/. 2 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 86 Rz. 30; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 23 Rz. 52. 3 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 183 ff. 4 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 88 Rz. 93; Hammen, ZBB 2001, 84 (90). 5 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 8 Rz. 19 ff.
404
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Seiffert
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
in der Tat die Zuständigkeit einer Behörde für die Überwachung des Handels, auch um unterschiedliche aufsichtsrechtliche Interpretationen ein und desselben Sachverhaltes zu vermeiden. Darüber hinaus wäre eine Harmonisierung der Handhabung der weitestgehend identischen Regelungen im europäischen Kontext hilfreich, ist aber letztlich Zukunftsmusik. Beachtlich ist, dass es in Deutschland de facto kein multilaterales Handelssystem für den Handel in Aktien gibt. Der Wettbewerb, dem insbesondere die Frankfurter Wertpapierbörse ausgesetzt ist, kommt insofern ausschließlich durch multilaterale Handelssysteme, die unter englischem Recht und der Aufsicht der britischen Financial Services Authority stehen1.
4.405–4.410
Einstweilen frei.
8. Abschnitt Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten 4.411
Die Grundstruktur der Rechtsverhältnisse der Börse mit den Handelsteilnehmern und den Emittenten als ihren Benutzern ist durch die Rechtsform der Börse als einer Anstalt des öffentlichen Rechts geprägt. Solche Anstalten stehen in einem rechtlichen Sonderverhältnis zu ihren Benutzern2. Dieses Benutzungsverhältnis ist als ein Leistungsverhältnis zu qualifizieren, weil die Benutzer das Leistungsangebot der jeweiligen Anstalt in Anspruch nehmen. Dieses Leistungsverhältnis ist in Bezug auf die Börse öffentlichrechtlich ausgestaltet3.
4.412
Bei einer öffentlichrechtlichen Ausgestaltung dieses Leistungsverhältnisses liegt ein auf Dauer angelegtes Verwaltungsrechtsverhältnis vor4. Solche Rechtsverhältnisse sind deshalb vor allem bei der Leistungsverwaltung anzutreffen5. Hierzu gehören auch die Börsen, die als Veranstalter eines börsenmäßig organisierten Marktes Dienstleistungen an die Handelsteilnehmer und die Emittenten erbringen.
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Das Benutzungsverhältnis der Börse mit ihren Handelsteilnehmern ist offensichtlich, wenn diese Personen die Einrichtungen der Börse, insbesondere den Börsensaal und das elektronische Handelssystem zum Abschluss von Wertpapiergeschäften benutzen. Die Handelsteilnehmer sind Leistungsempfänger der Börse aber auch insoweit, als die weitere Hauptfunktion der Börse in der
1 MiFID Database, abrufbar unter http://mifiddatabase.cesr.eu/. 2 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 86 Rz. 30; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 23 Rz. 52. 3 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 183 ff. 4 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 88 Rz. 93; Hammen, ZBB 2001, 84 (90). 5 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 8 Rz. 19 ff.
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Seiffert
4. Teil
Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten
neutralitätswahrenden und transparenten Ermittlung des Börsenpreises besteht. An dieser besonderen Qualität der Preisermittlung sind vor allem die Anleger als Kunden der zum Börsenhandel zugelassenen Unternehmen interessiert. Weniger augenfällig ist dagegen die Benutzung der Börse durch die Emittenten. Die Dienstleistungen der Börse als Veranstalter eines börsenmäßig organisierten Wertpapierhandels mit neutraler, transparenter sowie staatlich geregelter und überwachter Preisermittlung kommen aber auch dem Emittenten zugute, wenngleich dies nur indirekt geschieht1. Denn die Wertpapiere der Emittenten sind Gegenstand der Geschäftsabschlüsse der Handelsteilnehmer und der Preisermittlungen an der Börse. Hieran haben die Emittenten ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse. Sie sind zwar nicht selbst als Vertragsschließende am Handelsgeschehen beteiligt. Das Anlegerpublikum als Zielgruppe von Kapitalbeschaffungsmaßnahmen, insbesondere von Aktienemissionen legt aber regelmäßig großen Wert auf eine Börsennotierung. Ebenso erhalten die Emittenten eine marktgerechte Bewertung ihrer Unternehmung2.
4.414
So obliegen den Emittenten während der Dauer der Börsenzulassung bestimmte kapitalmarktrechtliche Informations- und Verhaltenspflichten (§§ 40 bis 42 BörsG), insbesondere die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität von kursrelevanten Sachverhalten aus ihrer Unternehmenssphäre (§ 15 WpHG).
4.415
I. Leistungsverhältnis zwischen Börse und ihren Benutzern Das Leistungsverhältnis zwischen der Börse und den Emittenten und Handelsteilnehmern ist dadurch geprägt, dass diesen Benutzern ein Anspruch auf bestimmte Tätigkeiten der Börse als Marktveranstalter zusteht3. Dieses Leistungsverhältnis entspricht auch bei einer öffentlichrechtlichen Ausgestaltung insoweit dem zivilrechtlichen Schuldverhältnis, das dem Gläubiger das Recht verschafft, von seinem Schuldner eine bestimmte Leistung zu fordern (§ 241 BGB).
4.416
Die von der Börse im Rahmen dieses Benutzungsverhältnisses erbrachten Leistungen haben auch einen wirtschaftlichen Charakter, soweit die Börsenbenutzer als Leistungsempfänger eine synallagmatische Gegenleistung in Gestalt einer öffentlichrechtlichen Gebühr oder eines privatrechtlichen Nutzungsentgeltes zu zahlen haben. Die Börse erbringt also nicht nur „Leistungen“ gegenüber der Allgemeinheit, wie es für die Träger öffentlicher Verwaltung typisch ist, zu der auch die Börsenselbstverwaltung gehört. Sie bewirkt insbesondere Leistungen an individuelle Unternehmen und Personen, wie es nicht nur für privatrechtliche Leistungsverhältnisse, sondern auch für Benut-
4.417
1 VG Frankfurt v. 8.11.2004 – 9 E 911/04, Rz. 15. 2 VG Frankfurt v. 8.11.2004 – 9 E 911/04, Rz. 15. 3 Chen Ai-er, Öffentlich-rechtliche Anstalten und ihre Nutzung, 1994, S. 57.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
zungsverhältnisse mit Anstalten des öffentlichen Rechts aus dem Bereich der Leistungsverwaltung typisch ist1.
4.418
Der Inhalt des Leistungsverhältnisses mit einer Anstalt des öffentlichen Rechts wird weitgehend von ihrem Zweck bestimmt. Der Anstaltszweck der Börse besteht im Wesentlichen in der Ermöglichung schneller, kostengünstiger Geschäftsabschlüsse und der Feststellung neutralitätswahrender und transparenter sowie staatlich geregelter und überwachter Börsenpreise2. Im Übrigen steht der Börse ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Art und Weise zu, wie sie ihre Pflichten aus dem Benutzungsverhältnis erfüllt3.
4.419
Der Börsenhandel erfordert deshalb umfangreiche organisatorische Vorkehrungen technischer und rechtlicher Natur. Nur so kann die Börse ihren Pflichten als Veranstalter des sich bei ihr vollziehenden Wertpapierhandels gerecht werden. Hierzu bedarf es weitreichender Reglementierungen. Dies geschieht insbesondere durch den Erlass der Börsenordnung und der Geschäftsbedingungen für die an der Börse abgeschlossenen Geschäfte. Börsenordnung und Geschäftsbedingungen schaffen die regulatorischen Voraussetzungen für einen möglichst reibungslosen und schnellen Geschäftsverkehr an der Börse. Diese beiden Regelwerke enthalten deshalb die Bedingungen, zu denen Handelsteilnehmer und Emittenten als Börsenbenutzer die Börsenleistungen in Anspruch nehmen dürfen. Erst diese Homogenisierung von Angebot und Nachfrage durch Standardisierung der Börsengeschäfte wie auch die Sicherstellung der Bonität der Handelsteilnehmer durch die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen schaffen die Grundlage für einen zügigen und sicheren Börsenhandel4.
4.420
Die Börse hat im Übrigen für den Parketthandel geeignete Räumlichkeiten mit der erforderlichen personellen und technischen Ausstattung bereitzustellen. Beim elektronischen Wertpapierhandel wird den Handelsteilnehmern an Stelle des Börsensaales ein geeignetes EDV-mäßiges betriebenes Handelssystem zur Nutzung überlassen. Hierzu sind auch Miet- und Leasing- und Nutzungsverträge sowie Wartungsverträge für die Soft- und Hardware der EDVSysteme abzuschließen, die den Handelsteilnehmern von dem Träger der Börse zur Verfügung gestellt werden. Für solche Dienstleistungen, die im Rahmen des Börsenbetriebs erbracht werden, kann der Träger der Börse ein Entgelt verlangen, § 4 Abs. 4 BörsG.
4.421
Zu den Hilfseinrichtungen für die Abwicklung der Börsengeschäfte im Parketthandel gehört des Weiteren die elektronische Börsengeschäftsabwicklung Xontro (bei der die Schlussnoten für die skontroführenden Börsenmakler erstellt werden)5. Die Skontroführer haben hierzu alle zustandegebrachten Börsengeschäfte in die EDV-Anlage einzugeben6. 1 2 3 4 5 6
Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 29 (30). Bereits Schwark, BörsG, 2. Aufl. 1984, § 29 BörsG Rz. 9. Hammen, ZBB 2001, 84 (91). Schmidt, Wertpapierbörsen, 1988, S. 9. Vgl. Schlüter, Börsenhandelsrecht, 2. Aufl. 2002, Abschnitt G Rz. 1064 ff. Vgl. § 97 Abs. 1 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com.
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4. Teil
Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten
Mit Rücksicht auf diese umfangreichen regulatorischen und organisatorischen Vorkehrungen der Börse für den von ihr veranstalteten Handel ist schon in der Zulassung zur Börsenbenutzung eine „Leistung“ der Börse im wirtschaftlichen Sinn zu erblicken. Denn hiermit wird insbesondere den Handelsteilnehmern die Möglichkeit der Teilnahme an einem möglichst optimal organisierten Wertpapierhandel verschafft. Dementsprechend erhebt die Börse auf der Grundlage von § 4 BörsG eine Zulassungsgebühr von den Handelsteilnehmern.
4.422
Ebenso hat die Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel wirtschaftliche Vorteile für die Emittenten1 , weshalb auch für die Zulassung von Wertpapieren eine Gebühr erhoben wird.
1. Außerbörsliche Vertragsbeziehung für die Geschäftsabwicklung Bei den Dienstleistungen der Wertpapiersammelbank (Clearstream Banking AG) und der zentralen Gegenpartei der Frankfurter Wertpapierbörse (Eurex Clearing AG) handelt es sich dagegen um keine Börsenleistung. Die Clearstream Banking AG als einzige Wertpapiersammelbank in Deutschland betreibt auf der wertpapiermäßigen Basis der von ihr (giro)sammelverwahrten Wertpapiere den Effektengiroverkehr, der der wertpapier- und geldmäßigen Erfüllung (Valutierung) der Börsengeschäfte dient. Die Wertpapiersammelbank ist zwar mittlerweile eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Deutsche Börse AG, die auch Trägerin der Frankfurter Wertpapierbörse ist. Diese Wertpapiersammelbank im Sinne des Depotgesetzes ist aber keine Einrichtung der Börse als Veranstalter des Börsenhandels2. Denn die Börse dient entsprechend ihrem durch die Börsenordnung bestimmten Anstaltszweck lediglich dem Abschluss von Handelsgeschäften, nicht aber der Erfüllung der hieraus resultierenden Liefer- und Zahlungspflichten, wie sie von der Wertpapiersammelbank durchgeführt wird3. Gleiches gilt für die Eurex Clearing AG, die als zentraler Kontrahent iS des § 1 Abs. 31 KWG fungiert und als hundertprozentige Tochter der Eurex Frankfurt AG zu gleichen Teilen der Deutsche Börse AG und der SWX Group gehört und lediglich für das Clearing der Geschäfte Sorge trägt.
4.423
2. Außerbörsliche Vertragsbeziehung für den Handel Der Börsenhandel erfordert umfangreiche organisatorische Vorkehrungen, insbesondere im Hinblick auf die allgegenwärtigen elektronischen Kommunikationsmittel. Auch die Deutsche Börse Systems AG als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Deutsche Börse AG erbringt keine Börsenleistungen, wenn sie die der wertpapier- und geldmäßigen Abwicklung der Börsenge-
1 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 38 (51). 2 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 59; Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 42. 3 Vgl. § 1 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com.
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4.424
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
schäfte dienenden „Lieferlisten“ elektronisch erstellt1 oder die notwendige technische Infrastruktur für den Börsenhandel bereitstellt.
4.425
Dagegen kann die elektronische Erstellung der Makler-Schlussnoten durch die Deutsche Börse Systems AG noch der Sphäre der an der Börse getätigten Geschäftsabschlüsse zugeordnet werden. Solche Schlussnoten gehören zu den Tätigkeiten der Skontroführer, die die Börsengeschäfte durch Zuordnung der Kontrahenten zustandebringen. Dies sollen die Schlussnoten iS des § 94 HGB dokumentieren.
4.426
Ferner wird über die Deutsche Börse AG den Handelsteilnehmern die Nutzung des elektronischen Handelssystems XETRA auf Basis eines Nutzungsvertrages ermöglicht. Dieser Nutzungsvertrag regelt neben der Art und Weise der Nutzung des Systems auch die Entgeltpflicht für die Nutzung dieses Systems.
II. Benutzungsverhältnis der Börse zu den Handelsteilnehmern
4.427
Das Benutzungsverhältnis der Börse mit den Handelsteilnehmern in Gestalt der zum Handel zugelassenen Unternehmen und deren Mitarbeiter (Börsenhändler) wird durch Zulassung zum Börsenbesuch begründet (§ 19 BörsG). Diese Zulassung erstreckt sich ausschließlich auf den Regulierten Markt und wird durch die Geschäftsführung erteilt.
4.428
Eine solche Zulassung der Börsenbesucher erfordern die unabweisbaren Bedürfnisse des Börsenhandels. Die Handelsteilnehmer müssen sich grundsätzlich auf eine ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte durch ihre Kontrahenten verlassen können. Denn sie haben ihren eigenen Lieferverpflichtungen gegenüber den Effektenkunden oder anderen Marktakteuren ordnungsgemäß nachzukommen, wenn der Wertpapierhandel in geordneten Bahnen verlaufen soll2. Beim Präsenz-Börsenhandel muss überdies jeder vom skontroführenden Makler vermittelte Kontrahent akzeptiert werden. Dieser „Kontrahierungszwang“ erfordert entsprechende Zulassungsvoraussetzungen für den Börsenhandel. Hierdurch soll das Bonitätsrisiko der Kontrahenten weitestmöglich ausgeschlossen werden. Im elektronischen Handel, soweit jeweils möglich, wird das Kontrahentenrisiko durch Zwischenschaltung des zentralen Kontrahenten eliminiert und zudem die Anonymität des Handels sichergestellt. Kaufverträge über Wertpapiere kommen dann ausschließlich zwischen dem Handelsteilnehmer (General-Clearing-Mitglied) und dem zentralen Kontrahenten zu Stande3.
4.429
Mit der Zulassung zur Teilnahme am Börsenhandel erwerben die zugelassenen Personen einen Anspruch auf tatsächliche Benutzung der Börseneinrich1 Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 6. 2 Kümpel, WM 1993, 2025 (2026). 3 Siehe zum Clearing durch die Eurex Clearing AG, Rz. 4.365.
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4. Teil
Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten
tungen1. Die Börse ist im Übrigen zu entsprechenden Vorkehrungen für die Ermittlung und Veröffentlichung der Börsenpreise verpflichtet (§ 24 Abs. 4 BörsG)2. Die Leistungspflichten der Börse gegenüber den Handelsteilnehmern erschöpfen sich also nicht allein darin, dass für die Handelsaktivitäten geeignete Einrichtungen bereitgestellt werden. Auch die Ermittlung der Börsenpreise und deren Veröffentlichung haben einen beträchtlichen ökonomischen Nutzen für die Handelsteilnehmer. Die Feststellung von Börsenpreisen gehört zudem nach herrschender Meinung zu den Leistungen der Börse, auf die die Handelsteilnehmer auf Grund des gegenüber der Börse bestehenden Leistungsverhältnisses einen Anspruch haben3.
4.430
1. Öffentlichrechtliches Leistungsverhältnis Die Leistungsbeziehung zu den Handelsteilnehmern, wie sie durch deren Zulassung zum Börsenhandel begründet wird, ist öffentlichrechtlich ausgestaltet. Dem Träger öffentlicher Verwaltung, wie sie die Wertpapierbörse als Anstalt des öffentlichen Rechts und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung darstellt, steht es zwar grundsätzlich frei, ob er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben der Rechtsform des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts bedient4. Diese Wahlfreiheit bezieht sich sowohl auf die Organisation des Verwaltungstypus als auch auf die Ausgestaltung der Leistungsverhältnisse dieser Einrichtung zu ihren Benutzern5.
4.431
Bei der privatrechtlichen Errichtung zB in der Rechtsform einer AG ist die öffentliche Verwaltung Privatrechtssubjekt wie jeder Bürger. Eine solche Gesellschaft ist, obwohl sie mit der Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe betraut ist, den für sie geltenden privatrechtlichen Vorschriften unterworfen. Gleichwohl bleibt die geschäftliche Tätigkeit dieser Gesellschaft materiell öffentliche Verwaltung. Denn mit der Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform kann sich der Staat der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben nicht entziehen6.
4.432
1 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 33, Schlüter, Börsenhandelsrecht, 2. Aufl. 2002, Abschnitt G Rz. 1045. 2 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 183; Die privatrechtliche Vermittlungstätigkeit der skontroführenden Makler ist jedoch keine Leistung der Börse, sondern eine Leistung unter Börsenbesuchern (Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 40). Die Börse hat aber für die Bestellung einer ausreichenden Anzahl von Skontroführern Sorge zu tragen. 3 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 40. 4 BVerwG v. 11.2.1993 – 4 C 18/91, NJW 1993, 2695 (2697) = BVerwGE 92, 56 ff.; BGH v. 5.4.1984 – III ZR 12/83, NJW 1985, 197 (198) = BGHZ 91, 84 ff. = WM 1985, 104 ff.; BGH v. 7.2.1985 – III ZR 179/83, NJW 1892, 1893 = BGHZ 93, 372 ff. = WM 1985, 1427 ff. 5 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 3 Rz. 7 ff. 6 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 3 Rz. 7 ff.
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4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4.433
In der Praxis wird jedoch vielfach der Weg beschritten, die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraute Einrichtung zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts zu gründen, die Rechtsverhältnisse zu den Anstaltsbenutzern aber privatrechtlich auszugestalten, was auch in zunehmenden Maße von den Börsen so gehandhabt wurde.
4.434
Ein anschauliches Beispiel aus der Kreditwirtschaft sind die öffentlichrechtlichen Banken und Sparkassen, die wie die Börsen als öffentlichrechtliche Anstalten errichtet werden. Dagegen sind die Rechtsverhältnisse zu den Kunden, die Bankleistungen der öffentlichrechtlichen Kreditinstitute in Anspruch nehmen, privatrechtlicher Natur wie die geschäftlichen Beziehungen der Bankkunden zu den Privatbanken. Bei privatrechtlich ausgestalteten Leistungsverhältnissen der öffentlichrechtlichen Anstalt zu deren Benutzern besteht also eine gewisse Gemengelage von öffentlichem Recht und Privatrecht1.
4.435
Bei dem Bereitstellen der Börseneinrichtungen und den Vorkehrungen für die Feststellung und Veröffentlichung von Börsenpreisen erbringt die Börse öffentlichrechtliche Leistungen, da das Benutzungsverhältnis mit den Handelsteilnehmern wie auch mit den Emittenten öffentlichrechtlich ausgestaltet ist. Dies folgt bereits daraus, dass die Börse über eine autonome Rechtsetzungsbefugnis verfügt und deshalb vor allem im Wege des Erlasses der von der Börsenaufsichtsbehörde zu genehmigenden Börsenordnung, Bedingungen für Geschäfte und Gebührenordnung einseitig generelle Regelungen mit Wirkung gegenüber den Börsenbenutzern treffen kann, ohne dass diese zustimmen müssten. Schon diese Unterwerfung der Börsenbenutzer unter die Geltungskraft der normativen Bestimmungen der Börsenordnung erfordert eine öffentlichrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zu den Handelsteilnehmern2.
4.436
Die hoheitlichen Befugnisse der Börse erschöpfen sich aber keineswegs in der normativen Gestaltungskraft als autonomer Regelwerkgeber für den Börsenhandel. Solche Hoheitsbefugnisse stehen den Börsenorganen auch zur Regelung eines Einzelfalles durch Erlass von Verwaltungsakten zur Verfügung, die durch die Verwaltungsgerichte überprüft werden können. a) Hoheitliche Eingriffsbefugnisse der Börsenorgane gegenüber dem einzelnen Handelsteilnehmer
4.437
Die Börsenorgane, vor allem die Börsengeschäftsführung als Leitungsorgan und die Handelsüberwachungsstelle, haben für die Ordnungsmäßigkeit des Börsenhandels sowie der Preisbildung Sorge zu tragen. Diese herausragenden Ordnungsfunktionen der Wertpapierbörsen gehören zum Bereich der (obrigkeitlich) hoheitlich ausgestalteten „Ordnungs“verwaltung, die die Einhaltung der gesetzlich geregelten Ordnung zu überwachen hat3. Dagegen gehört das
1 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 23 Rz. 32. 2 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl. 1953, S. 638; Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, 2000, S. 77 f. 3 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 186.
410
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4. Teil
Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten
Bereitstellen der für das Handelsgeschehen erforderlichen Börseneinrichtungen zur (schlicht) hoheitlichen Leistungsverwaltung. Bei einem Verstoß gegen die gesetzliche Ordnung oder bei Gefahr einer Zuwiderhandlung gegen gesetzliche Regelungen darf die Ordnungsverwaltung reglementierend durch obrigkeitlichen Anordnung und Zwang eingreifen und solche Verstöße unter bestimmten Voraussetzungen mit verwaltungsrechtlichen Geldbußen sanktionieren1. Die Ordnungsverwaltung ist also Eingriffsverwaltung, bei der die Verwaltung in die Freiheit oder die Vermögenssphäre des Betroffenen dadurch eingreift, dass sie ihm Verpflichtungen und Belastungen auferlegt2. Eine solche Eingriffsverwaltung bedarf angemessener obrigkeitlicher Befugnisse, die es dem Verwaltungsträger ermöglichen, einseitig verbindliche Anordnungen zu treffen. Darüberhinaus können diese hoheitlichen Anordnungen mit dem Verwaltungszwang in Gestalt der Ersatzvornahme, des Zwangsgeldes oder des unmittelbaren Zwanges durchgesetzt werden3.
4.438
Wie die der Börse verliehenen autonomen Rechtssetzungsbefugnis sprechen auch diese hoheitlichen Befugnisse dafür, dass das Benutzungsverhältnis der Börse zu ihren Handelsteilnehmern eine öffentlichrechtliche Rechtsnatur hat.
4.439
b) Börsengebühren Ein weiterer gewichtiger Grund für die öffentlichrechtliche Ausgestaltung dieses Benutzungsverhältnisses besteht darin, dass die Handelsteilnehmer für die Börsenleistungen als Gegenleistung öffentlichrechtliche Gebühren zu zahlen haben, wie sie die gesetzlich vorgeschriebene und von der Börsenaufsichtsbehörde zu genehmigende Gebührenordnung festsetzt (§ 4 BörsG). Solche Geldleistungen stellen nach dem öffentlichrechtlichen Gebührenbegriff keine privaten Entgelte dar. Es handelt sich vielmehr um öffentlichrechtliche Geldleistungen, die für eine besondere Inanspruchnahme der Wertpapierbörse als einem Träger öffentlicher Verwaltung gefordert werden4. Gebühren im verwaltungsrechtlichen Sinne sind Geldleistungen, die für eine Inanspruchnahme der öffentlichen Verwaltung von denjenigen erhoben werden, auf deren Veranlassung oder in deren Interesse die Inanspruchnahme erfolgt. Es besteht also eine unmittelbare Verknüpfung von öffentlichrechtlicher Leistung und Gegenleistung5. Dieses öffentlichrechtliche Synallagma bringt solche Geldzahlungen sehr nahe an die privatrechtlichen Entgelte heran, so dass auch von Verwaltungs„preisen“ gesprochen wird6. Sind jedoch für die Benutzung einer Anstalt des öffentlichen Rechts solche Gebühren zu entrichten, so spricht dies für das Vorliegen eines öffentlichrechtlichen Benutzungsverhältnisses7.
1 2 3 4 5 6 7
Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 186. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 1 Rz. 20. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 20 Rz. 5. BVerwG v. 16.12.2009 – 8 C 9.09, ZIP 2010, 487 (488). Schwark in Schwark, § 14 BörsG Rz. 1. Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 188. Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 188.
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4.440
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
aa) Äquivalenzprinzip als Gebührenmaßstab
4.441
Die Wertpapierbörsen können eine umfassende Gebührenordnung zur Sicherstellung der Finanzierung der Börse erlassen1. Dabei sind die Benutzungsgebühren der Anstalt des öffentlichen Rechts, wie sie auch die Wertpapierbörsen darstellen, am sog. Äquivalenzprinzip zu messen2. Bei diesem Prinzip handelt es sich nach dem BGH um die gebührenrechtliche Ausgestaltung des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit3. Das Kostendeckungsprinzip in seiner früheren strengen Form ist auf die öffentlichrechtlichen Benutzungsgebühren der Börsen nicht anwendbar4. Nach dem Äquivalenzprinzip kann sich der Gebührenmaßstab und der Gebührensatz am Nutzenprinzip statt an der Kostendeckung orientieren5, was auch durch den Gesetzgeber so explizit beabsichtigt war.
4.442
Den rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Börse für ihre Gebührenpolitik sind freilich faktische Grenzen gesetzt, weil insbesondere die Frankfurter Wertpapierbörse mit ausländischen Börsen und multilateralen Handelssystemen in einem starken Wettbewerb stehen. Die an die Börse zu zahlenden Gebühren wie auch die zusätzlich vereinbarten Nutzungsentgelte sind Teil der Kosten beim Kauf und Verkauf der Wertpapiere. Diese Transaktionskosten sind mitentscheidend für das vom Investor anvisierte Ergebnis seiner Anlage, das sich aus Kursveränderungen und den ausgeschütteten Zinsen bzw. Dividenden zusammensetzt (sog. Rendite). Das Interesse an möglichst geringen Transaktionskosten ist besonders stark bei kurzfristigen Engagements am Kapitalmarkt, wie sie gerade für den rein computergestützten algorythmischen Handel typisch sind. Vergleichsweise niedrige Transaktionskosten steigern deshalb die Akzeptanz des Marktes, von der seine Liquidität entscheidend abhängt. bb) Privatrechtliche Nutzungsentgelte
4.443
Die Gebührenermächtigung des § 17 BörsG stellt in Abs. 3 explizit klar, dass der Börsenträger privatrechtliche Entgelte verlangen kann, um die Kosten der laufenden Finanzierung des von ihm veranstalteten Börsenhandels zu decken6. Diese Entgelte dürfen jedoch nicht für Börsenleistungen gefordert werden, die öffentlichrechtlicher Natur sind und deshalb durch die Gebührenordnung erfasst werden7. Der Börsenträger kann sich deshalb diejenigen Kosten, die er als 1 Degner, WM 1975, Sonderbeil. Nr. 3, 16; Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht 1983, S. 43 mwN. 2 Begr. RegE 4. FFG, BT/Drucks. 936/01 (neu), S. 207. Schwark in Schwark, § 14 BörsG Rz. 4; Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 BörsG Rz. 4. 3 Salzwedel in Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 41 Rz. 21. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 4. 5 Schwark in Schwark, § 14 BörsG Rz. 4; zu den einzelnen Kriterien für die Bemessung der Gebühren vgl. Hammen in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 060, Lfg. 4/03, Rz. 388 ff. 6 Begr. RegE FRUG, BT/Drucks. 16/4028, S. 88; demgegenüber kritisch Mues, Die Börse als Unternehmen, 1999, S. 83 f. 7 Schwark in Schwark, § 14 BörsG Rz. 8; Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 35.
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4. Teil
Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten
durch die öffentlichrechtlichen Gebühren nicht abgedeckt ansieht, in Form von anderen regelmäßigen Zahlungen vergüten lassen1, soweit dies wettbewerbsverträglich ist. Dies kann im Rahmen eines privatrechtlichen Nutzungsvertrages geschehen2. Solche privatrechtlich vereinbarten Entgelte zur Finanzierung der Kosten der Börsen sind erforderlichenfalls bei den Zivilgerichten einzuklagen. Bei der Benutzung einer Anstalt des öffentlichen Rechts können also im Verhältnis zu ihren Benutzern durchaus öffentlichrechtliche Leistungsbeziehungen (gebührenpflichtige Börsenleistungen) und privatrechtliche Vertragsbeziehungen (vergütungspflichtige Börsenleistungen) nebeneinander bestehen3, wie das Beispiel der Frankfurter Wertpapierbörse veranschaulicht. Nach deren Gebührenordnung haben die Handelsteilnehmer für die Zulassung zum Börsenhandel und die Emittenten für die Zulassung ihrer Wertpapiere zum Handel im Regulierten Markt Gebühren zu entrichten. Daneben haben aber die Handelsteilnehmer vertraglich vereinbarte und damit privatrechtliche Entgelte zB für die Nutzung des elektronischen Handelssystems XETRA zu zahlen.
4.444
Nicht mehr unmittelbar im Zusammenhang mit den Gebühren und Entgelten für den eigentlichen Börsenhandel stehen die Entgelte für Tätigkeiten des Börsenträgers, die zwar eine gewisse Verbindung zum Börsenhandel aufweisen, die aber vom Börsenträger wie von jedem anderen Unternehmen betrieben werden können. Zu diesen Entgelten zählen etwa Entgelte für die Nutzung von Indices, zB Lizenzgebühren für die Begebung von Optionsscheinen auf den DAX4.
4.445
2. Beendigung des Benutzungsverhältnisses mit den Handelsteilnehmern Für die Frage der Zulässigkeit einer Beendigung des Benutzungsverhältnisses ist zu unterscheiden, ob die Initiative von der Börse oder den Handelsteilnehmern ausgeht.
4.446
a) Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Zulassung Die Zulassung zum Börsenbesuch, insbesondere zur Teilnahme am Börsenhandel ist ein begünstigender Verwaltungsakt. Für die einseitige Aufhebung einer solchen subjektiven öffentlichen Berechtigung gelten die einschränkenden Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Sitzlandes der Börse über die Rücknahme und den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte5. Diese gesetzliche Beschränkung für die Aufhebung der Börsenzulassung ent1 2 3 4
Vgl. Begr. RegE FRUG, BT/Drucks. 16/4028, S. 88. Vgl. Begr. RegE FRUG, BT/Drucks. 16/4028, S. 88. Vgl. den Wortlaut des § 17 Abs. 3 BörsG. Beck, WM 1996, 2313 (2316); Ledermann in Schäfer/Hamann, KWG, § 14 BörsG Rz. 10; siehe aber auch BGH v. 30.4.2009 – I ZR 42/07, WM 2009, 2026 (2031). 5 Schwark in Schwark, § 16 BörsG Rz. 4.
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4.447
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
spricht dem subjektiven Recht (Anspruch) jedes Antragstellers auf Zulassung zum Börsenbesuch, wenn er die hierfür bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Diese Rechtsposition des Antragstellers ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich garantierten Recht der freien Berufswahl und der freien Berufsausübung (Art. 12 GG)1.
4.448
Für diese Aufhebung der Zulassung gelten die gesetzlichen Bestimmungen über den Widerruf der Zulassung.
4.449
Von dieser Rücknahme oder dem Widerruf der Zulassung ist ihr Ruhen zu unterscheiden. Besteht der begründete Verdacht, dass die im Börsengesetz und der Börsenordnung geregelten Zulassungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben oder sie nachträglich weggefallen sind, so kann die Börsengeschäftsführung das Ruhen der Zulassung für die Dauer von längstens sechs Monaten anordnen, § 19 Abs. 8 BörsG. Das Ruhen der Zulassung kann auch für die Dauer des Zahlungsverzuges von festgesetzten Gebühren angeordnet werden, nicht jedoch für die Dauer des Zahlungsverzuges mit vom Träger der Börse eingeforderten Entgelten. Für die Dauer des Ruhens der Zulassung eines zum Börsenhandel zugelassenen Unternehmens ruht auch die Zulassung seiner Börsenhändler (§ 19 Abs. 8 Satz 3 BörsG). b) Erlöschen der Zulassung durch Verzicht des zugelassenen Unternehmens
4.450
Die Beendigung des Benutzungsverhältnisses kann auch vom zugelassenen Unternehmen herbeigeführt werden. Die Rechte aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis, wie sie das Benutzungsverhältnis zwischen Börse und Handelsteilnehmer als öffentlichrechtliches ausgestaltetes Rechtsverhältnis darstellt, können durch Verzicht des Begünstigten erlöschen. Folgerichtig sieht auch die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse die Möglichkeit eines schriftlichen Verzichts auf die Zulassung vor2. Die Zulassung des Börsenhändlers eines zugelassenen Unternehmens erlischt bei Ausscheiden aus diesem Unternehmen oder wenn das Unternehmen der Börsengeschäftsführung den Wegfall der Berechtigung des Börsenhändlers zur weiteren Teilnahme am Börsenhandel schriftlich mitgeteilt hat.
III. Benutzungsverhältnis zwischen Börse und Emittenten
4.451
Der börsenmäßig organisierte Wertpapierhandel erfordert eine Zulassung der gehandelten Wertpapiere durch die Geschäftsführung (§§ 23, 32 BörsG)3. Die Zulassung bedeutet, dass für die Geschäfte in zugelassenen Wertpapieren die Börseneinrichtungen benutzt werden und insbesondere die Ermittlungen von Börsenpreisen (Notierungen) stattfinden dürfen4. 1 Walter, WM 1986, 1489. 2 § 40 Abs. 1 BörsO FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 3 Zur vormals zuständigen Zulassungsstelle: Heidelbach in Schwark, § 31 BörsG Rz. 4; Samm, Börsenrecht, 1978, S. 57; Nußbaum, BörsG, 1910, § 36 Ib, S. 147. 4 Nußbaum, BörsG, 1910, § 36 I b, S. 147.
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4. Teil
Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten
Die Emittenten haben einen Anspruch auf Zulassung ihrer Wertpapiere, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche öffentlichrechtliche Erlaubnis zur Benutzung der Börseneinrichtungen für Geschäfte in diesen Wertpapieren gegeben sind1.
4.452
Nach § 32 Abs. 3 BörsG „sind Wertpapiere zuzulassen“, wenn sie die dort normierten Voraussetzungen erfüllen. Dagegen können die Börsenbesucher, insbesondere die Handelsteilnehmer, keinen Anspruch auf Fortdauer einer bestehenden Zulassung geltend machen2.
4.453
Mit der Zulassung wird zwischen der Börse und den Emittenten ein Rechte und Pflichten begründendes öffentlichrechtliches Benutzungsverhältnis geschaffen3, das sich als Rechtverhältnis mit nutzungsvertraglichen, überwiegend aber mit dienstvertraglichen Elementen klassifizieren lässt4. Die Börse ist hieraus verpflichtet, das zur Herbeiführung des Börsenhandels und für die Preisfeststellungen Erforderliche zu tun5. Die Emittenten könnten erforderlichenfalls ihren Anspruch gegen die Börse auf die Herbeiführung und Feststellung von Börsenpreisen mit einer verwaltungsrechtlichen Verpflichtungsklage geltend machen6. Dieser Anspruch kann sich gegebenenfalls zu einem Anspruch auf Unterlassen von Maßnahmen der Börsen ausweiten, die die Akzeptanz des Börsenhandels bei Anlegern und Handelsteilnehmern beeinträchtigen können7. Auch den Emittenten entstehen aus diesem Benutzungsverhältnis Pflichten (Zulassungsfolgepflichten) gemäß §§ 40 ff. BörsG.
4.454
1. Anspruch auf Einführung in den Börsenhandel Von der Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel ist deren Einführung in den Börsenhandel zu unterscheiden. Hierunter ist die Aufnahme der ersten Notierung der zugelassenen Wertpapiere zu verstehen. Mit dieser Notierung beginnt der Börsenhandel in den Wertpapieren (§ 38 BörsG).
4.455
Wie die Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel erfordert auch die Einführung in den Börsenhandel einen Verwaltungsakt. Hierfür ist die Börsengeschäftsführung zuständig, § 38 BörsG. Werden zugelassene Wertpapiere allerdings nicht binnen drei Monaten nach Veröffentlichung der Zulassungsentscheidung eingeführt, erlischt die Zulassung der Wertpapiere, § 38 Abs. 3 BörsG.
4.456
1 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 194. 2 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 46; Fluck, WM 1995, 553 (557, 558); Klenke, WM 1995, 1089 (1100). 3 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 194. 4 Vgl. insoweit Wolf zum Neuen Markt, WM 2001, 485 (488 f. mwN). 5 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 51. 6 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 194. 7 Hammen, ZBB 2001, 84 (91).
Seiffert
|
415
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
2. Öffentlichrechtliche Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses
4.457
Mit der Zulassung der Wertpapiere erbringt die Börse eine Leistung an die Emittenten, deren wirtschaftliche Bedeutung vor allem in der Preisermittlung liegt1. Auch legen die Emittenten Wert darauf, die Wertpapiere jederzeit zu einem neutralen, transparenten und staatlich geregelten und überwachten Preis, wie ihn der Börsenpreis darstellt, veräußern zu können. Hinzu kommt, dass der Emittent durch die Preisnotierungen eine aktuelle Bewertungsgrundlage für seine weitere Geschäftspolitik, insbesondere für die Dividendenpolitik erhält2.
4.458
Dieses Leistungsverhältnis ist wie das Benutzungsverhältnis zwischen Börse und Handelsteilnehmer öffentlichrechtlich strukturiert.
4.459
So enthält insbesondere die Börsenordnung, mit deren Bestimmungen die Rechtsbeziehungen zwischen Börse und ihren Benutzern geregelt werden, auch Regelungen für das Leistungsverhältnis zwischen der Börse und den zugelassenen Emittenten.
4.460
Ein weiteres Argument für die öffentlichrechtliche Struktur dieses Benutzungsverhältnisses ist, dass die Börse hoheitliche Befugnisse ausüben kann. Dies gilt insbesondere bei der Aussetzung der Preisfeststellung.
4.461
Schließlich wird die öffentlichrechtliche Ausgestaltung dieses Leistungsverhältnisses dadurch deutlich, dass die Emittenten für die Zulassung ihrer Wertpapiere eine Gebühr zu entrichten haben, mit der die Tätigkeit der Börsenorgane und die Inanspruchnahme der Börseneinrichtungen abgegolten werden3. Hierfür wird derzeit eine jährlich zu entrichtende Gebühr erhoben (§ 14 Abs. 1 Nr. 3–5 BörsG). Der Gegenleistungscharakter der von der Emittentin zu zahlenden Gebühr als „Benutzungsgebühr“ wird auch begründet durch den Wettbewerb insbesondere mit den ausländischen Wertpapierbörsen und multilateralen Handelssystemen4. Die organisatorischen Vorkehrungen für die Preisfeststellungen sind naturgemäß auf eine fortdauernde Tätigkeit angelegt. Die Dienstleistungen der Börse an die Emittenten gehen also über die bloße Einführung der Wertpapiere in den Börsenhandel hinaus5 und sind deshalb wie bei den Dienstleistungen an die Handelsteilnehmer auf Dauer angelegt.
3. Beendigung des Benutzungsverhältnisses
4.462
Die Zulassung von Wertpapieren zum Regulierten Markt kann unter bestimmten Voraussetzungen wie die Zulassung zur Teilnahme am Börsenhan1 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 38 (51). 2 Gericke, Die Börsenzulassung von Wertpapieren, 1961, S. 91; Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 47; VG Frankfurt v. 8.11.2004 – 9 E 911/04, Rz. 15. 3 Vgl. Gebührenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse (Stand: 1.1.2010); abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 4 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 48 (52). 5 Olenhusen, Börsen- und Kartellrecht, 1983, S. 48.
416
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Seiffert
4. Teil
Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten
del von Gesetzes wegen1 enden oder widerrufen werden (§ 39 BörsG). Die Zulässigkeit eines solchen Widerrufs ist jedoch wesentlich schwieriger zu beurteilen als bei der Zulassung zum Börsenhandel. Denn durch das Ausscheiden der Wertpapiere aus dem bisherigen Börsenhandel können schutzwürdige Interessen der Anleger auf die Fortdauer der Börsenzulassung beeinträchtigt werden. a) Rücknahme und Widerruf der Zulassung Wie bei der Zulassung der Börsenbesucher zum Börsenhandel gelten auch für die Aufhebung der Zulassung von Wertpapieren zum Regulierten Markt die allgemeinen Regelungen für die Rücknahmen und den Widerruf eines Verwaltungsaktes (§§ 48, 49 VwVfG)2. Bei einem Widerruf sind insbesondere die einschränkenden Bestimmungen des § 49 Abs. 2 VwVfG zu beachten, die für den Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten gelten. Auch bei der Zulassung von Wertpapieren handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt3. Der Emittent hat zudem einen Anspruch auf diese Zulassung, wenn die hierfür bestehenden Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. § 32 Abs. 3 BörsG).
4.463
Das Börsengesetz hat im Übrigen das Widerrufsrecht der Wertpapierbörse in zweierlei Hinsicht verankert. So kann die Zulassung zum Regulierten Markt widerrufen werden, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist und die Börsengeschäftsführung die Notierung im Regulierten Markt eingestellt hat (§ 39 Abs. 1 Alt. 1 BörsG). Des Weiteren kann die Zulassung zum Regulierten Markt widerrufen werden, wenn die Emittentin die aus dieser Zulassung resultierenden Pflichten des Börsengesetzes auch nach einer angemessenen Frist nicht erfüllt hat (§ 39 Abs. 1 Alt. 2 BörsG).
4.464
Bei der Entscheidung über die Rücknahme oder den Widerruf ist möglichst auch auf die Interessen der Anleger als Eigentümer der Wertpapiere Rücksicht zu nehmen4. b) Beendigung des Benutzungsverhältnisses auf Verlangen des Emittenten Der Emittent kann auf sein Recht aus der Zulassung und Einbeziehung seiner Wertpapiere in den Börsenhandel einseitig verzichten (Delisting)5; die Zulassung als begünstigender Verwaltungsakt erlischt auch durch Erledigung ge1 Der Widerruf der Zulassung zum regulierten Markt ist auf Grund der Ermächtigungsnorm des Börsengesetzes (§ 39 Abs. 2 BörsG) in der Börsenordnung zu regeln (vgl. hierzu etwa §§ 61, 62 BörsO FWB). 2 Schlüter, Börsenhandelrecht, 2. Aufl. 2002, G Rz. 536 f. u. 741 ff.; Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 194. 3 Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 47. 23. 4 Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 47. 23. 5 Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739 ff.; Pötzsch, WM 1998, 949 (952); Groß, ZHR 165 (2001), 141 ff.; Streit, ZIP 2002, 1279 ff. mwN.
Seiffert
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417
4.465
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
mäß § 43 Abs. 2 KvVfG, etwa bei Formwechsel, Verschmelzung, Aufspaltung oder Eingliederung1. aa) Gesetzliche Regelung des Delisting
4.466
Bereits durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz wurde für das Delisting eine rechtliche Grundlage geschaffen. Die in § 39 Abs. 2 BörsG enthaltene Regelung stellt weiterhin einen Kompromiss dar. Danach kann die Geschäftsführung die Zulassung zum Regulierten Markt auf Antrag des Emittenten widerrufen. Der Widerruf darf aber nicht dem Schutz der Anleger widersprechen. Nähere Bestimmungen über den Widerruf sind in der Börsenordnung zu treffen.
4.467
Bei dieser Regelung handelte es sich um einen börsenpolitischen Kompromiss, der den Bedenken des Bundesrates2 und derjenigen Börsen Rechnung trägt, die im Falle einer großzügigen Delisting-Regelung verstärkt den Rückzug großer Emittenten befürchteten3. Die Entscheidung der Geschäftsführung ist als Ermessensentscheidung ausgestaltet und nicht als eine gebundene Entscheidung. Der Widerruf darf aber in keinem Fall dem Schutz der Anleger widersprechen4.
4.468
Die in der Börsenordnung zu treffenden Bestimmungen haben nach den Gesetzesmaterialien den Interessen der Anleger und der Emittenten als hiervon Betroffene Rechnung zu tragen5. Dagegen sind entgegen die Interessen der Börsen, ihrer Träger und der an der Börse zugelassenen Handelsteilnehmer für die Entscheidung über den Widerruf richtigerweise unerheblich6. Eine Bestimmung in der Börsenordnung, nach der bei der Beurteilung der Voraussetzungen eines Widerrufes auch andere Interessen als diejenigen des Emittenten und der Anleger zu berücksichtigen sind oder berücksichtigt werden können, dürfte nach den Gesetzesmaterialien wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam sein7.
4.469
Ist nach der gesetzlichen Regelung vor allem den Interessen der Anleger Rechnung zu tragen, so ist wegen der sehr unterschiedlichen Konsequenzen des Delisting für die schutzwürdigen Anlegerinteressen zu unterscheiden, ob ein vollständiger Rückzug vom Börsenhandel (Going Private) oder nur eine Konzentration auf eine bestimmte in- oder ausländische Wertpapierbörse be-
1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 39 BörsG Rz. 4; Kümpel/Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 144. 2 BT-Drucks. 13/8933, S. 164 f. 3 Pötzsch, WM 1998, 949 (952). 4 Pötzsch, WM 1998, 949 (952); Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613 (1618). Vgl. weiter VG Frankfurt, das § 43 Abs. 4 BörsG aF drittschützenden Charakter iS von § 42 Abs. 2 VwGO zugesprochen hat (VG Frankfurt/M. v. 17.6.2002 – 9 E 2285/01(V), WM 2002, 1658 [1660 f.]); Groß, Kapitalmarktrecht, § 39 BörsG Rz. 15. 5 BT-Drucks. 13/9874, S. 131. 6 BT-Drucks. 13/9874, S. 131; Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613 (1618). 7 Pötzsch, WM 1998, 949 (952).
418
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Seiffert
4. Teil
Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten
zweckt ist1 oder der Wechsel vom regulierten Markt in den Freiverkehr (Downgrading) bezweckt ist2. bb) Going Private Beim Going Private ergeben sich eine Vielzahl von recht unterschiedlich zu gewichtenden Nachteilen für das Anlegerpublikum. Der schwerwiegenste Nachteil besteht darin, dass den Wertpapiereigentümern der Weg zur Veräußerung über einen börsenmäßig organisierten Wertpapierhandel versperrt ist. Dieser Börsenhandel soll nicht nur eine kurzfristige Veräußerung, sondern auch die Erzielung eines marktgerechten und staatlich geregelten und überwachten Börsenpreises im Rahmen einer transparenten, neutralitätswahrenden Preisermittlung gewährleisten. Die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse sieht deshalb vor, dass der Schutz der Anleger nur dann einem Widerruf der Zulassung durch die Geschäftsführung nicht entgegensteht, wenn auch nach Wirksamwerden des Widerrufs die Zulassung und der Handel an einem inländischen oder ausländischen organisierten Markt iS des Wertpapierhandelsgesetzes (§ 2 Abs. 5) gewährleistet erscheint oder den Anlegern nach Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung ausreichend Zeit verbleibt, die vom Widerruf betroffenen Wertpapiere über die Börse zu veräußern (§ 61 Abs. 1 BörsO FWB) (sog. „Fristenlösung“)3.
4.470
Mit dem Going Private sind regelmäßig weitere schwerwiegende Nachteile für das Anlegerpublikum verbunden. So knüpfen die vielfältigen Publizitätsund Verhaltenspflichten des Börsen- und Wertpapierhandelsgesetzes daran an, dass die Wertpapiere an der Börse gehandelt werden. Vor allem die kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten (§§ 40 ff. BörsG) und die Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG) setzen eine Zulassung zum Regulierten Markt voraus. Auch knüpft die Pflicht zur Offenlegung wesentlicher Beteiligungen an die Zulassung der Emittentin zum Regulierten Markt an (§ 21 Abs. 2 WpHG). Die hierdurch geschaffene Transparenz der Aktionärsstruktur ist ein wichtiger Aspekt für Anlagedispositionen der Anleger, insbesondere der institutionellen Investoren des In- und Auslandes. Des Weiteren erfordert die gesetzliche Insiderregelung der §§ 12 ff. WpHG, die eine Verletzung des Gebotes der Chancengleichheit aller Anleger durch die unrechtmäßige Verwendung von Insiderinformationen verhindern soll4, eine Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel einschließlich des Freiverkehrs. Im Übrigen knüpft das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation (§ 20a WpHG) an eine Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel an.
4.471
Diese gravierenden Nachteile eines „Going Private“ treffen insbesondere die Aktionäre. Diese Anleger bedürfen deshalb nach einer weit verbreiteten An-
4.472
1 Klenke, WM 1995, 1089 (1098); Seibt/Wollenschläger AG 2009, 807 (808). 2 Hierzu Groß, Kapitalmarktrecht, § 39 BörsG Rz. 16; Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807 (809), was aber zu einer Beendigung der Zulassung führt. 3 Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 35 Rz. 19. 4 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33.
Seiffert
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419
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
sicht nicht nur eines kapitalmarktrechtlichen, sondern auch eines gesellschaftsrechtlichen Schutzes. Beim vollständigen Rückzug von den Börsen müsste nach dieser Meinung die Hauptversammlung der Emittenten mitwirken1. Nach der Macrotron-Entscheidung des BGH v. 25.11.2002 bedarf es eines mit einfacher Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschlusses und eines Kaufangebotes in Höhe des vollen Wertes des Aktieneigentums2. cc) Vollständiger Rückzug ausländischer Emittenten von deutschen Wertpapierbörsen
4.473
Auch bei dem Sonderfall des Rückzuges ausländischer Emittenten von allen deutschen Börsen und der Konzentration auf die ausländischen Heimatbörsen werden die den Anleger belastenden Nachteile eines Going Private vermieden3.
4.474
Entscheidend für die generelle Zulässigkeit eines Verzichts dürfte sein, dass auch bei einem solchen Delisting die Wertpapiere weiterhin börsenmäßig gehandelt werden. Im Zuge der Globalisierung der Wertpapiermärkte dürften sich bei der späteren Veräußerung der Wertpapiere an einem ausländischen Markt regelmäßig auch keine gravierenden zeit- und kostenmäßigen Nachteile ergeben, die wegen des gebotenen Anlegerschutzes einen solchen vollständigen Rückzug von den inländischen Wertpapierbörsen unzulässig erscheinen lassen könnten.
4.475
Dies hat insbesondere in den Fällen zu gelten, in denen der für die Veräußerung in Betracht kommende ausländische Markt aus der Sicht des Anlegerschutzes dem inländischen Börsenmarkt vergleichbar organisiert ist. Die ausländische Marktveranstaltung muss deshalb regelmäßig stattfinden und dem Publikum zumindest mittelbar über Marktintermediäre zugänglich sein, wie dies dem vom Wertpapierhandelsgesetz verwendeten Begriff des organisierten Marktes entspricht (vgl. § 2 Abs. 5 WpHG). Nach den Gesetzesmaterialien sollte eine entsprechende Regelung in der Börsenordnung aufgenommen werden4. Die Frankfurter Wertpapierbörse ist der Aufforderung nachgekommen. Die Börsenordnung behandelt die Fälle des Rückzugs auf einen inländischen organisierten Markt und des Rückzugs auf einen ausländischen organisierten Markt gleich (§ 61 Abs. 1 BörsO FWB). Einziger Unterschied ist eine regelmäßige Widerrufsfrist von drei Monaten an Stelle sofortiger Wirksamkeit (§ 61 Abs. 2 BörsO FWB).
4.476
Beim Abwägen des Rückzugsinteresses des Emittenten mit dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Börsenzulassung dürfte auch nicht ins 1 LG München I v. 4.11.1999 – 5 HK O 10580/99, ZIP 1999, 2017 (2019); OLG München v. 14.2.2001 – 7 U 6019/99, DB 2001, 747 (748); Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459 (480); vgl. weiter Grupp, Der Börseneintritt und der Börsenaustritt im Spannungsfeld individueller und institutioneller Interessen, 1995; Klenke, WM 1995, 1089 (1099); kritisch Mülbert, ZHR 165 (2001), 104 (129 ff.); Groß, ZHR 165 (2001), 141 (161 ff.); Bungert, BB 2000, 53 (55 f.); Martinius/Schiffer, DB 2001, 750. 2 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, DB 2003, 544 ff. mit Anm. von Heide. 3 Einschränkend Groß, ZHR 2001 (165), S. 141 (154). 4 Vgl. Pötzsch, WM 1998, 949 (952).
420
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Seiffert
4. Teil
Benutzungsverhältnis der Börse zu Handelsteilnehmern und Emittenten
Gewicht fallen, dass bei einem vollständigen Rückzug von den deutschen Börsen die börsengesetzlichen Verhaltens- und Publizitätspflichten der Emittentin entfallen und auch die an die Börsenzulassung anknüpfenden insiderund transparenzrechtlichen Bestimmungen der §§ 12 ff., 21 ff. WpHG nicht mehr anwendbar wären. Denn auch bei einer Konzentration auf eine ausländische Börse dürfte regelmäßig gewährleistet werden können, dass der mit diesen deutschen Gesetzesbestimmungen verfolgte Anlegerschutz im Wesentlichen erhalten bleibt. Auch hinsichtlich der kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten der Emittenten dürfte regelmäßig die angemessene Information des Anlegers gewährleistet bleiben. Dies gilt insbesondere für die Ad-hoc-Publizität und die Offenlegung bedeutender Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften, wie sie in §§ 15, 21 ff. WpHG geregelt worden sind. So wird insbesondere die Ad-hocPublizität auch in ausländischen Staaten mit vergleichbaren kapitalmarktrechtlichen Standards praktiziert. Die vorgeschriebene Offenlegung von bedeutenden Beteiligungen ist durch die frühere EG-Transparenz-Richtlinie (abgelöst durch die Richtlinie 2001/34/EG1) harmonisiert worden. Sie entspricht zudem den internationalen Standards, wie sie auch in den vergleichbaren außereuropäischen Kapitalmärkten praktiziert werden2. Die Globalisierung der Märkte und die Sicherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Marktes führen dazu, dass die für den Anlegerschutz wesentlichen Standards weitestmöglich harmonisiert werden.
4.477
Schließlich kennt auch das Ausland einen vergleichbaren Schutz der Anleger vor sie benachteiligenden Insidergeschäften.
4.478
Beim Abwägen des Rückzugsinteresses des Emittenten mit dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Börsenzulassung können schließlich verfassungsrechtliche Aspekte nicht unberücksichtigt bleiben. So dürfte insbesondere die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) nicht nur den Zugang zur Börse, sondern grundsätzlich auch den Rückzug als Ausübung unternehmerischer Freiheit schützen. Denn die verfassungsrechtlich abgesicherte Marktfreiheit ist ohne die Freiheit zum Rückzug vom Markt nicht denkbar. Auch mit dem Verzicht auf die Börsenzulassung wird deshalb ein Grundrecht berührt3. Bei Einschränkungen des Verzichts auf die Börsenzulassung dürften deshalb die verfassungsrechtlichen Grundsätze für Eingriffe in Grundrechte zu beachten sein. Dies gilt insbesondere für das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den sog. Gesetzesvorbehalt, der für solche Verwaltungseingriffe eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung erfordert4.
4.479
1 Richtlinie 2001/34/EG des europäischen Parlaments und des Rates über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001. 2 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 35, 52. 3 Fluck, WM 1995, 553 (556). 4 Wegen dieses verfassungsrechtlichen Aspektes vgl. Fluck, WM 1995, 553 (554, 556).
Seiffert
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421
4. Teil
Börsen und andere Handelssysteme
4.480
Für die generelle Zulässigkeit eines vollständigen Rückzuges von den deutschen Wertpapierbörsen spricht schließlich der kapitalmarktpolitische Aspekt, dass sich unangemessene Schranken für einen solchen späteren Marktaustritt als kapitalmarktpolitisch unerwünschte Marktzutrittsschranken für ausländische Emittenten auswirken könnten1. Dies umso mehr, als bedeutende ausländische Wertpapierbörsen wie zB die Börse in Tokio und die Zürcher Effektenbörse den Rückzug ausländischer Emittenten ermöglichen. Dort wird dem Antrag auf das Delisting stattgegeben, wenn schützenswerte Interessen der Anleger nicht beeinträchtigt werden2.
4.481
Es entspricht im Übrigen den Intentionen des deutschen Gesetzgebers, durch gesetzgeberische Maßnahmen nicht dazu beizutragen, dass ausländische Emittenten den deutschen Wertpapierbörsen fern bleiben. Aus diesem Grunde ist die Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG) bewusst nicht auf den Freiverkehr an den deutschen Wertpapierbörsen ausgedehnt worden. Im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Börsen sollte nach den Gesetzesmaterialien mit dieser Freistellung der Gefahr Rechnung getragen werden, dass der börseninterne Freiverkehr „austrocknet“, weil insbesondere die ausländischen Emittenten wegen einer für sie nicht akzeptablen Ad-hoc-Publizität dem Handel ihrer Wertpapiere im Freiverkehr widersprechen könnten3.
1 Vgl. Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459 (479). 2 Klenke, WM 1995, 1089 (1094); Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739 (770). 3 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 76.
422
|
Seiffert
5. Teil Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken Rz. 1. Abschnitt: Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) . . I. Einführung
1
. . . . . . . . . . .
1
II. Weg zur Währungsunion . . . .
4
III. Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Europäischen Zentralbank (EZB) . . . . . . . . 1. Vorbereitungsaufgaben in Stufe 1 der WWU . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Währungsinstitut in Stufe 2 der WWU . . . . . . . 3. Wechselkursmechanismus II . . 4. Stabilitäts- und Wachstumspakt 5. Konvergenzkriterien . . . . . . . 6. Stufe 3 der WWU . . . . . . . . 7. Euro-Gruppe . . . . . . . . . . .
11 12 13 15 16 17 18 20
III. Weitere Aufgaben . . . . . . . 1. Verbot der monetären Finanzierung sowie des bevorrechtigten Zugangs . . . . . . . . . . . . 2. Wahrnehmung der Aufgaben des Europäischen Währungsinstitutes (EWI) . . . . . . . . IV. Unabhängigkeit . . . . . . . . 1. Institutionelle Unabhängigkeit 2. Finanzielle Unabhängigkeit . . 3. Personelle Unabhängigkeit . . 4. Funktionale und operationelle Unabhängigkeit . . . . . . . . V. Transparenz und Rechenschaftspflicht . . . . . . . . . VI. Gerichtliche Kontrolle . . . . .
2. Abschnitt: Europäisches System der Zentralbanken und Eurosystem . . .
26
I. Europäisches System der Zentralbanken . . . . . . . . . . . .
26
II. Eurosystem . . . . . . . . . . .
28
III. Mitgliedstaaten mit Sonderstatus . . . . . . . . . . . . . .
31
IV. Rechtspersönlichkeit . . . . . .
34
V. Gesamtverantwortung und Arbeitsteilung . . . . . . . . . .
35
3. Abschnitt: Europäische Zentralbank (EZB) . . . . . .
51
I. Rechtsstellung . . . . . . . . . 1. Rechtspersönlichkeit . . . . . . 2. Beziehung zum Sitzstaat . . . .
53 55 58
II. Normative Rechtssetzungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . 1. EZB-Rechtsinstrumente . . . . . a) Eurosysteminterne Rechtsinstrumente . . . . . . . . . . b) Externe Regelungsbefugnisse . 2. Beratende Tätigkeiten . . . . . .
a) Empfehlungen . . . . . . . . b) Beratungsfunktion . . . . . .
59 60 62 66 70
VII. Organe der EZB . . . . 1. EZB-Rat . . . . . . . . 2. Direktorium . . . . . . 3. Erweiterter Rat der EZB
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
Rz. 71 73 76
76
78 79 82 84 86 88 94 98 101 103 110 118
4. Abschnitt: Der Euro als europäische Währung . . . 126 I. Einheitliche Währung . . . . . . 126 1. Währungsumstellung . . . . . . 130 2. Name der einheitlichen Währung . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Rechtsrahmen für den Euro . . . 1. Unionsrechtliche Regelungen . . a) Euro-Verordnung I . . . . . . aa) Kontinuität der Verträge . bb) Ersetzung der Europäischen Währungseinheit ECU . . . cc) Umrechnungs- und Rundungsregeln . . . . . . . . b) Euro-Verordnung II . . . . . . 2. Nationale Bestimmungen . . . . a) Erstes Euro-Einführungsgesetz aa) Überleitung von Referenzzinssätzen . . . . . . . . . bb) Wertsicherungsklauseln . .
Löber
|
137 138 141 143 145 147 152 154 155 157 161
423
5. Teil Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken Rz. 1. Abschnitt: Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) . . I. Einführung
1
. . . . . . . . . . .
1
II. Weg zur Währungsunion . . . .
4
III. Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Europäischen Zentralbank (EZB) . . . . . . . . 1. Vorbereitungsaufgaben in Stufe 1 der WWU . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Währungsinstitut in Stufe 2 der WWU . . . . . . . 3. Wechselkursmechanismus II . . 4. Stabilitäts- und Wachstumspakt 5. Konvergenzkriterien . . . . . . . 6. Stufe 3 der WWU . . . . . . . . 7. Euro-Gruppe . . . . . . . . . . .
11 12 13 15 16 17 18 20
III. Weitere Aufgaben . . . . . . . 1. Verbot der monetären Finanzierung sowie des bevorrechtigten Zugangs . . . . . . . . . . . . 2. Wahrnehmung der Aufgaben des Europäischen Währungsinstitutes (EWI) . . . . . . . . IV. Unabhängigkeit . . . . . . . . 1. Institutionelle Unabhängigkeit 2. Finanzielle Unabhängigkeit . . 3. Personelle Unabhängigkeit . . 4. Funktionale und operationelle Unabhängigkeit . . . . . . . . V. Transparenz und Rechenschaftspflicht . . . . . . . . . VI. Gerichtliche Kontrolle . . . . .
2. Abschnitt: Europäisches System der Zentralbanken und Eurosystem . . .
26
I. Europäisches System der Zentralbanken . . . . . . . . . . . .
26
II. Eurosystem . . . . . . . . . . .
28
III. Mitgliedstaaten mit Sonderstatus . . . . . . . . . . . . . .
31
IV. Rechtspersönlichkeit . . . . . .
34
V. Gesamtverantwortung und Arbeitsteilung . . . . . . . . . .
35
3. Abschnitt: Europäische Zentralbank (EZB) . . . . . .
51
I. Rechtsstellung . . . . . . . . . 1. Rechtspersönlichkeit . . . . . . 2. Beziehung zum Sitzstaat . . . .
53 55 58
II. Normative Rechtssetzungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . 1. EZB-Rechtsinstrumente . . . . . a) Eurosysteminterne Rechtsinstrumente . . . . . . . . . . b) Externe Regelungsbefugnisse . 2. Beratende Tätigkeiten . . . . . .
a) Empfehlungen . . . . . . . . b) Beratungsfunktion . . . . . .
59 60 62 66 70
VII. Organe der EZB . . . . 1. EZB-Rat . . . . . . . . 2. Direktorium . . . . . . 3. Erweiterter Rat der EZB
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
Rz. 71 73 76
76
78 79 82 84 86 88 94 98 101 103 110 118
4. Abschnitt: Der Euro als europäische Währung . . . 126 I. Einheitliche Währung . . . . . . 126 1. Währungsumstellung . . . . . . 130 2. Name der einheitlichen Währung . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Rechtsrahmen für den Euro . . . 1. Unionsrechtliche Regelungen . . a) Euro-Verordnung I . . . . . . aa) Kontinuität der Verträge . bb) Ersetzung der Europäischen Währungseinheit ECU . . . cc) Umrechnungs- und Rundungsregeln . . . . . . . . b) Euro-Verordnung II . . . . . . 2. Nationale Bestimmungen . . . . a) Erstes Euro-Einführungsgesetz aa) Überleitung von Referenzzinssätzen . . . . . . . . . bb) Wertsicherungsklauseln . .
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137 138 141 143 145 147 152 154 155 157 161
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
cc) Börsennotierungen . . . dd) Umstellung von Schuldverschreibungen . . . . ee) Sonstige Regelungen . . b) Zweites Euro-Einführungsgesetz . . . . . . . . . . . . c) Drittes Euro-Einführungsgesetz . . . . . . . . . . . .
Rz. . 164 . 165 . 166 . 169 . 170
III. Der Euro in der Übergangszeit vom 1.1.1999 bis 31.12.2001 . . 172 1. Rechtsinstrumente . . . . . . . 174 2. Zahlungsmittel . . . . . . . . . 176 IV. Euro-Bargeld . . . . . . . . 1. Euro-Banknoten . . . . . . . 2. Münzen . . . . . . . . . . . 3. Schutz gegen Geldfälschung V. Der Euro und Drittwährungen
. . . .
. . . .
183 185 192 196
. 200
5. Abschnitt: Ziele und Aufgaben des Eurosystems . . . 211 I. Preisstabilität . . . . . . . . . . 211 II. Grundlegende Aufgaben . . . . . 1. Einheitliche Geldpolitik . . . . 2. Devisengeschäfte und Wechselkurspolitik . . . . . . . . . . . a) Devisengeschäfte . . . . . . . b) Institutioneller Rahmen für die Wechselkurspolitik . . . . c) Wechselkursmechanismus II . 3. Währungsreserven . . . . . . . . a) Währungsreserven der EZB . . b) Verwaltung der Währungsreserven der EZB und der NZBen . . . . . . . . . . . . c) Verwaltung der Goldbestände 4. Zahlungs-, Verrechnungs- und Abwicklungssysteme . . . . . . a) Bereitstellung von Zahlungsund Wertpapierabwicklungssystemen . . . . . . . . . . . aa) TARGET2 . . . . . . . . bb) Andere Zahlungsdienstleistungen des Eurosystems . . . . . . . . . . . cc) Tätigkeiten als Zentralverwahrer von Wertpapieren . dd) TARGET2-Securities (T2S) ee) CCBM2 . . . . . . . . . . b) Finanzmarktinfrastrukturüberwachung . . . . . . . . .
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213 214 217 218 221 222 225 226
229 233 234
242 243
254 255 256 262 263
Rz. aa) Zahlungsverkehrssysteme und -instrumente . . . . . bb) Verrechnungs- und Abwicklungssysteme . . . cc) Sonstige Infrastrukturen . c) Finanzmarktintegration . . . . 5. Bankenaufsicht und Stabilität des Finanzsystems . . . . . . . . a) Bankenaufsicht . . . . . . . . b) Finanzstabilität . . . . . . . . c) Beitrag des Eurosystems und der EZB . . . . . . . . . . . . 6. Statistik . . . . . . . . . . . . . 7. Andere Aufgaben und sonstige Geschäfte der NZBen . . . . . .
267 270 274 275 276 277 280 283 288 291
6. Abschnitt: Einheitliche Geldpolitik . . . . . . . . 301 I. Geldpolitische Strategie . . . . . 1. Definition von Preisstabilität . . 2. Transmissionsmechanismus der Geldpolitik . . . . . . . . . . . 3. Auswahl der geldpolitischen Strategie . . . . . . . . . . . . . 4. Zwei Säulen der geldpolitischen Strategie der EZB . . . . . . . . 5. Referenzwert für das Geldmengenwachstum . . . . . . . . . .
303 306 308 312 316 320
II. Geldpolitisches Instrumentarium 323 1. Rechtsrahmen des geldpolitischen Instrumentariums . . . . 324 2. Umsetzung durch die nationalen Zentralbanken . . . . . . . . . . 327 III. Die einzelnen geldpolitischen Instrumente des Eurosystems . . 1. Offenmarktgeschäfte . . . . . . a) Instrumente . . . . . . . . . . aa) Befristete Transaktionen . bb) Definitive Käufe und Verkäufe . . . . . . . . . . . cc) Emission von EZB-Schuldverschreibungen . . . . . . dd) Devisenswapgeschäfte . . ee) Hereinnahme von Termineinlagen . . . . . . . . . . b) Durchführung der Offenmarktgeschäfte . . . . . . . . aa) Tenderverfahren . . . . . bb) Bilaterale Geschäfte . . . . c) Kategorien von Offenmarktgeschäften . . . . . . . . . . .
329 330 333 333 336 337 340 341 342 343 348 351
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken Rz. aa) Hauptrefinanzierungsgeschäfte . . . . . . . . . bb) Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte . . . . . . cc) Feinsteuerungsoperationen dd) Strukturelle Operationen . 2. Ständige Fazilitäten . . . . . . . a) Spitzenrefinanzierungsfazilität b) Einlagefazilität . . . . . . . . 3. Mindestreserven . . . . . . . . . 4. Der geldpolitische Handlungsrahmen in Zeiten erhöhter Marktvolatilität . . . . . . . . . IV. Geschäftspartner
353 356 357 359 360 362 364 365
373
. . . . . . . . 380
V. Sicherheiten . . . . . . . . . . . 1. Refinanzierungsfähige Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . a) Marktfähige Sicherheiten . . . b) Nichtmarktfähige Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . c) Bonitätsanforderungen . . . . d) Zusammensetzung der notenbankfähigen Sicherheiten . . . e) Refinanzierungsfähige Sicherheiten und Finanzmarktturbulenzen . . . . . . . . . . . 2. Nutzung von Sicherheiten gegenüber der Bundesbank . . . 3. Grenzüberschreitende Nutzung von Sicherheiten . . . . . . . . a) Das Korrespondenz-Zentralbank-Modell . . . . . . . . . b) Verbindungen zwischen Wertpapierabwicklungssystemen .
382 384 389 392 394 397
400 402 405 406 408
Rz. 7. Abschnitt: Die Deutsche Bundesbank . . . . . . . . . 416 I. Rechtsrahmen und Integration ins Eurosystem . . . . . . . . . 417 II. Rechtsstellung und Organisation der Bundesbank . . . . . . . . . 1. Organisationsform der Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . 2. Trägerin öffentlicher Verwaltung und integraler Bestandteil des Eurosystems . . . . . . . . . . . 3. Organisation der Bundesbank . . a) Vorstand . . . . . . . . . . . b) Präsident der Bundesbank . . . c) Hauptverwaltungen und Filialen . . . . . . . . . . . . d) Stellung der Glieder der Bundesbank . . . . . . . . . . . . III. Aufgaben der Deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mitwirkung bei Umsetzung der Geldpolitik des Eurosystems . . a) Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . . . b) Umsetzung der Geldpolitik durch die Bundesbank auf zivilrechtlicher Ebene . . . . . c) Geschäftspartner der Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs . . . . . . . . . . 3. Bargeldversorgung . . . . . . . . 4. Verwaltung der Währungsreserven 5. Unterstützung der Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . .
420 424
429 434 437 442 443 448 451 454
458
462 465 467 476 478 479
Schrifttum: Arda, Consulting the European Central Bank, European Banking and Financial Law Journal (Euredia) 2004, 111; Aspetsberger/Schubert, OeNB-Studien 1993, 110; Bartels, Umstellung verbriefter Altschulden auf Euro, WM 1997, 1313; Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, 1959; Berg, Die öffentliche Anstalt, NJW 1985, 2294; BIZ, Grundprinzipien für Zahlungsverkehrssysteme, die für die Stabilität des Finanzsystems bedeutsam sind, 2001; BIZ, CPSS/IOSCO Recommendations for Securities Settlement Systems, 2001; BIZ, CPSS/IOSCO Recommendations for Central Counterparties, 2004; Bofinger, Monetary Policy, 2001; BMF, Fünfter Bericht des Arbeitsstabes Europäische Wirtschafts- und Währungsunion des Bundesfinanzministeriums, 2001; Clausius, Vertragskontinuität und Anpassungsbedarf, NJW 1998, 3148; Coburger, Die währungspolitische Befugnisse der Deutschen Bundesbank, 1988; Coburger, Mindestreserve- und Diskontpolitik der deutschen Bundesbank aus rechtlicher Sicht, WM 1989, 1005; Deutsche Bundesbank, Informationsbrief zur WWU Nr. 10, Februar 1998; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2000; Deutsche Bundesbank, Allgemeine Geschäftsbedingungen
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
der Deutschen Bundesbank, Bankrechtliche Regelungen 5, 5. Ausgabe, Stand 15.3.2010; 2000, RTGSplus – Das neue Individual-Zahlungssystem der Deutschen Bundesbank, S. 61; Dickertmann/Siedenberg, Instrumentarium der Geldpolitik, 4. Aufl. 1984; Dierdorf, Neugestaltung der Währungsverfassung, NJW 1998, 3145; Dolzer/Waldhoff/Graßhof, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 56. Erg.Lfg. 2009, Art. 88; Endler, Europäische Zentralbank und Preisstabilität, 1998; Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010; EWI, Jahresbericht 1997; EWI, The European Monetary Institute, 1997; EWI, Die einheitliche Geldpolitik in Stufe 3, Festlegung des Handlungsrahmen, 1997; EZB, Standards for the use of EU securities settlement systems in ESCB credit operations, Januar 1998; EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2. Aufl. 2004; EZB, Konvergenzbericht, Mai 2000; EZB, Leitfaden zur Anhörung der Europäischen Zentralbank durch die nationalen Behörden zu Entwürfen für Rechtsvorschriften, 2005; EZB, Evaluation of the 2002 cash changeover, 2002; EZB, Oversight standards for euro retail payment systems, Juni 2003; EZB, Business Continuity Oversight Expectations for Systematically Important Payment Systems (SIPS), Juni 2006; EZB, Das Korrespondenzzentralbank-Modell (CCBM) – Verfahren für Geschäftspartner des Eurosystems, Mai 2005; EZB, Guide for the assessment against the business continuity oversight expectations for SIPS, November 2007; EZB, How the euro became our money. A short history of the euro banknotes and coins, 2007; EZB, Oversight framework for card payment schemes – Standards, Januar 2008; EZB, T2S – Settling without borders, 2009; EZB, Eurosystem Oversight Policy Framework, 2009; EZB, ECB statistics: an overview, April 2010; EZB, Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet – Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems, November 2008; EZB, Jahresbericht 2008; EZB, Monatsbericht Januar 1999, Die stabilitätsorientierte geldpolitische Strategie des Eurosystems, S. 43; EZB, Monatsbericht Juli 1999, Der institutionelle Rahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken; EZB, Monatsbericht November 1999, Die Rechtsinstrumente der Europäischen Zentralbank, S. 61; EZB, Monatsbericht April 2000, WWU und Bankenaufsicht, S. 53; EZB, Monatsbericht November 2000, Die zwei Säulen der geldpolitischen Strategie der EZB, S. 41; EZB, Monatsbericht April 2001, Die Rahmenregelungen für Sicherheiten des Eurosystems, S. 55; EZB, Monatsbericht April 2002, Die Rolle des Eurosystems bei Zahlungs- und Verrechnungssystemen, S. 51; EZB, Monatsbericht November 2002, Die Rechenschaftspflicht der EZB, S. 49; EZB, Monatsbericht Juni 2003, Ergebnis der von der EZB durchgeführten Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie, S. 87; EZB, Monatsbericht April 2006, Portfoliomanagement der EZB, S. 86; EZB, Monatsbericht Mai 2008, Preisstabilität und Wachstum, S. 79; EZB, Monatsbericht November 2009, Monetäre Analyse im Umfeld der Finanzmarktturbulenzen, S. 87; EZB, Monatsbericht Januar 2010, Der geldpolitische Kurs der EZB während der Finanzkrise, S. 67; EZB-Monatsbericht, 10 Jahre Euro, Sonderausgabe Mai 2008; EZB, Monatsbericht Januar 2009, Gemeinsame Erklärung zu den Goldbeständen, S. 59; EZB, Monatsbericht Juli 2009, Zur Umsetzung der Geldpolitik seit 2007. S. 85; Fögen, Geld- und Währungsrecht, 1969; Förster, Die Geldmenge als Zwischenzielgröße der Geldpolitik, Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 7, S. 160; Fröhlich, Die währungspolitischen Instrumente der Deutschen Bundesbank und ihrer Einordnung in die Regelungsbefugnisse des öffentlichen Rechts, 1983; Krumnow/Gramlich/Lange, Gabler Bank-Lexikon, 13. Aufl. 2002; Goebel, Court of Justice Oversight Over the European Central Bank: Delimiting the ECB's Constitutional Autonomy and Independence in the Olaf Judgment, 29 Fordham International Law Journal 2006, 610; Goppel, Die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips, EuZW 1993, 367; Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblatt; Gramlich, Bundesbankgesetz/ Währungsgesetz/Münzgesetz – Kommentar, 1988; Gruber, L'euro et les clauses d'indexation, Recueil Dalloz 1999, 258; Gruber/Benisch, Privileges and immunities of the European Central Bank, EZB, Juni 2007; Gruson, Die Einführung des Euro und DMAuslandsanleihen, WM 1998, 1474; Häde, Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, EuZW 1992, S. 171; Häde, Die Wirtschafts- und Währungsunion im Vertrag von Lissabon, Europarecht 2009, 200; Hafke, Einige rechtliche Anmerkungen zur Praxis der Autonomie im System der Europäischen Zentralbanken, FS Kümpel, 2003, S. 185; Hahn, Die Deutsche Bundesbank im Verfassungsrecht, BayVBl. 1982, 33, 70; Hahn, Der
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Vertrag von Maastricht als völkerrechtliche Übereinkunft und Verfassung, 1992; Hahn, Währungsrecht, 1990; Hakenberg, Das Euro-Einführungsgesetz, BB 1998, 1491; Hartenfels, Das Gesetz zur Einführung des Euro, Die Bank 1998, 302 (Teil I); Die Bank 1998, 377 (Teil II); Hartenfels, Euro – Bankrechtliche Aspekte am Morgen der Währungsunion, WM 1999, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1; Hopt, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen und internationalen Finanzmarktarchitektur, NZG, 2009, 1404; Issing, Der Euro, 2008; Issing/Gaspar/Angeloni/Tristani, Monetary Policy in the Euro Area, 2001; Jarchow, Theorie und Politik des Geldes, Band II, 5. Aufl. 1988; Junius/Kater/Meier/Müller, Handbuch Europäische Zentralbank, 2002; Kilb, Das Euro-Bargeld ist da, EuZW 2002, 5 ff.; Klanten, Zahlung mit Euro, NJW 1998, 3152; Konow, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, 2002; Krauskopf/Steven, Immunität ausländischer Zentralbanken im deutschen Recht, WM 2000, 269; Krauskopf/Steven, Einführung des Euro in außereuropäische Territorien und währungsrechtliche Regelungen im Verhältnis zu Drittstaaten, EuZW 1999, 650; Krauskopf/Steven, Introduction of the Euro in overseas Territories and Currency Arrangements with Third Countries, The Journal of International Banking Regulation (JIBR) 2000, 53; Währungsausschuss der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Kompendium von Gemeinschaftstexten im Bereich der Währungspolitik, Brüssel 1990; Laurinavicius/Löber/Weenink, Legal aspects of TARGET2, JIBR 2008, 1; Lipfert, Devisenhandel und Devisenoptionshandel, 4. Aufl. 1992; Löber, Grenzüberschreitender Zahlungsverkehr – Das europäische Umfeld, in Blesch/Lange (Hrsg.), Bankgeschäfte mit Auslandsbezug, 2008, S. 345; Löber, Das neue Target-System der europäischen Zentralbank, in Hadding/Nobbe (Hrsg.), Bankrecht 2000, 2000, S. 25; Löber/Pedersen, The TARGET System, European Banking and Financial Law Journal (Euredia) 2001, 157; Mann, Legal aspects of money, 5. Aufl. 1992; Wernhard Möschelm Zum Subsidaritätsprinzip im Vertrag von Maastricht, NJW 1993, 3025; Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 40. Aufl. 2000; Oesterreichische Nationalbank, Die österreichische Währungspolitik und die Europäische Gemeinschaft, 1993; Randelzhofer in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 56. Erg.Lfg. 2009; Reinhuber, Grundbegriffe und internationaler Anwendungsbereich von Währungsrecht, 1995; Rehbein, Die Einführung des Euro aus der Sicht bankgeschäftlicher Unternehmenspraxis, WM 1998, 997; Renger, Die Umstellung von Schuldverschreibungen – Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes über die Umstellung von Schuldverschreibungen auf Euro, WM 1997, 1873; Reumann, Die Europäische Zentralbank, 2001; Sáinz de Vicuña, The Status of the ECB, in Griller/Ziller (Hrsg.), The Lisbon Treaty, 2006, S. 302; Samm, „Geld“ und „Währung“ – begrifflich und mit Blick auf den Vertrag von Maastricht, FS Hahn, 1997, S. 227; Sandrock, Der Euro und sein Einfluss auf nationale und internationale privatrechtliche Verträge, BB 1997, Beilage 9 zu Heft 31, S. 1; Sauerzopf/Selmayr, Das Europäische System der Zentralbanken als Hüter eines stabilen Euro, Wirtschaftstreuhänder 1998, S. 12; Schefold, Die Europäischen Verordnungen über die Einführung des Euro, WM 1996, Sonderbeilage Nr. 4, S. 1; Schefold, Der Einfluss von EG-Währungsrecht auf die nationalen Zivilrechte, ZEuP 99, 271; Schefold, Referenzzinssätze und die Einführung des Euro, NJW 1998, 3155; Scheller, Die Europäische Zentralbank, 2. Aufl. 2006; Schlesinger, Das Konzept der Deutschen Bundesbank, in Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 10 (1988), S. 5; Schmidt, Die Zentralbank im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland, Der Staat Beiheft 5/1981, 61; Schmidt-Räntsch, Die Verwendung von Leitzinsen nach Einführung des Euro, ZBB 1998, 389; Schmidt-Räntsch, Vertragsrechtsfragen der Euro-Einführung, ZIP 1998, 2041; Schmidt/Räntsch, Wertsicherungsklauseln nach dem Euro-Einführungsgesetz, NJW 1998, 3166; Uwe H. Schneider, Die Vereinbarung und die Erfüllung von Geldschulden in Euro, DB 1996, 2477; Seidel, Konstitutionelle Schwäche der Währungsunion, Europarecht 2000, 861; Seidel, Nach der Aufgabe der DM nunmehr temporärer Wegfall der Stimmberechtigung Deutschlands im Gouverneursrat der EZB, EuZW 2008, 545; Selmayr, Die EZB als Neue Gemeinschaft – ein Fall für den EuGH?, Europablätter 1999, 170; Selmayr, Die Wirtschafts- und Währungsunion als Rechtsgemeinschaft, Archiv für öffentliches Recht 1999, 357; Servais, The future voting modalities of the ECB Governing Council, in the proceedings of the workshop „The European Integration Process: A Changing Environment for National Central Banks“, 2005, S. 246; Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, 1998; Smits, The European Cen-
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
tral Bank, 1997; Smits, The European Central Bank: Institutional Aspects, International Comparative Law Quarterly 45, 319; Sodan, Die funktionelle Unabhängigkeit der Zentralbanken, NJW 1999, 1521; Stadler, Der rechtliche Handlungsspielraum des Europäischen Systems der Zentralbanken, 1996; Stark, Notenbankunabhängigkeit in der Wirtschafts- und Währungsunion, WM 1999, 125; Tschekuschina, Rechtliche Aspekte der geldpolitischen Instrumente des ESZB, 2009; Vogler, Indexierungsverbot nach § 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz, NJW 1999, 1236; von Borries, Die Europäische Zentralbank als Gemeischaftsinstitution, ZEuS 1999, 281; von Borries/RepplingerHach, Rechtsfragen der Einführung der Europawährung, EuZW 1996, 492; von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 2003; Wahlig, Rechtsfragen zu privaten Verwendung der ECU in der Bundesrepublik Deutschland, WM 1985, 1053; Weber, Die Kompetenzverteilung in Europäischen System der Zentralbanken bei der Festlegung und Durchführung der Geldpolitik, 1995, 49; Waigel, Ein verbindlicher rechtlicher Rahmen für den Euro, WM 1997, 1322; Weinbörner, Die Stellung der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken in der Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht, 1998; Welteke/Simmert (Hrsg.), Die Europäische Zentralbank, 1999; Zilioli/Selmayr, The European Central Bank, its system and its law, European Banking and Financial Law Journal (Euredia) 1999, 187.
1. Abschnitt Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) I. Einführung
5.1
Zentralbanken in Europa standen für lange Zeit als Synonym für die Ausgabe und Verwaltung nationaler Währungen. Die nationalen Währungen waren (und sind teilweise noch) in vielen europäischen Staaten gleich bedeutend mit nationaler Souveränität. Die Bedeutung von Banknoten als Zahlungsmittel und die Relevanz der Geldmengensteuerung für die Geldwertstabilität haben dazu geführt, dass die mit der Emission von Bargeld und der Steuerung der Geldpolitik betrauten Institutionen, die Zentral- oder Notenbanken, eine immer wesentlichere Rolle im modernen Wirtschaftsleben und der Wirtschaftspolitik der jeweiligen Staaten übernommen haben.
5.2
Diese nationale Ausrichtung der Geld- und Währungspolitik wurde in der Europäischen Union („Union“) einem fundamentalen Paradigmenwechsel unterworfen. Die Entscheidung der Mitgliedsstaaten der Union elementare Zentralbankaufgaben auf die Gemeinschaftsebene zu übertragen führten zu einer grundsätzlichen Neuordnung des Zentralbankwesens in Europa, welche weltweit bislang einmalig ist. Zugleich wurde mit der Einführung einer einheitlichen europäischen Währung, dem Euro, sowie eines einheitlichen Geld- und Wechselkurses eine Integrationstiefe innerhalb eines wesentlichen Politikbereichs der Union geschaffen, welche auch nach dem Vertrag von Lissabon1 singulär verbleibt. 1 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13.12.2007, ABl. EU Nr. C 306 v. 17.12.2007, S. 1.
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5. Teil
Wirtschafts- und Währungsunion (WWU)
Mit der Schaffung einer einheitlichen Währung und einer gemeinsamen Geldund Währungspolitik mussten auch die notwendigen institutionellen Voraussetzungen geschaffen werden. Zu diesem Zweck wurde das Europäische System der Zentralbanken („ESZB“) gegründet. In diesem System wurden die sich die nationalen Zentralbanken („NZBen“) der Mitgliedsstaaten der Union und die neu errichtete Europäische Zentralbank („EZB“) zusammengeführt.
5.3
II. Weg zur Währungsunion Die Einführung des Euro und die Errichtung des ESZB ist das Resultat von fast fünfzig Jahren europäischer Integrationsbemühungen, welche erst in den 1990er Jahren ihren (vorläufigen) Abschluss gefunden haben1. Es handelt sich um einen Meilenstein im lang andauernden und schwierigen Integrationsprozess der europäischen Staaten und stellt eine der größten Herausforderungen dar, die in Europa bislang zu bewältigen waren.
5.4
Der Gedanke einer gemeinsamen Währung für die Mitgliedstaaten der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde erstmals im so genannten Marjolin-Memorandum der Europäischen Kommission v. 24.10.1962 angestoßen. In diesem Memorandum forderte die Kommission, dass die Zollunion bis Ende der Sechzigerjahre zu einer Wirtschaftsunion mit unwiderruflich festgelegten Wechselkursen zwischen den Währungen der Mitgliedstaaten ausgebaut werden solle. Dieses Memorandum zog jedoch zunächst keine weiteren Maßnahmen außer der Gründung eines Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (nachfolgend als „Ausschuss der Zentralbankpräsidenten“ bezeichnet) im Jahr 1964 nach sich. Der Ausschuss der Zentralbankpräsidenten ergänzte den in Art. 105 Abs. 2 des EWG-Vertrags vorgesehenen Währungsausschuss 2.
5.5
Ein erneuter Anlauf zur Schaffung einer Währungsunion wurde in der Folge eines Berichtes einer Expertenkommission unter der Leitung von Pierre Werner, dem damaligen Premierminister von Luxemburg, unternommen (sog. Werner-Bericht). Der 1970 veröffentlichte Bericht sah die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion in mehreren Stufen bis 1980 vor. In der Folge diese Berichtes vereinbarten die Mitgliedstaaten im März 1971 die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion3. In der ersten Stufe wurde ein System zur schrittweisen Verringerung der Schwankungsbandbreiten für
5.6
1 Vgl. ausführlich zu den Vorarbeiten Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 15 ff.; Weinbörner, Die Stellung der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken in der Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht, S. 3 ff.; Herdegen in Bonner Kommentar, Art. 88 GG Rz. 16 ff.; Wittelsberger in von der Groeben/Schwarze,Vorbem. zu Art. 98 bis 124 EGV Rz. 1 ff. 2 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), ABl. 1967 Nr. 152. 3 Entschließung des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten v. 22.3.1971 über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft, ABl. Nr. C 28 v. 27.3.1971, S. 1.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
die betroffenen nationalen Währungen der Mitgliedstaaten eingeführt, die so genannte „Währungsschlange“. Weitere Schritte blieben jedoch zunächst aus.
5.7
Im März 1979 wurde der währungspolitische Integrationsprozess mit der Gründung des Europäischen Währungssystems („EWS“) erneut ins Rollen gebracht. Die Gründung des EWS beruhte auf einer Entschließung des Europäischen Rates1, und seine Funktionsweise wurde in einem Abkommen zwischen den teilnehmenden Zentralbanken festgeschrieben2. Ein zentrales Element war die Einführung der Europäischen Währungseinheit (ECU), die als ein „Währungskorb“ definiert war, der sich aus feststehenden Beträgen der Währungen der Mitgliedstaaten zusammensetzte3. Neben der Vereinbarung eines Wechselkursmechanismus beinhaltete das EWS auch, die interne und externe Geldwertstabilität zu fördern, sowie die Anpassung der Geldpolitik und der Wirtschaftspolitik als Mittel zur Erreichung von Wechselkursstabilität.
5.8
Eine erneute Intensivierung des währungspolitischen Integrationsprozesses erfolgte erst mit der Einsetzung des sog. „Delors-Ausschusses“ im Juni 1988. Auf der Grundlage der Arbeitsergebnisse dieses Ausschusses, dem am 17.4.1989 vorgelegten „Delors-Bericht“4, beschloss der Europäische Rat in Madrid im Juni 1989 die Errichtung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) in drei Stufen. In der ersten Stufe sollte die Vollendung des Binnenmarktes, die Verringerung von Disparitäten zwischen den Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten, der Beseitigung sämtlicher Hindernisse, die der finanzpolitischen Integration im Wege standen, sowie die Intensivierung der währungspolitischen Zusammenarbeit im Zentrum stehen. Die zweite Stufe sollte der Vorbereitung des Übergangs in die Endstufe dienen. Ziel dabei war es, die institutionellen und organisatorischen Voraussetzungen für die Vollendung der WWU zu schaffen und die wirtschaftliche Konvergenz voranzutreiben. Schließlich sollten in der dritten Stufe die Wechselkurse unwiderruflich festgelegt und den verschiedenen Organen und Institutionen der Gemeinschaft die volle geldpolitische und wirtschaftliche Verantwortung übertragen werden.
1 Entschließung des Europäischen Rates v. 5.12.1978 über die Errichtung des Europäischen Währungssystems (EWS) und damit zusammenhängende Fragen. 2 Abkommen v. 13.3.1979 zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Funktionsweise des Europäischen Währungssystems, abgedruckt in: Kompendium von Gemeinschaftstexten im Bereich der Währungspolitik, Hrsg.: Währungsausschuss der Europäischen Gemeinschaft, Brüssel 1990. 3 Der Wert der ECU gegenüber dem US-Dollar errechnete sich als gewichteter Durchschnitt der Wechselkurse der in ihr enthaltenen Währungen (Korbwährungen) zum US-Dollar. ihr Wert gegenüber der jeweiligen Korbwährung errechnete sich durch Multiplikation ihres US-Dollarwertes mit dem Wechselkurs der jeweiligen Korbwährung zum US-Dollar. 4 Ausschuss zur Prüfung der Wirtschafts- und Währungsunion, Bericht über die Wirtschafts- und Währungsunion in der Europäischen Gemeinschaft (Delors-Bericht), 1989.
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5. Teil
Wirtschafts- und Währungsunion (WWU)
Am 7.2.1992 unterzeichneten die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften den Vertrag über die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion („WWU“) im niederländischen Maastricht („Maastricht-Vertrag“)1, welcher am 1.11.1993 in Kraft trat. Der Maastricht-Vertrag begründete die Europäische Union und änderte die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften. Dem EG-Vertrag wurde unter anderem ein Kapitel über die Wirtschafts- und Währungspolitik hinzugefügt, gleichzeitig wurde die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank („ESZB-Satzung“) und die Satzung des Europäischen Währungsinstituts („EWI-Satzung“) dem EG-Vertrag als Protokolle beigefügt. Dieses Kapitel schuf die Grundlage für die WWU und gab ein Verfahren und einen Zeitplan für ihre Realisierung vor.
5.9
Mit dem Maastricht-Vertrag beschlossen die Mitgliedstaaten, einen Teil ihrer Aufgaben zu vergemeinschaften und grundlegende nationale Kompetenzen im Bereich der Geld- und Währungspolitik auf die europäische Ebene zu übertragen. Hierzu haben die im Europäischen Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs klargestellt, dass im Rahmen des Maastricht-Vertrages unabhängige und souveräne Staaten aus freien Stücken beschlossen haben, einige ihrer hoheitlichen Befugnisse gemeinsam auszuüben2. Entsprechend dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit ist also die Union im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion nur mit bestimmten klar umgrenzten Kompetenzen und Hoheitsbefugnissen ausgestattet3. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts begründet der Maastricht-Vertrag damit einen supranational organisierten Staatenverbund zur Verwirklichung einer immer engeren Union der staatlich organisierten Völker Europas, ohne dabei jedoch einen sich auf ein europäisches Staatsvolk stützenden Staat zu schaffen4.
5.10
III. Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Europäischen Zentralbank (EZB) Gemäß den grundlegenden Vertragsbestimmungen (Art. 3 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union5 – EUV) setzt sich die Union (EU) die Aufgabe, die 1 Vertrag über die Europäische Union v. 7.2.1992, BGBl. II 1992, S. 1253. 2 Dänemark und dem Vereinigten Königreich wurde ein Sonderstatus eingeräumt, auf Grund dessen sie nicht dazu verpflichtet sind, an der dritten Stufe der WWU teilzunehmen. 3 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 ff., siehe auch NJW 1993, 3047 ff. 4 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 ff., zur Zulässigkeit der Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland; siehe auch NJW 1993, 3047 ff.; vgl. weiter BVerfG v. 31.3.1998 – 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98, BVerfGE 97, 350 ff.; siehe auch WM 1998, 807 (808). 5 Zitiert in der Nummerierung der konsolidierten Fassung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. Nr. C 115 v. 9.5.2008, S. 1. Vgl. vormals Art. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft v. 25.3.1957 in der Fassung des Vertrags über die Europäische
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5.11
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen ihren Völkern kohärent und solidarisch zu gestalten, insbesondere das Ziel, einen Wirtschafts- und Sozialraum ohne Binnengrenzen zu schaffen sowie eine Wirtschafts- und Währungsunion mit einheitlicher Währung zu errichten.
1. Vorbereitungsaufgaben in Stufe 1 der WWU
5.12
Die erste Stufe der WWU, welche im Juli 1990 in Kraft trat, diente im Wesentlichen dazu, den Prozess der Konvergenz der Mitgliedstaaten zu fördern. Von diesem Tag an sollten grundsätzlich alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten aufgehoben sein. Dem Ausschuss der Zentralbankpräsidenten der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurden weitere Verantwortlichkeiten übertragen, die in einem Ratsbeschluss vom 12.3.19901 festgehalten wurden (ua. die Durchführung von Konsultationen über die Geldpolitik der Mitgliedstaaten und die Verbesserung der Koordination derselben mit dem Ziel, Preisstabilität zu erreichen).
2. Europäisches Währungsinstitut in Stufe 2 der WWU
5.13
Die zweite Stufe begann am 1.1.1994 (siehe Art. 116 ff. EGV2). In ihr wurde im Rahmen des nunmehrigen EG-Vertrages mit den Vorbereitungsarbeiten für die Vergemeinschaftung der Währungspolitik begonnen, welche in die Hand eines „Europäischen Systems der Zentralbanken“ gelegt werden sollte3. Die zentrale Koordinierungsfunktion für diese Vorarbeiten nahm das Europäische Währungsinstitut („EWI“) mit Sitz in Frankfurt a.M. wahr4, während die Durchführung der Geld- und Wechselkurspolitik in der Europäischen Union weiterhin den nationalen Behörden vorbehalten war. Der Ausschuss der Zentralbankpräsidenten wurde durch den Rat des EWI als neues Leitungsgremium ersetzt.
5.14
Die Hauptaufgabe des EWI bestand darin, die Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und die Koordinierung der Geldpolitiken zu verstärken und die notwendigen Vorarbeiten für die Errichtung des Europäischen Systems der
1
2
3 4
Union v. 7.2.1992, BGBl. II 1992, S. 1253 ff. und die Bekanntmachung über das Inkrafttreten v. 19.10.1993, BGBl. II 1993, S. 1947 f., geändert durch den Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängende Rechtsakte v. 2.10.1997, ABl. Nr. C 340 v. 10.11.1997, S. 1, BGBl. II 1998, S. 387. Beschluss 90/142/EWG des Rates v. 12.3.1990 zur Änderung des Beschlusses 64/300/ EWG über die Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. EG Nr. L 78 v. 24.3.1990, S. 25. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft v. 25.3.1957, BGBl. II 1957, S. 166, in der Fassung des Amsterdamer Vertrages, BGBl. II 1998, S. 387 – die für die Stufen der WWU relevanten Vorschriften wurden nicht in den Lissabon-Vertrag übernommen. BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, WM 1993, 2056 (2058). Vgl. im Einzelnen EWI, The European Monetary Institute, 1997; vgl. weiter Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 23 ff.
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5. Teil
Wirtschafts- und Währungsunion (WWU)
Zentralbanken (ESZB), die Durchführung einer einheitlichen Geldpolitik und die Schaffung einer einheitlichen Währung in der dritten Stufe zu leisten. Zu diesem Zweck fungierte das EWI als Forum für Konsultationen und für den Meinungs- und Informationsaustausch zu Grundsatzfragen, und es legte in regulatorischer, organisatorischer und logistischer Hinsicht den Rahmen fest, den das ESZB zur Erfüllung seiner Aufgaben in der dritten Stufe benötigte.
3. Wechselkursmechanismus II Gleichzeitig wurde dem EWI die Aufgabe übertragen, Vorarbeiten für die zukünftigen Geld- und Wechselkursbeziehungen zwischen dem Euro-Währungsgebiet und anderen EU-Ländern zu leisten. Im Dezember 1996 legte das EWI dem Europäischen Rat seinen Bericht vor, der die Grundlage für eine im Juni 1997 verabschiedete Entschließung des Europäischen Rates über die Grundsätze und die wesentlichen Elemente des neuen Wechselkursmechanismus („WKM II“) bildete1.
5.15
4. Stabilitäts- und Wachstumspakt Im Juni 1997 verabschiedete der Europäische Rat den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der dem Ziel dienen soll, die WWU-bezogenen Vertragsbestimmungen zu ergänzen und die Einhaltung der Haushaltsdisziplin in der WWU durch Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken zu gewährleisten. Der Pakt besteht aus einer Entschließung des Europäischen Rates2 und zwei Ratsverordnungen3, die insbesondere das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit in einem Mitgliedsstaat betreffen. Eine Erklärung des Rates vom Mai 1998 ergänzte den Pakt und sollte die entsprechenden Verpflichtungen verstärken. Mit der Verabschiedung des Paktes hatten sich die Mitgliedstaaten verpflichtet4, das mittelfristige Ziel eines „nahezu ausgeglichenen Haushalts oder eines Haushaltsüberschusses“ (bei einem Referenzwert für die Defizitquote von 3 %) zu verfolgen. In der Folge einigten sich die Mitgliedstaaten im März 2005 auf eine „flexible“ Konkretisierung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu Gunsten von Mitgliedstaaten mit einem Defizit von über 3 % BIP, wonach der Tatbestand einer „ausnahmsweisen und vorübergehenden“ Überschreitung des Re1 Entschließung des Europäischen Rates über die Einführung eines Wechselkursmechanismus in der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, Amsterdam, ABl. Nr. C 236 v. 2.8.1997, S. 5. 2 Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt, Amsterdam, 17.6.1997, ABl. EG Nr. C 236 v. 2.8.1997, S. 1. 3 Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates v. 7.7.1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, ABl. EG Nr. L 209 v. 2.8.1997, S. 1 und Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates v. 7.7.1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, ABl. EG Nr. L 209 v. 2.8.1997, S. 6. 4 Eine Ausnahme bildet Großbritannien, für das auf Grund seines Sonderstatus („Optout“) die Verpflichtung nicht gilt.
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5.16
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
ferenzwerts von 3 % des Bruttoinlandsprodukts erfüllt sein soll, wenn es zu einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung kommt oder das Wirtschaftswachstum deutlich hinter dem europäischen Vergleich zurückbleibt1.
5. Konvergenzkriterien
5.17
Gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben setzt eine Teilnahme an der Währungsunion voraus, dass ein Mitgliedstaat die zur Einführung der Gemeinschaftswährung erforderlichen Bedingungen erfüllt. Dabei handelt es sich um einen hohen Grad an dauerhafter Konvergenz (wirtschaftliche Konvergenz, Art. 140 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV2 [vormals Art. 121–123 EGV]) und die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit dem EG-Vertrag (rechtliche Konvergenz, Art. 131 AEUV [vormals Art. 109 EGV]). Ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist, wird gemäß Art. 140 AEUV anhand folgender Kriterien3 geprüft: – hoher Grad an Preisstabilität, ersichtlich „aus einer Inflationsrate, die der Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedstaaten nahe kommt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“ (Art. 140 Abs. 1 AEUV), – auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand, ersichtlich aus „aus einer öffentlichen Haushaltslage ohne übermäßiges Defizit iS des Art. 126 Abs. 6 [AEUV]4“, – Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems seit mindestens zwei Jahren, sowie – Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt.
1 Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 88 GG Rz. 22 ff.; siehe auch Konow, Der Stabilitätsund Wachstumspakt, 2002. 2 Zitiert in der Nummerierung der konsolidierten Fassung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU Nr. C 115 v. 9.5.2008, S. 1. 3 Zu den Konvergenzkriterien im Detail: Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 38 ff.; Zeitler WM 95, 1610 f.; auch Steindorff, EuZW 1996, 6 f. 4 „Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite“. Die Europäische Kommission prüft die Einhaltung der Haushaltsdisziplin insbesondere anhand der folgenden Kriterien: „a) ob das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf 3 % festgelegt), es sei denn, dass entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt, b) ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf 60 % festgelegt), es sei denn, dass das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert“.
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5. Teil
Wirtschafts- und Währungsunion (WWU)
Zur Erreichung der rechtlichen Konvergenz ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften so anzupassen, dass die Unabhängigkeit der jeweiligen nationalen Zentralbank (NZB) und deren Integration in das ESZB gewährleistet wird.
6. Stufe 3 der WWU Mit dem Beginn der dritten Stufe der WWU am 1.1.1999 wurde das ESZB, bestehend aus der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt a.M. und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, errichtet1. Bereits zuvor am 1.6.1998 war die EZB selbst errichtet und nach Maßgabe des Art. 123 EGV das EWI aufgelöst worden; die Abwicklung der noch offen stehenden Aufgaben des EWI wurde der EZB übertragen.
5.18
Zeitgleich mit dem Beginn der Stufe 3 führten Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien den Euro als einheitliche Währung ein. Die Umrechnungskurse der Währungen der elf Mitgliedstaaten, die von Beginn an der Währungsunion angehörten, wurden unwiderruflich festgelegt2. Zuvor hatte der EU-Rat am 1.5.19983 die Empfehlung hinsichtlich der Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen für die Einführung der einheitlichen Währung in den genannten Mitgliedstaaten getroffen, welche mit Entscheidung vom 3.5.19984 bekräftigt wurde.
5.19
7. Euro-Gruppe Durch den Vertrag von Lissabon wurde auch die Rolle für Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, innerhalb des Rates institutionalisiert (Art. 136 ff. AEUV) mit dem Ziel einer immer engeren Koordinierung der Wirtschaftspolitik innerhalb des Euro-Währungsgebietes (sog. „Economic Governance“) und somit der Förderung des reibungslosen Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion5. Dies umfasst ua. die Koordinierung und Überwachung der Haushaltsdisziplin; die Ausarbeitung von gemeinsamen Grundzügen der Wirtschaftspolitik oder die einheitlichen Vertretung bei internationalen Einrichtungen.
5.20
Zu diesem Zwecke wurde die so genannte Euro-Gruppe konstituiert6 Die Finanzminister der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, treffen sich
5.21
1 Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in Art. 282 ff. sowie 127 ff. des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), sowie in der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZBSatzung), die einen integralen Bestandteil des AEUV/EGV darstellt. 2 ABl. EG Nr. L 359 v. 31.12.1998 geändert durch die Verordnung (EG) 1478/2000 v. 19.6.2000, ABl. EG Nr. 167 v. 7.7.2001. 3 Empfehlung v. 1.5.1998 gemäß Art. 109 j Abs. 2 EUV, ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S.21. 4 ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S. 30. 5 Häde, Europarecht 2009, 200 (212). 6 Protokoll (Nr. 14) betreffend die Euro-Gruppe.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
zu informellen Sitzungen unter der Leitung eines für zweieinhalb Jahre gewählten Präsidenten. An den Sitzung nimmt die Kommission teil, die EZB wird eingeladen.
5.22–5.25
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Europäisches System der Zentralbanken und Eurosystem I. Europäisches System der Zentralbanken
5.26
Mit der Einführung des Euro als einheitlicher Währung haben diejenigen EUMitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet angehören, ihre geldpolitische Souveränität aufgegeben. Zugleich wurde das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gebildet. Das ESZB setzt sich aus der EZB und den nationalen Zentralbanken (NZBen) aller 27 Mitgliedstaaten der Union zusammen, unabhängig davon, ob sie den Euro eingeführt haben oder nicht (Art. 282 Abs. 1 AEUV). Seine rechtliche Verankerung findet sich in Art. 282 ff. AEUV sowie in der ESZB-Satzung1.
5.27
Mit der Wahl der Bezeichnung Europäisches System der Zentralbanken an Stelle des Begriffes Europäisches Zentralbanksystem, welcher bei den Verhandlungen über den Maastricht-Vertrag ebenfalls zur Debatte stand, brachten die Mitgliedsstaaten zum Ausdruck, das dem neu geschaffenen System kein vollkommen zentralisierter Charakter zukommen sollte, NZBen sollten als eigenständige Rechtseinheiten bestehen bleiben und im Rahmen des ESZB ihnen zugewiesene Aufgaben wahrnehmen. Dem ESZB selbst wurde keine eigene Rechtspersönlichkeit zugesprochen2.
II. Eurosystem
5.28
Innerhalb des ESZB kommt der EZB und den nationalen Zentralbanken der Länder, die den Euro eingeführt haben, eine Sonderrolle für die Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet zu. Nur die Mitgliedstaaten, die den Euro als gemeinsame Währung angenommen haben, übertrugen zugleich ihre geldpolitische Souveränität auf das neu geschaffene System, ihre NZBen wurden integraler Bestanteil des Systems.
5.29
Um die Transparenz zu erhöhen und der Öffentlichkeit die komplexe Struktur des ESZB leichter verständlich zu machen, hatte der EZB-Rat bereits frühzei1 Protokoll (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. Siehe auch Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 46. 2 Smits, International Comparative Law Quarterly 45, 319 ff.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
zu informellen Sitzungen unter der Leitung eines für zweieinhalb Jahre gewählten Präsidenten. An den Sitzung nimmt die Kommission teil, die EZB wird eingeladen.
5.22–5.25
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Europäisches System der Zentralbanken und Eurosystem I. Europäisches System der Zentralbanken
5.26
Mit der Einführung des Euro als einheitlicher Währung haben diejenigen EUMitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet angehören, ihre geldpolitische Souveränität aufgegeben. Zugleich wurde das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gebildet. Das ESZB setzt sich aus der EZB und den nationalen Zentralbanken (NZBen) aller 27 Mitgliedstaaten der Union zusammen, unabhängig davon, ob sie den Euro eingeführt haben oder nicht (Art. 282 Abs. 1 AEUV). Seine rechtliche Verankerung findet sich in Art. 282 ff. AEUV sowie in der ESZB-Satzung1.
5.27
Mit der Wahl der Bezeichnung Europäisches System der Zentralbanken an Stelle des Begriffes Europäisches Zentralbanksystem, welcher bei den Verhandlungen über den Maastricht-Vertrag ebenfalls zur Debatte stand, brachten die Mitgliedsstaaten zum Ausdruck, das dem neu geschaffenen System kein vollkommen zentralisierter Charakter zukommen sollte, NZBen sollten als eigenständige Rechtseinheiten bestehen bleiben und im Rahmen des ESZB ihnen zugewiesene Aufgaben wahrnehmen. Dem ESZB selbst wurde keine eigene Rechtspersönlichkeit zugesprochen2.
II. Eurosystem
5.28
Innerhalb des ESZB kommt der EZB und den nationalen Zentralbanken der Länder, die den Euro eingeführt haben, eine Sonderrolle für die Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet zu. Nur die Mitgliedstaaten, die den Euro als gemeinsame Währung angenommen haben, übertrugen zugleich ihre geldpolitische Souveränität auf das neu geschaffene System, ihre NZBen wurden integraler Bestanteil des Systems.
5.29
Um die Transparenz zu erhöhen und der Öffentlichkeit die komplexe Struktur des ESZB leichter verständlich zu machen, hatte der EZB-Rat bereits frühzei1 Protokoll (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. Siehe auch Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 46. 2 Smits, International Comparative Law Quarterly 45, 319 ff.
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5. Teil
Europäisches System der Zentralbanken und Eurosystem
tig den Begriff „Eurosystem“ eingeführt, um die Zusammensetzung zu bezeichnen, in der das ESZB seine grundlegenden Aufgaben erfüllt1. Er wurde fortan in Rechtsakten der EZB genutzt. Der Begriff wurde zwischenzeitlich durch den Lissabon-Vertrag kodifiziert und hat damit eigene Rechtsqualität erhalten (Art. 282 Abs. 1 AEUV2). Auf Grund seiner zentralen Stellung ua. für die Währungspolitik im ESZB3 wird das Eurosystem auch als „Zentralbank für den Euro“4 oder als „Europäische Währungsbank“5 bezeichnet. Solange es EU-Mitgliedstaaten gibt, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, werden Eurosystem und ESZB nebeneinander bestehen bleiben.
5.30
III. Mitgliedstaaten mit Sonderstatus Auch die NZBen der Länder, die den Euro entweder auf Grund ihres Sonderstatus (Dänemark und das Vereinigte Königreich) oder weil für sie eine Ausnahmeregelung gilt (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechische Republik, Ungarn) nicht eingeführt haben, gehören dem ESZB an. Da die nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten jedoch ihre geldpolitische Souveränität behalten (Art. 282 Abs. 4 AEUV), sind ihre Zentralbanken nicht in die Durchführung der Kernaufgaben des ESZB eingebunden6. Sie müssen aber mit dem Ziel der Preisstabilität konform gehen und mit dem Eurosystem zum Beispiel im Bereich der Statistik kooperieren7. Darüberhinaus haben diese Mitgliedstaaten ihre Wechselkurspolitik als Angelegenheit von gemeinsamen Interesse nach Art. 142 AEUV zu behandeln. Damit binden die nicht an der Währungsunion teilnehmenden Mitgliedstaaten ihre Währungen an den Euro und haben neben der Verfolgung einer stabilitätsorientierten Geldpolitik und einer soliden Haushaltspolitik zur dauerhaften Wechselkursstabilität im Binnenmarkt beizutragen.
1 EZB, Monatsbericht Juli 1999, Der institutionelle Rahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken, S. 59; Junius/Kater/Meier/Müller, Handbuch Europäische Zentralbank, S. 45. 2 „Die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedsstaaten, deren Währung der Euro ist, bilden das Eurosystem und betreiben die Währungspolitik der Union.“; siehe auch Brief des Präsidenten der EZB an den Vorsitzenden des Europäischen Konvents v. 5.6.2003, www.ecb.int. 3 Häde, Europarecht 2009, 200; Smits in von der Groeben/Schwarze, Art. 111 EGV Rz. 165; Bandilla in Grabitz/Hilf, Art. 4 EGV Rz. 5, 10, 12. 4 Sáinz de Vicuña, The Status of the ECB, in Griller/Ziller, The Lisbon Treaty, 2006, S. 302. 5 Seidel, Europarecht 2000, 861 (865). 6 Vgl. Weber, Die Kompetenzverteilung in Europäischen System der Zentralbanken bei der Festlegung und Durchführung der Geldpolitik, S. 49 ff. mwN; Weber, WM 1998, 1465 (Fn. 1). 7 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 2533/98 des Rates v. 23.11.1998 über die Erfassung statistischer Daten durch die EZB, ABl. EG Nr. L 318 v. 27.11.1998, S. 8.
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5.31
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.32
Der Status der betreffenden Mitgliedsstaaten unterscheidet sich beträchtlich. Durch Protokolle1 zum EUV ist festgelegt, dass Dänemark und das Vereinigte Königreich nicht dazu verpflichtet sind, an der dritten Stufe der WWU teilzunehmen, sie konnten vor Beginn der dritten Stufe der WWU am 1.1.1999 entscheiden, ob sie daran teilnehmen oder nicht. Beide Länder entschlossen sich zur Nichtteilnahme2 und teilten dem EU-Rat mit, dass sie nicht an der dritten Stufe teilnehmen würden. Das Protokoll betreffend Dänemark sieht vor, dass die Ausnahme den gleichen Effekt wie eine Ausnahmeregelung hat. Das Protokoll betreffend das Vereinigte Königreich ist weitergehend und stellt das Vereinigte Königreich von weiteren Vertragsbestimmungen freistellt3. Beide Mitgliedstaaten behalten sich das Recht vor, zu einem späteren Zeitpunkt an der Währungsunion teilzunehmen, vorausgesetzt, dass sie dann die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung des Euro erfüllen.
5.33
Für Mitgliedstaaten der Union mit Ausnahmeregelung (siehe oben Rz. 5.31), nimmt der Rat gemäß Art. 140 AEUV mindestens alle zwei Jahre oder auf Antrag eines Mitgliedsstaates auf der Grundlage von Konvergenzberichten der Kommission und der EZB eine Prüfung vor, ob die betreffenden Mitgliedsstaaten ihren Verpflichtungen zur Verwirklichung der WWU nachgekommen sind und die Konvergenzkriterien erfüllen. Im Falle einer positiven Prüfung beschließt der Rat gemäß Art. 140 Abs. 2 AEUV, die Ausnahmeregelung aufzuheben. Den Mitgliedsstaaten mit Ausnahmeregelung verbleibt insoweit keine eigene Entscheidungskompetenz4.
IV. Rechtspersönlichkeit
5.34
Das ESZB hat, ebenso wie das Eurosystem, aber im Gegensatz zu EZB und den nationalen Zentralbanken, keine eigene Rechtspersönlichkeit5. Der AEUV hat in Art. 282 Abs. 2 allein der EZB als wesentlichem Bestandteil des ESZB Rechtspersönlichkeit zuerkannt. Das ESZB wird im Übrigen von seinen Beschlussorganen (siehe Rz. 5.101 ff.) geleitet (Art. 129 Abs. 1 AEUV; Art. 8 ESZB-Satzung). Dem ESZB wie auch dem Eurosystem fehlt also eine eigene 1 Protokoll (Nr. 16) über einige Bestimmungen betreffend Dänemark und Protokoll (Nr. 15) über einige Bestimmungen betreffend das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland. 2 Dänemark im Dezember 1992 und das Vereinigte Königreich im Oktober 1997. 3 Insbesondere findet Art. 119 Abs. 2 AEUV keine Anwendung, wonach die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten dem Ziel der Einführung einer einheitlichen Währung verpflichtet bleiben; gleiches gilt für Art. 130 zur Zentralbankunabhängigkeit. 4 Siehe EZB, Konvergenzbericht, Mai 2000, S. 2; Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, ABl. EU Nr. L 236 v. 23.9.2003, S. 33; Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassung der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, ABl. EU Nr. L 157 v. 21.6.2005, S. 203. 5 Weber, WM 1998, 1465 mwN.
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5. Teil
Europäisches System der Zentralbanken und Eurosystem
organschaftliche Stellung1. Hierfür spricht auch, dass lediglich die Handlungen und Unterlassungen der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen sind (Art. 230, 232 Abs. 4 EGV; Art. 234, 237, 241 EGV; Art. 35 ESZB-Satzung).
V. Gesamtverantwortung und Arbeitsteilung Die organisatorische Ausgestaltung des ESZB wie auch des Eurosystem beruht sowohl auf der EZB als auch auf den nationalen Zentralbanken (NZBen)2.
5.35
Die Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben des Eurosystems, sei es durch eigene Tätigkeit oder durch Einschaltung der nationalen Zentralbanken, trägt die EZB. Sie ist das „Herzstück des Eurosystems“3.
5.36
Grundsätzlich könnten sowohl die EZB als auch die nationalen Zentralbanken die in der ESZB-Satzung genannten Aufgaben (vgl. Art. 16 bis 24 ESZBSatzung) ausführen. Bei der Entscheidung darüber, ob die jeweiligen Aufgaben zentral oder dezentral umgesetzt werden, folgt die EZB dem Grundsatz der „Dezentralisierung“ (Art. 12 Abs. 1 ESZB-Satzung). Dieser Grundsatz besagt, dass die EZB die nationalen Zentralbanken zur Durchführung von Geschäften, die zu den Aufgaben des Eurosystems gehören, in Anspruch nimmt, soweit dies „möglich und sachgerecht erscheint“.
5.37
Das Dezentralisierungsprinzip ist nicht mit dem in Art. 5 EUV niedergelegten Subsidiaritätsprinzip zu verwechseln. Dieses ist auf die Innenbeziehungen des Eurosystems nicht anwendbar4. Anders als bei diesem, wo die Gemeinschaft nur tätig werden kann, sofern die Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend und auf der Gemeinschaftsebene besser erreicht werden können, kann die EZB durch den EZB-Rat frei entscheiden, wie Geschäfte effektiver vorgenommen werden können, zentral oder dezentral5. Das Dezentralisierungsprinzip findet überdies nur auf die operativen Geschäfte des Eurosystems Anwendung (so zB die Durchführung der geldpolitischen Geschäfte, das Betreiben von Zahlungsverkehrs- und Wertpapierabwicklungsdienstleis-
5.38
1 Weber, Die Kompetenzverteilung im Europäischen System der Zentralbanken bei der Festlegung und Durchführung der Geldpolitik, S. 50 ff.; Weber, WM 1998, 1465. 2 Die Struktur des ESZB/Eurosystems und der Fortbestand der nationalen Zentralbanken weisen daher gewisse Ähnlichkeiten mit dem deutschen Zentralbanksystem der Jahre 1948 bis 1957 auf, dh. der Bank deutscher Länder und den Landeszentralbanken vor ihrer Verschmelzung zur Bundesbank im Jahr 1957. Diese dualistische Struktur wird deshalb auch vereinzelt als „bundesstaatsähnlich-föderative Natur“ charakterisiert, siehe Weber, WM 1998, 1465; Zilioli/Selmayr, Euredia 1999, 187 (201 mwN). 3 EZB, Monatsbericht Juli 1999, Der institutionelle Rahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken, S. 59 (61). 4 So aber Aspetsberger/Schubert, OeNB-Studien 1993, 110 (113); Möschel, NJW 1993, 3025 ff.; Goppel, EuZW 1993, 367 ff.; weitere Nachweise bei Zilioli/Selmayr, Euredia 1999, 187 (201 ff.). 5 EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (61); Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 65 f.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
tungen oder die Beschaffung, Ausgabe und Bearbeitung von Euro-Banknoten), nicht jedoch auf Entscheidungsfindung und Rechtssetzung, welche ausschließlich zentral gehandhabt werden. Die EZB selbst führt nur bestimmte Geschäfte aus, so verwaltet sie ihre Eigenmittel, überwacht grenzüberschreitende Großbetragszahlungs- und -verrechnungssysteme und fungiert für einige von ihnen als Zahlungsstelle.
5.39
Die NZBen des Euro-Währungsgebietes besitzen im Rahmen der nationalen Rechtsordnung ihres Heimatlandes Rechtspersönlichkeit. Gemäß Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung können NZBen auch weiterhin Aufgaben, die nicht mit dem Eurosystem zusammenhängen, in eigener Verantwortung wahrnehmen, sofern diese die Ziele und Aufgaben des Eurosystems nicht beeinträchtigen. Diese Aufgaben unterscheiden sich von Land zu Land und bestehen im Wesentlichen aus verschiedenen Finanz- und Verwaltungsdienstleistungen für die Regierung des jeweiligen Landes. Die meisten NZBen sind auch in die Beaufsichtigung der Finanzinstitute in ihrem Heimatland eingebunden.
5.40
Zugleich sind sie jedoch nach Art. 282 AEUV iVm. Art. 14 Abs. 3 ESZB-Satzung integraler Bestandteil des Eurosystems. Im Hinblick auf die Aufgaben des Eurosystems besitzen die NZBen keine originären Kompetenzen mehr. Sie handeln bei der Wahrnehmung von Aufgaben des Eurosystems gemäß den Leitlinien und Weisungen der EZB (Art. 14 Abs. 3 ESZB-Satzung). Insofern sind sie funktional-sachlich der EZB bei der Erfüllung dieser Aufgaben untergeordnet, sie handeln als „operative Organe“ der EZB1 und stellen somit funktionell (wenn auch nicht rechtlich) den „Verwaltungsunterbau“ der EZB dar2. Die Möglichkeit, dass eine Gemeinschaftsinstitution mitgliedsstaatlichen Institutionen gegenüber ein Weisungsrecht für den konkreten Einzelfall besitzt, stellt ein Novum in der Geschichte der Union dar.
5.41
Um die Einhaltung der Verpflichtungen aus diesen Rechtsinstrumenten sicherzustellen, ist die EZB berechtigt, alle notwendigen Schritte zu unternehmen. Dies schließt eine Klage beim EuGH gegen eine nationale Zentralbank im Wege der Vertragsverletzungsklage ein, sollte letztere ihren gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nicht oder nur unzureichend nachkommen (Art. 271 AEUV; Art. 35 Abs. 6 ESZB-Satzung)3.
5.42
Die NZBen der EU-Mitgliedstaaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, sind ebenfalls Bestandteil des ESZB, haben aber eine Sonderstellung. Sie tragen die Verantwortung für ihre jeweilige nationale Geldpolitik und sind somit von der Teilnahme an den Kerntätigkeiten des Eurosystems, insbesondere von der Durchführung der einheitlichen Geldpolitik, ausgeschlossen. Die nicht teilnehmenden NZBen sind aber gemäß AEUV den Grundsätzen einer auf Preis1 Smits, The European Central Bank, S. 94; Sauerzopf/Selmayr, Der Wirtschaftstreuhänder 1998, 12 (14). 2 Selmayr, Europablätter 1999, 170 ff. 3 EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (61); Weber, Die Kompetenzverteilung im Europäischen System der Zentralbanken bei der Festlegung und Durchführung der Geldpolitik, S. 86 ff.
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
stabilität ausgerichteten Geldpolitik verpflichtet. Sie haben weiterhin eng mit dem Eurosystem im bereich der Erhebung statistischer Daten und dem Wechselkursmechanismus II (WKM II) zusammenzuarbeiten (siehe Art. 139 AEUV).
5.43–5.50
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Europäische Zentralbank (EZB) In der Struktur des ESZB nimmt die am 1.6.1999 gegründete EZB die zentrale Rolle ein. Laut AEUV ist die EZB eine spezielle und unabhängige Einrichtung, die für die Durchführung der einheitlichen Geldpolitik und damit zusammenhängender Aufgaben zuständig ist. Zu diesem Zweck wurde der EZB eigene Rechtspersönlichkeit sowie eigene Beschlussorgane und Befugnisse verliehen. Auf Grund der ihr durch den AEUV eingeräumten Befugnisse wird sie auch als „Hüterin der Währungsverfassung“ oder als „Leiterin des Eurosystems“ bezeichnet1.
5.51
Entsprechend ihrer vertrags- und satzungsmäßigen Rolle sind der EZB bestimmte Aufgaben zugewiesen. So ist die EZB Entscheidungszentrum des ESZB und des Eurosystems. Sie stellt die einheitliche Umsetzung der Geldpolitik sicher, übt Regelungsbefugnisse aus, berät die Gemeinschaftsorgane und EU-Mitgliedstaaten bei Gesetzesentwürfen in Bereich ihre Kompetenzen und kann Gemeinschaftsrecht initiieren. Schließlich überwacht sie die Einhaltung der Bestimmungen von Art. 123 und 124 AEUV, ist verantwortlich für Wahrnehmung der verbliebenen Aufgaben des ehemaligen EWI aus in Stufe III der WWU und sie vertritt das Euro-Währungsgebiet im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach AEUV auf internationaler Ebene2.
5.52
I. Rechtsstellung Die EZB ist ein eigenständiges, unabhängiges Organ der Union. Dies ist nunmehr durch den Lissabon-Vertrag in Art. 13 Abs. 1 EUV verankert3. Damit hat sich die Debatte über die Rechtsstellung der EZB erübrigt, die sich aus den Vorschriften des EG-Vertrages in der Folge des Maastricht-Vertrages ableitete4. 1 Sauerzopf/Selmayr, Der Wirtschaftstreuhänder 1998, 12; Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 47. 2 Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 56. 3 Sáinz de Vicuña in Griller/Ziller, The Lisbon Treaty, S. 301. 4 Zum Teil wurde die EZB auch als organähnliche unabhängige EG-Sondereinrichtung mit spezifischen Befugnissen (Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rz. 416) oder als Einrichtung sui generis (Gnan/Wittelsberger in von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl. 1999, Art. 107 EGV Rz. 27) bezeichnet. Von Einzelnen wurde sogar in Frage gestellt, inwieweit die EZB in das Gemeinschaftssystem eingeordnet ist oder ob die EZB überhaupt eine Einrichtung der Ge-
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5.53
5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
stabilität ausgerichteten Geldpolitik verpflichtet. Sie haben weiterhin eng mit dem Eurosystem im bereich der Erhebung statistischer Daten und dem Wechselkursmechanismus II (WKM II) zusammenzuarbeiten (siehe Art. 139 AEUV).
5.43–5.50
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Europäische Zentralbank (EZB) In der Struktur des ESZB nimmt die am 1.6.1999 gegründete EZB die zentrale Rolle ein. Laut AEUV ist die EZB eine spezielle und unabhängige Einrichtung, die für die Durchführung der einheitlichen Geldpolitik und damit zusammenhängender Aufgaben zuständig ist. Zu diesem Zweck wurde der EZB eigene Rechtspersönlichkeit sowie eigene Beschlussorgane und Befugnisse verliehen. Auf Grund der ihr durch den AEUV eingeräumten Befugnisse wird sie auch als „Hüterin der Währungsverfassung“ oder als „Leiterin des Eurosystems“ bezeichnet1.
5.51
Entsprechend ihrer vertrags- und satzungsmäßigen Rolle sind der EZB bestimmte Aufgaben zugewiesen. So ist die EZB Entscheidungszentrum des ESZB und des Eurosystems. Sie stellt die einheitliche Umsetzung der Geldpolitik sicher, übt Regelungsbefugnisse aus, berät die Gemeinschaftsorgane und EU-Mitgliedstaaten bei Gesetzesentwürfen in Bereich ihre Kompetenzen und kann Gemeinschaftsrecht initiieren. Schließlich überwacht sie die Einhaltung der Bestimmungen von Art. 123 und 124 AEUV, ist verantwortlich für Wahrnehmung der verbliebenen Aufgaben des ehemaligen EWI aus in Stufe III der WWU und sie vertritt das Euro-Währungsgebiet im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach AEUV auf internationaler Ebene2.
5.52
I. Rechtsstellung Die EZB ist ein eigenständiges, unabhängiges Organ der Union. Dies ist nunmehr durch den Lissabon-Vertrag in Art. 13 Abs. 1 EUV verankert3. Damit hat sich die Debatte über die Rechtsstellung der EZB erübrigt, die sich aus den Vorschriften des EG-Vertrages in der Folge des Maastricht-Vertrages ableitete4. 1 Sauerzopf/Selmayr, Der Wirtschaftstreuhänder 1998, 12; Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 47. 2 Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 56. 3 Sáinz de Vicuña in Griller/Ziller, The Lisbon Treaty, S. 301. 4 Zum Teil wurde die EZB auch als organähnliche unabhängige EG-Sondereinrichtung mit spezifischen Befugnissen (Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rz. 416) oder als Einrichtung sui generis (Gnan/Wittelsberger in von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl. 1999, Art. 107 EGV Rz. 27) bezeichnet. Von Einzelnen wurde sogar in Frage gestellt, inwieweit die EZB in das Gemeinschaftssystem eingeordnet ist oder ob die EZB überhaupt eine Einrichtung der Ge-
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5.53
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Art. 8 des nunmehr abgelösten EG-Vertrages beinhaltete eine von den Organen der EG (Art. 7 EGV) gesonderte Verankerung der EZB. Das Zusammenwirken der EZB mit den Organen der Gemeinschaft blieb auf die ausdrücklich normierten Fälle beschränkt1.
5.54
Die Qualifikation der EZB als Organ der Union durch den Lissabon-Vertrag bestätigt, dass die EZB vollumfänglich dem Unionsrecht unterworfen ist. Dies wurde bereits unter der Rechtslage nach dem Maastricht-Vertrag durch den EuGH bestätigt. Im sog. „OLAF-Urteil“2 des EuGH v. 10.7.2003 wurde klargestellt, dass die EZB voll in den „Rahmen der Gemeinschaft“ falle. Hiermit griff der EuGH auf seine Rechtsprechung3 zur Europäischen Investitionsbank zurück, in der dieser „eine von derjenigen der Gemeinschaft gesonderte Rechtspersönlichkeit“ bei „funktioneller und institutioneller Autonomie“ kraft EG-Vertrages zugesprochen wurde. Dies unterscheidet die EZB von den verschiedenen dezentralen Ämtern und Agenturen der Union, die zwar über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen, denen ihre Befugnisse aber durch Unionsorgane übertragen werden.
1. Rechtspersönlichkeit
5.55
Die EZB ist im Unterschied zu den anderen Organen der Union mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet (Art. 282 Abs. 3 AEUV). Sie besitzt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates zuerkannt ist. Die EZB kann insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern sowie Partei vor Gericht sein (Art. 9 Abs. 1 ESZB-Satzung).
5.56
Zusätzlich genießt die EZB nach Maßgabe des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften4 im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Vorrechte und Befreiungen5.
1
2
3 4
5
meinschaft darstellt oder nicht (Hahn, Der Vertrag von Maastricht, S. 42, 73; Selmayr, AöR 1999, 357 (369); aA: Stadler, Der rechtliche Handlungsspielraum des Europäischen Systems der Zentralbanken, S. 94). Siehe auch Hahn, Der Vertrag von Maastricht, S. 42, 73 f.; Smits, ICLQ 1996, 319 (327); Weber, WM 1998, 1465. Weinbörner, Die Stellung der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken in der Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht, S. 388. EuGH v. 10.7.2003 – Rs. C-11/00, Slg. 2003, I-07/47, Rz. 135 (Kommission/EZB); siehe auch Griller/Dutzler in Grabitz/Hilf, Art. 107 EGV Rz. 11; Goebel, Fordham International Law Journal 2006, 610 ff. EuGH v. 3.3.1988 – Rs. 85/86, Slg. 1988, S. 1281 (1314, 1340) (Kommission/Rat der Gouverneure der Europäischen Investitionsbank). ABl. EG Nr. L 152 v. 13.7.1966, S. 13; erstreckt auf die EZB durch den Vertrag von Maastricht, Protokoll zur Änderung des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften. Gruber/Benisch, Privileges and immunities of the European Central Bank, EZB, Juni 2007; EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (60).
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
Die EZB ist auch Rechtspersönlichkeit im Sinne des Völkerrechts und als solche befugt, innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches völkerrechtliche Verträge abzuschließen und sich an der Arbeit von internationalen Organisation wie zB dem Internationalen Währungsfonds, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich oder der OECD zu beteiligen1. Über die internationale Vertretung entscheidet der EZB-Rat (Art. 6 ESZB-Satzung).
5.57
2. Beziehung zum Sitzstaat Gemäß Beschluss der Staats- und Regierungschefs v. 21.10.1993 ist Frankfurt a.M. Sitz der EZB2. Ein Sitzabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland v. 18.9.19983 regelt die näheren praktischen und technischen Aspekte bei der Anwendung des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften4.
5.58
II. Normative Rechtssetzungsbefugnisse Der AEUV (Art. 132) sowie die ESZB-Satzung (Art. 34 Abs. 1, 12 Abs. 1) verleihen der EZB die Befugnis zur Mitwirkung an Rechtssetzungsverfahren. Diese Zuständigkeit erfasst drei Bereiche, erstens die Befugnis der EZB, Rechtsakte oder sonstige Rechtsinstrumente der EZB zu verabschieden5, zweitens das Recht, Änderungen der ESZB-Satzung und den Erlass ergänzender Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zu empfehlen, und drittens die beratende Funktion der EZB bei Vorschlägen für Rechtsakte der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten6.
5.59
1. EZB-Rechtsinstrumente Es lassen sich zwei Gruppen von EZB-Rechtsinstrumente unterscheiden7. Zum einen gibt es jene Rechtsinstrumente, die es der EZB ermöglichen, die 1 Die Völkerrechtspersönlichkeit der EZB war im früheren Schrifttum teilweise umstritten, vgl. hierzu Weber, WM 1998, 1465 (1471). 2 ABl. EG Nr. C 323 v. 30.11.1993, S. 1. 3 Sitzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EZB v. 18.3.1999, BGBl. II 1998, S. 2996 ff.; siehe auch Gesetz v. 19.3.1999 zur Umsetzung des Sitzabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EZB v. 18.3.1999, BGBl. II 1998, S. 2995. 4 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der Europäischen Zentralbank v. 18.3.1999 (BGBl. II 1999, S. 367; vgl. auch BGBl. II 1998, S. 2744). 5 EZB-Monatsbericht November 1999, Die Rechtsinstrumente der Europäischen Zentralbank, S. 61. 6 Vgl. auch den Beschluss 98/415/EG v. 29.6.1998 über die Anhörung der Europäischen Zentralbank durch die nationalen Behörden zu Entwürfen für Rechtsvorschriften, ABl. EG Nr. L 189 v. 3.7.1998, S. 42. 7 EZB, Monatsbericht November 1999, S. 61 ff.; Schütz, EuR 2001, 291 (293).
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5.60
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
internen Abläufe des Eurosystems zu steuern, ohne die Rechte Dritter zu berühren. Mit Hilfe von Leitlinien, Weisungen und Entscheidungen der EZB wird gewährleistet, dass die nationalen Zentralbanken als funktional-operative Organe des Eurosystems agieren und die Ziele des Eurosystems effektiv erfüllt werden können1.
5.61
Zum anderen gibt es solche, die an Dritte außerhalb des Eurosystems gerichtet sind. Hierzu zählen Verordnungen, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen der EZB. So eröffnet zB die ESZB-Satzung (Art. 34 Abs. 1) die Möglichkeit zu allgemein und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat geltenden EZB-Verordnungen, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben des Eurosystems auf den Gebieten der Geldpolitik, Devisengeschäfte, Währungsreserven, Verrechnungs-/Zahlungssysteme sowie Bankaufsicht notwendig ist. a) Eurosysteminterne Rechtsinstrumente
5.62
Zur Steuerung der internen Abläufe kann das Eurosystem auf Leitlinien der EZB, Weisungen der EZB sowie interne Beschlüsse zurückgreifen. Es handelt sich dabei um rechtsverbindliche und für die Mitglieder des Eurosystems verbindliche, durchsetzbare Instrumente. Die formalen Anforderungen an die Leitlinien, Weisungen und interne Beschlüsse der EZB sind weder im AEUV noch in der ESZB-Satzung geregelt. Die entsprechenden Regelungen finden sich in der Geschäftsordnung der EZB (GO-EZB)2 und folgen den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts. Die Durchsetzung der internen Rechtsakte obliegt hierbei dem EZB-Rat.
5.63
Leitlinien der EZB haben sich im Bereich der dezentralisierten Durchführung von Geschäften des Eurosystems als die wichtigste Handlungsform zur Festlegung der Rahmenbedingungen herauskristallisiert, so etwa im Bereich der Umsetzung der einheitlichen Geldpolitik3. EZB-Leitlinien haben keine Aussenwirkung, sie berühren daher die Rechte der Geschäftspartner der Zentralbanken oder Dritter weder unmittelbar noch individuell. Zu ihrer Wirksamkeit gegenüber den Geschäftspartnern bedarf es Umsetzungsmaßnahmen der NZBen, wobei es den NZBen obliegt, die den jeweiligen Finanzmarktstrukturen und Rechtssysteme der jeweiligen Länder entsprechende Handlungsform (vertragliche oder hoheitliche Ausgestaltung) zu wählen. Um die Umsetzung von Leitlinien zu erleichtern, kann der EZB-Rat auch seine Befugnis zum Erlass von Leitlinien auf das Direktorium delegieren, sofern er Grenzen und Umfang der übertragenen Kompetenzen festlegt (Art. 17 Abs. 3 GO-EZB).
1 EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (61); EZB, Monatsbericht November 1999, S. 61. 2 Beschluss der EZB v. 19.2.2004 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung der EZB (EZB/2004/2), ABl. EU Nr. L 80 v. 18.3.2004, S. 33, zuletzt geändert durch Beschluss der EZB v. 19.3.2009 zur Änderung des Beschlusses EZB/2004/2 v. 19.2.2004 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung der EZB (EZB/2009/5), ABl. EU Nr. L 100 v. 18.4.2009, S. 10. 3 Vgl. die Leitlinie 2000/7 der EZB v. 30.8.2000 über die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems, ABl. EG Nr. L 310 v. 11.12.2000, S. 1.
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
Weisungen der EZB werden vom Direktorium erteilt. Sie sollen im Wesentlichen der Umsetzung der geldpolitischen Beschlüsse und Leitlinien durch spezifische und detaillierte Weisungen an die NZBen des Euroraums dienen.
5.64
Interne Beschlüsse dienen der Regelung interner Organisations- oder Verwaltungsangelegenheiten. Sie besitzen keinen direkten Adressaten, sind aber für die Mitglieder des Eurosystems bindend.
5.65
b) Externe Regelungsbefugnisse Mit EZB-Verordnungen und EZB-Beschlüssen (früher: EZB-Entscheidung)1 stehen dem Eurosystem auch Rechtsakte zur Verfügung, die sich unmittelbar nicht nur auf die NZBen des Eurosystems, sondern auch auf Dritte auswirken können (Art. 132 Abs. 1 AUEV, Art. 34.1 ESZB-Satzung). Diese Rechtsakte, welche Teil des sekundären Unionsrechts sind, erlauben es der EZB, ihre Aufgaben eigenständig zu erfüllen, ohne sich auf Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten stützen zu müssen. Hierbei hat die EZB jedoch ebenso wie andere Unionsorgane den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
5.66
EZB-Verordnungen haben ebenso wie allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in allen Ländern des Euro-Währungsgebiets. Sie bedürfen keine weiteren Umsetzung in nationales Recht und lassen unmittelbare Verpflichtungen für Dritte entstehen. EZB-Verordnungen werden vom EZB-Rat verabschiedet und in seinem Auftrag vom Präsidenten unterzeichnet. Der EZB-Rat kann seine Befugnis zum Erlass von Verordnungen auf das Direktorium delegieren, sofern er Grenzen und Umfang der übertragenen Kompetenzen festlegt (Art. 17 Abs. 3 GO-EZB). EZB-Verordnungen werden mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in allen Amtssprachen der Gemeinschaft rechtswirksam. Die EZB hat ihre Verordnungskompetenz bislang hauptsächlich in den Bereichen Mindestreserve2, Statistik3 und Sanktionen4 genutzt.
5.67
1 Die früher in einigen Sprachfassungen des Maastricht-Vertrages sowie der ESZB-Satzung enthaltene Unterscheidung zwischen Beschlüssen und Entscheidungen wurde mit dem Lissabon-Vertrag im Sinne der Einheitlichkeit des Unionsrechtes aufgegeben. 2 Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 der Europäischen Zentralbank (EZB/2003/9) v. 12.9.2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht, ABl. EU Nr. L 250 v. 2.10.2003, S. 10, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1052/2008 der EZB v. 22.10.2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 (EZB/2003/9) über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2008/10), ABl. EU Nr. L 282 v. 25.10.2008, S. 14. 3 Siehe zB Verordnung (EG) Nr. 2423/2001 der EZB v. 22.11.2001 über die konsolidierte Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute (EZB/2001/13), ABl. EG Nr. L 333 v. 17.12.2001, S. 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1489/2007 der EZB v. 29.11.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2423/2001 (EZB/2001/13) über die konsolidierte Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute (EZB/2007/18), ABl. EU Nr. L 330 v. 15.12.2007, S. 20; siehe auch http://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/ 1005/1021/html/index.de.html. 4 Verordnung (EG) Nr. 2157/1999 der EZB v. 23.9.1999 über das Recht der EZB, Sanktionen zu verhängen (EZB/1999/4), ABl. EG Nr. L 264 v. 12.10.1999, S. 21, geändert
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.68
EZB-Beschlüsse sind vollumfänglich für die Adressaten verbindlich1 und werden mit Zugang wirksam. Als Adressaten kommen alle juristische oder natürliche Personen, auch öffentliche Stellen wie Mitgliedsländer des Euro-Währungsgebiets2. Sie werden je nach Zuständigkeitsbereich vom EZB-Rat oder vom Direktorium verabschiedet. Alle EZB- Beschlüsse ergehen in der jeweiligen Landessprache der Adressaten. Die EZB kann entscheiden, ihre Beschlüsse im Amtsblatt zu veröffentlichen.
5.69
Adressaten, die ihre Verpflichtungen aus den Verordnungen und Beschlüssen der EZB nicht einhalten, drohen Geldbußen oder in regelmäßigen Abständen zu zahlende Zwangsgelder, mit denen sie die EZB nach Art. 132 Abs. 3 AEUV und Art. 34 Abs. 3 ESZB-Satzung belegen kann. Eine Einschränkung erfährt die Regelungsbefugnis der EZB lediglich insoweit, als bei Regelungen mit Eingriffs- und Zwangscharakter3 der Rat für die Festlegung des sachlichen und persönlichen Anwendungsbereichs der Regelungen zuständig ist (Art. 129 AEUV; Art. 19 Abs. 2, 20 Abs. 2, 41 ESZB-Satzung). Die Handlungen und Unterlassungen der EZB unterliegen in allen Fällen der Überprüfung und Auslegung durch den EuGH (Art. 35 Abs. 1 ESZB-Satzung).
2. Beratende Tätigkeiten
5.70
Im Rahmen ihrer beratenden Tätigkeiten kann die EZB Empfehlungen und Stellungnahmen im Bereich ihrer Zuständigkeiten abgeben. Es handelt sich hier um nicht verbindliche Rechtsakte, welche in der jeweiligen Landessprache der Adressaten ergehen. In Fällen allgemeiner Bedeutung kann die EZB beschließen, sie im Amtsblatt in allen Amtssprachen der Union zu veröffentlichen. a) Empfehlungen
5.71
Die EZB kann Empfehlungen nutzen, um unionsrechtliche Vorschriften in ihrem Zuständigkeitsbereich zu initiieren. Dies umfasst insbesondere das Initiativrecht zum Erlass von sekundärem Unionsrecht, das die ESZB-Satzung ergänzt oder ändert. Dieses Initiativrecht teilt sich die EZB mit der Kommission (Art. 129 Abs. 3 und 4 AEUV). Dabei geht es hauptsächlich um die Ausgestaltung der Mindestreservebedingungen, die Erhebung von Statistiken oder die Ausübung von Regelungsbefugnissen. durch Verordnung (EG) Nr.985/2001 der EZB v. 10.5.2001 zur Änderung der Verordnung EZB/1999/4 über das Recht der EZB, Sanktionen zu verhängen (EZB/2001/4), ABl. EG Nr. L 137 v. 19.5.2001, S. 24. 1 Siehe EuGH v. 27.11.2007 – T-3/00, T-337/04, Slg. 2007, II-4779, Rz. 210 (Pitsiorlas/ Rat und EZB). 2 ZB EZB-Entscheidungen zur Genehmigung über den Umfang der Münzausgabe nach Art. 128 AEUV. 3 Dies gilt zB für die Erhebung statistischer Daten, die Verhängung von Sanktionen, die Anordnung von Mindestreserven oder die Einführung und Anwendung anderer als der in Art. 18, 19 ESZB-Satzung schon vorgesehenen geldpolitischen Instrumente, soweit diese Verpflichtungen für Dritte etwa in Form von Meldepflichten, Genehmigungsvorbehalten etc. mit sich bringen.
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
Daneben kann die EZB Empfehlungen als Instrument nutzen um Impulse für Maßnahmen (nicht nur rechtlicher Art) seitens der Unionsorgane oder Mitgliedstaaten zu geben. EZB-Empfehlungen an Mitgliedstaaten betreffen in erster Linie die Zusammenarbeit mit nationalen Behörden in statistischen Angelegenheiten, wie zum Beispiel die Empfehlung der EZB an die Statistikämter einiger Mitgliedstaaten über die statistischen Berichtsanforderungen der EZB im Bereich der Zahlungsbilanz und des Auslandsvermögensstatus1 oder die Empfehlung der EZB an die Mitgliedsländer des Euro-Währungsgebiets über die Aufhebung von Bestimmungen zur Begrenzung der Anzahl an Münzen in einer nationalen Währungseinheit, die im Rahmen einer einzelnen Zahlung verwendet werden können2.
5.72
b) Beratungsfunktion Die EZB ist gemäß Art. 127 Abs. 4 AEUV und Art. 4 der ESZB-Satzung zu allen Vorschlägen für Rechtsakte der Gemeinschaft und der nationalen Behörden3 im Bereich der Zuständigkeit der EZB anzuhören. Im Falle der Unterlassung durch die zuständigen Stellen kann die EZB auch aus eigener Initiative Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen in ihrem Zuständigkeitsbereich abgeben, eine Verletzung der Konsultationspflicht kann ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Folge haben4. Einzelheiten über das Verfahren zur Anhörung der EZB sind in einer Entscheidung des Rates5 enthalten.
5.73
Die Anhörungspflicht6 gilt nur für Vorschriften, die rechtsverbindlich und allgemein anwendbar werden. Diese Pflicht beschränkt sich nicht auf Rechtsvorschriften, die von einem Parlament erlassen werden; gleichwohl ist es jedoch nicht erforderlich, die EZB zu abgeleiteten Rechtsvorschriften anzuhören, mit denen zB Parlamentsgesetze umgesetzt werden, es sei denn, die abgeleiteten Rechtsvorschriften wirken sich anders aus als die Parlamentsgesetze. Die Mitgliedstaaten hören die EZB normalerweise nicht zur Umsetzung von Richtlinien der Gemeinschaft an, obwohl die EZB dies gegenüber den Mitgliedstaa-
5.74
1 Empfehlung der EZB v. 2.5.2003 über die statistischen Berichtsanforderungen der Europäischen Zentralbank im Bereich der Zahlungsbilanz, des Auslandsvermögensstatus sowie des Offenlegungstableaus für Währungsreserven und Fremdwährungsliquidität (EZB/2003/8), ABl. EU Nr. C 126 v. 28.5.2003, S. 7. 2 Empfehlung der EZB v. 6.12.2001 über die Aufhebung von Bestimmungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Begrenzung der Anzahl an Münzen in einer nationalen Währungseinheit, die im Rahmen einer einzelnen Zahlung verwendet werden können (EZB/2001/17), ABl. EG Nr. C 356 v. 14.12.2001, S. 9. 3 Die Anhörungspflicht gilt für alle EU-Mitgliedstaaten bis auf das Vereinigte Königreich. 4 EZB, Leitfaden zur Anhörung der Europäischen Zentralbank durch die nationalen Behörden zu Entwürfen für Rechtsvorschriften, 2005, http://www.ecb.int/pub/pdf/ other/guideconsultationecb2005de.pdf; Arda, Euredia 2004, 111. 5 Entscheidung Nr. 98/415/EG des Rates v. 29.6.1998 über die Anhörung der Europäischen Zentralbank durch die nationalen Behörden zu Entwürfen für Rechtsvorschriften, ABl. EG Nr. L 189 v. 3.7.1998, S. 42. 6 Siehe Lambrinoc, The legal duty to consult the European Central Bank – National and EU consultations, ECB, November 2009.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
ten gelegentlich bei solchen Richtlinien angeregt hat, die von besonderem Interesse für das ESZB sind und bei denen eine Harmonisierung besonders wichtig ist1. Die EZB sollte erneut angehört werden, wenn Entwürfe für Rechtsvorschriften, zu denen die EZB bereits um Stellungnahme ersucht wurde, wesentlich geändert wurden.
5.75
Die beratende Funktion der EZB soll sicherstellen, dass unter Rückgriff auf den Sachverstand der EZB nationale Rechtsvorschriften mit dem rechtlichen Rahmen des ESZB vereinbar sind und den Zielen und Grundsätzen der EZB entsprechen. Zugleich wird der Informationsaustausch und die Kommunikation zwischen der EZB und der Öffentlichkeit gefördert.
III. Weitere Aufgaben 1. Verbot der monetären Finanzierung sowie des bevorrechtigten Zugangs
5.76
Nach Art. 271 lit. d AEUV ist es Aufgabe der EZB, die Einhaltung der Bestimmungen von Art. 123 und 124 AEUV und der Verordnungen (EG) Nr. 3603/932 und Nr. 3604/933 des Rates zu überwachen. Art. 123 AEUV verbietet der EZB und den NZBen die Gewährung von Überziehungs- und anderen Kreditfazilitäten an Regierungen und Organe oder Einrichtungen der Union ebenso wie den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln von diesen. Art. 124 AEUV verbietet Maßnahmen, die nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden und einen bevorrechtigten Zugang der Regierungen und der Organe und Einrichtungen der Union zu den Finanzinstituten schaffen.
5.77
Innerhalb des ESZB ist es Aufgabe des Erweiterten Rates, die Einhaltung dieser Bestimmungen zu überwachen, da sie für die Zentralbanken aller EUMitgliedstaaten gelten. Die Europäische Kommission überwacht die Einhaltung durch die Mitgliedstaaten. Die EZB überwacht ferner den Kauf von Schuldtiteln durch die EU-Zentralbanken am Sekundärmarkt, sowohl in Bezug auf Schuldtitel, die vom inländischen öffentlichen Sektor ausgegeben werden, als auch in Bezug auf Schuldtitel, die vom öffentlichen Sektor eines anderen Mitgliedstaates ausgegeben werden4. 1 EZB, Leitfaden zur Anhörung der Europäischen Zentralbank durch die nationalen Behörden zu Entwürfen für Rechtsvorschriften, S. 6. 2 Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates v. 13.12.1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung der in Art. 104 und Art. 104b Abs. 1 des Vertrages vorgesehenen Verbote, ABl. EG Nr. L 332 v. 31.12.1993, S. 1. 3 Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates v. 13.12.1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung des Verbots des bevorrechtigten Zugangs gemäß Art. 104a des Vertrages, ABl. EG Nr. L 332 v. 31.12.1993, S. 4. 4 Nach der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates darf der Erwerb von Schuldtiteln des öffentlichen Sektors am Sekundärmarkt nicht zur Umgehung des mit Art. 123 AEUV verfolgten Ziels verwendet werden und auf diese Weise zur indirekten Finanzierung des öffentlichen Sektors beitragen.
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
2. Wahrnehmung der Aufgaben des Europäischen Währungsinstitutes (EWI) Schließlich hat die EZB bestimmte Aufgaben des EWI übernommen, die solange fortzuführen sind, bis der Euro in allen Mitgliedstaaten der Union eingeführt wurde. nicht an der dritten Stufe der WWU teilnehmen (Art. 141 Abs. 2 AEUV iVm. Art. 43 ESZB-Satzung). Hierbei handelt es sich um die Förderung der Zusammenarbeit zwischen dem Eurosystem und den nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden NZBen, und die Durchführung der notwendigen Vorarbeiten für die Integration der NZBen neuer Mitgliedstaaten in das ESZB und für den Beitritt der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden NZBen zum Eurosystem.
5.78
IV. Unabhängigkeit Der EZB wird durch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Unabhängigkeit von jeder Form politischer Einflussnahme zugesichert1. Unabhängigkeit ist dabei kein Selbstzweck, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Erfüllung des Kernziels des Eurosystems der Sicherung der Preisstabilität2. Die EZB wird hierdurch gegen Einflussnahme jeglicher Art abgeschirmt, die der Erreichung ihres primären Ziels abträglich wäre.
5.79
Eine unabhängige Zentralbank ist in der Lage, das zentrale Ziel der Preisstabilität zu verfolgen, ohne das sie wie andere politische Akteure, wie etwa Regierungen, mehrere Ziele zu verfolgen hat und hierdurch in Zielkonflikte geraten könnte oder dem Druck andere Finanzmarktakteure oder der Öffentlichkeit ausgesetzt ist3. Darüber hinaus haben eine Reihe theoretischer Untersuchungen und empirischer Erfahrungen nachgewiesen, dass eine unabhängige Zentralbank dem Kaufkraftversprechen mehr Glaubwürdigkeit verleihen kann4.
5.80
Die Unabhängigkeit erstreckt sich auf alle Aktivitäten des Eurosystems sowie das Eurosystem als Ganzes. Da die NZBen im Eurosystem eine besondere Rolle innehaben, erstreckt sich das Konzept der Unabhängigkeit auch auf sie und ihre Beschlussorgane. Da die nationalen Zentralbanken kraft nationalen Rechts begründet bleiben, waren insoweit Anpassungen durch den nationalen
5.81
1 Vgl. hierzu Hafke in FS Kümpel, 2003, S. 185 ff. 2 EZB, Die Geldpolitik der EZB, S. 9. 3 Dies folgte nicht zuletzt der Tradition der Bundesbank; siehe Häde, EuZW 1992, 171 (174); Stark, WM 1999, 125. Die dem ESZB durch EG-Vertrag eingeräumte Unabhängigkeit geht noch über die gemäß § 12 BBankG aF für die Bundesbank geltende Regelung hinaus, vgl. Weber, WM 1998, 1465 (1468). Auch ist auf Grund der Festlegung im EG-Vertrag eine Aberkennung der Unabhängigkeit an wesentlich höhere Anforderungen geknüpft als dies unter dem einfach-gesetzlichen Rahmen des BBankG der Fall war, vgl. Reumann, Die Europäische Zentralbank, S. 19. 4 Weitere Nachweise in Endler, Europäische Zentralbank und Preisstabilität, 1998.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Gesetzgeber gemäß Art. 131 AEUV notwendig, um Kompatibilität mit dem EGV/AEUV zu gewährleisten. Diese Anpassungen waren eine der Vorbedingungen für die Teilnahme an der dritten Stufe der WWU1.
1. Institutionelle Unabhängigkeit
5.82
Art. 130 AEUV und Art. 7 ESZB-Satzung begründen die institutionelle Unabhängigkeit des Eurosystem. So darf bei der Wahrnehmung der übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe und Einrichtungen der Union sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der EZB oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. Art. 130 AEUV schließt aber nicht aus, dass das Eurosystem bei den genannten Einrichtungen erforderliche Informationen einholt oder mit ihnen im Dialog steht.
5.83
Das Verbot, Weisungen entgegenzunehmen, wird durch eine Selbstverpflichtung der Organe und Einrichtungen der Union und der Regierungen der Mitgliedstaaten ergänzt. So heißt es im zweiten Satz von Art. 130 AEUV, dass diese Stellen sich verpflichten, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der EZB oder der NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.
2. Finanzielle Unabhängigkeit
5.84
Die EZB und die NZBen verfügen über eigene finanzielle Mittel und Einkünfte und sind organisatorisch unabhängig. Das Eigenkapital der EZB halten nicht die Union oder die Mitgliedstaaten, sondern die nationalen Zentralbanken2. Die EZB verfügt auch über einen eigenen Haushalt, welcher unabhängig von jenem der Union ist. Die Vorschriften über Kapitalaufbringung und Ge-
1 EWI, Konvergenzbericht – Nach Art. 109 j des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorgeschriebener Bericht, März 1998. Grundsätzlich ist jedoch die Unabhängigkeit auch bindend für die nationalen Zentralbanken außerhalb des Euro-Währungsgebietes, eine Ausnahme gilt lediglich gemäß Protokoll Nr. 15 zum Vertrag für das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland. Siehe auch Krauskopf/Steven, WM 2000, 270. 2 Vgl. Beschluss 98/382/EG des Rates v. 5.6.1998 über die zur Feststellung des Schlüssels für die Zeichnung des Kapitals der Europäischen Zentralbank benötigten Daten, ABl. EG Nr. L 171 v. 17.6.1998, S. 33; Beschluss 1998/2 der EZB v. 9.6.1998 zur Bestimmung der Maßnahmen, die zur Einzahlung des Kapitals der Europäischen Zentralbank erforderlich sind, ABl. EG Nr. L 8 v. 14.1.1999, S. 33; Beschluss 1998/13 der EZB v. 1.12.1998 über die prozentualen Anteile der nationalen Zentralbanken im Schlüssel für die Zeichnung des Kapitals der Europäischen Zentralbank, ABl. EG Nr. L 125 v. 29.5.1999, S. 33.
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
winn- oder Verlustverteilung (Art. 28 ff. ESZB-Satzung) sollen finanzielle Abhängigkeiten des Eurosystems von der Union und den Mitgliedstaaten verhindern1. Hierdurch werden die Organe der Union gehindert, Einfluss auf die EZB zu nehmen, der Haushalt der EZB bleibt von den Finanzinteressen der Union unberührt2. Hinsichtlich der Unabhängigkeit der NZBen in Finanz- und Haushaltsfragen sowie Personalangelegenheiten üben die Mitgliedstaaten als (zuweilen alleinige) Teilhaber ihrer jeweiligen NZB oder als nationale Gesetzgeber einen gewissen Einfluss auf die Haushalte der NZBen, die Gewinnausschüttung und die Personalausstattung aus. Allerdings werden die Rechte der Mitgliedstaaten entsprechend den Satzungen der NZBen durch die Maßgabe beschränkt, dass die Ausübung dieser Rechte die NZBen nicht darin behindern darf, ihre eurosystembezogenen Aufgaben wahrzunehmen.
5.85
3. Personelle Unabhängigkeit Die ESZB-Satzung schützt die Amtszeiten der Präsidenten der nationalen Zentralbanken3 (mindestens fünf Jahre, Art. 14 Abs. 2) und der Mitglieder des Direktoriums (acht Jahre ohne Wiederwahlmöglichkeit, Art. 11 Abs. 2) und legt für sie relativ lange Mindestamtszeiten fest. Während bei den Präsidenten der nationalen Zentralbanken eine Wiederernennung möglich ist, ist sie bei den Mitgliedern des Direktoriums ausgeschlossen.
5.86
Zugleich können Präsidenten der nationalen Zentralbanken und Mitglieder des Direktoriums nur unter bestimmten Voraussetzungen ihres Amtes enthoben werden. Dies ist beschränkt auf Fälle, in denen sie die Voraussetzungen für die Amtsausübung nicht mehr erfüllen oder eine schwere Verfehlung begangen haben. In solchen Fällen können sich der EZB-Rat oder das Direktorium der EZB an den EuGH wenden, um das betreffende EZB-Direktoriumsmitglied seines Amtes entheben zu lassen (Art. 11 Abs. 4 ESZB-Satzung). Präsidenten der nationalen Zentralbanken4 werden von der zuständigen Stelle ihres Landes nach den im entsprechenden Zentralbankgesetz festgelegten Verfahren aus dem Amt entlassen. Allerdings kann der betroffene Präsident oder der EZB-Rat in Streitfällen den EuGH anrufen (Art. 14 Abs. 2 ESZB-Satzung).
5.87
1 EWI, Jahresbericht 1997, S. 117; Sodan, NJW 1999, S. 1521 (1523). 2 Dies ist seitens der Kommission nicht unbestritten, wie die Diskussion um die Kompetenzen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung zeigt (vgl. auch Beschluss der Kommission zur Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung [OLAF], KOM/99/225 endg.). 3 Es ist strittig, ob die Mindestamtszeit auch für andere Mitglieder der Beschlussorgane der nationalen Zentralbanken gilt. Es wäre jedoch kaum mit dem Gedanken des Art. 130 AEUV zu vereinbaren, wenn diese Regel nicht auch für andere Mitglieder der Beschlussorgane der nationalen Zentralbanken gelten würde; vgl. Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 78 f. 4 Satzungen der NZBen können den Schutz vor Entlassungen auf andere Mitglieder ihrer Beschlussorgane ausdehnen, allerdings können die übrigen Mitglieder ihre Angelegenheit nicht vor den EuGH bringen.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Diese Regelungen sollen ermöglichen, die politische Einflussnahme auf die Mitglieder der EZB-Beschlussorgane möglichst gering zu halten1.
4. Funktionale und operationelle Unabhängigkeit
5.88
Im Interesse einer weitest möglichen Unabhängigkeit der EZB wurde dem Eurosystem das Monopol zur Banknotenemission übertragen. Mitgliedstaaten können nur in geringem Umfang und unter Genehmigung der EZB Münzen prägen. Auch ist auch der Zugang der Union und der Mitgliedstaaten zum Notenbankkredit und damit zu einem der klassischen Fälle unfreiwilliger Zentralbankgeldschöpfung2 verschlossen. Der AEUV (Art. 123) wie auch die ESZB-Satzung (Art. 40 Abs. 1) untersagen sowohl der EZB als auch den nationalen Zentralbanken, Kredite gleich welcher Art an die dort genannten öffentlichen Stellen zu gewähren.
5.89
Die EZB wie auch die nationalen Zentralbanken sind aber weiterhin befugt, bei der Begebung von öffentlichen Schuldtiteln als „fiscal agent“ tätig zu werden. Sie dürfen also für Rechnung der in der ESZB-Satzung (Art. 21 Abs. 1) bezeichneten Stellen öffentliche Schuldtitel verkaufen, deren Ausschreibung, Platzierung, Abwicklung sowie die Kurspflege übernehmen3. Sonstige Geschäfte mit öffentlichen Stellen sind der EZB und den nationalen Zentralbanken untersagt. Dies ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut der ESZB-Satzung. Der Kreis der zulässigen Geschäfte mit öffentlichen Stellen ist aber nicht erweiterungsfähig, weil ansonsten die Gefahr einer Aushöhlung der funktional-sachlichen Unabhängigkeit des ESZB nicht auszuschließen ist4.
5.90
Schließlich kann die EZB autonom über den Einsatz aller Instrumente und Befugnisse entscheiden, die insbesondere für eine effiziente Geldpolitik notwendig sind. Eine Ausnahme gilt nur hinsichtlich der Entscheidung über ein förmliches Wechselkurssystem für den Euro gegenüber Drittlandswährungen („Wechselkurs-Zielzonen“, Art. 219 AEUV). Hier verbleibt die maßgebliche Währungspolitikkompetenz bei dem aus dem Wirtschafts- und Finanzministern der Teilnehmerstaaten gebildeten Rat. Außerdem kann der Rat unter außergewöhnlichen Umständen, beispielsweise im Falle eindeutiger Wechselkursverzerrungen5, gemäß Art. 219 Abs. 2 Satz 1 AEUV allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik des Eurosystems aufstellen. 1 Hierzu ausführlich Stadler, Der rechtliche Handlungsspielraum des Europäischen Systems der Zentralbanken, S. 126 ff. 2 Vgl. Hahn, Währungsrecht, § 19 Rz. 50 mwN. 3 Vgl. Oesterreichische Nationalbank, Die österreichische Währungspolitik und die Europäische Gemeinschaft, 1993, S. 44. 4 Weber, WM 1998, 1465 (1469). 5 So die Selbstbeschränkung des Europäischen Rates von Luxemburg, Entschließung über die wirtschaftspolitische Koordinierung in der Dritten Stufe der WWU und zu den Art. 109 und 109b des Vertrages, SN 400/97, Ziffer II. 8; krit. dazu die Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer, Mitteilungen und Kommentare zur Geldwertstabilität, Nr. 1/1998, S. 2 f.; zum insoweit bestehenden Konfliktpotential Deutsche Bundesbank, Informationsbrief zur WWU Nr. 10, Februar 1998, S. 16.
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
Die Festlegung bestimmter Wechselkurs-Zielzonen und damit einhergehende Devisenmarktinterventionen zur Verteidigung eines bestimmten Wechselkurses können zu einer Ausweitung der Geldmenge mit allen damit verbundenen inflationären Gefahren führen. Der AEUV gewährleistet jedoch in Art. 119 Abs. 2, dass die Gewährleistung der Preisstabilität auch das vorrangige Ziel der Wechselkurspolitik der Gemeinschaft zu sein hat. Beim Abschluss von förmlichen Wechselkursvereinbarungen und der Festlegung, Änderung oder Aufgabe von Leitkursen muss die EZB in dem Bemühen konsultiert werden, zu einem im Einklang mit dem Ziel der Preisstabilität stehenden Konsens zu gelangen. Dies führt faktisch zu einer Mitentscheidung der EZB. Auch sofern der Rat gemäß Art. 219 Abs. 2 Satz 1 AEUV allgemeine Orientierungen aufstellt, sollten diese stets die Unabhängigkeit des Eurosystems respektieren1 und das vorrangige Stabilitätsziel nicht beeinträchtigen. Die allgemeinen Orientierungen begründen keine Interventionspflichten der EZB2. Die alleinige Verantwortung zum Beschluss und der Durchführung von Devisenmarktgeschäften liegt bei der EZB3.
5.91
Darüber hinaus gewährleistet auch der europäische Wechselkursmechanismus der dritten Stufe der WWU (WKM II), dass die stabilitätsorientierte Geldpolitik der EZB nicht durch Interventionspflichten beeinträchtigt wird, da die EZB Interventionen zu Gunsten der Länder, die noch nicht an der dritten Stufe der WWU teilnehmen, aussetzen kann, wenn dies das Ziel der Preisstabilität gefährdet4.
5.92
Schließlich genießt die EZB als supranationale Organisation die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Vorrechte und Befreiungen auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gemäß Kapitel 1 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften v. 8.4.1965. Dieses garantiert unter anderem, dass die Räumlichkeiten und Archive der EZB unverletzlich und ihre Vermögensgegenstände und Guthaben unantastbar sind.
5.93
V. Transparenz und Rechenschaftspflicht Zwecks Wahrung der Legitimität muss eine unabhängige Zentralbank im demokratischen Umfeld über die im Rahmen ihres Auftrages durchgeführten Maßnahmen und deren Beweggründe nicht nur offen und transparent sein, 1 Europäischer Rat, Entschließung über die wirtschaftspolitische Koordinierung in der Dritten Stufe der WWU und zu den Art. 109 und 109b des Vertrags, SN 400/97, Ziffer II. 8; vgl. dazu auch BReg, BR-Drucks. 236/98, S. 21. 2 Weber, WM 1998, 1465 (1468). 3 EZB, Die Geldpolitik der EZB, S. 9. 4 Entschließung des Europäischen Rates über die Einführung eines Wechselkursmechanismus in der dritten Stufe der WWU v. 16.6.1997, ABl. EG Nr. C 236 v. 2.8.1997, S. 5; Abkommen v. 1.9.1998 zwischen der EZB und den nationalen Zentralbanken der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten über die Funktionsweise eines Wechselkursmechanismus in der dritten Stufe der WWU, ABl. EG Nr. C 345 v. 13.11.1998, S. 6.
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5.94
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
sondern auch über ihre Leistungen Rechenschaft ablegen1. Die Bestimmungen des AEUV zur Rechenschaftspflicht der EZB und die im Laufe der Jahre entwickelten Gepflogenheiten und Verfahren wurden an dem besonderen politischen, wirtschaftlichen und institutionellen Umfeld, in dem die EZB tätig ist, ausgerichtet.
5.95
Dabei hat die EZB für alle Handlungen und Aufgaben, die dem Eurosystem durch den EG-Vertrag übertragen wurden, und insbesondere für die Durchführung der Geldpolitik Rechenschaft abzulegen. Mit der Festlegung einer quantitativen Definition von Preisstabilität hat die EZB einen Referenzwert geschaffen, mit dessen Hilfe ihre Zielerfüllung gemessen werden kann. Die EZB ist auch für alle anderen Aufgaben, die das Eurosystem in ihrem Auftrag ausführt, rechenschaftspflichtig.
5.96
Gemäß der ESZB-Satzung hat die EZB vierteljährlich Berichte über die Tätigkeiten des Eurosystems (Art. 15 Abs. 1) sowie wöchentlich eine konsolidierte Bilanz zu veröffentlichen (Art. 15 Abs. 2). Darüber hinaus hat sie einen Jahresbericht über ihre Tätigkeiten sowie über die Geldpolitik des vergangenen und des laufenden Jahres zu erstellen (Art. 135 AEUV). Dieser Bericht ist dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat vorzulegen. Das Europäische Parlament ist berechtigt, eine Diskussion über den Jahresbericht abzuhalten und hierzu den EZB-Präsidenten sowie andere Mitglieder des Direktoriums anzuhören. Der Präsident des Rates und ein Vertreter der Kommission können, ohne Stimmrecht, an den Sitzungen des EZB-Rates teilnehmen2.
5.97
Zudem erläutern der Präsident und der Vizepräsident der EZB im Anschluss an jede erste Ratssitzung im Monat die Wirtschaftsentwicklung und die Beweggründe für Entscheidungen des EZB-Rates. Doch im Gegensatz zum Federal Reserve System, der Bank of England und der Bank von Japan veröffentlicht die EZB (trotz Drängens aus Kreisen der Politik, Presse und Wirtschaft) weder die Protokolle der Sitzungen des EZB-Rates, noch das Stimmverhalten der Organmitglieder. Dies wird zum einen mit den Geheimhaltungsvorschriften der ESZB-Satzung (Art. 10 Abs. 4 und 37) begründet, zum anderen mit der Notwendigkeit, eine „Personalisierung“ der internen Meinungsbildung zu verhindern, welche dazu führen könnte, dass Druck auf einzelne Ratsmitglieder ausgeübt werden könnte3.
VI. Gerichtliche Kontrolle
5.98
Die Handlungen und Unterlassungen der EZB unterliegen in allen Fällen der Überprüfung und Auslegung durch den EuGH (Art. 35 Abs. 1 ESZB-Satzung). Die Vertragsbestimmungen des AEUV beziehen die EZB generell als Aktiv1 EZB, Monatsbericht November 2002, Die Rechenschaftspflicht der EZB, S. 49, 51–52. 2 EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (62). 3 Issing in Welteke/Simmert, Die Europäische Zentralbank, S. 101 (115).
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
und Passivlegitimierte in die Verfahren der Nichtigkeitsklage (Art. 263), der Untätigkeitsklage (Art. 265), der Streitigkeiten innerhalb des ESZB (Art. 271 lit. d), der Schadensersatzklage (Art. 268 iVm. Art. 340 Abs. 2 und 3) sowie der inzidenten Normenkontrolle (Art. 267 Abs. 1 lit. b) ein. Eine gerichtliche Kontrolle der Rechtshandlungen der EZB kann sowohl durch die nationalen Zentralbanken, von Gemeinschaftsorganen oder Mitgliedstaaten sowie von Dritten initiiert werden. Der EuGH ist für Klagen zuständig, die „wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung [des AEU-]Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs“ (Art. 263 Abs. 3 AEUV) erhoben werden. Ferner kann jede natürliche oder juristische Person unter den gleichen Voraussetzungen gegen an sie ergangene Entscheidungen der EZB Klage erheben, die sie unmittelbar und individuell betreffen (Art. 263 Abs. 4 AEUV).
5.99
Die Einbeziehung der Rechtsakte der EZB in das Rechtsschutzsystem der Union war ungeachtet des in vielfältiger Hinsicht bestehenden weiten Ermessens-/Beurteilungsspielraums erforderlich und bildet ein notwendiges rechtsund demokratiestaatliches Äquivalenz zur Unabhängigkeit der EZB1. Der tatsächliche Umfang der Rechtskontrolle hängt jedoch vom Ausmass der Nachprüfbarkeit der Entscheidungen der EZB ab. Insbesondere im Bereich der geldpolitischen Maßnahmen dürfte hier ein weiter Ermessensspielraum gegeben sein.
5.100
VII. Organe der EZB Das ESZB wird von den Beschlussorganen der EZB geleitet (Art. 8 ESZB-Satzung). Dabei werden die Leitungs- und Aufsichtsbefugnisse der EZB im Wesentlichen auf den EZB-Rat und das Direktorium verteilt2. Europarechtlicher Terminologie folgend lässt sich sagen, dass sich hierdurch innerhalb des ESZB der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts konkretisiert. Durch die Zuweisung spezieller Befugnisse wird eine Machtbegrenzung der beiden leitenden Beschlussorgane erreicht3. Solange es noch Mitgliedstaaten gibt, die den Euro nicht eingeführt haben, besteht daneben der Erweiterte Rat als drittes Beschlussorgan (Art. 45 ESZB-Satzung).
5.101
Die Funktionsweise der Beschlussorgane ist im AEUV, der ESZB-Satzung und den jeweiligen Geschäftsordnungen geregelt. Dabei ist zu bemerken, dass die Beschlussorgane der EZB eine Doppelfunktion haben, zum einen als Leitungsorgane der EZB selbst, zum anderen in Bezug auf das Eurosystem und das ESZB4.
5.102
1 Weber, WM 1998, 1465 (1470). 2 Die Bezeichnung der Organe und auch deren materielle Aufgabenzuordnung orientiert sich weitgehend an den Bestimmungen des früheren Bundesbankgesetzes (§§ 6, 7 BBankG aF). 3 Weber, WM 1998, 1465 (1466). 4 Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 56.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
1. EZB-Rat
5.103
Als oberstes Entscheidungsorgan des Eurosystems ist der EZB-Rat befugt, alle mit den Aufgaben des Eurosystem zusammenhängenden Angelegenheiten zumindest in grundsätzlicher Form durch Leitlinien und Entscheidungen zu regeln. Dies gilt insbesondere für alle strategischen geldpolitischen (Grund-) Entscheidungen etwa über geldpolitische Zwischenziele und Leitzinssätze sowie die für ihre Ausführung notwendigen Leitlinien (Art. 12 Abs. 1 ESZBSatzung)1.
5.104
Weiterhin beschließt der EZB-Rat ua. Leitlinien für alle anderen Geschäfte der NZBen und für Transaktionen der Euro-Länder mit ihren Arbeitsguthaben in Fremdwährungen, Verordnungen, die die EZB laut AEUV oder gemäß Übertragung durch den Rat erlassen kann, die Ausgabe von Euro-Banknoten und den Umfang der Ausgabe von Euro-Münzen im Eurogebiet, die Zuteilung finanzieller Mittel an die EZB und über die Verwendung ihres finanziellen Ergebnisses. Er beschließt weiterhin Regeln für die Verteilung der monetären Einkünfte an die NZBen des Euro-Währungsgebiets, die Geschäftsordnung der EZB2, die Verteilung der Gewinne oder Deckung der Verluste, die Verteilung des monetären Einkommens3, den Jahresbericht und die Beschäftigungsbedingungen der Mitarbeiter.
5.105
Der EZB-Rat besteht aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken der an der Währungsunion teilnehmenden Mitgliedsstaaten (Art. 283 Abs. 1 AEUV; Art. 10 Abs. 1 ESZB-Satzung iVm. Art. 42 Abs. 4 ESZB-Satzung). Die Mitgliedschaft im EZB-Rat ist personenbezogen und nicht übertragbar, dh., sie kann nicht an eine dritte Person delegiert werden4.
5.106
Der EZB-Rat tagt mindestens zehnmal pro Jahr (Art. 10 Abs. 5 ESZB-Satzung), regelmäßig zweimal monatlich am ersten und dritten Donnerstag eines Monats. Bei seiner ersten Sitzung im Monat unterzieht er die monetären und wirtschaftlichen Entwicklungen einer eingehenden Beurteilung und fasst damit zusammenhängende Beschlüsse. Im Anschluss an die erste Sitzung des Monats folgt gewöhnlich eine Pressekonferenz, in der der Präsident und der Vizepräsident der EZB über die Ergebnisse der Beratungen informieren. Bei der zweiten Sitzung werden dagegen vorwiegend Themen behandelt, die sich aus den übrigen Aufgaben und Verantwortungsbereichen der EZB und des Eurosystems ergeben. 1 EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (63); Weber, WM 1998, 1465 (1466 mwN). 2 Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank v. 22.4.1999, ABl. EG Nr. L 125 v. 19.5.1999, S. 34. 3 Vgl. EZB-Pressemitteilung v. 6.12.2001. 4 Art. 10 ESZB-Satzung bestimmt allerdings zwei Ausnahmen. So kann der Präsident einer NZB bei Verhinderung einen Stellvertreter zur Abgabe seiner Stimme in Finanzangelegenheiten benennen (Art. 10.3 ESZB-Satzung). Auch kann, wenn ein Mitglied des EZB-Rates für längere Zeit (dh. mehr als einen Monat) an der Stimmabgabe verhindert, ein Stellvertreter als Mitglied des EZB-Rates benannt werden (Art. 3 Abs. 3 GO-EZB iVm. Art. 10 Abs. 2 ESZB-Satzung).
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
Jedes Mitglied des EZB-Rates hat grundsätzlich nur eine Stimme („one member – one vote“, Art. 10 Abs. 2 Satz 1 ESZB-Satzung). Gemäß Art. 284 Abs. 1 AEUV können auch der Präsident des Rates und ein Mitglied der Europäischen Kommission ohne Stimmrecht an den Ratssitzungen teilnehmen. Die Mitglieder des EZB-Rates üben ihre Funktionen im EZB-Rat in persönlicher Kapazität als Experten und nicht als Repräsentanten der NZBen oder der jeweiligen Mitgliedstaaten aus1.
5.107
Grundsätzlich beschließt der EZB-Rat mit der einfachen Mehrheit der anwesenden Mitglieder, in einigen Fällen bedarf es jedoch einer Zweidrittelmehrheit (Art. 20 ESZB-Satzung)2 oder der Einstimmigkeit (Art. 10 Abs. 6 und 40 Abs. 3 ESZB-Satzung). In finanziellen Fragen (Verteilung der Gewinne oder Deckung der Verluste, Verteilung des monetären Einkommens, Kapitaleinzahlungen, etc.) werden die Stimmen im EZB-Rat nach den Anteilen der nationalen Zentralbanken am gezeichneten Kapital der EZB gewichtet, die Stimmen der Direktoriumsmitglieder werden mit Null gewichtet (Art. 10 Abs. 3 ESZB-Satzung). Dies bedeutet, dass über finanzielle Fragen faktisch allein die Präsidenten der nationalen Zentralbanken entscheiden.
5.108
Das bestehende Beschlusssystem würde jedoch im Falle einer stetigen Erweiterung des Euro-Währungsraumes dazu führen, dass der EZB-Rat bis zu 33 Mitglieder umfassen könnte. Um eine effiziente Beschlussfassung des EZB-Rates in einem erweiterten Euroraum zu gewährleisten, wurde Art. 10 Abs. 2 der ESZB-Satzung vom EU-Rat auf der Grundlage der „Ermächtigungsklausel“ gemäß Art. 10 Abs. 6 der ESZB-Satzung geändert3. Wenn das EuroWährungsgebiet aus mehr als 184 Mitgliedstaaten besteht und damit auch mehr als 18 NZB-Präsidenten im EZB-Rat vertreten sind, wird die Anzahl der stimmberechtigten Präsidenten der nationalen Zentralbanken auf 15 begrenzt. Die sechs Mitglieder des Direktoriums behalten ein permanentes Stimmrecht, während die Präsidenten der NZBen ihr Stimmrecht auf der Grundlage eines vorab festgelegten Rotationssystems ausüben5.
5.109
1 Seidel, EuZW 2008, 545; von Borries, ZEuS 1999, 281 (298). 2 Wenn der EZB-Rat feststellt, dass von einer NZB wahrgenommene, nicht mit dem Eurosystem zusammenhängende Aufgaben gegen die entsprechenden Ziele und Aufgaben des Eurosystems verstoßen, oder wenn der EZB-Rat beschließt, andere Instrumente der Geldpolitik als die in der ESZB-Satzung genannten einzusetzen. 3 Beschluss 2003/223/EG des Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs v. 21.3.2003 über eine Änderung des Art. 10.2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, ABl. EU Nr. L 83 v. 1.4.2003, S. 66. 4 15 nach dem ursprünglichen Beschluss 2003/223/EG, die Verschiebung der Anpassung bis zu dem Tag, an dem die Zahl der Zentralbankpräsidenten im EZB-Rat 18 übersteigt, erfolgte durch Beschluss der EZB v. 19.3.2009 zur Änderung des Beschlusses EZB/2004/2 v. 19.2.2004 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank (EZB/2009/5) (2009/328/EG), ABl. EU Nr. C 115 v. 9.5.2008, S. 230. 5 Um sicherzustellen, dass die stimmberechtigten Präsidenten aus Ländern stammen, die zusammengenommen stets repräsentativ für das Euro-Währungsgebiet als Ganzes sind, werden sie ihre Stimmrechte mit unterschiedlicher Häufigkeit ausüben; wie
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
2. Direktorium
5.110
Das Direktorium ist das für das Tagesgeschäft zuständige Beschlussorgan der EZB. Als solches trägt es insbesondere alleinige und unentziehbare Verantwortung für die Umsetzung der Geldpolitik gemäß den Leitlinien und Entscheidungen des EZB-Rates (Art. 12 Abs. 1 ESZB-Satzung). Es ist ein ständiges Gremium, dessen Mitglieder ausschließlich mit der Umsetzung der Aufgaben der EZB befasst sind.
5.111
Zu den wichtigsten Befugnissen des Direktoriums gehört das Recht, den nationalen Zentralbanken des Euro-Währungsgebietes Weisungen zu erteilen (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 ESZB-Satzung). Deshalb nimmt das Direktorium bei der Durchführung der Geldpolitik die Stellung des zentralen und den nationalen Zentralbanken übergeordneten Exekutivorgans ein.
5.112
Dem Direktorium obliegen darüber hinaus die Führung der laufenden Geschäfte der EZB, die Vorbereitung der Sitzungen des EZB-Rates, die Erstellung des Jahresabschlusses der EZB sowie die Erstellung der konsolidierten Bilanz des Eurosystems (Art. 11 Abs. 6, 12 Abs. 2, 26 Abs. 2 Satz 1, 26 Abs. 3 ESZBSatzung). Des Weiteren können dem Direktorium durch Beschluss des EZBRates bestimmte an sich dem EZB-Rat zugewiesene Befugnisse übertragen werden (Art. 12 Abs. 1 ESZB-Satzung).
5.113
Im Übrigen gilt für die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den beiden Beschlussorganen der Grundsatz, dass alle strategischen, über den Einzelfall hinausgehenden Grundsatzentscheidungen dem EZB-Rat vorbehalten sind. Dagegen ist das Direktorium neben der laufenden Geschäftsführung verantwortlich für die immer wieder neu und anders zu treffenden konkreten Durchführungs- und Umsetzungsentscheidungen1.
5.114
Das Direktorium besteht als Kollegialorgan aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern (Art. 283 Abs. 2 lit. a AEUV; Art. 11 Abs. 1 ESZB-Satzung). Alle Mitglieder werden vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit gemäß Art. 16 Abs. 4 EUV iVm. Art. 238 Abs. 2 AEUV, auf Empfehlung des Rates nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des EZB-Rates ernannt2 (Art. 283 Abs. 2 und Art. 11 ESZB-Sathäufig ein Präsident stimmberechtigt ist, richtet sich nach im Voraus festgelegten, objektiv nachvollziehbaren Kriterien, siehe hierzu im Einzelnen EZB, Monatsbericht Mai 2003, Änderung der Abstimmungsregeln im EZB-Rat, S. 79 ff.; Servais, in the proceedings of the workshop „The European Integration Process: A Changing Environment for National Central Banks“, 2005, S. 246 (250). 1 Weber, WM 1998, 1465 (1467). 2 Empfehlung Nr. 98/318/EG des Rates v. 3.5.1998 zur Ernennung des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der weiteren Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S. 36; Stellungnahme der EZB zur Ernennung des Vizepräsidenten der EZB v. 18.4.2002 (CON/2002/11), die auf der Website www.ecb.int abrufbar ist; Empfehlung Nr. 2002/287/EG des Rates v. 15.4.2002 zur Ernennung des Vizepräsidenten des Direktoriums der EZB, ABl. EG Nr. L 101 v. 17.4.2002, S. 17; Stellungnahme des EZB-Rates v. 24.4.2003 zu einer Empfehlung des
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5. Teil
Europäische Zentralbank (EZB)
zung). Es muss sich dabei um in Währungs- oder Bankfragen anerkannte und erfahrene Persönlichkeiten handeln. Das Direktorium tritt mindestens einmal wöchentlich zusammen. Es beschließt in der Regel mit einfacher Mehrheit der von den persönlich anwesenden Mitgliedern abgegebenen Stimmen.
5.115
Der Präsident der EZB, bei seiner Verhinderung der Vizepräsident, nimmt gegenüber den anderen Mitgliedern des Direktoriums (Art. 283 Abs. 2 lit. a AEUV; Art. 11 Abs. 1 ESZB-Satzung) insofern eine Sonderstellung ein, als er den Vorsitz im EZB-Rat, dem Direktorium und dem Erweiterten Rat führt und bei Stimmengleichheit seine Stimme den Ausschlag gibt (Art. 10 Abs. 2, 11 Abs. 5 ESZB-Satzung). Im Übrigen kann der Präsident oder eine von ihm benannte Person die EZB nach außen, zum Beispiel auf internationaler Ebene, vertreten (Art. 13 ESZB-Satzung). Dem Präsidenten obliegt auch die Vorstellung des Jahresberichts der EZB im Europäischen Parlament und im Rat sowie die Möglichkeit, an den Sitzungen des Rats und der Eurogruppe teilzunehmen.
5.116
Schließlich enthält die ESZB-Satzung (Art. 38) eine spezielle Regelung für die „Unterschriftsberechtigung“. Danach wird die EZB gegenüber Dritten durch den Präsidenten oder zwei Direktoriumsmitglieder oder durch die Unterschriften zweier vom Präsidenten zur Zeichnung im Namen der EZB ordnungsgemäß ermächtigter Bediensteter der EZB rechtswirksam verpflichtet.
5.117
3. Erweiterter Rat der EZB Der Erweiterte Rat reflektiert die Notwendigkeit, ein Gremium zu schaffen, in dem Eurosystem und die NZBen der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten gemeinsam vertreten sind. Art. 44 ESZB-Statut stellt dabei klar, dass es sich um ein drittes Beschlussorgan der EZB handelt.
5.118
Als „Übergangsorgan“ nimmt der Erweiterte Rat jene Aufgaben war, die die EZB vom Europäischen Währungsinstitut übernommen hat und welche auf Grund der Tatsache, dass nicht alle Mitgliedstaaten den Euro als einheitliche Währung eingeführt haben, noch von der EZB auszuführen sind. Hierbei geht es im Wesentlichen um Vorarbeiten für eine unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse der Währungen der noch nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten, beratende Funktionen des ESZB sowie die Erhebung von statistischen Daten. Der Erweiterte Rat überwacht ferner das Funktionieren des WKM II. Daneben dient er als Forum für die Koordination der Geld- und Wechselkurspolitik und überwacht, ob die NZBen der EU und die EZB die Bestimmungen der Art. 123 AEUV (Überziehungs- und Kreditfazilitäten) und 124 AEUV (Verbot des bevor-
5.119
Rates der Europäischen Union zur Ernennung eines Mitglieds des Direktoriums der EZB (CON/2003/6), ABl. EU Nr. C 105 v. 1.5.2003, S. 37; Einvernehmlich gefasster Beschluss Nr. 2003/767/EG der Regierungen der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, auf der Ebene der Staats- und Regierungschef v. 16.10.2003 zur Ernennung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, ABl. EU Nr. Nr. L 277 v. 28.10.2003 S. 16.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
rechtigten Zugangs zu Finanzinstituten) einhalten. Schließlich wird er bei Festlegung des Schlüssels der EZB für die Kapitalzeichnung und der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB gehört.
5.120
Der Erweiterte Rat besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der EZB sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken aller 27 Unionsmitgliedstaaten1. Die anderen vier Mitglieder des Direktoriums können an den Sitzungen teilnehmen, haben aber kein Stimmrecht. Der Erweiterte Rat tritt alle drei Monate in Frankfurt zusammen. Er wird aufgelöst, wenn alle EUMitgliedstaaten den Euro als ihre Währung eingeführt haben.
5.121–5.125
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Der Euro als europäische Währung I. Einheitliche Währung
5.126
Mit der Einführung des Euro im Rahmen der dritten Stufe der WWU wurde eine neue eigenständige Währung geschaffen. Die einheitliche Währung ersetzt die nationalen Währungen der an der Währungsunion teilnehmenden Mitgliedstaaten2. Ihre rechtliche Verankerung findet sich im Maastricht-Vertrag v. 7.2.19923, nunmehr durch den Lissabon-Vertrag4 in Art. 3 Abs. 4 des Vertrages über die Europäische Union5 (EUV) überführt.
5.127
Infolge des Fehlens einer allgemeinen juristischen Definition6 wird der Begriff Währung im Allgemeinen funktional verstanden. Nach dem funktionalen Verständnis ist unter „Währung“ eine staatliche Geldordnung im Sinne eines staatlichen Geldsystems zu verstehen, welches auf einer gesetzlich normierten Rechnungseinheit für ein Währungsgebiet aufbaut7. Eine Währungsverfas1 Die weiteren Mitglieder des Direktoriums können an den Sitzungen des Erweiterten Rates zwar teilnehmen, besitzen aber kein Stimmrecht (Art. 45 Abs. 2 ESZB-Satzung). 2 BVerfG v. 31.3.1998 – 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98, WM 1998, 807 (810); Dierdorf, NJW 1998, 3145; von Borries/Repplinger-Hach, NJW 1996, 3111 (3112); Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 115 Rz. 241 ff.; Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (8). 3 Art. 4, 123 EGV, BGBl. II 1992, S. 1251 ff. 4 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13.12.2007, ABl. EU Nr. C 306 v. 17.12.2007, S. 1. 5 Zitiert in der Nummerierung der konsolidierten Fassung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU Nr. C 115 v. 9.5.2008. 6 Vgl. Mann, Legal aspects of money, S. 3 ff.; Bofinger, Monetary Policy, S. 3 ff. 7 K. Schmidt in Staudinger, 1997, Vorbem. zu §§ 244 ff. BGB Rz. A 21; Fögen, Geld- und Währungsrecht, S. 35; Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 219 ff.; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 1 Rz. 13.
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Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
rechtigten Zugangs zu Finanzinstituten) einhalten. Schließlich wird er bei Festlegung des Schlüssels der EZB für die Kapitalzeichnung und der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB gehört.
5.120
Der Erweiterte Rat besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der EZB sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken aller 27 Unionsmitgliedstaaten1. Die anderen vier Mitglieder des Direktoriums können an den Sitzungen teilnehmen, haben aber kein Stimmrecht. Der Erweiterte Rat tritt alle drei Monate in Frankfurt zusammen. Er wird aufgelöst, wenn alle EUMitgliedstaaten den Euro als ihre Währung eingeführt haben.
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Einstweilen frei.
4. Abschnitt Der Euro als europäische Währung I. Einheitliche Währung
5.126
Mit der Einführung des Euro im Rahmen der dritten Stufe der WWU wurde eine neue eigenständige Währung geschaffen. Die einheitliche Währung ersetzt die nationalen Währungen der an der Währungsunion teilnehmenden Mitgliedstaaten2. Ihre rechtliche Verankerung findet sich im Maastricht-Vertrag v. 7.2.19923, nunmehr durch den Lissabon-Vertrag4 in Art. 3 Abs. 4 des Vertrages über die Europäische Union5 (EUV) überführt.
5.127
Infolge des Fehlens einer allgemeinen juristischen Definition6 wird der Begriff Währung im Allgemeinen funktional verstanden. Nach dem funktionalen Verständnis ist unter „Währung“ eine staatliche Geldordnung im Sinne eines staatlichen Geldsystems zu verstehen, welches auf einer gesetzlich normierten Rechnungseinheit für ein Währungsgebiet aufbaut7. Eine Währungsverfas1 Die weiteren Mitglieder des Direktoriums können an den Sitzungen des Erweiterten Rates zwar teilnehmen, besitzen aber kein Stimmrecht (Art. 45 Abs. 2 ESZB-Satzung). 2 BVerfG v. 31.3.1998 – 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98, WM 1998, 807 (810); Dierdorf, NJW 1998, 3145; von Borries/Repplinger-Hach, NJW 1996, 3111 (3112); Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 115 Rz. 241 ff.; Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (8). 3 Art. 4, 123 EGV, BGBl. II 1992, S. 1251 ff. 4 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13.12.2007, ABl. EU Nr. C 306 v. 17.12.2007, S. 1. 5 Zitiert in der Nummerierung der konsolidierten Fassung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU Nr. C 115 v. 9.5.2008. 6 Vgl. Mann, Legal aspects of money, S. 3 ff.; Bofinger, Monetary Policy, S. 3 ff. 7 K. Schmidt in Staudinger, 1997, Vorbem. zu §§ 244 ff. BGB Rz. A 21; Fögen, Geld- und Währungsrecht, S. 35; Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 219 ff.; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 1 Rz. 13.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
sung erfordert, dass der Träger der Währungshoheit eine bestimmte Währungseinheit festgelegt und entsprechende Zahlungsmittel bereitstellt, für die ein Annahmezwang im Währungsgebiet besteht1. Diese gesetzlichen Zahlungsmittel (Banknoten und Münzen) stellen Geld im engeren Wortsinne dar, das vom Buchgeld in Gestalt von Guthaben auf Girokonten bei Kreditinstituten zu unterscheiden ist. Nach deutschem Währungsrecht fällt das Buchgeld nicht unter den engeren Geldbegriff, weil der Gläubiger nur Bargeld zur Erfüllung seiner Geldforderung annehmen muss, wenn er einen Annahmeverzug (§ 293 BGB) vermeiden will. Nach herkömmlicher Auffassung handelt es sich bei einer Währung um ein nationales Phänomen, weil sich die jeweilige Währungshoheit auf ein bestimmtes Staatsgebiet bezieht2. Mit dem Euro ist dagegen eine Währung für eine Vielzahl von Staaten geschaffen worden, die sich zu einer Währungsunion als einem supranational organisierten Staatenverbund verbunden haben3. Damit ist Garant des Euros als einheitlicher Währung nicht mehr ein einzelner Staat und die in ihm vorhandene Wirtschaftskraft. Der nationale Garant ist vielmehr durch die Teilnehmerländer an der Währungsunion und die ihnen zugehörenden Volkswirtschaften ersetzt worden4. Bei der EuroWährung handelt es sich damit um eine Währung neuen Typs5.
5.128
Die Einführung der Euro-Währung als einer einheitlichen Währung für mehrere Staaten bedurfte deshalb der gemeinsamen Ausübung vertraglich verbundener nationaler Währungshoheitsrechte6. Nach herrschender Auffassung ist die gemeinschaftsrechtliche Währungshoheit der Währungsunion Ausfluss der nationalen Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten, die insoweit auf eine supranationale Ebene übertragen worden sind7. Die Vergemeinschaftung der nationalen Währungshoheiten8 erfolgte durch den Maastricht-Vertrag. Mit diesem Vertrag wurden zugleich die rechtlichen Grundlagen für die Einführung der Euro-Währung gelegt9.
5.129
1 2 3 4 5
6 7 8 9
Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 115 Rz. 242. Reinhuber, S. 576. BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, WM 1993, 2056 (2061). BVerfG v. 31.3.1998 – 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98, WM 1998, 807 (810). Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, 1. Aufl. 1997, § 115 Rz. 245; Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (8); Schefold, ZEuP 1999, 271; vgl. nunmehr Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, 3. Aufl. 2007, § 115 Rz. 70 ff. BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, WM 1993, 2056 (2062); vgl. weiter Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (8); Schefold, ZeuP 1999, 271. Wahlig, WM 1985, 1053 (1056); ebenso Samm in FS Hahn, 1997, S. 227 (241); Schefold, NJW 1998, 3155. BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, WM 1993, 2056 (2058). Dierdorf, NJW 1998, 3145.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
1. Währungsumstellung
5.130
Auf Grundlage einer Entscheidung des Rates v. 2.5.19981 wurde die einheitliche Währung zunächst in Belgien, Deutschland2, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien eingeführt. In der Folge erweiterte sich das Euro-Währungsgebiet kontinuierlich.
5.131
Die Einführung des Euro in den Mitgliedstaaten der Union war eine Währungsumstellung, die bestehende Wertrelationen unverändert lies: „Die Zahlen ändern sich, der Wert bleibt gleich“3. Ein bestimmter, vor der Umstellung in nationaler Währungseinheit ausgedrückter Geldbetrag hatte also nach der Umrechnung in die Euro-Währungseinheit exakt die gleiche Kaufkraft. Hierin liegt der Unterschied zu Währungsreformen wie etwa in Deutschland im Jahre 1948. Damals wurde die Reichsmark durch die DM im Verhältnis von 10:1 ersetzt und hierdurch gleichzeitig abgewertet.
5.132
Die für die Euro-Einführung erforderlichen Umrechnungskurse (Konversionsraten) für die nationalen Währungen legte der EG-Rat mit der am 1.1.1999 (0.00 Uhr) in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 2866/98 des Rates v. 31.12.1998 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen (Euro-VO III)4, unwiderruflich fest.
5.133
Der Kurs für die Umrechnung des Euro in die Deutsche Mark wurde mit 1 Euro = 1,95583 DM festgelegt. Für die nationalen Währungseinheiten der anderen Teilnehmerländer lauten die Umrechnungskurse für 1 Euro: Belgien 40,3399 Franc; Spanien 166,386 Peseten; Frankreich 6,55957 Franc; Irland 0,787564 Pfund; Italien 1936,27 Lira; Luxemburg 40,3399 Frank; Niederlande 2,20371 Gulden; Österreich 13,7603 Schilling; Portugal 200,482 Escudo und Finnland 5,94573 Mark. Alle Aktiva und Passiva, alle Forderungen und Verbindlichkeiten wurden zu diesen Umrechnungskursen umgestellt.
5.134
In der Folge erweiterte sich das Euro-Währungsgebiet. Die Ausnahmeregelung für Griechenland, ist mit der Entscheidung des Rates v. 19.6.2000 für die Einführung des Euro mit Wirkung zum 1.1.2001 aufgehoben worden (Umrechnungskurs 1 Euro = 340,750 Drachmen)5. Weiterhin ist die Ausnahmeregelung für Slowenien (Umrechnungskurs 1 Euro = 239,640 Tolar) mit Wirkung zum 1 ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S. 30 (35). 2 Zur Zurückweisung der gegen die Mitwirkung Deutschlands an der Wirtschafts- und Währungsunion gerichteten Verfassungsbeschwerde siehe BVerfG v. 31.3.1998 – 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98, NJW 1998, 1934 und EuZW 1998, 279. 3 Waigel, WM 1997, 1322; Rehbein, WM 1998, 997 (999). 4 ABl. EG Nr. L 359 v. 31.12.1998, S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1478/2000 des Rates v. 19.6.2000, ABl. EG Nr. L 167 v. 7.7.2000, S. 1. 5 Verordnung (EG) Nr. 1478/2000 des Rates v. 19.6.2000 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2866/98 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen, ABl. EG Nr. L 167 v. 7.7.2000, S. 1; Entscheidung Nr. 2000/427/EG des Rates v. 19.6.2000 gemäß Art. 122 Abs. 2 des Vertrags über die Einführung der Einheitswährung durch Griechenland am 1. Januar 2001, ABl. EG Nr. L 167 v. 7.7.2000, S. 19–21.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
1.1.20071, für Zypern (1 Euro = 0,585274 Pfund) und Malta (1 Euro = 0,429300 Lira) mit Wirkung zum 1.1.20082 und für die Slowakei (1 Euro = 30,1260 Kronen) mit Wirkung zum 1.1.20093 aufgehoben worden. Die Einführung des Euro erstreckt sich auch auf außereuropäische Territorien von Mitgliedstaaten4. Auf Grund von vertraglichen Vereinbarungen mit der Gemeinschaft gilt dies auch für San Marino, das Fürstentum Monaco und den Vatikanstaat (weitere Besonderheiten gelten für bestimmte Länder oder Gebiete, so zB Andorra, Komoren oder Kap Verde)5.
5.135
2. Name der einheitlichen Währung Im Vertrag von Maastricht, in dem die Einführung der neuen Währung vereinbart wurde, wurde diese noch als Europäische Währungseinheit – „European Currency Unit“ (ECU) – bezeichnet (vgl. Art. 4 Abs. 2 EGV, aufgehoben durch den Lissabon-Vertrag). Der Europäische Rat beschloss im Dezember 1995 in Madrid auf deutsche Anregung hin, der gemeinsamen Währung den Namen „Euro“ zu geben6.
5.136
II. Rechtsrahmen für den Euro Geld als gesetzliches Zahlungsmittel ist ein Geschöpf der Rechtsordnung und bedarf deshalb eines rechtlichen Rahmens. Mit Beginn der dritten Stufe der 1 Entscheidung Nr. 2006/495/EG des Rates v. 11.7.2006 gemäß Art. 122 Abs. 2 des Vertrags über die Einführung der Einheitswährung durch Slowenien am 1.1.2007, ABl. EU Nr. L 195 v. 15.7.2006, S. 25; Verordnung (EG) Nr. 1647/2006 v. 7.11.2006 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 974/98 über die Einführung des Euro, ABl. EU Nr. L 309 v. 9.11.2006, S. 2. 2 Entscheidung Nr. 2007/503/EG des Rates v. 10.7.2007 gemäß Art. 122 Abs. 2 des Vertrags über die Einführung der einheitlichen Währung durch Zypern am 1.1.2008, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2007, S. 29; Entscheidung Nr. 2007/504/EG des Rates v. 10.7.2007 gemäß Art. 122 Abs. 2 des Vertrags über die Einführung der einheitlichen Währung durch Malta am 1.1.2008, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2007, S. 32. 3 Entscheidung Nr. 2008/608/EG des Rates v. 8.7.2008 gemäß Art. 122 Abs. 2 EG-Vertrag über die Einführung der einheitlichen Währung durch die Slowakei am 1.1.2009, ABl. EU Nr. L 195 v. 24.7.2008, S. 24. 4 Der Euro ist seit dem 1.1.1999 auch offizielle Landeswährung in den französischen Überseegebieten St. Pierre et Miquelon und Mayotte. Zur Einführung des Euro oder nationaler Währungseinheiten in Drittstaaten siehe Krauskopf/Steven, JIBR 2000, 53 (54). 5 Entscheidungen (EG) des Rates v. 31.12.1998 betr. das Fürstentum Monaco, San Marino und den Vatikanstaat, ABl. EG Nr. L 30 v. 4.2.1999, S. 29. Zu den Übergangsregelungen für Monaco, San Marino, Vatikan sowie CFA-Zone und Komoren, sowie Kap Verde und Andorra vgl. Hafke, ZEuS 2000, 25 ff.; ferner Krauskopf/Steven, EuZW 1999, 650 (651 ff.). 6 Anhang 1 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Madrid v. 15. und 16.12.1995, ABl. EG Nr. C 22 v. 26.1.1996 S. 2; Bandilla in Grabitz/Hilf, Art. 123 EGV Rz. 14.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
WWU am 1.1.1999 ist die Währungshoheit im Sinne einer ausschließlichen Rechtsetzungskompetenz auf die Europäische Gemeinschaft übergegangen1. Die für die Einführung des Euro als einheitlicher Währung erforderlichen rechtlichen Bestimmungen sind daher durch den europäischen Gesetzgeber geschaffen worden. Begleitet wurden diese durch nationale Währungsregelungen.
1. Unionsrechtliche Regelungen
5.138
Die grundlegenden unionsrechtlichen Regelungen sind neben den primärrechtlichen Bestimmungen des AEUV vier Verordnungen des Rates als sekundäres Unionsrecht, mit denen der europäische Gesetzgeber von seiner Rechtssetzungskompetenz Gebrauch gemacht hat. Diese Verordnungen bilden den unionsrechtlichen Rahmen für den Euro, wobei die Grundlage für diesen Rahmen vom Europäischen Rat in Madrid vereinbart worden ist2.
5.139
Während die Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates v. 17.6.1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro3 Bestimmungen zu Vertragskontinuität, Umrechnung und Rundungsregeln enthält, umfasst die Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates v. 3.5.1998 über die Einführung des Euro4 die wesentlichen währungs- und umstellungsrechtlichen Regelungen. Die Verordnung (EG) Nr. 2866/98 des Rates v. 31.12.1998 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen5, enthält die unwiderruflich festgelegten Umrechnungskurse. Die Verordnung (EG) Nr. 975/98 des Rates v. 3.5.1998 über die Stückelungen und technischen Merkmale der für den Umlauf bestimmten Euro-Münzen6 legt die technischen Merkmale der neuen Münzen fest.
5.140
Diese Verordnungen haben nach Art. 288 AEUV allgemeine Geltung. Sie gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, ohne dass es noch einer Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber bedurfte7. Dem Unionsrecht entgegenstehende deutsche Normen wurden deshalb obsolet, ohne dass es einer förmlichen Aufhebung bedurfte8.
1 Fünfter Bericht des Arbeitsstabes Europäische Wirtschafts- und Währungsunion des Bundesfinanzministeriums v. 20.6.2001 (nachfolgend: BMF-Bericht), S. 12. 2 Erwägungsgrund Nr. 5 der Euro-VO I; vgl. Schefold, ZEuP 1999, 271 ff. 3 ABl. EG Nr. L 162 v. 19.6.1997, S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 2595/2000 des Rates v. 27.11.2000, ABl. EG Nr. L 300 v. 29.11.2000, S. 1. 4 ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 2596/2000 des Rates v. 27.11.2000, ABl. EG Nr. L 300 v. 29.11.2000, S. 2. 5 ABl. EG Nr. L 359 v. 31.12.1998, S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1478/2000 des Rates v. 19.6.2000, ABl. EG Nr. L 167 v. 7.7.2000, S. 1. 6 ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S. 6; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 423/1999 des Rates v. 22.2.1999, ABl. EG Nr. L 52 v. 27.2.1999, S. 2. 7 Rehbein, WM 1998, 997 (1000). 8 Hartenfels, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (6).
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
a) Euro-Verordnung I Als ersten Rechtsakt hat der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1103/97 v. 17.6.1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro erlassen, die bereits am 20.6.1997 in Kraft getreten ist (Euro-VO I). Rechtsgrundlage war die Generalermächtigung des Art. 308 EGV (heute Art. 352 AEUV)1. Die spezielle währungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage des Art. 123 Abs. 4 EGV (aufgehoben durch den Lissabon-Vertrag), auf die die spätere Euro-VO II gestützt werden konnte, stand noch nicht zur Verfügung, weil die hierfür erforderliche Bestätigung, welche Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Währungsunion erfüllen (Art. 140 AEUV), noch ausstand.
5.141
Nach Erwägungsgrund Nr. 4 der Euro-VO I war es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes und für den Übergang zur einheitlichen Währung erforderlich, dass für die Bürger und die Unternehmen in allen Mitgliedstaaten bereits geraume Zeit vor Beginn der dritten Stufe der WWU Rechtssicherheit im Hinblick auf bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro bestand. Diese frühzeitige Rechtssicherheit ermöglichte den Bürgern wie den Unternehmen eine optimale Vorbereitung auf die neue Währung2.
5.142
aa) Kontinuität der Verträge Mit der Einführung des Euro änderte sich bei den auf DM oder andere nationale Währungen lautenden Verträgen die währungsrechtliche Grundlage. Nr. 7 der Erwägungsgründe der Euro-VO I bestätigte den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, dass die Einführung einer neuen Währung die Kontinuität von Verträgen und anderen Rechtsinstrumenten nicht berührt3. Da es sich, wie vorstehend dargestellt, lediglich um eine Währungsumstellung handelte, begründete diese Änderung keine Berufung auf einen „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ (vgl. nunmehr § 313 BGB). Es lag keine Störung der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) der gegenseitig geschuldeten Leistungen vor, welche eine Vertragsanpassung notwendig machen konnte4. Dementsprechend stellte Art. 3 dieser Verordnung klar, dass die Einführung des Euro weder eine Veränderung von Bestimmungen in Rechtsinstrumenten noch eine Schuldbefreiung bewirkte. Auch rechtfertigte sie keine Nichterfüllung rechtlicher Verpflichtungen, noch gab sie einer Partei das Recht, ein Rechtsinstrument einseitig zu ändern oder zu beenden. Dieser Grundsatz der Vertragskontinuität sollte nach Art. 3 Satz 2 der Euro-VO I nur vorbehaltlich etwaiger entgegenstehender Vereinbarungen der Parteien gelten. Insoweit blieb der Grundsatz der Vertragsfreiheit gewährleistet5. 1 Erwägungsgrund Nr. 5 der Euro-VO I v. 17.6.1997; Dierdorf, NJW 1998, 3145 (3147). 2 Waigel, WM 1997, 1322; Dierdorf, NJW 1998, 3145 (3147). 3 Wölker in von der Groeben/Schwarze, Art. 123 EGV Rz. 27, 34; Bandilla in Grabitz/ Hilf, Art. 123 EGV Rz. 17, Sandrock, BB 1997, Beilage 9 zu Heft 31, S. 1. 4 Waigel, WM 1997, 1322; Dierdorf, NJW 1998, 3145 (3147); Schmidt-Räntsch, ZIP 1998, 2041 (2042); Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (13 ff.). 5 Erwägungsgrund Nr. 7 der Euro-VO I; zu den Risiken solcher Klauseln vgl. Clausius, NJW 1998, 3148 (3150 ff.).
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5.143
5. Teil
5.144
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Nach Erwägungsgrund Nr. 8 der Euro-VO I sollte diese ausdrückliche Bestätigung des Grundsatzes der Vertragskontinuität dazu führen, dass die Fortgeltung von Verträgen und anderen Rechtsinstrumenten auch in der Rechtsprechung von der Währungsunion nicht angeschlossener Drittstaaten anerkannt wurde. Eine gewisse Unsicherheit bestand bei Sachverhalten, bei denen die Beurteilung der Vertragskontinuität nicht gemäß der Euro-VO I, sondern nach dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht (lex contractus) vorzunehmen war und es sich hierbei um das Recht eines Staates handelte, der nicht der Europäischen Währungsunion angehörte1. In solchen Fällen mit Drittlandsbezug folgte die Vertragskontinuität aus dem Grundsatz der „lex monetae“, dh. der jedem Vertrag über Geldleistungen inhärenten Verweisung auf das Währungsrecht desjenigen Staates, dessen Währung im Vertrag benutzt wird2. Die Respektierung der Vertragskontinuität wurde in einzelnen Fällen durch staatliche Rechtakte ausdrücklich bestätigt3. bb) Ersetzung der Europäischen Währungseinheit ECU
5.145
Mit der Einführung des Euro entfiel die Währungskorbeinheit ECU (European Currency Unit). Der (offizielle) ECU, der keine Währung, sondern nur eine Rechnungseinheit darstellte, war ein Bestandteil des Europäischen Währungssystems (EWS). Er bestand aus der Summe der Währungen von zwölf Mitgliedstaaten4. Jede in dem Währungskorb enthaltene Währung verkörperte einen festgesetzten Anteil an dem ECU, der den Beitrag eines Landes zum EG-Bruttosozialprodukt und den Anteil am gemeinsamen Handel widerspiegelte5. Nach dem Abkommen der Zentralbanken der Mitgliedstaaten waren dem ECU im EWS bestimmte Funktionen zugewiesen. Der ECU wurde im EWS verwendet als Bezugsgröße für die Wechselkurse, als Indikator für Wechselkursabweichungen, als Rechnungsgröße für Forderungen und Verbindlichkeiten im EWS und schließlich als – wenn auch nicht unbeschränktes – Zahlungsmittel und Reserveeinheit der nationalen Zentralbanken6.
5.146
Mit Beginn der dritten Stufe der WWU wurde die Zusammensetzung des ECU-Währungskorbes und der Wert des ECU unwiderruflich festgesetzt 1 Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (15); Wölker in von der Groeben/Schwarze, Art. 123 EGV Rz. 31, vgl. weiter Rehbein, WM 1998, 997 (1000). 2 In der Schweiz ergibt sich zB die Anwendung des sog. Währungsstatuts aus Art. 147 Abs. 1 des Gesetzes über das Internationale Privatrecht. 3 Vgl. das Kontinuitätsgesetz v. 29.7.1997 im Staat New York, den Euro Conversion Act in Illinois v. 14.8.1997 und das kalifornische Kontinuitätsgesetz v. 5.6.1998. 4 Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Spanien; vgl. Verordnung (EG) Nr. 3320/94 des Rates v. 22.12.1994, ABl. EG Nr. L 350 v. 31.12.1994, S. 27. 5 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 115 Rz. 231. 6 Dieser offizielle ECU war von der privaten Verwendung des ECU zu unterscheiden, die sich allein auf Grund der Initiative des Marktes entwickelt hatte. Diese ECUVerwendung diente zur Bezeichnung (Denomination) privatrechtlicher Geldverbindlichkeiten und war von der offiziellen Verwendung streng zu trennen. Diese private Funktion war weder vom Gemeinschaftsrecht noch von Regelungen der Mitgliedstaaten vorgegeben, siehe Wahlig, WM 1985, 1053.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
(Art. 118, 123 Abs. 4 EGV). Ein ECU in seiner Zusammensetzung als Korb von Währungen wurde zu einem Euro1, es erfolgte eine Ablösung (Ersetzung) des ECU durch den Euro2. Die Euro-VO I stellt in Art. 2 klar, dass jede Bezugnahme in einem Rechtsinstrument3 auf die offizielle Währungskorbeinheit iS des Art. 118 EGV und der Verordnung (EG) Nr. 3320/94 des Rates durch eine Bezugnahme auf den Euro zum Kurs von 1 Euro für 1 ECU ersetzt wird. Diese normierte Ersetzung des offiziellen ECU durch den Euro im Verhältnis 1:1 hat aber nur deklaratorische Natur, da sie bereits im EG-Vertrag (Art. 118) und damit durch Gemeinschaftsrecht angeordnet ist4. Konstitutiven Regelungscharakter hat dagegen Art. 2 Euro-VO I in den Fällen, in denen bei Verwendung des ECU nicht ausdrücklich bestimmt wurde, dass es sich um den Korb in der jeweiligen Zusammensetzung des offiziellen ECU handelt5. cc) Umrechnungs- und Rundungsregeln Die Euro-VO I beinhaltet detaillierte Regelungen für die Umrechnung sowohl der Euro-Einheit in nationale Währungseinheiten als auch für die umgekehrte Umrechnung. Die Umrechnungskurse waren als ein Euro, ausgedrückt in den einzelnen nationalen Währungen der Teilnehmerstaaten mit sechs signifikanten Stellen, festgelegt. Diese Umrechnungskurse werden bei Umrechnungen nicht gerundet oder um eine oder mehrere Stellen gekürzt (Art. 4 Abs. 1, 2 Euro-VO I)6. Dementsprechend verfügte der Umrechnungskurs von Euro zur DM über fünf Nachkommastellen (1 Euro = 1,95583 DM)7.
5.147
Die Verwendung inversiver Umrechnungskurse (etwa 1 DM = 0,511292 Euro) war unzulässig (Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Euro-VO I). Auch wurden zwischen den nationalen Währungseinheiten keine bilateralen Währungskurse festgelegt (Art. 4 Euro-VO I). Geldbeträge waren also von einer nationalen Währungseinheit in eine andere in der Weise umzurechnen, dass sie zunächst in einen auf die Euro-Einheit bestimmten Betrag umgerechnet werden, der auf nicht weniger als drei Dezimalstellen gerundet werden darf, und dann erst in die andere
5.148
1 Vgl. 6. Erwägungsgrund der Euro-VO I. 2 Waigel, WM 1997, 1322; Dierdorf, NJW 1998, 3145 (3147); Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (9). 3 Unter Rechtsinstrumenten sind Rechtsvorschriften, Verwaltungsakte, gerichtliche Entscheidungen, Verträge, einseitige Rechtsgeschäfte, Zahlungsmittel – außer Banknoten und Münzen – sowie sonstige Instrumente mit Rechtswirkung zu verstehen (Art. 1 der Euro-VO I). 4 Waigel, WM 1997, 1322. 5 Hier wird nur eine Bezugnahme auf den offiziellen ECU vermutet. Diese Vermutung kann nach der Euro-VO I (Art. 2 Satz 2) widerlegt werden, wobei die Absicht der Vertragsparteien zu berücksichtigen ist. Ein solcher Nachweis dürfte sich jedoch im Regelfall nur schwer führen lassen, sofern es an ausdrücklichen Regelungen über eine abweichende Zusammensetzung des Währungskorbs („Währungscocktail“) mangelt, siehe Waigel, WM 1997, 1322; Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (10). 6 Das bedeutet, dass der festgelegte Kurs von links nach rechts gezählt und ohne Berücksichtigung eines Kommas über sechs Stellen verfügen musste. Ist die erste Stelle eine Null, wird diese nicht mitgezählt, siehe Erwägungsgrund Nr. 12 der Euro-VO I. 7 Dierdorf, NJW 1998, 3145 (3147); Hartenfels, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (22).
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
nationale Währungseinheit umgerechnet wurde1. Die Umrechnung von nationalen Währungen erfolgte somit nicht mehr unmittelbar untereinander, sondern stets über den Euro2.
5.149
Die unwiderruflichen festen Umrechnungskurse für den Euro wurden am 1.1.1999 vom Rat auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der Mitgliedstaaten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der EZB durch Verordnung (EG) Nr. 2866/98 des Rates v. 31.12.1998 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen3, festgelegt (vgl. Art. 123 Abs. 4 EGV – aufgehoben durch den LissabonVertrag). Da diese Maßnahme gemäß Art. 123 Abs. 4 Satz 2 EGV den Außenwert des ECU-Währungskorbes nicht ändern durfte, war der letzte ECU-Kurs am 31.12.1998 Grundlage für die Festlegung der Kurse des Euro zu den Währungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten. Die Zentralbanken dieser Teilnehmerstaaten hatten mit Hilfe geeigneter Markttechniken sicherzustellen, dass die am Devisenmarkt am 31.12.1998 geltenden Kurse den bilateralen Kursen entsprachen, die in einem bestimmten Paritätengitter festgelegt waren4.
5.150
Die Einführung des Euro machte das Runden von Geldbeträgen erforderlich5. Rundungsdifferenzen bestanden, weil die Umrechnungskurse der nationalen Währungen nicht gerade, sondern ungerade waren. Die Umrechnung erfolgte nach der sog. kaufmännischen Rundungsregelung6. Bei einer Rundung, die nach einer Umrechnung in den Euro erfolgte, wurde auf nächstliegende Cent auf- oder abgerundet. Wurden Umrechnungen in nationale Währung vorgenommen, so wurde auf die jeweils nächste Untereinheit, zB Pfennig, auf- bzw. abgerundet7. Führte die Anwendung des Umrechnungskurses zu einem Ergebnis genau in der Mitte, hatte eine Aufrundung zu erfolgen (Art. 5 Euro-VO I).
5.151
Die Euro-Verordnung I spracht die Behandlung von Summen im Falle von Umrechnungen nicht ausdrücklich an. Je nachdem, auf welcher Stufe – Einzelbetrag oder Summe – gerundet wurde, konnten sich unterschiedliche Ergebnisse ergeben8. Erwägungsgrund Nr. 11 der Euro-Verordnung I besagt, dass „Rundungspraktiken oder -konventionen oder einzelstaatliche Rundungsvorschriften, die ein höheres Maß an Genauigkeit für Zwischenberechnungen ermöglichen, (...) nicht berührt werden.“ Die cent-genaue Rundung auf zwei
1 Dierdorf, NJW 1998, 3145 (3148). 2 Rehbein, WM 1998, 997 (1001). 3 ABl. EG Nr. L 359 v. 31.12.1998, S. 1, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1478/2000 des Rates v. 19.6.2000, ABl. EG Nr. L 167 v. 7.7.2000, S. 1. 4 Dierdorf, NJW 1998, 3147 (3148). 5 Erwägungsgrund Nr. 11 der Euro-VO II. 6 Klanten, ZBB 1996, 260; Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (13). 7 Zur Problematik beim Fehlen einer Untereinheit wie bei der Peseta vgl. Dierdorf, NJW 1998, 3145 (3148). 8 Das Ausmaß der Differenz entspricht dabei höchstens dem Produkt aus der Anzahl der Einzelposten und der je Einzelposten maximal möglichen Rundungsdifferenz von einem Pfennig bzw. Cent. Größere Auswirkungen ergeben sich bei Pfennig-Artikeln oder Kleinstbeträgen, die mit einem hohen Faktor multipliziert werden.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
Nachkommastellen war somit lediglich die maximal zulässige Rundungsungenauigkeit. Eine genauere Rundung auf drei oder mehr Nachkommastellen war daher im Bereich der Kleinstbeträge nicht nur zulässig, sondern auch geboten1. b) Euro-Verordnung II Die zentralen währungs- und umstellungsrechtlichen Vorgaben für die Einführung des Euro enthält die Verordnung (EG) des Rates Nr. 974/98 v. 3.5.1998 über die Einführung des Euro2 (Euro-VO II). Ermächtigungsgrundlage für diese Verordnung ist Art. 123 Abs. 4 Satz 2 EGV (aufgehoben durch den Lissabon-Vertrag), der eine spezielle Norm zur Regelung währungsrechtlicher Fragen darstellte3. Danach konnte der Rat auf Vorschlag der Kommission alle sonstigen Maßnahmen treffen, die für die rasche Einführung des Euro als einheitlicher Währung der Mitgliedstaaten erforderlich sind.
5.152
Die Euro-VO II beschränkt sich im Wesentlichen auf die unbedingt erforderlichen Bestimmungen für die Einführung der neuen Währung und die notwendigen Übergangsregelungen für die Übergangszeit vom 1.1.19994 bis zum 31.12.2001 (siehe hierzu im unten Rz. 5.172 ff.). So wurde der Name „Euro“ für die supranationale Währung und ihre Unterteilung in 100 Cent festgelegt (Art. 2 Euro-VO II). Im Übrigen wurde klargestellt, dass der Euro zum offiziell festgelegten Umrechnungskurs an die Stelle der Währungseinheiten der teilnehmenden Staaten tritt und der Euro die Rechnungseinheit der im Eurosystem zusammengeschlossenen Zentralbanken ist (Art. 3, 4 Euro-VO II). Im Übrigen wird die Ausgabe von auf den Euro lautenden Banknoten und Münzen (Art. 10, 11) nach Ablauf der Übergangszeit am 31.12.2001 geregelt (siehe hierzu unten Rz. 5.183 ff.). Schließlich enthält die Euro-VO II (Art. 15 und 16) Regelungen für die Weiterverwendung und den Umtausch der auf eine nationale Währungseinheit lautenden Banknoten und Münzen nach Ende der Übergangszeit.
5.153
2. Nationale Bestimmungen Unbeschadet der unmittelbaren Wirkung der Euro-Einführungsverordnungen war abweichendes nationales Recht vom nationalen Gesetzgeber in einem angemessenen Zeitraum im Wege der Rechtsbereinigung anzupassen, um Rechtsklarheit zu gewährleisten. Die nach deutschem Recht zusätzlich zu 1 Welche Lösung im Einzelfall anwendbar war, hing vom konkreten Sachverhalt und dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis ab, vgl. BMF-Bericht, S. 15 f., mit weiteren Beispielen. Abweichende einzelvertragliche Regelungen waren möglich, soweit sich beide Parteien darüber einig sind. Bei Änderungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) war § 307 BGB zu beachten, nach dem im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen ist, wenn vom wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen (hier: gemeinschaftsrechtlichen) Regelung abgewichen wird. 2 ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 2596/2000 des Rates v. 27.11.2000, ABl. EG Nr. L 300 v. 29.11.2000, S. 2. 3 Waigel, WM 1997, 1322; Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (5). 4 Sowie für Griechenland v. 1.1.2001 an.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen erforderlichen Bestimmungen für die Einführung des Euro am 1.1.1999 wurden durch eine Reihe von Gesetzen, die in der Regel den Zusatz „Euro-Einführungsgesetz“ führen, geschaffen1. a) Erstes Euro-Einführungsgesetz
5.155
Mit dem Gesetz zur Einführung des Euro (Erstes Euro-Einführungsgesetz – 1. EuroEinfG) v. 9.6.19982 wurden die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen für die reibungslose Einführung des Euro in Deutschland am 1.1.1999 geschaffen3. Damit wurden die Regelungen ergänzt, die durch das Gemeinschaftsrecht vorgegeben worden waren4.
5.156
Das Erste Euro-Einführungsgesetz war ein Artikelgesetz und enthält Regelungen für eine Vielzahl von Rechtsgebieten. Insbesondere war eine Regelung für Rechtsvorschriften, Rechtsgeschäfte und Vollstreckungstitel erforderlich, die auf die Leitzinssätze der Deutschen Bundesbank (Diskont- und Lombardsatz) sowie die FIBOR-Sätze Bezug nahmen. Auch waren Hemmnisse für die Verwendung des Euro zu beseitigen, die sich insbesondere für Wirtschaftsunternehmen und den Geld- und Kapitalmarkt daraus ergaben, dass deutsches Recht die Verwendung der DM zwingend vorschrieb5. Daneben wurden das Gesellschaftsrecht, das Bilanzrecht und das Mahnverfahren für die Verwendung des Euro geöffnet, weiterhin wurde es den Börsen ermöglicht, den Börsenpreis in Euro festzusetzen (Art. 3, 4 1. EuroEinfG). Die börsengehandelten Emissionen des Bundes wurden mit Beginn der dritten Stufe der WWU auf Euro umgestellt. Außerdem wurde geregelt, wie Schuldverschreibungen anderer Emittenten auf Euro umgestellt werden können (Art. 6 1. EuroEinfG)6. Zusätzlich enthält das Gesetz Regelungen zum Schutz der Euro-Münzen gegen Verwechslungen mit Medaillen und Marken und passte Bestimmungen im Währungsgesetz und im Versicherungsaufsichtsgesetz an das europäische Währungsrecht an. aa) Überleitung von Referenzzinssätzen
5.157
Mit der Einführung des Euro ging die Zuständigkeit für die Geldpolitik auf das Eurosystem über. Leitzinssätze innerhalb des Eurosystems werden allein durch den EZB-Rat festgesetzt. Damit entfiel die Kompetenz der Deutschen Bundesbank zur Festsetzung der bisherigen DM-Referenzzinssätze, Diskontund Lombardsatz, welche zum 1.1.1999 eingestellt wurden. Zugleich wurde die Ermittlung des so genannten FIBOR-Satzes (Frankfurt Interbank Offered Rate) mit dem Start der Wirtschafts- und Währungsunion beendet. Das 1. EuroEinfG (in Verbindung mit den auf seiner Grundlage erlassenen Verord1 2 3 4 5 6
Vgl. hierzu Anlagen 3, 17 bis 19 des BMF-Berichts. BGBl. I 1998, S. 1242 ff. Hakenberg, BB 1998, 1491 ff.; Hartenfels, Die Bank 1998, 302 ff., 377 ff. Begr. RegE des 1. EuroEinfG, BT-Drucks. 13/9347, S. 1. Begr. RegE des 1. EuroEinfG, BT-Drucks. 13/9347, S. 1. Renger, WM 1997, 1873 ff.; Gruson, WM 1998, 1474.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
nungen) sorgte für eine automatische Überleitung auf die neuen Referenzzinssätze der EZB1. Eine Vielzahl vertraglicher Schuldverhältnisse und zahlreiche gesetzliche Vorschriften enthielten für die Erfüllung von Geldverbindlichkeiten eine Bezugnahme auf den bisherigen Diskontsatz als sog. Refinanzierungssatz2. Um Regelungslücken zu vermeiden und Vertragskontinuität zu gewährleisten, wurden durch den deutschen Gesetzgeber Bezugnahmen auf den Diskontsatz in Gesetzen, Verträgen und Vollstreckungstiteln durch Bezugnahmen auf einen neu geschaffenen „Basiszinssatz“3 ersetzt. Referenzwert für den Basiszinssatz ist der Zinssatz der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte der EZB4. Eine vergleichbare Funktion als Referenzzinssatz hatte auch der Lombardsatz. Er wurde durch den Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der EZB5 ersetzt6. 1 Hatten die Parteien eines Vertrages keine besonderen Vereinbarungen im Hinblick auf dessen Kontinuität getroffen und galten bei Wegfall eines Referenzzinssatzes die nach dem Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz (DÜG – Art. 1 1. EuroEinfG) bestimmten Nachfolgereferenzzinssätze, begründete dies nach § 4 Satz 1 DÜG keinen Anspruch auf vorzeitige Kündigung, einseitige Aufhebung oder Abänderung von Verträgen oder Vollstreckungstiteln. Die Ersetzung eines Referenzzinssatzes durch einen anderen Referenzzinssatz stellte eine zivilrechtliche Regelung dar mit der Folge, dass eine Berufung auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) wegen des Wegfalls eines Referenzzinssatzes ausgeschlossen war, vgl. Schefold, NJW 1998, 3155 (3156). § 4 DÜG war aber nur anwendbar, wenn es sich um einen dem deutschen Recht unterliegenden Vertrag handelte. Zu Problemen im Hinblick auf die Vertragskontinuität bei Verträgen mit wegfallenden Referenzzinssätzen konnte es jedoch kommen, wenn das Recht eines an der Währungsunion nicht teilnehmenden Mitgliedstaates vereinbart worden war (zB Recht des Staates New York) und der Vertrag im Hinblick auf den Wegfall des gewählten Referenzzinssatzes keine ausdrücklichen Regelungen vorsah. Hier war im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln, welche Regelungen die Parteien getroffen hätten, wenn sie von einem Wegfall ausgegangen wären. Im Hinblick auf internationale Verträge, die dem Recht eines Drittstaates unterlagen, empfahl es sich daher, rechtzeitig einvernehmliche Regelungen herbeizuführen, um die bestehende Vertragslücke auszufüllen, siehe Begr. RegE zum DÜG, BT-Drucks. 13/9347, S. 27. Für bestehende Rahmenverträge wurden daher durch die sie betreuenden Verbände und Organisationen in der Regel so genannte „Euro-Protokolle“ veröffentlicht, denen die Parteien durch Erklärung beitreten konnten und somit für die bestehenden Verträge bestehende Regelungslücken füllen konnten, so etwa das „2001 euro protocol“ für den ISDA-Rahmenvertrag für Derivatgeschäfte (www.isda.org). 2 Schefold, NJW 1998, 3155. 3 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz (DÜG – Art. 1 1. EuroEinfG). Ausgangswert für den Basiszinssatz war der am 31.12.1998 geltende Diskontsatz. Dieser wird von der Deutschen Bundesbank in zeitlichen Abständen von jeweils vier Monaten auf seine Angemessenheit hin überprüft und gegebenenfalls angepasst. Die Bundesbank gibt den Basiszinssatz bei Veränderungen zum Stichtag 1.1., 1.5. und 1.9. jeden Jahres im Bundesanzeiger bekannt. Der aktuelle Basiszinssatz kann auch auf der Website der Bundesbank unter www.bundesbank.de abgerufen werden. 4 Basiszinssatz-Bezugsgrößen-Verordnung v. 10.2.1999 (BazBV), BGBl. I 1999, S. 139. 5 Die aktuellen EZB-Referenzzinssätze sind auf der Website der EZB unter www.ecb.int oder der Bundesbank unter www.bundesbank.de abrufbar. 6 Lombard-Überleitungs-Verordnung v. 18.12.1998, BGBl. I 1998, S. 3819; SchmidtRäntsch, ZBB 1998, 389 (391).
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
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Schließlich trat an die Stelle der seit dem 2.7.1990 verwendeten Frankfurt Interbank Offered Rate für die Geldbeschaffung von ersten Adressen auf dem deutschen Markt (FIBOR) am Januar 1998 der Referenzzinssatz Euribor (European Interbank Offered Rate) für die Beschaffung von Ein- bis Zwölf-Monatsgeld (Euribor-Sätze); an Stelle des FIBOR-Overnight-Satzes trat der EONIASatz (Euro Overnight Index Average-Satz)1 für die Beschaffung von Tagesgeld (Overnight)2.
5.160
Auf Grund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes v. 26.11.20013 wurde eine Klarstellung hinsichtlich des Basiszinssatzes erforderlich4, welche durch das Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Bewertung der Kapitalanlagen von Versicherungsunternehmen und zur Aufhebung des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes (DÜG) (VersKapAG) vom 26.3.20025, in Kraft getreten am 3.4.2002, erfolgte. Nach Art. 4 § 2 VersKapAG treten an die Stelle des Diskontsatzes der Bundesbank und des Basiszinssatzes nach dem DÜG der Basiszinssatz nach § 247 BGB, an die Stelle des FIBOR der Euribor, an die Stelle des Lombardsatzes der Bundesbank der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der EZB und an die Stelle des Zinssatzes für Kassenkredite des Bundes der um 1,5 Prozentpunkte erhöhte Basiszinssatz nach § 247 BGB. bb) Wertsicherungsklauseln
5.161
Seit 1948 war in der Bundesrepublik Deutschland die Vereinbarung von Wertsicherungsklauseln aus währungspolitischen Gründen verboten (so genanntes Indexierungsverbot). Die Verknüpfung eines geschuldeten DM-Betrages mit der Entwicklung des Preises oder dem Wert des Preises anderer Güter oder Leistun-
1 Beide Zinssätze werden gemeinsam von der Europäischen Bankenvereinigung und der Association Cambiste Internationale (ACI – The Financial Markets Asscociation) betrieben, www.euribor.org. Bei den Euribor-Sätzen für Ein- bis Zwölfmonatsgelder handelt es um ungewichtete Durchschnittssätze aus Briefkursen, der EONIA-Satz ist ein gewichteter Durchschnittssatz auf der Basis effektiver Tagesgeldumsätze (Overnight), Schefold, NJW 1998, 3155 (3157); BMF-Bericht, S. 19. 2 § 1 FIBOR-Überleitungs-Verordnung v. 10.7.1998, BGBl. I 1998, S. 1863; SchmidtRäntsch, ZBB 1998, 389 (391). 3 BGBl. I 2001, S. 3138. 4 Nach dessen Art. 229 § 7 EGBGB trat ein neuer Basiszinssatz nach § 247 BGB mit Wirkung v. 1.1.2002 zunächst nur an die Stelle des Diskontsatzes der Bundesbank und des Basiszinssatzes nach dem DÜG, soweit vorgenannte Zinssätze als Bezugsgröße für Zinsen und andere Leistungen in Rechtsvorschriften des Bundes auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts und des Verfahrensrechts der Gerichte, in nach diesem Recht vorbehaltenem Landesrecht und in Vollstreckungstiteln und Verträgen auf Grund solcher Vorschriften verwendet wurden. Für alle übrigen Rechtsgebiete, insbesondere das materielle öffentliche Recht, blieb der Basiszinssatz nach DÜG zunächst einschlägig. 5 BGBl. I 2002, S. 1219. Nach Art. 4 § 1 dieses Gesetzes wurden das DÜG, die BazBV, die FIBOR-Überleitungs-Verordnung und die Lombardsatz-Überleitungs-Verordnung aufgehoben.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
gen bedurfte nach § 3 Satz 2 WährG aF1 der Genehmigung2. Mit dem Übergang der währungsrechtlichen Kompetenzen auf den Gemeinschaftsgesetzgeber konnte eine solche Regelung nicht länger auf nationalen währungsrechtlichen Hoheitsrechten gründen3. Als Konsequenz wurde § 3 WährG aF durch Art. 9 § 1 1. EuroEinfG aufgehoben. Zugleich endete die Zuständigkeit der Deutschen Bundesbank für die Genehmigung von Wertsicherungsklauseln4. An die Stelle der währungsrechtlichen Vorschriften in § 3 WährG aF trat seit dem 1.1.1999 eine preisrechtliche Regelung im durch Art. 9 § 4 1. EuroEinfG neu gefassten § 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz (PaPkG)5 und der dazu erlassenen Preisklauselverordnung getreten. Da die neue Regelung nicht mehr mit dem Schutz der Währung begründet werden konnte, hat sie nunmehr den Schutz der nationalen Wirtschaft und ihrer Stabilität zum Ziel, ein Regelungsbereich für den die Mitgliedstaaten zuständig geblieben sind6.
5.162
Die durch die Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates erlassene Preisklauselverordnung (PrKV) v. 23.9.19987 legt im Einzelnen fest, wann Indexierungen zulässig sind. Der Geld- und Kapitalverkehr, einschließlich der Finanzinstrumente iS des § 1 Abs. 11 KWG8 sowie die hierauf bezogenen Pensions- und Darlehensgeschäfte sind vom Indexierungsverbot ausgenommen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 PaPkG). Dasselbe gilt für Verträge von gebietsansässigen Kaufleuten mit Gebietsfremden (§ 2 Abs. 1 Satz 4 PaPkG). Entlastungen des Genehmigungsverfahrens sind für Vertragsgestaltungen im Erbbaurecht und im Gewerbemietrecht für längerfristige Verträge eingeführt worden. Auch aus Wettbewerbsgründen können Ausnahmen vom Preisklauselverbot genehmigt
5.163
1 Verk. als Gesetz Nr. 61 ABl. MR (AmZ), Ausg. J, S. 6; ABl. MR (BritZ), S. 848; Verordnung Nr. 158 AB. MR (FranzZ), S. 1506. 2 Nach der Interpretation durch den BGH fielen in ihren Anwendungsbereich nur solche Klauseln, die eine automatische Anpassung der Schuld an den Geldwertverlust anhand eines außerhalb des Schuldverhältnisses liegenden Wertmaßstabes vorsehen, BGH v. 30.9.1970 – V ZR 39/70, NJW 1970, 2103; BGH v. 12.1.1968 – V ZR 187/64, NJW 1969, 91; Hahn, Währungsrecht, § 8 Rz. 22. 3 Hafke, WM 1997, 693 ff.; Vogler, NJW 1999, 1236 (1238); Gruber, L'euro et les clauses d'indexation, Recueil Dalloz 1999, S. 258 ff. 4 Der Versuch der Bundesregierung, im Zuge der Einführung des Euro ein europäisches Indexierungsverbot einzuführen, scheiterte, weil kein einziger anderer Teilnehmerstaat ein solches Indizierungsverbot kannte. 5 § 2 Abs. 1 Satz 1 PaPkG lautet: „Der Betrag von Geldschulden darf nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind.“ Mit der Formulierung „unmittelbar und selbsttätig“ sollte an die BGH-Rechtsprechung angeknüpft werden, wonach Wertsicherungsklauseln iS des aufgehobenen § 3 WährG aF nur dann verboten waren, wenn sie zu einer automatischen Anpassung von Geldschulden führten, nicht jedoch, wenn mit der Klausel nur eine Pflicht oder ein Recht zur Anpassung begründet werden sollte, Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166 (3167). 6 Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166. 7 BGBl. I 1998, S. 3043. 8 Bei diesen Instrumenten handelt sich um Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Devisen und Rechnungseinheiten sowie Derivate, wie sie im KWG näher definiert sind.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
werden. Für die Genehmigung von Wertsicherungsklauseln seit dem 1.1.2001 ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Bonn zuständig1. Das am 14.9.2007 in Kraft getretene Preisklauselgesetz2 hob die gemäß § 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz iVm. der PrKV geltenden Regelungen auf. Insbesondere wurde das bisherige Genehmigungserfordernis für Ausnahmen vom gesetzlichen Verbot automatisch wirkender Wertsicherungsklauseln aufgehoben. Bei Wertsicherungsklauseln ist keine Genehmigung durch das BAFA mehr erforderlich, die bisher in der Preisklauselverordnung (PrKV) geregelten Ausnahmen vom Indexierungsverbot wurden direkt in das Gesetz übernommen. Künftig sind darüber hinaus auch Wertsicherungsklauseln bei Zahlungen auf Lebenszeit eines Beteiligten zulässig (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a PreisklauselG). Eine Genehmigung anderer als der im Gesetz aufgelisteten Klauseln ist damit künftig nicht mehr möglich. Die diesbezügliche Generalklausel (§ 3 Abs. 5 PrKV) entfällt im neuen Recht. Bei einem Verstoß tritt die Unwirksamkeit nur und erst ab deren rechtskräftiger Feststellung ein (§ 8 PreisklauselG), es sei denn, die Beteiligten haben etwas anderes vereinbart. cc) Börsennotierungen
5.164
Seit dem 4.1.1999 werden Notierungen von Aktien, Ordereingaben und die Abwicklung aller Aufträge an den inländischen Börsen ausschließlich in Euro durchgeführt. Auch an den Börsen der anderen Mitgliedstaaten der EU, welche die einheitliche europäische Währung eingeführt haben, findet seit Anfang Januar 1999 der Börsenhandel in Euro statt3. dd) Umstellung von Schuldverschreibungen
5.165
Mit Begin der dritten Stufe der WWU wurden im Euro-Währungsgebiet über 4000 deutsche und ausländische Schuldverschreibungen in einer durch den Euro ersetzten nationalen Währung auf Euro umgestellt. In Deutschland er1 Siehe www.bafa.de. 2 Gesetz über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden, v. 7.9.2007, BGBl. I 2007, S. 2246. 3 Das 1. EuroEinfG schuf in Art. 5 § 1 einen neuen § 98 BörsG aF. Danach konnten die Preise für Wertpapiere ab dem 1.1.1999 an der Börse in Euro festgestellt werden. Mit dieser Regelung entsprach die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 4 der Euro-VO II, wonach den Wertpapierbörsen mit Beginn der dritten Stufe der WWU die Möglichkeit eröffnet werden musste, Notierungen von Wertpapieren neben der nationalen Währung auch in Euro vorzunehmen. Durch die gleichzeitige Aufhebung des § 29 Abs. 4 BörsG idF der Bekanntmachung v. 17.7.1996, BGBl. I 1996, S. 1073, und der Verordnung über die Feststellung des Börsenpreises von Wertpapieren idF der Bekanntmachung v. 17.7.1996, BGBl. I 1996, S. 1073, erhielten die Börsen die Möglichkeit, die dort geregelten währungs- und handelstechnischen Fragen der Notierung von Wertpapieren in der Börsenordnung selbst zu regeln. Damit konnten die Börsen entscheiden, in welcher Währung die Wertpapiere notiert werden und ob die Notierung in Stück oder in Prozent erfolgen soll.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
folgte die Umstellung auf Grund des Gesetzes zur Umstellung von Schuldverschreibungen auf Euro (Art. 6 1. EuroEinfG)1. ee) Sonstige Regelungen Art. 3 des 1. EuroEinfG enthielt Regelungen zur Öffnung des Gesellschaftsrechts für den Euro. Seit dem 1.1.1999 konnten Gesellschaften in Euro gegründet und das Kapital und die Anteile bestehender Gesellschaften auf Euro umgestellt werden. Entsprechendes galt für Genossenschaften. Ergänzend zu den Regelungen des 1. EuroEinfG wurden mit dem Gesetz über die Zulassung von Stückaktien v. 25.3.19982 zur Erleichterung der Umstellung des Kapitals von Aktiengesellschaften auf den Euro Aktien ohne Nennbetrag zugelassen, die bei der Umstellung auf Euro nicht besonders angepasst werden mussten.
5.166
Art. 4 1. EuroEinfG enthält Bestimmungen zur Öffnung des Bilanzrechts für den Euro, wobei den bilanzierenden Unternehmen weit gehende Wahlrechte verblieben. Daneben wurden besondere Regelungen für die Bilanzierung von Umrechnungsgewinnen und Umstellungskosten vorgesehen3.
5.167
Art. 2 1. EuroEinfG schuf die notwendigen Voraussetzungen, um ab dem 1.1.1999 auch auf Euro lautende Forderungen reibungslos im gerichtlichen Mahnverfahren geltend zu machen4.
5.168
b) Zweites Euro-Einführungsgesetz Das Gesetz zur Öffnung der Sozial- und Steuerverwaltung für den Euro (2. EuroEinfG) v. 24.3.19995 passte sozial-, zoll- und steuerrechtliche Bestim1 Während die als Bundesanleihen, Bundesobligationen und Bundesschatzanweisungen gehandelten Buchschulden des Bundes, die nach dem 20.1.1999 zur Rückzahlung fällig wurden, automatisch mit Wirkung zum 1.1.1999 auf Euro umgestellt wurden (Art. 6 § 1 1. EuroEinfG), stand es für sonstige Schuldverschreibungen im Ermessen der Schuldner, zu welchem Zeitpunkt der Übergangsphase die Umstellung vorgenommen wurde (Art. 6 §§ 2 ff. 1. EuroEinfG). Die Kosten für die Umstellung der Schuldverschreibungen war von den Emittenten zu tragen. Gemäß der Verordnung über den Ersatz von Umstellungsaufwendungen der Kreditinstitute v. 11.8.1998, BGBl. I 1998, S. 2136, waren von den Emittenten für jeden auf Euro umgestellten Depotposten Pauschalbeträge von 6 DM oder 12 DM, abhängig vom Zeitpunkt der Umstellung, an die zur Verwahrung der Schuldverschreibungen befugten inländischen Unternehmen oder Kreditinstitute zu zahlen. Der Austausch von über DM und die nationalen Währungen der anderen Mitgliedstaaten lautenden Wertpapierurkunden sowie von Aktien, deren Grundkapital auch auf die neue Währung zu lauten hat, erfolgte durch Austausch von Urkunden in den Depots der Kunden, soweit die Kapitalmarkttitel nicht wie die Emissionen der öffentlichen Hand in Schuldbüchern registriert sind oder eine Dauerglobalurkunde bei der Clearstream Banking Frankfurt AG hinterlegt ist. Vgl. Bartels, WM 1997, 1313 ff.; Rehbein, WM 1998, 997 (1003); Grundmann in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 245 BGB Rz. 55. 2 BGBl. I 1998, S. 590. 3 Vgl. BMF-Bericht, S. 19 ff. mwN. 4 Zu diesem Zweck wurden § 688 Abs. 1 ZPO sowie die auf Grund der Ermächtigungen nach § 703c Abs. 1 ZPO und § 46a Abs. 7 ArbGG erlassenen Verordnungen geändert. 5 BGBl. I 1999, S. 385.
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5.169
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
mungen in der Weise an, dass auf bestimmten Gebieten der Euro wahlweise schon seit dem 1.1.1999 verwendet werden konnte. Das Gesetz trat rückwirkend zum 1.1.1999 in Kraft. c) Drittes Euro-Einführungsgesetz
5.170
Mit dem Gesetz über die Änderung währungsrechtlicher Vorschriften infolge der Einführung des Euro-Bargeldes (3. EuroEinfG) v. 16.12.19991 wurden die notwendigen Änderungen währungsrechtlicher Bestimmungen im Hinblick auf die Einführung des Euro-Bargeldes einschließlich einer Neufassung des Münzgesetzes (MünzG)2 geschaffen. Art. 1 des 3. EuroEinfG (Gesetz über die Beendigung der Zahlungsmitteleigenschaft der auf DM lautenden Banknoten und der auf DM oder Deutsche Pfennig lautenden Bundesmünzen – DM-Beendigungsgesetz) regelte, dass DM-Bargeld (Banknoten und Münzen) mit Ablauf des 31.12.2001 die Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel verliert (sog. „juristischer Big Bang“)3. Ergänzt werden diese Bestimmungen durch Vorschriften für den strafrechtlichen Schutz von DM-Banknoten und Münzen über den 31.12.2001 hinaus. Daneben enthält das 3. EuroEinfG weitere Anpassungen wie die Änderung von § 14 BBankG für die Notenausgabe (Art. 3 3. EuroEinfG) und die Änderung der Verordnung über die Herstellung und den Vertrieb von Medaillen und Marken (Art. 4 3. EuroEinfG) sowie die Aufhebung weiterer Rechtsvorschriften (ua. des Währungsgesetzes, Art. 7 3. EuroEinfG).
5.171
Neben den vorgenannten Euro-Einführungsgesetzen existieren noch eine Reihe weiterer Gesetze4, die sich im Wesentlichen mit der Glättung von Signalbeträgen in bestehenden Rechtsvorschriften befassen. Eine Vielzahl von Rechtsvorschriften enthielt DM-Beträge, welche nach der Umstellung in Euro „krumme“ Beträge ergeben hätten (zB Steuerfreibeträge, Ordnungsgelder, Ge1 BGBl. I 1999, S. 2402. 2 Die Einführung des Euro-Bargeldes zum 1.1.2002 machte eine Anpassung des deutschen Münzrechts erforderlich. Die notwendigen Änderungen im Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen v. 8.7.1950 (bereinigte Fassung in BGBl. III, Gliederungsnummer 690–1) wären derart umfangreich gewesen, dass der Gesetzgeber es vorzog, das Gesetz über die Ausprägung von Scheidemünzen aufzuheben und durch ein neues Münzgesetz zu ersetzen, welches am 1.1.2002 in Kraft trat (Art. 2, 7 Nr. 1 3. EuroEinfG). Die Neufassung sieht unter anderem vor, dass der Bund ab 2002 auf Euro lautende Gedenkmünzen herausgeben kann, die in Deutschland gesetzliches Zahlungsmittel sind. Bereits am 16.6.1998 war eine Änderung der Verordnung über die Herstellung und den Vertrieb von Medaillen und Marken, BGBl. I 1998, S. 3520, (Art. 8 § 2 1. EuroEinfG) in Kraft getreten. Durch sie wurde die Bezeichnung „Euro“ auf Medaillen in Deutschland untersagt. Damit wurde der Schutzbereich der Medaillenverordnung bereits vor Einführung des Euro-Bargeldes auf die Währungsbezeichnung „Euro“ erweitert. 3 Hierbei folgte die Bundesregierung nicht dem Beispiel der anderen Mitgliedstaaten, die für einen Übergangszeitraum dem Euro und den jeweiligen nationalen Denominationen des Euro parallel den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels einräumten, vgl. Regelmäßiger Bericht der EZB über Umstellungspläne des Euro-Währungsgebietes für die Euro-Bargeldeinführung 2002, Stand 20.12.2001, S. 2. 4 Vgl. Anlage 3 zum BMF-Bericht.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
bührenordnungen, etc.). „Runde“ Eurobeträge konnten hier nur im Wege einer Neufestsetzung erzielt werden1.
III. Der Euro in der Übergangszeit vom 1.1.1999 bis 31.12.2001 Mit der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates v. 20.5.1998 über die Einführung des Euro (Euro-VO II)2 wurden die Einzelheiten der Währungsumstellung geregelt. Als Rechnungs-(Währungs-)Einheit der einheitlichen europäischen Währung wurde der Euro, der in 100 Cent unterteilt ist, festgelegt.
5.172
Mit dem Beginn der dritten Stufe der WWU am 1.1.1999 trat der Euro zu dem durch den vom Rat festgelegten Umrechnungskurs an die Stelle der Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro als einheitliche Währung eingeführt haben (Teilnehmerstaaten) (Art. 2 Euro-VO II). Der Euro wurde damit zugleich auch die Rechnungseinheit der EZB und der nationalen Zentralbanken der Teilnehmerstaaten (Art. 4 Euro-VO II).
5.173
1. Rechtsinstrumente Im Übrigen galt für die Verwendung des Euro in der Übergangszeit der Grundsatz „Keine Behinderung – Kein Zwang“3. So änderte die Ersetzung der Währung eines jeden teilnehmenden Mitgliedstaates durch den Euro als solche nicht die Währungsbezeichnung der am Tag der Ersetzung bestehenden „Rechtsinstrumente“, also gemäß Katalog der Begriffsdefinitionen in Art. 1 Euro-VO II Rechtsvorschriften, Verwaltungsakte, gerichtliche Entscheidungen, Verträge, einseitige Rechtsgeschäfte, Zahlungsmittel – außer Banknoten und Münzen – sowie sonstige Instrumente mit Rechtswirkung4. Art. 8 Abs. 6 Euro-VO II stellte klar, dass die Aufrechnung auch bei Forderungen unterschiedlicher Denominationen erfolgen konnte, also zB DM-Forderungen gegen Euro-Forderungen5. Bei der Verrechnung hatte die hierfür erforderliche Um1 Vgl. im Einzelnen BMF, Monatsbericht September 2001, S. 47 (52 ff.). 2 ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S. 1. 3 Waigel, WM 1997, 1322; Dierdorf, NJW 1998, 3145 (1346); Rehbein, WM 1998, 997 (999); Klanten, NJW 1998, 3152. 4 So wurden Handlungen auf Grund von Rechtsinstrumenten, die auf eine nationale Währungseinheit lauteten, in dieser ausgeführt. Andererseits wurden Handlungen auf Grund von Rechtsinstrumenten, die die Verwendung der Euro-Einheit vorschrieben oder auf sie lauteten, in dieser Währungseinheit ausgeführt (Art. 8 Abs. 1 Euro-VO II). Entgegenstehende Parteivereinbarungen hatten aber Vorrang (Art. 8 Abs. 2 EuroVO II). Eine Sonderregelung galt nur für Banküberweisungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr. 5 Da die nationalen Währungseinheiten Ausdruck derselben Währung Euro waren, war die für die Aufrechnung erforderliche Gleichartigkeit (§ 387 BGB) gegeben. Daneben mussten Fälligkeiten und Gegenseitigkeit als weitere Voraussetzungen für die Aufrechnung vorliegen, weil Art. 8 Abs. 6 Euro-VO II die materiellen Aufrechnungserfordernisse unberührt ließ (Schmidt-Räntsch, ZIP 1998, 2041 [2046]; aA Ritter, DB 1998, 1219 [1221]).
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5.174
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
rechnung zu den offiziellen Umrechnungskursen zu erfolgen (Art. 8 Abs. 6 Euro-VO II).
5.175
Mit Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2001 konnten Verträge nur noch in Euro abgeschlossen werden. Dementsprechend wurde, wenn in zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Rechtsinstrumenten auf nationale Währungseinheiten Bezug genommen wurde, dies als Bezugnahme auf die Euro-Einheit entsprechend dem jeweiligen Umrechnungskurs, der in der Euro-VO III1 festgelegt wurde, verstanden. Dabei galten die Rundungsregelungen der Euro-VO I (Art. 14).
2. Zahlungsmittel
5.176
Für die Dauer der Übergangszeit bis zum 31.12.2001 gab es jedoch noch keine auf Euro lautenden Zahlungsmittel. In der Übergangszeit lauteten somit auf Euro nur die Guthaben, die auf Girokonten bei Kreditinstituten und den Zentralbanken unterhalten und als Buchgeld bezeichnet wurden. Die auf nationale Währungseinheiten lautenden Zahlungsmittel (Banknoten und Münzen) waren die einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel der bereits eingeführten Euro-Währung und mussten weiterhin vom Gläubiger als Erfüllung von Geldschulden (§ 362 BGB) entgegengenommen werden2. Insoweit wurde die EuroWährung bis zum 1.1.2002 – wenn auch missverständlich – als reine „Buchwährung“ bezeichnet3.
5.177
Bereits mit der Einführung des Euro zum 1.1.1999 verloren die Währungen der Teilnehmerstaaten ihre bisherige rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit. Dennoch behielten die bisherigen nationalen Währungen, dh. Banknoten und Münzen, die auf eine nationalen Währungseinheit lauteten, zunächst die Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel innerhalb ihres jeweiligen Gültigkeitsgebietes (Art. 9 Euro-VO II), da es noch kein Euro-Bargeld gab4. Die nationalen Zahlungsmittel wurden innerhalb des Übergangszeitraums von den
1 ABl. EG Nr. L 359 v. 31.12.1998, S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1478/2000 des Rates v. 19.6.2000, ABl. EG Nr. L 167 v. 7.7.2000, S. 1. 2 Rehbein, WM 1998, 997 (1000). Dies galt auch für in Deutschland zahlbare EuroVerbindlichkeiten. Denn Art. 9 Euro-VO II wollte zwar Zahlungen in jedem Fall mit dem am Erfüllungsort gültigen gesetzlichen Zahlungsmittel ermöglichen. Dagegen brauchte der Gläubiger grundsätzlich keine auf Euro lautenden bargeldlosen (Buchgeld-)Zahlungen anzunehmen, sofern nicht die Erfüllung durch Gutschrift auf ein Girokonto des Gläubigers vereinbart worden war, Schefold, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 4, S. 1 (9). 3 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, 2. Aufl. 2001, § 115 Rz. 243, 268; vgl. nunmehr Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, 3. Aufl. 2007, § 115 Rz. 70 ff.; Nielsen in BuB, Rz. 5/928. Die zunächst erörterte Überlegung, auch (Euro-)Buchgeld als gesetzliches Zahlungsmittel zuzulassen, ist bei der Schaffung des europäischen Währungsrechts nicht mehr weiterverfolgt worden (vgl. Art. 9 Euro-VO II), Klanten, NJW 1998, 3152; vgl. weiter Schneider, DB 1996, 2477 (2479). 4 Dierdorf, NJW 1998, 3145 (3146); von Borries/Repplinger-Hach, NJW 1996, 3111 (3112).
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
NZBen auf Grund einer vom EZB-Rat erteilten Genehmigung in Verkehr gegeben, doch im Gegensatz zu den später für Euro Banknoten geltenden Regelungen gab jede NZB ihre nationalen Banknoten auf eigene Rechnung und in eigenem Interesse aus1. Die weitere Gültigkeit der nationalen Banknoten und Münzen bedeutete jedoch nicht die parallele Existenz zweier Währungen in den Teilnehmerstaaten. Vielmehr war der Euro vom 1.1.1999 an alleinige Währung im EuroWährungsgebiet. Die bisherigen nationalen Währungseinheiten waren lediglich nicht-dezimale Untereinheiten (Denominationen) des Euro unter Beachtung des offiziell festgesetzten Umrechnungskurses, wobei alle Untereinheiten beibehalten wurden (Art. 6 Abs. 1 Euro-VO II). Sie waren der Euro-Währungseinheit für die Übergangszeit gleichwertig2. Infolgedessen bestand auch kein Wechselkursrisiko mehr zwischen der Euro-Währungseinheit und den nationalen Währungseinheiten sowie zwischen den nationalen Währungseinheiten der Teilnehmerstaaten3.
5.178
Bei einer Zahlung während der Übergangszeit unter Verwendung von auf DM lautenden Banknoten und Münzen handelte es sich also bereits um eine in DM ausgedrückte Zahlung in der neuen Währung Euro. Dieses Bargeld hatte deshalb nicht mehr den Rechtscharakter der bisherigen Deutschen Mark als nationaler deutscher Währung.
5.179
Nach Art. 15 der Euro-VO II konnten auf nationale Währungseinheiten lautende Banknoten und Münzen ihre Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel im jeweiligen Gültigkeitsgebiet längstens bis zum 30.7.2002 behalten. Der Zeitraum, in dem alte und neue Banknoten und Münzen in Umlauf sein konnten (Parallelumlauf), wurde vom Rat der Wirtschafts- und Finanzminister am 8.11.1999 auf vier Wochen bis maximal zwei Monate nach dem 31.12.2001 verkürzt4.
5.180
1 2 3 4
Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 112 f. Erwägungsgrund Nr. 8 der Euro-VO II. Erwägungsgrund Nr. 6 der Euro-VO II. Im Gegensatz zu den anderen Teilnehmerstaaten, die einen Parallelumlauf von nationalen Währungseinheiten und Euro als gesetzlichen Zahlungsmitteln von vier Wochen bis maximal zwei Monaten vorsahen, wählte der deutsche Gesetzgeber einen anderen Ansatz. Das Dritte Euro-Einführungsgesetz (Art. 1 § 1 des Gesetzes v. 16.12.1999 über die Einführung des Euro, BGBl. I 1999, S. 2402) legte einen sog. „juristischen Big Bang“ fest, wonach das auf „Deutsche Mark“ und „Deutsche Pfennig“ lautende Bargeld mit Ablauf des 31.12.2001 seine Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel verlor. Dies wurde damit begründet, die Belastungen, die mit einem doppelten Bargeldumlauf für die Verbraucher, den Handel und die Kreditwirtschaft verbunden sind, auf ein Minimum zu reduzieren, siehe BMF, Monatsbericht September 2001, Die Einführung des Euro-Bargeldes in Deutschland, S. 47. Um dennoch einen nahtlosen Übergang von der DM zum Euro als gesetzlichem Zahlungsmittel zu gewährleisten, wurde dieser Rechtsrahmen durch die „Gemeinsame Erklärung“ der Spitzenverbände der Automatenwirtschaft, des Handels und vergleichbarer Dienstleistungen sowie der Kreditwirtschaft zur „Modifizierten Stichtagsregelung“ v. 22.10.1998, ergänzt, mit der eine faktische Weiterverwendung der DM bis zum
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.181
Ein Umtausch von DM-Bargeld ist weiterhin uneingeschränkt unentgeltlich und ohne zeitliche Befristung (wie schon bei älteren DM-Serien) bei den Filialen der Deutschen Bundesbank möglich1.
5.182
Anders als bei der Euroeinführung in den ersten Mitgliedsstaaten bis zum Jahre 2001 wurde bei den folgenden Beitritten zum Euro-Währungsgebiet (Slowenien im Januar 2007, Zypern und Malta im Januar 2008, Slowakei im Januar 2009) wurde der Euro gleichzeitig als Bargeld und Buchgeld eingeführt.
IV. Euro-Bargeld
5.183
Seit dem 1.1.2002 sind auf Euro lautende Münzen und Banknoten gesetzliches Zahlungsmittel im Euro-Währungsgebiet. Durch die Einführung der EuroBanknoten und Euro-Münzen in ganz Europa zur greifbaren Realität. Die Einführung des Euro-Bargeldes als gesetzliches Zahlungsmittel stellt somit die für jedermann sichtbare (und fühlbare) Vollendung der WWU dar2.
5.184
Der Austausch sämtlicher Banknoten und Münzen in einem Wirtschaftsraum mit mehr als 300 Mio. Menschen innerhalb kürzester Zeit war eine bislang ungekannte logistische Herausforderung. Die Bargeldumstellung machte eine enge Kooperation und Koordination aller Beteiligten nötig, so zB EU-Institutionen, nationale Behörden, Kreditinstitute, Werttransporteure, Einzelhandelsunternehmen, Verbraucherorganisationen sowie die Automatenindustrie3. Anfang des Jahres 2002 wurden innerhalb kurzer Zeit 6 Mrd. nationale Banknoten und 29 Mrd. nationale Münzen durch 8 Mrd. Euro-Banknoten und etwa 38 Mrd. Euro-Münzen ersetzt4.
1. Euro-Banknoten
5.185
Gemäß Art. 128 Abs. 1 Satz 1 AEUV hat die EZB das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen und sind die EZB und die NZBen berechtigt, Euro-Banknoten auszugeben. Der Vertrag über die Arbeitweise der Europäischen Union (Art. 128 Abs. 1 Satz 2) lässt somit offen, ob und in welchem Anteil die EZB oder die nationalen
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28.2.2002 auf freiwilliger Basis ermöglicht wurde (Anlage 19 zum Fünften Bericht des Arbeitsstabes Europäische Wirtschafts- und Währungsunion des Bundesfinanzministeriums v. 20.6.2001 – nachfolgend: BMF-Bericht). Siehe auch Wölker in von der Groeben/Schwarze, Art. 123 EGV Rz. 20. BMF, Monatsbericht September 2001, S. 47 (48). Vgl. zur Bargeldeinführung im Detail Kilb, EuZW 2002, S. 5 ff. Um die Bargeldumstellung auf nationaler Ebene zu koordinieren und schneller auf etwaige Zwischenfälle reagieren zu können, wurde ein Koordinierungsausschuss zur Bargeldumstellung im Eurosystem eingesetzt, siehe EZB, Evaluation of the 2002 cash changeover, 2002. Leitlinie der Europäischen Zentralbank v. 10.1.2001 über bestimmte Vorschriften für die Euro-Bargeldumstellung im Jahr 2002 (EZB/2001/1), ABl. EG Nr. L 55 v. 24.2.2001, S. 80; EZB-Monatsbericht, 10 Jahre Euro, 2008, S. 160.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
Zentralbanken die Ausgabe vornehmen. Hier hatte der EZB-Rat eine Entscheidung über die Emission zu treffen. Der Beschluss der EZB v. 6.12.2001 über die Ausgabe von Euro-Banknoten (EZB/2001/15)1 legt fest, dass auf die EZB ein Anteil von 8 % des Gesamtwertes der umlaufenden Euro-Banknoten entfallen, während 92 % von den nationalen Zentralbanken (NZB) ausgegeben werden. Dies ist Ausdruck des Solidaritätskonzepts aller Mitglieder des Eurosystems. Jede NZB weist in ihrer Bilanz einen Anteil an den ausgegebenen Euro-Banknoten aus, der ihrem eingezahlten Anteil am Kapital der EZB entspricht. In der Praxis werden die Banknoten der EZB von den NZBen in Umlauf gebracht, die damit gegenläufige Verbindlichkeiten gegenüber der EZB eingehen. Diese Verbindlichkeiten werden zu dem für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte der EZB geltenden Satz verzinst2. Die vom Eurosystem insgesamt ausgegebenen Banknoten werden in dem von der EZB wöchentlich veröffentlichten konsolidierten Ausweis der Eurosystems ausgewiesen3.
5.186
Die auf Euro lautenden Banknoten sind seit dem 1.1.2002 in Umlauf (Art. 10 Euro-VO II)4. Seit Ablauf des Parallelumlaufs sind sie die einzigen Banknoten, die innerhalb des Euro-Währungsgebietes als gesetzliches Zahlungsmittel gelten (Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV; Art. 10 Euro-VO II; Art. 16 Abs. 1 Satz 3 ESZB-Satzung). Am Ende des Jahres 2007 befanden sich etwa 12 Mrd. Banknoten mit einem Gesamtwert von etwa 677 Mrd. Euro in Umlauf, von denen sich Schätzungen zufolge ein nicht unerheblicher Teil in den Händen von Ansässigen außerhalb des Euro-Währungsgebiets befindet5.
5.187
Die Euro-Banknoten sehen einheitlich aus6. Vorschläge, das Erscheinungsbild der Banknoten national zu differenzieren, wurden als unvereinbar mit der Idee einer einheitlichen europäischen Währung abgelehnt. Daher tragen alle EuroBanknoten ein einheitliches Erscheinungsbild, die Motive (Brücken, Fenster
5.188
1 2 3 4
ABl. EG Nr. L 337 v. 20.12.2001, S. 52. Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 113. http://www.ecb.europa.eu/press/pr/wfs/; siehe auch EZB-Pressemitteilung v. 6.12.2001. Um eine reibungslose Einführung des Bargeldes zu gewährleisten, wurden auf Euro lautenden Banknoten durch die EZB und die nationalen Zentralbanken der teilnehmenden Mitgliedstaaten bereits vorab ab September 2001 Kreditinstituten und deren Geschäftskunden im Wege des sog. „Frontloading“ Vorabausstattungen von Euro-Bargeld zur Verfügung gestellt. Hierbei war durch die Bundesbank sicherzustellen, dass keine Euro-Banknoten unter Verstoß gegen Art. 10 Euro-VO II vorab in Umlauf geraten konnten, Leitlinie der Europäischen Zentralbank v. 13.9.2001 über bestimmte Vorschriften für die vorzeitige Abgabe von Euro-Banknoten außerhalb des Euro-Währungsgebiets (EZB/2001/8), ABl. EG Nr. L 257 v. 29.9.2001, S. 6; siehe auch EZB, Jahresbericht 2001, S. 126 ff.; BMF-Bericht, S. 37. 5 EZB-Monatsbericht, 10 Jahre Euro, 2008, S. 162. 6 Anders als bei den nationalen Banknoten der Vorläuferwährungen ist auf den EuroBanknoten nicht zu erkennen, welche Zentralbank sie ausgegeben hat. Die NZBen des Eurosystems sind zur Annahme der von anderen Mitgliedern des Eurosystems in Verkehr gebrachten Euro-Banknoten verpflichtet, und diese Banknoten werden nicht repatriiert.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
und Tore) sind Baustilen aus der europäischen Baugeschichte entlehnt1. Die Stückelung wurde vom EZB-Rat durch Beschluss mit 5, 10, 20, 50, 100, 200 und 500 Euro festgelegt2. Dieser Beschluss regelt auch näheres zu Reproduktion und Einzug von Euro-Banknoten und stellt klar, das allein die EZB Inhaberin des Urheberrechts an den Euro-Banknoten ist.
5.189
Die Bandbreite zwischen der höchsten und der niedrigsten Stückelung der Euro-Banknoten wurde unter Berücksichtigung der nationalen Vorgängerwährungen gewählt. Der höchste Nennwert wurde mit 500 Euro festgesetzt (vor der Umstellung auf den Euro hatten Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Österreich Banknoten im Gegenwert zwischen 200 Euro und 500 Euro ausgegeben). Der niedrigste Wert wurde mit 5 Euro festgesetzt. Auch die Einführung von 1-Euro- und 2-Euro-Banknoten wurde erwogen. Nach ausgiebiger Konsultation mit Marktteilnehmern beschloss der EZB-Rat jedoch im Jahre 2004 die Beibehaltung der derzeitigen Stückelungsstruktur sowohl für die erste als auch für die zweite Euro-Banknotenserie3.
5.190
Die Verantwortlichkeit für die Herstellung der Banknoten lag zunächst bei jeder beteiligten Eurosystem-Zentralbank für jeweils alle Euro-Banknotendenominationen. Inzwischen wird die jährliche Produktion der verschiedenen Stückelungen (zum Ersatz der nicht mehr umlauffähigen Banknoten) zusammengelegt, sodass jede Zentralbank nur noch für die Produktion einer bzw. einiger weniger Stückelungen, die ihr vom EZB-Rat zugewiesen wurden, zuständig ist. Diese dezentrale Produktion wird durch ein einheitliches Ausschreibungsverfahren für das Eurosystem ersetzt werden, welches spätestens ab dem 1.1.2012 gelten soll4.
5.191
Schließlich verbessert das Eurosystem wie andere Zentralbanken und Währungsbehörden seine Banknoten in regelmässigem Rhythmus, um so den Vorsprung vor Geldfälschern zu wahren. So arbeitet das Eurosystem an der Entwicklung einer neuen Serie von Euro-Banknoten. Der erste Nennwert der zweiten Euro-Serie soll am 1.1.2011 in Umlauf gebracht werden, die anderen Werte sollen im Lauf mehrerer Jahre folgen. Das Design soll unter Beibehaltung des Themas „Zeitalter und Stile in Europa“ und in Bezug auf die Integration neuester und benutzerfreundlicher Sicherheitsmerkmale weiterentwickelt werden5.
1 Siehe im Detail Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 114. 2 Beschluss (EZB/2001/7) des EZB-Rates v. 30.8.2001 über die Stückelung, Spezifikation und Reproduktion sowie den Umtausch und den Einzug von Euro-Banknoten, ABl. EG Nr. L 233 v. 31.8.2001, S. 55. 3 Siehe EZB, How the euro became our money. A short history of the euro banknotes and coins, 2007. 4 Das neue Verfahren folgt EU-Wettbewerbsrecht mit dem Ziel der Gleichbehandlung aller Druckereien, die an der gemeinsamen Ausschreibung des Eurosystems teilnehmen möchten. Hiermit soll ein transparenter und fairer Wettbewerb garantiert und die sichere Produktion der Euro-Banknoten auch in Zukunft gewährleistet werden, vgl. Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 117. 5 EZB-Monatsbericht, 10 Jahre Euro, 2008, S. 164.
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5. Teil
Der Euro als europäische Währung
2. Münzen Auch die auf Euro lautenden Münzen sind seit dem 1.1.2002 in Umlauf1. Für die Ausgabe der Münzen, die auf Euro oder Cent lauten, sind weiterhin die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes und nicht das Eurosystem verantwortlich (Art. 106 Abs. 2 Satz 1 EGV). In den meisten Fällen werden die EuroMünzen von den NZBen des Eurosystems im Auftrag ihrer jeweiligen Regierung in Umlauf gebracht. Die Münzbestände der NZBen kommen eigentlich einer Kreditgewährung an den öffentlichen Sektor gleich, doch nach Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates vom 13.12.19932 ist das Halten dieser Bestände als Arbeitsguthaben erlaubt, sofern sie weniger als 10 % des Münzumlaufs ausmachen.
5.192
Die Euro-Münzen sind in der Stückelung 1, 2, 5, 10, 20 und 50 Cent sowie 1 und 2 Euro verfügbar. Im Gegensatz zu den Euro-Banknoten, die keine nationalen Unterschiede aufweisen, haben die Münzen eine einheitliche Seite und eine je nach Land unterschiedliche Seite mit länderspezifischen Motiven, umgeben von den zwölf Sternen der Europäischen Union3.
5.193
Der Umfang der Ausgabe von Euro-Münzen bedarf der Genehmigung durch die EZB (Art. 106 Abs. 2 Satz 1 EGV)4. Auf Grund besonderer Absprachen mit der Gemeinschaft sind auch einige Staaten (San Marino, Fürstentum Monaco und der Vatikanstaat), die zuvor als Landeswährung die Währung eines Mitgliedstaats des Euro-Währungsraumes hatten, in den Stand versetzt worden, in geringem Umfang Euro-Münzen zu emittieren5.
5.194
Alle Euro-Münzen sind im gesamten Euro-Währungsgebiet gesetzliches Zahlungsmittel. Mit Ausnahme der ausgebenden Behörden und der speziellen,
5.195
1 Die Finanzminister der Mitgliedstaaten hatten sich am 8.11.2001 auf die Möglichkeit verständigt, in Abweichung von Art. 106 Abs. 1 EGV und Art. 11 EuroVO II EuroMünzen bereits ab der zweiten Dezemberhälfte 2001 in begrenztem Umfang an die Bevölkerung abzugeben. Durch diese vorzeitige Abgabe sog. „Starter-Kits“ sollte die Bevölkerung vorab die Gelegenheit bekommen, sich mit den neuen Münzen vertraut zu machen, BMF-Bericht, S. 38. 2 Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates v. 13.12.1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung der in Art. 104 und Art. 104b Abs. 1 des Vertrages vorgesehenen Verbote (ABl. EG Nr. L 332 v. 31.12.1993, S. 1). 3 Verordnung (EG) Nr. 975/98 des Rates v. 3.5.1998 über die Stückelungen und technischen Merkmale der für den Umlauf bestimmten Euro-Münzen, ABl. EG Nr. L 139 v. 11.5.1998, S. 6. 4 Entscheidung der Europäischen Zentralbank v. 23.12.1999 über die Genehmigung des Umfangs der Ausgabe von Münzen in 2000 (EZB/1999/11), ABl. EG Nr. L 4 v. 7.1.2000, S. 18; Entscheidung der Europäischen Zentralbank v. 9.12.2005 über die Genehmigung des Umfangs der Ausgabe von Münzen im Jahr 2006 (EZB/2005/14), ABl. EU Nr. L 333 v. 20.12.2005, S. 55; Empfehlung der Europäischen Zentralbank v. 6.12.2001 über die Aufhebung von Bestimmungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Begrenzung der Anzahl an Münzen in einer nationalen Währungseinheit, die im Rahmen einer einzelnen Zahlung verwendet werden können (EZB/2001/17), ABl. EG Nr. C 356 v. 14.12.2001, S. 9. 5 Vgl. die Entscheidungen (EG) des Rates v. 31.12.1998 betr. das Fürstentum Monaco, San Marino und den Vatikanstaat, ABl. EG Nr. L 30 v. 4.2.1999, S. 29.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
gesetzlich benannten Personen ist jedoch niemand verpflichtet, mehr als 50 Münzen bei einer einzelnen Zahlung anzunehmen (Art. 11 Euro-VO II).
3. Schutz gegen Geldfälschung
5.196
Das Eurosystem sieht es als seine Aufgabe an, die Euro-Banknoten unter Anwendung höchstmöglicher Sicherheitsstandards vor Fälschungen zu schützen. Auf Initiative der Bundesregierung hatte der Rat bereits im Mai 2000 einen Rahmenbeschluss über die Verstärkung des Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro zur Strafrechtsangleichung in den Mitgliedstaaten angenommen1. Damit wurde ein umfassender strafrechtlicher Schutz des Euro in allen Mitgliedstaaten schon für die Zeit vor dem EuroBargeldumlauf ab dem 1.1.2002 begründet. Am 28.6.2001 wurde die Verordnung (EG) Nr. 1338/2001 zur Festlegung von zum Schutz des Euro gegen Geldfälschung erforderlichen Maßnahmen verabschiedet2. Die Verordnung sieht eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Europol, Europäischer Kommission, EZB und den nationalen Stellen der Mitgliedstaaten vor. Außerdem wurden neue Kontrollpflichten der Kreditinstitute eingeführt3.
5.197
Darüber hinaus treffen die NZBen nach ihren nationalen Rechtssystemen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das Urheberrecht der EZB an den Gestaltungsentwürfen der Euro-Banknoten nicht verletzt wird sowie der rechtliche Schutz der Euro-Banknoten und -Münzen verbessert wird. In Deutschland regeln die Vorschriften der §§ 146 ff. StGB, § 92 StPO sowie §§ 36 und 37 BBankG die nationale Behandlung von Falschgeld. Die Deutsche Bundesbank ist als nationales Falschgeldanalysezentrum für die Prüfung und Begutachtung des gesamten in der Bundesrepublik Deutschland anfallenden Falschgeldes zuständig.
5.198
Als Voraussetzung für eine im gesamten Euro-Währungsgebiet möglichst einheitliche Falschgeldbekämpfung wurde bei der EZB das Europäische Falsch-
1 ABl. EG Nr. L 140 v. 14.6.2000, S. 1. 2 ABl. EG Nr. L 181 v. 4.7.2001, S. 6. 3 Leitlinie der Europäischen Zentralbank v. 7.7.1998 über bestimmte Vorschriften für Euro-Banknoten in der geänderten Fassung v. 26.8.1999 (EZB/1999/3), ABl. EG Nr. L 258 v. 5.10.1999, S. 32; geändert durch die Leitlinie EZB/2003/5 v. 20.3.2003 über die Anwendung von Maßnahmen gegen unerlaubte Reproduktionen von Euro-Banknoten sowie über den Umtausch und Einzug von Euro-Banknoten, ABl. EU Nr. L 78 v. 25.3.2003, S. 20; Leitlinie der Europäischen Zentralbank v. 16.9.2004 über die Beschaffung von Euro-Banknoten (EZB/2004/18), ABl. EU Nr. L 320 v. 21.10.2004, S. 21; Empfehlung der Europäischen Zentralbank v. 7.7.1998 über die Verabschiedung bestimmter Maßnahmen zur Verbesserung des rechtlichen Schutzes der Euro-Banknoten und -Münzen (EZB/1998/7), ABl. EG Nr. C 11 v. 15.1.1999, S. 13; Beschluss der Europäischen Zentralbank v. 8.11.2001 über bestimmte Voraussetzungen für den Zugang zum Falschgeldüberwachungssystem (FGÜS) (EZB/2001/11), ABl. EG Nr. L 337 v. 20.12.2001, S. 49; Kooperationsabkommen zwischen der Europol und der EZB, ABl. EG Nr. C 23 v. 25.1.2002, S. 9; Kooperationsabkommen zwischen der EZB und Interpol, ABl. EU Nr. C 134 v. 12.5.2004, S. 6.
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
geldanalysezentrum (Counterfeit Analysis Centre – CAC) für Euro-Banknoten eingerichtet. Aufgabe dieser Stelle ist es unter anderem, die Untersuchung und Begutachtung gefälschter Euro-Banknoten in den Mitgliedstaaten zu koordinieren1. Außerdem hat die EZB ein Internationales Forschungszentrum für Fälschungsprävention (International Counterfeit Deterrence Centre – ICDC) errichtet, das bei ihr angesiedelt ist2. Schließlich beschloss der EZB-Rat im Jahr 2004 den „Handlungsrahmen für die Falschgelderkennung und die Sortierung von Euro-Banknoten nach Umlauffähigkeit durch Kreditinstitute und professionelle Bargeldakteure“. Dieser Rahmenvereinbarung zufolge haben Kreditinstitute und andere professionelle Bargeldakteure die Banknoten vor der Wiederinverkehrgabe auf Echtheit und Umlauffähigkeit zu prüfen. Dadurch wird gewährleistet, dass von den Kunden eingezahlte echte und umlauffähige Banknoten im Bargeldkreislauf verbleiben können3.
5.199
V. Der Euro und Drittwährungen Die EZB gibt seit dem 4.1.1999 arbeitstäglich um 14.15 Uhr sog. Referenzkurse zu den wichtigsten Weltwährungen (USD, GBP, JPY, CHF ua.) bekannt4. Mit der Einführung des Euro und der Festsetzung der offiziellen Umrechnungskurse entfiel der Devisenhandel in den nationalen Währungen der Teilnehmerstaaten der Europäischen Währungsunion. Das amtliche Devisenfixing der Deutschen Börse AG wurde Ende 1998 eingestellt.
5.200
5.201–5.210
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Ziele und Aufgaben des Eurosystems I. Preisstabilität Gemäß Art. 127 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Satz 1 ESZB-Satzung ist das vorrangige Ziel des Eurosystems die Gewährleistung der Preisstabilität innerhalb des Euro-Währungsgebietes. Nur soweit dies ohne Beeinträchtigung dieses Zieles möglich ist, unterstützt das Eurosystem die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Art. 3 EUV festgelegten 1 Gemeinsame Presseerklärung der EZB, der Europäischen Kommission und Europol v. 7.3.2001 („Establishment of a ,Steering Group' and a common interinstitutional strategy for the protection of the euro against counterfeiting“). 2 Scheller, Die Europäische Zentralbank, S.118. 3 EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 163. 4 Abrufbar unter http://www.ecb.europa.eu/stats/exchange/eurofxref/html/index.en. html.
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5.211
5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
geldanalysezentrum (Counterfeit Analysis Centre – CAC) für Euro-Banknoten eingerichtet. Aufgabe dieser Stelle ist es unter anderem, die Untersuchung und Begutachtung gefälschter Euro-Banknoten in den Mitgliedstaaten zu koordinieren1. Außerdem hat die EZB ein Internationales Forschungszentrum für Fälschungsprävention (International Counterfeit Deterrence Centre – ICDC) errichtet, das bei ihr angesiedelt ist2. Schließlich beschloss der EZB-Rat im Jahr 2004 den „Handlungsrahmen für die Falschgelderkennung und die Sortierung von Euro-Banknoten nach Umlauffähigkeit durch Kreditinstitute und professionelle Bargeldakteure“. Dieser Rahmenvereinbarung zufolge haben Kreditinstitute und andere professionelle Bargeldakteure die Banknoten vor der Wiederinverkehrgabe auf Echtheit und Umlauffähigkeit zu prüfen. Dadurch wird gewährleistet, dass von den Kunden eingezahlte echte und umlauffähige Banknoten im Bargeldkreislauf verbleiben können3.
5.199
V. Der Euro und Drittwährungen Die EZB gibt seit dem 4.1.1999 arbeitstäglich um 14.15 Uhr sog. Referenzkurse zu den wichtigsten Weltwährungen (USD, GBP, JPY, CHF ua.) bekannt4. Mit der Einführung des Euro und der Festsetzung der offiziellen Umrechnungskurse entfiel der Devisenhandel in den nationalen Währungen der Teilnehmerstaaten der Europäischen Währungsunion. Das amtliche Devisenfixing der Deutschen Börse AG wurde Ende 1998 eingestellt.
5.200
5.201–5.210
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Ziele und Aufgaben des Eurosystems I. Preisstabilität Gemäß Art. 127 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Satz 1 ESZB-Satzung ist das vorrangige Ziel des Eurosystems die Gewährleistung der Preisstabilität innerhalb des Euro-Währungsgebietes. Nur soweit dies ohne Beeinträchtigung dieses Zieles möglich ist, unterstützt das Eurosystem die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Art. 3 EUV festgelegten 1 Gemeinsame Presseerklärung der EZB, der Europäischen Kommission und Europol v. 7.3.2001 („Establishment of a ,Steering Group' and a common interinstitutional strategy for the protection of the euro against counterfeiting“). 2 Scheller, Die Europäische Zentralbank, S.118. 3 EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 163. 4 Abrufbar unter http://www.ecb.europa.eu/stats/exchange/eurofxref/html/index.en. html.
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5.211
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Ziele der Union beizutragen (Art. 127 Abs. 1 Satz 2 AEUV; Art. 2 Satz 2 ESZBSatzung).
5.212
Nach Art. 3 EUV ist es Ziel der Union, durch die Errichtung eines gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie mittels Durchführung der in Art. 3 ff. und 119 AEUV genannten gemeinsamen Politiken oder Maßnahmen eine harmonische und sozial verträgliche Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Union, ein beständiges, umweltverträgliches Wachstum, einen hohen Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, Vollbeschäftigung, ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten zu fördern. Dies ist von gesunden öffentlichen Finanzen und monetären Rahmenbedingungen sowie einer dauerhaft finanzierbaren Zahlungsbilanz zu unterstützen (Art. 119 Abs. 3 AEUV). Insoweit kann das Eurosystem zur Förderung vorgenannter Ziele beitragen, indem es eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik verfolgt. Das Eurosystem handelt darüber hinaus im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 127 Abs. 1 AEUV). Dem Eurosystem wird aber durch den Auftrag, die allgemeine Wirtschaftspolitik im Euro-Währungsgebiet zu unterstützen, keine direkte Verantwortung für andere Ziele als die Wahrung von Preisstabilität übertragen1.
II. Grundlegende Aufgaben
5.213
Entsprechend den Vorgaben des AEUV sind dem Eurosystem bestimmte grundlegende Aufgaben zugewiesen worden (Art. 127 Abs. 2 AEUV; Art. 3 Abs. 1 ESZB-Satzung). Diese bestehen darin, die Geldpolitik des Euro-Währungsgebietes festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte im Einklang mit Art. 219 AEUV durchzuführen, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten sowie das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern. Das Eurosystem gibt Banknoten als gesetzliche Zahlungsmittel des Euro-Währungsgebietes heraus und die EZB genehmigt das Volumen für die Ausgabe von Euro-Münzen durch die Mitgliedsstaaten, die den Euro eingeführt haben (Art. 128 AEUV und Art. 16 ESZB-Satzung). Im Übrigen trägt das Eurosystem zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Bankenaufsicht und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen bei (Art. 127 Abs. 5 AEUV). Die EZB wird zu allen Vorschlägen für Rechtsakte der Gemeinschaft und zu allen Gesetzesentwürfen nationaler Behörden in ihrem Zuständigkeitsbereich gehört (Art. 127 Abs. 4 AEUV) und holt statistische Daten, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind, ein. (Art. 5 ESZB-Satzung) Schließlich kann das Eurosystem im Bereich der internationalen Zusammenarbeit vertreten sein und sich an internationalen Währungseinrichtungen beteiligen2.
1 Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 53. 2 EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (60).
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
1. Einheitliche Geldpolitik Die vorrangige Aufgabe des Eurosystems ist es, die einheitliche Geld- und Währungspolitik für das Euro-Währungsgebiet festzulegen und auszuführen (Art. 127 Abs. 1 AEUV). Indem der AEUV dieses Ziel einer unabhängigen Zentralbank zuweist, erkennt er die Bedeutung der Preisstabilität für die Verbesserung der Konjunkturaussichten und der Hebung des Lebensstandards in der Europäischen Union an, wie dies nicht zuletzt durch Jahrzehnte praktischer Erfahrung und volkswirtschaftlicher empirischer Studien belegt worden ist1.
5.214
Durch die Ausübung der Geldpolitik nimmt eine Zentralbank Einfluss auf die Wirtschaft. Gemäß Art. 128 AEUV sind allein die EZB und die NZBen im Euro-Währungsgebiet zur Ausgabe von Banknoten, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, berechtigt; das Recht der Euro-Länder zur Prägung von Münzen ist auf die niedrigen Stückelungen beschränkt, wobei der Ausgabeumfang der Genehmigung durch die EZB bedarf. Das Eurosystem ist somit alleiniger Emittent von Banknoten und alleiniger Bereitsteller der Mindestreserveguthaben der Banken und besitzt somit das Monopol als Anbieter der monetären Basis. Durch die vollständige Kontrolle des Eurosystems über das Basisgeld wird sichergestellt, dass es die Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets festlegen und ausführen kann, indem es die Bedingungen am Geldmarkt beeinflusst und die kurzfristigen Zinssätze (Geldmarktsätze) steuert2.
5.215
Geldpolitik als hoheitliche Aufgabe bedient sich in ihrer Umsetzung weitgehend dem Mittel von Finanztransaktionen. Innerhalb der Vorgaben des AEUV hat sich das Eurosystem dabei zur Festlegung und Durchführung der Geldpolitik einen rechtlichen Rahmen gegeben, der die Instrumente und Verfahren der einheitlichen Geldpolitik festlegt (siehe hierzu im Detail den 6. Abschnitt, Rz. 5.323).
5.216
2. Devisengeschäfte und Wechselkurspolitik Die Geldpolitik steht in einem engen Verhältnis zur Wechselkurspolitik. Wechselkursbindungen, seien sie formell oder faktisch, können die Fähigkeit der Zentralbank beeinträchtigen, die monetären Aggregate zu kontrollieren und damit Preisstabilität zu sichern. Dabei haben Wechselkurse jedoch ebenfalls Einfluss auf Import und Export und somit auf Volkseinkommen und Beschäftigung und berühren somit die Wirtschaftspolitik.
5.217
a) Devisengeschäfte Devisengeschäften kommen somit im Rahmen der Geldpolitik eine wichtige Rolle zu. Mit der Übertragung dieser Aufgabe auf das Eurosystem (Art. 127 Abs. 1 iVm. Art. 219 AEUV) wurde sichergestellt, dass die Devisengeschäfte 1 Issing/Gaspar/Angeloni/Tristani, Monetary Policy in the Euro Area, S. 66 ff.; EZB, Monatsbericht Januar 1999, S. 43 (44). 2 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 41.
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5.218
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
mit den geldpolitischen Zielen vereinbar bleiben. Devisengeschäfte beeinflussen die Wechselkurse und die Liquiditätsbedingungen im Euro-Währungsgebiet und damit wichtige Variablen der Geldpolitik. Sie müssen im Einklang mit dem im EG-Vertrag festgelegten Rahmen für die Wechselkurspolitik des Euro-Währungsgebietes durchgeführt werden. Der AEUV, wie zuvor auch der EG-Vertrag, hat dem dadurch Rechnung getragen, dass sich die EZB mit dem Rat die Verantwortung für die Wechselkurspolitik teilt, wobei der Rat in letzter Instanz entscheidet. Allerdings ist es der EZB vorbehalten, über Devisenmarktinterventionen zu entscheiden1.
5.219
Die wichtigste Art von Devisengeschäften des Eurosystems sind Interventionen an ausländischen Devisenmärkten. Devisenmarktinterventionen erfolgen ausschließlich auf Basis der von der EZB gehaltenen Devisenreserven. Sie können in den Währungen von Ländern außerhalb der Europäischen Union, zB in US-Dollar oder japanischen Yen, im Rahmen der Wechselkurspolitik des Euro-Währungsgebiets durchgeführt werden. Ferner können sie im Rahmen des innergemeinschaftlichen Wechselkursmechanismus II (WKM II) erfolgen.
5.220
Mangels sowohl institutioneller Regelungen als auch eines Wechselkursziels der EZB fanden Interventionen an ausländischen Devisenmärkten gegenüber Nicht-EU-Währungen bislang nur selten statt2. b) Institutioneller Rahmen für die Wechselkurspolitik
5.221
Gemäß Art. 127 Abs. 2 AEUV und Art. 3 der ESZB-Satzung müssen die Devisengeschäfte des Eurosystems mit Art. 219 AEUV in Einklang stehen. Nach Art. 219 Abs. 1 AEUV kann der EU-Rat einstimmig förmliche Vereinbarungen über ein Wechselkurssystem für den Euro gegenüber Drittlandswährungen treffen. Ferner kann gemäß Art. 219 Abs. 2 AEUV der EU-Rat, sofern kein solches Wechselkurssystem besteht, mit qualifizierter Mehrheit allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik aufstellen. Diese Maßnahmen müssen im Einklang mit dem vorrangigen Ziel der Gewährleistung von Preisstabilität stehen und dürfen nur auf Empfehlung der EZB oder der Europäischen Kommission nach Anhörung der EZB ergriffen werden. Bei Bestehen eines förmlichen Wechselkurssystems für den Euro muss der EU-Rat „in dem Bemühen, zu einem mit dem Ziel der Preisstabilität im Einklang stehenden Konsens zu gelangen“ (Art. 219 Abs. 1 AEUV), die Stellungnahme der EZB berücksichtigen. Orientierungen sollten stets die Unabhängigkeit des ESZB respektieren und mit dem vorrangigen Ziel des ESZB, die Preisstabilität zu gewährleisten, im Einklang stehen. Bislang ist kein derartiges Verfahren zur 1 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 46; siehe auch Hahn, „Allgemeine Orientierungen“ oder „allgemeine Leitlinien“ für die Wechselkurspolitik der Europäischen Währungsunion?, Bayerische Verwaltungsblätter, 1999, 741. 2 So fand zB am 22.9.2000 auf Initiative der EZB zusammen mit den Währungsbehörden der Vereinigten Staaten, Japans, des Vereinigten Königreichs und Kanadas eine konzertierte Intervention an den Devisenmärkten statt; Anfang November 2000 intervenierte die EZB dann erneut, um den Euro-Wechselkurs wieder in Einklang mit den Fundamentaldaten des Euro-Währungsgebiets zu bringen.
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
Einrichtung eines Wechselkurssystems des Euro gegenüber Drittlandswährungen außerhalb der Union oder zur Formulierung allgemeiner Orientierungen für die Wechselkurspolitik gemäß Art. 219 AEUV eingeleitet worden1. c) Wechselkursmechanismus II Mit Beginn der dritten Stufe der WWU trat ein neuer Wechselkursmechanismus, der sog. WKM II, in Kraft. Er löste das Europäische Währungssystem ab, das auf dem Weg zur WWU eine entscheidende Rolle gespielt hatte, aber an die durch die WWU veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden musste. Wie bei seinem Vorgänger handelt es sich auch beim WKM II um eine Regierungsvereinbarung2.
5.222
Ziel des WKM II ist es, die Währungen von EU-Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets an den Euro zu binden. Die Anbindung erfolgt durch gemeinsam vereinbarte Leitkurse gegenüber dem Euro und eine Standardschwankungsbandbreite von + 15 %. Sofern dies unter Berücksichtigung der erzielten Konvergenzfortschritte angemessen erscheint, können auch engere Schwankungsbandbreiten festgelegt werden. Entscheidungen über Leitkurse und Schwankungsbandbreiten werden von den Finanzministern der Länder des Euroraums, der EZB und den Finanzministern und Zentralbankpräsidenten der teilnehmenden Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets in gegenseitigem Einvernehmen getroffen.
5.223
Die Teilnahme am WKM II ist für die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten freiwillig. Es wird jedoch von den Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, „erwartet werden, dass sie sich an dem Mechanismus beteiligen“. Nach Art. 142 AEUV hat ein nichtteilnehmender Mitgliedstaat „seine Wechselkurspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse“ behandeln und dabei „die Erfahrungen, die bei der Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Währungssystems (EWS)“ gesammelt worden sind, berücksichtigen. Gemäß Art. 140 AEUV ist die Terilnahme eines Mitgliedstaat am WKM II seit mindestens zwei Jahren ohne starke Spannungen eines der Konvergenzkriterien zur Beurteilung, ob ein Mitgliedstaat die Voraussetzungen für die Einführung des Euro erfüllt. Die Zahl der Teil-
5.224
1 Auf seiner Sitzung am 13.12.1997 in Luxemburg wies der Europäische Rat darauf hin, dass der Wechselkurs des Euro als das Ergebnis sowohl der wirtschaftlichen Entwicklung als auch der Wirtschaftspolitik und nicht als eigenständiges Ziel zu betrachten sei. In diesem Sinne würden allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik des Euro-Währungsgebiets nur in Ausnahmefällen, beispielsweise bei einer deutlichen Über- bzw. Unterbewertung (Misalignment), aufgestellt. 2 Entschließung des Europäischen Rates über die Einführung eines Wechselkursmechanismus in der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, Amsterdam, 16.6.1973, ABl. EG Nr. C 236 v. 2.8.1997, S. 5; Abkommen v. 1.9.1998 zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken der nicht dem EuroWährungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten über die Funktionsweise eines Wechselkursmechanismus in der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, in der Fassung des Abkommens v. 14.9.2000, ABl. EG Nr. C 362 v. 16.12.2000, S. 11.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
nehmer im WKM II schwankt, im Rahmen der Erweiterungen der Union kamen neuen Mitglieder hinzu, gleichzeitig schieden Mitgliedsstaaten mit Einführung des Euros wieder aus1.
3. Währungsreserven
5.225
Das Eurosystem besitzt die alleinige Zuständigkeit für das Halten und die Verwaltung der Währungsreserven des Euro-Währungsgebietes. Die EZB hält und verwaltet diejenigen Währungsreserven, die ihr gemäß ESZB-Satzung von den NZBen übertragen wurden, die bei den NZBen verbleibenden Währungsreserven werden von diesen gehalten und verwaltet. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um Guthaben in US-Dollar oder japanischem Yen bei ausländischen Banken oder Zentralbanken, Goldbestände sowie Reservepositionen und Forderungen gegenüber dem IWF. a) Währungsreserven der EZB
5.226
Art. 30 Abs. 1 der ESZB-Satzung sieht eine erste Übertragung von Währungsreserven der NZBen an die EZB bis zu einem Höchstbetrag von 50 Mrd. Euro2 vor. Die NZBen übertrugen zu Beginn der dritten Stufe der WWU Währungsreserven von knapp 40 Mrd. Euro auf die EZB. Dies entsprach dem gemäß der ESZB-Satzung durch Abzug der Anteile der NZBen der nicht von Beginn an dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Länder am Kapital der EZB nach unten korrigierten Höchstbetrag. Die Zusammensetzung der Übertragungen wurde dabei durch EZB-Leitlinie festgelegt, zunächst entfielen 15 % auf Gold und die restlichen 85 % auf US-Dollar und japanische Yen3. Die Währungs1 Dem WKM II gehören Dänemark, Estland, Lettland und Litauen an, zwischenzeitlich auch Griechenland, Zypern, Malta, Slowenien und die Slowakei. 2 Mit dem Beitritt weiterer Länder zur EU steigt diese anfängliche Obergrenze automatisch im Verhältnis zum Anteil der jeweiligen NZB am gezeichneten Kapital der EZB (Art. 48 Abs. 3 ESZB-Satzung). Art. 48 Abs. 3 wurde der ESZB-Satzung gemäß Art. 17 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, ABl. EU Nr. L 236 v. 23.9.2003, S. 33, hinzugefügt. Hiernach erhöht sich, wenn ein Land Mitgliedstaat der Union wird und hierdurch die betreffende NZB Teil des ESZB wird, automatisch das gezeichnete Kapital der EZB und der Höchstbetrag der Währungsreserven. Der Gewichtsanteil jeder NZB wird analog Art. 29.1 nach Maßgabe des Art. 29.2 ESZB-Statut berechnet (Beschluss der Europäischen Zentralbank v. 15.12.2006 über die prozentualen Anteile der nationalen Zentralbanken im Schlüssel für die Zeichnung des Kapitals der Europäischen Zentralbank [EZB/2006/21], ABl. EU Nr. L 24 v. 31.1.2007, S. 1). 3 EZB-Leitlinie v. 3.11.1998 geändert durch EZB-Leitlinie v. 16.11.2000 über die Zusammensetzung und Bewertung von Währungsreserven und die Modalitäten ihrer ersten Übertragung sowie die Denominierung und Verzinsung entsprechender Forderungen (EZB/2000/15), ABl. EG Nr. L 336 v. 30.12.2000, S. 114. Für die späteren Erweiterung siehe Abkommen v. 16.11.2000 zwischen der EZB und der Bank von Griechenland über die Forderung, die der Bank von Griechenland gemäß Art. 30.3 der
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
reserven der EZB unterliegen seither auf Grund von Transaktionen und Wechselkurs- sowie Preisänderungen erheblichen Schwankungen. Ferner ist die EZB nach Art. 30.4 der ESZB-Satzung berechtigt, über den Höchstbetrag für die Erstübertragung hinaus die Einzahlung weiterer Währungsreserven zu fordern. Zu diesem Zweck verabschiedete der EU-Rat auf Empfehlung der EZB eine Verordnung1, die der EZB die Einforderung weiterer Währungsreserven bis zu einem Gegenwert von 50 Mrd. Euro erlaubt.
5.227
Den Regierungen der Mitgliedsstaaten des Euro-Währungsgebietes ist es lediglich gestattet, Arbeitsguthaben in Devisen zu unterhalten. Geschäfte in diesen Guthaben bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die EZB2.
5.228
b) Verwaltung der Währungsreserven der EZB und der NZBen Die Währungsreserven, die die EZB hält und verwaltet, werden in erster Linie für gegebenenfalls erforderliche Interventionen der EZB eingesetzt. Damit die
Satzung durch die EZB gutgeschrieben wird, und damit zusammenhängende Fragen, ABl. EG Nr. L 336 v. 30.12.2000, S. 122; EZB-Beschluss v. 16.11.2000 über die Einzahlung von Kapital und den Beitrag zu den Reserven und Rückstellungen der EZB durch die Bank von Griechenland und die erste Übertragung von Währungsreserven auf die EZB durch die Bank von Griechenland sowie damit zusammenhängende Fragen (EZB/2000/14), ABl. EG Nr. L 336 v. 30.12.2000, S. 110; EZB-Beschluss v. 18.12.2006 über die Einzahlung von Kapital, die Übertragung vor Währungsreserven und den Beitrag zu den Reserven und Rückstellungen der EZB durch die Banka Slovenije (EZB/2006/30), ABl. EU Nr. L 24 v. 31.12.2007, S. 17; Abkommen v. 30.12.2006 zwischen der EZB und der Banka Slovenije über die Forderung, die der Banka Slovenije gemäß Art. 30.3 der Satzung durch die EZB gutgeschrieben wird, ABl. EU Nr. C 17 v. 25.1.2007, S. 26; EZB-Beschluss v. 31.12.2007 über die Einzahlung von Kapital, die Übertragung vor Währungsreserven und den Beitrag zu den Reserven und Rückstellungen der EZB durch die Zentralbank von Zypern und die Bank Centrali ta' Malta/Central Bank of Malta (EZB/2007/22), ABl. EU Nr. L 28 v. 1.2.2008, S. 36; Abkommen v. 31.12.2007 zwischen der EZB und der Zentralbank von Zypern über die Forderung, die der Zentralbank von Zypern gemäß Art. 30.3 der Satzung durch die EZB gutgeschrieben wird, ABl. EU Nr. C 29 v. 1.2.2008, S. 4; Abkommen v. 31.12.2007 zwischen der EZB und der Bank Centrali ta' Malta/Central Bank of Malta über die Forderung, die der Bank Centrali ta' Malta/Central Bank of Malta gemäß Art. 30.3 der Satzung durch die EZB gutgeschrieben wird, ABl. EU Nr. C 29 v. 1.2.2008, S. 6; EZB-Beschluss v. 31.12.2008 über die Einzahlung von Kapital, die Übertragung vor Währungsreserven und den Beitrag zu den Reserven und Rückstellungen der EZB durch die Národná banka Slovenska (EZB/2008/33), ABl. EU Nr. L 21 v. 24.1.2009, S. 83; Abkommen v. 31.12.2008 zwischen der EZB und der Národná banka Slovenska über die Forderung, die der Národná banka Slovenska gemäß Art. 30.3 der Satzung durch die EZB gutgeschrieben wird, ABl. EU Nr. C 18 v. 24.1.2009, S. 3. 1 Verordnung (EG) Nr. 1010/2000 des Rates v. 8.5.2000 über die Einforderung weiterer Währungsreserven durch die Europäische Zentralbank, ABl. EG Nr. L 115 v. 16.5.2000, S. 2. 2 Vgl. hierzu EZB-Leitlinie 2001/9 v. 27.9.2001 gemäß Art. 31.3 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank für die von den teilnehmenden Mitgliedstaaten ausgeführten Transaktionen mit ihren Arbeitsguthaben in Fremdwährungen, ABl. EG Nr. L 276 v. 19.10.2001, S. 21.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
EZB stets über genügend liquide Mittel verfügt, um gegebenenfalls Devisenmarktinterventionen durchführen zu können, wird die Verwaltung der Währungsreserven der EZB nach strikten Anlagekriterien durchgeführt. Die allgemeinen Ziele des Portfoliomanagements werden in Form von Grundsätzen und Regeln in Richtlinien der EZB konkretisiert1. Zu den Eckpunkten dieser Richtlinien zählen die Währungsstreuung, die Abwägung zwischen Zinsrisiko und Rendite sowie das Kreditrisiko und die Liquiditätsanforderungen.
5.230
Die EZB nimmt einige Portfoliomanagementaufgaben, wie etwa das Risikomanagement und das Rechnungswesen, zentral wahr. Im Übrigen werden die Verwaltungsaufgaben (so zB Front- und Back-Office) dezentral durch die NZBen im Eurosystem wahrgenommen. Bei der Ausübung dieser Tätigkeiten agieren die NZBen in offener Stellvertretung für die EZB, so dass die Geschäftspartner an den internationalen Finanzmärkten zwischen Geschäften, die die NZBen im Auftrag der EZB durchführen, und solchen, die zur Verwaltung ihrer eigenen Reserven dienen, unterscheiden können.
5.231
Die nicht an die EZB übertragenen Währungsreserven werden weiterhin von den NZBen gehalten und verwaltet. Da für Interventionen an den Devisenmärkten die von der EZB gehaltenen Reserven in Anspruch genommen werden, dienen die Währungsreserven der NZBen keinen währungspolitischen Zwecken mehr. Die EZB kann allerdings die Einzahlung weiterer Währungsreserven fordern2. Nach Art. 31 der ESZB-Satzung bedürfen von den NZBen durchgeführte Geschäfte mit den Währungsreserven der Zustimmung der EZB um die Übereinstimmung mit der einheitlichen Geld- und Wechselkurspolitik der EZB zu gewährleisten. Dies erstreckt sich jedoch nicht auf Anlagegeschäfte in Finanzmärkten außerhalb des Euro-Währungsgebietes, da diese keine Auswirkungen auf die Geldpolitik haben.
5.232
Die Verwaltung dieser Reserven wird entsprechend den Vorgaben der EZB von den nationalen Zentralbanken wahrgenommen3. Anlagegeschäfte werden dabei auf der Grundlage standardisierter Rahmenverträge sowie einer ergänzenden generellen Aufrechnungs-(Netting-)Vereinbarung durchgeführt. c) Verwaltung der Goldbestände
5.233
Die Goldbestände der EZB werden nicht aktiv bewirtschaftet. Dennoch bleibt Gold ein wichtige Bestandteil der Währungsreserven. Zwischen den Zentralbanken des Eurosystems sowie der schwedischen Riksbank und der schweizer 1 EZB, Monatsbericht April 2006, S. 86. 2 EZB-Leitlinie (EZB/2003/12) v. 23.10.2003 gemäß Art. 31.3 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank für die von den teilnehmenden Mitgliedstaaten ausgeführten Transaktionen mit ihren Arbeitsguthaben in Fremdwährungen, ABl. EU Nr. L 283 v. 31.10.2003, S. 81. 3 EZB-Leitlinie v. 20.6.2008 über die Verwaltung von Währungsreserven der EZB durch die nationalen Zentralbanken sowie über die Rechtsdokumentation bei Geschäften mit diesen Währungsreserven (Neufassung) (EZB/2008/5), ABl. EU Nr. L 192 v. 19.7.2008, S. 63.
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
Nationalbank wurde dies bezüglich 1999 ein Abkommen abgeschlossen, nach der das Volumen von Goldverkäufen innerhalb eines abgestimmten Programms gehalten werden muss. Dieses Abkommen wurde mehrfach, zuletzt 2009, für fünf Jahre verlängert1.
4. Zahlungs-, Verrechnungs- und Abwicklungssysteme Wie andere Zentralbanken auch hat das Eurosystem ein Interesse am reibungslosen Funktionieren von Zahlungssystemen, Verrechnungs- und -abwicklungssystemen (sog. Finanzmarktinfrastrukturen). Effiziente und zuverlässige Finanzmarktinfrastrukturen sind für eine effektive Geldpolitik unabdingbar. So nutzt das Eurosystem Zahlungssysteme zur Abwicklung seiner geldpolitischen Geschäfte und Innertageskreditgeschäfte (zB im Rahmen der Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch das TARGET-System des Eurosystems). Da diese Geschäfte von den Geschäftspartnern des Eurosystems zu besichern sind, ist eine solide und effiziente Infrastruktur der Wertpapierverrechnungs- und -abwicklungssysteme unerlässlich, damit die Geschäftspartner dem Eurosystem Sicherheiten zur Verfügung stellen können. Darüber hinaus ist die reibungslose Arbeitsweise der Finanzmarktinfrastruktursysteme nicht nur für das Funktionieren des Euro-Geldmarkts, sondern im weiteren Sinne auch für das Funktionieren der weiteren Euro- und internationalen Finanzmärkte (zB der Devisenmärkte, Wertpapier- und Derivatemärkte) von entscheidender Bedeutung. Hier spielen über die Zahlungs- und Wertpapierabwicklungssystem hinaus auch zentrale Kontrahenten und Clearingsysteme eine Rolle.
5.234
Dem Rechnung tragend gehört die Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme zu den grundlegenden Aufgaben des Eurosystems (Art. 127 Abs. 2 AEUV). In Erfüllung dieser Aufgabe trägt das Eurosystem zur Stabilität des Finanzsystems und zum Vertrauen der Öffentlichkeit in die Währung bei, zugleich wird die wirksame Transmission geldpolitischer Impulse gewährleistet. Art. 22 der ESZB-Satzung konkretisiert diese Aufgabe und gibt dem Eurosystem zur Erfüllung dieser Aufgabe zwei Instrumente zur Hand. Zum einen können die EZB und die NZBen Einrichtungen zur Verfügung stellen, zum anderen kann die EZB kann Verordnungen erlassen2, um effiziente und zuverlässige Verrechnungs- und Zahlungssysteme innerhalb der Gemeinschaft und im Verkehr mit dritten Ländern zu gewährleisten.
5.235
Bei der Erfüllung dieser Aufgabe steht die Risikominimierung im Vordergrund. Bei der Nutzung von Finanzmarktinfrastrukturen entstehen zwei Arten von Primärrisiken. Dies ist zum einen das Risiko, dass ein Systemteilnehmer nicht in der Lage ist, seinen Verpflichtungen bei Fälligkeit oder zu
5.236
1 EZB, Monatsbericht Januar 2009, S.59; EZB-Pressemitteilung v. 7.8.2009 zur Gemeinsamen Erklärung zu den Goldbeständen. 2 Bislang bestand für die EZB noch keine Notwendigkeit, auf die ihr nach Art. 22 der ESZB-Satzung verliehenen Regelungsbefugnisse zurückzugreifen. Siehe auch EZB, Monatsbericht April 2002, Die Rolle des Eurosystems bei Zahlungs- und Verrechnungssystemen, S. 51 ff; Löber in Hadding/Nobbe, Bankrecht 2000, S. 25 (28 ff.).
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
einem künftigen Zeitpunkt nachzukommen (Kreditrisiko), zum anderen das Risiko, dass ein Systemteilnehmer über unzureichende Mittel oder unzureichende Wertpapiere verfügt, um seinen Verpflichtungen erwartungsgemäß und pünktlich nachzukommen, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass er zu einem späteren Zeitpunkt dazu in der Lage ist (Liquiditätsrisiko). Bei Wertpapierverrechnungs- und -abwicklungssystemen besteht außerdem das Risiko des Verlusts oder der Nichtverfügbarkeit depotverwahrter Wertpapiere (Depotrisiko). Auch dies hat Einfluss darauf, ob ein Teilnehmer Wertpapiere zum Fälligkeitsdatum liefern kann.
5.237
Eine Materialisierung dieser Risiken kann zu einer Situation führen, in der durch den Ausfall eines Teilnehmers an einer Finanzmarktinfrastruktur ein Dominoeffekt ausgelöst wird, in dessen Folge andere Teilnehmer ihren Verpflichtungen ebenfalls nicht mehr nachkommen können. Dies kann weit gehende Verwerfungen an den Finanzmärkten nach sich ziehen, die auch als systemisches Risiko bezeichnet werden. Diese können auch die Realwirtschaft erfassen1.
5.238
Das Eurosystem erfüllt die sich aus Art. 127 Abs. 2 AEUV und Art. 3 Abs. 1 ESZB-Statut ergebende Aufgabe der Gewährleistung sicherer und effizienter Systeme durch mehrere komplementäre Massnahmen.
5.239
So stellt das Eurosystem Einrichtungen für den Zahlungsverkehr und die Wertpapierabwicklung zur Verfügung, wie zB das Großbetragszahlungssystem TARGET22 oder den CCBM-Mechanismus 3 für die grenzüberschreitende Nutzung von Sicherheiten. In diese Kategorie fallen auch die Errichtung einer Infrastruktur zur Unterstützung der europaweiten Wertpapierabwicklung durch Zentralverwahrer, das sog. T2S-Projekt4.
5.240
Daneben überwacht das Eurosystem relevante, den Euro abwickelnde Finanzmarktinfrastruktursysteme, um deren Effizienz und Sicherheit zu gewährleisten. Hierfür wirkt das Eurosystem auch an der Festlegung technischer und operationeller Standards auf regionaler und globaler Ebene mit. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit zuständigen Aufsichtsbehörden. Insbesondere ist hier die Zusammenarbeit der EZB mit dem Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR)5 zu nennen, aus der die sog. ESZBCESR Standards für zentrale Kontrahenten und Wertpapierabwicklungssysteme6 hervorgegangen sind. Derartige Standards gewährleisten eine integrierten Rahmen für die Aufsicht und Überwachung von Systemen.
1 2 3 4 5
EZB, Monatsbericht April 2002, S. 51 (52 f.). Siehe http://www.ecb.europa.eu/paym/t2/html/index.en.html. Siehe http://www.ecb.europa.eu/paym/coll/coll/ccbm/html/index.en.html. Siehe http://www.ecb.europa.eu/paym/t2s/html/index.en.html. Beschluss der Kommission v. 6.6.2001 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (2001/527/EG), ABl. EG Nr. L 191 v. 13.7.2001, S. 43; abgedruckt in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 901. 6 EZB-Webseite, http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/pr090623_escb-cesr_recommendationsen.pdf.
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
Schließlich agiert das Eurosystem im Rahmen seiner Funktionen zur Förderung der Finanzmarktintegration auch als Initiator von Integrationsbemühungen. In ihrer Funktion als Katalysator für neue Entwicklungen haben EZB und Eurosystem zB die Bemühungen zur Errichtung eines einheitlichen europäischen Raums für Zahlungen (Single European Payments Area – SEPA) unter anderem mit analytischen Berichten begleitet und gefördert1.
5.241
a) Bereitstellung von Zahlungs- und Wertpapierabwicklungssystemen Gemäß der in der ESZB-Satzung festgelegten Aufgabe, das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme durch das zur Verfügung stellen von Einrichtungen zu fördern, hat das Eurosystem eine Reihe von Massnahmen ergriffen. Auf der Zahlungsverkehrsseite steht dabei die Errichtung und der Betrieb des TARGET-Systems im Mittelpunkt.
5.242
aa) TARGET2 Mit der Einführung des Euro wurde die Schaffung eines leistungsfähigen und effizienten Zahlungsverkehrssystems für die neue Währung notwendig, um die wirksame Transmission geldpolitischer Maßnahmen und die Verteilung von Zentralbankgeld über den europäischen Geldmarkt zu gewährleisten. Zu diesem Zeitpunkt gab es kein alternatives System für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr in Euro, das allen geldpolitischen Geschäftspartnern direkten Zugang gewähren konnte, mit negativen Auswirkungen für die Effizienz eines einheitlichen Geldpolitik und eines Euro-Geldmarkt als Binnenmarkt.
5.243
Daher wurde in Stufe 2 der WWU durch die EZB in Kooperation mit den NZBen das Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem2 TARGET (Trans-European Automated Real Time Gross Settlement Express-Transfer System) geschaffen, welches am 4.1.1999 seinen Betrieb aufnahm3 und seither vom Eurosystem unter der Leitung des EZB-Rates betrieben wird4. TARGET wurde zunächst
5.244
1 Siehe zB „Auf dem Weg zu einem einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum – Ziele und Fristen – Vierter Fortschrittsbericht des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), Februar 2006 und „From concept to reality“ – Fünfter ESZB-Fortschrittsbericht, Juli 2007 (englische Version), http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr_sepa_weitereinfos.php. 2 Ein Echtzeit-Bruttoabwicklungs („Real Time Gross Settlement“ – RTGS)-System ist ein Zahlungsverkehrssystem in dem Verarbeitung und Abwicklung (fortlaufend) in Echtzeit und nicht in Batch-Verfahren vorgenommen werden. Dies beinhaltet die unmittelbare Endgültigkeit von Transaktionen. Bruttoabwicklung bezieht sich dabei auf die individuelle Abwicklung von Überweisungen ohne vorherige Verrechnung (Netting). 3 Vgl. hierzu im Einzelnen Löber in Hadding/Nobbe, Bankrecht 2000, S. 25 ff.; Löber/ Pedersen, Euredia 2001, 157 ff. 4 Vgl. EZB-Leitlinie 2001/3 v. 26.4.2001 über ein transeuropäisches automatisches Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem (TARGET), ABl. EG Nr. L 140 v. 24.5.2001, S. 72, ersetzt durch EZB-Leitlinie v. 26.4.2007 über ein transeuropäisches automatisiertes Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem (TARGET2) (EZB/
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
als dezentraler Verbund von Brutto-Echtzeit-Abwicklungssystemen (RTGSSysteme) der EZB und NZBen konzipiert. Zeitweise waren so 17 RTGS-Systeme durch eine so genannte Interlinking-Komponente (Schnittstelle der Systeme sowie einheitliche Verfahren) miteinander verknüpft.
5.245
In der Folge eines veränderten Marktumfeldes seit 1999, technologischer Entwicklungen sowie das Fortschreiten der europäischen Integration, nicht zuletzt dem Vorhaben eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums (Single European Payments Area – SEPA), wurden Forderungen der Nutzer nach verbesserten und stärker vereinheitlichen Dienstleistungen laut. Vor allem die dezentrale Struktur und die teilweise stark unterschiedliche technische Ausgestaltung der an TARGET angeschlossenen Systeme rief Kritik hervor. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der fortschreitenden Erweiterung des Euro-Währungsgebietes beschloss der EZB-Rat im Oktober 2002 eine neue Generation von TARGET mit dem Namen TARGET2 zu entwickeln, welche die dezentrale Infrastruktur ersetzten sollte. TARGET2 sollte sich an Nutzerinteressen orientieren und ein integriertes, kosteneffizientes und zukunftsoffenes System mit einheitlicher Entgeltsstruktur gewährleisten.
5.246
Im Jahre 2008 wurde TARGET durch das Folgessystem TARGET2 abgelöst. In TARGET2 wird die dezentrale Struktur von TARGET durch eine einheitliche technische Plattform, die so genannte Single Shared Platform (SSP), ersetzt. Diese einheitliche Infrastruktur wird von drei Eurosystem-Zentralbanken (Banca d'Italia, Banque de France und Deutsche Bundesbank, gemeinsam auch „3CB“ genannt) angeboten und für das Eurosystem betrieben. Derzeit nehmen die EZB, alle 16 teilnehmenden NZBen sowie die NZBen von Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Polen teil.
5.247
TARGET2 ist, gemeinsam mit dem Fedwire-System in den Vereinigten Staaten und dem internationalen Devisengeschäftsabwicklungssystem Continuous Linked Settlement (CLS), eines der drei größten Grossbetragszahlungsverkehrssysteme der Welt. Im Jahre 2006 wickelte TARGET 88 Mio. nationale und grenzüberschreitende Überweisungen mit einem Gesamtwert von über 551 Billionen Euro ab1.
5.248
Seit der Aufnahme seiner Funktionen hat TARGET einen wesentlichen Beitrag zur Integration der Finanzmärkte und der Geschäftspraktiken in der EU geleistet. TARGET entwickelte sich schnell zum Referenzsystem für die Abwicklung von Großbetragszahlungen, insbesondere hinsichtlich Geschwindigkeit, Verlässlichkeit, Verfügbarkeit sowie Umfang der Dienstleistungen. Die Fokussierung auf Großbetragszahlungen zwischen Finanzinstituten förderte zugleich die Eindämmung systemischen Risikos2.
2007/2), ABl. EU Nr. L 237 v. 8.9.2007, S. 1 in der nichtamtlichen konsolidierten Fassung der EZB, http://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/02007o0002-20091123-de. pdf. 1 EZB-Angaben, http://www.ecb.int/stats/payments/payments/html/index.en.html. 2 Siehe Löber in Blesch/Lange, Bankgeschäfte mit Auslandsbezug, S. 345 (375).
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
Die Ausgestaltung von TARGET2, ebenso wie zuvor TARGET, als EchtzeitBruttoverfahren bedeutet, dass die Zahlungen transaktionsorientiert, dh. einzeln und unmittelbar ausgeführt werden, sobald hinreichende Deckung zur Verfügung steht. Die Zahlungen sind bei Ausführung sofort endgültig und unwiderruflich1. Eine wesentliche Neuerung von TARGET2 ist es, dass grenzüberschreitend tätige Banken in die Lage versetzt werden, interne Abläufe zu konsolidieren und ein integriertes Euro-Liquiditätsmanagement aufzubauen. So können Teilnehmer verschiedene TARGET2-Konten zusammenführen und vorhandene Deckung/Innertagesliquidität auf diesen Konten aggregieren (Liquiditätspooling). Darüber hinaus haben TARGET2-Nutzer umfassende Online-Information und eine Vielzahl von Instrumenten zur Liquiditätssteuerung zur Verfügung. Zahlungsaufträge können in TARGET2 bis zu fünf Geschäftstage im Voraus erteilt werden2. TARGET2 wickelt auch InterbankLastschriften ab und ermöglicht die geldliche Verrechnung von Nebensystemen (zB Wertpapierverrechnungs-, Massen- und Individualzahlungssysteme) in der Nacht.
5.249
TARGET2 ist für die Zahlungsverkehrsabwicklung täglich, außer Samstags und Sonntags sowie an den offiziellen TARGET2-Feiertagen (Neujahr, Karfreitag, Ostermontag, 1.5. sowie 25. und 26.12.), von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. Der TARGET2-Geschäftstag wird bereits am Abend des vorherigen Geschäftstages um 18:45 Uhr eröffnet. Von 19.30 Uhr bis 22.00 Uhr und von 1.00 Uhr bis 6.45 Uhr steht TARGET2 für die Abwicklung der Nachtverarbeitung von Nebensystemen auf Basis von dedizierter Liquidität zur Verfügung. Im Zeitfenster von 22:00 Uhr bis 1:00 Uhr erfolgen Wartungsarbeiten. Die langen Öffnungszeiten und die geringe Zahl an Tagen, an denen das System geschlossen ist, gewährleisten eine hohe Verfügbarkeit3.
5.250
Über TARGET2 können ca. 1 000 direkt und rund 54 000 indirekt teilnehmende Banken (einschließlich Zweigstellen und Tochtergesellschaften)4 erreicht werden. Zur direkten Teilnahme sind alle beaufsichtigten Kreditinstitute innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) zugelassen. Ein direkter Teilnehmer kann auch mehrere Konten in TARGET2 unterhalten, die aber verschiedenen BICs zugeordnet sein müssen. Indirekte Teilnehmer wickeln ihren TARGET2-Zahlungsverkehr grundsätzlich über einen anderen direkten Teilnehmer ab, dh. sie verfügen über kein eigenes RTGS-Konto und können auch keine Zahlungen direkt einliefern oder empfangen. Nur Kreditinstitute innerhalb des EWR können als indirekte Teilnehmer teilnehmen. Indirekte Teilnehmer sind vom Systembetreiber anerkannt, womit ihre Zahlungen nach Maßgabe der jeweiligen nationalen Gesetzgebung der Schutzwir-
5.251
1 Bundesbank, Monatsbericht November 1998, Die Umsetzung der Geldpolitik der ESZB durch die Deutsche Bundesbank und ihre Ausformung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 25; Löber in Hadding/Nobbe, Bankrecht 2000, S. 25 (41). 2 Löber in Blesch/Lange, Bankgeschäfte mit Auslandsbezug, S. 345 (375). 3 Detaillierte Informationen finden sich im TARGET-Leitfaden für Kreditinstitute, EZB (Hrsg.), Oktober 2009. 4 Stand Juni 2010, Quelle: Bundesbank-Webseite, http://www.bundesbank.de/target2/ target2_plus.php.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
kung der EU-Finalitätsrichtlinie unterliegen. Sämtliche Filialen und Korrespondenzkunden eines direkten Teilnehmers weltweit können ohne regionale Beschränkung als „adressierbare BICs“ in das TARGET2-Verzeichnis1 aufgenommen werden.
5.252
Der Rechtsrahmen von TARGET2 stellt eine Neuerung für Zahlungssysteme in Europa dar2. TARGET2 bietet ein vollständig harmonisiertes Leistungsangebot für alle Teilnehmer. Gleichzeitig verbleibt die individuelle Kundenbetreuung bei den jeweils zuständigen Zentralbanken, wobei TARGET2 rechtlich betrachtet als multiples System strukturiert ist, dh. aus einer Vielzahl von Zahlungssystemen zusammengesetzt, wobei jede Zentralbank ihr eigenes Komponentensystem betreibt und die Nutzungsbedingungen für dieses System im Einklang mit der jeweils anwendbaren nationalen Rechtsordnung festlegt. So trägt zB das System der EZB den Namen „T2-ECB“, jenes der Bundesbank den Namen „TARGET2-Bundesbank“3. Dementsprechend wird jedes derartige Kompenentensystem individuell als Zahlungssystem unter der EUFinalitätsrichtlinie4 notifiziert. Der Schutz von TARGET2 als ganzem gegen systemische Risiken beruht auf diesen Einzelnotifikationen.
5.253
Trotz dieser Vielfalt an Rechtsbeziehungen wurde sichergestellt, dass die jeweiligen Nutzungsbedingungen der Zentralbanken (einschließlich der Endgültigkeit von Zahlungen sowie etwaiger Ausgleichszahlungen) soweit als irgend möglich vereinheitlicht sind. Die zentrale Rechtsgrundlage von TARGET2 wird durch die so genannte TARGET2-Leitlinie5 gebildet. Die zentralen Regelungen aus Sicht der TARGET2-Nutzer finden sich im Anhang II der TARGET2-Leitlinie. Dieser Anhang enthält die so genannten „Harmonisierten Bedingungen“, welche von den Zentralbanken wörtlich in ihre jeweiligen nationalen Regelwerke zu übernehmen sind. Lediglich geringfügige Abweichungen, die das wirtschaftliche Ergebnis nicht berühren, wurden zugelassen, um den Besonderheiten einzelner Rechtsordnungen gerecht zu werden. bb) Andere Zahlungsdienstleistungen des Eurosystems
5.254
Das Eurosystem agiert auch als Verrechnungsagent für nicht von ihm selbst betriebene Zahlungssysteme. So ist beispielsweise die EZB der Zahlungs1 http://www.bundesbank.de/download/target2/target2_teilnehmer.pdf. 2 Siehe im Detail Laurinavicius/Löber/Weenink, JIBLR 2008, 1 ff.; Löber in Blesch/ Lange, Bankgeschäfte mit Auslandsbezug, S. 345 (375). 3 Welches die Vorgändersysteme RTGSplus und Elektronischer Schalter Frankfurt (ELS) ersetzt hat, siehe auch Bundesbank, Monatsbericht Juni 2000, S. 61 ff. 4 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, ABl. EU Nr. L 166 v. 11.6.1998, S. 45. 5 EZB-Leitlinie v. 26.4.2007 über ein transeuropäisches automatisiertes Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem (TARGET2) (EZB/2007/2), ABl. EU Nr. L 237 v. 8.9.2007, S. 1, zuletzt geändert durch EZB-Leitlinie v. 17.9.2009 zur Änderung der Leitlinie EZB/2007/2 über ein transeuropäisches automatisiertes Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem (TARGET2) (EZB/2009/21), ABl. EU Nr. L 260 v. 3.10.2009, S. 31.
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
ausgleichsagent für das von der Euro Banking Association (EBA) betriebene Euro1-System1 oder für das Continuous-Linked-Settlement-System (CLS-System)2, und einige NZBen fungieren als Abwicklungsstelle für privat betriebene Massenzahlungs- und Wertpapierabwicklungssysteme. Mit der Wahrnehmung solcher Abwicklungsfunktionen durch die EZB und einige NZBen wird sichergestellt, dass die Verrechnung in Zentralbankgeld vorgenommen und damit das Risiko von folgenschweren systemischen Störungen für das Finanzsystem minimiert wird. Daneben ist das Eurosystem ist in vielfältiger Weise an Massenzahlungssystemen beteiligt. Verschiedene NZBen des Eurogebiets, wie zum Beispiel die Banca d'Italia, die Nationale Bank van België/Banque Nationale de Belgique und die Deutsche Bundesbank, stellen Massenzahlungssystemen zur Verfügung, an dem die Banken ungeachtet ihres jeweiligen Geschäftsumfangs teilnehmen können. cc) Tätigkeiten als Zentralverwahrer von Wertpapieren Auch bei der Abwicklung von Wertpapieren haben die Zentralbanken des Eurosystems schon immer eine operationale Rolle ausgeübt. Obwohl seit Beginn der WWU verschiedene Aufgaben privaten Einrichtungen übertragen worden sind, agieren einige Zentralbanken als Zentralverwahrer von Wertpapieren oder als Registrierungsstelle für bestimmte staatliche Wertpapiere und sonstige Wertpapierarten3.
5.255
dd) TARGET2-Securities (T2S) Traditionell entstanden Zentralverwahrer und die von Ihnen betriebenen Wertpapierabwicklungssystem in Europa zur Unterstützung nationaler, lokaler Finanzmärkte. Sie waren auf die Abwicklung nationaler, in der jeweiligen Währung denominierter, Wertpapiere fokussiert. Anders als auf der Zahlungsverkehrsseite, die mit der Einführung des Euro stark konsolidierte, ist die Abwicklungsseite noch stark fragmentiert. Im Jahre 2009 gab es allein im Euro-Währungsgebiet noch 19 Zentralverwahrinstitute, in der gesamten Union beläuft sich die Zahl auf fast 40 derartiger Systeme4. Die hieraus resultierenden Unterschiede technischer und rechtliche Natur führen dazu, dass die grenzüberschreitende Abwicklung von Wertpapiertransaktionen sowie das Halten internationaler Wertpapierportfolien innerhalb der Union rechtlich komplex und im internationalen Vergleich kostenintensiv ist5.
1 https://www.ebaclearing.eu/EURO1-N=EURO1-L=EN.aspx. 2 http://www.cls-group.com/Products/Settlement/Pages/default.aspx. 3 So zB die NZBen von Belgien, Griechenland und Portugal. Die EZB ist ebenfalls gemäß Art. 10 Abs. 2 des Sitzabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. II 1998, S. 2996 ff., berechtigt, als Wertpapiersammelbank zu agieren. 4 Quelle: EZB, T2S – Settling without borders, 2009, S. 8. 5 Siehe ua. die Berichte der Kommissionsexpertengruppe (Giovannini-Gruppe) über grenzüberschreitende Clearing- und Abrechnungssysteme in der Europäischen Union von November 2001 und April 2003, http://ec.europa.eu/internal_market/financialmarkets/clearing/communication_de.htm.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.257
Als Antwort auf das Fehlen von unionsweiten, marktgetriebenen Lösungsansätzen beschloss das Eurosystem am 6.7.20061, gemeinsam mit Zentralverwahrern und anderen Marktteilnehmern die Möglichkeiten für eine neue, zentrale Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld zu untersuchen. In dem TARGET2-Securities (T2S) genannten Projekt sollen sowohl die Geld- als auch die Wertpapierseite auf einer einzigen Plattform abgewickelt werden. Nach Auffassung des Eurosystems kann mit einer integrierten Abwicklung der nationalen und grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen in Zentralbankgeld kann die Integration der europäischen Geld- und Kapitalmärkte verbessert werden.
5.258
Als Bestandteil der Aufgaben des Eurosystems gemäß den Art. 17, 18 und 22 der ESZB-Satzung soll T2S eine grundlegende, neutrale und grenzenlose europaweite Zahlungs- und Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld verschiedener Währungen anbieten, so dass Zentralverwahrer ihren Kunden harmonisierte und standardisierte Wertpapierabwicklungsdienstleistungen nach dem Grundsatz „Lieferung gegen Zahlung“ in einem integrierten technischen Umfeld mit grenzüberschreitenden Kooperationsmöglichkeiten anbieten können. Da die Bereitstellung von Zentralbankgeld eine Kernaufgabe des Eurosystems ist, ist T2S seiner Art nach eine öffentliche Dienstleistung2.
5.259
Bei TARGET2-Securities handelt es sich somit um einen reinen Abwicklungsservice für Wertpapiere aller Art für Zentralverwahrer als Betreiber von Wertpapierabwicklungssystemen. Die Verwahrung und die damit verbundenen Dienstleistungen sowie die Rechtsbeziehungen zu den Nutzern verbleiben in den Händen der jeweiligen Zentralverwahrer.
5.260
In der Folgezeit wurde in Zusammenarbeit von potenziellen Nutzern, Zentralverwahrern und Notenbanken TARGET2-Securities-Nutzeranforderungen erstellt3. Im Juli 2008 beschloss das Eurosystem auf der Basis der positiven Rückmeldungen nahezu aller europäischen Zentralverwahrer, T2S zu entwickeln und die bis zu seiner Vollendung erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Ferner wurden vier Zentralbanken (Deutsche Bundesbank, Banque de France, Banca d'Italia und Banco de España) im Auftrag des Eurosystems mit der Entwicklung und dem Betrieb von TARGET2-Securities betraut4. Die Eurosystem-interne Aufgabenverteilung und Projektgovernance für die Entwicklungsphase von T2S wurde durch EZB-Rechtsakte festgelegt5.
1 EZB-Pressemitteilung v. 7.7.2006, http://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2006/html/ pr060707.en.html. 2 Siehe die rechtliche Machbarkeitsstudie der EZB, 2007, S. 2, http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/t2slegalfeasibility0703en.pdf. 3 Die Nutzeranforderungen sowie weitere Dokumentation zu T2S findet sich auf der EZB-Webseite, http://www.ecb.europa.eu/paym/t2s/progress/suburd/html/index.en. html. 4 Siehe Webseite der Bundesbank, Start des Target2-Securities Project, http://www.bundesbank.de/download/ezb/pressenotizen/2008/20080717_target2s.pdf. 5 EZB-Leitlinie v. 21.4.2010 über TARGET2-Securities (EZB/2010/2) ABl. EU Nr. L 118 v. 12.5.2010, S. 65; EZB-Beschluss v. 19.3.2009 über die Einrichtung des TARGET2-
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
Bislang haben 28 Zentralverwahrer aus 26 europäischen Ländern eine Absichtserklärung1 zur Nutzung von T2S mit dem Eurosystem unterzeichnet. Dies schließt alle Zentralverwahrer im Euro-Währungsgebiet sowie Dänemark Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Schweden und Vereinigtes Königreich ebenso wie Island, Norwegen, Island und der Schweiz ein. Mehrere Zentralbanken außerhalb des Euro-Währungsgebietes haben auch ihr Interesse signalisiert, ihre jeweilige nationale Währung in T2S abzuwickeln2.
5.261
ee) CCBM2 Zur Komplementierung seiner operationellen Rolle beschloss das Eurosystem am 8.3.20073, eine Erweiterung seiner derzeitigen Abwicklungsverfahren für das Sicherheitenmanagement des Eurosystems zu prüfen. Hierbei wird die Entwicklung einer Gemeinschaftsplattform erwogen, die es dem Eurosystem ermöglicht, Sicherheiten sowohl für Inlandsgeschäfte als auch für grenzüberschreitende Transaktionen zu verwalten. Die neue gemeinsame Plattform zur Verwaltung der Sicherheiten des Eurosystems soll „Collateral Central Bank Management“ (CCBM2) genannt werden.
5.262
b) Finanzmarktinfrastrukturüberwachung Überwachung (Oversight) basiert auf einer Mischung aus moralischem und regulativem Druck und soll primär die Funktionsfähigkeit, Sicherheit und Effizienz eines individuellen Systems sowie die Stabilität des Finanzssystems in seiner Gesamtheit gewährleisten. Sie unterscheidet sich daher von der Bankenaufsicht, die die Überprüfung einzelner Banken bzw. Finanzinstitute zwecks Gewährleistung ihrer finanziellen Solvabilität beinhaltet und somit in erster Linie Anleger und Bankkunden schützen will. Für die Überwachung von Zahlungs- und anderen Systemen werden Standards zur Gewährleistung der Sicherheit und Effizienz der jeweiligen Finanzmarktinfrastrukturen gesetzt und die ordnungsgemäße Anwendung dieser Standards sichergestellt.
5.263
Die Grundlage für die Überwachungsfunktion des Eurosystems im Bereich der Finanzmarktinfrastrukturen beruht auf Art. 127 Abs. 2, 4. Spiegelstrich AEUV iVm. Art. 3 Abs. 1 und 22 ESZB-/EZB-Satzung4. Diese dient mehreren Zielsetzungen, zum einen der Bekämpfung systemischer Risiken, weiterhin der Förderung der Effizienz und Sicherheit einzelner Infrastrukturen und nicht zuletzt der Bewahrung der Transmissionskanäle für die einheitliche Geldpolitik.
5.264
1 2 3 4
Securities-Programmvorstands (TARGET2-Securities Programme Board) (EZB/2009/6) ABl. EU Nr. L 102 v. 22.4.2009, S. 12. Memorandum of Understanding v. 16.7.2009, http://www.ecb.int/paym/t2s/pdf/T2S_ MoU.pdf. Stand Oktober 2009, Quelle: EZB, T2S – Settling without borders, 2009, S. 8. EZB-Pressemitteilung v. 8.3.2007, http://www.bundesbank.de/download/ezb/pressenotizen/2007/20070308.ecb-target2-securities.pdf. Smits/Gruber in von der Groeben/Schwarze, Art. 22 ESZB-/EZB-Satzung Rz. 7 ff.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.265
Überwachung ist als gestufter Prozess gestaltet, an dessen Beginn die Formulierung des jeweiligen Rahmens und der anzuwendenden Standards steht1. In der Folge werden dann die erfassten Systeme und sonstigen Einrichtungen auf der Grundlage erhobener Daten analysiert und bewertet, ggf. werden Empfehlungen ausgesprochen. Die Vollstreckung der Empfehlung kann je nach Falllage durch „moral suasion“ oder durch regulatorische Massnahmen erfolgen.
5.266
Von der gleichfalls in Art. 22 ESZB-Satzung vorgesehenen Verordnungskompetenz der EZB betreffend die Gewährleistung effizienter und zuverlässiger Verrechnungs- und Zahlungsverkehrssysteme hat die EZB bislang keinen Gebrauch gemacht2. aa) Zahlungsverkehrssysteme und -instrumente
5.267
Seit 1999 nimmt das Eurosystem durch die EZB und die teilnehmenden NZBen die Aufgabe der Zahlungsverkehrsüberwachung wahr. Die Überwachung folgt dabei internationalen Standards, welche das Eurosystem für seine eigene Aufgabenwahrnehmung übernahm3. Es handelt sich hierbei um die „Grundprinzipien für Zahlungsverkehrssysteme, die für die Stabilität des Finanzsystems bedeutsam sind“4, die der Ausschuss für Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme (CPSS) der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) im Januar 2001 erstellt hatte. Ergänzt wurden diese Standards durch besondere Anforderungen für das Kontinuitätsmanagement (Business continuity)5.
5.268
Diese Standards, welche für Großbetragszahlungsverkehrsysteme entwickelt wurden, wurden vom Eurosystem auch für Massenzahlungsverkehrssysteme adaptiert6. Schließlich hat das Eurosystem auch Standards für die Überwachung bestimmter Formen von Zahlungsinstrumenten, so zum Beispiel Kartenzahlung und SEPA-Überweisungen und -Lastschriftverfahren einer Überwachung festgelegt und wendet diese bei der Überwachung der betreffenden 1 Das Eurosystem hat dies zentral im Eurosystem Oversight Policy Framework, EZB 2009, dargelegt, http://www.ecb.int/pub/pdf/other/paysysoveren.pdf. Siehe auch „Policy statement on euro payment and settlement systems located outside the euro area“ v. 3.11.1998; „Die politische Linie des Eurosystems im Hinblick auf die Konsolidierung der Wertpapierabwicklung durch Zentrale Kontrahenten“ v. 27.9.2001; „The Eurosystem policy principles on the location and operation of infrastructures settling in euro-denominated payment transactions“ v. 19.7.2007; und „Eurosystem policy principles on the location and operation of infrastructures settling euro-denominated payment transactions: specification of legally and operationally located in the euro area“ v. 20.11.2008. 2 Löber in Hadding/Nobbe, Bankrecht 2000, 25 (28). 3 Beschluss des EZB-Rates v. 21.1.2001, http://www.ecb.eu/paym/pol/payover/large/ html/index.en.html. 4 BIZ, Grundprinzipien für Zahlungsverkehrssysteme, die für die Stabilität des Finanzsystems bedeutsam sind, CPSS-Publikation Nr. 43, Januar 2001. Diese Standards sind ihrer Natur nach nicht unmittelbar bindend. 5 EZB, Business Continuity Oversight Expectations for Systematically Important Payment Systems (SIPS), Juni 2006; Guide for the assessment against the business continuity oversight expectations for SIPS, November 2007. 6 EZB, Oversight standards for euro retail payment systems, Juni 2003.
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
Instrumente an1. Das Eurosystem reagiert hiermit auf die Erkenntnis, dass die mit diesen Verfahren verbundenen Risiken mit den Risiken vergleichbar sind, mit denen Zahlungssysteme behaftet sind, und bei verfahrenstechnischen Störungen mit ähnlichen negativen Auswirkungen auf das gesamte Finanzsystem zu rechnen ist. Die EZB ist das primäre Überwachungsorgan für grenzüberschreitende, Euroabwickelnde Zahlungssysteme ohne klare nationale Verankerung (TARGET2, die EURO1- und STEP2-Systeme der EBA Clearing-Gesellschaft sowie die Euro-Abwicklung von CLS2), während die NZBen für die Überwachung jeweiliger nationaler Systeme zuständig sind.
5.269
bb) Verrechnungs- und Abwicklungssysteme Neben der operationellen Rolle ergreift das Eurosystem auch Maßnahmen zur Gewährleistung der Stabilität und Leistungsfähigkeit von Wertpapierliefer- und -abwicklungssystemen, da zwischen diesen und den Zahlungsverkehrssystemen sowie der Durchführung der Geldpolitik ein enger Zusammenhang besteht.
5.270
Im Bereich der Überwachung der Wertpapierverrechnungs- und -abwicklungssysteme sind die Befugnisse des Eurosystems nicht so klar abgegrenzt und ihre rechtliche Verankerung ist nicht völlig unumstritten. Der in Art. 22 des ESZB-Statuts genutzte Begriff der Verrechnungs- und Zahlungssysteme ist weder im Unions-Primärrecht noch in der ESZB-Satzung selbst weiter ausgeführt wird. Entscheidend für die Auslegung des Umfangs der erstreckung von Art. 22 ESZB-Statut ist jedoch die enge Beziehung (Interdependenzen), die in modernen Finanzsystemen zwischen Zahlungssystemen und Verrechnungsund -abwicklungssystemen bestehen. Durch die Anwendung von DvP-Verfahren („delivery versus payment“ – „Lieferung gegen Zahlung“), bei denen Wertpapiere oder andere Finanzinstrumente nur gegen gleichzeitige Übertragung von Guthaben geliefert werden, sind derartige Finanztransaktionen im Allgemeinen mit einer geldlichen Verrechnung verbunden. Das Eurosystem hat ein grundsätzliches Interesse an der sicheren und effektiven Funktion von Verrechnungs- und Abwicklungssystemen, da Störungen in diesen Infrastrukturen die reibungslose Durchführung der Geldpolitik und das einwandfreie Funktionieren der Zahlungssysteme beeinträchtigen können. Vor diesem Hintergrund ist Art. 22 ESZB-Statut richtigerweise so auszulegen, dass Zahlungs-, Verrechnungs- und -abwicklungssysteme gleichermassen einer Überwachung durch das Eurosystem unterliegen müssen.
5.271
1 EZB, Oversight framework for card payment schemes – Standards, Januar 2008. 2 Das Continuous-Linked-Settlement-System (CLS-System) ist seit 2002 in Betrieb und dient der Verrechnung von Devisenhandelstransaktionen zwischen Teilnehmerbanken auf Zahlung-gegen-Zahlung-Basis in den Büchern der CLS Bank, die ihren Sitz in New York hat. Oberstes Überwachungsorgan für das System ist die US-amerikanische Notenbank. Die EZB stellt Kontoeinrichtungen für das System zur Verfügung und fungiert als Überwachungsorgan in Bezug auf den Euro, die zweitwichtigste Währung im CLS-System. Siehe auch EZB, Recommendations for CLS payments in Euro, 21.2.2001.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.272
Anders als im Bereich der Zahlungssystem ist diese Zentralbankkompetenz jedoch nicht exklusiv, da in einer Reihe von Mitgliedssaaten auch nationale Wertpapier- oder Bankaufsichtsbehörden Kompetenzen im Bereich der Aufsicht und Überwachung derartiger Systeme zugewiesen bekommen haben. Aus diesem Grunde arbeiten seit 2001 das ESZB und der Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) auf dem Gebiet der Wertpapierverrechnungs- und -abwicklungssysteme eng zusammen.
5.273
Eine gemeinsame Arbeitsgruppe, in der alle ESZB-Zentralbanken und CESRWertpapierregulierungsbehörden vertreten waren, hat auf Basis der gemeinsam von CPSS und der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO)1 erarbeiteten internationalen Standards für Wertpapierabwicklungssysteme2 und zentrale Kontrahenten3 europäische Standards im Bereich Verrechnung und Abwicklung entwickelt. Ziel dieser sog. ESZB-CESRStandards4 ist es, operationelle und rechtliche Risiken, sowie Kredit-, Liquiditäts- und Systemrisiko zu reduzieren und hierdurch die Sicherheit, Stabilität und Effizienz der Wertpapierverrechnungs- und -abwicklungssysteme in der Europäischen Union zu erhöhen sowie dem Erfordernis Rechnung zu tragen, die Hindernisse für effiziente grenzüberschreitende Abrechnungs- und Abwicklungsprozesse innerhalb der EU zu beseitigen5. cc) Sonstige Infrastrukturen
5.274
Schließlich nimmt das Eurosystem noch Überwachungsfunktionen hinsichtlich solcher Dienstanbieter war, welche systemische Bedeutung für die Funktionsfähigkeit von Zahlungs-, Verrechnungs- und Abwicklungssystemen haben. In diesem Rahmen nimmt die EZB an der kooperativen Überwachung6 von SWIFT teil7. Gleichermassen dürfte T2S in Zukunft systemische Bedeutung zukommen. c) Finanzmarktintegration
5.275
Neben den vorstehenden Funktionen hält das Eurosystem im Rahmen einer Katalysatorfunktion die Marktteilnehmer auch dazu an, über künftige Herausforderungen nachzudenken und mögliche Lösungen zu erarbeiten. Der Katalysatorfunktion des Eurosystems kommt beispielsweise mit Blick auf die Ent-
1 2 3 4
Siehe www.iosco.org. BIZ, CPSS/IOSCO Recommendations for Securities Settlement Systems, 2001. BIZ, CPSS/IOSCO Recommendations for Central Counterparties, 2004. EZB, ESCB/CESR Recommendations for Securities Settlement Systems and Central Counterparties, Juni 2009. 5 EZB-Jahresbericht 2008, S. 185. 6 Zu den Grundsätzen kooperativer Überwachung siehe BIZ, Bericht des Ausschusses für Interbank-Netting-Systeme der Zentralbanken der Länder der Zehnergruppe aus dem Jahr 1990 (so genannter Lamfalussy-Bericht), in der aktualisierten Fassung „Central Bank Oversight of Payment and Settlement Systems“ v. Mai 2005. 7 Siehe EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 145.
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
wicklung und Vollendung des einheitlichen europäischen Raums für Zahlungen (Single European Payments Area – SEPA), welche EZB und Eurosystem unter anderem mit analytischen Berichten, Konferenzen und Veröffentlichungen begleitet und gefördert haben1 Bedeutung zu. Auch im Bereich der Verrechnungs- und Abwicklungssysteme folgt die EZB aktiv dem Konsolidierungsprozess, so zB durch Teilnahme an der Beobachtergruppe zum Verhaltenskodex zu Clearing und Abwicklung2 oder durch Stellungnahmen zu Kommissionsvorschlägen hinsichtlich der Entwicklung von zentralen Kontrahenten für außerbörsliche Derivate3.
5. Bankenaufsicht und Stabilität des Finanzsystems Nach Art. 127 Abs. 5 AEUV hat das Eurosystem die Aufgabe, zur „reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen“ beizutragen. Ein solcher Beitrag zur Finanzstabilität gehört zu den Kernaufgaben des Eurosystems, da es in seiner Eigenschaft als Geldemittenten die Qualität der Finanzinstitute, die ihre Geschäftspartner bei geldpolitischen Maßnahmen sind, überwachen muss. Darüber hinaus ist für die effiziente Transmission der Geldpolitik ein stabiles Finanzsystem erforderlich.
5.276
a) Bankenaufsicht Der durch das Gemeinschaftsrecht festgelegte institutionelle Rahmen der Bankenaufsicht ruht auf zwei Bausteinen, zum einen der nationalen Zuständigkeit auf der Grundlage des Prinzips der „Herkunftslandkontrolle“, zum anderen einer Harmonisierung der Grundkonzepte und „gegenseitiger Anerkennung“ sowie der Zusammenarbeit der zuständigen Behörden. Nach der derzeitigen Konzeption des Gemeinschaftsrechts verbleibt die Aufsicht über Kreditinstitute sowie die Stabilität des Finanzsystems somit auch in der dritten Stufe der WWU in nationaler Zuständigkeit.
5.277
Die Bankaufsichtsaufgaben werden daher auf nationaler Ebene wahrgenommen und nach den in den jeweiligen Mitgliedstaaten geltenden institutionellen Regelungen verteilt. In einigen Ländern ist die jeweilige NZB mit der Bankenaufsicht betraut, die sie teilweise oder sogar ausschließlich wahr-
5.278
1 Siehe zB „Auf dem Weg zu einem einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum – Ziele und Fristen – Vierter Fortschrittsbericht des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), Februar 2006 und „From concept to reality“ – Fünfter ESZB-Fortschrittsbericht, Juli 2007, http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr_sepa_ weitereinfos.php. 2 http://ec.europa.eu/internal_market/financial-markets/clearing/mog_de.htm. 3 Beitrag des Eurosystems zur Konsultation der Europäischen Kommission über mögliche Initiativen zur Verbesserung der Stabilität der außerbörslichen Derivatemärkte, 3.9.2009, http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecconsulationderivativesmarketseurosystemcontribution200909en.pdf.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
nimmt. In anderen Mitgliedstaaten obliegt die Bankenaufsicht gesonderten Stellen, die aber mit der entsprechenden Zentralbank zusammenarbeiten1.
5.279
Die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden wurde schon in den 1970er Jahren als eine Folge der einsetzenden Globalisierung von Banken erkennt. Bei Schaffung der Grundlagen des WWU im Maastricht-Vertrag herrschte das Bewusstsein vor, dass eine größere Form der Kooperation notwendig sei, allerdings wollte man sich noch nicht auf ein bestimmtes Modell festlegen. Dementsprechend ist das Mandat des ESZB allgemein gehalten und die Rolle EZB wurde auf Beratungsaufgaben begrenzt. Gemäß der Ermächtigungsklausel in Art. 127 Abs. 6 AEUV und Art. 25 Abs. 2 ESZB-Satzung kann der EU-Rat jedoch nach Zustimmung des Europäischen Parlaments der EZB „besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen“ übertragen. b) Finanzstabilität
5.280
Ebenso wie für die Bankaufsicht verblieb die primäre Kompetenz für Fragen der Finanzmarktstabilität im Maastricht-Vertrag bei den Mitgliedsstaaten. Im Einklang mit Art. 127 Abs. 5 AEUV nimmt das Eurosystem jedoch vor allem zwei Hauptaufgaben im Bereich der Finanzstabilität war. Zum einen befasst sich das Eurosystem mit der Überwachung und Bewertung der Finanzstabilität im Euro-Währungsgebiet sowie solcher Marktgeschäfte, die darauf abzielen, allgemeinen Finanzschocks zu begegnen und Spannungen am Geldmarkt im Euroraum abzubauen. Zum anderen unterstützt das Eurosystem die zuständigen nationalen und EU-Behörden bei der Festlegung der Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität im Zusammenhang mit der Überwachung und Bewertung der Finanzstabilität, der Finanzmarktregulierung und -aufsicht sowie dem Krisenmanagement. In diesem Rahmen sind auch die oben unter Rz. 5.263) aufgeführten Aufgaben der Überwachung der Marktinfrastrukturen zu sehen.
5.281
Auch in diesem Bereich erfordert der bestehende institutionelle Rahmen, welcher anders als der geldpolitische Handlungsrahmen nicht auf exklusiven Kompetenzen des Eurosystems beruht, eine enge Zusammenarbeit innerhalb des Eurosystems zwischen der EZB und den NZBen, um potenzielle Risiken für die Finanzstabilität im Euroraum effektiv zu überwachen und ihnen zu begegnen, ebenso wie zwischen dem Eurosystem und nationalen Aufsichtsbehörden, um eine enge Koordinierung der Zentralbank- und Aufsichtsfunktionen bei der Sicherung der Finanzstabilität zu gewährleisten.
5.282
Die Tätigkeiten des Eurosystems bei der Überwachung und Bewertung der Finanzstabilität erstrecken sich hierbei ua. auf die Entwicklung eines umfassenden Rahmenwerks zur Bewertung potenzieller Risiken und Schwachstellen im Finanzsystem des Euroraums insgesamt, auch führt die EZB seit 1999 1 Vgl. hierzu ausführlich, EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 133 ff.; sowie EZB, Monatsbericht April 2000, S. 53 ff.
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
regelmäßig makroprudenzielle Analysen des EU-Bankensektors1 durch, deren Ergebnisse seit 2003 in einem Jahresbericht mit dem Titel „EU banking sector stability“ veröffentlicht werden. c) Beitrag des Eurosystems und der EZB Der Beitrag der EZB und Eurosystems zur „reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen“ besteht im Wesentlichen in drei Funktionen. Dies umfasst die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden in Grundsatzfragen von gemeinsamem Interesse auf dem Gebiet der Bankenaufsicht und der Finanzstabilität, die Wahrnehmung der Beratungsfunktion gemäß Art. 127 Abs. 4 AEUV iVm. Art. 4 und 25 Abs. 1 der ESZB-Satzung sowie die Zusammenarbeit mit anderen einschlägigen, auf europäischer Ebene arbeitenden Gremien.
5.283
Die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und den Aufsichtsbehörden wird im Wesentlichen durch den Ausschuss für Bankenaufsicht (Banking Supervisory Committee – BSC) gewährleistet2. Der Ausschuss setzt sich aus hochrangigen Vertretern der EZB, der NZBen und der Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Seinem Mandat zufolge soll der Ausschuss das Eurosystem bei der Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und bei der Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems unterstützen3.
5.284
Der Ausschuss für Bankenaufsicht stellt eine wesentliche Ergänzung der nationalen Sicht zu Fragen der Finanzstabilität da. Er unterstützt die EZB auch bei der Wahrnehmung ihrer Beratungsaufgaben im Bereich der Bankenaufsicht und der Finanzstabilität gemäß Art. 4 und 25 Abs. 1 der ESZB-Satzung4. Darüber hinaus arbeitet die EZB mit anderen einschlägigen Gremien auf dem Gebiet der Bankenaufsicht und Finanzstabilität, wie zB dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee for Banking Supervision – BCBS) zusammen und kooperiert mit dem Europäischen Bankenausschuss (European Banking Committee) und dem Ausschuss der europäischen Bankenaufsichtsbehörden (Committee of European Banking Supervisors)5.
5.285
1 Jährliche Berichte EZB, „EU banking sector stability“, unter Publikationen auf der EZB-Webseite www.ecb.int zu finden. 2 Dieser ESZB-Ausschuss wurde 1998 vom EZB-Rat eingesetzt, um die Aufgaben zu übernehmen, die zuvor vom Unterausschuss Bankenaufsicht, welcher 1990 vom Ausschuss der G-10 Zentralbankpräsidenten gegründet und in der Folge 1994 beim EWI etabliert worden war, wahrgenommen wurden. 3 Siehe Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 124. 4 Gemäß Art. 4 der Satzung wird die EZB zu allen Entwürfen für Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder für nationale Rechtsvorschriften zu diesem Thema gehört. Ferner legt Art. 25.1 der Satzung fest, dass die EZB in Fragen des Geltungsbereichs und der Anwendung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft hinsichtlich der Aufsicht über die Kreditinstitute sowie die Stabilität des Finanzsystems beraten kann. 5 www.cebs.org.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.286
Auf internationaler Ebene nehmen die EZB und die NZBen des Eurosystems – auch hier gemeinsam mit anderen EU-Zentralbanken – aktiv an der Überwachungstätigkeit des Internationalen Währungsfonds, des Forums für Finanzstabilität1 (der Nachfolgeeinrichtung des Financial Stability Forums) sowie des Ausschusses für das weltweite Finanzsystem bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich teil.
5.287
Trotz der bestehenden Zusammenarbeit zeigten die Marktturbulenzen seit 2007 jedoch, dass weitere Verbesserungen der Mechanismen zur Prävention von grenzüberschreitenden Finanzkrisen notwendig sind2. Eine Arbeitsgruppe zur Finanzaufsicht auf Unionsebene, die so genannte Larosière-Gruppe, erarbeite Anfang des Jahres 2009 Empfehlungen zu einer Verbesserung der Aufsichtsstrukturen in der Union3. Diese Empfehlungen wurden von der Europäischen Kommission in einem Reformvorschlag4 aufgegriffen, welcher als zentrale Element die Schaffung eines europäischen Finanzaufsichtssystems (European System of Financial Supervisors – ESFS), dessen Kernbestandteile drei neuzugründende europäische sektorale Aufsichtsbehörden sein sollen, nämlich je eine Aufsichtsbehörden für Banken (European Banking Authority – EBA), Wertpapieraufsicht (European Securities Markets Authority – ESMA) und Versicherungswesen (European Insurance and Occupational Pensions Authority – EIOPA), die für Fragen der Institutsaufsicht zuständig sein sollen, vorsieht. Außerdem wird die Errichtung eines für die Makroaufsicht zuständigen „Europäischen Ausschusses für Systemrisiken“ (ESRB) empfohlen, der die Interaktion der Zentralbanken sowie der nationalen und europäischen Aufsichtsgremien verbessern soll, um Systemrisiken unionsweit früher zu erkennen, zu analysieren und Empfehlungen zur Risikominderung gegenüber einzelnen Instituten und dem Rat abzugeben. Diese Vorschlage werden nach ihrer Umsetzung zu einer verstärkten Koordinierung der Beiträge zur Aufsicht und Finanzstabilität führen.
1 www.financialstabilityboard.org. 2 Siehe ua. Weber, Regulatorische und institutionelle Konsequenzen aus der Finanzkrise, Gastvortrag v. 11.11.2009, Webseite der Deutschen Bundesbank; Hopt, NZG, 2009, 1404. 3 High Level Group on Financial Supervision, De Larosière-Bericht v. 25.2.2009; siehe auch für eine nationale Bewertung aus Sicht des Vereinigten Königreichs: Turner Review, A regulatory response to the global banking crisis, Financial Services Authority, March 2009. 4 Mitteilung der Kommission v. 4.3.2009 (2009) 114 final, S. 6 ff.; Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die EZB iVm. dem Vorschlag für eine Verordnung zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken und über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene KOM(2009) 499 endg.; siehe auch EZB-Stellungnahmen v. 26.10.2009 (CON/2009/88), ABl. EU Nr. C 270 v. 11.11.2009, v. 8.1.2010 (CON/2010/5), ABl. EU Nr. C 13 v. 20.1.2010 und v. 18.3.2010 (CON/2010/23), ABl. EU Nr. C 87 v. 1.4.2010.
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5. Teil
Ziele und Aufgaben des Eurosystems
6. Statistik Die Verfügbarkeit verlässlicher und vergleichbarer statistischer Daten im Bereich Wirtschaft und Finanzen ist eine wesentliche Voraussetzung für die einheitliche Geldpolitik. Demzufolge weist Art. 5 Abs. 1 ESZB-Satzung der EZB die Kompetenz zu, mit Unterstützung der nationalen Zentralbanken die zur Wahrnehmung der in Art. 127 AEUV und in Art. 3 ESZB-Satzung genannten Aufgaben des Eurosystems erforderlichen statistischen Daten einzuholen1. Die EZB trägt die alleinige Verantwortung für die Geld-, Kredit- und Bankenstatistik. Hierzu sind eine Reihe von EZB-Verordnungen und -Leitlinien ergangen2. Diese regeln ua., von wem die EZB statistische Informationen einholen darf, die Vertraulichkeitsregelungen sowie die Durchsetzungsbestimmungen. Bei der Erfüllung ihrer statistischen Aufgaben muss die EZB allerdings Effizienz gewährleisten und bestrebt sein, die statistische Berichtslast für die Kreditinstitute und sonstigen Berichtspflichtigen möglichst gering zu halten.
5.288
Die Hauptbereiche der statistischen Aufgaben der EZB erstrecken sich auf Geld-, Banken- und Finanzmarktstatistiken (zB Statistiken zu monetären Aggregaten und ihren Gegenposten, Zinssätzen, Wertpapieren und börsennotierten Aktien sowie nichtmonetären Finanzinstituten), Zahlungsbilanzstatistik und Statistiken zu den internationalen Reserven des Eurosystems, zum Auslandsvermögensstatus des Euroraums insgesamt und zu den nominalen und realen effektiven Euro-Wechselkursen sowie Finanzierungs- und Geldvermögensrechnung (einschließlich Statistiken zur Finanzlage der öffentlichen Haushalte)3.
5.289
Insoweit besteht die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit in statistischen Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse. Zur Durchführung ihrer statistischen Aufgaben ist die EZB gemäß Art. 5 Abs. 1 ESZB-Satzung gehalten, „mit den Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten oder dritter Länder sowie mit internationalen Organisationen“ zusammenzuarbeiten. Daher teilt sie sich mit der Europäischen Kommission (Eurostat) die Verantwortung für die Zahlungsbilanzstatistik und die Statistiken zur Finanzierungsrechnung4. Die Verantwortlichkeit für Statistiken zu Preisen, Kosten und anderen Wirtschaftsdaten liegt ausschließlich bei Eurostat.
5.290
1 Vgl. die Verordnung (EG) des Rates Nr. 2533/98 v. 23.11.1998 über die Erfassung statistischer Daten durch die Europäische Zentralbank, ABl. EG Nr. L 318 v. 27.11.1998, S. 8. 2 ZB EZB-Verordnung 2001/13 v. 22.11.2001 über die konsolidierte Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute, ABl. EG Nr. L 333 v. 17.12.2001, S. 1. 3 Zu den Einzelheiten siehe EZB, ECB statistics: an overview, April 2010. 4 „Memorandum of Understanding on Economic and Financial Statistics“ v. 10.3.2003 zwischen der Generaldirektion Statistik der Europäischen Zentralbank (GD Statistik) und dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat), Webseite der EZB, www.ecb.int.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
7. Andere Aufgaben und sonstige Geschäfte der NZBen
5.291
Neben die vorgenannten Aufgaben, die durch AEUV und ESZB-Statut dem Eurosystem zur gemeinsamen Wahrnehmung zugewiesen wurden, bleiben die NZBen berechtigt, andere Aufgaben in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrnehmen (Art. 14 Abs. 4 ESZB-Statut). Derartige Aufgaben können den NZBen durch nationalen Rechtsakt zugewiesen werden (zB Aufgaben im Verbraucherschutz) oder dem normalen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sein (zB das Angebot von Bankdienstleistungen für Mitarbeiter). Sie gelten nicht als Aufgaben des Eurosystems oder des ESZB. Jedoch behält der EZB-Rat das Recht gemäß Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen festzustellen, dass bestimmte Aufgaben nicht mit den Zielen und Aufgaben des Eurosystems vereinbar sind und daher zu unterlassen sind.
5.292–5.300
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Einheitliche Geldpolitik 5.301
Vorrangiges Ziel des Eurosystems ist es, die Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet zu gewährleisten. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat das Eurosystem die einheitliche Geld- und Währungspolitik für das Euro-Währungsgebiet festzulegen und auszuführen (Art. 127 Abs. 1 AEUV). Indem der AEUV dieses Ziel einer unabhängigen Zentralbank zuweist, erkennt er die Bedeutung der Preisstabilität für die Verbesserung der Konjunkturaussichten und der Hebung des Lebensstandards in der Europäischen Union an.
5.302
Jahrzehntelange praktische Erfahrung und eine große Anzahl volkswirtschaftliche Studien weisen darauf hin, dass die Geldpolitik vor allem durch die Gewährleistung anhaltender Preisstabilität zur Verbesserung der Wirtschaftsaussichten und zur Hebung des Lebensstandards der Bürger beiträgt1. Preisstabilität im Sinne der Vermeidung andauernder Inflation trägt auf verschiedene Weise zur Wirtschaftsaktivität und einem hohen Beschäftigungsstand bei2.
1 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 41; Issing/Gaspar/Angeloni/Tristani, Monetary Policy in the Euro Area, S. 66 ff.; EZB, Monatsbericht Januar 1999, S. 43, 44. 2 Siehe im Einzelnen EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 35 f. Belege aus jüngerer Zeit deuten sogar darauf hin, dass sich die Beziehung zwischen Inflation und Wachstum auf lange Sicht ins Negative kehren könnte, da eine dauerhaft steigende Inflation per saldo zu sinkenden Realeinkommen führen würde, EZB, Monatsbericht Mai 2008, S. 79.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
7. Andere Aufgaben und sonstige Geschäfte der NZBen
5.291
Neben die vorgenannten Aufgaben, die durch AEUV und ESZB-Statut dem Eurosystem zur gemeinsamen Wahrnehmung zugewiesen wurden, bleiben die NZBen berechtigt, andere Aufgaben in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrnehmen (Art. 14 Abs. 4 ESZB-Statut). Derartige Aufgaben können den NZBen durch nationalen Rechtsakt zugewiesen werden (zB Aufgaben im Verbraucherschutz) oder dem normalen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sein (zB das Angebot von Bankdienstleistungen für Mitarbeiter). Sie gelten nicht als Aufgaben des Eurosystems oder des ESZB. Jedoch behält der EZB-Rat das Recht gemäß Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen festzustellen, dass bestimmte Aufgaben nicht mit den Zielen und Aufgaben des Eurosystems vereinbar sind und daher zu unterlassen sind.
5.292–5.300
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Einheitliche Geldpolitik 5.301
Vorrangiges Ziel des Eurosystems ist es, die Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet zu gewährleisten. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat das Eurosystem die einheitliche Geld- und Währungspolitik für das Euro-Währungsgebiet festzulegen und auszuführen (Art. 127 Abs. 1 AEUV). Indem der AEUV dieses Ziel einer unabhängigen Zentralbank zuweist, erkennt er die Bedeutung der Preisstabilität für die Verbesserung der Konjunkturaussichten und der Hebung des Lebensstandards in der Europäischen Union an.
5.302
Jahrzehntelange praktische Erfahrung und eine große Anzahl volkswirtschaftliche Studien weisen darauf hin, dass die Geldpolitik vor allem durch die Gewährleistung anhaltender Preisstabilität zur Verbesserung der Wirtschaftsaussichten und zur Hebung des Lebensstandards der Bürger beiträgt1. Preisstabilität im Sinne der Vermeidung andauernder Inflation trägt auf verschiedene Weise zur Wirtschaftsaktivität und einem hohen Beschäftigungsstand bei2.
1 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 41; Issing/Gaspar/Angeloni/Tristani, Monetary Policy in the Euro Area, S. 66 ff.; EZB, Monatsbericht Januar 1999, S. 43, 44. 2 Siehe im Einzelnen EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 35 f. Belege aus jüngerer Zeit deuten sogar darauf hin, dass sich die Beziehung zwischen Inflation und Wachstum auf lange Sicht ins Negative kehren könnte, da eine dauerhaft steigende Inflation per saldo zu sinkenden Realeinkommen führen würde, EZB, Monatsbericht Mai 2008, S. 79.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
I. Geldpolitische Strategie Ansatzpunkt für die Geldpolitik der EZB ist der Geldschöpfungsprozess, den es zu kontrollieren gilt, damit sich die arbeitsteilige Wirtschaft störungsfrei entwickeln kann. Die Geldpolitik versucht das Preisniveau und die Preisentwicklung in einer Volkswirtschaft in der gewünschten Weise zu beeinflussen1. Dies kann jedoch nicht in der Weise geschehen, dass die für die Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet verantwortliche EZB das Güter- und Leistungsangebot selbst durch Angebot und Nachfrage steuert. Dieser direkte Weg zur Sicherung der Geldwertstabilität ist einer Zentralbank verwehrt, weil sie nicht selbst als Anbieterin und Nachfragerin von Gütern und Diensten am Markt auftritt.
5.303
Die Geldwertstabilität muss vielmehr indirekt beeinflusst werden2, indem die Zentralbank auf die Ausgabenentscheidungen der Wirtschaft einschließlich der privaten Haushalte geldpolitisch einzuwirken versucht. Bei diesem Ansatzpunkt wird dem Preisanstieg dadurch entgegengewirkt, dass die Zentralbank die Geldmengenexpansion in engen Grenzen hält und hierdurch die Binnennachfrage abschwächt.
5.304
Die währungspolitische Beeinflussung des Preisniveaus im güterwirtschaftlichen Bereich erfolgt also über den monetären Sektor. Denn allgemein gesprochen hängt der Wert des Geldes mit seiner Knappheit im Verhältnis zum Güterangebot zusammen. Deshalb erfordert es die währungspolitische Verantwortung einer Zentralbank, die Versorgung der Wirtschaft mit Geld möglichst „knapp zu halten“3. Es ist heute kaum mehr strittig, dass auf Dauer nur durch eine übermäßige Ausweitung des Geldumlaufs allgemeine Preissteigerungen möglich sind, wenngleich diese regelmäßig auch andere Ursachen haben werden, wie insbesondere eine unsolide staatliche Haushaltspolitik oder übersteigerte Lohnforderungen. Die umlaufende Geldmenge beschränkt zumindest auf etwas längere Sicht den monetären Ausgabespielraum der Wirtschaft und beeinflusst damit deren nachfragewirksames Ausgabeverhalten4 und hierdurch indirekt auch die Preisentwicklung. Zwischen monetärer Expansion und gesamtwirtschaftlicher Ausgabentätigkeit besteht eine längerfristige Grundbeziehung5. Die als Nachfrage auftretenden „Geldströme“ und das zur Verfügung stehende Güterangebot sollten sich einigermaßen entsprechen.
5.305
1 Jarchow, Theorie und Politik des Geldes, Band II, 1988, S. 71. 2 Vgl. für die Bundesbank vor der dritten Stufe der WWU BVerwG v. 29.1.1973 – I C 38.68, WM 1973, 761 (767). 3 Vgl. Deutsche Bundesbank, Geldpolitische Aufgaben und Instrumente, Sonderdruck der Deutschen Bundesbank, Nr. 7, 6. Aufl. 1983, S. 13. 4 Nach Schlesinger ist heute die Verknüpfung von Geldmengen- und Preisentwicklung in der Geldtheorie Gemeingut, „Das Konzept der Deutschen Bundesbank“ in Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 10 (1988), S. 5. 5 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 47.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
1. Definition von Preisstabilität
5.306
Der AEUV gibt zwar die Gewährleistung der Preisstabilität als primäres Ziel des Eurosystem vor, er enthält jedoch keine Definition dieses Begriffes. Um daher dieses Ziel genauer zu bestimmen, hat der EZB-Rat im Oktober 1998 Preisstabilität als „Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebietes von unter 2 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum“ definiert1, wobei klargestellt wurde „Preisstabilität muss mittelfristig gewährleistet werden“2. Die EZB bestätigte zugleich, dass sie ihre geldpolitischen Beschlüsse im Einklang mit ihrem durch den EGVertrag übertragenen Mandat an diesem übergeordneten Ziel ausrichten werde3.
5.307
Darüber hinaus stellte der EZB-Rat nach einer gründlichen Überprüfung seiner geldpolitischen Strategie im Jahr 2003 klar, dass er im Rahmen der Definition darauf abziele, die Teuerung nach dem HVPI „unter, aber nahe 2 %“ zu halten. Ein solcher Ansatz ist zur Absicherung gegen die Risiken von sowohl sehr niedriger Inflation als auch Deflation angemessen4.
2. Transmissionsmechanismus der Geldpolitik
5.308
Wie alle Zentralbanken kann das Eurosystem das Preisniveau nicht unmittelbar durch den Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden geldpolitischen Instrumente steuern. Stattdessen wird mit dem geldpolitischen Instrumentarium vor allem auf das Kreditgeschäft des Bankensystems Einfluss genommen. Die Wirtschaft ist darauf angewiesen, Bankkredite zur Deckung ihrer Finanzierungsbedürfnisse in Anspruch zu nehmen. Die Möglichkeit größerer Ausweichreaktionen der Nicht-Banken auf in- oder ausländische Kreditmärkte außerhalb des Bankenapparates bestehen im Allgemeinen nur für Großunternehmen. Die Kreditinstitute sind ihrerseits darauf angewiesen, dass ihnen das Eurosystem die nötigen Geldmittel zur Verfügung stellt5.
1 EZB-Pressemitteilung „Eine stabilitätsorientierte geldpolitische Strategie für das ESZB“ v. 13.10.1998; näheres zur Bestimmung des HVPI: EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 53; Junius/Kater/Meier/Müller, Handbuch Europäische Zentralbank, S. 208 ff. 2 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 58. 3 Für die Gründe zu Gunsten einer quantitativen Definition der Preisstabilität vgl. EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 52. Siehe auch Duisenberg, The ECB's monetary policy strategy and the quantitative definition of price stability, Brief des EZBPräsidenten an die Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, Frau Randzio-Plath, 13.12.2001, EZB-Webseite. 4 EZB-Pressemitteilung „Die geldpolitische Strategie der EZB“ v. 8.5.2003 und den EZB-Monatsbericht Juni 2003, S. 87 ff.; siehe auch Trichet, The ECB monetary strategy after the evaluation and clarification of May 2003, Rede anlässlich einer Veranstaltung des Center for Financial Studies, Frankfurt, 20.11.2003. 5 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 44.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
Am Anfang der Wirkungskette, über die sich geldpolitische Entscheidungen auf das Preisniveau auswirken, stehen Zinsschritte der EZB1, insbesondere betreffend die Zinssätze für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte sowie die ständigen Fazilitäten. Soll die Ausweitung des Kreditgeschäfts des Bankensystems gedämpft werden, wird das Eurosystem den Zugang zu den benötigten Geldmitteln durch Zinserhöhungen verteuern. Daneben verlangt das Bankensystem nach Zentralbankgeld, um den Bargeldbedarf zu decken, Interbankzahlungen auszugleichen und um den Anforderungen hinsichtlich der bei der Zentralbank zu hinterlegenden Mindestreserven genügen zu können. Über die Verknappung oder Erweiterung der Gewährung von Zentralbankgeld können die Zentralbanken Einfluss auf die Bedingungen am Geldmarkt nehmen und so die Geldmarktsätze steuern, welche sich wiederum auf andere Marktzinssätze auswirken2.
5.309
Schließlich können sich die Bekanntgabe und Umsetzung geldpolitischer Entscheidungen auf die Erwartungen hinsichtlich des künftigen geldpolitischen Kurses auswirken, was sich wiederum in den Langfristzinsen, Inflationserwartungen, Tarifabschlüssen, der Preisbildung, den Preisen für Vermögenswerte und den Wechselkursen niederschlägt3.
5.310
Die Geldpolitik der EZB zielt somit im Wesentlichen darauf ab, die Kreditangebote der Kreditwirtschaft an die Wirtschaft und die Nachfrage der Wirtschaft nach Bankkrediten indirekt über Veränderungen der Bankenliquidität und über den Zinsmechanismus an den Finanzmärkten und damit letztlich über den Zins als Preis zu steuern. Diese Eingriffsmöglichkeiten lassen, im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 2 ESZB-Satzung), das freie Spiel der Marktkräfte und des Wettbewerbs im monetären Sektor der Wirtschaft weitgehend unangetastet.
5.311
3. Auswahl der geldpolitischen Strategie Wichtigstes Kriterium für die Auswahl einer geldpolitischen Strategie ist ihre Effektivität. Die geldpolitische Strategie muss das Erreichen des vorrangigen Ziels der Preisstabilität gewährleisten und eine glaubhafte und realistische Verpflichtung auf dieses Ziel signalisieren. Im Vorfeld der dritten Stufe der WWU gab es daher eine Vielzahl von Diskussionen über die Wahl des strategischen Ansatzpunktes4. Die zur Auswahl stehenden Ansätze wurden
1 Zinsentscheidungen werden traditionell als Rechtsakte sui generis angesehen, so etwa Tschekuschina, Rechtliche Aspekte der geldpolitischen Instrumente des ESZB, S. 38, 42. 2 Junius/Kater/Meier/Müller, Handbuch Europäische Zentralbank, S. 90 f.; EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 45. 3 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 46; vgl. weiter Issing/Gaspar/Angeloni/Tristani, Monetary Policy in the Euro Area, S. 58 ff.; EZB, Monatsbericht Juli 2000, Geldpolitische Transmission im Euro-Währungsgebiet, S. 43 ff. 4 Vgl. EZB, Monatsbericht Januar 1999, S. 39 (43).
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5.312
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
durch das Europäische Währungsinstitut (EWI) eingehend analysiert und geprüft1.
5.313
Ein Wechselkursziel wurde von vornherein ausgeschlossen, da es in Anbetracht der Größe des Euro-Währungsgebietes mit dem vorrangigen Ziel der Preisstabilität unvereinbar gewesen wäre. Auch die Verwendung eines Zinssatzes oder des nominalen Volkseinkommens als Zwischenziel erschien ungeeignet. Die Debatte konzentrierte sich daher auf zwei Alternativen: Ein Geldmengenziel2, wie es vor allem von der Deutschen Bundesbank propagiert wurde, und ein direktes Inflationsziel3, wie es ua. die Bank of England, Suomen Pankki oder Banco de España handhab(t)en.
5.314
Für ein Geldmengenziel sprach, dass die Verantwortung der Zentralbank klar aufgezeigt wird und dass die Zielvariable von der Zentralbank beeinflusst werden kann. Eine Geldmengenstrategie setzt allerdings voraus, dass die Beziehung zwischen der Veränderung der Geldmenge und des Preisniveaus stabil ist. Zudem sollte die Geldmenge auch gute Vorlaufeigenschaften für die Inflation in der Zukunft besitzen und die Geldmenge sollte über eine relativ kurze Frist durch die Zentralbank zu steuern sein. Dies ist derzeit jedoch nicht der Fall.
5.315
Demgegenüber beinhaltet die Strategie der direkten Inflationssteuerung die Formulierung eines quantitativen Inflationsziels, welches mit einer Inflationsprognose zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft verglichen wird. Für ein direktes Inflationsziel spricht der enge Zusammenhang mit dem vorrangigen Ziel der Preisstabilität. Die Schwierigkeit liegt aber darin, dass die Erstellung von Inflationsprognosen komplex ist, eine Reihe von Ermessensentscheidungen enthält und daher in der Regel nicht transparent ist4.
4. Zwei Säulen der geldpolitischen Strategie der EZB
5.316
Bei der Formulierung ihrer geldpolitischen Strategie hat sich die EZB daher für keines der vorgenannten Konzepte entschieden. Angesichts der erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur und der Wirkungsweise der geldpolitischen Transmissionsmechanismen innerhalb des Euro-Währungsgebietes hielt es der EZB-Rat für unangemessen, sich bei der Formulierung der Geldpolitik und ihrer Umsetzung auf einen einzigen Indikator, ein einziges Modell oder eine einfache geldpolitischen Regel zu beschränken. Vielmehr wurde ein diversifizierter Ansatz gewählt, der die verschiedenen zu
1 Vgl. EWI, Die einheitliche Geldpolitik in Stufe 3, Festlegung des Handlungsrahmen, 1997, S. 8. 2 Vgl. Hahn, Währungsrecht, § 19 Rz. 3. 3 Ruckriegel/Schleicher/Seitz, ZGesKredW 1998, 843 (845). 4 Issing/Gaspar/Angeloni/Tristani, Monetary Policy in the Euro Area, S. 66 ff.; vgl. auch Bofinger, Monetary Policy, S. 240 ff. mwN.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
analysierenden Informationen, welche geldpolitischen Beschlüssen zu Grunde liegen, berücksichtigt1. Da geldpolitische Impulse nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung übertragen werden, hat das Eurosystem seine Geldpolitik vorausschauend zu gestalten. Aus diesem Grund ist eine regelmäßige Analyse der Art und des Umfangs volkswirtschaftlicher Schocks und Veränderungen sowie der dadurch entstehenden Risiken für die künftige Preisstabilität unerlässlich. Deshalb weist die Strategie der EZB zum einen der Geldmenge eine herausragende Rolle zu (die in der Bekanntgabe eines Referenzwertes für das Geldmengenwachstum zum Ausdruck kommt) und sieht zum anderen die Analyse einer ganzen Reihe anderer Wirtschafts- und Finanzindikatoren vor, um zu einer breit angelegten Beurteilung der Risiken für die Preisstabilität zu gelangen. Diese zwei Elemente werden als die „zwei Säulen“ der geldpolitischen Strategie der EZB bezeichnet2. Diese zwei Säulen bilden den Handlungsrahmen für die vorausschauende Beurteilung der Wirtschaftslage auf der Grundlage einer größtmöglichen Fülle an volkswirtschaftlichen Daten und Analyseinstrumenten. Der EZB-Rat bestätigte im Mai 2003, dass die Analyse beider Säulen der geldpolitischen Strategie beibehalten wird3.
5.317
Der Geldmenge als erster Säule der geldpolitischen Strategie der EZB kommt dabei eine hervorgehobene Rolle zu. Hierdurch wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass Inflation auf mittlere Frist letztlich ein monetäres Phänomen ist. Dementsprechend hat die EZB einen quantitativen Referenzwert für das Geldmengenwachstum eines breiten monetären Aggregats bekannt gegeben. Dabei erfolgt eine eingehende Analyse der eventuellen Abweichungen des Geldmengenwachstums vom Referenzwert, unterstützt und ergänzt durch eine Untersuchung des Informationsgehalts der Geldmengenaggregate für die künftige Preisentwicklung4.
5.318
Daneben führt die EZB in Anbetracht der Tatsache, dass auch andere Indikatoren wichtige Informationen für die geldpolitischen Beschlüsse liefern, als „zweite Säule“ eine breit angelegte Beurteilung einer Vielzahl anderer nichtmonetärer Indikatoren, ua. makroökonomische Projektionen und Prognosen für die künftige Preisentwicklung und die Risiken für die Preisstabilität im
5.319
1 Vgl. zur Wahl der Strategie und der Kritik daran Issing/Gaspar/Angeloni/Tristani, Monetary Policy in the Euro Area, S. 98 ff.; EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 58 ff. 2 EZB, Monatsbericht November 2000, Die zwei Säulen der geldpolitischen Strategie der EZB, S. 41; EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 38. 3 Dabei wurden einige Aspekte der Strategie klargestellt, ua. wurde die monatlichen Pressekonferenz des EZB-Präsidenten neu strukturiert, indem erst die wirtschaftliche Analyse kurz- bis mittelfristiger Risiken für die Preisstabilität und dann die monetäre Analyse monetärer Indikatoren einschließlich der Geldmenge M3 vorgeestellt wird, EZB-Pressemitteilung „Die geldpolitische Strategie der EZB“ v. 8.5.2003 und EZB, Monatsbericht Juni 2003, S. 87 ff.; Issing, Der Euro, S. 165 f. 4 EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 40 f.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Euro-Währungsgebiet als weitere Grundlage der geldpolitischen Entscheidungen durch1.
5. Referenzwert für das Geldmengenwachstum
5.320
Der herausragenden Rolle der Geldmenge in der geldpolitischen Strategie der EZB wird durch die Bekanntgabe eines Referenzwertes für das Geldmengenwachstum Ausdruck verliehen2. Der EZB-Rat legte in seiner Sitzung am 1.12.1998 erstmals den quantitativen Referenzwert für das Geldmengenwachstum fest. Dieser bezieht sich auf das breite monetäre Aggregat M33. Dieser Indikator wurde auf Grund des engen Zusammenhangs mit dem gewählten Zwischenziel und der Steuerbarkeit durch die EZB gewählt. Auch sind seine Veränderungen leicht und schnell messbar, wie dies durch die laufenden statistischen Meldungen der Kreditinstitute an das Eurosystem über die geldpolitischen Messgrößen gewährleistet ist. Das monetäre Aggregat M3 diente bereits der Bundesbank seit 1988 als geldpolitischer Indikator4.
5.321
Die EZB hat ein eng gefasstes (M1), ein „mittleres“ (M2) und ein weit gefasstes Aggregat (M3) definiert5. Diese Aggregate unterscheiden sich voneinander in Bezug auf den Geldgrad der einbezogenen Vermögenswerte. Die eng gefasste Geldmenge M1 umfasst Bargeld, dh. Banknoten und Münzen, sowie Guthaben, die ohne weiteres in Bargeld umgewandelt oder für bargeldlose Zahlungen eingesetzt werden können, dh. täglich fällige Einlagen. Die mittlere Geldmenge M2 umfasst neben M1 Einlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren sowie Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten. Je nach Geldgrad können solche Einlagen in Komponenten der eng gefassten Geldmenge M1 umgewandelt werden. Teilweise können sie jedoch Einschränkungen unterliegen, wie zB einer Kündigungsfrist, Verzögerungen, Strafzinsen oder Gebühren. Die weit abgegrenzte Geldmenge M3 umfasst neben M2 von monetären Finanzinstituten (MFIs)6 ausgegebene marktfähige 1 EZB, Monatsbericht November 2000, S. 41 (43). Vgl. Auch zu der Rolle der monetären Analyse in einer Phase von Finanzmarktturbulenzen EZB, Monatsbericht November 2009, S. 87 (88); EZB, Monatsbericht Januar 2010, S. 68. 2 Ein solcher „Zielkorridor“ spielte auch schon in der geldpolitischen Strategie der Bundesbank eine zentrale Rolle, siehe Schlesinger in Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 10 (1988), S. 5; Förster in Beihefte zu Kredit und Kapital, Heft 7, S. 160 ff. 3 Vgl. Pressemitteilung der EZB v. 1.12.1998 in Deutsche Bundesbank, Informationsbrief zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Nr. 17 v. Dezember 1998. 4 Dickertmann/Siedenberg, Instrumentarium der Geldpolitik, S. 32; Hahn, Währungsrecht, § 19 Rz. 2. 5 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 37. 6 Alle Finanzinstitute, die zum Geld schöpfenden Sektor des Euro-Währungsgebiets gehören. Hierzu zählen das Eurosystem, ansässige Kreditinstitute im Sinne der Gemeinschaftsgesetzgebung und alle anderen im Euroraum ansässigen Finanzinstitute, deren wirtschaftliche Tätigkeit darin besteht, Einlagen bzw. Einlagensubstitute im engeren Sinn von anderen Wirtschaftssubjekten als MFIs entgegenzunehmen und auf eigene Rechnung (zumindest im wirtschaftlichen Sinn) Kredite zu gewähren und/oder in Wertpapiere zu investieren. Letztere Gruppe umfasst in erster Linie Geldmarktfonds.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
Instrumente. Hierzu zählen bestimmte Geldmarktinstrumente, insbesondere Geldmarktfondsanteile, Geldmarktpapiere und Repogeschäfte. Auf Grund des hohen Liquiditätsgrads und der Kurssicherheit dieser Instrumente handelt es sich bei ihnen um enge Substitute für Einlagen. Der gewählte Referenzwert trägt der Definition von Preisstabilität als Anstieg des HVPI für das Euro-Währungsgebiet von jährlich unter 2 % Rechnung. Außerdem stützt sich die Ableitung des Referenzwerts auf mittelfristige Annahmen hinsichtlich der Entwicklung des Produktionspotentials und des Trends der Umlaufgeschwindigkeit von M31. Auf der Grundlage dieser Annahmen setzte der EZB-Rat den Referenzwert im Dezember 1998 auf 4,5 % pro Jahr fest. Von 1999 bis 2002 überprüfte der EZB-Rat die Annahmen über die mittelfristige Entwicklung des Produktionspotenzials und die Umlaufgeschwindigkeit von M3, die der Ableitung des Referenzwerts für M3 zugrunde liegen, jeweils am Jahresende2. Da es keine neuen wesentlichen Erkenntnisse gab, die zu einer maßgeblichen Veränderung der zugrunde liegenden Annahmen geführt hätten, wurde der Referenzwert in diesem Zeitraum unverändert gelassen. Im Mai 2003 beschloss der EZB-Rat, den Referenzwert für M3 nicht mehr auf jährlicher Basis zu überprüfen, da nach den bisherigen Erfahrungen nicht mit einer häufigen Änderung der grundlegenden Annahmen für die mittelfristige Entwicklung zu rechnen sei. Gleichzeitig stellte der EZB-Rat klar, dass er die Gültigkeit der Bedingungen und Annahmen, auf denen der Referenzwert basiert, weiterhin beobachten und alle Änderungen der zugrunde liegenden Annahmen bekannt geben wird, sobald sie erforderlich werden3.
5.322
II. Geldpolitisches Instrumentarium Im Einklang mit seiner geldpolitischen Strategie entscheidet der EZB-Rat über das Niveau der Leitzinsen, das der Erfüllung des Preisstabilitätsziels am zuträglichsten ist. Das EZB-Direktorium ist für die Durchführung der geldpolitischen Beschlüsse verantwortlich, indem die kurzfristigen Geldmarktsätze in Richtung des vom EZB-Rat beschlossenen Zinsniveaus gelenkt werden. Ein Faktor (neben der Signalwirkung der Festlegung und Veröffentlichung der EZB-Leitzinsen) bei der Lenkung der Geldmarktsätze ist die Tatsache, dass das Bankensystem des Euroraums Liquidität benötigt und daher auf die Refinanzierung durch das Eurosystem angewiesen ist. In diesem Kontext ist das Eurosystem durch seine Offenmarktgeschäfte ein Bereitsteller von Liquidität an die Banken. Im geldpolitischen Instrumentarium des Eurosystems sind die Instrumente und Verfahren festgelegt, mit denen das Eurosystem die geldpolitischen Beschlüsse in die Praxis umsetzt, dh. mit denen es die kurzfristigen Geldmarktzinsen beeinflusst. 1 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 68. 2 Siehe zB Pressemitteilung der EZB v. 6.12.2001: Überprüfung des quantitativen Referenzwertes für das Geldmengenwachstum; vgl. auch Issing/Gaspar/Angeloni/Tristani, Monetary Policy in the Euro Area, S. 85. 3 EZB, Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 68.
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5.323
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
1. Rechtsrahmen des geldpolitischen Instrumentariums
5.324
Die Grundlagen für das geldpolitische Instrumentarium finden sich in der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB (ESZBSatzung), welche als Protokoll Nr. 4 dem Lissabon-Vertrag beigefügt wurde und somit primäres Gemeinschaftsrecht geworden ist (Art. 13 EUV, 107 Abs. 4, 282 AEUV)1. Allein das Eurosystem besitzt die Zuständigkeit für die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik in der dritten Stufe der WWU (Art. 119, Art. 127 Abs. 2 AEUV; Art. 3 Abs. 1 ESZB-Satzung). Zur Erreichung seiner Ziele stehen dem Eurosystem eine Reihe geldpolitischer Instrumente zur Verfügung. Die wesentlichen Vorschriften betreffend die währungspolitischen Operationen finden sich dabei in Art. 17 ff. ESZB-Satzung2.
5.325
Gemäß Art. 127 Abs. 2 AEUV iVm. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 ESZB-Satzung hat der EZB-Rat die Aufgabe, die Geldpolitik festzulegen und die für ihre Ausführung notwendigen Leitlinien zu erlassen. Von dieser Kompetenz hat der EZB-Rat durch den Erlass der EZB-Leitlinie 2000/7 über die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems v. 31.8.20003 (im Folgenden „Geldpolitische Leitlinie“) Gebrauch gemacht. Die Leitlinie enthält in ihrem Anhang 1 („Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems“, im Folgenden „Allgemeine Regelungen“) die rechtliche Ausgestaltung der geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems4. Daneben enthält sie in ihrem Anhang 2 weitere spezifische rechtliche Anforderungen für befristete Transaktionen, insbesondere echte Wertpapierpensionsgeschäfte und Devisenswapgeschäfte.
5.326
Der geldpolitische Handlungsrahmen des Eurosystems hat sich seit der Einführung des Euro, auch vor dem Hintergrund außergewöhnlicher Herausforderungen wie den Terroranschlägen vom 11.9.2001 und der Volatilität an den Finanzmärkten nach 2007 als robust und widerstandsfähig erwiesen. Das 1 Zitiert in der Nummerierung der konsolidierten Fassung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU Nr. C 115 v. 9.5.2008, S. 1. 2 Von der Möglichkeit, gemäß Art. 20 ESZB-Statut mit 2/3 Mehrheit weitere, nicht von Art. 177 ff. ESZB-Statut genannte geldpolitische Instrumente anzuwenden, hat der EZB-Rat bislang keinen Gebrauch gemacht. 3 ABl. EG Nr. L 310 v. 11.12.2000, S. 1; zuletzt geändert durch EZB-Leitlinie v. 4.3.2010 zur Änderung der Leitlinie EZB/2000/7 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (EZB/2010/1), ABl. EU Nr. L 63 v. 12.3.2010, S. 22. Eine nicht amtliche konsolidierte Fassung findet sich unter http://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/ pdf/02000x0776-20090511-de.pdf. 4 Es handelt sich um die rechtliche Umsetzung und Fortentwicklung der Prinzipien, welche durch die EZB bereits im September 1998 in ihrem Bericht „Die einheitliche Geldpolitik in Stufe 3 – Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des ESZB“ veröffentlicht wurden. Die jüngste Fassung „Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet – Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems, November 2008“ findet sich auf der EZB-Webseite, http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/gendoc2008de.pdf.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
Eurosystem konnte alle notwendigen Massnahmen im Einklang mit dem etablierten geldpolitischen Instrumentarium treffen1.
2. Umsetzung durch die nationalen Zentralbanken Die Geldpolitische Leitlinie der EZB ist ebenso wie ihre Änderungen von den nationalen Zentralbanken gemäß Art. 14 Abs. 3 ESZB-Satzung umzusetzen. Dabei steht es den nationalen Zentralbanken frei, entsprechend ihrer nationalen Praxis und anwendbaren Rechtsrahmens für die Umsetzung des auf privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Handlungsformen zurückzugreifen2.
5.327
Entsprechend diesem Grundsatz wurde von der Mehrzahl der nationalen Zentralbanken ein privatrechtlicher Ansatz gewählt. Lediglich sechs Zentralbanken3 setzten die Geldpolitische Leitlinie mit öffentlichrechtlichen Rechtsinstrumenten um, wobei diese zum Teil mit privatrechtlichen Handlungsformen kombiniert wurden. Auch in der Ausgestaltung der privatrechtlichen Handlungsformen können die nationalen Zentralbanken auf bestehende Usancen zurückgreifen, etwa durch den Abschluss von Rahmenverträgen oder die Nutzung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die Umsetzung der Geldpolitischen Leitlinie durch die Bundesbank erfolgt dabei in der Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)4.
5.328
III. Die einzelnen geldpolitischen Instrumente des Eurosystems Zur Erreichung seiner Ziele stehen dem Eurosystem eine Reihe geldpolitischer Instrumente nach Maßgabe der Geldpolitischen Leitlinie zur Verfügung. So führt das Eurosystem (1) Offenmarktgeschäfte durch (Rz. 5.330), bietet (2) ständige Fazilitäten an (Rz. 5.360) und verlangt von Kreditinstituten, (3) Mindestreservebestände auf Konten des Eurosystems zu halten (Rz. 5.365).
1 Zur Umsetzung der Geldpolitik seit 2007 und den außergewöhnlichen Maßnahmen der Refinanzierung: EZB, Monatsbericht Juli 2009, S. 85 ff.; EZB-Pressemitteilung v. 4.3.2010; siehe auch Stark, Wirtschaftliche Perspektiven für den Euroraum im Jahr 2010, Rede v. 26.1.2010. 2 Dies sollte auch für die jeweiligen Geschäftspartner der nationalen Zentralbanken aus der Kreditwirtschaft Kontinuität hinsichtlich der Form der Rechtsbeziehung gewährleisten, siehe Deutsche Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19. 3 Die griechische Nationalbank, Banque de France, Bank Centrali ta' Malta/Central Bank of Malta, Banco de Portugal, Národná banka Slovenska und die zypriotische Zentralbank. 4 Deutsche Bundesbank, Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank, Bankrechtliche Regelungen 5, 5. Ausgabe, Stand 15.3.2010, siehe http:// www.bundesbank.de/download/presse/publikationen/agb.pdf. Insoweit behielt die Bundesbank die Nutzung zivilrechtlicher, durch allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeformter Verträge mit ihren Geschäftspartnern bei, wie es der Tradition der Bundesbankgeschäfte und des deutschen Bankgewerbes entspricht.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
1. Offenmarktgeschäfte
5.330
Die Offenmarktgeschäfte spielen eine zentrale Rolle in der Geldpolitik des Eurosystems. Sie werden eingesetzt, um die Zinssätze und die Liquidität am Markt zu steuern und Signale bezüglich des geldpolitischen Kurses zu geben.
5.331
Hierbei stehen dem Eurosystem fünf Arten von Instrumenten zur Durchführung von Offenmarktgeschäften zur Verfügung. Wichtigstes Instrument sind die befristeten Transaktionen in Form von echten Wertpapierpensionsgeschäften oder besicherten Krediten (Pfandgeschäfte). Weitere Instrumente, die das Eurosystem nutzen kann, sind ohne Rücktrittsvorbehalt abgeschlossene (definitive) Käufe bzw. Verkäufe, die Emission von EZB-Schuldverschreibungen, Devisenswapgeschäfte und die Hereinnahme von Termineinlagen.
5.332
Bei Offenmarktgeschäften geht die Initiative zu ihrer Durchführung von der EZB aus, die auch jeweils über das einzusetzende Instrument und die Bedingungen für die Durchführung der Geschäfte entscheidet1. Offenmarktgeschäfte können in Form von Standardtendern, Schnelltendern oder bilateralen Geschäften durchgeführt werden. a) Instrumente aa) Befristete Transaktionen
5.333
Befristete Transaktionen stellen das wichtigste Instrument für die Durchführung von Offenmarktgeschäften dar2. Als befristete Transaktionen werden Geschäfte bezeichnet, bei denen das Eurosystem refinanzierungsfähige Sicherheiten (siehe unten Rz. 5.382) im Rahmen von Rückkaufvereinbarungen kauft oder verkauft (echte Wertpapierpensionsgeschäfte) oder Kreditgeschäfte gegen Verpfändung refinanzierungsfähiger Sicherheiten durchführt (Pfandkredite). Beide Geschäftsformen stehen gleichwertig nebeneinander. Es steht der jeweils handelnden nationalen Zentralbank frei, die im jeweiligen nationalen Umfeld aus operativen oder rechtlichen Gründen angemessene Geschäftsform zu wählen3.
5.334
Die Bundesbank hat sich, wie die überwiegende Mehrheit der teilnehmenden NZBen, vorwiegend aus operationellen Gründen für eine Pfandlösung entschieden. Dies ermöglicht, dass einzelne Sicherheiten substantiell und zeitlich nicht bestimmten Refinanzierungsgeschäften zugeordnet werden müssen. Sie können vielmehr zu einem Pool zusammengelegt werden, wobei der jeweilige Gesamtbeleihungswert unter Beachtung der Sicherheitsmargen die Obergrenze für die Gewährung von Zentralbankkrediten an den Geschäftspartner abgibt. Der Sicherheitenpool ermöglicht also, alle gestellten Sicherheiten während ihrer Laufzeit jeweils voll zur Besicherung einzusetzen. Außerdem kann der Geschäftspartner die Sicherheiten flexibel disponieren und 1 Allgemeine Regelungen 1.3.1. 2 Allgemeine Regelungen 3.1. 3 Allgemeine Regelungen 3.1.1.b.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
sie austauschen, solange der Gesamtbestand an Sicherheiten weiterhin zur Besicherung aller ausstehenden Kredite ausreicht1. Dementsprechend bestimmen die AGB der Bundesbank in Abschnitt V Nr. 3 Satz 1, dass zur Besicherung von Offenmarkt- und Übernachtkrediten Wertpapiere zum Pfand hereinzunehmen sind, eine Ausnahme gilt nur für Kreditforderungen der Geschäftspartner, die aus Gründen der höheren Rechtssicherheit im Wege der Sicherungsabtretung als Sicherheit zu bestellen sind. Alle Pfandgegenstände eines Geschäftspartners werden dabei mit ihrem jeweiligen Besicherungswert (Abschnitt V Nr. 4 AGB der Bundesbank) einem bei der Bundesbank geführten Sicherheitenkonto gutgeschrieben, welches der Besicherung aller ausstehenden Kreditgeschäften dient.
5.335
bb) Definitive Käufe und Verkäufe Ein weiteres Instrument sind definitive Käufe bzw. Verkäufe von refinanzierungsfähigen Aktiva, bei denen das Eigentum an Vermögenswerten vollständig vom Verkäufer auf den Käufer übergeht, ohne dass gleichzeitig eine Rückübertragung des Eigentums vereinbart wird2. Solche definitiven Käufe und Verkäufe werden zur Feinsteuerung und Beeinflussung der strukturellen Liquidität getätigt. Bei der Gestaltung von Kursen und Preisen richtet sich das Eurosystem nach den Marktgepflogenheiten, die für die bei dem Geschäft verwendeten Schuldtitel üblich sind3.
5.336
cc) Emission von EZB-Schuldverschreibungen Die Emission von EZB-Schuldverschreibungen dient der Beeinflussung der strukturellen Position des Eurosystems gegenüber dem Finanzsektor, um am Markt einen Liquiditätsbedarf herbeizuführen oder zu vergrößern4. Diese Schuldverschreibungen verbriefen ausschließlich eine Verbindlichkeit der EZB.
5.337
Sie werden in girosammelverwahrfähiger Form durch Standardtender begeben und bei Zentralverwahrern im Euro-Währungsraum verwahrt. Dabei wird die Bundesbank innerhalb Deutschlands als Ausgabe- und Zahlstelle für die EZB tätig (Abschnitt V Nr. 18 Abs. 1 AGB-Bundesbank). Die Schuldverschreibungen werden in abgezinster Form begeben, die Einlösung erfolgt bei Fälligkeit zum Nennwert.
5.338
Rechtsgrundlage für die Emission von Schuldverschreibungen durch die EZB in unverbriefter Form unter deutschem Recht ist Art. 10 Abs. 2 des Sitzabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EZB v. 18.3.19995 sowie Art. 2 Abs. 2 des Umsetzungsgetzes zum Abkommen v.
5.339
1 2 3 4 5
Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19 (24). Allgemeine Regelungen 3.2; vgl. auch Abschnitt V Nr. 20 AGB der Bundesbank. Allgemeine Regelungen 3.2.c. Allgemeine Regelungen 3.3. BGBl. II 1998, S. 2996 ff.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
19.3.19991. Art. 2 Abs. 2 des Umsetzungsgesetzes stellt die von der EZBSchuldtitel ohne wertpapiermäßige Verbriefung durch Eintrag in ein von der EZB geführtes elektronisches Register (Schuldbuch) begebenen Schuldtitel Buchforderungen des Bundes gleich. Art. 10 Abs. 1 des Sitzabkommens stellt darüber hinaus klar, das die EZB ohne weitere Anerkennung die Funktion einer Wertpapiersammelbank in Deutschland wahrnehmen kann und hierbei keiner Finanzaufsicht durch deutsche Behörden unterworfen ist. dd) Devisenswapgeschäfte
5.340
Bei diesen geldpolitischen Operationen handelt es sich um die gleichzeitige Vornahme einer Kassa- und einer Termintransaktion in Euro gegen Fremdwährung. Dies bedeutet, dass zu einem bestimmten Übertragungstermin eine ausländische Währung zum Kassakurs gegen einen bestimmten Betrag an Euro gekauft oder verkauft wird und diese gleichzeitig zu einem festgelegten Termin an den gleichen Geschäftspartner zurückverkauft oder von ihm zurückgekauft wird2. Dabei wird der Kassakurs im Einzelfall vereinbart. Der Terminkurs wird dagegen auf der Grundlage des Kassakurses unter Berücksichtigung des jeweils vereinbarten Swapsatzes ermittelt3. Devisenswapgeschäfte werden zur Feinsteuerung eingesetzt und dienen hauptsächlich zur Steuerung der Liquidität und der Zinssätze am Markt. ee) Hereinnahme von Termineinlagen
5.341
Das Eurosystem kann den Geschäftspartnern die Hereinnahme verzinslicher Termineinlagen bei der nationalen Zentralbank des Mitgliedstaats anbieten, indem sich die Niederlassung des Geschäftspartners befindet. Termineinlagen werden nur zur Feinsteuerung eingesetzt, um Liquidität am Markt abzuschöpfen4. Die hereingenommenen Einlagen haben eine feste Laufzeitverzinsung. Die Hereinnahme von Termineinlagen erfolgt über Schnelltender, ausnahmsweise auch im Wege bilateraler Geschäfte. b) Durchführung der Offenmarktgeschäfte
5.342
Offenmarktgeschäfte können in Form von Standardtendern, Schnelltendern oder bilateralen Geschäften durchgeführt werden. aa) Tenderverfahren
5.343
Das normale Verfahren sind Standardtender. Sie werden innerhalb von höchstens 24 Stunden von der Bekanntmachung des Tenders bis zur Bestätigung des 1 Gesetz v. 19.3.1999 zur Umsetzung des Sitzabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EZB v. 18.3.1999, BGBl. II 1998, S. 2995. 2 Lipfert, Devisenhandel und Devisenoptionshandel, S. 19; Kümpel, WM 1992, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (16). 3 Vgl. im Detail Allgemeine Regelungen 3.4; Abschnitt V Nr. 19 Abs. 1 AGB-Bundesbank. 4 Allgemeine Regelungen 3.5; Abschnitt V Nr. 17 AGB-Bundesbank.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
Zuteilungsergebnisses durchgeführt. Dabei liegen zwischen dem Ablauf der Angebotsfrist und der Bekanntgabe des Zuteilungsergebnisses etwa zwei Stunden. Alle Geschäftspartner, die die allgemeinen Zulassungskriterien für Kreditoperationen mit dem Eurosystem erfüllen (siehe unten Rz. 5.380), können sich an den Standardtendern beteiligen. Die Hauptrefinanzierungsgeschäfte, die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte und die strukturellen Operationen (außer endgültigen Käufen bzw. Verkäufen) werden in Form von Standardtendern durchgeführt1. Schnelltender werden innerhalb einer Stunde von der Tenderankündigung bis zur Bestätigung des Zuteilungsergebnisses durchgeführt. Sie werden zur Durchführung von Feinsteuerungsoperationen verwendet und mit einer begrenzten Anzahl von Geschäftspartnern durchgeführt2.
5.344
Sowohl Standardtender als auch Schnelltender können als Festsatztender (Mengentender) oder Tender mit variablem Zinssatz (Zinstender) durchgeführt werden. Bei einem Mengentender gibt die EZB den Zinssatz vor. Die Teilnehmer geben Gebote über den Betrag ab, den sie zu diesem Festsatz zu kaufen oder zu verkaufen bereit sind. Bei einem Zinstender geben die Teilnehmer Gebote über die Beträge und Zinssätze ab, zu denen sie Geschäfte mit den nationalen Zentralbanken abschließen wollen.
5.345
Bei Zinstendern kann die Zuteilung entweder zu einem einheitlichen Satz (holländisches Verfahren) oder zu mehreren Sätzen (amerikanisches Verfahren) vorgenommen werden. Beim holländischen Verfahren erfolgt die Zuteilung zum marginalen Zinssatz/Preis/Swapsatz; beim amerikanischen Verfahren wird entsprechend den individuellen Zinssätzen/Preisen/Swapsätzen zugeteilt. Gebote zum marginalen (amerikanisches Verfahren) oder festen (holländisches Verfahren) Satz werden gegebenenfalls repartiert3.
5.346
Gebote müssen sich im Rahmen der für den jeweiligen Geschäftspartner verfügbaren Sicherheiten halten. Sie müssen einen Betrag nennen, der über mindestens 1 Mio. Euro lautet. Darüber hinaus kann in Schritten von 100 000 Euro geboten werden. Beim längerfristigen Refinanzierungsgeschäft beträgt das Mindestgebot 10 000 Euro. Darüber hinaus kann in Schritten von 10 000 Euro geboten werden. Die Gebote dürfen einen in der Ausschreibung ggf. genannten Bietungshöchstbetrag nicht überschreiten. Die Sätze müssen auf volle 0,01 %-Punkte lauten und dürfen einen ggf. in der Ausschreibung genannten Mindest- bzw. Höchstbietungssatz nicht unter- bzw. überschreiten. Die Geschäftspartner sind nach Ablauf der Bietungsfrist an ihre Gebote gebunden4. Die Deutschen Bundesbank macht Geschäftspartner dabei auf elektronischem Wege gemäß den „Besonderen Bedingungen der Deutschen Bundesbank für Offenmarktgeschäfte im Tenderverfahren“ (Tenderbedingungen)
5.347
1 2 3 4
Allgemeine Regelungen 5.1.1.a; vgl. Abschnitt V Nr. 16 Abs. 1 AGB-Bundesbank. Allgemeine Regelungen 5.1.1.b. Allgemeine Regelungen 5.1.1.c; siehe auch Abschnitt V 15 Abs. 1 AGB-Bundesbank. Abschnitt V 15 Abs. 2, 3 AGB-Bundesbank.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
mit den für das Tenderverfahren und für die Abwicklung des Offenmarktgeschäfts erforderlichen Angaben bekannt1. bb) Bilaterale Geschäfte
5.348
Als bilaterale Geschäfte werden jene Fälle bezeichnet, in denen das Eurosystem nur mit einem oder wenigen Geschäftspartnern Geschäfte durchführt, ohne Tenderverfahren zu nutzen. Zu den bilateralen Geschäften gehören auch Operationen, die über die Börsen oder über Vermittler durchgeführt werden2.
5.349
So kann zB die Bundesbank im Wege bilateraler Geschäfte refinanzierungsfähige Wertpapiere aus ihrem eigenen Bestand unter der Voraussetzung verkaufen, dass der Geschäftspartner Papiere gleicher Wertpapierkennnummer per Termin zum festgelegten Datum an die Bank zurückverkauft3. Diese bilateralen Geschäfte stellen die einzige Konstellation dar, innerhalb derer die Bundesbank noch Wertpapierpensionsgeschäfte nutzt, die dagegen darstellte.
5.350
Diese Geschäfte stellen echte Pensionsgeschäfte dar. Es liegt eine Kombination von Kauf- und Terminrückkauf vor, also der Verpflichtung Verkauf der Wertpapiere bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Rücknahme zu einem zukünftigen Termin. Mit dem Pensionsgeschäft wird durch das Eurosystem vorübergehend Geld in Höhe des empfangenen Kaufpreises abgeschöpft, das Geld wird dem Geldkreislauf entzogen4. c) Kategorien von Offenmarktgeschäften
5.351
Im Mittelpunkt der Offenmarktgeschäfte stehen die wöchentlich angebotenen Hauptrefinanzierungsgeschäfte mit einer Laufzeit von einer Woche. Daneben bietet das Eurosystem längerfristige Refinanzierungsgeschäfte an. Die Termine für die regelmässigen Offenmarktgeschäfte werden jeweils im September eines Jahres für das folgende Kalenderjahr von der EZB in einem unverbindlichen Kalender5 bekannt gegeben.
5.352
Im Hinblick auf ihre Zielsetzung, den Rhythmus und die Verfahren können die Offenmarktgeschäfte des Eurosystems in vier Kategorien unterteilt werden6.
1 Abschnitt V 15 Abs. 1 AGB-Bundesbank. 2 Allgemeine Regelungen 1.3.1, Fn. 4; Abschnitt V Nr. 14 Abs. 3 AGB-Bundesbank. 3 Die Modalitäten der Geschäftsabwicklung sind in Abschnitt V. Nr. 21 AGB-Bundesbank geregelt. Wertpapierpensionsgeschäfte waren vor Beginn der dritten Stufe der WWU die zentrale Handlungsform der Bundesbank zur kurzfristigen Steuerung des Geldmarktes und zur Lenkung der Geldmarktsätze. 4 Vgl. zur Rechtsnatur der Pensionsgeschäfte im Allgemeinen: Hopt/Mülbert in Staudinger, 12. Aufl. 1989, Vorbem. zu § 607 BGB Rz. 709; Kienle in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 105 Rz. 12 ff. mwN. 5 EZB-Webseite, http://www.ecb.europa.eu/events/calendar/caleu/html/index.en.html. 6 Allgemeine Regelungen 1.3.1.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
aa) Hauptrefinanzierungsgeschäfte Als Hauptinstrument der Refinanzierung dienen in wöchentlichem Abstand stattfindende liquiditätszuführende befristete Transaktionen mit einer Laufzeit von regelmäßig einer Woche1. Die Transaktionen werden unter Einbeziehung der nationalen Zentralbanken im Rahmen von Standardtendern durchgeführt. Den Hauptrefinanzierungsgeschäften kommt zur Verfolgung der Ziele der Offenmarktgeschäfte des Eurosystems eine Schlüsselrolle zu. Über sie wird dem Finanzsektor der größte Teil des Refinanzierungsvolumens zur Verfügung gestellt2.
5.353
Bei den Hauptrefinanzierungsgeschäften bediente sich das Eurosystem bis Mitte 2000 ausschließlich des Festsatztenders. Festsatztender haben den Vorteil, dass der Zinssatz vorgegeben ist und damit ein klares Signal hinsichtlich der geldpolitischen Intentionen der EZB vorgegeben wird. Es zeigte sich jedoch, dass die von den Geschäftspartnern abgegebenen Gebote oft um ein Vielfaches über dem Zuteilungsbetrag lagen. Ein solches „Überbieten“ war für die Kreditinstitute unproblematisch, da nicht die Gebote, sondern nur die effektiven Geschäftsabschlüsse mit Sicherheiten unterlegt werden müssen. Zeitweise fiel der Zuteilungssatz auf weniger als 1 % der Gesamtsumme der Gebote, das Gesamtvolumen aller refinanzierungsfähigen Sicherheiten wurde deutlich überstiegen.
5.354
Am 8.6.2000 beschloss der EZB-Rat, mit Wirkung zum 28.6.2000 vom bisherigen Mengentenderverfahren auf Zinstender umzustellen und außerdem zur Signalisierung seines geldpolitischen Kurses einen Mindestbietungssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte festzulegen. Der Mindestbietungssatz sollte die Rolle des Festzinses der Zinstender übernehmen. Durch das neue Tenderverfahren gingen die Überbietungen zurück; der Zuteilungssatz näherte sich der Gesamtsumme der Gebote an3. Allerdings kann die Umstellung auf das Zinstenderverfahren das Eurosystem zu „Unterbietungen“ der Banken führen, also dass die von den Banken abgegebenen Gebote insgesamt den vorgesehenen Zuteilungsbetrag unterschreiten. Dadurch laufen die Banken Gefahr, am Ende der Mindestreserveperiode über zu wenig Liquidität zu verfügen und daher die Spitzenrefinanzierungsfazilität in Anspruch nehmen zu müssen, wodurch der Tagesgeldsatz in die Höhe getrieben wird4.
5.355
1 Mit Wirkung März 2004 wurde durch den EZB-Rat im Januar 2003 die Laufzeit der Hauptrefinanzierungsgeschäften von zwei Wochen auf eine Woche verkürzt, um Überschneidungen der Hauptrefinanzierungsgeschäfte mit den Erfüllungsperioden der Mindestreserve auszuschließen; vgl. EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 61. 2 Allgemeine Regelungen 1.3.1; Abschnitt V Nr. 16 Abs. 1 AGB-Bundesbank. In Deutschland traten die Hauptrefinanzierungsgeschäfte an die Stelle der früheren Pensionsgeschäfte der Bundesbank, siehe Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19, 21. 3 Vgl. EZB, Monatsbericht Juli 2000, Die Umstellung auf Zinstender bei den Hauptrefinanzierungsgeschäften, S. 39 ff. 4 EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 61.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
bb) Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte
5.356
Die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte sind liquiditätszuführende befristete Transaktionen in monatlichem Abstand und mit einer Laufzeit von in der Regel drei Monaten. Über diese Geschäfte sollen den Geschäftspartnern zusätzlich längerfristige Refinanzierungsmittel zur Verfügung gestellt werden. Sie werden von den nationalen Zentralbanken im Wege von Standardtendern durchgeführt. Im Allgemeinen verfolgt das Eurosystem mit diesen Geschäften nicht die Absicht, dem Markt Signale zu geben. Die Geschäfte werden deshalb im Normalfall als Zinstender mit vorangekündigtem Liquiditätsvolumen durchgeführt1. cc) Feinsteuerungsoperationen
5.357
Feinsteuerungsoperationen werden von Fall zu Fall zur Steuerung der Marktliquidität und der Zinssätze durchgeführt, und zwar insbesondere, um die Auswirkungen unerwarteter marktmäßiger Liquiditätsschwankungen auf die Zinssätze auszugleichen. Die Feinsteuerung erfolgt in erster Linie über befristete Transaktionen, uU aber auch in Form von endgültigen Käufen bzw. Verkäufen, Devisenswapgeschäften und der Hereinnahme von Termineinlagen. Feinsteuerungsoperationen können von den nationalen Zentralbanken über Schnelltender oder bilaterale Geschäfte durchgeführt werden. Dabei werden sie im Einzelfall den dabei verfolgten speziellen Zielen angepasst. Hierbei besitzt das Eurosystem ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich der Verfahren und operationellen Merkmale der Operationen. Der EZB-Rat entscheidet, ob in Ausnahmefällen Feinsteuerungsoperationen von der EZB selbst durchgeführt werden2.
5.358
Feinsteuerungsmaßnahmen wurden bislang vor allem gegen Ende von Mindestreserveerfüllungsperioden durchgeführt, da in diesem Zeitraum gelegentlich große Liquiditätsungleichgewichten auftraten, die einen gewissen Anstieg der Volatilität der Tagesgeldsätze bewirkten. Um diesen Liquiditätsungleichgewichten entgegenzuwirken, hat die EZB seit Oktober 2004 häufiger am letzten Tag der Erfüllungsperiode Feinsteuerungsoperationen durchgeführt3. dd) Strukturelle Operationen
5.359
Darüber hinaus kann das Eurosystem strukturelle Operationen über die Emission von EZB-Schuldverschreibungen, befristete Transaktionen und definitive Käufe bzw. Verkäufe durchführen. Diese Operationen werden genutzt, wenn die EZB die strukturelle Liquiditätsposition des Finanzsektors gegenüber dem Eurosystem (in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen) anpassen will. Strukturelle Operationen in Form von befristeten Transaktionen oder im We1 Allgemeine Regelungen 1.3.1. 2 Allgemeine Regelungen 1.3.1. 3 EZB-Monatsbericht 10 Jahre EZB, 2008, S. 62.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
ge der Emission von Schuldtiteln werden von den nationalen Zentralbanken über Standardtender durchgeführt. Strukturelle Operationen mittels endgültiger Käufe bzw. Verkäufe erfolgen im Wege bilateraler Geschäfte1.
2. Ständige Fazilitäten Das geldpolitische Instrumentarium beschränkt sich nicht nur auf die Offenmarktgeschäfte. Daneben werden vom Eurosystem so genannte „Ständige Fazilitäten“ angeboten, die die Geschäftspartner auf eigene Initiative in Anspruch nehmen können. Die zwei ständigen Fazilitäten – die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität – sind für die Bereitstellung beziehungsweise Abschöpfung von Liquidität bis zum nächsten Geschäftstag konzipiert.
5.360
Die Ständigen Fazilitäten setzen Signale mit Bezug auf den allgemeinen Kurs der Geldpolitik und stecken die Ober- und Untergrenze der Geldmarktsätze für Tagesgelder ab2. Für die Ständigen Fazilitäten gelten im gesamten EuroWährungsraum die gleichen Bedingungen. Sie werden dezentral von den nationalen Zentralbanken verwaltet.
5.361
a) Spitzenrefinanzierungsfazilität Die Geschäftspartner des Eurosystems können die Spitzenrefinanzierungsfazilität nutzen, um sich von den nationalen Zentralbanken Übernachtliquidität (Übernachtkredit)3 zu einem festgesetzten Zinssatz gegen refinanzierungsfähige Sicherheiten zu beschaffen. Geschäftspartner können die Fazilität unbeschränkt in Anspruch nehmen, soweit sie in ausreichendem Masse refinanzierungsfähige Sicherheiten besitzen. Der Übernachtkredit ist mit den aufgelaufenen Zinsen am auf die Inanspruchnahme folgenden Geschäftstag zur Rückzahlung fällig, der entsprechende Gesamtbetrag wird dem Girokonto des Geschäftspartners zu Geschäftsbeginn belastet. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität bildet im Allgemeinen die Obergrenze des Tagesgeldsatzes.
5.362
Für die Geschäftspartner der Bundesbank gilt, dass eine am Ende eines Geschäftstages bestehende Kontoüberziehung automatisch als Antrag auf Inanspruchnahme von Übernachtkredit in Höhe der Überziehung gilt4.
5.363
b) Einlagefazilität Die Einlagefazilität kann von den Geschäftspartnern genutzt werden, um bei nationalen Zentralbanken Guthaben bis zum nächsten Geschäftstag anzule1 Allgemeine Regelungen 1.3.1. 2 Allgemeine Regelungen 1.3.2. 3 Der Übernachtkredit trat in Deutschland in die Nachfolge des bisherigen Lombardkredits der Bundesbank, Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19, 22. 4 Abschnitt V Nr. 22 Abs. 3 AGB-Bundesbank.
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5.364
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
gen. In der Regel gibt es keine Betragsbegrenzungen für die entsprechenden Einlagekonten. Die Einlage ist mit den aufgelaufenen Zinsen zu Beginn des auf die Einlage folgenden Geschäftstages fällig und wird dem Konto des Geschäftspartners gutgeschrieben1. Der Zinssatz für die Einlagefazilität bildet im Allgemeinen die Untergrenze des Tagesgeldsatzes.
3. Mindestreserven
5.365
Die EZB verlangt von den im Euro-Währungsgebiet ansässigen Kreditinstituten, Mindestreserven auf Konten bei den nationalen Zentralbanken zu unterhalten. Das Mindestreservesystem dient in erster Linie dazu, die Geldmarktzinsen zu stabilisieren und eine strukturelle Liquiditätsknappheit herbeizuführen oder zu vergrößern.
5.366
Die Rechtsgrundlage für das Mindestreservesystem findet sich in Art. 19 ESZB-Satzung, ergänzt durch die Verordnung (EG) Nr. 2531/98 des Rates v. 23.11.1998 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die Europäische Zentralbank (EG-MR-VO)2 sowie die Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 der Europäischen Zentralbank (EZB/2003/9) v. 12.9.2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB-MR-VO)3. Sowohl die Verordnungen des Rates als auch die Verordnungen der EZB4 haben allgemeine Geltung. Sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art. 288 AEUV). Dementsprechend enthalten die AGB der Bundesbank auch keine zusätzlichen Regelungen zur Mindestreserve.
5.367
Mindestreservepflichtig sind gemäß Art. 2 Abs. 1 EZB-MR-VO Kreditinstitute5 die im Euro-Währungsgebiet niedergelassen sind, Zweigstellen der vorgenannten Kreditinstitute im Euro-Währungsgebiet und Zweigstellen im Euro-Währungsgebiet von Kreditinstituten, die ihren Geschäftssitz oder ihre Hauptniederlassung in Drittländern haben. Gemäß Art. 2 werden einige Kreditinstitute 1 Abschnitt V Nr. 23 Abs. 3 AGB-Bundesbank. 2 ABl. EG Nr. L 318 v. 27.11.1998, S. 1; geändert durch Verordnung 134/2002/EG v. 22.1.2002, ABl. EG Nr. L 24 v. 26.1.2002, S. 24. 3 ABl. EU Nr. L 250 v. 2.10.2003, S. 10, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1052/2008 der EZB v. 22.10.2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 (EZB/2003/9) über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2008/10), ABl. EU Nr. L 282 v. 25.10.2008, S. 14. Siehe auch Verordnung (EG) Nr. 1637/2006 der EZB v. 2.11.2006 über Übergangsbestimmungen für die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die EZB nach der Einführung des Euro in Slowenien (EZB/2006/15), ABl. EU Nr. L 306 v. 7.11.2006 S. 15; Verordnung (EG) Nr. 1348/2007 der EZB v. 9.11.2007 über Übergangsbestimmungen für die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die EZB nach der Einführung des Euro in Zypern und Malta (EZB/2007/11), ABl. EU Nr. L 300 v. 17.11.2007 S. 44; Entscheidung der EZB v. 28.10.2008 zu Übergangsbestimmungen für die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die EZB nach der Einführung des Euro in der Slowakei (EZB/2008/14), ABl. EU Nr. L 319 v. 29.11.2008, S. 73. 4 Vgl. Art. 34 Abs. 2 ESZB-Satzung. 5 IS von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. EU Nr. L 177 v. 30.6.2006, S. 1.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
unter speziellen Voraussetzungen von der Mindestreservepflicht freigestellt. Das Verzeichnis der mindestreservepflichtigen Institute ist öffentlich1. Die Höhe der von jedem Kreditinstitut auf Girokonten bei den NZBen zu unterhaltenden Mindestreserve richtet sich nach seiner Mindestreservebasis. Gemäß der EG-MR-VO ist die EZB berechtigt, Verbindlichkeiten aus der Hereinnahme von Geldern sowie Verbindlichkeiten aus bilanzunwirksamen Positionen in die Reservebasis der Kreditinstitute einzubeziehen. Effektiv werden aber von der EZB nur die Verbindlichkeiten „Einlagen“, „ausgegebene Schuldverschreibungen“ und „Geldmarktpapiere“ in die Reservebasis einbezogen. Nicht einbezogen sind Verbindlichkeiten gegenüber anderen mindestreservepflichtigen Kreditinstituten sowie gegenüber der EZB und den nationalen Zentralbanken (Art. 3 EZB-MR-VO). Von den in die Reservebasis einbezogenen Verbindlichkeiten werden derzeit nur die kurzfristigen mit einem positiven Reservesatz von 2 % belegt. Für Repo-Geschäfte, Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist oder einer Laufzeit von über zwei Jahren und Schuldverschreibungen mit vereinbarter Laufzeit von über zwei Jahren gilt ein Reservesatz von 0 % (Art. 4 EZB-MR-VO)2.
5.368
Um die angestrebte Stabilisierung der Zinssätze zu erreichen, ist es den Kreditinstituten gestattet, von den Bestimmungen über die Durchschnittserfüllung Gebrauch zu machen. Dies bedeutet, dass sie ihre Mindestreservepflicht unter Zugrundelegung der tagesdurchschnittlichen Reserveguthaben innerhalb einer einmonatigen Erfüllungsperiode zu erfüllen haben (Art. 5 EZBMR-VO)3. Die Mindestreserveerfüllungsperioden werden auf der EZB-Website veröffentlicht4. Mit Wirkung März 2004 wurde durch EZB-Rat im Januar 2003 der Zeitrahmen der Mindestreserve-Erfüllungsperioden so angepasst, dass diese nun immer nach der für die monatliche Erörterung der Geldpolitik vorgesehene Sitzung des EZB-Rats beginnen, ferner wurde beschlossen, dass Zinsänderungen bei den ständigen Fazilitäten nunmehr zu Beginn der neuen Mindestreserve-Erfüllungsperiode wirksam werden5.
5.369
Die Mindestreserveguthaben der Kreditinstitute werden zum Zinssatz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte verzinst (Art. 8 EZB-MR-VO). Hierdurch gewährleistet die EZB, dass die Mindestreservepflicht nicht zu unerwünschten Verlagerungen der Mindestreservebasis aus dem Euro-Währungsraum in andere Währungsgebiete oder zur Disintermediation führt. Dies führt aber gleichzeitig dazu, dass die Mindestreserve keine geldpolitische Bedeutung hat, da das Halten von Mindestreserven den Kreditinstituten praktisch keine Kosten verursacht.
5.370
Hält ein Kreditinstitut andere Verpflichtungen aus den Mindestreserveverordnungen ganz oder teilweise nicht ein, werden etwa die entsprechenden Daten
5.371
1 2 3 4 5
EZB-Webseite, http://www.ecb.europa.eu/mopo/implement/mr/html/index.en.html. Dies entspricht den früheren Mindestreserveregelungen der Deutschen Bundesbank. Weitere Einzelheiten finden sich in den Allgemeinen Regelungen 7. EZB-Webseite, http://www.ecb.europa.eu/events/calendar/reserve/html/index.en.html. Vgl. EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 61.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
nicht rechtzeitig übermittelt oder sind sie ungenau, so ist die EZB befugt, Sanktionen zu verhängen. Diese Befugnis basiert auf der Verordnung (EG) Nr. 2532/98 des Rates v. 23.11.1998 über das Recht der Europäischen Zentralbank zur Verhängung von Sanktionen1 und der Verordnung (EG) Nr. 2157/99 der Europäischen Zentralbank (EZB/1999/4) v. 23.9.1999 über das Recht der Europäischen Zentralbank, Sanktionen zu verhängen2. Hierbei handelt es sich um eine Zahlung von bis zu fünf Prozentpunkten über dem Spitzenrefinanzierungssatz auf den Betrag der Mindestreserveunterschreitung, eine Zahlung in Höhe von bis zum zweifachen des Spitzenrefinanzierungssatzes auf den Betrag der Mindestreserveunterschreitung oder die Verpflichtung des betreffenden Instituts, unverzinsliche Einlagen von bis zum zweifachen des Betrages der Mindestreserveunterschreitung beim Eurosystem zu halten. Daneben kann das Eurosystem bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen die Mindestreserveanforderungen Geschäftspartner vorübergehend von der Teilnahme an Offenmarktgeschäften ausschließen3.
5.372
Einstweilen frei.
4. Der geldpolitische Handlungsrahmen in Zeiten erhöhter Marktvolatilität
5.373
Die Turbulenzen an den Finanzmärkten, die Mitte 2007 einsetzten, waren die bislang größte Bewährungsprobe für den geldpolitischen Handlungsrahmen des Eurosystems. Um den Tagesgeldsatz auch während Phasen erhöhter Marktvolatilität nahe am Mindestbietungssatz zu halten, setzte die EZB eine Reihe von Maßnahmen ein4.
5.374
So wurde zB das zeitliche Schema der Liquiditätsversorgung im Verlauf der Mindestreserve-Erfüllungsperioden geändert, wobei sowohl Hauptrefinanzierungsgeschäfte als auch Feinsteuerungsoperationen genutzt wurden. Seit dem Einsetzen der Finanzmarktvolatilität hat die EZB verstärkt am Anfang der Erfüllungsperioden Liquidität bereitgestellt, damit Banken ihr Mindestreserve-Soll relativ früh während der Reserveperiode erfüllen können.
5.375
Außerdem erhöhte das Eurosystem den Anteil der durch längerfristige Refinanzierungsgeschäfte bereitgestellten Liquidität, während der Anteil der einwöchigen Hauptrefinanzierungsgeschäfte entsprechend verringert wurde.
1 ABl. EG Nr. L 318 v. 27.11.1998, S. 4. 2 ABl. EG Nr. L 264 v. 12.10.1999, S. 21, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 985/ 2001 v. 10.5.2001 (EZB/2001/4), ABl. EG Nr. L 137 v. 9.5.2001, S. 24. 3 Allgemeine Regelungen 7.6. 4 Siehe ua. EZB, Monatsbericht Juli 2009, Die Umsetzung der Geldpolitik seit 2007, S. 85; EZB, Monatsbericht Mai 2008, Die Offenmarktgeschäfte des Eurosystems während der jüngsten Phase der Finanzmarktvolatilität, S. 93; EZB-Pressemitteilung v. 4.3.2010, ECB announces details of refinancing operations with settlement up to 12 October 2010; Stark, Wirtschaftliche Perspektiven für den Euroraum im Jahr 2010, Rede v. 26.1.2010.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
Auch wurden erstmals temporär längerfristige Refinanzierungsgeschäfte mit einer Laufzeit von einem Jahr angeboten. Dadurch hat sich die durchschnittliche Laufzeit der ausstehenden geldpolitischen Geschäfte temporär verlängert.
5.376
Weiterhin wurden in einigen Fällen spezielle Tenderverfahren mit vollständiger Zuteilung aller Gebote durchgeführt, vor allem um den Spannungen am Finanzmarkt um das Jahresende entgegenzuwirken. Da hierdurch die Festlegung des genauen Zuteilungsbetrags dem Markt überlassen wurde, wurden Feinsteuerungsoperationen zur Abschöpfung der resultierenden Überschussliquidität erforderlich.
5.377
Schließlich ging die EZB mit dem Federal Reserve System ein Währungsabkommen (Swap-Vereinbarung) im Zusammenhang mit dessen Term Auction Facility in US-Dollar ein. Die EZB führte eine Reihe befristeter Tenderverfahren durch, in denen sie den Banken des Euroraums im Namen des Federal Reserve System Liquidität in US-Dollar bereitstellte.
5.378
Der geldpolitische Handlungsrahmen hat sich auch in diesem turbulenten Marktumfeld als effektiv und widerstandsfähig erwiesen, was insbesondere auf seine flexiblen Ausgestaltung und das breiten Spektrums an Instrumenten und Verfahren zurückzuführen ist.
5.379
IV. Geschäftspartner Der geldpolitische Handlungsrahmen des Eurosystems ist so festgelegt, dass die Teilnahme eines großen Kreises von Geschäftspartnern gewährleistet ist. Mindestreservepflichtige Institute1 gemäß Art. 19 Abs. 1 der ESZB-Satzung dürfen die Ständigen Fazilitäten in Anspruch nehmen und an Offenmarktgeschäften über Standardtender teilnehmen. Die tatsächliche Zahl der Kreditinstitute, die sich an Offenmarktgeschäften des Eurosystems beteiligt oder die Ständigen Fazilitäten nutzt, ist jedoch in der Regel weit geringer2. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Refinanzierungssätze des Eurosystems kaum von den jeweiligen Tagesgeldsätzen unterscheiden3.
5.380
Für die Teilnahme an Feinsteuerungsgeschäften kann das Eurosystem eine begrenzte Anzahl von Geschäftspartnern auswählen. Bei endgültigen Käufen bzw. Verkäufen gibt es keine vorherige Begrenzung des Kreises der Geschäftspartner. Geldpolitische Devisenswapgeschäfte werden mit devisenmarktaktiven Instituten abgeschlossen, die im Euro-Währungsraum ansässig sind4.
5.381
1 Das Verzeichnis der mindestreservepflichtigen Institute ist auf der EZB-Webseite zu finden, http://www.ecb.europa.eu/mopo/implement/mr/html/index.en.html. 2 Vgl. Junius/Kater/Meier/Müller, Handbuch Europäische Zentralbank, S. 105. 3 Vgl. Scheller, Die Europäische Zentralbank, S. 95. 4 Allgemeine Regelungen 2.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
V. Sicherheiten
5.382
Gemäß Art. 18 Abs. 1 der ESZB-Satzung sind für alle liquiditätszuführenden Operationen des Eurosystems (einschließlich des Innertageskredites im Rahmen von TARGET) durch die jeweiligen Geschäftspartner ausreichende Sicherheiten zu stellen. Diese Bestimmung zielt in erster Linie darauf ab, das Eurosystem vor Verlusten aus der Durchführung von Kreditgeschäften zu bewahren, um so die finanzielle Solidität seiner Operationen und damit letztendlich seine Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit sowie die Fähigkeit zur Verfolgung seiner im EG-Vertrag festgeschriebenen Ziele zu gewährleisten1. Gleichzeitig muss der Sicherheitenrahmen gewährleisten, dass genügend Sicherheiten für ein breites Spektrum von Banken verfügbar sind, damit das Eurosystem die aus seiner Sicht benötigte Liquidität zur Verfügung stellen kann.
5.383
Die Geldpolitische Leitlinie der EZB2 enthält hierzu konkrete Vorgaben über die Arten der zugelassen Sicherheiten, ihre Bewertung und die Modalitäten der Besicherungsverfahren. Diese sind insbesondere in Kapitel 6 des Anhang 1 zur Geldpolitischen Leitlinie („Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems“, im Folgenden „Allgemeine Regelungen“) ausgeführt3.
1. Refinanzierungsfähige Sicherheiten
5.384
Die refinanzierungsfähigen Sicherheiten für die Kreditgeschäfte des Eurosystems umfassen ein sehr breites Spektrum an auf Euro lautenden Sicherheiten. Für notenbankfähige Sicherheiten im Eurosystem gilt seit 1.1.2007 ein einheitlicher Rahmen („einheitliches Sicherheitenverzeichnis“). Dieser ersetzte das zuvor gültige System aus sog. Kategorie-1- und Kategorie-2-Sicherheiten ersetzt4. Der Sicherheitenrahmen umfasst dabei sowohl marktfähige sowie nicht marktfähige Sicherheiten. 1 EZB, Monatsbericht April 2001, S. 55 mit weiteren Erläuterungen. 2 ABl. EG Nr. L 310 v. 11.12.2000, S. 1; zuletzt geändert durch EZB-Leitlinie v. 4.3.2010 zur Änderung der Leitlinie EZB/2000/7 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (EZB/2010/1), ABl. EU Nr. L 63 v. 12.3.2010, S. 22. Eine nicht amtliche konsolidierte Fassung findet sich unter http://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/ pdf/02000x0776-20090511-de.pdf. 3 Vgl. insbesondere Allgemeine Regelungen 6. 4 Kategorie-1-Sicherheiten waren marktfähige Schuldtitel (überwiegend Staatsanleihen), die von der EZB festgelegte einheitliche und im gesamten Euro-Währungsraum geltende Zulassungskriterien im Hinblick auf die Emittenten und deren Sitz, die Hinterlegung, die Abwicklungsverfahren und die Bonität erfüllten. Kategorie-2-Sicherheiten waren weitere marktfähige (Schuldtitel und Aktien) und nichtmarktfähige Sicherheiten (Bankkredite, Handelswechsel und hypothekarisch gesicherte Solawechsel), die für einzelne nationale Finanzmärkte und Banksysteme von besonderer Bedeutung waren. Hierdurch wurde den zu Beginn der dritten Stufe der WWU noch bestehenden Unterschieden in der Finanzstruktur der Mitgliedstaaten Rechnung getragen und ein reibungsloser Übergang zur Währungsunion sichergestellt. Die insbeson-
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
Bei marktfähigen Sicherheiten handelt es sich im Wesentlichen um Schuldverschreibungen öffentlicher Stellen1, Bankschuldverschreibungen, Unternehmensanleihen, bestimmte Formen von Asset-Backed Securities (ABS) sowie Schuldtitel internationalen bzw. supranationalen Organisationen. Von Kreditinstituten begebene Schuldtitel, mit Ausnahme gedeckter Bankschuldverschreibungen (Pfandbriefe und ähnliche Instrumente), sind nur dann notenbankfähig, wenn sie an einem regulierten Markt zum Handel zugelassen sind. Darüber hinaus sind von der EZB emittierte Schuldverschreibungen und alle von den nationalen Zentralbanken des Eurosystems vor der Einführung des Euro in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat begebene Schuldverschreibungen sind notenbankfähig.
5.385
Als nichtmarktfähigen Sicherheiten sind lediglich Kreditforderungen und nicht marktfähige, mit hypothekarischen Darlehen an Privatkunden besicherte Schuldtitel2 zugelassen.
5.386
In Bezug auf die Eignung hinsichtlich bestimmter Eurosystemkreditoperationen werden zwischen marktfähigen und nicht marktfähigen Sicherheiten in der Regel keinerlei Unterschiede gemacht. Analog sind sowohl marktfähige als auch nicht marktfähige Sicherheiten grenzüberschreitend im Eurosystem nutzbar. Notenbankfähige Sicherheiten, die vom Geschäftspartner selbst oder einer anderen Stelle, zu der er enge Verbindungen (close links) aufweist, begeben oder garantiert werden, dürfen dagegen nicht verwendet werden. Das Eurosystem behält sich jedoch vor, einzelne Sicherheiten jederzeit zur Besicherung von Kreditgeschäften auszuschließen.
5.387
Generell haben Sicherheiten vorgegebene Kriterien zu erfüllen3. Die weite Bandbreite zulässiger Schultitel erlaubt es nicht, einheitliche Zulassungskriterien auf alle Arten von Sicherheiten anzuwenden. Daher werden auf marktfähige und nicht marktfähige Sicherheiten jeweils unterschiedliche Zulassungskriterien und Risikokontrollmaßnahmen angewendet, welche das Ziel haben, für alle Arten von Sicherheiten einen für das Eurosystem einen vergleichbaren Grad an Risikoabsicherung zu erreichen.
5.388
dere aus der Nutzung nationaler Sicherheitenlisten resultierende Fragmentierung wurde jedoch als ungenügend im Hinblick auf einen einheitlichen Binnenmarkt angesehen. Nach öffentlichen Konsultationsverfahren, die im Juni 2003 und Mai 2004 durchgeführt wurden, beschloss das Eurosystem, ein einheitliches Rahmenwerk (das so genannte „einheitliche Sicherheitenverzeichnis“) zur allgemeinen Nutzung bei allen liquiditätszuführenden Geschäften des Eurosystems zu schaffen. Dieses wurde in Stufen bis zum Jahre 2007 eingeführt, siehe EZB, Monatsbericht Mai 2006, Das einheitliche Verzeichnis im Sicherheitenrahmen des Eurosystems, S. 81 ff. 1 Zentrale oder regionale Regierung mit eigener Steuerhoheit. 2 Es handelt sich hier in der Praxis im Wesentlichen um retail mortgage-backed debt instruments (RMBDs) unter irischem Recht. 3 Allgemeine Regelungen 6.1–6.3.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
a) Marktfähige Sicherheiten
5.389
Märktfähige Sicherheiten müssen in Euro denominierte erstrangige Schuldtitel von Zentralbanken, öffentlicher Hand, privatem Sektor, oder internationalen bzw. supranationalen Institutionen sein. Der Emittent muss seinen Sitz im EWR oder in einem G10-Land außerhalb des EWR (Japan, Kanada, Schweiz sowie USA) haben. Die Schuldtitel müssen auf einen festen Kapitalbetrag lauten, dessen Rückzahlung nicht an Bedingungen geknüpft ist sowie eine Verzinsung haben, die nicht zu einem negativen Cashflow führen kann1. Sie müssen im Wege des Effektengiroverkehrs übertragbar sein, bei einem im EWR belegenen, zugelassenen2 Zentralverwahrer hinterlegt sein und über ein Sicherheitenkonto bei einer teilnehmenden NZB oder einem zugelassenen Wertpapierabwicklungssystem im Euro-Währungsgebiet eingeliefert werden. Weiterhin muss die Bestellung und die Verwertung der Sicherheiten unter dem Recht eines Mitgliedsstaates des Euro-Währungsgebietes erfolgen können. Schließlich müssen die Schuldtitel zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem von der EZB akzeptierten nicht geregelten Markt zugelassen sein3.
5.390
Besondere Regelungen gelten für ABS4. Diese haben zusätzliche Anforderungen zu erfüllen, so muss ua. der Erwerb von Cashflow generierenden Vermögenswerten, die der Besicherung von Asset-Backed Securities dienen, dem Recht eines EU-Mitgliedstaats unterliegen, die Vermögenswerte müssen durch die Verbriefungszweckgesellschaft vom ursprünglichen Inhaber des Vermögenswerts (Originator) oder einem Intermediär auf eine Weise erworben worden sein, die das Eurosystem als eine gegen jeden Dritten durchsetzbare „True-Sale“-Transaktion ansieht, und dem Zugriff des Originators und seiner Gläubiger entzogen sein, und zwar auch im Fall der Insolvenz des Originators. Weiter dürfen sie nicht ganz oder teilweise und weder tatsächlich noch potenziell aus Credit-Linked Notes oder ähnlichen Forderungen bestehen, die sich aus der Übertragung eines Kreditrisikos mittels Kreditderivaten oder Tranchen anderer Asset-Backed Securities ergeben. Das Eurosystem behält sich das Recht vor, von allen beteiligten Dritten (wie zB dem Emittenten, dem Originator oder dem Arrangeur) jegliche Art von Klarstellung und/oder rechtlicher Bestätigung anzufordern, die es für die Beurteilung der Notenbankfähigkeit der ABSs für erforderlich hält5. 1 Zu den Einzelheiten Allgemeine Regelungen 6.2.1. 2 Es sind bestimmte Anforderungen des Eurosystems zu erfüllen, siehe EZB, Standards for the use of EU securities settlement systems in ESCB credit operations, Januar 1998, http://www.ecb.europa.eu/mopo/pdf/implement/assets/sssstandards1998.pdf. Besonderheiten gelten für bestimmte internationale Inhaberschuldverschreibungen (Eurobonds), die seit dem 1.1.2007 in Form der sog. Neuen Globalurkunde (New Global Note, NGN) begeben werden müssen (siehe EZB-Pressmitteilung v. 13.6.2006). 3 Die Liste zugelassener Märkte findet sich auf der EZB-Webseite, http://www.ecb. europa.eu/paym/coll/standards/marketable/html/index.en.html#acceptable. 4 Siehe EZB-Pressemitteilung v. 13.1.2006, „Durchführung der Geldpolitik im EuroWährungsgebiet: Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems“, Änderungen bei den Asset-backed Securities. 5 Zu den Einzelheiten Allgemeine Regelungen 6.2.1.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
Die EZB erstellt, führt und veröffentlicht ein Gesamtverzeichnisses der für Kreditgeschäfte des Eurosystems zugelassen marktfähigen Sicherheiten1.
5.391
b) Nichtmarktfähige Sicherheiten Hierbei handelt es sich im wesentlich um bestimmte Kreditforderungen, welche seit 1.1.2007 eurosystemweit zulässig sind. Auf Grund der für Kreditforderung als schuldrechtliche Verpflichtungen unter dem jeweiligen anwendbaren Recht geltenden Eigenheiten sind modifizierte Kriterien2 anwendbar.
5.392
So muss es um in Euro denominierte Kreditforderungen3 von Kreditinstituten gegen Schuldner der öffentliche Hand, nichtfinanzieller Unternehmen oder internationaler bzw. supranationaler Institutionen im Euro-Währungsgebiet handeln. Dabei werden sowohl hinsichtlich der Bonität des Schuldner bzw. Garanten sowie der Abwicklung Eurosystem-interne Verfahren angewandt. Der Mindestbetrag bei inländischer Nutzung gegenüber der Bundesbank beläuft sich auf 10 000 Euro, ansonsten bestimmt er sich in Abhängigkeit der Bestimmungen der jeweiligen NZB. Ab 1.1.2012 gelten einheitlich 500 000 Euro im Eurosystem.
5.393
c) Bonitätsanforderungen Um sicherzustellen, dass alle Arten von Sicherheiten gleichwertigen Bonitätsanforderungen genügen, wurde ein Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem (Eurosystem credit assessment framework – ECAF) geschaffen, das auf verschiedenen Bonitätsbeurteilungsquellen basiert. Bei der Beurteilung der Bonität notenbankfähiger Sicherheiten stützt sich das Eurosystem auf Informationen aus einer der folgenden vier Quellen: externe Ratingagenturen (external credit assessment institutions, ECAIs), interne Bonitätsanalyseverfahren der nationalen Zentralbanken (in-house credit assessment systems, ICASs), interne Ratingverfahren (IRB-Verfahren) der Geschäftspartner und Ratingtools (RTs) externer Anbieter. Daneben trägt das Eurosystem bei der Bonitätsbeurteilung institutionellen Kriterien und Merkmalen Rechnung, die einen ähnlichen Gläubigerschutz gewährleisten (zum Beispiel Garantien). 1 Vgl. EZB, List of eligible assets, http://www.ecb.europa.eu/paym/coll/assets/html/index.en.html; vgl. auch Abschnitt V Nr. 3 Abs. 1 AGB-Bundesbank. 2 Siehe im Einzelnen Allgemeine Regelungen 6.2.2. 3 Eine Verbindlichkeit eines Schuldners gegenüber einem Geschäftspartner des Eurosystems. Kreditforderungen, deren ausstehender Betrag sich im Zeitablauf reduziert (dh. wenn nach einem im Voraus vereinbarten Zeitplan Kapital getilgt wird und Zinsen gezahlt werden), sind ebenfalls notenbankfähig. Offene Kreditlinien (dh. nicht in Anspruch genommene Kreditzusagen im Rahmen von revolvierenden Krediten), Überziehungskredite und Akkreditive (die die Inanspruchnahme eines Kredites ermöglichen, per se aber keine Kreditforderung darstellen) sind nicht notenbankfähig. Der Anteil eines Konsortialmitglieds an einem Konsortialkredit gilt als notenbankfähige Kreditforderung. Aus Kreditforderungen dürfen sich keine Ansprüche auf den Kapitalbetrag und/oder die Zinsen ergeben, die den Ansprüchen von Gläubigern anderer Kreditforderungen (oder anderer Tranchen oder Sub-Tranchen desselben Konsortialkredits) oder Schuldtitel desselben Emittenten untergeordnet sind.
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5.394
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.395
Als Schwellenwert für „hohe Bonitätsanforderungen“, die mindestens erfüllt werden müssen (Bonitätsschwellenwert), hat das Eurosystem für die Mehrzahl der Sicherheiten ein Rating von „Single A“ festgelegt1. Das Eurosystem betrachtet eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,10 % über einen Zeithorizont von einem Jahr – vorbehaltlich einer regelmäßigen Überprüfung dieses Wertes – als Äquivalent zu einem „Single A“-Rating2.
5.396
Die Verfahren und Regeln für die Festlegung und Kontrolle der „hohen Bonitätsanforderungen“ des Eurosystems, die für alle notenbankfähigen Sicherheiten gelten, sind in Abschnitt 6.3 der Allgemeinen Regelungen näher dargelegt. Die weiteren Risikokontrollmaßnahmen (Abschläge und Margen) und Bewertungsgrundsätze für Sicherheiten werden in den Abschnitten 6.4 und 6.5 erläutert. d) Zusammensetzung der notenbankfähigen Sicherheiten
5.397
Im Jahr 2007 belief sich der durchschnittliche Wert notenbankfähiger Sicherheiten auf 9,5 Billionen Euro; gegenüber 1999 (rund 5,5 Billionen Euro) stellt dies einen Anstieg um 73 % dar. Bei Analyse der Zusammensetzung der Sicherheiten entfielen 49 % des Gesamtbetrags auf Staatsanleihen. Die übrigen marktfähigen Sicherheiten setzten sich aus gedeckten und ungedeckten Schuldverschreibungen (12 % bzw. 17 %), Unternehmensanleihen (9 %), Asset-Backed Securities (8 %) und sonstigen – etwa von supranationalen Organisationen begebenen – Schuldverschreibungen (4 %) zusammen.
5.398
Etwa 12 % dieser generell notenbankfähigen Sicherheiten, dh. 1,1 Billionen Euro, wurden 2007 tatsächlich zu Besicherungszwecken beim Eurosystem hinterlegt. Die Zusammensetzung der hinterlegten Sicherheiten entspricht nicht der der Euro-Anleihemärkte, da Banken dazu tendieren, weniger liquide Sicherheiten für Kreditgeschäfte mit dem Eurosystem zu hinterlegen. Kreditforderungen machten dabei im Jahr 2007 durchschnittlich 10 % der insgesamt hinterlegten Sicherheiten aus. 1 Für ab dem 1.3.2009 ausgegebene Asset-Backed Securities werden die hohen Bonitätsanforderungen des Eurosystems als ein Rating von „AAA“ bei Ausgabe und einer Mindestratingstufe während der Laufzeit des Wertpapiers entsprechend einer Bonitätsbeurteilung von „Single A“ definiert, siehe EZB-Pressemitteilungen v. 13.1.2006, „Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet: Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems“, Änderungen bei den Asset-backed Securities und v. 20.11.2009, ECB amends rating requirements for asset-backed securities in Eurosystem credit operations. Siehe auch EZB-Pressemitteilung v. 3.5.2010, ECB announces change in eligibility of debt instruments issued or guaranteed by the Greek government, für die zeitweise Aussetzung gegenüber griechischen Staatsanleihen. 2 „Single A“ bedeutet ein langfristiges Rating von mindestens „A-“ gemäß Fitch bzw. Standard & Poor's oder „A3“ laut Moody's oder „AL“ laut DBRS. Für ab dem 1.3.2009 ausgegebene Asset-Backed Securities werden die hohen Bonitätsanforderungen des Eurosystems als ein Rating von „AAA“ bei Ausgabe und einer Mindestratingstufe während der Laufzeit des Wertpapiers entsprechend einer Bonitätsbeurteilung von „Single A“ definiert.
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5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
Ein bemerkenswerter Indikator für die fortschreitende Finanzmarktintegration ist die grenzüberschreitende Nutzung von Sicherheiten, bei der ein Geschäftspartner in einem Land des Euroraums eine Sicherheit aus einem anderen Staat des Eurogebiets verwendet. Hier wurden im Jahr 2007 51 % der Sicherheiten grenzüberschreitend eingesetzt, im Vergleich zu nur 12 % im Jahr 19991.
5.399
e) Refinanzierungsfähige Sicherheiten und Finanzmarktturbulenzen Eine zeitlich beschränkte Ausweitung der notenbankfähigen Sicherheiten erfolgte in Antwort auf die Turbulenzen an den Finanzmärkten, die Mitte 2007 einsetzten. Mit Wirkung vom 22.10.2008 wurde der Bonitätsschwellenwert für marktfähige und nicht marktfähige Sicherheiten von A- auf BBB- gesenkt; eine Ausnahme bildeten Asset-Backed Securities (ABS), deren Bonitätsschwellenwert unverändert bei A- blieb. Außerdem akzeptierte das Eurosystem auch von Kreditinstituten begebene Schuldtitel, die nicht an geregelten Märkten notiert sind, aber auf bestimmten, von der EZB zugelassenen nicht geregelten Märkten gehandelt werden. Auch nachrangige marktfähige Schuldtitel durften zur Besicherung verwendet werden, soweit sie durch eine zulässige Garantie abgesichert sind und alle sonstigen Zulassungskriterien erfüllen. Mit Wirkung vom 14.11.2008 wurden zudem marktfähige Schuldtitel, die auf USDollar, britische Pfund oder japanische Yen lauten und deren Emittent seinen Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum hat, als Sicherheiten bei Kreditgeschäften des Eurosystems zugelassen.
5.400
Die marktfähigen Sicherheiten, die Ende 2008 neu in das Verzeichnis aufgenommen wurden, hatten ein Wert von rund 870 Mrd. Euro. Sie machten damit etwa 7 % der gesamten zugelassenen marktfähigen Sicherheiten und ungefähr 3 % der insgesamt von den Geschäftspartnern gestellten marktfähigen Sicherheiten aus2.
5.401
2. Nutzung von Sicherheiten gegenüber der Bundesbank Zur Besicherung hat sich die Bundesbank grundsätzlich für eine Pfandlösung entschieden. Dabei können, soweit es sich um Wertpapiere handelt, zwei Wege der Verpfändung gewählt werden. So kann der Geschäftspartner der Bundesbank auf Grund einer generellen Verpfändungserklärung refinanzierungsfähige Wertpapiere verpfänden, die in einem Dispositionsdepot verwahrt werden. Die Wertpapiere müssen girosammelverwahrt sein und sich in einem Depot der Bundesbank bei der Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank oder einer inländischen Depotbank befinden (Abschnitt V Nr. 7 AGB-Bundesbank). Daneben können auch refinanzierungsfähige Wertpapiere verpfändet werden, die sich in einem so genannten Sicherheitenpool-Depot 1 Vgl. EZB-Monatsbericht, 10 Jahre EZB, 2008, S. 60. In der Krise hat sich dieser Trend zeitweise umgekehrt, vgl. EZB, Financial Integration in Europe, April 2010, S. 10. 2 EZB, Monatsbericht Juli 2009, S. 85 (92).
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5.402
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
des Geschäftspartners befinden, welches von der Clearstream Banking AG im Rahmen des Sicherheitenverwaltungssystems Xemac betrieben wird (Abschnitt V Nr. 8 AGB-Bundesbank).
5.403
Nicht-marktfähige Kreditforderungen können im Wege des web-basierten Verfahrens „Kreditforderungen – Einreichung und Verwaltung“ (KEV) eingereicht werden1. Hinsichtlich nicht marktfähiger Sicherheiten betreibt die Deutsche Bundesbank ein eigenes Bonitätsanalyseverfahren, das Geschäftspartner zur Feststellung der Notenbankfähigkeit von Wirtschaftsunternehmen bzw. Schuldnern nutzen können2.
5.404
Daneben können Sicherheiten noch im Wege der grenzüberschreitende Nutzung von Sicherheiten über das Korrespondenzzentralbank-Modell (CCBM) oder mittels Verbindungen zwischen Wertpapierabwicklungssystemen eingeliefert werden (siehe unten Rz. 5.406).
3. Grenzüberschreitende Nutzung von Sicherheiten
5.405
Die Geschäftspartner des Eurosystems können refinanzierungsfähige Sicherheiten auch grenzüberschreitend nutzen3. Hierbei können sie sich bei der nationalen Zentralbank, in deren Bereich sie ihren Sitz haben, refinanzieren und dafür in einem anderen Mitgliedstaat hinterlegte Sicherheiten verwenden. Der Grundsatz der grenzüberschreitenden Nutzbarkeit aller Sicherheiten ist für das Eurosystem aus Gründen der Gleichbehandlung der Geschäftspartner und um das Zusammenwachsen der nationalen Finanzmärkte zu fördern von besonderer Bedeutung4. a) Das Korrespondenz-Zentralbank-Modell
5.406
Zu diesem Zweck hat das Eurosystem das so genannte „Korrespondenz-Zentralbank-Modell“ (Correspondent Central Banking Model – CCBM) entwickelt, bei dem die nationalen Zentralbanken gegenseitig und für die EZB als Depotbank (Korrespondenten) für Sicherheiten fungieren, die bei ihrem lokalen Wertpapierabwicklungssystem oder bei ihnen selbst eingeliefert wurden. Hierfür unterhalten die Zentralbanken gegenseitig Depotkonten. Für nicht marktfähige Sicherheiten, dh. Kreditforderungen und RMBDs, die nicht über ein Wertpapierabwicklungssystem übertragen werden können, können besondere Verfahren angewandt werden5. 1 Der Zugang zu KEV erfolgt über das ExtraNet, der E-Business-Plattform der Deutschen Bundesbank. Näheres zum Verfahren: http://www.bundesbank.de/kev/kev.php. 2 Näheres in der Broschüre der Deutsche Bundesbank, Beurteilung der Bonität von Unternehmen durch die Deutsche Bundesbank im Rahmen der Refinanzierung deutscher Kreditinstitute. 3 Siehe Allgemeine Regelungen 6.6. 4 EZB, Monatsbericht April 2001, S. 55 (57). 5 Vgl. für weitere Details EZB, „Das Korrespondenzzentralbank-Modell (CCBM) – Verfahren für Geschäftspartner des Eurosystems“, Mai 2005, http://www.ecb.europa.eu/ pub/pdf/other/ccbm2005de.pdf.
538
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Löber
5. Teil
Einheitliche Geldpolitik
Das System des Korrespondenzzentralbank-Modells steht den Geschäftspartnern (sowohl für marktfähige als auch für nicht marktfähige Sicherheiten) von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr EZB-Zeit (MEZ/MESZ) an jedem Geschäftstag des Eurosystems zur Verfügung. Geschäftspartner, die das Modell nutzen möchten, müssen dies der nationalen Zentralbank, von der sie den Kredit erhalten wollen (dh. ihrer Heimatzentralbank), vor 16.00 Uhr EZB-Zeit ankündigen. Ferner muss der Geschäftspartner sicherstellen, dass die Sicherheiten für die geldpolitischen Geschäfte bis spätestens 16.45 Uhr EZB-Zeit auf dem Depotkonto der Korrespondenzzentralbank eingehen. Später eingehende Anweisungen oder Lieferungen sind nur für Kredite, die am darauf folgenden Geschäftstag gewährt werden, verwendbar. Geschäftspartner, die bereits absehen können, dass sie das System des Korrespondenzzentralbank-Modells gegen Ende des Tages in Anspruch nehmen müssen, sollten die Sicherheiten soweit möglich im Voraus liefern (dh. vorab hinterlegen).
5.407
b) Verbindungen zwischen Wertpapierabwicklungssystemen Daneben können die Geschäftspartner auch von der EZB genehmigte Verbindungen zwischen Wertpapierabwicklungssystemen (so genannte „links“) nutzen1, soweit es um die grenzüberschreitende Übertragung von Wertpapieren im Effekten-Giroverfahren geht.
5.408
Eine Verbindung zwischen zwei Wertpapierabwicklungssystemen besteht aus einer Reihe von Verfahren und Regelungen für die grenzüberschreitende Übertragung von Wertpapieren im (Effekten-)Giroverfahren. Eine Verbindung hat die Form eines vom Wertpapierabwicklungssystem des Anlegers beim Wertpapierabwicklungssystem des Emittenten eröffneten Sammelkontos. Eine direkte Verbindung bedeutet, dass es zwischen den beiden Wertpapierabwicklungssystemen keinen Intermediär gibt. Indirekte Verbindungen zwischen Wertpapierabwicklungssystemen können auch zur grenzüberschreitenden Übertragung von Wertpapieren an das Eurosystem genutzt werden. Eine indirekte Verbindung ist eine vertragliche und technische Vereinbarung, die es zwei nicht direkt miteinander verbundenen Wertpapierabwicklungssystemen ermöglicht, über ein drittes, als Intermediär fungierendes Wertpapierabwicklungssystem Wertpapiergeschäfte auszutauschen oder zu übertragen.
5.409
Durch eine direkte oder indirekte Verbindung zwischen zwei Wertpapierabwicklungssystemen kann ein Teilnehmer eines Systems Wertpapiere, die in einem anderen Abwicklungssystem begeben wurden, im Bestand haben, ohne Teilnehmer dieses anderen Systems zu sein. Bevor diese Verbindungen zur Übertragung von Sicherheiten für die Kreditgeschäfte des Eurosystems genutzt werden können, müssen sie anhand der Standards2 für die Nutzung
5.410
1 Mit Stand August 2009 waren 54 direkte und sieben indirekte links zwischen Wertpapierabwicklungssystemen des Euro-Währungsgebietes durch die EZB zugelassen, http://www.ecb.int/mopo/assets/coll/ssslinks/html/index.en.html#assessed. 2 EZB, Standards for the use of EU securities settlement systems in ESCB credit operations, Januar 1998, http://www.ecb.int/mopo/pdf/implement/assets/sssstandards 1998.pdf.
Löber
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
von Wertpapierabwicklungssystemen der EU geprüft und zugelassen werden.
5.411–5.415
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Die Deutsche Bundesbank 5.416
Die Deutsche Bundesbank ist die Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland und hat als solche eine herausgehoben Rolle im deutschen Finanzsystem. Mit dem Übergang zur dritten Stufe der WWU ist die Bundesbank gemäß Art. 282 AEUV iVm. Art. 14 Abs. 3 ESZB-Satzung ein integraler Bestandteil des Eurosystems (siehe oben 2. Abschnitt, Rz. 5.40) geworden. Hierdurch verlor sie ihre originären autonomen Kompetenzen im Bereich der Geld- und Währungspolitik. Dennoch hat sie eine wesentliche Rolle in der Durchführung der Aufgaben des Eurosystems und nimmt weiterhin Aufgaben, die nicht mit dem Eurosystem zusammenhängen, in eigener Verantwortung wahr.
I. Rechtsrahmen und Integration ins Eurosystem
5.417
Die Deutsche Bundesbank wurde 1957 durch das Gesetz über die Deutsche Bundesbank1 als zentrale „Währungs- und Notenbank“ der Bundesrepublik Deutschland errichtet. Ihre verfassungsrechtliche Verankerung findet sich in Art. 88 Satz 1 GG2. Ihre ursprüngliche Funktion als deutsche Notenbank war vor allem darin begründet, dass sie das ausschließliche Recht hatte, auf DM lautende Banknoten auszugeben (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BBankG aF3). Im Rahmen ihrer damit verbundenen Funktion als staatlicher Zentralbank hatte die Bundesbank die nationale Geld- und Währungspolitik mit dem Ziel der Sicherung der Stabilität der Währung festzulegen und durchzusetzen.
5.418
Mit dem Beginn der dritten Stufe der WWU am 1.1.1999 wurde diese währungspolitische Kompetenz vollständig auf das Eurosystem übertragen. Die zur Herstellung der rechtlichen Konvergenz, Unabhängigkeit und Integration in das Eurosystem notwendigen Anpassungen erfolgten durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank v. 2.12.19974. Nunmehr ist klargestellt, dass die Deutsche Bundesbank als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland integraler Bestandteil des ESZB und des Eurosystems ist (§ 3 Satz 1 BBankG).
5.419
Diese Anpassungen institutioneller Natur wurden in einem zweiten Schritt ergänzt durch das Siebente Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deut1 BBkG v. 26.7.1957, BGBl. I 1957, S. 745. 2 BGBl. 1949, S. 1, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2248. 3 BGBl. I 1957, S. 745 idF des 6. ÄndG v. 22.12.1997, BGBl. I 1997, S. 3274. 4 BGBl. I 1997, S. 3274.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
von Wertpapierabwicklungssystemen der EU geprüft und zugelassen werden.
5.411–5.415
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Die Deutsche Bundesbank 5.416
Die Deutsche Bundesbank ist die Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland und hat als solche eine herausgehoben Rolle im deutschen Finanzsystem. Mit dem Übergang zur dritten Stufe der WWU ist die Bundesbank gemäß Art. 282 AEUV iVm. Art. 14 Abs. 3 ESZB-Satzung ein integraler Bestandteil des Eurosystems (siehe oben 2. Abschnitt, Rz. 5.40) geworden. Hierdurch verlor sie ihre originären autonomen Kompetenzen im Bereich der Geld- und Währungspolitik. Dennoch hat sie eine wesentliche Rolle in der Durchführung der Aufgaben des Eurosystems und nimmt weiterhin Aufgaben, die nicht mit dem Eurosystem zusammenhängen, in eigener Verantwortung wahr.
I. Rechtsrahmen und Integration ins Eurosystem
5.417
Die Deutsche Bundesbank wurde 1957 durch das Gesetz über die Deutsche Bundesbank1 als zentrale „Währungs- und Notenbank“ der Bundesrepublik Deutschland errichtet. Ihre verfassungsrechtliche Verankerung findet sich in Art. 88 Satz 1 GG2. Ihre ursprüngliche Funktion als deutsche Notenbank war vor allem darin begründet, dass sie das ausschließliche Recht hatte, auf DM lautende Banknoten auszugeben (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BBankG aF3). Im Rahmen ihrer damit verbundenen Funktion als staatlicher Zentralbank hatte die Bundesbank die nationale Geld- und Währungspolitik mit dem Ziel der Sicherung der Stabilität der Währung festzulegen und durchzusetzen.
5.418
Mit dem Beginn der dritten Stufe der WWU am 1.1.1999 wurde diese währungspolitische Kompetenz vollständig auf das Eurosystem übertragen. Die zur Herstellung der rechtlichen Konvergenz, Unabhängigkeit und Integration in das Eurosystem notwendigen Anpassungen erfolgten durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank v. 2.12.19974. Nunmehr ist klargestellt, dass die Deutsche Bundesbank als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland integraler Bestandteil des ESZB und des Eurosystems ist (§ 3 Satz 1 BBankG).
5.419
Diese Anpassungen institutioneller Natur wurden in einem zweiten Schritt ergänzt durch das Siebente Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deut1 BBkG v. 26.7.1957, BGBl. I 1957, S. 745. 2 BGBl. 1949, S. 1, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2248. 3 BGBl. I 1957, S. 745 idF des 6. ÄndG v. 22.12.1997, BGBl. I 1997, S. 3274. 4 BGBl. I 1997, S. 3274.
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5. Teil
Die Deutsche Bundesbank
sche Bundesbank v. 23.3.20021. Hierdurch wurde die bisherige Struktur der Bundesbank grundlegend verändert, um den Erfordernissen des Eurosystems besser gerecht zu werden. Die Leitungsstrukturen wurden zentralisiert, zugleich wurde die Stellung des Bundesbankpräsidenten gestärkt. Wesentliche Änderungen waren die Abschaffung des bisherigen Zentralbankrates, des Direktoriums und der Vorstände der Landeszentralbanken2 sowie die Schaffung eines Vorstandes als neuem und einzigen Organ der Bundesbank. Hierdurch sollte die Handlungsfähigkeit der Bundesbank als integraler Bestandteil des Eurosystems und insbesondere ihres Präsidenten als Mitglied des EZB-Rates und des Erweiterten Rates gestärkt werden3.
II. Rechtsstellung und Organisation der Bundesbank Die grundlegenden Bestimmungen über die Bundesbank, ihre Kompetenzen und Aufgaben, die für sie einschlägigen Finanz- und Rechnungslegungsregeln, ihre Organe, Sitz und sonstigen Rechtsverhältnisse finden sich im Gesetz über die Deutsche Bundesbank. Gemäß § 2 Satz 1 BBankG ist die Bundesbank eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts und als solche Teil der vollziehenden Gewalt der Bundesrepublik Deutschland iS von Art. 20 Abs. 3 GG.
5.420
Dabei besitzt die Bundesbank jedoch eine von der rechtlichen Stellung anderer deutscher Verwaltungsträger abweichende Sonderstellung. Diese findet ihre Berechtigung in der Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit im Hinblick auf ihre Stellung als integraler Bestandteil des Eurosystems (Art. 282 AEUV iVm. Art. 14 Abs. 3 ESZB-Satzung, zur rechtlichen Qualität und Ausgestaltung des Eurosystems siehe 2. Abschnitt, Rz. 5.34 und Rz. 5.35).
5.421
Die Unabhängigkeit der Bundesbank ist jedoch in zwei Bereichen begrenzt. Zum einen beschränkt sich die Weisungsfreiheit der Bundesbank auf die Ausübung der Befugnisse, die ihr nach dem Bundesbankgesetz zustehen (§ 12 Satz 1 BBankG). Dies schützt insbesondere die Wahrnehmung von Aufgaben des Eurosystems durch die Bundesbank und reflektiert die Bedürfnisse zur Unabhängigkeit einer Zentralbank bei der Ausübung währungs- und geldpolitischer Befugnisse resultiert. Soweit die Bundesbank aber vom nationalen Gesetzgeber mit der Durchführung sonstiger Aufgaben betraut wird, ist die Ausübung dieser Kompetenzen anders als die nach dem Bundesbankgesetz zustehenden Befugnisse nicht der unmittelbaren Kontrolle und Einflussnahme durch das Parlament entzogen. Dies ist zum Besipiel der Fall bei der Mitwir-
5.422
1 BGBl. I 2002, S. 1159. 2 Einschließlich deren eigenständiger Entscheidungsbefugnisse, der so genannten Vorbehaltszuständigkeiten. 3 Vgl. die Stellungnahme der EZB v. 2.8.2001 zum Entwurf der Siebenten Novelle (abrufbar unter www.ecb.int); Begründung des Regierungsentwurfes des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, BT-Drucks. 14/ 6870, S. 1.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
kung der Deutschen Bundesbank an der Bankenaufsicht gemäß § 7 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG).
5.423
Zum anderen ist die Bundesbank nach § 12 Satz 2 BBankG zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung verpflichtet, „soweit dies unter Wahrung ihrer Aufgabe als Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbank möglich ist“. Diese Aufgabe ist jedoch durch das Primat der Wahrnehmung der Aufgaben des Eurosystems begrenzt (Art. 14 Abs. 1 und 4 ESZB-Satzung), wonach nationale Zentralbanken Aufgaben, die nicht mit dem Eurosystem zusammenhängen, nur insoweit wahrnehmen können, wie dies die Ziele und Aufgaben des Eurosystems nicht beeinträchtigt. Die Verpflichtung zur Unterstützung der (deutschen) Wirtschaftspolitik ist vor diesem Hintergrund zu sehen.
1. Organisationsform der Bundesbank
5.424
Die Einordnung der Bundesbank in die Organisationsformen öffentlichrechtlicher Verwaltungsträger ist nicht unumstritten1. Die Vorschriften des § 2 Satz 1 BBankG, wonach die Bundesbank eine „bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts“ ist, enthält keine Aussage zu ihrer Körperschafts- oder Anstaltsnatur. Gewiss ist nur, dass die Bundesbank wegen ihrer rechtlichen Verselbständigung als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung des Bundes anzusehen ist.
5.425
Die Formulierung des § 2 Satz 1 BBankG widerspricht dem nicht. Sie knüpft insoweit an die Terminologie des Grundgesetzes (vgl. Art. 86 Satz 1 GG) an, die ebenfalls von bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten spricht, obwohl es sich der Sache nach, wie allgemein anerkannt ist, um Rechtsträger der mittelbaren Bundesverwaltung handelt.
5.426
Nach überwiegender Auffassung ist die Bundesbank nicht als Körperschaft, sondern als Anstalt öffentlichen Rechts aufzufassen, weil bei ihr nicht das mitgliedschaftliche, sondern das sachliche Substrat im Vordergrund steht2.
5.427
Eine solche Anstalt ist ein nicht verbandsmäßig organisierter rechtsfähiger Verwaltungsträger zur dauerhaften Verfolgung bestimmter Verwaltungszwecke des Anstaltsträgers3. Sie ist eine von einer Hoheitsperson getragene, regelmäßig mit Hoheitsgewalt ausgestattete, rechtlich subjektivierte und institutionalisierte, dh. mit eigenen Personal- und Sachmitteln versehene Organisation, durch die der Träger (Anstaltsherr) eigene oder ihm gesetzlich auferlegte, sachlich zusammenhängende öffentliche Angelegenheiten wahrnimmt und auf die er daher – soweit dies (wie bei der Bundesbank) gesetzlich nicht aus-
1 Im Detail Gramlich, Bundesbankgesetz/Währungsgesetz/Münzgesetz – Kommentar, 1988, § 2 BBkG Rz. 5 ff. 2 Vgl. hierzu BT-Drucks. 2/3603 (1957), S. 31 mwN. 3 Vgl. Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 39 Rz. 27.
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5. Teil
Die Deutsche Bundesbank
geschlossen ist – dauernd maßgebend Einfluss ausübt1. Dieser weit gefasste Begriff umfasst alle organisierten Subjekte öffentlicher Verwaltung, die keine Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind. Der Anstaltsbegriff ist daher ein Sammelbegriff für unterschiedliche organisationsrechtliche Erscheinungen und besitzt insoweit eine Art Auffangfunktion. Die Bundesbank weicht allerdings vom klassischen Anstaltsbegriff insoweit ab, als sie keinen Weisungen unterliegt (§ 12 Satz 1 BBankG) und auch nicht einer Anstaltsaufsicht vergleichbaren Beaufsichtigung unterworfen ist2. Dieser Sonderstatus ist durch die Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit als integralem Bestandteil des Eurosystems bedingt. Trotz dieser Abweichung ist die organisationsrechtliche Stellung der Bundesbank mit dem Anstaltsbegriff wohl noch am zutreffendsten zu erfassen, auch wenn es sich gemäß dem vorstehenden um eine „atypische Anstalt“ handelt3. Dies wird auch dadurch gestützt, dass die Bundesbank ein für eine Anstalt typisches Leistungsangebot bereithält. Dies gilt insbesondere für die Gewährung von Zentralbankgeld an Kreditinstitute zur Kreditversorgung der Wirtschaft unter Beachtung der geldpolitischen Leitlinien der EZB oder für die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (§ 3 BBankG).
5.428
2. Trägerin öffentlicher Verwaltung und integraler Bestandteil des Eurosystems Trotz Einbindung der nationalen Zentralbanken in das Eurosystem haben diese ihre organisationsrechtliche Eigenständigkeit beibehalten. Sie bleiben eigene juristische Personen mit eigener Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die ihnen nach dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht zusteht (siehe 2. Abschnitt, Rz. 5.39). Daher ist auch die Einordnung der Bundesbank in die staatliche Organisation der Bundesrepublik Deutschland von der Einbindung in das Eurosystem im Wesentlichen unberührt geblieben.
5.429
In funktional-sachlicher Hinsicht ist jedoch eine „funktionale Aufspaltung“ erfolgt4. Soweit die nationalen Zentralbanken Aufgaben des Eurosystems gemäß den Leitlinien und Weisungen der EZB (Art. 14 Abs. 3 ESZB-Satzung) erfüllen, sind sie als integraler Bestandteil des Eurosystem funktional uneingeschränkt der EZB subordiniert. Sie handeln als „operative Organe“ der EZB in sachlicher Hinsicht streng weisungsgebunden5. Nur soweit die nationalen Zentralbanken gemäß Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung andere als die durch die ESZB-Satzung festgelegten Aufgaben wahrnehmen, handeln sie noch funktional als mitgliedstaatliche Behörde.
5.430
1 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 23 Rz. 46 ff.; ausführlich Wolf/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 86 Rz. 8. 2 Vgl. BT-Drucks 2/3603, S. 5. 3 Hahn, BayVBl. 1982, 30, 70 (71); Schmidt, Der Staat, Beiheft 5/1981, 61 (65); siehe auch Berg, NJW 1985, 2294 ff. 4 Vgl. Zilioli/Selmayr, Euredia 1999, 187 (216 mwN). 5 Smits, The European Central Bank, S. 94; Sauerzopf/Selmayr, Der Wirtschaftstreuhänder 1998, 12 (14).
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.431
Die Einbindung der nationalen Zentralbanken in das Eurosystem lässt sich nur schwer in traditionelle dogmatische Strukturen einordnen. Teilweise wird ein Vergleich mit föderalen Strukturen angeführt, etwa wird das Verhältnis der EZB zu den nationalen Zentralbanken bei der Erfüllung der Aufgaben des Eurosystems mit der Bundesauftragsverwaltung iS von Art. 85 GG verglichen1. Übereinstimmung besteht hier insoweit, als bei der Bundesauftragsverwaltung die Einrichtung der Behörden grundsätzlich Angelegenheit der Bundesländer bleibt. Die Landesbehörden unterstehen aber den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörde. Ein Unterschied zur Situation innerhalb des Eurosystems besteht aber insofern, als dort die Entscheidung der EZB, Aufgaben des Eurosystem durch die nationalen Zentralbanken erfüllen zu lassen, lediglich eine Delegation, nicht aber eine Übertragung der Kompetenz darstellt2. Im Einklang mit dem Dezentralitätsprinzip kann die EZB durch den EZB-Rat jederzeit frei entscheiden, ob Geschäfte des Eurosystems effektiver zentral oder dezentral durchgeführt werden können und gegebenenfalls eine Delegation auf die nationalen Zentralbanken widerrufen3. Insofern lässt sich auch nur schwer argumentieren, dass die nationalen Zentralbanken, soweit sie Aufgaben des Eurosystems wahrnehmen, keine Gemeinschaftshoheit ausüben4.
5.432
Die „Inanspruchnahme“ der nationalen Zentralbanken zur Ausführung der Geschäfte des Eurosystems (Art. 12 Abs. 1 ESZB-Satzung) ist rechtlich nicht als eine Organleihe zu qualifizieren. Sie ist vielmehr als Delegation der Zuständigkeit zur eigenverantwortlichen Ausführung bestimmter (Gemeinschafts-)Aufgaben und gleichzeitig als Übertragung der haftungsrechtlichen Verantwortung nach außen auf die nationalen Zentralbanken anzusehen. Dementsprechend stellt die ESZB-Satzung in Art. 35 Abs. 3 klar, dass sich die Haftung der nationalen Zentralbanken für ihre Handlungen und Unterlassungen nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht richtet. Soweit die nationalen Zentralbanken in Erfüllung der Aufgaben des Eurosystems (privatrechtliche) Geschäfte mit Kreditinstituten tätigen, werden hieraus im Außenverhältnis zu den Kreditinstituten ausschließlich die jeweilige nationale Zentralbank berechtigt und verpflichtet.
5.433
Strittig ist jedoch, ob die Verantwortlichkeit der nationalen Zentralbanken im Außenverhältnis auch im Bereich der außervertraglichen Haftung gilt. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen eine nationale Zentralbank „buchstabengetreu“ auf Weisung der EZB gehandelt hat und/oder nur widerwillig ihrer Pflicht aus Art. 14 Abs. 3 ESZB-Satzung nachgekommen ist, die Leitlinien und Weisungen der EZB zu befolgen und ihren Vollzug sicherzustellen. Nach einer Ansicht kommt auch hier lediglich eine Haftung der nationalen Zentralbank in Betracht. Wird eine nationale Zentralbank wegen des Vollzugs einer inhaltlich rechtswidrigen, für sie aber dennoch verbindlichen Leitlinie oder Weisung der 1 Weber, WM 1998, 1465 (1473); vgl. zur Auftragsverwaltung auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 22 Rz. 5 ff. 2 Zilioli/Selmayr, Euredia 1999, 187 (205). 3 EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (61). 4 So aber zB Weber, WM 1998, 1465 (1472).
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5. Teil
Die Deutsche Bundesbank
EZB dennoch von ihren Geschäftspartnern erfolgreich Anspruch genommen, soll das Eurosystem gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV, Art. 35 Abs. 3 ESZB-Satzung zum Regress verpflichtet sein1. Demgegenüber will die Gegenauffassung eine unmittelbare Inanspruchnahme der EZB für Schäden zulassen, die mittelbar durch Rechtsakte der EZB verursacht wurden2. Diese Auffassung verweist auch auf Art. 32 Abs. 4 ESZB-Satzung, wonach es im Ermessen des EZB-Rates steht, nationale Zentralbanken für erlittene Schäden zu entschädigen.
3. Organisation der Bundesbank Bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Zentralbankwesens in Deutschland hatte sich der Gesetzgeber von Anfang an für eine einstufige Konzeption entschlossen. Hierzu wurden mit Erlass des Bundesbankgesetzes im Jahre 1957 die in den einzelnen Bundesländern schon früher vorhandenen Landeszentralbanken mit der Bank deutscher Länder zur Deutschen Bundesbank als einheitlicher Rechtspersönlichkeit verschmolzen.
5.434
In Folge der deutschen Wiedervereinigung wurde die Zahl der Landeszentralbanken auf 9 reduziert3. Dies wurde damit motiviert, dass die Einrichtung von länderübergreifenden Landeszentralbanken vergleichbarer Größe die Entscheidungsstrukturen verbessern und die Flexibilität der Entscheidungsfindung erhöhen würde4.
5.435
Die Organisationsstruktur der Bundesbank ist in §§ 7–11 BBankG geregelt. Mit der Reform durch die Siebente Novelle des Bundesbankgesetzes5 wurden die frühere, mehrgliedrige Organstruktur (Organe Zentralbankrat, Direktorium und die Vorstände der Landeszentralbanken) abgeschafft, welche die Ausgestaltung der Organe des ESZB prägend beeinflusst hatte.
5.436
a) Vorstand Einziges Leitungsorgan der Bundesbank ist der Vorstand. Er leitet und verwaltet die Bundesbank (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BBankG) am Sitz der Zentrale in Frankfurt am Main. Im Jahre 2009 beschäftigte die Zentrale der Bundesbank mit Sitz in Frankfurt am Main 3517 von insgesamt 9822 Mitarbeitern der Bundesbank6.
5.437
Der Vorstand hat sich ein Organisationsstatut zu geben, durch das er die Zuständigkeiten innerhalb des Vorstandes und die Aufgaben, die auf die
5.438
1 Weber, WM 1998, 1465 (1473). 2 Zilioli/Selmayr, Euredia 1999, 187 (363). 3 Neufassung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank v. 22.10.1992, BGBl. I 1992, S. 1782. 4 Begr. des RegE zur 4. BBkG-Novelle, BT-Drucks 12/1869, S. 7 f. 5 Art. 1 Siebentes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank v. 28.3.2002, BGBl. I 2002, S. 1159. 6 Bundesbank-Webseite, Stand: 31.12.2009, http://www.bundesbank.de/aufgaben/aufgaben_organisation.php.
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Hauptverwaltungen übertragen werden können, festlegt (§ 7 Abs. 1 Satz 3 BBankG). Er tagt in der Regel wöchentlich am Dienstag. Der Vorstand fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende (§ 7 Abs. 5 BBankG).
5.439
Der Vorstand besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Bundesbank sowie bis zu sechs weiteren Mitgliedern, die alle über eine besondere fachliche Eignung verfügen müssen (§ 7 Abs. 2 BBankG). Die Mitglieder des Vorstandes werden vom Bundespräsidenten bestellt.
5.440
Um dem föderativen Charakter der Bundesrepublik Rechnung zu tragen, werden der Präsident und der Vizepräsident sowie zwei weitere Mitglieder des Vorstandes auf Vorschlag der Bundesregierung, die vier weiteren Mitglieder des Vorstandes auf Vorschlag des Bundesrates im Einvernehmen mit der Bundesregierung bestellt (§ 7 Abs. 3 Satz 1–3 BBankG). Um ihre größtmögliche persönliche Unabhängigkeit zu sichern, werden die Mitglieder des Direktoriums für im Regelfall acht Jahre (mindestens jedoch fünf Jahre) bestellt (§ 7 Abs. 3 Satz 4 BBankG).
5.441
Bei der Erfüllung der Aufgaben des Eurosystems handelt der Vorstand im Rahmen der Leitlinien und Weisungen der EZB. Trotz Streichung von § 6 Abs. 1 Satz 2, 3 BBankG aF kann er weiterhin die Auswirkungen der Geldund Währungspolitik unbeschadet der Weisungsunabhängigkeit des Bundesbankpräsidenten in seiner Eigenschaft als Mitglied des EZB-Rates sowie der für das Eurosystem geltenden Geheimhaltungsvorschriften (Art. 37 ESZB-Satzung) erörtern. b) Präsident der Bundesbank
5.442
Eine Sonderstellung innerhalb der Struktur der Bundesbank kommt ihrem Präsidenten zu. Er genießt nicht nur völlige Weisungsunabhängigkeit in seiner Eigenschaft als Mitglied des EZB-Rates und des Erweiterten Rates, sondern er besitzt auch ein Vetorecht hinsichtlich der Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb des Vorstandes (§ 7 Abs. 5 Satz 4 BBankG). Seine Stimme (im Verhinderungsfall die des Vizepräsidenten) gibt auch bei Stimmengleichheit im Vorstand den Ausschlag, § 7 Abs. 5 Satz 2 und 3 BBankG. c) Hauptverwaltungen und Filialen
5.443
Den Hauptverwaltungen1 der Bundesbank kommt im Rahmen der Organisation der Bundesbank keine rechtliche Selbständigkeit zu (vgl. § 8 Abs. 1 BBankG). Die früheren eigenständigen Entscheidungsbefugnisse der Hauptverwaltungen (so genannte Vorbehaltszuständigkeiten) entfielen mit der Siebenten Novelle des Bundesbankgesetzes gänzlich.
1 Der in § 8 Abs. 1 BBankG aF enthaltene Namenszusatz „Landeszentralbank“ ist durch die Siebente Novelle des BBankG weggefallen.
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5. Teil
Die Deutsche Bundesbank
Die Bundesbank unterhält neun Hauptverwaltungen (§ 8 Abs. 1 BBankG). Den Hauptverwaltungen unterstehen weitere Filialen1 der Bundesbank (Hauptstellen und Zweigstellen, § 10 BBankG). Nach der Vierten Novelle zum BBankG bestehen Hauptverwaltungen gemäß § 8 Abs. 1 BBankG jeweils für den Bereich des Landes Baden-Württemberg (Stuttgart), des Freistaates Bayern (München), der Länder Berlin und Brandenburg (Berlin), der Freien Hansestadt Bremen und der Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt (Hannover), der Freien und Hansestadt Hamburg und der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein (Hamburg), des Landes Hessen (Frankfurt), des Landes Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf), der Länder Rheinland-Pfalz und Saarland (Saarbrücken) und des Freistaates Sachsen und des Freistaates Thüringen (Leipzig). Mit der Einrichtung von länderübergreifenden Hauptverwaltungen sollten die Entscheidungsstrukturen verbessert und die Flexibilität in der Entscheidungsfindung erhöht werden2.
5.444
Innerhalb der Bundesbank werden die operativen Aufgaben (wie etwa die Abwicklung der praktischen Geschäftsabwicklung insbesondere der geldpolitischen Operationen, die praktische Durchführung der Bankenaufsicht, die Bonitätsanalyse von Unternehmen und die Bargeldversorgung der Wirtschaft) grundsätzlich von den Hauptverwaltungen einschließlich deren Filialen wahrgenommen. Hier hat sich durch die Eingliederung der Bundesbank in das Eurosystem keine wesentlichen Veränderungen ergeben3. Dies bestimmt sich nach § 10 BBankG, nachdem die Hauptverwaltungen die ihrem Bereich zugewiesenen Geschäfte und Verwaltungsangelegenheiten durchführen und die Aufsicht über die ihnen unterstehenden Filialen ihres Bereichs ausüben.
5.445
Die Hauptverwaltungen werden von einem Präsidenten geleitet. Den Präsidenten der Hauptverwaltungen kommt (anders als den früheren Landeszentralbankpräsidenten) keine Organstellung zu. Sie werden vom Vorstand der Bundesbank bestellt und unterliegen vollständig dessen Weisungen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BBankG).
5.446
Um kein Organ der Bundesbank handelt es sich auch bei den bei jeder Hauptverwaltung bestehenden Beiräten (§ 9 Abs. 1 BBankG). Die Bundesbank hält über sie Kontakt mit dem Kreditgewerbe sowie den übrigen Wirtschaftskreisen im Bereich der jeweiligen Hauptverwaltung (vgl. § 9 Abs. 2 BBankG).
5.447
d) Stellung der Glieder der Bundesbank Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BBankG hat der Vorstand mit der Zentrale in Frankfurt a.M. als Organ der Bundesbank die „Stellung einer obersten Bundesbehörde“, die durch das Fehlen einer Unterordnung unter irgendeine andere Bundesbehörde gekennzeichnet ist. 1 Vormals „Zweiganstalten“. 2 Begr. RegE des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, BT-Drucks. 12/1869, S. 7 (8). 3 Landeszentralbank in Hessen, Frankfurter Finanzmarkt-Bericht November 1998, Nr. 32, Die Rolle der Landeszentralbanken im europäischen System der Zentralbanken, S. 4.
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5.448
5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
5.449
Die sprachliche Fassung des § 29 Abs. 1 BBankG verdeutlicht, dass weder Vorstand noch die Hauptverwaltungen und Filialen zur unmittelbaren Bundesverwaltung gehören. Die gesetzliche Formulierung, dass der Vorstand die „Stellung“ einer Bundesoberbehörde habe, dieser also gleichgestellt ist, lässt im Umkehrschluss folgern, dass er selbst keine solche Bundesoberbehörde „ist“1. Somit unterliegt der Vorstand auch keiner Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers nach Art. 65 GG oder einer Fach- oder Dienstaufsicht eines Bundesministers.
5.450
Die Hauptverwaltungen und deren Filialen als rechtlich unselbständige Teile des Zentralbanksystems haben die Stellung von (dekonzentrierten) Bundesbehörden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 BBankG).
III. Aufgaben der Deutschen Bundesbank
5.451
Nach Eintritt in die dritte Stufe der WWU ist kein Raum mehr für eine spezielle nationale Geldpolitik2. Dem Eurosystem ist durch Art. 3 Abs. 4 EUV und Art. 127 AEUV die alleinige Kompetenz für die Gewährleistung der Preisstabilität zugewiesen worden. Dazu verfügt es über alle geldpolitischen Instrumente, die zur Erfüllung seiner stabilitätspolitischen Aufgaben erforderlich sind. Darüber hinaus kann der EZB-Rat über weitere Instrumente der Geldpolitik entscheiden (Art. 20 ESZB-Satzung).
5.452
Die Bundesbank wirkt an der Erfüllung der Aufgaben des Eurosystems mit dem vorrangigen Ziel mit, die Preisstabilität zu gewährleisten (§ 3 Satz 2 BBankG). Der Präsident der Bundesbank ist Mitglied des EZB-Rates, als solches ist er aber kein Vertreter der Bundesbank oder eines Mitgliedsstaates. Daneben hat die Bundesbank für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland zu sorgen. Zur Angleichung an den AEUV wurde auch klargestellt, dass es zu den Aufgaben der Bundesbank gehört, die Währungsreserven der Bundesrepublik Deutschland zu halten und zu verwalten sowie zur Stabilität der Zahlungs- und Verrechnungssysteme beizutragen. Nicht explizit aufgeführt ist im Bundesbankgesetz die Beteiligung der Bundesbank im Rahmen der Aufsicht über Kreditinstitute, diese ergibt sich aus § 7 KWG.
5.453
Gegenüber der früheren Fassung des Bundesbankgesetzes ist die Beteiligung der Bundesbank an der Emission von Schuldverschreibungen des Bundes gestrichen worden (§ 20 Abs. 2 BBankG aF). Hiermit wurde die Konsequenz aus der Übertragung dieser Aufgaben auf die Finanzagentur des Bundes3 gezogen.
1 Vgl. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, 1959, § 2 Anm. K 25; BT-Drucks. 1957, 2/2781, S. 42. 2 Begr. RegE des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, BT-Drucks. 13/7728, S. 6. 3 Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH, weitere Informationen unter www.deutsche-finanzagentur.de.
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5. Teil
Die Deutsche Bundesbank
Die Rolle der Bundesbank als Fiskalagent der Bundesregierung bleibt hiervon jedoch unberührt.
1. Mitwirkung bei Umsetzung der Geldpolitik des Eurosystems Vorrangige Aufgabe des Eurosystems ist die Gewährleistung der Preisstabilität (Art. 127 Abs. 1 Satz 1 AEUV). Es besitzt die alleinige Zuständigkeit für die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik in der dritten Stufe der WWU (Art. 4 EUV, Art. 127 Abs. 2 AEUV; Art. 3 Abs. 1 ESZB-Satzung). Dabei trifft der EZB-Rat, der sich aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken des Euro-Währungsgebietes zusammensetzt, die grundlegenden Entscheidungen über die Festlegung und den Einsatz der geldpolitischen Instrumente (Art. 12 Abs. 1 iVm. Art. 17 ff. ESZBSatzung). Bei ihren Entscheidungen sind die Präsidenten der nationalen Zentralbanken nicht an die Weisungen der Beschlussorgane der nationalen Zentralbanken gebunden.
5.454
Der Deutschen Bundesbank kommt insoweit jedoch noch die Funktion zu, die geldpolitischen Leitlinien und Entscheidungen in den Ausschüssen und Arbeitsgruppen des Eurosystems vorzubereiten, sie in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber ihren Geschäftspartnern umzusetzen und in der Öffentlichkeit zu erläutern.
5.455
Zur Durchführung von Geschäften, die zu den Aufgaben des Eurosystem gehören, nimmt die EZB die nationalen Zentralbanken in Anspruch, soweit dies möglich und sachgerecht erscheint (Art. 12 Abs. 1 ESZB-Satzung). Entsprechend diesem Grundsatz der dezentralen Aufgabenausführung hat der EZBRat für den Bereich der Geldpolitik bestimmt, das die Durchführung der geldpolitischen Geschäfte grundsätzlich von den nationalen Zentralbanken wahrgenommen wird (mit Ausnahme von bilateralen Feinsteuerungsmassnahmen der EZB in bestimmten Ausnahmefällen, siehe Rz. 5.348). Dieses Prinzip der dezentralen Aufgabenerfüllung ist in der von der EZB verabschiedeten zentralen Leitlinie 2000/7 über die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems v. 31.8.20001 (im Folgenden „Geldpolitische Leitlinie“) umgesetzt worden. Die Leitlinie enthält in ihrem Anhang 1 („Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems“, im Folgenden „Allgemeine Regelungen“) die rechtliche Ausgestaltung der geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems2. Daneben enthält sie
5.456
1 ABl. EG Nr. L 310 v. 11.12.2000, S. 1; zuletzt geändert durch EZB-Leitlinie v. 4.3.2010 zur Änderung der Leitlinie EZB/2000/7 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (EZB/2010/1), ABl. EU Nr. L 63 v. 12.3.2010, S. 22. Eine nicht amtliche konsolidierte Fassung findet sich unter http://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/ pdf/02000x0776-20090511-de.pdf. 2 Es handelt sich um die rechtliche Umsetzung und Fortentwicklung der Prinzipien, welche durch die EZB bereits im September 1998 in ihrem Bericht „Die einheitliche Geldpolitik in Stufe 3 – Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des ESZB“ veröffentlicht wurden. Die jüngste Fassung „Durchführung
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5. Teil
Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
in ihrem Anhang 2 weitere spezifische rechtliche Anforderungen für befristete Transaktionen, insbesondere echte Wertpapierpensionsgeschäfte und Devisenswapgeschäfte.
5.457
Als Konsequenz des in Art. 12 Abs. 1 ESZB-Statut verankerten Grundsatzes der dezentralen Durchführung von Geschäften des Eurosystems werden die geldpolitischen Geschäfte mit Kreditinstituten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle durch die jeweils für sie geographisch zuständige nationale Zentralbank abgewickelt. Die Einzelheiten der geldpolitischen Instrumente und Verfahren werden im 6. Abschnitt (Rz. 5.329 ff.) erläutert. a) Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank1
5.458
Die Geldpolitische Leitlinie der EZB ist ebenso wie ihre Änderungen von den nationalen Zentralbanken umzusetzen. Eine solche Umsetzung ist erforderlich, da Leitlinien und Weisungen der EZB gemäß Art. 14 Abs. 3 ESZB-Satzung Bindungswirkung lediglich für die nationalen Zentralbanken. So stellen die Allgemeinen Regelungen (Anhang 1 der Geldpolitischen Leitlinie)2 einleitend ausdrücklich fest, dass sie keine Rechte oder Pflichten der Geschäftspartner begründen. Dabei steht es den nationalen Zentralbanken bei der Umsetzung frei, entsprechend ihrer nationalen Praxis und anwendbaren Rechtsrahmens für die Umsetzung des auf privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Handlungsformen zurückzugreifen (siehe Rz. 5.327).
5.459
Die Umsetzung der Geldpolitischen Leitlinie durch die Bundesbank erfolgt dabei in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)3. Insoweit hat die Deutsche Bundesbank die Form zivilrechtlicher, durch allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeformte Verträge mit ihren Geschäftspartnern beibehalten, wie es der für Bundesbankgeschäfte und der im gesamten deutschen Bankgewerbe geltenden Tradition entspricht4.
5.460
Bei der Ausgestaltung der AGB hatte die Bundesbank die Vorgaben der EZB zu beachten. Hierbei hatte sie allerdings auch gestaltende Entscheidungen zu treffen, soweit die Geldpolitische Leitlinie Raum für eine Konkretisierung entsprechend nationaler Gepflogenheiten einräumte5. Einer solchen Konkreti-
1 2 3
4 5
der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet – Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems, November 2008“ findet sich auf der EZB-Webseite, http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/gendoc2008de.pdf. Deutsche Bundesbank, Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank, Bankrechtliche Regelungen 5, 4. Ausgabe, Stand 1.7.2003. Allgemeine Regelungen, Einleitung, S. 2. Deutsche Bundesbank, Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank, Bankrechtliche Regelungen 5, 5. Ausgabe, Stand 15.3.2010, siehe http://www. bundesbank.de/download/presse/publikationen/agb.pdf. Insoweit behielt die Bundesbank die Nutzung zivilrechtlicher, durch allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeformter Verträge mit ihren Geschäftspartnern bei, wie es der Tradition der Bundesbankgeschäfte und des deutschen Bankgewerbes entspricht. Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19 (20, 21). Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19.
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Die Deutsche Bundesbank
sierung des vorgegebenen geldpolitischen Handlungsrahmen bedurfte insbesondere die rechtliche Ausgestaltung der Offenmarktgeschäfte. Die Ausformung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die geldpolitischen Geschäfte ist mit Ausnahme des Instruments der Mindestreserve in den AGB der Bundesbank erfolgt. Für die geldpolitischen Geschäfte der Bank mit den Geschäftspartnern gelten ausschließlich die AGB und die besonderen Bedingungen für bestimmte Geschäftsarten (vgl. Abschnitt V Nr. 1 Abs. 2 AGBBundesbank). Das Instrument der Mindestreserve ist hingegen in den AGB nicht angesprochen, da insoweit Rechte und Pflichten der Geschäftspartner ausschließlich durch die unmittelbar bindenden Verordnungen der Union und der EZB begründet werden. Auf Grund Art. 19 ESZB-Satzung, ergänzt durch die Verordnung (EG) Nr. 2531/98 des Rates v. 23.11.1998 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die Europäische Zentralbank (EG-MR-VO)1 sowie die Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 der Europäischen Zentralbank (EZB/2003/9) v. 12.9.2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB-MR-VO)2 sind Kreditinstitute unmittelbar verpflichtet, im Rahmen dieser Mindestreservevorschriften des Eurosystems die von ihnen zu leistenden Mindestreserven auf Konten bei der jeweils zuständigen nationalen Zentralbank zu unterhalten.
5.461
b) Umsetzung der Geldpolitik durch die Bundesbank auf zivilrechtlicher Ebene Die privatrechtliche Ausgestaltung der geldpolitischen Refinanzierungsgeschäfte der Bundesbank ist kein Novum. Sie wurde schon vor der dritten Stufe der WWU praktiziert, als die Deutsche Bundesbank noch währungspolitische Eigenverantwortung hatte.
5.462
Wie schon früher, als die Bundesbank für die Refinanzierungskredite die früheren Diskont- und Lombardzinssätze festsetzte, handelt es sich bei der Durchführung der geldpolitischen Geschäfte um hoheitliche Maßnahmen3.
5.463
1 ABl. EG Nr. L 318 v. 27.11.1998, S. 1; geändert durch Verordnung 134/2002/EG v. 22.1.2002, ABl. EG Nr. L 24 v. 26.1.2002, S. 24. 2 ABl. EU Nr. L 250 v. 2.10.2003, S. 10, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1052/2008 der EZB v. 22.10.2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 (EZB/2003/9) über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2008/10), ABl. EU Nr. L 282 v. 25.10.2008, S. 14. Siehe auch Verordnung (EG) Nr. 1637/2006 der EZB v. 2.11.2006 über Übergangsbestimmungen für die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die EZB nach der Einführung des Euro in Slowenien (EZB/2006/15), ABl. EU Nr. L 306 v. 7.11.2006, S. 15; Verordnung (EG) Nr. 1348/2007 der EZB v. 9.11.2007 über Übergangsbestimmungen für die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die EZB nach der Einführung des Euro in Zypern und Malta (EZB/2007/11), ABl. EU Nr. L 300 v. 17.11.2007, S. 44; Entscheidung der EZB v. 28.10.2008 zu Übergangsbestimmungen für die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die EZB nach der Einführung des Euro in der Slowakei (EZB/2008/14), ABl. EU Nr. L 319 v. 29.11.2008, S. 73. 3 Vgl. die hM zum BBankG aF: Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 88 GG Rz. 39 ff.; Fröhlich, Die währungspolitischen Instrumente der Deutschen Bundesbank und ihrer Einordnung in die Regelungsbefugnisse des öffentlichen Rechts, 1983; Coburger, Die währungspolitische Befugnisse der Deutschen Bundesbank, 1988; Coburger, Mindest-
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Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
Denn bei der Steuerung des Geldumlaufs zur Sicherung der Geldwertstabilität im Rahmen des Eurosystems nimmt die Bundesbank öffentliche Aufgaben wahr und handelt daher in Ausübung hoheitlicher Befugnisse.
5.464
Der öffentlichrechtlichen Qualifizierung der geldpolitischen Maßnahmen steht nicht entgegen, dass die Bundesbank zur Umsetzung der geldpolitischen Vorgaben des Eurosystems privatrechtliche Geschäfte mit Kreditinstituten, unter anderem in Gestalt von Kauf- und Darlehensverträgen auf der Grundlage der vom EZB-Rat hoheitlich festgesetzten Referenzzinssätze, tätigt. Der Staat, wie auch andere juristische Personen des öffentlichen Rechts, kann sich der Handlungsformen des Privatrechts bedienen, soweit dies nicht gesetzlich ausgeschlossen ist1. Insbesondere die staatliche Leistungsverwaltung bedient sich privatrechtlicher Handlungsformen, um Leistungsbeziehungen zu anspruchsberechtigten Personen inhaltlich auszugestalten. Die Entscheidung über die Leistungsgewährung als solche erfolgt dagegen durch hoheitliche Willenskundgebungen, insbesondere in Gestalt von Verwaltungsakten. Insoweit ist das Verwaltungshandeln dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Dagegen erfolgt die Leistungsgewährung selbst auf privatrechtlicher Grundlage, indem entsprechende zivilrechtliche Verträge abgeschlossen werden2. Das Handeln der Bundesbank im Rahmen ihrer Mitwirkung an der Ausübung der währungspolitischen Verantwortung des Eurosystems vollzieht sich deshalb sowohl auf öffentlichrechtlicher als auch auf privatrechtlicher Ebene. Die von der Bundesbank durchgeführten geldpolitischen Refinanzierungsgeschäfte sind also zivilrechtliche Verträge, deren nähere rechtliche Ausgestaltung in den AGB der Bundesbank erfolgt. c) Geschäftspartner der Bundesbank
5.465
Hinsichtlich der Durchführung von geldpolitischen Geschäften ist die Bundesbank beschränkt auf solche Kreditinstitute, die als Geschäftspartner Zugang zu den geldpolitischen Instrumenten des Eurosystems haben, also solche, die in Deutschland ansässig oder niedergelassen und zur Unterhaltung von Mindestreserven verpflichtet sind (Abschnitt V Nr. 1 Abs. 1 AGB-Bundesbank). Die Geschäftspartner müssen grundsätzlich ein Girokonto bei der Bundesbank unterhalten.
5.466
Für sonstige Geschäfte mit Kreditinstituten oder sonstigen Marktteilnehmern ist die in § 19 BBankG aF enthaltene Beschränkung auf in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Institute durch die Neufassung des § 19 BBankG entfallen.
reserve- und Diskontpolitik der deutschen Bundesbank aus rechtlicher Sicht, WM 1989, 1005 ff. 1 Ehlers in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rz. 35. 2 Im Einklang mit der sog. Zweistufentheorie vgl. Wolf/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 22 Rz. 55 ff.; siehe auch Ehlers in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rz. 33 mwN.
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Die Deutsche Bundesbank
2. Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs Gemäß § 3 BBankG hat die Bundesbank die Aufgabe, für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland zu sorgen. Diese Funktion wird von den Kreditinstituten in weitem Umfang für den Zahlungsverkehr zwischen verschiedenen Instituten und den Gironetzen der einzelnen Gruppen der Kreditinstitute genutzt1.
5.467
Der unbare Zahlungsverkehr wird über die Filialen (früher Zweiganstalten) der Bundesbank abgewickelt. Dazu führen die Filialen Konten für die Kreditinstitute ihres Bankbezirks. Kontoinhaber können Überweisungsaufträge und Weisungen zur Weiterleitung von Überweisungsbeträgen an eine weitere zwischengeschaltete Stelle oder an den Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers beleglos per Datenfernübertragung einreichen.
5.468
Für die Abwicklung des Großbetragszahlungsverkehrs steht TARGET2-Bundesbank als deutsche Komponente des vom Eurosystem betriebenen TARGET2-Systems den teilnehmenden Kreditinstituten zur Verfügung (siehe Rz. 5.243). Hierbei nimmt die Bundesbank auf Euro lautende Überweisungen in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur taggleichen Ausführung entgegen.
5.469
Nicht zeitkritische Zahlungen ihrer Kunden an andere Institute wickeln die Banken großenteils bilateral oder über bankgruppeneigene Systeme ab. Darüber hinaus stellt die Bundesbank mit dem „Elektronischen Massenzahlungsverkehr“ (EMZ) allen Banken – und daher wettbewerbsneutral – für institutsübergreifende Zahlungen ein ergänzendes System zur Verfügung2. Seit Januar 2006 bietet die Bundesbank einen SWIFTNet-Zugang an und seit Januar 2009 wird zusätzlich das Kommunikationsverfahren EBICS (Electronic Banking Internet Communication Standard) unterstützt. Rund 700 Kreditinstitute und sonstige Kontoinhaber der Bundesbank, beispielsweise öffentliche Verwaltungen, nutzen den EMZ und reichen arbeitstäglich rund 9 Mio. Aufträge (im Gegenwert von 8 Mrd. Euro) ein, die sich zu rund 40 % auf Überweisungsaufträge und zu rund 60 % auf Einzugsaufträge (Lastschriften und umgewandelte Schecks) aufteilen. Durch die Bruttoabwicklung im EMZ ist ein Kreditrisiko für den Zahlungsempfänger ausgeschlossen3.
5.470
Seit November 2003 hat die Bundesbank das EMZ-Clearingverfahren auch für grenzüberschreitende europäische Zahlungen geöffnet (durch Anbindung an das STEP2-Verfahren der Euro Banking Association). Sie bietet damit den deutschen Kreditinstituten eine Schnittstelle zu übergreifenden paneuropäischen Strukturen. Insbesondere öffentliche Verwaltungen nutzen die An-
5.471
1 Vgl. Friedrich in Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 72, 81. 2 Siehe Bundesbank-Webseite, http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr_massenzahlungsverkehr.php. 3 Siehe Bundesbank-Webseite, http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr_massenzahlungsverkehr.php.
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Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
bindung des EMZ an STEP2, um ihre grenzüberschreitenden Euro-Massenzahlungen EU-weit abzuwickeln1.
5.472
Gemeinsam mit der deutschen Kreditwirtschaft hat die Bundesbank das Scheckeinzugsverfahren vereinfacht und modernisiert. Am 3.9.2007 wurde das Großbetrag-Scheckeinzugsverfahren mit gesonderter Vorlage der Originale (GSE-Verfahren) durch die Einführung eines imagegestützten Scheckeinzugsverfahrens (ISE) abgelöst. Beim ISE-Verfahren werden Schecks ab 6000 Euro nicht mehr in Papierform, sondern in Form eines elektronischen Bildes (Image) nebst zugehörigem Clearing-Datensatz bei der Deutschen Bundesbank als Abrechnungsstelle gemäß Art. 31 Scheckgesetz eingeliefert. Die Abrechnungsstelle leitet diese Scheckbilder an die bezogene Bank oder an eine von dieser bestimmten Stelle weiter, welche anhand des jeweiligen Scheckbildes die Einlösung des Schecks prüft. Eine Rückrechnung von Scheckgegenwerten nicht eingelöster Schecks erfolgt über die Abrechnungsstelle. Im Falle der Nichteinlösung und bei eingehaltener Vorlagefrist gemäß Art. 29 Scheckgesetz gibt die Abrechnungsstelle zur Feststellung der Zahlungsverweigerung eine Erklärung gemäß Art. 40 Nr. 3 Scheckgesetz ab und stellt diese dem Scheckeinreicher auf Anforderung zur Verfügung2.
5.473
Daneben wickelt die Bundesbank im Auslandszahlungsverkehr (AZV) Überweisungen in das bzw. aus dem Ausland ab. Das AZV-Verfahren steht auch für Zahlungsaufträge in Länder außerhalb der Europäischen Union zur Verfügung3.
5.474
Schließlich wickelt die Deutsche Bundesbank den Geldverrechnungsverkehr für die Clearstream Banking AG (so genannte Kassenvereinsabrechnung) und für die Terminbörse Eurex ab.
5.475
Der Rechtsrahmen für die Beteiligung der Bundesbank am Zahlungsverkehr im Inland und mit dem Ausland und insbesondere für grenzüberschreitende TARGET-Zahlungsaufträge findet sich in den AGB der Deutschen Bundesbank4.
3. Bargeldversorgung
5.476
Die Bundesbank nimmt auch Aufgaben im Bereich der Bargeldversorgung der Wirtschaft wahr. Hierzu bedient sie sich die ihres Netzes von Filialen. Dort werden die Banknoten (und Münzen) unter Zuhilfenahme von beauftragten Geldtransportunternehmen durch Kreditinstitute und öffentliche Kassen abgehoben und gelangen so in die Wirtschaft. Von dort fließen sie in den Ban-
1 Siehe Bundesbank-Webseite, http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr_massenzahlungsverkehr.php. 2 Siehe Bundesbank-Webseite, http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr_ise.php. 3 Siehe Bundesbank-Webseite, http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr_masse.php. 4 Insbesondere AGB-Bundesbank, Abschnitte II. und X. F.
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Die Deutsche Bundesbank
kensektor zurück und werden letztlich wieder bei der Bundesbank zur Gutschrift auf den dort unterhaltenen Konten eingezahlt. Im Zuge dieses Bargeldkreislaufs nimmt die Bundesbank auch eine wichtige Filterfunktion für die Qualität des umlaufenden Bargeldes wahr. So werden von ihr nicht nur laufend verschmutzte, zerrissene oder sonst nicht mehr umlauffähige Noten durch neu herausgegebene Banknoten ersetzt, sondern ihr kommt auch eine wichtige Rolle bei der Erkennung und Aussortierung falscher Noten sowie allgemein dem Bereich der Falschgeldprävention (Aufklärung und Information zur Falschgelderkennung, Warnung von umlaufenden Fälschungen) zu1.
5.477
4. Verwaltung der Währungsreserven Die Bundesbank ist, wie durch § 3 Satz 2 BBankG bestätigt, für die Verwaltung der offiziellen Währungsreserven der Bundesrepublik Deutschland zuständig. Soweit die Währungsreserven nicht mit Beginn der dritten Stufe der WWU auf die EZB übertragen wurden, ist die Bundesbank für Geschäfte ab einer gewissen Größenordnung an die Zustimmung der EZB gebunden, um die Einheitlichkeit der gemeinsamen Geldpolitik zu wahren.
5.478
5. Unterstützung der Bankenaufsicht Die Bundesbank wirkt ferner bei der staatlichen Beaufsichtigung der Kreditund Finanzdienstleistungsinstitute in Deutschland mit. Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Bundesbank in diesem Bereich sind die Regelungen des Gesetzes über das Kreditwesen2, die Inhalt und Umfang der Aufgaben der Deutschen Bundesbank in diesem Bereich festlegen (§ 7 Abs. 1 KWG).
5.479
Diese Rolle der Bundesbank erklärt sich sowohl historisch, als auch auf Grund ihrer Aufgaben, da sich auf dem Gebiet des Finanzwesens geldpolitische und bankenaufsichtliche Gesichtspunkte häufig überschneiden oder ergänzen. Dies kommt auch im Art. 127 Abs. 5 AEUV für das Eurosystem zum Ausdruck. Hierzu sind ein enges Zusammenwirken von Zentralbanken und den anderen Aufsichtsinstitutionen sowie ein laufender Austausch von Informationen notwendig. Eng verknüpft ist diese Aufgabe auch mit der gesamtwirtschaftlichen Zielsetzung der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Finanzsystems in Deutschland, in Europa und im internationalen Bereich.
5.480
Mit der Aufsichtsfunktion sind in Deutschland eine Reihe von Einrichtungen betraut. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Bundesanstalt für Finanzdienst-
5.481
1 Haug in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 123 Rz. 50. 2 Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz – KWG) idF der Bekanntmachung v. 9.9.1998, BGBl. I 1998, S. 2776, zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 8 des Gesetzes zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten v. 30.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2437.
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Der Euro und das Europäische System der Zentralbanken
leistungsaufsicht (BAFin). Sie wurde am 1.5.2002 durch Zusammenlegung des für die Bankenaufsicht zuständigen Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BAKred), des Aufsichtsamts für das Versicherungswesen sowie des Aufsichtsamts für den Wertpapierhandel als selbständige Bundesoberbehörde (unter Aufsicht und Weisung des Bundesministeriums der Finanzen) errichtet (§ 1 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – FinDAG1).
5.482
Die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Bundesbank und der BAFin werden im Rahmen der beratenden Gremien der BAFin festgeschrieben (§§ 3, 7 und 8 FinDAG). Darüber hinaus schreibt § 7 KWG die operative Beteiligung der Bundesbank bei der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute iS des KWG vor. Die Mitwirkung der Bundesbank bei der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bankensystems zeigt sich insbesondere daran, dass die BAFin Richtlinien zur laufenden Aufsicht nur im Einvernehmen mit der Bundesbank erlassen kann (§ 7 Abs. 2 Satz 2 KWG). Dies gilt insbesondere für die Aufstellung der Grundsätze für Eigenkapital und Liquidität der Kreditinstitute (§§ 10 Abs. 1 Satz 2, 11 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 KWG). Schließlich sieht § 7 Abs. 3 Satz 1 KWG den Austausch von Informationen vor, die für die Erfüllung der jeweiligen Aufgaben der Bundesbank und der BaFin von Bedeutung sein können.
5.483
In der praktischen Ausübung der ihr zugewiesenen laufenden Überwachung nimmt die Bundesbank eine zentrale Funktion im Hinblick auf das bankenaufsichtliche Anzeigen- und Berichtswesen ein, insbesondere prüft sie Meldungen, Unterlagen zum Jahresabschluss der Institute und Prüfberichte der Wirtschaftsprüfer. Die Bundesbank ist auch die Evidenzzentrale für Millionenkredite nach § 14 KWG, prüft die Zusammenfassung zu Kreditnehmereinheiten bei der Berechnung von Groß- und Millionenkrediten und führt zur Erfüllung ihrer Aufgaben monatliche Bilanzstatistiken bei allen Kreditinstituten durch (§ 18 BBankG), die auch als bankenaufsichtliche Monatsausweise gemäß § 25 KWG gelten.
5.484
Weiter führt die Bundesbank im Auftrag der BAFin die in § 7 Abs. 1 Satz 3 KWG bankgeschäftliche Prüfungen gemäß der „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) vom 14.8.2009 durch. Darüber hinaus führt die Bundesbank Prüfungen zur Anerkennung institutseigener Risikomessund Steuerungsmodelle bei der Ermittlung der Eigenmittelunterlegung von Marktpreisrisiken durch sowie Zulassungsprüfungen für IRB-Ansätze (auf internen Ratings basierende Ansätze) im Bereich des Kreditrisikos oder AMAAnsätze (Advanced Measurement Approach) im Bereich des operationellen Risikos.
1 Als Teil des Gesetzes über die integrierte Finanzaufsicht v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, S. 1310.
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Schließlich ist die Bundesbank über ihre Mitgliedschaft in verschiedenen internationalen und europäischen Gremien auch eng eingebunden in Konzeption und Entwicklung internationaler wie europäischer Standards moderner Regulierung im Bankenaufsichts- und Finanzmarktstabilitätsbereich einbezogen. Neben der Mitwirkung an Aufsichtsfragen im ESZB durch Mitgliedschaft im Ausschuss der europäischen Bankenaufseher (CEBS)1 sowie im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS)2 bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).
1 www.cebs.org, siehe auch http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_cebs.php. 2 www.bis.org.
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5.485
2. Hauptteil Bankrecht (Retail und Commercial Banking) 6. Teil Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung Rz.
Rz. 1. Abschnitt: Bankmäßige Geschäftsverbindung (Peterek) . .
1
I. Geschäftsverbindung und einzelnes Bankgeschäft . . . . . . . .
2
II. Rechtsnatur der Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . . . 1. Lehre vom allgemeinen Bankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsprechung des BGH . . 2. Abschnitt: Allgemeine Geschäftsbedingungen (Peterek)
5 6 8 16
I. AGB im Verhältnis Bank – Kunde 1. Regelungsbedürfnis . . . . . . . 2. Begriff der AGB . . . . . . . . . a) Grundzüge . . . . . . . . . . b) AGB versus Individualabrede . 3. Einbeziehung in die bankmäßige Geschäftsverbindung . . . . . . a) Einbeziehungsvoraussetzungen b) Geltung der AGB von Dritten
17 17 19 19 28
II. Inhaltskontrolle von AGB . . . . 1. Prüfungsmaßstab . . . . . . . . a) Allgemeine Grundsätze . . . . b) Insbesondere: Verbot der unangemessenen Benachteiligung . 2. Rechtsschutz . . . . . . . . . . 3. Sittenwidrigkeit, Ausübungskontrolle . . . . . . . . . . . .
49 51 51
70
III. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB . . . . . . . . . . . .
74
3. Abschnitt: AGB-Banken im Einzelnen . . . . . . .
86
32 32 46
58 66
I. Nr. 1 AGB-Banken: Geltungsbereich und Änderungen (Peterek) . 88 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . 88 2. Einbeziehungsvoraussetzungen . 91 3. Änderungen der AGB . . . . . . 93 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . . 102
II. Nr. 2 AGB-Banken: Bankgeheimnis und Bankauskunft (Merz) . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . 2. Bankgeheimnis . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . b) Gegenstand des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . c) Umfang des Bankgeheimnisses d) Durchbrechung des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . . aa) Einwilligung des Kunden . bb) Pflichtenkollision bei Warnpflichten gegenüber anderen Kunden . . . . . . cc) Überwiegendes Eigeninteresse der Bank . . . . . . . e) Auskünfte gegenüber staatlichen Stellen . . . . . . . . . aa) Zivilprozess . . . . . . . . bb) Strafprozess . . . . . . . . cc) Steuerrecht . . . . . . . . dd) Auskunftspflicht gegenüber anderen Verwaltungsbehörden . . . . . . . . . . . . f) Unterrichtung des Kunden . . g) Sanktionen bei Verletzung des Bankgeheimnisses . . . . . . . 3. Bankauskunft . . . . . . . . . . a) Befugnis zur Erteilung einer Bankauskunft . . . . . . . . . aa) Auskünfte über Geschäftskunden . . . . . . . . . . bb) Auskünfte über Privatkunden und sonstige Kunden . b) Inhalt der Bankauskunft . . . c) Empfänger von Bankauskünften d) Berechtigtes Interesse . . . . . e) Keine schutzwürdigen Belange des Kunden . . . . . . . . . . f) Haftung für fehlerhafte Auskünfte . . . . . . . . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . .
Merz/Peterek
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111 111 112 115 118 122 126 128
131 132 135 136 138 142
147 149 152 155 157 159 161 163 165 166 167 168 171
559
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung Rz.
III. Nr. 3 AGB-Banken: Haftung der Bank; Mitverschulden des Kunden (Peterek) . . . . . . 1. Haftungsgrundsätze . . . . . 2. Begrenzte Haftung bei weitergeleiteten Kundenaufträgen . 3. Haftungsausschluss bei Störung des Bankbetriebs . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . .
. 176 . 176 . 181 . 187 . 190
IV. Nr. 4 AGB-Banken: Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden (Peterek) . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für eine Aufrechnung des Kunden . . . . . 3. AGB-Sparkassen . . . . . . . . V. Nr. 5 AGB-Banken: Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden (Peterek) . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . 2. Nachweis der Erbfolge und der Verfügungsberechtigung . . . . 3. Leistungsbefreiung der Bank . 4. Rechtslage bis zu einer Klärung der Verfügungsbefugnis . 5. AGB-Sparkassen . . . . . . . . VI. Nr. 6 AGB-Banken: Maßgebliches Recht und Gerichtsstand (Peterek) . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . 2. Rechtswahlklausel . . . . . . 3. Gerichtsstand bei kaufmännischen und öffentlich-rechtlichen Kunden . . . . . . . . . a) Inlandskunden . . . . . . . b) Auslandskunden . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . VII. Nr. 7 AGB-Banken: Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufender Rechnung) (Peterek) . . . . . . 1. Erteilung eines Rechnungsabschlusses . . . . . . . . . . 2. Prüfung und Einwendungen . . 3. Saldoanerkenntnis durch Schweigen . . . . . . . . . . . 4. Rückforderungsanspruch . . .
560
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Merz/Peterek
196 196 198 203
206 206 208 212 219 221
226 226 227
231 233 235 236
241 241 244 245 249
Rz. 5. Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften (Nr. 7 Abs. 3 aF) . . . . . . . . . . . . . . . 251 6. AGB-Sparkassen . . . . . . . . 253 VIII. Nr. 8 AGB-Banken: Stornound Berichtigungsbuchungen der Bank (Peterek) . . . . . . . 1. Stornobuchung vor Rechnungsabschluss . . . . . . . . . . . a) Stornorecht . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . 2. Berichtigungsbuchung nach Rechnungsabschluss . . . . . . a) Abgrenzung zum Stornorecht b) Rechtliche Konstruktion . . 3. Unterrichtungspflicht und valutagerechte Buchung . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . IX. Nr. 9 AGB-Banken: Einzugsaufträge (Peterek) . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . 2. Vorbehaltsgutschriften . . . . . 3. Einlösung von Lastschriften und vom Kunden ausgestellter Schecks . . . . . . . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . X. Nr. 10 AGB-Banken: Fremdwährungsgeschäfte und Risiken bei Fremdwährungskonten (Peterek) . . . . . . . . . . . . 1. Funktion und Leistungsumfang eines Fremdwährungskontos . . 2. Gutschriften bei Fremdwährungsgeschäften . . . . . . . . 3. Beschränkung und Aussetzung der Leistungspflicht der Bank . 4. Umrechnungskurs bei Fremdwährungsgeschäften . . . . . . 5. AGB-Sparkassen . . . . . . . . XI. Nr. 11 AGB-Banken: Mitwirkungspflichten des Kunden (Peterek) . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Regelung . . . . 2. Mitwirkungspflichten des Kunden im Einzelnen . . . . . . . a) Mitteilung von Änderungen . b) Änderung einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht . . . . . . . . .
256 256 257 259 268 268 270 272 274 281 281 284
291 298
301 301 305 307 313 315
321 321 324 324
326
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung Rz. c) Weitergehende gesetzliche Mitteilungspflichten . . . . d) Klarheit von Aufträgen . . . e) Besondere Hinweise bei der Ausführung eines Auftrages . f) Unterlassene Einwendungen g) Benachrichtigung der Bank bei Ausbleiben von Mitteilungen . . . . . . . . . . . 3. AGB-Sparkassen . . . . . . . . XII. Nr. 12 AGB-Banken: Zinsen, Entgelte und Auslagen (Peterek) 1. Regelungsgegenstände . . . . . 2. Zinsen und Entgelte innerhalb und außerhalb des Privatkundengeschäfts . . . . . . . . . . a) Zinsen und Entgelte im Privatkundengeschäft . . . . . b) Zinsen und Entgelte außerhalb des Privatkundengeschäfts . . . . . . . . . . c) Nicht entgeltfähige Leistungen . . . . . . . . . . . . . 3. AGB-rechtliche Inhaltskontrolle von Entgeltklauseln . . . . . a) Echte Preisvereinbarung (Preishauptabrede) . . . . . . b) Preisnebenabrede . . . . . . c) Abgrenzungsfragen . . . . . 4. Änderung von Zinsen und Entgelten . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Grundsätze . . . b) Änderung von Zinsen bei Krediten . . . . . . . . . . . c) Änderung von Entgelten im Übrigen . . . . . . . . . . . 5. Ersatz von Auslagen . . . . . . 6. Besonderheiten bei Verbraucherdarlehensverträgen und Zahlungsdiensteverträgen . . . 7. AGB-Sparkassen . . . . . . . . XIII. Nr. 13 AGB-Banken: Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (Merz) . . . . . . 1. Originärer Besicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . a) Erfordernis einer bankmäßigen Sicherheit . . . . . . . . b) Konkretisierung durch den Bankkunden . . . . . . . . c) Keine Überprüfungs- und Aufklärungspflichten der Bank .
328 329 331 332
334 337 341 341
343 343
348 350 352 353 356 365 370 370 373 376 379
382 386
391 392 396 397 398
2. Nachbesicherungsanspruch . . 3. Grenzen des Besicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . a) Vorrang der Individualabrede b) Erlöschen des Besicherungsanspruchs . . . . . . . . . . c) Sonderregelung für Verbraucherkredite . . . . . . . . . d) Eingeschränkter Besicherungsanspruch gegen Bürgen e) Fristgewährung für die Sicherheitsleistung . . . . . 4. Nichterfüllung des Besicherungsanspruchs als Kündigungsgrund . . . . . . . . . . 5. AGB-Sparkassen . . . . . . . .
Rz. 399 403 404 405 407 408 409
410 411
XIV. Nr. 14 AGB-Banken: Vereinbarung eines Pfandrechts zu Gunsten der Bank (Merz) . . . 1. Einigung über den Pfandrechtserwerb . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsobjekte . . . . . . . . 3. Ausnahmen vom Pfandrecht . . 4. Gesicherte Forderungen . . . . 5. Zins- und Gewinnanteilscheine 6. AGB-Sparkassen . . . . . . . .
417 419 423 428 431 432
XV. Nr. 15 AGB-Banken: Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln (Merz) . . . . . . . . . . 1. Erwerb von Sicherungseigentum . . . . . . . . . . . . . 2. Sicherungsabtretung . . . . . 3. Sonderregeln für zweckgebundene Inkassopapiere . . . . . 4. Enger Sicherungszweck . . . 5. Freigabepflicht . . . . . . . . 6. AGB-Sparkassen . . . . . . .
445 446 448 449
. 436 . 438 . 441 . . . .
XVI. Nr. 16 AGB-Banken: Begrenzung des Besicherungsanspruchs und Freigabeverpflichtung (Merz) . . . . . . . 1. Freigabeanspruch durch Auslegung des Sicherungsvertrages 2. Begriff der Deckungsgrenze . . 3. Bewertung der Sicherheiten . . 4. Wahlrecht der Bank . . . . . . 5. AGB-Sparkassen . . . . . . . .
Merz/Peterek
416
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456 461 463 466 472 474
561
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung Rz.
XVII. Nr. 17 AGB-Banken: Verwertung von Sicherheiten (Merz) 1. Auswahlrecht der Bank . . . 2. Gebot zur Rücksichtnahme . a) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gebot des milderen Mittels . . . . . b) Gebot der bestmöglichen Verwertung . . . . . . . . 3. Umsatzsteuerrechtliche Erlösgutschrift . . . . . . . . 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . XVIII. Nr. 18 AGB-Banken: Kündigungsrechte des Kunden (Merz) . . . . . . . . . . . . 1. Jederzeitiges Kündigungsrecht 2. Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzliche Kündigungsrechte 4. Kündigungsrecht nach Nr. 26 AGB-Sparkassen . . . . . . . XIX. Nr. 19 AGB-Banken: Kündigungsrechte der Bank (Merz) 1. Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist . . . . 2. Kündigung unbefristeter Kredite . . . . . . . . . . . . . 3. Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist . . . . . . . a) Kündigung wegen unrichtiger Angaben . . . . . . . b) Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung . . c) Kündigung wegen ausbleibender Nachbesicherung . d) Vorherige Abmahnung . . 4. Kündigung von Verbraucherdarlehen bei Verzug . . . . . 5. Abwicklung nach einer Kündigung . . . . . . . . . . . . 6. Kündigungsrecht nach Nr. 26 AGB-Sparkassen . . . . . . .
481 485 487
489 492 493 494
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Merz/Peterek
XXI. Nr. 21 AGB-Banken: Ombudsmannverfahren und außergerichtliche Streitschlichtung (Peterek) . . . . . . . . . . . . 551 4. Abschnitt: Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden (Peterek) . 561 I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . 561 II. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . 563
501 504 506 507 508 511 512 516
519 521 522 526 528 529 530 531
XX. Nr. 20 AGB-Banken: Einlagensicherungsfonds (Peterek) . . . . . . . . . . . 536 1. Hinweis auf den Einlagensicherungsfonds und den Schutzumfang . . . . . . . . 536
562
Rz. 2. Forderungsübergang . . . . . . 543 3. Befreiung vom Bankgeheimnis 546 4. AGB-Sparkassen . . . . . . . . 547
III. Schutzrichtung und Haftungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . 566 IV. Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten im Überblick . . 570 1. Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank . . . . . . . . . . . . . 570 2. Verhaltens- und Schutzpflichten des Kunden . . . . . . . . . . . 581 5. Abschnitt: Kontobeziehung (Peterek) . . . . . . . 591 I. Begriff des Kontos . . . . . . . . 591 II. Girokonto und Kontokorrent . . 1. Girokontovertrag . . . . . . . . 2. Kontokorrentabrede . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . b) Kontokorrentbindung der Einzelforderung . . . . . . . . . . c) Verrechnung . . . . . . . . . d) Rechnungsabschluss und Saldofeststellung . . . . . . . . . e) Saldoanerkenntnis . . . . . . f) Beendigung . . . . . . . . . . III. Kontoinhaberschaft . . . . . . 1. Kontofähigkeit . . . . . . . . 2. Grundsätze der Kontoinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . a) Gläubigerstellung . . . . . . b) Pflicht zur Identifizierung . aa) Abgabenordnung . . . . bb) Geldwäschegesetz . . . .
594 595 600 601 605 610 613 619 626
. 628 . 629 . . . . .
631 631 638 639 643
IV. Verfügungs- und Vertretungsbefugnisse Dritter . . . . . . . . 653 1. Eigenkonto und Fremdkonto . . 654 2. Fälle gesetzlicher Vertretung . . 659
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Rz.
Rz. a) Geschäftsunfähiger Kontoinhaber . . . . . . . . . . . . b) Beschränkt geschäftsfähiger Kontoinhaber . . . . . . . . . c) Kontoinhaber unter Betreuung aa) Rechtsstellung des Betreuers . . . . . . . . . . bb) Rechtsstellung des betreuten Kontoinhabers . . . . cc) Leitlinien für die Anlage des Betreutenvermögens . 3. Kontovollmacht . . . . . . . . . a) Inhalt und Umfang . . . . . . b) Vorsorgevollmacht . . . . . . c) Vollmacht für den Tod des Kontoinhabers . . . . . . . . d) Vollmachtsmissbrauch . . . .
660 667 672 673 679 681 687 687 695 702 708
6. Abschnitt: Besondere Kontoarten (Peterek) . . . . . . . 721 I. Gemeinschaftskonto . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsberechtigung („OderKonto“) . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsstellung des einzelnen Kontoinhabers . . . . . . . . b) Widerrufsrechte eines Kontoinhabers . . . . . . . . . . . . c) Formularmäßige Klauseln im Kontovertrag . . . . . . . . . d) Vollstreckung und Insolvenz eines Kontoinhabers . . . . . e) Auflösung des Oder-Kontos . . 3. Konto mit gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung („UndKonto“) . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsstellung des einzelnen Kontoinhabers . . . . . . . . b) Entstehungstatbestände . . . . c) Formularmäßige Klauseln im Kontovertrag . . . . . . . . . d) Vollstreckung und Insolvenz eines Kontoinhabers . . . . .
722 723
725 725 730 732 735 738
740 741 746 749
II. Konto zu Gunsten Dritter auf den Todesfall . . . . . . . . . 1. Wesen und Zweck der Drittbegünstigung . . . . . . . . . . 2. Rechtsverhältnisse . . . . . . . a) Deckungsverhältnis . . . . . b) Rechtsstellung des begünstigten Dritten . . . . . . . . c) Valutaverhältnis . . . . . . . aa) Widerrufsverzicht und postmortaler Übermittlungsauftrag . . . . . . . bb) Verpflichtung zur Nichtausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . III. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten einer Zuwendung von Kontoguthaben . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . 2. Verknüpfung mit einer Überlebensbedingung . . . . . . . 3. Heilende Leistungsbewirkung a) Postmortale Vollmacht . . b) Aufschiebend bedingte Abtretung . . . . . . . . .
753 754 756 756 758 761
765
768
. 772 . 773 . 779 . 782 . 783 . 787
IV. Treuhandkonto . . . . . . . . 791 1. Vollrechtstreuhand . . . . . . 792 2. Ermächtigungstreuhand . . . . 799 V. Anderkonto . . . . . . . . . . 802 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . 802 2. Ausgestaltung der Kontobeziehung . . . . . . . . . . . . . . 807 VI. Sperrkonto . . . . . . . . . . . 810 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . 810 2. Rechtsverhältnisse . . . . . . . 812 VII. Konto pro Diverse . . . . . . . 818 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . 818 2. Buchungen auf CpD-Konten . . 819
752
Schrifttum: Aden, Die neuen AGB-Sparkassen 1993, NJW 1993, 832; Ahrens, Das neue Pfändungsschutzkonto, NJW 2010, 2001; Auerbach, Die Neuregelungen des Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetzes (GwBekErgG) und ihre Auswirkungen auf die Prüfung von Kreditinstituten und Versicherungen, WPg 2009, 1101; Berger, Haftung für unrichtige Bankauskunft, ZBB 2001, 238; Birkelbach, Sicheres Homebanking – Ist der Kunde zukünftig das Hauptrisiko?, WM 1996, 2099; Bitter, Abschlussgebühren bei Bauspardarlehensverträgen – Sind wir auf dem Weg zu einer richterlichen Preisgestaltungskontrolle?, ZIP 2008, 1095; Bitter, Bankpraxis zwischen Recht und Wirtschaft – Bank-
Merz/Peterek
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
entgelte, Kreditkartenverfahren und weitergeleiteter Auftrag in juristisch-ökonomischer Betrachtung, ZBB 2007, 237; Bitter, Echter und scheinbarer Verbraucherschutz in der Bankpraxis, ZIP 2008, 2155; Bitter, Geschäftsschädigende Verlautbarungen börsennotierter Aktiengesellschaften über Vertragspartner im Spannungsfeld zwischen Ad-hocPublizität und vertraglicher Rücksichtnahmepflicht, WM 2007, 1953; Blaurock, Das Stornorecht der Kreditinstitute, NJW 1984, 1; Borges, Preisanpassungsklauseln in der AGB-Kontrolle, DB 2006, 1199; Bosch, Das Bankgeheimnis im Konflikt zwischen USVerfahrensrecht und deutschem Recht, IPrax 1984, 127; Breinersdorfer, Das Haftungsverhältnis zwischen den Banken bei der Bank-zu-Bankauskunft im Kundeninteresse, WM 1992, 1557; Breinersdorfer, Zur Dritthaftung der Banken bei Erteilung einer fehlerhaften Kreditauskunft, WM 1991, 977; Büchel, Das neue Pfändungsschutzkonto aus Sicht der Kreditwirtschaft, BKR 2009, 358; Büchel, Das neue Pfändungsschutzkonto in der Insolvenz des Schuldners, ZInsO 2010, 20; Bunte, Zehn Jahre AGB-Gesetz – Rückblick und Ausblick, NJW 1987, 921; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, 2. Aufl. 2009; Cahn, Inhaltskontrolle von Überziehungsentgelten in Banken-AGB, WM 2010, 1197; Canaris, Sondertagung Schuldrechtsmodernisierung, JZ 2001, 499; Canaris, Die Verrechnung beim Kontokorrent, DB 1972, 421 und 469; Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts – Tendenzen zu seiner „Materialisierung“, AcP 200 (2000), 273; Coing, Die Aufbewahrung von Wertpapieren im Ausland, WM 1977, 466; Danco, Neue AGB der Sparkassen und Landesbanken/Girozentralen, ZBB 2002, 136; Dauner-Lieb/ Axer, Quo vadis AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr?, ZIP 2010, 309; Derleder, Die vollharmonisierende Europäisierung des Rechts der Zahlungsdienste und des Verbraucherkredits, NJW 2009, 3195; Diergarten, Geldwäsche, 2. Aufl. 2010; Donath/Mehle, Anwaltliche Pflichten nach dem Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz, NJW 2009, 650; Einsele, Auswirkungen der Rom I-Verordnung auf Finanzdienstleistungen, WM 2009, 289; Einsele, Das Gemeinschaftskonto – Kontoinhaberschaft, Forderungsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis, in Entwicklungslinien im Bank- und Kapitalmarktrecht, FS Nobbe, 2009, S. 27; Einsele, Haftung der Kreditinstitute bei nationalen und grenzüberschreitenden Banküberweisungen, AcP 199 (1999), 145; Fehrenbach/Maetschke, Zusätzliche Verwaltungsvergütung und AGB-rechtliche Transparenzkontrolle bei offenen Immobilienfonds, WM 2010, 1149; Fischer, Die Genehmigung der Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren, WM 2009, 629; Freitag, Die Beendigung des Darlehensvertrages nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, WM 2001, 2370; Frey/Schindele, Die Zulässigkeit von Abschlussgebühren in Bausparverträgen, ZfIR 2010, 176; Fuchs, Zur Disponibilität gesetzlicher Widerrufsrechte im Privatrecht, AcP 196 (1996), 313; Gabel, Informationspflicht bei unrechtmäßiger Kenntniserlangung von Daten, BB 2009, 2045; Ganter, Aktuelle Probleme der Kreditsicherheiten in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, WM 1996, 1705; Gärditz, Erbschaftssteuerrechtliche Anzeigepflicht und ausländisches Bankgeheimnis im Lichte des Völker-, Europaund Verfassungsrechts, WM 2010, 437; Gernhuber, Oder-Konten von Ehegatten, WM 1997, 645; Geschwandtner/Bornemann, Girokonto für Jedermann – Vertragsabschlussfreiheit, Selbstregulierung oder gesetzlicher Zwang, NJW 2007, 1253; Gößmann, Die neuen Anderkonten-Bedingungen 2000, WM 2000, 857; Gößmann/van Look, Die Banküberweisung nach dem Überweisungsgesetz, WM 2000, Sonderbeilage Nr. 1; Grigoleit, Leistungspflichten und Schutzpflichten, FS Canaris, Band I, 2007, S. 275; Grundmann, Das neue Recht des Zahlungsverkehrs, Teil I – Grundsatzüberlegungen und Überweisungsrecht, WM 2009, 1109; Habersack, Das Abschlussentgelt bei Bausparverträgen – ein Fall für das AGB-Recht?, WM 2008, 1857; Hadding, Zur Abgrenzung von Unterrichtung, Aufklärung, Auskunft, Beratung und Empfehlung als Inhalt bankrechtlicher Pflichten, FS Schimansky, 1999, S. 67; Haertlein/Thümmler, Die Wirksamkeit von Abschlussentgeltklauseln in Allgemeinen Bausparbedingungen, ZIP 2009, 1197; Hamacher, „Dagobert Duck“ – Ein kriminelles System?, DB 1995, 2284; Hansen, Die Bedeutung der Substitution im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (insbesondere zu Nr. 9 AGB-Banken), BB 1989, 2418; Härting, Internetrecht, 2. Aufl. 2005; Heckelmann, Mitverschulden des Vertretenen bei Missbrauch der Vertretungsmacht, JZ 1970, 62; Herzog, Geldwäschegesetz (GwG), 2010; Hetzer, Deutsche Umsetzung neuer euro-
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Merz/Peterek
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
päischer Vorgaben zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, EuZW 2008, 560; von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, 18. Aufl. 2010; Horn, Das neue Schuldverschreibungsgesetz und der Anleihemarkt, BKR 2009, 446; Horn, Die Neufassung 1984 der AGB der Banken, WM 1984, 449; Horn, Die richterliche Kontrolle von Entgeltklauseln nach dem AGB-Gesetz am Beispiel der Kreditwirtschaft, WM 1997, Beilage 1; Hüffer, Haftungsfragen im Bankrecht, WM 1987, 641; Hüffer/van Look, Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto, 4. Aufl. 2000; Johannsen, Erbrecht in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 1982 bis 1984, WM 1985, Sonderbeilage Nr. 1; Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl. 2005; Kallert, Das neue Geldwäschegesetz, DStR 2008, 1661; Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010; Keim, Erbnachweis gegenüber Banken ohne Erbschein?, WM 2006, 753; Kessel/Schwedler, Preisanpassungsklauseln in AGB und ihre Bewertung durch die Rechtsprechung, BB 2010, 585; Kierig, Wirksamkeit der Geldanlage für den Betreuten erst mit Rechtskraft?, NJW 2010, 1436; Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. 2010; Kollhosser, Die Verfügungsbefungnis bei sog. Sperrkonten, ZIP 1984, 389; Kreft, Privatautonomie und persönliche Verschuldung, WM 1992, 1425; Krepold, Die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Abschlussentgeltes bei Bausparverträgen – zugleich Anmerkung zu OLG Stuttgart v. 3.12.2009 – 2 U 30/09, BKR 2010, 108; Krings, Die Neufassung der AGB-Banken, ZBB 1992, 326; Krüger/Bütter, Recht der Bankentgelte: Nebenentgelte im Kreditgeschäft, WM 2005, 673; Kuchinke, Das versprochene Bankguthaben auf den Todesfall und die zur Erfüllung des Versprechens erteilte Verfügungsvollmacht über den Tod hinaus, FamRZ 1984, 109; Kuder, Die Zahlstelle in der Insolvenz des Lastschriftschuldners im Einzugsermächtigungsverfahren, 2006; Kuder, Kontoführung im Insolvenzverfahren, ZInsO 2009, 584; Kümpel, Die AGB und ihre Bedeutung für die Kreditsicherheiten – unter Berücksichtigung des AGB-Gesetzes, WM 1978, 970; Kümpel, Konto und Depot zu Gunsten Dritter auf den Todesfall, WM 1977, 1186; Kümpel, Konto/Depot zu Gunsten Dritter auf den Todesfall und das Widerrufsrecht der Erben, WM 1993, 825; Lang, Das Aus für die Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag“, BKR 2003, 227; Lehnhoff, Die Kontofähigkeit (insbesondere) der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, FS Hadding, 2004, S. 935; Lenkaitis/Messing, Nichts Neues zum OderKonto, ZBB 2007, 364; Lettl, Die Auswirkungen der 7. GWB-Novelle auf die Kreditwirtschaft, WM 2005, 1585; Lücke, Das P-Konto im Lichte der ZKA-Empfehlung zum Girokonto für Jedermann, BKR 2009, 457; Madaus, Der Zugriff der Eltern auf die Sparkonten ihrer minderjährigen Kinder und § 1641 BGB, BKR 2006, 58; Mankowski, Finanzverträge und das neue Internationale Verbrauchervertragsrecht des Art. 6 Rom I-VO, RIW 2009, 98; Merkel, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, Teil 2 (Nr. 11– 20), WM 1993, 725; Merkel, Die Anordnung der Testamentsvollstreckung – Auswirkungen auf eine postmortale Bankvollmacht? WM 1987, 1001; Merz, Überziehungskredite nach Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, ForderungsPraktiker 2010, 105; Mülbert, Der Kontovertrag als bankgeschäftlicher Vertragstypus, FS Kümpel, 2003, S. 395; Müller/Griebeler/Pfeil, Für eine maßvolle AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr, BB 2009, 2658; Muscheler, Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall und Erbenwiderruf, WM 1994, 921; Musielak, Die „gefestigte Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs zum Zustandekommen eines Auskunftsvertrages mit einer Bank, WM 1999, 1593; Nobbe, Bankgeheimnis, Datenschutz und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, 1537; Nobbe, Leistungshandlung, Erfüllung und Wegfall der Erfüllung bei Holschulden insbesondere im Lastschrifteinzugsverfahren, FS Krämer, 2009, S. 497; Nobbe, Probleme des Lastschriftverfahrens, insbesondere in der Insolvenz des Zahlungspflichtigen, WM 2009, 1537; Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185; Pamp, Entgeltklauseln für die Ausstellung einer Ersatzkarte bei Beschädigung oder Verlust der Kreditkarte, WM 2002, 573; Pfeiffer, Neues Internationales Vertragsrecht, Zur ROM I-Verordnung, EuZW 2008, 622; Pfeiffer, Übersicherung, Freigabeanspruch, Freigabeklauseln, WM 1995, 1565; Philipowski, Zum Begriff des Verfügungsberechtigten im Sinne des § 154 Abs. 2 AO, Teil I, WM 1992, 721; Pieroth/Hartmann, Verfassungsrechtliche Grenzen richterlicher Preiskontrolle, dargestellt am Beispiel des Abschlussentgelts für Bausparverträge, WM 2009, 677; Podewils, Transparenz- und In-
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
haltskontrolle von Zertifikatebedingungen – insbesondere zur Zulässigkeit einseitiger Einwirkungsbefugnisse des Emittenten, ZHR 174 (2010), 192; Pütz, Zum Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf CpD-Konten, ZIP 1990, 703; Reimer/Wilhelm, Aktuelle Entwicklungen des Finanztransfergeschäfts, BKR 2008, 234; Rellermeyer, Objektive Bezugsgrößen für die Bewertung von Kreditsicherheiten, WM 1994, 1009; Roller, Bankentgeltklauseln – Einbeziehung und Zulässigkeit, BKR 2008, 221; Rösler/Werner, Erhebliche Neuerungen im zivilen Bankrecht: Umsetzung von Verbraucherkredit- und Zahlungsdiensterichtlinie, BKR 2009, 1; Roth, Zur Wirksamkeit von formularmäßig vereinbarten Sicherungsverträgen über revolvierende Globalsicherheiten, JZ 1998, 462; M. Roth, Der allgemeine Bankvertrag, WM 2003, 480; Rühl, Weitreichende Änderungen im Verbraucherdarlehensrecht und Recht der Zahlungsdienste, DStR 2009, 2256; Saenger, Ende der Unsicherheiten bei den Globalsicherheiten?, ZBB 1998, 174; Schebesta, Rechtsfragen bei CpD-Konten sowie „Und“-Konten, WM 1985, 1329; K. Schmidt, Nachdenken über das Oder-Konto – Ein neues Rechtsbild der Gemeinschaftskonten im rechtsdogmatischen und praktischen Test, FS Nobbe, 2009, S. 187; K. Schmidt, Rechtsprechungsübersicht, Verhältnis zwischen § 712 ZPO und § 719 ZPO, JuS 1996, 1036; Uwe H. Schneider, Die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer zweigliedrigen GmbH, ZGR 1983, 535; Schröder/Meyer, Eröffnetes notarielles Testament versus Erbschein, NJW 2006, 3252; Schulze/Dörner/Ebert ua., BGB, 6. Aufl. 2009; Schultz, Widerruf und Missbrauch der postmortalen Vollmacht bei der Schenkung unter Lebenden, NJW 1995, 3345; Schwark, 100 Bände BGHZ: Bank- und Wertpapierrecht, ZHR 151 (1987), 325; Seehafer, Weitgehende Entwertung der Vorauszession von Kontokorrentforderungen als Sicherungsmittel, BB 2009, 2054; Seif, Die postmortale Vollmacht, AcP 200 (2000), 192; Serick, Der Beschluss des Großen Senats vom 27.11.1997 am Pranger höchstrichterlicher Rechtsfortbildungsblockade, BB 1998, 801; Sonnenhol, Änderungen der AGB-Banken zum 1. April 2002, WM 2002, 1259; Sonnenhol, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, WM 1993, 677; Sorg, Wesentliche Änderungen in Betreuungssachen nach dem FGG-Reformgesetz, BWNotZ 2009, 90; Sotiriadis/Heimerdinger, Die Umsetzung der 3. EG-Geldwäscherichtlinie und ihre Bedeutung für die Finanzwirtschaft, BKR 2009, 234; Starke, Erbnachweis durch notarielles Testament, NJW 2005, 3184; Steppeler, Der Rechtsrahmen für Bankentgelte – Die Rechtsprechungsgrundsätze sowie die kreditwirtschaftlichen Leistungsinhalte, WM 2001, 1176; Steuer, Das Gesetz zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsrichtlinie und seine Umsetzung in der Praxis, WM 1998, 2449; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl. 2010; Stoffels, Schranken der Inhaltskontrolle, JZ 2001, 843; Struwe/ Kruse/Rösler, Umsetzung des neuen Geldwäschegesetzes, BankPraktiker 2009, 514; Tersteegen, Bankgeschäfte mittels Vorsorgevollmacht – Verpflichtung der Banken zur Anerkennung von Vorsorgevollmachten?, NJW 2007, 1717; Uhlenbruck, Bankrechtliche Aspekte der Vorsorgevollmacht, ZInsO 2009, 612; Unger-Hellmich/Stephan, Kündigung von Girokonten durch Sparkassen wegen drohender Imageschäden, BKR 2009, 441; van Gelder, Schutzpflichten zu Gunsten Dritter im bargeldlosen Zahlungsverkehr?, WM 1995, 1253; Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 9. Aufl. 2009; Vortmann, Bankgeschäfte mit Minderjährigen, WM 1994, 965; Vortmann, Schadensersatzpflicht der kontoführenden Bank wegen pflichtwidriger Verwendung von Fremdgeldkonten, BKR 2007, 449; Wagner, Pfändung der Deckungsgrundlage – ungeklärte Fragen bei der Zwangsvollstreckung in Girokonten, ZIP 1985, 849; Wagner, Interventionsrecht des Kontoinhabers gegen die Zwangsvollstreckung in Oder-Konten, WM 1991, 1145; Wagner, Einseitige Umwandlung von Oder-Konten und Und-Konten?, NJW 1991, 1790; Wahl, Die Einwilligung des Verbrauchers in Telefonwerbung durch AGB, WRP 2010, 599; Weber, Die neuen „Oberschriften“ auf den Überweisungsformularen – BGH NJW 1991, 487, JuS 1991, 543; Werhan/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Loseblatt; W. Werner, Ein neues Kompendium des Kreditrechts, ZBB 1990, 236; Wessels, Die Saldoklage, WM 1997, 1509; H. Westermann, Fortschritte durch die neuen AGB der Banken und Sparkassen, WM 1993, 1865; von Westphalen, Die AGB der Privatbanken im Lichte der jüngsten Judikatur und Literatur, WM 1980, 1406; von Westphalen, Die Entwicklung des AGB-Rechts im Jahr 2001, NJW 2002, 1688; von Westphalen,
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung
AGB-Recht im Jahr 2004, NJW 2005, 1987; von Westphalen, AGB-Recht im Jahr 2005, NJW 2006, 2228; von Westphalen, AGB-Recht im Jahr 2008, NJW 2009, 2355; von Westphalen, Stellen vs. Aushandeln von AGB-Klauseln im unternehmerischen Geschäftsverkehr – der BGH weist die Lösung, ZIP 2010, 1110 ff.; von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 26. Erg.Lfg. Dezember 2009; von Westphalen, Wider die angebliche Unattraktivität des AGB-Rechts, BB 2010, 195; von Westphalen, Wider einen Reformbedarf beim AGB-Recht im Unternehmerverkehr, NJW 2009, 2977; Zimmermann, Die Vorsorgevollmacht im Bankgeschäft, BKR 2007, 226.
1. Abschnitt Bankmäßige Geschäftsverbindung (Peterek) Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Kreditinstitute entfalten sich insbesondere innerhalb des rechtsgeschäftlichen Kontakts zu den Personen, die das bankmäßige Leistungsangebot in Anspruch nehmen. Einen Schwerpunkt des Bankrechts bildet daher die bankmäßige Geschäftsverbindung zu den Kunden.
6.1
I. Geschäftsverbindung und einzelnes Bankgeschäft In rechtlicher Hinsicht ist zwischen der auf Dauer angelegten Geschäftsverbindung und dem einzelnen Bankgeschäft durch die konkrete Inanspruchnahme einer bestimmten bankmäßigen Leistung zu unterscheiden. So begründet jede Dienstleistung der Bank regelmäßig ein wirtschaftlich und rechtlich selbständiges Bankgeschäft und eine konkrete Rechtsbeziehung in Gestalt eines vertraglichen Schuldverhältnisses. Der rechtsgeschäftliche Kontakt zwischen der Bank und ihren Kunden erschöpft sich typischerweise nicht in einem einzigen Geschäft. Dieser Kontakt ist meist auf längere Dauer und auf eine unbestimmte Mehrzahl von Bankgeschäften angelegt, was eine Geschäftsverbindung entstehen lässt. In der Bankpraxis kommt dies auch darin zum Ausdruck, dass mit dem Kunden bereits bei dem ersten einzelnen Bankgeschäft die Einbeziehung der jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Kreditwirtschaft1, welche gemäß Nr. 1 Abs. 1 AGB-Banken für die gesamte Geschäftsverbindung mit dem Kunden gelten, vereinbart wird2.
6.2
Kennzeichnend für eine bankmäßige Geschäftsverbindung ist, dass ein Vertragspartner als Bankkunde eine bankmäßige Leistung in Anspruch nimmt. Nicht jeder Geschäftskontrahent einer Bank hat aber eine solche Kundenposition inne. Dementsprechend begründet nicht jeder rechtsgeschäftliche Kontakt zugleich auch eine bankmäßige Geschäftsbeziehung. Dem Vertragspartner fehlt die Eigenschaft eines Bankkunden stets, wenn sich der rechtsgeschäftliche Kontakt außerhalb des banktypischen Leistungsangebotes voll-
6.3
1 AGB-Banken, AGB-Sparkassen sowie AGB der Genossenschaftsbanken, siehe Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Anhang zu §§ 4–25. 2 Im Folgenden werden die AGB-Banken der Darstellung zugrundegelegt.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
zieht, beispielsweise im Fall einer Beauftragung von Handwerkern mit Reparaturen im Bankgebäude. Die Unterscheidung zwischen bankmäßiger und sonstiger Geschäftsverbindung hat für die Frage des Geltungsbereiches der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank Relevanz. Nur wenn eine bankmäßige Geschäftsbeziehung vorliegt, sind die Banken-AGB und die sie ergänzenden Sonderbedingungen überhaupt anwendbar.
6.4
Nach Begründung einer Geschäftsverbindung steht dem Bankkunden gemäß § 666 iVm. § 675 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Auskunft über deren Verlauf und die mit der Geschäftsverbindung im Zusammenhang stehenden Verträge zu. Dies erfolgt grundsätzlich durch die bankseitige Rechnungslegung und die Erteilung von Kontoauszügen. Inhalt und Umfang der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht richten sich nach Treu und Glauben und den konkreten Umständen des Einzelfalles. So ist zwischen einem erneuten gelegentlichen Auskunftsbegehren zum Zwecke der Schließung von einzelnen Informationslücken einerseits und dem umfänglichen, auf die gesamte Geschäftsverbindung bezogenen Auskunftsverlangen andererseits, welches der erneuten nachträglichen Aufarbeitung und erschöpfenden Rekonstruktion der gesamten Geschäftsverbindung und sämtlicher Transaktionen einer Vielzahl von Konten dienen soll, zu unterscheiden. Letzteres kann mutwillig oder rechtsmissbräuchlich sein, insbesondere wenn die umfänglich begehrte Auskunft wegen des damit verbundenen Aufwandes der Bank im Einzelfall unzumutbar ist1.
II. Rechtsnatur der Geschäftsverbindung
6.5
Die Rechtsnatur einer bankmäßigen Geschäftsverbindung wird unterschiedlich beurteilt. Die Bandbreite der Auffassungen reicht von der Annahme eines Rahmenvertrages bis zu der Qualifizierung der Geschäftsverbindung als ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflichten2 oder als rein tatsächliches Verhältnis ohne spezifisch rechtlichen Charakter. Im Ergebnis beschränken sich die Meinungsverschiedenheiten heute im Wesentlichen auf die Frage, ob die Geschäftsverbindung einen eigenständigen Vertragstyp, einen sog. allgemeinen Bankvertrag, begründet.
1. Lehre vom allgemeinen Bankvertrag
6.6
Nach der Theorie vom allgemeinen Bankvertrag liegt in der Eröffnung der Geschäftsverbindung zugleich der Abschluss eines allgemeinen Bankvertrages3. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Bankkunden regelmäßig nicht nur ein einzelnes Bankgeschäft tätigen, sondern eine auf Dauer angelegte 1 OLG Celle v. 4.6.2008 – 3 U 265/07, NJW-RR 2008, 1584; hierzu Schelske, EWiR 2008, 521. 2 Vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1 ff., 12 ff. 3 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 17 ff.; Thessinga in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 9; Hopt in Baumbach/Hopt, Bankgeschäfte Rz. A/6; Martinek in Staudinger, Neubearb. 2006, § 675 BGB Rz. B 31.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung
Bankverbindung eröffnen wollen, weshalb die Auslegung in den meisten Fällen zu einem allgemeinen Bankvertrag führen soll1. Dieser wird rechtlich als ein Dienstvertrag, der auf eine ständige Geschäftsbesorgung gerichtet ist (§§ 675 Abs. 1, 611 BGB), qualifiziert2. Er soll die rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen für die verschiedenartigen Bankgeschäfte schaffen und somit das Verhältnis zwischen Bank und Kunden insgesamt und allgemein regeln. Aus dem Bankvertrag resultieren keine primären Hauptleistungspflichten der Parteien. Als Inhalt eines allgemeinen Bankvertrages werden die Begründung eines geschäftsbesorgungsrechtlichen Vertrauens- und Interessenwahrungsverhältnisses, die allgemeine Bereitstellung der Geschäftseinrichtungen der Bank sowie die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank angenommen3. Danach wird der Bankvertrag dogmatisch als ein Rahmenvertrag qualifiziert, der durch die Inanspruchnahme einzelner Leistungsangebote konkretisiert wird. Er reicht nach seinen Befürwortern somit weit über die einzeln abzuschließenden Bankgeschäfte hinaus und ist zudem Geltungsgrund für zahlreiche Aufklärungs-, Auskunfts-, Beratungs- und weitere Schutzpflichten4. Die Lehre vom allgemeinen Bankvertrag wird von Teilen des Schrifttums abgelehnt5.
6.7
2. Die Rechtsprechung des BGH Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit zunächst stellenweise von einem Bankvertrag gesprochen, aber regelmäßig vermieden, spezifische Rechtsfolgen aus dieser Bezeichnung abzuleiten6. Mit seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2002 hat der BGH einen allgemeinen Bankvertrag abgelehnt. Dem BGH zufolge ergibt sich aus einer längeren Geschäftsverbindung zwischen einer Bank und einem Kunden im Zusammenhang mit einer Girokontoverbindung oder einem Darlehensvertrag noch nicht das Bestehen eines eigenständigen allgemeinen Bankvertrages als Rahmenvertrag7. Danach ist eine
1 Hopt in Baumbach/Hopt, Bankgeschäfte Rz. A/6; Thessinga in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 9. 2 Hierzu Häuser in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 2 Rz. 22; Martinek in Staudinger, Neubearb. 2006, § 675 BGB Rz. B 28. 3 Martinek in Staudinger, Neubearb. 2006, § 675 BGB Rz. B 28; Hopt in Baumbach/ Hopt, Bankgeschäfte Rz. A/6; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 396 ff. 4 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 13 ff., 20. 5 Van Gelder, WM 1995, 1253 (1257); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2 mwN; Schwark, ZHR 151 (1987), 325 (330); vgl. weiter Köndgen, NJW 1996, 558 (559). 6 OLG Frankfurt v. 21.6.1988 – 22 U 187/87, WM 1988, 1439 (1440) bejaht einen allgemeinen Bankvertrag, der zur gegenseitigen Treue, Fürsorge und Rücksichtnahme verpflichtet. Zur Rechtsprechung siehe auch Ernst in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 280 BGB Rz. 126 sowie Schwark, ZHR 151 (1987), 325 (329 ff.). 7 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 345/02, WM 2002, 2281 (2282). Hierzu kritisch Roth, WM 2003, 480 ff.; im Ergebnis zustimmend Lang, BKR 2003, 227 ff.; Kort, EWiR 2003, 151 f.; Balzer, BKR 2002, 1092 ff.; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 152 ff.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
längere Geschäftsverbindung als solche nichts weiter als eine Beziehung, die auf einem Dauerschuldverhältnis oder einer mehr oder weniger großen Anzahl von Einzelverträgen beruht. Der BGH weist darauf hin, dass die Annahme eines allgemeinen Bankvertrages dem allgemeinen Vertragsbegriff nicht gerecht wird. Denn es fehlt an einer eigenständigen bindenden Rechtsfolge eines solchen Bankvertrages, die durch die von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen in Kraft gesetzt wird.
6.9
Nach dem BGH ist als Geschäftsverbindung die tatsächliche Beziehung zwischen dem Kunden und der Bank zu verstehen, die auf eine unbestimmte Vielzahl von Geschäftsvorfällen angelegt ist1. Dieser Rechtsprechung ist im Ergebnis zuzustimmen. Der Geschäftsverbindung liegt kein eigenständiger Rahmenvertrag zugrunde. Allein die bankmäßige Geschäftsverbindung vermag grundsätzlich keine allgemeine Pflicht der Bank zur Durchführung von Bankgeschäften zu begründen2. Dies käme einem Vorvertrag mit entsprechenden Pflichten gleich und lässt sich mit der Vertragsfreiheit nicht vereinbaren. Lehnt die Bank die Vornahme eines ihr angetragenen Einzelgeschäfts ab, so hat der Kunde grundsätzlich weder einen Erfüllungs- noch einen Schadensersatzanspruch. Dies schließt nicht aus, dass die Bank ausnahmsweise aus ihrem vorangegangenen Verhalten zum Abschluss eines Folgegeschäftes verpflichtet sein kann3.
6.10
Für das Vorliegen eines allgemeinen Bankvertrages spricht auch nicht, dass die Aufnahme der Geschäftsverbindung allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden zur Folge hat (hierzu Rz. 6.570 ff.), wie beispielsweise die Pflicht der Bank zur Wahrung des Bankgeheimnisses oder zur Aufklärung. Solche Pflichten können auch außerhalb einer Vertragsbeziehung auf Grund des Vertrauensprinzips begründet werden und zu einer Vertrauenshaftung führen. Eine solche rechtsgeschäftsähnliche Sonderverbindung ist durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mit den in § 311 Abs. 2 BGB normierten Fallgestaltungen anerkannt worden. Mit Blick auf § 241 Abs. 2 BGB bestehen sekundäre Schutz- und Verhaltenspflichten, auf die sich die Rechtsfolgen eines Bankvertrages nach seinen Befürwortern beschränken sollen, aber ohnehin unabhängig vom Willen der Parteien. Vor diesem Hintergrund ist ein Rahmenvertrag überflüssig.
6.11
Auch soweit die AGB auf künftige Bankgeschäfte anwendbar sein sollen, setzt dies nicht den Abschluss einer Rahmenvereinbarung voraus4. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank bedarf einer wirksamen Einbeziehungsvereinbarung. Eine solche kann nach § 305 Abs. 3 BGB auch im Voraus geschlossen werden (dazu Rz. 6.42).
6.12
Für die Bankpraxis ist die Frage nach der Rechtsnatur der Geschäftsverbindung letztlich nicht entscheidend. Üblicherweise werden bei jedem rechtsge1 2 3 4
BGH v. 18.11.2008 – XI ZR 590/07, WM 2009, 66 (67). Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 6 f. W. Werner, ZBB 1990, 236 (238). Heermann in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 675 BGB Rz. 52; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 152.
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6. Teil
Allgemeine Geschäftsbedingungen
schäftlichen Kontakt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank zugrunde gelegt und deren Geltung für die gesamte Geschäftsverbindung vereinbart1. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung zum Schutz der Interessen des Kunden allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank bestehen können2. Davon unabhängig ergeben sich Schutz- und Verhaltenspflichten der Bank auch aus den jeweiligen Einzelverträgen3.
6.13–6.15
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Allgemeine Geschäftsbedingungen (Peterek) Das Kreditgewerbe hat eine Vielzahl einheitlich verwendeter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) geschaffen. Die AGB sind eine wichtige rechtliche Grundlage für die Geschäftsverbindung mit den Bankkunden. Neben den gesetzlichen Regelungen bilden sie den Rechtsrahmen für die Beurteilung der einzelnen Bankgeschäfte. Für das private Bankgewerbe sind dies die AGBBanken, für die weiteren Säulen der deutschen Kreditwirtschaft die AGB der Genossenschaftsbanken sowie die AGB-Sparkassen. Auf die AGB der anderen Gruppen wird im Rahmen dieser Darstellung eingegangen, wenn und soweit sie wesentlich abweichende Regelungen treffen.
6.16
I. AGB im Verhältnis Bank – Kunde 1. Regelungsbedürfnis Das Bankgeschäft ist durch das Angebot gleichartiger Dienstleistungen gekennzeichnet, das von einer Vielzahl von Kunden in Anspruch genommen wird. Typisches Merkmal des Bankgeschäfts ist somit der massenhafte Abschluss inhaltsgleicher Verträge. Für ein solches Massengeschäft empfiehlt sich die Verwendung eines standardisierten Vertragstextes, weshalb hierzu in der Bankpraxis Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet werden. AGB können damit die Abwicklung von Massenverträgen rationalisieren und vereinfachen4. Hierdurch werden Rechtssicherheit und Berechenbarkeit hergestellt5. Zudem lassen sich durch die Verwendung von AGB bank- und kundenbezogene Risiken verteilen und begrenzen sowie die Vertragsbestimmun1 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 1. 2 Häuser in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 2 Rz. 5. 3 Vgl. Heermann in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 675 BGB Rz. 52. 4 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, AGB-Banken Rz. B 1. 5 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 21 ff.
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6.17
6. Teil
Allgemeine Geschäftsbedingungen
schäftlichen Kontakt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank zugrunde gelegt und deren Geltung für die gesamte Geschäftsverbindung vereinbart1. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung zum Schutz der Interessen des Kunden allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank bestehen können2. Davon unabhängig ergeben sich Schutz- und Verhaltenspflichten der Bank auch aus den jeweiligen Einzelverträgen3.
6.13–6.15
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Allgemeine Geschäftsbedingungen (Peterek) Das Kreditgewerbe hat eine Vielzahl einheitlich verwendeter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) geschaffen. Die AGB sind eine wichtige rechtliche Grundlage für die Geschäftsverbindung mit den Bankkunden. Neben den gesetzlichen Regelungen bilden sie den Rechtsrahmen für die Beurteilung der einzelnen Bankgeschäfte. Für das private Bankgewerbe sind dies die AGBBanken, für die weiteren Säulen der deutschen Kreditwirtschaft die AGB der Genossenschaftsbanken sowie die AGB-Sparkassen. Auf die AGB der anderen Gruppen wird im Rahmen dieser Darstellung eingegangen, wenn und soweit sie wesentlich abweichende Regelungen treffen.
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I. AGB im Verhältnis Bank – Kunde 1. Regelungsbedürfnis Das Bankgeschäft ist durch das Angebot gleichartiger Dienstleistungen gekennzeichnet, das von einer Vielzahl von Kunden in Anspruch genommen wird. Typisches Merkmal des Bankgeschäfts ist somit der massenhafte Abschluss inhaltsgleicher Verträge. Für ein solches Massengeschäft empfiehlt sich die Verwendung eines standardisierten Vertragstextes, weshalb hierzu in der Bankpraxis Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet werden. AGB können damit die Abwicklung von Massenverträgen rationalisieren und vereinfachen4. Hierdurch werden Rechtssicherheit und Berechenbarkeit hergestellt5. Zudem lassen sich durch die Verwendung von AGB bank- und kundenbezogene Risiken verteilen und begrenzen sowie die Vertragsbestimmun1 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 1. 2 Häuser in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 2 Rz. 5. 3 Vgl. Heermann in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 675 BGB Rz. 52. 4 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, AGB-Banken Rz. B 1. 5 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 21 ff.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
gen rasch an veränderte wirtschaftliche und technische Entwicklungen anpassen.
6.18
Ein Bedürfnis nach einer AGB-mäßigen Regelung kann sich auch daraus ergeben, dass gesetzliche Regelungen für die verschiedenen Vertragstypen nicht ausreichend sind oder den praktischen Bedürfnissen nicht genügen. So ist das Bankgeschäft auch durch eine ständige Weiterentwicklung der Produkte und Innovationen gekennzeichnet, um einerseits einer geänderten Nachfrage und andererseits dem Wettbewerb Rechnung tragen zu können. Häufig enthält das Gesetz für solche neuen Leistungsangebote keine oder nur unzureichende Bestimmungen. An Stelle der fehlenden gesetzlichen Bestimmungen müssen daher AGB-mäßige Regelungen treten oder die bestehenden gesetzlichen Regelungen bedürfen einer Ergänzung durch AGB-Klauseln. Entsprechende Regelungsbedürfnisse können sich beispielsweise für die Nutzung neuer elektronischer Zugangswege des Kunden zur Bank ergeben1. Regelungsgenstand sind dabei insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Sorgfaltspflichten des Kunden und der Haftung.
2. Begriff der AGB a) Grundzüge
6.19
AGB sollen eine Vielzahl von gleichartigen Sachverhalten verbindlich regeln. Die AGB-Klauseln werden daher wie Rechtsnormen in generalisierender und abstrahierender Form aufgestellt. Mit Rücksicht auf ihre Funktionsweise hat der BGH die AGB als eine fertig bereitliegende Rechtsordnung bezeichnet, die im Wege der rechtsgeschäftlichen Anerkennung durch den Vertragspartner Geltung erlangt2. Gleichwohl sind AGB nach herrschender Meinung keine Rechtsnormen im engeren Wortsinne, sondern bleiben ihrer Rechtsnatur nach generell-abstrakte Vertragsbestandteile3. Denn ihre Wirksamkeit setzt voraus, dass die Vertragsparteien ihre Geltung vertraglich vereinbart haben und der Vertragspartner des AGB-Verwenders sich den einseitig gestellten AGB rechtsgeschäftlich unterworfen hat.
6.20
Nach der Begriffsbestimmung des § 305 Abs. 1 BGB sind AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei, der Verwender von AGB, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Eine Vertragsbedingung ist eine Erklärung des Verwenders, die den Vertragsinhalt regeln soll. Diese Erklärung muss nach ihrem objektiven Wortlaut den Empfängern den Eindruck vermitteln, dass damit der Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden soll4. Dabei ist es unerheblich, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Be1 Birkelbach, WM 1996, 2094. 2 BGH v. 19.1.1951 – I ZR 53/50, BGHZ 1, 83 (86); BGH v. 13.12.1968 – I ZR 62/67, WM 1969, 289 (290); BGH v. 4.5.1995 – I ZR 70/93, WM 1995, 1810 (1812). 3 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Einl. Rz. 44; Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Einl Rz. 15; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 1 Rz. 23. 4 BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, WM 2005, 874 (875).
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standteil des Vertrages bilden oder in die Vertragsurkunde aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat1. Von der Vertragsbedingung sind bloße tatsächliche Hinweise abzugrenzen, die nach ihrem objektiven Wortlaut nicht den Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses regeln2. Da nach der Legaldefinition des § 305 Abs. 1 BGB der Umfang der vorformulierten Vertragsbedingungen für den AGB-Begriff bedeutungslos ist, sind als AGB selbst solche Klauseln anzusehen, die aus nur wenigen Worten bestehen3. Ebenso ist die Schriftart nicht von Belang, weshalb AGB beispielsweise auch jeweils maschinen- oder handschriftlich in den Einzelvertrag aufgenommene Klauseln sein können4. Entscheidend ist, dass die gewünschte Regelung für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. Dies ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Bedingungen in schriftlicher Form vorbereitet sind und für die Einbeziehung in abzuschließende Verträge vor Vertragsschluss bereitstehen5. Von einer vorformulierten Klausel in diesem Sinne ist auch bei Klauseln mit ausfüllungsbedürftigen Leeräumen und deren Vervollständigung durch einen handschriftlichen Eintrag auszugehen, soweit der Verwender dies von vornherein in einem bestimmten Sinne ausfüllen wollte oder insoweit eine systematische Vorgehensweise des Verwenders gegeben ist6.
6.21
Nach diesem geltenden weiten AGB-Begriff haben bereits sämtliche kundenbezogene rechtsgeschäftliche Regelungen AGB-Charakter, sofern sie generell für das Kundengeschäft entwickelt wurden. Unter den AGB-Begriff können daher nahezu alle von der Bankpraxis entwickelten vorformulierten Klauseln für den Verkehr mit den Kunden sowie alle gegenüber den Kunden verwendeten Bankformulare fallen7. Für die Qualifikation als AGB genügt bereits, dass die Bank die Klauseln zur Verwendung für mehrere Rechtsgeschäfte konzipiert hat8. Gegenüber der früheren Rechtsprechung, wonach zum Nachweis des AGB-Charakters tatsächlich durchgeführte Verwendungsfälle gegeben sein mussten9, genügt nach jüngerer Rechtsprechung allein die Absicht der
6.22
1 Schulte-Nölke in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 305 BGB Rz. 6. 2 Vgl. auch BGH v. 16.7.2008 – VIII ZR 348/06, WM 2008, 1941 (1945 f.). 3 ZB „Zahlung ohne jeglichen Abzug“ oder „Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Zahlung“, Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 37. 4 Grüneberg in Palandt, § 305 BGB Rz. 16; Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 23. 5 Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305 BGB Rz. 13; Pfeiffer in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 14. 6 Schulte-Nölke in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 305 BGB Rz. 3; vgl. auch Coester in Staudinger, Neubearb. 2006, § 307 BGB Rz. 528 (in Bezug auf Laufzeitklauseln); differenzierend Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 44. 7 Vgl. BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875 zu dem AGB-Charakter der früheren Fakultativklausel auf Überweisungsvordrucken; OLG Brandenburg v. 13.11.2001 – 11 U 53/01, WM 2002, 171 (175) zu dem AGB-Charakter der Kontoeröffnungsformulare. 8 Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 19. 9 BGH v. 11.10.1984 – VII ZR 248/83, WM 1984, 1610 (1612).
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Mehrfachverwendung. Dabei wird eine beabsichtigte dreimalige Verwendung als ausreichend angesehen1. Hierfür ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen2. Schon in diesem Fall kann ein Interesse des Verwenders an einer einheitlichen Ausgestaltung der Verträge mit dem Kunden unterstellt werden.
6.23
Nach dem Schutzzweck des AGB-Rechts, die einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit durch eine Vertragspartei zu verhindern, ist nicht die Anzahl der Vertragspartner, sondern die Anzahl der Verträge maßgeblich, weshalb die Absicht einer Vielfachverwendung auch gegenüber nur einem Vertragspartner vorliegen kann3. Ob sich die Absicht einer mehrfachen Verwendung aus dem Rationalisierungsinteresse eines jeden Unternehmens ableiten lässt, Vertragsklauseln mehrfach zu verwenden4, ist fraglich, zumal diese Absicht als innere Tatsache nicht ohne weiteres erkennbar ist, sich regelmäßig nur durch Indizien erschließt und daher unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände zu prüfen ist5.
6.24
Ebenso in den Schutzbereich des AGB-Rechts können solche vorformulierten Klauseln fallen, die nicht im engeren Sinne Vertragsbedingungen sind, sofern sie im Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung stehen. So sind die Regelungen der §§ 305 ff. BGB mit Blick auf ihren Schutzzweck auch auf eine vom Verwender formulierte einseitige Erklärung des anderen Teils anzuwenden, beispielsweise eine formularmäßige Einwilligungserklärung in die Speicherung und Nutzung kundenbezogener Daten zum Zwecke der Werbung und der Marktforschung6. Entscheidend ist, dass der AGB-Verwender auch bei einseitig von ihm vorformulierten Erklärungen des Kunden einseitig rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht für sich in Anspruch nimmt und hieraus ein Schutzbedürfnis für den anderen Vertragspartner erwächst7. Gleiches gilt für individuell ausgehandelte Regelungen, die als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet sind und gegenüber mehreren Dritten gelten. Dies kann zum Beispiel für einen in einem Emissionsprospekt einer Fondsgesellschaft abgedruckten Mittelverwendungskontrollvertrag, der als ein dem Schutz des Anlegers dienender Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet ist und zwischen Fondsgesellschaft und Mittelverwendungskontrolleur geschlossen wurde, der Fall sein8. Dabei kann der Anleger in gleicher Weise den vorformulierten Bedingungen
1 BGH v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, WM 2004, 794 (795); BGH v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, WM 2001, 2352. 2 BGH v. 13.9.2001 – VII ZR 487/99, WM 2001, 2346 (2347). 3 BGH v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, WM 2004, 794 (795). 4 So von Westphalen, NJW 2002, 1688. 5 BGH v. 26.9.1996 – VII ZR 318/95, WM 1997, 126 (127); Thessinga in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 40. 6 BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 12/08, WM 2010, 233 (234); BGH v. 16.7.2008 – VIII ZR 348/06, WM 2008, 1941 (1943); LG Berlin v. 18.11.2009 – 4 O 89/09, RDV 2010, 88. 7 Wahl, WRP 2010, 599 (601); OLG Köln v. 29.4.2009 – 6 U 218/08, RDV 2010, 37 (38); Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 16. 8 BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/00, WM 2009, 2363 (2365); hierzu Müller-Christmann, juris PR-BKR 3/2010, Anm. 1.
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des Drittschutzes ausgeliefert sein wie bei einem unmittelbaren Vertragsschluss mit dem Schuldner. Eine bankinterne Anweisung ist keine Vertragsbedingung, welche die Bank ihren Kunden stellt. Es fehlt bereits an einer Bekanntgabe gegenüber dem Bankkunden. Allerdings ist das AGB-Recht anwendbar, wenn mit der Anweisung eine inhaltsgleiche als AGB unwirksame Regelung umgangen werden soll (§ 306a BGB)1. Denn ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB eröffnet gleichermaßen die Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB, wenn die Bank mit einer internen Anweisung bei gleicher Interessenlage dasselbe Ergebnis wie mit einer unwirksamen AGB-Regelung verfolgt, um damit eine gerichtliche AGB-rechtliche Überprüfung zu verhindern2.
6.25
Die AGB müssen von einer Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages gestellt werden, § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies ist der Fall, wenn der Verwender der AGB deren Einbeziehung in den Vertrag verlangt, sie daher insoweit einseitig auferlegt und ein konkretes Angebot auf Einbeziehung macht3. Nach dem Zweck der §§ 305 ff. BGB soll der Vertragspartner des Verwenders von AGB vor einer einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit geschützt werden, denn dieser kann mit Blick auf die einseitige Auferlegung einer vorformulierten Vertragsbedingung gewöhnlich keinen Einfluss auf deren Ausgestaltung nehmen4. Die Einbeziehung der vorformulierten Bedingungen muss daher einer Vertragspartei zugerechnet werden können5. Dieses Zurechnungserfordernis gilt auch, wenn die AGB von einem Dritten formuliert sind6. Ein Stellen von vorformulierten Vertragsbedingungen des Verwenders beruht somit auf dem Ausnutzen seiner einseitigen Gestaltungsmacht. Ein Stellen in diesem Sinne liegt daher nicht vor, wenn der Einbeziehung der Vertragsbedingungen eine freie Entscheidung des Vertragspartners zugrunde liegt, der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird und in der Auswahl der potentiellen Vertragstexte frei ist und Gelegenheit erhält, eigene Textvorschläge in die Verhandlungen einzubringen7. Zudem muss die effektive Möglichkeit gegeben sein, sich mit dem eigenen Textvorschlag durchzusetzen.
6.26
1 BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, WM 2005, 874 (875) für eine interne Anweisung an Stelle einer unzulässigen und unwirksamen Entgeltklausel oder Schadenspauschale in AGB bzgl. einer Gebühr bei Rückgabe einer Lastschrift mangels Deckung. 2 BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, WM 2005, 874 (876). 3 Grüneberg in Palandt, § 305 BGB Rz. 10; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 42. 4 Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 15 f. 5 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 27; Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305 BGB Rz. 21. 6 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 42; Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 28; vgl. auch BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, WM 2009, 2363 (2364); BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, WM 2010, 725 (727). 7 BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, WM 2010, 725 (728); hierzu von Westphalen, ZIP 2010, 1110 ff.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Die in der Bankpraxis verwendeten AGB können in folgende Kategorien eingeteilt werden. Die sog. Grund-AGB, die vor allem die grundsätzlichen Rechte und Pflichten des Kunden und der Bank der auf Dauer angelegten Geschäftsverbindung regeln sollen. Die zweite Kategorie von AGB bilden eine Reihe von Sonderbedingungen, die von der Bankpraxis für spezielle Produkt- und Geschäftsbereiche im Laufe der Zeit entwickelt worden sind. Dies gilt zB für Sparkonten, Kreditkarten, den Scheckverkehr, das Wertpapiergeschäft oder die Vermietung von Schrankfächern1. Diese Sonderbedingungen enthalten Ergänzungen oder Abweichungen von den Grund-AGB. Eine dritte Kategorie von AGB bilden die Bankformulare mit relevanten Regelungen der Rechtsbeziehungen zwischen Bank und Kunden2. Denn die für die Abwicklung des Massenverkehrs gebotene Rationalisierung und weit gehende Standardisierung erfordern eine weitestmögliche formularmäßige Erfassung des Geschäftsverkehrs mit den Kunden. Schließlich sind auch solche Klauseln AGB, die außerhalb von Formularvordrucken entwickelt werden, um bei Bedarf mit dem Kunden vereinbart zu werden. b) AGB versus Individualabrede
6.28
Nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegen AGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt werden. Aushandeln ist mehr als Verhandeln3. Das Erfordernis des Aushandelns kann nach dem BGH nur bejaht werden, wenn der Verwender den in seinen AGB-Klauseln enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem anderen Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung der eigenen Interessen einräumt4. Dabei muss der Vertragspartner die tatsächliche Möglichkeit haben, auf den Inhalt der Vertragsbedingungen Einfluss nehmen zu können5. Durch diese Einflussnahme auf die Vertragsgestaltung soll eine in Bezug auf die Vertragsfreiheit hinreichende Vertragsparität gewährleistet werden6. Hierfür genügt es nicht, dass der Verwender dem Kunden lediglich freistellt, ob dieser die AGB annimmt oder nicht gegen sich gelten lassen will. Ein Aushandeln setzt zudem voraus, dass erkennbar wurde, dass der Vertragspartner des Verwenders deren Sinn wirklich verstanden hat7. Regelmäßig wird jedenfalls bei erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes von einem Aushandeln auszugehen sein8. Auch bei einer unveränderten Übernahme vorformulierter Bedingungen kann die Annahme gerechtfertigt sein, dass der Kunde 1 2 3 4 5
Übersicht bei Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 4. Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 30. Von Westphalen, NJW 2009, 2977 (2981). BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, WM 2005, 1373 (1375). Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305 BGB, Rz. 34; Grüneberg in Palandt, § 305 BGB Rz. 21; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, WM 2000, 629 (632). 6 Von Westphalen, NJW 2009, 2977 (2981). 7 Hierzu von Westphalen, NJW 2006, 2228 (2228 f.); BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, WM 2005, 1373 (1375). 8 BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, WM 2000, 629 (632); von Westphalen, NJW 2009, 2977 (2981 f.); kritisch hierzu Müller/Griebeler/Pfeil, BB 2009, 2658 (2660) für den unternehmerischen Verkehr.
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Allgemeine Geschäftsbedingungen
eine autonome Entscheidung über den Inhalt des Vertrages getroffen hat. So mag dies auf Tatsachenebene der Umstand kontinuierlicher, über einen längeren Zeitraum andauernder Vertragsverhandlungen nahelegen1. Dasselbe gilt, wenn der Kunde Textvorschläge in die Verhandlungen einbringen konnte, um effektiv seine Interessen durchsetzen zu können2. Soweit nach diesen Grundsätzen eine Individualabrede vorliegt, bleibt hiervon der AGB-Charakter der übrigen Klauseln unberührt, weshalb insoweit auch Mischformen von Vertragstexten denkbar sind3. Umgekehrt können auch einzelne Klauseln in sonst individuell gestalteten Verträgen AGB sein4. Für die Bankpraxis empfiehlt sich zudem eine Dokumentation der Vertragsverhandlungen zum Nachweis eines Aushandelns5. Da vorformulierte Klauseln insbesondere der Rationalisierung im Sinne einer möglichst einheitlichen Abwicklung der einzelnen Bankgeschäfte dienen und dieser Rationalisierungszweck durch Modifizierung der AGB-Klauseln im Einzelfall gefährdet oder vereitelt würde, kommt bei derartigen Massengeschäften ein Aushandeln faktisch nicht in Betracht6. Denn hierzu müsste die betreffende Klausel in jedem Einzelfall erkennbar gegenüber dem potentiellen Kunden inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt werden7. Da ein Aushandeln zwischen den Vertragspartnern erfolgen muss, fallen kollektiv auf Verbandsebene ausgehandelte Klauseln nicht unter § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB8.
6.29
Ergänzend zu § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB regelt § 305b BGB den Vorrang der Individualabrede. Anders als bei im Einzelnen ausgehandelten Vertragsbedingungen gilt dieser Vorrang mit Blick auf dessen Schutzzweck auch für solche Abreden, die nicht die Begriffsvoraussetzungen von AGB nach § 305 BGB erfüllen9. Ein Vorrangverhältnis kann nur bestehen, wenn sowohl die individuelle Abrede wie auch die AGB wirksam vereinbart worden sind. Besteht demgegenüber ein Widerspruch einzelner Klauseln innerhalb des AGB-Werkes, ist § 305c Abs. 2 BGB anwendbar, wonach Zweifel bei der Auslegung von AGB zu Lasten des Verwenders gehen.
6.30
Individualvereinbarungen, die erst nach Vertragsschluss zu Stande gekommen sind, haben ebenso Vorrang10. Es ist unerheblich, ob diese individuelle und die
6.31
1 von Westphalen, BB 2010, 195 (197 f.); vgl. auch differenzierend Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, 309 (314). 2 von Westphalen, ZIP 2010, 1110 (1112 f.). 3 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 43; SchulteNölke in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 305 BGB Rz. 7. 4 BGH v. 26.9.1996 – VII ZR 318/95, WM 1997, 126 (127); Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 36. 5 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 35. 6 Von Westphalen, NJW 2002, 1688 (1689); Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 5 Rz. 5. 7 LG Köln v. 4.7.2001 – 26 O 87/00, WM 2001, 1946 (1947). 8 Grüneberg in Palandt, § 305 BGB Rz. 18; Schulte-Nölke in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 305 BGB Rz. 7. 9 Lapp in jurisPK-BGB, 3. Aufl. 2006, § 305b BGB Rz. 8. 10 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, WM 2005, 2406 (2407); Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305b BGB Rz. 37.
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AGB verdrängende Willenserklärung des AGB-Verwenders schriftlich, mündlich, ausdrücklich oder auch stillschweigend abgegeben wurde1. Der Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede erfordert keineswegs, dass zwischen dem AGB-Verwender und seinem Vertragspartner ausdrücklich oder zumindest stillschweigend eine solche vorrangige Individualabrede getroffen worden ist. Nach allgemeiner Meinung bestehen keine Bedenken, das Vorrangprinzip analog auch auf solche Fälle anzuwenden, in denen nur einseitige individuelle Erklärungen des Verwenders mit dem Inhalt seiner AGB in Widerspruch stehen. Auch hier hat die spezielle Erklärung Vorrang gegenüber der generellen Erklärung2.
3. Einbeziehung in die bankmäßige Geschäftsverbindung a) Einbeziehungsvoraussetzungen
6.32
Voraussetzung für die Geltung der AGB ist deren wirksame Einbeziehung in das Vertragsverhältnis. Dies erfolgt durch die sog. Einbeziehungsvereinbarung gemäß § 305 Abs. 2 BGB. Danach werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrages, wenn die Bank als Verwender bei Vertragsschluss die – nicht unternehmerisch tätigen – Kunden (vgl. § 310 Abs. 1 BGB) auf die AGB hinweist, die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme verschafft und die Kunden mit der Geltung einverstanden sind. Diese Einbeziehung stellt kein besonderes Rechtsgeschäft dar, sondern ist Teil des jeweiligen Vertrages. Für die Anwendung des § 305 Abs. 2 BGB ist kein Raum, wenn das Rechtsgeschäft unter Verwendung eines Formularvertrages abgeschlossen wird, der in seinem Text sämtliche Vertragsbedingungen enthält und deshalb selbst den gesetzlichen Begriff der AGB erfüllt, im Übrigen aber weitere einzubeziehende Vertragsbedingungen außerhalb des Vertragsformulars nicht gegeben sind3.
6.33
Weitere Einbeziehungsvoraussetzung ist ein ausdrücklicher Hinweis auf die Geltung der AGB. Hierfür bedarf es nicht zwingend der Schriftform. Ein schriftlicher Hinweis muss aber so angeordnet und gestaltet sein, dass ein Durchschnittskunde diesen auch bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit und flüchtiger Betrachtung nicht übersehen kann4. Ein Hinweis auf die AGB in einem Formularvertrag ist regelmäßig hinreichend5. Dabei müssen die einzubeziehenden AGB konkret und zweifelsfrei bezeichnet sein.
6.34
Des Weiteren muss dem Kunden möglich sein, in zumutbarer Weise von dem Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 2 BGB). Der Vertragspartner soll sich vor Vertragsabschluss mit den AGB vertraut machen können, um die Rechtsfolgen und Risiken eines Vertragsabschlusses abschätzen zu können6. 1 Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305b BGB Rz. 5; Lindacher in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305b BGB Rz. 5. 2 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305b BGB Rz. 10a. 3 BGH v. 27.10.1994 – IX ZR 168/93, WM 1994, 2274 (2275). 4 Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 69. 5 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 50. 6 BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 12/08, WM 2010, 233 (237).
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Allgemeine Geschäftsbedingungen
Die konkreten Anforderungen an die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme sind von dem jeweiligen Kommunikationsmittel zwischen Bank und Kunde abhängig. So ist im Präsenzgeschäft neben dem Hinweis auf die Geltung der AGB ausreichend, dass diese zur jederzeitigen Einsichtnahme für den Kunden ausliegen. Eine Aushändigung des AGB-Textes ist nicht erforderlich. Anderes gilt für den Vertragsschluss unter Abwesenden wie beispielsweise mittels Brief oder Internet. Die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme besteht hier nur, wenn dem Kunden vor Vertragsabschluss die betreffenden Bedingungen tatsächlich verfügbar sind, weil sie ihm beispielsweise übermittelt wurden1. Der Hinweis, der AGB-Text könne im Geschäftslokal des Verwenders eingesehen werden oder das Angebot, den AGB-Text auf Anfordern kostenlos zu übersenden, sind nicht hinreichend2. Für Fernabsatzverträge mit Verbrauchern besteht zudem die Pflicht zu einer Mitteilung der für den Vertrag maßgeblichen Geschäftsbedingungen rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Kunden gemäß § 312c Abs. 2 Nr. 1 BGB3. Neben diesen besonderen Voraussetzungen im Fernabsatzgeschäft ist im Ergebnis ein Bedarf für die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Fernabsatz nicht gegeben, weshalb insoweit § 312c Abs. 2 BGB als Sondernorm angesehen werden kann4. Die Erfüllung dieser Sonderregelungen ist aber nicht Voraussetzung für eine wirksame Einbeziehung5.
6.35
Bei einem Vertragsschluss über das Internet ist für die Möglichkeit der Kenntnisverschaffung ausreichend, wenn die AGB über einen auf der Bestellseite gut sichtbaren Link aufgerufen und ausgedruckt werden können. Denn eine Verlinkung gehört zu den in dem Internet-Medium üblichen Gepflogenheiten, weshalb der Verwender von AGB davon ausgehen darf, dass Verbraucher, die sich zum Zwecke des Vertragsabschlusses dieses Mediums bedienen, mit entsprechenden Links ohne Weiteres umgehen können6. Das Aufrufen eines entsprechenden Links entspricht einem Weiterblättern bei einer mehrseitigen gedruckten Unterlage7. Die in der Praxis häufig verwandte Verfahrensweise, bei welcher der Kunde zudem durch Anklicken eines separaten Anklickfeldes die tatsächliche Kenntnisnahme der AGB ausdrücklich bestätigen muss, ist bei einem ausdrücklichen Hinweis auf die AGB nicht erforderlich8, dient im Ergebnis aber der Beweiserleichterung. Die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme ist demgegenüber im Hinblick auf die Flüchtigkeit der Dar-
6.36
1 Von Westphalen, NJW 2009, 2355 (2356). 2 Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305 BGB Rz. 62; Schulte-Nölke in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 305 BGB Rz. 15. 3 Wendehorst in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 312c BGB Rz. 124. 4 Thüsing in Staudinger, Neubearb. 2005, § 1 BGB-InfoV Rz. 93; Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 103. 5 Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305 BGB Rz. 62; Schulte-Nölke in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 305 BGB Rz. 15. 6 BGH v. 14.6.2006 – I ZR 75/03, BB 2006, 1990 (1991). 7 Härting, Internetrecht, Rz. 375. 8 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 1 Rz. 30; Lapp in jurisPK-BGB, 3. Aufl. 2006, § 305 BGB Rz. 51.
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stellung auf dem Bildschirm dann nicht gegeben, wenn sich das betreffende Bedingungswerk nicht herunterladen lässt1.
6.37
Die Kenntnisnahmemöglichkeit setzt Verständlichkeit und Lesbarkeit des Inhalts voraus. Die AGB müssen den Kunden daher in lesbarer Form zugänglich gemacht werden. Die Grenze des Zumutbaren wird überschritten, wenn die AGB wegen Art oder Größe des Schriftbildes nur mit Mühe, beispielsweise nur mit Hilfe einer Lupe, entziffert werden können2. Dabei ist regelmäßig zu berücksichtigen, dass AGB wegen ihrer Komplexheit erhöhte Anforderungen an Konzentration und Verständnis stellen. Bei der Verwendung extrem kleiner Drucktypen ist daher der Verdacht nicht fern liegend, die Gestaltung solle den Kunden bewusst von einem Lesen abhalten3. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Lesbarkeit können neben der Größe des Schriftbildes auch Farbe, Helligkeit des Untergrundes, drucktechnische Sauberkeit und Hintergrundgestaltung, Zeilenanordnung, Papierbeschaffenheit, die Verwendung einer Gliederung oder die gegenüber der Bedeutung des Geschäfts unverhältnismäßige Textlänge sein4. Bei der Verwendung von kleinen Buchstabentypen kann beispielsweise durch ein klares und ggf. farbstarkes Druckbild, fett gedruckte und gut wahrnehmbare Überschriften und größere Zeilenabstände zwischen den Absätzen einzelner Klauseln der Gefahr eines insgesamt verschwommenen Bildes der AGB-Abbildung entgegengewirkt werden5. Dies zeigt, dass sich die Grenzen zwischen Lesbarkeit und Intransparenz nicht in jedem Fall trennscharf bestimmen lassen6.
6.38
Die vorgenannten Einbeziehungsvoraussetzungen sind auch gegenüber sprachunkundigen ausländischen Kunden zu beachten7. Das Verständnis deutschsprachiger AGB kann zwar für sprachunkundige Kunden mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Daraus kann aber nach dem BGH nicht gefolgert werden, dass der Verwender ihnen in solchen Fällen eine Übersetzung zur Verfügung stellen müsste8. Entscheidend ist vielmehr, welcher Sprache sich die Parteien im Rahmen ihrer rechtsgeschäftlichen Beziehungen bedienen. Wählen sie die deutsche Sprache als Verhandlungs- und Vertragssprache, so akzeptiert der ausländische Partner damit den gesamten deutschsprachigen Vertragsinhalt einschließlich der zugrunde liegenden AGB. Denn wer sich auf
1 Härting, Internetrecht, Rz. 376. 2 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 154; Pfeiffer in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 88. 3 LG Köln v. 21.1.2009 – 18 O 351/08, BeckRS 2009, 06841. 4 Vgl. auch BGH v. 13.5.1987 – I ZR 68/85, NJW 1988, 767 (768); BGH v. 3.2.1986 – II ZR 201/85, WM 1986, 678 f. 5 OLG Saarbrücken v. 12.6.2008 – 8 U 380/07, BB 2008, 2649 (2650 f.) bzgl. 1 mm Zeilenhöhe; vgl. auch für die Darstellung der AGB-Banken BGH v. 14.7.2009 – XI ZR 152/08, WM 2009, 1647 (1649). 6 Ayad, BB 2008, 2651. 7 BGH v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82, WM 1983, 527 (528); OLG München v. 20.3.1975 – 24 U 314/74, WM 1976, 45 (48); LG Köln v. 16.4.1986 – 10 O 10/86, WM 1986, 821 (822). 8 BGH v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82, WM 1983, 527 (528).
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Allgemeine Geschäftsbedingungen
einen Vertragsschluss in einer fremden Sprache einlässt, trägt grundsätzlich das Verständigungs- oder Sprachrisiko1. Der Kunde muss sich letztlich so behandeln lassen, wie jemand, der einen Vertrag bewusst nicht liest, diesen aber dennoch unterzeichnet. Daher muss der Kunde auch einen nicht zur Kenntnis genommenen Text der Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen2. Soweit die Bank eine fremdsprachige Fassung der AGB als Lesehilfe zur Verfügung stellt, handelt es sich dabei um eine bloße freiwillige Serviceleistung, auf die der Kunde keinen Anspruch hat. Eine andere Beurteilung der Voraussetzungen für eine wirksame Einbeziehung von in deutscher Sprache verfassten AGB kann dann geboten sein, wenn Bank und Kunde in einer fremden Sprache miteinander verhandelt haben. Für die Fälle des Auseinanderfallens von Verhandlungs- und Vertragssprache ist umstritten, ob nur der Hinweis auf die Geltung der AGB nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB in der fremden Verhandlungssprache erfolgen muss3 oder ob zudem der gesamte Vertragstext sowie die AGB in der fremden Sprache formuliert sein müssen, wenn der Vertragspartner die Sprache der AGB nicht beherrscht4.
6.39
Schließlich muss der Kunde mit der Geltung der AGB einverstanden sein, § 305 Abs. 2 letzter Halbsatz BGB. Dieses Einverständnis ist als Annahmeerklärung nach den allgemeinen Regelungen über Willenserklärungen nach §§ 145 ff. BGB zu beurteilen5. Das Einverständnis ist formfrei und kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Maßgeblich ist, dass das Verhalten des Kunden den Umständen nach als Einverständnis mit der Geltung der AGB angesehen werden kann. Ein solches konkludentes Einverständnis liegt insbesondere vor, wenn der Kunde seine Vertragserklärung abgibt, nachdem er auf die AGB und die Sonderbedingungen hingewiesen und ihm die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisverschaffung eingeräumt worden ist6. Denn AGB werden auch Bestandteil des Vertrages, wenn der Kunde ein Formular, welches auf die Geltung der AGB hinweist, unterzeichnet, ohne die AGB tatsächlich gelesen zu haben7. Das damit einher gehende Risiko trägt allein der Kunde.
6.40
Werden die Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB nicht erfüllt, so scheitert die Einbeziehung der AGB. In diesem Fall kommt der Vertrag ohne die AGB zu-
6.41
1 Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 89; Schulte-Nölke in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 305 BGB Rz. 11; H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 305 BGB Rz. 15. 2 BGH v. 27.10.1994 – IX ZR 168/93, WM 1994, 2274 f.; BGH v. 10.3.1983 – VII ZR 302/ 82, WM 1983, 527 (528). 3 OLG Hamm v. 10.10.1988 – 2 U 196/87, IPrax 1991, 324. 4 OLG Stuttgart v. 16.6.1987 – 2 U 291/86, IPrax 1988, 293 (294); OLG Hamburg v. 1.6.1979 – 11 U 3279, NJW 1980, 1232; H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 305 BGB Rz. 14. 5 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 161; Pfeiffer in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 104. 6 Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305 BGB Rz. 83; Grüneberg in Palandt, § 305 BGB Rz. 43. 7 Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 160.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
stande. Dabei ist unbeachtlich, ob der Verwender seinen Einbeziehungswillen zum Ausdruck gebracht hat. Hier kommt sodann nur noch eine nachträgliche Einbeziehung im Wege einer Vertragsänderung in Betracht1. Von einer gescheiterten Einbeziehung der AGB ist eine funktionale Reduktion von § 305 Abs. 2 BGB zu unterscheiden. So hat der BGH in Bezug auf Anleihebedingungen für Inhaberschuldverschreibungen mit Rücksicht auf die Fungibilität und Kapitalmarktfähigkeit der betreffenden Papiere eine strenge Einbeziehungskontrolle nach § 305 Abs. 2 BGB abgelehnt und eine konkludente Einbeziehungsvereinbarung für ausreichend angesehen2 (dazu Rz. 15.339).
6.42
Die Vertragsparteien können für eine bestimme Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter AGB im Voraus vereinbaren, § 305 Abs. 3 BGB. Für den Abschluss einer solchen Pauschal- oder Rahmenvereinbarung müssen die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB erfüllt sein3. Dabei darf die Rahmenvereinbarung nur auf die Geltung bestimmter AGB, nicht hingegen auf die jeweils gültigen AGB („in ihrer jeweils geltenden Fassung“), abstellen4. Die so vorweggenommene Einbeziehung bestimmter AGB hat für die Bankpraxis besondere Bedeutung, da der Kunde bei Eröffnung der Kundenverbindung regelmäßig beabsichtigt, künftig eine Vielzahl von Bankgeschäften gleicher oder ähnlicher Art zu tätigen5. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Rahmenvereinbarung auch auf mehrere Arten von Rechtsgeschäften erstrecken, soweit davon typische Bankgeschäfte erfasst sind6. Werden beispielsweise die AGB bei der Eröffnung eines Girokontos als dem erstmaligen Bankgeschäft vereinbart, so gelten diese unter den vorgenannten Voraussetzungen auch für spätere andere typische Bankgeschäfte des Sparverkehrs7.
6.43
Es ist grundsätzlich möglich, durch Weiterverweisung auf mehrere Klauselwerke Bezug zu nehmen und diese in einem bestimmten Rangverhältnis zur Vertragsgrundlage zu machen (sog. gestaffelte Klauselwerke)8. Diese Staffelverweisung ist aber unzulässig, wenn die Verwendung mehrerer Klauselwerke wegen des unklaren Verhältnisses konkurrierender Regelungen zur Unverständlichkeit führt. Denn das durch Verweisung geschaffene Regelwerk darf nicht so komplex werden, dass es für den Vertragspartner nicht mehr zu durchschauen ist9.
1 BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 12/08, WM 2010, 233 (237). 2 BGH v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, WM 2005, 1567 (1568 ff.); im Übrigen bleibt das AGB-Recht anwendbar, hierzu Podewils, ZHR 174 (2010), 192 (198 ff.). 3 Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305 BGB Rz. 87. 4 Grüneberg in Palandt, § 305 BGB Rz. 45; Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305 BGB Rz. 86; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 52; Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 180. 5 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 1 Rz. 31. 6 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 52; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 48. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 5 Rz. 22. 8 Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 112, 143. 9 Vgl. BGH v. 21.6.1990 – VII ZR 308/89, WM 1990, 1785; kritisch zur Weiterverweisung Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 152a.
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Allgemeine Geschäftsbedingungen
Gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB gelten die besonderen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB nicht für AGB, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. Der Begriff des Unternehmers richtet sich nach § 14 BGB1. Da im unternehmerischen Geschäftsverkehr ebenso eine auf die Geltung der AGB gerichtete Willensübereinstimmung gegeben sein muss, bedarf es auch hier einer rechtsgeschäftlichen Einbeziehungsvereinbarung2. Diese kann jedoch in Abweichung von § 305 Abs. 2 BGB auch stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten und ohne besonderen Hinweis erfolgen3. Da im Geschäftsverkehr mit Banken die Verwendung von AGB branchenüblich ist, kann von einem unternehmerischen Bankkunden erwartet werden, dass er auch ohne einen besonderen Hinweis mit den AGB rechnen und sie gegen sich gelten lassen muss, wenn er diesen bei Vertragsabschluss nicht widerspricht4. Denn bei Banken ist allgemein bekannt, dass diese ihre Verträge nur unter Einbeziehung ihrer AGB abschließen5.
6.44
Die AGB-Banken und die Sonderbedingungen gelten grundsätzlich auch im Geschäftsverkehr mit anderen Banken6. Voraussetzung hierfür ist, dass zu der anderen Bank eine bankmäßige Geschäftsbeziehung besteht, die Bank als Verwender der AGB die vertragstypische Leistung erbringt und die andere Bank sich in der typischen Kundenrolle befindet7. Dies gilt auch im internationalen Bankverkehr für die Einbeziehung der AGB einer deutschen Bank in das Vertragsverhältnis mit einer ausländischen Bank, wenn von der ausländischen Bank nach den Umständen erwartet werden kann, dass ihr die Branchenüblichkeit der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bekannt ist8.
6.45
b) Geltung der AGB von Dritten Häufig sind Kreditinstitute gehalten, fremde AGB von dritten Stellen zu akzeptieren, die in die Ausführung der Kundenaufträge eingeschaltet sind und ihre Dienstleistungen nur im Rahmen der von ihnen verwendeten AGB erbringen. Dies gilt zB für die umfangreichen AGB der Bundesbank, welche ua. den von der Bundesbank vermittelten Zahlungsverkehr im In- und Ausland regeln. Auch im Auslandsgeschäft haben die Kreditinstitute umfangreiche Klauselwerke bei der Ausführung von Kundenaufträgen zu akzeptieren. Auf 1 Grüneberg in Palandt, § 310 BGB Rz. 2; zur Abgrenzung der Verbrauchereigenschaft BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780. 2 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 170; Schulte-Nölke in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 305 BGB Rz. 19. 3 Grüneberg in Palandt, § 310 BGB Rz. 4. 4 Kieninger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 307 BGB Rz. 200; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 5 Rz. 23; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 54; Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch Rz. A/8. 5 Von Westphalen, NJW 2005, 1987 (1988); BGH v. 4.3.2004 – IX ZR 185/02, WM 2004, 1177 (1177 f.). 6 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 1 Rz. 1; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 6 Rz. 8 f. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 6 Rz. 9. 8 BGH v. 4.3.2004 – IX ZR 185/02, WM 2004, 1177 (1178).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Grund des weiten AGB-Begriffes haben sämtliche von dritter Seite aufgestellten vorformulierten Bedingungen AGB-Charakter, wenn sie auf Vorschlag einer Vertragspartei Bestandteil der vertraglichen Beziehung werden sollen.
6.47
Da der Kunde an diesen Ausführungsgeschäften nicht unmittelbar beteiligt ist, stellt sich die Frage nach einer wirksamen Einbeziehung der von den dritten Stellen verwandten AGB in das Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Bank. Voraussetzung für die Geltung dieser AGB gegenüber dem Bankkunden ist, dass die Bank diese zum Bestandteil des Vertragsverhältnisses zum Kunden macht. Dies erfolgt über eine entsprechende Vereinbarung, für welche eine Weiterverweisungsklausel in den AGB der Bank genügt1.
6.48
Werden die AGB des Dritten mangels einer ausdrücklichen Verweisung nicht wirksam in das Vertragsverhältnis zwischen Bank und Kunden einbezogen, fragt sich, ob der Kunde die AGB des Dritten gegen sich wirken lassen muss. Eine solche Drittwirkung von AGB zu Lasten am Vertragsschluss nicht Beteiligter ist grundsätzlich ohne deren Zustimmung ausgeschlossen2. Eine etwaige stillschweigende Ermächtigung durch am Vertrag Unbeteiligte, Ausführungsgeschäfte zu ihren Lasten auf der Grundlage üblicher AGB abzuschließen3, dürfte in derartigen Fällen nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht kommen. So muss für den Kunden erkennbar sein, dass die Bank zur Erfüllung des Kundenauftrages ein Ausführungsgeschäft mit einem Dritten abschließt. Auch bei Zugrundelegung einer stillschweigenden Ermächtigung dürfen die AGB des Dritten für den Kunden weder überraschend noch unangemessen sein. Die betreffenden Regelungen müssen daher mit dem Auftrag des Kunden an seine Bank in einem erkennbaren Zusammenhang stehen und zudem verkehrsüblich sein.
II. Inhaltskontrolle von AGB
6.49
Bei der Verwendung von AGB wird der Vertragsinhalt insoweit einseitig von dem AGB-Verwender vorformuliert. Da die Interessen der Vertragspartner sehr oft gegenläufig sind, besteht hier typischerweise die Gefahr, dass die Vertragsbedingungen ausschließlich oder übermäßig auf die Interessen des Verwenders zugeschnitten sind und nicht hinreichend auf die Interessen des Vertragspartners Rücksicht nehmen, wie dies jedoch das Gebot von Treu und Glauben erfordert. Aus der Inanspruchnahme einseitiger und überlegener Gestaltungsmacht durch den Verwender erwächst ein entsprechendes Schutzbedürfnis des Vertragspartners, welchem mit einer Inhaltskontrolle der AGB entsprochen werden soll4. 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 5 Rz. 20 f. 2 Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 167; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 168a. 3 Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305 BGB Rz. 167; aA Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 5 Rz. 21. 4 BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, WM 2009, 2363 (2364).
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Allgemeine Geschäftsbedingungen
Vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle1 wurden die Inhalte der von den Verbänden der Kreditwirtschaft empfohlenen AGB-Texte vorab im Wege des behördlichen Freistellungsverfahrens durch die Kartellbehörde überprüft (vgl. § 29 GWB aF). Mit der Einführung des Systems der Legalausnahme in § 2 GWB ist dieses Verfahren für die Kreditwirtschaft ersatzlos entfallen2.
6.50
1. Prüfungsmaßstab a) Allgemeine Grundsätze AGB-Klauseln unterliegen einer Inhaltskontrolle durch die Rechtsprechung. Diese wurde zunächst auf § 242 BGB gestützt und erstmals mit dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes gesetzlich geregelt. Maßstab für die rechtliche Inhaltskontrolle ist das allgemeine Prinzip der sog. ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit, die verletzt ist, wenn eine bestimmte AGB-Klausel offenbar unbillig ist oder wenn das als Leitbild dienende dispositive Recht über den Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragspartner verdrängt wird, ohne dass in anderer Weise ein angemessener Schutz des Vertragspartners gewährleistet ist.
6.51
In AGB sind Regelungen unwirksam, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen und daher dem allgemeinen Maßstab des § 307 BGB nicht entsprechen oder die nach den Klauselverboten der §§ 308 und 309 BGB unzulässig sind. § 307 BGB ist eine Generalnorm für die richterliche Inhaltskontrolle. Die Klauselkataloge der §§ 308 und 309 BGB beinhalten im Wesentlichen eine Kodifizierung der vor Geltung der gesetzlichen Regelung von der Rechtsprechung aus § 242 BGB entwickelten Rechtsgrundsätze3. Gegenüber dem Klauselkatalog der EG-Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen4 gewähren die Regelungen der §§ 308, 309 BGB einen über die Anforderungen der Richtlinie hinaus reichenden Schutz5. In diesem Zusammenhang sind die zahlreichen höchstrichterlichen Urteile zur Klauselkontrolle Vorgaben für eine AGB-mäßige Vertragsgestaltung und daher für die Kautelarpraxis von erheblicher Bedeutung6.
6.52
Vor einer Prüfung der Unwirksamkeit am Maßstab der §§ 307 ff. BGB muss zunächst der Inhalt der betreffenden AGB-Klausel durch Auslegung ermittelt werden7. Dabei ist vorfrageweise zu beachten, ob überhaupt Raum für eine
6.53
1 BGBl. I 2005, S. 1954. 2 Hierzu Lettl, WM 2005, 1585. 3 BGH v. 25.10.1984 – VII ZR 95/83, WM 1985, 59 (60); vgl. auch BGH v. 18.1.1996 – IX ZR 69/95, WM 1996, 436 (438), wonach das AGB-Gesetz eine über die früher an § 242 BGB ausgerichtete Prüfung hinausgehende strenge, intensivierte Inhaltskontrolle anstrebt. 4 Richtlinie 93/13/EWG, ABl. EG Nr. L 95 v. 21.4.1993, S. 29. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 5 Rz. 77. 6 Vgl. auch von Westphalen, NJW 2009, 2355 (2362: AGB-Recht als „Überrecht“). 7 Grüneberg in Palandt, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 19; Thessinga in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 69.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Auslegung gegeben ist. Denn haben die Vertragsparteien eine Klausel übereinstimmend in einem bestimmten Sinne verstanden, so geht dieser übereinstimmende Wille der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor1.
6.54
Muss demgegenüber eine AGB-Klausel ausgelegt werden, ist der Grundsatz der objektiven Auslegung maßgebend. Ausgangspunkt hierfür ist der Wortlaut2. Ist dieser nicht eindeutig, erfolgt die Auslegung ohne Berücksichtigung etwaiger besonderer Umstände des Einzelfalls und unabhängig vom Willen und von den Vorstellungen der jeweiligen Vertragsparteien3. Vielmehr ist eine AGB-Klausel ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der typischerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird4. In diesem Zusammenhang sind der Wortlaut einer Klausel, deren Sinn und Zweck sowie ihre systematische Stellung in den AGB zu berücksichtigen5. Der Bedeutungsgehalt einer Klausel ist auch an dem allgemeinen Sprachgebrauch, dem allgemein verbreiteten Verständnis, der Verkehrsüblichkeit sowie der Frage, ob eine bestimmte Beurteilung einer Klausel regelmäßig fern liegend ist, zu beurteilen6.
6.55
Verbleiben auch nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungen Zweifel und sind mindestens zwei Auslegungsmethoden rechtlich vertretbar, so gehen diese nach der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders7. Dies bedeutet, dass das Ergebnis der Auslegung zum Vertragsinhalt wird, welches dem Kunden letztlich „am günstigsten“ ist8. Bei einer mehrdeutigen Klausel ist daher von den möglichen Auslegungen dieje1 BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643 (1644). 2 BGH v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, 1500 (1501); BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, WM 2009, 1460 (1462); OLG Karlsruhe v. 30.6.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741 (1742). 3 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1078); BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465 (1467); BGH v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, WM 2008, 1391 (1392); Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 5 Rz. 39. Entgegen der objektiven Auslegung sind nach aA auch individuelle Umstände des Vertragsschlusses zu berücksichtigen, wenn ihnen ausnahmsweise eine Auslegungsbedeutung abzugewinnen ist, vgl. Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305c BGB Rz. 130; ähnlich Lindacher in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305c BGB Rz. 111. 4 BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, WM 2010, 1022 (1024); BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643 (1644); BGH v. 17.12.2008 – VIII 274/06, WM 2009, 312 (323); BGH v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, WM 2008, 1391 (1392); BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, WM 1990 1367 (1368); Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305c BGB Rz. 74 ff.; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 64. 5 BGH v. 13.6.1990 – VIII ZR 130/89, WM 1990, 1389 (1390). 6 BGH v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, WM 2008, 1391 (1393) für die Begriffe „Bankeinzug“, „abbuchen“ und „einlösen“. 7 BGH v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, WM 2008, 1391 (1393). 8 BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 244/08, NJW 2010, 293 (294); Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 51; vgl. auch von Westphalen, NJW 2009, 2355 (2356).
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nige zugrunde zu legen, welche zur Unwirksamkeit der Klausel führt (sog. kundenfeindlichste Auslegung)1. Ist die Klausel nach jeder in Betracht kommenden Auslegung wirksam, so ist die dem Kunden günstigste Auslegung maßgeblich2. § 307 BGB ist auch ein Auffangtatbestand für die Fälle, in welchen nach § 310 Abs. 1 BGB eine Klauselkontrolle nach §§ 308 und 309 BGB ausgeschlossen ist. Für die Klauselkontrolle im unternehmerischen Verkehr bilden die wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) die maßgeblichen Prüfkriterien der richterlichen Inhaltskontrolle. Das dispositive Recht hat insoweit Leitbildfunktion3. Von der Rechtsprechung wird in Verstößen gegen die §§ 308, 309 BGB auch für die unternehmerische Kundschaft eine Indizwirkung für eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners nach § 307 BGB gesehen4. Allerdings kann dort die strittige AGB-Klausel wegen der besonderen Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs auch als angemessen anzusehen sein (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB)5.
6.56
Die Inhaltskontrolle von Klauseln, die gegenüber Unternehmern verwendet werden, kann somit zu einem anderen Ergebnis als bei der Verwendung gegenüber Privatkunden führen. Werden AGB für verschiedene Arten von Geschäften und gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen verwendet, deren Interessen, Verhältnisse und Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich gelagert sind, so ist die Abwägung in den Vertrags- und Fallgruppen vorzunehmen, wie diese sich aus den am Sachgegenstand orientierten typischen Interessenlagen ergeben. Die Inhaltskontrolle von AGB kann daher zu gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen. Darin liegt keine unzulässige geltungserhaltende Reduktion6 (hierzu Rz. 6.76 ff.). So können zB bei der Frage, ob eine AGB-Klausel dem Transparenzgebot entspricht, bei Geschäften im unternehmerischen oder im öffentlich-rechtlichen Bereich mit Rücksicht auf die diesbezügliche Regelung in § 310 Abs. 1 BGB geringere Anforderungen gestellt werden7.
6.57
b) Insbesondere: Verbot der unangemessenenen Benachteiligung Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Regelungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und 1 BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, WM 2010, 1022 (1025); BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1078); BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, WM 2009, 1460 (1462); BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465 (1467). 2 BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, WM 2010, 1022 (1025). 3 Von Westphalen, NJW 2009, 2977 (2978 f.) 4 Stadler in Jauernig, § 307 BGB Rz. 1; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 47, I 67; Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 310 BGB Rz. 12. 5 Vgl. Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 310 BGB Rz. 10; vgl. hierzu auch Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, 309 (310 ff.). 6 BGH v. 9.2.1990 – V ZR 200/88, WM 1990, 464 (466). 7 BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, WM 1990, 1367 (1368 f.).
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Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Verwender der AGB durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen1. Zudem unterliegen in AGB auferlegte Pflichten und Sanktionen einem Übermaßverbot und bedürfen einer konkreten und angemessenen Eingrenzung jedenfalls in den Fällen, in denen die Regelung das Äquivalenzverhältnis der Leistungsbeziehung zum Kunden gravierend verschiebt2. Eine Unangemessenheit liegt nicht vor, wenn höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des AGB-Verwenders die Benachteiligung des Vertragspartners rechtfertigen3. Eine Beurteilung nach diesen Maßstäben erfordert die Ermittlung, Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen4. Neben den typischen Interessen der Vertragsparteien sind die Art des konkreten Vertrages sowie die übrigen AGB-Regelungen zu berücksichtigen5. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer AGB-Regelung ist allein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, weshalb eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Umstände oder ein Bewertungswandel unberücksichtigt bleiben6. Ebenso wenig spielt das spätere Verhalten der Parteien bei der Vertragsabwicklung für die Beurteilung der Wirksamkeit einer formularmäßigen Klausel eine Rolle7.
6.59
Für eine unangemessene Benachteiligung des Kunden enthält § 307 Abs. 2 BGB eine gesetzliche Vermutung. Danach ist eine solche Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. Hierbei kann es sich auch um eine Nebenpflicht handeln. Nach dem BGH indiziert die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Gegenseite8. Für die Beurteilung, ob Gründe vorliegen, die die betreffende Klausel gleichwohl nicht als unangemessen erscheinen lassen, ist eine umfassende Abwägung der berechtigten Interessen sämtlicher Beteiligten geboten9. 1 BGH v. 16.7.2009 – III ZR 299/08, WM 2009, 1945 (1947); BGH v. 1.2.2005 – X ZR 10/ 04, NJW 2005, 1774 (1775); BGH v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, WM 2003, 448 (449). 2 BGH v. 29.4.2010 – Xa ZR 5/09, WM 2010, 1087 (1090). 3 BGH v. 27.5.2010 – VII ZR 165/09, WM 2010, 1215 (1217); BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237 (1239). 4 BGH v. 27.5.2010 – VII ZR 165/09, WM 2010, 1215 (1217); BGH v. 1.2.2005 – X ZR 10/04, NJW 2005, 1774 (1775). 5 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044 (1048). 6 BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, WM 2010, 1022 (1026); OLG Schleswig v. 26.2.2009 – 5 U 71/08, WM 2009, 1193 (1196). 7 BGH v. 5.11.1991 – XI ZR 246/90, WM 1991, 2055 (2056). 8 BGH v. 17.9.2009 – Xa ZR 40/08, WM 2009, 2398 (2400); BGH v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, WM 2001, 563 (565). 9 BGH v. 17.9.2009 – Xa ZR 40/08, WM 2009, 2398 (2400); BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, WM 2005, 874 (877).
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6. Teil
Allgemeine Geschäftsbedingungen
Ein wesentliches Indiz einer solchen Unangemessenheit ist die Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen, soweit diese nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, sondern dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleihen1. Geht es dabei um die Angemessenheit einer bestimmten Klausel, so ist der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen. Insbesondere muss auch der Inhalt anderer Klauseln in Betracht gezogen werden2. Im Bankrecht kann eine Klauselkontrolle am Maßstab des § 307 BGB besonderen Schwierigkeiten begegnen, da in vielen Fällen eine gesetzliche Regelung fehlt, welche als Orientierungsmaß für eine Inhaltskontrolle dienen könnte und auch aus der Natur des Vertrages oftmals keine konkreten und verlässlichen Prüfkriterien abzuleiten sind3.
6.60
Eine unangemessene Benachteiligung kann sich gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (Transparenzgebot). Das Transparenzgebot wurde bereits vor dessen Aufnahme in das Gesetz von der Rechtsprechung in den Urteilen zu Zinsberechnung und Wertstellung entwickelt4. Hiernach müssen die AGB vor allem die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar, durchschaubar, richtig und bestimmt formulieren, so dass sie der Durchschnittskunde ohne intensive Beschäftigung und Einholung von Auskünften verstehen kann5. Dies ist die Grundlage für eine informierte Sachentscheidung des Kunden6. Hierzu zählt auch, dass dem Kunden wirtschaftliche Nachteile und Belastungen deutlich erkennbar sind7. So darf beispielsweise eine kundenbelastende Wirkung einer Klausel nicht verschleiert oder die Rechtslage nicht missverständlich dargestellt werden8. Bei der Ausgestaltung von AGB ist daher darauf zu achten, dass der Kunde ihre Bedeutung nicht verkennt, sondern sie möglichst mühelos und ohne weitere Erläuterung versteht9. Der Schutzzweck des Transparenzgebotes besteht im Wesentlichen in der zutreffenden und durchschaubaren Vermittlung der mit dem Vertrag einher gehenden Rechte und Pflichten. Dem allgemeinen AGB-rechtlichen Transparenzgebot können spezialgesetzliche Normierungen des Transparenzgebotes vorgehen10.
6.61
1 BGH v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, WM 1992, 1359 (1360). 2 BGH v. 10.4.1990 – IX ZR 177/89, WM 1990, 1165 (1166). 3 Hierzu Bitter, ZBB 2007, 237 (238 ff., befürwortet daher in diesen Fällen eine ökonomische Sichtweise). 4 BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, WM 1988, 1780 (Zinsberechnungsklausel in Hypothekenbank-AGB); BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (Wertstellungsklausel bei Girokonto in Sparkassen-AGB). 5 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044 (1046); BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (128); BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, WM 1990, 1367. 6 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 BGB Rz. 326. 7 BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237 (1240); BGH v. 30.9.2009 – IV ZR 47/09, NJW 2010, 294 (296). 8 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 70. 9 BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, WM 1988, 1780; BGH v. 28.10.1999 – IX ZR 364/ 97, WM 2000, 64. 10 Siehe zB die formalen Transparenzanforderungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 InvG, hierzu Fehrenbach/Maetschke, WM 2010, 1149 (1152 f.), oder das Transparenzgebot des § 3 SchVG, hierzu Horn, BKR 2009, 446 (453).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.62
Dem Transparenzgebot unterliegt auch die formale Gestaltung. AGB sind daher auch äußerlich, insbesondere hinsichtlich ihres Schriftbildes, Aufbaus sowie der Untergliederungen, lesbar zu gestalten. Dieser Aspekt hat bereits für die Frage der Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme Bedeutung (hierzu Rz. 6.34 ff.). Allerdings schützt § 305 Abs. 2 BGB den Kunden nur in einem Individualverfahren. Demgegenüber lässt sich ein Verbandsklageverfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz zwar nur auf die Unwirksamkeit nach §§ 307 bis 309 BGB stützen (§ 1 UKlaG), eine aus formalen Gründen gegebene Intransparenz kann jedoch auch in diesem Verfahren Relevanz haben, soweit diese Intransparenz zu einer Unwirksamkeit nach § 307 BGB führt1.
6.63
Als Maßstab dafür, ob eine AGB-Klausel den Anforderungen des Transparenzgebotes entspricht, dienen nach der BGH-Rechtsprechung nicht die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten des konkreten Vertragspartners, sondern die des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses2. Es ist daher auf einen gedachten aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen3. Abweichende Anforderungen sind nur bei Geschäften im unternehmerischen oder im öffentlich-rechtlichen Bereich denkbar. Dort ist auch bei der das Transparenzgebot einschließenden Inhaltskontrolle nach § 307 BGB auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB)4.
6.64
Ist eine AGB-Klausel infolge undeutlicher Textgestaltung intransparent iS des § 307 Abs. 1 BGB, so kann sie zugleich eine überraschende Klausel iS des § 305c Abs. 1 BGB darstellen. Solche überraschenden Klauseln sind Bestimmungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht. Derartige überraschende Klauseln sind gegeben, wenn ihnen ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnt und zwischen ihrem Inhalt und den Erwartungen des Kunden eine deutliche Diskrepanz besteht5. Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle kann die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel werden lassen. Für die Frage, ob eine Klausel hiernach überraschend ist, sind die Erkenntnismöglichkeiten des zu erwartenden Durchschnittskunden maßgeblich6. 1 Coester in Staudinger, Neubearb. 2006, § 307 BGB Rz. 171. Zum Verhältnis des Transparenzgebotes zur Angemessenheitskontrolle Kieninger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 307 BGB Rz. 52. 2 BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237 (1240); BGH v. 11.2.1992 – XI ZR 151/91, WM 1992, 395 (396). 3 Grüneberg in Palandt, § 307 BGB Rz. 19. 4 BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, WM 1990, 1367 (1368). 5 BGH v. 30.9.2009 – IV ZR 47/09, NJW 2010, 294 (295); BGH v. 10.11.1989 – V ZR 201/ 88, WM 1989, 1926; BGH v. 6.12.1984 – IX ZR 115/83, WM 1985, 155 (156); Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305c BGB Rz. 10. 6 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 49.
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6. Teil
Allgemeine Geschäftsbedingungen
Umgekehrt muss eine infolge der Undeutlichkeit der Textgestaltung überraschende AGB-Klausel iS des § 305c Abs. 1 BGB nicht zwangsläufig, kann aber gerade deshalb zugleich gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen1. Eine inhaltliche Abgrenzung zwischen überraschenden und inhaltlich unangemessenen Klauseln begegnet erheblichen Schwierigkeiten2. Streng genommen könnte die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB erst greifen, wenn die AGB-Klauseln wirksam einbezogen worden sind. Diese Einbeziehung scheitert aber bei überraschenden Klauseln an der Verbotsnorm des § 305c Abs. 1 BGB. In Fällen einer derartigen Überschneidung schließt eine überraschende Klausel ihren inhaltlich unangemessenen Gehalt nicht aus, weshalb im Ergebnis § 305c BGB und § 307 BGB nebeneinander anwendbar sind3. Dies ist insbesondere für das Verbandsklageverfahren nach UKlaG von Bedeutung, da dessen Gegenstand nur unangemessene, nicht aber überraschende Klauseln sein können4. Gegen überraschende Klauseln besteht nur die Möglichkeit des Individualrechtsschutzes5.
6.65
2. Rechtsschutz Eine Inhaltskontrolle von AGB kann im Rahmen eines Individualprozesses zwischen Bank und Kunde erfolgen, in welchem sich die Bank auf die Geltung einer AGB-Klausel beruft. Da das Gericht nur über den konkreten Streitgegenstand des Verfahrens entscheidet, wird in diesem Fall inzidenter über die Wirksamkeit der betreffenden AGB-Klausel entschieden. Beruft sich umgekehrt der Kunde auf den Schutz des AGB-Rechts, muss dieser das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen darlegen und beweisen6.
6.66
Im Individualprozess kommt die kundenfeindlichste Auslegung zum Tragen, wenn diese zur Unwirksamkeit der Klausel führt und damit im Ergebnis für den Kunden am günstigsten ist7. Erweist sich die Klausel demgegenüber auch nach jeder in Betracht kommenden Auslegung als wirksam, ist die dem Kunden günstigste Auslegung maßgeblich8.
6.67
Daneben kann in einem abstrakten Kontrollverfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) von den anspruchsberechtigten Stellen, zB Ver-
6.68
1 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305c BGB Rz. 5; Lindacher in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305c BGB Rz. 6; hiergegen Hansen, WM 1990, 1521 (1523). 2 Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305c BGB Rz. 3; Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305c BGB Rz. 2. 3 Lindacher in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305c BGB Rz. 6; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305c BGB Rz. 5. 4 BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237 (1239). 5 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305c BGB Rz. 5. 6 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 45; vgl. auch für die Darlegungs- und Beweislast bei sog. Einmalklauseln (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB) BGH v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, WM 2008, 1417. 7 BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643 (1644 f.); BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465 (1467). 8 BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643 (1645).
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
braucherschutzverbänden, auf Unterlassung der Verwendung gegenüber Personen, die nicht als Unternehmer handeln, oder auf Widerruf unwirksamer AGB geklagt werden. Dies führt zu einer vom Einzelfall losgelösten und abstrakten gerichtlichen Überprüfung von AGB-Klauseln. Damit wird ein präventiver Schutz verfolgt, um den Rechtsverkehr von sachlich unangemessenen Vertragsbedingungen freizuhalten1. Ein Unterlassungsanspruch kann in diesem Verbandsklageprozess nur auf die Unwirksamkeit von AGB nach §§ 307 bis 309 BGB gestützt werden2. So kann in diesem Verfahren beispielsweise nicht der Vorrang der Individualabrede oder eine etwaige Unwirksamkeit der Einbeziehung von AGB geltend gemacht werden3.
6.69
Der Zweck des Verbandsprozesses, den Rechtsverkehr vor unangemessenen Vertragsklauseln zu schützen, lässt sich am ehesten erreichen, wenn bei mehreren Auslegungsvarianten von einem Verständnis der Klausel ausgegangen wird, welches am ehesten ein Klauselverbot nach §§ 307 bis 309 BGB rechtfertigt. Daher ist im Verbandsprozess ausschließlich die kundenfeindlichste Auslegung geboten4.
3. Sittenwidrigkeit, Ausübungskontrolle
6.70
Die Inhaltskontrolle schließt eine zusätzliche Überprüfung wegen Sittenwidrigkeit iS des § 138 BGB nicht aus. Die Regelungen der §§ 307 bis 309 BGB und § 138 BGB sind unterschiedliche und nebeneinander anwendbare Bewertungsmaßstäbe5. Die Inhaltskontrolle schützt die Interessen der Vertragspartner, während § 138 BGB den Verstoß gegen die allgemeine Rechtsordnung sanktioniert, zu der vor allem die Grundrechte iS des GG gehören. So besteht eine Pflicht der Zivilgerichte zur Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich belasten und das Ergebnis struktureller ungleicher Verhandlungsstärke sind. Bei einer typisierten Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteiles erkennen lässt und bei der die Folgen des Vertrages ungewöhnlich belastend sind, müssen die Zivilgerichte korrigierend eingreifen6. Eine solche ausgeprägte Vertragsunterlegenheit ist beispielsweise bei einem Bürgen gegeben, wenn angesichts des krassen Missverhältnisses zwischen dem Haftungsumfang und seiner Leis1 Micklitz in MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2007, § 1 UKlaG Rz. 4; Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 1 UKlaG Rz. 1. 2 Kieninger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 307 BGB Rz. 52; Micklitz in MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2008, § 1 UKlaG Rz. 12. 3 Lapp in jurisPK-BGB, 3. Aufl. 2006, § 305b BGB Rz. 3; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 1 UKlaG Rz. 5. 4 BGH v. 15.7.2009 – VIII ZR 56/08, WM 2009, 1711 (1715); Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 1 UKlaG Rz. 4; s. auch Grüneberg in Palandt, § 305c BGB Rz. 19; Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305c BGB Rz. 34; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 65. 5 Wolf in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 BGB Rz. 24; Ulmer in Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 58. 6 BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, WM 1993, 2199 (2202 ff.); vgl. weiter BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, WM 1994, 676 (677).
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Allgemeine Geschäftsbedingungen
tungsfähigkeit zu vermuten ist, dass der Bürge sich auf eine solche Verpflichtung nur auf Grund emotionaler Bindung an den Hauptschuldner infolge mangelnder Geschäftsgewandtheit eingelassen und die Bank dies in verwerflicher Weise ausgenutzt hat1. Eine weitere Grenze für die Geltung einer AGB-Klausel kann sich schließlich im Einzelfall aus dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB ergeben. Nach § 242 BGB ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbeschränkung und kann daher den Einwand einer missbräuchlichen unzulässigen Rechtsausübung begründen2. Soweit dieser Einwand in einem Einzelfall zum Tragen kommt, erfüllt § 242 BGB nach allgemeiner Meinung auch gegenüber AGB-Klauseln die Funktion eines zusätzlichen Schutzes vor individuellem Rechtsmissbrauch des AGB-Verwenders3. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs einer an sich wirksamen AGB-Klausel dient allein dem Zweck, die Ausübung des Rechts aus einer wirksamen AGB-Klausel zu begrenzen4.
6.71
Im Gegensatz zu der Inhaltskontrolle liegt damit eine einzelfallbezogene Ausübungskontrolle vor, welche erst bei einer nach §§ 307 bis 309 BGB generell wirksamen Klausel möglich ist5. Diese Ausübungskontrolle kommt insbesondere in Betracht, wenn im konkreten Fall wegen seltener Konstellationen oder wegen unübersehbarer Verhältnisse eine generell-abstrakte Präzisierung der Klausel sachbedingt nicht darstellbar ist6. Denn die generelle Ausrichtung der AGB erlaubt nicht die Berücksichtigung jedes einzelnen Interesses und aller fern liegenden Fallgestaltungen7. Diese Ausübungskontrolle gilt auch für den unternehmerischen Verkehr8.
6.72
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann sich auch gegen den Vertragspartner des Verwenders der AGB und damit gegen den Kunden der Bank richten, der vertragliche Rechte aus den AGB geltend macht9. Der Kunde muss dabei die mangelhafte Vertragsgestaltung als solche erkannt und gewollt haben,
6.73
1 BGH v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, WM 2005, 421 (422); BGH v. 18.9.1997 – IX ZR 283/ 96, WM 1997, 2117 (2118); vgl. auch BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, WM 2009, 1460 (1463). 2 BGH v. 16.2.2005 – IV ZR 18/04, NJW-RR 2005, 619 (620). 3 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 63 f.; Wolf in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 BGB Rz. 30. 4 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (129); BGH v. 23.6.1988 – VII ZR 117/ 87, WM 1988, 1569 (1571). 5 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 63; Coester in Staudinger, Neubearb. 2006, § 307 BGB Rz. 36; Wolf in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGBRecht, § 307 BGB Rz. 30; Bunte, NJW 1987, 921 (926). 6 Coester in Staudinger, Neubearb. 2006, § 307 BGB Rz. 37; siehe auch Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305c BGB Rz. 109. 7 BGH v. 1.7.1987 – VIII ZR 117/86, WM 1987, 1131 (1134). 8 Wolf in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 BGB Rz. 30. 9 OLG Karlsruhe v. 30.6.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741 (1743).
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
diese bewusst zum eigenen Vorteil auszunutzen. Zudem muss für die Bank die Vertragsdurchführung schlechthin unzumutbar sein, beispielsweise weil der Kunde den Fehler der Bank in besonderem Maße ausnutzt1.
III. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB
6.74
Im Falle der Unwirksamkeit von AGB-Regelungen bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, § 306 Abs. 1 BGB. An die Stelle der unwirksamen Regelung tritt zum Zwecke der Lückenfüllung nach § 306 Abs. 2 BGB grundsätzlich das Gesetzesrecht. Eine Unwirksamkeit des gesamten Vertrages kommt nur in Betracht, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Lückenfüllung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei begründen würde, § 306 Abs. 3 BGB. Diese Voraussetzungen sind nur dann erfüllt, wenn das Gleichgewicht des Vertrages grundlegend sowie das Äquivalenzverhältnis derart gestört sind, dass ein Festhalten am Vertrag unzumutbar ist2.
6.75
Nicht selten ist der Inhalt von AGB-Klauseln nur teilweise unzulässig. In diesem Fall hängt die weitere Beurteilung davon ab, ob die Klausel teilbar ist3. Lässt sich eine AGB-Klausel inhaltlich und nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in eine inhaltlich zulässige und in eine unzulässige Regelung aufteilen, bleibt der zulässige Teil wirksam4. Die äußerliche Zusammenfassung der Regelungsgegenstände und der sprachliche Zusammenhang stehen dem nicht entgegen. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet die BGH-Rechtsprechung zu Zinsklauseln im zinsvariablen Geschäft. Eine Zinsklausel lässt sich hiernach in eine Vereinbarung über die Variabilität des Zinssatzes einerseits und eine Bestimmung über das Wie der Zinsanpassung andererseits aufteilen. Danach bleibt die grundsätzliche Entscheidung der Vertragsparteien für eine variable Verzinsung von der Unwirksamkeit einer Zinsanpassungsklausel unberührt5.
6.76
Verbleibt demgegenüber ohne den unzulässigen Teil keine sprachlich und inhaltlich selbständige und sinnvolle Klausel und ist diese daher isoliert betrachtet nicht teilbar, so ist die Klauel im Ganzen unwirksam. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der unwirksame Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass ohne diesen Regelungsteil von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden 1 OLG Karlsruhe v. 30.6.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741 (1743) für eine Bonuszahlung aus einem Sparvertrag. 2 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 74. 3 Vgl. BGH v. 12.2.2009 – VII ZR 39/08, WM 2009, 643 (644); BGH v. 16.1.1992 – IX ZR 113/91, WM 1992, 391 (393), vgl. hierzu Kreft, WM 1992, 1425 ff. 4 BGH v. 16.7.2008 – VIII ZR 348/06, WM 2008, 1941 (1945); Thessinga in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 75; Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 306 BGB Rz. 20. 5 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 (1494); zu dem Klausel- und Kontroll„splitting“ Bannert, EWiR § 308 BGB 1/09, 11.
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6. Teil
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muss1. In diesem Zusammenhang ist maßgeblich, ob die Klausel als eine konzeptionelle Einheit zu verstehen ist, was zu einer einheitlichen, die wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien berücksichtigenden Gesamtbeurteilung des Regelungsgefüges zwingt2. Die AGB-Klausel kann in diesem Fall nicht im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion mit entsprechend eingeschränktem Inhalt aufrechterhalten werden. Damit würde eine zunächst unwirksame Klausel auf einen noch zulässigen Inhalt durch richterliche Umgestaltung zurückgeführt werden. Diese geltungserhaltende Reduktion ist nach ständiger BGH-Rechtsprechung und herrschender Meinung unzulässig3. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, gegen Treu und Glauben verstoßende Formularbestimmungen auf das vertretbare Maß abzumildern und eine für den Verwender der Klausel möglichst günstige, rechtlich gerade noch zulässige Fassung zu finden. Eine solche einseitige Wahrung der Interessen des AGBVerwenders ist der Rechtsprechung verwehrt4. Dies gilt in der Regel auch im kaufmännischen Verkehr5. Nach Auffassung des BGH sprechen auch Wortlaut und Zweck der §§ 305 ff. BGB gegen eine Aufrechterhaltung der Klausel mit eingeschränktem Inhalt. Ziel der §§ 305 ff. BGB ist, auf einen angemessenen Inhalt der AGB hinzuwirken. Dem Kunden soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn jeder AGBVerwender zunächst einmal risikolos bis an die Grenze dessen gehen könnte, was zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise angeführt werden kann6. Erst in einem Prozess würde ein Kunde des AGB-Verwenders den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren.
6.77
Praktische Beispiele für das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion sind die Einschränkung von umfassenden Haftungsausschlüssen oder Aufrechnungsverboten auf zulässige Tatbestände, die Verkürzung überlanger Fristen auf die zulässige Dauer, die Verlängerung zu kurzer Fristen oder die Herabsetzung überhöhter Pauschalen für Schadensersatz oder Nutzungsentschädigung auf die zulässige Höhe7.
6.78
Kein Fall der unzulässigen teleologischen Reduktion liegt vor, wenn eine AGB-Klausel nach ihrem Wortlaut untypische Ausnahmefälle erfasst, welche die Klausel – wäre sie auch hierauf anwendbar – als unangemessene Regelung
6.79
1 BGH v. 12.2.2009 – VII ZR 39/08, WM 2009, 643 (644). 2 BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643 (1646); BGH v. 12.2.2009 – VII ZR 39/08, WM 2009, 643 (645). 3 BGH v. 18.11.1988 – V ZR 75/87, WM 1989, 88 (89); BGH v. 16.1.1992 – IX ZR 113/ 91, WM 1992, 391 (393); BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, WM 1995, 1397 (1402); BGH v. 13.2.2001 – XI RZ 197/00, WM 2001, 563 (565). 4 BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, WM 1984, 986 (987). 5 BGH v. 4.5.1995 – I ZR 90/93, WM 1995, 1463 (1464). 6 BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, WM 2000, 629 (634). 7 BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, WM 1984, 986 (987); BGH v. 18.4.1989 – X ZR 31/88, WM 1989, 949 (951) zu Aufrechnungsverboten.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
im Sinne der Inhaltskontrolle erscheinen ließe. Nach herrschender Meinung können solche kritischen Sonderfälle im Wege der gebotenen, an Sinn und Zweck orientierten Auslegung aus dem Anwendungsbereich der Klausel ausgegrenzt werden1. Selbst die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB zwingt nicht zur Berücksichtigung aller denkbaren Ausnahmesituationen2. Dies wäre dem Verwender unzumutbar, wenn nicht gar unmöglich. Völlig fern liegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs nicht ernsthaft zu befürchten ist, rechtfertigen kein Klauselverbot3.
6.80
Soweit infolge der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel in dem Vertragsverhältnis eine ausfüllungsbedürftige Lücke entstanden ist, stellt sich die Frage nach deren Vervollständigung. Grundsätzlich ist diese Lücke durch die gesetzlichen Vorschriften zu schließen (§ 306 Abs. 2 BGB). Steht dispositives Gesetzesrecht für die Ersetzung der unwirksamen Klausel nicht zur Verfügung und führt die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Kunden Rechnung tragenden Lösung, kann nach der BGH-Rechtsprechung die Lücke mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden4. Hierfür ist maßgeblich, welche Regelung Bank und Kunde in Kenntnis der Unwirksamkeit der betreffenden Klausel nach dem Vertragszweck und nach sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner gewählt hätten5. Stellenweise ist die Rechtsprechung noch restriktiver und verlangt für die Anwendbarkeit der §§ 133, 157 BGB, dass der Wegfall der AGB-Klausel das Äquivalenzverhältnis des Vertrages völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt6.
6.81
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht, wenn zur Vervollständigung der vertraglichen Regelungslücke verschiedene Möglichkeiten einer Gestaltung bestehen und kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, welche Regelung die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen typischerweise bestehenden Interessen getroffen hätten7. Ob in diesem Fall der Vertrag im Ganzen als unwirksam anzusehen ist, hängt davon ab, ob der Vertrag auch ohne eine Schließung der Lücke noch durchführbar ist oder nicht8. 1 2 3 4
5 6
7
8
Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305c BGB Rz. 86, 101. Schlosser in Staudinger, Neubearb. 2006, § 305c BGB Rz. 109. BGH v. 5.11.1998 – III ZR 226/97, WM 1999, 133 (134). BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643 (1646); BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, WM 2000, 629 (635); BGH v. 1.2.2984 – VIII ZR 54/83, WM 1984, 309 (311 f.); BGH v. 7.3.1989 – KZR 15/87, WM 1989, 1544 (1545); Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 306 BGB Rz. 23. BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 (1494). BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, WM 2010, 228 (232); BGH v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, WM 2009, 321 (324); BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465 (1469); hierzu auch von Westphalen, WM 2009, 2355 (2357). BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, WM 2009, 1643 (1646 f.); OLG Karlsruhe v. 30.6.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741 (1742) OLG Karlsruhe v. 30.6.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741 (1742); BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, WM 2000, 629 (635). Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 306 BGB Rz. 28.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Die Lückenausfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist von einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion abzugrenzen1. Geltungserhaltende Reduktion und ergänzende Vertragsauslegung unterscheiden sich im Ausgangspunkt ebenso wie in der Zielsetzung und im Ergebnis. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung handelt es sich nicht um eine Rückführung der Klausel auf einen noch wirksamen Kern. Die Klausel bleibt vielmehr in vollem Umfang unwirksam. Anders als bei der geltungserhaltenden Reduktion gilt es daher bei der ergänzenden Vertragsauslegung, in Ausrichtung an dem hypothetischen Parteiwillen und dem Maßstab von Treu und Glauben, eine lückenausfüllende Ersatzregelung zu finden.
6.82
6.83–6.85
Einstweilen frei.
3. Abschnitt AGB-Banken im Einzelnen Die AGB-Banken wurden zum 31.10.2009 neu gefasst. Die Änderungen erfolgten aus Anlass der Umsetzung des zivilrechtlichen Teils der EU-Zahlungsdiensterichtlinie sowie der EU-Verbraucherkreditrichtlinie in das deutsche Recht2, als Reaktion auf aktuelle BGH-Rechtsprechung zur AGB-rechtlichen Ausgestaltung von Zinsanpassungsklauseln 3 sowie zur Ergänzung der Regelungen über die Einlagensicherung.
6.86
Im Folgenden werden die einzelnen Klauseln Nr. 1 bis Nr. 21 der AGB-Banken vorgestellt. Die Genossenschaftsbanken verwenden nahezu inhaltsgleiche AGB. Die AGB-Sparkassen haben einer unterschiedliche Nummerierung und für einzelne Regelungsgegenstände zusätzliche Klauseln. Soweit in den AGBSparkassen abweichende Regelungen enthalten sind, wird hierauf jeweils bei den betreffenden Klauseln hingewiesen. Die Darstellung gibt einen Überblick. Besondere Problemstellungen werden in den betreffenden Sachkapiteln vertieft erörtert.
6.87
I. Nr. 1 AGB-Banken: Geltungsbereich und Änderungen (Peterek) 1. Geltungsbereich und Änderungen dieser Geschäftsbedingungen und der Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen (1) Geltungsbereich Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der 1 Vgl. hierzu BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 (1494). 2 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355 ff. 3 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Die Lückenausfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist von einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion abzugrenzen1. Geltungserhaltende Reduktion und ergänzende Vertragsauslegung unterscheiden sich im Ausgangspunkt ebenso wie in der Zielsetzung und im Ergebnis. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung handelt es sich nicht um eine Rückführung der Klausel auf einen noch wirksamen Kern. Die Klausel bleibt vielmehr in vollem Umfang unwirksam. Anders als bei der geltungserhaltenden Reduktion gilt es daher bei der ergänzenden Vertragsauslegung, in Ausrichtung an dem hypothetischen Parteiwillen und dem Maßstab von Treu und Glauben, eine lückenausfüllende Ersatzregelung zu finden.
6.82
6.83–6.85
Einstweilen frei.
3. Abschnitt AGB-Banken im Einzelnen Die AGB-Banken wurden zum 31.10.2009 neu gefasst. Die Änderungen erfolgten aus Anlass der Umsetzung des zivilrechtlichen Teils der EU-Zahlungsdiensterichtlinie sowie der EU-Verbraucherkreditrichtlinie in das deutsche Recht2, als Reaktion auf aktuelle BGH-Rechtsprechung zur AGB-rechtlichen Ausgestaltung von Zinsanpassungsklauseln 3 sowie zur Ergänzung der Regelungen über die Einlagensicherung.
6.86
Im Folgenden werden die einzelnen Klauseln Nr. 1 bis Nr. 21 der AGB-Banken vorgestellt. Die Genossenschaftsbanken verwenden nahezu inhaltsgleiche AGB. Die AGB-Sparkassen haben einer unterschiedliche Nummerierung und für einzelne Regelungsgegenstände zusätzliche Klauseln. Soweit in den AGBSparkassen abweichende Regelungen enthalten sind, wird hierauf jeweils bei den betreffenden Klauseln hingewiesen. Die Darstellung gibt einen Überblick. Besondere Problemstellungen werden in den betreffenden Sachkapiteln vertieft erörtert.
6.87
I. Nr. 1 AGB-Banken: Geltungsbereich und Änderungen (Peterek) 1. Geltungsbereich und Änderungen dieser Geschäftsbedingungen und der Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen (1) Geltungsbereich Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der 1 Vgl. hierzu BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 (1494). 2 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355 ff. 3 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Bank (im Folgenden Bank genannt). Daneben gelten für einzelne Geschäftsbeziehungen (zum Beispiel für das Wertpapiergeschäft, den Zahlungsverkehr und für den Sparverkehr) Sonderbedingungen, die Abweichungen oder Ergänzungen zu diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten; sie werden bei der Kontoeröffnung oder bei Erteilung eines Auftrages mit dem Kunden vereinbart. Unterhält der Kunde auch Geschäftsverbindungen zu ausländischen Geschäftsstellen, sichert das Pfandrecht der Bank (Nummer 14 dieser Geschäftsbedingungen) auch die Ansprüche dieser ausländischen Geschäftsstellen. (2) Änderungen Änderungen dieser Geschäftsbedingungen und der Sonderbedingungen werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Hat der Kunde mit der Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung einen elektronischen Kommunikationsweg vereinbart (zum Beispiel das Online Banking), können die Änderungen auch auf diesem Wege angeboten werden. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen. Werden dem Kunden Änderungen von Bedingungen zu Zahlungsdiensten (zum Beispiel Überweisungsbedingungen) angeboten, kann er den von der Änderung betroffenen Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen auch fristlos und kostenfrei kündigen. Auf dieses Kündigungsrecht wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen.
1. Geltungsbereich
6.88
Die AGB gelten für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der Bank, Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 AGB. Kunde ist jeder, der mit der Bank durch die Inanspruchnahme einer bankmäßigen Leistung in rechtsgeschäftlichen Kontakt tritt1. Dies kann auch eine andere Bank sein. Bank ist jede inländische Geschäftsstelle. Die im Ausland unterhaltenen Geschäftsstellen müssen daher die von ihnen verwendeten AGB gesondert vereinbaren. Dabei kann den Besonderheiten der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung Rechnung getragen werden.
6.89
Die AGB-Klausel stellt im Übrigen klar, dass neben den AGB für einzelne Geschäftsbeziehungen Sonderbedingungen gelten, die Abweichungen oder Ergänzungen zu den AGB enthalten (Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 AGB). Hierdurch soll der Eindruck vermieden werden, dass die AGB die alleinige und abschließende AGB-mäßige Vereinbarung darstellen. Auch die Sonderbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit 1 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 1 Rz. 4; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 6 Rz. 7.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Allgemeine Geschäftsbedingungen iS von § 305 Abs. 1 BGB. Zur terminologischen Abgrenzung von diesen Sonder-AGB werden die AGB im herkömmlichen Wortsinne auch als Grund-AGB bezeichnet (hierzu Rz. 6.27). Ergibt sich ein Widerspruch zwischen den Grund-AGB und den Sonderbedingungen, so kann das Gebot des Vorranges der Individualabrede des § 305b BGB entsprechend angewendet werden mit der Folge, dass die spezielle Regelung in den Sonderbedingungen der allgemeinen Klausel in den Grund-AGB vorgeht1. Dies gilt auch im Verhältnis der AGB-Klauseln in den Bankformularen zu den Grund-AGB oder Sonderbedingungen2. Lässt sich durch diesen Vorrang der Widerspruch nicht auflösen oder besteht über das Rangverhältnis Unklarheit, greift die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ein.
6.90
2. Einbeziehungsvoraussetzungen Die AGB selbst enthalten keine Einbeziehungsvereinbarungen iS des § 305 Abs. 2 und 3 BGB3. Dies ist in der AGB-Klausel für die Sonderbedingungen ausdrücklich klargestellt. Danach werden diese Sonder-AGB bei der Kontoeröffnung oder bei der Erteilung eines Auftrages mit dem Kunden vereinbart (Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AGB). Die AGB wie auch die Sonderbedingungen werden gegenüber der nicht unternehmerischen Kundschaft nur wirksam, wenn die Einbeziehungsvoraussetzungen nach § 305 Abs. 2 und 3 BGB vorliegen. Danach werden AGB Bestandteil des Vertragsverhältnisses, wenn die Bank den Kunden ausdrücklich auf sie hinweist, ihm die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen und der Kunde mit der Geltung einverstanden ist. Der ausdrückliche Hinweis kann zwar auch mündlich oder durch Aushändigung des AGB-Textes erfolgen. Aus Beweisgründen wird dieser Hinweis jedoch häufig in dem betreffenden Kontoeröffnungs- oder Produktantrag unmittelbar über der Unterschriftszeile des Kunden ausgewiesen.
6.91
Die einzelnen Voraussetzungen einer wirksamen Einbeziehung der AGB in die bankmäßige Geschäftsverbindung sind unter Rz. 6.32 ff. näher dargestellt.
6.92
3. Änderungen der AGB Die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB müssen auch bei einer nachträglichen Änderung von bereits vereinbarten AGB erfüllt werden. Eine solche Änderung ist eine Modifizierung des Vertrages, die den gleichen Grundsätzen unterliegt wie der Vertragsabschluss4. Nr. 1 Abs. 2 AGB regelt
1 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 6; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 73. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 6 Rz. 6. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 6 Rz. 4. 4 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 164; Pamp in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 9.
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6.93
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
die Modalitäten einer bankseitig veranlassten AGB-Änderung. Nach der neuen AGB-Fassung 2009 werden Änderungen der AGB und der Sonderbedingungen dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. In der AGB-Neufassung 2009 wurde gegenüber der bisherigen Formulierung sprachlich klargestellt, dass es sich dabei nicht um eine bloße „Mitteilung“, sondern um ein Angebot der Bank auf eine Vertragsänderung handelt.
6.94
Das Änderungsangebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung der Bank und muss daher dem Kunden zugehen. Es bedarf der Textform und kann beispielsweise über einen Ausdruck am Kontoauszugsdrucker unterbreitet werden, sofern der Kunde die Nutzung des Kontoauszugsdruckers mit der Bank vereinbart hat. Auch elektronische Speichermedien können die Textform erfüllen, sofern die gespeicherten Daten in Schriftzeichen lesbar sind und der Schriftträger für eine dauerhafte Wiedergabemöglichkeit geeignet ist1. In allen Fällen ist jedenfalls erforderlich, dass das Änderungsangebot tatsächlich in den Machtbereich des Kunden übermittelt wird.
6.95
Die Änderungen können nach Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 AGB auch auf elektronischem Kommunikationsweg angeboten werden, wenn im Rahmen der Geschäftsbeziehung dieser Kommunikationsweg vereinbart wurde. Eine solche Vereinbarung allgemeinen Inhalts ist ausreichend und muss nicht ausdrücklich auch auf die Änderung von AGB bezogen sein. Bloßer gelegentlicher E-MailKontakt ohne die Vereinbarung eines elektronischen Kommunikationsweges ist demgegenüber nicht ausreichend2. Die Voraussetzungen für die Einhaltung der Textform gelten auch für den elektronischen Kommunikationsweg. Ein elektronisch übermitteltes Änderungsangebot muss daher in dauerhafter Weise gespeichert werden können, nachdem es in den Machtbereich des Kunden gelangt ist. Das Angebot ist dann im Machtbereich des Kunden, wenn dieses in eine vom Kunden unterhaltene technische Empfangsvorrichtung eingegangen ist und der Kunde dieses sodann abrufen kann3.
6.96
Um dem Kunden die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme der geänderten Klauseln zu ermöglichen, sind diese dem Kunden zugänglich zu machen und Änderungen zu seinem Nachteil besonders hervorzuheben4. Dies kann zB durch eine synoptische Gegenüberstellung, durch eine drucktechnische Hervorhebung der Änderungen oder durch ein Ergänzungsblatt, in welchem die Änderungen im Einzelnen angeführt sind, erfolgen5. Eine Veröffentlichung der modifizierten Bedingungstexte auf der Homepage der Bank ist nicht hinreichend, da es in diesem Fall an einer individuellen Ansprache des 1 Einsele in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 126b BGB Rz. 4; Jauernig in Jauernig, § 126b BGB Rz. 2. 2 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 77; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 1 Rz. 7. 3 Vgl. Einsele in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 130 BGB Rz. 18. 4 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 164; Fuchs in Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 79. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 6 Rz 12.
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Peterek
6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Kunden fehlt und dieser aktiv werden muss, um sich den geänderten Text zu beschaffen1. Nach Nr. 1 Abs. 2 Satz 3 AGB gilt die Zustimmung des Kunden als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung wird die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen (Nr. 1 Abs. 2 Satz 4 AGB). Dieser Änderungsmechanismus ist an Art. 44 der EU-Zahlungsdiensterichtlinie2 und § 675g Abs. 1 BGB3 angelehnt und erhält damit eine gesetzliche Grundlage. Dem Regelungsgehalt von § 675g Abs. 1 BGB kommt für Vertragsänderungen, die mit einer Genehmigungsfiktion zu Stande kommen, der Charakter eines gesetzlichen Leitbildes zu. In Abs. 2 der AGB-Klausel wird daher nicht zwischen Zahlungsdiensten und sonstigen Bankgeschäften unterschieden. Vielmehr soll für alle Bedingungsänderungen ein einheitliches Änderungsverfahren gelten. Während nach der vor der AGB-Neufassung 2009 geltenden AGB-Regelung der Kunde seinen Widerspruch innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe der Änderungen an die Bank absenden musste, stehen ihm nunmehr mindestens zwei Monate als Ablehnungsfrist zur Verfügung. Diese Frist kann sich in der Praxis verlängern, wenn die Bank ihr Angebot auf Änderung der AGB länger als zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens unterbreitet, da das Ende der Frist stets an den vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens anknüpft.
6.97
Die Genehmigungsfiktion begründet nicht ein einseitiges Recht zur Änderung der bisher vereinbarten AGB und weicht auch nicht von den Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 BGB ab4. Mit Blick auf das für Massengeschäfte bestehende Rationalisierungsbedürfnis ist für die Zustimmung des Kunden aber keine Erklärung notwendig, denn diese wird fingiert. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion in Nr. 1 Abs. 2 AGB entsprechen im Übrigen den AGB-gesetzlichen Voraussetzungen für eine fingierte Einverständniserklärung des Kunden gemäß § 308 Nr. 5 BGB5.
6.98
Lehnt der Kunde die Änderungen innerhalb der Ablehnungsfrist ab, so gelten für das hiervon betroffene Vertragsverhältnis die ursprünglich vereinbarten Bedingungen fort6. Die Ablehnungsanzeige des Kunden kann formlos erfolgen, da nach § 675g Abs. 1 BGB das Widerspruchsrecht an keine zwingende Form gebunden ist.
6.99
1 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 79. 2 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt v. 13.11.2007, ABl. EU Nr. L 319, S. 1. 3 § 675g (in Kraft seit 31.10.2009) wurde in das BGB eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355 ff. 4 Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 305 BGB Rz. 107. 5 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 79; aA Basedow in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 305 BGB Rz. 82. 6 Begr. RegE zu § 675g Abs. 2 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 103.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.100
Die Einverständniserklärung des Kunden kann auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Ein solches konkludentes Einverständnis ist jedoch nicht in jedweder Fortsetzung des Zahlungsverkehrs zu sehen. Für ein Girokonto, über welches täglich Umsätze des bargeldlosen Zahlungsverkehrs gebucht werden und auf dessen tägliche Nutzung der Kunde angewiesen ist, wird man nicht ohne Weiteres ein konkludentes Einverständnis annehmen können. Die bloße Fortsetzung des Zahlungsverkehrs lässt nicht den eindeutigen Schluss auf den Rechtsfolgewillen einer Annahme zu. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Ablehnungsfrist als eine Überlegungsfrist dem Kunden ermöglichen soll, seine Entscheidung über die AGB-Änderung in ausreichender Zeit und ggf. nach fachkundiger Beratung zu treffen1. Anders ist die Beurteilung, wenn der Kunde noch vor Ablauf der Ablehnungsfrist Einmalaufträge erteilt, beispielsweise neue Geldanlagegeschäfte beauftragt, deren Ausführung weisungsgemäß erst nach Ablauf der Ablehnungsfrist liegen soll.
6.101
Für die Änderung der Bedingungen zu Zahlungsdiensten, wie zB Überweisungsbedingungen, besteht die Besonderheit, dass der Kunde den von der Änderung betroffenen Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen auch fristlos und kostenfrei kündigen kann, Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 AGB. Mit dieser in die AGB-Fassung 2009 neu eingefügten Regelung wird das Sonderkündigungsrecht nach § 675g Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Änderung von Bedingungen zu Zahlungsdiensten angewandt. Es ist hierauf beschränkt. Für andere Dienstleistungen der Bank steht dem Kunden kein Sonderkündigungsrecht zu. Der Zahlungsdienstnutzer hat somit die Möglichkeiten, dem Änderungsangebot, auch durch Schweigen, zuzustimmen, zu widersprechen oder das betreffende Vertragsverhältnis zu kündigen2. Der AGB-Änderungsmodus gilt ebenso für Firmenkunden. § 675e Abs. 4 BGB sieht die Möglichkeit einer von § 675g Abs. 2 BGB abweichenden Vereinbarung vor, wenn der Zahlungsdienstnutzer nicht ein Verbraucher ist. Hiervon wurde in der AGB-Regelung kein Gebrauch gemacht.
4. AGB-Sparkassen
6.102
Entsprechende Regelungen sind in den AGB-Sparkassen in Nr. 1 Abs. 2 sowie in Nr. 2 enthalten. Der in Nr. 2 AGB-Sparkassen geregelte Änderungsmodus bezieht in Abs. 1 ausdrücklich auch die Einführung zusätzlicher Bedingungen ein. Hinsichtlich der Form des Änderungsangebotes wird abweichend von den AGB-Banken nicht auf die Textform, sondern auf die jeweils gesetzlich zugelassene Form abgestellt.
6.103
In der vor der Neufassung Oktober 2009 geltenden Fassung der Nr. 2 Abs. 1 AGB-Sparkassen war abweichend von Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken geregelt, dass ein Hinweis auf die Änderungen entbehrlich ist, wenn ein solcher unmittelbarer Hinweis mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. In
1 Vgl. auch BGH v. 17.3.1999 – IV ZR 218/97, WM 1999, 1367 (1369). 2 Begr. RegE zu § 675g Abs. 2 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 103.
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Peterek
6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
diesem Fall sollte ein deutlich sichtbarer Aushang oder eine Auslegung in den Kassenräumen der Sparkassen genügen. An der Zulässigkeit dieser Regelung wurden mit Blick auf § 308 Nr. 5 BGB Zweifel geäußert, da auf einen ausdrücklichen Hinweis nicht verzichtet werden kann1. Diese Regelung ist in der AGB-Fassung 2009 nicht mehr enthalten. Nr. 2 Abs. 4 AGB-Sparkassen enthält eine gesonderte Klarstellung, dass das Änderungsverfahren gemäß der Abs. 1 und 2 nicht anwendbar ist, soweit abweichende Vereinbarungen getroffen sind. Änderungen von Bedingungen zu Zahlungsdiensten sind davon ausdrücklich ausgenommen (Nr. 2 Abs. 4 Satz 2 AGB-Sparkassen).
6.104
6.105–6.110
Einstweilen frei.
II. Nr. 2 AGB-Banken: Bankgeheimnis und Bankauskunft (Merz) 2. Bankgeheimnis und Bankauskunft (1) Bankgeheimnis Die Bank ist zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet, von denen sie Kenntnis erlangt (Bankgeheimnis). Informationen über den Kunden darf die Bank nur weitergeben, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten oder der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist. (2) Bankauskunft Eine Bankauskunft enthält allgemein gehaltene Feststellungen und Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, seine Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit; betragsmäßige Angaben über Kontostände, Sparguthaben, Depot- oder sonstige der Bank anvertraute Vermögenswerte sowie Angaben über die Höhe von Kreditinanspruchnahmen werden nicht gemacht. (3) Voraussetzungen für die Erteilung einer Bankauskunft Die Bank ist befugt, über juristische Personen und im Handelsregister eingetragene Kaufleute Bankauskünfte zu erteilen, sofern sich die Anfrage auf ihre geschäftliche Tätigkeit bezieht. Die Bank erteilt jedoch keine Auskünfte, wenn ihr eine anders lautende Weisung des Kunden vorliegt. Bankauskünfte über andere Personen, insbesondere über Privatkunden und Vereinigungen, erteilt die Bank nur dann, wenn diese generell oder im Einzelfall ausdrücklich zugestimmt haben. Eine Bankauskunft wird nur erteilt, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Auskunft glaubhaft dargelegt hat und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange des Kunden der Auskunftserteilung entgegenstehen. 1 Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 9; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 81; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 10.
Merz
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
(4) Empfänger von Bankauskünften Bankauskünfte erteilt die Bank nur eigenen Kunden sowie anderen Kreditinstituten für deren Zwecke oder die ihrer Kunden.
1. Regelungszweck
6.111
Von den aus der Geschäftsverbindung herrührenden allgemeinen Verhaltensund Schutzpflichten der Bank haben in den AGB-Banken nur das Bankgeheimnis und die Bankauskunft eine Regelung erfahren. Die Regelung des Bankgeheimnisses ist in Nr. 2 Abs. 1 AGB und die der Bankauskunft in Nr. 2 Abs. 2–4 AGB enthalten1.
2. Bankgeheimnis
6.112
Der Begriff des Bankgeheimnisses – eine Legaldefinition existiert nicht – beinhaltet nicht nur die Pflicht der Bank, Stillschweigen über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen zu wahren, von denen sie Kenntnis erlangt hat (Nr. 2 Abs. 1 AGB). Das Bankgeheimnis berechtigt auch die Kreditinstitute, Auskünfte gegenüber jedermann und damit grundsätzlich auch gegenüber Behörden zu verweigern. Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise eine ausdrückliche gesetzliche Offenbarungspflicht besteht oder das Kreditinstitut aus sonstigen Gründen von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden ist.
6.113
Die Verschwiegenheitspflicht setzt voraus, dass der Bank die geheim zu haltende Tatsache auf Grund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung bekannt geworden ist oder die Bank diese bei Gelegenheit ihrer geschäftlichen Tätigkeit erfahren hat2. Zu einer konkreten Geschäftsbeziehung, etwa der Eröffnung eines Kontos oder eines Depots, braucht es noch nicht gekommen zu sein3. So kommt die Verschwiegenheitspflicht der Bank schon zum Tragen, wenn sie einen Kreditwunsch abgelehnt hat, dem der Kreditsuchende vertrauliche Geschäftsunterlagen beigefügt hat.
6.114
Die Verschwiegenheitspflicht setzt auch voraus, dass der Kunde die betreffenden Tatsachen überhaupt geheim zu halten wünscht4. Dies folgt aus der Funktion des Bankgeheimnisses, die unter anderem darin besteht, den Kunden vor 1 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 3; Weber in BuB, Rz. 1/28; Nobbe, WM 2005, 1537. 2 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830 (833); Weber in BuB, Rz. 1/36; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 2 AGB-Banken Rz. B 12. 3 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 79; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 53. 4 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361 (362); BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643 (644); BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830 (833); BGH v. 12.5.1958 – II ZR 103/57, NJW 1958, 1232; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 79; aA Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 8; Weber in BuB, Rz. 1/37.
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AGB-Banken im Einzelnen
einer ungewollten Weitergabe der über ihn vorhandenen Informationen zu schützen1. Von einem solchen Wunsch des Kunden ist in der Praxis aber regelmäßig auszugehen, so dass eine Informationsweitergabe grundsätzlich nur in den Fällen der Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 AGB zulässig ist. a) Rechtsnatur des Bankgeheimnisses Die Verpflichtung der Bank zur Wahrung des Bankgeheimnisses wird seit jeher als eine Nebenpflicht aus der Geschäftsverbindung zwischen Kunde und Bank eingeordnet2. Die exakte zivilrechtliche Grundlage des Bankgeheimnisses ist in der Literatur nach wie vor umstritten3. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses eine besondere Ausprägung der allgemeinen Pflicht der Bank, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen4. Unabhängig davon hat der BGH bislang offen gelassen, ob das Bankgeheimnis auf vertraglicher oder gewohnheitsrechtlicher Grundlage beruht5.
6.115
Die im Jahre 1993 ausdrücklich aufgenommene Regelung in Nr. 2 Abs. 1 AGB hat daher nach allgemeiner Meinung lediglich deklaratorische Bedeutung6. Das Bankgeheimnis gilt deshalb auch dann, wenn im Einzelfall die AGBBanken zwischen der Bank und dem Kunden nicht wirksam vereinbart worden sind7. Die Verschwiegenheitspflicht besteht im Übrigen auch in den Ausnahmefällen, in denen der geschäftliche Kontakt mit der Bank nicht in den Abschluss eines Vertrages einmündet (vgl. auch § 311 Abs. 2 BGB)8.
6.116
Durch die AGB-mäßige Regelung des Bankgeheimnisses sollte der Umfang der Geheimhaltungspflicht schärfer konturiert und dem hohen Stellenwert, der dem Bankgeheimnis unter dem Aspekt des Datenschutzes, des Persönlichkeitsrechts und der Unverletzlichkeit der Privatsphäre zukommt, sichtbar Rechnung getragen werden9. Schließlich legten auch Auskunftsersuchen ausländischer staatlicher Stellen an inländische Banken wegen auslandsbezogener
6.117
1 Nobbe, WM 2005, 1537 (1538). 2 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken, Rz. 1; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 7 Rz. 1; Weber in BuB, Rz. 1/33, 2/842; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 42; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 9. 3 Vgl. zum Meinungsstand Nobbe, WM 2005, 1537 (1538). 4 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361 (362); BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643 (645). 5 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361 (362); BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643 (645). 6 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken, Rz. 1; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 79; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 1; Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 3; Weber in BuB, Rz. 1/33, 2/842; Pamp in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 2 AGB-Banken Rz. B 11; Nobbe, WM 2005, 1537 (1539). 7 Weber in BuB, Rz. 2/842; Nobbe, WM 2005, 1537 (1539). 8 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 79; Bruchner in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 39 Rz. 8; Nobbe, WM 2005, 1537 (1539). 9 Weber in BuB, Rz. 1/34, 2/842.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Geschäftsvorfälle eine ausdrückliche Verankerung in den AGB-Banken nahe1. Diese anfragenden Stellen haben nicht selten bezweifelt, ob die Bank nach deutschem Recht wirklich berechtigt ist, die erbetenen Informationen unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern. Einer Verschwiegenheitspflicht, die lediglich als ungeschriebenes Recht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitet wird, traute das Ausland keine große Durchsetzungskraft zu2. b) Gegenstand des Bankgeheimnisses
6.118
Der Verschwiegenheitspflicht unterliegen sämtliche kundenbezogene Tatsachen, von denen die Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung Kenntnis erlangt3. Unerheblich ist dabei, ob die Kenntnis auf einer Mitteilung des Kunden, eines Dritten oder auf eigener Wahrnehmung beruht. Es genügt, dass die Kenntnis im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit der Bank erlangt wurde4.
6.119
Zu den kundenbezogenen Tatsachen gehören alle äußeren oder inneren Vorgänge, die der Nachprüfung durch Dritte offen stehen5. Das Bestehen der Geschäftsverbindung mit der Bank fällt damit grundsätzlich unter das Bankgeheimnis. Der Kunde wird aber durch die Angabe seiner Bankverbindung auf seinem Briefbogen und durch Verwendung von Scheck- und Überweisungsformularen vielfach selbst seine Geschäftsverbindung zu seiner Bank offen legen. In diesen Fällen entfällt die Verschwiegenheitspflicht; hier ist die Bankverbindung kein schutzwürdiges Geheimnis mehr6. Allerdings können auch offenkundige und allgemein bekannte Tatsachen unter das Bankgeheimnis fallen, sofern der Kunde gleichwohl die Geheimhaltung wünscht und der Dritte diese erst durch die Bank erfährt7.
6.120
Das Bankgeheimnis erstreckt sich auch auf Wertungen der Bank, also auf subjektive Schlussfolgerungen oder Meinungsäußerungen, die sich meist auf die im Rahmen der Geschäftsverbindung zugänglichen Tatsachen und Informationen stützen (Nr. 2 Abs. 1 AGB)8. Zu diesen Wertungen zählen insbesondere Bonitätsbeurteilungen der Bank9.
6.121
Die Verschwiegenheitspflicht ist zudem nicht auf die reinen Vermögensangelegenheiten beschränkt. Sie erstreckt sich auch auf die Privatverhältnisse des 1 Sonnenhol, WM 1993, 677 (678). 2 Weber in BuB, Rz. 1/34, 2/842; Bosch, IPrax 1984, 127. 3 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830 (833); Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 7 Rz. 7; Weber in BuB, Rz. 1/36. 4 Nobbe, WM 2005, 1537 (1538). 5 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 79. 6 Weber in BuB, Rz. 2/844. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 8; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 49; aA Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 13. 8 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 79; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 7 Rz. 7; Weber in BuB, Rz. 1/36, 2/842; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 49; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 82; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 9; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 2 AGB-Banken Rz. B 12. 9 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 79.
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AGB-Banken im Einzelnen
Kunden, wie etwa Erbfälle, Scheidungen oder Unterhaltsverpflichtungen1. Der Verschwiegenheit unterliegen schließlich auch Unterlassungen des Kunden, etwa dass der Kunde an einem bestimmten Tag keine Kontoverfügung vorgenommen oder einen eingeräumten Kreditrahmen nicht ausgenutzt hat (sog. Negativtatsachen)2. c) Umfang des Bankgeheimnisses Die Verschwiegenheitspflicht der Bank besteht gegenüber dem Kunden. Nach seinem Ableben wird Geheimnisherr der oder die Erben3. Es sind aber persönlichkeitsbezogene Geheimnisse denkbar, die nach dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen auch gegenüber den Erben nicht aufgedeckt werden dürfen4. Bei beschränkter Geschäftsfähigkeit des Kunden ist der gesetzliche Vertreter und bei insolventen Kunden der Insolvenzverwalter der Geheimnisherr5.
6.122
Wenngleich die Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich nur den Kunden oder seinen Erben schützen soll, kann das Bankgeheimnis in bestimmten Fallkonstellationen gegenüber einem Nicht-Kunden zum Tragen kommen6. Hier ist vor allem an die Fälle zu denken, in denen ein Kreditinstitut die geheimhaltungspflichtigen Tatsachen im Rahmen der Abwicklung eines Geschäftes erfahren hat, das die Einschaltung mehrerer Kreditinstitute erfordert. Diese Sachverhalte sind vor allem beim bargeldlosen Zahlungsverkehr unter Einschaltung mehrerer Banken gegeben. Bei solchen institutsübergreifenden Geschäftsvorfällen tritt jedes mitwirkende Kreditinstitut in die Geheimhaltungspflicht der anderen mit eingeschalteten Instituten ein7.
6.123
Die Verschwiegenheitspflicht besteht gegenüber jedermann, also auch gegenüber dem Ehegatten8. Sie kommt auch innerhalb der Bank selbst zum Tragen. Die Bankmitarbeiter sind insoweit grundsätzlich als Dritte anzusehen, denen gegenüber das Bankgeheimnis zu wahren ist (sog. inneres Bankgeheimnis)9. Hieraus folgt die Unzulässigkeit einer bankweiten „Evidenzstelle“, auf die jeder Mitarbeiter Zugriff hat10. Andererseits dürfen den Mitarbeitern, die auf
6.124
1 Weber in BuB, Rz. 2/844; Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 13. 2 Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 15; Weber in BuB, Rz. 2/844. 3 Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 1; Weber in BuB, Rz. 1/39a, 2/846; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 51. 4 Weber in BuB, Rz. 2/848. 5 Weber in BuB, Rz. 1/39b; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 50. 6 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 79; Weber in BuB, Rz. 1/34; Nobbe, WM 2005, 1537 (1539). 7 BGH v. 12.5.1958 – II ZR 103/57, NJW 1958, 1232; vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 128 ff. wegen der Pflichten gegenüber „unverbundenen Dritten“ (Nicht-Kunden). 8 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 9; Weber in BuB, Rz. 1/40, 2/851. 9 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 9; Weber in BuB, Rz. 1/40, 2/851; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 9. 10 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 9.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Grund der betrieblichen Gegebenheiten in die Geschäftsabwicklung eingebunden sind, Kundengeheimnisse preisgegeben werden1.
6.125
Die Verschwiegenheitspflicht bleibt im Übrigen von der Beendigung der Geschäftsverbindung unberührt2. d) Durchbrechung des Bankgeheimnisses
6.126
Die Verschwiegenheitspflicht der Bank ist in bestimmten Fällen eingeschränkt. Nach Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 AGB darf die Bank vertrauliche Informationen über den Kunden weitergeben, wenn der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist oder gesetzliche Bestimmungen dies gebieten3.
6.127
Eine Befreiung vom Bankgeheimnis kann sich in Ausnahmefällen auch aus dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben, das den – auch diese Verschwiegenheitspflicht umfassenden – allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten zugrunde liegt und dem anderen Vertragspartner nur eine diesem zumutbare Verhaltensweise auferlegt. Problematisch sind insoweit die Fallgestaltungen, in denen die Verschwiegenheitspflicht mit einer höherwertigen Warnpflicht gegenüber einem anderen Kunden oder einem ganz überwiegenden Eigeninteresse der Bank an der Offenlegung der geheim zu haltenden Tatsachen kollidiert. aa) Einwilligung des Kunden
6.128
Bei der Einwilligung des Kunden, die die Bank nach der Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 AGB von der Verschwiegenheitspflicht befreit, handelt es sich um eine vorherige Zustimmung iS des § 183 BGB. Neben der ausdrücklichen Zustimmung kann in Ausnahmefällen auch eine konkludente Einwilligung in Betracht kommen4. Nicht ausreichend ist jedoch die mutmaßliche Einwilligung5.
6.129
Eine solche konkludente Entbindung vom Bankgeheimnis ist zB gegeben, wenn die Bank im Auftrag des Kunden bestimmte Tatsachen zur Ermöglichung eines Geschäftsabschlusses, insbesondere Referenzauskünfte, einem Dritten mitteilt6. Die Bank darf auch nach allgemeiner Meinung bei der Nichteinlösung eines Schecks Auskünfte über den Scheckaussteller ohne dessen ausdrückliche Einwilligung erteilen, soweit diese Auskünfte zur Durchsetzung der scheckrechtlichen Ansprüche unerlässlich sind7. Denn mit der 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 9; Weber in BuB, Rz. 2/852. 2 Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 18.; Weber in BuB, Rz. 1/39a. 3 Diese Aufzählung ist nur deklaratorisch, vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGBBanken Rz. 1. 4 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 94; Weber in BuB, Rz. 1/50. 5 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 94; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 7 Rz. 12. 6 Weber in BuB, Rz. 1/50. 7 Weber in BuB, Rz. 1/53.
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AGB-Banken im Einzelnen
Begebung eines Schecks bringt der Aussteller konkludent zum Ausdruck, dass er sich damit den Gepflogenheiten dieses Zahlungsverkehrssystem unterwirft und damit einverstanden ist, dass die Informationen weitergegeben werden, die der Scheckinhaber im Falle der Nichteinlösung benötigt, um die speziellen scheckrechtlichen Verfahren einzuleiten1. Trotz der Einführung der Sonderregelung in § 28a BDSG ist für die Weitergabe von Daten an Auskunfteien (zB SCHUFA) eine Befreiung vom Bankgeheimnis nach wie vor erforderlich. Denn die Regelung in § 28a BDSG stellt lediglich eine datenschutzrechtliche Erlaubnisnorm für die Übermittlung von Daten an Auskunfteien dar. Sie enthält aber kein Gebot zur Übermittlung von Daten, wie es Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 AGB als Voraussetzung für die Durchbrechung des Bankgeheimnisses beschreibt.
6.130
bb) Pflichtenkollision bei Warnpflichten gegenüber anderen Kunden Die Bank gerät in eine Pflichtenkollision, wenn ihre Verschwiegenheitspflicht mit der Schutzpflicht aus der Geschäftsverbindung zu Gunsten eines anderen Kunden kollidiert, weil sie diesen insbesondere vor Geschäftsrisiken zu warnen hat2. Nach dem BGH ist der Konflikt zwischen Aufklärungspflicht und Bankgeheimnis durch Güterabwägung zu lösen3. Bei der gebotenen Güterabwägung kommt es darauf an, ob nach den Umständen des Einzelfalls das Interesse an der Geheimhaltung nach Treu und Glauben den Vorrang vor dem Schutz des anderen Kunden verdient. Hierbei ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang das aufklärungspflichtige Kreditinstitut gezwungen wäre, Einzelheiten seiner Geschäftsverbindung mit einem anderen Bankkunden und über dessen Vermögenslage zu offenbaren4.
6.131
cc) Überwiegendes Eigeninteresse der Bank Die Kreditinstitute können schließlich nach übereinstimmender Meinung aus eigenen überwiegenden Interessen berechtigt sein, unter das Bankgeheimnis fallende Tatsachen offen zu legen5. Dies entspricht dem Rechtsgedanken der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB). Bei diesem besonderen Rechtfertigungsgrund für das Gebiet der Ehrverletzung handelt es sich um ein praktisches Beispiel des allgemeinen Grundsatzes der Güter- und Interessenabwägung.
6.132
Ein solches berechtigtes Interesse ist beispielsweise gegeben, wenn die Offenlegung der geheimhaltungspflichtigen Tatsachen notwendig ist, um in einem
6.133
1 Weber in BuB, Rz. 1/53. 2 Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 88. 3 BGH v. 27.11.1990 – XI ZR 308/89, NJW 1991, 693; Bruchner in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 39 Rz. 92; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 60. 4 Als Warnpflicht kommt in Betracht, dass das Kreditinstitut vom Zusammenbruch des Begünstigten oder dessen Kreditinstituts weiß, BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, NJW 1987, 317. 5 OLG Köln v. 8.7.1992 – 11 U 43/92, WM 1993, 289 (291); Bruchner in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 42; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 62.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Gerichtsverfahren eigene Forderungen gegen den Kunden mit Erfolg einklagen zu können oder um sich gegen Angriffe des Kunden sachgemäß verteidigen zu können1.
6.134
Ein solches überwiegendes Eigeninteresse der Bank an einer Auskunft kann auch bei der Verurteilung durch ein ausländisches Gericht zur Herausgabe bestimmter Unterlagen gegeben sein, wenn bei Missachtung des Urteils eine Bestrafung oder Nachteile für eine ausländische Filiale und Tochtergesellschaft drohen2. Zu diesen Nachteilen gehören auch die Gefahr für Leib und Leben von Bankmitarbeitern und mögliche Beuge- oder Freiheitsstrafen3. In diesen Ausnahmefällen kann allerdings nicht generell eine Befugnis zum Geheimnisbruch bejaht werden. Vielmehr bedarf es einer konkreten (einzelfallbezogenen) Abwägung, bei der die Nachteile, die der Bank und den Kunden aus der Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht drohen, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit miteinander zu vergleichen sind4. e) Auskünfte gegenüber staatlichen Stellen
6.135
Das Bankgeheimnis besteht auch gegenüber staatlichen Stellen, wird aber durch verschiedene gesetzliche Bestimmungen durchbrochen5. aa) Zivilprozess
6.136
Nach der Zivilprozessordnung (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO und § 384 Nr. 3 ZPO) ist ein Zeuge berechtigt, seine Aussage hinsichtlich solcher Tatsachen zu verweigern, zu deren Geheimhaltung er verpflichtet ist und hinsichtlich solcher Fragen, die er ohne Offenbarung eines Gewerbegeheimnisses nicht beantworten könnte. Zu den hiernach geschützten Geheimnissen gehört auch das Bankgeheimnis. Diese zivilprozessuale Regelung gilt auf Grund gesetzlicher Verweisungen auch im Arbeitsgerichtsprozess, Sozialgerichtsverfahren, Verwaltungsgerichtsverfahren, Insolvenzverfahren sowie in der freiwilligen Gerichtsbarkeit6.
6.137
Bei der Vollstreckung in ein Bankguthaben hat die Bank als Drittschuldnerin auf Verlangen des Gläubigers innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses die sog. Drittschuldnererklärung abzugeben (§ 840 ZPO)7. Die Drittschuldnererklärung darf jedoch nur die nach § 840 Abs. 1 Nrn. 1–3 ZPO zulässigen Fragen beantworten und nicht darüber hinausgehen8. 1 Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 97; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 58. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 62; Bosch, IPRax 1984, 127. 3 Bosch, IPRax 1984, 127. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 62; Bosch, IPRax 1984, 127. 5 Ausführlich hierzu: Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39. 6 § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; §§ 118 Abs. 1, 202 SGG; § 98 VwGO; § 113 FamFG; § 4 InsO. 7 Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 285. 8 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 93.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Ob bei einer Pfändung innerhalb eines Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahrens (§§ 916, 930 ZPO) eine Auskunftspflicht besteht, ist umstritten1. Diese Auskunftspflicht besteht dagegen noch nicht bei der Vorpfändung von Forderungen (§ 845 ZPO)2. bb) Strafprozess Im Strafverfahren sind Inhaber und Mitarbeiter von Kreditinstituten verpflichtet, als Zeuge vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und auszusagen (§ 161a StPO). Dieselbe Verpflichtung besteht gegenüber dem Ermittlungsrichter (§ 162 StPO) und in der Hauptverhandlung3. Denn das Bankgeheimnis ist nicht im Katalog der zur Zeugnisverweigerung berechtigten Berufsgeheimnisse des § 53 StPO aufgeführt, so dass sich Angestellte von Kreditinstituten bei ordnungsgemäßer Ladung nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können. Ein Aussageverweigerungsrecht für Zeugen besteht daher nur, wenn bei der Beantwortung der Fragen die Gefahr besteht, dass der Zeuge selbst oder ein naher Angehöriger strafrechtlich verfolgt wird.
6.138
Diese Erscheinens- und Aussagepflicht besteht jedoch nicht bei Vernehmungen durch die Polizei. Dies gilt selbst dann nicht, wenn die Polizei von der Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen beauftragt worden ist4. Die strafprozessuale Bestimmung des § 161a StPO ist eine Eingriffsnorm, die nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eng auszulegen ist.
6.139
Die Staatsanwaltschaft kann im Übrigen beweisrelevante Geschäftsunterlagen der Bank beschlagnahmen (§§ 94 Abs. 2, 98 StPO)5. Sie ist auch ohne Gefahr im Verzuge berechtigt, von Kreditinstituten Kontounterlagen gemäß § 95 Abs. 1 StPO heraus zu verlangen. Ein Kreditinstitut, das der Staatsanwaltschaft zur Abwendung der Herausgabe von Unterlagen nach einer entsprechenden Anheimgabe Fotokopien zur Verfügung stellt, ist hierfür gemäß § § 23 Abs. 2 iVm. § 7 Abs. 2 JVEG zu entschädigen.
6.140
Keine Verletzung des Bankgeheimnisses beinhaltet die Anzeige einer Geldwäsche iS des § 261 StGB. Von dieser strafbefreienden Anzeige ist die Anzeigepflicht für Verdachtsfälle nach § 11 GwG zu unterscheiden, die ebenfalls keine Verletzung des Bankgeheimnisses darstellt6. Eine weitere Einschränkung des Bankgeheimnisses stellt der automatisierte Abruf von Kontoinformationen dar (§ 24c KWG).
6.141
1 Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 288. 2 BGH v. 4.4.1977 – VII ZR 217/75, NJW 1977, 1199; Bruchner in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 39 Rz. 287. 3 Weber in BuB, Rz. 1/42. 4 Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 226. 5 Ausführlich hierzu: Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 83; Weber in BuB, Rz. 1/41, 2/883. 6 Der Anzeigende kann hierfür nicht verantwortlich gemacht werden, es sei denn, die Anzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden, § 13 Abs. 1 GewAufspG.
Merz
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
cc) Steuerrecht
6.142
Gegenüber den Finanzbehörden ist die gesetzliche Pflicht der Kreditinstitute zur Wahrung des Bankgeheimnisses unterschiedlich gestaltet1. Hier kommt es darauf an, in welchen der verschiedenen Verfahrensarten nach der Abgabenordnung die Auskunft verlangt wird.
6.143
Solche Auskunftsersuchen können im sog. Besteuerungsverfahren an die Kreditinstitute gerichtet werden2. Gemäß § 93 AO ist das Kreditinstitut grundsätzlich verpflichtet, im Besteuerungsverfahren gegen einen Kunden die Auskünfte zu erteilen, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlich sind. Soweit die Voraussetzungen des § 93 AO gegeben sind, kann sich die Bank gegenüber der Finanzverwaltung nicht auf das Bankgeheimnis berufen. Ein Kreditinstitut soll von der Finanzbehörde allerdings erst dann um Auskunft gebeten werden, wenn ein Auskunftsersuchen an den von Person bekannten Steuerpflichtigen, gegen den noch kein Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden ist, nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 30a Abs. 5 Satz 2 AO).
6.144
Die Vorlage von Kontoauszügen als Urkunden iS des § 97 AO kann die Finanzverwaltung im Besteuerungsverfahren eines Bankkunden grundsätzlich erst dann von der Bank verlangen, wenn die Bank eine zuvor erteilte Auskunft über das Konto nach § 93 AO nicht erteilt hat, wenn die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen die Richtigkeit bestehen3.
6.145
Die Abgabenordnung regelt im Übrigen die sog. Steuerfahndung und das spezielle Steuerstrafverfahren (§§ 208 ff., 385 ff. AO). Für diese beiden Verfahrensarten hat der Gesetzgeber das Bankgeheimnis am weitesten eingeschränkt.
6.146
Zu den speziellen Auskunftspflichten gehört die Erbschaftsteuermeldung gemäß § 33 Abs. 1 ErbStG. Danach sind die Banken verpflichtet, bei Kenntnis vom Tode eines Kunden dem Finanzamt die im Gewahrsam der Bank befindlichen Vermögensgegenstände anzuzeigen, sofern sie einen Wert von 2500 Euro (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 ErbStDV) übersteigen4. dd) Auskunftspflicht gegenüber anderen Verwaltungsbehörden
6.147
Die Kreditinstitute sind von ihrer Verschwiegenheitspflicht in bestimmtem Umfang auch bei Auskünften an ihre Aufsichtsbehörden befreit. So kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) von den Kreditinstituten Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten sowie die Vorlegung der Bücher und Schriften verlangen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 KWG). Diese Befugnis steht 1 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 86; Bruchner in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 39 Rz. 231; Weber in BuB, Rz. 2/869. 2 Ausführlich hierzu: Weber in BuB, Rz. 2/869. 3 BFH v. 24.2.2010 – II R 57/08, DB 2010, 1046. 4 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 91; Weber in BuB, Rz. 2/906; zum Konflikt zwischen erbschaftsteuerrechtlicher Anzeigepflicht und ausländischem Bankgeheimnis siehe Gärditz, WM 2010, 437.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
auch der Deutschen Bundesbank zu, soweit sie im Rahmen der Bankenaufsicht tätig wird (§ 44 Abs. 1 KWG). Des Weiteren können die Deutsche Bundesbank und die anderen in § 44 AWG bezeichneten Behörden zur Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs Auskünfte von den Beteiligten einholen. Im Sozialrecht darf die Agentur für Arbeit im Rahmen der Bedürfnisprüfung für die Arbeitslosenhilfe unmittelbar Auskunft über das Vermögen des Arbeitslosen, seines Ehegatten, Lebenspartners oder Partners bei Kreditinstituten einholen (§ 315 SGB III). Steht dem Sozialversicherungsträger im Zusammenhang mit überzahlten Renten ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger der Zahlungen zu, hat dieser einen Auskunftsanspruch gegen die Bank, soweit dies zur Verwirklichung des Rückerstattungsanspruchs erforderlich ist (§ 118 Abs. 4 SGB VI).
6.148
f) Unterrichtung des Kunden Die Banken sind zwar nicht verpflichtet, aber grundsätzlich berechtigt, ihre Kunden über angeordnete oder durchgeführte Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte zu informieren1. Besteht jedoch Anlass zu der Annahme, dass die Unterrichtung des Kunden die Ermittlungen gefährdet oder Vermögenswerte oder Beweismittel beiseite geschafft werden, ist im Einzelfall dem begründeten Ersuchen der Ermittlungsbehörde um Geheimhaltung zu entsprechen2.
6.149
Eine andere Rechtslage ist bei einer Anzeige wegen Verdachts auf eine Finanztransaktion im Sinne der strafbaren Geldwäsche (§ 261 StGB) gegeben. Hier ist dem anzeigenden Kreditinstitut gesetzlich untersagt, den Kunden über seine Verdachtsanzeige oder über ein daraufhin eingeleitetes Ermittlungsverfahren zu unterrichten (§ 12 GewAufspG).
6.150
Ein Anspruch der Bank auf Erstattung der mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwendungen kann sich aus der AGB-Klausel über die vom Kunden zu zahlenden Entgelte und Auslagen ergeben (vgl. Nr. 12 Abs. 1 und 2 AGB).
6.151
g) Sanktionen bei Verletzung des Bankgeheimnisses Eine Verletzung des Bankgeheimnisses begründet einen Anspruch des Kunden gegen die Bank auf Ersatz eines dadurch entstandenen materiellen Schadens (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 BGB). Darüber hinaus kann dem Kunden ein Recht zur fristlosen Kündigung der Geschäftsbeziehung aus wichtigem Grund zustehen mit der Folge, dass der Kunde einen aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung resultierenden Schaden liquidieren kann3. Die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund liegen allerdings nicht bei jeder schuldhaften Verletzung des Bankgeheimnisses durch die Bank vor4. Vielmehr muss der 1 2 3 4
Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 206. Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 39 Rz. 206. Nobbe, WM 2005, 1537 (1547). Nobbe, WM 2005, 1537 (1548).
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6.152
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Kunde darlegen und beweisen, dass durch die Verletzung des Bankgeheimnisses besondere wirtschaftliche oder sonstige Interessen betroffen sind, so dass eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung für den Kunden unzumutbar ist1. Das Bankgeheimnis steht einer Abtretung von notleidenden und nicht notleidenden Darlehensforderungen aber nicht entgegen, das heißt, eine Abtretung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das Bankgeheimnis nichtig2.
6.153
An einem strafrechtlichen Schutz des Bankgeheimnisses, wie er zum Teil im Ausland besteht, fehlt es3. § 203 Abs. 1 StGB stellt die unbefugte Offenbarung eines anvertrauten oder sonst bekannt gewordenen fremden Geheimnisses durch die in Nr. 1 bis 6 aufgeführten Berufsangehörigen unter Strafe. Zu den unter dieser Strafvorschrift aufgeführten Berufsangehörigen fallen aber nicht die Vorstandsmitglieder oder Angestellte eines privaten Kreditinstituts, einer Genossenschaftsbank oder einer öffentlich organisierten Sparkasse oder Landesbank4. Eine analoge Anwendung des § 203 Abs. 1 StGB scheidet wegen Art. 103 Abs. 2 GG von vornherein aus5. Mangels erkennbarer Sachgründe, etwa einer besonderen Schutzbedürftigkeit der Kunden einer öffentlich-rechtlich organisierten Sparkasse oder Landesbank, hat die gesetzgeberische Grundentscheidung gegen einen strafrechtlichen Schutz des Bankgeheimnisses in § 203 Abs. 1 StGB auch für § 203 Abs. 2 Nr. 1 zu gelten6. Denn der Begriff des Geheimnisses wird in § 203 StGB in identischer Weise verstanden7. Anderenfalls würde ohne rechtfertigenden Grund die Verletzung des Bankgeheimnisses durch private Kreditinstitute und durch öffentlich-rechtlich organisierte Sparkassen ungleich behandelt. Eine unterschiedliche strafrechtliche Behandlung des Bankgeheimnisses würde zudem gegen das auch im Strafrecht zu beachtende Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen8.
6.154
Ein gewisser Schutz des Bankgeheimnisses ergibt sich aus §§ 43 Abs. 2 und 44 BDSG. Danach wird die vorsätzliche oder fahrlässige unbefugte Weitergabe personenbezogener Daten als Ordnungswidrigkeit geahndet9. 1 OLG Karlsruhe v. 25.6.2001 – 9 U 143/00, WM 2001, 1803 (1804). 2 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361 (363); BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643 (644); BVerfG v. 11.7.2007 – 1 BvR 1025/07, WM 2007, 1694; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 87; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 9; Nobbe, WM 2005, 1537. 3 Vgl. Art. 47 Schweizerisches Bankgesetz; §§ 23, 34 Abs. 1 Österreichisches Kreditwesengesetz; zum Konflikt zwischen erbschaftsteuerrechtlicher Anzeigepflicht und ausländischem Bankgeheimnis siehe Gärditz, WM 2010, 437. 4 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361 (362); BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643 (645) 5 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361 (363); BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, WM 2007, 643 (645); Nobbe, WM 2005, 1537 (1542). 6 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361 (362); Nobbe, WM 2005, 1537 (1543). 7 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361 (362); Nobbe, WM 2005, 1537 (1543). 8 Nobbe, WM 2005, 1537 (1543). 9 Zur Informationspflicht bei unrechtmäßiger Kenntniserlangung von Daten gemäß § 42a BDSG siehe Gabel, BB 2009, 2045.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
3. Bankauskunft Kreditinstitute werden häufig um Auskunft über die Verhältnisse ihrer Kunden angesprochen, weil sie hierfür besonders geeignet erscheinen. Sie sind regelmäßig über die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kunden gut unterrichtet und können diese Verhältnisse infolge ihrer eigenen wirtschaftlichen Erfahrungen meistens auch richtig beurteilen. Bankauskünfte sind im Geschäftsleben ein wichtiges Instrument zur raschen Information über die Kreditwürdigkeit eines Geschäftspartners1. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das Bankauskunftsverfahren zu einer praktischen Handhabung entwickelt, die dem Interesse des Auskunftsbegehrenden und dem des angefragten Kunden unter voller Beachtung der Grundsätze des Bankgeheimnisses in gleicher Weise Rechnung trägt. Mit der Einführung eines genau reglementierten Verfahrens konnte auch ein unkontrolliertes und rechtlich angreifbares Auskunftswesen vermieden werden2.
6.155
Eine Bankauskunft enthält vorwiegend eine objektive Darstellung einer gegebenen tatsächlichen oder sicheren zukünftigen Sach- oder Rechtslage. Der Auskunftsersuchende wird über Tatsachen, die ihm bisher unbekannt waren, aufgeklärt und unterrichtet. Die Bewertung dieser Fakten und die praktischen Folgerungen hieraus bleiben jedoch dem Auskunftssuchenden weitgehend überlassen. Aber auch die Bankauskunft erschöpft sich nicht in reinen Tatsachenmitteilungen. Sie enthält häufig wertende allgemeine Aussagen über die Geschäftsverbindung.
6.156
a) Befugnis zur Erteilung einer Bankauskunft Die Regelung in Nr. 2 Abs. 3 AGB enthält die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bankauskunft3. Danach ist die Bank befugt, über juristische Personen und im Handelsregister eingetragene Kaufleute Bankauskünfte zu erteilen, sofern sich die Anfrage auf ihre geschäftliche Tätigkeit bezieht und der Bank keine anders lautende Weisung des Kunden vorliegt (Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 AGB)4. Bankauskünfte über andere Personen und Vereinigungen erteilt die Bank nur dann, wenn diese generell oder im Einzelfall ausdrücklich zugestimmt haben (Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 AGB).
6.157
Dabei wird eine Bankauskunft nur erteilt, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Auskunft glaubhaft dargelegt hat und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange des Kunden der Auftragserteilung entgegenstehen (Nr. 2 Abs. 3 Satz 4 AGB). Die Einwilligung
6.158
1 Horn, WM 1984, 449 (459). 2 Weber in BuB, Rz. 2/946. 3 Einen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft begründet die Klausel dagegen nicht, Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 2 AGB-Banken Rz. B 16. 4 Eine Bankauskunft über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist trotz Rechtsfähigkeit nur nach vorheriger Zustimmung zulässig, Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGBBanken Rz. 4.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
des Kunden rechtfertigt jedoch nicht jede Auskunft. Im Einzelfall kann die Bank verpflichtet sein, eine Güterabwägung vorzunehmen und trotz Einwilligung des Kunden die Auskunft zu verweigern1. Diese Einschränkung gilt auch bei Auskünften über Geschäftskunden2. aa) Auskünfte über Geschäftskunden
6.159
Mit der Differenzierung nach Kaufleuten und sonstigen Kunden ist den Bedenken der Datenschutzaufsichtsbehörden Rechnung getragen worden3. Bei Kaufleuten besteht eine durch Handelsbrauch begründete Vermutung, dass sie mit der Erteilung von Bankauskünften über sich einverstanden sind. Da diese Kundengruppe in großem Umfang selbst Auskunft über Geschäftspartner einholt, rechnet sie demgemäß auch damit, dass umgekehrt andere sich über ihre Bonität bei der kontoführenden Bank vergewissern4. Mit Rücksicht auf dieses mutmaßliche Einverständnis bedarf es also keiner ausdrücklichen Einwilligung zur Offenlegung geheimhaltungspflichtiger Tatsachen5. Eine Rückfrage der Bank vor Auskunftserteilung ist daher regelmäßig nicht erforderlich6. Insoweit ist Nr. 2 Abs. 3 AGB nur deklaratorischer Natur, soweit sich Anfragen auf die geschäftliche Tätigkeit des angefragten Kunden beziehen7.
6.160
Eine Bankauskunft über Kaufleute ist jedoch durch die AGB-Klausel nur gedeckt, wenn der Angefragte gegenüber der Bank auch tatsächlich als Geschäftskunde aufgetreten ist. Unterhält ein Vollkaufmann ein Privatkonto bei der Bank, so darf über ihn wie bei der nicht-kaufmännischen Kundschaft nur mit seiner Einwilligung Auskunft erteilt werden. Im Zweifel dürfte aber nach der Vermutungsregelung des § 344 HGB davon auszugehen sein, dass die Bankverbindung dem Betrieb des Handelsgewerbes zuzuordnen ist und deshalb von dem mutmaßlichen Einverständnis gemäß Nr. 2 Abs. 3 AGB ausgegangen werden kann8. bb) Auskünfte über Privatkunden und sonstige Kunden
6.161
Bei Auskünften über Privatkunden und sonstige Kunden setzt die Bankauskunft voraus, dass der Kunde „generell oder im Einzelfall ausdrücklich zugestimmt hat“ (vgl. Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 AGB)9. Zu den sonstigen Kunden rech1 2 3 4 5 6 7 8 9
Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 23; Weber in BuB, Rz. 2/958. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 23. Weber in BuB, Rz. 1/61. Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 40 Rz. 18; Weber in BuB, Rz. 1/64, 2/952. Bei eindeutig negativer Auskunft wird teilweise eine mutmaßliche Einwilligung abgelehnt, vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 4. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 4; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 2 AGB-Banken Rz. B 15. Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 40 Rz. 18; Weber in BuB, Rz. 2/952; aA Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 56; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 23. Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 40 Rz. 16; Weber in BuB, Rz. 1/63, 2/950. Teilweise wird eine generelle Zustimmung für unwirksam erachtet, vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken, Rz. 5.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
nen Gewerbetreibende, Handwerker und Freiberufler1. Die Differenzierung nach juristischen Personen und im Handelsregister eingetragenen Kaufleuten einerseits und andererseits der sonstigen Kunden ist im Interesse eines leicht nachvollziehbaren Abgrenzungsmerkmals erfolgt2. Bei der erforderlichen Zustimmung handelt es sich um eine Einwilligung im Sinne einer vorherigen Zustimmung gemäß § 183 BGB. Die erforderliche „Ausdrücklichkeit“ der Einwilligung schließt im Übrigen aus, dass sich die Bank auf ein stillschweigendes oder nur mutmaßliches Einverständnis beruft3. Zulässig ist aber eine ausdrücklich mündlich oder formularmäßig erteilte Einwilligung4.
6.162
b) Inhalt der Bankauskunft Nr. 2 Abs. 2 AGB umschreibt den zulässigen Inhalt einer Bankauskunft. Danach sind Bankauskünfte allgemein gehaltene Feststellungen und Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, seine Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit. Hierzu gehört auch der Ruf des Kunden im Geschäftsleben sowie eine abschließende Kreditbeurteilung, die die in dem Auskunftsersuchen zumeist gestellte Frage beantwortet, ob der Angefragte für einen bestimmten Betrag gut ist. Weiter gehende Auskünfte, zB über private Verhältnisse oder über die Eignung für andere Geschäfte, sind dagegen unzulässig5. Betragsmäßige Angaben über Kontostand, Sparguthaben, Depot und sonstige der Bank anvertrauten Vermögenswerte sowie Angaben über die Höhe von Kreditinanspruchnahme werden nicht gemacht (vgl. Nr. 2 Abs. 2 Halbsatz 2 AGB). Dementsprechend werden keine konkreten Fakten, Zahlen oder Vermögenswerte genannt. Nach dem BGH sind jedoch Scheck- und Lastschriftrückgaben sowie Wechselproteste zu erwähnen6.
6.163
Die Bankauskunft wird lediglich auf Grund der Kenntnisse erteilt, die die auskunftsgebende Geschäftsstelle hat. Es werden weder Rückfragen beim Kunden noch eine Auswertung der Tagespresse oder sonstige Veröffentlichungen vorgenommen7. Auch werden keine Recherchen, etwa mit Hilfe von Wirtschaftsauskunfteien, angestellt. Demgemäß stützen sich die Bonitätsurteile lediglich auf das Faktenwissen derjenigen Geschäftsstelle, die die Bankauskunft formuliert. Dabei ist die auskunftsgebende Geschäftsstelle verpflichtet, auch solche Informationen zu berücksichtigen, die aus einer zentralen Datei der Bank unschwer abgerufen werden können8. Ein weiter gehendes Wissen von Mitarbeitern anderer Niederlassungen einer Filialbank braucht dagegen
6.164
1 2 3 4 5 6 7 8
Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 20. Weber in BuB, Rz. 1/61. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 21; Weber in BuB, Rz. 2/955. Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 94; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 7 Rz. 21; Weber in BuB, Rz. 2/957. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 3. BGH v. 5.7.1962 – VII ZR 199/60, WM 1962, 1110 (1111); Weber in BuB, Rz. 1/57. Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 40 Rz. 5. Weber in BuB, Rz. 2/997.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
nicht berücksichtigt zu werden. Eine solche Wissenszurechnung stünde zudem im Widerspruch zum „inneren Bankgeheimnis“1. Die Bankauskunft kann und will nicht für sich in Anspruch nehmen, ein unter allen Gesichtspunkten objektiv richtiges Urteil abzugeben2. Die Bank, die nur einen unvollständigen Einblick in die finanziellen Verhältnisse des Angefragten hat und deshalb zu einem abschließenden Bonitätsurteil außer Stande ist, muss dies unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Irreführend wäre es deshalb, wenn sich eine Bank, bei der lediglich ein Sparkonto geführt wird, in der Auskunft darauf beschränken würde, dass die Geschäftsverbindung auf Guthabenbasis geführt wird. c) Empfänger von Bankauskünften
6.165
Nr. 2 Abs. 4 AGB bezeichnet den Personenkreis, der eine Bankauskunft einholen darf. Danach werden Bankauskünfte nur an eigene Kunden sowie andere Kreditinstitute für deren Zweck oder den ihrer Kunden erteilt. Die Bank erteilt daher keine Bankauskünfte unmittelbar an Dritte, sondern nur im Wege der Bank-zu-Bank-Auskunft3. Diese Bank-zu-Bank-Auskunft entspricht einer jahrzehntelangen nationalen und internationalen Übung, die sich zu einer rechtlich nicht fassbaren Standespflicht des Kreditgewerbes verfestigt hat. Die Funktionsfähigkeit des Bankauskunftsverfahrens hängt von der wechselseitigen Mitwirkung der Kreditinstitute ab4. Für die Erteilung von Bank-zu-BankAuskünften haben die Spitzenverbände des Kreditgewerbes „Grundsätze über die Erteilung von Bankauskünften“ entwickelt5. Hierdurch wird die formelle zwischenbetriebliche Abwicklung des Auskunftswesens geregelt. d) Berechtigtes Interesse
6.166
Bankauskünfte werden im Übrigen nur erteilt, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Auskunft glaubhaft darlegt (Nr. 2 Abs. 3 Satz 4 AGB). Ein solches Interesse ist insbesondere zu bejahen, wenn der Auskunftsempfänger mit dem Angefragten Geschäfte tätigen wird, bei denen er vorzuleisten hat, oder wenn Wechsel angekauft werden sollen, aus denen der Angefragte haftet6. e) Keine schutzwürdigen Belange des Kunden
6.167
Des Weiteren dürfen keine schutzwürdige Belange des Kunden der Auftragserteilung entgegenstehen (Nr. 2 Abs. 3 Satz 4 AGB). Dieses Erfordernis gilt für Privatkunden und für Geschäftskunden gleichermaßen. Liegen schutzwürdige 1 2 3 4
Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 40 Rz. 5; Weber in BuB, Rz. 1/58. Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 40 Rz. 5. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 7. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 25; Bruchner in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 40 Rz. 26. 5 Abgedruckt bei Weber in BuB, Rz. 1/76. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 7 Rz. 22; Weber in BuB, Rz. 1/72.
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AGB-Banken im Einzelnen
Belange des Kunden vor, hat eine Interessenabwägung stattzufinden1. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jede negative Auskunft gegen schutzwürdige Belange des Kunden verstößt2. f) Haftung für fehlerhafte Auskünfte Die Bank haftet gegenüber ihrem Kunden, wenn sie über ihn eine fehlerhafte Auskunft schuldhaft erteilt hat3, nach § 280 Abs. 1 BGB. Eine solche Fehlerhaftigkeit ist gegeben, wenn sie dem subjektiven Erkenntnisstand der auskunftsgebenden Stelle der Bank nicht entspricht oder das vorhandene Wissen bei der Formulierung der Auskunft nicht zutreffend umgesetzt worden ist4.
6.168
Darüber hinaus haftet die Bank auch gegenüber dem Auskunftsersuchenden uneingeschränkt. Durch die Bankauskunft kommt (stillschweigend) ein haftungsbegründender Auskunftsvertrag zu Stande, auf den der haftungsausschließende § 675 Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist5. Ist der Auskunftsersuchende eine Bank, so kommt dieser Auskunftsvertrag grundsätzlich mit ihr zu Stande, auch wenn die Auskunft für ihren Kunden eingeholt wird6.
6.169
Nach der früheren Rechtsprechung konnte ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Bankauskunft vom Kunden der anfragenden Bank nur geltend gemacht werden, wenn ihm dieser Ersatzanspruch zuvor von seiner anfragenden Bank abgetreten worden ist. Die Bank konnte aber diesen Anspruch auch im Wege der Schadensliquidation im Drittinteresse für ihren Kunden geltend machen7. In der neueren Rechtsprechung wird die Haftung der auskunftgebenden Bank gegenüber dem geschädigten Dritten auf der Grundlage eines Auskunftsvertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bejaht8.
6.170
1 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 102; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 12. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 2 AGB-Banken Rz. 6; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 102. 3 Zur Haftung für unrichtige Bankauskunft : Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 40 Rz. 47; Weber in BuB, Rz. 2/1016; Berger ZBB 2001, 238. 4 BGH v. 5.12.2000 – XI ZR 340/99, WM 2001, 134 (136); Weber in BuB, Rz. 1/59. 5 BGH v. 27.6.1989 – XI ZR 52/88, WM 1989, 1409 (1411); BGH v. 16.10.1990 – XI ZR 165/88, WM 1990, 1990 (1991). 6 In Ausnahmefällen wurde die anfragende Bank als Stellvertreterin ihres Kunden angesehen und bei falscher Auskunft eine unmittelbare Haftung der auskunftsgebenden Bank gegenüber dem Kunden der anfragenden Bank bejaht, BGH v. 25.2.1980 – II ZR 134/79, WM 1980, 527; BGH v. 16.10.1990 – XI ZR 165/88, WM 1990, 1990; BGH v. 5.12.2000 – XI ZR 340/99, ZIP 2001, 108 (109) zur Auskunftshaftung der Bank gegenüber ihr unbekannten Anlegern. 7 BGH v. 6.3.1972 – II ZR 100/69, WM 1972, 583 (585); Breinersdorfer, WM 1991, 977 (978); Breinersdorfer, WM 1992, 1557 (1561); Musielak, WM 1999, 1593 (1594). 8 Berger, ZBB 2001, 238 (241).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
4. AGB-Sparkassen
6.171
Die Verpflichtung, das Bankgeheimnis zu wahren, ist in Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 AGB-Sparkassen geregelt. Im Gegensatz zu den AGB-Banken enthalten die AGB-Sparkassen keine Definition des Bankgeheimnisses. Inhaltliche Unterschiede zu dem Bankgeheimnis nach den AGB-Banken resultieren daraus aber nicht. Das Bankauskunftsverfahren ist in Nr. 3 AGB-Sparkassen geregelt und entspricht mit geringen Abweichungen den Regelungen in den AGB-Banken. Die AGB-Sparkassen enthalten jedoch noch die zusätzliche Regelung, wonach bei mündlichen Auskünften die Sparkasse sich noch eine schriftliche Bestätigung vorbehält. Die Praxisrelevanz dieser Regelung dürfte allerdings gering sein, da Bankauskünfte fast ausnahmslos schriftlich erteilt werden1.
6.172–6.175
Einstweilen frei.
III. Nr. 3 AGB-Banken: Haftung der Bank; Mitverschulden des Kunden (Peterek) 3. Haftung der Bank; Mitverschulden des Kunden (1) Haftungsgrundsätze Die Bank haftet bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen für jedes Verschulden ihrer Mitarbeiter und der Personen, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen hinzuzieht. Soweit die Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen oder sonstige Vereinbarungen etwas Abweichendes regeln, gehen diese Regelungen vor. Hat der Kunde durch ein schuldhaftes Verhalten (zum Beispiel durch Verletzung der in Nr. 11 dieser Geschäftsbedingungen aufgeführten Mitwirkungspflichten) zu der Entstehung eines Schadens beigetragen, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, in welchem Umfang Bank und Kunde den Schaden zu tragen haben. (2) Weitergeleitete Aufträge Wenn ein Auftrag seinem Inhalt nach typischerweise in der Form ausgeführt wird, dass die Bank einen Dritten mit der weiteren Erledigung betraut, erfüllt die Bank den Auftrag dadurch, dass sie ihn im eigenen Namen an den Dritten weiterleitet (weitergeleiteter Auftrag). Dies betrifft zum Beispiel die Einholung von Bankauskünften bei anderen Kreditinstituten oder die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren im Ausland. In diesen Fällen beschränkt sich die Haftung der Bank auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung des Dritten. (3) Störung des Betriebs Die Bank haftet nicht für Schäden, die durch höhere Gewalt, Aufruhr, Kriegsund Naturereignisse oder durch sonstige von ihr nicht zu vertretende Vorkommnisse (zum Beispiel Streik, Aussperrung, Verkehrsstörung, Verfügungen von hoher Hand im In- oder Ausland) eintreten. 1 Weber in BuB, Rz. 1/79.
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Peterek
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AGB-Banken im Einzelnen
1. Haftungsgrundsätze Die Haftungsklauseln in Nr. 3 Abs. 1 AGB haben weitgehend nur klarstellende Bedeutung. Die Bank haftet gemäß §§ 276, 278 BGB für jedes Verschulden ihrer Mitarbeiter und der Personen, die sie zur Erfüllung hinzuzieht. Diese grundsätzliche Haftung der Bank gilt nicht, wenn Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen, beispielsweise Sonderbedingungen zum Zahlungsverkehr oder sonstige Vereinbarungen, etwas Abweichendes regeln.
6.176
Erfüllungsgehilfen sind nicht nur Mitarbeiter der Bank. In Ausnahmefällen können es auch sonstige von der Bank eingeschaltete Dritte sein. Ob eine solche Erfüllungsgehilfenschaft vorliegt, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten des Sachverhaltes ab. Erfüllungsgehilfe ist regelmäßig, wer mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird1. Dabei muss der Dritte in Ausübung der ihm übertragenen Tätigkeit und nicht nur bei Gelegenheit der ihm obliegenden Verrichtungen gehandelt haben2. Dies ist der Fall, wenn das Handeln des Dritten in dem für die Anwendbarkeit des § 278 BGB erforderlichen unmittelbaren sachlichen inneren Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die dem Dritten im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren3. Der Schuldner hat in diesem Rahmen auch für strafbares Verhalten seiner Hilfspersonen einzustehen. Dies gilt selbst dann, wenn die Hilfspersonen den Weisungen oder Interessen des Schuldners vorsätzlich zuwiderhandeln, um eigene Vorteile zu erzielen4.
6.177
Eine Erfüllungsgehilfenhaftung kommt nicht in Betracht, wenn der Schaden des Kunden nicht auf einer vertraglichen Verpflichtung der Bank aus einem Bankgeschäft beruht. Dies ist insbesondere bei der allgemeinen gesetzlichen Verkehrssicherungspflicht der Fall, wie sie sich gemäß § 823 Abs. 1 BGB aus der Eröffnung von Geschäftslokalen ergibt5. Hat beispielsweise die Bank einen Handwerker mit Renovierungsarbeiten in ihrem Geschäftslokal beauftragt und erleidet ein Kunde infolge dieser Arbeiten einen Schaden, so ist der Handwerker kein Erfüllungsgehilfe, sondern nur ein Verrichtungsgehilfe iS des § 831 BGB. Eine Schadensersatzpflicht der Bank entfällt, wenn sie den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB führen kann6.
6.178
Der Bankmitarbeiter kann in seltenen Ausnahmefällen auch persönlich nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB haften. Diese persönliche Haftung eines Vertreters wird bejaht, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat oder dem Verhandlungsgegenstand besonders nahe
6.179
1 Grüneberg in Palandt, § 278 BGB Rz. 7; Grundmann in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 278 BGB Rz. 20; Stadler in Jauernig, § 278 BGB Rz. 6. 2 Löwisch in Staudinger, Neubearb. 2004, § 278 BGB Rz. 48. 3 BGH v. 17.12.1992 – III ZR 133/91, WM 1993, 658 (659). 4 BGH v. 8. 10.1991 – XI ZR 207/90, WM 1991, 1912 (1914). 5 Grundmann in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 278 BGB Rz. 15. 6 Wagner in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 831 BGB Rz. 32; Teichmann in Jauernig, § 831 BGB Rz. 10.
Peterek
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
steht, weil er wirtschaftlich selbst stark an dem Vertragsschluss interessiert ist und aus den Geschäften eigenen Nutzen erstrebt1. Dabei reicht es nicht aus, dass der Vertragspartner dem verhandelnden Vertreter besonderes Vertrauen entgegenbringt. Der Vertreter muss dieses Vertrauen auch in Anspruch nehmen. Hierzu muss er durch sein Verhalten Einfluss auf die Entscheidung des anderen nehmen. Der Verhandelnde muss daher über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts bieten2.
6.180
Auch das Mitverschulden des Kunden ist in enger Anlehnung an das Gesetz (§ 254 BGB) geregelt. Hat der Kunde hiernach durch ein schuldhaftes Verhalten zu der Entstehung eines Schadens beigetragen, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, in welchem Umfang Bank und Kunde den Schaden zu tragen haben (Nr. 3 Abs. 1 Satz 3 AGB). Ein solches Mitverschulden kommt insbesondere in Betracht, wenn der Kunde gegen seine Mitwirkungspflichten schuldhaft verstoßen hat, wie sie in Nr. 11 AGB geregelt sind.
2. Begrenzte Haftung bei weitergeleiteten Kundenaufträgen
6.181
Für den sog. weitergeleiteten Auftrag ist in Nr. 3 Abs. 2 AGB eine Beschränkung der Haftung der Bank auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung der von ihr eingeschalteten Dritten geregelt. Der Begriff des weitergeleiteten Auftrages selbst wird in Abs. 2 als ein Auftrag umschrieben, der seinem Inhalt nach typischerweise in der Form ausgeführt wird, dass die Bank einen Dritten mit der weiteren Erledigung betraut und den Auftrag durch eine Weiterleitung im eigenen Namen an den Dritten erfüllt. Der Begriff „typischerweise“ ist objektiv zu verstehen3, weshalb ein weitergeleiteter Auftrag stets gegeben ist, wenn keine Möglichkeit zu einer eigenen Durchführbarkeit des Auftrages besteht und daher die Einschaltung eines Dritten zwangsläufig ist. Hiernach ist die Bank zu einer eigenen Ausführung des Auftrages außer Stande und daher von vornherein gezwungen, einen Dritten zu beauftragen4. Ob die Weiterleitung typischerweise erfolgt, ist daher nicht Gegenstand einer etwaigen Ermessensentscheidung der Bank5.
6.182
Mit der Weiterleitung an einen sorgfältig ausgewählten und unterwiesenen Auftragnehmer hat die erstbeauftragte Bank Ihre Vertragspflicht erfüllt6. Daher kann eine nachgeschaltete Bank nicht mehr als ihr Erfüllungsgehilfe ange1 BGH v. 29.1.1992 – VIII ZR 80/91, WM 1992, 699 (700). 2 BGH v. 7.12.1992 – II ZR 179/91, WM 1993, 295 (298). 3 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 19; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 125; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 86. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 8 Rz. 38. 5 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 86. 6 Vgl. BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797 (798) für den mehrgliedrigen bargeldlosen Zahlungsverkehr; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGBBanken Rz. 125; Hansen, BB 1989, 2418 (2419); Hüffer, WM 1987, 641 (643).
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AGB-Banken im Einzelnen
sehen werden, für dessen Verschulden sie nach § 278 BGB zu haften hätte1. Die erstbeauftragte Bank haftet somit nur für eigenes Verschulden bei der Auswahl und Unterweisung des nachgeschalteten Auftragnehmers2. Zwischen dem Kunden und der nachgeschalteten, zweitbeauftragten Stelle entstehen keine vertraglichen Beziehungen3. Als praktische Anwendungsfälle eines weitergeleiteten Auftrages im Bankgeschäft sind in Nr. 3 Abs. 2 Satz 2 AGB die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren im Ausland4 sowie die Einholung von Bankauskünften bei fremden Banken angeführt. Ein weiteres Beispiel ist die Ausführung der für eine bestimmte Wertpapierbörse erteilten Kauf- oder Verkaufsaufträge. Diese kann die erstbeauftragte Bank nicht selbst ausführen, wenn sie dort nicht zum Börsenhandel zugelassen ist, wie dies insbesondere bei ausländischen Ausführungsplätzen fast regelmäßig zutrifft5. Insgesamt ist von einem eher engen Anwendungsbereich auszugehen. So wird von Teilen im Schrifttum gefordert, dass aus objektiver Sicht des Kunden ein Wille der Bank zur Übernahme einer eigenen Verpflichtung nicht zu erwarten sein darf und die Bank für den Kunden daher nur tätig wird, um für diesen den eigentlichen Geschäftsbesorger zu suchen6.
6.183
Bei der Einschaltung eines Dritten kann es sich auch um eine gestattete Substitution iS von § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln. Auch in diesem Fall haftet die Bank wie bei einem weitergeleiteten Auftrag nur für eine sorgfältige Auswahl und Unterweisung der von ihr beauftragten Bank (§ 664 Abs. 1 Satz 2 BGB)7. Aus haftungsrechtlicher Sicht besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied. In den Fällen einer zulässigen Substitution hat die Bank anders als bei den nur weiterzuleitenden Aufträgen eine eigene Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Erledigung der vom Kunden erwünschten Geschäftsbesorgung übernommen8. Der Bank ist vielmehr nur gestattet, die Geschäftsbesorgung vollständig oder teilweise einem Dritten unter dessen alleiniger Verantwortung zu überlassen. Die Bank schuldet zunächst die vom Kunden gewünschte Geschäftsbesorgung, bis sie einen Substituten auf Grund der Gestattung durch ihren Kunden beauftragt hat. Daher führt erst die Substitutionsvornahme zu einer Haftungsbeschränkung, nicht aber bereits die Gestattung9.
6.184
1 2 3 4 5
6 7 8 9
OLG Frankfurt v. 11.4.2000 – 5 U 211/98, WM 2000, 1636 (1638). OLG Nürnberg v. 9.10.2001 – 3 U 1752/01, WM 2001, 2440 (2441). Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 125. Für die Einschaltung von ausländischen Banken zur Aufbewahrung von Wertpapieren im Ausland vgl. Coing, WM 1977, 466 (472). AA Bitter, ZBB 2007, 237 (253 f.); vgl. auch LG Nürnberg-Fürth v. 14.3.2001 – 3 O 7620/00, wonach für die Beauftragung eines Zwischenkommissionärs in solchen Fällen ein weitergeleiteter Auftrag gegeben ist. Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 19; Casper in Derleder/Knops/ Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 26. Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 664 BGB Rz. 7; Martinek in Staudinger, Neubearb. 2006, § 664 BGB Rz. 13. Vgl. Einsele, AcP 199 (1999), 145 (176). Martinek in Staudinger, Neubearb. 2006, § 664 BGB Rz. 13.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.185
Von der Substitution ist die Heranziehung eines Gehilfen zu unterscheiden1. Überträgt die beauftragte Bank das beauftragte Geschäft nicht im Rahmen einer zulässigen Substitution einem Dritten, sondern schaltet sie für die beauftragte Geschäftsbesorgung eine andere Bank als Gehilfin ein, so wird für sie eine Haftungspflicht für das Verschulden dieser Bank als ihres Erfüllungsgehilfen begründet (§ 664 Abs. 1 Satz 3 BGB iVm. § 278 BGB).
6.186
Eine für die Substitution erforderliche Gestattung käme für das Bankgeschäft mit Blick auf die massenhaft anfallenden Geschäftsvorfälle grundsätzlich nur als eine AGB-mäßige Gestattung in Betracht. Die Zulässigkeit einer solchen Substitutionsklausel in AGB begegnet jedoch rechtlichen Bedenken, da sie den Bankkunden nach allgemeiner Meinung unangemessen iS von § 307 BGB benachteiligt2. Letztlich wird mit der Vornahme einer Substitution eine Haftungsbegrenzung beabsichtigt. Denn eine Haftung für das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen entfällt im Falle einer Substitutionsvornahme3. Dagegen kann die Haftung für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Erfüllungsgehilfen AGB-mäßig nicht ausgeschlossen werden (§ 309 Nr. 7 BGB). Selbst die hiernach grundsätzlich zulässige Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit ist aber ausgeschlossen, wenn die eingeschaltete Bank zur Erfüllung einer sog. Kardinalpflicht hinzugezogen wird. Vor diesem Hintergrund besteht das Risiko der Unwirksamkeit einer Substitutionsklausel wegen unzulässiger Umgehung des weit gehenden gesetzlichen Verbotes einer AGB-mäßigen Freizeichnung von der Haftung für Erfüllungsgehilfen4.
3. Haftungsausschluss bei Störung des Bankbetriebs
6.187
In Nr. 3 Abs. 3 AGB wird klargestellt, dass die Bank nicht für Schäden haftet, die durch höhere Gewalt, Aufruhr, Kriegs- und Naturereignisse oder durch sonstige von ihr nicht zu vertretende Vorkommnisse eintreten. Damit wird deklaratorisch festgehalten, dass eine Haftung für unabwendbare Zufallsschäden ausscheidet5. Hierzu nennt die Klausel beispielhaft Streik, Aussperrung, Verkehrsstörung sowie Verfügungen von hoher Hand im In- und Ausland. Unter höherer Gewalt sind außergewöhnliche Ereignisse zu verstehen, die unter den gegebenen Umständen auch durch äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden können. Schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus6.
6.188
Die Haftungsklausel soll das Risiko von Zufallsschäden auf den Kunden verlagern. Auf eine Betriebsstörung, die die Bank zu vertreten hat, ist demzufolge die Haftungsfreizeichnung nicht anwendbar7. Dasselbe gilt, wenn die Bank in 1 2 3 4 5 6 7
Sprau in Palandt, § 664 BGB Rz. 2; Hansen, BB 1989, 2418 (2418 f.). Sprau in Palandt, § 664 BGB Rz. 3. Vgl. auch Martinek in Staudinger, Neubearb. 2006, § 664 BGB Rz. 19. Vgl. Hansen, BB 1989, 2418 (2422). Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 3 Rz. 8. BGH v. 24.9.1981 – IX ZR 93/80, BGHZ 81, 353 (355). Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 28; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 3 Rz. 8.
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AGB-Banken im Einzelnen
Ausnahmefällen ohne Verschulden auf Grund einer Gefährdungshaftung schadensersatzpflichtig ist oder sonst das allgemeine Betriebsrisiko zu tragen hat1. Der Haftungsausschluss bei Störungen des Bankbetriebes steht nach ganz überwiegender Auffassung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 307 ff. BGB. Der Ausschluss der Haftung folgt regelmäßig bereits schon aus § 275 Abs. 1 BGB, der den Schuldner von seiner Verpflichtung befreit, wenn die Leistung unmöglich ist, oder aus dem fehlenden Verschulden2. Die Haftungsklausel begründet demnach für die Bank keine neue Rechtsposition3.
6.189
4. AGB-Sparkassen Abweichend von Nr. 3 Abs. 2 AGB-Banken enthalten die AGB-Sparkassen in Nr. 19 Abs. 2 eine über die Fälle eines weitergeleiteten Auftrages hinausgehende Regelung, wonach die Sparkasse Aufträge bei Fehlen einer gegenteiligen Weisung ganz oder teilweise auf Dritte zur selbständigen Erledigung übertragen darf, soweit dies unter Berücksichtigung der Art des Auftrages und der Interessen von Sparkasse und Kunde erforderlich erscheint. Gegen die Wirksamkeit dieser Regelung bestehen Bedenken, da damit letztlich ein Ermessensspielraum der Sparkasse eröffnet ist, dem das gesetzliche Leitbild des § 664 Abs. 1 BGB entgegensteht4. Der Kunde ist hiernach gehalten, einer Übertragung durch eine gegenteilige Weisung zu widersprechen. Demgegenüber sieht das Gesetz die Unübertragbarkeit des Auftrages vor.
6.190
6.191–6.195
Einstweilen frei.
IV. Nr. 4 AGB-Banken: Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden (Peterek) 4. Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden Der Kunde kann gegen Forderungen der Bank nur aufrechnen, wenn seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.
1. Regelungszweck Nr. 4 AGB regelt eine Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis des Kunden. Der Kunde kann gegen Forderungen der Bank nur mit bankseitig unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufrechnen. Für den Kunden soll die Möglichkeit zu einer Aufrechnung auf Fälle beschränkt werden, denen 1 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 3 Rz. 8; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGBRecht, Rz. B 20. 2 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 130. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 8 Rz. 41. 4 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 21; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 9 Rz. 43; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 87.
Peterek
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6.196
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ein eindeutiger Sachverhalt zugrunde liegt. Mit dieser Regelung soll die Bank davor geschützt werden, dass ein zahlungsunfähiger oder -unwilliger Kunde versucht, gegen Forderungen der Bank mit erdichteten oder sonstigen unbegründeten Gegenforderungen aufzurechnen und sich dadurch seiner Zahlungspflicht zu entziehen1. Es handelt sich um ein vertraglich vereinbartes Aufrechnungsverbot, welches die materiellrechtliche Wirksamkeit einer Aufrechnung und nicht nur deren Geltendmachung in einem Rechtsstreit ausschließt, weshalb das Gericht den Aufrechnungsausschluss von Amts wegen zu berücksichtigen hat2.
6.197
In AGB-rechtlicher Hinsicht werden die Grenzen des § 309 Nr. 3 BGB gewahrt. Danach ist eine Bestimmung in AGB unwirksam, durch die dem Vertragspartner die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Gegen die Zulässigkeit des eingeschränkten Aufrechnungsverbotes in Nr. 4 AGB bestehen daher im Ergebnis keine rechtlichen Bedenken3. Das Zurückbehaltungsrecht des Kunden gegenüber der Bank wird durch die Klausel demgegenüber nicht eingeschränkt, weshalb das Klauselverbot des § 308 Nr. 2 BGB nicht einschlägig ist4.
2. Voraussetzungen für eine Aufrechnung des Kunden
6.198
Nr. 4 AGB regelt nur die Grenzen der Befugnis, gegen Forderungen der Bank aufzurechnen, weshalb für eine Aufrechnung des Kunden die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 387 ff. BGB erfüllt sein müssen5. Es sind dies die Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen, die Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Gegenforderung sowie die Erfüllbarkeit der Hauptforderung6. Für das Gegenseitigkeitsverhältnis ist es nicht ausreichend, dass der Kunde über eine Forderung gegen die Bank nur verfügungsbefugt ist, er muss vielmehr selbst Inhaber der betreffenden Forderung sein. Wechselseitige Zahlungsansprüche müssen im Hinblick auf die Gleichartigkeit auf dieselbe Währung lauten7. Neben diesen allgemeinen Voraussetzungen treten die besonderen Voraussetzungen einer Aufrechnungsbefugnis nach Nr. 4 AGB. Der Kunde kann allein mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufrechnen.
6.199
Eine unbestrittene Forderung des Kunden ist gegeben, wenn über Grund und Höhe keine Meinungsverschiedenheiten bestehen und die Bank der Kundenforderung daher kein rechtlich erhebliches Gegenvorbringen wie beispielswei1 2 3 4
BGH v. 18.6.2002 – XI ZR 160/01, WM 2002, 1654 (1655). Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 22. BGH v. 17.2.1986 – II ZR 285/84, WM 1986, 477 (478). Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 4 Rz. 1; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 132; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 89. 5 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 132. 6 Zu den allgemeinen Aufrechnungsvoraussetzungen näher Schlüter in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 387 BGB Rz. 6 ff.; Grüneberg in Palandt, § 387 BGB Rz. 3 ff. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 9 Rz. 9.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
se rechtsvernichtende oder aufschiebende Einreden entgegensetzt. Ein bloßes formelles, willkürliches, grundloses oder unhaltbares Bestreiten der Bank gegenüber zweifelsfreien Forderungen des Kunden ist unbeachtlich1. Vielmehr ist ein substantiiertes Bestreiten erforderlich, welches bezüglich der vorgetragenen Tatsachen eine Beweisaufnahme notwendig werden lässt2. Im Einzelfall kann es treuwidrig und mit Blick auf § 242 BGB unzulässig sein, wenn sich die Bank auf den Aufrechnungsausschluss beruft. Dies gilt insbesondere, wenn der Kunde mit entscheidungsreifen Gegenforderungen, die nur noch nicht rechtskräftig festgestellt sind, aufrechnet3. Ein Fall eines individuellen Rechtsmissbrauchs liegt des Weiteren vor, wenn die Gegenforderung des Kunden auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, für welche die Bank zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist4. In diesem Fall verstößt die Geltendmachung des Aufrechnungsverbotes seitens der Bank gegen das Schikaneverbot5.
6.200
Das Aufrechnungsverbot hat keine Geltung, wenn sich die Bank im Insolvenzverfahren oder im Liquidationsstadium befindet6. Zu diesem Ergebnis führt letztlich eine Auslegung der Aufrechnungsklausel, welche sich an der durch die Insolvenz bedingte veränderte Interessenlage der Parteien orientiert. So ist zu berücksichtigen, dass ohne eine Aufrechnung der Kunde die Bankforderung in voller Höhe zu erfüllen hätte, demgegenüber seine eigene Forderung nur in Höhe der Insolvenzquote beglichen würde7.
6.201
Schließlich ist eine einseitige Aufrechnung des Kunden mit seiner Gegenforderung ausgeschlossen, wenn die betreffende Forderung kontokorrentpflichtig ist und daher in das Kontokorrentkonto des Kunden eingestellt wird. Wegen der aus der Kontokorrentabrede sich ergebenden Kontokorrentbindung können die Einzelansprüche nicht mehr selbständig geltend gemacht werden (hierzu Rz. 6.605 ff.)8. Dies bedeutet, dass während der Kontokorrentperiode eine einseitige Aufrechnung mit kontokorrentpflichtigen Forderungen ausgeschlossen ist. Nr. 4 AGB ist daher für ein Girokonto mit einer Kontokorrentabrede nicht anwendbar. Allerdings bleibt es den Parteien des Kontokorrents unbenommen, Ansprüche durch einen gesonderten Aufrechnungsvertrag vor Ablauf der Rechnungsperiode miteinander zu verrechnen und damit die betreffenden Ansprüche einverständlich aus dem Kontokorrent heraus zu nehmen9.
6.202
1 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 22; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 9 Rz. 16. 2 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 133; vgl. auch BGH v. 18.6.2002 – XI ZR 160/01, WM 2002, 1654 (1655). 3 BGH v. 17.2.1986 – II ZR 285/84, WM 1986, 477 (478). 4 BGH v. 7.3.1985 – III ZR 90/83, WM 1985, 866 (868); Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 9 Rz. 20. 5 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 23. 6 BGH v. 12.10.1983 – VIII ZR 19/82, WM 1983, 1359. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 9 Rz. 22; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 137. 8 Hopt in Baumbach/Hopt, § 355 HGB Rz. 7. 9 Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 57; Koller in Koller/Roth/Morck, § 355 HGB Rz. 6.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3. AGB-Sparkassen
6.203
Nr. 11 Abs. 1 AGB-Sparkassen entspricht Nr. 4 AGB-Banken. Zusätzlich enthält Nr. 11 Abs. 2 AGB-Sparkassen die Regelung einer Tilgungsbestimmung. Danach darf die Sparkasse, vorbehaltlich einer anderen Tilgungsbestimmung des Kunden oder einer abweichenden zwingenden gesetzlichen Regelung, bestimmen, auf welche von mehreren fälligen Forderungen Zahlungseingänge, die zur Begleichung sämtlicher Forderungen nicht ausreichen, zu verrechnen sind.
6.204–6.205
Einstweilen frei.
V. Nr. 5 AGB-Banken: Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden (Peterek) 5. Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden Nach dem Tod des Kunden kann die Bank zur Klärung der Verfügungsberechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder weiterer hierfür notwendiger Unterlagen verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Bank in deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Bank kann auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag) nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift vorgelegt wird. Die Bank darf denjenigen, der darin als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichnet ist, als Berechtigten ansehen, ihn verfügen lassen und insbesondere mit befreiender Wirkung an ihn leisten. Dies gilt nicht, wenn der Bank bekannt ist, dass der dort Genannte (zum Beispiel nach Anfechtung oder wegen Nichtigkeit des Testaments) nicht verfügungsberechtigt ist, oder wenn ihr dies infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist.
1. Regelungszweck
6.206
Verstirbt ein Kunde, bedarf es einer Klärung der Verfügungsberechtigung. Der Bank können in einem Nachlassfall grundsätzlich verschiedene mögliche Berechtigte gegenüber stehen. Neben dem Erben können dies im Einzelfall insbesondere Mitkontoinhaber, Bevollmächtigte, Drittbegünstigte, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter sein. In Fällen mit Auslandsbezug können Erbschaftsverwalter oder sonstige auf Grund völkerrechtlicher Abkommen Berechtigte, wie beispielsweise Konsuln, der Bank gegenüber auftreten. Zum Zwecke einer zweifelsfreien schuldbefreienden Leistung ist die Bank auf einen ausreichenden Nachweis der Verfügungsberechtigung angewiesen. Anderenfalls besteht das Risiko einer doppelten Inanspruchnahme.
6.207
Nr. 5 AGB regelt in diesem Zusammenhang die Legitimation des Erben und des Testamentsvollstreckers. Danach ist die Bank im Grundsatz berechtigt, sich einen Erbschein oder ein Testamentsvollstreckerzeugnis vorlegen zu las628
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
sen. Während die Erben regelmäßig eine rasche und kostengünstige Abwicklung des Nachlasses anstreben, ist es das Interesse der Bank, dass sie Gewissheit über die Rechtsstellung der für ein Nachlasskonto auftretenden Person hat und ihre Leistung an diese mit schuldbefreiender Wirkung erfolgt. Vor diesem Hintergrund sind in Nr. 5 AGB die Voraussetzungen formuliert, unter denen die Bank schuldbefreiend leisten darf1. Der dort angelegte Ausgleich zwischen den vorgenannten beiderseitigen Interessen begegnet nach allgemeiner Auffassung im Ergebnis keinen AGB-rechtlichen Bedenken und ist mit § 307 ff. BGB vereinbar2.
2. Nachweis der Erbfolge und der Verfügungsberechtigung Ein sicherer Nachweis für die Verfügungsberechtigung als Erbe ist der Erbschein3. Diese Urkunde genießt öffentlichen Glauben. Deshalb kann sich die Bank unbedingt auf die Richtigkeit des Urkundeninhalts verlassen, sofern sie nicht die Unrichtigkeit kennt oder weiß, dass das Nachlassgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat (§ 2366 BGB)4. Voraussetzung für diesen Gutglaubensschutz ist eine Verfügung, welche sich auf einen Nachlassgegenstand bezieht. Dies ist beispielsweise bei einer Sicherungszession oder einer Grundschuldbestellung zu Gunsten der Bank durch den Erbscheinserben der Fall. Ebenso erfolgt eine Leistung an den Erbscheinserben mit befreiender Wirkung (§ 2367 BGB). Dagegen greift der Schutz des öffentlichen Glaubens des Erbscheins nicht ein, wenn die Bank mit dem Erbscheinserben neue Rechtsgeschäfte tätigt, die nur schuldrechtliche Wirkungen haben. Durch solche schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte wird der wahre Erbe nicht verpflichtet, da der öffentliche Glaube nur die dingliche Nachlassinhaberschaft fingiert, welche für ein Verpflichtungsgeschäft nicht erforderlich ist5.
6.208
Ein Risiko für die Bank besteht in den Fällen einer Kraftloserklärung eines unrichtigen Erbscheins durch das Nachlassgericht nach § 2361 Abs. 2 BGB. Mit Wirksamwerden des betreffenden Beschlusses des Nachlassgerichtes entfallen die Wirkungen der §§ 2365 bis 2367 BGB und damit auch der Gutglaubensschutz6, so dass die Bank auch bei Leistung unter Vorlage eines noch im Umlauf befindlichen, für kraftlos erklärten Erbscheines nicht geschützt ist.
6.209
1 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 25. 2 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 91; Bunte, AGBBanken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 139; Pamp in Wolf/Lindacher/ Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 24; Schröder/Meyer, NJW 2006, 3252 (3253 f.); Keim, WM 2006, 753 (755). 3 Mayer in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, § 2353 BGB Rz. 3; Schilken in Staudinger, Neubearb. 2004, § 2353 BGB Rz. 4 f. 4 Vgl. Edenhofer in Palandt, § 2366 BGB Rz. 3. 5 Schilken in Staudinger, Neubearb. 2004, § 2367 BGB Rz. 8; Mayer in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, § 2367 BGB Rz. 6; Stürner in Jauernig, § 2367 BGB Rz. 1. 6 Edenhofer in Palandt, § 2361 BGB Rz. 1; J. Mayer in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, § 2361 BGB Rz. 1.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.210
Soweit eine Testamentsvollstreckung angeordnet ist, steht die Verfügungsberechtigung über die zum Nachlass gehörenden Gegenstände und damit auch über die Forderungen gegen die Bank allein dem Testamentsvollstrecker zu. Den Erben ist ihre Verfügungsbefugnis durch Gesetz und gegenüber jedermann wirksam entzogen (§§ 2205, 2211 BGB)1. Zum Nachweis des ausschließlichen Verfügungsrechts des Testamentsvollstreckers bedarf es eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Dieses genießt wie der Erbschein öffentlichen Glauben (§ 2368 Abs. 3 BGB). Anders als beim Erbschein erstreckt sich der Gutglaubensschutz auch auf schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte des Testamentsvollstreckers2. Hintergrund hierfür ist, dass er den Nachlass zu verwalten hat und die hierfür erforderlichen Verbindlichkeiten für den Nachlass eingehen darf (§§ 2205, 2206 BGB).
6.211
Die Vorlage eines Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses kann die Bank nicht ausnahmslos und ungeachtet der Gegebenheiten des konkreten Nachlassfalles verlangen. Vielmehr ist im Hinblick auf die Auswahl der zum Zweck eines Nachweises des Verfügungsrechts anzufordernden Unterlagen eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen3. Dabei ist grundsätzlich das Interesse an einer Vereinfachung gegen das Missbrauchsrisiko abzuwägen4. Auch hier sind letztlich die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. So kann die Bank auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses nicht bestehen, wenn dies zur Klärung der Verfügungsberechtigung entbehrlich ist oder die Erbfolge bereits zweifelsfrei feststeht5. In diesen Fällen würde sich das Verlangen der Bank als rechtsmissbräuchlich darstellen. Weitere Kriterien für die Ermessensausübung können im Einzelfall die Höhe der bei der Bank unterhaltenen Nachlasswerte, das Alter eines Testaments, unklare Formulierungen, die Kosten eines Erbscheins sowie die Frage, ob eine nur privatschriftliche oder eine öffentliche Verfügung von Todes wegen vorliegt, sein6.
3. Leistungsbefreiung der Bank
6.212
Ohne Einbeziehung der AGB ist der Erbe nach den allgemeinen Regeln nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen. Ihm steht grundsätzlich die Möglichkeit offen, den Nachweis seines Erbrechts in anderer Form, beispielsweise durch ein eröffnetes öffentliches Testament, zu er-
1 Zimmermann in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, § 2211 BGB Rz. 2; Edenhofer in Palandt, § 2211 BGB Rz. 1. 2 Schilken in Staudinger, Neubearb. 2004, § 2367 BGB Rz. 12; Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 10 Rz. 18. 3 AG Mannheim v. 2.2.2007 – 3 C 196/06, WM 2007, 2240 (2242); Hopt in Baumbach/ Hopt, AGB-Banken 5 Rz. 1; Keim, WM 2006, 753 (755). 4 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 262. 5 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 27 f. 6 Keim, WM 2006, 753 (757); Starke, NJW 2005, 3184 (3186); vgl. auch AG Mannheim v. 2.2.2007 – 3 C 196/06, WM 2007, 2240 (2241 f.) wonach ein privatschriftliches Testament für einen Erbnachweis unzureichend sei.
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bringen1. Die Bank kann nach Nr. 5 Satz 2 AGB auf die Vorlage eine Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung in Form eines Testaments oder Erbvertrages nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift vorgelegt wird2. Dieser Verzicht ist insoweit von besonderer Bedeutung, als die Bank nach Nr. 5 Satz 3 AGB denjenigen, der in diesen Urkunden als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichnet ist, als Berechtigten ansehen, ihn verfügen lassen und insbesondere mit befreiender Wirkung an ihn leisten darf. Dies trägt den Erfordernissen des Massenverkehrs Rechnung, da die Bank die Richtigkeit einer Legitimationsurkunde nicht stets vollumfänglich prüfen kann3.
6.213
Der AGB-mäßige Verzicht auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses hält der AGB-Kontrolle im Ergebnis stand. Es handelt sich dabei nicht um eine überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB4. Auch wird die Klausel allgemein als angemessen iS des § 307 BGB angesehen, denn einer geringeren Nachweislast steht eine hierdurch geänderte Risikolage gegenüber5. Mit dieser AGB-Klausel soll ein ausgewogener Ausgleich zwischen den Interessen des wahren Erben und der Bank geschaffen werden, die auf eine schuldbefreiende Leistung besonderen Wert legen muss. An diese Regelung ist auch der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger des Kontoinhabers gebunden. Im Ergebnis trägt der Erbe das Risiko, dass der Erblasser nicht eindeutig und zweifelsfrei seine Verfügung von Todes wegen formuliert hat. Ohnehin ist nicht auszuschließen, dass sich ein Scheinerbe eines Erbrechts berühmt und etwas aus der Erbschaft erlangt. Nach der Wertung des Gesetzgebers in § 2018 BGB ist in diesem Fall aber unmittelbar zwischen dem Erbschaftsbesitzer und dem wahren Erben abzuwickeln. Eine etwaige benachteiligende Wirkung von Nr. 5 Satz 3 AGB könnte daher ohnehin nur den wahren Erben treffen, nicht jedoch den Kunden der Bank6.
6.214
Die befreiende Wirkung tritt jedoch nicht ein, wenn der Bank bekannt ist, dass der dort Genannte etwa nach Anfechtung oder wegen Nichtigkeit des Testaments nicht verfügungsberechtigt ist oder wenn ihr dies infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist (Nr. 5 Satz 4 AGB). Dieser Ausschluss einer Leistungsbefreiung ist in AGB-rechtlicher Hinsicht vor dem Hintergrund geboten, dass die befreiende Wirkung im Gesetz selbst nicht vorgesehen ist7.
6.215
Die Bank kann zum Legitimationsnachweis weitere Urkunden verlangen, wenn dies für die Prüfung der Verfügungsberechtigung erforderlich ist, weil
6.216
1 2 3 4 5
BGH v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, WM 2005, 1432 (1433). Siehe auch OLG Celle v. 26.4.1995 – 3 U 113/94, NJW 1998, 82 (84). Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 91. Vgl. OLG Celle v. 26.4.1995 – 3 U 113/94, NJW 1998, 82 (83). Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 262; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 10 Rz. 4, 28 f.; OLG Celle v. 26.4.1995 – 3 U 113/ 94, NJW 1998, 82 (83). 6 OLG Celle v. 26.4.1995 – 3 U 113/94, NJW 1998, 82 (84). 7 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 29.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
beispielsweise bestehende Zweifel nicht aufgelöst werden konnten. Dies entspricht letztlich dem allgemeinen Grundsatz, wonach sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen wie die Legitimation von der anspruchsstellenden Partei darzulegen und beweisen sind. Beispiele solcher weiteren Urkunden sind das Zeugnis über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft oder die Erklärung des Testamentsvollstreckers zur Annahme seines Amtes (§ 2202 BGB). Fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Bank in deutscher Sprache vorzulegen (Nr. 5 Satz 1 AGB). Auf solche Urkunden kann die Bank bei Erbfällen mit Auslandsberührung angewiesen sein. Mit dieser Regelung wird zugleich klargestellt, dass der Kunde die Kosten einer erforderlichen Übersetzung zu tragen hat1.
6.217
Vorgenannte Grundsätze gelten auch bei einem Auskunftsverlangen gegen die Bank. Hier sind an den Legitimationsnachweis der auftretenden Person bereits aus Gründen des Bankgeheimnisses entsprechende Anforderungen wie an den Berechtigungsnachweis im Falle einer Verfügung zu stellen.
6.218
Die Bank ist im Übrigen auch ohne Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zu Zahlungen aus den bei ihr unterhaltenen Nachlasswerten berechtigt, die von den Erben ohnehin zu leisten sind, wie dies zB für Beerdigungskosten und die Erbschaftsteuer gilt2.
4. Rechtslage bis zu einer Klärung der Verfügungsbefugnis
6.219
Solange die Verfügungsberechtigung nach dem Ableben des Kunden nicht ausreichend nachgewiesen ist, braucht die Bank nicht an den wahren oder vermeintlichen Erben zu leisten. Bis zur Vorlage der für einen zweifelsfreien Nachweis erforderlichen Urkunden besteht ein Leistungsverweigerungsrecht der Bank3. Insbesondere gerät die Bank nicht in Verzug, wenn sie von der Person des Erben unverschuldet keine Kenntnis hat oder sich Zweifel an der Verfügungsberechtigung trotz pflichtgemäßer Bemühungen der Bank nicht haben ausräumen lassen4. In diesem Fall ist die Leistungsverzögerung von der Bank nicht zu vertreten.
6.220
Bei fortbestehender Ungewissheit über die Person des Gläubigers kann die Bank von ihrer gesetzlichen Befugnis zur Hinterlegung gemäß § 372 Satz 2 BGB der bei ihr befindlichen Nachlasswerte Gebrauch machen5. Dabei müssen die Zweifel im Zeitpunkt der Hinterlegung noch fortbestehen6.
1 2 3 4
Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 10 Rz. 5. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 10 Rz. 1. AG Mannheim v. 2.2.2007 – 3 C 196/06, WM 2007, 2240 (2242). Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Nr. 5 Rz. 140; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 10 Rz. 11. 5 Keim, WM 2006, 753 (754); Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Nr. 5 Rz. 140; Olzen in Staudinger, Neubearb. 2006, § 372 BGB Rz. 16. 6 Wenzel in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 372 BGB Rz. 10.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
5. AGB-Sparkassen Die AGB-Sparkassen enthalten inhaltsgleiche Regelungen in Nr. 5 Abs. 1 und 2. Darüber hinaus besteht für den Fall, dass der Sparkasse sonstige ausländische Urkunden als Ausweis der Person oder zum Nachweis einer Berechtigung vorgelegt werden, eine gesonderte Regelung in Abs. 3. Hiernach prüft die Sparkasse die Eignung der Urkunden zum Nachweis. Für Eignung, Wirksamkeit, Vollständigkeit sowie richtige Übersetzung und Auslegung der Urkunde haftet die Sparkasse nur bei Fahrlässigkeit. Ist die Urkunde insgesamt gefälscht, haftet die Sparkasse jedoch verschuldensunabhängig1. Nach diesen Maßgaben steht der Sparkasse eine Leistungsbefugnis zu und sie kann an die in den Urkunden als Berechtigte bezeichnete Personen mit befreiender Wirkung leisten.
6.221
6.222–6.225
Einstweilen frei.
VI. Nr. 6 AGB-Banken: Maßgebliches Recht und Gerichtsstand (Peterek) 6. Maßgebliches Recht und Gerichtsstand bei kaufmännischen und öffentlichrechtlichen Kunden (1) Geltung deutschen Rechts Für die Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und der Bank gilt deutsches Recht. (2) Gerichtsstand für Inlandskunden Ist der Kunde ein Kaufmann und ist die streitige Geschäftsbeziehung dem Betriebe seines Handelsgewerbes zuzurechnen, so kann die Bank diesen Kunden an dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht oder bei einem anderen zuständigen Gericht verklagen; dasselbe gilt für eine juristische Person des öffentlichen Rechts und für öffentlich-rechtliche Sondervermögen. Die Bank selbst kann von diesen Kunden nur an dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht verklagt werden. (3) Gerichtsstand für Auslandskunden Die Gerichtsstandsvereinbarung gilt auch für Kunden, die im Ausland eine vergleichbare gewerbliche Tätigkeit ausüben, sowie für ausländische Institutionen, die mit inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder mit einem inländischen öffentlich-rechtlichen Sondervermögen vergleichbar sind.
1. Regelungsgegenstand Nr. 6 AGB enthält eine Rechtswahlklausel und Gerichtsstandsvereinbarungen, welche nur für die darin angeführte Kundengruppen Geltung haben. 1 Aden, NJW 1993, 832 (834).
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6.226
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
2. Rechtswahlklausel
6.227
Nach Nr. 6 Abs. 1 AGB gilt für die Geschäftsverbindung zwischen Kunde und Bank deutsches Recht. Diese freie Rechtswahl entspricht dem Grundsatz der Privatautonomie und kann auch durch eine Rechtswahlklausel in AGB getroffen werden1. Die Regelung begegnet im Ergebnis keinen AGB-rechtlichen Bedenken2. Insbesondere wird damit nicht eine unangemessene Benachteiligung begründet. Denn die Rechtswahlklausel entspricht der auf alle nach dem 17.12.2009 vereinbarten Schuldverhältnisse anwendbaren Regelung des Art. 3 Abs. 1 Rom I-Verordnung3 sowie dem davor geltenden Art. 27 EGBGB und setzt die danach bestehende Möglichkeit einer freien Rechtswahl konkret um4. Nr. 6 Abs. 1 BGB trägt auch dem Aspekt der nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom I-Verordnung gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit Rechnung5. Wegen der Vereinbarung des Geltungsbereiches der gesamten AGB-Banken in Nr. 1 Abs. 1 AGB gilt auch die Rechtswahlklausel nur für die Geschäftsverbindung mit inländischen Geschäftsstellen der Bank.
6.228
Nach deutschem Internationalen Privatrecht wäre auch ohne diese Rechtswahlklausel sowie im Falle deren unwirksamen Einbeziehung in das Vertragsverhältnis mit dem Kunden grundsätzlich deutsches Recht anwendbar. Denn nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-Verordnung unterliegt ein grenzüberschreitender Dienstleistungsvertrag ohne Rechtswahlklausel dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hierunter fallen Finanzdienstleistungen wie auch Geschäftsbesorgungsverträge6. Der Begriff der Finanzdienstleistung ist weit zu verstehen und erfasst grundsätzlich jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung oder Geldanlage7. Für Bankgeschäfte ist das sich hieraus ergebende Recht regelmäßig das Recht am Sitz der kontoführenden Bank8. Lässt sich der konkrete Vertrag ausnahmsweise in keinen der in Art. 4 Abs. 1 lit. a bis h Rom I-Verordnung angeführten Vertragstypen einordnen oder liegt ein gemischter Vertrag vor, so ist nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-Verordnung das Recht des Staates maßgeblich, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auch hiernach gilt generell das Recht am Ort der Haupt- oder Zweigniederlassung der Bank, da die berufstypische Leistung der Bank für das Vertragsverhältnis prägend ist9. 1 Martiny in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 3 Rom I-VO Rz. 42; Thorn in Palandt, Art. 3 Rom I (IPR) Rz. 6. 2 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 27; Hopt in Baumbach/Hopt, AGBBanken 6 Rz. 1. 3 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 v. 4.7.2008, S. 6. Hierzu näher Pfeiffer, EuZW 2008, 622. 4 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 150 (für Art. 27 EGBGB). 5 Einsele, WM 2009, 289 (290). 6 Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (625). 7 Einsele, WM 2009, 289 (291 f.). 8 Thorn in Palandt, Art. 4 Rom I (IPR) Rz. 13. 9 Martiny in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 4 Rom I-VO Rz. 67.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Die Rechtswahlklausel ist grundsätzlich auch für Verbraucherverträge anwendbar, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 iVm. Art. 3 Abs. 1 Rom I-Verordnung1. Die Rechtswirkungen sind jedoch wie auch bereits in der Vorgängerregelung des Art. 29 EGBGB zu Gunsten des Verbrauchers eingeschränkt2. Denn die Rechtswahl darf gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-Verordnung nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-Verordnung anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Hiernach wird an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers und den zwingenden, da nicht abdingbaren Schutz seiner heimischen Rechtsordnung angeknüpft3. Das anwendbare Recht ist im Wege eines Günstigkeitsvergleichs des gewählten Rechts mit dem nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-Verordnung anwendbaren Recht zu bestimmen4. Reicht der Schutz der ausländischen Rechtsordnung weiter als der nach deutschem Recht, so werden die deutschen Regelungen verdrängt.
6.229
Art. 6 Abs. 2 Rom I-Verordnung gilt jedoch in den Fällen des Art. 6 Abs. 4 lit. a bis e Rom I-Verordnung nicht. Hier sind insbesondere die beiden finanzmarktbezogenen Regelungen in lit. d und e zu beachten, mit welchen die Anwendung nur eines Rechts für Finanzmarktinstrumente und Finanzmarktsysteme ohne Rücksicht auf die Aufenthaltsrechte privater Beteiligter, insbesondere zum Zwecke eines fungiblen Handels, sichergestellt werden soll5. Demgegenüber besteht für die Erbringung von Finanzdienstleistungen in Abs. 4 lit. d eine Rückausnahme, die sich daraus erklärt, dass hierbei wiederum individuelle und verbraucherbezogene Aspekte im Vordergrund stehen6. Damit gilt für die Erbringung von Finanzdienstleistungen Art. 6 Abs. 1 bis 3 Rom I-Verordnung. Hierzu zählen insbesondere Anlageberatungsverträge, Verwahrungsund Depotverträge einschließlich der Depotführung und -verwaltung7.
6.230
3. Gerichtsstand bei kaufmännischen und öffentlich-rechtlichen Kunden Nr. 6 Abs. 2 AGB enthält Gerichtsstandsvereinbarungen für Prozesse mit Kaufleuten sowie mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts und mit öffentlich-rechtlichen Sondervermögen. Unter Kaufleuten sind Gerichtsstandsvereinbarungen nach der ZPO in AGB grundsätzlich zulässig8. Die Klausel entspricht
1 2 3 4 5 6 7 8
Thorn in Palandt, Art. 6 Rom I (IPR) Rz. 8. Einsele, WM 2009, 289 (292). Martiny in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 6 Rom I-VO Rz. 43. Einsele, WM 2009, 289 (293); Martiny in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 6 Rom I-VO Rz. 2, 46 f. Mankowski, RIW 2009, 98 (117); Martiny in MünchKomm. BGB, 5. Aufl 2010, Art. 6 Rom I-VO Rz. 25. Mankowski, RIW 2009, 98 (105); Martiny in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 6 Rom I-VO Rz. 27. Martiny in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 6 Rom I-VO Rz. 27. Hopt in Baumbach/Hopt, Einl v § 1 HGB Rz. 86.
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6.231
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
der Regelung des § 38 Abs. 1 ZPO und wird daher als mit §§ 305c Abs. 1, 307 BGB vereinbar angesehen1. Demgegenüber zählt zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der Grundsatz, dass Prozesse im nichtkaufmännischen Rechtsverkehr durch Parteivereinbarung dem gesetzlichen Gerichtsstand nur in bestimmten Ausnahmefällen entzogen werden dürfen2. Dies erklärt sich aus den Gefährdungen, die einer schwächeren und geschäftsunerfahrenen Partei hieraus entstehen können3. Daher wird ein Gerichtsstand für Verträge mit Verbrauchern durch Nr. 6 Abs. 2 AGB nicht begründet.
6.232
Bei Prozessen mit in- oder ausländischen Privatkunden sind deshalb die allgemeinen Gerichtsstände maßgeblich4. Für Klagen der Bank gegen Privatkunden ist regelmäßig deren Wohnsitzgericht zuständig (§ 13 ZPO). Die Staatsangehörigkeit des Kunden ist dabei unerheblich. Umgekehrt kann der Kunde die Bank am Gesellschaftssitz (§ 17 ZPO) oder am Sitz der kontoführenden Niederlassung verklagen (§ 21 ZPO). a) Inlandskunden
6.233
Klagen der Bank (Aktivprozesse) können bei dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht oder an einem anderen zuständigen Gericht, insbesondere am allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes erhoben werden (Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 AGB). Diese Klausel gilt aber nur für streitige Geschäftsbeziehungen, die dem Betrieb eines Handelsgewerbes zuzurechnen sind. Wegen der Anknüpfung an den Geschäftsbetrieb ist bei Einzelkaufleuten eine Abgrenzung zwischen den Handelsgeschäften und der privaten Sphäre des Bankkunden erforderlich. Hierfür sind die allgemeinen Regeln der §§ 343, 344 HGB maßgeblich5. Im Zweifelsfalle gilt die widerlegbare Vermutung der Zugehörigkeit eines Geschäftes zum Handelsgewerbe des Kaufmannes (§ 344 Abs. 1 HGB).
6.234
Klagen der in Nr. 6 Abs. 2 AGB bezeichneten Kunden gegen die Bank (Passivprozesse) können nur bei den für die kontoführenden Niederlassungen zuständigen Gerichten erhoben werden (Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 AGB). Davon unberührt bleiben die Fälle eines gesetzlich geregelten ausschließlichen Gerichtsstandes, § 40 Abs. 2 Nr. 2 ZPO6.
1 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 28; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 6 Rz. 2; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 34; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Nr. 6 Rz. 153. 2 Vgl. BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 342/81, WM 1983, 308 (311). 3 Heinrich in Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 38 ZPO Rz. 1. 4 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 28; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 11 Rz. 19. 5 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Nr. 6 Rz. 153. 6 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Nr. 6 Rz. 156.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
b) Auslandskunden In Nr. 6 Abs. 3 AGB wurde die Gerichtsstandsvereinbarung mit Kunden, die im Ausland eine vergleichbare gewerbliche Tätigkeit ausüben, sowie mit in Abs. 3 näher bestimmten ausländischen Institutionen parallel zu der für Inlandskunden geltenden Regelung in Abs. 2 ausgestaltet. Somit ist auch hier der Gerichtsstand des für die kontoführende Stelle zuständigen Gerichts maßgeblich. Wegen der Beschränkung des Geltungsbereiches der AGB-Banken auf die Geschäftsverbindung mit inländischen Geschäftsstellen der Bank (Nr. 1 Abs. 1 AGB) ist dies stets ein deutsches Gericht. Für die Frage eines etwaigen Formerfordernisses gilt auch für die Auslandskunden die auf inländische Kunden bezogene Regelung des § 38 Abs. 1 ZPO, wonach Gerichtsstandsvereinbarungen formfrei wirksam sind1.
6.235
4. AGB-Sparkassen Nr. 6 AGB-Sparkassen enthält im Wesentlichen entsprechende Regelungen. Die Rechtswahlklausel in Nr. 6 Abs. 1 AGB-Sparkassen regelt zusätzlich einen auf entgegenstehendes zwingendes Gesetzesrecht bezogenen Vorbehalt. Darüber hinaus ist in Abs. 2 die Sparkasse als Erfüllungsort für Sparkasse und Kunde festgelegt. Dies betrifft die Frage, wo der jeweilige Schuldner seine Leistungshandlung vornehmen muss2. In der Gerichtsstandsklausel der Nr. 6 Abs. 3 AGB-Sparkassen wird nicht wie in den AGB-Banken ausdrücklich zwischen Inlands- und Auslandskunden unterschieden. Davon unabhängig stimmt der Regelungsinhalt mit Nr. 6 Abs. 2 und 3 AGB-Banken im Wesentlichen überein3.
6.236
6.237–6.240
Einstweilen frei.
VII. Nr. 7 AGB-Banken: Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufendender Rechnung) (Peterek) 7. Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufender Rechnung) (1) Erteilung der Rechnungsabschlüsse Die Bank erteilt bei einem Kontokorrentkonto, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, jeweils zum Ende eines Kalenderquartals einen Rechnungsabschluss; dabei werden die in diesem Zeitraum entstandenen beiderseitigen Ansprüche (einschließlich der Zinsen und Entgelte der Bank) verrechnet. Die Bank kann auf den Saldo, der sich aus der Verrechnung ergibt, nach Nummer 12 dieser Geschäftsbedingungen oder nach der mit dem Kunden anderweitig getroffenen Vereinbarung Zinsen berechnen. 1 Vorbehaltlich der § 38 Abs. 1 ZPO vorgehenden Regelung des Art. 17 EuGVÜ, hierzu Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 11 Rz. 16 f.; siehe auch Patzina in MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2008, § 38 ZPO Rz. 5, 21. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 11 Rz. 20. 3 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 29.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
(2) Frist für Einwendungen; Genehmigung durch Schweigen Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Rechnungsabschlusses hat der Kunde spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach dessen Zugang zu erheben; macht er seine Einwendungen in Textform geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung. Auf diese Folge wird die Bank bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinweisen. Der Kunde kann auch nach Fristablauf eine Berichtigung des Rechnungsabschlusses verlangen, muss dann aber beweisen, dass zu Unrecht sein Konto belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt wurde.
1. Erteilung eines Rechnungsabschlusses
6.241
Die AGB-Klausel erfasst Rechnungsabschlüsse bei Konten, die in laufender Rechnung gemäß § 355 HGB geführt werden (Kontokorrent). Nr. 7 AGB setzt damit eine bestehende Kontokorrentabrede voraus. Solche Kontokorrentabreden werden in der Bankpraxis ausdrücklich in den standardisierten Formularen für die Eröffnung von Girokonten getroffen. Nach der gesetzlichen Regelung erfolgt der Rechnungsabschluss mangels abweichender Vereinbarung einmal jährlich (§ 355 HGB). Die AGB-Klausel regelt hierzu, dass der Rechnungsabschluss jeweils zum Ende eines Kalenderquartals erfolgt, sofern mit dem Kunden nichts anderes vereinbart ist1.
6.242
Bei dem Kontokorrent werden die beiderseitigen Forderungen und Leistungen aus den einzelnen Geschäften mit den Bankkunden als bloße Buchungsposten in die laufende Rechnung gestellt, um in den vereinbarten Zeitabständen verrechnet zu. Auf diesen Verrechnungszweck des Kontokorrents weist die AGBKlausel ausdrücklich hin. Diese Verrechnung führt zu einem kausalen Saldo und vollzieht sich automatisch infolge der mit der Kontokorrentabrede verknüpften antizipierten Verrechnungsvereinbarung jeweils am Ende der Rechnungsperiode2. Für die nach § 355 Abs. 1 HGB erforderliche Feststellung des Abschluss-Saldos bedarf es eines Saldoanerkenntnisses durch den Kunden. Der Rechnungsabschluss iS des § 355 HGB ist somit auf die Herbeiführung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des Kunden im Sinne der Abgabe eines solchen Anerkenntnisses gerichtet, das die bisherigen kontokorrentgebundenen Einzelforderungen ersetzt3. Es verbleibt sodann lediglich der Anspruch aus dem abstrakten Saldoanerkenntnisvertrag (§ 781 BGB). Zu den Merkmalen des Kontokorrents im Einzelnen Rz. 6.600 ff.
6.243
Mit der AGB-Klausel wird der Kunde auch darüber informiert, dass die Bank auf den Saldo, der sich aus der Verrechnung ergibt, die vereinbarten Zinsen 1 Die bloße Vereinbarung eines monatlichen Sammelauszugs begründet nicht ohne Weiteres eine abweichende Vereinbarung, siehe OLG Hamm v. 26.3.2010 – I-34 U 7/09, ZInsO 2010, 951 (952). 2 BGH v. 18.4.1989 – XI ZR 133/88, WM 1989, 807 (809); BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/ 01, WM 2002, 951 (953); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 77; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 16. 3 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936 (937).
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
berechnen kann (Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 AGB). Dies gilt auch insoweit, als in den Rechnungsabschluss fällige Zinsansprüche der Bank eingeflossen sind. Diese Berechnung von Zinseszinsen sieht § 355 Abs. 1 HGB ausdrücklich vor, der als spezielle Bestimmung das allgemeine Zinseszinsverbot des § 248 Abs. 1 BGB bei Kontokorrentverhältnissen verdrängt1. Dabei können Zinsen vom Tage des Rechnungsabschlusses an berechnet werden (vgl. § 355 Abs. 1 HGB).
2. Prüfung und Einwendungen Nach Zugang des Rechnungsabschlusses hat der Kunde diesen auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Diese Überprüfungspflicht ergibt sich bereits aus § 242 BGB2. Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit sind spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach dessen Zugang zu erheben. Die Einwendungen bedürfen keiner bestimmten Form. Sie können auch formlos erhoben werden3. Bei schriftlichen Einwendungen reicht die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung aus. Der Kunde ist für die Rechtzeitigkeit seiner Einwendungen beweispflichtig. Im Ergebnis trägt damit die Bank das Verzögerungsrisiko auf dem Postweg, nicht jedoch das Verlustrisiko4.
6.244
3. Saldoanerkenntnis durch Schweigen In der Übermittlung des Rechnungsabschlusses liegt das Angebot der Bank auf einen Vertragsabschluss über die Anerkennung des von ihr ermittelten Saldos5. Dieses Angebot nimmt der Kunde stillschweigend an, wenn er Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nicht spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses erhebt. Denn nach Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 AGB gilt das Unterlassen dieser Einwendungen als Genehmigung. Das Saldoanerkenntnis bedarf nicht der ansonsten vorgeschriebenen Schriftform, weil es auf Grund einer Abrechnung erteilt wurde (§ 782 Alt. 1 BGB).
6.245
Die nach der AGB-Klausel fingierte Genehmigungserklärung des Kunden ersetzt eine konkludente oder ausdrückliche Erklärung der Annahme6. Diese Genehmigungsfiktion ist auch mit Blick auf das AGB-rechtliche Verbot von fingierten Erklärungen gemäß § 308 Nr. 5 BGB unbedenklich. Danach sind
6.246
1 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 26; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 81. 2 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 168; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 12 Rz. 11. 3 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 32; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 12 Rz. 12; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 169. 4 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 94; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 32; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 172. 5 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936 (937). 6 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 94.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
solche Fiktionen nur zulässig, wenn dem Kunden eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und der AGB-Verwender sich verpflichtet, den Kunden bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens hinzuweisen. Diesen Voraussetzungen einer zulässigen Genehmigungsfiktion entspricht die AGB-Klausel1. Die Verpflichtung, den Kunden auf die Genehmigungswirkung seines Schweigens besonders hinzuweisen, wird regelmäßig durch einen ausdrücklichen Hinweis in dem übermittelten Rechnungsabschluss erfüllt. Die Sechs-Wochen-Frist für die Einwendungen wird allgemein als angemessen angesehen2.
6.247
Voraussetzung für die Wirkung der Genehmigungsfiktion ist der Zugang des Rechnungsabschlusses beim Kunden. Die Beweislast für diesen Zugang trägt die Bank3. Einer etwaigen in der Klausel geregelten Fiktion eines Zugangs stünde das Verbot von Zugangsfiktionen gemäß § 308 Nr. 6 BGB entgegen, da der Rechnungsabschluss im Kontokorrentverhältnis als Erklärung von besonderer Bedeutung im Sinne des vorgenannten Klauselverbotes angesehen wird4. Der Zugang des Rechnungsabschlusses ist daher nach dem allgemeinen Begriff des Zugangs (§ 130 BGB) zu beurteilen5. Soweit mit dem Kunden die Zusendung der für ihn bestimmten Mitteilungen vereinbart ist, ist der Rechnungsabschluss an dem Tage zugegangen, an dem dieser in seinen Herrschaftsbereich gelangt ist6. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Kunden kommt es nicht an. Kann die Bank den Zugang des Rechnungsabschlusses nicht beweisen, so kommt ein Anerkenntnis nach den allgemeinen Regeln über konkludente Erklärungen in Betracht, wenn dem Kunden der Saldo auf andere Weise, etwa durch frühere Korrespondenz im Wesentlichen bekannt geworden und ein konkreter Anknüpfungspunkt für die Konkludenz seines Verhaltens gegeben ist7. Falls ein Rechnungsabschluss tatsächlich nicht zugeht, ist der Kunde nach Nr. 11 Abs. 5 AGB gehalten, die Bank unverzüglich zu benachrichtigen.
6.248
Für die Fiktion des Schweigens als einer rechtsgeschäftlichen Genehmigung sind zwar alle für sonstige Rechtsgeschäfte geltenden Unwirksamkeitsgründe denkbar. Sie haben aber bei dem bankgeschäftlichen Kontokorrent keine wesentliche praktische Bedeutung8. So kommt insbesondere keine Irrtumsanfechtung (§ 119 BGB) in Betracht. Die Annahme des Kunden, der anerkannte
1 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 174; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. 20. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 7 Rz. 3; von Westphalen, NJW 2001, Beilage zu Heft 43, S. 16; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 94. 3 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 32; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 7 Rz. 2. 4 BGH v. 4.7.1985 – III ZR 144/84, WM 1985, 1098 (1099). 5 Näher hierzu Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 12 Rz. 16 ff. 6 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 170. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 12 Rz. 22; für eine konkludente Annahme nur nach Ablauf von sechs Wochen Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 66. 8 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 94.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Saldo sei richtig und vollständig, ist ein unbeachtlicher Motivirrtum1. Ebenso scheidet eine Anfechtung wegen eines Irrtums über die Bedeutung des Schweigens aus2.
4. Rückforderungsanspruch Ist der anerkannte Abschlusssaldo unrichtig, weil das Konto des Kunden zu Unrecht belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt worden ist, kann das Anerkenntnis nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückgefordert werden3. Denn eine Belastungsbuchung ohne eine entsprechende materiell-rechtliche Forderung der Bank wird durch die Genehmigung des Abschlusssaldos nicht rechtmäßig4. Ein solcher Bereicherungsanspruch steht auch der Bank zu, wenn sie dem Kunden zu Unrecht eine Gutschrift erteilt hat5. Umgekehrt besteht ein Bereicherungsanspruch des Kunden, wenn eine ihm zustehende Forderung dem Konto nicht gutgeschrieben worden ist (hierzu auch Rz. 6.623 ff.).
6.249
Macht der Kunde seinen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch geltend, so muss er nach allgemeinen Grundsätzen die Unrichtigkeit des Abschlusssaldos darlegen und beweisen6. Entsprechend dieser Rechtslage weist die AGB-Klausel aus Gründen der Transparenz darauf hin, dass der Kunde die Berichtigung des Rechnungsabschlusses auch nach Ablauf der für Einwendungen vorgesehenen Sechs-Wochen-Frist verlangen kann. Hierbei muss der Kunde beweisen, dass zu Unrecht sein Konto belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt worden ist (Nr. 7 Abs. 2 Satz 4 AGB). Die Genehmigungsfiktion der Nr. 7 Abs. 2 AGB bewirkt daher im Ergebnis eine Beweislastumkehr zu Lasten des Kontoinhabers7.
6.250
5. Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften (Nr. 7 Abs. 3 aF) Die vor dem 31.10.2009 geltende Fassung der AGB-Klausel hatte in Abs. 3 die Genehmigung von Einzugsermächtigungslastschriften durch Schweigen auf einen Rechnungsabschluss zum Gegenstand8. Mit der Einführung dieser Re-
1 Hefermehl in MünchKomm. HGB, 2001, § 355 HGB Rz. 65. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 7 Rz. 6. 3 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936 (937); BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/ 93, WM 1994, 2273 (2274); Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 25. 4 BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273 (2274); Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 12 Rz. 31. 5 OLG Düsseldorf v. 18.4.1985 – 6 U 7/85, WM 1985, 690; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 176. 6 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 25. 7 BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273 (2274); Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 175. 8 Zur Genehmigungsfiktion nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken und Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen näher Nobbe, WM 2009, 1537 (1539 f.).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
gelung zum April 2002 wurde ein BGH-Urteil umgesetzt, welches die Möglichkeit des Schuldners zum Widerspruch gegen Belastungen seines Kontos auf Grund von Einzugsermächtigungslastschriften zum Gegenstand hatte. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die sich aus dem Giroverhältnis ergebende Möglichkeit des Schuldners zum Widerspruch gegen Belastungen seines Kontos auf Grund von Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren nicht befristet und endet erst durch Genehmigung gegenüber der Zahlstelle1. Eine geschäftsbesorgungsrechtliche Genehmigung der betreffenden Kontobelastungen kann grundsätzlich auch im Schweigen des Kunden auf ihm zugegegangene Rechnungsabschlüsse liegen, wenn dem Schweigen über die Anerkennung des Saldos hinaus ein entsprechender Erklärungswert zukommt. Hierzu bedarf es jedoch einer Bestimmung, beispielsweise in AGB, dass die Anerkennung des Saldos auch eine Genehmigung der darin enthaltenen Belastungen auf Grund Einzugsermächtigungslastschriften umfasst, sowie eines entsprechenden Hinweises an den Kunden bei Erteilung des Rechnungsabschlusses 2. Diese Anforderungen wurden in Nr. 7 Abs. 3 AGB aF umgesetzt; die Klausel ist nach dem BGH auch mit Blick auf § 308 Nr. 5 BGB wirksam3.
6.252
Nr. 7 Abs. 3 AGB aF wurde im Zusammenhang mit der Einführung der SEPALastschrift (dazu Rz. 7.499 ff.) zur besseren Verständlichkeit in die spezielleren, neu geschaffenen Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren verortet. Materiell-rechtliche Änderungen sind damit nicht einher gegangen.
6. AGB-Sparkassen
6.253
Nr. 7 Abs. 1 AGB-Sparkassen enthält anders als die AGB-Banken eine ausdrückliche Kontokorrentabrede für ein Konto zur Abwicklung des laufenden Geschäfts- und Zahlungsverkehrs. Neben der Regelung zur quartalsweisen Erteilung eines Rechnungsabschlusses regelt Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 AGB-Sparkassen zusätzlich, dass bei Vorliegen eines berechtigten Interesses einer der Vertragsparteien der Rechnungsabschluss auch zu sonstigen Terminen erteilt wird.
6.254
Abweichend von Nr. 7 Abs. 2 AGB-Banken ist der Kunde nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Sparkassen gehalten, Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse schriftlich, oder bei Vereinbarung des elektronischen Kommunikationsweges auf diesem Wege, zu erheben. Nach überwiegender Auffassung benachteiligt diese Regelung den Kunden unangemessen4. Nr. 7 Abs. 3 Satz 5 AGB-Sparkassen enthält zusätzlich die Regelung, wonach sowohl der Kunde als auch die Spar1 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1578). 2 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1579). 3 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, WM 2008, 1963 (1966); BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, WM 2007, 2246 (2249); siehe auch Kuder, Die Zahlstelle in der Insolvenz des Lastschriftschuldners im Einzugsermächtigungsverfahren, 2006, S. 52 ff. 4 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 95; differenzierend Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 34.
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AGB-Banken im Einzelnen
kasse eine Richtigstellung des Rechnungsabschlusses auf Grund gesetzlicher Ansprüche verlangen können, wenn sich nachträglich dessen Unrichtigkeit herausstellt. Vertragliche Ansprüche werden in diesem Zusammenhang nicht genannt. Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen aF regelte ebenso wie Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken aF die Genehmigung von Einzugsermächtigungslastschriften. Aus den für die Neufassung der AGB-Banken 2009 geltenden Gründen ist dieser Absatz auch in der neuen Fassung der AGB-Sparkassen 2009 nicht mehr enthalten.
6.255
Einstweilen frei.
VIII. Nr. 8 AGB-Banken: Storno- und Berichtigungsbuchungen der Bank (Peterek) 8. Storno- und Berichtigungsbuchungen der Bank (1) Vor Rechnungsabschluss Fehlerhafte Gutschriften auf Kontokorrentkonten (zum Beispiel wegen einer falschen Kontonummer) darf die Bank bis zum nächsten Rechnungsabschluss durch eine Belastungsbuchung rückgängig machen, soweit ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zusteht (Stornobuchung); der Kunde kann in diesem Fall gegen die Belastungsbuchung nicht einwenden, dass er in Höhe der Gutschrift bereits verfügt hat. (2) Nach Rechnungsabschluss Stellt die Bank eine fehlerhafte Gutschrift erst nach einem Rechnungsabschluss fest und steht ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zu, so wird sie in Höhe ihres Anspruchs sein Konto belasten (Berichtigungsbuchung). Erhebt der Kunde gegen die Berichtigungsbuchung Einwendungen, so wird die Bank den Betrag dem Konto wieder gutschreiben und ihren Rückzahlungsanspruch gesondert geltend machen. (3) Information des Kunden; Zinsberechnung Über Storno- und Berichtigungsbuchungen wird die Bank den Kunden unverzüglich unterrichten. Die Buchungen nimmt die Bank hinsichtlich der Zinsberechnung rückwirkend zu dem Tag vor, an dem die fehlerhafte Buchung durchgeführt wurde.
1. Stornobuchung vor Rechnungsabschluss Nr. 8 AGB regelt die Befugnis der Bank, fehlerhafte Gutschriften auf Kontokorrentkonten unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich durch eine betragsmäßig entsprechende Belastungsbuchung zu korrigieren. Die Rückabwicklung soll damit vereinfacht werden. Mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtswirkungen ist zwischen Storno- und Berichtigungsbuchung zu unterscheiden.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
a) Stornorecht
6.257
Fehlerhafte Gutschriften darf die Bank bis zum nächsten Rechnungsabschluss durch eine einfache Belastungsbuchung rückgängig machen, soweit ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zusteht (Nr. 8 Abs. 1 AGB). Der Gutschrift auf Girokonten liegt nach allgemeiner Meinung ein abstraktes Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntnis iS der §§ 780, 781 BGB zugrunde, das dem Kontoinhaber einen Zahlungsanspruch gewährt1. Die Rückgängigmachung dieser Gutschrift bedeutet, dass der durch die Gutschrift verschaffte abstrakte Zahlungsanspruch nachträglich beseitigt wird2.
6.258
Die Stornierung verändert damit die materielle Rechtslage. Der BGH hat das Stornorecht als eine vertraglich eingeräumte Befugnis der Bank zu einem einseitigen Widerruf des der Kontogutschrift zugrunde liegenden Schuldversprechens eingeordnet3. Da das Widerrufsrecht ein einseitiges rechtsgeschäftliches Gestaltungsrecht ist, wird bei dessen Ausübung auf die Rechtsstellung des Erklärungsempfängers ohne dessen Zutun eingewirkt4. Dagegen soll die Stornoklausel der Bank keine neue materielle Forderung verschaffen5. Hiermit werden im Ergebnis auch die Angemessenheit und Wirksamkeit der Klausel begründet6. Demgegenüber dürfte eine anspruchsbegründende Wirkung mit § 307 BGB unvereinbar sein7. b) Voraussetzungen
6.259
Voraussetzung für das Stornorecht ist, dass der Bank gegenüber dem Kontoinhaber ein bereicherungsrechtlicher Rückgewähranspruch (§ 812 BGB) zusteht8. Eine entsprechende Beschränkung ist in Nr. 8 Abs. 1 AGB ausdrücklich geregelt. Das Stornorecht ist damit von vornherein beschränkt und nur auf fehlerhafte Gutschriften anwendbar, weshalb Nr. 8 Abs. 1 AGB nicht als Tatbestand einer Haftungsfreizeichnung missverstanden werden darf9. Die Haf-
1 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322); BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/ 82, WM 1983, 907 (908); BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998; an dieser Qualifizierung hat sich durch die Zahlungsdiensterichtlinie nichts geändert, hierzu Grundmann, WM 2009, 1109 (1113). 2 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908). 3 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998; vgl. weiter OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398 (2399); Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 184; für die Qualifizierung als ein vertragliches Anfechtungsrecht Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 448; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 8 Rz. 1. 4 Ellenberger in Palandt, Überbl v § 104 BGB Rz. 17. 5 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908). 6 Borges, ZIP 2006, 1983 (1985); Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 8 Rz. 1. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 4. 8 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908); OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398 (2399); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 58, 60. 9 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 35; Fuchs in Ulmer/Brandner/ Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 99.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
tung der Bank für eine schuldhafte Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit einer Gutschriftserteilung bleibt hiervon unberührt. Das Stornorecht ermöglicht der Bank, ihren bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe einseitig im Wege der Selbsthilfe auf einfache Weise durchzusetzen1. Denn mit der Beseitigung des aus der fehlerhaften Gutschrift resultierenden Zahlungsanspruchs führt die Bank den Ausgleich für die mit dieser Gutschriftsbuchung verbundene Vermögenseinbuße herbei. Damit verschafft das Stornorecht der Bank eine eigenständige und von den Unsicherheiten des Bereicherungsrechts unabhängige Rechtsstellung2. Insbesondere ist dem Kunden der Einwand des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) abgeschnitten, sofern der Kunde bereits über die Gutschrift verfügt hat3.
6.260
Der Bereicherungsanspruch der Bank infolge einer fehlerhaften Gutschrift ist nach herrschender Meinung auch kontokorrentfähig und -pflichtig4. Der Anspruch entspringt der Geschäftsverbindung, dessen Einbeziehung in die kontokorrentmäßige Verrechnung auf Grund der mit dem Kunden getroffenen Kontokorrentabrede bei Abschluss des Girovertrages erfolgt (dazu Rz. 6.600 ff.).
6.261
Beispiele für Rückgewähransprüche, die infolge fehlerhafter Gutschrift zu einer Stornierung berechtigen, sind technische Irrtümer wie eine irrtümliche Doppelbuchung. Dem liegt stets ein Versehen der Bank zugrunde. Umstritten ist, ob die Klausel darüber hinaus auf weitere Mängel, wie beispielsweise im Falle eines gefälschten Überweisungsauftrages, anwendbar ist. Dabei ist zu berücksichtigten, dass sich auch bei Fehlen eines Überweisungsauftrages die Interessenlage der Beteiligten nicht von derjenigen im Falle eines bloßen technischen Fehlers unterscheidet5. Weder nach dem Wortlaut von Nr. 8 AGB, der ohne weiteres alle Buchungen erfasst, noch nach Sinn und Zweck des Stornorechts ist eine Einschränkung des Anwendungsbereiches geboten. Auch ist der Empfänger nicht schutzwürdig. Das Stornorecht ist daher in sämtlichen Fällen anwendbar, in denen der Bank bereits ein materiell-rechtlicher Rückgewähranspruch gegen den Kunden zusteht6.
6.262
1 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908); OLG Hamm v. 27.3.1985 – 20 U 315/84, WM 1985, 1065; OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398 (2399). 2 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908). 3 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908); Schimansky in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 60. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 20; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 433; aA Blaurock, NJW 1984, 1 (4 Fn. 30), da der Bereicherungsanspruch nicht auf Geld, sondern auf die Aufhebung des mit der Gutschrift verbundenen abstrakten Schuldversprechens gerichtet ist. 5 LG Bonn v. 29.12.2006 – 3 O 236/06, BKR 2007, 519 (520) für eine Überweisung im Online-Banking mit ausgespähter PIN und TAN; ebenso OLG Hamburg v. 2.8.2006 – 1 U 75/06, ZIP 2006, 1981 (1982). 6 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 8 Rz. 1; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 9 f.; aA Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und internationalen Bankrecht, § 3 Rz. 45 f.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.263
In AGB-rechtlicher Hinsicht stellt das Stornorecht im Ergebnis keine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar. Zwar wird auf eine separate Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs aus § 812 BGB verzichtet, die Beweislast bleibt davon jedoch unberührt. Der Entreicherungseinwand wäre zudem ohnehin nur in der vergleichsweise kurzen Rechnungsperiode des Kontokorrents möglich1.
6.264
Eine Stornierung ist auch möglich, wenn das auf der fehlerhaften Gutschrift beruhende Kontoguthaben bereits ausgezahlt worden ist. Im Übrigen kann das Stornorecht auch bei nicht ausreichendem Kontoguthaben ausgeübt werden2. Es ist daher unschädlich, dass die Stornierung in diesen Fällen einen Schuldsaldo auf dem Girokonto entstehen lässt3. Dies erklärt sich aus dem Zweck des Stornorechts, den Bereicherungsanspruch der Bank aus der fehlerhaften Gutschrift einseitig durch eine einfache Gegenbuchung im Wege einer Selbstausführung durchsetzen zu können. Das Stornorecht knüpft an das einer Gutschrift zugrunde liegende Schuldversprechen (§ 780 BGB), nicht hingegen an die einem Kontoguthaben zugrunde liegende Saldoforderung oder ein unzutreffendes Saldoanerkenntnis an4.
6.265
Das Stornorecht findet keine Anwendung bei Spar- und Festgeldkonten. Denn mit der Stornobuchung soll das Schuldversprechen widerrufen werden, das der fehlerhaften Gutschrift zugrunde liegt. Solche für den Kunden anspruchsbegründenden Schuldversprechen werden nur bei Girokonten, nicht aber bei Spar- und Festgeldkonten erteilt. Denn Spareinlagen und Termingelder werden allgemein als Darlehen des Kunden an die Bank eingeordnet5. Maßgeblich für den Umfang des Rückzahlungsanspruchs des Darlehensgebers (§ 488 BGB) ist nicht die Buchung auf dem Spar- oder Termingeldkonto, sondern die Überlassung des Darlehensbetrages durch den Kunden. Die Gutschriften auf Spar- und Termingeldkonten haben deshalb anders als die Gutschriften auf Girokonten nur deklaratorische Bedeutung. Eine fehlerhafte Buchung kann die Bank somit durch eine entsprechende Gegenbuchung korrigieren.
6.266
Nach der BGH-Rechtsprechung erlischt das Stornorecht mit dem nächsten Rechnungsabschluss des kontokorrentmäßig geführten Girokontos6. Für die Ausübung des Stornorechts fehlt es sodann an einer widerrufbaren Forderung des Kunden. Denn mit dem Anerkenntnis des Saldos aus einem Rechnungs-
1 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 218. 2 OLG Hamburg v. 2.8.2006 – 1 U 75/06, ZIP 2006, 1981 (1982); OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398 (2399); aA Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 452, wonach die Bank in diesem Fall auf die allgemeinen Anspruchsgrundlagen angewiesen sei. 3 OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398 (2399); Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 8 Rz. 2; Blaurock, NJW 1984, 1 (7). 4 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 218. 5 Weidenkaff in Palandt, Vorb v § 488 BGB Rz. 19; Berger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, vor § 488 BGB Rz. 66 f. 6 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
abschluss erlöschen die hiervon erfassten gegenseitigen Ansprüche durch Verrechnung. Es verbleibt somit nur der Anspruch aus dem Saldoanerkenntnis (§ 781 BGB), der als eine neue, auf einem selbständigen Verpflichtungsgrund beruhende und vom früheren Schuldgrund losgelöste Forderung an die Stelle der bisherigen Einzelforderungen tritt1. Mit dem Erlöschen der Einzelforderungen ist auch die der fehlerhaften Gutschrift zugrunde liegende Forderung untergegangen, auf deren Beseitigung das Stornorecht abzielt2. Ohne diese zeitliche Grenze für das Stornorecht könnte die Bank in eine hierdurch zwischenzeitlich begründete günstige Rechtslage des Kunden eingreifen3. Einer solchen Eingriffsbefugnis stünden im Ergebnis aus AGB-rechtlicher Sicht die Regelungen der §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 310 Abs. 1 BGB entgegen4.
6.267
2. Berichtigungsbuchung nach Rechnungsabschluss a) Abgrenzung zum Stornorecht Stellt die Bank eine fehlerhafte Gutschrift erst nach einem Rechnungsabschluss fest, so kann sie das auf diesen Zeitpunkt befristete Stornorecht nicht mehr ausüben. Denn in diesem Fall ist die fehlerhafte Gutschrift bereits in ein Saldoanerkenntnis des Kunden eingegangen. Soweit der Bank ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zusteht, wird sie in Höhe ihres Anspruchs sein Girokonto belasten (Nr. 8 Abs. 2 AGB). Diese sog. Berichtigungsbuchungen liegen regelmäßig auch im Interesse des Kunden. Denn der jeweilige (Tages-)Saldo soll möglichst das richtige Kontoguthaben ausweisen, um auch für den Kunden eine verlässliche Dispositionsgrundlage zu bilden.
6.268
Erhebt der Kunde gegen eine solche Berichtigungsbuchung Einwendungen, wird die Bank den Betrag dem Konto wieder gutschreiben und ihren Rückzahlungsanspruch gesondert geltend machen (Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 AGB). Diese Geltendmachung erfolgt sodann außerhalb der kontokorrentmäßigen Verrechnung, erforderlichenfalls muss der Anspruch im Wege einer Bereicherungsklage geltend gemacht und bewiesen werden, dass die Gutschrift ohne Rechtsgrund erfolgt ist.
6.269
b) Rechtliche Konstruktion Buchungstechnisch unterscheiden sich Storno- und Berichtigungsbuchung nicht. Dagegen liegt in rechtlicher Hinsicht in der Berichtigungsbuchung ein Angebot der Bank auf Abschluss einer Stornierungsvereinbarung, die auf eine Herausnahme des betreffenden Postens aus dem anerkannten Saldo gerichtet
1 BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, WM 1999, 784; siehe hierzu auch Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 93. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 13. 3 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998. 4 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ist1. Widerspricht der Kunde der Belastungsbuchung, so fehlt es an dem für den Abschluss eines Stornierungsvertrags erforderlichen Einverständnis des Kunden. Einwendung ist daher nur eine untechnische Bezeichnung; die „Einwendung“ ist als fehlendes Einverständnis des Kunden zu verstehen2. Hat die Bank die Rückgutschrift erteilt, kann der Kontoinhaber hierüber gleichwohl nicht verfügen, wenn die Bank ihrerseits im Wege der Einrede nach § 821 BGB ihren eigenen Bereicherungsanspruch entgegenhält3.
6.271
Anders als beim Stornorecht ist gegenüber diesem Berichtigungsanspruch der Einwand der weggefallenen Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB zulässig4. Der Kunde muss zudem nach Nr. 8 Abs. 3 AGB über die Berichtigungsbuchung unterrichtet werden und kann der Belastungsbuchung widersprechen. Daher begründet dieser Berichtigungsanspruch im Ergebnis keine unangemessene Benachteiligung des Kunden5.
3. Unterrichtungspflicht und valutagerechte Buchung
6.272
Über Storno- und Berichtigungsbuchungen wird die Bank den Kunden unverzüglich unterrichten, Nr. 8 Abs. 3 Satz 1 AGB. Eine Unterrichtung in einem Kontoauszug ist hinreichend, soweit ein eindeutiger Hinweis auf den Fehler angegeben wird6. Bei einer Verletzung dieser Benachrichtigungspflicht kann sich die Bank schadensersatzpflichtig machen7.
6.273
Die Bank nimmt die Stornierungs- und Berichtigungsbuchungen hinsichtlich der Zinsberechnung rückwirkend zu dem Tag vor, an dem die fehlerhafte Buchung vorgenommen wurde, sog. valutagerechte Buchung (Nr. 8 Abs. 3 Satz 2 AGB). Hierdurch soll der Kunde wirtschaftlich so gestellt werden, als wäre die fehlerhafte Buchung nicht erfolgt und so behandelt werden, wie er bei ordnungsmäßiger Buchung stünde8. Umstritten ist, ob diese valutagerechte Stornierungs- und Berichtigungsbuchung auch angemessen ist, wenn hierdurch ein Debetsaldo entsteht9.
1 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 8 Rz. 4; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 198. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 8 Rz. 4. 3 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 48; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 8 Rz. 4; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 18. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 16. 5 Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und internationalen Bankrecht, § 3 Rz. 48; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 36; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 100. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 8 Rz. 6; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 202. 7 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 49; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 8 Rz. 6. 8 Westermann, WM 1993, 1865 (1870). 9 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 38; Fuchs in Ulmer/Brandner/ Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 101; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 25.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
4. AGB-Sparkassen Nach dem Wortlaut von Nr. 8 Abs. 1 AGB-Sparkassen hat die Sparkasse das Recht zu einer Stornobuchung wegen Gutschriften, die ohne einen verpflichtenden Auftrag gebucht werden, soweit ihr ein Rückforderungsanspruch gegen den Kunden zusteht. Hiervon sind nicht ausschließlich technische Buchungsfehler erfasst1. Abweichend von den AGB-Banken wird dem Kunden nicht ausdrücklich der Bereicherungseinwand genommen2. Anstelle der Bezeichnung „Berichtigungsbuchung“ findet sich in Nr. 8 Abs. 2 AGB-Sparkassen der Begriff „Korrekturbuchung“. Die Regelungen zu einer Korrekturbuchung nach Rechnungsabschluss in Nr. 8 Abs. 2 AGB-Sparkassen stimmen inhaltlich mit den AGB-Banken überein.
6.274
Anders als Nr. 8 Abs. 3 AGB-Banken regelt Nr. 8 Abs. 3 AGB-Sparkassen keine Verpflichtung, über Storno- und Korrekturbuchungen den Kunden unverzüglich außerhalb des Kontoauszuges zu unterrichten. Vielmehr werden Stornound Korrekturbuchungen nur im Kontoauszug gekennzeichnet. Bzgl. der Wirksamkeit dieser Regelung werden stellenweise Zweifel vorgetragen, da fraglich sei, ob der Kunde damit sein Widerspruchsrecht gegen eine Korrekturbuchung nach Rechnungsabschluss zweifelsfrei erkenne3. Eine Regelung zur Anpassung der Zinsberechnung fehlt, weshalb insoweit §§ 812 ff. BGB anwendbar sind4.
6.275
6.276–6.280
Einstweilen frei.
IX. Nr. 9 AGB-Banken: Einzugsaufträge (Peterek) 9. Einzugsaufträge (1) Erteilung von Vorbehaltsgutschriften bei der Einreichung Schreibt die Bank den Gegenwert von Schecks und Lastschriften schon vor ihrer Einlösung gut, geschieht dies unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung, und zwar auch dann, wenn diese bei der Bank selbst zahlbar sind. Reicht der Kunde andere Papiere mit dem Auftrag ein, von einem Zahlungspflichtigen einen Forderungsbetrag zu beschaffen (zum Beispiel Zinsscheine), und erteilt die Bank über den Betrag eine Gutschrift, so steht diese unter dem Vorbehalt, dass die Bank den Betrag erhält. Der Vorbehalt gilt auch dann, wenn die Schecks, Lastschriften und anderen Papiere bei der Bank selbst zahlbar sind. Werden Schecks oder Lastschriften nicht eingelöst oder erhält die Bank den Betrag aus dem Einzugsauftrag nicht, macht die Bank die Vorbehaltsgutschrift
1 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 39; Casper in Derleder/Knops/ Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 51. 2 Näher hierzu Aden, NJW 1993, 832 (835). 3 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 102; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 39; aA Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 52. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 30.
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rückgängig. Dies geschieht unabhängig davon, ob in der Zwischenzeit ein Rechnungsabschluss erteilt wurde. (2) Einlösung von Lastschriften und vom Kunden ausgestellter Schecks Einzugsermächtigungs- und Abbuchungsauftragslastschriften sowie Schecks sind eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag1 nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. Für Lastschriften aus anderen Verfahren gelten die Einlösungsregeln in den hierfür vereinbarten Sonderbedingungen. Barschecks sind bereits mit Zahlung an den Scheckvorleger eingelöst. Schecks sind auch schon dann eingelöst, wenn die Bank im Einzelfall eine Bezahltmeldung absendet. Schecks, die über die Abrechnungsstelle der Bundesbank vorgelegt werden, sind eingelöst, wenn sie nicht bis zu dem von der Bundesbank festgesetzten Zeitpunkt zurückgegeben werden.
1. Überblick
6.281
Nr. 9 AGB-Banken ist eine für den bargeldlosen Zahlungsverkehr und die Kontoführung relevante Regelung. Darin wird der Begriff der Einlösung für verschiedene Sachverhalte von Kontogutschriften und- belastungen näher geregelt. Gegenstand von Nr. 9 Abs. 1 AGB ist die Erteilung von Vorbehaltsgutschriften. Dem liegt ein Sachverhalt zugrunde, in welchem der Kunde in seiner Eigenschaft als Gläubiger und Einreicher bestimmter Inkassopapiere seiner Bank den Auftrag zu Einzug und Gutschrift des Gegenwertes erteilt. Die Bank wird dabei als Inkassobeauftragte ihres Kunden tätig.
6.282
Demgegenüber betrifft die Regelung in Nr. 9 Abs. 2 AGB die Einlösung von Schecks und Lastschriften zu Lasten des Kunden. Anders als in Abs. 1 ist der Kunde in diesem Fall Zahlungspflichtiger und die Bank nimmt eine Belastungsbuchung in ihrer Eigenschaft als Zahlstelle vor. Beide den Abs. 1 und 2 zugrunde liegenden typischen Geschäftsbesorgungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nimmt die Bank aber zugleich wahr, wenn Gläubiger und Schuldner das Girokonto bei ihr unterhalten.
6.283
Die Rechtsverhältnisse des Lastschrifteinzuges und des Scheckinkassos sind systematisch in den Rz. 7.421 ff. und 7.571 ff. dargestellt.
2. Vorbehaltsgutschriften
6.284
Nr. 9 Abs. 1 AGB regelt die Erteilung von Vorbehaltsgutschriften, wenn der Kunde Schecks, Lastschriften oder andere Papiere zum Zwecke der Gutschrift einreicht. Schreibt die mit dem Einzug beauftragte Bank den Gegenwert dieser Papiere bereits vor Einlösung (regelmäßig bei Einreichung) dem Kundenkonto gut, so erfolgt dies nach Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 AGB unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung (Vorbehaltsgutschrift oder E.v.-Gutschrift). Die Gutschrift steht somit unter dem Vorbehalt, dass die Bank den verbuchten Betrag von der Zahl1 Bankarbeitstage sind alle Werktage außer: Sonnabende, 24. und 31. Dezember.
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stelle des Zahlungspflichtigen auf dem Einzugsweg als Inkassoerlös erhält. Auch nach Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie1 sind die bisherigen E.v.-Gutschriften weiterhin möglich2. Eine E.v.-Gutschrift wird auch in den Fällen erteilt, in denen die Inkassopapiere bei der Inkassobank selbst zahlbar sind (Nr. 9 Abs. 1 Satz 3 AGB). Diese Klausel gilt gleichermaßen für das innerbetriebliche Inkasso wie auch den außerbetrieblichen Einzug unter Mitwirkung verschiedener Banken3. Dabei ist es unerheblich, ob das Inkassopapier bei einer anderen als bei der kontoführenden Filiale des Zahlungspflichtigen eingereicht wird4.
6.285
Umstritten ist, ob die Vorbehaltsgutschrift dogmatisch als eine Gutschrift unter der auflösenden Bedingung der Nichteinlösung oder unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung anzusehen ist5. Diese Einordnung kann praktische Bedeutung im Vollstreckungs- oder Insolvenzverfahren erlangen6. Die BGH-Rechtsprechung ist in der dogmatischen Einordnung der Vorbehaltsgutschrift nicht einheitlich7.
6.286
Der Hintergrund einer Vorbehaltsgutschrift wird mit Blick auf den Pflichtenkreis der Inkassobank als Inkassobeauftragte verständlich. Die Bank ist zur Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten verpflichtet (§§ 667, 675 BGB). Dieser Herausgabeanspruch entsteht aber bei einem Einzugsauftrag erst, wenn der Inkassoerlös bei der Bank eingegangen ist und sie damit buchmäßig Deckung für die zu erteilende Kontogutschrift erhalten hat. Denn erst dann hat die Bank etwas aus der Geschäftsbesorgung erlangt, das sie an ihren Kunden herauszugeben hat (§ 667 BGB). Vor Eingang des Inkassoerlöses schuldet die Bank den einzuziehenden Betrag weder bedingt noch betagt8. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, bei Erteilung eines Inkassoauftrages die Gutschrift unter dem Vorbehalt der Einlösung des Inkassopapiers zu erteilen. Diese Regelung ist auch angemessen iS von § 307 BGB, da die Bank mehr leistet, als sie nach Auftragsrecht zu leisten verpflichtet ist9.
6.287
Die Erteilung einer Vorbehaltsgutschrift erfolgt freiwillig, der Kunde hat hierauf keinen Anspruch10. Gleichwohl entsprechen E.v.-Gutschriften der bank-
6.288
1 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt v. 13.11.2007, ABl. EU Nr. L 319, S. 1. 2 Begr. RegE zu § 675t BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 112. 3 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326). 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 14 Rz. 15. 5 Nobbe in FS A. Krämer, 2009, S. 497 (501). 6 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085). 7 Für eine auflösende Bedingung; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1411); Nobbe in FS A. Krämer, 2009, S. 497 (501); Nobbe, WM 2009, 1537; für eine aufschiebende Bedingung BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085). 8 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085); BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057. 9 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 40. 10 Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 53; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 215.
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üblichen Praxis1. Würde eine Gutschrift erst nach Einlösung der Inkassopapiere erfolgen, müsste die Bank die täglichen Zahlungseingänge daraufhin überprüfen und erforderlichenfalls bei der Zahlstelle des Schuldners rückfragen, ob eine Einlösung erfolgt ist. Dies wäre angesichts der Massenhaftigkeit der Inkassoaufträge mit einem unvertretbaren Zeit- und Kostenaufwand verbunden2. Die Banken vertrauen daher darauf, dass die Inkassopapiere regelmäßig eingelöst zu werden pflegen und erteilen im Hinblick auf diese spätere Einlösung eine vorläufige Gutschrift.
6.289
Werden Schecks oder Lastschriften nicht eingelöst oder erhält die Bank den Betrag aus dem Einzugsauftrag nicht, macht die Bank die Vorbehaltsgutschrift rückgängig (Nr. 9 Abs. 1 Satz 4 AGB). Diese Befugnis steht der Bank auch nach einem zwischenzeitlichen Rechnungsabschluss zu (Nr. 9 Abs. 1 Satz 5 AGB). Die Bank ist somit bei dieser Belastungsbuchung nicht an die zeitliche Grenze des Stornorechts bei fehlerhaften Buchungen gemäß Nr. 8 Abs. 1 AGBBanken gebunden3. Auch diese Regelung ist AGB-rechtlich unbedenklich, da der Kunde wegen des erkennbaren Vorbehaltes jederzeit mit einer Stornierung zu rechnen hat4.
6.290
Mit einer vorzeitigen Verfügung über eine E.v.-Gutschrift ist ein Kreditrisiko verbunden, wenn und soweit das Girokonto bei Bekanntwerden der Nichteinlösung kein ausreichendes Guthaben für die Rückgängigmachung der E.v.Gutschrift gemäß Nr. 9 Abs. 1 Satz 4 AGB ausweist. Umstritten ist, ob für den Fall der Nichteinlösung konkludent ein Kreditvertrag geschlossen wird. Nach herrschender Meinung kann in der Inanspruchnahme einer E.v.-Gutschrift der konkludente Abschluss eines Kreditvertrages für den Fall des Ausbleibens der Deckung erblickt werden, mit der Folge, dass die Bank einen Rückzahlungsanspruch gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB erwirbt5. Dem entspricht der Wunsch des Kunden, sofort über eine Vorbehaltsgutschrift zu verfügen.
3. Einlösung von Lastschriften und vom Kunden ausgestellter Schecks
6.291
Nr. 9 Abs. 2 AGB legt den konkreten Zeitpunkt der Einlösung von Schecks und Lastschriften fest. Die Einlösung setzt nach der BGH-Rechtsprechung die Bekundung des Einlösungswillens der kontoführenden Bank des Zahlungspflichtigen voraus6. Grundsätzlich wird der Einlösungswille durch eine Belastungsbuchung bekundet. Dies gilt nicht, wenn trotz einer Belastungsbuchung
1 2 3 4
BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970 (971). Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 14 Rz. 10. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 32. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 103; Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 54; BGH v. 6.5.1997 – XI 135/96, WM 1997, 1194 (1196 f.). 5 OLG Hamm v. 28.6.1995 – 31 U 4/95, WM 1995, 1441 (1442); Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 50; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 13. 6 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326).
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ein anderer Willensentschluss der Bank erkennbar ist, wie beispielsweise im Falle eines erklärten Einlösungsvorbehaltes1. Mit der Einlösung wird die Belastungsbuchung wirksam2. Diese Grundsätze bilden den Hintergrund für die Klausel in Nr. 9 Abs. 2 AGB, in welchen für verschiedene Sachverhalte der Einlösungswille der Bank erklärt wird. Dabei sind verschiedene Tatbestände einer Einlösung zu unterscheiden3: Nach der Grundregel in Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB ist der Zeitpunkt der Einlösung auf den zweiten Bankarbeitstag nach der Belastungsbuchung hinausgeschoben. Daneben werden in den Sätzen 3 bis 5 Fälle angeführt, in denen abweichend von der Zwei-Tages-Regelfrist des Satzes 1 von einem früheren Zeitpunkt der Einlösung auszugehen ist4. Es handelt sich dabei um die Einlösung bei Barschecks (Satz 3), um die im Einzelfall erfolgte Absendung einer Bezahltmeldung für einen Scheck (Satz 4) sowie um über die Abrechnungsstelle der Bundesbank vorgelegte Lastschriften und Schecks (Satz 5). Etwaige Bedenken in AGB-rechtlicher Hinsicht bestehen nach allgemeiner Auffassung nicht5.
6.292
Nach der Grundregel in Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB liegt für Einzugsermächtigungs- und Abbuchungsauftragslastschriften sowie Schecks eine Einlösung vor, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. Mit dieser AGB-Klausel wird nur der früheste Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Belastungsbuchung und damit der Einlösung festgelegt6. Durch einen deutlich erkennbaren individuellen Einlösungsvorbehalt kann dieser Zeitpunkt noch weiter hinausgeschoben werden7. Nach der in die Fassung 2009 neu eingefügten Regelung der Nr. 9 Abs. 2 Satz 2 AGB gelten für Lastschriften aus anderen Verfahren die Einlösungsregeln in den hierfür vereinbarten Sonderbedingungen. Damit wird den abweichenden Regelungen für das SEPA-Lastschriftverfahren Rechnung getragen.
6.293
Der Zeitpunkt der Einlösung einer Lastschrift hängt davon ab, ob der Schuldner einen Abbuchungsauftrag oder eine Einzugsermächtigung erteilt hat8. Eine Lastschrift mit einem zugrunde liegenden Abbuchungsauftrag ist eingelöst, wenn die Belastungsbuchung erfolgt ist, das betreffende Konto Deckung aufweist und die Zwei-Tages-Frist des Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB abgelaufen ist9. Hat der Kontoinhaber eine Einzugsermächtigung erteilt, so ist die Lastschrift nach
6.294
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 14 Rz. 31. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 14 Rz. 6, 28. 3 Siehe näher bei Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 55. 4 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 55; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 9 Rz. 4. 5 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 104; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 41; Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 55. 6 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326). 7 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 226. 8 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 234. 9 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 235.
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der herrschenden Genehmigungstheorie1 jedenfalls erst mit der erforderlichen Genehmigung der Kontobelastung durch den Kontoinhaber, aber frühestens mit Ablauf der Zwei-Tages-Frist des Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB eingelöst2.
6.295
Mit der zweitägigen Frist sollen die Voraussetzungen für eine Nachdisposition geschaffen werden, da bei Einsatz zentraler Datenverarbeitungsanlagen die Ordnungsmäßigkeit technischer Belastungsbuchungen wie die Frage nach der Deckung und den Gültigkeitsvoraussetzungen des Schecks erst anschließend innerhalb der zweitägigen Frist überprüft wird3. Die endgültige Bekundung des Einlösungswillens liegt nach der AGB-Klausel in der bis zum Ablauf der Stornofrist unterbliebenen Stornierung der technischen Belastungsbuchung4. Unbeachtlich für den Einlösungswillen sind in diesem Fall Buchung und die Erteilung eines Tagesauszuges5. Die Klausel gilt aber ebenso für Fälle, in denen tatsächlich eine Prüfung vor der Belastungsbuchung im Wege einer Vordisposition erfolgt ist6.
6.296
Nr. 9 Abs. 2 Sätze 3 und 4 AGB schaffen für Schecks jeweils einen gesonderten und vorverlegten Einlösungstatbestand. Wird ein Scheck vom Inhaber bei der bezogenen Bank zur Zahlung vorgelegt, erfolgt eine Barauszahlung. Hier liegt die Bekundung des Einlösungswillens in der Übereignung von Bargeld. Mit dieser Übereignung ist der Scheck eingelöst7. Dabei ist es unerheblich, ob das Konto des Ausstellers Deckung aufweist und ob und wann es belastet wird8. Nr. 9 Abs. 2 Satz 3 AGB, wonach Barschecks bereits mit Zahlung an den Scheckvorleger eingelöst sind, stellt deshalb nur klar, dass das Erfordernis der Belastung des Ausstellerkontos und der Ablauf der zweitägigen Stornofrist der Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB für Barauszahlungen nicht gilt.
6.297
Die Einlösung ist auch dann erfolgt, wenn die bezogene Bank im Einzelfall eine Bezahltmeldung an den Adressaten abgesandt hat (Nr. 9 Abs. 2 Satz 4 AGB). Mit dieser Absendung bekundet die bezogene Bank ihren unbedingten Einlösungswillen9. Die Bezahltmeldung führt die Einlösung schon vor ihrem Zugang beim Adressaten herbei10. Eine darüber hinausgehende Bekundung des Einlösungswillens ist nicht erforderlich11. Insbesondere kommt es nicht auf 1 Hierzu Nobbe, WM 2009, 1537 (1538); van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 57 Rz. 31 ff.; siehe auch BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, WM 2008, 1963 (1964); zu Einzugsermächtigungslastschriften auf dem Konto des Schuldners in dessen Insolvenz Fischer, WM 2009, 629. 2 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 237. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 14 Rz. 31 f. 4 BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450 (451); BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/ 87, WM 1988, 1325 (1326). 5 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 41. 6 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326). 7 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 193; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 14 Rz. 38. 8 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1411). 9 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 232. 10 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 14 Rz. 40. 11 OLG Frankfurt v. 24.9.1985 – 5 U 240/83, WM 1986, 351.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
die Belastung des Ausstellerkontos oder auf den Ablauf der zweitägigen Stornierungsfrist der Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB an1.
4. AGB-Sparkassen Die Regelungen in Nr. 9 AGB-Sparkassen entsprechen weitegehend Nr. 9 AGB-Banken. Die E.v.-Gutschrift erfolgt nach Nr. 9 Abs. 1 AGB-Sparkassen ausdrücklich „unter dem Vorbehalt der Einlösung und des Eingangs des Gegenwertes“. Zudem wird für die Fälle der Nichteinlösung von Schecks und Lastschriften oder des ausbleibenden Gegenwertes aus einem Einzugspapier auf die Regelung Nr. 23 AGB-Sparkassen verwiesen, in deren Abs. 2 die Rückbelastung näher geregelt ist.
6.298
6.299–6.300
Einstweilen frei.
X. Nr. 10 AGB-Banken: Fremdwährungsgeschäfte und Risiken bei Fremdwährungskonten (Peterek) 10. Fremdwährungsgeschäfte und Risiken bei Fremdwährungskonten (1) Auftragsausführung bei Fremdwährungskonten Fremdwährungskonten des Kunden dienen dazu, Zahlungen an den Kunden und Verfügungen des Kunden in fremder Währung bargeldlos abzuwickeln. Verfügungen über Guthaben auf Fremdwährungskonten (zum Beispiel durch Überweisungen zu Lasten des Fremdwährungsguthabens) werden unter Einschaltung von Banken im Heimatland der Währung abgewickelt, wenn sie die Bank nicht vollständig innerhalb des eigenen Hauses ausführt. (2) Gutschriften bei Fremdwährungsgeschäften mit dem Kunden Schließt die Bank mit dem Kunden ein Geschäft (zum Beispiel ein Devisentermingeschäft) ab, aus dem sie die Verschaffung eines Betrages in fremder Währung schuldet, wird sie ihre Fremdwährungsverbindlichkeit durch Gutschrift auf dem Konto des Kunden in dieser Währung erfüllen, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist. (3) Vorübergehende Beschränkung der Leistung durch die Bank Die Verpflichtung der Bank zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungsguthabens (Absatz 1) oder zur Erfüllung einer Fremdwährungsverbindlichkeit (Absatz 2) ist in dem Umfang und solange ausgesetzt, wie die Bank in der Währung, auf die das Fremdwährungsguthaben oder die Verbindlichkeit lautet, wegen politisch bedingter Maßnahmen oder Ereignisse im Lande dieser Währung nicht oder nur eingeschränkt verfügen kann. In dem Umfang und solange diese Maßnahmen oder Ereignisse andauern, ist die Bank auch 1 BGH v. 6.5.1997 – XI 135/96, WM 1997, 1194 (1196); Nobbe in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 60 Rz. 208.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
nicht zu einer Erfüllung an einem anderen Ort außerhalb des Landes der Währung, in einer anderen Währung (auch nicht in Euro) oder durch Anschaffung von Bargeld verpflichtet. Die Verpflichtung der Bank zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungsguthabens ist dagegen nicht ausgesetzt, wenn sie die Bank vollständig im eigenen Haus ausführen kann. Das Recht des Kunden und der Bank, fällige gegenseitige Forderungen in derselben Währung miteinander zu verrechnen, bleibt von den vorstehenden Regelungen unberührt. (4) Wechselkurs Die Bestimmung des Wechselkurses bei Fremdwährungsgeschäften ergibt sich aus dem „Preis- und Leistungsverzeichnis“. Bei Zahlungsdiensten gilt ergänzend der Zahlungsdiensterahmenvertrag.
1. Funktion und Leistungsumfang eines Fremdwährungskontos
6.301
Wird bei einer inländischen Bank ein Fremdwährungskonto unterhalten, so erfolgen Gutschriften wie Belastungen und damit auch der Ausweis des jeweiligen Kontoguthabens in der jeweiligen ausländischen Währung. Für diese Fremdwährungskonten enthält Nr. 10 AGB Regelungen, die den wirtschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten dieser Kontoart Rechnung tragen sollen. Nr. 10 Abs. 1 AGB regelt in einer Leistungsbeschreibung den Zweck eines Fremdwährungskontos und stellt die Abwicklung von Aufträgen über das Währungskonto dar. Es dient dazu, Zahlungen an den Kunden und Verfügungen des Kunden in fremder Währung bargeldlos abzuwickeln und ermöglicht damit die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr1. Anders als bei einem Euro-Girokonto sind jedoch Ein- und Auszahlungen nach Nr. 10 Abs. 1 Satz 1 AGB ausgeschlossen2. Damit wird die unbare Erfüllung als alleinige Erfüllungsmodalität vereinbart3.
6.302
Dem stehen die im Wege der Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie4 in das BGB neu eingefügten Regelungen zu Zahlungsdiensten (§§ 675c ff. BGB) nicht entgegen. Gemäß § 675e Abs. 2 Satz 1 BGB gilt die Vorschrift des § 675t Abs. 2 BGB, die eine Bareinzahlung in der Währung des betreffenden Zahlungskontos regelt, nicht für Zahlungsvorgänge mit einem Drittstaatenbezug. Im Übrigen ist § 675t Abs. 2 BGB für Zahlungsvorgänge, die nicht in Euro erfolgen, gemäß § 675e Abs. 3 BGB abdingbar. Diese Möglichkeit zur Abbedingung kann grundsätzlich auch durch Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen umgesetzt werden5.
6.303
Gegenüber einem Euro-Girokonto besteht bei einem inländischen Fremdwährungskonto die Besonderheit, dass die Bank gehalten ist, zur Deckung des 1 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 116 Rz. 1. 2 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 60; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 241. 3 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 116 Rz. 49. 4 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt v. 13.11.2007, ABl. EU Nr. L 319, S. 1. 5 Begr. RegE zu § 675e BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 100.
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Peterek
6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Währungsguthabens ein entsprechendes Kontoguthaben bei einer ausländischen Bank zu führen (Nostrokonto)1. Nur ein solches ausländisches Deckungsguthaben ermöglicht die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr in der jeweiligen Währung. Mit dem Deckungsguthaben vermeidet die inländische Bank das Risiko, bei einzelnen Verfügungen des Kunden jeweils die Währung zu dem aktuell geltenden und möglicherweise schlechteren Kurs beschaffen zu müssen. Mit Blick auf diese Verbindung von inländischem Fremdwährungskonto und im Ausland unterhaltenem Deckungsguthaben weist die AGB-Klausel darauf hin, dass Verfügungen der Bankkunden über Guthaben auf Fremdwährungskonten regelmäßig unter Einschaltung von Banken im Heimatland der Währung abgewickelt werden (Nr. 10 Abs. 1 Satz 2 AGB). Dabei handelt es sich aber nicht um die Vereinbarung einer Substitution gemäß § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB oder eines weitergeleiteten Auftrags gemäß Nr. 3 Abs. 2 AGB-Banken (dazu Rz. 6.181 ff.)2. Die Einschaltung von Banken im Währungs-Heimatland ist demgegenüber nicht notwendig, wenn eine vollständige Abwicklung innerhalb des eigenen Hauses, beispielsweise durch eine hausinterne Umbuchung von dem Fremdwährungskonto des Auftraggebers auf das des Empfängers, erfolgen kann3.
6.304
2. Gutschriften bei Fremdwährungsgeschäften Nach Abs. 2 der AGB-Klausel wird die Bank ihre Fremdwährungsverbindlichkeiten gegenüber dem Kunden auch ohne besondere Weisung durch Gutschrift auf dessen Fremdwährungskonto erfüllen. Nr. 10 Abs. 2 AGB regelt damit den Pflichteninhalt der Bank4. Zu diesen Fremdwährungsverbindlichkeiten gehören insbesondere auf fremde Währung lautende Zahlungsansprüche des Kunden. Ebenso erfolgen solche Gutschriften, wenn der Kunde die Bank mit einem Devisenkauf beauftragt hat5. Dies ist in Abs. 2 der AGBKlausel klargestellt. Die Regelung in Nr. 10 Abs. 2 AGB steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer hiervon abweichenden Vereinbarung.
6.305
Eine Ersetzungsbefugnis nach § 244 BGB, wonach die Zahlung einer in einer anderen Währung als Euro ausgedrückten und im Inland zahlbaren Geldschuld auch in Euro erfolgen kann, gilt für echte Währungsverbindlichkeiten
6.306
1 Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 56; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 15 Rz. 3; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 228. 2 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 246; Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 56; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 43. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 10 Rz. 3; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 246. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 15 Rz. 9. 5 Dabei ergibt sich die Bestimmung des Umrechnungskurses bei solchen Fremdwährungsgeschäften nach dem Abs. 4 der Nr. 10 AGB-Banken aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
nicht, vielmehr handelt es sich um eine effektive Valutaschuld1. Die Bank kann ihre Fremdwährungsschuld daher nicht wahlweise in Euro leisten. Auch eine Gutschrift, die irrtümlich auf einem anderen Konto erfolgt, hat keine Erfüllungswirkung2.
3. Beschränkung und Aussetzung der Leistungspflicht der Bank
6.307
Mit Blick auf die Notwendigkeit von im Ausland unterhaltenen Deckungsguthaben hat die Frage der Verteilung des politisch bedingten Währungsrisikos zwischen den Parteien besondere Bedeutung. Ausländisches Deckungsguthaben ist politisch bedingten Maßnahmen oder Ereignissen im Heimatland der Währung ausgesetzt. Hierunter sind insbesondere Enteignungen, Beschlagnahme oder politisch motivierte Devisenbeschränkungen wie auch Krieg, Aufruhr, politisch bedingte Streiks oder staatliche Moratorien zu verstehen3. Diese Risiken können sich auch infolge devisen- oder währungsrechtlicher Maßnahmen von Drittstaaten realisieren4. Nicht hierunter fallen nichtpolitische Transferrisiken wie beispielsweise Diebstahl, Zerstörung oder eine selbständige Auslandsfilialinsolvenz5.
6.308
Das Risiko aus diesen Maßnahmen und Ereignissen trifft nach Nr. 10 Abs. 3 AGB für die Fremdwährungskonten den Kunden und nicht seine inländische Bank. Danach ist die Verpflichtung zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungskontos in dem Umfang und so lange ausgesetzt, wie die Bank wegen politisch bedingter Maßnahmen oder Ereignissen im Heimatland der Währung nicht oder nur eingeschränkt über das dort unterhaltene Deckungsguthaben verfügen kann6. In dem Umfang und solange diese Maßnahmen oder Ereignisse andauern, ist die Bank auch nicht zu einer Erfüllung an einem anderen Ort außerhalb des Landes der Währung in einer anderen Währung, insbesondere nicht in Euro oder durch Anschaffung von Bargeld verpflichtet (Nr. 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 AGB), weshalb die nach Nr. 10 Abs. 1 und 2 AGB bestehende Verbindlichkeit der Bank vorübergehend oder dauernd unmöglich ist (§ 275 BGB)7.
6.309
Diese Einschränkung der Leistungspflicht der Bank und die damit verbundene Risikotragung für den Kunden sind nach allgemeiner Auffassung in AGBrechtlicher Hinsicht angemessen und insgesamt zulässig, zumal der Kunde das Währungsrisiko mit veranlasst hat und in Nr. 10 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 1 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 229; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 10 Rz. 4; Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 116 Rz. 87; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 247. 2 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 61. 3 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 116 Rz. 107; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 249. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 10 Rz. 5. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 10 Rz. 5. 6 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 116 Rz. 108 f. 7 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 10 Rz. 5; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 15 Rz. 12.
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AGB-Banken im Einzelnen
Rückausnahmen geregelt sind1. Die Klausel entspricht damit der auftragsrechtlichen Risikoabgrenzung2. Zudem würde der Kunde dasselbe politische Währungsrisiko tragen, unterhielte er selbst ein entsprechendes Kontoguthaben im Land der Währung. Wird die Verfügungsmöglichkeit der inländischen Bank hinsichtlich ihres ausländischen Deckungsguthabens eingeschränkt, so kann gleichwohl über das Guthaben auf dem Fremdwährungskonto unter bestimmten Voraussetzungen verfügt werden. So darf der Kunde weiterhin solche Verfügungen treffen, die die Bank vollständig im eigenen Haus ausführen kann (Nr. 10 Abs. 3 Satz 3 AGB). Es handelt sich dabei um Fälle, in denen das Kontoguthaben lediglich auf das Fremdwährungskonto eines anderen Bankkunden übertragen werden soll. Bei einem solchen hausinternen Kontoübertrag bleibt das von der Bank im Währungs-Heimatland unterhaltene Devisenguthaben völlig unberührt3. Es bedarf insbesondere keiner Mitwirkung der ausländischen Bank, bei der das Deckungsguthaben unterhalten wird. Die inländische Bank hat bei dem hausinternen Kontoübertrag dem begünstigten Bankkunden lediglich eine Kontogutschrift zu erteilen und nimmt zugleich eine korrespondierende Belastungsbuchung auf dem Fremdwährungskonto ihres Auftraggebers vor (§ 670 BGB). Der Gutschriftsempfänger erlangt einen Herausgabeanspruch (§ 667 BGB), bei dessen Geltendmachung die Bank wiederum ihre AGB-mäßig beschränkte Leistungspflicht einwenden kann4.
6.310
Unberührt von den Auswirkungen der politisch bedingten Maßnahmen oder Ereignisse auf das ausländische Deckungsguthaben bleibt auch das Recht der Kunden und der Bank, fällige gegenseitige Forderungen in derselben Währung miteinander zu verrechnen (Nr. 10 Abs. 3 Satz 4 AGB). Diese AGB-Klausel betrifft die einseitige Aufrechnungsbefugnis, soweit sie dem Kunden oder der Bank zusteht. Eine solche Befugnis setzt nach dem gesetzlichen Tatbestand voraus, dass die gegenseitig geschuldeten Leistungen ihrem Gegenstand nach gleichartig sind (vgl. § 387 BGB). Geldforderungen müssen auf dieselbe Währung lauten5.
6.311
Ungleichartige Ansprüche können im Wege eines Aufrechnungsvertrages miteinander verrechnet werden. Ein solcher Vertrag ist nach allgemeiner Meinung nicht an die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer einseitigen Aufrechnung gemäß § 387 BGB gebunden6.
6.312
1 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 103; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 43; Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 57; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 15 Rz. 13. 2 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 233. 3 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 228. 4 Schefold in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 116 Rz. 114. 5 Vgl. auch Schlüter in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 387 BGB Rz. 32. 6 Schlüter in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 387 BGB Rz. 52; Stürner in Jauernig, § 387 BGB Rz. 15.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
4. Umrechnungskurs bei Fremdwährungsgeschäften
6.313
Nach Nr. 10 Abs. 4 AGB ergibt sich die Bestimmung des Umrechnungskurses bei Fremdwährungsgeschäften aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank. Die Regelung erklärt sich aus dem mit Einführung des Euro zum 1.1.1999 einhergehenden Wegfall der amtlichen Feststellung der Devisenkurse und schafft für die Umrechnung eine neue vertragliche Grundlage1. Dabei werden in dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank keine tagesaktuellen Kurse ausgewiesen, sondern generell ein institutsspezifischer Umrechnungsmodus für die Abrechnung der Kundengeschäfte in fremder Währung definiert, aus dem der konkrete Umrechnungskurs im Einzelfall bestimmt werden kann. Hierzu werden im Preis- und Leistungsverzeichnis üblicherweise das maßgebliche Devisen-Fixing (zB Haus-Fixing, Währungskurse der EZB etc.), der Abrechnungstermin sowie der Ort der Veröffentlichung der Abrechnungskurse (zB Internetadresse) angegeben.
6.314
In der Neufassung der AGB-Banken 2009 wurde Nr. 10 Abs. 4 um den Satz 2 ergänzt, wonach bei Zahlungsdiensten ergänzend der Zahlungsdiensterahmenvertrag gilt. Gemäß § 675g Abs. 3 BGB werden Änderungen von Wechselkursen ohne vorherige Benachrichtigung wirksam, soweit dies im Zahlungsdiensterahmenvertrag vereinbart wurde und die Änderungen auf den dort vereinbarten Referenzwechselkursen beruhen. Vor diesem Hintergrund wird ergänzend auf die Regelungen des Zahlungsdiensterahmenvertrages verwiesen. Der Gesetzgeber hat von einer Unterrichtungspflicht über die Änderung von Wechselkursen abgesehen, da eine solche Pflicht die Zahlungsdienstleister mit Blick auf die in kurzen Abständen sich ändernden Wechselkurse zu stark belastet hätte2.
5. AGB-Sparkassen
6.315
In den AGB-Sparkassen sind Konten in ausländischer Währung sowie Fremdwährungsgeschäfte und deren Risiken in den Nr. 12 bis 15 geregelt. Sie entsprechen inhaltlich weitgehend Nr. 10 AGB-Banken mit der Ausnahme, dass eine Entsprechung zu Nr. 10 Abs. 2 AGB-Banken in den AGB-Sparkassen fehlt.
6.316
Nr. 12 AGB-Sparkassen beschreibt ähnlich wie Nr. 10 Abs. 1 AGB-Banken den Zweck von Konten in ausländischer Währung. Nr. 13 AGB-Sparkassen hat die Leistungsbefreiung der Sparkasse bei Geschäften in ausländischer Währung zum Gegenstand und stimmt inhaltlich mit Nr. 10 Abs. 3 AGB-Banken überein. Nr. 14 AGB-Sparkassen enthält die Befugnis der Sparkasse, Geldbeträge in ausländischer Währung mangels ausdrücklicher gegenteiliger Weisung des Kunden in Euro gutzuschreiben, sofern sie nicht für den Kunden ein Konto in der betreffenden Währung führt. Nr. 15 verweist ebenso wie Nr. 10 Abs. 4 AGB-Banken für die Bestimmung des Wechselkurses auf das Preis- und Leis1 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 10 Rz. 12; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 15 Rz. 4, 21. 2 Begr. RegE zu § 675g Abs. 3 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 104.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
tungsverzeichnis1 und für Zahlungsdienste ergänzend auf den Zahlungsdiensterahmenvertrag.
6.317–6.320
Einstweilen frei.
XI. Nr. 11 AGB-Banken: Mitwirkungspflichten des Kunden (Peterek) 11. Mitwirkungspflichten des Kunden (1) Mitteilung von Änderungen Zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Geschäftsverkehrs ist es erforderlich, dass der Kunde der Bank Änderungen seines Namens und seiner Anschrift sowie das Erlöschen oder die Änderung einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht (insbesondere einer Vollmacht) unverzüglich mitteilt. Diese Mitteilungspflicht besteht auch dann, wenn die Vertretungsmacht in ein öffentliches Register (zum Beispiel in das Handelsregister) eingetragen ist und ihr Erlöschen oder ihre Änderung in dieses Register eingetragen wird. Darüber hinaus können sich weiter gehende gesetzliche Mitteilungspflichten, insbesondere aus dem Geldwäschegesetz, ergeben. (2) Klarheit von Aufträgen Aufträge müssen ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Nicht eindeutig formulierte Aufträge können Rückfragen zur Folge haben, die zu Verzögerungen führen können. Vor allem hat der Kunde bei Aufträgen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben, insbesondere der Kontonummer und Bankleitzahl oder IBAN2 und BIC3 sowie der Währung zu achten. Änderungen, Bestätigungen oder Wiederholungen von Aufträgen müssen als solche gekennzeichnet sein. (3) Besonderer Hinweis bei Eilbedürftigkeit der Ausführung eines Auftrags Hält der Kunde bei der Ausführung eines Auftrags besondere Eile für nötig, hat er dies der Bank gesondert mitzuteilen. Bei formularmäßig erteilten Aufträgen muss dies außerhalb des Formulars erfolgen. (4) Prüfung und Einwendungen bei Mitteilungen der Bank Der Kunde hat Kontoauszüge, Wertpapierabrechnungen, Depot- und Erträgnisaufstellungen, sonstige Abrechnungen, Anzeigen über die Ausführung von Aufträgen sowie Informationen über erwartete Zahlungen und Sendungen (Avise) auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben. (5) Benachrichtigung der Bank bei Ausbleiben von Mitteilungen Falls Rechnungsabschlüsse und Depotaufstellungen dem Kunden nicht zugehen, muss er die Bank unverzüglich benachrichtigen. Die Benachrichtigungs1 Danco, ZBB 2002, 136 f. 2 International Bank Account Number (Internationale Bankkontonummer). 3 Bank Identifier Code (Bank-Identifizierungs-Code).
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
pflicht besteht auch beim Ausbleiben anderer Mitteilungen, deren Eingang der Kunde erwartet (Wertpapierabrechnungen, Kontoauszüge nach der Ausführung von Aufträgen des Kunden oder über Zahlungen, die der Kunde erwartet).
1. Bedeutung der Regelung
6.321
Die Klausel enthält einige wesentliche Mitwirkungspflichten des Kunden, deren Verletzung typischerweise die Bank oder den Kunden selbst schädigen kann1. Die einzelnen Kundenpflichten sind nicht abschließend angeführt. Weitergehende Pflichten aus der Geschäftsverbindung oder aus Gesetz bleiben davon unberührt2.
6.322
Die Rechtsnatur dieser Kundenpflichten wird unterschiedlich beurteilt. Einige der Klauseln sind vertragliche Nebenpflichten des Kunden. Insoweit konkretisieren die Klauseln die allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten, wie sie der Geschäftsverbindung oder den konkreten Schuldverhältnissen entspringen können, die bei der Inanspruchnahme einer Bankdienstleistung im Rahmen der Geschäftsverbindung vertraglich begründet werden (dazu Rz. 6.570 ff.). Deren Nichtbeachtung kann im konkreten Einzelfall einen Schadensersatzanspruch der Bank begründen3. Soweit zugleich auch ein Pflichtverstoß der Bank vorliegt, bemisst sich die Schadensverteilung nach den Grundsätzen des Mitverschuldens.
6.323
Hiervon sind die Klauseln zu unterscheiden, die eine Obliegenheit des Kunden begründen4, aus deren Nichtbeachtung keine Schadensersatzpflicht gegenüber der Bank, sondern ein Rechtsverlust oder ein sonstiger rechtlicher Nachteil folgt5. Die Beachtung einer solchen Obliegenheit ist ein Gebot des eigenen Interesses, deren Verletzung insbesondere ein schadensminderndes Mitverschulden iS von § 254 BGB darstellen kann. Entsprechendes ist in Nr. 3 Abs. 1 AGB geregelt, welche ausdrücklich auf die in Nr. 11 AGB aufgeführten Mitwirkungspflichten Bezug nimmt. Auch soweit sich die Mitwirkungspflichten der Nr. 11 AGB im konkreten Einzelfall als eine regressbewehrte Verhaltensund Schutzpflicht oder zumindest als eine Obliegenheit des Kunden darstellen, haben diese Klauseln klarstellende Funktionen und sind insoweit deklaratorischer Natur6.
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 16 Rz. 1. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 11 Rz. 2; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 45. 3 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 70; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 257. 4 Für eine grundsätzliche Einordnung als Gläubigerobliegenheiten Casper in Derleder/ Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 58. 5 Grüneberg in Palandt, Einl v § 241 BGB Rz. 13. 6 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 257; Merkel, WM 1993, 725.
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2. Mitwirkungspflichten des Kunden im Einzelnen a) Mitteilung von Änderungen Zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Geschäftsverkehrs hat der Kunde der Bank Änderungen seines Namens und seiner Anschrift sowie das Erlöschen oder die Änderung einer gegenüber der Bank bestehenden Vertretungsbefugnis, insbesondere einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht, unverzüglich mitzuteilen. Große praktische Bedeutung hat die Mitteilung der geänderten Anschrift. Dies ist nicht nur erforderlich, damit die Bank ihre vielfältigen Mitteilungspflichten möglichst zeitnah erfüllen kann. So muss die Bank bei der Ausführung von grenzüberschreitenden Kundenaufträgen die maßgeblichen außensteuer- und außenwirtschaftlichen Bestimmungen beachten. Auch kann die Verlegung des Wohnsitzes vom Inland ins Ausland den Kunden zum Steueroder Devisenausländer werden lassen, was zB für die Inanspruchnahme eines ermäßigten Quellensteuersatzes aus einem Doppelbesteuerungsabkommen entscheidend sein kann. Ein besonderes Interesse an der Mitteilung des geänderten Wohnsitzes hat die Bank bei den Rechnungsabschlüssen für die kontokorrentmäßig geführten Girokonten. Das in dem übermittelten Abschlusssaldo liegende Vertragsangebot der Bank nimmt der Kunde durch Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen an, Nr. 7 Abs. 2 AGB-Banken (dazu Rz. 6.245 ff.). Diese rechtsgeschäftliche Bedeutung des Schweigens setzt jedoch voraus, dass der Abschlusssaldo dem Kunden an die zutreffende Anschrift übermittelt worden ist.
6.324
Im Einzelfall kann sich die Pflicht des Kunden zur unverzüglichen Mitteilung der neuen Anschrift als eine Verhaltens- und Schutzpflicht zu Gunsten der Bank darstellen, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch der Bank begründet1. Dies ist zB der Fall, wenn der Bank infolge der unterlassenen Mitteilung der Anschriftsänderung die Kosten für einen nicht zustellbaren Mahnbescheid und Anfragen beim Einwohnermeldeamt entstanden sind2.
6.325
b) Änderung einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht Bei der Geschäftsverbindung mit Privatkunden entspricht die in Nr. 11 Abs. 1 AGB geregelte Pflicht zur Mitteilung des Erlöschens einer gegenüber der Bank erteilten Vollmacht der gesetzlichen Regelung des § 171 Abs. 2 BGB. Eine Kundgebung der Bevollmächtigung iS von § 172 Abs. 2 BGB erfolgt, wenn der Kunde einer anderen Person Kontovollmacht erteilt. Andererseits muss sich die Bank das ihr nicht mitgeteilte Erlöschen der Vollmacht entgegenhalten lassen, wenn ihr auf andere Weise der Widerruf der Vollmacht bekannt geworden oder infolge von Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist (§ 173 BGB). Trifft die Bank in diesen Fällen eine Schadensersatzverpflichtung, so ist die unterlassene Mitteilung des Kunden als Mitverschulden zu berücksichtigen3. 1 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 11 Rz. 2; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 46; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 16 Rz. 4; Merkel, WM 1993, 725 (726). 2 KG Berlin v. 3.12.1984 – 12 U 1397/84, WM 1985, 714 (716). 3 Merkel, WM 1993, 725 (726).
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6. Teil
6.327
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Bei Firmenkunden ist zu berücksichtigen, dass die Bank sich gemäß § 15 Abs. 2 HGB die handelsregisterliche Eintragung des Erlöschens der Vertretungsmacht 15 Tage nach ihrer Bekanntmachung entgegenhalten lassen muss, selbst wenn sie diese Veröffentlichung nicht kannte. Insoweit besteht kein Vertrauensschutz gegen den Registerinhalt1. Die Mitteilungspflicht des Kunden iS der Nr. 11 Abs. 1 AGB soll diese gesetzliche Rechtsscheinhaftung nicht einschränken, sondern durch ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB begrenzen2. Dies ist insbesondere in den Fällen relevant, in denen die Bank den nicht mehr Vertretungsberechtigten weiter über das Firmenkonto verfügen lässt. c) Weitergehende gesetzliche Mitteilungspflichten
6.328
Am Ende von Nr. 11 Abs. 1 AGB wird der Kunde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich weiter gehende gesetzliche Mitteilungspflichten, insbesondere aus dem Geldwäschegesetz, ergeben können. Nr. 11 AGB wurde um diesen Satz in der Neufassung der AGB-Banken 2009 ergänzt. Hintergrund hierfür sind die durch die Umsetzung der Dritten EU-Geldwäscherichtlinie3 in 2008 neu gefassten Regelungen des Geldwäschegesetzes4. Danach ist der Kontoinhaber verpflichtet, sich im Laufe der Geschäftsbeziehung ergebende Änderungen der gemachten Pflichtangaben der Bank gegenüber unverzüglich anzuzeigen (§§ 4 Abs. 6, 6 Abs. 2 Nr. 1 GwG). d) Klarheit von Aufträgen
6.329
Nach Nr. 11 Abs. 2 Satz 1 AGB müssen Aufträge ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Den Kunden trifft damit eine allgemeine Klarheitspflicht5. Sind Aufträge mehrdeutig formuliert, sind diese nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auszulegen. Durfte die Bank hiernach den Auftrag in einem bestimmten Sinne verstehen, muss der Kunde dies grundsätzlich gegen sich gelten lassen, und die Folgen gehen zu seinen Lasten6. Objektiv mehrdeutige Aufträge können an den Kunden mit einem entsprechenden Hinweis zurückgegeben oder durch eine Rückfrage bei dem Kunden geklärt werden7. Nr. 11 Abs. 2 Satz 2 AGB weist den Kunden deshalb darauf hin, dass dies zu Verzögerungen führen kann.
6.330
Das Klarheitsgebot ist eine Obliegenheit, deren Nichtbeachtung ein anrechenbares Mitverschulden begründet, wenn der Bank bei der Erledigung des unkla1 Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 15 HGB Rz. 18. 2 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 259; Merkel, WM 1993, 725 (726). 3 Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, ABl. EU Nr. L 309 v. 25.11.2005, S. 15. 4 BGBl. I 2008, S. 1690 ff. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 11 Rz. 4. 6 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 47; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 262. 7 OLG München v. 9.3.1995 – 32 U 5600/94, WM 1995, 1017 (1018); Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 16 Rz. 12.
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AGB-Banken im Einzelnen
ren Auftrages ein haftungsbegründendes Verschulden vorgeworfen werden kann1. e) Besondere Hinweise bei der Ausführung eines Auftrages Hält der Kunde bei der Ausführung eines Auftrages besondere Eile für geboten, so hat er dies der Bank gesondert mitzuteilen. Bei formularmäßig erteilten Aufträgen muss dies außerhalb des Formulars erfolgen. Dies bedeutet nicht zwingend Schriftform2. Die Klausel erfasst nur solche Aufträge, die in kürzerer Zeit als banküblich zu erledigen sind3. Durch diese Regelung wird die Bank nicht von ihrer Pflicht entbunden, Aufträge des Kunden in der banküblichen Eile pünktlich zu besorgen4. Wünscht der Kunde jedoch eine von der im Massengeschäft banküblichen Bearbeitungszeit abweichende eiligere Auftragsausführung, die über das übliche Maß hinausgeht, muss er die Bank darauf gesondert hinweisen5. Soweit der Bank ein Verschulden vorgeworfen werden kann, ist die Unterlassung eines Hinweises auf die Eilbedürftigkeit als Mitverschulden des Kunden zu berücksichtigen6.
6.331
f) Unterlassene Einwendungen Der Kunde hat die in Nr. 11 Abs. 4 AGB näher bezeichneten Mitteilungen der Bank auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit unverzüglich zu prüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben. Anders als die unterlassene Beanstandung eines fehlerhaften Rechnungsabschlusses für Kontokorrentkonten (vgl. Nr. 7 Abs. 2 AGB) hat eine unterbliebene Kundenreklamation gegen die von Nr. 11 Abs. 4 AGB erfassten Mitteilungen der Bank keine rechtsgeschäftliche Bedeutung. In der unterlassenen Reklamation einer fehlerhaften Mitteilung iS der Nr. 11 Abs. 4 AGB liegt daher keine Genehmigung der zugrunde liegenden Auftragsausführung der Bank. So bedeutet beispielsweise das Schweigen des Kunden kein Einverständnis mit der in einem unrichtigen Tagesauszug für ein Girokonto dokumentierten weisungswidrigen Auftragsausführung der Bank7. Mit Rücksicht auf diese unterschiedlichen Rechtsfol1 Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 61 f.; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 16 Rz. 13; Merkel, WM 1993, 725 (726). 2 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 106; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 48. 3 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 48; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 11 Rz. 7. 4 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 48. 5 Merkel, WM 1993, 725, (726); Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 3 Rz. 63. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 16 Rz. 25. 7 BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/84, WM 1985, 905 (906); OLG Hamm v. 14.3.1986 – 20 U 290/85, WM 1986, 704 (706); OLG München v. 9.3.1995 – 32 U 5600/94, WM 1995, 1017 (1018). Dasselbe gilt für das Schweigen auf einen fehlerhaften Rechnungsabschluss, der materiell nicht gerechtfertigte Buchungen enthält, siehe BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273 (2274); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 94.
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6.332
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
gen ist die unterbliebene Einwendung gegen einen fehlerhaften Rechnungsabschluss in einer eigenständigen Klausel der AGB (Nr. 7 Abs. 2) geregelt1.
6.333
Umstritten ist, ob die Prüf- und Reklamationspflicht eine Verhaltens- und Schutzpflicht ist, deren Nichterfüllung eine Pflichtverletzung iS von § 280 Abs. 1 BGB oder nur die Verletzung einer Obliegenheit darstellt2. Für die Übersendung eines Kontoauszuges hat die Rechtsprechung erkannt, dass der Kunde auf Grund des Girovertragsverhältnisses in einem gewissen Maß zur Kontrolle der ihm in den Kontoauszügen mitgeteilten Kontobewegungen und Kontostände verpflichtet ist. Verletzt der Kunde diese Schutzpflicht, so ist er der Bank nach § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet3. Eine solche Schädigung kann insbesondere darin bestehen, dass der gutgläubige Kunde über einen gutgeschriebenen Betrag verfügt hat und er deshalb den Einwand der weggefallenen Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) geltend machen könnte. g) Benachrichtigung der Bank bei Ausbleiben von Mitteilungen
6.334
Sofern Rechnungsabschlüsse und Depotaufstellungen dem Kunden nicht zugehen, muss er die Bank unverzüglich benachrichtigen. Da diese Mitteilungen periodisch anfallen, kennt der Kunde den Zeitpunkt ihrer regelmäßigen Übermittlung und ist insoweit in einer entsprechenden Erwartungshaltung. Diese Benachrichtigungspflicht besteht auch bei einem Ausbleiben anderer Mitteilungen, deren Eingang der Kunde erwartet, beispielsweise weil der Kunde selbst Kontoumsätze veranlasst hat.
6.335
Mit dieser AGB-Klausel wird dem Kunden keine unbegrenzte Kontrollpflicht auferlegt, da die Benachrichtigungspflicht nach dem Wortlaut der Klausel auf solche Mitteilungen beschränkt ist, die der Kunde erwartet. Allgemein kann von dem Bankkunden nicht erwartet werden, dass er jeden einzelnen Buchungsvorgang rechnerisch konrolliert und schon das Ausbleiben eines einzelnen oder einzelner Kontoauszüge bemerkt oder beanstandet. Dagegen ist ihm zuzumuten, einem auffälligen Ausbleiben von Kontoauszügen Bedeutung beizumessen und sich sodann bei der Bank insoweit nach den Gründen zu erkundigen4.
6.336
Die Regelung dieser Mitwirkungspflicht des Kunden wird allgemein als wirksam angesehen, weil sie sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) und der allgemeinen Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 BGB) ableiten lässt5. Die Verletzung der Benachrichtigungspflicht kann eine Schadens1 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 270. 2 Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 106; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 49. 3 OLG Brandenburg v. 14.5.2007 – 3 W 19/07, WM 2007, 2150 (2151); BGH v. 20.11.1990 – XI ZR 107/89, WM 1991, 57 (60); OLG Hamm v. 14.3.1986 – 20 U 290/85, WM 1986, 704 (707). 4 OLG Düsseldorf v. 16.7.1987 – 6 U 327/86, WM 1987, 1215 (1217); vgl. weiter BGH v. 25.1.1985 – III ZR 138/84, WM 1985, 511. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 16 Rz. 31; Merkel, WM 1993, 725 (727).
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
ersatzpflicht nach § 280 Abs. 1 BGB begründen1. In der Bankpraxis wird die Pflichtverletzung des Kunden infolge Verschuldens der Bank häufig nur als Mitverschulden anrechenbar sein.
3. AGB-Sparkassen In den AGB-Sparkassen sind die Mitwirkungspflichten des Kunden insbesondere in Nr. 20 geregelt. Dabei werden die Pflichten im Einzelnen in dem nicht abschließenden Katalog des Nr. 20 Abs. 1 lit. a bis h aufgeführt. Abweichend von Nr. 11 Abs. 1 AGB-Banken ist der Kunde unter Geltung von Nr. 20 Abs. 1 lit. a AGB-Sparkassen gehalten, eine Änderungsmitteilung in schriftlicher Form oder auf elektronischem Kommunikationsweg, soweit dieser vereinbart wurde, vorzunehmen. Nr. 20 Abs. 1 lit. c AGB-Sparkassen enthält eine den AGB-Banken fremde Sorgfaltspflicht des Kunden, wonach der Kunde bei telefonischen oder auf anderen technischen Wegen erteilten Aufträgen oder Weisungen dafür zu sorgen hat, das sich keine Übermittlungsfehler, Missverständnisse, Missbräuche oder Irrtümer ergeben. Die damit verbundene Risikoabwälzung für auch aus der Sphäre der Sparkasse herrührende Mängel wird stellenweise als rechtlich angreifbar beurteilt2.
6.337
Abweichend von Nr. 11 Abs. 1 AGB-Banken gelten der Sparkasse einmal bekannt gegebene Vertretungs- oder Verfügungsbefugnisse nach Nr. 4 Abs. 1 AGB-Sparkassen solange, bis der Sparkasse eine Mitteilung über das Erlöschen oder eine Änderung schriftlich oder, soweit vereinbart, auf elektronischem Kommunikationsweg zugeht, es sei denn, der Sparkasse sind die Änderungen bekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt. Dies gilt ausdrücklich auch, wenn die Befugnisse in einem öffentlichen Register eingetragen sind und eine Änderung veröffentlicht ist.
6.338
In Nr. 20 Abs. 2 AGB-Sparkassen ist die Haftung des Kunden wegen der schuldhaften Verletzung seiner Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten unter Berücksichtigung der Grundsätze des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB geregelt.
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Einstweilen frei.
6.340
XII. Nr. 12 AGB-Banken: Zinsen, Entgelte und Auslagen (Peterek) 12. Zinsen, Entgelte und Auslagen (1) Zinsen und Entgelte im Privatkundengeschäft Die Höhe der Zinsen und Entgelte für die im Privatkundengeschäft üblichen Kredite und Leistungen ergibt sich aus dem „Preisaushang – Regelsätze im 1 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 11 Rz. 10; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 273; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 50. 2 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 51; Fuchs in Ulmer/Brandner/ Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 108.
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standardisierten Privatkundengeschäft“ und ergänzend aus dem „Preis- und Leistungsverzeichnis“. Wenn ein Kunde einen dort aufgeführten Kredit oder eine dort aufgeführte Leistung in Anspruch nimmt und dabei keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, gelten die zu diesem Zeitpunkt im Preisaushang oder Preis- und Leistungsverzeichnis angegebenen Zinsen und Entgelte. Für die Vergütung der darin nicht aufgeführten Leistungen, die im Auftrag des Kunden oder in dessen mutmaßlichem Interesse erbracht werden und die, nach den Umständen zu urteilen, nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind, gelten, soweit keine andere Vereinbarung getroffen wurde, die gesetzlichen Vorschriften. (2) Zinsen und Entgelte außerhalb des Privatkundengeschäfts Außerhalb des Privatkundengeschäfts bestimmt die Bank, sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde und gesetzliche Bestimmungen dem nicht entgegen stehen, die Höhe von Zinsen und Entgelten nach billigem Ermessen (§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches). (3) Nicht entgeltfähige Leistung Für eine Leistung, zu deren Erbringung die Bank kraft Gesetzes oder auf Grund einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist oder die sie im eigenen Interesse wahrnimmt, wird die Bank kein Entgelt berechnen, es sei denn, es ist gesetzlich zulässig und wird nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung erhoben. (4) Änderung von Zinsen; Kündigungsrecht des Kunden bei Erhöhung Die Änderung der Zinsen bei Krediten mit einem veränderlichen Zinssatz erfolgt auf Grund der jeweiligen Kreditvereinbarungen mit dem Kunden. Die Bank wird dem Kunden Änderungen von Zinsen mitteilen. Bei einer Erhöhung kann der Kunde, sofern nichts anderes vereinbart ist, die davon betroffene Kreditvereinbarung innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntgabe der Änderung mit sofortiger Wirkung kündigen. Kündigt der Kunde, so werden die erhöhten Zinsen für die gekündigte Kreditvereinbarung nicht zugrunde gelegt. Die Bank wird zur Abwicklung eine angemessene Frist einräumen. (5) Änderung von Entgelten bei typischerweise dauerhaft in Anspruch genommenen Leistungen Änderungen von Entgelten für solche Leistungen, die vom Kunden im Rahmen der Geschäftsverbindung typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden (zum Beispiel Konto- und Depotführung), werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Hat der Kunde mit der Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung einen elektronischen Kommunikationsweg vereinbart (zum Beispiel das Online Banking), können die Änderungen auch auf diesem Wege angeboten werden. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen. Werden dem Kunden die Änderungen angeboten, kann er den von der Änderung betroffenen Vertrag vor dem 668
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vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen auch fristlos und kostenfrei kündigen. Auf dieses Kündigungsrecht wird ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hinweisen. Kündigt der Kunde, wird das geänderte Entgelt für die gekündigte Geschäftsbeziehung nicht zugrunde gelegt. (6) Auslagen Die Bank ist berechtigt, dem Kunden Auslagen in Rechnung zu stellen, die anfallen, wenn die Bank in seinem Auftrag oder seinem mutmaßlichen Interesse tätig wird (insbesondere für Ferngespräche, Porti) oder wenn Sicherheiten bestellt, verwaltet, freigegeben oder verwertet werden (insbesondere Notarkosten, Lagergelder, Kosten der Bewachung von Sicherungsgut). (7) Besonderheiten bei Verbraucherdarlehensverträgen und Zahlungsdiensteverträgen mit Verbrauchern für Zahlungen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) in einer EWR-Währung Bei Verbraucherdarlehensverträgen und Zahlungsdiensteverträgen mit Verbrauchern für Zahlungen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums1 (EWR) in einer EWR-Währung2 richten sich die Zinsen und die Kosten (Entgelte und Auslagen) nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen und Sonderbedingungen sowie ergänzend nach den gesetzlichen Vorschriften.
1. Regelungsgegenstände Nr. 12 AGB regelt die Belastung des Kunden mit Zinsen, Entgelten und Auslagen. Entgelt ist die in einem Vertrag vereinbarte Gegenleistung für eine vertragliche Leistung3. Als Preis wird diese Gegenleistung in Geld ausgedrückt4. Zinsen sind das nach Laufzeit bemessene, gewinn- und umsatzunabhängige Entgelt für die zeitweise Überlassung von Kapital5. Auslagen sind, in Abgrenzung zu den kalkulatorischen internen Kosten des Geschäftsbetriebs, Fremdkosten der Bank, die sie im Auftrag und Interesse ihres Kunden in Form einer Geldleistung an Dritte aufwendet6 (dazu Rz. 6.379 ff.).
6.341
Nr. 12 AGB unterscheidet systematisch zwischen dem Geschäft mit Privatkunden und dem Geschäftskreis außerhalb des Privatkundengeschäfts. Weiterhin erfolgt eine Unterscheidung zwischen Einmalleistungen und Dauerleis-
6.342
1 Zum Europäischen Wirtschaftsraum gehören derzeit: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Polen, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Rumänien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern. 2 Zu den EWR-Währungen gehören derzeit: Euro, Bulgarische Lew, Dänische Krone, Estnische Krone, Britische Pfund, Isländische Krone, Lettische Lats, Schweizer Franken, Litauische Litas, Norwegische Krone, Polnische Zloty, Rumänische Leu, Schwedische Krone, Tschechische Krone, Ungarische Forint. 3 Roller, BKR 2008, 221 (222). 4 Nobbe, WM 2008, 185 (186). 5 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR IV Rz. 190; Berger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 488 BGB Rz. 154. 6 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 300.
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tungen der Bank. Diese Unterscheidungen haben auch Bedeutung für Änderungen von Zinsen und Entgelten im Laufe einer Geschäftsbeziehung. Im Einzelnen haben die Absätze 1 bis 3 die Erhebung von Zinsen und Entgelten innerhalb und außerhalb des Privatkundengeschäfts und die Absätze 4 und 5 die Änderung von Zinsen und Entgelten zum Gegenstand. Abs. 6 regelt einen Auslagenersatz der Bank. Abs. 7 enthält Sonderregelungen für Verbraucherdarlehensverträge und Zahlungsdiensteverträge mit Verbrauchern innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes.
2. Zinsen und Entgelte innerhalb und außerhalb des Privatkundengeschäfts a) Zinsen und Entgelte im Privatkundengeschäft
6.343
Nr. 12 Abs. 1 AGB enthält eine originäre Preisvereinbarung1. Danach ergeben sich, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung, die Höhe der Zinsen und Entgelte für die im Privatkundengeschäft üblichen Kredite und Leistungen aus dem Preisaushang der Bank sowie ergänzend aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis. Maßgeblich ist nach Satz 2 die Fassung des jeweiligen Preisverzeichnisses im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits oder der Bankleistung.
6.344
Hintergrund für den Ausweis der Entgelte in bestimmten Preisverzeichnissen ist das Preisangabenrecht, wonach der Anbieter von Leistungen ein Preisverzeichnis mit den Preisen für seine wesentlichen Leistungen aufzustellen hat, § 5 Abs. 1 PAngV. Dieses ist im Geschäftslokal und, sofern vorhanden, zusätzlich im Schaufenster oder Schaukasten anzubringen. Dies erfordert einen Aushang2. Für Kredite sind zudem die besonderen Regelungen des § 6 PAngV zu beachten. Die Bank erfüllt diese Preisangabepflicht mit dem in Nr. 12 Abs. 1 Satz 1 angeführten „Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft“.
6.345
Nr. 12 Abs. 1 AGB gilt nur im Privatkundengeschäft. Der Begriff des Privatkunden entspricht dem des privaten Letztverbrauchers iS des § 1 Abs. 1 PAngV. Hierunter ist jede natürliche Person zu fassen, welche die von der Bank erbrachten Dienstleistungen nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche oder behördliche oder dienstliche Tätigkeit (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV), sondern für ihre privaten Zwecke in Anspruch nimmt3.
6.346
Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis sind selbst Allgemeine Geschäftsbedingungen4. Für deren Geltung ist daher deren wirksame Einbezie-
1 2 3 4
Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 12 Rz. 1. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 5 PAngV Rz. 6. Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 280. Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und internationalen Bankrecht, § 3 Rz. 68; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 280.
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hung in das Vertragsverhältnis mit dem Kunden erforderlich, § 305 Abs. 2 BGB (dazu Rz. 6.32 ff.). Gegenstand der Einbeziehungsvereinbarung sind somit Nr. 12 Abs. 1 AGB sowie die in Satz 1 ausdrücklich angeführten Preisverzeichnisse. Ein Verweis in AGB auf weitere Bedingungswerke ist grundsätzlich zulässig1 (sog. gestaffelte Klauselwerke, dazu Rz. 6.43). Nr. 12 Abs. 1 Satz 2 AGB stellt klar, dass mit dem Kunden getroffene Individualabreden vorgehen (§ 305b BGB). Für eine in den vorgenannten Verzeichnissen nicht angeführte Leistung der Bank, die im Auftrag des Kunden oder in dessen mutmaßlichen Interesse erbracht wird, gelten nach Nr. 12 Abs. 1 Satz 3 AGB die gesetzlichen Vorschriften, soweit keine anderweitige Regelung mit dem Kunden vereinbart ist. Satz 3 ist in der Neufassung der AGB-Banken 2009 an die Stelle der bisherigen Regelung getreten, wonach die Bank die Zinsen und Entgelte nach billigem Ermessen bestimmen konnte. Unverändert kommt Satz 3 die Funktion einer Auffangregelung für die Fälle einer fehlenden anderweitigen Absprache mit dem Kunden zu. Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften erhalten insbesondere § 612 BGB wie auch die im HGB geregelten Preisbestimmungsrechte des § 354 HGB Bedeutung. Ein gesetzlicher Vergütungsanspruch der Bank entsteht nicht nur bei Dienstleistungen im Sinne des Dienstvertrages (§ 612 BGB), sondern bei jeder berechtigten und für das Bankgeschäft typischen Geschäftsbesorgung. Dieser Geschäftsbesorgung iS des § 675 BGB kann sowohl eine dienst- wie auch eine werkvertragliche Vertragsbeziehung zugrunde liegen2. Danach ist jede fremdnützige, im Interesse eines anderen liegende Tätigkeit vergütungspflichtig, soweit sie dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Kunden entspricht. Der gesetzliche Entgeltanspruch des § 354 HGB gewährt der Bank die übliche Vergütung. Ist wie in vielen Fällen der Bankpraxis eine ortsübliche Vergütung nicht feststellbar, so steht dem Gläubiger für die Bestimmung einer angemessenen Vergütung regelmäßig das einseitige Leistungsbestimmungsrecht iS des § 315 BGB zu3. Für die Anwendbarkeit des § 354 HGB ist es gemäß § 345 HGB unerheblich, ob auch der andere Teil Kaufmann ist4. Die Regelung des § 354 HGB kann bei der AGB-Kontrolle als gesetzliches Leitbild dienen5. Der Anspruch entsteht nicht nur in dem Regelfall, dass die Bank im Auftrag ihres Kunden tätig geworden ist. Er kommt auch bei einer Geschäftsausführung ohne Auftrag in Betracht6. Die Bank kann demzufolge regelmäßig schon kraft 1 Cahn, WM 2010, 1197 (1198). 2 Heermann in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 675 BGB Rz. 2 ff. 3 Kindler in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 354 HGB Rz. 26; Roth in Koller/Roth/Morck, § 354 HGB Rz. 6, wonach Ortsbrauch und Handelsbrauch dem Leistungsbestimmungsrecht vorgehen. 4 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 23/06, WM 2007, 703 (707); K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 354 HGB Rz. 5; Kindler in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, 2. Aufl. 2009, § 354 HGB Rz. 6. 5 BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 23/06, WM 2007, 703 (707 f.); Kindler in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 354 HGB Rz. 2; Cahn, WM 2010, 1197 (1202); K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 354 HGB Rz. 3. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, § 354 HGB Rz. 3.
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Gesetzes die Erstattung ihres Zeit- und Arbeitsaufwandes für eine im Kundeninteresse liegende Tätigkeit verlangen, auch wenn ihr hierzu kein Auftrag erteilt worden ist. Nach allgemeiner Meinung kann der Geschäftsführer ohne Auftrag bei berufseinschlägigen oder gewerblichen Tätigkeiten die übliche Vergütung in Rechnung stellen1. b) Zinsen und Entgelte außerhalb des Privatkundengeschäfts
6.348
Außerhalb des Privatkundengeschäfts ist die Bank generell befugt, die Höhe der Zinsen und der Entgelte nach ihrem billigen Ermessen gemäß § 315 BGB festzusetzen, wenn hierüber keine Vereinbarungen mit dem Kunden getroffen worden sind und gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen (Nr. 12 Abs. 2 AGB). Wie für das Privatkundengeschäft ist auch in diesen Fällen Voraussetzung für die Vergütungspflicht, dass die Bank einen Auftrag ausgeführt hat oder das Tätigwerden dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Kunden entsprochen hat. Im Zusammenhang mit der Festsetzung des Entgelts schuldet die Bank eine Abrechnung, in welcher gegenüber dem Kunden die Leistungen und Entgelte im Einzelnen angeführt und näher bestimmt werden2.
6.349
Bei der Festsetzung des Entgelts ist die Bank der Billigkeitskontrolle unterworfen, § 315 Abs. 3 BGB. Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank haben hinsichtlich der Billigkeitskontrolle indizielle Bedeutung3. Durch die Bindung der Bank an den Maßstab der Billigkeit wird letztlich eine etwaige unangemessene Benachteiligung des Kunden vermieden, weshalb die Regelung der Nr. 12 Abs. 2 AGB in AGB-rechtlicher Hinsicht keinen Bedenken begegnet4. Ob eine bankseitige Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, ist am Maßstab der von der Rechtsprechung zu § 315 BGB entwickelten Kriterien zu prüfen5. c) Nicht entgeltfähige Leistungen
6.350
Nach Nr. 12 Abs. 3 AGB wird die Bank kein Entgelt berechnen für eine Leistung, zu deren Erbringung sie kraft Gesetzes oder auf Grund einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist. Selbiges gilt für Leistungen, die die Bank im eigenen Interesse wahrnimmt. Anderes gilt nur, wenn eine Entgelterhebung gesetzlich zulässig ist und die Bepreisung nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung erfolgt (Nr. 12 Abs. 3 letzter Halbsatz AGB). Dieser einschränkende Halbsatz macht deutlich, dass Abs. 3 einer im Gesetz ausnahmsweise zugelassenen Vergütung für die Erfüllung einer Nebenpflicht, wie insbesonde1 2 3 4
Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 683 BGB Rz. 24. Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 12 Rz. 3. Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 54. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 17 Rz. 22; Casper in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und internationalen Bankrecht, § 3 Rz. 70. 5 Siehe hierzu insbesondere die Beispiele aus der Rechtsprechung, angeführt bei Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 287.
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re in bestimmten Fällen im Zahlungsdiensterecht (dazu Rz. 6.383 f.), nicht entgegensteht. Nr. 12 Abs. 3 wurde in die AGB-Neufassung 2009 neu eingefügt. In der Sache handelt es sich hierbei um eine rein vorsorgliche Klarstellung, welche insbesondere mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH1 zur Frage der Zulässigkeit von Entgelten in den AGB-Text aufgenommen wurde. Die Regelung gilt sowohl für das Privatkunden- wie auch für das Firmenkundengeschäft.
6.351
3. AGB-rechtliche Inhaltskontrolle von Entgeltklauseln Entgeltklauseln in Formularverträgen sowie im Preisaushang und Preis- und Leitungsverzeichnis der Bank sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte und von der Bank als Verwenderin einseitig vorgegebene Regelungen und damit selbst Allgemeine Geschäftsbedingungen2. Inwieweit die Bank dem Kunden für einzelne Tätigkeiten formularmäßig ein gesondertes Entgelt in Rechnung stellen kann, hängt daher von der Vereinbarkeit der betreffenden Entgeltklausel mit §§ 305 ff. BGB ab. Vorfrageweise ist daher festzustellen, welche Klauseln als kontrollfähige Regelungen unter die Inhaltskontrolle des AGB-Rechts fallen und welche hiervon ausgenommen sind.
6.352
a) Echte Preisvereinbarung (Preishauptabrede) Nach § 307 Abs. 3 BGB unterliegen solche Klauseln der Kontrolle des AGBRechts, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzende Regelungen zum Inhalt haben. Damit wird ausgesagt, dass das dispositive Recht bei der Inhaltskontrolle von AGB eine Leitbildfunktion hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind von der Inhaltskontrolle echte Preisvereinbarungen (sog. Preishauptabreden) ausgenommen. Dies sind AGB-Klauseln, die Art und Umfang der vertraglich gegenseitig geschuldeten Hauptleistungen unmittelbar regeln, wozu auch Regelungen über die Höhe des Preises der empfangenen Gegenleistung zählen3. Denn nach dem im Bürgerlichen Gesetzbuch geltenden Grundsatz der Privatautonomie können die Vertragsparteien Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei bestimmen4. Preisvereinbarungen für Haupt- und Nebenleistungen im nicht preisregulierten Markt sind weder eine Abweichung noch eine Ergänzung von Rechtsvorschriften und unterliegen daher grundsätzlich nicht der gerichtlichen Inhaltskontrolle5. Denn an 1 Insbesondere BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077; allgemein zu der Rechtsprechung des BGH zu Bankentgelten näher Rz. 6.358 ff. 2 Nobbe, WM 2008, 185. 3 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044 (1046); BGH v. 29.4.2010 – Xa ZR 5/09, WM 2010, 1087 (1088); BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1079); BGH v. 15.7.1997 – XI ZR 269/96, WM 1997, 1663 (1664). 4 BGH v. 8.10.2009 – III ZR 93/09, NJW 2010, 150 (152); BGH v. 30.11.1993 – XI 80/93, WM 1993, 2237 (2238). 5 BGH v. 18.4.2002 – III ZR 199/01, WM 2002, 1355 (1356); BGH v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, WM 1999, 1271 (1272); Pamp, WM 2002, 573 (574).
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deren Stelle kann keine gesetzliche Regelung treten, weshalb insoweit auch ein Kontrollmaßstab für die Gerichte fehlt (vgl. § 306 Abs. 2 BGB)1. § 307 Abs. 3 BGB sichert diese verfassungsrechtlich geschützte Privatautonomie der Vertragsparteien und verhindert eine Preiskontrolle2. Zu dem Kernbereich privatautonomer Gestaltung zählt auch die vertragliche Vereinbarung preisbildender Faktoren, weshalb Klauseln, die den Preis bei Vertragsschluss zwar nicht unmittelbar beziffern, aber die für die Preisermittlung maßgeblichen Bewertungsfaktoren sowie das dabei anwendbare Verfahren festlegen, ebenso von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind3. Es handelt sich dabei um eine gesetzgeberische Grundentscheidung, die anerkennt, dass sich Preise auf funktionierenden Märkten im Wettbewerb bilden4. Die materielle Angemessenheit einer Preishauptabrede in einer Entgeltklausel ist daher außerhalb der Grenze der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und des gesetzlichen Verbotes (§ 134 BGB) regelmäßig zu bejahen.
6.354
Dieser Grundsatz, wonach mittels einer Entgeltklausel der Gegenstand der Hauptleistungspflicht kontrollfrei bepreisbar ist, führt ebenso zur Kontrollfreiheit von Entgeltklauseln für zusätzlich zu der vertraglichen Hauptleistung angebotene Sonderleistungen der Bank, die auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbracht werden und entgeltlich nicht schon vom vertraglichen Grundverhältnis erfasst sind5. Eine solche gesondert bepreisbare Leistung stellt nach dem BGH beispielsweise die Zurverfügungstellung von Geldautomaten für Barverfügungen dar6. Ebenso kann die Ausstellung einer Ersatz-Kreditkarte für eine an den Kunden ausgehändigte und sodann verloren gegangene oder beschädigte Kreditkarte eine Sonderleistung der Bank sein7. Denn mit Überlassung einer funktionstüchtigen Kreditkarte wurde der Anspruch des Kunden auf diese Karte bereits vollständig erfüllt. Auch das Ausstellen eines Ersatzsparbuches ohne Kraftloserklärung ist eine Sonderleistung der Bank8, denn hier geht es ebenfalls nicht um die erstmalige Erfüllung, sondern um eine dieser zeitlich nachgelagerten und davon unabhängigen Zusatzleistung der Bank auf rechtsgeschäftlicher Grundlage. Für die Entgeltlichkeit der Inanspruchnahme solcher Sonderleistungen der Bank fehlt es an
1 Bitter, ZBB 2007, 237 (239); kritisch hierzu Kieninger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 307 BGB Rz. 211. 2 Krüger/Bütter, WM 2005, 673; Stoffels, JZ 2001, 843 (844). 3 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044 (1046 f.). 4 Pieroth/Hartmann, WM 2009, 677 (679). 5 BGH v. 18.4.2002 – III ZR 199/01, WM 2002, 1355 (1356). 6 BGH v. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, WM 1996, 1080 (1082). 7 Pamp, WM 2002, 573 (574); Sonnenhol/Beule, WuB I A 2. Nr. 12 AGB-Banken 1993 1.01; vgl. in diesem Zusammenhang auch OLG Celle v. 4.5.2000 – 13 U 186/99, WM 2000, 2237, wonach eine Entgeltklausel, derzufolge nach kundenfeindlichster Auslegung der Kunde auch bei einem von der Bank zu vertretenden Verlust oder einer von dieser zu vertretenden Beschädigung einer Kreditkarte die Kosten für eine Ersatzkarte trägt, wegen Verstoßes gegen die seinerzeit geltende Regelung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG (heute § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) unwirksam ist; kritisch zu der Auslegung des OLG Celle Sonnenhol/Beule, WuB I A 2. Nr. 12 AGB-Banken 1993 1.01. 8 BGH v. 7.7.1998 – XI ZR 351/97, WM 1998, 1623 (1624).
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gesetzlichen Vorschriften, von denen mit formularmäßigen Entgeltklauseln abgewichen werden könnte. Deshalb kommt auch nach dem BGH eine Überprüfung solcher AGB-Klauseln am Maßstab der §§ 307 bis 309 BGB nicht in Betracht (vgl. § 307 Abs. 3 BGB)1. Jedoch gilt auch für vertraglich vereinbarte Hauptleistungspflichten das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB2. Da der Kunde sein Interesse nur wahren kann, wenn er über die Grunddaten von Preis und Leistung hinreichend informiert ist, ist Transparenz letztlich eine Vorbedingung der Kontrollfreiheit3. Der Verwender von AGB ist hiernach gehalten, die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag möglichst klar und überschaubar darzustellen. Dabei müssen die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für den Kunden so weit erkennbar sein, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann4. Insbesondere dürfen die kundenbelastenden Folgen einer Entgeltklausel nicht verschleiert werden5. Dem AGB-rechtlichen Transparenzgebot können spezialgesetzliche Regelungen einer Transparenzkontrolle vorgehen, die einen Rückgriff auf § 307 Abs. 2 Satz 2 BGB grundsätzlich ausschließen6.
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b) Preisnebenabrede Anders als Preishauptabreden sind in der Terminologie des BGH als sog. Preisnebenabreden solche AGB-Klauseln kontrollfähig, die sich lediglich mittelbar auf Preis und Leistung auswirken und an deren Stelle bei Fehlen einer wirksamen Vertragsregelung dispositives Recht treten kann, das die AGB-mäßig vereinbarte Vergütungspflicht nicht vorsieht7. Danach ist die Inhaltskontrolle einer Preisnebenabrede grundsätzlich möglich. Generell sind Preisnebenabre-
1 BGH v. 7.7.1998 – XI ZR 351/97, WM 1998, 1623 (1624); BGH v. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, WM 1996, 1080 (1082), jeweils zu der Vorgängerregelung des § 8 AGBG, an deren Stelle § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB getreten ist. 2 Nobbe, WM 2008, 185 (186 f.) weist auf die geringe Bedeutung des Transparenzgebots in der Judikatur des BGH zu Bankentgelten hin, wofür der geringe Gerechtigkeitsgehalt dieses Gebots sowie die Anknüpfung an nur formale Kriterien ursächlich seien; Kieninger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 307 BGB Rz. 51; siehe auch Canaris, AcP 200 (2000), 273 (328 f.). 3 Stoffels, JZ 2001, 843 (845, 847 f.). 4 BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237 (1240); BGH v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, WM 1998, 558 (561); vgl. auch BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 23/06, WM 2007, 703 (708). 5 BGH v. 14.4.1992 – XI ZR 196/91, WM 1992, 940 (941 f.); BGH v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, WM 1998, 558 (561). 6 So stellen beispielsweise im Investmentrecht die formalen Transparenzanforderungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 InvG hinsichtlich ihres eigenständigen Bedeutungsgehaltes die alleinigen Transparenzkriterien für die Kontrolle von Vergütungsregelungen einer Kapitalanlagegesellschaft dar, hierzu Fehrenbach/Maetschke, WM 2010, 1149 (1552 f.). 7 BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044 (1047); BGH v. 30.11.1993 – XI 80/93, WM 1993, 2237 (2238); BGH v. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, WM 1996, 1080 (1080 f.); BGH v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, WM 1999, 1271 (1272); BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, WM 1999, 2545.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
den nach der Rechtsprechung des BGH Entgeltregelungen für Leistungen, welche die Bank auch ohne eine entsprechende Vereinbarung mit dem Kunden erbringen muss, ohne hierfür eine besondere Vergütung beanspruchen zu können. So begründen Entgeltregelungen in AGB, welche Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders oder für Tätigkeiten in dessen eigenem Interesse auf den Kunden abwälzen, grundsätzlich eine kontrollfähige Abweichung von Rechtsvorschriften1.
6.357
Für die im Rahmen einer Prüfung nach § 307 Abs. 3 BGB maßgeblichen Rechtsvorschriften, von denen eine Preisnebenabrede nicht abweichen darf, ist im Ergebnis von einem weiten Begriffsverständnis auszugehen2. Hierzu zählen neben dem positiven Gesetzesrecht auch allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze sowie das durch die Rechtsprechung gesetzte Richterrecht; bei Vertragstypen, die gesetzlich nicht geregelt sind, ist auf die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien abzustellen, die sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder aus der Natur des betreffenden Schuldverhältnisses ergeben3.
6.358
In der Rechtsprechung des BGH haben sich im Zusammenhang mit der Kontrolle der materiellen Angemessenheit Fallgruppen herausgebildet4, deren Grundzüge nachstehend kurz skizziert werden sollen. Dem BGH zufolge darf keine Bepreisung von Arbeiten und Aufwendungen erfolgen, die keine Dienstleistung für den Kunden darstellen, sondern im Eigeninteresse des AGB-Verwenders erfolgen. Hierzu zählen beispielsweise Entgelte für die Nichtausführung und Rückgabe von Überweisungs- oder Daueraufträgen oder Scheckanweisungen mangels hinreichender Kontodeckung5. Denn die unterbliebene Ausführung eines Kundenauftrages ist nach dem BGH keine Leistung, die die Bank ihrem Kunden gegenüber erbringt6. Von dieser Fallgruppe werden generell solche Tätigkeiten der Bank erfasst, die die Bank ausschließlich im eigenen Interesse vornimmt. Aus diesem Grund ist auch eine Preisklausel für die Bearbeitung von Kontenpfändungen unzulässig7.
6.359
Unzulässig ist ebenso die Bepreisung von Arbeiten und Aufwendungen der Bank, die sie zur Erfüllung ihrer eigenen unselbständigen vertraglichen Nebenpflichten erbringt. Ein vertragsgemäßes Verhalten einer Vertragspartei, wie zB im Falle der Benachrichtigung des Kontoinhabers bei einer Nichteinlösung 1 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1079); BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, WM 2005, 272 (273); OLG Celle v. 7.11.2007 – 3 U 152/07, WM 2008, 1213 (1214.); Pamp, WM 2002, 573 (574). 2 Nobbe, WM 2008, 185 (186 f.). 3 BGH v. 9.4.2002 – XI ZR 245/01, WM 2002, 1006 ff.; BGH v. 10.12.1992 – I ZR 186/90, WM 1993, 960 (962); Kieninger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 307 BGB Rz. 7. 4 Für eine umfassende Darstellung der richterrechtlichen Systematik siehe Nobbe, WM 2008, 185 (187 ff.). 5 BGH v. 21.10.1997 – XI ZR 5/97, WM 1997, 2298 ff.; OLG Celle v. 7.11.2007 – 3 U 152/07, WM 2008, 1213 (1215 f.). 6 Eine Leistung der Bank in diesen Fällen bejaht hingegen überzeugend Canaris, AcP 200 (2000), 273 (341). 7 BGH v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, WM 1999, 1271.
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einer Lastschrift mangels Kontodeckung oder bei Pfändung seines Kontos, vermag eine besondere Entgeltpflicht daher nicht zu begründen1. Arbeiten und Aufwendungen darf die Bank nach Ansicht des BGH auch nicht gesondert bepreisen, wenn sie zur Erfüllung eigener gesetzlicher Pflichten tätig wird. Denn Arbeiten zur Erfüllung eigener gesetzlicher Verpflichtungen erfolgen nach der Wertung des Gesetzes im eigenen Interesse2. Dies trifft beispielsweise zu auf die Verwaltung von Freistellungsaufträgen und die Abführung der Steuer auf Kapitaleinkünfte3 oder die Übertragung von verwahrten Wertpapieren in ein anderes Depot4, welche auch bei einer fortbestehenden Geschäftsverbindung der Erfüllung des gesetzlichen Herausgabeanspruchs des Kunden nach den Regelungen des DepotG bzw. §§ 695 Satz 1, 985 BGB dient. Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung für die Kosten für die von einer Bausparkasse im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben der Kreditvergabe und -absicherung vorzunehmenden Beleihungswertermittlung, soweit kein gesetzlicher Erstattungsanspruch besteht5.
6.360
Eine weitere Fallgruppe bilden Entgeltklauseln, welche eine zeitanteilige Erstattung eines nach einem bestimmten Zeitraum bemessenen Entgelts, wie zB ein jährlich im Voraus zu entrichtendes Nutzungsentgelt für eine Kreditkarte, bei einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages ausschließen. Solche Klauseln sind wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 7 lit. a und lit. b BGB unzulässig. Bei Auflösung eines Dienst- wie auch eines Geschäftsbesorgungsvertrages muss das Äquivalenzverhältnis zwischen der tatsächlich erbrachten Dienstleistung und der gezahlten Vergütung gewahrt bleiben (vgl. § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB), weshalb ein Vertragspartner eine bereits im Voraus erhaltene, nicht erfolgsabhängige Vergütung bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung nicht im vollen Umfang behalten darf6.
6.361
Schließlich sind Entgeltklauseln unzulässig, die dem Kunden eine Haftung ohne Verschulden auferlegen, wie beispielsweise im Falle einer verschuldensunabhängigen Belastung eines Entgelts für Rücklastschriften7.
6.362
Kritikwürdig ist die Rechtsprechung des BGH insoweit, als diese die Anwendung des Verursacherprinzips in Form einer verursachergerechten Verteilung der entstehenden Kosten nicht zulässt und auf diese Weise grundsätzlich zu einer Quersubventionierung der kostenverursachenden Kunden durch die kos-
6.363
1 BGH v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, WM 2001, 563 (564 ff.). 2 BGH v. 7.5.1991 – XI ZR 244/90, WM 1991, 1113 (1114). 3 BGH v. 15.7.1997 – XI ZR 269/96, WM 1997, 1663 (1664 f.); aA Canaris, AcP 200 (2000), 273 (342). 4 BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, WM 2005, 272 (273). 5 LG Stuttgart v. 24.4.2007 – 20 O 9/07, WM 2007, 1930 (1931); Anknüpfungspunkte sind hierbei die in § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BausparkG enthaltenen Regelungen bezüglich der Pflicht zur Darlehensabsicherung über Grundpfandrechte und die Beleihungsgrenzen, die im öffentlichen Interesse bestehen. Hierzu näher Jungmann, WuB IV C. § 307 BGB 1.08; Vortmann, EWiR 2007, 453 f. 6 OLG Frankfurt a.M. v. 14.12.2000 – 1 U 108/99, WM 2001, 987. 7 BGH v. 9.4.2002 – XI ZR 245/01, WM 2002, 1006 ff.
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tensparenden Kunden führen kann1. Dies wird beispielsweise an den praktischen Folgen der Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit von Entgelten für die Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen 2 deutlich. Denn die hierfür anfallenden Kosten werden regelmäßig in das Kontoführungsentgelt eingepreist, welches somit auch die Kunden zu tragen haben, die diese Kosten mangels Pfändungsmaßnahmen faktisch nicht verursachen3. Ein für Einzelkunden oder bestimmte Kundengruppen größerer Aufwand kann aber bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze des BGH in der Preispolitik der Bank nicht hinreichend berücksichtigt werden4. Damit kann auch nicht den Aspekten der Verteilungsgerechtigkeit im Verhältnis der Kunden untereinander wie auch der Austauschgerechtigkeit im Verhältnis zwischen Bank und Kunde entsprochen werden5.
6.364
Die von der Rechtsprechung vorgenommene Unterscheidung zwischen Preishaupt- und Preisnebenabrede ist ein im konkreten Anwendungsfall wenig trennscharfer Grundsatz, der in besonderen Konstellationen durchbrochen werden kann. Dies macht die Rechtsprechung wenig kalkulierbar6. So hat der BGH insbesondere in seiner Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer AGBKlausel, welche auch bei Nichtzuteilung von Aktien aus einer Neuemission ein Zeichnungsentgelt vorsieht7, ausgeführt, dass nicht jede Abweichung einer AGB-Klausel vom dispositiven Recht – im zugrunde liegenden Fall von § 396 Abs. 2 HGB – deren Unwirksamkeit begründet. Vielmehr müsse die betreffende Entgeltklausel den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen gemäß § 307 Abs. 2 BGB benachteiligen, was wiederum lediglich im Zweifel anzunehmen und auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung der berechtigten Interessen aller Beteiligten zu ermitteln sei8. Damit ist im Ergebnis eine weitere Kategorie, die unschädliche Abweichung vom dispositiven Recht, gegeben. c) Abgrenzungsfragen
6.365
Die Abgrenzung zwischen Preishaupt- und Preisnebenabreden begegnet in der Bankpraxis nicht selten Schwierigkeiten9. Ob eine Preishauptabrede oder eine
1 Hierzu näher Bitter, ZBB 2007, 237 (240 ff.); Canaris, AcP 200 (2000), 273 (339 f.); aA Nobbe, WuB IV C. § 307 BGB 1.10; Nobbe, WM 2008, 185 (187). 2 BGH v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, WM 1999, 1271. 3 Bitter, ZBB 2007, 237 (243 f.); Bitter, ZIP 2008, 2155 (2157); Bitter, ZIP 2008, 1095; von Reimer/Kiethe, BKR 2009, 350 (351) werden entsprechend einem Rating und in Anlehnung an die Versicherungswirtschaft Risikozuschläge für Kunden erwogen, die in der Vergangenheit bereits hohe Kosten verursacht haben. 4 Vgl. hierzu auch Steppeler, WM 2001, 1176 (1191 f.). 5 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (340). 6 Roller, BKR 2008, 221 (226). 7 BGH v. 28.1.2003 – XI ZR 156/02, WM 2003, 673. 8 BGH v. 28.1.2003 – XI ZR 156/02, WM 2003, 673 (674 f.). 9 Krüger/Büttner, WM 2005, 673 (674); Haertlein/Thümmler, ZIP 2009, 1197 (1199); kritisch zu der Differenzierung von Preishaupt- und Preisnebenabrede Horn, WM 1997, Sonderbeilage Nr. 1, 12; vgl. auch Steppeler, WM 2001, 1176 (1177), wonach von
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Preisnebenabrede vorliegt, beurteilt sich zunächst unabhängig davon, ob das betreffende Entgelt als Preis in einem AGB-mäßigen Regelwerk ausgewiesen ist, welches wie der Preisaushang oder das Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank Preise für Einzelleistungen im Rahmen einer Geschäftsbeziehung festlegt1. Der bloße Ausweis einer Entgeltklausel in einem solchen Preisverzeichnis macht eine Preisklausel nicht zu einem kontrollfreien unselbständigen Bestandteil einer Absprache eines Gesamtpreises2. Im Ergebnis lassen sich lediglich als Grundsatz und Hauptmerkmal der Rechtsprechung des BGH vereinfachend festhalten, dass der Verwender von AGB nur für solche Leistungen ein Entgelt verlangen kann, die auf vertraglicher Grundlage erbracht werden3. Ob die Voraussetzungen dieser sog. Leistungs-Rechtsprechung erfüllt sind, kann die Bank als AGB-Verwenderin jedoch nicht selbst durch Allgemeine Geschäftsbedingungen festlegen4. Der Begriff der Preisnebenabrede, an deren Stelle bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung Rechtsvorschriften iS des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB treten, dient vornehmlich der Abgrenzung zu kontrollfreien echten Preisvereinbarungen für Haupt- und Nebenleistungen5. Letztlich soll die Inhaltskontrolle von Preisnebenabreden iS des BGH den Kunden davor schützen, dass er neben einem (insbesondere günstig ausgewiesenen) Hauptpreis nachträglich während der Vertragsdauer weitere Nebenentgelte für vertragliche, vom Hauptpreis bereits erfasste Nebenleistungen bezahlen muss, die er bei seiner Entscheidung für den Vertragsabschluss nicht berücksichtigt hat und dies im Verlauf des auf Dauer angelegten Vertragsverhältnisses zu einer nachträglichen Erhöhung des Ursprungspreises zu seinen Lasten führt6. Mit der Leistungs-Rechtsprechung des BGH lassen sich jedoch nicht sämtliche Konstellationen lösen, weil nicht in allen Fällen eine Kategorisierung in Leistung und Gegenleistung möglich ist. So kann ein Aufnahmeentgelt oder Entgelt für den Abschluss eines Vertrages unter Wahrung der Grenzen der §§ 134, 138 BGB grundsätzlich frei vereinbart werden. Es handelt sich dabei um eine kontrollfreie echte Preisvereinbarung. Dies trifft beispielsweise auf das Abschlussentgelt für einen Bausparvertrag zu. Im Ergebnis steht der Charakter eines Eintritts- oder Aufnahmeentgelts bei Vertragsabschluss einer Einordnung unter die Begriffe von Leistung und Gegenleistung entgegen7. Der
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einer Preisnebenabrede stets dann ausgegangen werden könne, „wenn der Gegenstand der Entgelt-Regelung einen Sachverhalt betrifft, der sich bereits aus dem gesetzlichen Vertragsleitbild bzw. anderweitigen gesetzlichen Regelungen ergibt bzw. danach beurteilen lässt“. Roller, BKR 2008, 221 (226). BGH v. 18.4.2002 – III ZR 199/01, WM 2002, 1355 (1356); BGH v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, WM 1999, 1271 (1272); BGH v. 15.7.1997 – XI ZR 269/96, WM 1997, 1663 (1664). Pamp, WM 2002, 573 (574); Nobbe, WM 2008, 185 (186). Nobbe, WM 2008, 185 (186). Nobbe, WM 2008, 185 (186). Lentz, BKR 2009, 214; vgl. auch Bitter, ZBB 2007, 237 (242). Habersack, WM 2008, 1857 (1861); Lentz, BKR 2009, 214; Wallner, BB 2009, 1152 (1153); aA Nobbe, WuB IV C. § 307 BGB 1.10; zu den verfassungsrechtlichen Beden-
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Vertragsabschluss als solcher ist per se keine Dienstleistung oder sonstige Leistung für den Kunden, sondern beruht stets auf einem freien und autonomen Willensentschluss der Vertragsparteien1. Diese können die im Zusammenhang mit einem Vertragsabschluss anfallenden Kosten als ein Aufnahmeoder Eintrittsgeld, beispielsweise in ein Bausparsystem2 oder in eine Versichertengemeinschaft, in Wahrnehmung ihrer Privatautonomie frei vereinbaren3. Denn einen Rechtsanspruch auf einen Vertragsabschluss gibt es nicht4. Außerhalb eines gesetzlichen Kontrahierungszwangs sind aber die Bedingungen, von denen eine Vertragspartei einen Vertragsabschluss abhängig macht, gerichtlich nicht überprüfbar5. In diesem Sinne ist die Vereinbarung eines Abschlussentgelts, welches letztlich eine Bedingung für den Abschluss des Vertrages ist, Ausfluss einer privatautonomen Selbstregulierung6 bereits zu Beginn des Vertragsverlaufs, soweit das Abschlussentgelt in den formularmäßigen Regelungen transparent ausgewiesen und somit in die Entscheidung des Kunden, den angebotenen Vertrag zu den erkennbaren Konditionen abzuschließen, einbezogen ist7. Es muss daher durch einen transparenten Ausweis des betreffenden Preises sichergestellt sein, dass dem Kunden der Preis bereits vor Vertragsabschluss bekannt ist8. In diesem Fall vermag der Kunde sein Interesse an einem angemessenen und marktgerechten Preis selbst zu wahren9.
6.367
Für eine echte Preisvereinbarung ist es unschädlich, wenn der Preis aufgespalten ist. Denn die Vertragsparteien sind hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Preisgefüges frei, zwischen einem Pauschalentgelt und Einzelpreisen
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ken gegen eine etwaige AGB-rechtliche Unzulässigkeit einer Abschlussgebühr im Zusammenhang mit der richterlichen Preiskontrolle Pieroth/Hartmann, WM 2009, 677 ff. LG Heilbronn v. 12.3.2009 – 6 O 341/08, WM 2009, 603 (605); Lentz, BB 2010, 598 (599). Vgl. hierzu auch OLG Hamm v. 1.2.2010 – I-31 U 130/09, WM 2010, 702 (703). Habersack, WM 2008, 1857 (1861); Frey/Schindele, ZfIR 2010, 176 (177); zur Abgrenzung des Abschlussentgelts zu Zuwendungen siehe Roller, BKR 2008, 221 (222). Hoeren, EWiR 2009, 261 (262). Wallner, BB 2009, 1152 (1153). Siehe hierzu näher Pieroth/Hartmann, WM 2009, 677 (681 f.). In der ausschließlichen Anknüpfung an den Tatbestand des Vertragsabschlusses selbst liegt letztlich auch ein maßgeblicher Unterschied zu den vom BGH entschiedenen Fällen, denen die (unzulässige) Erhebung eines Entgelts für im Laufe eines bestehenden Vertragsverhältnisses ausgeführte Tätigkeiten in Erfüllung einer unselbständigen vertraglichen Nebenpflicht zugrunde lag, die der Kunde bei Vertragsabschluss nicht in jedem Fall berücksichtigt, zB Entgelt für die Benachrichtigung des Kontoinhabers über die Nichteinlösung von Schecks und Lastschriften sowie über die Nichtausführung von Überweisungen und Daueraufträgen, BGH v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, WM 2001, 563 ff. So beispielsweise der eindeutige Ausweis der Abschlussgebühr für Bausparverträge in den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge der privaten Bausparkassen (ABB), siehe Musterbedingungen bei Schäfer/Cirpka/Zehnder, Bausparkassengesetz und Bausparkassenverordnung, 5. Aufl. 1999, Anh. 19. BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, WM 1990, 1367 f.; Stoffels, JZ 2001, 843 (845, 847 f.).
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oder einer Kombination zwischen beidem zu wählen1. Der Anbieter ist nicht verpflichtet, sämtliche Kalkulationsgrößen in einem nicht aufgeschlüsselten Preis wiederzugeben. Daher gilt die Kontrollfreiheit auch dann, wenn ein Gesamtpreis in einzelne Teilleistungen oder Leistungselemente, die gemeinsam die Hauptleistung darstellen, aufgeteilt ist2. Auch obliegt es der kontrollfreien Parteivereinbarung über die Hauptleistungen des Vertrages, welche dieser Leistungen mit welchem (Teil-)Entgelt vergütet sein sollen3. Anders gewendet: die bloße Aufschlüsselung eines Gesamtpreises in einzelne Entgeltkomponenten lässt aus einer kontrollfreien Entgeltklausel grundsätzlich keine kontrollfähige Preisnebenabrede entstehen4. Die Grenze einer zulässigen Aufspaltung wird jedoch in der vollständigen Verschleierung des Gesamtpreises zu sehen sein, die dem Kunden eine freie informierte Entscheidung für oder gegen den Vertragsschluss nicht mehr ermöglicht. Ebenso unzulässig ist eine Preisaufspaltung, wenn diese dazu dienen soll, eine nicht geschuldete Vergütung zu fordern, weil die betreffende Tätigkeit auf Grund vertraglicher Nebenpflichten oder wegen einer gesetzlichen Verpflichtung ohnehin geschuldet wird. Nach den vorgenannten Grundsätzen zur Kontrollfreiheit einer echten Preisabrede ist auch ein Bearbeitungsentgelt für ein Darlehen eine kontrollfreie Entgeltvereinbarung5. Auch hier handelt es sich um eine zulässige freie Preisgestaltung als Ausfluss der Vertragsfreiheit, wonach eine Aufteilung des Preises in eine offen ausgewiesene Einmalzahlung bei Vertragsabschluss sowie zusätzliche laufende Zahlungen möglich ist6.
6.368
Demgegenüber ist nach den Grundätzen der Leistungs-Rechtsprechung des BGH für die Zulässigkeit eines Abschlussentgelts im Ergebnis maßgebend, ob dem betreffenden Entgelt eine angemessene Gegenleistung gegenübersteht, die eine unangemessene Benachteiligung des Kunden ausschließt7. Denn nur
6.369
1 OLG Stuttgart v. 3.12.2009 – 2 U 30/09, WM 2010, 705 (706); Pieroth/Hartmann, WM 2009, 677 (682); Bitter, ZIP 2008, 1095; siehe auch Coester in Staudinger, Neubearb. 2006, § 307 BGB Rz. 329. 2 Stoffels, JZ 2001, 843 (849); Cahn, WM 2010, 1197 (1203); siehe auch BGH v. 30.11.2000 – III ZR 151/00, WM 2001, 377 (377 f.); Fehrenbach/Maetschke, WM 2010, 1149 (1151) für die zusätzliche Verwaltungsvergütung für die Kapitalanlagegesellschaft von offenen Immobilienfonds. 3 ZB pauschales Kontoführungsentgelt neben jeweils gesonderten Einzelentgelten für eine kontobezogene Auftragsausführung, siehe auch Cahn, WM 2010, 1997 (1201). 4 Siehe hierzu auch Haertlein/Thümmler, ZIP 2009, 1197 (1202). 5 OLG Celle v. 2.2.2010 – 109/09, WM 2010, 355 (356); LG Berlin v. 23.2.2010 – 15 O 102/ 10, WM 2010, 709; LG Hamburg v. 22.5.2009 – 324 O 777/08, WM 2009, 1315 (1318); für eine Darlehensgebühr für ein Bauspardarlehen aus einem Bausparvertrag LG Dortmund v. 15.5.2009 – 8 O 319/08, juris Rz. 24, sowie nachgehend OLG Hamm v. 1.2.2010 – I-31 U 130/09, WM 2010, 702 (705) für eine Agio-Klausel eines Bauspardarlehens. 6 S. auch Batereau, WuB IV C. § 307 BGB 3.09; Bitter, ZIP 2008, 1095; Bitter, ZIP 2008, 2155 (2157 f.); so auch Cahn, WM 2010, 1197 (1203) am Beispiel der Aufspaltung der Vergütung für einen Überziehungskredit in Überziehungszins und pauschales Überziehungsentgelt; aA Nobbe, WuB IV C. § 307 BGB 1.10. 7 Vgl. auch OLG Stuttgart v. 3.12.2009 – 2 U 30/09, WM 2010, 705 (706), den Instanzgerichten (LG Heilbronn v. 12.3.2009 – 6 O 341/08, WM 2009, 603; LG Hamburg v. 22.5.2009 – 324 O 777/08, WM 2009, 1315) folgend.
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wenn die in einer Preisklausel festgesetzte Leistung ein vom AGB-Verwender kalkulierter Teil der Gegenleistung des Kunden und somit ein vereinbarter Teil eines einheitlichen Vertragsgefüges aus Leistung und Gegenleistung ist, liegt dem BGH zufolge eine kontrollfreie Preisabrede vor. Hiernach muss das Aufnahmeentgelt letztlich Teil des Gesamtentgelts für eine Gesamtheit von Gegenleistungen sein1. Dabei ist die tatsächliche Mittelverwendung nicht maßgeblich, entscheidend ist vielmehr, dass der Kunde für den bezahlten Preis eine echte Gegenleistung erhält2. Beispielsweise erhält der Kunde im Falle der Abschlussgebühr für einen Bausparvertrag als im Synallagma stehende Gegenleistung die Aufnahme in das auf längere Dauer angelegte Kollektiv der Bauspargemeinschaft3 sowie die Option zum späteren Abschluss eines wohnungswirtschaftlich zu verwendenden Darlehens zu einem festen Zinssatz, welcher bereits bei Abschluss des Bausparvertrages feststeht4. Das Bearbeitungsentgelt für ein Darlehen ist neben dem Darlehenszins ein Teil der frei vereinbarten Vergütung für die Zurverfügungstellung des Darlehens5. Zudem wird damit die kundenindividuelle Bonitätsprüfung des Kreditnehmers abgegolten, welche eine Dienstleistung für den Kunden darstellt. Denn damit werden zugleich die konkreten Darlehenskonditionen wie insbesondere Laufzeit und eine risikoadäquate Verzinsung ermittelt6. Ohne diese kundenindividuelle Bonitätsprüfung käme – regelmäßig zum Nachteil von Kunden mit guter Bonität – grundsätzlich nur eine Kreditvergabe nach generalisierten Maßstäben in Betracht7. Entsprechendes gilt für die Ermittlung des Wertes von Sicherheiten, da diese Prüfung ebenso Einfluss auf die Beurteilung des Risikos und damit auf die konkreten Darlehenskonditionen hat8.
1 Vgl. beispielsweise für die Abschlussgebühr eines Bausparvertrages Schäfer/Cirpka/ Zehnder, Bausparkassengesetz und Bausparkassenverordnung, 5. Aufl. 1999, § 5 BSpkG Anm. 31; OLG Stuttgart v. 3.12.2009 – 2 U 30/09, WM 2010, 705 (706); OLG Hamm v. 1.2.2010 – I-31 U 130/09, WM 2010, 702 (702 f.). 2 Haertlein/Thümmler, EWiR 2010, 71 (72). 3 OLG Hamm v. 1.2.2010 – I-31 U 130/09, WM 2010, 702 (703); Frey/Schindele, ZfIR 2010, 176 (177); Nobbe, WuB IV C. § 307 BGB 1.10; Hoeren, EWiR 2009, 261 (262); Batereau, WuB IV C. § 307 BGB 3.09. 4 Haertlein/Thümmler, ZIP 2009, 1197 (1199, 1202); Haertlein/Thümmler, EWiR 2010, 71 (72: Entgelt als „Optionsprämie“); Nobbe, WuB IV C. § 307 BGB 1.10; siehe auch Krepold, BKR 2010, 108 (109 f.); Wallner, BB 2009, 1152 (1153). 5 LG Berlin v. 23.2.2010 – 15 O 102/10, WM 2010, 709. 6 OLG Celle v. 2.2.2010 – 3 W 109/09, WM 2010, 355 (356); zustimmend Cahn, WM 2010, 1197 (1203); aA Nobbe, WM 2008, 185 (193); LG Frankfurt a.M. v. 13.5.2009 – 2-02 O 3/09, ZIP 2010, 1993 (1994). 7 So auch Cahn, WM 2010, 1197 (1203) für ein AGB-mäßiges Entgelt für eine Kontoüberziehung. 8 Cahn, WM 2010, 1197 (1202), vgl. hingegen OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – I-6 U 17/ 09, WM 2010, 215 (216 f.).
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4. Änderung von Zinsen und Entgelten a) Allgemeine Grundsätze Für die Gestaltung langfristiger Leistungsbeziehungen ist ein Preisanpassungsmechanismus ein unverzichtbares Instrument1. Dies gilt auch für Verträge mit Banken, die eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung mit ihren Kunden darstellen. Von der Rechtsprechung wird anerkannt, dass Preisanpassungs- oder -änderungsklauseln dazu geeignet sind, das Gleichgewicht von Preis und Leistung bei langfristigen Verträgen zu wahren2. Denn ein Preisanpassungsrecht bewahrt den Verwender vor Einbußen, indem etwaige Kostensteigerungen zum Zwecke der Gewinnerhaltung an den Kunden weitergegeben werden können, und den Kunden davor, dass der Verwender eine etwaige spätere Kostenerhöhung bereits bei Vertragsschluss einkalkuliert3. So haben die Banken ein berechtigtes Interesse, bei langfristigen Verträgen einen veränderlichen Preis oder Zins zu vereinbaren und beispielsweise ihre Kreditzinssätze den veränderlichen Gegebenheiten des Kapitalmarktes auch bei bestehenden Verträgen anzupassen4.
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Gleichwohl unterliegen auch Preisänderungs- sowie Zinsänderungsvorbehalte der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle5. Eine Preisanpassungsklausel darf es der Bank nicht ermöglichen, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den ursprünglich vereinbarten Preis ohne Begrenzung zu erhöhen und auf diese Weise einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen6. Ebenso ist eine Preisanpassungsklausel wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden unwirksam, welche die Bank nur berechtigt, Kostensteigerungen an den Kunden weiterzureichen, ohne gleichzeitig verpflichtet zu sein, bei sinkenden eigenen Kosten den Preis für den Kunden ohne Ermessen entsprechend herabzusetzen7. Denn dadurch könnte die Bank das ursprünglich vereinbarte vertragliche Äquivalenzverhältnis zu ihren Gunsten einseitig verän-
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1 Borges, DB 2006, 1199. 2 BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 326/08, WM 2010, 1037 (1043); BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1080); BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, WM 2007, 2202 (2204). 3 BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 326/08, WM 2010, 1038 (1043); BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044 (1048). 4 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1080); BGH v. 4.12.1990 – XI ZR 340/89, WM 1991, 179 (181). 5 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1079); BGH v. 21.9.2005 – VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335 (2336 ff.); Kessel/Schwedler, BB 2010, 585 (586). 6 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1080) zu Nr. 17 Abs. 2 Satz 1 AGBSparkassen aF, wonach mangels anderweitiger Vereinbarung Entgelte im Privat- und Geschäftskundenbereich unter Berücksichtigung der Marktlage und des Aufwandes nach gemäß § 315 BGB nachprüfbarem Ermessen festgelegt und geändert werden; siehe auch BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044 (1049); BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 326/08, WM 2010, 1038 (1043). 7 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1080); siehe auch BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, WM 2010, 228 (230) sowie BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 (483).
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dern. Eine Preisanpassungsklausel muss aber das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahren1. Demzufolge muss das Recht des Klauselverwenders zu einer Preisanpassung mit einer Pflicht zu einer Preissenkung zu Gunsten des Kunden einher gehen2.
6.372
Diese Maßstäbe gelten nach der Rechtsprechung auch für ein einseitiges Zinsanpassungsrecht der Bank, da dieses nur eine spezielle Ausprägung des Preisanpassungsrechts darstellt3. Für die Zinsanpassung gelten keine anderen Kriterien als für die Preisanpassung anderer Anbieter von Leistungen, wie zB bei Kauf- und Werkverträgen, weshalb fortan Zinsanpassungsklauseln und sonstige Preisänderungsklauseln den gleichen Voraussetzungen unterstehen. So sind insbesondere hinsichtlich der Transparenz besondere Anforderungen zu beachten, deren Wahrung sicherstellen soll, dass für den Kunden die mögliche künftige Preisentwicklung vorhersehbar und kalkulierbar ist. Zu diesem Zweck müssen Preisanpassungsklauseln eine öffentlich zugängliche Referenzgröße, feste Prüfungsintervalle sowie ggf. eine feste Anpassungsmarge regeln4. Im Ergebnis gilt es, in der Preisanpassungsklausel einen Anpassungsmodus festzuschreiben, der eine einseitige Möglichkeit der Einflussnahme verhindert, für den Kunden transparent ist und die Interessen beider Vertragsparteien gleichberechtigt berücksichtigt5. b) Änderung von Zinsen bei Krediten
6.373
Gemäß Nr. 12 Abs. 4 AGB erfolgt eine Änderung des Zinses bei Krediten mit einem veränderlichen Zinssatz auf Grund der jeweiligen Kreditvereinbarung mit dem Kunden. Die Voraussetzungen und Modalitäten einer Zinsanpassung müssen somit andernorts nach den vorgenannten Grundsätzen geregelt sein. Nr. 12 Abs. 4 AGB selbst enthält keine Zinsanpassungsregelung6. Die Bank muss eine Änderung des Zinssatzes dem Kunden mitteilen, Nr. 12 Abs. 4 Satz 2 AGB. Eine Mitteilungspflicht der Bank besteht hingegen nicht bei Änderungen der Angaben im Preisaushang sowie Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank.
1 BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, WM 2010, 228 (230); BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, WM 2008, 1465 (1467); BGH v. 19.11.2008 – VIII ZR 138/07, WM 2009, 134 (138); BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (936); BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, WM 2010, 1044 (1048). 2 BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 (483); von Westphalen, BB 2009, 1440. 3 BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, WM 2009, 1077 (1080 f. unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; der BGH hatte unbeschränkte Zinsanpassungsklauseln im Kreditgeschäft einschränkend ausgelegt und im Ergebnis nicht beanstandet, BGH v. 6.3.86 – III ZR 195/84, WM 1986, 580). 4 J. Wittig/Hertel, jurisPR-BKR 8/2009, Anm. 1, C.; vgl. auch BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09 – WM 2010, 933 (935 f. für eine Zinsänderungsklausel in einem langfristigen Sparvertrag). 5 Kessel/Schwedler, BB 2010, 585 (590). 6 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 12 Rz. 5; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 288.
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AGB-Banken im Einzelnen
Im Falle einer Erhöhung des Kreditzinssatzes steht dem Kunden, vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen, ein Kündigungsrecht zu, wonach der Kunde den Kreditvertrag innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe der Änderung mit sofortiger Wirkung zu kündigen berechtigt ist1, Nr. 12 Abs. 4 Satz 3 AGB. Nimmt der Kunde dieses Kündigungsrecht wahr, dürfen die erhöhten Zinsen für die gekündigte Kreditvereinbarung nicht zugrundegelegt werden. Für die Abwicklung des kundenseitig gekündigten Vertragsverhältnisses räumt die Bank eine angemessene Frist ein, um damit auf die berechtigten Interessen des Kunden Rücksicht zu nehmen.
6.374
Inhaltlich entspricht Nr. 12 Abs. 4 AGB den bereits vor der AGB-Neufassung 2009 geltenden Regelungen zur Änderung von variablen Zinsen2. Die Änderung von anderen Entgelten ist in Nr. 12 Abs. 5 AGB gesondert geregelt. Das Kündigungsrecht nach Nr. 12 Abs. 4 AGB ist keine Einschränkung der gesetzlichen Vorschriften (§ 489 BGB), sondern als deren Ergänzung zu verstehen.
6.375
c) Änderung von Entgelten im Übrigen Für die Änderung von Entgelten, welche nicht Kreditzinsen betreffen, ist danach zu unterscheiden, ob hiervon eine Einmalleistung der Bank oder eine typischerweise dauerhaft in Anspruch genommene Leistung der Bank betroffen ist. Einmalleistungen der Bank sind solche Geschäftsvorfälle, die Gegenstand eines einzelnen Auftrags an die Bank und in sich abgeschlossen sind3. Das Entgelt für standardisierte Einmalleistungen ergibt sich aus dem Preisaushang sowie dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank. Demgegenüber liegen Dauerleistungen typischerweise Dauerschuldverhältnisse zugrunde, welche die Bank, wie beispielsweise bei der Konto- oder Depotführung, zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet. Auch für Dauerleistungen gelten die in Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank ausgewiesenen Entgelte.
6.376
Daneben wird in Nr. 12 Abs. 5 AGB mit dem Kunden ein Änderungsmodus für die Entgelte von Dauerleistungen vereinbart. Danach werden Änderungen dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Ist mit der Bank ein elektronischer Kommunikationsweg vereinbart, kann das Änderungsangebot der Bank auch auf diesem Wege erfolgen. Die Rechtswirkungen hängen von der Reaktion des Kunden ab. Zeigt der Kunde seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung an, gilt dies nach Nr. 12 Abs. 5 Satz 3 AGB als Zustimmung. Das Widerspruchsrecht des
6.377
1 Vgl. auch BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 (483) sowie BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, WM 2010, 228 (231), wonach ein angemessener Ausgleich der mit einer Preisänderungsklausel verbundenen Nachteile durch ein Kündigungsrecht voraussetzt, dass der Kunde vorab über die berechtigte Preiserhöhung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird. 2 Nr. 12 Abs. 3 Satz 1 und Nr. 12 Abs. 4 AGB aF. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 17 Rz. 17.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Kunden endet somit nicht zwingend mit Ablauf der Zwei-Monats-Frist, sondern mit Ende des Tages, der dem Wirksamwerden der Änderung vorangeht. Der hier in Anlehnung an § 675g Abs. 2 BGB vereinbarte Änderungsmodus entspricht dem in Nr. 1 Abs. 2 AGB geregelten Verfahren zur Änderung von AGB (dazu Rz. 6.93 ff.).
6.378
Die Möglichkeit der Bank zur Änderung ist, wie bei der Änderung von Zinsen nach Nr. 12 Abs. 4 AGB, mit einem Kündigungsrecht des Kunden verbunden. So steht im Falle eines Änderungsangebotes dem Kunden ein auf den von der Änderung betroffenen Vertrag bezogenes fristloses und kostenfreies Kündigungsrecht zu. Übt der Kunde dieses Kündigungsrecht aus, wird das geänderte Entgelt für die gekündigte Geschäftsbeziehung nicht zugrunde gelegt (Nr. 12 Abs. 5 Sätze 6 und 7 AGB).
5. Ersatz von Auslagen
6.379
Die Pflicht des Kunden zum Ersatz von Auslagen ist in Nr. 12 Abs. 6 AGB geregelt. Hiernach darf die Bank dem Kunden solche Auslagen in Rechnung stellen, die anfallen, wenn die Bank im Auftrag des Kunden oder seinem mutmaßlichen Interesse tätig wird. Damit sind zugleich die Grenzen des vertraglichen Aufwendungsersatzanspruchs der Bank gezogen1. Nr. 12 Abs. 6 AGB ist eine Konkretisierung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz nach den §§ 670, 675 BGB. Die Klausel belastet den Kunden somit nur mit solchen Kosten, die er ohnehin nach der gesetzlichen Regelung zu tragen verpflichtet ist. Deshalb bestehen auch in AGB-rechtlicher Hinsicht bzgl. der Angemessenheit keine Bedenken2.
6.380
Bei den Auslagen handelt es sich um Aufwendungen im engeren Sinne, bei denen die Bank selbst eine Geldleistung an Dritte im Auftrag oder im mutmaßlichen Interesse des Kunden erbringt, nicht aber um kalkulatorische Kosten des Geschäftsbetriebs3. Im Übrigen müssen die weiteren Voraussetzungen des Aufwendungsbegriffes iS des § 670 BGB gegeben sein4. Die Bank muss deshalb die Aufwendungen den Umständen nach für erforderlich halten dürfen. Der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab mit subjektivem Einschlag zugrunde zu legen. Die Einschätzung der Bank hinsichtlich der Erforderlichkeit ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn sie ihre Entscheidung nach sorgfältiger und den besonderen Umständen angemessenen Prüfung getroffen hat5. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen6.
6.381
Als Beispiele führt die Klausel Kosten für Ferngespräche und Porti (Satz 1) sowie im Zusammenhang mit Sicherheiten Auslagen für deren Bestellung, 1 2 3 4 5 6
Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 17 Rz. 63. BGH v. 10.11.1988 – III ZR 215/87, WM 1989, 129 (130). Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 57; Merkel, WM 1993, 725 (728). Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 300. Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 670 BGB Rz. 9. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 17 Rz. 64.
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AGB-Banken im Einzelnen
Verwaltung, Freigabe oder Verwertung, insbesondere Notarkosten, Lagergelder und Kosten der Bewachung von Sicherungsgut, an (Satz 2). Die Rechtsprechung hat im Übrigen verschiedene Kosten als Auslagen im Sinne der Nr. 12 Abs. 6 AGB anerkannt. So kann die Bank Kostenersatz verlangen, wenn sie auf Verlangen ihrer Kunden diesen bereits erhaltene Kontounterlagen für zurückliegende Jahre nochmals zur Verfügung stellt1. Im Einzelfall kann dabei ein Vorschussanspruch der Bank gegeben sein2. Zulässig ist auch die Erstattung der der Bank entstandenen Notarkosten für die notarielle Beglaubigung einer Löschungsbewilligung bei der Freigabe einer Grundschuld3. Demgegenüber sind die Kosten eines Rechtstreits, den eine darlehensausreichende Bank gegen einen Bürgen anstrengt, um von diesem ein Pfandrecht zur Sicherung der Bürgschaft zu erlangen, keine Auslagen, wenn diese Art der Geschäftsbesorgung objektiv nicht erforderlich ist4.
6. Besonderheiten bei Verbraucherdarlehensverträgen und Zahlungsdiensteverträgen Nr. 12 Abs. 7 AGB ist erstmals in der AGB-Neufassung 2009 aufgenommen worden. Zweck der Regelung ist es, Verbraucherdarlehensverträge und Zahlungsdiensteverträge mit Verbrauchern für Zahlungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes in Euro oder einer EWR-Währung vom Anwendungsbereich des Nr. 12 auszunehmen. Hiernach richten sich die betreffenden Zinsen und Kosten (Entgelte und Auslagen) nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen und Sonderbedingungen sowie ergänzend nach den gesetzlichen Vorschriften.
6.382
Als gesetzliche Entgeltregelungen im vorgenannten Sinne kommen für das Zahlungsdiensterecht im Zusammenhang mit der Erfüllung gesetzlicher Nebenpflichten für die Belastung des Kunden mit einem Entgelt folgende Rechtsnormen in Betracht. Nach § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB ist eine Vereinbarung über Entgelte für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung eines Zahlungsauftrages zulässig. Gleiches gilt gemäß § 675p Abs. 4 Satz 3 BGB für die Bearbeitung eines Widerrufs eines Zahlungsauftrags nach Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist sowie gemäß § 675y Abs. 3 Satz 3 BGB für die Wiederbeschaffung eines Zahlungsbetrages nach einer fehlerhaften Ausführung wegen einer vom Zahlungsdienstnutzer fehlerhaft angegebenen Kundenkennung. Diese drei Entgelttatbestände sind Ausnahmen von dem in § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB normierten Grundsatz, dass der Zahlungsdienstleister für die Erfüllung seiner gesetzlichen Nebenpflichten im Zusammenhang mit einem Zahlungsdienstevertrag von dem Zahlungsdienstnutzer ein Entgelt nicht beanspruchen darf5. Voraussetzung für einen Anspruch der Bank ist
6.383
1 2 3 4 5
OLG Hamm v. 4.5.1992 – 31 U 186/91, WM 1992, 1100. OLG Hamm v. 4.5.1992 – 31 U 186/91, WM 1992, 1100 (1101). BGH v. 7.5. 1991 – XI ZR 244/90, WM 1991, 1113 (1115). BGH v. 10.11.1988 – III ZR 215/87, WM 1989, 129 (130 f.). Begr. zu § 675f Abs. 4 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 102 f.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
neben der gesetzlichen Zulässigkeit stets eine Entgeltvereinbarung zwischen den Parteien1, welche auch als AGB erfolgen kann2. Das vereinbarte Entgelt muss nach § 675f Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 BGB angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein. Etwaige Fremdaufwendungen der Bank können dabei nicht zusätzlich neben einem Entgelt geltend gemacht werden und sind vom Zahlungsdienstleister ggf. in die Berechnung des vereinbarten Entgelts einzubeziehen3.
6.384
Speziell für die Bepreisung von Informationspflichten gilt § 675d Abs. 3 BGB, wonach Entgeltvereinbarungen zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer im Zusammenhang mit der Erteilung der gesetzlich vorgeschriebenen Unterrichtung des Zahlungsdienstnutzers4 zulässig sind, wenn der Kunde die betreffenden Informationen häufiger, in größerem Umfang oder in anderer Form als gesetzlich vorgesehen gesondert verlangt5. Auch in diesem Fall muss das Entgelt angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein (§ 675d Abs. 3 Satz 2 BGB). Diese Vorschrift kann ein neues gesetzliches Leitbild für die Bepreisung von gesetzlich geschuldeten Nebenpflichten im Falle deren über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden Erfüllung prägen6.
6.385
Die Änderung von Entgelten richtet sich nach § 675g Abs. 1 BGB. Dies bedeutet, dass die Bank den Kunden über eine Preisänderung unterrichten muss. Abweichend von Nr. 12 Abs. 1 AGB ist der bloße Ausweis eines geändertes Entgelts im Preis- und Leistungsverzeichnis und Preisaushang der Bank ohne Information des Kunden nicht ausreichend.
7. AGB-Sparkassen
6.386
Nr. 17 AGB-Sparkassen entspricht weitgehend Nr. 12 AGB-Banken. Die Regelung betreffend Auslagen ist in einer eigenen Klausel in Nr. 18 AGB-Sparkassen enthalten. Bezüglich des Privatkundengeschäfts unterscheidet Nr. 17 AGBSparkassen sprachlich zwischen dem Geschäftsverkehr mit Verbrauchern und außerhalb des Geschäftsverkehrs mit Verbrauchern. Außerhalb des Geschäftsverkehrs mit Verbrauchern bestimmen sich die Zinsen und Entgelte für in Anspruch genommene Kredite und Leistungen nach der getroffenen Vereinbarung, ergänzend nach dem jeweils aktuellen Preis- und Leistungsverzeichnis, Nr. 17 Abs. 2 AGB-Sparkassen. In einem eigenem Absatz regelt Nr. 17 Abs. 3 AGB-Sparkassen ohne Anknüpfung an die Verbraucher-Eigenschaft, dass für 1 Begr. zu § 675o Abs. 1 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 108, zu § 675q Abs. 4 BGB, BTDrucks. 16/11643, S. 109 sowie zu § 675y Abs. 3 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 117. 2 Vor dem Hintergrund der Regelung des § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB lässt sich insoweit an der Rechtsprechung des BGH zur Unzulässigkeit von in AGB erhobenen Entgelten für die Erfüllung von Nebenpflichten nicht mehr festhalten. 3 Begr. zu § 675f Abs. 4 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 103. 4 Informationspflichten bei der Erbringung von Zahlungsdienstleistungen nach Art. 248 §§ 1 bis 16 EGBGB. 5 Siehe auch Begr. zu § 675d Abs. 3 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 100. 6 So auch Reimer/Kiethe, BKR 2009, 350 (351).
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AGB-Banken im Einzelnen
Leistungen ohne eine Entgeltvereinbarung oder ohne einen Ausweis in den Preisverzeichnissen, die im Auftrag des Kunden oder in dessen mutmaßlichem Interesse erbracht werden und die, nach den Umständen zu urteilen, nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind, die Sparkasse ein nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen angemessenen Entgelt verlangen kann (vgl. Nr. 12 Abs. 1 Satz 3 AGB-Banken für das Privatkundengeschäft). Die Besonderheiten bei Verbraucherdarlehensverträgen und bei Zahlungsdienstverträgen mit Verbrauchern sind jeweils in einem eigenen Absatz (Nr. 17 Abs. 7 und 8 AGB-Sparkassen) geregelt. Abweichend von Nr. 12 Abs. 7 AGB-Banken erfolgt in der Regelung für Zahlungsdienstverträge mit Verbrauchern in Nr. 17 Abs. 8 AGB-Sparkassen keine ausdrückliche Einschränkung auf den Europäischen Wirtschaftsraum sowie EWR-Währungen. Für die Änderung von Entgelten bei Zahlungsdienstverträgen mit Verbrauchern wird vorbehaltlich bestehender vertraglicher Vereinbarungen und besonderer Bedingungen auf den Änderungsmodus des Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen verwiesen, der wortgleich Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken entspricht.
6.387
6.388–6.390
Einstweilen frei.
XIII. Nr. 13 AGB-Banken: Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (Merz) 13. Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (1) Anspruch der Bank auf Bestellung von Sicherheiten Die Bank kann für alle Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung die Bestellung bankmäßiger Sicherheiten verlangen, und zwar auch dann, wenn die Ansprüche bedingt sind (zum Beispiel Aufwendungsersatzanspruch wegen der Inanspruchnahme aus einer für den Kunden übernommenen Bürgschaft). Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank übernommen (zum Beispiel als Bürge), so besteht für die Bank ein Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten im Hinblick auf die aus der Haftungsübernahme folgende Schuld jedoch erst ab ihrer Fälligkeit. (2) Veränderung des Risikos Hat die Bank bei der Entstehung von Ansprüchen gegen den Kunden zunächst ganz oder teilweise davon abgesehen, die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten zu verlangen, kann sie auch später noch eine Besicherung fordern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine erhöhte Risikobewertung der Ansprüche gegen den Kunden rechtfertigen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn – sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nachteilig verändert haben oder sich zu verändern drohen, oder – sich die vorhandenen Sicherheiten wertmäßig verschlechtert haben oder zu verschlechtern drohen. Merz
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Der Besicherungsanspruch der Bank besteht nicht, wenn ausdrücklich vereinbart ist, dass der Kunde keine oder ausschließlich im Einzelnen benannte Sicherheiten zu bestellen hat. Bei Verbraucherdarlehensverträgen besteht ein Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nur, soweit die Sicherheiten im Kreditvertrag angegeben sind; wenn der Nettokreditbetrag 75 000,– Euro übersteigt, besteht der Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung auch dann, wenn der Kreditvertrag keine oder keine abschließenden Angaben über Sicherheiten enthält. (3) Fristsetzung für die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten Für die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten wird die Bank eine angemessene Frist einräumen. Beabsichtigt die Bank, von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung nach Nr. 19 Absatz 3 dieser Geschäftsbedingungen Gebrauch zu machen, falls der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nicht fristgerecht nachkommt, wird sie ihn zuvor hierauf hinweisen.
6.391
Die Kreditinstitute haben ein berechtigtes Interesse, sich vor der Nichterfüllung ihrer berechtigten Forderungen aus dem Bankgeschäft zu schützen1. Damit ist auch die AGB-mäßige Verankerung eines Besicherungsanspruchs grundsätzlich gerechtfertigt. Während der originäre Besicherungsanspruch („Bestellung von Sicherheiten“) gemäß Nr. 13 Abs. 1 AGB ohne besonderen Anlass geltend gemacht werden kann, ist nach Nr. 13 Abs. 2 AGB der Nachbesicherungsanspruch („Verstärkung von Sicherheiten“) von einem erhöhten Risiko abhängig, um Bedenken aus der Sicht der Angemessenheitskontrolle (§ 307 BGB) von vornherein auszuschließen2.
1. Originärer Besicherungsanspruch
6.392
Die Bestellung von Sicherheiten kann nur für Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung verlangt werden (Nr. 13 Abs. 1 Satz 1 AGB)3. Ansprüche, die der Bank nur zufällig und ohne inneren Zusammenhang mit dem Geschäftsverkehr erwachsen sind, werden von der Sicherungsklausel nicht 1 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 39/83, NJW 1984, 728; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 304; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 18 Rz. 1; Gößmann in BuB, Rz. 1/359; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 119; Krings, ZBB 1992, 326 (330); Merkel, WM 1993, 725 (729). 2 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 4; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 2; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 261. 3 BGH v. 17.12.1980 – VIII ZR 307/79, NJW 1981, 756; BGH v. 8.5.1987 – V ZR 89/86, BGHZ 101, 29 (34); Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 305; Gößmann in BuB, Rz. 1/366; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 18 Rz. 5; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 119; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 13 AGB-Banken Rz. B 61.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
erfasst. Dies gilt insbesondere für deliktische Ansprüche ohne Bezug zur Geschäftsverbindung1. Die Sicherheitenbestellung kann auch für bedingte Forderungen verlangt werden. Die Besicherungsklausel erwähnt ausdrücklich den auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) wegen der Inanspruchnahme aus einer für den Kunden übernommenen Bürgschaft.
6.393
Im Unterschied zu früheren Fassungen werden die befristeten Forderungen (vgl. § 163 BGB) nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Sie haben nur geringe praktische Bedeutung und fallen zudem unter die in der Sicherungsklausel genannten „Ansprüche“ der Bank2. Nicht erfasst sind dagegen künftige Ansprüche der Bank. Hier ist das Sicherungsinteresse noch zu unbestimmt3.
6.394
Der Anspruch der Bank auf Bestellung von Sicherheiten ist an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft. Anders als der Nachbesicherungsanspruch gemäß Nr. 13 Abs. 2 AGB ist eine nachvertragliche Veränderung des Risikos nicht Voraussetzung für die Geltendmachung des originären Besicherungsanspruchs4.
6.395
a) Erfordernis einer bankmäßigen Sicherheit Die vom Kunden zu bestellende Sicherheit muss „bankmäßig“ sein (Nr. 13 Abs. 1 Satz 1 AGB). Es darf sich also nicht um eine im Bankgeschäft ganz unübliche oder gar um eine für die Bank ungeeignete Sicherheit handeln5. Dies gilt insbesondere für verderbliche Gegenstände. Sofern eine Aufbewahrung durch die Bank nach der Natur der Sicherheit erforderlich ist, muss dies Platz sparend und kostengünstig möglich sein. Im Übrigen kommen nur leicht und rasch verwertbare Vermögenswerte in Betracht („geldnahe Sicherheiten“)6. Für eine bankmäßige Sicherheitsleistung grundsätzlich ungeeignet
1 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 305; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 5; Gößmann in BuB, Rz. 1/366; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 119. 2 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 305; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 5; Gößmann in BuB, Rz. 1/366a; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 265. 3 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 305; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 5; Gößmann in BuB, Rz. 1/366a; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 265. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 18 Rz. 10; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 308; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 4. 5 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 307; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 8; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 266; Gößmann in BuB, Rz. 1/368; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 13 AGB-Banken Rz. B 61. 6 BGH v. 5.10.1989 – III ZR 34/88, NJW 1990, 1356; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 3; Gößmann in BuB, Rz. 1/368; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67.
Merz
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6.396
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
sind deshalb nicht-marktgängige Waren (zB Kunstgegenstände, Unternehmensbeteiligungen). Die Bestellung anderer als bankmäßiger Sicherheiten, auf die die Bank weder einen Anspruch hat noch verpflichtet ist, diese anzunehmen, bleibt allerdings durch Individualvereinbarung möglich1. b) Konkretisierung durch den Bankkunden
6.397
Die Sicherungsklausel gewährt der Bank nach allgemeiner Meinung keinen Anspruch auf Bestellung einer bestimmten Sicherheit, sondern nur einen Anspruch auf bankmäßige Sicherheiten überhaupt2. Der Kunde hat also die freie Wahl zwischen mehreren geeigneten Sicherungsobjekten3. Hierbei handelt es sich nicht um eine Wahlschuld im engeren Wortsinne (§ 262 BGB), sondern um eine Konkretisierung im Sinne der die Sicherheitsleistung regelnden §§ 232 ff. BGB4. c) Keine Überprüfungs- und Aufklärungspflichten der Bank
6.398
Die Bank ist nicht verpflichtet, die Werthaltigkeit einer ihr bestellten Sicherheit zu prüfen. Soweit sie eine solche Prüfung bei einer von einem Dritten bestellten Sicherheit vornimmt, erfolgt diese nur im eigenen und nicht im Kundeninteresse5. Weiterhin besteht auch keine Pflicht der Bank, den Sicherungsgeber ungefragt über den Umfang des Risikos oder die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu unterrichten6.
2. Nachbesicherungsanspruch
6.399
Hat die Bank bei der Entstehung von Ansprüchen gegen den Kunden zunächst ganz oder teilweise davon abgesehen, die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten zu verlangen, kann sie auch später noch eine Besicherung fordern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Umstände (neu) eintreten oder (der Bank) bekannt werden, die eine erhöhte Risikobewertung der Ansprüche 1 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 307; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 9; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67. 2 BGH 18.12.1980 – III ZR 157/78, NJW 1981, 1363; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 14; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 3; Gößmann in BuB, Rz. 1/363; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 312. 3 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 312; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 15; Gößmann in BuB, Rz. 1/363; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 67. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 5; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 15; Gößmann in BuB, Rz. 1/363. 5 Ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH v. 27.5.2008 – XI ZR 132/07, WM 2008, 1260; BGH v. 3.6.2008 – XI ZR 131/07, WM 2008, 1394; zu den Prüfungs- und Aufklärungspflichten der Bank: von Heymann/Merz in Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, S. 212 ff. 6 BGH v. 16.1.1996 – XI ZR 151/95, WM 1996, 475; BGH v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, WM 2006, 377.
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AGB-Banken im Einzelnen
gegen den Kunden rechtfertigen (Nr. 13 Abs. 2 Satz 2 AGB). Die Bank hat aber keinen Anspruch auf eine konkrete Sicherheit, sondern lediglich einen Anspruch auf eine bankmäßige Sicherheit, das heißt, die Auswahl der Sicherheit liegt beim Kunden1. Anstelle die Verstärkung von Sicherheiten durch die Bestellung von neuen Sicherheiten zu verlangen, kann die Bank auch vorhandene Sicherheiten beispielsweise durch Kontensperre aktivieren2. Im Unterschied zum originären Besicherungsanspruch erfordert der Nachsicherungsanspruch also einen besonderen Anlass, der an objektivierte Voraussetzungen geknüpft ist3. Die Nachbesicherungsklausel erwähnt zwei nicht abschließend gemeinte Beispiele, die eine erhöhte Risikobewertung rechtfertigen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nachteilig verändert haben oder sich zu verändern drohen oder sich die vorhandenen Sicherheiten wertmäßig verschlechtert haben oder zu verschlechtern drohen. Die „nachteilige Veränderung“ oder „wertmäßige Verschlechterung“ im Sinne der Nachsicherungsklausel ist von einem schwächeren Grad als die „wesentliche Verschlechterung“ der Vermögenslage des Kunden im Sinne des außerordentlichen Kündigungsrechts der Bank gemäß Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB4. Diese Abstufung ermöglicht es der Bank, im Interesse des Kunden die außerordentliche Kündigung durch Geltendmachung des Nachsicherungsanspruches zu vermeiden5.
6.400
Nicht ausreichend für einen Nachbesicherungsanspruch ist eine Änderung der internen Bewertungsgrundsätze oder eine vorsichtigere Geschäftspolitik der Bank, denn der Nachbesicherungsanspruch knüpft an objektivierte Voraussetzungen an6.
6.401
Damit ist zugleich der Rechtsprechung Rechnung getragen worden, wonach die Bank bei der Geltendmachung ihres Anspruches auf Sicherheitenverstärkung an die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebunden ist7. Treuwidrig ist es, wenn das Verlangen der Bank nach weiteren Sicherheiten zu ihrer Übersicherung führen würde8.
6.402
1 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7. 2 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, WM 2004, 666; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7. 3 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 314; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 20; Gößmann in BuB, Rz. 1/370; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 69; Merkel, WM 1993, 725 (729). 4 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 7; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 314; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 18 Rz. 19; Gößmann in BuB, Rz. 1/371. 5 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 314; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 19; Gößmann in BuB, Rz. 1/371; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 69. 6 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 314; Fuchs in Ulmer/Brandner/ Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 119. 7 BGH 18.12.1980 – III ZR 157/78, NJW 1981, 1363. 8 BGH 18.12.1980 – III ZR 157/78, NJW 1981, 1363. Nach dem OLG Hamm verletzt eine Bank ihre Vertragspflichten gegenüber dem Kunden nicht, wenn sie die Verstär-
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3. Grenzen des Besicherungsanspruchs
6.403
Der Anspruch auf Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten ist in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. a) Vorrang der Individualabrede
6.404
Der Besicherungsanspruch der Bank besteht in den Fällen nicht, in denen ausdrücklich vereinbart worden ist, dass der Kunde keine oder ausschließlich im Einzelnen benannte Sicherheiten zu bestellen hat (Nr. 13 Abs. 2 Satz. 4 AGB). Hierin liegt eine individuelle Vertragsabrede, die Vorrang vor den AGB hat (§ 305b BGB). Für einen solchen Ausschluss des Nachsicherungsanspruchs genügt es freilich nicht, dass im Krediteröffnungsvertrag bestimmte Sicherheiten vorgesehen sind1. Der Abschluss einer bestimmten Sicherungsabrede bedeutet daher grundsätzlich keinen Verzicht auf weitere Sicherheiten. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur für den Fall, in dem die zu stellenden Sicherheiten ausdrücklich abschließend aufgezählt werden2. Denn nach dem BGH besteht für eine Bank ohne besonderen Grund kein Anlass, von vornherein auf die Inanspruchnahme der als Sicherheit geeigneten Vermögenswerte zu verzichten3. Die Sicherungsklausel stellt deshalb klar, dass es für eine Einschränkung des Besicherungsanspruchs einer ausdrücklichen Vereinbarung mit dem Kunden bedarf4. Bei einem vollständigen Ausschluss des Besicherungsanspruchs spricht die Praxis von einem „Blankokredit“5. b) Erlöschen des Besicherungsanspruchs
6.405
Der Besicherungsanspruch der Bank erlischt, wenn der realisierbare Wert der bestellten Sicherheiten die Deckungsgrenze im Sinne einer Sicherungsobergrenze überschreitet. So bestimmen die AGB der Kreditwirtschaft, dass die Bank ihren Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten so lange geltend machen kann, bis der realisierbare Wert aller Sicherheiten dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung entspricht (Nr. 16 Abs. 1 AGB). Der realisierbare Wert einer Sicherheit ist der
1 2 3 4
5
kung von Kreditsicherheiten fordert, obwohl die Voraussetzungen für ein solches Verlangen nicht gegeben ist, soweit unstreitig eine Unterdeckung besteht und solange das Verlangen nicht völlig willkürlich erscheint, OLG Hamm v. 7.5.2001 – 31 U 196/ 00, WM 2001, 2438 (2439); Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 18 Rz. 21. BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 18 Rz. 22 und 27; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 316; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7. BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701. Nach Hopt geht trotz des Wortlautes („ausdrücklich vereinbart“) jede andere, auch konkludente Individualvereinbarung vor, Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7. Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 315; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 26; Gößmann in BuB, Rz. 1/373; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 275; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken Rz. 7; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 13 AGB-Banken Rz. B 62; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 68.
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AGB-Banken im Einzelnen
Betrag, der bei deren Verwertung erlöst wird1. Soweit eine abweichende Deckungsgrenze im Einzelfall vereinbart worden ist, hat diese Sonderabsprache Vorrang (Nr. 16 Abs. 3 AGB). Der Besicherungsanspruch entfällt aber auch, soweit eine Freigabepflicht der Bank besteht. In diesem Fall stünde der Geltendmachung des Besicherungsanspruchs die Arglisteinrede gemäß § 242 BGB entgegen. Dieser Einwand besteht aber nicht in allen Fällen, in denen die bestellten Sicherheiten die vereinbarte Deckungsgrenze überschreiten und damit der Besicherungsanspruch schon nach Nr. 16 Abs. 1 AGB entfällt. Denn nicht jedes Überschreiten dieser Sicherungsobergrenze begründet bereits eine Freigabeverpflichtung der Bank. Der Freigabeanspruch des Kunden setzt vielmehr voraus, dass der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft überschreitet. Die Arglisteinrede kommt also beim Überschreiten der Deckungsgrenze nur in den Fällen zum Tragen, in denen hierdurch zugleich eine Freigabepflicht der Bank begründet wird.
6.406
c) Sonderregelung für Verbraucherkredite Bei Krediten, die unter die Normen der §§ 491 ff. BGB (Verbraucherdarlehensverträge) fallen, besteht ein Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nur, soweit die Sicherheiten im Kreditvertrag angegeben sind (Nr. 13 Abs. 2 Satz 5 AGB). Bei fehlender Angabe über die zu bestellenden Sicherheiten kann eine Sicherheitsleistung nur verlangt oder nachgefordert werden, wenn der Nettokreditbetrag 75 000 Euro übersteigt (§ 494 Abs. 6 BGB). Gleichwohl bestellte Sicherheiten können jedoch nicht nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten heraus verlangt werden2.
6.407
d) Eingeschränkter Besicherungsanspruch gegen Bürgen Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank zB in Gestalt einer Bürgschaft oder Garantie übernommen, so kann die Bank die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten für die aus der Haftungsübernahme folgende Schuld erst ab deren Fälligkeit beanspruchen (Nr. 13 Abs. 1 Satz 2 AGB). Hierdurch wird der BGH-Rechtsprechung Rechnung getragen, wonach der Bürge nach dem gesetzlichen Leitbild die verbürgte Forderung nur persönlich sichern und daher konkrete Vermögenswerte erst aufzuwenden brauchen soll, wenn seine Bürgschaftsverbindlichkeit fällig geworden ist3.
1 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); vgl. hierzu Serick, BB 1998, 801; Roth, JZ 1998, 462. 2 BGH v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07, NJW 2008, 3208 zumindest für Personalsicherheiten (abstraktes Schuldversprechen). 3 BGH v. 11.10.1984 – IX ZR 73/83, NJW 1985, 45; BGH v. 10.11.1988 – II ZR 215/87, NJW 1989, 1284; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 13 AGB-Banken, Rz. 6; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 18 Rz. 17; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 305; Gößmann in BuB, Rz. 1/367; Merkel, WM 1993, 725 (729).
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6.408
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
e) Fristgewährung für die Sicherheitsleistung
6.409
Die Bank hat dem Kunden eine angemessene Frist einzuräumen, um dem Sicherheitenverlangen der Bank Rechnung tragen zu können (Nr. 13 Abs. 3 Satz 1 AGB). Mit dieser Regelung wurde dem Verbot, den Besicherungsanspruch zur Unzeit geltend zu machen, wie auch der Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 242 BGB) Rechnung getragen1. Die Fristdauer bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei in der Regel eine Mindestfrist von sieben (gegenüber Kaufleuten) bis 14 Tagen (gegenüber Privatkunden) ausreichend sein dürfte2.
4. Nichterfüllung des Besicherungsanspruchs als Kündigungsgrund
6.410
Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die eine Laufzeit oder eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart worden ist, fristlos kündigen, wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt (Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 Unterpunkt 3 AGB). Nach der Sicherungsklausel ist eine solche außerordentliche Kündigung aber nur zulässig, wenn die Bank den Kunden zuvor hierauf hinweist (Nr. 13 Abs. 3 Satz 2 AGB). Dieser Hinweis kann mit der Anforderung weiterer Sicherheiten verbunden werden3. Ohne diesen Hinweis ist eine erneute Fristsetzung erforderlich, die freilich kürzer bemessen werden kann4. Die wechselseitigen Verweisungen in Nr. 13 Abs. 3 und Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 Unterpunkt 3 AGB lassen die enge Verknüpfung von Besicherungsanspruch und außerordentlichem Kündigungsrecht der Bank transparent werden.
5. AGB-Sparkassen
6.411
In den AGB-Sparkassen ist nur der Nachbesicherungsanspruch geregelt (Nr. 22 AGB-Sparkassen), da der originäre Besicherungsanspruch als gegeben unterstellt wird5. Die Voraussetzungen für den Nachbesicherungsanspruch entsprechen der Regelung in den AGB-Banken. Im Gegensatz zu den AGB-Banken wird jedoch der Nachbesicherungsanspruch in den AGB-Sparkassen nicht auf bankübliche Sicherheiten beschränkt. Auch fehlt eine Nr. 13 Abs. 3 AGB-Banken entsprechende Regelung.
6.412–6.415
Einstweilen frei.
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 18 Rz. 29. 2 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 317; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 18 Rz. 29; Gößmann in BuB, Rz. 1/377. 3 Gößmann in BuB, Rz. 1/379. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 18 Rz. 31. 5 Gößmann in BuB, Rz. 1/380.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
XIV. Nr. 14 AGB-Banken: Vereinbarung eines Pfandrechts zu Gunsten der Bank (Merz) 14. Vereinbarung eines Pfandrechts zu Gunsten der Bank (1) Einigung über das Pfandrecht Der Kunde und die Bank sind sich darüber einig, dass die Bank ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen erwirbt, an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird. Die Bank erwirbt ein Pfandrecht auch an den Ansprüchen, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen oder künftig zustehen werden (zum Beispiel Kontoguthaben). (2) Gesicherte Ansprüche Das Pfandrecht dient der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der Bank mit ihren sämtlichen in- und ausländischen Geschäftsstellen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kunden zustehen. Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank übernommen (zum Beispiel als Bürge), so sichert das Pfandrecht die aus der Haftungsübernahme folgende Schuld jedoch erst ab ihrer Fälligkeit. (3) Ausnahmen vom Pfandrecht Gelangen Gelder oder andere Werte mit der Maßgabe in die Verfügungsgewalt der Bank, dass sie nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden dürfen (zum Beispiel Bareinzahlung zur Einlösung eines Wechsels), erstreckt sich das Pfandrecht der Bank nicht auf diese Werte. Dasselbe gilt für die von der Bank selbst ausgegebenen Aktien (eigene Aktien) und für die Wertpapiere, die die Bank im Ausland für den Kunden verwahrt. Außerdem erstreckt sich das Pfandrecht nicht auf die von der Bank selbst ausgegebenen eigenen Genussrechte/Genussscheine und nicht auf die verbrieften und nicht verbrieften nachrangigen Verbindlichkeiten der Bank. (4) Zins- und Gewinnanteilscheine Unterliegen dem Pfandrecht der Bank Wertpapiere, ist der Kunde nicht berechtigt, die Herausgabe der zu diesen Papieren gehörenden Zins- und Gewinnanteilscheine zu verlangen. Die AGB-Pfandklausel in Nr. 14 AGB ist nach der ständigen Rechtsprechung auch des BGH wirksam, weil sie weder überraschend noch unangemessen iS des § 305c BGB bzw. § 307 BGB ist1. Die Pfandklausel beruht auf dem berechtigten Interesse der Bank an der Absicherung ihrer gegen den Kunden gerichteten Ansprüche, insbesondere ihrer Kreditforderungen. Dieses verständliche 1 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; BGH v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, WM 1995, 375 (377); Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 19 Rz. 1, 6; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 320; Gößmann in BuB, Rz. 1/383; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 281; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 1.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Sicherungsinteresse der Bank ist nach dem BGH für den Kunden auch vorhersehbar und deshalb nicht überraschend1. Die Pfandklausel benachteiligt den Bankkunden grundsätzlich auch nicht unangemessen iS des § 307 BGB2. Denn die Bank ist verpflichtet, den Kunden über seine vom Pfandrecht erfassten Werte frei disponieren zu lassen, solange ein Sicherungsbedürfnis fehlt3. Der Kunde ist also gegenüber einer übermäßigen Ausübung des Pfandrechts geschützt4. Die Pfandklausel bietet dem Kunden schließlich erhebliche Vorteile5. Ohne das AGB-mäßig begründete Pfandrecht könnte ein Kunde nicht ohne weiteres im Wege einer Kontoüberziehung einen Dispositionskredit in Anspruch nehmen. Er müsste vielmehr zunächst für die Bestellung einer Sicherheit sorgen, selbst wenn sich dafür geeignete Wertgegenstände bereits in der Verfügungsgewalt der Bank befinden.
1. Einigung über den Pfandrechtserwerb
6.417
Ausgangspunkt der Bestellung des AGB-Pfandrechts ist Nr. 14 Abs. 1 AGB. Danach sind sich der Kunde und die Bank darüber einig, dass die Bank ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen erwirbt, an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird (Nr. 14 Abs. 1 Satz 1 AGB). Im Übrigen erwirbt die Bank ein Pfandrecht auch an den Ansprüchen, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen oder – wie insbesondere beim Guthaben auf dem Girokonto – künftig zustehen werden (Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB). Die nach § 1205 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Verpfändungsabsprache liegt demnach in Gestalt einer vorweggenommenen Einigung bereits in der Anerkennung der AGB mit der Pfandklausel6. Unschädlich ist dabei, dass die antizipierte Einigung über die Pfandrechtsbestellung auch Wertpapiere des Kunden erfasst, die erst künftig in den Besitz der Bank gelangen7. 1 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Gößmann in BuB, Rz. 1/383; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 19 Rz. 6; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBRecht, Anh. § 310 BGB Rz. 121; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 72. 2 Gößmann in BuB, Rz. 1/383; zur Frage der Kündigung des zugrunde liegenden Pfandrechtsbestellungsvertrages zu Gunsten eines anderen Bankkunden nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes oder bei Eintritt besonderer Umstände (zB Ehescheidung) mit Wirkung für die Zukunft vgl. BGH v. 7.10.2002 – II ZR 74/00, WM 2002, 2367 (2368). 3 Wenn ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis besteht, kann eine Bank von ihrem Pfandrecht an den Forderungen eines Kunden aus einem Kontoguthaben auch schon vor Pfandreife Gebrauch machen, indem sie zur Sicherung einer späteren Verwertung keine Verfügungen des Kunden mehr zulässt („Kontosperre“), BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, WM 2004, 666. 4 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Gößmann in BuB, Rz. 1/383. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 1. 6 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, NJW 1998, 2592; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2657; Gößmann in BuB, Rz. 1/384. 7 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Gößmann in BuB, Rz. 1/384; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 323; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 19 Rz. 13; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 14 AGB-Banken Rz. B 66; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 72.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Eine wirksame Bestellung des Pfandrechts erfordert, dass Pfandgläubiger und Gläubiger der gesicherten Forderung identisch sind. Dieses Identitätserfordernis, das bei einer Mehrheit von Kreditgebern (zB einem Bankenkonsortium) zu praktischen Problemen führen kann, folgt schon aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung der Pfandrechtsbestellung (§ 1205 Abs. 1 BGB). Sie ist auch eine Konsequenz des Grundsatzes der Akzessorietät, der besagt, dass das Pfandrecht in seiner Entstehung, in seinem Fortbestand, in der Zuständigkeit und im Untergang von der Entstehung, Existenz und Zuständigkeit der Forderung abhängig ist1. Bei Übertragung der Forderung geht daher das Pfandrecht auf den neuen Gläubiger über – § 1250 Abs. 1 und § 401 BGB. Wird bei der Übertragung der Forderung der Übergang des Pfandrechts ausgeschlossen, so erlischt das Pfandrecht (§ 1250 Abs. 2 BGB).
6.418
2. Haftungsobjekte Das AGB-Pfandrecht erstreckt sich auf die Wertpapiere und sonstigen beweglichen Sachen, an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird (Nr. 14 Abs. 1 Satz 1 AGB). Im Übrigen erwirbt die Bank ein Pfandrecht auch an den Ansprüchen, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen oder künftig zustehen werden (Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB).
6.419
Nach der Pfandklausel ist es ausreichend, wenn der Besitz an den Pfandgegenständen durch eine beliebige inländische Geschäftsstelle erlangt wird. Diese Regelung berücksichtigt, dass alle rechtlich unselbständigen Geschäftsstellen (Filialen/Zweigstellen) als Einheit anzusehen sind, weil sie Teil ein und derselben juristischen Person sind2. Das Pfandrecht erfasst jedoch nicht die im Besitz einer ausländischen Geschäftsstelle befindlichen Wertpapiere und Sachen. Denn zur Wirksamkeit der Verpfändung wäre nach international anerkannten Grundsätzen erforderlich, dass das für die ausländische Geschäftsstelle maßgebliche Recht (lex rei sitae) berücksichtigt worden ist3.
6.420
Das Pfandrecht erfasst jedoch nur solche Wertpapiere und Sachen, die entweder durch den Kunden selbst oder durch Dritte im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung in den Besitz der Bank gelangt sind (Nr. 14 Abs. 1 Satz 1 AGB). Die Bank muss also den Besitz an den Wertgegenständen mit Willen des Kunden erlangt haben. Dabei braucht sich der Wille des Kunden nicht auf einen bestimmten Gegenstand zu konkretisieren4. Außerdem ist nach dem BGH der erforderliche Besitzverschaffungswille des Kunden kein rechtsge-
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1 Wiegand in Staudinger, Neubearb. 2009, § 1204 BGB Rz. 19. 2 OLG Bamberg v. 29.9.1988 – 1 U 195/87, WM 1990, 1019 (1021); Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 19 Rz. 20; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 327; Gößmann in BuB, Rz. 1/391; von Westphalen, WM 1980, 1406 (1422). 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 19 Rz. 21; Gößmann in BuB, Rz. 1/391. 4 Gößmann in BuB, Rz. 1/392; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 326.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
schäftlicher, sondern nur ein natürlicher Wille, den auch ein Geschäftsunfähiger haben kann1. Unerheblich ist auch, ob die Pfandgegenstände erst nach Begründung der Bankforderung, also etwa nach der Auszahlung der Kreditvaluta, in den Besitz der Bank gelangt sind2.
6.422
Mit Rücksicht auf die spezifischen Voraussetzungen für den Erwerb von Pfandrechten ist zwischen der Verpfändung von Wertpapieren, sonstigen beweglichen Sachen, Kontoguthaben und sonstigen Forderungen zu unterscheiden (§§ 1204 ff., 1273 ff. BGB)3. Für den Rang eines Pfandrechts ist der Zeitpunkt seiner Bestellung maßgebend (§ 1209 BGB). Bestellt wird das Pfandrecht im Zeitpunkt der Einigung. Der Rang des AGB-Pfandrechts bestimmt sich daher nach dem Zeitpunkt, in dem die AGB anerkannt worden sind4.
3. Ausnahmen vom Pfandrecht
6.423
In bestimmten Fällen ist das Pfandrecht ausdrücklich ausgeschlossen worden (Nr. 14 Abs. 3 AGB). Die Pfandrechtsklausel kommt unter anderem in den Fällen nicht zum Tragen, in denen Gelder oder andere Wertgegenstände mit der Maßgabe in die Verfügungsgewalt der Bank gelangen, dass sie nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden dürfen5. Die AGB-Banken erwähnen als Beispiel die Bareinzahlung zur Einlösung eines Wechsels (Nr. 14 Abs. 3 Satz 1 AGB). Vom AGB-Pfandrecht nicht erfasst werden auch die Guthaben auf einem offenen Treuhandkonto6. Diese Einschränkung der Pfandrechtsklausel entspricht der BGH-Rechtsprechung, die wiederholt entschieden hat, dass Werte, die der Bank mit einer Einschränkung in Form einer besonderen Zweckbestimmung zugeleitet worden sind, im Falle der Ablehnung des Kundenauftrages nicht dem Pfandrecht unterliegen7. Allerdings sind an einer solchen konkludenten individualvertraglichen Abbedingung der Pfandrechtsklausel oder des bankseitigen Verzichts strenge Anforderungen zu stellen8. 1 BGH v. 25.4.1988 – II ZR 17/87, WM 1988, 859 (862); Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 326; Gößmann in BuB, Rz. 1/392; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2712. 2 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701. 3 Zu den spezifischen Besonderheiten für den Erwerb von Pfandrechten: Rz. 12.658 ff. 4 Gößmann in BuB, Rz. 1/387; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 19 Rz. 31. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 10; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 345; Gößmann in BuB, Rz. 1/406; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 19 Rz. 42. Zur rechtsdogmatischen Begründung dieses Ausschlusses und weitere Beispiele zur besonderen Zweckbestimmung durch den Kunden: Rz. 12.669. 6 BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688 (689); BGH v. 13.10.1987 – VI ZR 270/86, WM 1987, 1457 (1459); BGH v. 25.5.1990 – XI ZR 94/89, WM 1990, 1954 (1955); Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 19 Rz. 49; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 10; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 346; Gößmann in BuB, Rz. 1/411; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 284. 7 BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688 (689). 8 BGH v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, WM 1995, 375 (377); BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688 (689); OLG Dresden v. 25.1.2001 – 16 U 2113/00, WM 2001, 803 (804); Gößmann in BuB, Rz. 1/408; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 294.
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AGB-Banken im Einzelnen
Das Pfandrecht erfasst auch keine Wertpapiere, die die Bank für den Kunden im Ausland verwahrt (Nr. 14 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AGB), denn an den im Ausland verwahrten Wertpapieren erwirbt der Depotinhaber kein rechtsformales (Mit-)Eigentum, das mit dem AGB-Pfandrecht belastet werden könnte (vgl. Nr. 12 Abs. 3 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte)1. Der Kunde erlangt nur die wirtschaftliche Stellung eines Eigentümers. Infolge dieser AGBRegelung wird zwischen dem Kunden und seiner Bank ein Treuhandverhältnis begründet, auf Grund dessen dem Kunden als Treugeber der auftragsrechtliche Herausgabeanspruch zusteht (§§ 667, 675 BGB). Hierüber erhält der Depotkunde eine Gutschrift in Wertpapierrechnung. Soll dieses Guthaben in Gestalt von Gutschriften in Wertpapierrechnung der Bank haften, so bedarf es einer ausdrücklichen Verpfändung des dem Kunden hieraus zustehenden auftragsrechtlichen Herausgabeanspruchs (§ 667 BGB)2.
6.424
Von dem AGB-Pfandrecht sind ausgenommen eigene Aktien der Bank sowie die von der Bank selbst ausgegebenen eigenen Genussrechte oder Genussscheine sowie die nachrangigen verbrieften und nicht verbrieften Verbindlichkeiten der Bank (Nr. 14 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1, Satz 3 AGB). Mit dieser AGB-mäßigen Regelung wird den gesetzlichen Beschränkungen für den Pfandrechtserwerb Rechnung getragen3. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 6 und 7 KWG wird die Inpfandnahme von solchen bankaufsichtsrechtlichen Eigenmitteln durch Tochterunternehmen der Bank dem Rückerwerb durch die Bank gleichgestellt, so dass sich anbietet, die Ausnahme vom AGB-Pfandrecht auf die Genussrechte oder Genussscheine sowie die verbrieften oder unverbrieften nachrangigen Verbindlichkeiten von Tochtergesellschaften der Bank zu erweitern.
6.425
Das AGB-Pfandrecht erfasst auch nicht die im Besitz der Bank befindlichen Urkunden, die Forderungen des Kunden gegen Dritte dokumentieren4. Praktische Beispiele sind vor allem Lebensversicherungspolicen oder von anderen Banken ausgestellte Sparbücher. Diese Dokumente sind keine Wertpapiere im engeren Wortsinne wie die auf den Inhaber oder an Order lautenden Papiere. Deshalb müssten die in diesen Dokumenten verbrieften Forderungen des Kunden gegen einen Dritten wie auch die anderen unverbrieften Forderungen verpfändet oder abgetreten werden. Hierfür ist jedoch eine Anzeige an den Drittschuldner erforderlich.
6.426
Der Ausschluss des AGB-Pfandrechts kann sich auch daraus ergeben, dass die gesetzliche Regelung eine Zweckbestimmung für bestimmte Gelder vor-
6.427
1 Abgedruckt in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 34. Aufl. 2010, S. 1339. 2 Siehe hierzu: Rz. 12.674 ff. 3 Für Aktien ergibt sich dies aus §§ 71e Abs. 1 Satz 2, 71 Abs. 2 Satz 1 AktG, für Genussrechte oder Genussscheine aus § 10 Abs. 5 Satz 6 KWG und für die nachrangigen Verbindlichkeiten aus § 10 Abs. 5a KWG, siehe hierzu: Rz. 12.677 f. 4 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 328; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 14 AGB-Banken Rz. 2; Gößmann in BuB, Rz. 1/395; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 19 Rz. 22; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 73.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
nimmt. So sind dem Girokonto des Kunden gutgeschriebene Sozialleistungen innerhalb der vierzehntägigen Frist des § 55 Abs. 1 SGB I nicht dem AGBPfandrecht unterworfen, weil die Bank hiermit auch nicht aufrechnen darf1. Bei einem Pfändungsschutzkonto (§ 850k ZPO) besteht an den vom gesetzlichen Pfändungsfreibetrag geschützten Guthaben kein AGB-Pfandrecht, da diese Guthaben nicht der Pfändung unterworfen sind2. Der Kontoinhaber kann daher über das pfändungsfreie Guthaben frei verfügen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass fällige Kreditraten weiterhin vereinbarungsgemäß vom Pfändungsschutzkonto eingezogen werden, da nur eine Verrechnung auf Grund des AGB-Pfandrechts nicht möglich ist3. Darüber hinaus kann gemäß § 850k Abs. 6 Satz 3 ZPO das Entgelt für die Kontoführung verrechnet werden4.
4. Gesicherte Forderungen
6.428
Das Pfandrecht dient der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der Bank mit ihren sämtlichen in- und ausländischen Geschäftsstellen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen (Nr. 14 Abs. 2 Satz 1 AGB). Mit dieser Anknüpfung des Sicherungszwecks an die sich aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung ergebenden Ansprüche der Bank wird dem Erfordernis der Bestimmbarkeit der abzusichernden künftigen und bedingten Forderungen Rechnung getragen5.
6.429
Der formularmäßig vereinbarte weite Sicherungszweck ist weder überraschend noch unbillig6. Denn bei Identität von Schuldner und Sicherungsgeber liegt das übernommene Risiko im Einflussbereich des Sicherungsgebers und ist damit hinsichtlich der Gegenwart überschaubar und für die Zukunft vermeidbar7.
6.430
Bestimmte Kategorien von Forderungen der Bank werden durch das AGBPfandrecht nicht abgesichert (vgl. Rz. 12.690 ff.)8. Dies beruht vor allem auf der einschränkenden Auslegung der Pfandrechtsklausel durch die Rechtsprechung. Beispiele hierfür sind die Zahlungsansprüche gegen Firmen und Gesellschaften, für deren Verbindlichkeiten der Kunde persönlich kraft Gesetzes haftet9, und eine vertragliche Haftungsübernahme des Kunden für einen an1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 19 Rz. 54; Gößmann in BuB, Rz. 1/415. 2 Zum Pfändungsschutzkonto: Ahrens, NJW 2010, 2001; Büchel, ZInsO 2010, 20; Büchel, BKR 2009, 358; Lücke, BKR 2009, 457. 3 Büchel, BKR 2009, 358 (363). 4 Lücke, BKR 2009, 458 (460). 5 BGH v. 17.12.1980 – VIII ZR 307/79, WM 1981, 162; BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, WM 1983, 926; BGH v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, WM 1985, 78 (79). 6 BGH v. 8.5.1987 – V ZR 89/86, WM 1987, 802 (803); BGH v. 18.11.1988 – V ZR 75/87, WM 1989, 88 (90); BGH v. 23.5.2000 – XI ZR 214/99, WM 2000, 1328; BGH v. 20.3.2002 – IV ZR 93/01, WM 2002, 1117 (1118). 7 BGH v. 23.5.2000 – XI ZR 214/99, WM 2000, 1328. 8 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 341; Gößmann in BuB, Rz. 1/403. 9 BGH v. 9.3.1987 – II ZR 186/86, WM 1987, 571; Merkel, WM 1993, 725.
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deren Kunden (Nr. 14 Abs. 2 Satz 2 AGB)1. Dasselbe gilt für den Erwerb der Forderung nach einer Pfändung des von der Pfandrechtsklausel erfassten Guthabens auf dem Girokonto durch einen Gläubiger des Kunden2. Eine gesetzliche Einschränkung des Sicherungszwecks der Pfandrechtsklausel enthält das Depotgesetz für nicht-konnexe Forderungen der Bank gegen ihren Bankkunden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 DepG).
5. Zins- und Gewinnanteilscheine Das Pfandrecht an einem Wertpapier erstreckt sich gemäß § 1296 Satz 1 BGB nur dann auf die dazugehörigen Zins- und Gewinnanteilscheine, wenn diese neben dem Wertpapier übergeben wurden. Trotz der Mitübergabe hat der Verpfänder bei Fälligkeit der Zins- und Gewinnanteilscheine grundsätzlich einen Herausgabeanspruch, sofern dieser nicht abbedungen ist (§ 1296 Satz 2 BGB). Von dieser Möglichkeit wird in Nr. 14 Abs. 4 AGB Gebrauch gemacht, indem der Herausgabeanspruch des Kunden ausgeschlossen wird. Aber auch ohne diese Regelung wäre die Bank gegen den Herausgabeanspruch geschützt, da der Anspruch dem allgemeinen Pfandrecht der Bank an Ansprüchen des Kunden gegen die Bank unterworfen wäre3.
6.431
6. AGB-Sparkassen Das AGB-Pfandrecht ist in Nr. 21 AGB-Sparkassen geregelt und entspricht im Wesentlichen der Regelung in Nr. 14 AGB-Banken. Anders als in den AGBBanken begründet Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen ein Pfandrecht an „Werten jeder Art“. Die Bedeutung dieses Begriffes wird durch eine längere Aufzählung in Nr. 21 Abs. 1 Satz 2 AGB-Sparkassen näher konkretisiert, wodurch etwaige Zweifel an der Wirksamkeit dieser Klausel ausgeräumt werden4. Die in Nr. 21 Abs. 2 AGB-Sparkassen geregelten Ausnahmen stimmen inhaltlich mit Nr. 14 Abs. 3 AGB-Banken überein. Dass die Inpfandnahme der eigenen Aktien in der Aufzählung der Ausnahmen vom Pfandrecht fehlt, hängt mit der Rechtsform der Sparkassen zusammen5.
6.432
6.433–6.435
Einstweilen frei.
1 Zur Frage der Anwendbarkeit der Nr. 14 Abs. 2 Satz 2 AGB Banken auf Ansprüche der Bank gegen den Kunden auf Grund einer für diesen übernommenen Bürgschaft (Avalkredit) vgl. BGH v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, WM 1998, 2463; OLG München v. 13.11.2007 – 5 U 4097/07, WM 2008, 122. 2 BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 129/96, WM 1997, 1324 (1326). 3 Kümpel, WM 1978, 970. 4 Gößmann in BuB, Rz. 1/405. 5 Gößmann in BuB, Rz. 1/417.
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XV. Nr. 15 AGB-Banken: Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln (Merz) 15. Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln (1) Sicherungsübereignung Die Bank erwirbt an den ihr zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln im Zeitpunkt der Einreichung Sicherungseigentum. An diskontierten Wechseln erwirbt die Bank im Zeitpunkt des Wechselankaufs uneingeschränktes Eigentum; belastet sie diskontierte Wechsel dem Konto zurück, so verbleibt ihr das Sicherungseigentum an diesen Wechseln. (2) Sicherungsabtretung Mit dem Erwerb des Eigentums an Schecks und Wechseln gehen auch die zu Grunde liegenden Forderungen auf die Bank über; ein Forderungsübergang findet ferner statt, wenn andere Papiere zum Einzug eingereicht werden (zum Beispiel Lastschriften, kaufmännische Handelspapiere). (3) Zweckgebundene Einzugspapiere Werden der Bank Einzugspapiere mit der Maßgabe eingereicht, dass ihr Gegenwert nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden darf, erstrecken sich die Sicherungsübereignung und die Sicherungsabtretung nicht auf diese Papiere. (4) Gesicherte Ansprüche der Bank Das Sicherungseigentum und die Sicherungsabtretung dienen der Sicherung aller Ansprüche, die der Bank gegen den Kunden bei Einreichung von Einzugspapieren aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder die infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere oder diskontierter Wechsel entstehen. Auf Anforderung des Kunden nimmt die Bank eine Rückübertragung des Sicherungseigentums an den Papieren und der auf sie übergegangenen Forderungen an den Kunden vor, falls ihr im Zeitpunkt der Anforderung keine zu sichernden Ansprüche gegen den Kunden zustehen oder sie ihn über den Gegenwert der Papiere vor deren endgültiger Bezahlung nicht verfügen lässt.
6.436
Die Vertragsbeziehungen zwischen Kunde und Bank, auf Grund deren die Bank Besitz an den Wertpapieren und Einzugspapieren (Inkassopapieren) erlangt, sind von unterschiedlicher Rechtsnatur. Die von der Pfandrechtsklausel (Nr. 14 Abs. 1 AGB) erfassten Wertpapiere besitzt die Bank im Rahmen ihres Depotgeschäfts als Verwahrer (§ 688 BGB). Der Besitz an den diskontierten Wechseln wird der Bank dagegen bei der Erfüllung der Lieferverpflichtung des Kunden aus dem Kaufvertrag (§ 433 BGB) verschafft, der dem Wechseldiskontgeschäft zugrunde liegt. Schließlich erlangt die Bank den Besitz an den zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln sowie an den sonstigen Inkassopapieren anlässlich der ihr erteilten Inkassoaufträge (§ 675 BGB).
6.437
Mit dem Inkasso- und Diskontgeschäft ist regelmäßig eine Kreditgewährung verbunden1. Die AGB-mäßig vereinbarten Sicherungsrechte an den Inkasso1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 1.
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AGB-Banken im Einzelnen
papieren und diskontierten Wechseln sollen deshalb dem aus diesen geschäftlichen Beziehungen resultierenden Sicherungsbedürfnis der Bank angemessen Rechnung tragen.
1. Erwerb von Sicherungseigentum Werden der Bank Schecks und Wechsel zum Einzug eingereicht, so erwirbt sie Sicherungseigentum an diesen Urkunden (Nr. 15 Abs. 1 Satz 1 AGB). Diese AGB-Klausel enthält die antizipierte Einigung über die Eigentumsübereignung1. Während bei Inhaberschecks für die Erlangung des erforderlichen Besitzes die Einreichung der Scheckurkunde ausreicht, ist für Orderpapiere zusätzlich ein Indossament erforderlich (Art. 11 WG; Art. 14 ScheckG)2. Mit der Vereinbarung einer solchen Vollrechtsübertragung wird das speziell für Scheckinkasso vorgesehene Vollmachtsindossament (Art. 23 ScheckG) ausgeschlossen3.
6.438
Diese AGB-mäßige Sicherungsübereignung entspricht, wie der BGH4 wiederholt bestätigt hat, einer allgemeinen Gepflogenheit im Bankverkehr, zum Einzug eingereichte Schecks mangels abweichender Vereinbarung mit dem Einreicher als Mittel für die eigene Sicherung entgegenzunehmen und sich diese Papiere daher sicherungshalber übereignen zu lassen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen Wechsel der Bank nicht zum Diskont, sondern zum Inkasso eingereicht werden5. Durch eine Sicherungsübertragung wird der Scheckaussteller auch nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Wenn der Scheckaussteller dadurch Gefahr läuft, Einwendungen gegen den Scheckeinreicher zu verlieren (Art. 22 ScheckG), dann ist dies eine spezifische Folge des Scheckrechts, mit der jeder Scheckaussteller rechnen muss, der einen Scheck begibt6.
6.439
Nr. 15 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AGB bestimmt ausdrücklich, dass der Bank das Sicherungseigentum an dem beim Wechselankauf erworbenen Eigentum verbleibt, wenn sie den nicht eingelösten Wechsel dem Konto zurückbelastet. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Bank als Käuferin uneingeschränkte Eigentümerin der Wechselurkunde (Nr. 15 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AGB). Mit dieser Rückbelastung des Wechsels entsteht zwischen Kunde und Bank ohne weiteres ein Treuhandverhältnis, wie es bei der Bestellung von nicht akzessorischen Sicherheiten in Gestalt der Sicherungsübereignung, Sicherungszession und Sicherungsgrundschuld zu Stande kommt7.
6.440
1 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 1; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 20 Rz. 13; Gößmann in BuB, Rz. 1/433; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 353; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 15 AGBBanken Rz. 72. 2 Gößmann in BuB, Rz. 1/433; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 354; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 14. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 14. 4 BGH v. 11.11.1976 – II ZR 2/75, WM 1977, 49 (50); BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970 (971). 5 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057 (1058). 6 BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970 (971). 7 Gößmann in BuB, Rz. 1/442.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
2. Sicherungsabtretung
6.441
Eine Sicherungszession ist in Nr. 15 Abs. 2 AGB für die Forderungen des Kunden vereinbart, die den an die Bank übereigneten Schecks und Wechseln zugrunde liegen. Damit erhält die Bank eine direkte Zugriffsmöglichkeit gegen die Drittschuldner, die ihr Ausfallrisiko bei Nichteinlösung der Inkassopapiere verringern soll1. Eine solche Verknüpfung von Sicherungseigentum an den zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln mit der Sicherungsabtretung der zugrunde liegenden Forderungen ist auch nach Auffassung des BGH rechtlich unbedenklich2. Mit den abgetretenen Forderungen gehen kraft Gesetzes auch die für sie bestellten akzessorischen Sicherheiten auf die Bank über (§ 401 BGB)3. Im Zweifel ist anzunehmen, dass auch künftige Zinsen mit abgetreten sind4. Der Forderungserwerb der Bank kann durch ein Abtretungsverbot (§ 399 BGB) verhindert oder zumindest nach § 354a HGB eingeschränkt sein. Bei Lastschriften kann jedoch die Auslegung des Abtretungsverbotes ergeben, dass eine Abtretung der Forderung an die Bank zulässig sein soll5. Im Übrigen kann die Abtretung an dem entgegenstehenden ausländischen Recht scheitern, das auf die Forderung anwendbar ist6.
6.442
Soweit der Bank keine Schecks und Wechsel, sondern sonstige Inkassopapiere zum Einzug eingereicht werden, werden die in diesen Urkunden verbrieften Forderungen des Kunden gegen Dritte der Bank ebenfalls sicherungshalber abgetreten (Nr. 15 Abs. 2 letzter Halbsatz AGB). Die für eine Forderungsabtretung erforderliche Einigung zwischen Zedenten und Zessionar gemäß § 398 BGB kann wie die dingliche Einigung über den Eigentumsübergang (§ 929 BGB) AGB-mäßig erfolgen7. Nach zessionsrechtlichen Grundsätzen ist der gutgläubige Erwerb ausgeschlossen, wie er bei wertpapiermäßig verbrieften Forderungen wegen der hier anwendbaren sachenrechtlichen Vorschriften (§§ 932 ff. BGB) möglich ist8.
6.443
Die Zessionsklausel erwähnt beispielhaft Lastschriften und kaufmännische Handelspapiere. Nach dem BGH sind unter diesen Handelspapieren die Inkas-
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 25. 2 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057 (1058); Gößmann in BuB, Rz. 1/446; Merkel, WM 1993, 725 (731). 3 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 20 Rz. 26; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 364; Gößmann in BuB, Rz. 1/443; Heinrichs in Palandt, § 401 BGB Rz. 3. 4 BGH v. 18.5.1961 – VII ZR 39/60, BGHZ 35, 173; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 364; Gößmann in BuB, Rz. 1/452; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 20 Rz. 26; Heinrichs in Palandt, § 401 BGB Rz. 6. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 29; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 366; Gößmann in BuB, Rz. 1/454; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 603. 6 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057 (1058); Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 20 Rz. 30. 7 BGH v. 25.4.1988 – II ZR 17/87, WM 1988, 861, 862. 8 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 24.
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AGB-Banken im Einzelnen
sopapiere im Sinne der „Einheitlichen Richtlinien für Inkassi“ zu verstehen1. Die Zessionsklausel erfasst also Zahlungsquittungen, Rechnungen, Verlade-, Dispositions- oder ähnliche Dokumente2. Eine Sicherungsübereignung wie bei den Schecks und Wechseln kommt bei den sonstigen Inkassopapieren nicht in Betracht. Sie gehören nicht zu den Wertpapieren im engeren Wortsinne wie die auf den Inhaber oder an Order lautenden Papiere. Möglich wäre zwar, die in diesen sonstigen Inkassopapieren verbrieften Forderungen zu verpfänden. Zur Wirksamkeit einer solchen Verpfändung wäre jedoch eine Anzeige an den Drittschuldner erforderlich (§ 1280 BGB), die aber regelmäßig den Interessen des Kunden widerspräche. Deshalb werden solche Forderungen des Kunden gegen seine Schuldner durch eine Sicherungszession gemäß §§ 398 ff. BGB auf die Bank übertragen. Die Wirksamkeit einer solchen Zession ist im Unterschied zu einer Verpfändung von der Offenlegung gegenüber dem Drittschuldner unabhängig.
6.444
3. Sonderregeln für zweckgebundene Inkassopapiere Werden der Bank Schecks, Wechsel oder sonstige Inkassopapiere mit der Maßgabe eingereicht, dass ihr Gegenwert nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden darf, werden diese Papiere von der AGB-mäßig vereinbarten Sicherungsübertragung und -abtretung nicht erfasst (Nr. 15 Abs. 3 AGB). Bei einer solchen Zweckbestimmung ist auch das Entstehen des AGB-Pfandrechts ausdrücklich ausgeschlossen (Nr. 14 Abs. 3 AGB). Insoweit deckt sich die Rechtslage in Nr. 14 Abs. 3 AGB mit der in Nr. 15 Abs. 3 AGB3. Diese Einschränkung der Übereignungs- und Abtretungsklausel ergibt sich nach der BGH-Rechtsprechung schon daraus, dass der Kunde der Bank Wertgegenstände mit einer besonderen Zweckbestimmung zuleitet. Hier kommt es zu einem stillschweigenden Ausschluss des AGB-Pfandrechts4.
6.445
4. Enger Sicherungszweck Mit Rücksicht auf die BGH-Rechtsprechung5 ist der Sicherungszweck der übereigneten Schecks und Wechsel und der sicherungshalber abgetretenen 1 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057 (1058). 2 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057 (1058); Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 20 Rz. 28. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 31. 4 BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6 (7); BGH v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, WM 1995, 375 (377); nach Bunte liegt hier eine Individualweisung des Kunden vor, die aus dem Gedanken des Vorranges der Individualabrede (§ 305b BGB) eine wirksame Sicherungsübereignung oder -zession ausschließt (Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 20 Rz. 31). 5 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085); Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 36; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 370; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 81; Gößmann in BuB, Rz. 1/459; Merkel, WM 1993, 725 (731).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Forderungen eng begrenzt. Dies entspricht dem Zweck des Inkasso- und Diskontgeschäfts, den Kunden Geldmittel zu verschaffen1. Das AGB-mäßig vereinbarte Sicherungseigentum und die Sicherungsabtretung dienen daher nur der Sicherung der Ansprüche, die der Bank gegen den Kunden bei Einreichung von Inkassopapieren aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder die infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Inkassopapiere oder diskontierter Wechsel entstehen (Nr. 15 Abs. 4 AGB).
6.447
Dieser enge Sicherungszweck hat jedoch nur eine schuldrechtliche Wirkung zwischen Bank und Kunden dahin gehend, dass eine Zugriffsmöglichkeit der Bank auf die ihr übereigneten Schecks und Wechsel und auf die an sie abgetretenen Forderungen ausgeschlossen wird. Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz wie auch der zessionsrechtliche Bestimmbarkeitsgrundsatz erfordern es, dass die Sicherungsübertragung und die Sicherungsabtretung lückenlos alle zum Einzug eingereichten Schecks und Wechsel und die unter die AGB-Klausel fallende Forderung des Kunden gegen die Drittschuldner erfassen2. Dem sachenrechtlichen Erfordernis der ausreichenden Bestimmtheit der zu übereignenden Sachen wäre nicht Rechnung getragen worden, wenn die Übereignung von einem entsprechenden Schuldsaldo bei Einreichung der Inkassopapiere oder der späteren Rückbelastung dieser Papiere auf dem Girokonto des Kunden abhängig gemacht worden wäre. Nach gefestigter Rechtsprechung sind bei der Sicherungsübereignung einer Sachgesamtheit die zu übereignenden Gegenstände im Zeitpunkt der Einigung so bestimmt zu bezeichnen, dass jeder, der die Vereinbarung der Vertragsparteien kennt, ohne Heranziehung weiterer Umstände feststellen kann, auf welche Gegenstände sie sich bezieht3.
5. Freigabepflicht
6.448
Im Vergleich zum AGB-Pfandrecht trifft die Bank bei der Bestellung von Sicherungsrechten an Einzugspapieren und diskontierten Wechseln eine erweiterte Freigabepflicht4. Auch hierdurch sollte der BGH-Rechtsprechung, die für das Inkasso- und Diskontgeschäft nur ein eingeschränktes Sicherungsbedürfnis der Bank anerkennt, entsprochen werden5. Nach der getroffenen Regelung nimmt die Bank auf Anforderung des Kunden eine Rückübertragung des Sicherungseigentums an den Wertpapieren und der auf sie übergegangenen Forderungen an den Kunden vor, falls ihr im Zeitpunkt der Anforderung kein zu sichernder Anspruch gegen den Kunden zusteht oder sie ihn über den Gegenwert der Inkassopapiere vor deren endgültiger Bezahlung nicht verfügen lässt (Nr. 15 Abs. 4 Satz 2 AGB-Banken). Der Freigabeanspruch besteht also stets
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 37. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 12, 41; Gößmann in BuB, Rz. 1/427, 1/464; Merkel, WM 1993, 725 (731). 3 BGH v. 4.10.1993 – II ZR 156/92, WM 1993, 2161. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 12, 36. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 12; Merkel, WM 1993, 725 (732).
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AGB-Banken im Einzelnen
dann, wenn die Bank dem Kunden zwar die übliche E.v.-Gutschrift erteilt hat, ihn aber darüber nicht hat verfügen lassen1. Unschädlich ist nach dem BGH, dass die Freigabe nur auf Anforderung des Kunden erfolgt2.
6. AGB-Sparkassen Die Sicherungsrechte im Einzugsgeschäft sind in Nr. 25 AGB-Sparkassen geregelt. Abweichend von der Regelung in Nr. 15 AGB-Banken erwirbt die Sparkasse Sicherungseigentum mit der Einreichung zum Einzug nur aufschiebend bedingt für den Fall der Nichteinlösung und nur dann, wenn die Sparkasse Forderungen gegen den Einreicher aus Vorausverfügung hat (Nr. 25 Abs. 1 AGB-Sparkassen). Eine inhaltsgleiche Regelung besteht für die dem Einzugspapier zugrunde liegende Forderungen (Nr. 25 Abs. 2 AGB-Sparkassen). Im Übrigen ist der Sicherungszweck in Nr. 25 AGB-Sparkassen enger definiert, da nur die Ansprüche aus der Vorausverfügung, nicht aber die sonstigen Forderungen der Sparkasse abgesichert werden3.
6.449
6.450–6.455
Einstweilen frei.
XVI. Nr. 16 AGB-Banken: Begrenzung des Besicherungsanspruchs und Freigabeverpflichtung (Merz) 16. Begrenzung des Besicherungsanspruchs und Freigabeverpflichtung (1) Deckungsgrenze Die Bank kann ihren Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten so lange geltend machen, bis der realisierbare Wert aller Sicherheiten dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (Deckungsgrenze) entspricht. (2) Freigabe Falls der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend übersteigt, hat die Bank auf Verlangen des Kunden Sicherheiten nach ihrer Wahl freizugeben, und zwar in Höhe des die Deckungsgrenze übersteigenden Betrages; sie wird bei der Auswahl der freizugebenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden und eines dritten Sicherungsgebers, der für die Verbindlichkeiten des Kunden Sicherheiten bestellt hat, Rücksicht nehmen. In diesem Rahmen ist die Bank auch verpflichtet, Aufträge des Kunden über die dem Pfandrecht unterliegenden Werte auszuführen (zum Beispiel Verkauf von Wertpapieren, Auszahlung von Sparguthaben). 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 40; Merkel, WM 1993, 725 (731). 2 BGH v. 2.2.1984 – IX ZR 8/83, WM 1984, 357; BGH v. 20.3.1985 – VII ZR 342/83, NJW 1985, 1836; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 20 Rz. 41. 3 Gößmann in BuB, Rz. 1/465.
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(3) Sondervereinbarungen Ist für eine bestimmte Sicherheit ein anderer Bewertungsmaßstab als der realisierbare Wert oder ist eine andere Deckungsgrenze oder ist eine andere Grenze für die Freigabe von Sicherheiten vereinbart, so sind diese maßgeblich.
6.456
Nr. 16 Abs. 1 AGB enthält die Definition der Deckungsgrenze, die sowohl für den Besicherungsanspruch der Bank als auch für den Freigabeanspruch des Kunden maßgeblich ist. So wird durch diese Sicherungsobergrenze der Umfang des Anspruchs der Bank auf Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten eingeschränkt. Nach Nr. 16 Abs. 1 AGB kann die Bank ihren Besicherungsanspruch nur so lange geltend machen, bis der realisierbare Wert aller Sicherheiten dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung entspricht.
6.457
Die Deckungsgrenze begrenzt also den Besicherungsanspruch der Bank und konkretisiert zugleich den Entstehungstatbestand für den Freigabeanspruch des Kunden. Dieser Anspruch auf Freigabe entsteht, wenn der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend überschreitet (Nr. 16 Abs. 2 Satz 1 AGB). Nicht jede Überschreitung der Deckungsgrenze, die den Besicherungsanspruch der Bank erlöschen lässt (Nr. 16 Abs. 1 AGB), lässt also zugleich den Freigabeanspruch des Sicherungsgebers entstehen. Die Freigabeverpflichtung wird erst durch ein dauerhaftes Überschreiten der Deckungsgrenze begründet (sog. Freigabegrenze)1. Deckungsgrenze und die davon zu unterscheidende Freigabegrenze können also im Einzelfall auseinander fallen2. Beide Grenzen liegen aber eng beieinander und berühren sich, wenn der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend überschreitet.
6.458
Das Erfordernis eines dauerhaften Überschreitens der Deckungsgrenze für den Freigabeanspruch des Kunden ist im Übrigen sachgerecht. Erledigt sich die Übersicherung in einem angemessenen Zeitraum, besteht kein anerkennenswertes praktisches Bedürfnis, dem Sicherungsgeber auch für diese Fälle einen Freigabeanspruch zu gewähren. Hiergegen sprechen vor allem der zeitliche und kostenmäßige Aufwand, der mit solchen Teilfreigaben verbunden wäre.
6.459
Dieser Freigabeklausel in den AGB der Kreditwirtschaft kommt allerdings nur eine sekundäre Bedeutung zu. Im Regelfall werden in den einzelnen Sicherungsverträgen besondere auf die jeweilige Kreditsicherung bezogene Deckungsgrenzen für die Freigaberegelung vorgesehen, die als Individualabsprache Vorrang haben (Nr. 16 Abs. 3 AGB)3.
1 Zur terminologischen Unterscheidung der Freigabegrenze von der Deckungsgrenze: BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 21 Rz. 26; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 353. 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232). 3 Merkel, WM 1993, 725 (732); Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 21 Rz. 34; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 323; Gößmann in BuB, Rz. 1/485c.
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Der Zweck des Freigabeanspruchs ist es, den Sicherungsgeber bei der Bestellung nicht-akzessorischer Sicherheiten in Gestalt der Sicherungsübereignung, Sicherungszession und der Sicherungsgrundschuld davor zu schützen, dass seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit über Gebühr eingeschränkt wird1. Die Bank hat aber die überschüssigen Sicherheiten nur auf Verlangen des Kunden freizugeben (Nr. 16 Abs. 2 Satz 1 AGB).
6.460
1. Freigabeanspruch durch Auslegung des Sicherungsvertrages Die ausdrückliche Einräumung eines Freigabeanspruchs in den AGB oder in dem einzelnen Sicherungsvertrag ist nach der Rechtsprechung des BGH entbehrlich2. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ergibt sich dieser Freigabeanspruch des Sicherungsgebers aus dem fiduziarischen Charakter der Sicherungsabrede sowie der Interessenlage der Vertragsparteien3. Ein Bestellungsvertrag über Sicherheiten begründet also auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung ein Treuhandverhältnis. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um einen Individualvertrag handelt und ob eine einzelne Sicherheit oder revolvierende Globalsicherheiten bestellt worden sind4.
6.461
Aus der Treuhandnatur des Sicherungsvertrages ergibt sich die Pflicht des Sicherungsnehmers zur Rückgabe der Sicherheiten bereits vor Beendigung des Vertrages, wenn und soweit sie endgültig nicht mehr benötigt werden5. Werden also Sicherheiten nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt, hat der Sicherungsgeber einen vom Ermessen der Bank unabhängigen Freigabeanspruch auch dann, wenn der Sicherungsvertrag keine oder lediglich eine ermessensabhängige Freigabeverpflichtung enthält. Einen Ermessensspielraum hat die Bank nur bei der Entscheidung, welche von mehreren Sicherheiten sie freigeben will. Dies folgt aus § 262 BGB und entspricht dem Rechtsgedanken des § 1230 Satz 1 BGB6.
6.462
1 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 21 Rz. 20; Serick, BB 1998, 801; Roth, JZ 1998, 462; Saenger, ZBB 1998, 174. 2 Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung einer zulässigen Deckungsgrenze ist der Sicherheitenbestellungsvertrag also wirksam. 3 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 384; Gößmann in BuB, Rz. 1/470; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 84; Saenger, ZBB 1998, 174; Serick, BB 1998, 801. 4 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); BGH v. 14.5.1996 – XI ZR 257/94, WM 1996, 1128 (1130); BGH v. 6.3.1997 – IX ZR 74/95, NJW 1997, 1570. 5 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232). 6 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); BGH v. 6.3.1997 – IX ZR 74/95, NJW 1997, 1570; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 21 Rz. 28; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 2; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGBRecht, Nr. 16 AGB-Banken Rz. B 76; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 84.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
2. Begriff der Deckungsgrenze
6.463
Die AGB der Kreditinstitute definieren die Deckungsgrenze als den Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (Nr. 16 Abs. 1 AGB). Zugleich wird aber klargestellt, dass bei Vereinbarung einer anderen Deckungsgrenze diese Sonderabsprache maßgeblich ist (Nr. 16 Abs. 3 AGB). Solche individuellen Deckungsgrenzen müssen allerdings den Anforderungen entsprechen, die der BGH für die Angemessenheit der Vereinbarung einer Deckungsgrenze entwickelt hat1. Bei der Ermittlung einer angemessenen Sicherungsobergrenze ist der Zweck der nicht-akzessorischen Sicherheiten zu berücksichtigen. Sie sollen die Bank vor Forderungsausfällen schützen, zugleich aber die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Schuldners nicht über Gebühr einschränken2. Die Deckungsgrenze muss deswegen einerseits an die gesicherten Forderungen, andererseits an den realisierbaren Wert der bestellten Sicherheiten (Sicherungswert) anknüpfen. Im Regelfall verändern sich diese beiden Größen. Dem berechtigten Sicherungsinteresse der Bank trägt deshalb grundsätzlich nur eine prozentuale, abstrakt-generelle Deckungsgrenze angemessen Rechnung. Eine betragsmäßige Deckungsgrenze kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein bestimmter Kreditrahmen eingeräumt worden ist oder die Höhe der gesicherten Forderungen unverändert bleibt3.
6.464
Nach der Rechtsprechung des BGH wird dem berechtigten Sicherungsinteresse der Bank erst mit einer Deckungsgrenze von 110 % Rechnung getragen4. Eine Deckungsgrenze von nur 100% wäre nicht ausreichend, weil erfahrungsgemäß bei der Versilberung von Sicherheiten Kosten für deren Feststellung und Verwertung und in einzelnen Fällen, vor allem bei abgetretenen Forderungen, auch Kosten der Rechtsverfolgung anfallen. Dies mindert den Verwertungserlös, der für die Verrechnung auf die gesicherten Forderungen zur Verfügung steht. Diese Kosten lassen sich im Interesse der Rechtssicherheit pauschalieren. Ein weiterer Aufschlag auf die Deckungsgrenze zur Abdeckung von Unsicherheiten bei Verwertung der Sicherungsgegenstände oder von Zinsen ist jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht anzuerkennen. Die Gefahr eines Mindererlöses muss vielmehr bei der Ermittlung des realisierbaren Sicherungswertes berücksichtigt werden5. Soweit die Bank bei der Verwertung sicherungsübereigneter Waren die Umsatzsteuer auszugleichen hat (§§ 170 Abs. 2, 171 Abs. 2 Satz 3 InsO), ist diesen Zahlungen durch einen entsprechenden Aufschlag auf die Deckungsgrenze von 110 % Rechnung zu tragen6. 1 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 4. 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232). 3 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232). 4 Die Regelung in Nr. 16 Abs. 1 AGB, die keinen pauschalen Aufschlag von 10 % auf die Deckungssumme vorsieht, bleibt damit unter den vom BGH akzeptierten Kriterien, Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 126; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 83. 5 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); Ganter, WM 1996, 1705 (1710). 6 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); Saenger, ZBB 1998, 174 (180).
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Die angemessene Deckungsgrenze von 110 % kann bei formularmäßig bestellten globalen Sicherheiten nicht durch eine Klausel ersetzt werden, die die Freigabe in das Ermessen der Bank stellt. Eine solche Regelung schränkt wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Sicherungsvertrages ergeben, ein und gefährdet regelmäßig das Erreichen des Zwecks des Sicherungsvertrages (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Sie benachteiligt deshalb den Sicherungsgeber unangemessen iS des § 307 Abs. 1 BGB1. Wird der Bank in dem Sicherungsvertrag ein solcher unangemessener Ermessensspielraum eingeräumt, so ist allerdings nur diese Klausel unwirksam. Auch bei revolvierenden Globalsicherheiten führt diese Ermessensklausel nicht zur Gesamtnichtigkeit des Sicherungsvertrages. Vielmehr tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel die Deckungsgrenze von 110 %, mithin der Rechtszustand, der ohne die nichtige Klausel besteht (§ 306 Abs. 2 BGB)2.
6.465
3. Bewertung der Sicherheiten Bei der Bewertung der Sicherheiten sind alle der Bank bestellten Sicherheiten zu berücksichtigen (Nr. 16 Abs. 2 Satz 1 AGB). Hierzu gehören also auch die vom AGB-Pfandrecht erfassten Werte und die AGB-mäßig bestellten Sicherungsrechte an Einzugspapieren und diskontierten Wechseln3. Ob der Umfang bestehender Bürgschaften mit in die Bewertung einzubeziehen ist, richtet sich nach dem BGH unter Beachtung von Sinn und Zweck der getroffenen Vereinbarung sowie Treu und Glauben allein nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls4. Die Voraussetzungen dafür können nicht durch eine Freigabeklausel mit zahlenmäßig bestimmter Deckungsgrenze im Voraus sachgerecht geregelt werden.
6.466
Da sich für die Kreditsicherungspraxis angesichts der nicht vorhersehbaren Marktentwicklungen und Preisschwankungen keine allgemein gültigen, branchenunabhängigen (festen) Maßstäbe für die Bewertung der Sicherheiten entwickeln lassen, ist die bloße Festlegung einer Deckungsgrenze von 110 % der gesicherten Forderung weder sach- noch praxisgerecht5. Zur raschen Durchsetzung des Freigabeanspruchs, der den Sicherungsgeber vor einer unangemessenen Einschränkung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit schützen soll, bedarf es vielmehr einer Orientierungshilfe für diese Bewertung6. Ande-
6.467
1 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232). 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); BGH v. 6.3.1997 – IX ZR 74/95, NJW 1997, 1570; BGH v. 5.5.1998 – XI ZR 234/95, WM 1998, 1280 (1281); Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 383. 3 Gößmann in BuB, Rz. 1/483; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 379; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 21 Rz. 14; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 341. 4 BGH v. 28.4.1994 – IX ZR 248/93, WM 1994, 1161 (1163); Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 21 Rz. 14; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 379. 5 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232). 6 Saenger, ZBB 1998, 174 (176); Pfeiffer, WM 1995, 1565 (1567); Rellermeyer, WM 1994, 1009.
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renfalls hätte der Freigabeanspruch keine nennenswerte praktische Bedeutung. Würde die Einholung eines kosten- und zeitaufwendigen Sachverständigen-Gutachtens in fast jedem Streitfall notwendig, würde dies den Sicherungsgeber regelmäßig davon abhalten, seinen Freigabeanspruch geltend zu machen. Das Hauptproblem des Freigabeanspruchs des Sicherungsgebers liegt deshalb in einer sach- und praxisgerechten Erleichterung der Bewertung der bestellten Sicherheiten1.
6.468
Nach der Rechtsprechung des BGH lässt sich aus §§ 232 ff. BGB die widerlegliche Vermutung ableiten, dass dem Sicherungsinteresse der Bank durch einen Abschlag eines Drittels vom Nennwert abgetretener Forderungen oder vom Schätzwert sicherungsübereigneter Waren ausreichend Rechnung getragen wird2. Denn bei Verpfändung geeigneter Sachen kann nach § 237 Satz 1 BGB Sicherheit nur in Höhe von zwei Dritteln des Schätzwertes geleistet werden. Der regelmäßige Sicherungswert ist deshalb bei beweglichen Sachen durch Anknüpfung an den Schätzwert und bei abgetretenen Forderungen an den Nennwert zu bemessen, wobei ein pauschaler Risikoabschlag von einem Drittel vorzunehmen ist3.
6.469
Der Bewertungsabschlag von einem Drittel gemäß § 237 Satz 1 BGB führt bei beweglichen Sachen dazu, dass dem Sicherungsgeber ein Freigabeanspruch regelmäßig erst zusteht, wenn der Marktpreis bzw. der Einkaufs- oder der Herstellungspreis der sicherungsübereigneten Waren, soweit sie zu berücksichtigen sind und andere Sicherheiten nicht zur Verfügung stehen, 150 % der gesicherten Forderung ausmacht. Entsprechendes gilt bei Globalzessionen für den Nennwert der berücksichtigungsfähigen Forderungen4.
6.470
Der Zuschlag von 50 % kann jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nur eine Orientierungshilfe darstellen. Dies umso mehr, als §§ 232 ff. BGB nicht auf Globalabtretungen und Sicherungsübereignungen zugeschnitten sind und keine für alle Sachverhalte passende Regelung enthalten. Aus der Bewertungsvorschrift des § 237 Satz 1 BGB kann aber eine widerlegliche Vermutung abgeleitet werden, dass derjenige, der behauptet, ein Abschlag von einem Drittel oder eine Freigabegrenze von 150 % – bezogen auf den Nennwert von Forderungen und den Marktpreis bzw. den Einkaufs- oder Herstellungspreis von Waren – sei im Streitfalle unangemessen, dies substantiiert darzulegen oder zu beweisen hat. Dies gilt auch dann, wenn der Abschlag bzw. die Deckungsgrenze in dem formularmäßigen Sicherungsvertrag ohne Rücksicht auf die konkrete Risikolage anders festgelegt worden ist (§ 307 BGB). 1 Saenger, ZBB 1998, 174 (180). 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232); Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 381; Gößmann in BuB, Rz. 1/480; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 21 Rz. 16; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 83; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 76. 3 Der Sicherheitsaufschlag von 10 % für etwa anfallende Feststellungs-, Verwertungsund Rechtsverfolgungskosten ist hierin bereits enthalten, Gößmann in BuB, Rz. 1/480; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 16 AGB-Banken Rz. B 76. 4 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232).
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AGB-Banken im Einzelnen
Die Maßgeblichkeit dieses gesetzlichen Abschlags lässt sich nicht schon mit dem allgemeinen Vorbringen entkräften, bei der Verwertung von Sicherungsgut werde oft nur die Hälfte des Verkehrswertes erzielt1. Zur Durchsetzung eines von § 237 Satz 1 BGB abweichenden Bewertungsabschlags sind deshalb hierfür konkrete (Erfahrungs-)Tatsachen nachzuweisen. Diese müssen belegen, dass der gesetzliche Abschlag den besonderen Verhältnissen der Branche oder des Sicherungsgebers überhaupt nicht gerecht wird, sondern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gemäß § 287 ZPO erheblich anders zu bemessen ist und deshalb zu einem ganz anderen Sicherungswert führen muss2.
6.471
4. Wahlrecht der Bank Die Bank kann nach ihrer Wahl bestimmen, welche Sicherheiten sie freigeben will (Nr. 16 Abs. 2 Satz 1 AGB). Bei diesem Auswahlrecht handelt es sich um eine Wahlschuld nach § 262 BGB3.
6.472
Auch die Ausübung dieses Wahlrechts steht aber unter dem Gebot von Treu und Glauben4. Die AGB stellen deshalb ausdrücklich klar, dass die Bank bei der Auswahl der freizugebenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden und eines dritten Sicherungsgebers Rücksicht nehmen wird. In diesem Rahmen ist die Bank auch verpflichtet, Aufträge des Kunden über die dem Pfandrecht unterliegenden Werte auszuführen, insbesondere Wertpapiere zu verkaufen und Sparguthaben auszuzahlen (Nr. 16 Abs. 2 Satz 2 AGB). Die gebotene Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange dritter Sicherungsgeber bedeutet aber nicht, dass deren Sicherheiten zuerst freigegeben werden müssten, weil sie der abgesicherten Kreditgewährung ferner stehen als der Kreditnehmer5.
6.473
5. AGB-Sparkassen Der Freigabeanspruch ist in Nr. 22 Abs. 2 AGB-Sparkassen geregelt und entspricht trotz des unterschiedlichen Wortlauts der Regelung in Nr. 16 AGBBanken6.
6.474
6.475–6.480
Einstweilen frei.
1 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232). 2 BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, WM 1998, 227 (232). 3 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 21 Rz. 28; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 389; Gößmann in BuB, Rz. 1/485; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 16 AGB-Banken Rz. 2. 4 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 21 Rz. 28; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 383; Gößmann in BuB, Rz. 1/485a. 5 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 21 Rz. 31; Gößmann, BuB, Rz. 1/485b; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 16 AGB-Banken Rz. B 78. 6 Gößmann in BuB, Rz. 1/485b.
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XVII. Nr. 17 AGB-Banken: Verwertung von Sicherheiten (Merz) 17. Verwertung von Sicherheiten (1) Wahlrecht der Bank Wenn die Bank verwertet, hat sie unter mehreren Sicherheiten die Wahl. Sie wird bei der Verwertung und bei der Auswahl der zu verwertenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden und eines dritten Sicherungsgebers, der für die Verbindlichkeiten des Kunden Sicherheiten bestellt hat, Rücksicht nehmen. (2) Erlösgutschrift nach dem Umsatzsteuerrecht Wenn der Verwertungsvorgang der Umsatzsteuer unterliegt, wird die Bank dem Kunden über den Erlös eine Gutschrift erteilen, die als Rechnung für die Lieferung der als Sicherheit dienenden Sache gilt und den Voraussetzungen des Umsatzsteuerrechts entspricht.
6.481
Bei der Neufassung der AGB im Jahre 1993 sind die Regelungen der Sicherheitenverwertung grundlegend neu konzipiert worden. Geblieben sind nur das Auswahlrecht unter mehreren Sicherheiten (Nr. 17 Abs. 1 Satz 1 AGB) und das Gebot zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange des Kunden bei der Auswahl und Verwertung der Sicherheiten (Nr. 17 Abs. 1 Satz 2 AGB). Diese beiden Grundsätze gelten für alle der Bank bestellten Sicherheiten1. Weitere Verwertungsregelungen enthalten die formularmäßigen Sicherheitenverträge. Dort kann auch den Besonderheiten der jeweiligen Sicherheitenart Rechnung getragen werden, ohne gegen das Gebot übersichtlicher AGB-Regelungen zu verstoßen2.
6.482
Soweit in den gesonderten Sicherheitenverträgen keine besonderen Verwertungsregelungen getroffen worden sind, sind die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze anwendbar3. Dabei kommt den pfandrechtlichen Bestimmungen auch für die nicht-akzessorischen Sicherheiten in einem gewissen Umfang Leitbildfunktion zu4. Dies gilt insbesondere für die sog. Pfandreife, die besagt, dass die Verwertung grundsätzlich die Fälligkeit der gesicherten Forderung der Bank voraussetzt (§ 1228 Abs. 2 Satz 1 BGB)5. Ein Verzug des Kunden ist also grundsätzlich nicht erforderlich.
6.483
Erhebliche praktische Bedeutung hat die pfandrechtliche Verwertungsvorschrift des § 1234 Abs. 1 BGB, wonach die Verwertung dem Verpfänder vorher
1 Gößmann in BuB, Rz. 1/486; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 398; Merkel, WM 1993, 725 (733). 2 Gößmann in BuB, Rz. 1/488; Werhahn/Schebesta, AGB und die Sonderbedingungen der Banken, Rz. 358. 3 Zur Verwertung verpfändeter Aktien: Wittig in FS Kümpel, 2003, S. 587. 4 Kümpel, WM 1978, 970 (973). 5 Gößmann in BuB, Rz. 1/488; Damrau in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1228 BGB Rz. 8.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
anzudrohen ist. Der Verkauf der Sicherheiten darf nicht vor Ablauf eines Monats nach der Androhung erfolgen (§ 1234 Abs. 2 BGB). Diese Monatsfrist schrumpft bei Sicherheitenbestellungen, die auch für den Sicherungsgeber ein Handelsgeschäft (§§ 343, 344, 345 HGB) darstellen, auf eine Woche (§ 368 Abs. 1 HGB). Diese Wartefrist bis zur angedrohten Verwertung verschafft dem Sicherungsgeber eine letzte Chance, sich durch Erfüllung der fälligen Bankforderungen die hierfür haftenden Vermögensgegenstände zu erhalten. Diese grundsätzliche Verpflichtung zur Androhung der Verwertung kommt nach dem BGH insbesondere bei nicht offen gelegten Zessionen zum Tragen. Bei solchen stillen Zessionen hat der Kunde ein dringendes schützenswertes Interesse, rechtzeitig vor der Offenlegung und Einzahlung benachrichtigt zu werden, um die ihm drohenden weit reichenden Folgen einer Offenlegung möglichst abwenden zu können1. Eine solche Androhung kann nach § 1234 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB aber unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Dies trifft insbesondere auf den Fall zu, dass gegen den Kunden das Insolvenzverfahren eingeleitet worden ist.
6.484
1. Auswahlrecht der Bank Sind der Bank mehrere Sicherheiten bestellt, so steht ihr bei der Verwertung ein Auswahlrecht zu (Nr. 17 Abs. 1 Satz 1 AGB). Dieses Auswahlrecht entspricht dem § 1230 BGB, wonach der Pfandgläubiger mangels anderweitiger Vereinbarung unter mehreren Pfandrechten auswählen darf, die verkauft werden sollen. Umstritten ist, ob dieses Auswahlrecht ein Wahlrecht iS des § 262 BGB ist, wie es der BGH bejaht hat2.
6.485
Dieses Wahlrecht gilt auch im Verhältnis unterschiedlicher Sicherungsinstrumente untereinander und damit auch beim Zusammentreffen dinglicher Sicherheiten mit Bürgschaften3. Auch die Rechtsprechung geht grundsätzlich von einer Gleichstufigkeit aller Sicherheiten aus und gewährt deshalb eine Ausgleichspflicht entsprechend den Regeln der Gesamtschuld (§ 426 Abs. 1 BGB)4.
6.486
1 BGH v. 26.1.1989 – III ZR 46/88, NJW-RR 1989, 1009; BGH v. 7.7.1992 – XI ZR 274/ 91, NJW 1992, 2626; BGH v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, NJW 1994, 2754; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 22 Rz. 8; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 405; Gößmann in BuB, Rz. 1/493. 2 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701; Gößmann in BuB, Rz. 1/491; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 17 AGB-Banken Rz. B 82; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 128; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 87. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 22 Rz. 15; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 398; Gößmann in BuB, Rz. 1/491. 4 BGH v. 9.10.1990 – XI ZR 200/89, NJW-RR 1991, 170; BGH v. 29.6.1989 – IX ZR 175/ 88, NJW 1989, 2530.
Merz
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
2. Gebot zur Rücksichtnahme
6.487
Die Ausübung des Auswahlrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB)1. Dies ist in Nr. 17 Abs. 1 Satz 2 AGB ausdrücklich klargestellt worden. Problematisch wäre es deshalb, wenn die Bank sich nicht aus einem ihr verpfändeten Spar- oder Festgeldguthaben befriedigen würde und stattdessen einen verpfändeten Anspruch auf den Rückkaufswert einer Lebensversicherung einziehen würde2.
6.488
Das Gebot der Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen des Kunden und eines dritten Sicherungsgebers gilt aber nicht nur für die Auswahl unter mehreren Sicherheiten, sondern für die gesamte Verwertung3. a) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gebot des milderen Mittels
6.489
Die Bank muss bei der Verwertung der Sicherheiten auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren4. Es bedarf deshalb stets einer Prüfung der Notwendigkeit einer solchen Verwertung5. Droht zB eine wertmäßige Verschlechterung der bestellten Sicherheiten, so steht der Bank ein Anspruch auf Verstärkung der Sicherheiten zu (Nr. 13 Abs. 2 Satz 3 AGB). Dieser Neubesicherungsanspruch der Bank soll gerade der Vermeidung der Verwertung der bereits bestellten Sicherheiten dienen. Deshalb ist eine Verwertung in solchen Fällen regelmäßig nur verhältnismäßig, wenn das Verlangen nach Verstärkung der Sicherheiten erfolglos geblieben ist6.
6.490
Auch ist die Bank an das Prinzip des milderen Mittels gebunden, wie es in § 777 ZPO zum Ausdruck gekommen ist7. Hiernach kann der Schuldner der Zwangsvollstreckung in sein übriges Vermögen im Wege der Erinnerung (§ 766 ZPO) widersprechen, wenn die zugrunde liegende Forderung durch den Wert der den Gläubigern verpfändeten Sachen gedeckt ist. Die Verwertung der Sicherheiten ist deshalb geboten, wenn sie gegenüber einer Vollstreckung in das sonstige Vermögen das mildere Mittel darstellt8.
6.491
Schließlich kann die Verwertung rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Bank ohne eigenes Sicherungsinteresse allein zur Wahrung der Interessen Dritter 1 BGH v. 9.6.1983 – III ZR 105/82, NJW 1983, 2701. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 22 Rz. 15; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 359; Merkel, WM 1993, 725 (733). 3 BGH v. 7.5.1987 – IX ZR 198/85, NJW 1987, 1291; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 15 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 399. Zu der Frage, ob die Bank im Einzelfall eine Obliegenheit zur Verwertung von Sicherheiten treffen kann: Koziol in FS Schimansky, 1999, S. 355. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 22 Rz. 20; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 400; Gößmann in BuB, Rz. 1/498. 5 Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 36. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 22 Rz. 18; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 400; aA Gößmann in BuB, Rz. 1/498. 7 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 22 Rz. 20. 8 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 22 Rz. 20.
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AGB-Banken im Einzelnen
verwertet1. Der Sicherungsgeber braucht es nach der BGH-Rechtsprechung nicht hinzunehmen, dass die von ihm gestellten Sicherheiten dazu benutzt werden, um Drittinteressen wahrzunehmen, die mit seinem Verhältnis zur Bank nichts zu tun haben2. b) Gebot der bestmöglichen Verwertung Die Bank hat sich grundsätzlich um die Erzielung eines möglichst hohen Preises zur Tilgung ihrer Forderung zu bemühen3. Andererseits ist im Regelfall zu Gunsten der Bank zu berücksichtigen, dass die Sicherheiten wegen der Zahlungsschwierigkeiten und der Vermeidung eines weiteren Zinsschadens möglichst kurzfristig zu verwerten sind4. Ein Verstoß gegen das Gebot der bestmöglichen Verwertung kommt demnach nur in Betracht, wenn die Bank bewusst eine andere vorteilhaftere Verwertungsmöglichkeit nicht genutzt hat, die für sie auch zumutbar war5. Die Bank ist jedoch nicht verpflichtet, eine von ihr vorgesehene Verwertung von Sicherheiten zu unterlassen oder aufzuschieben, wenn der Sicherungsgeber pauschal behauptet, es gebe bessere Verwertungsmöglichkeiten6.
6.492
3. Umsatzsteuerrechtliche Erlösgutschrift Verwertet die Bank die ihr übereigneten Sachen im Wege des freihändigen Verkaufs, so stellt dies eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung an den Käufer dar. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt hierin zugleich eine steuerpflichtige Lieferung des Sicherungsgebers an die Bank7. Der Sicherungsgeber als Leistungserbringer hätte deshalb der Bank eine die Umsatzsteuer gesondert ausweisende Rechnung zu erteilen (§ 14 Abs. 2 UStG). Als eine solche Rechnung gilt aber auch eine Gutschrift, mit der ein Unternehmer (hier die Bank) über eine steuerpflichtige Lieferung abrechnet, die an ihn ausgeführt wird. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen Sicherungsgeber und Bank Einverständnis über diese Form der Abrechnung besteht (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG). Hierzu bestimmt Nr. 17 Abs. 2 AGB, dass die Bank bei umsatzsteuerpflichtigen Sicherheitenverwertungen dem Kunden über den Erlös eine Gut-
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 22 Rz. 19. 2 BGH v. 20.3.1991 – IV ZR 50/90, NJW 1991, 1946. 3 BGH v. 7.5.1987 – IX 198/85, NJW-RR 1987, 1291; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 17 AGB-Banken Rz. 2; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 402; Gößmann in BuB, Rz. 1/501; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 365. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 22 Rz. 23; Gößmann in BuB, Rz. 1/501; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 401. 5 Gößmann in BuB, Rz. 1/501; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 365. 6 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 404; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 22 Rz. 24. 7 Gößmann in BuB, Rz. 1/508; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 376.
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6.493
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
schrift erteilen wird, die als Rechnung für die Lieferung der als Sicherheit dienenden Sache gilt und den Voraussetzungen des Umsatzsteuerrechts entspricht.
4. AGB-Sparkassen
6.494
Nr. 21 Abs. 5 AGB-Sparkassen enthalten lediglich Verwertungsregelungen für das Pfandrecht und die Sicherungsabtretung. Hinsichtlich anderer Sicherheiten wird unterstellt, dass entweder in dem jeweiligen Sicherheitenvertrag entsprechende Verwertungsregelungen existieren oder die Verwertung sich auf die gesetzlichen Regelungen stützt1. Neben der Nennung der Voraussetzungen für die Verwertung (Nichtleistung trotz Fälligkeit und Mahnung mit angemessener Nachfrist) ist unter anderem auch das Gebot der Rücksichtnahme verankert. Schließlich behält sich die Sparkasse die Möglichkeit vor, Verwertungserlöse, die nicht zur Befriedigung sämtlicher Forderungen ausreichen, nach billigem Ermessen zu verrechnen und damit eine von § 366 BGB abweichende Verrechnungsreihenfolge zu bestimmen2.
6.495–6.500
Einstweilen frei.
XVIII. Nr. 18 AGB-Banken: Kündigungsrechte des Kunden (Merz) 18. Kündigungsrechte des Kunden (1) Jederzeitiges Kündigungsrecht Der Kunde kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen (zum Beispiel den Scheckvertrag), für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. (2) Kündigung aus wichtigem Grund Ist für eine Geschäftsbeziehung eine Laufzeit oder eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart, kann eine fristlose Kündigung nur dann ausgesprochen werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Kunden, auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Bank, unzumutbar werden lässt, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen. (3) Gesetzliche Kündigungsrechte Gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt.
6.501
Die bankmäßigen Geschäftsbeziehungen zwischen Kunde und Bank sind häufig auf Dauer angelegt. Dies gilt insbesondere für die Konto- und Depotverbindung sowie das Kreditkartenverhältnis, aber auch für bestimmte Darlehens1 Gößmann in BuB, Rz. 1/507. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 22 Rz. 40.
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AGB-Banken im Einzelnen
arten. Es besteht deshalb ein generelles Bedürfnis, eine Beendigung der einzelnen Geschäftsbeziehungen durch Kündigung herbeiführen zu können und dieses Kündigungsrecht in den AGB-Banken zu regeln. Soweit die Kündigungsklausel in Nr. 18 AGB von Geschäftsbeziehungen spricht, ist hiermit eine auf Dauer angelegte Vertragsbeziehung gemeint. Das Erfordernis einer solchen auf Dauer angelegten Vertragsbeziehung wird in der Weise angesprochen, dass als Beispiel der hiervon erfassten Geschäftsbeziehungen der auf Dauer angelegte Scheckvertrag erwähnt wird, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt (Nr. 18 Abs. 1, Nr. 19 Abs. 1 AGB)1. Das in Nr. 18 AGB-Banken geregelte Kündigungsrecht des Kunden unterscheidet zwischen der ordentlichen Kündigung (Abs. 1), der außerordentlichen Kündigung (Abs. 2) und der Regelung des Verhältnisses zu den gesetzlichen Kündigungsregeln (Abs. 3). Die Rechtsfolgen einer Kündigung sind in den AGB-Banken dagegen nicht geregelt. Diese lassen sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ableiten2.
6.502
Zum Teil finden sich AGB-mäßige Kündigungsrechte auch in den Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen. Ein praktisches Beispiel bildet Nr. 15 der Bedingungen für Kreditkarten („Kündigung des Kreditkartenvertrages“).
6.503
1. Jederzeitiges Kündigungsrecht Ist für die jeweilige Geschäftsbeziehung weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart, so steht dem Kunden nach Nr. 18 Abs. 1 AGB das ordentliche Kündigungsrecht zu. Dieses Recht ergibt sich bereits aus dem Grundsatz, dass bei einem unbefristeten Dauerschuldverhältnis jeder Vertragspartner nach Treu und Glauben berechtigt ist, den Vertrag nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes mit Wirkung für die Zukunft zu beenden3. Der Kunde kann im Unterschied zur Bank dieses Kündigungsrecht jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ausüben. Ist dagegen für eine Geschäftsbeziehung eine Laufzeit oder eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart worden, ist in diesen Fällen nur eine Kündigung gemäß der getroffenen Vereinbarung oder eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zulässig.
6.504
Problematisch sind die Fälle, in denen die gekündigte Geschäftsbeziehung zwangsläufig Auswirkungen auch auf andere Geschäftsbeziehungen hat. Dies
6.505
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 23 Rz. 7; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 378. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 23 Rz. 14 ff.; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 421; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 18 AGBBanken, Rz. B 85; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 90; Gößmann in BuB, Rz. 1/527. 3 BGH v. 10.6.1985 – III ZR 63/84, WM 1985, 1059; OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
gilt insbesondere bei der Kündigung eines laufenden Kontos, das häufig die vertragliche Rechtsgrundlage für andere Geschäftsbeziehungen bildet. Ist dem Kunden auf dem laufenden Konto eine Überziehungsmöglichkeit eingeräumt worden (§ 504 BGB) und kündigt der Kunde das laufende Konto, so erstreckt sich die Kündigung des laufenden Kontos zwangsweise auch auf die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit1. Denn die gesetzliche Definition der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit setzt zwingend das Vorhandensein eines laufenden Kontos voraus2.
2. Kündigung aus wichtigem Grund
6.506
Das in Nr. 18 Abs. 2 AGB geregelte außerordentliche Kündigungsrecht des Kunden knüpft an das Vorliegen eines wichtigen Grundes an. Ein solcher wichtiger Grund liegt nach der AGB-Klausel nur vor, wenn es dem Kunden auch unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Belange der Bank unzumutbar ist, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen. Dieses Kündigungsrecht ist von geringer praktischer Bedeutung, weil der Kunde nur selten an einer Aufkündigung der Geschäftsbeziehung interessiert ist3.
3. Gesetzliche Kündigungsrechte
6.507
Die Regelung in Nr. 18 Abs. 3 AGB soll klarstellen, dass gesetzliche Kündigungsrechte des Kunden durch diese Regelung nicht eingeschränkt werden sollen4. Dies gilt sowohl für die außerordentlichen Kündigungsrechte (§ 314 BGB, § 490 Abs. 2 BGB) als auch für die ordentliche Kündigungsrechte (§ 488 Abs. 3 Satz 1 BGB, § 489 BGB, § 500 Abs. 1 BGB) des Kunden.
4. Kündigungsrecht nach Nr. 26 AGB-Sparkassen
6.508
Während in den AGB-Banken seit 1993 die Kündigungsrechte des Kunden (Nr. 18 AGB-Banken) und der Bank (Nr. 19 AGB-Banken) klauselmäßig getrennt sind, um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB zu entsprechen, sind die Kündigungsrechte des Kunden und der Bank in den AGB-Sparkassen nach wie vor zusammen geregelt (Nr. 26 AGB-Sparkassen). Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Regelungen jedoch nicht5.
6.509–6.510
Einstweilen frei.
1 Zur alten Rechtslage: Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 23 Rz. 6; Fandrich in von Westphalen, Banken- und Sparkassen-AGB, Rz. 90. 2 Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 23 Rz. 13; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 419; Gößmann in BuB, Rz. 1/552. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 18 AGB-Banken Rz. 3; Sonnenhol, WM 2002, 1259. 5 Gößmann in BuB, Rz. 1/553.
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AGB-Banken im Einzelnen
XIX. Nr. 19 AGB-Banken: Kündigungsrechte der Bank (Merz) 19. Kündigungsrechte der Bank (1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages (zum Beispiel laufendes Konto oder Kartenvertrag) und eines Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens zwei Monate. (2) Kündigung unbefristeter Kredite Kredite und Kreditzusagen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, kann die Bank jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Die Bank wird bei der Ausübung dieses Kündigungsrechts auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Soweit das Bürgerliche Gesetzbuch Sonderregelungen für die Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrages vorsieht, kann die Bank nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen. (3) Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist Eine fristlose Kündigung der gesamten Geschäftsverbindung oder einzelner Geschäftsbeziehungen ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der der Bank deren Fortsetzung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden unzumutbar werden lässt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, – wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung oder über andere mit Risiken für die Bank verbundene Geschäfte (zum Beispiel Aushändigung einer Zahlungskarte) von erheblicher Bedeutung waren, oder – wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens oder die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist, oder – wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Nummer 13 Absatz 2 dieser Geschäftsbedingungen oder auf Grund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt. Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer vertraglichen Pflicht, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, es sei denn, Merz
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
dies ist wegen der Besonderheiten des Einzelfalles (§ 323 Absätze 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches) entbehrlich. (4) Kündigung von Verbraucherdarlehensverträgen bei Verzug Soweit das Bürgerliche Gesetzbuch Sonderregelungen für die Kündigung wegen Verzuges mit der Rückzahlung eines Verbraucherdarlehensvertrages vorsieht, kann die Bank nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen. (5) Abwicklung nach einer Kündigung Im Falle einer Kündigung ohne Kündigungsfrist wird die Bank dem Kunden für die Abwicklung (insbesondere für die Rückzahlung eines Kredits) eine angemessene Frist einräumen, soweit nicht eine sofortige Erledigung erforderlich ist (zum Beispiel bei der Kündigung des Scheckvertrages die Rückgabe der Scheckvordrucke).
6.511
Das in Nr. 19 AGB geregelte Kündigungsrecht der Bank unterscheidet zwischen der ordentlichen Kündigung unbefristeter Geschäftsbeziehungen (Abs. 1), der ordentlichen Kündigung unbefristeter Kredite (Abs. 2), der außerordentlichen Kündigung (Abs. 3), des Verhältnisses zur gesetzlichen Kündigungsregel von Verbraucherdarlehen bei Zahlungsverzug (Abs. 4) und der Regelung zur Abwicklung einer Geschäftsbeziehung nach einer Kündigung (Abs. 5). Abgesehen von der Abwicklungsfrist bei einer Kündigung ohne Kündigungsfrist sind die Rechtsfolgen einer Kündigung in den AGB-Banken nicht geregelt. Diese lassen sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ableiten1.
1. Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
6.512
Wie der Kunde hat auch die Bank ein ordentliches Kündigungsrecht für die Geschäftsverbindung und für solche Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart worden ist2. Dieses Recht ergibt sich bereits aus dem Grundsatz, dass bei einem unbefristeten Dauerschuldverhältnis jeder Vertragspartner nach Treu und Glauben berechtigt ist, den Vertrag nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes mit Wirkung für die Zukunft zu beenden3. Soweit die Kündigungsklausel der Nr. 19 AGB von Geschäftsbeziehungen spricht, ist hiermit eine auf Dauer angelegte Vertragsbeziehung gemeint. Das Erfordernis einer solchen auf Dauer angelegten Vertragsbeziehung wird in der Weise angesprochen, dass als Beispiel der hiervon erfassten Geschäftsbeziehungen der auf Dauer angelegte Scheckvertrag erwähnt wird, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt (Nr. 19 Abs. 1 AGB)4.
1 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 9. 2 Zur Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz: OLG Köln v. 17.11.2000 – 13 W 89/00, WM 2001, 504; Gößmann in BuB, Rz. 1/555; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 430. 3 BGH v. 10.6.1985 – III ZR 63/84, WM 1985, 1059 (1061); OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 429. 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 23 Rz. 7; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 378.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Die Bank kann im Unterschied zum Kunden eine Geschäftsbeziehung, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart worden ist, jederzeit nur unter Einhaltung einer angemessenen Frist kündigen. Für die Unbedenklichkeit des ordentlichen Kündigungsrechts der Bank spricht neben der unternehmerischen Dispositionsfreiheit der Umstand, dass die Bank bei der Bemessung der Kündigungsfrist auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht zu nehmen hat (Nr. 19 Abs. 1 Satz 2 AGB). Welche Kündigungsfrist angemessen ist, hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab1. Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages (§ 675f Abs. 2 BGB, zB laufendes Konto oder Kartenvertrag) und eines Depots ist eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Monate vorgesehen (Nr. 19 Abs. 1 Satz 3 AGB).
6.513
Eine Kündigung nach Nr. 19 Abs. 1 AGB ist auch nicht auf Grund der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) zum Girokonto für Jedermann aus dem Jahr 1995 ausgeschlossen2. Zum einen stellt die ZKA-Empfehlung nur eine Bitte des ZKA an die Mitglieder dar und zum anderen haben sich die Kreditinstitute in der Regel auch nicht in einer einklagbaren Weise zur Einhaltung der ZKA-Empfehlung verpflichtet3. Bei der mitunter anzutreffenden Bezeichnung der ZKA-Empfehlung als „Selbstverpflichtung“ handelt es sich daher lediglich um eine plakative Verkürzung des Sachverhalts4. Davon unabhängig ist es aus Banksicht empfehlenswert, nur in den in der ZKA-Empfehlung genannten Gründen von der Möglichkeit einer Kündigung Gebrauch zu machen. Das Gleiche gilt für Girokonten, die als Pfändungsschutzkonto (§ 850k ZPO) geführt werden5. Denn der Kontoinhaber eines Girokontos hat lediglich einen Anspruch auf Umwandlung seines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto (§ 850k Abs. 7 Satz 2 ZPO). Einen Anspruch auf Eröffnung eines Pfändungsschutzkontos hat er dagegen nicht. Einen Kontrahierungszwang für die Eröffnung eines Girokontos, das als Pfändungsschutzkonto geführt werden soll, gibt es also nicht6.
6.514
Eine Kündigung eines Girokontos durch eine Sparkasse wegen politischer Betätigung ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht zulässig, solange das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Partei nicht festgestellt hat7. Diese Entscheidung kann grundsätzlich nicht auf private Banken
6.515
1 Der BGH hat in einem Einzelfall zwei Wochen für ausreichend erachtet, BGH v. 11.12.1990 – XI ZR 54/90, WM 1991, 317 (318). 2 Der vollständige Text der ZKA-Empfehlung kann unter http://www.zka-online.de nachgelesen werden. 3 Damit besteht beim Girokonto für Jedermann grundsätzlich kein Kontrahierungszwang, LG Berlin v. 12.8.2008 – 10 S 4/08, BeckRS 2009, 06446; Lücke, BKR 2009, 457; aA LG Berlin v. 24.4.2003 – 21 S 1/03, BKR 2004, 127; zum Kontrahierungszwang der öffentlich-rechtlichen Sparkassen: Geschwandtner/Bornemann, NJW 2007, 1253. 4 OLG Bremen v. 22.12.2005 – 2 U 67/05, BKR 2006, 294 (295); Lücke, BKR 2009, 457. 5 Zum Pfändungsschutzkonto: Ahrens, NJW 2010, 2001; Büchel, ZInsO 2010, 20; Büchel, BKR 2009, 358; Lücke, BKR 2009, 457. 6 Lücke, BKR 2009, 457 (458). 7 BGH v. 11.3.2003 – XI ZR 403/01, WM 2003, 823; Unger-Hellmich/Stephan, BKR 2009, 441.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
übertragen werden, da private Banken keine öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Eine Ausnahme besteht für privatrechtlich organisierte Kreditinstitute, die ausschließlich von der öffentlichen Hand beherrscht werden1. Denn auch diese Kreditinstitute haben nach der Rechtsprechung des BGH das in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Willkürverbot zu beachten.
2. Kündigung unbefristeter Kredite
6.516
Eine abweichende Sonderregelung des ordentlichen Kündigungsrechts enthält Nr. 19 Abs. 2 AGB für unbefristete Kredite und Kreditzusagen. Danach darf die Kündigung im Unterschied zu den sonstigen Fällen der ordentlichen Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist erfolgen. Gegen die formularmäßige Vereinbarung des jederzeitigen Kündigungsrechts bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Das jederzeitige Kündigungsrecht der Bank nach Nr. 19 Abs. 2 AGB ist bereits durch die Rechtsprechung für wirksam erklärt worden2. Dies wird durch die Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz insoweit bestätigt, als § 490 BGB nach der amtlichen Überschrift nur außerordentliche Kündigungen erfasst und ordentliche Kündigungsrechte, wie zB das jederzeitige Kündigungsrecht aus Nr. 19 Abs. 2 AGB, nicht berührt3. Auch nach Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie4 ist die Regelung in Nr. 19 Abs. 2 AGB wirksam und benachteiligt den Darlehensnehmer nicht unangemessen wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dies folgt aus § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB, der weitere Erleichterungen von §§ 491 ff. BGB für eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten enthält, bei denen das Darlehen nach seiner Auszahlung binnen drei Monate oder nach Aufforderung, also nach fristloser Kündigung durch die Bank, zurückzuzahlen ist5.
6.517
Dieses ordentliche Kündigungsrecht darf jedoch nicht willkürlich und ohne Rücksichtnahme darauf ausgeübt werden, ob dem Kunden vermeidbare und durch das Bankinteresse nicht gerechtfertigte Nachteile zugefügt werden6. So darf eine ordentliche Kündigung nach der Rechtsprechung nicht zur Unzeit, nicht rechtsmissbräuchlich oder unter Missachtung der Pflicht zur Rücksichtnahme (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB) erfolgen7. Dementsprechend bestimmt Nr. 19 1 BGH v. 2.12.2003 – XI ZR 397/02, BKR 2004, 160; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 24 Rz. 12a. 2 LG Köln v. 25.2.1998 – 26 O 90/97, WM 1998, 1067 = WuB I A 2. Nr. 19 AGB-Banken 1993 2.98 (Livonius). 3 BT-Drucks. 14/6040, S. 254; Wittig/Wittig, WM 2002, 145. 4 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355. 5 BT-Drucks. 16/11643, S. 90; Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105. 6 BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234; BGH v. 19.9.1979 – III ZR 93/76, 1979, 1176 (1179); Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 13; Bunte in AGBBanken und Sonderbedingungen, Rz. 436 ff.; Gößmann in BuB, Rz. 1/561 ff.; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 394. 7 OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486; Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 3, 10; Gößmann in BuB, Rz. 1/561 ff.; Bunte in AGB-Banken
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AGB-Banken im Einzelnen
Abs. 2 Satz 2 AGB, dass die Bank bei der Ausübung dieses Kündigungsrechts auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen wird. Deshalb hat die Bank vor der Kündigung eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen1. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass die Kündigung nicht fristlos, sondern nur mit einer angemessenen Frist ausgesprochen wird. Soweit das BGB Sonderregelungen für die Kündigung eines Verbraucherdarlehens vorsieht, kann die Bank nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen. Dies wird in Nr. 19 Abs. 2 Satz 3 AGB ausdrücklich klargestellt. Hierbei handelt es sich um eine deklaratorische AGB-Bestimmung. Sie soll Zweifel oder Missverständnisse über den Vorrang der zwingenden Vorschriften ausräumen.
6.518
3. Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann die Bank die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen fristlos kündigen, auch wenn eine Laufzeitvereinbarung oder eine anderweitige Kündigungsregelung getroffen worden ist2. Ein wichtiger Grund im Sinne des außerordentlichen Kündigungsrechts liegt vor, wenn es der Bank unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist, die Geschäftsbeziehung bis zu der vereinbarten Beendigung fortzusetzen3. Ein Verschulden des Kunden an dem Kündigungsgrund ist nicht erforderlich4.
6.519
Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB enthält einige Beispiele, in denen ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung gegeben ist. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, was sich aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ und der Regelbeispieltechnik ergibt5. Wenn auch die für das Kündigungsrecht aufgezählten wichtigen Gründe nicht abschließend sind, kommen nur solche sonstigen Gründe in Betracht, die in ihrer Bedeutung den ausdrücklich ge-
6.520
1 2 3
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und Sonderbedingungen, Rz. 436 ff.; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken Rz. 386; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 19 AGBBanken Rz. B 89. BGH v. 30.5.1985 – III ZR 112/84, WM 1985, 1128 (1136); OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486. BGH v. 20.5.2003 – XI ZR 50/02, WM 2003, 1416. BGH v. 10.11.1977 – III ZR 39/76, WM 1978, 234 (235); BGH v. 19.9.1985 – III ZR 213/83, NJW 1986, 46; BGH v. 9.7.1991 – XI ZR 72/90, NJW 1991, 2559; Beispiele für einen wichtigen Grund nach OLG Dresden v. 15.11.2001 – 7 U 1956/01, WM 2002, 486: Schwerwiegende Verletzung von vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten, unberechtigte Vorwürfe, Beleidigungen; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 446; Gößmann in BuB, Rz. 1/576; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 4; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Anh. § 310 BGB Rz. 132. Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 402. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 29; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 446; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 5; Gößmann in BuB, Rz. 1/595; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 404.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
nannten Gründen gleichkommen1. Hierzu zählen nach allgemeiner Meinung Vollstreckungsmaßnahmen sowie Scheck- und Wechselproteste2. a) Kündigung wegen unrichtiger Angaben
6.521
So liegt ein wichtiger Grund vor, wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögenslage gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung oder über andere mit Risiken für die Bank verbundene Geschäfte von erheblicher Bedeutung sind. Die Klausel erwähnt hierzu beispielhaft die Aushändigung einer Zahlungskarte. Den „unrichtigen Angaben“ im Sinne der AGB-Klausel steht die pflichtwidrige Unterlassung vollständiger Aufklärung gleich3. Der Kunde ist verpflichtet, die kreditgewährende Bank über alle erkennbar für ihre Kreditentscheidung erheblichen Tatsachen, insbesondere über die für die Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit und Bonität wesentlichen Umstände aufzuklären4. Die unrichtigen Angaben bzw. die verschwiegenen Umstände müssen im Übrigen für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung von erheblicher Bedeutung gewesen sein (Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 1. Spiegelstrich AGB)5. Sie müssen sich entweder auf die Sicherheit der Kredite auswirken oder Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Kunden begründen6. b) Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung
6.522
Die Bank darf auch fristlos kündigen, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens oder die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist (Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Spiegelstrich AGB). Diese Regelung entspricht im Wesentlichen der in § 490 Abs. 1 BGB, wonach eine Kündigung nur zulässig ist, wenn der Rückerstattungsanspruch auch unter Verwertung der Sicherheit gefährdet wird, und damit zu Gunsten eines Ausschlusses eines Kündigungsrechtes bei hinreichender Sicherheit entschieden ist7. Wann sich die 1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 42; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 461; Gößmann in BuB, Rz. 1/595; Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Nr. 19 AGB-Banken Rz. B 90. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 42; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 461; Gößmann in BuB, Rz. 1/595; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 412. 3 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 31; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 448; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 405. 4 BGH v. 26.9.1985 – III ZR 229/84, WM 1985, 1437; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 24 Rz. 30; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 447; Gößmann in BuB, Rz. 1/583. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 5; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 447; Gößmann in BuB, Rz. 1/583. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 30. 7 BT-Drucks. 14/6857, S. 32; kritisch hierzu: Sonnenhol, WM 2002, 1259 (1264).
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AGB-Banken im Einzelnen
Vermögenssituation des Darlehensnehmers so verschlechtert, dass die Rückerstattung des Darlehens gefährdet ist, lässt sich weder Nr. 19 Abs. 3 noch § 490 Abs. 1 BGB entnehmen. Von daher ist eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles und eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien auch weiterhin erforderlich1. Eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse kann folglich nicht allein rechnerisch ermittelt werden. Vielmehr ist eine solche unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu bewerten2. Auch die Frage der Werthaltigkeit einer Sicherheit wirft Probleme auf. Durch die Regelung des § 490 Abs. 1 BGB, die in Nr. 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Spiegelstrich AGB umgesetzt wurde, können sich bei der Bewertung von Sicherheiten insoweit Probleme ergeben, als sich allgemein gültige Maßstäbe für die die Bewertung von Sicherheiten bei Eintritt des Sicherungsfalles als entscheidenden Zeitpunkt nicht im Voraus festlegen lassen3. Zur Bewertung von Sicherheiten können als Orientierung jedoch die Grundsätze des BGH herangezogen werden, die er im Rahmen der Freigabe bei revolvierenden Globalsicherheiten aufgestellt hat4: bei marktüblichen Waren deren Verkehrswert, ansonsten der Warenschätzwert im Zeitpunkt der Entscheidung über die Werthaltigkeit der Sicherheit und bei Forderungen grundsätzlich deren Nennwert.
6.523
Die Verschlechterung der Werthaltigkeit einer Sicherheit stellt für sich allein genommen keinen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Hierbei kommt es zudem insbesondere darauf an, ob der Darlehensnehmer zahlungsfähig und -willig ist, da es zu einer Verwertung von Sicherheiten erst im Falle einer Nichtzahlung bei Fälligkeit des Darlehens kommen kann5. Die alleinige Verschlechterung der Werthaltigkeit von Sicherheiten führt jedoch zu einem Anspruch der Bank gegen den Darlehensnehmer auf Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 AGB.
6.524
Ausreichend für das außerordentliche Kündigungsrecht ist, dass eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers oder des Wertes einer Sicherheit „droht“ (Nr. 19 Abs. 3 AGB). Dieses Drohen der Verschlechterung ist aber nach objektiv nachvollziehbaren Maßstäben zu ermitteln6. Eine allgemeine Verschlechterung der Wirtschaftslage oder eine Verschlechterung innerhalb der Branche ist nicht ausreichend7. Diese Anforderungen, die für die Praxis von besonderem Interesse sind8, sind der Vorschrift des § 490 Abs. 1 BGB nachgebildet. Hiernach ist ein Kreditinstitut vor einer Kreditkündigung aus wichtigem Grund stets gehalten, die Werthaltigkeit der
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Vgl. zur alten Kasuistik Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 33 ff. Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 450. BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, BGHZ 137, 212 (230); vgl. Rz. 6.466. BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, BGHZ 137, 212 (234). Ungeheuer, Das allgemeine Darlehensrecht, in Schimmel/Roland/Buhlmann (Hrsg.), Frankfurter Handbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, S. 563. 6 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 37; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 19 AGB-Banken Rz. 5b; Gößmann in BuB, Rz. 1/591; Freitag, WM 2001, 2370 (2373). 7 Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 456. 8 Sonnenhol, WM 2002, 1259.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Sicherheiten zu prüfen und eine Prognose darüber anzustellen, ob eine Gefährdung ihres Rückzahlungsanspruchs auch bei Verwertung der Sicherheiten gegeben ist. Jedoch besteht andererseits keine Pflicht zur Verwertung von Dritten gestellter Personal- oder Realsicherheiten1. c) Kündigung wegen ausbleibender Nachbesicherung
6.526
Schließlich erwähnt die AGB-Klausel als einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung, wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten oder auf Grund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt. Wie bereits dem Wortlaut der Nr. 19 Abs. 3 AGB entnommen werden kann, besteht das außerordentliche Kündigungsrecht nur dann, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für den Anspruch der Bank auf Bestellung oder Verstärkung gemäß Nr. 13 AGB gegeben sind. Auch darf das Verlangen nach zusätzlichen Sicherheiten nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, etwa weil die verlangten Sicherheiten zu einer Übersicherung führen und damit einen Freigabeanspruch des Kunden begründen oder die Bank einen ihr zurechenbaren Vertrauenstatbestand verletzen würde2.
6.527
Die Bank hat im Übrigen dem Kunden für die verlangte Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten eine angemessene Frist einzuräumen (Nr. 13 Abs. 3 Satz 1 AGB). Sie muss schließlich den Kunden auf die beabsichtigte Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts zuvor hinweisen (Nr. 13 Abs. 3 Satz 2 AGB). d) Vorherige Abmahnung
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Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer vertraglichen Pflicht, ist die Kündigung nach Nr. 19 Abs. 3 Satz 3 AGB erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Eine Abmahnungspflicht ist ausnahmsweise dann nicht erforderlich, wenn diese wegen der Besonderheiten des Einzelfalls (§ 323 Abs. 2 und 3 BGB) entbehrlich ist. Danach ist eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich, wenn der Darlehensnehmer zB die Rückführung der Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB), wenn die im Rahmen des Darlehensvertrages als Dauerschuldverhältnis geschuldete Fixschuld nicht rechtzeitig erbracht wird (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB3) oder wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Darlehensnehmer (Kunden) und dem Darlehensgeber (Bank) so schwerwiegend zerstört ist, dass eine sofortige Beendigung des Vertrages gerechtfertigt erscheint (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB4). Von 1 Kritisch hierzu: Sonnenhol, WM 2002, 1259 (1264). 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 41; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 458; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 408. 3 Heinrichs in Palandt, § 323 BGB Rz. 19. 4 Heinrichs in Palandt, § 323 BGB Rz. 22.
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AGB-Banken im Einzelnen
einer Aufzählung der insoweit in Betracht kommenden Tatbestände ist aus Gründen der Übersichtlichkeit abgesehen worden1. Die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung ist im Sinne von Nr. 19 Abs. 3 Satz 1 AGB zumutbar, wenn erwartet werden kann, dass sich der Kunde nach einer Abmahnung wieder vertragsgetreu verhalten wird2.
4. Kündigung von Verbraucherdarlehen bei Verzug Soweit das BGB in § 498 Sonderregelungen für die Kündigung wegen Verzuges mit der Rückzahlung eines Verbraucherdarlehens vorsieht, kann die Bank nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen (vgl. hierzu Rz. 10.322). Dies wird in Nr. 19 Abs. 4 AGB ausdrücklich klargestellt. Hierbei handelt es sich um eine deklaratorische AGB-Bestimmung. Sie soll Zweifel oder Missverständnisse über den Vorrang der zwingenden Vorschriften ausräumen3.
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5. Abwicklung nach einer Kündigung Im Falle einer Kündigung ohne Kündigungsfrist hat die Bank hat dem Kunden eine angemessene Frist für die Abwicklung der Geschäftsbeziehung einzuräumen, soweit nicht eine sofortige Erledigung erforderlich ist (Nr. 19 Abs. 5 AGB). Diese Verpflichtung gilt sowohl für die fristlose ordentliche als auch für die fristlose außerordentliche Kündigung einer Geschäftsbeziehung4. Angemessen ist die Frist im Sinne dieser Vorschrift, wenn dem Kunden, der seinerseits mit der gebotenen Eile zu handeln hat, ausreichend Zeit zur Verfügung steht, sich um eine andere Bankverbindung zu bemühen5. Als praktisches Beispiel für das Erfordernis eine sofortige Erledigung erwähnt die AGBKlausel die Rückgabe der Scheckvordrucke bei einer Kündigung des Scheckvertrages.
6.530
6. Kündigungsrecht nach Nr. 26 AGB-Sparkassen Während in den AGB-Banken seit 1993 die Kündigungsrechte des Kunden (Nr. 18 AGB-Banken) und der Bank (Nr. 19 AGB-Banken) klauselmäßig getrennt sind, um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB zu entsprechen, sind die Kündigungsrechte des Kunden und der Bank in den AGB-Sparkassen nach wie vor zusammen geregelt (Nr. 26 AGB-Sparkassen). Inhaltlich unterscheiden sich die Regelungen dadurch, dass nach den AGB-Sparkassen auch die Sparkasse eine Geschäftsbeziehung, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit fristlos kündigen kann, sofern nicht zwingende Vorschriften entgegenstehen, während eine 1 Sonnenhol, WM 2002, 1259 (1265). 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 24 Rz. 43; Gößmann in BuB, Rz. 1/598; Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 415. 3 Werhahn/Schebesta, AGB und Sonderbedingungen der Banken, Rz. 419. 4 Gößmann in BuB, Rz. 1/605; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 475. 5 Gößmann in BuB, Rz. 1/607; Bunte in AGB-Banken und Sonderbedingungen, Rz. 477.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Bank nach den AGB-Banken nur unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen kann. Darüber hinaus ist in den AGB-Sparkassen das Kündigungsverbot zur Unzeit ausdrücklich enthalten (Nr. 26 Abs. 1 AGBSparkassen), während nach den AGB-Banken die Bank bei der Bemessung der Kündigungsfrist auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen wird (Nr. 19 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken). Die Regelung zur Kündigung aus wichtigem Grund stimmt im Wesentlichen überein, allerdings enthalten die AGB-Sparkassen weitere Beispiele für das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Nach wie vor enthalten die AGB-Sparkassen keine Abwicklungsfrist. Ungeachtet dessen ist eine Sparkasse ebenfalls verpflichtet, dem Kunden eine ausreichende Frist zur Abwicklung einzuräumen1.
6.532–6.535
Einstweilen frei.
XX. Nr. 20 AGB-Banken: Einlagensicherungsfonds (Peterek) 20. Einlagensicherungsfonds (1) Schutzumfang Die Bank ist dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. angeschlossen. Der Einlagensicherungsfonds sichert alle Verbindlichkeiten, die in der Bilanzposition „Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ auszuweisen sind. Hierzu zählen Sicht-, Termin- und Spareinlagen einschließlich der auf den Namen lautenden Sparbriefe. Die Sicherungsgrenze je Gläubiger beträgt 30 % des für die Einlagensicherung maßgeblichen haftenden Eigenkapitals der Bank. Diese Sicherungsgrenze wird dem Kunden von der Bank auf Verlangen bekannt gegeben. Sie kann auch im Internet unter www.bankenverband.de abgefragt werden. Sofern es sich bei der Bank um eine Zweigniederlassung eines Instituts aus einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes handelt, erbringt der Einlagensicherungsfonds Entschädigungsleistungen nur, wenn und soweit diese Verbindlichkeiten nicht vom Schutzumfang der Heimatlandeinlagensicherung umfasst sind. Der Umfang der Heimatlandeinlagensicherung kann im Internet auf der Webseite der jeweils zuständigen Sicherungseinrichtung abgefragt werden, deren Adresse dem Kunden auf Verlangen von der Bank mitgeteilt wird. (2) Ausnahmen vom Einlegerschutz Nicht geschützt sind Forderungen, über die die Bank Inhaberpapiere ausgestellt hat, wie zB Inhaberschuldverschreibungen und Inhabereinlagenzertifikate, sowie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten. (3) Ergänzende Geltung des Statuts des Einlagensicherungsfonds Wegen weiterer Einzelheiten des Sicherungsumfanges wird auf § 6 des Statuts des Einlagensicherungsfonds verwiesen, das auf Verlangen zur Verfügung gestellt wird. 1 Gößmann in BuB, Rz. 1/608.
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Peterek
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AGB-Banken im Einzelnen
(4) Forderungsübergang Soweit der Einlagensicherungsfonds oder ein von ihm Beauftragter Zahlungen an einen Kunden leistet, gehen dessen Forderungen gegen die Bank in entsprechender Höhe mit allen Nebenrechten Zug um Zug auf den Einlagensicherungsfonds über. (5) Auskunftserteilung Die Bank ist befugt, dem Einlagensicherungsfonds oder einem von ihm Beauftragten alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
1. Hinweis auf den Einlagensicherungsfonds und den Schutzumfang Nr. 20 AGB dient der Information des Kunden über die Zugehörigkeit zu einer freiwilligen Sicherungseinrichtung der Bank. Die Sicherungseinrichtung soll die geschützten Kunden unmittelbar vor den Nachteilen einer Insolvenz ihrer Bank schützen1. In Abs. 1 der AGB-Klausel wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bank dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. angeschlossen ist. Hintergrund dieser Information ist § 23a Abs. 1 Satz 1 KWG, wonach die Bank ihre Kunden, die nicht Institute sind, vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung in Textform in leicht verständlicher Form über die für die Sicherung geltenden Bestimmungen einschließlich Umfang und Höhe der Sicherung zu informieren hat. Die Information soll es dem Kunden ermöglichen, den Umfang der Sicherung bereits bei der Auswahl eines Kreditinstitutes zu berücksichtigen2. Die hiernach gebotene leichte Verständlichkeit der Information kann auch dadurch gewahrt sein, wenn die Information in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank erteilt und der Kunde hierauf gesondert hingewiesen wird3.
6.536
Die Informationspflicht besteht auch gegenüber den Kunden, denen kein Entschädigungsanspruch zusteht4. Bei Fernabsatzverträgen muss dem Verbraucher gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV eine Information über das Bestehen der betreffenden Entschädigungsregelungen zur Verfügung gestellt werden. Zudem ist die an dem Einlagensicherungsfonds mitwirkende Bank nach § 5 Abs. 4 des Statuts des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken verpflichtet, den Wortlaut von Nr. 20 AGB in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen und die der Geschäftsbeziehung mit ihren Kunden zugrunde zu legen.
6.537
Der Einlagensicherungsfonds sichert alle Verbindlichkeiten, die in der position „Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ auszuweisen sind. zählen insbesondere Sicht-, Termin- und Spareinlagen einschließlich den Namen lautenden Sparbriefe. Die Sicherungsgrenze je Gläubiger
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BilanzHierzu der auf beträgt
Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 23 KWG Rz. 17. Sethe in Assmann/Schütze, § 25 Rz. 65. BGH v. 14.7.2009 – XI ZR 152/08, WM 2009, 1647 (1649). Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 23 KWG Rz. 49.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
30 % des für die Einlagensicherung jeweils maßgeblich haftenden Eigenkapitals der Bank. Ein besonderer Warnhinweis ist für die Fälle notwendig, in denen die Bank Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder annimmt, die vom Schutzumfang generell nicht erfasst werden1. In Nr. 20 Abs. 2 AGB werden in diesem Zusammenhang Forderungen, über welche die Bank auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen und Einlagenzertifikate ausgestellt hat, sowie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten angeführt. Mit diesem Hinweis wird der Kunde über die fehlende Einlagensicherung bestimmter Anlagen, insbesondere Inhaberzertifikate, aufgeklärt. Analog der Rechtsprechung, wonach es im Zusammenhang mit einer Anlageberatung an Stelle einer mündlichen Aufklärung ausreicht, dass dem Kunden zum Zwecke der Aufklärung rechtzeitig ein Prospekt ausgehändigt wird, ist Nr. 20 Abs. 2 AGB als Mittel der Aufklärung ausreichend2. Demgegenüber soll nach dem BGH in Fällen einer eingeschränkten Einlagensicherung mit Blick auf die Pflicht zu einer anlegergerechten Beratung ein Beratungsverschulden gegeben sein, wenn der Kunde sein besonderes Interesse an der Nominalsicherheit einer Geldanlage offenbart und bei der Bank nur die gesetzliche Mindestdeckung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz besteht3.
6.539
Im Übrigen nimmt die AGB-Klausel Bezug auf das Statut des Einlagensicherungsfonds, das dem Kunden auf Verlangen zur Verfügung gestellt wird (Nr. 20 Abs. 3 AGB). Der Umfang der geschützten Forderungen ist in § 6 des Einlagensicherungsstatuts genau beschrieben. Darin sind sowohl Ausnahmen von der Einlagensicherung wie auch Sonderregelungen für bestimmte Kontoformen wie Anderkonten und Gemeinschaftskonten geregelt4.
6.540
Der AGB-mäßige Hinweis auf die freiwillige Einlagensicherung enthält nach überwiegender Meinung nicht nur eine Tatsachenerklärung. Er begründet vielmehr eine wesentliche Vertragspflicht der Bank, sich dem Einlagensicherungsfonds anzuschließen. Eine Verletzung dieser Pflicht berechtigt zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund5.
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In der ab 31.10.2009 geltenden Fassung wurde Nr. 20 Abs. 1 AGB um die Sätze 7 und 8 ergänzt. Es handelt sich um die Kundeninformation, dass der Einlagensicherungsfonds – sofern es sich bei der Bank um eine Zweigniederlassung eines Instituts aus einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes handelt – Entschädigungsleistungen nur leistet, wenn und soweit diese Einlagenverbindlichkeiten nicht bereits vom Schutzumfang der Heimatlandeinlagensicherung umfasst sind. Damit werden auch Kunden ausländischer Zweigniederlassungen über den Umfang der ergänzenden Sicherung unterrichtet.
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Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 23 KWG Rz. 60. Langen, BB 2009, 2000 (2001). BGH v. 14.7.2009 – XI ZR 152/08, WM 2009, 1647 (1651). Hierzu näher Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 509 f. Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 2 Rz. 133; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 20 Rz. 2; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 489.
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6. Teil
AGB-Banken im Einzelnen
Mit der AGB-Regelung wird ein vertraglicher Zahlungsanspruch der Kunden gegen den Bundesverband der deutschen Banken nicht begründet. § 6 des Statuts des Einlagensicherungsfonds, auf den Nr. 20 Abs. 3 AGB für den Schutzumfang ausdrücklich verweist, schließt einen Rechtsanspruch auf ein Eingreifen oder auf Leistungen des Fonds ausdrücklich aus. Hierfür sind vor allem steuer- und versicherungsaufsichtsrechtliche Gründe maßgeblich. Mit diesem Ausschluss soll der Einlagensicherungsfonds von der Körperschaftsowie der Vermögen- und Gewerbesteuer befreit werden. Auch hätte ein solcher Rechtsanspruch den Fonds möglicherweise der Versicherungsaufsicht unterstellt1.
6.542
2. Forderungsübergang Soweit der Einlagensicherungsfonds oder ein von ihm Beauftragter Zahlungen an einen Kunden leistet, gehen dessen Forderungen gegen die Bank in entsprechender Höhe mit allen Nebenrechten Zug um Zug auf den Fonds über (Nr. 20 Abs. 4 AGB). Dabei handelt es sich um eine aufschiebend bedingte antizipierte Forderungsabtretung (§ 398 BGB)2. Diese Vorausabtretung ist zweifach aufschiebend bedingt. Sie wird erst wirksam, wenn der Kunde eine von der Einlagensicherung geschützte Forderung gegen die Bank erworben hat und ihm später eine Entschädigung aus dem Fonds gezahlt worden ist. Die Vorausabtretung ist auch hinreichend bestimmt, weil die Forderung im Zeitpunkt der Entschädigung und damit ihres Übergangs nach Art und Höhe konkretisiert ist3. Gemäß §§ 398, 401 BGB werden von dem Forderungsübergang auch die für die Forderung bestellten Sicherungsrechte erfasst.
6.543
Die in Nr. 20 Abs. 4 AGB enthaltene konkludente Abtretungserklärung des Kunden wird – sofern im Zusammenhang mit einer späteren Abwicklung der Entschädigung weitere Erklärungen nicht abgegeben werden – durch Bewirken der Entschädigung angenommen. Da jedoch die rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die zwischen dem Einlagensicherungsfonds und dem geschützten Kunden im Rahmen der Entschädigungszahlungen gewechselt werden, regelmäßig eine ausdrückliche Zession der abgelösten Forderung vorsehen, dürfte die praktische Bedeutung dieser Abtretungs-Klausel im Ergebnis gering sein4.
6.544
Dem Erwerb der geschützten Forderung liegt ein Forderungskauf zugrunde5. Damit ist ein Rechtsgrund für den Forderungsübergang geschaffen, der Bereicherungsansprüche des Kunden ausschließt.
6.545
1 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 25 Rz. 20; Steuer, WM 1998, 2449. 2 Pamp in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rz. B 92; Hopt in Baumbach/Hopt, AGBBanken 20 Rz. 3. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 20 Rz. 3; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 25 Rz. 33. 4 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 519. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 20 Rz. 3.
Peterek
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
3. Befreiung vom Bankgeheimnis
6.546
Die Bank ist befugt, dem Einlagensicherungsfonds oder einem von ihm Beauftragten alle für die Abwicklung der Entschädigung erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, Nr. 20 Abs. 5 AGB. Mit dieser Regelung wird die Bank vom Bankgeheimnis befreit1. Das insolvente Institut kann deshalb den Einlagensicherungsfonds auch über etwaige Gegenforderungen, insbesondere aus Krediten, Haftungsübernahmen sowie Sicherheitenstellung unterrichten, die die Entschädigungsleistung mindern oder den Zeitpunkt der Entschädigung bis zur Erledigung des Sicherungszwecks verzögern können2.
4. AGB-Sparkassen
6.547
Nr. 28 AGB-Sparkassen enthält den Hinweis auf die Zugehörigkeit der Sparkasse zu dem Sicherungssystem der Deutschen Sparkassen-Finanzgruppe. Darin wird auf die institutssichernde Funktion der Einlagensicherung hingewiesen, die den Bestand der angeschlossenen Institute schützen soll. Schließlich regelt Nr. 28 AGB-Sparkassen das Recht der Sparkasse zur Auskunft und zur Vorlage von Unterlagen gegenüber dem Sicherungssystem.
6.548–6.550
Einstweilen frei.
XXI. Nr. 21 AGB-Banken: Ombudsmannverfahren und außergerichtliche Streitschlichtung (Peterek) 21. Außergerichtliche Streitschlichtung Für die Beilegung von Streitigkeiten mit der Bank besteht für Verbraucher die Möglichkeit, den Ombudsmann der privaten Banken anzurufen. Betrifft der Beschwerdegegenstand eine Streitigkeit aus dem Anwendungsbereich des Zahlungsdiensterechts (§§ 675c bis 676c des Bürgerlichen Gesetzbuches), können auch Kunden, die keine Verbraucher sind, den Ombudsmann der privaten Banken anrufen. Näheres regelt die „Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe“, die auf Wunsch zur Verfügung gestellt wird oder im Internet unter www.bankenverband.de abrufbar ist. Die Beschwerde ist schriftlich an die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband deutscher Banken e.V., Postfach 04 03 07, 10062 Berlin, zu richten.
6.551
Nr. 21 AGB wurde erstmals in die Neufassung zum 31.10.2009 aufgenommen. Hintergrund hierfür sind die vorvertraglichen Hinweispflichten auf das 1 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 521; Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Banken 20 Rz. 4. 2 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 25 Rz. 35.
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Peterek
6. Teil
Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden
Ombudsmannverfahren in Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB1 (für Verbraucherdarlehensverträge) sowie Art. 248 § 4 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB (für die Erbringungen von Zahlungsdienstleistungen). In diesem Kontext wurde in die AGB-Banken ein allgemeiner Hinweis auf die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitschlichtung über den Ombudsmann der privaten Banken aufgenommen. Das Ombudsmannverfahren steht dem Bankkunden grundsätzlich zur Verfügung, wenn dieser Verbraucher ist2. Die Verbrauchereigenschaft (§ 13 BGB) ist jedoch keine Voraussetzung für eine Streitschlichtung, wenn der Beschwerdegegenstand das Recht der Zahlungsdienste (§§ 675c bis 676c BGB) betrifft. Wegen der Details wird der Kunde auf die Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe verwiesen. Diese Verweisung entspricht dem Anliegen, die Grund-AGB nicht zu überfrachten.
6.552
Ein entsprechender Hinweis auf die Möglichkeit einer kostenlosen Streitschlichtung ist in den AGB-Sparkassen nicht enthalten.
6.553
6.554–6.560
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden (Peterek)
I. Begriff Schuldverhältnisse erschöpfen sich nicht in der Herbeiführung des primär geschuldeten Leistungserfolges. Das Schuldverhältnis ist eine dem Grundsatz von Treu und Glauben unterliegende Sonderverbindung (§ 242 BGB). Dieser Grundsatz lässt Nebenpflichten entstehen, deren Bezeichnung weitgehend uneinheitlich ist. Gebräuchlich sind die Begriffe allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten oder Rücksichtnahmepflichten3. Sie entstehen im Rahmen einer vertraglichen oder vorvertraglichen Verbindung auf Grund der erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten auf den Rechtskreis einer Vertragspartei durch den 1 Art. 247 EGBGB ist am 11.6.2010 in Kraft getreten und wurde eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355. 2 Näher hierzu Steuer in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 3 Rz. 63 ff. 3 Zu der weitgehend uneinheitlichen Terminologie (insbes. „Schutzpflichten“, „Verhaltenspflichten“, „weitere Verhaltenspflichten“, „Nebenpflichten“, „Rücksichtnahmepflichten“, „Rücksichtspflichten“) Olzen in Staudinger, Neubearb. 2009, § 241 BGB Rz. 154 f. sowie Rz. 425. Die Gesetzesmaterialien sprechen auch von den Pflichten zur Rücksicht, Fürsorge und Loyalität (BT-Drucks. 14/6040, S. 163).
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6. Teil
Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden
Ombudsmannverfahren in Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB1 (für Verbraucherdarlehensverträge) sowie Art. 248 § 4 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB (für die Erbringungen von Zahlungsdienstleistungen). In diesem Kontext wurde in die AGB-Banken ein allgemeiner Hinweis auf die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitschlichtung über den Ombudsmann der privaten Banken aufgenommen. Das Ombudsmannverfahren steht dem Bankkunden grundsätzlich zur Verfügung, wenn dieser Verbraucher ist2. Die Verbrauchereigenschaft (§ 13 BGB) ist jedoch keine Voraussetzung für eine Streitschlichtung, wenn der Beschwerdegegenstand das Recht der Zahlungsdienste (§§ 675c bis 676c BGB) betrifft. Wegen der Details wird der Kunde auf die Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe verwiesen. Diese Verweisung entspricht dem Anliegen, die Grund-AGB nicht zu überfrachten.
6.552
Ein entsprechender Hinweis auf die Möglichkeit einer kostenlosen Streitschlichtung ist in den AGB-Sparkassen nicht enthalten.
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6.554–6.560
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden (Peterek)
I. Begriff Schuldverhältnisse erschöpfen sich nicht in der Herbeiführung des primär geschuldeten Leistungserfolges. Das Schuldverhältnis ist eine dem Grundsatz von Treu und Glauben unterliegende Sonderverbindung (§ 242 BGB). Dieser Grundsatz lässt Nebenpflichten entstehen, deren Bezeichnung weitgehend uneinheitlich ist. Gebräuchlich sind die Begriffe allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten oder Rücksichtnahmepflichten3. Sie entstehen im Rahmen einer vertraglichen oder vorvertraglichen Verbindung auf Grund der erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten auf den Rechtskreis einer Vertragspartei durch den 1 Art. 247 EGBGB ist am 11.6.2010 in Kraft getreten und wurde eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355. 2 Näher hierzu Steuer in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 3 Rz. 63 ff. 3 Zu der weitgehend uneinheitlichen Terminologie (insbes. „Schutzpflichten“, „Verhaltenspflichten“, „weitere Verhaltenspflichten“, „Nebenpflichten“, „Rücksichtnahmepflichten“, „Rücksichtspflichten“) Olzen in Staudinger, Neubearb. 2009, § 241 BGB Rz. 154 f. sowie Rz. 425. Die Gesetzesmaterialien sprechen auch von den Pflichten zur Rücksicht, Fürsorge und Loyalität (BT-Drucks. 14/6040, S. 163).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
anderen Teil1. Hiervon sind primäre Nebenpflichten oder Nebenleistungspflichten zu unterscheiden, die der Vorbereitung, Durchführung oder Sicherung der geschuldeten Hauptleistung dienen2. Während die Nebenleistungspflichten unmittelbar auf den vertraglichen Leistungszweck und -erfolg bezogen sind, sind die Schutzpflichten nur auf ein pflichtgemäßes Verhalten gerichtet3. Auch im Verhältnis zwischen Bank und Kunde haben die allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten Bedeutung.
6.562
Von den Verbindlichkeiten in Gestalt der Hauptleistungs- und Nebenleistungspflichten, den sekundären Leistungspflichten wie beispielsweise Schadensersatzpflichten wegen Pflichtverletzung sowie den allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten sind die Obliegenheiten zu unterscheiden. Diese begründen für den hierdurch Begünstigten weder einen Erfüllungsanspruch noch bei Verletzung einen Schadensersatzanspruch. Ihre Befolgung ist ein Gebot des eigenen Interesses, da der hiermit Belastete bei ihrer Verletzung einen Rechtsverlust oder rechtlichen Nachteil erleidet4. Beispiele hierfür sind die Annahmeobliegenheit des Gläubigers nach § 300 BGB oder die Schadensminderungspflicht des Geschädigten (§ 254 BGB).
II. Rechtsgrundlage
6.563
Die in Rechtsprechung und Wissenschaft seit langem entwickelten und allgemein anerkannten Verhaltens- und Schutzpflichten sind durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz v. 26.11.2001 kodifiziert worden5. Nach dem neu eingefügten § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Mit dieser Normierung der Lehre von den Schutzpflichten sollte am geltenden Recht nichts geändert werden, sondern lediglich eine Klarstellung im Gesetzestext erfolgen6. Dabei sollte insbesondere eine Abgrenzung der Verhaltens- und Schutzpflichten zu den allgemeinen Verkehrs(sicherungs)pflichten aus § 823 Abs. 1 BGB angedeutet werden, die keine Sonderverbindung iS eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses (§ 241 Abs. 1 und 2 BGB) begründen, bei dem nach § 278 BGB eine Haftung für den Erfüllungsgehilfen besteht7. 1 H. P. Westermann in Erman, § 241 BGB Rz. 11; Grundmann in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 109; Grüneberg/Sutschet in Bamberger/ Roth, § 241 BGB Rz. 90. 2 Roth in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 241 BGB Rz. 90; Grüneberg in Palandt, § 241 BGB Rz. 5. 3 Hierzu Grigoleit in FS Canaris, 2007, Bd. I, S. 275 (278 f.). 4 Grüneberg in Palandt, Einl v § 241 BGB Rz. 13; H. P. Westermann in Erman, Einl. § 241 BGB Rz. 24. 5 BGBl. I 2001, S. 3138. 6 BT-Drucks. 14/6040, S. 125. 7 BT-Drucks. 14/6040, S. 125. Dabei ist bewusst auf eine Regelung der Frage verzichtet worden, ob das die Schutzpflichten erzeugende Schuldverhältnis in jedem Fall auf Gesetz (§ 311 Abs. 2 BGB) beruht oder auch auf einem wirksamen Rechtsgeschäft
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6. Teil
Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden
Als Rechtsgrundlage für die allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten iS des § 241 Abs. 2 BGB kommt auch die bankmäßige Geschäftsverbindung, unabhängig von deren konkreter dogmatischer Grundlage und rechtlicher Qualifizierung, in Betracht1. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB lässt ein Schuldverhältnis mit Rücksichtspflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) durch die Anbahnung eines Vertrages entstehen, „bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut“. Die haftungsbegründende Möglichkeit einer solchen gesteigerten Einwirkung auf die Rechtsgüter des anderen Teils besteht auch bei einer bankmäßigen Geschäftsverbindung. So hat die Bank zB einen unmittelbaren Zugriff auf die dem Kunden gehörenden Wertpapiere, die er ihr zur getreuen Aufbewahrung anvertraut hat. Umgekehrt kann beispielsweise der Kunde über eine ihm irrtümlich erteilte Gutschrift auf seinem Girokonto verfügen und damit seine Bank dem Ausfallrisiko der späteren Rückzahlung des rechtswidrig empfangenen Betrages aussetzen. Diese Einwirkungsmacht auf fremde vermögenswerte Positionen besteht auch in Fällen, in denen die Bank (noch) keine Gegenleistung erbracht hat2.
6.564
Der Wortlaut des § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB spricht von der Anbahnung eines Vertrages. Typischerweise werden im Rahmen einer bankmäßigen Geschäftsverbindung wiederholt verschiedene Dienstleistungs- und Kreditangebote in Anspruch genommen und dementsprechend eine Vielzahl von Verträgen mit der Bank abgeschlossen. Für alle diese Einzelverträge bildet die Geschäftsverbindung eine Grundlage, die als eine Vertragsanbahnung iS des § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB eingestuft werden kann. Praktisches Beispiel für solche aus der Geschäftsverbindung herrührenden allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten ist insbesondere das Bankgeheimnis3.
6.565
III. Schutzrichtung und Haftungsmaßstab Anders als die primären Nebenpflichten sind die allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten regelmäßig nicht auf den geschuldeten Leistungserfolg bezogen4. Schutzobjekt dieser vertraglichen Nebenpflichten ist demgegenüber das sog. Erhaltungs- oder Integritätsinteresse des Vertragspartners, welches auf die Wahrung seiner Rechtsgütersphäre in Gestalt seines personen- und vermögensrechtlichen Status quo zielt5. Denn nach den Regeln des allgemeinen
1 2 3 4 5
beruhen kann. Dies sei eine von der Rechtswissenschaft zu leistende systematische Einordnung (BT-Drucks. 14/6040, S. 126). Vgl. weiter BT-Drucks. 14/7052, S. 182, wonach die Rücksichtnahmepflichten bei jedem Schuldverhältnis auftreten können. Siehe auch Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 55. Hierzu Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 109. Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 56. Grigoleit in FS Canaris, 2007, Bd. I, S. 275 (278). Grüneberg in Palandt, § 242 BGB Rz. 35; Roth in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 241 BGB Rz. 90; Olzen in Staudinger, Neubearb. 2009, § 241 BGB Rz. 153, 156; H. P. Westermann in Erman, § 241 BGB Rz. 3.
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6.566
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Schuldrechts hat sich jeder Vertragspartner in einer ihm zumutbaren Weise so zu verhalten, dass Person, Eigentum und sonstige Rechtsgüter einschließlich des Vermögens des anderen Teils nicht verletzt werden1. Dagegen stellt die Beschädigung des Vermögens keine unerlaubte Handlung iS der Generalnorm des § 823 Abs. 1 BGB dar, bei der fahrlässiges Verhalten wie bei der quasivertraglichen Vertrauenshaftung zu einer Schadensersatzpflicht führen kann. § 823 BGB schützt nur die abschließend aufgezählten Rechtsgüter, demgemäß nur das Eigentum und nicht sonstige Vermögenswerte, insbesondere keine Forderungsrechte, da diesen der Ausschließlichkeitscharakter fehlt2. Bei einer Vermögensschädigung ohne Verletzung von Eigentum kann zwar ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB gegeben sein. Hierfür bestehen jedoch enge Voraussetzungen, da der Schaden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zugefügt worden sein muss3.
6.567
Inhalt und Umfang der Verhaltens- und Schutzpflichten gehen somit über die allgemeinen deliktischen Verhaltenspflichten hinaus. Durch die uneingeschränkte Bezugnahme auf die „Rechtsgüter“ in § 241 Abs. 2 BGB neben den „Rechten“ sollte verdeutlicht werden, dass über den insoweit begrenzten Schutzbereich von § 823 Abs. 1 BGB hinaus auch das bloße Vermögen geschützt sein kann. Im Übrigen schließt die Nennung der „Interessen“ der Beteiligten auch den Schutz der Vermögensinteressen ein4. Eine nähere gesetzliche Ausgestaltung des Pflichteninhalts fehlt jedoch. Dessen Konkretisierung soll nach den Gesetzesmaterialien auch weiterhin durch die Rechtsprechung erfolgen5. Hierbei wird auf die Interessenlage unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben abzustellen sein. Der konkrete Inhalt der Verhaltens- und Schutzpflichten bestimmt sich daher letztlich situationsabhängig und nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem zu Grunde liegenden Typ und Zweck des Vertrages6.
6.568
Eine Verletzung der Verhaltens- und Schutzpflichten kann eine Schadensersatzpflicht aus § 280 Abs. 1 BGB begründen7. Regelmäßig wird der Ersatz des Schadens, der durch die Verletzung des Erhaltungsinteresses entstanden ist, geschuldet8. Der Gläubiger ist daher so zu stellen, als wäre die betreffende Pflicht zur Rücksichtnahme beachtet worden. In Einzelfällen kann jedoch auch die Auflösung eines ungünstigen Vertrages beansprucht werden9. Dabei entspricht die Verantwortlichkeit nicht dem milderen Haftungsmaßstab des Rechts der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. BGB), sondern den strengeren 1 2 3 4 5 6
BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, WM 2008, 1252 (1253). Sprau in Palandt, § 823 BGB Rz. 11; Teichmann in Jauernig, § 823 BGB Rz. 17. Wagner in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 826 BGB Rz. 3. BT-Drucks. 14/6040, S. 125 f. BT-Drucks. 14/6040, S. 163. Grigoleit in FS Canaris, 2007, Bd. I, S. 275 (278), Roth in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 241 BGB Rz. 108; Schulze in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 241 BGB Rz. 5. 7 Grüneberg/Sutschet in Bamberger/Roth, § 241 BGB Rz. 106; Schulze in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 241 BGB Rz. 4. 8 Olzen in Staudinger, Neubearb. 2009, § 241 BGB Rz. 540. 9 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I Rz. 137 f.
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6. Teil
Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden
vertraglichen Haftungsregeln. Nach diesem verschärften Haftungsmaßstab haften Bank und Kunde bei Bestehen eines Vertrauensverhältnisses als Rechtsgrundlage der gesetzlichen Vertrauenshaftung schon bei fahrlässig herbeigeführten Vermögensschäden. Die Verschärfung der Haftung führt auch dazu, dass das Kreditinstitut als Geschäftsherr für das Verschulden seiner Mitarbeiter als Erfüllungsgehilfen einzustehen hat (§ 278 BGB). Im Unterschied zu der milderen deliktsrechtlichen Haftung kann sich die Bank bei der quasi-vertraglichen Vertrauenshaftung nicht durch einen Nachweis der Beachtung der erforderlichen Sorgfalt bei Auswahl und Kontrolle ihres Mitarbeiters entlasten (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB). Somit wird mit dieser Vertrauenshaftung für Vermögensschäden die deliktsrechtliche Haftungslücke geschlossen, die sich daraus ergibt, dass für diese Haftung in § 826 BGB enge Voraussetzungen gelten und für den Schädiger eine Entlastungsmöglichkeit nach § 831 BGB besteht1.
6.569
IV. Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten im Überblick Bank und Kunde treffen in unterschiedlichem Umfang allgemeine Verhaltensund Schutzpflichten.
1. Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank Die allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank bestehen unabhängig von dem Abschluss des Einzelvertrages, der bei der Inanspruchnahme einer bankmäßigen Leistung mit der Bank zu Stande kommt. Es genügt vielmehr, dass die Haftungsgrundlage mit der die gesetzliche Vertrauenshaftung begründenden Geschäftsverbindung in einem inneren Zusammenhang steht2. Die Schutzpflichten aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ohne Primärpflichten behalten ihren gesetzlichen Charakter unabhängig davon, ob später zwischen dem Kunden und der Bank auf Grund eines Einzelgeschäfts eine vertragliche Rechtsbeziehung, zB ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, zu Stande kommt.
6.570
Die Bank hat dabei die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu beachten (§ 276 Abs. 1 BGB, § 347 Abs. 1 HGB)3. Auch für das Verschulden der in den Vertrieb eingeschalteten Personen haftet die Bank wie für eigenes Verschulden, wenn diese als ihre Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) tätig geworden sind4. Dies setzt voraus, dass die eingeschalteten Personen Aufgaben im Pflichtenkreis der Bank übernommen haben und damit eine der Bank zurechenbare
6.571
1 2 3 4
Hierzu van Gelder, WM 1995, 1253 (1254). Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 15. Ernst in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 280 BGB Rz. 127. In dieser Erfüllungsgehilfenhaftung lag gerade die wesentliche Funktion des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo, welche nun in § 311 Abs. 2 BGB gesetzlich geregelt ist, hierzu Löwisch in Staudinger, Neubearb. 2005, § 311 BGB Rz. 95, 133; Schulze in Schulze/Dörnert/Ebert ua., § 311 BGB Rz. 13.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Tätigkeit vorliegt1. Die Grundsätze für die Haftung der Bank sind in Nr. 3 AGB-Banken für alle Verhaltenspflichten der Bank geregelt (dazu Rz. 6.176 ff.).
6.572
In zeitlicher Hinsicht erstrecken sich die Verhaltens- und Schutzpflichten über die gesamte Dauer des geschäftlichen Kontakts. Sie werden mit Blick auf § 311 Abs. 2 BGB bereits im vorvertraglichen Stadium begründet und können auch noch als nachwirkende Schutzpflichten nach beidseitiger Erfüllung aller Einzelverträge und der Geschäftsverbindung fortbestehen2. Denn die durch den geschäftlichen Kontakt begründeten Gefährdungen und Möglichkeiten zur Einwirkung auf die fremde Rechtsgütersphäre dauern auch noch nach Vertragsbeendigung an. Damit wird das Interesse des Vertragspartners an der Erhaltung seines personen- und vermögensrechtlichen Status quo nicht nur deliktisch, sondern auch quasi-vertraglich geschützt.
6.573
Die allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten lassen sich in bestimmte Fallgruppen, vor allem in Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten einteilen. Letztere haben Leitbildcharakter3, aber auch einen unterschiedlichen Pflichteninhalt4. Inhalt und Reichweite der allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten hängen im Ergebnis von dem jeweiligen Vertragstyp des Einzelgeschäftes ab5. Im Allgemeinen lassen sich die Verhaltens- und Schutzpflichten daher am besten nach den einzelnen Bankgeschäften unterteilen6. Dies soll nachfolgend an wenigen Beispielen ausgewählter Bankgeschäfte veranschaulicht werden. Eine vertiefte Erörterung dieser Fragenkreise erfolgt in den jeweiligen Sachkapiteln der betreffenden Bankgeschäfte.
6.574
Im Einlagengeschäft muss sich die Bank zwar grundsätzlich nicht um die Verwendung der Kontoguthaben durch den Kunden kümmern. Die Bank kann aber ausnahmsweise zur Aufklärung und Warnung verpflichtet sein, wenn sie diese Verwendung veranlasst hat und sie die besonderen Gefahren dieser Verwendung auf Grund eines konkreten Wissensvorsprungs besser kennt als der Kunde7. Auch kann es unter Umständen geboten sein, über die Folgen einer vorzeitigen Verfügung von Sparguthaben, wie beispielsweise über den Zinsverlust, zu belehren8. Bei der Eröffnung eines Gemeinschaftskontos für Eheleute mit Einzelverfügungsbefugnis (Oder-Konto) ist die Bank nicht gehalten, allgemein
1 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 40/94, WM 1996, 315 (316); OLG Stuttgart v. 12.1.2000 – 9 U 155/99, WM 2000, 292 (299). 2 Roth in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 241 BGB Rz. 103; Grüneberg/Sutschet in Bamberger/Roth, § 241 BGB Rz. 99. 3 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 111. 4 So zB Aufklärungspflichten und Beratungspflichten, hierzu Vortmann, Aufklärungsund Beratungspflichten der Banken, Rz. 2 ff.; Hadding in FS Schimansky, 1999, S. 67 (72 ff.). 5 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 108; Bitter, WM 2007, 1953 (1955); Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch Rz. A 17. 6 Westermann in Erman, § 241 BGB Rz. 10; Hadding in FS Schimansky, 1999, S. 67 (73 ff.). 7 BGH v. 19.10.1989 – III ZR 92/88, WM 1990, 98 (99). 8 Vgl. BGH v. 20.11.1958 – VII ZR 4/58, WM 1959, 198 (199).
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6. Teil
Allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden
vor den Risiken zu warnen, die infolge eines etwaigen späteren Vertrauensmissbrauchs im Verhältnis zwischen den Eheleuten entstehen können1. Im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bestehen allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten nur in engen Grenzen. Die Kreditinstitute sind im Überweisungs-, Scheckeinziehungs- und Lastschriftverkehr lediglich zum Zwecke eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig. Sie haben sich bereits wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern2. Ist jedoch der beauftragten Bank der unmittelbar bevorstehende Zusammenbruch des Zahlungsempfängers oder der Zusammenbruch von dessen Bank bekannt, so kann sie unter Umständen nach Treu und Glauben aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis verpflichtet sein, den Auftrag nicht ohne vorherige Rückfrage beim Auftraggeber auszuführen, um diesen vor einem ersichtlich drohenden Schaden zu bewahren3.
6.575
Bei einer Hausüberweisung, bei der Überweisende und Empfängerin Kreditinstitute sind, ist die Überweisungsbank ausnahmsweise verpflichtet, das überweisende Kreditinstitut vor Erteilung der Gutschrift auf dem Konto der Empfängerin darauf hinzuweisen, dass die Bankenaufsicht die Schließung der Empfängerbank für den Verkehr mit der Kundschaft angeordnet hat4. Auch kann im Überweisungsverkehr eine Warnpflicht bestehen, wenn die Bank ohne nähere Prüfung bei der normalen Bearbeitung auf Grund objektiv evidenter und massiver Verdachtsmomente den Verdacht einer Veruntreuung hegt5. Die Bank kann zudem im Einzelfall verpflichtet sein, durch geeignete Maßnahmen die Interessen ihres Kunden wahrzunehmen, wenn sich ihr der Verdacht aufdrängt, dass ein Vertreter seine Befugnisse in einer Weise missbraucht, die sich leicht zum Nachteil des Kontoinhabers auswirken könnte, so insbesondere, wenn die Bank ohne Sicherheiten erhebliche Kontoüberziehungen für das Konto einer GmbH zulässt, obschon sie darüber Kenntnis hat, dass die betreffende Gesellschaft noch nicht im Handelsregister eingetragen war6.
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Bei der Vergabe von Krediten ist die Bank grundsätzlich nicht verpflichtet, den Kunden über die Risiken der von ihm beabsichtigten Verwendung der Kreditvaluta aufzuklären7. Eine Aufklärungs- und Warnpflicht besteht vielmehr nur ausnahmsweise, wenn ein besonderes Aufklärungs- und Schutzbedürfnis gegeben ist und Treu und Glauben einen Hinweis der Bank gebieten8.
6.577
1 2 3 4 5 6 7 8
OLG Düsseldorf v. 5.11.1995 – 16 U 19/95, WM 1996, 949 (951). BGH v. 6.5.2008 – X/ZR 56/07, WM 2008, 1252 (1253). BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588 (589 f.). BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1410). BGH v. 6.5.2008 – XI ZR 56/07, WM 2008, 1252 (1253). BGH v. 26.4.2004 – II ZR 120/02, WM 2004, 1237 (1238). BGH v. 17.12.1991 – XI ZR 8/91, WM 1992, 216 (217). BGH v. 11.2.1999 – IX ZR 352/97, WM 1999, 678 (679); BGH v. 17.12.1991 – XI ZR 8/91, WM 1992, 216 (217).
Peterek
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743
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Für den Bereich der Immobilienfinanzierung wurden von der Rechtsprechung vier Fallgruppen gebildet, bei denen die Bank als Kreditgeber über die Risiken der beabsichtigten Verwendung der Finanzierung aufzuklären hat1. So besteht eine Aufklärungspflicht der Bank in den Fällen, in denen die Bank ihre Rolle als Kreditgeber überschreitet, für den Kunden einen besonderen Gefährdungstatbestand schafft, sich in einen Interessenkonflikt begibt oder für sie erkennbar bezüglich der Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gegenüber ihren Kreditkunden einen konkreten Wissensvorsprung hat2.
6.578
Die Verpflichtung aus dem Darlehensvertrag zur Interessenwahrung und Loyalität umfasst für die kreditgebende Bank zudem die Nebenpflicht, die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers weder durch Tatsachenbehauptungen noch durch Werturteile oder Meinungsäußerungen zu gefährden3. Dabei ist es nach der Rechtsprechung unbeachtlich, ob die Tatsachenbehauptungen wahr sind4. Äußerungen eines Organs der Bank sind dieser zuzurechnen (§ 31 BGB). Diese Haftung lässt sich im Ergebnis nur damit begründen, dass die zugrunde liegende Vertragsbeziehung als Kreditvertragsverhältnis gerade ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank darstellt5.
6.579
Ist Darlehensnehmer eine Gesellschaft, so besteht die vorgenannte Verpflichtung nur gegenüber dem Darlehensnehmer selbst, nicht aber gegenüber dem Gesellschafter oder bei einer bestehenden konzernmäßigen engen Verflechtung gegenüber Konzerngesellschaften. Denn der Darlehensvertrag ist insoweit mangels Leistungs- und Einwirkungsnähe nicht drittbezogen6. Gesellschafter und Konzerngesellschaften kommen mit der Hauptleistungspflicht der Kreditvergabe nur mittelbar in Berührung und haften nicht für die Erfüllung der Pflichten aus dem Kreditvertrag. Ohne eine Haftung für den Kredit fehlt die Grundlage für eine Begünstigung durch etwaige Schutzwirkungen aus dem Darlehensvertrag7. Einer Drittwirkung steht letztlich das konzernrechtliche Trennungsprinzip entgegen. Auch die Betrachtung von Konzernunternehmen als eine Kreditnehmereinheit im Sinne der Regelungen des KWG führt nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereiches des Darlehensvertrages zu Gunsten des gesamten Konzerns8.
6.580
Des Weiteren können entsprechende kreditgefährdende Äußerungen einen betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Darlehensnehmers darstellen und eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt
1 Näher hierzu von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 695 ff.; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 146 ff. 2 BGH v. 11.2.1999 – IX ZR 352/97, WM 1999, 678 (679); OLG München v. 4.9.2000 – 17 U 2317/00, WM 2001, 252 ff.; Olzen in Staudinger, Neubearb. 2009, § 241 BGB Rz. 470. 3 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380 (385). 4 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380 (385). 5 Bitter, WM 2007, 1953 (1956 f.). 6 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380 (386 f.). 7 Pfeifer, jurisPR-WettbR 5/2006, Anm. 1. 8 Cranshaw, jurisPR-InsR 20/2006 Anm. 1.
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6. Teil
Kontobeziehung
eines Eingriffs in das Recht des Darlehensnehmers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begründen1.
2. Verhaltens- und Schutzpflichten des Kunden Gegenüber den allgemeinen Schutzpflichten der Bank hat der Pflichtenkatalog des Bankkunden einen wesentlich geringeren Umfang. So ist der Kunde insbesondere zur unverzüglichen Mitteilung von Name, Anschrift oder einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht verpflichtet. Die vom Kunden erteilten Aufträge jeder Art müssen ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Auch ist die Bank auf eine etwaige Eilbedürftigkeit der Auftragsausführung besonders hinzuweisen. Mitteilungen der Bank hat der Kunde unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben. Im Übrigen hat der Kunde bei Ausbleiben der von ihm erwarteten Bankmitteilungen Nachricht zu geben. Diese Verhaltenspflichten und Obliegenheiten des Kunden sind in Nr. 11 AGB-Banken zusammengefasst (dazu Rz. 6.321 ff.).
6.581
Neben den in den AGB geregelten Verhaltenspflichten können für den Kunden auch Verhaltens- und Schutzpflichten nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bestehen. So ist der Kunde gehalten, Gefahren vor Fälschungen, Verfälschungen oder anderen Manipulationen weitestgehend zu verhindern2.
6.582
6.583–6.590
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Kontobeziehung (Peterek)
I. Begriff des Kontos Das Konto erfüllt unterschiedliche Funktionen. Es dient zunächst der buchund rechnungsmäßigen Dokumentation einer laufenden Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kontoinhaber. Dies ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen erfüllt die Bank mit der Einrichtung und Führung eines Kontos ihre kaufmännische Pflicht zur Führung eines Handelsbuches gemäß § 238 HGB3. Zum anderen stellt das Konto in zivilrechtlicher Hinsicht ein Rechtsverhältnis zwischen Kunde und Bank dar. Die einzelnen Geschäftsvorfälle werden mittels Buchungen in das Konto eingestellt. Aus diesen Buchungen lässt sich im Wege einer Saldierung der jeweilige Kontostand ermitteln. Abhängig davon, ob das Konto einen Guthaben- oder einen Sollsaldo ausweist, besteht in entsprechender Höhe ein Forderungsrecht des Kunden oder der Bank. 1 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380 (393 f.). 2 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 57. 3 Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungV Rz. A 79.
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6. Teil
Kontobeziehung
eines Eingriffs in das Recht des Darlehensnehmers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begründen1.
2. Verhaltens- und Schutzpflichten des Kunden Gegenüber den allgemeinen Schutzpflichten der Bank hat der Pflichtenkatalog des Bankkunden einen wesentlich geringeren Umfang. So ist der Kunde insbesondere zur unverzüglichen Mitteilung von Name, Anschrift oder einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht verpflichtet. Die vom Kunden erteilten Aufträge jeder Art müssen ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Auch ist die Bank auf eine etwaige Eilbedürftigkeit der Auftragsausführung besonders hinzuweisen. Mitteilungen der Bank hat der Kunde unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben. Im Übrigen hat der Kunde bei Ausbleiben der von ihm erwarteten Bankmitteilungen Nachricht zu geben. Diese Verhaltenspflichten und Obliegenheiten des Kunden sind in Nr. 11 AGB-Banken zusammengefasst (dazu Rz. 6.321 ff.).
6.581
Neben den in den AGB geregelten Verhaltenspflichten können für den Kunden auch Verhaltens- und Schutzpflichten nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bestehen. So ist der Kunde gehalten, Gefahren vor Fälschungen, Verfälschungen oder anderen Manipulationen weitestgehend zu verhindern2.
6.582
6.583–6.590
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Kontobeziehung (Peterek)
I. Begriff des Kontos Das Konto erfüllt unterschiedliche Funktionen. Es dient zunächst der buchund rechnungsmäßigen Dokumentation einer laufenden Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kontoinhaber. Dies ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen erfüllt die Bank mit der Einrichtung und Führung eines Kontos ihre kaufmännische Pflicht zur Führung eines Handelsbuches gemäß § 238 HGB3. Zum anderen stellt das Konto in zivilrechtlicher Hinsicht ein Rechtsverhältnis zwischen Kunde und Bank dar. Die einzelnen Geschäftsvorfälle werden mittels Buchungen in das Konto eingestellt. Aus diesen Buchungen lässt sich im Wege einer Saldierung der jeweilige Kontostand ermitteln. Abhängig davon, ob das Konto einen Guthaben- oder einen Sollsaldo ausweist, besteht in entsprechender Höhe ein Forderungsrecht des Kunden oder der Bank. 1 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, WM 2006, 380 (393 f.). 2 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 1 Rz. 57. 3 Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungV Rz. A 79.
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6.591
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.592
Die rechtliche Qualifizierung dieses Forderungsrechtes hängt von dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis ab. Dabei handelt es sich bei der Sichteinlage um den Rückgewähranspruch iS der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 Abs. 1 Satz 3 BGB iVm. § 695 BGB) und bei den Termin- und Spareinlagen um den darlehensrechtlichen Rückzahlungsanspruch (§ 488 BGB). Mit Blick auf diese rechtliche Einordnung lässt sich auch die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs bestimmen. Abhängig von dem betreffenden Vertragsverhältnis kann der Anspruch auf Rückzahlung sofort fällig oder befristet sein. Ebenso kommt in Betracht, dass die Fälligkeit einer vorausgehenden Kündigung bedarf.
6.593
Die Bank ist gemäß § 257 HGB zur Aufbewahrung ihrer Handelsbücher und damit auch der Kontounterlagen verpflichtet. Unabhängig von der konkreten Form der Aufbewahrung müssen die Kontodaten während der laufenden Aufbewahrungsfrist stets verfügbar sein und jederzeit innerhalb einer angemessenen Frist lesbar gemacht werden können1.
II. Girokonto und Kontokorrent
6.594
Sichteinlagen als Guthaben auf Girokonten sollen dem Kunden die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr ermöglichen. Grundlage hierfür sind Girokonto und Kontokorrentabrede. Beide sind rechtlich voneinander zu unterscheiden.
1. Girokontovertrag
6.595
Mit dem Begriff Girokonto wird auf die Teilnahme des Kontoinhabers am Girogeschäft abgestellt2. Der Girokontovertrag dient neben der Verwahrung von Geldern und der Möglichkeit, den Tagessaldo jederzeit zu realisieren, insbesondere der Schaffung von Giralgeld. Für eine Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr müssen die auf einem hierfür bestimmten Zahlungskonto des Kunden unterhaltenen Gelder in Form von Kontoguthaben jederzeit verfügbar sein.
6.596
Der Girokontovertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter3. Er ist ein gegenseitiger Vertrag, auf Dauer angelegt und hat Dienste höherer Art zum Gegenstand, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen4. Letztlich ist für den konkreten Inhalt eines Giro(konto)vertrages mangels besonderer Abreden auf die Verkehrsüblichkeit ab-
1 Morck in Koller/Roth/Morck, § 257 HGB Rz. 4; Ballwieser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2008, § 257 HGB Rz. 15. 2 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 54. 3 BGH v. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, WM 1996, 1080 (1081); BGH v. 11.12.1990 – XI ZR 54/90, WM 1991, 317 (318) mwN. 4 BGH v. 10.10.1995 – XI ZR 263/94, WM 1995, 2094 (2095).
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6. Teil
Kontobeziehung
zustellen (§ 157 BGB)1. Soweit auf dem Girokonto Guthaben unterhalten wird, besteht ein unregelmäßiger Verwahrungsvertrag, innerhalb dessen die Bank zur jederzeitigen Rückzahlung des Guthabens verpflichtet ist2. Denn die kontoführende Bank soll das stets in Bargeld umwandelbare Kontoguthaben für den Kunden bis zu dessen Abverfügung aufbewahren. Dieser Zahlungsanspruch des Kontoinhabers ist das originäre Rückforderungsrecht nach den Regelungen der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 Abs. 1 Satz 3 BGB iVm. § 695 BGB)3. Es handelt sich dabei um eine Geldschuld4. Umgekehrt ist ein Sollsaldo eine Darlehensverbindlichkeit iS des § 488 BGB. Ein- und Auszahlungen auf das Girokonto sind daher Akte zur Begründung oder Erfüllung von Verwahrungs- oder Darlehensverhältnissen5. Mit der Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie6 in deutsches Recht wurde ua. § 676f BGB aF, in welchem bislang der Pflichtenkreis der Bank für einen Girovertrag geregelt war, durch die Regelungen zu Zahlungsdiensten (§§ 675c bis 676c BGB) mit Wirkung zum 31.10.2009 ersetzt7. Der damit in das BGB neu eingeführte Vertragstyp des Zahlungsdienstevertrages (§ 675f BGB) ist eine Sonderform des Geschäftsbesorgungsvertrages8. Dabei wird zwischen dem Einzelzahlungsvertrag und dem Zahlungsdiensterahmenvertrag unterschieden. Der Zahlungsdienstevertrag bezieht sich auf verschiedene Zahlungsverkehrsdienstleistungen und verpflichtet die Bank als Zahlungsdienstleister, für den Kunden als Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls ein Zahlungskonto zu führen (dazu Rz. 7.202 ff.).
6.597
Mit der Verpflichtung, ggf. ein Konto zu führen, sind Elemente des Girovertrages aufgegriffen9. Ein Zahlungskonto, für dessen Begriffsbestimmung die Definitionen des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) heranzuziehen sind (vgl. § 675c Abs. 3 BGB), ist ein auf den Namen eines oder mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes und der Ausführung von Zahlungsvorgängen dienendes Konto, das die Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister innerhalb der Geschäftsbeziehung
6.598
1 Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 70, A 75. 2 BGH v. 30.6.1982 – VIII 129/81, WM 1982, 838 ff.; OLG Düsseldorf v. 4.2.2009 – I-15 U 84/08, WM 2009 1560 (1561); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 1. 3 BGH v. 10.10.1995 – XI ZR 263/94, WM 1995, 2094 (2095); BGH v. 15.6.1993 – XI ZR 133/92, WM 1993, 1586 (1586); BGH v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, WM 1982, 816 (817); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 318; Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderteil Nr. 1, S. 19. 4 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559 ff. 5 BGH v. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, WM 1996, 1080 (1081). 6 Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt v. 13.11.2007, ABl. EU Nr. L 319, S. 1. 7 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355 ff. 8 Begr. RegE zu § 675f BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 102. 9 Rösler/Werner, BKR 2009, 1 (7); Derleder, NJW 2009, 3195 (3196).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
buch- und rechnungsmäßig darstellt und für den Zahlungsdienstnutzer dessen jeweilige Forderung gegenüber dem Zahlungsdienstleister bestimmt (§ 1 Abs. 3 ZAG). Hierunter fallen auch Girokonten1. Vor der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie bestehende Girokonten, welche die Ausführung von Zahlungsvorgängen zum Gegenstand hatten, sind unter Geltung der neuen Regelungen als Zahlungsdiensterahmenvertrag zu qualifizieren2. In der Bankpraxis wird der Zahlungsdiensterahmenvertrag regelmäßig nur Bestandteil eines Girokontovertrages sein, denn daneben können auch weitere Bankdienstleistungen, wie beispielsweise der Einzug von Schecks und Wechseln, hinzutreten. Ein solches kombiniertes Leistungsangebot ist gemäß § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB ausdrücklich zulässig.
6.599
In der Praxis werden mit dem Girokontovertrag regelmäßig zugleich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und weitere auf die Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs bezogenen besonderen Bedingungen der Bank in das Vertragsverhältnis einbezogen. Da diese Bedingungen auch Pflichten und Obliegenheiten begründen, bedürfen Minderjährige auch bei einem kostenfrei geführten Guthabenkonto der Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter3.
2. Kontokorrentabrede
6.600
Typischerweise wird im Zusammenhang mit der Vereinbarung eines Girokontovertrages auch eine Kontokorrentabrede getroffen. Wo dies nicht ausdrücklich erfolgt, kann eine Kontokorrentvereinbarung auch nach der Verkehrssitte und dem mutmaßlichen Parteiwillen in Betracht kommen4. In rechtlicher Hinsicht sind jedoch Girovertrag und Kontokorrentabrede streng zu trennen5. Während der Girovertrag dem Kunden die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr ermöglicht, regelt der Kontokorrentvertrag die Einzelheiten einer Verrechnung der beiderseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten, die wiederum aus verschiedenen Bankgeschäften herrühren können. a) Begriff
6.601
Nach § 355 Abs. 1 HGB ist ein solches Kontokorrent – die gesetzliche Begriffsdefinition spricht auch von „laufender Rechnung“ – gegeben, wenn jemand mit einem Kaufmann derart in Geschäftsverbindung steht, dass die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden. 1 Begr. RegE zu § 675f Abs. 2 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 102. 2 Begr. RegE zu § 675f Abs. 2 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 102; vgl. auch Grundmann, WM 2009, 1109 (1113); Rühl, DStR 2009, 2256 (2257). 3 Mansel in Jauernig, § 676f BGB Rz. 4. 4 BGH v. 30.6.1982 – VIII ZR 129/81, WM 1982, 838 (839); Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 202. 5 Berger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, vor § 488 BGB Rz. 65; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 1.
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6. Teil
Kontobeziehung
Hiernach ist Gegenstand der Kontokorrentabrede die fortlaufende Einstellung von Einzelansprüchen in eine laufende Rechnung. Diese Einzelansprüche müssen einer dauerhaften Geschäftsverbindung der Vertragsparteien mit beiderseitigen Ansprüchen und Leistungen entspringen. Geschäftsverbindung in diesem Sinne kann ein Dauerrechtsverhältnis wie zum Beispiel ein Girovertrag1 oder ein Bausparvertrag2 sein. Auch andere Vertragstypen kommen hierfür in Betracht, beispielsweise ein Darlehensverhältnis. Maßgeblich ist, dass daraus beiderseitige verrechnungsfähige Leistungen und Ansprüche resultieren3.
6.602
Das Kontokorrent ist im Ergebnis eine vereinfachte Form der Abrechnung von Forderungen und Leistungen aus einer Geschäftsverbindung4. Dessen Wesensmerkmale sind die Einstellung von Rechnungsposten mittels Buchungen, die periodische Verrechnung, die Anerkennung des Saldos und die hieraus folgende einheitliche Saldo- oder Überschussforderung. Als Folge der periodischen Verrechnung, über die sich die Parteien in der Kontokorrentabrede einigen, entsteht ein Überschuss zu Gunsten einer Partei. Nach dessen Feststellung wird dieser kausale Saldo dem Kunden zum Zwecke eines Anerkenntnisses mitgeteilt.
6.603
Jedes laufende Konto wird grundsätzlich als ein selbständiges Kontokorrent geführt. Es kann aber vereinbart werden, dass mehrere Girokonten – auch wenn sie auf verschiedene Inhaber (etwa Konzerngesellschaften) lauten – als ein einheitliches Kontokorrent geführt und deshalb auch nur ein einheitlicher Anspruch auf den Überschuss aus den Salden begründet werden soll. Eine solche Vereinbarung beinhaltet aber noch nicht die sog. Kompensationsabrede, mit der mehrere rechtlich selbständige Konten zwecks Verzinsung nur der Saldendifferenz zwischen diesen Konten verknüpft werden5.
6.604
b) Kontokorrentbindung der Einzelforderung Die Kontokorrentabrede bewirkt, dass die Einzelforderung durch das Einstellen in die laufende Rechnung zum bloßen Rechnungsposten wird und weder selbständig erfüllt noch separat geltend gemacht werden kann6. Denn durch die Kontokorrentabrede ist die Einzelforderung mit Blick auf die künftige Verrechnung bei Rechnungsabschluss gebunden. Die Einzelforderung verliert damit ihre rechtliche Selbständigkeit. Als Rechnungsposten hat sie nur noch Bedeutung für den späteren Rechnungsabschluss durch Verrechnung und Saldofest1 Maultzsch in Oetker, § 355 HGB Rz. 6. 2 Siehe § 16 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge der privaten Bausparkassen (Musterbedingungen, Fassung von 1997). 3 Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 15 f. 4 Kandelhard in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 38 Rz. 6. 5 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 39. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, § 355 HGB Rz. 7; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 2; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. 212.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
stellung, ohne jedoch unterzugehen. Im Ergebnis tritt an die Stelle einer gesonderten Abwicklung jedes einzelnen Geschäftes eine Gesamtabrechnung1. Die beiderseitigen Forderungen und Leistungen aus den einzelnen Geschäften werden hierzu als schlichte Buchungsposten in die laufende Rechnung gestellt, um in den vereinbarten Zeitabständen saldiert zu werden (sog. Rechnungsabschlüsse). Die Kontokorrentabrede wird daher auch als eine antizipierte Verfügung zu einer künftigen Verrechnung angesehen2 (dazu Rz. 6.610 ff.).
6.606
Der Ausschluss der selbständigen Erfüllung und selbständigen Geltendmachung wird auch als Kontokorrentbindung oder Lähmung der Einzelforderung bezeichnet. Diese Bindungswirkung ist gegenseitig3. Folge hieraus ist, dass dem Schuldner entgegen § 366 Abs. 1 BGB eine Tilgungsbestimmung nicht möglich ist. Leistungen während der Rechnungsperiode führen deshalb nicht zur Tilgung einzelner Forderungen oder Forderungsteile, sondern bilden Rechnungsposten, die erst bei der Saldierung des nächsten Rechnungsabschlusses verrechnet werden. Die §§ 366, 367 BGB, die die Tilgungsreihenfolge bei betragsmäßig nicht ausreichenden Zahlungen bestimmen, sind im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses unanwendbar4. Bank und Kunde können aber, auch konkludent, die vorrangige Tilgung einer Einzelforderung zumindest insoweit vereinbaren, als gemäß § 356 Abs. 1 HGB kontokorrentgebundene Forderungen wegen der für sie bestellten Sicherheiten als fortbestehend zu behandeln sind5.
6.607
Mit Blick auf die in der Kontokorrentabrede liegende Vorausverfügung zur künftigen Verrechnung kann der Gläubiger einer in das Kontokorrent eingestellten Forderung diese nicht selbständig geltend machen und einklagen. Hiermit ist aber keine Stundung im Sinne eines Hinausschiebens der Fälligkeit zu verstehen. Die Kontokorrentbindung schließt auch Verfügungen über die Einzelansprüche, insbesondere die Abtretung und die Verpfändung aus6. In prozessualer Hinsicht ist daher nur eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des kontokorrentgebundenen Einzelanspruchs denkbar7.
6.608
Der Kontokorrentcharakter des Girokontos schließt demgegenüber nicht aus, dass der Kunde jederzeit, auch zwischen den Rechnungsabschlüssen, über sein Konto- oder Tagesguthaben verfügen kann. Der Tagessaldo wird durch die zwischenzeitlichen Saldierungen anlässlich von Buchungen auf dem Girokonto ermittelt und, soweit mit dem Kunden vereinbart, mittels Tagesauszug mitgeteilt. Dieser Tagessaldo ist lediglich ein rechnerisch ermittelter Posten1 2 3 4 5 6
BGH v. 13.12.1990 – IX ZR 33/90, WM 1991, 495 (497). Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 22. Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 7 Rz. 68. BGH v. 4.2.1992 – XI ZR 32/91, WM 1992, 479 (480). BGH v. 13.12.1990 – IX ZR 33/90, WM 1991, 495 (497). BGH v. 25.6.2009 – IX ZR 98/08, WM 2009, 1515 (1516); Koller in Koller/Roth/Morck, § 355 HGB Rz. 6; Hopt in Baumbach/Hopt, § 355 HGB Rz. 7; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 2. 7 Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 56; Maultzsch in Oetker, § 355 HGB Rz. 37.
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Peterek
6. Teil
Kontobeziehung
saldo, der dem kontoführenden Kreditinstitut die Kontrolle über die vom Kunden getroffenen Dispositionen und dem Kunden die Übersicht über den Stand seines Kontos sowie die Zinsberechnung erleichtern soll. Zugleich dokumentiert der Tagessaldo, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Kunde im Rahmen des zugrunde liegenden Girovertragsverhältnisses Verfügungen über das Guthaben und Abhebungen vornehmen kann1. Hintergrund hierfür ist, dass es sich nach der den Geschäftsbeziehungen zugrunde liegenden Vereinbarung der Vertragspartner richtet, ob eine bestimmte Forderung kontokorrentpflichtig ist2. Da das Girokonto der Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dient, muss der Kunde über sein Giroguthaben jederzeit verfügen können3. Daher soll nach dem Girovertrag die Bank solchen Auszahlungsansprüchen hinsichtlich eines Giroguthabens die Kontokorrentabsprache gerade nicht entgegenhalten dürfen. So wird nach allgemeiner Meinung mit dem Girovertrag konkludent vereinbart, dass der Anspruch des Kontoinhabers auf Auszahlung des Tagesguthabens nicht kontokorrentfähig ist, um die jederzeitige Verfügung über dieses Guthaben zu ermöglichen4. Umgekehrt kann für die Bank das Interesse bestehen, dass ein besonders hoher Sollsaldo bereits während der laufenden Rechnungsperiode ausgeglichen wird. Auch insoweit lässt sich der Umfang der Kontokorrentabrede im Wege der freien Parteivereinbarung näher bestimmen5.
6.609
c) Verrechnung Nach § 355 Abs. 1 HGB werden die beiderseitigen Forderungen und Leistungen durch Verrechnung und Feststellung des sich ergebenden Überschusses (Saldo) ausgeglichen. Die Verrechnung erfolgt auf Grund der im Voraus getroffenen Verrechnungsabrede. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt bei einem Girokonto in der Kontokorrentabrede zugleich eine antizipierte Verrechnungsvereinbarung. Nach deren Inhalt vollzieht sich die Verrechnung automatisch am Ende einer jeden Rechnungsperiode6. Es tritt Tilgungswirkung ein, soweit sich die einzelnen in die laufende Rechnung eingestellten und verrechnungsfähigen Rechnungsposten in ihrer Summe betragsmäßig decken7.
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BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936 (937). BGH v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, WM 1982, 816 (818). BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (128). BGH v. 30.6.1982 – VIII ZR 129/81, WM 1982, 838 (839); Gößmann in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 70 Rz. 27; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR III Rz. III 14. 5 Vgl. Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 55; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, § 355 HGB Rz. 15. 6 BGH v. 18.4.1989 – XI ZR 133/88, WM 1989, 807 (809); BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/ 01, WM 2002, 951 (953); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 77; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 16, van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 61. 7 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, WM 2002, 951 (953); Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 73; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 77; aA Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, § 355 HGB Rz. 32.
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6.610
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Mit dieser Verrechnung wird ein Saldo geschaffen, wie er bei Beendigung des Kontokorrentverhältnisses durch Kündigung gemäß § 355 Abs. 3 HGB entsteht1. Die Verrechnung und die daraus folgende Entstehung des kausalen Saldos sind von einem etwaigen späteren Saldoanerkenntnis unabhängig2.
6.611
Voraussetzung für eine Verrechnung der in die laufende Rechnung eingestellten Ansprüche und Leistungen ist deren Kontokorrentfähigkeit. Bei Girokonten sind naturgemäß nur Geldforderungen und Geldleistungen kontokorrentfähig3. Lauten die Forderungen auf unterschiedliche Währungen, muss eine einheitliche Verrechnungswährung vereinbart worden sein4. Nicht kontokorrentfähig sind Forderungen, die noch nicht verrechnet werden können, insbesondere noch nicht fällige Forderungen oder aufschiebend bedingte Ansprüche wie Zahlungsansprüche gegen den Bürgen vor Eintritt des Sicherungsfalls.
6.612
Nicht verrechnungsfähig sind Zahlungseingänge aus unpfändbaren Sozialgeldleistungen während der in § 55 SGB I geregelten 14-Tages-Frist5. Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Kindergeld, soweit dieser unpfändbar ist (§ 76 EStG). Hintergrund hierfür ist § 394 BGB, wonach eine Aufrechnung gegen eine unpfändbare Forderung nicht zulässig ist. Besteht aber ein Aufrechnungsverbot, so kommt auch eine Verrechnung nicht in Betracht. Problematisch ist, ob unklagbare Forderungen in die Verrechnung einbezogen werden können. Dies ist beispielsweise zu beachten für Geschäfte, die dem Spieleinwand (§ 762 BGB) ausgesetzt sind6. Nach der Rechtsprechung würde der Schutzzweck der Unklagbarkeit unterlaufen werden, wenn die Erfüllung bereits durch die in der Kontokorrentabrede enthaltene antizipierte Verrechnungsabrede ohne Bezug auf eine bestimmte unklagbare Verbindlichkeit herbeigeführt werden könnte7. Die Verrechnung beim Rechnungsabschluss wie auch das spätere Saldoanerkenntnis erzeugen deshalb keine klagbare Forderung, soweit der Saldo das Ergebnis einer Verrechnung solcher unvollkommener Forderungen ist8. d) Rechnungsabschluss und Saldofeststellung
6.613
Die Feststellung des Schlusssaldos erfolgt durch einen Rechnungsabschluss. In diesem kausalen Schlusssaldo werden die bisherigen in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen als Kontokorrentforderungen im weiteren 1 2 3 4 5 6
BGH v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, WM 1979, 719 (720). Maultzsch in Oetker, § 355 HGB Rz. 48; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 7 Rz. 73 f. Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 8. Hopt in Baumbach/Hopt, § 355 HGB Rz. 13; Maultzsch in Oetker, § 355 HGB Rz. 22. Vgl. BGH v. 30.5.1988 – II ZR 373/87, BGH WM 1988, 1119 ff. Nach Einführung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes v. 21.6.2002 (BGBl. I 2002, S. 2010) ist diese Frage für Ansprüche aus vormals dem Spieleinwand ausgesetzten Börsentermingeschäften nicht mehr relevant. 7 BGH v. 4.2.1992 – XI ZR 32/91, WM 1992, 479 (480) zu den früher unverbindlichen Börsentermin- und Differenzgeschäften; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 41, 79. 8 BGH v. 4.2.1992 – XI ZR 32/91, WM 1992, 479 (481).
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6. Teil
Kontobeziehung
Sinne, wenn auch saldomäßig, geltend gemacht1. Dies umfasst auch etwaige Entgelte der Bank, beispielweise für die Kontoführung, sowie angefallene Sollzinsen für die abzurechnende Rechnungsperiode (vgl. Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 AGBBanken). Der kausale Schlusssaldo aus dem Kontokorrent kann nicht selbständig abgetreten werden, da weiterhin die Kontokorrentbindung besteht2. Diese Bindung führt auch dazu, dass auch eine Vorauszession von Ansprüchen auf Kontokorrentsalden unwirksam ist, was in der Praxis eine Vorauszession von Kontokorrentforderungen als Sicherungsmittel weitgehend entwertet3. Wegen der kausalen Rechtsnatur des Saldos vor dem Anerkenntnis kann es zudem, beispielsweise wegen der Verjährung oder des anwendbaren Rechts, darauf ankommen, aus welchen Einzelforderungen er sich zusammensetzt. Eine vollständige Tilgung aller Einzelforderungen erfolgt nur auf der betragsmäßig kleineren Seite. Die Rechtsprechung geht vom Grundsatz der Gleichwertigkeit aller kontokorrentgebundenen Forderungen und der daraus folgenden Nichtanwendbarkeit der §§ 366, 367 BGB aus und bejaht deshalb entgegen mancher im Schrifttum geäußerten Ansichten eine verhältnismäßige Gesamtaufrechnung4. Die Buchungsposten der größeren Seite des Kontokorrents werden deshalb ohne Ausnahme nur teilweise im Verhältnis der Gesamtheit der Posten der kleineren Seite zur Gesamtheit der Posten der größeren Seite getilgt5.
6.614
Mit der Saldofeststellung soll ein Saldoanerkenntnis des Kontoinhabers herbeigeführt werden. Der Rechnungsabschluss bei einem Kontokorrentvertrag wird nach Nr. 7 Abs. 1 AGB-Banken, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, jeweils als errechneter Tagessaldo zum Ende eines Kalenderquartals erteilt (dazu Rz. 6.241 ff.). Die Mitteilung des festgestellten – kausalen – Saldos ist der Antrag der Bank auf Anerkennung des durch Verrechnung ermittelten und mitgeteilten Saldos. Dieser besondere rechtsgeschäftliche Zweck muss aus dem Rechnungsabschluss, wie dieser dem Kunden zur Feststellung des Saldos übermittelt wird, eindeutig hervorgehen6.
6.615
Vom Tag des Rechnungsabschlusses an können Zinsen von dem Rechnungsabschluss verlangt werden (§ 355 Abs. 1 HGB). Hierauf weisen die AGB-Banken in Nr. 7 Abs. 1 ausdrücklich hin. Ein Saldoanerkenntnis braucht hierfür noch nicht vorzuliegen. Diese Verzinsungspflicht gilt auch, wenn in den Abschlusssaldo fällige Zinsforderungen der Bank eingeflossen sind7. Dies stellt
6.616
1 BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, WM 1978, 137 (140). Zur gerichtlichen Geltendmachung des kausalen Saldoanspruches vgl. Wessels, WM 1997, 1509 ff. 2 BGH v. 25.6.2009 – IX ZR 98/08, WM 2009, 1515 (1516). 3 Seehafer, BB 2009, 2054 (2055). 4 BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, WM 1999, 784 (785 f.); ebenso Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 221; aA Maultzsch in Oetker, § 355 HGB Rz. 60; Canaris, DB 1972, 469. 5 Vgl. hierzu Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 80. 6 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936 (937). 7 Hopt in Baumbach/Hopt, § 355 HGB Rz. 18; Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 106 ff.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
§ 355 Abs. 1 HGB ausdrücklich klar, der als Spezialnorm das allgemeine Zinseszinsverbot (§ 248 Abs. 1 BGB) beim Kontokorrentverhältnis verdrängt. Die Befugnis zur Zinseszinsberechnung endet mit der Beendigung des Kontokorrentverhältnisses1.
6.617
Von dem im Wege des Rechnungsabschlusses festgestellten Saldo ist der Tagessaldo (dazu Rz. 6.608) zu unterscheiden. Bei einem Bankkontokorrent erfolgt keine sofortige Verrechnung bei jedem kontokorrentpflichtigen Vorgang, wie dies demgegenüber für das sog. Staffelkontokorrent typisch ist2. Nach jedem Buchungsvorgang auf dem Girokonto erfolgt zwar eine rechnerische Saldierung. Dieser Tagessaldo stellt keinen Rechnungsabschluss im engeren Sinne der Kontokorrentabrede (§ 355 Abs. 1 HGB) dar und ist daher auch ohne rechtliche Bedeutung3.
6.618
Im Unterschied zur Übermittlung eines periodischen Rechnungsabschlusses kann das Schweigen des Kunden auf die Übersendung eines Tagesauszuges nicht als Billigung der darin mitgeteilten Buchungen oder gar als Genehmigung rechtsgrundloser Belastungsbuchungen angesehen werden4. Der Tagesauszug ist eine reine Wissenserklärung der Bank und enthält keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen5. Nach der Rechtsprechung wird jedoch von dem Kunden ein gewisses Maß der Kontrolle der in den Tagesauszügen mitgeteilten Kontobewegungen und Kontostände sowie eine unverzügliche Beanstandung erkannter Fehlbuchungen verlangt6. Dementsprechend regeln die AGBBanken in dem Katalog der Mitwirkungspflichten des Kunden in Nr. 11 Abs. 4 eine entsprechende Prüfungspflicht (dazu Rz. 6.332 f.). e) Saldoanerkenntnis
6.619
Genehmigt der Kontoinhaber den mitgeteilten Saldo, liegt damit ein Saldoanerkenntnis vor. Das Anerkenntnis ist ein abstrakter Schuldvertrag und kommt durch Antrag und Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB zu Stande7. Der Antrag auf Abschluss dieses Anerkenntnisvertrages liegt in der bankseitigen Übermittlung des Rechnungsabschlusses an den Kunden. Die Beweislast für dessen Zugang trägt die Bank. Mit Annahme durch den Kunden, welche regelmäßig durch Unterlassen von Einwendungen innerhalb der Sechs-WochenFrist der Nr. 7 Abs. 2 AGB-Banken liegt, kommt der Anerkenntnisvertrag zu Stande (dazu Rz. 6.245 ff.). Neben der Genehmigungsfiktion des Nr. 7 Abs. 2 AGB-Banken kann die Annahme gemäß § 151 Satz 1 BGB auch ohne Erklärung gegenüber der Bank erfolgen, wenn der Kunde seinen Annahmewillen 1 Vgl. auch BGH v. 20.5.2003 – XI ZR 235/02, WM 2003, 1418 ff. 2 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936 (937). 3 Hopt in Baumbach/Hopt, § 355 HGB Rz. 9; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 11. 4 BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/84, WM 1985, 905 (906). 5 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 211. 6 BGH v. 20.11.1990 – XI ZR 107/89, WM 1991, 57 (60); R. Weber, JuS 1991, 543 ff.; H. Köhler, JZ 1991, 408 ff. 7 Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 95.
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6. Teil
Kontobeziehung
nach außen erkennbar eindeutig betätigt1. Die Kontokorrentabrede begründet einen wechselseitigen Anspruch auf Anerkennung des Saldos, weshalb eine Klage auf Abschluss eines Anerkenntnisvertrages in einer bestimmten Höhe möglich ist2. Diese kann mit einer Klage auf Zahlung aus dem Anerkenntnis verbunden werden3. Aus dem Saldoanerkenntnis entsteht ein neuer Anspruch, der als eine neue und auf einem selbständigen Verpflichtungsgrund beruhende und vom früheren Schuldgrund losgelöste Forderung die bisherigen Einzelforderungen ersetzt (Novation). An die Stelle der bisherigen kausalen Saldoforderung tritt eine abstrakte Saldoforderung, welche in ihrem Bestand von der kausalen Saldoforderung losgelöst ist4. Nach anderer Auffassung soll die abstrakte Saldoforderung mit Blick auf § 364 Abs. 2 BGB schuldverstärkend neben die kausale Saldoforderung hinzutreten5. Aus Sicht der Praxis sind diese Meinungsunterschiede im Ergebnis von untergeordneter Bedeutung, da die Einzelansprüche neben dem Anspruch aus § 781 BGB nicht geltend gemacht werden können und gemäß § 356 Abs. 1 HGB die Sicherheiten für den Saldo fortbestehen6. Andererseits wird der Untergang der Einzelposten ignoriert, wenn dieser den Verkehrsanschauungen und -bedürfnissen widersprechen und zu wirtschaftlich unsinnigen Konsequenzen führen würde7.
6.620
Die Saldoforderung wird bei fortbestehendem Kontokorrent als eine Einzelforderung und erster Posten in die hierauf folgende Rechnungsperiode vorgetragen und unterliegt sodann ihrerseits der Kontokorrentbindung8.
6.621
Das Saldoanerkenntnis kann Mängel verschiedener Art aufweisen. So kann es unwirksam sein, weil ein Nichtigkeitsgrund, wie beispielsweise Geschäftsunfähigkeit des Kunden im Zeitpunkt seiner Annahmeerklärung, vorliegt. Eine Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB kommt regelmäßig nicht in Betracht. Die bloße Annahme der Vollständigkeit und Richtigkeit des Saldos stellt einen unbeachtlichen Motivirrtum dar9.
6.622
Von einem unwirksamen Saldoanerkenntnis ist das inhaltlich falsche Saldoanerkenntnis zu unterscheiden. Die Beseitigung eines unrichtigen Saldoaner-
6.623
1 2 3 4
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Vgl. Ellenberger in Palandt, § 151 BGB Rz. 2. Maultzsch in Oetker, § 355 HGB Rz. 68. Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 22. BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, WM 1999, 784; Martinek in Staudinger, Neubearb. 2006, § 676f BGB Rz. 6; siehe hierzu auch Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 93. Canaris, DB 1972, 421 ff., 469 ff.; Kandelhard in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 38 Rz. 44; Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 93; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 7 Rz. 77; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 230. Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 23. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 93, BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273 f. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01 – WM 2002, 951 (953). Hefermehl in MünchKomm. HGB, 2001, § 355 HGB Rz. 65.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
kenntnisses ist regelmäßig nur nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten möglich1. Wenn der Anerkennende die Unrichtigkeit kannte, kommt grundsätzlich ein Ausschluss der Kondiktion nach § 814 BGB in Betracht. Soweit in dem Rechnungsabschluss Forderungen des Kunden zu Unrecht unberücksichtigt geblieben sind, erlöschen diese durch das Saldoanerkenntnis. Denn hierin liegt zugleich die Feststellung iS des § 355 Abs. 1 HGB, dass weitere als die auf dem Girokonto verbuchten Forderungen nicht zu berücksichtigen sind. Insoweit geht damit ein Erlassvertrag gemäß § 397 Abs. 2 BGB einher, was zum Erlöschen auch der bei dem Rechnungsabschluss unberücksichtigt gebliebenen Forderungen des Kunden führt2. Folge hiervon ist, dass das unrichtige Saldoanerkenntnis unter den Voraussetzungen der §§ 812 ff. BGB zurückgefordert werden kann3. Denn eine Rechtspflicht besteht nur zur Abgabe eines inhaltlich richtigen Anerkenntnisses.
6.624
Ist die Saldoforderung demgegenüber höher als dies tatsächlich der materiellen Lage entspricht, kann der Schuldner dem Gläubiger der Saldoforderung die Einrede nach § 821 BGB entgegenhalten und zusätzlich sein Anerkenntnis gemäß § 812 Abs. 2 BGB herausverlangen. In dem Saldoanerkenntnis liegt keine rechtsgeschäftliche Genehmigung aller dem Rechnungsabschluss zugrunde liegenden Buchungen4. Belastungsbuchungen, denen keine entsprechende Forderung der Bank zugrunde liegt, oder die anderweitige Verbuchung von Zahlungseingängen, die richtigerweise dem betreffenden Kontokorrentkonto hätten gutgeschrieben werden müssen, werden durch das Saldoanerkenntnis nicht etwa rechtmäßig5.
6.625
Das Saldoanerkenntnis führt faktisch zu einer Umkehrung der Darlegungsund Beweislast6. Wer sich auf die Unrichtigkeit beruft, muss diese darlegen und beweisen. Das Saldoanerkenntnis verschafft damit auch prozessuale Vorteile. Wer eine Guthabenforderung aus einem Girokonto einklagt, kann sich darauf beschränken, das Letzte Saldoanerkenntnis und etwaige danach eingetretene Änderungen des Saldos substantiiert darzutun. Ohne Saldoanerkenntnis muss der Kläger die seit Beginn des Kontokorrentverhältnisses in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen im Einzelnen darlegen. Hierzu hat er auch sämtliche Kontobewegungen, also auch die Passivposten so vorzutragen, dass das Gericht die geltend gemachte Saldoforderung in allen ihren Grundlagen vollständig sowohl rechnerisch wie auch rechtlich überprüfen kann7. 1 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 25. 2 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936 (937). 3 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936 (937); BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/ 93, WM 1994, 2273 (2274). 4 Dammann in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 308 Nr. 5 BGB Rz. 53. 5 BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 194/93, WM 1994, 2273 (2274); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 90 f. 6 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 94.; Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 104. 7 BGH v. 28.5.1991 – XI ZR 214/90, WM 1991, 1294 (1295); OLG Koblenz v. 25.1.1996 – 5 U 714/95, WM 1997, 1566 (1567).
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6. Teil
Kontobeziehung
f) Beendigung Das Kontokorrentverhältnis endet mit der zu Grunde liegenden Geschäftsverbindung1, beispielsweise nach deren wirksamen Kündigung durch die Bank (vgl. Nr. 19 AGB-Banken). Denn mit Wegfall der Geschäftsverbindung entfällt zugleich eine Voraussetzung für das Kontokorrent. Daneben ist gemäß § 355 Abs. 3 HGB eine Kündigung des Kontokorrents jederzeit, auch zwischen den einzelnen Rechnungsperioden, mit sofortiger Wirkung möglich. Der Kontokorrentvertrag kann ebenso durch einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der Vertragsparteien lässt das Kontokorrentverhältnis ebenfalls erlöschen (§§ 115, 116 InsO)2.
6.626
Mit Beendigung des Kontokorrentverhältnisses entfällt die laufende Verrechnung. Zugleich wird der Anspruch auf einen etwaigen Überschuss als kausaler Saldo sofort und ohne vorherige Anerkennung fällig3. Es kann daher sofort saldiert und der sich daraus ergebende Überschuss geltend gemacht werden4. Dies sieht § 355 Abs. 3 HGB für die Kündigung ausdrücklich vor. Für die anderen Beendigungsgründe wie insbesondere Ende der Geschäftsbeziehung und Aufhebungsvereinbarung ist diese Regelung mit Blick auf die gleiche Interessenlage analog anzuwenden5. Fällt die Beendigung des Kontokorrents mit einem Saldoanerkenntnis zusammen, so besteht ausschließlich die Saldoforderung6.
6.627
III. Kontoinhaberschaft Für die Kontobeziehung ist von großer praktischer Bedeutung, wer Inhaber des Kontos ist. Der Inhaber des Kontos ist befugt, die aus dem Kontovertrag sich ergebenden Rechte gegenüber der Bank geltend zu machen. Umgekehrt muss für die Bank zweifelsfrei feststehen, an wen sie schuldbefreiend leisten kann. Die Frage nach der Rechtsträgerschaft der auf einem Konto unterhaltenen Guthabenwerte ist zudem für eine Reihe weiterer Sachverhalte relevant. So können auf das Kontoguthaben Dritte zugreifen, beispielsweise im Wege einer Pfändung. Im Todesfall entscheidet grundsätzlich die Kontoinhaberschaft darüber, wessen und welche vertragliche Rechtsposition mit dem Tod des Kon-
1 Hopt in Baumbach/Hopt, § 355 HGB Rz. 23; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, § 355 HGB Rz. 52. 2 BGH v. 25.6.2009 – IX ZR 98/08, WM 2009, 1515 (1516); Grundmann in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 29, 31; Hopt in Baumbach/Hopt, § 355 HGB Rz. 23; Maultzsch in Oetker, § 355 HGB Rz. 85. 3 Vgl. auch Koller in Koller/Roth/Morck, § 355 HGB Rz. 15; Grundmann in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 30; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, § 355 HGB Rz. 54. 4 Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 117. 5 Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 235; Maultzsch in Oetker, § 355 HGB Rz. 84; Langenbucher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 355 HGB Rz. 117. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, § 355 HGB Rz. 24.
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6.628
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
toinhabers im Wege der Universalsukzession nach § 1922 BGB auf die Erben übergegangen ist. Die Person des Kontoinhabers ist schließlich für die Frage maßgeblich, ob die Bank wegen ihrer Gegenforderungen auf das Kontoguthaben zurückgreifen kann. Hierfür kommen grundsätzlich das AGB-Pfandrecht (Nr. 14 AGB-Banken), die Aufrechnungsbefugnis (§ 387 BGB) oder ein Zurückbehaltungsrecht (§ 369 HGB, § 273 BGB) in Betracht.
1. Kontofähigkeit
6.629
Der Inhaber eines Kontos ist Träger der sich aus der Kontoverbindung ergebenden Rechte und Pflichten. Voraussetzung ist daher seine Rechtsfähigkeit, im banktechnischen Sinne spricht man in diesem Zusammenhang auch von der „Kontofähigkeit“. Hiernach ist kontofähig, wer rechtsfähig ist. Danach können natürliche Personen, juristische Personen wie auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts Inhaber eines Kontos sein.
6.630
Die Kontofähigkeit kann im Einzelfall, beispielsweise für Personenverbände oder Rechtsformen ausländischen Rechts, problematisch sein. Daher ist vor einer Kontoeröffnung vorfrageweise stets zweifelsfrei zu klären, ob der beabsichtigte Kontoinhaber Träger der Rechte und Pflichten aus dem betreffenden Kontovertrag sein kann. Für Personengesellschaften kann sich die Kontofähigkeit auf Grund einer gesetzlichen Regelung wie für die OHG (§ 124 HGB), die KG (§ 161 HGB iVm. § 124 HGB) und die Partnerschaftsgesellschaft (§ 7 Abs. 2 PartGG iVm. § 124 HGB) ergeben. Für die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat der BGH anerkannt, dass sie eigene Rechtsfähigkeit besitzt, soweit sie durch die Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet1. Dies impliziert, dass die GbR unter ihrem Namen mit der Bank einen Kontovertrag abschließen kann2. Für nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften ist maßgeblich, ob diese nach der Rechtsordnung ihres Heimatrechts rechtsfähig sind3.
2. Grundsätze der Kontoinhaberschaft a) Gläubigerstellung
6.631
Wer Gläubiger des Rückzahlungsanspruches ist, richtet sich nach den Vereinbarungen der Vertragspartner bei Kontoeröffnung. Nach der Rechtsprechung ist hierfür maßgeblich ist, wer nach dem erkennbaren Willen der kontoeröffnenden Person Gläubiger der Guthabenforderung werden soll4. Dies ist im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, weshalb auf den objektiven Empfängerhorizont der kontoeröffnenden Bank abzustellen ist5. 1 2 3 4 5
BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, WM 2001, 408 ff. Lehnhoff in FS Hadding, 2004, S. 935 (944). Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 10. BGH v. 2.2.1994 – IV ZR 51/93, NJW 1994, 931. Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 237; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 151.
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6. Teil
Kontobeziehung
Die Einrichtung eines Kontos auf den Namen eines anderen führt daher nicht zwingend dazu, dass die als Kontoinhaber bezeichnete Person (sog. formeller oder nomineller Kontoinhaber) auch materiell-rechtlicher Forderungsinhaber sein soll. Allerdings kommt der Kontobezeichnung regelmäßig eine gesteigerte Indizwirkung zu, der besonderes Gewicht beizumessen ist1. Dies gilt auch für den Fall, dass der auf dem Konto gutgeschriebene Betrag von dem Konto eines Dritten stammt2. Im Giroverkehr, der auf eine unkomplizierte Abwicklung angelegt ist, besteht ein großes praktisches Bedürfnis für einfache und klare Rechtsverhältnisse. In der Rechtsprechung wird daher bei der Eröffnung eines Girokontos der formelle Kontoinhaber grundsätzlich auch als Gläubiger angesehen3. Hinzu kommt, dass das Girokonto im Unterschied zum Sparkonto passiv werden kann und dass die Bank daher ein starkes Interesse an einer eindeutigen Festlegung der Person des Kontoinhabers als ihrem Schuldner hat4. Die Kontobezeichnung ist auch maßgeblich, wenn der als Kontoinhaber Bezeichnete sein Girokonto einem Dritten zum alleinigen Gebrauch für die Abwicklung ausschließlich eigener Geldgeschäfte unter Erteilung einer Kontovollmacht überlässt. Der formelle Kontoinhaber kann sich sodann nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn der Verfügende alle Eingänge auf dem Konto veruntreut5.
6.632
Eine andere Bedeutung kann die Kontobezeichnung bei Sparkonten haben, für welche Sparbücher ausgegeben sind. Nach der Rechtsprechung kann der Besitz des Sparbuches eine starke Indizwirkung für die Kontoinhaberschaft haben (dazu Rz. 8.82).
6.633
Wird das Konto auf den eigenen Namen ohne jeden weiteren Zusatz errichtet, liegt grundsätzlich ein Eigenkonto des Errichtenden vor. Daran ändert sich grundsätzlich nichts, wenn die bei der Bank eingezahlten Gelder einem anderen gehören6 oder der Einzahlende durch die Errichtung eines Eigenkontos eine Pflichtverletzung gegenüber einem Dritten begangen hat. Wird das Konto auf den eigenen Namen mit einem bestimmten Verwendungszweck oder einem sonstigen auf eine Drittbeziehung hinweisenden Zusatz erreichtet, so ist grundsätzlich ein Eigenkonto des Errichtenden gegeben. Entsprechendes gilt für den Fall, dass das Konto auf den eigenen Namen lautet und um einen Zusatz eines fremden Namens ergänzt wird, wenn der Name des Errichtenden an erster Stelle steht.
6.634
1 BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 15/95, WM 1996, 249 (250); BGH v. 26.9.1985 – III ZR 171/84, WM 1986, 35; OLG Brandenburg v. 10.2.1998 – 2 U 175/96, WM 1999, 267 (268); OLG Düsseldorf v. 10.11.1988 – 6 W 74/88, WM 1989, 91 (92); OLG München v. 20.6.1984 – 3 U 1940/83, WM 1986, 33 (34). 2 OLG Saarbrücken v. 28.12.2007 – 4 U 8/07, NJW-RR 2008, 954 (955). 3 BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 15/95, WM 1996, 249 (250). 4 OLG Düsseldorf v. 10.11.1988 – 6 W 74/88, WM 1989, 91 (92) mwN zu der Eröffnung eines Girokontos für einen Minderjährigen durch den vertretungsberechtigten Vater. 5 OLG Köln v. 12.1.1998 – 16 U 72/97, WM 1998, 1327. 6 OLG Zweibrücken v. 9.1.1989 – 4 U 157/88, WM 1990, 754 (755) zu der Eröffnung eines Sparkontos durch gesetzlichen Vertreter.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.635
Die Kontoinhaberschaft ist grundsätzlich für die Verfügungsbefugnis über das Konto maßgeblich. Hierzu zählt auch die Geltendmachung der Forderung. Die Verfügungsbefugnis ist im Regelfall Bestandteil des betreffenden Vermögensrechts und steht somit dem Gläubiger der Forderung zu1. Sie liegt daher beim Bankkonto regelmäßig beim Kontoinhaber als Gläubiger der Guthabenforderung. Kontoinhaber und Gläubiger können ausnahmsweise nicht personenidentisch sein, beispielsweise nach einer Abtretung des Auszahlungsanspruchs oder im Falle eines einzelnen Forderungserwerbs im Rahmen eines Vertrages zu Gunsten Dritter2. So führt die Abtretung nicht dazu, dass der Zessionar zugleich Inhaber des Kontos wird3. Kontoberechtigung und Verfügungsbefugnis sind daher sowohl begrifflich wie auch inhaltlich zu unterscheiden4. So unterscheidet die Rechtsprechung für ein Girokonto zwischen der Einlagenforderung und dem Giroverhältnis, wenn der Rechtsnachfolger ein Girovertragsverhältnis des Erblassers für den eigenen Zahlungsverkehr fortführt, da er in diesem Fall im Hinblick auf die mit dem Giroverhältnis verbundenen Rechte und Pflichten in eine eigene persönliche Rechtsbeziehung zur Bank tritt5.
6.636
In diesem Zusammenhang ist des Weiteren auf solche Konstellationen hinzuweisen, in denen Verfügungsbefugnis und Gläubigerposition auseinander fallen, weil dem Gläubiger die Verfügungsmacht entzogen ist. Dies trifft zB auf den Insolvenzverwalter für Konten des Schuldners (§ 80 Abs. 1 InsO) und auf den Testamentsvollstrecker für auf die Erben übergegangene Nachlasskonten (§ 2205 BGB) zu6. Die Empfangszuständigkeit als integraler Teil der Verfügungsbefugnis liegt in diesen Ausnahmefällen nicht wie im Regelfall bei dem Gläubiger und Kontoinhaber, sondern beim Verfügungsberechtigten. In diesen Fällen leistet die Bank mit befreiender Wirkung nur an den Verfügungsberechtigten.
6.637
Die Kontoinhaberschaft ist darüber hinaus wesentlich für die Frage, ob die Bank bei einer Barauszahlung mit befreiender Wirkung geleistet hat7. Grundsätzlich erlischt nach § 362 Abs. 1 BGB ein Schuldverhältnis, wie es auch dem Konto zugrunde liegt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Dabei gilt die Leistung an den gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter des Gläubigers als Leistung an ihn selbst8. In Betracht kommen
1 2 3 4 5 6 7
8
Ellenberger in Palandt, Einf v § 104 BGB Rz. 4. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 3 Rz. 27. Mülbert in FS Kümpel, 2003, S. 395 (398); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 149. Vgl. BGH v. 10.10.1995 – XI ZR 263/94, WM 1995, 2094 (2095); Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 80. BGH v. 18.1.2000 – XI ZR 160/99, WM 2000, 469; hierzu Mülbert in FS Kümpel, 2003, S. 395 (399 ff). J. Schmitt in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 104 BGB Rz. 5. Vor der Neufassung der AGB im Jahre 1993 hatte der Kunde den Schaden zu tragen, der daraus entstehen sollte, dass die Bank von einem eintretenden Mangel in der Geschäftsfähigkeit des Kunden unverschuldet keine Kenntnis erlangte. Diese Klausel verstieß nach BGH v. 25.6.1991 – XI ZR 257/90, WM 1991, 1368 (1370 f.) (vgl. hierzu Donath, BB 1991, 1881 ff.) gegen § 9 AGBG aF (= § 307 BGB). Wenzel in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 362 BGB Rz. 16.
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6. Teil
Kontobeziehung
außer der Kontovollmacht bestimmte Vollmachten mit gesetzlichem Inhalt, wie diejenigen des Prokuristen (§§ 49 ff. HGB) oder die des Handlungsbevollmächtigten (§ 54 HGB). Die schuldbefreiende Wirkung einer Leistung an einen vertretungsberechtigten Dritten entspricht § 164 BGB, wonach eine Willenserklärung im Rahmen der Vertretungsmacht für und gegen den Vertretenen wirkt. b) Pflicht zur Identifizierung Die Bank ist bereits aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften, namentlich der Abgabenordnung und dem Geldwäschegesetz, verpflichtet, den Inhaber eines Kontos zweifelsfrei festzustellen und zu identifizieren. Eine Kontoeröffnung im Wege eines Rechtsgeschäftes für den, den es angeht, ist daher nicht möglich1.
6.638
aa) Abgabenordnung Nach § 154 Abs. 1 AO darf niemand auf einen falschen oder erdichteten Namen für sich oder einen Dritten ein Konto errichten. Die Regelung schützt allein die formale Kontenwahrheit2. Im Gegensatz zu der materiellen Kontenwahrheit ist nicht maßgeblich, ob der Kontoinhaber materiell Berechtigter der Guthabenforderung ist und ob er tatsächlich für eigene oder aber für fremde Rechnung handelt. Nach Sinn und Zweck von § 154 AO soll die Nachprüfung steuerlicher Verhältnisse nicht durch die Verwendung falscher Namen erschwert oder unmöglich gemacht werden3. Nummernkonten sind daher unzulässig4.
6.639
Des Weiteren besteht für die Bank nach § 154 Abs. 2 Satz 1 AO die Pflicht zu einer vorherigen Legitimationsprüfung, wenn sie ein Konto führt, Wertsachen verwahrt oder als Pfand entgegennimmt oder ein Schließfach überlässt. Die Bank hat sich dabei Gewissheit über die Person und Anschrift der Verfügungsberechtigten zu verschaffen und die entsprechenden Angaben in geeigneter Form, bei Konten auf dem Konto, fest zu halten5. Verfügungsberechtigter ist neben dem Gläubiger einer Forderung und dessen gesetzlichen Vertretern auch der Bevollmächtigte, der im fremden Namen über das Konto zu verfügen berechtigt ist6. Gewissheit über die Person besteht im Allgemeinen nur bei Kenntnis des vollständigen Namens, des Geburtsdatums und des Wohnsitzes. Im Übrigen hat die Bank sicherzustellen, dass jederzeit darüber Auskunft gegeben werden kann, über welche Konten oder Schließfächer eine
6.640
1 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 6 Rz. 45. 2 BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 237/93, WM 1994, 2270 (2271); OLG Koblenz v. 4.12.2008 – 2 U 131/08, NJW-RR 2009, 1061; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 63. 3 BT-Drucks. VI/1982, S. 123. 4 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 5 Rz. 35, 41. 5 Vgl. Schebesta, WM 1985, 1329. 6 Cöster in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 154 AO Rz. 26.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Person verfügungsberechtigt ist (§ 154 Abs. 2 Satz 2 AO). Für die Bank gelten insoweit Identifizierungs-, Registrierungs- und Auskunftssicherungspflichten1.
6.641
Bei natürlichen Personen können die zur Identifizierung notwendigen Daten regelmäßig anhand gültiger amtlicher Ausweisdokumente wie Personalausweis und Reisepass festgestellt werden2. Bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften lassen sich die betreffenden Daten durch Bezugnahme auf amtliche Veröffentlichungen oder amtliche Register wie beispielsweise das Handels- oder das Genossenschaftsregister feststellen. Der Anwendungserlass zu § 154 AO (AEAO)3 enthält, überwiegend aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, Erleichterungen für die Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO. So kann die Legitimationspflicht eines Vertreters einer juristischen Person entfallen, wenn dieser als Vertreter der juristischen Person in einem öffentlichen Register eingetragen ist (Nr. 7 lit. j AEAO) oder wenn bereits fünf Vertreter entweder in einem öffentlichen Register eingetragen oder legitimationsgeprüft sind (Nr. 7 lit. k AEAO).
6.642
Ein Verstoß gegen die nach § 154 Abs. 1 AO bestehende Wahrheitspflicht wird in Abs. 3 mit einer Kontosperre sanktioniert. Hiernach ist das Verfügungsrecht des Berechtigten insoweit öffentlich-rechtlich beschränkt, als für eine Verfügung die Zustimmung des Finanzamtes erforderlich ist4. Soweit durch einen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoß gegen die Kontosperre die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis beeinträchtigt wird, ist eine Haftung nach § 72 AO gegeben5. Zudem begründet die Verletzung der Wahrheitspflicht eine Ordnungswidrigkeit, § 379 Abs. 2 Nr. 2 AO. Daneben kommt eine zivilrechtliche Haftung für etwaige Ersatzansprüche Dritter grundsätzlich nicht in Betracht, da § 154 AO mit Blick auf die hiervon geschützten staatlichen Interessen kein Schutzgesetz iS von § 823 Abs. 2 BGB ist6. Eine Einstandspflicht für Schäden im privatrechtlichen Bereich, die auf eine nicht ordnungsgemäße Legitimationsprüfung zurückzuführen sind, beispielsweise für Schäden aus einem Kreditausfall, kann jedoch dann gegeben sein, wenn sich eine Partei zu einer Legitimationsprüfung in einem Kooperationsvertrag gegenüber dem Kooperationspartner verpflichtet hat7. bb) Geldwäschegesetz
6.643
Strengere Anforderungen an die Identifizierung stellt das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz), welches 1 Philipowski, WM 1992, 721 (722); vgl. weiter BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 237/93, WM 1994, 2270 (2271); vgl. hierzu Hadding, JZ 1996, 479. 2 Cöster in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 154 AO Rz. 25. 3 AEAO v. 2.1.2008, BStBl. I 2008, S. 26. 4 Cöster in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 154 AO Rz. 37. 5 Intemann in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 72 AO Rz. 8. 6 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 225. 7 OLG Koblenz v. 4.12.2008 – 2 U 131/08, NJW-RR 2009, 1061.
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6. Teil
Kontobeziehung
durch die Umsetzung der Dritten EU-Geldwäscherichtlinie1 in 2008 neu gefasst worden ist. Diese europäische Richtlinie dient der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung und wurde durch das „Gesetz zur Ergänzung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz – GwBekErgG)“ zum 21.8.2008 mit der Neuregelung des Geldwäschegesetzes (GwG) in deutsches Recht umgesetzt2. Daneben bestehen nach §§ 25b bis 25h KWG für Banken weitere Verpflichtungen zur Verhinderung von Geldwäsche. Gegenüber den eher starren und formalen Pflichten des GwG aF liegt dem neuen Pflichtenkatalog des GwG nun ein risikobasierter Ansatz zugrunde3. In diesem Zusammenhang wurden risikobasierte Fallgruppen von vereinfachten und verstärkten Sorgfaltspflichten eingeführt (§§ 5, 6 GwG). Damit sollen die für die Umsetzung der Sorgfaltspflichten gebotenen Maßnahmen dem konkreten Risiko des jeweiligen Vertragspartners oder der jeweiligen Transaktion entsprechen4. Einer Geschäftsverbindung mit einem erhöhten Risiko stehen daher verstärkte Sorgfaltspflichten der Bank gegenüber. Dies betrifft beispielsweise den Umgang mit im Ausland ansässigen natürlichen Personen, die ein wichtiges öffentliches Amt ausüben oder ausgeübt haben (sog. politisch exponierte Personen, § 6 Abs. 2 Nr. 1 GwG)5.
6.644
Die Kreditinstitute haben den Vertragspartner bei Begründung der Geschäftsverbindung auch ohne Verdacht auf Geldwäsche zu identifizieren (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 GwG). Eine Kontoeröffnung begründet eine Geschäftsverbindung in diesem Sinne. Die Pflicht zum Identifizieren besteht zudem im Falle der gelegentlichen Durchführung einer außerhalb einer bestehenden Geschäftsbeziehung anfallenden Einzeltransaktion im Wert von 15 000 Euro oder mehr (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 GwG). Der Transaktionsbegriff ist weit zu verstehen und umfasst jede Handlung, die eine Geldbewegung oder eine sonstige Vermögensverschiebung bezweckt oder bewirkt (§ 1 Abs. 4 GwG). Damit ist der Anwendungsbereich, der bislang nur Bargeld, Wertpapiere und Edelmetalle erfasste, erheblich erweitert6. Dasselbe gilt, wenn das Kreditinstitut mehrere Transaktionen durchführt, die zusammen den vorgenannten Schwellenbetrag oder mehr ausmachen, sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen,
6.645
1 Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, ABl. EU Nr. L 309, S. 15. 2 BGBl. I 2008, S. 1690 ff. Die Neufassung des GwG löste die bis dahin geltenden Regelungen des Geldwäschegesetzes v. 25.10.1993 ab, welches der Bekämpfung der Geldwäsche iS des § 261 StGB diente. § 261 StGB ist durch das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ (OrgKG) v. 15.7.1992 in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Die betreffenden Tatbestände können auch im Bankgeschäft verwirklicht werden. 3 Kallert, DStR 2008, 1661 f.; Sotiriadis/Heimerdinger, BKR 2009, 234 f.; Auerbach, WPg 2009, 1101 (1102). 4 Reimer/Wilhelm, BKR 2008, 234 (238). 5 Näher hierzu Herzog in Herzog, Einleitung, Rz. 152 ff.; Sotiriadis/Heimerdinger, BKR 2009, 234 (239 ff.); Struwe/Kruse/Rösler, BankPraktiker 2009, 514 (516 f.). 6 Auerbach, WPg 2009, 1101 (1106).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
dass die Transaktionen künstlich aufgespalten werden und zwischen ihnen eine Verbindung besteht (sog. Smurfing)1.
6.646
Die Identifizierung (§ 1 Abs. 1 GwG) muss bereits bei Begründung der Geschäftsbeziehung oder Durchführung der Transaktion bei persönlicher Anwesenheit des zu Identifizierenden erfolgen. Hiervon abweichend kann nach § 25e KWG die Identifizierung auch unverzüglich nach der Kontoeröffnung abgeschlossen werden. Dabei muss jedoch sichergestellt sein, dass vor Abschluss der Identifizierung keine Gelder von dem Konto abverfügt werden können2. Die zur Feststellung der Identität im Einzelnen notwendigen Angaben sind in § 4 Abs. 3 GwG geregelt. Grundsätzlich sind die Angaben des zu Identifizierenden anhand der in § 4 Abs. 4 GwG angeführten Dokumente festzustellen sowie vollumfänglich auf deren Richtigkeit zu überprüfen. Für natürliche Personen sind dies amtliche Lichtbildausweise, für juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig ein Auszug aus dem betreffenden Register. Entscheidend ist, dass es sich um amtliche Dokumente handelt. Ist die als Vertragspartner zu identifizierende natürliche Person zur Feststellung der Identität nicht persönlich anwesend, gelten verstärkte Sorgfaltspflichten gemäß § 6 Abs. 2 GwG.
6.647
Die Bank kann zur Erfüllung ihrer Identifizierungspflicht auf Dritte zurückgreifen (§ 7 Abs. 1 GwG). Bedient sich die Bank der Mitwirkung Dritter, so verbleibt ihr nach wie vor die Verantwortung für die ordnungsgemäße und vollständige Erfüllung der betreffenden Pflicht3. Eine mangelhafte Ausführung wird daher der Bank zugerechnet. Hinsichtlich des Dritten lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Das GwG nennt zum einen in § 7 Abs. 1 Satz 3 abschließend einen bestimmten Kreis von zuverlässigen Dritten, beispielsweise Finanzdienstleistungsinstitute iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1, 2 bis 5 und 8 KWG, welche Anlage- oder Abschlussvermittlung, Drittstaateneinlagenvermittlung, Finanzportfolioverwaltung, Kreditkartengeschäft oder Eigenhandel betreiben. Für diese im Gesetz angeführten Dritten sind eine besondere Prüfung ihrer Zuverlässigkeit und ihre Überwachung nicht erforderlich. Denn sie werden vom Gesetzgeber typisierend als vertrauenswürdig angesehen4. Zum anderen ist es auch zulässig, die Durchführung der Identifizierungspflicht auf eine andere Person auf der Grundlage einer vorherigen vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten zu übertragen5. Für diesen Fall der sonstigen zuverlässigen Dritten formuliert § 7 Abs. 2 GwG besondere Anforderungen, wie insbesondere eine vorherige Prüfung der Zuverlässigkeit des Dritten sowie eine Überwachungspflicht6.
1 Diergarten, Geldwäsche, S. 88; Warius in Herzog, § 3 GwG Rz. 41. 2 Hierzu näher Auerbach, WPg 2009, 1101 (1107 f.). 3 Warius in Herzog, § 7 GwG Rz. 4; Struwe/Kruse/Rösler, BankPraktiker 2009, 514 (517); Auerbach, WPg 2009, 1101 (1111). 4 Kallert, DStR 2008, 1661 (1664). 5 Diergarten, Geldwäsche, S. 161. 6 Sotiriadis/Heimerdinger, BKR 2009, 234 (240); Warius in Herzog, § 7 GwG Rz. 3.
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6. Teil
Kontobeziehung
Die Identifizierungspflichten nach Abgabenordnung und nach Geldwäschegesetz bestehen selbständig nebeneinander1. Während die Identifizierungspflicht nach § 154 AO steuerlichen Zwecken des Fiskus dient, sollen mit den betreffenden Regelungen des GwG Anhaltspunkte für Geldwäschetransaktionen zum Zwecke der Strafverfolgung verfügbar gemacht werden. Anders als das GwG bezieht sich die Identifizierungspflicht nach § 154 AO auf sämtliche Verfügungsberechtigte. Andererseits zielt das GwG auf die Feststellung und Identifizierung des tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten.
6.648
Neben der Identifizierungspflicht besteht eine Pflicht zur Abklärung, ob der Vertragspartner für eigene Rechnung oder für einen anderen wirtschaftlich Berechtigten handelt. Handelt der zu Identifizierende nicht für eigene Rechnung, so muss bei dessen Identifizierung der wirtschaftlich Berechtigte festgestellt werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 GwG). Damit soll Strohmanngeschäften entgegengewirkt und die Person sichtbar gemacht werden, in deren wirtschaftlichem oder rechtlichem Interesse eine Transaktion erfolgt2. Wirtschaftlich Berechtigter kann nur eine natürliche Person sein3. Dabei sind nach § 1 Abs. 6 GwG folgende Fälle denkbar. Wie bereits nach den alten GwG-Regelungen kann ein Fall des Handelns auf fremde Veranlassung gegeben sein. Hier wird der Vertragspartner durch eine natürliche Person zur Begründung einer Geschäftsbeziehung oder zur Durchführung einer Transaktion, beispielsweise im Falle eines Treuhandverhältnisses, veranlasst. Nach dem neuen Geldwäscherecht ist wirtschaftlich Berechtigter aber auch die natürliche Person, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Vertragspartner letztlich steht oder die hauptsächlich Begünstigter einer fremdnützigen Gestaltung ist4. Damit sollen zum einen die Eigentums- und Kontrollverhältnisse auch bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, beispielsweise bei Konzerngesellschaften, festgestellt werden. Eine Kontrolle wird vermutet, wenn eine Person unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 % der Stimmrechts- oder Kapitalanteile kontrolliert, § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 GwG. Zum anderen ist wirtschaftlich Berechtigter auch die natürliche Person, die als Begünstigte von mindestens 25 % des verwalteten Vermögens bestimmt worden ist, § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 GwG. Das Kreditinstitut hat durch Nachfragen bei dem Handelnden nach dessen Angaben zumindest den Namen festzustellen, für dessen Rechnung gehandelt wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 iVm. § 4 Abs. 5 GwG). Die Erhebung weiterer Identifizierungsmerkmale des wirtschaftlich Berechtigten ist abhängig von einer Beurteilung des im konkreten Einzelfall bestehenden Risikos einer Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung. Zudem muss sich das Kreditinstitut zur Überprüfung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten vergewissern, dass die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 GwG erhobenen Angaben zutreffend sind. Dies gilt auch für den Fall eines normalen Risikos, es kann lediglich der Umfang der insoweit zu treffenden Maßnahmen risikoangemessen ausgestaltet werden5.
6.649
1 2 3 4 5
BGH v. 18.10.1994 – XI ZR 237/93, WM 1994, 2270 (2272). Begr. RegE zu GwBekErgG, BT-Drucks. 16/9038, S. 30. Auerbach, WPg 2009, 1101 (1104). Struwe/Kruse/Rösler, BankPraktiker 2009, 514 (516); Hetzer, EuZW 2008, 560 (562). BaFin-Rundschreiben 14/2009 v. 29.7.2009.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.650
Die Bank ist des Weiteren gehalten, Informationen über den Zweck und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung (zB zweckgebundenes Kreditgeschäft, Geld-/Vermögensanlage, Gehaltskonto etc.) einzuholen, soweit sich diese im Einzelfall nicht bereits zweifelsfrei aus der Geschäftsbeziehung ergeben (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GwG). Hinzu tritt die Verpflichtung der Bank, die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden kontinuierlich zu überwachen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 GwG). Diese Pflicht lässt sich, anders als die Identifizierungspflicht, nicht auf Dritte übertragen1. Eine Überwachung der Kundentransaktionen erfordert regelmäßig die Erstellung eines individuellen Kundenprofils oder – wo dies angesichts der Kundenanzahl wie im mengenmäßigen Privatkundengeschäft nicht darstellbar ist – die Bildung von Risikogruppen2.
6.651
Der Kontoinhaber ist verpflichtet, der Bank die notwendigen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen sowie sich im Laufe der Geschäftsbeziehung ergebende Änderungen der gemachten Pflichtangaben der Bank gegenüber unverzüglich anzuzeigen (§§ 4 Abs. 6, 6 Abs. 2 Nr. 1 GwG). Verweigert der Kunde die Mitwirkung bei der Einholung der Informationen über den Zweck der Geschäftsbeziehung, bei der Durchführung der Identifizierung oder der Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten, so darf nach § 3 Abs. 6 Satz 1 GwG die Geschäftsbeziehung nicht begründet oder fortgesetzt und keine Transaktion durchgeführt werden. Eine bereits bestehende Geschäftsbeziehung ist von der Bank ungeachtet anderer gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen durch Kündigung oder auf andere Weise zu beenden, § 3 Abs. 6 Satz 2 GwG. Verletzt der Kunde seine Mitwirkungspflicht, begründet dies eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB3.
6.652
Die geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten gelten für die Bank gruppenweit im In- und Ausland. Nach der im März 2009 neu gefassten Regelung des § 25g Abs. 1 KWG4 haben die Banken als übergeordnete Unternehmen in Bezug auf ihre nachgeordneten Unternehmen, Zweigstellen und Zweigniederlassungen gruppenweite interne Sicherungsmaßnahmen ua. nach § 9 GwG zu schaffen und die Einhaltung der Sorgfaltspflichten nach den §§ 3, 5 und 6 GwG sowie der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht nach § 8 GwG sicherzustellen. Damit werden die deutschen rechtlichen Standards auch in den ausländischen Stellen der Bank angewandt und auf diese Weise eine einheitliche Handhabung der geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten innerhalb der Gruppe gewährleistet (sog. gruppenweite Umsetzung)5. Soweit die vorerwähnten, im Rahmen der Begründung oder Durchführung von Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen zu treffenden Maßnahmen in einem Drittsatt, in dem eine Zweigstelle oder ein nachgeordnetes Unternehmen ansässig ist, nach dem Recht des betroffenen Staates rechtlich nicht zulässig oder tatsächlich nicht durchführbar sind, hat die Bank (Mutterunternehmen) sicherzustellen, dass 1 2 3 4 5
Warius in Herzog, § 7 GwG Rz. 2. Auerbach, WPg 2009, 1101 (1005); Diergarten, Geldwäsche, S. 82. Warius in Herzog, § 4 GwG Rz. 92. Geändert durch Gesetz v. 20.3.2009, BGBl. I 2009, S. 607. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/11929, S. 8.
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6. Teil
Kontobeziehung
die Zweigstelle oder das nachgeordnete Unternehmen in diesem Drittsaat keine Geschäftsbeziehung begründet oder fortsetzt und keine Transaktionen durchführt, die entsprechende unzulässige oder undurchführbare Maßnahmen erfordern; eine bereits bestehende Geschäftsbeziehung zu dem Kunden ist zu beenden (§ 25g Abs. 1 Satz 3 und 4 KWG)1. Die Beendigungsverpflichtung bezieht sich nur auf die Zweigestellen und Zweigniederlassungen sowie nachgeordneten Unternehmen in Drittstaaten2. Mit dieser Regelung werden die der Aufsicht des KWG unterliegenden Institute und übergeordneten Unternehmen dazu angehalten, ihren beherrschenden Einfluss iS des § 17 AktG geltend zu machen3.
IV. Verfügungs- und Vertretungsbefugnisse Dritter Im Regelfall stehen Inhaberschaft und Verfügungsbefugnis bei einem Bankkonto derselben Person zu. Wie bereits ausgeführt, kann die Verfügungsmacht aber auch einem Dritten zustehen, weil sie dem Kontoinhaber entzogen ist. Vor diesem Hintergrund lässt sich für das Bankkonto zwischen Eigenkonto und Fremdkonto unterscheiden. Ohne die Verfügungsmacht ist der Gläubiger nicht zur Annahme der geschuldeten Leistung befugt. In diesem Fall fehlt ihm die sog. Empfangszuständigkeit, die sich mit der Verfügungsmacht deckt4. Eine Leistung der Bank an den Kontoinhaber würde daher keine schuldbefreiende Wirkung haben.
6.653
1. Eigenkonto und Fremdkonto Das Fremdkonto ist dadurch gekennzeichnet, dass die Verfügungsmacht über das Konto ursprünglich oder nachträglich einem anderen als dem Gläubiger der Guthabenforderung zusteht, während bei einem Eigenkonto Kontoinhaber und Verfügungsberechtigter identisch sind5. Für die Aufrechnungsbefugnis der Bank sind die Begriffe Eigen- und Fremdkonto jedoch wenig zweckdienlich, da hierfür die Forderungsinhaberschaft maßgeblich ist, die ihrerseits von der Verfügungsbefugnis unabhängig ist6. Ob ein Eigen- oder ein Fremdkonto vorliegt, ist nach den oben angeführten Grundsätzen für die Bestimmung des Kontoinhabers zu bestimmen.
6.654
Ein Fremdkonto liegt im Zweifel vor, wenn jemand ein Konto auf einen fremden Namen errichtet. Hat sich allerdings der Errichtende die Verfügungs-
6.655
1 Näher hierzu BaFin-Rundschreiben 17/2009 v. 23.9.2009 – Gruppenweite Umsetzung von Präventionsmaßnahmen gemäß § 25g KWG (Geschäftszeichen GW 1-GW 2001– 2008/0003). 2 BaFin-Rundschreiben 17/2009 v. 23.9.2009 – Gruppenweite Umsetzung von Präventionsmaßnahmen gemäß § 25g KWG, S. 3. 3 Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/11929, S. 8. 4 Wenzel in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 362 BGB Rz. 15. 5 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 5 Rz. 25. 6 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 3 Rz. 29.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
befugnis über das Konto durch Vereinbarung mit der kontoführenden Bank vorbehalten, so kann darin meist ein Indiz gesehen werden, das ungeachtet der Errichtung des Kontos auf fremden Namen für ein Eigenkonto des Verfügungsberechtigten spricht1.
6.656
Ein Fremdkonto kann zudem angenommen werden, wenn der das Konto auf fremden Namen Errichtende ohne Vereinbarung mit der Bank schon kraft Gesetzes oder seines Amtes in seiner Eigenschaft als Verwalter fremder Vermögen über das Konto verfügen kann, wie dies für den Testamentsvollstrecker (§ 2205 BGB), den Nachlassverwalter (§§ 1984, 1985 BGB) oder den Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO) gilt. Nach der Rechtsprechung sind diese Personen als Inhaber eines Amtes tätig (Amtstheorie)2. Ihnen ist eine von den Beteiligten unabhängige und selbständige Stellung eingeräumt. Sie handeln daher im Rahmen der ihnen zuerkannten Befugnisse im eigenen Namen. Die Rechtsfolgen treten kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung in der Person des Vermögensinhabers ein3. So sind Insolvenzverwalter nach dem BGH gesetzliche Treuhänder, denen das ihnen anvertraute Vermögen nicht zu vollem Recht, sondern nur zur gesetzlichen Verwaltung überlassen ist4. Dem Insolvenzverwalter bleibt es aber unbenommen, das betreffende Konto auf seinen Namen als Eigenkonto zu errichten5. Entsprechendes gilt für den Testamentsvollstrecker. Eröffnet dieser ein Konto auf den Namen des Erben, so ist er zwar verfügungsberechtigt. Gläubiger und damit Kontoinhaber ist aber der Erbe. Das Bankkonto ist daher kein Eigen-, sondern ein Fremdkonto. Der Testamentsvollstrecker kann jedoch auch auf seinen Namen ein Eigenkonto etwa mit dem Zusatz „Nachlass“ unterhalten.
6.657
Eine Aufspaltung von Kontoinhaberschaft und Verfügungsmacht ist ebenso bei der Forderungspfändung gegeben (§ 829 ZPO). Mit der durch die Pfändung bewirkten Beschlagnahme wird die Guthabenforderung zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers sichergestellt. Sie ist damit der Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers entzogen6. Die Forderung bleibt aber dem Vermögen des Kontoinhabers weiterhin zugeordnet7.
6.658
Kein Fall des Auseinanderfallens von Verfügungsbefugnis und Kontoinhaberschaft liegt vor, wenn der Kontoinhaber einem Dritten eine Kontovollmacht erteilt (dazu Rz. 6.687 ff.). Hier verbleibt die Verfügungsmacht beim Kontoinhaber als Vollmachtgeber. Der Bevollmächtigte übt im Wege eines abgeleite-
1 Vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 155 mwN. 2 BGH v. 5.12.2007 – IV ZR 275/06, WM 2008, 180 (182) für den Testamentsvolltrecker; KG Berlin v. 29.11.2005 – 1 W 180/03, MDR 2006, 694 f. für den Nachlassverwalter; BGH v. 4.6.1996 – IX ZR 261/95, WM 1996, 1411 (1412); BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, WM 2005, 1084 ff.; BGH v. 26.1.2006 – IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260 f. jeweils für den Insolvenzverwalter. 3 Schramm in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, vor § 164 BGB Rz. 10. 4 BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, WM 1988, 1222 (1223). 5 BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, WM 1988, 1222 (1223). 6 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 554. 7 Smid in MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2007, § 829 ZPO Rz. 49.
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ten Rechts nur die Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers auf Grund der Vollmacht aus. Er handelt im Namen des Kontoinhabers mit der Wirkung, dass die Rechtsfolgen unmittelbar in der Person des vertretenen Kontoinhabers eintreten (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB).
2. Fälle gesetzlicher Vertretung Bei der Führung von Konten für geschäftsunfähige oder beschränkt geschäftsfähige Kunden ergeben sich Rechtsfragen hinsichtlich der erforderlichen rechtsgeschäftlichen Vertretung des Kontoinhabers. Die jeweils kraft Gesetzes vertretungsberechtigten Personen sind in ihrer Vertretungsmacht vielfach, etwa durch das Erfordernis einer Genehmigung des Familiengerichtes, beschränkt. Der Umfang ihrer Vertretungsmacht hat daher insbesondere für die Fragen Bedeutung, ob der Abschluss eines Bankgeschäftes durch den gesetzlichen Vertreter rechtswirksam ist und ob die Bank durch Leistung an den Vertreter von ihrer Leistungspflicht frei wird.
6.659
a) Geschäftsunfähiger Kontoinhaber Minderjährige, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden als Geschäftsunfähige von beiden Elternteilen gemeinschaftlich vertreten, soweit den Eltern die Sorge gemeinsam zusteht (Gesamtvertretung, §§ 1626 Abs. 1 Satz 1, 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB)1. Bei geschiedenen Ehen oder nicht nur vorübergehend getrennt lebenden Eltern richtet sich die Vertretung des Kindes nach der Sorgeberechtigung der Elternteile (§§ 1671, 1672 BGB). Der Regelfall ist, dass die Vertretungsbefugnis beiden Elternteilen gemeinschaftlich obliegt. Diese gesetzliche Regelung kann in der Bankpraxis zu unerwünschten Erschwernissen führen. Die Kontoeröffnungsformulare sehen deshalb die Möglichkeit vor, dass sich die Eltern der Bank gegenüber alleinige Verfügungsbefugnis einräumen. Diese alleinige Verfügungsbefugnis ist vereinbar mit dem Grundsatz, dass eine gesetzliche Gesamtvertretungsbefugnis durch rechtsgeschäftlich erteilte Einzelvertretungsbefugnisse nicht umgangen werden darf2. Eine solche Umgehung liegt nur vor, wenn sie zu einer generellen Verlagerung der Vertretungsmacht auf den anderen Gesamtvertretungsberechtigten führt. Hieran fehlt es, wenn die Einzelvertretung der Eltern nur im Rahmen einer einzelnen Rechtsbeziehung wie die einer bankmäßigen Kontobeziehung erfolgt.
6.660
Wie in anderen Vertretungsfällen stellen sich auch hier Fragen im Zusammenhang mit dem Missbrauch der Vertretungsmacht (dazu Rz. 6.708 ff.). Anknüpfungspunkt hierfür kann die Ausübung der Vertretungsmacht zu ausschließlich eigenem Nutzen sein. Entsprechende eigennützige Rechtsgeschäfte durch die Eltern über das Konto des Minderjährigen darf die Bank nur verweigern, wenn massive Verdachtsmomente einen evidenten Missbrauch
6.661
1 Berger in Jauernig, § 1629 BGB Rz. 2. 2 Vgl. Huber in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1629 BGB Rz. 33.
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der Vertretungsmacht der Eltern nahe legen1. Eine von den Eltern veranlasste Überweisung zu eigenen Gunsten erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht2. Zutreffend hat der BGH in diesem Fall auch ein unzulässiges Insichgeschäft (§§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB) verneint, denn der Überweisungsvertrag wird zwischen der Bank und dem Minderjährigen, nicht aber mit den Eltern abgeschlossen.
6.662
Zu beachten ist gleichwohl das Schenkungsverbot nach § 1641 BGB. Hierbei ist im Ergebnis entscheidend, ob für die Übertragung des Kontoguthabens des Minderjährigen auf die Eltern ein Rechtsgrund vorliegt. Haben die Eltern gegen den Minderjährigen einen Rückzahlungsanspruch, erfolgt die Leistung durch den Minderjährigen an die Eltern nicht zum Zwecke einer Schenkung, sondern um eine Verbindlichkeit zu erfüllen3.
6.663
Die Eltern sind von der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder insoweit ausgeschlossen, als dies auch für einen Vormund gemäß § 1795 BGB gilt (§ 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB). In diesem Fall muss von dem Familiengericht ein Ergänzungspfleger bestellt werden (§ 1909 Abs. 1 BGB)4. Im Übrigen ist für Rechtsgeschäfte nach §§ 1821, 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB die Genehmigung des Familiengerichtes erforderlich (§ 1643 Abs. 1 BGB). Diese Aufzählung ist abschließend; eine analoge Gesetzesanwendung ist aus Gründen der Rechtssicherheit ausgeschlossen5. Für Verträge kann die Genehmigung auch nach Vertragsschluss erfolgen (§§ 1643 Abs. 3, 1829 BGB), wohingegen ein einseitiges Rechtsgeschäft ohne die erforderliche Genehmigung des Familiengerichtes bei dessen Vornahme unheilbar nichtig ist (§§ 1643 Abs. 3, 1831 Satz 1 BGB).
6.664
Ist für das minderjährige Kind ein Vormund bestellt (§ 1773 BGB), hat die Bank die besonderen Grenzen der Vertretungsmacht zu beachten. Im Unterschied zu den Eltern darf ein Vormund über eine Forderung des Mündels grundsätzlich nur mit Genehmigung des Gegenvormunds verfügen, sofern nicht die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich ist (§ 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Fehlt, wie häufig, ein solcher Gegenvormund, tritt an Stelle seiner Genehmigung die Genehmigung des Familiengerichts (§ 1812 Abs. 3 BGB).
6.665
Von diesem grundsätzlichen Genehmigungserfordernis bestehen die in § 1813 Abs. 1 BGB näher geregelten und für die Bankpraxis wichtigen Ausnahmen. So ist die Genehmigung entbehrlich, wenn die von der Verfügung betroffene Forderung nicht mehr als 3000 Euro beträgt (§ 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Dabei ist umstritten, ob für diesen genehmigungsfreien Höchstbetrag die Höhe des Kontostandes (Anspruchshöhe) oder der Einzelbetrag der Kontoverfügung (Ver1 BGH v. 15.6.2004 – XI ZR 220/03, WM 2004, 1546 (1547). 2 BGH v. 15.6.2004 – XI ZR 220/03, WM 2004, 1546 (1547). 3 Madaus, BKR 2006, 58 (59); Madaus, EWiR 2004, 1023 (1024); vgl. auch Engler in Staudinger, Neubearb. 2009, § 1641 BGB Rz. 7 f. 4 Die verfahrensrechtlichen Vorschriften sind mit Wirkung v. 1.9.2009 in dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17.12.2008 (FamFG, BGBl. I 2008, S. 2586) geregelt. An die Stelle des Vormundschaftsgerichtes ist das Familiengericht getreten (§ 151 Nr. 4 FamFG). 5 Engler in Staudinger, Neubearb. 2009, § 1643 BGB Rz. 5.
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Kontobeziehung
fügungshöhe) maßgeblich ist. Nach der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung bezieht sich die Freigrenze von 3000 Euro bei Verfügungen auf die Anspruchshöhe und damit auf den Kontostand insgesamt1. Unabhängig von der Guthabenhöhe ist eine Genehmigung gemäß § 1813 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht erforderlich, wenn Geld auf einem Giro- oder Kontokorrentkonto oder Geld, das der Vormund selbst angelegt hat, zurückgezahlt wird (dazu auch Rz. 6.675 ff.). Das Familiengericht kann den Vormund von diesen Beschränkungen seiner Vertretungsmacht befreien. Eine solche allgemeine Ermächtigung soll aber nach § 1825 Abs. 2 BGB nur erteilt werden, „wenn sie zum Zwecke der Vermögensverwaltung, insbesondere zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, erforderlich ist“. Da § 1825 Abs. 2 BGB nur eine Ordnungsvorschrift ist, bleibt eine erteilte Ermächtigung bis zu ihrer Rücknahme wirksam, auch wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen2.
6.666
b) Beschränkt geschäftsfähige Kontoinhaber Die Eltern haben auch mitzuwirken, wenn das Konto nicht für ein geschäftsunfähiges Kind unter sieben Jahren, sondern für ein minderjähriges Kind, das das siebente Lebensjahr vollendet hat, eröffnet wird. Diese Minderjährigen sind zwar beschränkt geschäftsfähig. Sie bedürfen aber der Mitwirkung ihrer Eltern als gesetzliche Vertreter, wenn es sich um Willenserklärungen handelt, die für den Minderjährigen nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil mit sich bringen (§ 107 BGB). Mit der Errichtung eines Bankkontos sind nicht nur rechtliche Vorteile verbunden, selbst wenn das Konto entgeltfrei geführt wird. Denn für die erforderlichen rechtlichen Vorteile ist nicht die wirtschaftliche Betrachtung maßgeblich, sondern die Frage, ob sich der Minderjährige verpflichtet oder ein Recht aufgibt3. Mit dem Abschluss eines Kontovertrages als gegenseitigen Vertrag gehen Verpflichtungen des Kontoinhabers einher, welche sich ergänzend auch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank ergeben, die bei der Kontoeröffnung in das betreffende Kontovertragsverhältnis einbezogen werden4.
6.667
In einer umfassenden Verlautbarung des ehemaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen zum Thema Bankgeschäfte mit Minderjährigen vom März 19955 ist der Rechtsrahmen für Minderjährigenkonten aus aufsichtlicher Sicht näher erläutert. Inhaltlich sind die Ausführungen insbesondere darauf gerichtet, Krediteinräumungen für den Minderjährigen zu verhindern. Im Übrigen enthält die Verlautbarung die wesentlichen Grundsätze, die die Kre-
6.668
1 OLG Karlsruhe v. 27.10.2000 – 11 Wx 108/00, WM 2001, 1899; OLG Köln v. 20.6.1994 – 16 Wx 86/94, WM 1994, 1560. 2 Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1825 BGB Rz. 3. 3 Schmitt in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 107 BGB Rz. 28 ff.; Jauernig in Jauernig, § 107 BGB Rz. 2 ff.; Ellenberger in Palandt, § 107 BGB Rz. 2. 4 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 11. 5 Verlautbarung des BAKred „Bankgeschäfte mit Minderjährigen“ v. 22.3.1995 (Geschäftszeichen I 1 – 3.1.3), ZIP 1995, 691 ff.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
ditinstitute bei Bankgeschäften mit Minderjährigen aus aufsichtsrechtlicher Sicht zu beachten haben.
6.669
Mit Rücksicht auf die gewandelten Verkehrsbedürfnisse und -anschauungen sehen die Kontoeröffnungsformulare vor, dass auch der Minderjährige selbst Verfügungen über das Kontoguthaben bis zu einem jederzeit zulässigen Widerruf eines gesetzlichen Vertreters treffen kann. Hierin liegt eine zulässige Generaleinwilligung seines gesetzlichen Vertreters iS des § 107 BGB, die auch gegenüber der Bank als Vertragspartner des Minderjährigen erklärt werden kann (§ 182 Abs. 1 BGB). Im Interesse eines wirksamen Minderjährigenschutzes ist diese Einwilligung eng auszulegen und darf nicht zu einer partiell erweiterten Geschäftsfähigkeit führen1. Nach der vorgenannten Verlautbarung des BAKred sollte die allgemeine Einwilligung auf die Vornahme bestimmter Kontoverfügungen, insbesondere Barzahlungen, Überweisungen und Daueraufträge beschränkt werden.
6.670
Der beschränkt Geschäftsfähige kann in Teilbereichen über die einem Volljährigen zustehenden Befugnisse verfügen (partielle Geschäftsfähigkeit). So ist der Minderjährige, wenn ihn sein gesetzlicher Vertreter zur Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ermächtigt hat, für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, die die Eingehung oder Aufhebung dieses Vertragsverhältnisses oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen (§ 113 BGB). Auf Grund dieser gesetzlichen Regelung ist nach heutiger Auffassung auch die Eröffnung eines Lohnund Gehaltskontos genehmigungsfrei2. Gedeckt sind auch Barabhebungen vom Lohn- und Gehaltskonto sowie Überweisungen, soweit diese im Einzelfall erkennbar in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem Arbeits- oder Dienstverhältnis stehen3. Berufsausbildungs- und andere Ausbildungsverhältnisse werden von § 113 BGB jedoch nicht erfasst, da die Ausbildung, nicht aber die Leistung von Dienst und Arbeit überwiegt4.
6.671
Von der partiellen Geschäftsfähigkeit nach § 113 BGB bleibt das Genehmigungserfordernis für die in §§ 1821, 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB angeführten Rechtsgeschäfte unberührt. Für die Bankpraxis bedeutsam ist insbesondere § 1822 Nr. 8 BGB, wonach für eine Krediteinräumung ein entsprechendes Genehmigungserfordernis besteht5. Ohne die Genehmigung des Familiengerichts ist daher nur eine Kontoführung auf Guthabenbasis möglich, weshalb auch Debit- und Kreditkarten mit der Möglichkeit zu einer Kontoüberziehung 1 2 3 4
Schmitt in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 107 BGB, § 107 Rz. 14. Ellenberger in Palandt, § 113 BGB Rz. 4. ZB Überweisung des Mitgliedsbeitrages für eine Gewerkschaft. Jauernig in Jauernig, § 113 BGB Rz. 3; J. Schmitt in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 113 BGB Rz. 14; Ellenberger in Palandt, § 113 BGB Rz. 2. 5 Darunter fallen Kredite in jeglicher Form (Ratenkredit, Kontokorrentkredit, geduldete Kontoüberziehung, finanzierter Abzahlungskauf, aufgeschobene Zahlungsverpflichtung durch Kreditkarte), siehe Verlautbarung des BAKred „Bankgeschäfte mit Minderjährigen“ v. 22.3.1995, II. 2. lit. a. bb), ZIP 1995, 691 (694); hierzu auch Vortmann, WM 1994, 965 (968).
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Kontobeziehung
nicht ausgegeben werden dürfen. Im Übrigen können Kreditkarten an Minderjährige ausgegeben werden, wenn die getätigten Kartenumsätze ausschließlich über das Konto der gesetzlichen Vertreter verbucht werden und eine eigene Haftung des Minderjährigen ausgeschlossen ist. c) Kontoinhaber unter Betreuung Durch das Betreuungsgesetz1 ist an die Stelle der Vormundschaft über Volljährige und der Gebrechlichkeitspflegschaft das einheitliche Rechtsinstitut der Betreuung getreten (§§ 1896 ff. BGB). Die Vormundschaft ist als Rechtsinstitut nur für Minderjährige erhalten geblieben. Bei bestehender Betreuungsbedürftigkeit (§ 1896 Abs. 1 BGB) und tatsächlichem Betreuungsbedarf (§ 1896 Abs. 2 BGB) wird von dem Betreuungsgericht für einen konkreten Aufgabenkreis eine Betreuung angeordnet2. Die Geschäftsverbindung zur Bank ist hiervon stets betroffen, wenn eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge besteht. Hierunter fallen Bankgeschäfte aller Art3.
6.672
aa) Rechtsstellung des Betreuers Der Betreuer vertritt den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenkreises (§ 1902 BGB). Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Vertretungsmacht4. Der insbesondere für die Legitimation des Betreuers erforderliche Nachweis der Betreuerbestellung erfolgt in der Praxis regelmäßig anhand einer Bestellungsurkunde (§ 290 FamFG)5. Diese auch als Betreuerausweis bezeichnete Urkunde hat jedoch keine materiellrechtliche Wirkung. Zwar hat der Betreuer bei Beendigung seines Amtes die Bestellungsurkunde an das Betreuungsgericht zurückzugeben, die Wirksamkeit der Betreuung ist aber von der Urkunde unabhängig. Anders als bei einer Vollmachtsurkunde (§§ 172, 174 BGB) fehlt der öffentliche Glaube6. Damit geht ein entsprechendes Risiko der Bank einher, wenn sie bei der Vornahme eines Rechtsgeschäftes durch den Betreuer ausschließlich auf die Vorlage der Bestellungsurkunde vertraut.
6.673
Auf die Betreuung ist eine Vielzahl der Bestimmungen für die Vormundschaft über Minderjährige anwendbar (vgl. § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB). Daraus erge-
6.674
1 Betreuungsgesetz v. 12.9.1990 (BGBl. I 1990, S. 2002), in Kraft seit 1.1.1992. 2 Die für Betreuungssachen einschlägigen verfahrensrechtlichen Vorschriften sind mit Wirkung v. 1.9.2009 in den §§ 271 ff. FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17.12.2008, BGBl. I 2008, S. 2586) geregelt. Anstelle des bisherigen Vormundschaftsgerichtes ist das Betreuungsgericht zuständig. Näher hierzu Sorg, BWNotZ 2009, 90. 3 Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 291. 4 Bienwald in Staudinger, Neubearb. 2006, § 1902 BGB Rz. 2; Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 212. 5 Schmidt-Recla in MünchKomm. ZPO, 2010, § 290 FamFG Rz. 1. 6 Bumiller/Harders, Freiwillige Gerichtsbarkeit FamFG, 9. Aufl. 2009, § 290 FamFG Rz. 1; Schmidt-Recla in MünchKomm. ZPO, 2010, § 290 FamFG Rz. 1.
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ben sich auch Beschränkungen der Vertretungsmacht (§§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1812, 1821, 1822 BGB). So bedürfen gemäß § 1812 BGB Verfügungen über Forderungen (zB Kontoguthaben) und Wertpapiere der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Zwar verpflichten die Regelungen der §§ 1812, 1813 BGB nicht die Bank, sondern ausschließlich den Betreuer und das Betreuungsgericht. Allerdings läuft die Bank bei Verfügungen nicht befreiter Betreuer die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme, da bei einer entsprechenden Verfügung ohne die erforderliche betreuungsgerichtliche Genehmigung eine Leistungsbefreiung gegenüber dem Betreuten nicht eintritt1.
6.675
Von den gesetzlichen Beschränkungen bestehen wiederum Ausnahmen. Verfügungen so genannter privilegierter Betreuer bedürfen keiner Genehmigung des Betreuungsgerichtes. Hierzu zählen Eltern, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Abkömmlinge des Betreuten sowie Vereins- und Behördenbetreuer (§§ 1908i Abs. 2 Satz 2, 1852 Abs. 2, 1857a BGB). Ebenso ist eine Genehmigung nicht erforderlich im Falle einer allgemeinen Ermächtigung (§ 1825 BGB) oder der genehmigungsfreien Geschäfte nach § 1813 Abs. 1 BGB. Nach § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB bedarf die Annahme einer geschuldeten Leistung nicht der Genehmigung des Betreuungsgerichtes, wenn der Anspruch des Betreuten nicht mehr als 3000 Euro beträgt. Wie bei einer Vormundschaft für einen Minderjährigen stellt sich auch hier die Frage, ob sich diese Betragsgrenze auf den Kontostand oder auf die konkrete Verfügungshöhe im Einzelfall bezieht. Nach überwiegender Auffassung ist eine Abhebung von Beträgen auch unter 3000 Euro ohne Genehmigung nicht zulässig, wenn das Kontoguthaben im Zeitpunkt der Annahme mehr als 3000 Euro beträgt2. Dies hat zur Folge, dass auch bei Verfügungen von kleineren Beträgen eine Genehmigung erforderlich ist, wenn das Kontoguthaben die Freigrenze überschreitet.
6.676
Soweit die hierzu ergangene Rechtsprechung sich auch auf Girokonten bezog, hat sich die Rechtslage mit Wirkung vom 1.9.2009 geändert. Denn § 1813 Abs. 1 Nr. 3 BGB wurde dahin erweitert, dass auch Verfügungen über das Guthaben auf einem Giro- oder Kontokorrentkonto unabhängig von der konkreten Guthabenhöhe genehmigungsfrei sind3. Mit dieser Änderung sollten die Genehmigungspflichten an den modernen Zahlungsverkehr angepasst werden4. Auch wenn damit für die betreffenden Konten eine Kontrolle einer Betragsgrenze nicht mehr erforderlich ist, bleibt es im Risikoermessen der Bank, sich bei einer Verfügung durch den Betreuer zu vergewissern, dass dieser noch im Amt ist. Die Bank ist dem BGH zufolge allerdings nicht berech1 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 74/05, NJW 2006, 430 (431). 2 OLG Köln v. 29.11.2006 – 16 Wx 230/06, FGPrax 2007, 124; OLG Köln v. 20.6.1994 – 16 Wx 86/94, WM 1994, 1560; OLG Karlsruhe v. 27.10.2000 – 11 Wx 108/00, WM 2001, 1899; Engler in Staudinger, Neubearb. 2004, § 1813 BGB Rz. 10; Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1813 BGB Rz. 9; aA LG Saarbrücken v. 5.6.1992 – 5 T 239/92, WM 1993, 1845 (Verfügungshöhe maßgeblich). 3 Geändert durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs und Vormundschaftsrechts v. 6.7.2009, BGBl. I 2009, S. 1696 (1698). 4 BT-Drucks. 16/10798, S. 1, 24 f.; zu dem damit verbundenen Missbrauchsrisiko kritisch Sorg, BWNotZ 2009, 90 (107).
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Kontobeziehung
tigt, nach einmaliger Vorlage des Betreuerausweises im Original dessen erneute Vorlage bei jeder nachfolgenden Verfügung des Betreuers zu verlangen, da die Bestellungsurkunde mangels Gutglaubensschutzes ohnehin keine Rechtsscheinwirkung entfaltet1. Die der Bank hiernach grundsätzlich zuzumutende Unsicherheit, ob die gesetzliche Vertretungsmacht des Betreuers noch wirksam besteht, lässt sich daher in der Praxis bei konkreter Veranlassung nur durch eine im Einzelfall bei dem Betreuungsgericht eingeholte Bestätigung, dass der Betreuer unverändert im Amt ist, beseitigen. Von den in § 1813 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BGB angeführten genehmigungsfreien Geschäften sind in § 1813 Abs. 2 BGB wiederum Gegenausnahmen geregelt. Nach dessen Satz 1 erstreckt sich die Befreiung nach § 1813 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BGB nicht auf Verfügungen solcher Beträge, bei deren Anlegung ein anderes bestimmt worden ist. Dies gilt für alle Gelder, die nicht den laufenden Ausgaben des Betreuten dienen, insbesondere für Termin- und Spareinlagen, soweit deren Anlage mit einem Sperrvermerk (§§ 1807 Abs. 1 Nr. 5, 1809 BGB) erfolgte2 (dazu Rz. 6.684 f.).
6.677
Die Betreuung endet automatisch mit dem Tod der betreuten Person. Eine gerichtliche Entscheidung ist nicht erforderlich3. Nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1893 Abs. 1, 1698b BGB besteht aber ein Notgeschäftsführungsrecht des Betreuers. Hiervon sind alle Bankgeschäfte erfasst, die unaufschiebbar sind, beispielsweise die Entgegennahme von Geldern und deren kurzfristige Anlage4. Dieses Notgeschäftsführungsrecht erlischt, sobald der Erbe anderweit Fürsorge treffen kann.
6.678
bb) Rechtsstellung des betreuten Kontoinhabers Der Betreute bleibt ungeachtet einer angeordneten Betreuung geschäftsfähig. Er kann somit auch innerhalb des Aufgabenkreises des Betreuers rechtsgeschäftlich wirksam handeln und Bankgeschäfte tätigen5. Die Zustimmung seines Betreuers ist nur erforderlich, wenn das Betreuungsgericht einen Einwilligungsvorbehalt, welcher in der Bestellungsurkunde eingetragen ist, angeordnet hat (§ 1903 BGB). Da der Einwilligungsvorbehalt wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das notwendige Maß zu beschränken ist, kann dieser auch nur für einen bestimmten Ausschnitt der Vermögenssorge, beispielsweise den Abschluss von Dauerschuldverhältnissen oder Verträge mit Ratenzahlungen, angeordnet sein6.
6.679
Soweit ein Einwilligungsvorbehalt nicht angeordnet ist, können im Rahmen einer bestehenden Kontoverbindung sowohl der Betreuer wie auch der be-
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1 BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 184/09, FamRZ 2010, 968 f. 2 Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 452; Diederichsen in Palandt, § 1813 BGB Rz. 4. 3 Schwab in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1908d BGB Rz. 2; Klüsener in Jürgens, Betreuungsrecht, § 1893 BGB Rz. 6. 4 Klüsener in Jürgens, Betreuungsrecht, § 1893 BGB Rz. 6. 5 Bienwald in Staudinger, Neubearb. 2006, § 1902 BGB Rz. 63. 6 OLG Brandenburg v. 8.3.2007 – 77 Wx 8/07, FamRZ 2007, 1127.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
treute und geschäftsfähige Kontoinhaber Rechtsgeschäfte vornehmen. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass der Bank gegenüber unterschiedliche Erklärungen abgegeben werden. Bei konkurrierendem Handeln sind die Grundsätze maßgebend, die insoweit auch für Vollmachtgeber und Stellvertreter gelten1. Kollidieren die Rechtswirkungen der Rechtsgeschäfte, so gilt der Prioritätsgrundsatz und damit die der Bank zuerst erteilte Weisung2. Bei nichtkollidierenden Rechtsgeschäften kommt eine einseitige Rückgängigmachung des zuerst vorgenommenen Rechtsgeschäftes in Betracht, soweit nach den allgemeinen Regelungen hierfür Raum ist und beispielsweise eine Anfechtung, ein Rücktritt, ein Widerruf nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB oder eine Kündigung zulässig sind3. cc) Leitlinien für die Anlage des Betreutenvermögens
6.681
Für die Anlage von Geldern des Betreuten sieht das Betreuungsrecht einen Katalog von Anlagevorschriften vor (§§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1805 ff. BGB). Diese bezwecken den Schutz des Vermögens des Betreuten. So ist der Betreuer insbesondere gehalten, das Geld des Betreuten vom eigenen Vermögen getrennt zu halten (§ 1805 BGB), verzinslich (§ 1806 BGB) sowie mündelsicher (§ 1807 BGB) und ggf. mit einem Sperrvermerk (§ 1809 BGB) anzulegen.
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Wegen der gebotenen strikten Trennung des Betreutenvermögens scheidet ein Gemeinschaftskonto von Betreutem und Betreuer aus. Ebenso ist ein auf den Namen des Betreuers lautendes Treuhandkonto unzulässig, da der Betreuer selbst Inhaber des Forderungsrechtes gegen die Bank würde und damit zudem das Risiko eines Zugriffs durch Gläubiger des Betreuers auf die auf diesem Konto unterhaltenen und dem Betreuten zustehenden Werte einher ginge. Daher kommt allein ein Eigenkonto für den Betreuten in Betracht. Für die Kontoführung ist von Vorteil, dass dieses in seinem Bestand von einem etwaigen Wechsel der Person des Betreuers unabhängig ist.
6.683
Von der Pflicht zur verzinslichen Anlage ist Geld zur Bestreitung von Ausgaben, wie beispielsweise für den Unterhalt oder die laufenden Kosten der Vermögensverwaltung, ausgenommen (sog. Verwendungsgeld, § 1806 Halbsatz 2 BGB)4. Das verbleibende Anlagegeld ist verzinslich in einer der in § 1807 BGB angeführten mündelsicheren Anlageform mit Genehmigung des Gegenbetreuers oder des Betreuungsgerichts (§ 1810 BGB) anzulegen. Nach § 1807 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist eine Anlage bei einer inländischen öffentlichen und von der zuständigen Landesbehörde zur Anlegung von Mündelgeld für geeignet erklärten Sparkasse oder bei einer Bank, die einer für die Anlage aus-
1 Schwab in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1902 BGB Rz. 20. 2 Schwab in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1902 BGB Rz. 21; Jürgens in Jürgens, Betreuungsrecht, § 1902 BGB Rz. 4. 3 Jürgens in Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl. 2005, § 1902 BGB Rz. 4; vgl. auch Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 498. 4 Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1806 BGB Rz. 12.
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reichenden Sicherungseinrichtung angehört, mündelsicher. Letzteres trifft regelmäßig auf alle deutschen Geschäftsbanken (private Kreditinstitute wie auch Volks- und Genossenschaftsbanken) zu, die Mitglied in einer Sicherungseinrichtung sind1. Gemäß § 23a KWG ist das Kreditinstitut verpflichtet, im Preisaushang über die Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung zu informieren. Für die Frage nach der Einlagensicherung ist auf die konkrete Kapitalanlage abzustellen. So sind beispielsweise Termin- und Spareinlagen von der Einlagensicherung geschützt, nicht aber Inhaberpapiere der Bank. Das Betreuungsgericht kann eine von den Regelungen des § 1807 BGB abweichende Anlage gestatten (§ 1811 BGB), beispielsweise für Aktienanlagen oder Einlagen bei Banken, die keiner Einlagensicherung angehören. Das Fehlen der nach §§ 1810, 1811 BGB erforderlichen Anlagegenehmigung hat im Verhältnis zur Bank auf die Wirksamkeit des betreffenden Anlagevertrages keine Auswirkung2. Schließlich ist der Betreuer gehalten, nach § 1807 Abs. 1 Nr. 5 BGB mündelsichere Gelder nur mit einem sog. Sperrvermerk anzulegen (§ 1809 BGB). Damit soll sichergestellt werden, dass Verfügungen nur mit Genehmigung des Gegenbetreuers oder Betreuungsgerichts erfolgen (§ 1809 BGB). Denn der Betreute soll vor unkontrollierten Verfügungen seines Betreuers geschützt werden3. Dies wird durch eine entsprechende rechtsgeschäftliche Sperrvereinbarung mit der Bank umgesetzt4. Zahlt die Bank entgegen der Sperre ohne die erforderliche Genehmigung aus, so tritt eine Leistungsbefreiung nicht ein, womit für die Bank das Risiko einer doppelten Inanspruchnahme einher geht5. Ist über das Kontoguthaben wie im Falle einer Spareinlage ein qualifiziertes Legitimationspapier ausgestellt, so ist die Liberationswirkung nach § 808 BGB, wonach an den Vorleger der Urkunde mit befreiender Wirkung geleistet werden kann (dazu Rz. 8.95 ff.), ausgeschlossen6. Im Übrigen entfaltet die Sperre keine Wirkung gegen den betreuten Kontoinhaber7. Dieser kann frei verfügen. Unterlässt der Betreuer hingegen eine versperrte Anlage, so bleibt der Anlagevertrag wirksam, und eine Auszahlung der Bank hat in diesem Fall auch ohne eine Genehmigung des Gegenbetreuers oder Betreuungsgerichts leistungsbefreiende Wirkung zu Lasten des betreuten Kontoinhabers8. Der Be-
1 Klüsener in Jürgens, Betreuungsrecht, § 1807 BGB Rz. 10 f.; Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1807 BGB Rz. 21. 2 Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 399 und 413; Engler in Staudinger, Neubearb. 2004, § 1810 BGB Rz. 4 sowie § 1811 BGB Rz. 20; Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1810 BGB Rz. 3 sowie § 1811 BGB Rz. 19; Kierig, NJW 2010, 1436 (1437). 3 Engler in Staudinger, Neubearb. 2004, § 1809 BGB Rz. 2. 4 Klüsener in Jürgens, Betreuungsrecht, § 1809 BGB Rz. 2. 5 Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 418. 6 Engler in Staudinger, Neubearb. 2004, § 1809 BGB Rz. 8 und 14; Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1809 BGB Rz. 7. 7 Klüsener in Jürgens, Betreuungsrecht, § 1809 BGB Rz. 3. 8 Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1809 BGB Rz. 11; Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 419.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
treuer kann gegenüber dem Betreuten aber wegen des Verstoßes gegen die Verpflichtung zu einer versperrten Anlage aus §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1833 BGB schadensersatzpflichtig sein1.
6.685
Für Gelder auf einem Girokonto ist eine versperrte Anlage nicht geboten, soweit es sich dabei um genehmigungsfreies Verwendungsgeld zur Bestreitung von Ausgaben iS von § 1806 Halbsatz 2 BGB handelt und somit eine Anlegung von Betreutengeld iS des § 1807 Abs. 1 Nr. 5 BGB nicht vorliegt2. Eine versperrte Anlage ist auch bei den privilegierten Betreuern (§§ 1908i Abs. 2 Satz 2, 1852 Abs. 2, 1857a BGB) nicht notwendig.
6.686
Die nach den vorgenannten Regelungen für ein Rechtsgeschäft des Betreuers erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichtes ergeht durch Beschluss (§ 38 Abs. 1 FamFG), welcher gemäß § 40 Abs. 2 FamFG erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft wirksam wird3. Nach § 45 Satz 1 FamFG tritt die Rechtskraft eines Beschlusses nicht ein, bevor die Frist für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels abgelaufen ist. Um vor diesem Hintergrund bei einem genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäft des Betreuers etwaige Unsicherheiten bzgl. der Wirksamkeit des Genehmigungsbeschlusses ausschließen zu können, empfiehlt sich für die Praxis, dass die betreffenden Entscheidungen des Familiengerichtes mit einem Rechtskraftvermerk versehen sind4.
3. Kontovollmacht a) Inhalt und Umfang
6.687
Bei der Kontovollmacht handelt es sich um eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht (vgl. § 166 Abs. 2 BGB)5. Die Kontovollmacht bezieht sich auf ein einzelnes Konto, wohingegen die Bankvollmacht die gesamte Geschäftsverbindung erfasst. Die Vollmacht ist zu unterscheiden von der Vertretungsmacht der gesetzlichen Vertreter, wie insbesondere der Eltern für ihre minderjährigen Kinder (§§ 1626 Abs. 1 Satz 1, 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn der gesetzliche Vertreter leitet seine Vertretungsmacht unmittelbar aus dem Gesetz ab6.
6.688
Die Bank ist jedenfalls bei einer bestehenden Vertragsbeziehung grundsätzlich verpflichtet, ein Handeln durch einen rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter zuzulassen und zu akzeptieren. Dies entspricht im Allgemeinen dem Verkehrsbedürfnis. Sie ist gehalten, Aufträge des Kunden entgegenzunehmen und 1 2 3 4
Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1809 BGB Rz. 11. Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1807 BGB Rz. 7. Ulrici in MünchKomm. ZPO, 2010, § 40 FamFG Rz. 8. Für eine Differenzierung zwischen Innen- und Außengenehmigung Kierig, NJW 2010, 1436 (1437). 5 Neben den formularmäßig erteilten Vollmachten kann im Bankverkehr ausnahmsweise auch eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorliegen, siehe OLG Köln v. 11.7.2001 – 13 U 252/00, WM 2001, 2340 (2342). 6 Schramm in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, vor § 164 BGB Rz. 5.
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Kontobeziehung
zu bearbeiten und hat grundsätzlich kein Wahlrecht darüber, welche Aufträge unerledigt bleiben oder zurückgewiesen werden sollen. Hieraus resultiert die vertragliche Nebenpflicht, mit Aufträgen, welche durch einen ordnungsgemäß legitimierten Vertreter erteilt werden, gleichermaßen zu verfahren. Entsprechendes ergibt sich zudem aus der kaufmännischen Sorgfaltspflicht der Bank1. Im Rechtsverkehr mit der Bank ist eine bloß mündlich erteilte Vollmacht untauglich, da der Bevollmächtigte sein Recht der Bank gegenüber nicht nachweisen kann. Bei einer Kontoeröffnung für eine juristische Person können auf dem sog. Unterschriftsprobenblatt neben den organschaftlichen Vertretern auch sonstige Mitarbeiter als Vertretungsberechtigte benannt werden. Hierin ist die Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht (Außenvollmacht) gegenüber dem kontoführenden Kreditinstitut zu sehen (vgl. §§ 167 Abs. 1 Alt. 2, 170 BGB)2.
6.689
Eine in der Benennung im Unterschriftsprobenblatt liegende Kontovollmacht kann problematisch sein, wenn sie damit einem Mitglied des Vertretungsorgans einer Gesellschaft, etwa dem Geschäftsführer einer GmbH, erteilt wird. Ist diesem nach dem Gesellschaftsvertrag lediglich Gesamtvertretung mit einem anderen Geschäftsführer eingeräumt worden, kann sie zwar auch in der Weise ausgeübt werden, dass ein Gesamtvertreter den anderen Gesamtvertreter zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder bestimmter Arten von Rechtsgeschäften ermächtigt3. Dagegen ist die Erteilung einer Generalvollmacht unzulässig. Denn hierdurch könnten die Gesamtvertretungsberechtigten die ihnen vorgegebenen gesellschaftsrechtlichen Schranken unterlaufen und die Gesamtvertretungsmacht zu einer nicht gewollten Einzelvertretungsmacht umgestalten4. Nach der Rechtsprechung kommt eine der Bank gegenüber unbeschränkt erteilte Einzelvollmacht an einen nur gesamtvertretungsberechtigten GmbH-Geschäftsführer einer solchen unzulässigen Gesamtvollmacht gleich, wenn man die Vielfältigkeit der mit einer Bank zu tätigenden Geschäfte berücksichtigt. Eine solche Einzelvollmacht läuft daher auf eine Umgehung der im Gesellschaftsvertrag festgelegten Gesamtvertretungsbefugnis der Geschäftsführer hinaus5.
6.690
Mit Rücksicht auf diese Rechtsprechung empfiehlt es sich, in dem Unterschriftsprobenblatt zum Kontoeröffnungsformular klarzustellen, dass bei einer gesellschaftsrechtlichen Gesamtvertretung dem einzelnen Gesamtvertretungsberechtigten eine Einzelvollmacht nur für die mit der Kontoführung unmittelbar zusammenhängenden Geschäfte erteilt wird6. Hierzu zählen insbesondere Verfügungen über die jeweiligen Guthaben, die Inanspruchnahme
6.691
1 2 3 4
Tersteegen, NJW 2007, 1717 (1718). LG Hamburg v. 23.1.1996 – 410 O 46/95, WM 1996, 999 (1002). Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 35 GmbHG Rz. 57; Wicke, § 35 GmbHG Rz. 15. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 121 (Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich). 5 BGH v. 25.11.1985 – II ZR 115/85, WM 1986, 315 (316); Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 88. 6 LG Hamburg v. 23.1.1996 – 410 O 46/95, WM 1996, 999 (1002).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
eingeräumter Kredite einschließlich der Erteilung von Avalaufträgen bei einer bestehenden Avalkreditlinie sowie die Nutzung bestehender Überziehungsmöglichkeiten.
6.692
Der Kunde ist nach Nr. 11 Abs. 1 AGB-Banken gehalten, im Interesse einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Geschäftsverkehrs das Erlöschen oder die Änderung einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht, insbesondere einer Vollmacht, unverzüglich mitzuteilen (dazu Rz. 6.326 f.). Die Pflicht zu dieser Änderungsmitteilung besteht auch, wenn die Vertretungsmacht in ein öffentliches Register, wie beispielsweise in das Handelsregister, eingetragen ist und ihr Erlöschen oder ihre Änderung in diese Register eingetragen wird. Es handelt sich dabei um eine echte Rechtspflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch der Bank begründen kann1.
6.693
Um etwaige Unklarheiten bei der Bestimmung des konkreten Umfangs der Vollmacht auszuschließen, hält die Bank üblicherweise, insbesondere im mengenmäßigen Privatkundengeschäft, Vollmachtsformulare vor, in denen der Kreis der Rechtsgeschäfte, zu deren Vornahme die Vollmacht berechtigt, näher bestimmt wird. Damit unterliegen die Regelungen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Die formularmäßig erteilte Vollmacht darf insbesondere keine überraschende Klausel zum Gegenstand haben (§ 305c BGB) und keine unangemessene Benachteiligung des Vollmachtgebers enthalten (§ 307 BGB). Zulässig ist es, wenn der Bevollmächtigte alle Geschäfte vornehmen darf, die mit der Kontoführung in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Hierzu zählen insbesondere Verfügungen über das jeweilige Kontoguthaben, die Inanspruchnahme eingeräumter Kredite, die Nutzung der Möglichkeit vorübergehender Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen, der An- und Verkauf von Wertpapieren und Devisen sowie die Anerkennung von Rechnungsabschlüssen (Saldoanerkenntnis). In den Vollmachtsformularen der Banken werden diese Geschäfte regelmäßig ausdrücklich angeführt. Die Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. Die generelle Befugnis, Kredite jeder Art aufzunehmen, erscheint dagegen nur angemessen, wenn hierfür ein anerkennenswertes Bedürfnis besteht2. Daneben enthalten die Formulare im Allgemeinen einen Negativkatalog solcher Geschäfte, die von der Vollmacht nicht gedeckt sind. Hierzu zählen insbesondere die Kreditaufnahme und die Sicherheitenbestellung.
6.694
Das Auftreten eines vollmachtlosen Vertreters für den Kontoinhaber im Bankenverkehr kann sich dieser nach den allgemeinen Rechtscheingrundsätzen zurechnen lassen müssen, wenn er das Verhalten des vollmachtlosen Vertreters unbeanstandet lässt. Werden die von einem vollmachtlosen Vertreter getätigten Geschäftsvorfälle buchungsmäßig in dem Kontoinhaber zur Verfügung gestellten Kontoauszügen oder separaten Abrechnungen abgebildet und 1 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 259. 2 OLG Hamm v. 12.3.1991 – 7 U 165/90, WM 1991, 1414; OLG Köln v. 11.7.2001 – 13 U 252/00, WM 2001, 2340 (2341). Demgegenüber OLG Oldenburg v. 7.11.1995 – 5 U 70/95, WM 1996, 997 (999), wonach eine in dem Kontoeröffnungsformular der Ehefrau eingeräumte Vollmacht zur Kreditaufnahme (Girokontovollmacht) in AGBrechtlicher Hinsicht zulässig ist.
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Kontobeziehung
der Kontoinhaber lässt dies unbeanstandet, so kann dies von der Bank als Einverständnis verstanden werden1. b) Vorsorgevollmacht Besondere Probleme in der Bankpraxis können sich im Zusammenhang mit einer anlässlich einer aktuellen oder künftigen Hilfsbedürftigkeit des Kontoinhabers erteilten Vorsorgevollmacht ergeben. Die Vorsorgevollmacht ist ein Instrument privater Vorsorge und ermöglicht dem Vollmachtgeber hinsichtlich seiner persönlichen Bedürfnisse ein hohes Maß an Selbstbestimmung. Sie ist auf den Fall zugeschnitten, dass der Vollmachtgeber nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen. Mit einer Vorsorgevollmacht kann die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen vermieden werden (siehe § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB)2.
6.695
Im Verhältnis zur Bank hat die Vorsorgevollmacht Bedeutung, soweit darin die Vertretung in Vermögensangelegenheiten des Vollmachtgebers geregelt ist. Dabei kann die Vollmacht sowohl als Generalvollmacht wie auch als Spezialvollmacht ausgestaltet sein und die gesamte Geschäftsverbindung oder nur bestimmte Konto- oder Depotbeziehungen zum Gegenstand haben. Die seit März 2005 bestehende Möglichkeit der Registrierung einer Vorsorgevollmacht im zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer3 ist für die Bank nicht von Bedeutung. Denn weder hat die Bank ein Recht auf Auskunft darüber, ob eine Vollmacht registriert ist, noch beweist eine Registrierung die Wirksamkeit der Vollmacht4.
6.696
Eine Vorsorgevollmacht kann aufschiebend bedingt für den Fall einer künftigen Geschäftsunfähigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers erteilt werden (Vorsorgefall). In diesem Fall soll die Vollmacht nur für die Zeit nach Eintritt des Vorsorgefalls rechtswirksam sein5. Eine solche Vollmacht ist für den Rechtsverkehr mit der Bank weitgehend untauglich. Denn die Bank kann nicht verlässlich prüfen, ob und zu welchem Zeitpunkt die Wirksamkeitsvoraussetzung des Vorsorgefalles in der Person des Vollmachtgebers tatsächlich eingetreten ist6. Auch steht kein gerichtlich geregeltes Verfahren zur Verfügung, welches das Bestehen oder Nichtbestehen der Hilfsbedürftigkeit oder Geschäftsfähigkeit ausschließlich feststellt7. Zur Vermeidung der genannten Unsicherheiten werden in der Kautelarpraxis stellenweise besondere
6.697
1 Schramm in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 167 BGB Rz. 90. 2 Schwab in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1896 BGB Rz. 48; Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 22 f. 3 Siehe hierzu die Regelungen der Vorsorgeregister-Verordnung. 4 Zimmermann, BKR 2007, 226; Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 63. 5 Uhlenbruck, ZInsO 2009, 612 (613); Tersteegen, NJW 2007, 1717. 6 Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 39 f. 7 Schwab in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1896 BGB Rz. 52; Bienwald in Staudinger, Neubearb. 2006, § 1896 BGB Rz. 124.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Formen der Erteilung einer Vorsorgevollmacht vorgeschlagen. Danach wird eine notarielle Vollmachtsurkunde erstellt und der Notar von dem Vollmachtgeber zugleich angewiesen, eine Ausfertigung dem Bevollmächtigten erst nach Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die eingetretene Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit zu erteilen1.
6.698
Für den Rechtsverkehr ist eine Vorsorgevollmacht dann uneingeschränkt tauglich, wenn deren Wirksamkeit im Aussenverhältnis nicht von dem Eintritt des Vorsorgefalles abhängig ist. In diesem Fall kann zwar nicht in der Vollmachtsurkunde selbst, jedoch in dem Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem vereinbart werden, dass von der Vollmacht nur bei Eintritt des Vorsorgefalles in der Person des Vollmachtgebers Gebrauch gemacht werden soll2. Sind auf diese Weise im Außenverhältnis zur Bank die Geltung der Vollmacht nicht an den Eintritt des Vorsorgefalls gebunden und die Vertretungsmacht insoweit nicht beschränkt, ist das Vertreterhandeln der Bank gegenüber grundsätzlich wirksam3. Denn die im Außenverhältnis unbedingt erteilte Vollmacht ist sofort ab Ausstellung wirksam. Liegt im Innenverhältnis eine Vollmachtsüberschreitung vor, so muss sich die Bank diese nur bei Evidenz des Missbrauchs der Vollmacht entgegenhalten lassen.
6.699
Eine bloße privatschriftliche Vorsorgevollmacht ist in der Bankpraxis häufig mit Unsicherheiten verbunden. Hintergrund hierfür ist, dass in vielen Fällen eine Vollmacht zur Vorsorge ohne eine fachliche, insbesondere anwaltliche oder notarielle, Beratung abgefasst worden ist und die Bank von der Vollmacht erst nach Eintritt des Vorsorgefalles erfährt. So können Zweifel an der Authentizität der Unterschrift des Vollmachtgebers bestehen. Auch ist oftmals unklar, ob der Vollmachtgeber im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung voll geschäftsfähig war und die Vollmacht im Zeitpunkt der Vornahme eines Rechtsgeschäftes gegenüber der Bank noch wirksam ist4. Die Klärung der vorgenannten Fragen kann im Einzelfall zu erheblichen Abwicklungsverzögerungen führen. Problematisch ist zudem, dass bei Zweifeln bzgl. des konkreten Umfangs der Befugnisse des Bevollmächtigten oder im Falle eines Verdachts eines Vollmachtsmissbrauchs etwaige Klärungen mit dem Vollmachtgeber nicht möglich sind, wenn dieser für eine Rückfrage der Bank auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht zur Verfügung steht.
6.700
Die Banken halten daher regelmäßig eigene Formulare zur Erteilung einer Vorsorgevollmacht vor. Dabei ist zu beachten, dass mit Blick auf § 309 Nr. 13 BGB ein AGB-mäßiger Formularzwang, demzufolge ausschließlich bankinterne Vollmachtsformulare Verwendung finden dürfen, unwirksam wäre5. 1 Vgl. Keim in MünchAnwaltshdb. Erbrecht, 2. Aufl. 2007, § 44 Rz. 10 ff.; kritisch Schwab in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1896 BGB Rz. 52. 2 Jürgens in Jürgens, Betreuungsrecht, § 1901a BGB Rz. 11. 3 Tersteegen, NJW 2007, 1717 (1722). 4 Uhlenbruck, ZInsO 2009, 612 (615); zu den einzelnen Problemkreisen näher Zimmermann, BKR 2007, 226. 5 Zimmermann, BKR 2007, 226 (230); Tersteegen, NJW 2007, 1717 (1718 f.); Uhlenbruck, ZInsO 2009, 612 (615).
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6. Teil
Kontobeziehung
Gleichwohl bieten Vollmachtsvordrucke für die Beteiligten mehr Rechtssicherheit. Denn im Allgemeinen sind darin die im Zusammenhang mit der Konto- und Depotführung wesentlichen Bankgeschäfte im Einzelnen angeführt. Zudem empfiehlt sich, die Vorsorgevollmacht in der Bank in Anwesenheit eines Bankmitarbeiters zu erteilen. Die vorgenannten Unsicherheiten lassen sich auch durch eine notarielle Beurkundung der Vollmacht weitgehend vermeiden. Denn damit wird die Echtheit der Unterschrift bewiesen und es werden etwaige Zweifel an der Geschäftsfähigkeit bei Vollmachtserteilung ausgeräumt1. Im Hinblick auf die Pflichten des Notars nach § 17 Abs. 1 BeurkG, insbesondere die Belehrungspflicht, sowie mit Blick auf die Beratung des Notars über Inhalt und Umfang einer Vorsorgevollmacht ist nicht mit unklaren Regelungen in der Vollmachtsurkunde zu rechnen2. Unabhängig von der konkreten Erteilungsform der Vorsorgevollmacht im Einzelfall hat die Bank grundsätzlich kein Recht zur Zurückweisung. Eine unberechtigte Zurückweisung kann wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung zu einer Schadensersatzpflicht der Bank nach § 280 Abs. 1 BGB führen3.
6.701
c) Vollmacht für den Tod des Kontoinhabers Eine Vollmacht kann auch für die Zeit nach dem Tod des Kontoinhabers erteilt werden. Hierbei sind zwei Formen möglich. Als eine transmortale Vollmacht kann diese bereits zu Lebzeiten des Kontoinhabers wirksam sein und zugleich über dessen Tod hinaus Geltung haben. Der Kontoinhaber kann jedoch auch eine Vollmacht erteilen, die erst nach seinem Tod wirksam werden soll (postmortale Vollmacht). Die Erteilung dieser Vollmachten erfolgt in der Bankpraxis regelmäßig formularmäßig. Die Vollmacht kann auf bestimmte Konten beschränkt werden. Mit einer Vollmacht, die für die Zeit nach dem Tod des Kontoinhabers Geltung hat, kann die Abwicklung des Nachlasses vereinfacht und die sofortige Verfügungsmöglichkeit nach dem Tod des Kontoinhabers, beispielsweise zur finanziellen Absicherung eines überlebenden Ehepartners, ermöglicht werden. Da die Legitimation des Bevollmächtigten bereits bei Erteilung der Vollmacht gegenüber der Bank erfolgt, ist eine weitere zusätzliche Legitimation bei späteren Kontoverfügungen entbehrlich. Demgegenüber muss sich ein der Bank unbekannter Erbe nach dem Tod des Kontoinhabers erstmalig legitimieren und der Bank gemäß Nr. 5 AGB-Banken einen kostenverursachenden Erbschein oder zumindest eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift einer Verfügung von Todes wegen nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift vorlegen (dazu Rz. 6.208 ff.). Dies kann insbesondere bei Beteiligung mehrerer Erben am Nachlass Zeit beanspruchen und sofortigen Verfügungen der Erben entgegenstehen.
1 Tersteegen, NJW 2007, 1717 (1720); Uhlenbruck, ZInsO 2009, 612 (615). 2 Kampermann, Betreuungsrecht und Vorsorgevollmacht in der Bankpraxis, 2. Aufl. 2010, Rz. 36; Uhlenbruck, ZInsO 2009, 612 (615 f.). 3 Uhlenbruck, ZInsO 2009, 612 (616).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.703
Die postmortale Vollmacht steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Kontoinhaber verstirbt1. Der Bevollmächtigte vertritt nicht mehr den verstorbenen Kontoinhaber, sondern nur noch dessen Erben. Diese Vollmacht kann durch Rechtsgeschäft unter Lebenden (§ 167 BGB) ohne Beachtung der erbrechtlichen Formvorschriften erteilt werden2. Der Bevollmächtigte erwirbt keine selbständigen Rechte am Vermögen des Erblassers, sondern nur die Befugnis, darüber nach dem Tode des Kontoinhabers in Vertretung des oder der Erben zu verfügen3. Er kann damit ohne Erbnachweis über Nachlassgegenstände verfügen. Der Bevollmächtigte bedarf zu Kontoverfügungen solange keiner Zustimmung der Erben, als diese nicht die Vollmacht widerrufen haben. Die Bank ist gehalten, die Weisungen des Inhabers einer postmortalen Vollmacht grundsätzlich unverzüglich und vorbehaltlos auszuführen. Bankseitig besteht weder ein Recht noch eine Pflicht, zum Schutz etwaiger Interessen der Erben deren Zustimmung abzuwarten, sich bei diesen durch Rückfragen zu erkundigen oder durch längeres Zuwarten den Widerruf der Vollmacht zu ermöglichen4. Liegen demgegenüber die Voraussetzungen eines Vollmachtsmissbrauchs vor, kann eine Rückfrage- oder Wartepflicht der Bank in Betracht kommen5.
6.704
Für die Ausübung der Vollmacht nach dem Tod des Kontoinhabers sind der Wille und das Interesse des Erben maßgeblich, soweit der Bevollmächtigte im Innenverhältnis nicht an den Willen des Erblassers gebunden ist6. Denn der Erbe ist Herr des Nachlasses, zu dessen Vertrauensperson der Bevollmächtigte nach dem Erbfall geworden ist7.
6.705
Die Vollmacht kann von den Erben widerrufen werden, da sie im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechtsposition des Kontoinhabers eintreten und damit auch Inhaber der Widerrufsrechte des Kontoinhabers und Vollmachtgebers sind8. Ein Widerruf scheidet nur dann aus, wenn die Vollmacht bereits vom Kontoinhaber selbst unwiderruflich erteilt worden ist. Auch Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter können die Vollmacht widerrufen9.
6.706
Ihrem Umfang nach berechtigt eine Kontovollmacht mangels besonderer Regelungen in der Vollmacht weder zu Lebzeiten noch nach dem Tod des Kontoinhabers zu einer Auflösung oder Umschreibung des Kontos auf den Bevollmäch1 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 22. 2 Zur Frage der analogen Anwendbarkeit der Formvorschriften für Verfügungen von Todes wegen vgl. Seif, AcP 200 (2000), 192 ff. 3 Vgl. BGH v. 23.2.1983 – IVa ZR 186/81, WM 1983, 411 (413). 4 BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190 (2191 f.); Muscheler, JZ 2009, 1075 (1076). 5 BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190 (2191). 6 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 277; Schramm in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 32 Rz. 50. 7 BGH v. 24.3.2009 – XI ZR 191/08, WM 2009, 980 (981) für eine transmortale Vollmacht. 8 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 263; van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 23. 9 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 23.
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6. Teil
Kontobeziehung
tigten. Dies gilt nach der Rechtsprechung im Zweifel auch für den Fall, dass die Vollmacht ihrem Wortlaut zufolge ausdrücklich zu „unbeschränkten Verfügungen“ berechtigt, da im Wege der Auslegung anzunehmen ist, dass nach dem Willen des verstorbenen Kontoinhabers nur ein uneingeschränktes Verfügungsrecht über das Kontoguthaben, nicht aber das darüber hinausgehende Recht zu einer Kontoauflösung oder -umschreibung eingeräumt werden sollte1. Anderenfalls könnte der Bevollmächtigte im Wege einer Umschreibung des Kontos auf seinen Namen einen Gläubigerwechsel zum Nachteil der Erben herbeiführen und damit in die kontovertragliche Rechtsposition des Erben gegenüber der Bank eingreifen. Mangels besonderer Regelungen in der Vollmacht darf der Bevollmächtigte daher über das Guthaben, auch in voller Höhe, nicht aber über den betreffenden Kontovertrag verfügen. Dies gilt auch bei einer transmortalen Vollmacht unter Eheleuten2. Die in der Bankpraxis eingesetzten Vollmachtsformulare sehen stellenweise die Berechtigung des Bevollmächtigten zu der Auflösung einzelner Konten und Depots, nicht jedoch der gesamten Kontoverbindung, vor. Eine Vollmacht für den Tod bleibt nach herrschender Meinung von der Bestellung eines Testamentsvollstreckers unberührt3. Bei einer Testamentsvollstreckung verlieren zwar die Erben, die der Bevollmächtigte vertritt, die Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände. Die Verfügungsbefugnis des Bevollmächtigten steht aber nicht im Widerspruch zu der erbrechtlichen Verfügungsbeschränkung der Erben. Denn die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten beruht auf dem Willen des Erblassers und nicht der Erben. Ohnehin bleibt ein Widerruf der Vollmacht jederzeit möglich.
6.707
d) Vollmachtsmissbrauch In der Bankpraxis entsteht häufig die Frage, ob Kontoverfügungen von zeichnungsberechtigten Vertretern des Kontoinhabers ausgeführt werden müssen, obschon dabei die Kontovollmacht durch den Vertreter zu eigennützigen oder jedenfalls abredewidrigen Zwecken missbraucht werden könnte. Die Rechtsprechung hat für den Missbrauch der Vertretungsmacht bestimmte Grundsätze entwickelt4. Bei einem bewussten Zusammenwirken des Vertreters mit dem Geschäftspartner zum Nachteil des Vertretenen gelten §§ 138, 826 BGB. 1 BGH v. 24.3.2009 – XI ZR 191/08, WM 2009, 980 (981 f.); vgl. aber OLG Hamm v. 7.12.1994 – 31 U 100/94, WM 1995, 152 (153) für eine transmortale Vollmacht für ein Gemeinschaftskonto zwischen Eheleuten, die dahin auszulegen sei, dass der überlebende Teil zu seiner Absicherung berechtigt sei, ein Konto, zu welchem er ein Alleinzeichnungsrecht hat, in ein Eigenkonto mit der Folge eines Gläubigeraustausches umzuwandeln. 2 BGH v. 24.3.2009 – XI ZR 191/08, WM 2009, 980 (981 f.); kritisch hierzu Schramm, WuB I C 1.-3.09; aA Muscheler, JZ 2009, 1075 (1076). 3 Merkel, WM 1987, 1001; Schramm in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 32 Rz. 55; vgl. auch Edenhofer in Palandt, Einf v § 2197 BGB Rz. 12; Schramm in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 167 BGB Rz. 85. 4 BGH v. 28.2.1966 – VII ZR 125/65, WM 1966, 491 (492); BGH v. 25.3.1968 – II ZR 208/64, WM 1968, 651 (652); BGH v. 15.12.1975 – II ZR 148/74, WM 1976, 658 (659).
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6.708
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Im Übrigen hat bei einer nach außen unbeschränkten Vollmacht grundsätzlich der Vertretene das Risiko ihres Missbrauchs zu tragen1. Der Bank obliegt danach im Allgemeinen keine besondere Prüfungspflicht, ob und in welchem Umfang der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von seiner nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen2.
6.709
Der Vertretene ist aber gegen einen erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht gegenüber der Bank geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch macht. Der Einwand des Vollmachtsmissbrauchs ist begründet, wenn sich der Bank der Verdacht eines Treueverstoßes des Bevollmächtigten gegenüber dem vertretenen Kontoinhaber geradezu aufgedrängt hat (Evidenzkriterium)3. Notwendig ist dabei eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs4. In einem derartigen Fall trifft die Bank eine Rückfragepflicht, welche jedoch nicht überspannt werden darf. Die Rechtsprechung verlangt eine grobe Fahrlässigkeit der Bank für den Missbrauchseinwand. Denn die Zweifel müssen sich der Bank geradezu aufgedrängt haben5.
6.710
Das Vorliegen evidenter Verdachtsgründe lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. Solche Verdachtsgründe können vorliegen, wenn von einer sicheren Praxis ohne jedweden ersichtlichen Grund plötzlich abgewichen wird oder das Verhalten des Bevollmächtigten fundamental von allem Verkehrsüblichem besonders abweicht6. Sie folgen im Allgemeinen hingegen noch nicht aus einer Vermögensübertragung auf eigene Konten des Bevollmächtigten7 oder aus einer Verwendung der Vermögenswerte für ausschließliche Eigeninteressen des Bevollmächtigten8. Soweit die ausschließliche Eigennützigkeit das alleinige Verdachtsmoment ausmacht, lässt sich eine Evidenz eines Vollmachtsmissbrauchs nicht per se begründen9. Vielmehr müssen hier weitere Umstände hinzutreten, die im Ergebnis im Rahmen einer Einzelfallabwägung zu berücksichtigen sind. Auch ist es einer Bank nach einer nur halbjährigen Kundenbeziehung regelmäßig nicht möglich, ein Kontoführungsverhalten des Kontoinhabers zu bestimmen, um daraus Verdachtsmomente für einen etwaigen Missbrauch einer Kontovollmacht zu schöpfen10. Ohne entsprechende
1 BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190 f.; vgl. hierzu W. Schultz, NJW 1995, 3345 ff. 2 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 257. 3 BGH v. 28.4.1992 – XI ZR 164/91, WM 1992, 1362 (1363). 4 BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190 (2191); BGH v. 29.6.1999 – XI ZR 277/98, WM 1999, 1617 (1618). 5 Vgl. BGH v. 28.4.1992 – XI ZR 164/91, WM 1992, 1362 (1363); BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190 (2191). 6 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 257. 7 BGH v. 24.3.2009 – XI ZR 191/08, WM 2009, 980 (981); BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190 (2191). 8 LG München I v. 23.9.2004 – 32 O 6269/04, BKR 2006, 28 (33) für eine Depotvollmacht. 9 So auch Walz, BKR 2006, 33 (34). 10 LG Berlin v. 27.4.1998 – 11 O 295/97, WM 1998, 2143 (2144).
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Peterek
6. Teil
Besondere Kontoarten
evidente und massive Verdachtsmomente ist die Bank gehalten, die Weisungen des Bevollmächtigten ohne Vorbehalt und unverzüglich auszuführen. Die Bank ist stärker geschützt, wenn die Vertretungsmacht des über das Konto Verfügungsberechtigten grundsätzlich unbeschränkbar ist, wie dies für den Prokuristen, den alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter einer OHG oder KG, den Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG gilt. Sinn und Zweck einer solchen handelsrechtlichen Vertretungsmacht ist es gerade, im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs klare Verhältnisse zu schaffen und dem Geschäftspartner die Nachprüfung des Umfangs der Vertretungsmacht im Einzelfall zu ersparen. Hier ist der Einwand des Missbrauchs nicht schon dann gegeben, wenn der Zeichnungsberechtigte für die Bank ersichtlich weisungswidrig oder unter Überschreitung der ihm im Innenverhältnis gegebenen Befugnisse gehandelt hat. Dagegen greift deren Einwand des Vollmachtmissbrauchs, wenn der Verfügungsberechtigte bewusst zum Nachteil des Kontoinhabers gehandelt hat und dies sich der Bank geradezu aufdrängen musste. Denn diese letztere Fallgestaltung unterscheidet sich in der Praxis nicht wesentlich von dem Fall, dass der Bank Missbrauch und Schädigungsabsicht des Vertreters bekannt gewesen sind1. Einfache Fahrlässigkeit schadet also dem kontoführenden Kreditinstitut im Verkehr mit der kaufmännischen Kundschaft grundsätzlich nicht2.
6.711
Das Risiko, das mit dem Handeln eines Bevollmächtigten im Bankverkehr verbunden ist, kann nicht einseitig der Bank auferlegt werden. Dementsprechend entfällt oder verringert sich der Schutz des Kontoinhabers, der durch die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht besteht, wenn er die gebotene Kontrolle seines Bevollmächtigten unterlässt3. Ein überwiegendes Mitverschulden des Kontoinhabers liegt vor, wenn die Vollmacht nicht sofort widerrufen wird, nachdem ein unredliches Verhalten des Bevollmächtigten bekannt geworden oder zumindest ein dahingehender dringender Verdacht entstanden ist.
6.712
6.713–6.720
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Besondere Kontoarten (Peterek) Die Praxis kennt eine Vielzahl von Kontoarten. Zum einen sind diese dadurch gekennzeichnet, dass auf Kundenseite mehrere Personen/Rechtssubjekte beteiligt sind, beispielsweise weil mehrere Personen Kontoinhaber sind oder weil einem Dritten zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Kontoguthaben zuge1 BGH v. 19.5.1980 – II ZR 241/79, WM 1980, 953 (954). 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 170. 3 Vgl. Heckelmann, JZ 1970, 62.
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6.721
6. Teil
Besondere Kontoarten
evidente und massive Verdachtsmomente ist die Bank gehalten, die Weisungen des Bevollmächtigten ohne Vorbehalt und unverzüglich auszuführen. Die Bank ist stärker geschützt, wenn die Vertretungsmacht des über das Konto Verfügungsberechtigten grundsätzlich unbeschränkbar ist, wie dies für den Prokuristen, den alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter einer OHG oder KG, den Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG gilt. Sinn und Zweck einer solchen handelsrechtlichen Vertretungsmacht ist es gerade, im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs klare Verhältnisse zu schaffen und dem Geschäftspartner die Nachprüfung des Umfangs der Vertretungsmacht im Einzelfall zu ersparen. Hier ist der Einwand des Missbrauchs nicht schon dann gegeben, wenn der Zeichnungsberechtigte für die Bank ersichtlich weisungswidrig oder unter Überschreitung der ihm im Innenverhältnis gegebenen Befugnisse gehandelt hat. Dagegen greift deren Einwand des Vollmachtmissbrauchs, wenn der Verfügungsberechtigte bewusst zum Nachteil des Kontoinhabers gehandelt hat und dies sich der Bank geradezu aufdrängen musste. Denn diese letztere Fallgestaltung unterscheidet sich in der Praxis nicht wesentlich von dem Fall, dass der Bank Missbrauch und Schädigungsabsicht des Vertreters bekannt gewesen sind1. Einfache Fahrlässigkeit schadet also dem kontoführenden Kreditinstitut im Verkehr mit der kaufmännischen Kundschaft grundsätzlich nicht2.
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Das Risiko, das mit dem Handeln eines Bevollmächtigten im Bankverkehr verbunden ist, kann nicht einseitig der Bank auferlegt werden. Dementsprechend entfällt oder verringert sich der Schutz des Kontoinhabers, der durch die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht besteht, wenn er die gebotene Kontrolle seines Bevollmächtigten unterlässt3. Ein überwiegendes Mitverschulden des Kontoinhabers liegt vor, wenn die Vollmacht nicht sofort widerrufen wird, nachdem ein unredliches Verhalten des Bevollmächtigten bekannt geworden oder zumindest ein dahingehender dringender Verdacht entstanden ist.
6.712
6.713–6.720
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Besondere Kontoarten (Peterek) Die Praxis kennt eine Vielzahl von Kontoarten. Zum einen sind diese dadurch gekennzeichnet, dass auf Kundenseite mehrere Personen/Rechtssubjekte beteiligt sind, beispielsweise weil mehrere Personen Kontoinhaber sind oder weil einem Dritten zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Kontoguthaben zuge1 BGH v. 19.5.1980 – II ZR 241/79, WM 1980, 953 (954). 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 170. 3 Vgl. Heckelmann, JZ 1970, 62.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
wendet werden soll. Anderen Kontoarten ist gemeinsam, dass sie nicht für eine beliebige Verwendung, sondern für ganz konkrete Zwecke des Kontoinhabers bestimmt sind. Hier sind vor allem das Treuhandkonto, das Anderkonto und das Sperrkonto zu nennen. Vor diesem Hintergrund werden diese gelegentlich als „Sonderkonto“ bezeichnet. Die bloße Bezeichnung als „Sonderkonto“ lässt jedoch noch nicht auf eine bestimmte Ausgestaltung der Kontobeziehung schließen1. Schließlich ist das Konto pro Diverse anzuführen, welches als ein rein bankinternes Konto eine Sonderstellung einnimmt. Die Rechtsverhältnisse der verschiedenen Kontoarten werfen eine Reihe von Rechtsfragen auf, die nachfolgend im Einzelnen erörtert werden.
I. Gemeinschaftskonto
6.722
Bei der Errichtung eines gemeinsamen Kontos für mehrere Kunden, beispielsweise für Eheleute, bedarf es zusätzlicher Vereinbarungen, um der Bank gegenüber die Verfügungsbefugnis aller Mitkontoinhaber zweifelsfrei zu regeln. So muss bestimmt werden, ob jeder Kontoinhaber allein oder alle nur gemeinsam über das Kontoguthaben verfügen können. Entscheidend ist, dass jeder der Beteiligten nicht nur ein Mitwirkungsrecht, sondern eine echte Gläubigerposition an dem Kontoguthaben innehat. Hiervon abzugrenzen sind daher die verschiedenen Konstellationen, die einem Einzelkonto mit mehreren „Beteiligten“ zugrunde liegen können, wie das Einzelkonto für eine rechtsfähige Personenmehrheit oder die Fälle der Erteilung einer Kontovollmacht2. Denn letztere bezieht sich aus Sicht des Kontobevollmächtigten auf fremdes Vermögen. Ebenso ist von Bedeutung, wer in welchem Umfang für ein debitorisches Konto haftet. Die diesbezüglichen Regelungen sind regelmäßig Bestandteil der betreffenden formularmäßigen Kontoverträge3.
1. Überblick
6.723
In der Bankpraxis werden üblicherweise in der Kontobezeichnung für ein Gemeinschaftskonto zwischen den Namen der Kontoinhaber die Verbindungsworte „und“ sowie „oder“ gesetzt. Damit soll eine im Bankverkehr typisierte Gestaltung des dem Konto zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses bezeichnet werden4. Dieses Vertragsverhältnis soll für beide Formen des Gemeinschaftskontos im Folgenden näher erörtert werden.
6.724
Die Verfügungsbefugnis mehrerer Kontoinhaber als einer Gläubigermehrheit kann grundsätzlich unterschiedlich ausgestaltet sein. Allgemein kommen die in §§ 420 bis 432 BGB geregelten Rechtsformen von Gläubigermehrheiten mit jeweils unterschiedlicher Verfügungsbefugnis in Betracht: Teilgläubigerschaft 1 2 3 4
Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 3 Rz. 41. Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 240. Siehe Musterformulare bei Lwowski in Schimansky/Bunte/Lwowski, Anh. zu § 35. Vgl. OLG Köln v. 22.12.1989 – 19 U 118/89, WM 1990, 1914.
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6. Teil
Besondere Kontoarten
(§ 420 BGB), Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB) sowie Mitgläubigerschaft (§ 432 BGB). Zunächst ist festzustellen, dass für die Bankpraxis eine Teilgläubigerschaft nach § 420 BGB regelmäßig ausscheidet. Da bei der Teilgläubigerschaft die Forderung jedes Gläubigers gegenüber der der anderen Gläubiger rechtlich selbständig ist, bestehen real mehrere (Teil-)Forderungen1. Soweit nicht jeder Gläubiger wie bei der Gesamtgläubigerschaft über die gesamte Forderung allein verfügen kann, ist üblicherweise eine gemeinsame Verfügungsbefugnis gegeben. Sind aber mehrere Kontoinhaber nur zu gemeinschaftlichen Kontoverfügungen befugt, begründet das Kontoguthaben keine teilbare Leistung iS des § 420 BGB. Vielmehr liegt eine im Rechtssinne unteilbare Leistung vor2. Eine Teilgläubigerschaft würde zudem erfordern, dass einzelne Kontogutschriften dem hiervon betroffenen Kontoinhaber als Teilgläubiger jeweils zugeordnet werden. Diese Zuordnung wäre auch bei Verfügungen des Kontoguthabens vorzunehmen, damit jederzeit die genaue Höhe der Teilforderung des betreffenden Kontoinhabers ermittelt werden kann. Die Teilgläubigerschaft ist daher für die Kontoführung nicht praktikabel.
2. Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsberechtigung („Oder“-Konto) a) Rechtsstellung des einzelnen Kontoinhabers Bei einem Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsberechtigung kann auf Grund einer vertraglichen Abrede aller Vertragsparteien jeder Kontoinhaber allein und für sich über das Guthaben verfügen. Jeder der Gläubiger ist selbständig aus eigenem Recht forderungsberechtigt und kann die ganze Leistung fordern3. Da somit mehrere inhaltsgleiche Forderungen der Mitkontoinhaber auf eine Leistung der Bank bestehen, liegt nach herrschender Meinung eine Gesamtgläubigerschaft mit Einzelverfügungsbefugnis iS des § 428 BGB vor4. Die Befugnis eines jeden Kontoinhabers, ohne Mitwirkung des anderen über das Kontoguthaben selbständig zu verfügen, beruht nicht auf einer gegenseitig eingeräumten Ermächtigung, sondern auf einer eigenen Forderungsinhaberschaft5. Die Auszahlung des Guthabens an einen Kontoinhaber hat somit schuldbefreiende Wirkung.
6.725
Mit dem Oder-Konto wird praktisch gesehen dieselbe Rechtswirkung erzeugt, als hätte ein Kontoinhaber Vertretungs- oder Verfügungsmacht über das Konto
6.726
1 2 3 4
Grüneberg in Palandt, Überbl v § 420 BGB Rz. 1. Noack in Staudinger, Neubearb. 2005, § 420 BGB Rz. 16. BGH v. 25.6.2002 – XI ZR 218/01, WM 2002, 1683 (1685). BGH v. 31.3.2009 – XI ZR 288/08, WM 2009, 887 (888); BGH v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, WM 1986, 841 (843); Stöber, Forderungspfändung, Rz. 165; aA K. Schmidt in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 741 BGB Rz. 55 sowie K. Schmidt in FS Nobbe, 2009, S. 187 ff., wonach jedes Gemeinschaftskonto eine Bruchteilsgemeinschaft iS der §§ 741 ff. BGB begründet. 5 BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067 (2068); Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 5 Rz. 16.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
eines anderen1. Die Rechtsfolgen bei dem Oder-Konto gehen jedoch insofern weiter, als diese Form des Gemeinschaftskontos anders als eine jederzeit widerrufbare Vollmacht jedem Kontoinhaber eine vom anderen Kontoinhaber unabhängige Rechtsstellung verschafft2. Die Mitinhaberschaft bleibt von einer Verhinderung und vom Tod eines Mitinhabers unberührt3. Daher ist im Todesfall eine besondere Legitimation des anderen Mitkontoinhabers nicht geboten4.
6.727
Soweit in dem Kontovertrag oder diesem zu Grunde liegenden Geschäftsbedingungen nicht eindeutig geregelt ist, in welcher Weise mehrere Kontoinhaber an dem Kontoguthaben berechtigt sind, ist anhand des Vertragszwecks und der Interessen der typischerweise an dem betreffenden Kontovertrag beteiligten Parteien im Wege der objektiven Auslegung zu bestimmen, ob eine Gesamtgläubigerstellung mit Einzelverfügungsbefugnis gegeben ist. Dafür kann das Interesse der Vertragsparteien an einer zügigen Auszahlung der auf dem betreffenden Konto unterhaltenen Einlage und einer unkomplizierten Abwicklung bei Tod eines Kontoinhabers sprechen. Dieses Interesse ist mit dem Ausfallrisiko abzuwägen, welches der andere Kontoinhaber bzgl. seines Ausgleichsanspruches nach § 430 BGB gegen den Mitkontoinhaber, der über das Guthaben mit Gesamtwirkung verfügt, trägt5. Somit kann auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung die Annahme des auf eine Gesamtgläubigerschaft bezogenen Willens der Parteien gerechtfertigt sein.
6.728
Gegenüber dem Regelfall der Gesamtgläubigerschaft besteht aber insoweit eine wesentliche Abweichung, als die Bank nach Sinn und Zweck der bei einem Oder-Konto bestehenden Einzelverfügungsbefugnisse nicht nach freiem Belieben an einen Kontoinhaber leisten darf, sondern an den Kontoinhaber zu leisten hat, der dies als erster verlangt6. Andernfalls macht sich die Bank wegen Erfüllungsverweigerung schadensersatzpflichtig. Das in § 428 BGB geregelte Wahlrecht des Schuldners besteht nicht. Für das Oder-Konto gilt insoweit das Prioritätsprinzip7. Als Erfüllung der Pflicht zur Auszahlung eines Guthabens zählt dabei auch die gewünschte Auszahlung an einem Geldautomaten, denn jeder Mitkontoinhaber kann über die Art und Weise, wie er über das Kontoguthaben verfügt, frei entscheiden8. Verlangen alle Kontoin-
1 BGH v. 22.1.1991 – XI ZR 111/90, WM 1991, 313 (314); OLG Köln v. 7.10.1998 – 5 U 88/98, WM 1999, 1003. 2 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 16/85, WM 1985, 1059. 3 Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 101. 4 Vgl. BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, WM 1990, 239 (240). 5 BGH v. 31.3.2009 – XI ZR 288/08, WM 2009, 887 (888 f.) für einen als Kontokorrentkonto geführten Bausparvertrag von Eheleuten. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 225; Wagner, ZIP 1985, 849, (855 mwN); das OLG Dresden spricht deshalb von einer modifizierten Gesamtgläubigerschaft, OLG Dresden v. 21.2.2001 – 18 U 1948/00, WM 2001, 1148 (1149). 7 Bydlinski in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 428 BGB Rz. 4; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 225, 228; vgl. auch OLG Celle v. 2.8.1995 – 3 W 65/93, WM 1995, 1871. 8 OLG Düsseldorf v. 4.2.2009 – I-15 U 84/08, WM 2009, 1560 (1561).
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6. Teil
Besondere Kontoarten
haber jedoch gleichzeitig die Leistung, so ist die Bank grundsätzlich gemäß § 428 Satz 1 BGB befugt, nach ihrem Belieben an jeden Kontoinhaber zu leisten1. Im Innenverhältnis sind die Gesamtgläubiger nach § 430 BGB zu gleichen Anteilen berechtigt, soweit nicht anderes bestimmt ist. Dies gilt auch dann, wenn das Guthaben nur aus Mitteln eines der beiden Kontoinhaber stammt2. Zwischen den Kontoinhabern besteht nach dem BGH grundsätzlich eine Ausgleichspflicht, soweit ein Kontoinhaber mehr als die Hälfte des Guthabens verwendet hat3. Denn § 430 BGB ist eine eigenständige Anspruchsgrundlage für den Gesamtgläubiger, der aus einer Leistung des Schuldners weniger als die Hälfte erhalten hat. Auch bei einem Oder-Konto für Eheleute kann für während der ehelichen Lebensgemeinschaft vorgenommene Kontoverfügungen ein Ausgleichsanspruch bestehen4. Ist dabei einem Ehepartner mehr zugeflossen als seinem Anteil entspricht, muss er bei einer gerichtlichen Inanspruchnahme durch den anderen Ehepartner eine Gestaltung des Innenverhältnisses darlegen und beweisen, die eine andere als die vom Gesetz vermutete hälftige Beteiligung oder einen Ausschluss der Ausgleichspflicht ergibt5. Dieser Nachweis soll während einer intakten Ehe in der Regel leichter geführt werden können6.
6.729
b) Widerrufsrechte eines Kontoinhabers Umstritten ist, ob jeder Kontoinhaber auf Grund seiner alleinigen Verfügungsbefugnis die Möglichkeit hat, Weisungen des anderen Kontoinhabers an die kontoführende Bank zu widerrufen, solange ein Widerrufsrecht noch besteht7. Richtig ist, dass die zweite Weisung als ein Widerruf der ersten Weisung zu verstehen ist; somit wird die erste gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht wirksam8. Steht die erste Weisung ausnahmsweise in krassem Widerspruch zu der bisherigen Kon1 Langhein in Staudinger, Neubearb. 2008, § 741 BGB Rz. 87. 2 BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, WM 1990, 239 (240). 3 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 66/91, WM 1993, 1005; weiter BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, WM 1990, 239 ff. für die Frage, ob § 430 BGB auch nach Trennung der Ehegatten anwendbar ist. 4 Langhein in Staudinger, Neubearb. 2008; § 741 BGB Rz. 100; vgl. auch Schulze in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 430 BGB Rz. 2. 5 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 66/91, WM 1993, 1005; siehe weiter Lenkaitis/Messing, ZBB 2007, 364 (365 mwN); Gernhuber, WM 1997, 645 (652 ff.). 6 BGH v. 23.9.1992 – XII ZR 66/91, WM 1993, 1005. 7 Nach LG Hannover v. 20.10.1971 – 1 O 1971, WM 1972, 638 (639) sollen sich dagegen beide Weisungen entsprechend dem Rechtsgedanken des § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenseitig aufheben. Vgl. weiter OLG Celle für den Fall, dass ein Kontoinhaber vor der Auszahlungsanweisung eines anderen Kontoinhabers von seinem Weisungsrecht dergestalt Gebrauch macht, dass wegen des Todes eines der Gesamtgläubiger das Guthaben zunächst bei der Bank verwahrt werden soll (OLG Celle v. 2.8.1995 – 3 W 65/93, WM 1995, 1871). 8 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 226; aA Wagner, WM 1991, 1146 f.; gegen schematische Lösungen und differenzierend Langhein in Staudinger, Neubearb. 2008, § 741 BGB Rz. 96 ff.
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6.730
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
toführung, darf die Bank durch Rückfragen bei dem anderen Kontoinhaber sich um eine Klärung bemühen, sie ist hierzu jedoch nicht verpflichtet1.
6.731
Gegenstand des jedem Kontoinhaber alleine zustehenden Widerrufsrechtes kann auch das alleinige Verfügungsrecht des anderen Kontoinhabers sein. Eine entsprechende Regelung kann das Kontoeröffnungsformular vorsehen. Nach einem Widerruf können nur noch alle Kontoinhaber gemeinschaftlich über das Konto verfügen. Hierdurch wird das Oder-Konto in ein Konto mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis umgewandelt. Ein solches vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht jedes Kontoinhabers kann nach dem BGH grundsätzlich nur auf Grund einer Zustimmung aller Kontoinhaber begründet werden, weil deren Rechtsstellung als Einzelverfügungsberechtigte hierdurch verschlechtert wird2. Auch bedarf es einer Mitwirkung der Bank, wenn das Widerrufsrecht nicht schon im Kontoeröffnungsformular vorgesehen ist. Durch diese Umwandlung wird zugleich das dem Konto zugrunde liegende Vertragsverhältnis zur Bank geändert (§ 311 Abs. 1 BGB)3. Das mit allen Kontoinhabern vereinbarte Recht zum Widerruf der Einzelverfügungsbefugnis ist daher im Ergebnis die vorweg erklärte Zustimmung zu einer Vertragsänderung. Eine entsprechende formularmäßige Klausel begegnet keinen Bedenken, zumal mit der Umwandlung in eine gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis sich das Risiko für alle Kontoinhaber verringert4. c) Formularmäßige Klauseln im Kontovertrag
6.732
In dem Kontoeröffnungsformular kann geregelt werden, dass eine Kontovollmacht nur von allen Kontoinhabern gemeinschaftlich erteilt werden kann. Die Einzelverfügungsbefugnis bei Oder-Konten setzt Vertrauen in die Zuverlässigkeit der anderen Verfügungsberechtigten voraus. Eine Mitwirkung aller Kontoinhaber erscheint daher bei einer Vollmachtserteilung interessengerecht. Dementsprechend kann das Erlöschen einer Vollmacht vorgesehen werden, auch wenn nur ein Kontoinhaber die Vollmacht widerruft.
6.733
Die Kontoinhaber eines Oder-Kontos haften für die Verbindlichkeiten aus dem Gemeinschaftskonto gesamtschuldnerisch. Die betreffende Formularklausel des Kontovertrages stellt ausdrücklich klar, dass die Bank von jedem einzelnen Kontoinhaber die Erfüllung sämtlicher Ansprüche fordern kann (§ 427 BGB), und ist daher auch unter AGB-Gesichtspunkten kontrollfest5. Für 1 LG Hannover v. 20.10.1971 – 1 O 1971, WM 1972, 638 (639). 2 BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067 (2068), siehe hierzu auch Wagner, NJW 1991, 1790; BGH v. 9.11.1992 – II ZR 219/91, WM 1993, 141(143); nach Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 226 steht dieses Umwandlungsrecht jedem Kontoinhaber schon auf Grund seiner Einzelverfügungsmacht zu. 3 BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067 (2068); BGH v. 9.11.1992 – II ZR 219/91, WM 1993, 141(143). 4 Einsele in FS Nobbe, 2009, S. 27 (47); Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 107. 5 Lenkaitis/Messing, ZBB 2007, 364 (368); Hüffer/van Look, Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto, 4. Aufl. 2000, Rz. 150.
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6. Teil
Besondere Kontoarten
das Girokonto ist zudem auf dessen besondere Funktion als Zahlungsverkehrskonto abzustellen. Mit Blick auf die auf einer Kontokorrentabrede beruhende gegenseitige Verrechnung und Saldierung (dazu Rz. 6.610 ff.) ist eine etwaige Aufteilung der Haftung nach der Herkunft der Sollbuchungen grundsätzlich nicht möglich und zumutbar und auch von den Beteiligten nach den Gesamtumständen nicht gewollt1. Eine formularmäßige gegenseitige Bevollmächtigung, in unbegrenzter Höhe Verbindlichkeiten zu Lasten des gemeinschaftlichen Kontos einzugehen, würde für den jeweils anderen Kontoinhaber ein unkalkulierbares Haftungsrisiko begründen. Eine solche Klausel ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB)2. Auch bräuchte der Kontoinhaber mit einer solch weit reichenden Klausel nicht zu rechnen (§ 305c Abs. 1 BGB). Eine Befugnis zu Kreditaufnahmen oder -erweiterungen muss daher im Ergebnis begrenzt sein. Vor diesem Hintergrund enthält das übliche Kontoeröffnungsformular regelmäßig eine Regelung, wonach sich die Haftung nur auf Verbindlichkeiten aus dem Gemeinschaftskonto selbst erstreckt. Hierbei handelt es sich vornehmlich um Entgeltforderungen und etwaige Überziehungskredite, die durch Verfügungen über dieses Konto ohne ausreichendes Guthaben entstanden sind. Kontoüberziehungen sind zudem nur vorübergehend und im banküblichen Rahmen möglich. Die Grenze der von den anderen Kontoinhabern stillschweigend geduldeten Überziehungen liegt nach der Rechtsprechung bei drei Nettomonatsgehältern oder beim dreifachen Monatseinkommen der Kontoinhaber3. Stellenweise wird diese Grenze auch bei 10 % über dem Volumen des eingeräumten Überziehungskredits gesehen4. In dem Kontoeröffnungsformular kann zudem geregelt sein, dass jeder Kontoinhaber berechtigt ist, über die auf dem Gemeinschaftskonto eingeräumten Kredite jeder Art zu verfügen.
6.734
d) Vollstreckung und Insolvenz eines Kontoinhabers Gläubiger eines Kontoinhabers können in dessen Guthabenforderung aus dem Oder-Konto vollstrecken, ohne dass dem anderen Kontoinhaber hiergegen ein Rechtsbehelf zusteht5. So begründet insbesondere der oben angeführte Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis zwischen den Kontoinhabern aus § 430 BGB kein hinderndes Recht iS von § 771 ZPO, da es sich nur um einen schuldrechtlichen Anspruch handelt. Im Unterschied zum Und-Konto braucht der Vollstreckungsgläubiger keinen Titel gegen alle Kontoinhaber6. Diese umfas1 OLG Nürnberg v. 21.3.1990 – 4 U 3979/89, WM 1990, 1370 (1372). 2 BGH v. 22.1.1991 – XI ZR 111/90, WM 1991, 313 (314). 3 OLG Nürnberg v. 21.3.1990 – 4 U 3979/89, WM 1990, 1370 (1372); OLG Köln v. 7.10.1998 – 5 U 88/98, WM 1999, 1003 (1004). 4 OLG Brandenburg v. 14.5.2007 – 3 W 19/07, WM 2007, 2150 (2151); Lwowski in Schimansky/Bunte/Lwowski, Anhang zu § 35 Nr. 3. 5 BGH v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, WM 1985, 344 (345); BGH v. 28.4.1988 – IX ZR 151/ 87, WM 1988, 950 (952); Lenkaitis/Messing, ZBB 2007, 364 (368 ff. mwN); Stöber, Forderungspfändung, Rz. 165. 6 OLG Nürnberg v. 16.1.2002 – 5 W 4355/01, WM 2003, 243; BGH v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, WM 1985, 344 (345); Wagner, WM 1991, 1145 (1148 ff. mwN).
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6.735
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
sende Zugriffsmöglichkeit betrifft nur das Außenverhältnis zwischen Vollstreckungsgläubiger und Bank als Drittschuldnerin. Umstritten ist, ob der Vollstreckungsgläubiger Befriedigung nur unter Beachtung einer im Innenverhältnis geltenden Ausgleichspflicht nach § 430 BGB beanspruchen kann oder ob der Gläubiger die Rechte an der Forderung unbelastet von der Ausgleichspflicht des § 430 BGB erwirbt1.
6.736
Offen ist die Frage, ob der von der Pfändung nicht betroffene Kontoinhaber weiterhin über das Kontoguthaben verfügen kann und die Bank daher zu einer schuldbefreienden Leistung an ihn berechtigt ist, solange der gepfändete Betrag an den Pfandgläubiger noch nicht ausbezahlt worden ist2. Nach herrschender Meinung bleibt die Verfügungsbefugnis des anderen Kontoinhabers von dieser Pfändung unberührt. Da die Bank in Abweichung von § 428 Satz 1 BGB kein Wahlrecht hat, sondern nach dem Prioritätsgrundsatz an den Kontoinhaber zu zahlen hat, der zuerst die Auszahlung verlangt, kommt es richtigerweise entscheidend auf das Auszahlungsverlangen des Vollstreckungsgläubigers an3. Dabei ist wiederum umstritten, ob hierfür ein ausdrückliches Verlangen erforderlich ist4. Nach anderer Ansicht liegt bereits in der Zustellung des Überweisungsbeschlusses ein Zahlungsverlangen des Vollstreckungsgläubigers, dem die Bank nach dem für das Oder-Konto geltenden Prioritätsprinzip nachkommen muss. Anderenfalls besteht das Risiko einer Schadensersatzpflicht wegen Erfüllungsverweigerung5. Dagegen wird die Verfügungsbefugnis der anderen Kontoinhaber noch nicht eingeschränkt, wenn gegen einen Mitinhaber eine Vorpfändung (§ 845 ZPO) ausgebracht wird6.
6.737
Die Insolvenz eines Kontoinhabers lässt die Verfügungsbefugnis des anderen Kontoinhabers unberührt. Die Bank kann daher auch bei Kenntnis von der Insolvenzeröffnung ohne weiteres schuldbefreiend an den nicht in der Insolvenz befindlichen Kontoinhaber zahlen7, soweit dieser vor dem Insolvenzverwalter über das Guthaben verfügt. Der Insolvenzverwalter kann dies nur vermeiden, indem er dem anderen Kontoinhaber zuvorkommt oder die Einzelverfügungsberechtigung rechtzeitig widerruft8. Im Ergebnis kann dies zu einem
1 So OLG Nürnberg v. 16.1.2002 – 5 W 4355/01, WM 2003, 243; Wagner, WM 1991, 1145 (1148); aA OLG Koblenz v. 17.7.1990 – 3 U 15/88, WM 1990, 1532 (1535); Stöber, Forderungspfändung, Rz. 339. 2 Vgl. BGH v. 24.1.1985 – IX ZR 65/84, WM 1985, 344 (345) (Frage offen gelassen). 3 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 242; vgl. auch Bydlinksi in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 428 BGB Rz. 4; aA Hadding/ Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 108, wonach dem anderen Kontoinhaber erst die Auszahlung an den Pfändungsgläubiger entgegengehalten werden kann. 4 Vgl. OLG Dresden v. 21.2.2001 – 18 U 1948/00, WM 2001, 1148 (1149); Stöber, Forderungspfändung, Rz. 339. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 228; Wagner, ZIP 1985, 849 (856). 6 OLG Dresden v. 21.2.2001 – 18 U 1948/00, WM 2001, 1148 (1150); vgl. auch Lwowski in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 35 Rz. 11b. 7 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 16/85, WM 1985, 1059; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 229. 8 Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 2.74.
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Besondere Kontoarten
„Wettlauf“ zwischen den Beteiligten führen1. Geraten beide Inhaber eines Oder-Kontos in Insolvenz, gehört die gesamte Einlagenforderung zu jeder der beiden Insolvenzmassen2. e) Auflösung des Oder-Kontos Für die vertragliche Auflösung des Gemeinschaftskontos ist eine Aufhebungsvereinbarung zwischen sämtlichen Kontoinhabern und der Bank erforderlich. Eine Kündigung der Kontobeziehung zur Bank ist nur durch alle Kontoinhaber zusammen möglich. Die Befugnis eines jeden Kontoinhabers, allein über das Kontoguthaben zu verfügen, folgt aus der Innehabung eines eigenständigen Rückforderungsanspruchs als Gesamtgläubiger. Diese alleinige Verfügungsbefugnis erstreckt sich jedoch nicht auf das dem Konto zugrunde liegende Geschäftsbesorgungsverhältnis zur kontoführenden Bank. Soll dem einzelnen Kontoinhaber ein alleiniges Kündigungsrecht zustehen, so muss ihm daher eine entsprechende Vollmacht eingeräumt werden.
6.738
Für den Todesfall eines Kontoinhabers kann es sich empfehlen, dem überlebenden Kontoinhaber ein solches Kündigungsrecht ohne Mitwirkung der Erben einzuräumen, weil das aus der Gesamtgläubigerschaft resultierende Verfügungsrecht Vertrauen in den anderen Kontoinhaber voraussetzt und nicht ohne weiteres auf die Erben übertragen werden kann.
6.739
3. Konto mit gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung („Und-Konto“) Bei einem Und-Konto handelt es sich um ein Gemeinschaftskonto, bei dem alle Kontoinhaber nur gemeinsam verfügen können. Wesensmerkmale des Und-Kontos sind damit die gemeinsame Vertragspartnerschaft sowie die gemeinschaftliche Verfügungsberechtigung3. Eine entsprechende Abrede wird üblicherweise in dem Kontoeröffnungsformular getroffen.
6.740
a) Rechtsstellung des einzelnen Kontoinhabers Die gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis begründet eine Forderungsgemeinschaft. Der dem Kontoguthaben zugrunde liegende Zahlungsanspruch ist daher als solcher ungeteilt. Geteilt ist lediglich die Rechtszuständigkeit an dem gemeinschaftlichen Gegenstand. Die Rechtsnatur des Und-Kontos kann nach herrschender Meinung nur nach dem zwischen den Kontoinhabern bestehenden Rechtsverhältnis bestimmt werden4. Danach können die Kontoinhaber entweder eine einfache Forderungsgemeinschaft iS einer Bruch-
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Lenkaitis/Messing, ZBB 2007, 364 (369); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 229. BGH v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, WM 1986, 841 (843) zur Konkursordnung. Einsele in FS Nobbe, 2009, S. 27 (31). Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 232; Einsele in FS Nobbe, 2009, S. 27 (32); Stöber, Forderungspfändung, Rz. 165a, 340.
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6.741
6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
teilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB oder eine Gesamthandsgemeinschaft bilden.
6.742
Eine Gesamthandsgemeinschaft liegt nur vor, wenn das Kontoguthaben zu einem Sondervermögen gehört, das den Kontoinhabern zur gesamten Hand zusteht. Zu nennen sind hier die Gesellschaft bürgerlichen Rechts1, die eheliche Gütergemeinschaft, die Miterbengemeinschaft sowie die Miturhebergemeinschaft. Dabei steht es nicht im Belieben der Kontoinhaber und der Bank, ob die Kontoinhaber eine Gesamthandsgläubigerschaft oder eine einfache Forderungsgemeinschaft bilden. Denn für die Gesamthandsgemeinschaften besteht ein numerus clausus. Das bloße Bestehen einer Gesamthand führt jedoch nicht automatisch zu einem Und-Konto, da grundsätzlich auch ein Einzelkonto eines der Beteiligten als Treuhandkonto für die Gesamthand denkbar ist2. Zur vertraglichen Begründung eines entsprechenden Gemeinschaftskontos müssen daher alle gemeinsam und erkennbar das Konto als Mitinhaber und Beteiligte des Gesamthandsverhältnisses eröffnen3.
6.743
Soweit das Kontoguthaben den Kontoinhabern nicht zur gesamten Hand zusteht, bilden die Kontoinhaber im Zweifel eine Bruchteilsgemeinschaft iS des § 741 BGB4. Bei der Bruchteilsgemeinschaft existiert kein vom Vermögen des Teilhabers getrenntes Sondervermögen. An dem gemeinsamen Gegenstand bestehen nur Anteilsrechte der Teilhaber, die zu deren Vermögen gehören5. Diese Bruchteile sind aber nur ideell und nicht real quotenmäßig zu verstehen6. Wenngleich keiner der Kontoinhaber über das Guthaben insgesamt oder teilweise allein verfügen kann, so kann er doch über sein Anteilsrecht verfügen, etwa durch Übertragung seines Anteils auf einen Dritten7.
6.744
Der Bank können die Kontoinhaber nur gemeinsam Weisungen über das Kontoguthaben erteilen, unabhängig davon, ob zwischen ihnen eine Bruchteilsoder Gesamthandsgemeinschaft besteht. Der einzelne Kontoinhaber ist auch nicht berechtigt, die Leistung an alle zu verlangen, weshalb im Ergebnis ein Fall des § 432 Abs. 1 BGB nicht vorliegt8. Lässt die Bank daher bei einem Und1 Da die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach der Rechtsprechung des BGH rechtsfähig und damit kontofähig sein kann (BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, WM 2001, 408 [409 ff.]), kommt auch ein auf die Gesellschaft lautendes Einzel- und Eigenkonto in Betracht, hierzu auch Nobbe, WuB I C 3.-1.10. 2 Lwowski in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 35 Rz. 17; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 5 Rz. 11. 3 Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 112. 4 BGH v. 12.1.1987 – II ZR 99/86, WM 1987, 318; BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067 (2068). 5 Sprau in Palandt, § 747 BGB Rz. 1. 6 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 5 Rz. 12; Sprau in Palandt, § 741 BGB Rz. 7. 7 BGH v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067 (2068); vgl. hierzu Wagner, NJW 1991, 1790 ff. Zu den Rechtsfolgen der Abtretung der Guthabenforderung siehe Einsele in FS Nobbe, 2009, S. 27 (33 ff.). 8 Einsele in FS Nobbe, 2009, S. 27 (32); Bydlinski, in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 432 BGB Rz. 2; Lwowski, in Schimansky/Bunte/Lwoski, § 35 Rz. 17; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 232; OLG Köln v. 22.12.1989 – 19 U 118/89, WM 1990, 1914.
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6. Teil
Besondere Kontoarten
Konto einen Kontoinhaber allein verfügen, so haben die Kontoinhaber einen Anspruch auf Rückgängigmachung der Belastungsbuchung, nicht aber auf Rückzahlung des betreffenden Betrages1. Aus der Sicht der Bank ist es daher im Ergebnis von untergeordneter Bedeutung, ob die Kontoinhaber eine einfache Forderungsgemeinschaft oder eine Gesamthandsgläubigerschaft bilden. Im Innenverhältnis der Kontoinhaber ergibt sich jedoch ein wesentlicher Unterschied. Anders als bei der Gesamthandsgläubigerschaft kann bei der einfachen Forderungsgemeinschaft jeder Kontoinhaber ohne Mitwirkung der anderen über seinen Anteil an der Bruchteilsgemeinschaft verfügen (§ 747 Satz 1 BGB). Für einen Debetsaldo haften die Kontoinhaber als Gesamtschuldner (§ 427 BGB), unabhängig davon, ob zwischen ihnen eine Bruchteilsgemeinschaft oder eine Gesamthandsgemeinschaft besteht. Die Kontoeröffnungsformulare enthalten regelmäßig eine entsprechende Abrede. Für die Verbindlichkeiten einer Erbengemeinschaft und für Gesamtgutsverbindlichkeiten ist die gesamtschuldnerische Haftung bereits kraft Gesetzes angeordnet (§ 2058 BGB bzw. § 1459 Abs. 2 BGB).
6.745
b) Entstehungstatbestände Ein Und-Konto wird durch Abschluss eines entsprechenden Kontovertrages zwischen allen Kontoinhabern und der Bank begründet, in welchem die gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis ausdrücklich geregelt ist. Der Wille der das Konto eröffnenden Personen muss für die Bank erkennbar auf die Stellung als (bloßer) Mitinhaber der Guthabenforderung gerichtet sein.
6.746
Des Weiteren kann ein Und-Konto durch eine Umwandlung eines bestehenden Oder-Kontos entstehen. Dies ist zum einen durch einen hierauf gerichteten Änderungsvertrag zwischen Bank und den Inhabern des Oder-Kontos möglich. In der Bankpraxis wird diese Vertragsänderung regelmäßig durch Ausübung eines in dem Kontovertrag des Oder-Kontos mit allen Kontoinhabern vereinbarten Rechtes zum Widerruf der Einzelverfügungsbefugnis erfolgen (dazu Rz. 6.731).
6.747
Schließlich kann die gemeinsame Verfügungsberechtigung über eine Gemeinschaftskonto auch kraft Gesetzes entstehen. Das praktisch wichtigste Beispiel hierfür ist das Konto einer Einzelperson, die von mehreren Personen beerbt wird. Hier wird das Einzelkonto des verstorbenen Kontoinhabers zwangsläufig zu einem Konto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung aller Erben2. Denn die Bank darf kraft Gesetzes nur noch an alle Erben gemeinschaftlich leisten. Auch dürfen Miterben über die zum Nachlass gehörende Forderung nur gemeinschaftlich verfügen (§ 2040 Abs. 1 BGB).
6.748
1 BGH v. 28.1.1980 – II ZR 39/79, WM 1980, 438; OLG Düsseldorf v. 6.4.2000 – 6 U 124/99, ZIP 2000, 1668 (1669). 2 Einsele in FS Nobbe, 2009, S. 27 (31); Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 5 Rz. 11.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
c) Formularmäßige Klauseln im Kontovertrag
6.749
Üblicherweise wird das Rechtsverhältnis zwischen Bank und den Inhabern eines Und-Kontos mit einem formularmäßigen Kontovertrag vereinbart. Zu dem Inhalt des Kontoeröffnungsformulars zählt insbesondere die Vereinbarung, dass die Kontoinhaber für die Verbindlichkeiten aus dem Gemeinschaftskonto als Gesamtschuldner haften (§ 427 BGB). Anders als bei einem Oder-Konto ist das Risiko einer Haftung eines Mitkontoinhabers für Verbindlichkeiten der anderen Kontoinhaber erheblich gemindert, da die Einräumung und Inanspruchnahme eines Überziehungskredits nur durch gemeinsames Handeln sämtlicher Kontoinhaber erfolgen kann.
6.750
Eine Kontovollmacht kann nur von allen Kontoinhabern gemeinschaftlich erteilt werden. Der Widerruf durch einen Kontoinhaber führt zum Erlöschen dieser Vollmacht. Jeder Kontoinhaber kann aber für seine (Mit-)Verfügungsbefugnisse alleine Vollmacht erteilen. Der so Bevollmächtigte kann nur gemeinsam mit den anderen Kontoinhabern handeln. Regelungsbedürftig ist auch die Übermittlung der Kontoauszüge und der erforderlichen Benachrichtigungen, wie zB bei der Nichtausführung eines Überweisungsauftrages. Es dürfte sich im Übrigen empfehlen, Konto- und Kreditkündigungen sowie die Ankündigung solcher Maßnahmen jedem Kontoinhaber zuzuleiten.
6.751
Für den Fall des Todes eines Kontoinhabers ist formularmäßig typischerweise geregelt, dass dessen Erben als Rechtsnachfolger in die betreffende Rechtsposition rücken. Dabei können mehrere Erben nur gemeinsam und übereinstimmend handeln. Der Bank gegenüber sind somit nur gemeinsame Willenserklärungen von den überlebenden Kontoinhabern und allen Erben des verstorbenen Kontoinhabers wirksam. d) Vollstreckung und Insolvenz eines Kontoinhabers
6.752
Zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in die Guthabenforderung ist sowohl bei einer dem Gemeinschaftskonto zu Grunde liegenden Gesamthand wie auch bei einer Bruchteilsgemeinschaft ein Gesamtschuldtitel gegen alle Kontoinhaber erforderlich (§ 736 ZPO)1. Mit einem Vollstreckungstitel nur gegen den einzelnen Kontoinhaber kann lediglich in dessen Anteil an der Guthabenforderung oder in sein zukünftiges Guthaben bei der Aufhebung der Forderungsgemeinschaft vollstreckt werden. Drittschuldner im vollstreckungsrechtlichen Sinne sind in letzterem Fall die anderen Kontoinhaber und nicht die Bank. Die Bank wird daher allenfalls informell über die Pfändung in Kenntnis gesetzt. Die Pfändung selbst wird dadurch wirksam, dass der Pfändungsbeschluss den anderen Kontoinhabern zugestellt wird (§ 829 Abs. 3 ZPO).
1 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 340; K. Schmidt in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 741 BGB Rz. 36.
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6. Teil
Besondere Kontoarten
II. Konto zu Gunsten Dritter auf den Todesfall In der Beratungspraxis mit Privatkunden besteht kundenseitig häufig der Wunsch, Kontoguthaben einem Dritten zuzuwenden, das betreffende Rechtsgeschäft aber auf das Ableben des zuwendenden Bankkunden zu befristen. In diesem Zusammenhang bieten sich unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten an. Anknüpfungspunkt hierfür ist zunächst die Abgrenzung zwischen einer aufschiebenden Bedingung und einer Befristung mit aufschiebender Wirkung. Die Übergänge befristeter Verträge zu aufschiebend bedingten Rechtsgeschäften sind fließend1. Während bei einer Bedingung auf ein Ereignis abgestellt wird, dessen Eintritt ungewiss ist, kann die Befristung auf ein nur dem Zeitpunkt nach ungewisses Ereignis, wie zB den Tod, abstellen. Wird daher wie bei unentgeltlichen Zuwendungen auf den Todesfall das Rechtsgeschäft auf das Ableben des Bankkunden befristet, so wird es wie bei einer aufschiebenden Bedingung erst mit dessen Ableben wirksam (§§ 158 Abs. 1, 163 BGB). Bei auf das Ableben des Bankkunden befristeten Zuwendungen wird in der Praxis häufig ein Konto zu Gunsten Dritter auf den Todesfall eröffnet.
6.753
1. Wesen und Zweck der Drittbegünstigung Das Rechtsinstitut des Vertrages zu Gunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328, 331 BGB) ist eine Gestaltungsform, mit welcher dem Wunsch des Bankkunden entsprochen werden kann, mit dessen Tod bestimmte Kontoguthaben einem Dritten zuzuwenden, der kein Erbe ist. In vielen Fällen soll nach dem Willen des Kontoinhabers der Begünstigte von der beabsichtigten Zuwendung noch nichts erfahren und daher bei der Vertragsgestaltung nicht mitwirken. Für solche Zuwendungen kommen nicht nur erbrechtliche Verfügungen von Todes wegen, sondern auch bestimmte Rechtsgeschäfte unter Lebenden in Betracht.
6.754
Durch einen Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall kann ohne Einschaltung der für Schenkungen von Todes wegen erforderlichen Form (§ 2301 BGB) einem Dritten ein schuldrechtlicher Anspruch zugewendet werden. Der so begünstigte Dritte erwirbt mit dem Ableben des Bankkunden einen eigenständigen Anspruch gegen die Bank auf Auszahlung des ihm zugewendeten Kontoguthabens2. Dabei ist es für die Wirksamkeit solcher Vertragsgestaltungen unerheblich, dass der Bankkunde bis zu seinem Ableben über die auf seinen Tod zugewendeten Guthaben weiter verfügen kann3. Von der Rechtsprechung werden solche Verträge als wirksame lebzeitige Verfügungen anerkannt4.
6.755
1 2 3 4
Ellenberger in Palandt, § 163 BGB Rz. 1. Koch in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 518 BGB Rz. 20. OLG Celle v. 20.12.1995 – 3 U 275/94, WM 1996, 851 (854). BGH v. 26.11.1975 – IV ZR 138/74, WM 1976, 320 (321).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
2. Rechtsverhältnisse a) Deckungsverhältnis
6.756
Die Zuwendung setzt einen Vertrag gemäß § 328 BGB zwischen Bank (Versprechender) und Kontoinhaber (Versprechensempfänger) voraus (sog. Deckungsverhältnis). Der Kontoinhaber kann die Zuwendung davon abhängig machen, dass ihn der Begünstigte überlebt1. Denn nach der gesetzlichen Regelung kann der Rechtserwerb des Begünstigten von bestimmten Voraussetzungen und damit auch von Bedingungen und Befristungen (§§ 158, 163 BGB) abhängig gemacht werden (vgl. § 328 Abs. 2 BGB)2. Es hängt von der getroffenen Vereinbarung ab, ob das Überleben des Dritten Voraussetzung für den Erwerb ist oder im Falle des Vorversterbens die zugedachten Gegenstände an den Erben des Dritten fallen sollen, soweit kein Ersatzbegünstigter benannt worden ist3.
6.757
So kann insbesondere vereinbart werden, dass der Vertrag im Fall des Vorversterbens des Dritten gegenstandslos wird. Insoweit ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zu den auf den Tod befristeten Schenkungen und Schenkungsversprechen, die zu den dem Erbrecht unterworfenen Verfügungen von Todes wegen zählen, wenn sie mit einer Überlebensbedingung verknüpft werden (vgl. § 2301 BGB). Der Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall bleibt dagegen auch mit einer solchen Überlebensbedingung ein Rechtsgeschäft unter Lebenden und unterliegt daher grundsätzlich nicht dem Erbrecht, sondern dem Schuldrecht4. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung ist der Vertrag auszulegen oder aus den Umständen, insbesondere aus dem Zweck des Vertrages (§ 328 Abs. 2 BGB) zu entnehmen, ob der Versprechende an den Versprechensempfänger zu leisten hat, falls kein Dritter benannt wird, oder ob an die Stelle des verstorbenen Dritten dessen Erbe tritt. Für die Auslegung der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung sind §§ 133, 157 BGB maßgebend, die besonderen erbrechtlichen Auslegungsregeln sind dagegen auch nicht entsprechend anwendbar5. Im Zweifel steht das Leistungsrecht dem Versprechensempfänger oder dessen Nachlass zu, wenn kein anderer Begünstigter (Ersatzbegünstigter) benannt worden ist6. b) Rechtsstellung des begünstigten Dritten
6.758
Bei einem Konto zu Gunsten Dritter auf den Todesfall verbleibt die Guthabenforderung in dem Vermögen des Kontoinhabers7. Der Begünstigte hat zu Lebzeiten des Bankkunden überhaupt keine Rechtsposition, auch nicht eine 1 BGH v. 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, WM 1983, 1355 (1356). 2 Jagmann in Staudinger, Neubearb. 2004, § 328 BGB Rz. 68. 3 BGH v. 12.5.1993 – IV ZR 227/92, WM 1993, 1276; BGH v. 30.10.1974 – IV ZR 172/ 173, WM 1975, 115 ff.; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 29 Rz. 28. 4 BGH v. 26.11.2003 – IV ZR 438/02, WM 2004, 271 (272); BGH v. 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, WM 1983, 1355 (1356); Gottwald in MünchKomm. BGB, 2007, § 331 BGB Rz. 4; siehe auch Musielak in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, § 2301 BGB Rz. 36 f. 5 Jagmann in Staudinger, Neubearb. 2004, § 331 BGB Rz. 12. 6 BGH v. 12.5.1993 – IV ZR 227/92, WM 1993, 1276. 7 Jagmann in Staudinger, Neubearb. 2004, § 331 BGB Rz. 7.
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6. Teil
Besondere Kontoarten
betagte oder aufschiebend bedingte Forderung gegen die Bank oder den Kontoinhaber, sondern nur eine Hoffnung oder Aussicht auf einen künftigen Rechtserwerb mit dem Tod des Kontoinhabers1. Der Erwerb des Rechts aus dem Kontoguthaben durch den Begünstigten erfolgt erst später im Zeitpunkt des Todes des Kontoinhabers, § 331 BGB. Der begünstigte Dritte hat die Möglichkeit, das Recht gemäß § 333 BGB zurückzuweisen, denn er ist am Erwerbstatbestand nicht beteiligt2. Der Rechtserwerb vollzieht sich von selbst und ohne weiteres Zutun der Beteiligten3. Dabei erwirbt der Begünstigte die Forderung so, wie diese der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes innehatte. Noch nicht fällige, sondern betagte Forderungen, beispielsweise aus einem Sparbrief mit einer festen Laufzeit, werden daher durch den Forderungsübergang nicht sofort fällig4. Da sich die Zuwendung außerhalb des Nachlasses vollzieht, bedarf es für die spätere Auszahlung nicht der Mitwirkung der Erben.
6.759
Der Begünstigte hat nach Ableben des Bankkunden einen Anspruch gegen die Bank auf Auskunft über das zugewendete Kontoguthaben5. Gegenstand einer Schenkung können alle Rechte aus einem Bankkonto einschließlich die Inhaberschaft an dem Konto sein, weshalb bei einer entsprechend umfänglichen Übertragung auf den Dritten ein bestehendes Kontokorrentverhältnis bei Tod des Erblassers nicht mit den Erben, sondern mit dem Drittbegünstigten fortgesetzt wird6. Der Begünstigte kann daher sämtliche Rechte aus dem Girovertrag gegen die Bank geltend machen.
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c) Valutaverhältnis Die rechtliche Problematik des Kontos zu Gunsten Dritter auf den Todesfall liegt in dem Verhältnis zwischen Begünstigtem und Kontoinhaber sowie dessen Erben, dem sog. Valutaverhältnis. Hier stellt sich die Frage, ob die Erben von dem Begünstigten die Herausgabe des bei Tod des Kontoinhabers erworbenen Kontoguthabens nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen verlangen und die von dem Kontoinhaber beabsichtigte unentgeltliche Zuwendung letztlich noch vereiteln können. Dies hängt davon ab, ob der begünstigte Dritte einen Rechtsgrund für die unentgeltliche Zuwendung des Guthabens und damit für das endgültige Behalten hat, der einen Bereicherungsanspruch der Erben ausschließt7. 1 LG Oldenburg v. 20.4.2000 – 10 O 3565/99, WM 2000, 2047 (2049); Jagmann in Staudinger, Neubearb. 2004, § 331 BGB Rz. 6; Gottwald in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 331 BGB Rz. 1. 2 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 26. 3 BGH v. 30.10.1974 – IV ZR 172/73, WM 1975, 115 ff. 4 OLG Köln v. 29.3.1996 – 19 U 163/95, WM 1996, 1365. 5 Vgl. OLG Zweibrücken v. 7.10.1997 – 5 U 27/96, WM 1998, 1776. 6 OLG Hamm v. 6.5.1998 – 31 U 12/98, WM 1998, 2236 (2238). 7 Gottwald in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 331 BGB Rz. 6; Koch in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 518 BGB Rz. 21; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 275.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.762
Der Rechtserwerb ist daher erst bei einem wirksamen Valutaverhältnis gesichert. Die Wirksamkeit des Valutaverhältnisses ist hingegen für den Anspruch des Dritten gegen die Bank nicht maßgeblich. Denn dieser gründet sich allein auf die Wirksamkeit des Deckungsverhältnisses in Gestalt eines wirksamen Vertrages zu Gunsten Dritter. Bei einem Streit zwischen den Erben des Begünstigten und dem Dritten über dessen Wirksamkeit kann für die Bank eine Hinterlegung des Kontoguthabens in Betracht kommen (§ 372 Satz 2 BGB).
6.763
Da ein Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall nicht nach Erbrecht, sondern nach Schuldrecht zu beurteilen ist1, kommt bei unentgeltlichen Zuwendungen generell nur eine Schenkung als Rechtsgrund für das Behaltendürfen in Betracht2. Es bedarf daher einer Einigung des Begünstigten mit dem Schenker über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung gemäß § 516 BGB. Dabei schadet es nicht, wenn diese Einigung erst nach dem Tode des Schenkers zu Stande kommt (§§ 130, 153 BGB)3. Die Form des § 518 Abs. 1 BGB ist unbeachtlich, da bereits wegen des Erwerbs des Leistungsanspruches gegen die Bank bei Tod des Kontoinhabers (§ 331 Abs. 1 BGB) eine Heilung durch Schenkungsvollzug eingetreten und daher ein Vollzug durch den Erblasser nicht erforderlich ist4. Neben einer Schenkung sind auch andere Rechtsgeschäfte unter Lebenden im Valutaverhältnis möglich, wie beispielsweise eine ehebedingte Zuwendung5.
6.764
Unproblematisch liegt die für eine unentgeltliche Zuwendung erforderliche Schenkungsabrede vor, wenn sich der Bankkunde noch zu seinen Lebzeiten mit dem Begünstigten über die spätere unentgeltliche Zuwendung einigt. Hier erfolgen Zugang und Annahme des Schenkungsangebotes noch zu Lebzeiten des Zuwendenden; ein Widerruf des Angebotes durch die Erben und damit die Vereitelung der Bereicherungsfestigkeit scheiden hier aus6. Nicht selten soll aber nach dem Wunsch des Kontoinhabers vermieden werden, die erst für das Ableben gewollte Zuwendung schon zu Lebzeiten mit dem Begünstigten zu besprechen. Vielmehr sollen allein durch entsprechende Absprachen mit der kontoführenden Bank alle notwendigen Vorkehrungen für eine von den Erben unangreifbare Zuwendung getroffen werden. In Betracht kommen hierfür die beiden nachfolgend dargestellten Gestaltungsmöglichkeiten eines auf das Schenkungsangebot bezogenen Widerrufsverzichts, der mit einem postmortalen Übermittlungsauftrag verknüpft wird (Rz. 6.765 ff.) sowie die Verpflichtung des Kontoinhabers, die Ausübung seines Widerrufsrechts zu unterlassen (Rz. 6.768 ff.). 1 BGH v. 26.11.2003 – IV ZR 438/02, WM 2004, 271 (272); BGH v. 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, WM 1983, 1355 (1356). 2 BGH v. 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, WM 1983, 1355 (1356). 3 OLG Zweibrücken v. 7.10.1997 – 5 U 27/96, WM 1998, 1776 (1777); Gottwald in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 331 BGB Rz. 9; van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 26. 4 Kanzleiter in Staudinger, Neubearb. 2004, § 331 BGB Rz. 20; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 29 Rz. 24; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 274; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 6 Rz. 14. 5 BGH v. 26.11.2003 – IV ZR 438/02, WM 2004, 271 (272). 6 OLG Köln v. 31.5.1995 – 2 U 181/94, WM 1995, 1954 (1955); OLG Hamm v. 6.5.98 – 31 U 12/98, WM 1998, 2236 (2238).
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6. Teil
Besondere Kontoarten
aa) Widerrufsverzicht und postmortaler Übermittlungsauftrag Die Kontovereinbarung mit der Bank kann vorsehen, dass die darin integrierte Schenkungsofferte nicht mehr widerrufbar ist1. Die Bank wird zugleich damit beauftragt, diese Offerte nach dem Ableben des Bankkunden an den Begünstigten zur Annahme weiterzuleiten (postmortaler Übermittlungsauftrag). Damit ist das Schenkungsangebot als ausdrücklicher Inhalt des Kontoeröffnungsformulars zwar schon abgegeben, aber dem Begünstigten als Adressaten ist dieses noch nicht zugegangen. Das Schenkungsangebot wird erst mit dem Zugang bei dem Adressaten wirksam. Mit dieser Vertragsgestaltung soll sichergestellt werden, dass die Schenkungsabrede nach dem Ableben des Bankkunden tatsächlich zu Stande kommen kann, ohne dass die Erben durch einen Widerruf des Schenkungsangebotes die Realisierung des Zuwendungswillens des dann verstorbenen Bankkunden vereiteln können2. Anderenfalls bestünde die Gefahr eines Wettlaufs mit den Erben. Zu diesem Zweck verzichtet der Bankkunde auf sein Recht zum Widerruf der Schenkungsofferte. Da die betreffenden Kontoformulare im Besitz der Bank verbleiben, hat die darin enthaltene Verzichtserklärung als eine einseitige Willenserklärung die Einflusssphäre des Bankkunden verlassen, so dass die gewollte Bindung an den Widerrufsverzicht eingetreten ist3. In diese Bindung treten die Erben nach dem Grundsatz der Universalsukzession ein (§ 1922 BGB)4.
6.765
Hintergrund dieser Gestaltung ist, dass § 130 Abs. 1 BGB nach allgemeiner Meinung kein zwingendes Recht darstellt5. Mit einem Widerrufsverzicht wird § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB abbedungen, der den Widerruf einer zugangsbedürftigen Willenserklärung bis zu ihrem Zugang gestattet. Bei einem Widerrufsverzicht verbleibt es aber bei dem Zugangserfordernis für das Wirksamwerden des Schenkungsangebotes gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieses Wirksamwerden kann nur nicht mehr durch einen Widerruf vereitelt werden, weil das hierfür benötigte Widerrufsrecht durch Verzicht erloschen ist.
6.766
Soweit der Verzicht formularmäßig erklärt wird, ist dieser im Ergebnis nicht unangemessen iS des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn dieser Verzicht erfolgt in erster Linie nicht zu Gunsten der Bank als AGB-Verwenderin, sondern des Bankkunden, damit die von ihm beabsichtigte unentgeltliche Zuwendung durch die Erben nicht angegriffen werden kann. Dies entspricht dem rechtsgeschäftlichen Willen des Bankkunden.
6.767
1 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 269. 2 BGH v. 14.7.1976 – IV ZR 123/75, WM 1976, 1130 (1132); vgl. auch OLG Celle v. 20.12.1995 – 3 U 275/94, WM 1996, 851 (854); OLG Hamm v. 7.2.1996 – 31 U 172/95, WM 1996, 1362 (1363); LG Oldenburg v. 20.4.2000 – 10 O 3565/99, WM 2000, 2047 (2049); Kümpel, WM 1977, 1186 (1193). 3 Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 29 Rz. 28. 4 BGH v. 14.7.1976 – IV ZR 123/75, WM 1976, 1130 (1132); Kümpel, WM 1977, 1186 (1193). 5 Ellenberger in Palandt, § 130 BGB Rz. 19.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
bb) Verpflichtung zur Nichtausübung des Widerrufsrechts
6.768
Die Unwiderruflichkeit der Schenkungsofferte kann auch durch eine Verpflichtung des Bankkunden zur Nichtausübung seines Widerrufsrechts sichergestellt werden1. Gegenstand einer vertraglich begründeten Leistungspflicht kann auch ein Unterlassen sein (§ 241 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei dieser Vertragskonstruktion bleibt das Widerrufsrecht im Unterschied zu dem vorgenannten praxisüblichen Widerrufsverzicht bis zum Zugang der Schenkungsofferte bei dem Begünstigten bestehen.
6.769
Die Verpflichtung zur Nichtausübung des Widerrufsrechts kann dadurch begründet werden, dass der Begünstigte sich in einem Vertrag mit dem Bankkunden mit der Verpflichtung des Bankkunden, den Widerruf zu unterlassen, einverstanden erklärt. Es ist auch möglich, dass dem Begünstigten durch Vertrag zwischen Bankkunden und Bank zu seinen Gunsten ein Anspruch auf Unterlassen des Widerrufs zugewendet wird2. Bei der letzteren Alternative würde der Vertrag zu Gunsten Dritter zwecks Verschaffung zweier verschiedenartiger Ansprüche eingesetzt werden: zum einen für die Zuwendung des Anspruchs aus dem Kontoguthaben und zum anderen zwecks Verschaffung eines eigenständigen Anspruchs des Begünstigten – gegen die Erben des Kontoinhabers – auf Unterlassen des Widerrufs des Schenkungsangebotes.
6.770
Bei dieser Vertragsgestaltung würde mit dem Kontoeröffnungsformular dokumentiert werden, dass sich der Kontoinhaber in dem zugrunde liegenden Vertrag mit seiner Bank zu Gunsten des Begünstigten auch verpflichtet hat, den Widerruf der von ihm erklärten Schenkungsofferte zu unterlassen. Die Erben würden sodann in diese gegenüber dem Begünstigten bestehende Unterlassenspflicht nach dem Grundsatz der Universalsukzession eintreten. Widerruft später der Erbe, auf den diese Verpflichtung zur Nichtausübung des Widerrufsrechts übergegangen ist, so macht er sich die nunmehr von ihm geschuldete Leistung (Unterlassen des Widerrufs) vorsätzlich unmöglich. Der Erbe haftet sodann auf Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280, 283 BGB) und hat dem Begünstigten den durch die Nichterfüllung entstandenen Schaden zu ersetzen3. 1 Kümpel, WM 1993, 825 (829); Muscheler, WM 1994, 921 (937); aA Fuchs, AcP 196 (1996), 313 (389). 2 Wie jeder Vertrag zu Gunsten Dritter bedarf auch dieser eines Rechtsgrundes (causa) im Valutaverhältnis zwischen Versprechensempfänger (hier die Bank) und begünstigtem Dritten. Die Bank kann hierzu die Schenkungscausa für diesen Unterlassungsanspruch – auch für diesen Anspruch ist eine unentgeltliche Zuwendung gewollt – problemlos noch nach dem Tod des Erblassers zu Stande bringen, ohne dass der Erbenwiderruf etwas zu bewirken vermag, oder aber auf die Geltendmachung ihres bereicherungsrechtlichen Rückforderungsrechts verzichten (Muscheler, WM 1994, 921 [937 f.]). 3 Das OLG Celle (v. 22.12.1992 – 22 U 298/91, WM 1993, 591 [593]) verneint diese Schadensersatzpflicht, weil der Bankkunde den „Erlass“ dieser Verpflichtung zur Nichtausübung seines Widerrufsrechts nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen von der Bank hätte verlangen können und daher sein Widerruf kein rechtswidriges Handeln darstellen kann. Hierbei wird jedoch übersehen, dass auch die Bank ein anerkennenswertes Eigeninteresse an dem Unterlassen des Widerrufs hat (Kümpel, WM 1993, 825 [828]).
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Besondere Kontoarten
Nach dem schadensersatzrechtlichen Grundsatz der Naturalrestitution muss der Schädiger (Erbe) den gleichen wirtschaftlichen Zustand herstellen, der ohne das schädigende Ereignis (Widerruf der Schenkungsofferte) bestehen würde (§ 249 BGB)1. Hätten jedoch die Erben entsprechend ihrer vom Erblasser übernommenen Verpflichtung die Schenkungsofferte nicht widerrufen, so hätte diese vom Begünstigten noch angenommen und damit das Entstehen eines bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs der Erben vermieden werden können. Die Erben müssten daher den Begünstigten so stellen, wie er gestanden hätte, wenn sie die Schenkungsofferte nicht widerrufen und damit ihre geschuldete Leistung vertragsgetreu erbracht hätten. Sodann hätte der Begünstigte das Entstehen eines bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs der Erben durch Annahme der (nicht widerrufenen) Schenkungsofferte vermeiden können. Es wäre daher dasselbe Ergebnis erreicht worden wie bei dem in dem Kontoeröffnungsformular üblicherweise vorgesehenen Verzicht auf das Widerrufsrecht.
6.771
III. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten einer Zuwendung von Kontoguthaben Neben dem Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall kommen als weitere Möglichkeiten einer Zuwendung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden eine Handschenkung (§ 516 BGB) und ein Schenkungsversprechen (§ 518 BGB) in Betracht.
6.772
1. Grundsätze Auf den Todesfall befristete Schenkungen unter Lebenden sind in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen den erbrechtlichen Verfügungen stark angenähert. In beiden Fällen soll der Rechtserwerb unentgeltlich und erst mit dem Ableben des Schenkers und Erblassers erfolgen. Dennoch sind beide rechtsgeschäftliche Gestaltungsmöglichkeiten rechtlich streng auseinander zu halten. Sie unterliegen unterschiedlichen Regelungen, insbesondere unterschiedlichen Formerfordernissen. Erfolgt die Zuwendung eines bestimmten Kontoguthabens durch ein erbrechtliches Vermächtnis, fällt dieses Guthaben zunächst in den Nachlass und kann daher den Pflichtteilsberechtigten und Nachlassgläubigern zugute kommen. Eine auf den Tod befristete Schenkung unter Lebenden vollzieht sich demgegenüber außerhalb des Nachlasses.
6.773
Eine Handschenkung liegt vor, wenn der Vermögensgegenstand dem Beschenkten ohne ein vorhergehendes Schenkungsversprechen verschafft werden soll2. Bei Kontoguthaben erfolgt dies durch Abtretung des zugrunde liegenden Forderungsrechts des Bankkunden, wobei diese Abtretung auf das Ableben des Kontoinhabers befristet wird. Im Übrigen ist eine Einigung über den
6.774
1 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 249 BGB Rz. 2. 2 Weidenkaff in Palandt, § 518 BGB Rz. 4.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Schenkungszweck als Rechtsgrund (causa) der Zuwendung erforderlich (§ 516 Abs. 1 BGB). Bei der formfreien Handschenkung liegt diese causa regelmäßig zugleich im Rechtsgeschäft, durch das der Vermögensgegenstand auf den Beschenkten übergeht1.
6.775
Das Schenkungsversprechen (§ 518 BGB) ist demgegenüber ein einseitig verpflichtender Vertrag, durch den der Schenker einem anderen eine Leistung wie die Zuwendung eines bestimmten Kontoguthabens verspricht, die unentgeltlich erfolgen soll. Dabei ist die Einigung über den Schenkungszweck als Rechtsgrund der Zuwendung auch bei dem Schenkungsversprechen erforderlich2. Dieser Vertrag kommt zu Stande, indem der Beschenkte das Versprechen des Schenkers annimmt. Die Versprechenserklärung des Schenkers bedarf zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB), während die zum Vertragsschluss erforderliche Annahmeerklärung des Beschenkten grundsätzlich formlos erklärt werden kann3.
6.776
Durch das formwirksame Schenkungsversprechen wird das Recht des Beschenkten begründet, die versprochene Leistung zu fordern. Wird daher das formwirksam versprochene Kontoguthaben später von den Erben an den Beschenkten abgetreten, liegt hierin die Erfüllung der mit dem wirksamen Schenkungsversprechen begründeten Leistungspflicht. Soll dagegen das Kontoguthaben ohne vorhergehendes Schenkungsversprechen im Wege einer Handschenkung unentgeltlich zugewendet werden, ist die Abtretung des betreffenden Auszahlungsanspruchs keine Erfüllung einer Leistungspflicht, sondern die eigentliche Zuwendung und damit der Schenkungstatbestand.
6.777
Ist die Versprechenserklärung des Schenkers wegen der fehlenden notariellen Beurkundung unwirksam, so kann der Mangel der Form durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt werden (§ 518 Abs. 2 BGB). Umstritten ist, ob für diese Heilung des Formmangels der Leistungserfolg erforderlich ist4 oder ob eine Bewirkung der Leistung bereits mit Vornahme der notwendigen Leistungshandlungen eintritt5. Nach der Rechtsprechung genügt es, wenn der Schenker als Leistungsschuldner alles getan hat, was er für den Vollzug seines Schenkungsversprechens tun musste. Ist ein bestimmtes Kontoguthaben versprochen, so genügt für die Heilung des Formmangels, wenn die dem Kontoguthaben zugrunde liegende Forderung aufschiebend bedingt abgetreten worden ist6.
1 Weidenkaff in Palandt, § 518 BGB Rz. 4. 2 BGH v. 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, WM 1983, 1355 (1356). 3 Koch in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 518 BGB Rz. 4. Bedarf ausnahmsweise nicht nur die Willenserklärung des Versprechenden, sondern auch die des Beschenkten und damit der ganze Vertrag einer bestimmten Form (zB nach §§ 311b Abs. 1, 2033 BGB), muss die Form auch für die Annahmeerklärung des Beschenkten gewahrt werden, Weidenkaff in Palandt, § 518 BGB Rz. 7. 4 Koch in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 518 BGB Rz. 11 ff. 5 Wimmer-Leonhardt in Staudinger, Neubearb. 2005, § 518 BGB Rz. 21; Weidenkaff in Palandt, § 518 BGB Rz. 9. 6 BGH v. 10.5.1989 – IVa ZR 66/88, WM 1989, 1344 (1345).
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Besondere Kontoarten
Zudem bestehen Möglichkeiten eines postmortalen Vollzuges durch die Erben oder durch ermächtigte oder beauftragte Hilfspersonen des Schenkers. So kann die Zuwendung auf Grund einer über den Tod hinauswirkenden Vollmacht von einem Vertreter bewirkt werden1. Auch ist die Einschaltung eines Erklärungsboten denkbar, der das Schenkungsangebot des Schenkers übermittelt2. Des Weiteren kann der Beschenkte die Leistung an sich mit Hilfe einer Bankvollmacht des Schenkers unter Befreiung des Verbots des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) nach dessen Tode selbst bewirken. Diese Möglichkeiten einer Heilung eines formnichtigen Schenkungsversprechens setzen voraus, dass die zunächst unwirksame Einigung über die versprochene Schenkung bei der späteren Bewirkung der Leistung noch fortbestand, also nicht von den Erben widerrufen war3.
6.778
2. Verknüpfung mit einer Überlebensbedingung Die Zuwendung eines Kontoguthabens durch eine Handschenkung oder ein Schenkungsversprechen unter Lebenden entspricht in vielen Fällen nicht dem Wunsch des Bankkunden. Im Regelfall soll die unentgeltliche Zuwendung des Kontoguthabens an die Bedingung geknüpft werden, dass der Bedachte den Bankkunden überlebt. Wird jedoch eine solche Überlebensbedingung vereinbart, so liegt keine Schenkung unter Lebenden, sondern eine Schenkung von Todes wegen vor (vgl. § 2301 Abs. 1 BGB ausdrücklich für das Schenkungsversprechen)4. Erforderlich ist nicht nur das Ableben des Schenkers (Erblasser), sondern auch sein Vorversterben5.
6.779
Problematisch ist daher die eindeutige Abgrenzung, ob die Zuwendung eines Kontoguthabens als Rechtsgeschäft unter Lebenden oder als Rechtsgeschäft von Todes wegen in Form einer auf den Erbfall befristeten Schenkung von Todes wegen oder eines entsprechend befristeten Schenkungsversprechens zu qualifizieren ist. Dies ist insbesondere für die Bestimmung der unterschiedlichen Formanforderungen und deren Heilungsmöglichkeiten relevant. Auf Schenkungen oder Schenkungsversprechen von Todes wegen finden die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen, insbesondere deren Formvorschriften, Anwendung (§ 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nur in Fällen, in denen der Schenker die Schenkung durch Leistung des zugewendeten Gegenstandes vollzieht, sind die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden anwendbar (§ 2301 Abs. 2 BGB).
6.780
1 BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, WM 1994, 2190 (2191); BGH v. 12.11.1986 – IVa ZR 77/85, WM 1987, 139 (140); vgl. hierzu Leipold, JZ 1987, 362 ff.; BGH v. 18.5.1988 – IVa ZR 36/87, WM 1988, 984 (985); Musielak in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, § 2301 BGB Rz. 28. 2 Koch in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 518 BGB Rz. 17. 3 BGH v. 12.11.1986 – IVa ZR 77/85, WM 1987, 139 (140); Koch in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 518 BGB Rz. 18. 4 Edenhofer in Palandt, § 2301 BGB Rz. 3; Musielak in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, § 2301 BGB Rz. 9; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 6 Rz. 11; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 270. 5 Vgl. Kanzleiter in Staudinger, Neubearb. 2006, § 2301 BGB Rz. 10 ff.
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6. Teil
6.781
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Für ein auf den Tod befristetes Schenkungsversprechen unter Lebenden iS des § 518 Abs. 1 BGB bewirkt der Tod des Schenkers keine prinzipielle Zäsur1. Denn die versprochene Leistung kann auch noch durch Leistung nach dem Tode des Versprechenden eintreten und beispielweise im Falle eines formungültigen Schenkungsversprechens von den Erben des Versprechenden mit heilender Wirkung bewirkt werden. Auch insoweit rücken die Erben durch die Universalsukzession in die Rechtsposition des Erblassers ein. Demgegenüber sind bei einem Schenkungsversprechen von Todes wegen die Regeln des Schenkungsversprechens unter Lebenden mit ihrer zeitlich längeren Heilungsmöglichkeit überhaupt nur anwendbar, wenn der Vollzug des Versprechens noch durch den Schenker und damit grundsätzlich vor seinem Ableben erfolgt. Die Leistung nach dem Tode führt in keinem Fall mehr zur Heilung, weil das Schenkungsversprechen von Todes wegen dann bereits den Vorschriften des Erbrechts untersteht2. Aus der Sicht des Beschenkten ergibt sich demzufolge mit Blick auf die zeitlich längere Heilungsmöglichkeit bei einem Schenkungsversprechen unter Lebenden eine günstigere Rechtslage. Bei dem Schenkungsversprechen von Todes wegen sind damit der Vollzug der Schenkung und sein Zeitpunkt dafür entscheidend, ob es noch wie eine Schenkung unter Lebenden behandelt wird oder dem formstrengen Recht der Verfügung von Todes wegen untersteht.
3. Heilende Leistungsbewirkung
6.782
Für die Heilung eines formnichtigen Schenkungsversprechens von Todes wegen ist entscheidend, welche Willenserklärungen und Maßnahmen des Schenkers hierfür erforderlich sind. Der Vollzug der Schenkung durch den Schenker iS des § 2301 BGB erfordert nicht, dass der Gegenstand der Schenkung schon zu Lebzeiten des Schenkers in vollem Umfang auf den Beschenkten übertragen worden und damit die Leistungspflicht aus dem Schenkungsversprechen erfüllt ist (§ 362 BGB). Unzureichend sind nur solche Handlungen, die den Vollzug der Schenkung auf den Todesfall nur vorbereiten und sichern sollen3. Es genügt daher, wenn der Schenker mit der Leistung ein jedenfalls mit seinem Tode wirksames Opfer gebracht hat4. Es fragt sich daher, wie diese Anforderungen in der Bankpraxis erfüllt werden können. Hierzu kommen grundsätzlich zwei Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht, die Erteilung einer Bankvollmacht (Rz. 6.783 ff.) sowie eine aufschiebend bedingte Abtretung (Rz. 6.787 ff.).
1 Koch in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 518 BGB Rz. 16; BGH v. 12.11.1986 – IVa ZR77/85, WM 1987, 139 ff. 2 BGH v. 12.11.1986 – IVa ZR 77/85, WM 1987, 139 (140); Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 6 Rz. 13; Edenhofer in Palandt, § 2301 BGB Rz. 8. 3 BGH v. 16.4.1986 – IVa ZR 198/84, WM 1986, 786 (787). 4 Nach Musielak in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, § 2301 BGB Rz. 19 ff. soll das maßgebliche Abgrenzungskriterium darin liegen, ob der Schenker zu seinen Lebzeiten dem Beschenkten zumindest ein Anwartschaftsrecht auf den Erwerb eingeräumt hat.
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6. Teil
Besondere Kontoarten
a) Postmortale Vollmacht In der Praxis soll eine unentgeltliche Zuwendung auf den Todesfall häufig dadurch erfolgen, dass der Erblasser einem Dritten mündlich oder schriftlich seinen Willen erklärt, ihm ein bestimmtes Kontoguthaben nach seinem Tode zu schenken und ihn widerruflich oder unwiderruflich bevollmächtigt, nach seinem Tode über dieses Guthaben zu verfügen. Solche Vollmachten, die über den Tod hinaus gelten sollen oder zumindest für den Todesfall erteilt werden, sind im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit den Banken allgemein üblich. Es ist jedoch sehr umstritten, ob der Schenker sein Schenkungsversprechen schon durch die Erteilung einer solchen Vollmacht iS des § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen hat1.
6.783
Nach dem BGH hat der Erblasser durch die Erteilung einer Verfügungsvollmacht, auch wenn diese unwiderruflich ist, den zugewendeten Gegenstand noch nicht geleistet und die Schenkung daher noch nicht iS des § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen2. Der Bevollmächtigte kann nach dem Tod des Schenkers nicht mehr den Erblasser, sondern nur die Erben vertreten, weshalb eine Vollziehung gerade durch den Schenker selbst nicht vorliegt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vollmacht widerruflich oder unwiderruflich ist3. Mit dieser Vollmachtserteilung hat der Erblasser von seiner Seite noch nicht alles zur rechtlichen Zuordnung der Vermögenswerte an den Beschenkten Erforderliche getan. Möglicherweise kann aber durch die Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht im Einzelfall ein Schenkungsversprechen iS von § 331 BGB liegen4. Ob dies gewollt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.
6.784
Die Schenkung ist nach dem BGH selbst dann nicht unter Lebenden vollzogen worden, wenn der Beschenkte auf Grund der Vollmacht nach dem Tode des Schenkers die zugewendeten Vermögenswerte ganz oder teilweise erlangt hat. Eine nicht vollzogene Schenkung oder ein Schenkungsversprechen von Todes wegen können ebenso wenig wie eine formnichtige Verfügung von Todes wegen in Gestalt eines Testamentes oder notariellen Vertrages nach dem Erbfall durch Handlungen einer vom Erblasser bevollmächtigten Person in Kraft gesetzt werden5. Eine Vollziehung nach § 2301 Abs. 2 BGB kommt daher nur in Betracht, wenn die Erfüllung durch den Bevollmächtigten vor dem Tod des Schenkers erfolgt6.
6.785
Ein Vollzug der Schenkung durch den Schenker liegt auch dann nicht vor, wenn er die erforderliche Erklärung des Schenkungs- und Übereignungsangebotes nicht einem Bevollmächtigten überlässt, sondern diese Erklärungen selbst abgibt und mit deren Übermittlung einen Boten (§ 120 BGB) betraut,
6.786
1 2 3 4 5
Vgl. Kuchinke, FamRZ 1984, 109. BGH v. 23.2.1983 – IVa ZR 186/81, WM 1983, 411 (413). Kanzleiter in Staudinger, Neubearb. 2006, § 2301 BGB Rz. 38. Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 6 Rz. 21. BGH v. 29.11.1994 – XI ZR 175/93, WM 1995, 536 (537); BGH v. 18.5.1988 – IVa ZR 36/87, WM 1988, 984 (985). 6 Kanzleiter in Staudinger, Neubearb. 2006, § 2301 BGB Rz. 38 f.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
dem auch der zuzuwendende Gegenstand zur Aushändigung an den Beschenkten übergeben wird1. Im Ergebnis sind daher weder die Erteilung einer Verfügungsvollmacht noch die Erfüllung durch eine Hilfsperson nach dem Tod des Schenkers geeignet, einen Vollzug nach § 2301 Abs. 2 BGB herbeizuführen2. b) Aufschiebend bedingte Abtretung
6.787
Das für eine Heilung erforderliche und vom Schenker selbst bis zu seinem Tode zu erbringende Vermögensopfer ist erfüllt, wenn die Abtretung eines Kontoguthabens dergestalt dinglich bewirkt worden ist, dass der Eintritt der vollen Wirksamkeit der Abtretung nur noch davon abhängt, dass der Schenker vor dem Beschenkten stirbt und damit alle anderen Voraussetzungen für den Rechtserwerb des Beschenkten erfüllt sind3. In diesem Fall scheidet das zugewendete Kontoguthaben beim Tode des Schenkers endgültig aus seinem Vermögen aus4. Hierfür reicht es aus, dass dem Beschenkten eine durch sein Überleben aufschiebend bedingte Rechtsstellung und damit eine Anwartschaft iS der §§ 158, 160 BGB verschafft wird5.
6.788
Eine aufschiebend bedingte Abtretung des Kontoguthabens, mit der der Schenker die versprochene Schenkung iS des § 2301 Abs. 2 BGB vollzieht, kann auch in der Weise erfolgen, dass das Konto als Oder-Konto ausgestaltet wird und Schenker und der Beschenkte die Einzelverfügungsbefugnis über das Konto haben. Auch die Einräumung dieser Alleinverfügungsbefugnis stellt nach dem BGH ein schon zu Lebzeiten erbrachtes Vermögensopfer dar6, wie es für den Vollzug iS des § 2301 Abs. 2 BGB von der Rechtsprechung gefordert wird. Für die Schenkung ist der einverständliche Wille der Kontoinhaber bei Eröffnung des Kontos ausreichend, dass der Auszahlungsanspruch bei Tod eines Kontoinhabers auf den anderen als alleinigen Berechtigten übergehen soll7. Für diesen Vollzug ist es unschädlich, dass dem Schenker auf Grund seiner Mitinhaberschaft des Oder-Kontos ebenfalls eine Alleinverfügungsbefugnis verbleibt8.
6.789
Ist das Oder-Konto ein Sparkonto, für welches ein Sparbuch ausgestellt ist, fragt sich, ob die Schenkung der Forderung des einen Gesamtgläubigers auf den Todesfall für ihren Vollzug neben der aufschiebend bedingten Abtretung
1 Ein solcher Sachverhalt lag dem vom Reichsgericht entschiedenen Bonifatius-Fall zugrunde (RGZ 83, 223). 2 Differenzierend Musielak in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, § 2301 BGB Rz. 24, 28, bejaht eine postmortale Mitwirkung von Erklärungsboten oder Vertreter für einen Schenkungsvollzug. 3 Musielak in MünchKomm. BGB, 5. Aufl 2010, § 2301 BGB Rz. 27; Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S. 36. 4 Kanzleiter in Staudinger, Neubearb. 2006, § 2301 BGB Rz. 23. 5 BGH v. 10.5.1989 – IVa ZR 66/88, WM 1989, 1344 (1345); Johannsen, WM 1985, Sonderbeilage Nr. 1, 28. 6 BGH v. 16.4.1986 – IVa ZR 198/84, WM 1986, 786 (787). 7 Edenhofer in Palandt, § 2301 BGB Rz. 12. 8 BGH v. 16.4.1986 – IVa ZR 198/84, WM 1986, 786 (787).
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Besondere Kontoarten
(§§ 398, 158 Abs. 1 BGB) voraussetzt, dass der andere Gesamtgläubiger zu Lebzeiten zumindest den Mitbesitz am Sparbuch hatte (vgl. § 866 BGB). Wird die Abtretung nachgewiesen, kann es mit Blick auf § 952 BGB auf den Mitbesitz oder gar Alleinbesitz am Sparbuch für den lebzeitigen Vollzug der Schenkung nicht ankommen. Dem Besitz am Sparbuch kommt zudem nur dann eine Indizwirkung für die Gläubigerstellung hinsichtlich des Sparguthabens zu, wenn ein anderer sie in Anspruch nimmt, der bisher an der Gläubigerschaft gegenüber dem Kreditinstitut nicht teilhatte1. Sowohl die bedingte Abtretung als auch die Verschaffung der Mitinhaberschaft eines Oder-Kontos stellen nach dem BGH den Vollzug der unentgeltlichen Zuwendung durch den Bankkunden iS des § 2301 Abs. 2 BGB dar. Diese Schenkungen auf den Todesfall sind daher auch ohne Einhaltung der erbrechtlichen Formerfordernisse wirksam, weil sie wegen des lebzeitigen Vollzuges nicht dem Erbrecht, sondern den Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden unterworfen sind, die die Heilung des Formmangels durch Bewirkung der versprochenen Leistung zulassen (§ 518 Abs. 2 BGB). Dieselbe Wertung kommt zum Tragen, wenn der Bankkunde die Zuwendung mit Hilfe eines Kontos zu Gunsten Dritter auf den Todesfall vornimmt, über das der Bankkunde bis zu seinem Ableben verfügen kann.
6.790
IV. Treuhandkonto Bei einem Treuhandkonto ist zwischen den beiden Formen Vollrechtstreuhand und Ermächtigungstreuhand zu unterscheiden. Nach den eingangs angeführten allgemeinen Grundsätzen (dazu Rz. 6.631 ff.) ist Kontoinhaber, wer bei der Kontoeröffnung nach dem erkennbaren Willen der das Konto eröffnenden Person Gläubiger der Bank sein soll.
6.791
1. Vollrechtstreuhand Liegt im Verhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber eine fiduziarische Treuhandabrede zugrunde und ist der Treuhänder daher alleiniger Vollrechtsinhaber der auf dem Konto unterhaltenen Werte (Treugut), ist stets der Treuhänder Kontoinhaber2. Das Treuhandkonto dient der Aufnahme von Fremdgeldern. Dabei handelt es sich um ein Eigenkonto des Treuhänders, da die Gläubigerschaft und die Verfügungsbefugnis in einer Person vereint sind. Dies gilt unabhängig davon, ob – wie im Falle eines offenen Treuhandkontos – die Treuhandeigenschaft des Kontos der Bank gegenüber offen gelegt wird oder nicht3. Zwar sind die treuhänderisch übertragenen Guthabenwerte sachlich und wirtschaftlich dem Vermögen des Treugebers zuzuordnen, dennoch hat der Treugeber selbst an dem Kontoguthaben im Verhältnis zur Bank keine 1 Vgl. dazu Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 156 ff. 2 Vgl. Schramm in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, vor § 164 BGB Rz. 33. 3 Vortmann, BKR 2007, 449 (450).
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Rechte. Er kann daher nur verfügen, wenn ihm ein entsprechendes Recht von dem Treuhänder und Kontoinhaber, beispielsweise durch eine Kontovollmacht, eingeräumt wird. Der Bank gegenüber ist damit allein der Treuhänder berechtigt wie auch verpflichtet. In der Bankpraxis werden Treuhandkonten für gesetzliche oder private Treuhänder wie beispielsweise Wohnungsverwalter, Nachlassverwalter, Treuhandgesellschaften oder Insolvenzverwalter1 eingerichtet.
6.793
Für die Kontoerrichtung gilt der Offenkundigkeitsgrundsatz, wonach es nicht auf den inneren, sondern auf den erkennbaren Willen im Zeitpunkt der Kontoeröffnung ankommt2. Es ist daher unerheblich, wenn der Errichtende lediglich den inneren Willen zur Errichtung eines Treuhandkontos hatte, dies jedoch nicht erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Tritt der Wille, als Treuhänder zu handeln, der Bank gegenüber nicht erkennbar hervor, handelt es sich um ein verdecktes Treuhandkonto. Ein solches verdecktes Treuhandkonto ist im Verhältnis zur Bank als gewöhnliches Eigenkonto des Treuhänders zu behandeln3. Dies gilt auch, wenn die eingezahlten Gelder aus dem Vermögen eines Dritten stammen und der Errichtende durch die Errichtung eines solchen Eigenkontos eine Pflichtverletzung beging, sofern nur der Wille zur Errichtung eines Eigenkontos hinreichend deutlich geworden ist4. Die Bank erwirbt daher in diesem Fall ein AGB-Pfandrecht5. Sie kann sich aber schadensersatzpflichtig gemäß § 826 BGB machen, wenn sie an später eingehenden Geldern trotz Kenntnis der Treuhandbindung ein Pfandrecht für ihre Ansprüche gegen den Treuhänder persönlich entstehen lässt6.
6.794
Bei einem offenen Treuhandkonto wird regelmäßig durch die Kontobezeichnung der Bank gegenüber deutlich gemacht, dass auf dieses Konto ausschließlich Werte gelangen sollen, die dem Kontoinhaber nur als Treuhänder zustehen7. Ein solches Treuhandkonto liegt nur vor, wenn das Konto als solches gekennzeichnet ist und damit mit der nötigen Klarheit erkennen lässt, dass es wirtschaftlich einem anderen gehört8. Das offene Treuhandkonto erfordert nach der BGH-Rechtsprechung, dass nicht nur der Kunde, sondern auch die Bank den erkennbaren Willen hat, ein solches Konto zu errichten9. Es genügt daher nicht, wenn die Bank nur mit Rücksicht auf ihre Identifizierungspflicht nach dem Geldwäschegesetz (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 iVm. § 4 Abs. 5 GwG) in den Kontoführungsunterlagen vermerkt, dass der Kunde das Konto für Rechnung 1 Kuder, ZInsO 2009, 584 (586 ff.). 2 BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 15/95, WM 1996, 249 (250). 3 Vgl. BGH v. 12.10.1987 – II ZR 98/87, WM 1987, 1418 (1419); BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, WM 1990, 1954 (1955); OLG Hamm v. 11.2.1999 – 27 U 283/98, WM 1999, 1111 (1112); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 264. 4 Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 37 Rz. 44. 5 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 251. 6 BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, WM 1990, 1954 (1955); BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 15/95, WM 1996, 249 (251). 7 BGH v. 22.6.1987 – III ZR 263/85, WM 1987, 922 (923); OLG Brandenburg v. 10.2.1998 – 2 U 175/96, WM 1999, 267 (268). 8 BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, WM 1993, 83 (84). 9 BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, WM 1990, 1954 (1955).
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Besondere Kontoarten
eines Dritten unterhält. Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen eines offenen Treuhandkontos ist der Kontoinhaber1. Bei der Feststellung und Überprüfung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten muss die Bank risikoorientiert ggf. verstärkte Sorgfaltspflichten erfüllen, da mit einem Treuhandkonto grundsätzlich ein Missbrauchsrisiko bzgl. Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einhergeht2. Für die Begründung eines echten Treuhandverhältnisses ist zwar grundsätzlich erforderlich, dass der Treuhänder das Treugut aus dem Vermögen des Treugebers übertragen erhält3. Von diesem Grundsatz der Unmittelbarkeit wird aber eine Ausnahme zugelassen, wenn Geldbeträge auf einem Anderkonto oder einem eigens hierfür errichteten Treuhandkonto eingezahlt werden, welches offenkundig zu dem Zweck bestimmt ist, fremde Gelder zu verwalten4. Zu den für ein Treuhandkonto bestimmten Fremdgeldern können auch Beträge gehören, die Dritte bestimmungsgemäß auf dieses Konto einzahlen5. Nicht treuhänderisch gebundene Gelder dürfen nicht auf dem Treuhandkonto unterhalten werden. Anderenfalls hätte das Treuhandkonto nur zu einem Teil einen Treuhandcharakter, und es müsste für jeden einzelnen Betrag festgestellt werden können, ob dieser der Treuhandbindung unterliegt. Ein Konto, welches nur teilweise treuhänderisch gebunden ist, kann es nach der Rechtsprechung nicht geben6.
6.795
Das offene Treuhandkonto nimmt eine Mittelstellung zwischen dem Eigenkonto und dem Fremdkonto ein. Es ist Eigenkonto, weil der Verfügungsberechtigte Kontoinhaber ist7. Der Treuhandcharakter hat jedoch zur Konsequenz, dass das offene Treuhandkonto in verschiedener Hinsicht wie ein Fremdkonto behandelt wird. So besteht wegen des offenen Treuhandcharakters kein AGB-Pfandrecht der Bank (Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken) sowie kein Zurückbehaltungs- und Aufrechnungsrecht, es sei denn, der Anspruch der Bank ist in Bezug auf das Treuhandkonto selbst entstanden8. So darf die Bank beispielsweise gegen die Ansprüche aus dem Treuhandkonto mit Forderungen, die im Zusammenhang mit diesem Konto stehen, aufrechnen9.
6.796
1 BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 15/95, WM 1996, 249; BGH v. 14.3.1985 – III ZR 186/83, WM 1985, 688 (689). 2 Warius in Herzog, § 4 GwG Rz. 78. 3 BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, WM 1993, 83 (84); vgl. hierzu Uwe H. Schneider, ZGR 1983, 535 ff. 4 BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, WM 1993, 83 (84). 5 Vgl. BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, WM 2003, 1733 (1734); BGH v. 8.2.1996 – IX ZR 151/95, WM 1996, 662; vgl. hierzu K. Schmidt, JuS 1996, 1036 f. 6 OLG Brandenburg v. 10.2.1998 – 2 U 175/96, WM 1999, 267 (269); BGH v. 7.7.2005 – III ZR 422/04, WM 2005, 1796 (1798). 7 OLG Zweibrücken v. 9.12.1999 – 4 U 33/99, WM 2000, 2489 (2490). 8 Vgl. BGH v. 25.9.1990 – XI ZR 94/89, WM 1990, 1954 (1955); BGH v. 1.7.1993 – IX ZR 251/92, WM 1993, 1524; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 144; Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 250; Kuder, ZInsO 2009, 584 (586). 9 Vgl. OLG München v. 11.3.1991 – 26 U 4765/90, WM 1992, 1732 (1735) für den Fall der Rückbelastung diskontierter Wechsel. Zur Zulässigkeit der Aufrechnung mit For-
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
6.797
Der Treugeber ist vor dem Zugriff von Gläubigern des Treuhänders geschützt. Dies gilt insbesondere bei einer Insolvenz des Kontoinhabers oder bei Vollstreckungen in das Konto durch Gläubiger des Kontoinhabers. Mit Blick auf die wirtschaftliche Berechtigung des Treugebers an den auf dem Treuhandkonto unterhaltenen Werten kann dieser Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben oder aussondern (§ 47 InsO). Hierfür ist die Offenlegung des Treuhandcharakters gegenüber Dritten nicht zwingend erforderlich1. Dieses Interventionsrecht besteht aber nur solange, wie der Treuhänder mit dem Treuhandkonto entsprechend der Treuhandabsprache verfährt2. Der Treugeber ist zudem nur geschützt, wenn auf dem Treuhandkonto ausschließlich dem Treugeber zustehende Werte unterhalten werden, nicht jedoch im Falle einer Vermengung von eigenen Geldern des Treuhänders mit fremden Geldern3.
6.798
Die Bank ist nicht verpflichtet, den Treuhänder zu überwachen. Es bleibt allein das Risiko des Treugebers, dass der Treuhänder sich gemäß den Vereinbarungen des Treuhandverhältnisses verhält. Daher scheiden etwaige Schadensersatzansprüche des Treugebers gegen die Bank aus, es sei denn, Bank und Treuhänder wirken zum Zwecke der Schädigung des Treugebers vorsätzlich und kollusiv zusammen. Für die Bank sind allein die Weisungen im Rahmen des betreffenden Kontovertrages maßgeblich.
2. Ermächtigungstreuhand
6.799
Von der Vollrechtstreuhand abzugrenzen sind die Fälle einer Ermächtigungstreuhand, bei welcher der Treugeber Vollrechtsinhaber bleibt und den Treuhänder zu Verfügungen im eigenen Namen gemäß § 185 BGB ermächtigt4. Hier ist der Treugeber Kontoinhaber. Für den Treugeber ist das betreffende Treuhandkonto damit ein Eigenkonto, für den Treuhänder ein Fremdkonto. Dies setzt allerdings voraus, dass bei der Kontoeröffnung durch den Treuhänder für die Bank eindeutig erkennbar war, dass der Treugeber Kontoinhaber sein soll. Anderenfalls liegt nach den oben angeführten Grundsätzen auch hier ein Eigenkonto für den Treuhänder vor.
6.800
Für die Bank ist die Ermächtigungstreuhand mit Risiken verbunden, da etwaige Beschränkungen aus dem Treuhandverhältnis dingliche Wirkung haben und somit auch den konkreten Umfang der Verfügungsberechtigung bestimmen. Die Bank hat daher in jedem Einzelfall die Verfügungsberechtigung des Treuhänders zu prüfen5. Da der Treugeber Vollrechtsinhaber bleibt, sind be-
1 2 3 4 5
derungen gegen den Treugeber mit Rücksicht auf Treu und Glauben vgl. OLG Zweibrücken v. 9.12.1999 – 4 U 33/99, WM 2000, 2489 (2491). BGH v. 7.7.2005 – III ZR 422/04, WM 2005, 1796 (1797); BGH v. 1.7.1993 – IX ZR 251/92, WM 1993, 1524. BGH v. 7.4.1959 – XIII ZR 219/57, WM 1959, 686 (688). Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 253. Bassenge in Palandt, § 903 BGB Rz. 34; Schramm in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, vor § 164 BGB Rz. 36. Harders in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 41 Rz. 10; Vortmann, BKR 2007, 449 (451).
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Besondere Kontoarten
sondere Regelungen zum Schutz vor einem Zugriff auf das Treugut durch die Bank, beispielsweise durch ihr AGB-Pfandrecht oder durch Aufrechnung mit eigenen Ansprüchen, nicht geboten. Entsprechendes gilt für einen Zugriff durch Dritte, zB im Falle einer Pfändung. Bei einer zugrunde liegenden Ermächtigungstreuhand kann die Vereinbarung der Bank mit dem Vertragspartner des Kontoinhabers, sie werde Verfügungen über Kontoguthaben nur zur Begleichung von Ansprüchen Dritter, die der Vertragspartner benennen werde, zulassen, Schutzwirkungen zugunsten dieser Dritten begründen1. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Kontoinhaber als Subunternehmer dem Generalunternehmer als Treuhänder die Befugnis erteilt, Verfügungen über bestimmte eingehende Gelder zugunsten der an einem Bauprojekt beteiligten Dritten zu beschränken und die Verfügungen daher nur bei einer Einwilligung des Generalunternehmers für die Bank bindend sein sollen. Werden diese Verfahrensweise und Verfügungsbeschränkung von der Bank bestätigt, kann diese Vereinbarung Schutzwirkung zugunsten Dritter entfalten. Im Ergebnis ist dies aber von der Auslegung der konkreten Vereinbarungen im Einzelfall abhängig2.
6.801
V. Anderkonto 1. Begriff Das Anderkonto dient bestimmten Berufsgruppen dazu, fremde Vermögenswerte, die dem Kontoinhaber von seinem Mandanten anvertraut worden sind, in Form von Bankguthaben aufzubewahren. Sie unterliegen dabei eigenem Standesrecht und einer entsprechenden Standesaufsicht3. Zu diesem Personenkreis gehören Rechtsanwälte und Gesellschaften von Rechtsanwälten, Notare, Patentanwälte und Gesellschaften von Patentanwälten sowie Angehörige der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufen.
6.802
Für diese Kontoart gelten besondere Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots. Für die einzelnen Berufsgruppen gibt es jeweils eigene Bedingungswerke, namentlich Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Rechtsanwälten und Gesellschaften von Rechtsanwälten, von Notaren, von Patentanwälten und Gesellschaften von Patentanwälten sowie von Angehörigen der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe4. Diese vier Bedingungswerke gelten neben den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank und stimmen in ihrem Aufbau und Inhalt weitgehend überein. Inhaltlich Unterschiede in den Bedingungen für
6.803
1 2 3 4
OLG Düsseldorf v. 16.11.2007 – I-17 U 3/07, WM 2008, 1398. OLG Düsseldorf v. 16.11.2007 – I-17 U 3/07, WM 2008, 1398 (1399). Vgl. BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, WM 1988, 1222. Überblick bei Gößmann, WM 2000, 857.
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Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Anderkonten von Notaren tragen der besonderen Stellung des Notars als Beliehenem Rechnung1.
6.804
Wirtschaftlich Berechtigter ist der Mandant des Kontoinhabers. Gläubiger des Rückzahlungsanspruches gegen die Bank ist aber allein der Kontoinhaber. Die jeweiligen Sonderbedingungen für Anderkonten stellen ausdrücklich klar, dass Rechte des Mandanten auf Leistung aus einem Anderkonto oder auf Auskunft über das Konto gegenüber der kontoführenden Bank nicht bestehen. Zudem regeln die Sonderbedingungen, dass die Bank die Rechtmäßigkeit der Verfügungen des Kontoinhabers in seinem Verhältnis zu Dritten nicht prüft, auch wenn es sich um Überweisungen von einem Anderkonto auf ein Eigenkonto handelt.
6.805
Hinsichtlich der Feststellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten bestehen seit Einführung der Regelungen des Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetzes2 mit Blick auf dessen risikobasierten Ansatz (dazu Rz. 6.644 ff.) im Falle eines geringen Risikos sog. vereinfachte Sorgfaltspflichten. So kann nach § 5 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Nr. 3 GwG bei Anderkonten von Rechtsanwälten, Patentanwälten und Notaren von der Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten abgesehen werden, sofern das kontoführende Institut auf Nachfrage die betreffenden Angaben über den wirtschaftlich Berechtigten erhalten kann. Dies kann beispielswiese durch eine entsprechende Abrede mit dem Inhaber des Anderkontos, die betreffenden Angaben auf Nachfrage der Bank mitzuteilen, erfolgen. Hintergrund hierfür ist, dass die genannten Berufsangehörigen selbst Verpflichtete iS des GwG sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 GwG)3.
6.806
Das Anderkonto ist dazu bestimmt, das Treugut von einem einzigen Treugeber zu verwahren. Hiervon zu unterscheiden sind sog. Sammelanderkonten, die der Verwahrung von Vermögenswerten verschiedener Mandanten dienen. Sammelanderkonten können nach den betreffenden Sonderbedingungen lediglich von Anwälten und Patentanwälten eröffnet werden. Dabei hat der Kontoinhaber dafür zu sorgen, dass auf diesen Konten regelmäßig Guthaben über 15 000 Euro für einen einzelnen Mandanten nicht länger als einen Monat verbleiben, weshalb das Sammelanderkonto in der Bankpraxis als ein Durchlaufkonto fungiert4.
2. Ausgestaltung der Kontobeziehung
6.807
Das Anderkonto wird als offenes Treuhandkonto geführt, dem eine fiduziarische Treuhand zugrunde liegt. Kontoinhaber sind somit Angehörige einer der vorgenannten Berufsgruppen oder die betreffende Berufsgesellschaft. Sie erhalten von ihren Mandanten die zur Verwahrung bestimmten Vermögenswerte zu vollem Recht übertragen5. Ein Vertrag zu Gunsten des Treugebers ist dabei 1 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Anderkonten, Einl. Rz. 7. 2 Gesetz zur Ergänzung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung v. 13.8.2008, BGBl. I 2008, S. 1690. 3 Hierzu auch Donath/Mehle, NJW 2009, 650 ff. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, AGB-Anderkonten-RA, Nr. 5 Rz. 1. 5 BGH v. 19.5.1988 – III ZR 38/87, WM 1988, 1222.
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6. Teil
Besondere Kontoarten
nicht gegeben1. Der Kontovertrag begründet auch keine Schutzpflichten der Bank zu Gunsten des Treugebers bzgl. der Kontoführung sowie der einzelnen Kontobewegungen2. Das gesetzlich und standesrechtlich geprägte Treuhandverhältnis zwischen Anwalt oder Notar zum Mandanten schließt von vornherein dessen Einbeziehung in die vertragliche Kontobeziehung aus. Zwar ist das Anderkonto eine praktisch bedeutsame Form des offenen Treuhandkontos, dennoch ergeben sich auf Grund der standesrechtlich geprägten Kontobeziehung rechtliche Unterschiede. So können die Ansprüche gegen die Bank nicht abgetreten oder verpfändet werden. Eine solche Verfügung könnte die Forderungsinhaberschaft und Verfügungsberechtigung auf eine standesrechtlich ungebundene Person übergehen lassen. Auch ist für den Fall des Versterbens des Kontoinhabers eine Sonderrechtsnachfolge vorgesehen, die vermeidet, dass das Guthaben in die Verfügungsgewalt der Erben des Verstorbenen fällt. So fällt das Guthaben der zuständigen Berufskammer oder dem für die Abwicklung der schwebenden Angelegenheit bestellten Abwickler zu (beispielsweise § 55 Abs. 2 BRAO)3.
6.808
Mit Rücksicht auf das zwischen dem Kontoinhaber und seinem Mandanten bestehende Treuhandverhältnis erfährt der wirtschaftlich Berechtigte wie bei einem Treuhandkonto einen weit gehenden Schutz. Dies gilt insbesondere bei Kontopfändungen durch Gläubiger des Kontoinhabers4 oder in dessen Insolvenz. Hier stehen dem Treugeber die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO bzw. das Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zu5. Die Bank hat weder eine Aufrechnungsbefugnis noch ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht an dem Kontoguthaben, es sei denn wegen Forderungen, die in Bezug auf das Anderkonto selbst entstanden sind. Diese Privilegierung gebietet es, dass der Kontoinhaber Werte, die seinen eigenen Zwecken dienen, nicht einem Anderkonto zuführt oder dort belässt. Daher regeln die Sonderbedingungen, dass die betreffenden Guthabenwerte auf ein Eigenkonto zu übertragen sind.
6.809
VI. Sperrkonto 1. Begriff Als Sperrkonto wird grundsätzlich ein Konto bezeichnet, bei dem besondere Beschränkungen der freien Verfügungsmacht des Kontoinhabers bestehen. Diese Beschränkungen können auf Grund gerichtlicher oder behördlicher Anordnung, auf Grund Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zwischen 1 Gottwald in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 328 BGB Rz. 57. 2 Jagmann in Staudinger, Neubearb. 2004, § 328 BGB Rz. 149. 3 Lwowski in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 38 Rz. 11; Hopt in Baumbach/Hopt, AGBAnderkonten-RA, Nr. 13 Rz. 1 sowie Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 5 Rz. 31 bejahen in diesem Zusammenhang einen Erwerb im Wege eines Vertrages zu Gunsten Dritter. 4 Hierzu Stöber, Forderungspfändung, Rz. 162. 5 Lwowski in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 38 Rz. 7 f.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Bank und Kontoinhaber bestehen. In der Bankpraxis soll im Regelfall ein Sperrkonto zwar auf den Namen des Kunden lauten, dieser soll über das darauf unterhaltene Guthaben aber nur mit Mitwirkung eines Dritten, dem Sperrbegünstigten, verfügen dürfen. Im Folgenden wird daher die rechtsgeschäftliche Vereinbarung eines Sperrkontos näher beleuchtet.
6.811
Üblicherweise ist der Sperrbegünstigte entweder ein Gläubiger des Kunden, der eine Sicherheit erhalten soll, oder ein von dritter Seite Beauftragter, der eine bestimmte zweckentsprechende Verwendung des Kontoguthabens überwachen soll. Dieser Interessenlagen kann weitgehend durch die rechtsgeschäftliche Begründung eines Sperrkontos entsprochen werden. Zweck dieser Sperrvereinbarung ist es, für Verfügungen ein Zustimmungserfordernis des Sperrbegünstigten zu schaffen. Anwendungsfälle aus der Bankpraxis sind zB das auf den Mieter lautende Mietkautionskonto mit einer vereinbarten Sperre zu Gunsten des Vermieters oder sog. Bauverwendungskonten, bei denen Verfügungen des Bauherrn nur mit Zustimmung des Architekten oder anderer am Bau beteiligter Personen möglich sein sollen.
2. Rechtsverhältnisse
6.812
Die Rechtsstellung des Sperrbegünstigten hängt maßgeblich von der materiell-rechtlichen Wirkung der zwischen Bank und Kunde vereinbarten Kontosperre ab. Es fragt sich daher, welche Wirkung eine sperrwidrige Verfügung des Kontoinhabers im Verhältnis zu Dritten und damit auch zu dem Sperrbegünstigten hat. Im Falle einer dinglichen Wirkung der Sperre wäre jede Verfügung über das Kontoguthaben ohne Zustimmung des Sperrbegünstigten unwirksam und die Bank wäre nicht von ihrer Pflicht zur Rückzahlung der Einlage in Höhe der Verfügung befreit. Ausgangspunkt der Beurteilung ist die rechtsgeschäftliche Absprache, die als Sperre eine Beschränkung der freien Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers begründet. Diese kann mit Blick auf § 137 BGB nur als eine schuldrechtliche Verpflichtung wirksam vereinbart werden1. Denn eine etwaige dingliche Wirkung der Sperrvereinbarung lässt sich nach § 137 Satz 1 BGB rechtsgeschäftlich nicht wirksam begründen2. Eine analoge Anwendung des in § 399 Alt. 2 BGB geregelten Abtretungsverbotes mit dem Ziel, eine dingliche Wirkung zu begründen, vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. Zwischen dem Abtretungsverbot, welches den Schuldner vor einem Wechsel des Gläubigers schützen soll, und einer Kontosperre bestehen wesentliche rechtliche Unterschiede, weshalb Sinn und Regelungszweck des § 399 Alt. 2 BGB einer analogen Anwendung entgegenstehen3. 1 Vgl. BGH v. 2.5.1984 – VIII ZR 344/82, WM 1984, 799 (800 f.) für den Fall, dass im Wege der Auslegung dingliche Sicherungsrechte ausgeschlossen werden können; hierzu auch Eckert, ZIP 1984, 1121 ff.; Canaris, NJW 1973, 825 (829). 2 Armbrüster in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 137 BGB Rz. 19. 3 Lwowski in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 36 Rz. 13; Eckert, ZIP 1984, 1121; Kollhosser, ZIP 1984, 389 (393 ff.); vgl. auch Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, 2. Aufl. 2009, BankR I Rz. I 260.
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6. Teil
Besondere Kontoarten
Die Sperrvereinbarung wirkt daher nur schuldrechtlich und verschafft dem Sperrbegünstigten einen gegen die Bank gerichteten Anspruch, sperrwidrige Verfügungen durch den Kontoinhaber nicht auszuführen (§ 241 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieser schuldrechtliche Unterlassungsanspruch kann entweder in einer Drittbegünstigung der zwischen Bank und Kontoinhaber vereinbarten Sperrvereinbarung (§ 328 BGB) oder aber in einem dreiseitigen Vertrag zwischen Bank, Kontoinhaber und Sperrbegünstigten, der eine entsprechende Verpflichtung der Bank gegenüber dem Dritten regelt, begründet sein1. Soweit die Verfügungsbeschränkung (nur) zwischen Bank und Kontoinhaber vereinbart wird, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln, ob dem Dritten ein eigener Anspruch gegen die Bank zustehen soll oder ob es sich um eine bloße Selbstbeschränkung des Kontoinhabers handelt2. Lässt die Bank entgegen einer vereinbarten Sperre eine Verfügung zu, wird sie gleichwohl von ihrer Verbindlichkeit zur Rückzahlung der Einlage in entsprechender Höhe befreit. Eine sperrwidrige Verfügung kann aber einen Schadensersatzanspruch gegen die Bank aus § 280 Abs. 1 BGB begründen.
6.813
Aus dieser vertraglichen Konstruktion ergeben sich bestimmte Risiken für den Dritten. Der Sperrbegünstigte trägt das Insolvenzrisiko des Kontoinhabers, da die Sperrvereinbarung nicht insolvenzfest ist. Der Sperrbegünstigte erwirbt nur eine schuldrechtliche Rechtsstellung, die ihm im Insolvenzverfahren zu keiner Vorzugsstellung verhilft3. Die Vereinbarung einer Kontosperre zu Gunsten eines Dritten begründet kein Pfandrecht zu Gunsten des Dritten4. Beruft sich die Bank aber später gegenüber dem Sperrbegünstigten auf ihr AGB-Pfandrecht wegen Forderungen gegen den Kontoinhaber, so kann sie hierdurch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen5. Zudem kann sich der Dritte bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kontoinhaber nicht wirksam schützen. Dem Begünstigten steht weder eine Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) zu, noch hat er das Recht zu einer Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO)6.
6.814
Für die Bank ist die Errichtung eines Sperrkontos ebenso mit Risiken verbunden. So wird eine bankseitige Pflicht zur Überwachung der Einhaltung der Sperre mit einem damit einher gehenden Haftungsrisiko begründet. Es besteht zudem stets die Gefahr, in Streitigkeiten zwischen den Beteiligten verwickelt zu werden. Im Einzelfall kann auch im Streit stehen, ob die Rechte des Sperrbegünstigten den Rechten der Bank, namentlich deren AGB-Pfandrecht, Zurückbehaltungsrecht und Aufrechnungsrecht, vorgehen soll. Soweit mit der
6.815
1 Einsele in Bank- und Kapitalmarktrecht, § 3 Rz. 49; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 118; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 255; Lwowski in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 36 Rz. 5; Kollhosser, ZIP 1984, 389 (390). 2 OLG München v. 24.9.1997 – 7 U 2402/97, WM 1999, 317 (319 f.); Schwintowski/ Schäfer, Bankrecht, § 5 Rz. 33. 3 BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 54/85, WM 1986, 749 (750). 4 Jagmann in Staudinger, Neubearb. 2004, § 328 BGB Rz. 150. 5 OLG München v. 24.9.1997 – 7 U 2402/97, WM 1999, 317 (320); OLG Nürnberg v. 15.5.1998 – 8 U 4293/97, WM 1998, 1968. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 258.
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6. Teil
Bankmäßige Geschäftsverbindung und Kontoführung
Verfügungssperre ein Gläubiger des Kontoinhabers gesichert werden soll und dieser Partei der auf die Begründung einer Verfügungssperre gerichteten Vereinbarung ist, ist zu berücksichtigen, dass Sicherheiten in unterschiedlichen Rechtsformen geleistet werden können. Es kann daher im Einzelfall durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu klären sein, welche Rechtsform einer Sicherheit, insbesondere ob rein schuldrechtlicher Natur oder dinglicher Art, von den Parteien gewollt ist1.
6.816
Die Sperre kann im Wege einer Aufhebung durch den Sperrbegünstigten beendet werden. Auch kann bereits bei der ursprünglichen Vereinbarung ein Beendigungszeitpunkt oder ein bestimmtes Ereignis festgelegt werden, bei dessen Eintritt die Sperre keine Wirkungen mehr entfalten und beendet sein soll. Im letzteren Fall ist darauf zu achten, dass das betreffende Ereignis eindeutig und zweifelsfrei bestimmt werden kann, um in der Praxis Auseinandersetzungen hierüber zu vermeiden.
6.817
Alternative Gestaltungen zur Vermeidung der genannten Risiken hängen von dem im Einzelfall mit der Sperre beabsichtigten Zweck ab. Neben der Sicherung mit rein schuldrechtlicher Wirkung kommen auch Sicherungsrechte dinglicher Art, wie beispielsweise die Bestellung eines Pfandrechts oder eine sicherungsweise Abtretung, in Betracht. In diesen Fällen hat der Dritte ein eigenes Recht an der Guthabenforderung. Dies kann zB für einen zu sichernden Gläubiger günstiger sein, da er eine dingliche Rechtstellung erwirbt, die ihm eine Drittwiderspruchsklage und eine Klage auf vorzugsweise Befriedigung ermöglicht. Zudem kann der so gesicherte Dritte im Falle einer Insolvenz Absonderung verlangen. Lehnt dies der Kunde ab oder handelt es sich bei dem Mitwirkungsberechtigten um keinen Gläubiger des Kunden, kann auch ein Gemeinschaftskonto für beide mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis in Betracht kommen. Hierdurch werden zumindest der Bank gegenüber die Verfügungsbefugnisse über das Kontoguthaben eindeutig geregelt.
VII. Konto pro Diverse 1. Begriff
6.818
Das Konto pro Diverse (sog. CpD-Konto) ist ein bankinternes Sammel- und Eigenkonto ohne Zuordnung zu bestimmten Personen. Es dient vornehmlich dazu, kundenbezogene Geschäftsvorfälle zu erfassen, welche zunächst buchungsmäßig nicht eindeutig zugeordnet werden können, weil der hiervon Betroffene bei der Bank kein entsprechendes eigenes Konto unterhält, beispielsweise im Falle eines für ein Und-Konto bestimmten Zahlungseingangs, welcher nur auf einen der mehreren Kontoinhaber lautet2.
1 BGH v. 2.5.1984 – VIII ZR 344/82, WM 1984, 799 (800). 2 Pütz, ZIP 1990, 703 (704); Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 5 Rz. 15.
820
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6. Teil
Besondere Kontoarten
2. Buchungen auf CpD-Konten Buchungen auf einem solchen Konto sind rechtlich nicht einheitlich zu bewerten, ihnen können Geschäfte sehr verschiedener Art zugrunde liegen. Diese Buchungen haben im Allgemeinen nur vorläufigen und bankinternen Charakter1. Ein Überweisungsempfänger, der bei der Empfängerbank kein entsprechendes Konto unterhält, erwirbt daher allein mit der Buchung auf dem CpD-Konto noch keinen Auszahlungsanspruch gegen die Bank.
6.819
Das CpD-Konto ist kein Konto iS des § 154 AO2. Die Buchung auf dem Konto begründet noch keinen Zahlungsanspruch des hiervon Betroffenen. Eine etwaige Pfändung durch Gläubiger des Überweisungsbegünstigten geht daher ins Leere3. Ein Zahlungsanspruch ist erst gegeben, nachdem dem Dritten gegenüber eine Ausführungsanzeige getätigt wurde und der betreffende Geschäftsvorgang somit „Außenwirkung“ erlangt4. Im Ergebnis nimmt das CpD-Konto daher eine Mittelstellung zwischen einem kundenbezogenen Konto und einem reinen bankinternen Konto ein.
6.820
Nach Nr. 3 Satz 3 des Anwendungserlasses zu § 154 AO5 ist eine Abwicklung von Geschäftsvorfällen über CpD-Konten verboten, wenn der Name des Beteiligten bekannt ist oder unschwer ermittelt werden kann und für ihn bereits ein entsprechendes Konto geführt wird. Für die Frage, ob im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung bereits ein „entsprechendes Konto“ geführt wird, ist auf dessen bestimmungsgemäße Funktion abzustellen. Dient das Konto bestimmungsgemäß der Aufnahme und Buchung des betreffenden Geschäftsvorfalles, scheidet eine Buchung auf einem CpD-Konto aus.
6.821
1 BGH v. 30.6.1986 – III ZR 70/85, WM 1986, 1182 (1183). 2 Cöster in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 154 AO Rz. 27. 3 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 161a; BGH v. 30.6.1986 – III ZR 70/85, WM 1986, 1182 (1186). 4 Hamacher, DB 1995, 2284 (2285); Schebesta, WM 1985, 1329 (1332 f.). 5 AEAO v. 2.1.2008, BStBl. I 2008, S. 26.
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7. Teil Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
1. Abschnitt: Grundlagen . . . . . . I. Buchgeld als Kontoguthaben
Rz. 1
.
4
II. Kontobelastung als Deckung für Buchgeldzahlung . . . . . .
7
III. Mitwirkungserfordernis der Zahlungsdienstleister . . . . .
10 16
V. Abgrenzung zur Bargeldzahlung . . . . . . . . . . . . . .
17
VII. Rechtliche Einordnung des Zahlungsvorganges . . . . . . 1. Rechtsnatur der Kontogutschrift . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kontogutschrift . . . a) Manuelle Gutschriftsbuchung . . . . . . . . . . . b) EDV-Gutschrift . . . . . . . aa) Maßgeblichkeit der autorisierten Abrufpräsenz . . bb) Einheitlicher Zeitpunkt für alle EDV-Gutschriften . . . . . . . . . . . c) Erteilung von Vorbehaltsgutschriften . . . . . . . . . . 3. Die Wertstellung (Valutierung) der Kontobuchungen . . . . . 4. Belastungsbuchung ohne rechtserzeugende Wirkung . . VIII. Buchgeldzahlung zur Erfüllung von Geldschulden . . . . . . . 1. Tilgungszeitpunkt . . . . . . . a) Gutschrift auf Gläubigerkonto als spätester Zeitpunkt . . . . . . . . . . . .
24
25 28 30 31 43 45 46 53
56 60 64 74 81 84
85
87 88
2. Abschnitt: Die Überweisung . . . 101 I. EG-Richtlinien
IV. Zugang des Publikums zum bargeldlosen Zahlungsverkehr .
VI. Erfordernis des Einverständnisses des Buchgeldempfängers . . 1. Nachteile einer Buchgeldzahlung für den Buchgeldempfänger . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einverständnis durch konkludentes Verhalten . . . . . . . .
Rz. b) Deckungseingang bei Gläubigerbank als maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . 2. Rechtzeitigkeit der Buchgeldzahlung . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . 103
II. Umsetzung des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . 1. Die neuen Regelungen über Zahlungsdienste . . . . . . . . . . . 2. Informationspflichten . . . . . . 3. Die Vertragsstruktur . . . . . . . 4. Entgeltregelungen . . . . . . . . 5. Die Autorisierung . . . . . . . . 6. Die Ausführung von Zahlungsvorgängen . . . . . . . . . . . . 7. Ersatzansprüche . . . . . . . . . 8. Beweisregelungen . . . . . . . . 9. Erstattungsansprüche . . . . . . 10. Haftungsregelungen . . . . . . . III. Rechtsbeziehung zwischen überweisendem Kunden und seinem Zahlungsdienstleister . . . . . . 1. Abgrenzung zum Zahlungsdienstevertrag (§ 675f BGB) . . . . . . 2. Inhalt der Geschäftsbesorgungspflicht der Bank . . . . . . . . . a) Gesetzliche Neuregelung der Geschäftsbesorgungspflicht . . aa) Auslegungsbedürftigkeit der gesetzlichen Regelung . bb) Gemengelage von werkund garantievertraglichen Pflichten . . . . . . . . . b) Vorzugswürdigkeit einer garantievertraglichen Leistungspflicht . . . . . . . . . . c) Zahlungsauftrag als weitergeleiteter Auftrag . . . . . . . d) Quasi-Erfüllungsgehilfenhaftung der Überweiserbank mittels Garantiehaftung . . . . . 3. Grundsatz der Formfreiheit . . .
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108 117 120 134 142 146 159 171 176 178 182
197 202 206 210 213
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216 217
219 220
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) Rz.
4. Daueraufträge und sonstige Auftragsformen . . . . . . . . . . . 5. Gefälschte oder verfälschte Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gesetzliche Nebenpflichten aus dem Zahlungsauftrag . . . . . . a) Einhaltung der Ausführungsfristen (§ 675s Abs. 1 BGB) . . b) Rückfrage- und Benachrichtigungspflichten der Überweiserbank (§§ 666 und 675o Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . c) Keine Vorschussleistung des Buchgeldzahlers . . . . . . . d) Weisungswidrige Auftragsausführung . . . . . . . . . . . . e) Verhaltens-(Schutz-)Pflichten des Zahlungsinstituts und des Kunden . . . . . . . . . . . . aa) Warnpflichten des Zahlungsinstituts . . . . . . . bb) AGB-mäßige Verhaltensund Schutzpflichten des Girokunden . . . . . . . . 7. Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrages . . . . . . . . a) Kündigungsrecht und Widerrufsmöglichkeit des Zahlungsauftrags des Überweisenden . b) Ablehnung des Zahlungsauftrags durch das Zahlungsinstitut . . . . . . . . . . . . . . 8. Haftungsrechtliche Aspekte . . . a) Verschuldensunabhängige Haftung bei verzögerter oder gekürzter Auftragsausführung b) Schadensersatzpflicht wegen Verschuldens bei Auftragsausführung . . . . . . . . . . . . c) Zahlungsauftrag zwischen beteiligten Zahlungsinstituten mit Schutzwirkung für Buchgeldzahler? . . . . . . . . . .
223 225 228 229
230 234 238
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270
IV. Rechtsbeziehungen zwischen mitwirkenden Zahlungsinstituten . . . . . . . . . . . . 271 1. Selbständige Vertragsverhältnisse zwischen den beteiligten Instituten (Interbankenverhältnis) . . 272 2. Anschaffung der Deckung für den Überweisungsauftrag . . . . 282
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Rz. 3. Buchgeldzahlung unter Mitwirkung der Deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . 286 V. Zahlungsinstitut des Buchgeldempfängers als Letztbeauftragter in der Girokette . . . . . . 288 1. Maßgeblichkeit des Namens des Buchgeldempfängers . . . . 290 2. Unmaßgeblichkeit des Verwendungszwecks . . . . . . . 295 VI. Rechtsbeziehung zwischen Buchgeldempfänger und seinem Zahlungsdienstleister . . 1. Anspruch auf Gutschrift des Überweisungsbetrages . . . . . 2. Anspruch aus der Gutschrift . . 3. Zurücküberweisung einer Kontogutschrift durch Buchgeldempfänger . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Zurückweisungsrechts . . . . . . . . . b) Reichweite des Zurückweisungsrechts . . . . . . . . . 4. Verhaltens-(Schutz-)Pflichten des Zahlungsdienstnutzers . . 5. Beendigung des Girovertrages .
296 302 313
318 323 325 331 332
VII. Erfüllungswirkung der Kontogutschrift im Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger . . . . . . 337 VIII. Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Banküberweisungen . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . a) Komplexer Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis . . . . . . . . . . b) Grundlegende Korrektur der Rechtsprechung durch Bankrechtssenat des BGH . . . . c) Bestimmung der bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehung . . . . . . . . . . aa) Bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff als Rechtsbegriff . . . . . . bb) Überweisung als Simultanleistung im Valutaund Deckungsverhältnis cc) Zwischengeschaltete Institute regelmäßig als Leistungs„mittler“ . . .
343 343
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7. Teil
Rz.
Rz. a) Unterschiedliche Grundstruktur von Einzugsermächtigungsund Abbuchungsauftragsverfahren . . . . . . . . . . . . . 435 b) Vielzahl nachgeordneter Inkassoverhältnisse . . . . . . . . . 437
2. Rechtswidrig belasteter Girokunde als Bereicherungsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlerhaftes Valutaverhältnis . b) Fehlerhaftes Deckungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . c) Mängelbehaftetes Valuta- und Deckungsverhältnis (sog. Doppelmangel) . . . . . . . . . . 3. Zahlungsinstitut des rechtswidrig belasteten Girokunden als Bereicherungsgläubiger . . . a) Bereicherungsanspruch gegen den Girokunden . . . . . . . b) Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger . aa) Belastetem Girokunden nicht zurechenbare Fehlüberweisung . . . . . . . bb) Unbeachtlichkeit der „Gutgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers . cc) Belastetem Girokunden zurechenbare Fehlüberweisung . . . . . . . . . . . . dd) Kenntnis des Überweisungsempfängers von der Fehlerhaftigkeit . . . . . . 4. Rechtsposition des Empfängerinstituts beim Bereicherungsausgleich . . . . . . . . . . . . a) Empfängerinstitut als Bereicherungsgläubiger . . . . . . . b) Empfängerinstitut als bloßer Leistungs„mittler“ . . . . . . 5. Ergebnis der bereicherungsrechtlichen Bewertung von Fehlüberweisungen . . . . . . . . . . . . 6. AGB-mäßiges Stornorecht . . . . a) Zweck des Stornorechts . . . b) Zeitliche Befristung des Stornorechts . . . . . . . . . . . 3. Abschnitt: Lastschriftverfahren I. Grundsätzliches . . . . . . . . 1. Lastschrift als „rückläufige“ Überweisung . . . . . . . . . 2. Vorzüge des Lastschriftverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 3. Dogmatische Grundstrukturen
361 362 364
366
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372
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386 387 391
399 400 403 407
. 421 . 421 . 424 . 427 . 433
II. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und seinem Institut . 1. Schriftform für Inkassovereinbarung . . . . . . . . . . . . . 2. Erteilung von E.v.-Gutschriften 3. Zeitlich unbegrenztes Rückbelastungsrecht . . . . . . . . 4. Keine Haftung des Gläubigerinstituts für nachgeordnete Inkassoinstitute . . . . . . . .
. 438 . 442 . 443 . 450
. 451
III. Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und seinem Zahlungsinstitut . . . . . . . . . . . . . 1. Abbuchungsauftragsverfahren . . a) Einlösung bei fehlendem Abbuchungsauftrag . . . . . . b) Zeitpunkt der Lastschrifteinlösung . . . . . . . . . . . . . c) Keine Widerspruchsmöglichkeit nach Einlösung der Lastschrift . . . . . . . . . . . . . 2. Einzugsermächtigungsverfahren . a) Vorläufige Einlösung der Lastschrift im Verhältnis zum Gläubigerinstitut durch Belastungsbuchung . . . . . . . . . b) Endgültige Lastschrifteinlösung mit Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis . . . . . . c) Erlöschen des Widerspruchsrechts . . . . . . . . . . . . . 3. SEPA-Lastschriftverfahren . . . . a) Rechtsgrundlagen . . . . . . . b) Ablauf des SEPA-Lastschriftverfahrens . . . . . . . . . . . c) Lastschriftrückgabe . . . . . . 4. Benachrichtigungspflicht bei Nichteinlösung . . . . . . . . . IV. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner (Valutaverhältnis) . . . . . . . . . . 1. Pflichten aus der Lastschriftabrede . . . . . . . . . . . . . a) Gläubigerpflichten . . . . . b) Schuldnerpflichten . . . . .
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452 454 459 462
468 473
474
476 487 499 499 503 511 517
. 518 . 520 . 521 . 525
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Rz. 2. Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner . . . . . . . . . . . . . . . 526 a) Abbuchungsverfahren . . . . 527 b) Einzugsermächtigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 528 V. Rechtsbeziehungen im Interbankenverhältnis . . . . . . . . . . 1. Rückgabe von Lastschriften . . . 2. Wiedervergütung eingelöster Lastschriften . . . . . . . . . . 3. Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter? . . . . . . . . . . . . . a) Schutzpflichten der Schuldnerbank gegenüber dem Lastschriftgläubiger . . . . . . . . aa) Argumente für die Rechtsfortbildung . . . . . . . . bb) Restriktive Annahme von Schutzpflichten . . . . . . b) Dogmatische Vorzüge der Schadensliquidation im Drittinteresse . . . . . . . . . . .
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540
541 546 548
553
VI. Schadensersatzansprüche wegen missbräuchlichen Verhaltens im Rahmen des Lastschriftverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . 556 1. Missbräuchlicher Widerspruch durch Lastschriftschuldner im Einzugsermächtigungsverfahren 558 2. Missbräuchliche Inanspruchnahme des Lastschriftverfahrens . . 564 4. Abschnitt: Scheckinkasso . . . . 571 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . 571 1. Vergleich mit Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 574 2. Erfordernis eines Inkassoauftrages bei bargeldloser Scheckeinlösung . . . . . . . . . . . . . . 576 II. Inkassoverhältnis zwischen Scheckinhaber und erster Inkassostelle . . . . . . . . . . . . . 582 1. Erteilung einer Vorbehaltsgutschrift . . . . . . . . . . . . . . 588 2. Pflichten der Inkassobank bei Nichteinlösung . . . . . . . . . 595
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Rz. 3. Rechtsstellung der Inkassostelle bei unterbliebener Scheckeinlösung . . . . . . . . . . . . . . 599 III. Scheckvertragliche Beziehung zwischen Scheckaussteller und bezogener Bank . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur des Scheckvertrages 2. Abschluss des Scheckvertrages . 3. Rechte und Pflichten der Vertragspartner . . . . . . . . . . . 4. Einlösung des Schecks . . . . . . 5. Zeitpunkt der Einlösung . . . . . a) Barauszahlung . . . . . . . . b) Erteilung einer Kontogutschrift durch die bezogene Bank . . . . . . . . . . . . . c) Einlösung beim Scheckeinzug im bargeldlosen Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . 6. Ansprüche der bezogenen Bank aus der Scheckeinlösung . . . . . a) Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) . . . . . . . . . . b) Bereicherungsanspruch . . . . 7. Schecksperre . . . . . . . . . . 8. Fälschung und Verfälschung von Schecks . . . . . . . . . . . . . a) Unanwendbarkeit der Sphärenhaftung . . . . . . . . . . . . b) Haftung des Kontoinhabers bei Verschulden . . . . . . . . . . c) Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens der bezogenen Bank . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbeziehungen zwischen Scheckberechtigtem und bezogener Bank . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende scheckrechtliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . 2. Vertraglicher Zahlungsanspruch des Scheckberechtigten . . . . . a) Einlösungszusage der bezogenen Bank . . . . . . . . . . . b) Scheckbestätigung . . . . . .
606 607 611 614 618 625 629
631
633 636 637 641 643 645 646 648
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V. Valutaverhältnis zwischen Scheckaussteller und erstem Schecknehmer . . . . . . . . . . 673 1. Rechtliche Konsequenzen der Scheckzahlungsabrede . . . . . . 674 2. Pflichten des Schecknehmers . . 677
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft) Rz. 3. Pflichten des Scheckausstellers 680 4. Erfüllung der Zahlungspflicht . 682 VI. Vertragsbeziehungen zwischen den mitwirkenden Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . 686 VII. Zahlungsverkehrsabkommen für den beleghaften Scheckeinzug . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mitwirkung der Deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . a) Einlieferung in den Abrechnungsverkehr . . . . . . . . b) Vereinfachter Scheck- und Lastschrifteinzug . . . . . . 2. Belegloser Scheckeinzug . . . . VIII. Haftung der Inkassobank und bezogenen Bank gegenüber Scheckberechtigten bei abhanden gekommenen Schecks . . . 1. Problem der Wissenszusammenrechnung . . . . . . . . . 2. Bösgläubigkeit der Bank . . . . 3. Mitverschulden des Scheckberechtigten (§ 254 BGB) . . .
688 695 696 697 702
708 716 721 729
5. Abschnitt: Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs . . . . . 741 I. Datenträgeraustausch . . . . . . 744 II. Datenfernübertragung . . . . . . 747 III. Überleitung belegbegleiteter Überweisungs- und Lastschrifteinzugsaufträge in die beleglose Zahlungsverkehrsabwicklung . . 749 1. EZÜ-Verfahren . . . . . . . . . 751 2. EZL-Verfahren . . . . . . . . . . 755 6. Abschnitt: Kontobezogenes Online-Banking (Direkt-/Homebanking) 761 I. Einführung des Bildschirmtext(Btx-)Verfahrens 1984 . . . . . . 764 II. Institutsspezifisches Leistungsangebot der Kreditwirtschaft . . 766 III. Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Nutzers . . . . 769
Rz. IV. Rechtliche Aspekte des OnlineBanking . . . . . . . . . . . . . 1. Abgabe und Zugang der Willenserklärungen des Kunden . . . . . 2. Haftungsregeln . . . . . . . . . 3. Sperre des Online-BankingAngebotes . . . . . . . . . . . . 4. Finanzielle Nutzungsgrenze . . .
773 775 779 780 781
V. Homebanking über offene Netze (Internet) . . . . . . . . . . . . 782 7. Abschnitt: Kartengesteuerte Zahlungssysteme . . . . . 791 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . 1. Bedürfnis nach Automatisierung der Zahlungsvorgänge . . . . . . 2. Internationales edc-System (electronic debit card) . . . . . . . . 3. Chipkarten der Kreditwirtschaft mit unternehmensbezogenen Zusatzanwendungen . . . . . . . 4. Zahlungskarte als Instrument kartengesteuerter Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verwendung einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) . . II. AGB-mäßige Sonderbedingungen für die Nutzung der Zahlungskarte . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wesentliche Regelungspunkte . . a) Finanzielle Nutzungsgrenzen . b) Umrechnung von Fremdwährungsbeträgen . . . . . . . . . c) Rückgabe, Sperre und Einziehung der Karte . . . . . . . . d) Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten des Karteninhabers . e) AGB-Klauseln zur Erfüllung der Aufklärungspflicht der kartenausgebenden Bank . . . 2. Haftungsregelungen für missbräuchliche Verwendung der Karte . . . . . . . . . . . . . . . a) Verteilung des Schadensrisikos aus einer missbräuchlichen Verwendung der Karte . . . . b) Abhängigkeit der Risikoverteilung vom vertragsmäßigen Kundenverhalten . . . . . . . c) Differenzierungen bei der Kundenhaftung . . . . . . . . . .
Werner
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791 791 792
800
804 814
817 824 826 830 831 832
836
839
841
842 844
827
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Rz. d) Vereinbarkeit mit dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) . . . . . . . . . . 852 e) Angemessenheit der Schadensverteilung . . . . . . . . 853 III. Garantiefunktion der ec-Karte . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . 2. Garantievertrag zwischen Zahlungsempfänger und bezogener Bank . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung der Garantie von Bürgschaft und Schuldbeitritt b) Zustandekommen des Garantievertrages . . . . . . . . . . c) Garantiehaftung auf Grund Rechtsscheinhaftung . . . . . 3. ec-Kartenvertrag mit dem Kontoinhaber (Deckungsverhältnis) . . 4. Einwendungen des bezogenen Instituts gegen die Garantieinanspruchnahme . . . . . . . . IV. Bargeldloses Zahlen an automatisierten Kassen des electronic cash-Systems . . . . . . . . . . 1. Grundstrukturen des electronic cash-Systems . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zum elektronischen Lastschriftverfahren und zur elektronischen Geldbörse . . . . . . . . . . . . . b) Clearing der electronic cashUmsätze durch Lastschrifteinzug . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlagen des electronic cash-Systems . . . . . . . . . . 3. Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstituts als Garantieverpflichtung . . . . a) Zahlungsgarantie als Abgrenzungsmerkmal zum elektronischen Lastschriftverfahren . b) Garantieverpflichtung auf Grund des Gesamtgefüges der bargeldlosen Zahlungssysteme
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V. Bargeldloses Bezahlen ohne Zahlungsgarantie an automatisierten Kassen mittels Lastschrift (POZ-System) . . . . . . 914 VI. Zahlungskarte als Bedienungsmedium für Geldautomaten . . . 920 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . 921
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Rz. 2. Rechtliche Konstruktion der Bargeldauszahlung an institutseigenen Geldautomaten . . . . 3. Benutzung institutsfremder Geldautomaten . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Erstattungsanspruchs des automatenbetreibenden Instituts . . . . b) Erfüllungswirkung der Auszahlung im Verhältnis Kunde/kartenausgebendes Institut 4. Verschaffung des Eigentums an dem ausgegebenen Bargeld . . . 5. Beweisfragen . . . . . . . . . . VII. GeldKarte als elektronische Geldbörse . . . . . . . . . . . 1. „Chipgeld“ als Bargeldersatz . . 2. GeldKarte als „vorausbezahlte“ Geldbörse . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Parallelen zur Grundstruktur des kartengesteuerten Zahlungsverkehrs . . a) Erteilung eines Zahlungsauftrags . . . . . . . . . . . . . b) Begründung einer abstrakten Zahlungsverbindlichkeit des kartenausgebenden Institutes aa) Zustandekommen des Zahlungsanspruchs . . . bb) Übernahme einer Zahlungsgarantie . . . . . . 4. Haftung des Kontoinhabers für missbräuchliche Verwendung der GeldKarte . . . . . . . . . 5. GeldKartengeschäft als genehmigungspflichtiges Bankgeschäft . . . . . . . . . . . .
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8. Abschnitt: Kreditkartengeschäft . 991 I. Wirtschaftliche Funktionen . . . 996 1. Universales Zahlungsmittel . . . 999 2. Bargeldservice . . . . . . . . . . 1002 3. Inanspruchnahme des Karteninhabers im Lastschriftverfahren 1004 4. Kreditfunktion . . . . . . . . . 1007 II. Rechtsnatur des Kreditkartengeschäfts . . . . . . . . . . . . . 1011 1. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Inhaber der Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . 1013
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7. Teil
Rz. a) Rechtsnatur des Belastungsbeleges . . . . . . . . . . . . 1021 b) Ausschluss von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis 1024 2. Rechtsbeziehungen zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen . . . . . . . . . . 1030 a) Zahlungsgarantie des Kartenemittenten . . . . . . . . . . 1033 b) Schuldversprechen (§ 780 BGB) als kein adäquates Sicherungsinstrument . . . . . . . . . . 1037 c) Begründung des Garantieanspruchs . . . . . . . . . . . 1043 d) Forderungskauf statt Zahlungsgarantie? . . . . . . . . 1047 e) Haftung für Schäden aus missbräuchlicher Verwendung der Kreditkarte durch Dritte . . . 1053
Rz. 9. Abschnitt: Reisescheck . . . . . .1071
III. Eigenemission von Kreditkarten durch Kreditinstitute . . . . . . 1059
II. Abweichende Grundkonzeption verschiedener Netzgeldsysteme .1103
I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . .1075 II. Rechtsbeziehung zwischen Ersterwerber und Emittent . . . . .1079 III. Übertragung von Reiseschecks
.1083
IV. Rechtsbeziehung zwischen Emittenten und der einlösenden oder in Zahlung nehmenden Stelle . .1085 V. Einlösung abhanden gekommener Reiseschecks . . . . . . . .1088 VI. Inkasso von Reiseschecks . . . .1092 10. Abschnitt: Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins) . .1101 I. Funktion des Netzgeldes beim bargeldlosen Zahlungsvorgang . .1101
Schrifttum: Albrecht, Zur Haftung von Banken gegenüber Nichtkunden im Zahlungsverkehr, 1988; Barth, Wertstellung und Überweisungslaufzeit im Zahlungsverkehr – Zwingt die Rechtsprechung zu neuen geschäftspolitischen Überlegungen?, in Marburger Beiträge zum Genossenschaftswesen 18, 1990, S. 20; Berghaus, Fälschungs- und Missbrauchsrisiken im Scheck- und Überweisungsverkehr, Bankrecht 1998 (RWS-Forum 12), 1998, 39; Blaurock, Prüfungspflicht und Haftung der Empfängerbank beim beleggebundenen Überweisungsverkehr und beim beleglosen Datenträgeraustausch, ZBB 1990, 83; Blaurock, Haftung der Banken beim Einsatz neuer Techniken im Zahlungsverkehr, CR 1989, 561; Blaurock/Andre, Prüfungspflicht und Haftung der Empfängerbank beim beleggebundenen Überweisungsverkehr und beim beleglosen Datenträgeraustausch, ZBB 1990, 83; Braun, Rechtliche Folgen einer Überweisung bei unzureichender Information des Empfängers, ZIP 1996, 617; Bülow, Scheckrechtliche Anweisungen und Überweisungsvertrag, WM 2000, 58; Bundschuh, Haftung der Banken im Zahlungs- und Scheckverkehr – Ein Rechtsprechungsbericht, RWS-Forum 1: Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, 1987, S. 5; Bydlinski, Bemerkungen zum Regierungsentwurf eines Überweisungsgesetzes, WM 1999, 1064; Bydlinski, Rechtsfragen des internationalen Überweisungsverkehrs: Die EG-Richtlinie vom 27.1.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen, Rostocker Schriften zum Bankverkehr, Heft 3, 1998, 35; Canaris, Der Bereicherungsausgleich im bargeldlosen Zahlungsverkehr, WM 1980, 354; Canaris, Die girovertragliche „Fakultativklausel“ im Lichte des AGB-Gesetzes, ZIP 1986, 1021; Canaris, Die Auswirkungen von Verfügungsverboten vor Konkurs- und Vergleichseröffnung im Girovertragsrecht, ZIP 1986, 1225; Diestelmeier, Die Stellung des zwischengeschalteten Kreditinstituts im bargeldlosen Zahlungsverkehr am Beispiel von Giroüberweisung, Lastschrift- und Scheckinkasso, Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso, Diss. Bochum 1991; von Dücker, Erfüllung einer Geldschuld durch Banküberweisung, WM 1999, 1257; Ehmann/Hadding, EG-Überweisungs-Richtlinie und Umsetzung, WM-Sonderbeil. 3/1999; Einsele, Das neue Recht der Banküberweisung, JZ 2000, 9; Einsele, Haftung des Kreditinstituts bei nationalen und grenzüberschreitenden Banküberweisungen, ACP 198 (1998), 145; von Einem, Rückforderung überzahlter Renten im Wege schlichter Rückbuchung?, SGb 1988, 484 = MDR 1989, 577; Fabienke, Erfüllung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, JR 1999, 47; Fervers, Die Haftung der Ban-
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
ken bei automatisierten Zahlungsvorgängen, WM 1988, 1037; von Gablenz, Die Haftung der Banken bei Einschaltung Dritter, 1983; van Gelder, Schutzpflichten zu Gunsten Dritter im bargeldlosen Zahlungsverkehr, WM 1995, 1253; Gerhardt, Inhalt und Umfang der Sequestrationsanordnungen, ZIP 1982, 1; Göbel, Überblick zum erweiterten Pflichtenkreis der Kreditinstitute aufgrund der EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen, WM 1997, 1832; Gößmann, Der Zahlungsvertrag nach §§ 676d und 676e BGB und die Neufassung des Abkommens zum Überweisungsverkehr, FS Kümpel, 2003, S. 153; Gößmann/van Look, Die Banküberweisung nach dem Überweisungsgesetz, WM-Sonderbeil. 1/2000; Grundmann, Das neue Recht des Zahlungsverkehrs, WM 2009, 1109 und 1157; Grundmann, Grundsatz- und Praxisprobleme des neuen deutschen Überweisungsrechts, WM 2000, 2269; Hadding, Herkömmliche Einzugsermächtigungslastschrift – Fortbestand nach Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie oder Wegfall nach europäischem Interbankenabkommen (SEPA-Rulebook)?, FS Hüffer, 2009, S. 273; Hadding, Leistungsstörungen und Rückgriff nach dem neuen Überweisungsrecht, WM 2000, 2465; Hadding, Leistungsstörungen und Rückgriff nach dem neuen Überweisungsrecht, WM 2000, 2465; Hadding, Die EG-Richtlinie zum grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, in Bankrecht 1998 (RWS-Forum 12), 1998, 125; Hadding, Zum grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr nach deutschem Recht, in Hadding/ Schneider, Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, 1992, S. 13; Hadding, Wertstellung und Überweisungslaufzeiten im Zahlungsverkehr – Zwingt die Rechtsprechung zu neuen geschäftspolitischen Überlegungen?, in Marburger Beiträge zum Genossenschaftswesen 18, 1990, 8; Hadding, Neuere Rechtsprechung zum bargeldlosen Zahlungsverkehr, JZ 1977, 28; Hadding, Drittschadensliquidation und „Schutzwirkungen für Dritte“ im bargeldlosen Zahlungsverkehr, FS Winfried Werner, 1984, S. 165; Hadding/Häuser, Gutschrift und Widerruf des Überweisungsauftrags im Giroverhältnis, WM 1988, 1149; Hadding/Häuser, Rechtsfragen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, 1984; Hadding/Häuser, Rechtsfragen des Giroverhältnisses, ZHR 145 (1981), 138; Hadding/Schneider, Die einheitliche Regelung des internationalen Überweisungsverkehrs durch das UNCITRAL-Modellgesetz, WM 1993, 629; Häuser, Deliktrechtlicher Schadensausgleich bei Ausführung gefälschter Überweisungsaufträge und Einlösung gefälschter Schecks gegenüber dem Fälscher, FS Kümpel, 2003, S. 219; Häuser, Zur Umsetzung der Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen (97/5/EG) in deutsches Recht, WM 1999, 1037; Häuser, Der Widerruf des „Überweisungsauftrags“ im Giroverhältnis, NJW 1994, 3121; Häuser, Zur zivilrechtlichen Bedeutung der sog. Fakultativklausel im Giroverhältnis, ZIP 1982, 14; Häuser/Welter, Zur Rechtzeitigkeit einer fristgebundenen Zahlung durch Hausüberweisung am Kassenterminal, WM 1995, 775; Hamann, Gebührenfragen im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, ZBB 1993, 247; Hartmann, Das neue Überweisungsgesetz, Die Bank 1999, 536; Heinrichs, Freizeichnung im Bankgeschäft, RWS-Forum 1: Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, 1987, S. 115; Hellner, Rechtsprobleme des Zahlungsverkehrs unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ZHR 145 (1981), 109; Hennig, Zahlungsverkehrsabkommen der Spitzenverbände in der Kreditwirtschaft: bankbetriebliche und bankrechtliche Bedeutung, 1991; Hikel, Tragung des EDV-Risikos im Recht der Banküberweisung, 1988; Hirth, Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in ihrer Bedeutung für den Ausgleich von Drittschäden im Zahlungsverkehr, 1991; Hölscheidt, Die Haftung der Banken im Zahlungsverkehr, 1991; Hoffmann, Die Barleistung zwischen gesetzlichem Regelmodel und wirtschaftlicher Last, WM 1995, 1341; Huber, Grenzüberschreitender Zahlungsverkehr und Valutaverhältnis (underlying obligation), in Hadding/Schneider, Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, 1992, S. 33; Hüffer, Haftungsfragen im Bankrecht, WM 1987, 641; Hüffer, Die Haftung gegenüber dem ersten Auftraggeber im mehrgliedrigen Zahlungsverkehr, ZHR 151 (1987), 93; Joust/Dikomey, Bereicherungsausgleich bei fehlgeleiteter Überweisung auf ein überschuldetes Konto des Gläubigers, JuS 1988, 104; Kahler/ Werner, Electronic Banking und Datenschutz, 2008; Klamt/Koch, Das neue Überweisungsrecht, DB 1999, 943; Klamt/Koch, Das neue Überweisungsgesetz, NJW 1999, 2776; Klanten, Haftungsrisiken der Sparkassen im Zahlungsverkehr, Sparkasse 1993, 84;
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Köndgen, Bankhaftung – Strukturen und Tendenzen, in Köttgen (Hrsg.), Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, 1987, 133; Koller, Der Vorschuss bei der Giroüberweisung, der Geldkarte und dem Netzgeld, FS Schimansky, 1999, S. 209; Koller, Grundstrukturen des Bankhaftungsrechts unter besonderer Berücksichtigung des Zahlungsverkehrs, RWS-Forum 1: Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, 1987, S. 21; Koller, Die Bedeutung der dem Überweisungsbegünstigten erteilten Gutschrift im Giroverkehr, BB 1972, 678; Koller/Faust, Die Haftung der Erstbank für Verschulden der Zwischenbank bei der Giroüberweisung, ZBB 1989, 63; Krumm, Ansprüche des Kreditinstituts bei fehlerhafter Ausführung von (An-)Weisungen des Kunden im Zahlungsverkehr, WM 1990, 1609; Kübler, Der Einfluß der Konkurseröffnung auf den Überweisungsverkehr des Gemeinschuldners, BB 1976, 801; Kümpel, Zur Bankenhaftung nach dem neuen Überweisungsrecht, WM 2000, 797; Kümpel, Die begrenzte Haftung der Bank bei weitergeleiteten Kundenaufträgen, WM 1996, 1893; Kupisch, Der Bereicherungsanspruch der Bank bei irrtümlicher Durchführung der widerrufenen Anweisung, ZIP 1983, 1412; Kupisch, Bankanweisung und Bereicherungsausgleich, WM-Sonderbeil. 3/1979; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, Münchener Universitätsschriften Bd. 160, 2001; Langenbucher/Gößmann/Werner, Zahlungsverkehr, 2004; Lauer, Probleme bei Finanzierungsbestätigungen, WM 1985, 705; van Look, Die Banküberweisung und Schuldrechtsreform, FS Kümpel, 2003, S. 329; Meder, Annahme durch Schweigen bei Überweisungsvertrag und Gutschrift, JZ 2003, 443; Merkel, Nichtausführung von Aufträgen bei fehlender Kontodeckung – Zur Haftung des Bankkunden wegen girovertraglicher Pflichtverletzung, FS Kümpel, 2003, S. 365; Metz, Banken und Verbraucher, FS Schimansky, 1999, 83; Möschel, Dogmatische Strukturen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, AcP 186 (1986), 187; Möschel, Fehlerhafte Banküberweisung und Bereicherungsausgleich, JuS 1972, 297; Nobbe, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Überweisungsverkehr, WM-Sonderbeil. 4/2001; Obermüller, Insolvenzrechtliche Wirkungen des Überweisungsgesetzes, ZInsO 1999, 690; Obermüller, Zahlungsverkehr bei Insolvenz des Empfängers – Warnpflichten der Empfängerbank?, ZIP 1981, 1045; Reifner, Das neue Überweisungsgesetz – Ein Paradestück für unzureichende Gesetzgebung im Verbraucherschutz, VuR 1999, 387; Reiser, Fortschreitende Beleglosigkeit im Zahlungsverkehr durch EZÜ- und EZL-Abkommen, WM 1990, 745; Risse, Haftung der Banken nach dem neuen Überweisungsrecht, BB 1999, 2201; Rohe, Netzverträge 1998; Rösler/Werner, Erhebliche Neuerungen im zivilen Bankrecht: Umsetzung von Verbraucherkredit- und Zahlungsdiensterichtlinie, BKR 2009, 1; Salje, Von der Unterschrift zu „Oberschrift“ auf Überweisungsformularen, DB 1990, 309; Schebesta, Rechtsfragen bei ZPD-Konten sowie „Und“-Konten, WM 1985, 1329; Schimansky, Das neue Überweisungsrecht, Bankrecht 2000 (RWS-Forum 17), 2000, 1; Schimansky, Das Recht der Überweisung ab 1. Januar 2001, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 20, 2000, 49; Schimansky, Bankentgelte, Wertstellung, Bankrecht 1998 (RWSForum 12), 1998, 1; Uwe H. Schneider, Die Angleichung des Rechts der grenzüberschreitenden Überweisungen, EuZW 1997, 589; Schnepp, Der Bereicherungsanspruch einer Bank bei irrtümlicher Durchführung eines widerrufenen Auftrages, WM 1985, 1249; Schönle, Ort und Zeit bei geldloser Zahlung, FS Winfried Werner, 1984, S. 817; Schröter, Bankenhaftung im mehrgliedrigen Zahlungsverkehr, ZHR 151 (1987), 118; Schürmann, Haftung im mehrgliedrigen bargeldlosen Zahlungsverkehr, 1994; Schulz, Das neue Recht der Banküberweisung, ZBB 1999, 287; Seiler, Der Bereicherungsausgleich im Überweisungsverkehr, 1998; Terpitz, Rücküberweisung überzahlter Sozialleistungen im Todesfall, WM 1992, 2041; Terpitz, Rückzahlung überzahlter Renten – Vereinbarungen der kreditwirtschaftlichen Verbände über die Rückzahlung von Renten im Todesfall, WM 1987, 393; Trölitzsch/Jaeger, Belege im bargeldlosen Zahlungsverkehr: Grenzen der Rationalisierung im Privatkundengeschäft der Kreditinstitute, BB 1994, 2152; Vogel, Ist die Quittierung der Entgegennahme von Überweisungsaufträgen durch Banken und Sparkassen überflüssig?, DB 1997, 1758; Vollrath, Die Endgültigkeit bargeldloser Zahlungen, 1997; Walkhoff, Weichenstellungen im Zahlungsverkehr – Neues Zahlungsverkehrskonzept und Neuordnung der Wertstellungsregelungen, Sparkasse 1989, 246; Wallach, Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgut-
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
schriften, 1992; Werner, Rechtliche Neuerungen im Lastschriftverfahren – insbesondere das SEPA-Lastschriftverfahren, BKR 2010, 9; Werner, Electronic Banking, Köln 2009; von Westphalen, Verspätete Überweisungen – Einige Bemerkungen zur Rechtslage, BB 2000, 157; Wilkens, Das Überweisungsgesetz, MDR 1999, 1236.
1. Abschnitt Grundlagen 7.1
Da zu den Bankgeschäften im engeren Sinne des Kataloges der erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 KWG aF) auch die „Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs“ – das sog. Girogeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG aF) gehörte, ist nach Inkrafttreten des Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes1 v. 25.6.2009 zum 31.10.2009 zu differenzieren: Durch dieses Gesetz ist für Zahlungsdienstleistungen eine eigenes Aufsichtsrecht geschaffen worden, das Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz – ZAG), das den Zahlungsverkehr außerhalb des KWG regelt. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG bestimmt deshalb, dass nur noch das Scheckeinzugs-, das Wechseleinzugs- und das Reisescheckgeschäft als Bestandteile des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu den erlaubnispflichtigen Bankgeschäften gehören, während es sich bei dem bargeldlosen Zahlungsverkehr im Übrigen um dem ZAG unterfallende Zahlungsdienste handelt, die einer Erlaubnis nach § 8 ZAG bedürfen.
7.2
Der bargeldlose Zahlungsverkehr geht auf den Ende des 16. Jahrhunderts entstandenen Giroverkehr der Banken zurück, nachdem mit dem unbaren Scheckverkehr bereits Mitte des 12. Jahrhunderts in Italien begonnen worden war2. Der Ausdruck „Giro“ kommt aus dem Italienischen und bedeutet „Kreislauf“. Im Jahre 1619 wurde mit der Hamburger Girobank die erste deutsche Bank gegründet, die Zahlungen durch einfache Kontoübertragungen ausführte3.
7.3
Die Durchführung bargeldloser Zahlungen ist eine volkswirtschaftlich bedeutsame Funktion der Kreditinstitute und zukünftig auch der Zahlungsinstitute. Geldschulden werden heute, soweit sie nicht aus Geschäften des täglichen Bedarfs resultieren, ganz überwiegend ohne Verwendung von Bargeld im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs erfüllt. Diese unbare Schuldenregulierung ist für den Rechtsverkehr gegenüber der Bargeldzahlung weniger zeit- und kostenaufwendig. Die Buchgeldzahlung ist zudem weniger risikoreich: Hierbei wird der körperliche Transport von Bargeld vermieden. Diese Vorteile des bargeldlosen Zahlungsverkehrs kommen vor allem bei der Erfüllung der Zahlungsverbindlichkeiten im kaufmännischen Verkehr zum Tra1 Gesetz zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz, BGBl. I 2009, S. 1506). 2 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 46 Rz. 1; Gößmann, Recht des Zahlungsverkehrs, 3. Aufl. 1997. Zum Zahlungsverkehr im EG-Binnenmarkt vgl. Rehm, WM 1991, 757. 3 Humpert in Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 39. Aufl. 1993, S. 609.
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Grundlagen
gen. Hierbei sind häufig größere Geldbeträge in kürzester Frist über große räumliche Distanzen zu zahlen. Die praktische Bedeutung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zeigt sich in seinem Volumen mit hohen Wachstumsraten. Der Giroverkehr, insbesondere in Gestalt der Überweisung und des Lastschriftverfahrens, hat sich im Laufe der Zeit zu einem Massengeschäft entwickelt, das ohne Standardisierung und Einsatz der EDV nicht zu bewältigen wäre. Hierzu haben die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft unter Mitwirkung der Deutschen Bundesbank Richtlinien und Bedingungen aufgestellt1.
I. Buchgeld als Kontoguthaben Beim bargeldlosen Zahlungsverkehr erhält der Gläubiger an Stelle von Bargeld eine entsprechende Gutschrift auf seinem Girokonto. Das hierdurch erzeugte Kontoguthaben wird auch als Giralgeld oder Buchgeld bezeichnet2. Der Geldcharakter zeigt sich darin, dass der Rechtsverkehr mit diesem Kontoguthaben Geldschulden zu bezahlen pflegt. Dieses Kontoguthaben kann zudem kurzfristig durch Auszahlung von Banknoten und Geldmünzen in Bargeld umgewandelt werden.
7.4
Von diesem Buchgeld ist das sog. elektronische Geld zu unterscheiden. Diese Geldart wird im Allgemeinen von Zahlungsdienstleistern gemäß § 1 Abs. 1 ZAG gegen Vorausbezahlung in Form digitaler Werteinheiten – in der Regel auf dem Chip einer Zahlungskarte (Kartengeld) – zur Verfügung gestellt3.
7.5
Die Bezeichnung als „Buch“geld assoziiert im Übrigen, dass dieses unkörperliche Geld als jederzeit verfügbares Kontoguthaben nur in den Büchern des kontoführenden Instituts dokumentiert ist. Die Konten, auf denen das Buchgeld verbucht ist, gehören zu der gesetzlich vorgeschriebenen Buchführung der Kreditinstitute als Kaufleute.
7.6
II. Kontobelastung als Deckung für Buchgeldzahlung Die Erteilung einer Girogutschrift begründet eine Zahlungsverpflichtung des Zahlungsdienstleisters gegenüber seinem Kontoinhaber als Buchgeldempfänger im Sinne eines abstrakten Schuldversprechens oder Schuldanerkenntnisses gemäß §§ 780, 781 BGB4. Die Deckung für diese Zahlungsverbindlichkeit erfolgt wirtschaftlich gesehen aus dem Giroguthaben des Buchgeldzahlers, auf dessen Girokonto eine entsprechende Belastungsbuchung vorgenommen wird. 1 Abgedruckt in Beyritz/Hartmann/Wand, Zahlungsverkehr (Richtlinien, Abkommen, Bedingungen). 2 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1423) = NJW 1994, 2357 ff.; vgl. hierzu Schnauder, ZIP 1994, 1069 ff.; Sonderdruck der Deutschen Bundesbank Nr. 7, 6. Aufl. 1993, S. 20. 3 Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 1995, 128 f.; Gramlich, CR 1997, 11. 4 Nach der vom BGH vertretenen Ansicht handelt es sich um ein Schuldversprechen (Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16).
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7.7
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Das Girokonto des Buchgeldzahlers und des Buchgeldempfängers bilden folglich die beiden Endpunkte jedes bargeldlosen Zahlungsvorganges.
7.8
Die Praxis spricht deshalb häufig davon, dass (Giro-)Guthaben vom Konto des Buchgeldzahlers auf das des Buchgeldempfängers „übertragen“ wird. Dies ist nur aus wirtschaftlicher und buchungstechnischer Sicht zutreffend. Dagegen liegt dieser „Übertragung“ keine Abtretung im Rechtssinne zugrunde (§ 398 BGB). Aus rechtlicher Sicht ist die giromäßige Übertragung von Buchgeld vielmehr ein komplexer Vorgang. Dem Buchgeldempfänger wird das (überwiesene) Buchgeld dadurch „gezahlt“, dass ihm sein Institut (Empfängerinstitut) eine entsprechende Gutschrift auf seinem Girokonto erteilt und damit einen hierdurch erst entstandenen abstrakten Zahlungsanspruch verschafft. Das Empfängerinstitut wiederum erhält von der ihm in der Girokette vorgeschalteten Bank entsprechendes Buchgeld als „Deckung“, damit sein Vermögen nicht durch ihre Zahlungsverbindlichkeit gegenüber dem Buchgeldempfänger aus der erteilten Kontogutschrift geschmälert wird. Diese Deckung beruht letztlich auf einer Belastung des Girokontos des Buchgeldzahlers. Rechtlich gesehen liegt in der „Übertragung“ von Kontoguthaben eine rechtskonstitutive Begründung neuen Giroguthabens des Buchgeldempfängers und eine entsprechende Verringerung des Giroguthabens des Buchgeldzahlers vor. Mit Hilfe dieses, vom Konto des Buchgeldzahlers abgebuchten Buchgeldes wird der Giroverkehr für die daran mitwirkenden Zahlungsdienstleister, zu denen Zahlungsinstitute und Kreditinstitute gehören (Girokette), zu einem vermögensneutralen Zahlungsvorgang.
7.9
Dieser bargeldlose Zahlungsvorgang kann sowohl vom Konto des Buchgeldzahlers als auch von dem des Buchgeldempfängers beginnen. Dies hängt davon ab, ob der Buchgeldzahler oder der Buchgeldempfänger den Zahlungsvorgang veranlasst. Im Falle einer Überweisung liegt die Initiative beim Überweisenden (Schuldner). Soweit der Buchgeldzahler zur Tilgung seiner Geldschuld einen Scheck übergeben oder eine Lastschrift-Einzugsermächtigung gegeben hat, erteilt dagegen der Buchgeldempfänger seinem kontoführenden Institut einen „Einzugs“auftrag, bei dessen Ausführung seinem Girokonto ein bestimmter Betrag zu Lasten des Kontos des Buchgeldzahlers gutgeschrieben wird. Bei diesen Inkassoaufträgen wird also die Buchgeldzahlung durch den Buchgeldempfänger initiiert. Im Vergleich zur Überweisung werden damit die Zahlungsströme bei einem Scheck- oder Lastschriftinkasso aus umgekehrter Richtung ausgelöst.
III. Mitwirkungserfordernis der Zahlungsdienstleister
7.10
Die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs setzt stets voraus, dass zumindest die Buchgeldempfänger (Giro-)Konten unterhalten. Im Regelfall wird hierbei auch ein Girokonto des Buchgeldzahlers belastet. Dabei muss es sich um ein bei einem Zahlungsdienstleister geführtes Konto handeln, da es sich bei der Vermittlung solcher Buchzahlungen um einen erlaubnispflichtigen Zahlungsdienst gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 8 ZAG handelt. 834
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7. Teil
Grundlagen
Der dem Girokonto zugrunde liegende Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675f Abs. 2 BGB) verpflichtet das Zahlungsinstitut, sämtliche Zahlungsverkehrsvorgänge zu Gunsten ihres Kunden oder zu seinen Lasten auf dessen (Giro-) Konto zu verbuchen. Dementsprechend sind die für den Kunden bestimmten Geldeingänge dem Konto gutzuschreiben, Überweisungsaufträge im Rahmen des Giroguthabens oder eines eingeräumten Kredites auszuführen und die den Kunden betreffenden Lastschriften bei ausreichendem Guthaben oder Krediteinräumung einzulösen1. Ein Kreditinstitut ist darüber hinaus regelmäßig zusätzlich auch verpflichtet, die vom Kunden eingereichten Schecks einzuziehen (Scheckinkasso).
7.11
Die den bargeldlosen Zahlungsverkehr vermittelnden Institute schaffen die technisch-organisatorische Verknüpfung zwischen dem Girokonto des Buchgeldzahlers und dem des Zahlungsempfängers als den beiden Endpunkten des Zahlungsvorganges. Dabei ist die Anzahl der mitwirkenden Institute von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig.
7.12
Haben Buchgeldempfänger und Buchgeldzahler das Girokonto bei demselben Institut, genügt eine einfache Umbuchung durch Gutschriftserteilung und korrespondierende Kontobelastung (sog. Kontoübertrag oder Hausüberweisung). Von Filialüberweisungen spricht man dagegen, wenn bei einem Filialinstitut mit mehreren regionalen Buchungsstellen die Umbuchung nicht von derselben Buchungsstelle vorgenommen werden kann.
7.13
Filialüberweisung und Hausüberweisung sind grundsätzlich rechtlich gleich zu behandeln, da der erstbeauftragte Zahlungsdienstleister und die kontoführende Filiale des Buchgeldempfängers unselbständige Teile eines einheitlichen Gesamtunternehmens sind2. Deshalb werden die Ausführung des Überweisungsauftrages und die Kontogutschrift von demselben Rechtssubjekt geschuldet. Der für den bargeldlosen Zahlungsverkehr typische „Transport“ von Geldvermögen erfolgt hier nicht.
7.14
Unterhalten dagegen Buchgeldempfänger und Buchgeldzahler das Girokonto bei verschiedenen Instituten, kommt es zu einem außen- oder zwischenbetrieblichen Zahlungsvorgang. Bei einem solchen mehrgliedrigen Zahlungsverkehr kommt es häufig zur Zwischenschaltung weiterer Institute (sog. Kettenüberweisung)3. Dieser institutsübergreifende Zahlungsverkehr setzt Verrechnungs„netze“ und standardisierte Kommunikationsformen voraus. Hierzu sind zahlreiche Abkommen und Vereinbarungen für das gesamte Bankgewerbe von den Spitzenverbänden der einzelnen Institutsgruppen abgeschlossen worden, die im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) zusammengeschlossen sind4.
7.15
1 2 3 4
Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 4. BGH v. 12.2.1952 – I ZR 98/51, LM § 355 HGB Nr. 4 = NJW 1952, 499. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 46 Rz. 6. Vgl. hierzu Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 46 Rz. 7.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
IV. Zugang des Publikums zum bargeldlosen Zahlungsverkehr
7.16
Die Kontoverbindung als eine unverzichtbare Voraussetzung für die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr und dessen wachsende Bedeutung auch für breite Bevölkerungsschichten hat zu rechtspolitischen Initiativen geführt, das Recht auf ein Girokonto auf Guthabenbasis gesetzlich zu verankern1. Die im Zentralen Kreditausschuss zusammengeschlossenen kreditwirtschaftlichen Verbände haben deshalb in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen eine Empfehlung zum Girokonto für jedermann erarbeitet. Darin erklären die Kreditinstitute, jedem Bürger innerhalb bestimmter Zumutbarkeitsgrenzen ein laufendes Konto zur Verfügung zu stellen und damit die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr zu ermöglichen2. Unzumutbar ist die Eröffnung oder Fortführung eines Kontos dagegen insbesondere, wenn der Kunde die Leistungen der Bank zB durch Betrug oder Geldwäsche missbraucht, für das Vertragsverhältnis wesentliche Falschangaben macht oder nicht sichergestellt ist, dass die Bank die für die Kontoführung und -nutzung vereinbarten üblichen Entgelte erhält3.
V. Abgrenzung zur Bargeldzahlung
7.17
Im Rahmen des Geldgiroverkehrs wird dem Gläubiger Buch-(Giral-)Geld in Form einer Kontogutschrift statt Bargeld verschafft. Unter Bargeld sind Banknoten und Geldmünzen zu verstehen. Wegen seiner Körperlichkeit wird das Bargeld auch als Sachgeld bezeichnet im Unterschied zum unkörperlichen Buchgeld des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Form von Kontogutschriften.
7.18
Mit der Einführung des Euro hat die Europäische Zentralbank (EZB) das ausschließliche Recht zur Genehmigung der Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft. Zu dieser Ausgabe sind die EZB und die nationalen Zentralbanken berechtigt. Die emittierten Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Gemeinschaft als gesetzliches Zahlungsmittel gelten (Art. 106 Abs. 1 EG-Vertrag/Art. 128 Abs. 1 AEUV, Art. 16 EZB-Satzung). Die Mitgliedstaaten haben weiterhin das Recht zur Ausgabe von Münzen. Der EG-Rat kann nach Anhörung der EZB Maßnahmen erlassen, um die Stückelung und die technischen Merkmale für den Umlauf bestimmter Münzen soweit zu harmonisieren, wie dies für den reibungslosen Umlauf innerhalb der Gemeinschaft erforderlich ist (Art. 106 Abs. 2 Satz 2 EG-Vertrag/Art. 128 Abs. 2 Satz 2 AEUV). Der Umfang solcher Emissionen bedarf jedoch der Genehmigung der EZB (Art. 106 Abs. 2 Satz 1 EG-Vertrag/Art. 128 Abs. 2 Satz 1 AEUV). Diese Münzen haben als einzige in allen Mitgliedstaaten die Eigenschaft eines ge1 BT-Drucks. 13/856 (SPD), 13/137 (PDS) und 13/351 (Bündnis 90/Die Grünen). Der Deutsche Bundestag hatte die Bundesregierung aufgefordert, ihn über die Umsetzung der ZKA-Empfehlung bis zum 31.12.1999 zu berichten. 2 Abgedruckt in Die Bank 1995, 635. 3 Zur Diskussion vgl. insbesondere Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 2; Segna, BKR 2006, 274 (275).
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Grundlagen
setzlichen Zahlungsmittels (Art. 11 der EG-Verordnung Nr. 974/98 des EGRates v. 20.5.1998 über die Einführung des Euro [Euro-Einführungs-VO]). Mit Ausnahme der emittierenden Behörde und der Personen, die in den nationalen Rechtsvorschriften der ausgebenden Mitgliedstaaten speziell benannt werden, ist niemand verpflichtet, mehr als fünfzig Münzen bei einer einzelnen Zahlung anzunehmen (Art. 11 Euro-Einführungs-VO). Für die Ausgabe von Münzen galt bisher das Münzgesetz v. 8.7.1950, das durch das Münzgesetz v. 16.12.19991 (MünzG) ersetzt wurde. Die im bargeldlosen Zahlungsverkehr erteilten Kontogutschriften stellen dagegen kein gesetzlich anerkanntes Zahlungsmittel dar2. Dieser Kontogutschrift liegt nach Rechtsprechung3 und herrschender Lehre4 ein Forderungsrecht gegen das kontoführende Institut in Form eines abstrakten Zahlungsanspruches im Sinne eines Schuldversprechens oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) zugrunde. Aus der Sicht der privatrechtlichen Geldtheorie ist also zu konstatieren, dass die Entwicklungen im technisch-organisatorischen Bereich wie auch das immense Volumen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht dazu geführt haben, das Giralgeld „ohne die Krücke der Vorstellung eines Forderungsrechts zu denken“, wie dies einmal als konsequente Weiterentwicklung des Geldbegriffs erwartet worden ist5.
7.19
Die Funktion des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, die Bargeldzahlung durch Verschaffung von Buch-(Giral-)Geld zu ersetzen, erfordert, dass dem Zahlungsempfänger eine ähnliche sichere Rechtsposition wie beim Erhalt von Bargeld eingeräumt wird6. Das Buchgeld soll wie bares Geld verwertet werden können7. Dies setzt voraus, dass der Buchgeldempfänger einen rechtlich selbständigen Zahlungsanspruch gegen das kontoführende Institut erwirbt, der keinen Einwendungen und Einreden weder aus seinem Valutaverhältnis zum Buchgeldzahler noch aus dem zwischen dem Buchgeldzahler und seinem kontoführenden Institut bestehenden Deckungsverhältnisses ausgesetzt ist8. Auch muss ausgeschlossen sein, dass die Kontogutschrift durch eine Willenserklärung, etwa eines Widerrufs der zugrunde liegenden Überweisung (nach altem Recht durch eine Kündigung des Überweisungsvertrags gemäß § 676b Abs. 3 Satz 3 und 4 BGB aF), wieder beseitigt werden kann9. Anderenfalls wäre
7.20
1 BGBl. I 1999, S. 2401. 2 Vgl. BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559 (560) = BGHZ 87, 156 ff. = NJW 1983, 1605 ff. 3 Nach der BGH-Rechtsprechung liegt ein Schuldversprechen vor (Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16 mwN). 4 Vgl. Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1150). 5 Vgl. Reinhardt in FS Boehmer, 1954, S. 60 (71); Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1155). 6 OLG Frankfurt v. 22.1.1985 – 5 U 77/84, WM 1985, 512 (513); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 410; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1150). 7 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. 8 Bröker, WM 1995, 468 (469). 9 Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. C/14.
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die Verkehrsfähigkeit des Buchgeldes erheblich beeinträchtigt1. Dies spricht dafür, der Kontogutschrift im bargeldlosen Zahlungsverkehr einen solchen abstrakten Zahlungsanspruch zugrunde zu legen, wie er durch ein Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis begründet wird.
7.21
Diese Abstraktheit zeigt sich darin, dass der Rechtsgrund für diesen Zahlungsanspruch nicht in dem Schuldversprechen oder -anerkenntnis liegt, sondern außerhalb dieser Rechtsgeschäfte, beim bargeldlosen Zahlungsverkehr regelmäßig im Valutaverhältnis zwischen Buchgeldempfänger und Buchgeldzahler.
7.22
Für die Entstehung von Buch-(Giral-)Geld im Sinne eines eigenständigen abstrakten, jederzeit disponiblen Zahlungsanspruches ist es im Übrigen nicht ausreichend, dass dem Kunden des Zahlungsdienstleisters eine kontomäßige Gutschrift erteilt wird. Hierzu bedarf es vielmehr der Eröffnung eines Girokontos, das den Abschluss eines entsprechenden Zahlungsdienstrahmenvertrags, des Girovertrags, voraussetzt. Nur ein solches Vertragsverhältnis verpflichtet die Bank zur Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs2. Keine Girokonten stellen deshalb Konten dar, bei denen der Kontoinhaber zwar über sein Guthaben jederzeit verfügen kann, aber nur durch Barabhebungen oder durch Übertrag auf ein bestimmtes („Referenz“-Giro-)Konto. Hier fehlt es an der girovertraglichen Vereinbarung, die erforderlich ist, um einem Kontoguthaben die Rechtsqualität von Buchgeld zubilligen zu können3.
7.23
Aus diesem Grund stellt auch eine Gutschrift auf einem Konto „pro Diverse“ kein Buchgeld dar, selbst wenn aus der Sicht der Bank eine nicht nur vorläufige Buchung vorgenommen werden soll4.
VI. Erfordernis des Einverständnisses des Buchgeldempfängers
7.24
Eine Geldschuld kann nach der BGH-Rechtsprechung grundsätzlich nur in bar erfüllt werden, also durch Übereignung von gesetzlichen Zahlungsmitteln5. Der Gläubiger gerät daher grundsätzlich nicht in Annahmeverzug (§ 293 BGB), wenn er die Bezahlung der Schuld durch Gutschrift auf dem Girokonto zurückweist. Die Zahlung mit Buchgeld hat folglich schuldbefreiende Wirkung nur in den Fällen, in denen die Parteien dies ausdrücklich oder stillschwei-
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 410. 2 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (128) = BGHZ 106, 259 ff. = NJW 1989, 582 f.; vgl. hierzu Bunte, JR 1989, 375 f. 3 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 1. 4 BGH v. 12.5.1958 – II ZR 103/57, WM 1958, 776; BGH v. 4.12.1958 – II ZR 60/57, WM 1959, 113; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 463; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22. 5 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559 (560) = BGHZ 87, 156 ff. = NJW 1983, 1605 ff.; BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875 (876) = BGHZ 98, 24 ff. = NJW 1986, 2428 ff.
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gend (konkludent) vereinbart haben1. Dann steht die Kontogutschrift der Barzahlung völlig gleich2. Soweit für die Buchgeldzahlung ein Girokonto bestimmt worden ist, tritt die Tilgungswirkung nur bei einer Kontogutschrift auf diesem Konto ein3. Bezeichnet der Gläubiger dieses Konto versehentlich falsch, trägt er im Ergebnis die durch eine darauf erteilte Gutschrift entstandene Verlustgefahr (analog § 270 Abs. 3 BGB)4.
1. Nachteile einer Buchgeldzahlung für den Buchgeldempfänger Das Erfordernis eines Einverständnisses mit der Buchgeldzahlung erklärt sich daraus, dass diese Form der Schuldentilgung auch Nachteile für den Gläubiger haben kann5. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Konto, auf das der überwiesene Geldbetrag verbucht wird, einen Schuldsaldo ausweist, so dass für den Kunden kein verfügbares Kontoguthaben entstehen kann. Dies gilt nach hM auch insoweit, als die Gutschrift aus der Überweisung des Arbeitseinkommens in Höhe der durch § 850k ZPO vollstreckungsgeschützten Teilbetrages resultiert6.
7.25
Nachteile für den Empfänger des Buchgeldes können sich auch ergeben, wenn sein Bankkonto von einem Gläubiger gepfändet worden ist. In einem solchen Fall könnte der Buchgeldempfänger nicht ohne weiteres über den überwiesenen Betrag wieder verfügen, wie dies dem Gläubiger bei einer Erfüllung der Geldverbindlichkeit mit Bargeld stets möglich ist. Aus diesem Grunde hat der BGH auch die frühere Fakultativklausel auf den Überweisungsvordrucken – hier befand sich hinter der Bezeichnung des Kontos des Überweisungsbegünstigten der ausgedruckte Hinweis: „oder einem anderen Konto des Empfängers“ – wegen unangemessener Benachteiligung des Begünstigten für unwirksam nach § 9 AGBG aF (= § 307 BGB) erkannt7.
7.26
Es ist daher auch umstritten, ob die Bank einen Überweisungsbetrag, der einem bestimmten Verwendungszweck dient, wie zB das im bargeldlosen Zahlungsverkehr überwiesene Kindergeld, einem guthabenlosen Konto des kindergeldberechtigten Vaters gutschreiben und sodann hiergegen mit ihrer
7.27
1 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559 (560); BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/ 85, WM 1986, 875 (876); BGH v. 28.10.1998 – VIII ZR 157/97, WM 1999, 11 = NJW 1999, 210 f. Nach Schimansky muss eine Überweisung, sofern sich nach der Verkehrsanschauung keine eindeutige Barleistungspflicht ergibt, zulässig sein, wenn sie nicht im Einzelfall ausdrücklich oder konkludent ausgeschlossen wird (Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 199); vgl. weiter von Dücker, WM 1999, 1257. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 21. 3 BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875. 4 BFH v. 10.11.1987 – VII R 171/84, WM 1988, 252 (253) mwN; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22. 5 BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875 (877); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 470. 6 LG Landshut v. 8.3.2001 – 13 S 189/01, WM 2001, 1151 (1152). 7 BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875 (876 f.) = BGHZ 98, 24 ff. = NJW 1986, 2428 ff.
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Gegenforderung aus einem gewährten Kredit aufrechnen kann1. Hier könnte eine Berufung der Bank auf ihre Befugnis aus dem Girovertrag zur kontomäßigen Gutschrift eingehender Beträge einen sog. individuellen Rechtsmissbrauch iS des § 242 BGB darstellen.
2. Einverständnis durch konkludentes Verhalten
7.28
Ein stillschweigendes Einverständnis des Gläubigers mit der Zahlung von Buchgeld statt mit Bargeld liegt in der Regel in der Bekanntgabe des Girokontos auf Briefen, Rechnungen, Preislisten und dergleichen. Dasselbe gilt, wenn der Zahlungsempfänger schon früher Überweisungen des Überweisenden widerspruchslos entgegengenommen hat oder die Überweisung nicht unverzüglich nach Übermittlung des Kontoauszuges mit der diesbezüglichen Gutschriftsbuchung zurückgewiesen hat2. Liegt auf diese Weise das stillschweigende Einverständnis des Gläubigers vor, tritt mit der Gutschrift die Erfüllungswirkung ein. Dabei kann es nach der BGH-Rechtsprechung dahingestellt bleiben, ob hier eine Leistung iS des § 362 Abs. 1 BGB oder eine Leistung an Erfüllungs statt iS des § 364 Abs. 1 BGB vorliegt3.
7.29
In bestimmten Fallkonstellationen ist jedoch ein solches Einverständnis des Gläubigers mit der Erfüllung der Zahlungsverbindlichkeiten durch Verschaffung von Buchgeld nicht erforderlich. Denn das Gesetz hat in bestimmten Fällen die Zahlung von Buchgeld der Barzahlung ausdrücklich gleichgestellt. So kann zB der Aktionär seine Einlagenverpflichtung durch Gutschrift auf ein Bank- oder Postscheckkonto der Gesellschaft erfüllen (§ 54 Abs. 3 AktG). Nach der Abgabenordnung können Steuerschulden auf einem Girokonto des Finanzamtes beglichen werden (vgl. § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO). Umgekehrt sind auch Zahlungen der Finanzverwaltung grundsätzlich bargeldlos zu leisten (§ 224 Abs. 3 Satz 1 AO). Tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung kann bestimmt werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt durch Überweisung auf ein Konto des Arbeitnehmers zahlt. Ca. 80 bis 90 % der Arbeitnehmer besitzen inzwischen ein Lohn- oder Gehaltskonto.
1 Vgl. AG Marbach v. 23.9.1986 – C 334/86, WM 1987, 283. 2 OLG Karlsruhe v. 2.11.1996 – 4 U 49/95, WM 1996, 2007; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 471 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 21. 3 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559 (560) = BGHZ 87, 156 ff. = NJW 1983, 1605 ff.; BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875 (876); BGH v. 28.10.1998 – VIII ZR 157/97, WM 1999, 11; nach Nobbe liegt eine Leistung an Erfüllungs statt vor (WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 21 mwN); vgl. Meder, NJW 1993, 3245 (3246) (Fn. 14, 15) mwN. Nach Gößmann/Häuser ist diese Streitfrage bei der Umsetzung der EGÜberweisungsrichtlinie durch § 676f BGB zu Gunsten des § 362 Abs. 1 BGB entschieden worden (WM 2000, Sonderteil Nr. 1, S. 21).
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VII. Rechtliche Einordnung des Zahlungsvorganges Bei der Buchgeldzahlung wird dem Girokonto des Buchgeldempfängers eine Gutschrift erteilt und auf dem Girokonto des Buchgeldzahlers eine entsprechende Belastungsbuchung vorgenommen. Die rechtliche Einordnung dieser beiden wirtschaftlich zusammengehörenden Kontobuchungen betrifft zentrale Fragestellungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Dies gilt vor allem für die Gutschriftserteilung. Wegen der fehlenden gesetzlichen Regelung hat die Rechtsprechung die rechtlichen Maßstäbe zu konkretisieren, an denen sich die Rechtspraxis orientieren kann1.
7.30
1. Rechtsnatur der Kontogutschrift Einvernehmen besteht, dass das der Kontogutschrift zugrunde liegende Forderungsrecht eine abstrakte Zahlungsverbindlichkeit des kontoführenden Kreditinstitutes aus einem Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) darstellt.
7.31
Während der BGH es dahingestellt sein lässt, welcher dieser beiden Vertragstypen der Gutschriftsbuchung zugrunde liegt, sieht das Schrifttum in der Kontogutschrift ein Schuldversprechen2. Die Unterscheidung zwischen selbständigem Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis ist freilich nur äußerer Natur3. Inhaltlich und in der Praxis fließen beide Vertragstypen ineinander.
7.32
Mit Rücksicht auf den Vertragscharakter des Schuldversprechens wie des Schuldanerkenntnisses beruht der Anspruch des Buchgeldempfängers aus der Kontogutschrift und damit das Buchgeld auf einem vertragsrechtlichen Entstehungstatbestand. Wie dieser Tatbestand unter Berücksichtigung der tatsächlichen Abläufe im bargeldlosen Zahlungsverkehr und den hierbei berührten Interessen sämtlicher an der Buchgeldzahlung Beteiligter verwirklicht wird, ist umstritten. Nach Ansicht des BGH wird im Anschluss an Schönle der anspruchsbegründende vertragsrechtliche Entstehungstatbestand schon bei Einrichtung des Girokontos verwirklicht. Bei dem hierin liegenden konkludenten Abschluss des Girovertrages werde zugleich ein Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis global und aufschiebend bedingt vereinbart. Diese Bedingung trete mit der jeweiligen Kontogutschrift ein. Die Gutschrift sei die Rechtshandlung, die das global abgegebene Schuldversprechen der Bank dem Inhalt und der Höhe nach konkretisiert4.
7.33
1 Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1152). 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 415; Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. C/14; Wallach, Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992, S. 8 mwN; BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) spricht ebenfalls nur von Schuldversprechen; vgl. weiter Böker, WM 1995, 468 (469); nach Nobbe stellt die Gutschrift ein Schuldversprechen dar (WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16). 3 Sprau in Palandt, § 780 BGB Rz. 1. 4 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. unter Bezugnahme auf Schönle in FS Werner, 1984, S. 817 (826); Hefer-
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7.34
Diese Rechtshandlung unterscheidet sich von einem einseitigen Rechtsgeschäft dadurch, dass ihre Rechtsfolgen unabhängig vom Willen des Handelnden eintreten, während das Rechtsgeschäft rechtliche Wirkungen nur hervorruft, weil sie gewollt sind1. Die Rechtswirkung der Kontogutschrift würde deshalb kraft Gesetzes eintreten (§ 158 Abs. 1 BGB). Nach dieser Konstruktion bedarf es für das Entstehen des Anspruches aus der Gutschrift schon deshalb keiner Kontomitteilung an den Begünstigten, weil die Kontogutschrift keine Willenserklärung darstellt, zu deren Wirksamwerden nach allgemeinen Grundsätzen der Zugang beim Erklärungsempfänger erforderlich ist (§ 130 BGB).
7.35
Gegen diese rechtliche Konstruktion der Kontogutschrift spricht jedoch, dass die dem Buchgeldempfänger später durch Gutschriftsbuchungen zu verschaffenden Zahlungsansprüche noch inhaltlich, insbesondere betragsmäßig zu konkretisieren sind. Die Funktion einer solchen Konkretisierung ist aber der rechtsgeschäftlichen Bedingung wesensfremd2. Es bedarf deshalb einer den jeweiligen Gutschriftbetrag beziffernden Erklärung des kontoführenden Kreditinstitutes, die eine Willenserklärung darstellt3.
7.36
Nach der herrschenden Literaturmeinung im Anschluss an Koller4 verfügen die Kreditinstitute über ein „ausfüllendes Gestaltungsrecht“.
7.37
Gegen die Annahme eines solchen Gestaltungsrechts spricht auch nicht, dass die kontoführende Bank zur Gutschrift des für den Kontoinhaber eingegangenen Geldbetrages und damit zur Ausübung ihres Gestaltungsrechts verpflichtet ist. Eine solche Verpflichtung besteht auch beim Leistungsbestimmungsrecht des § 315 BGB, das eine praktische bedeutsame Variante der Gestaltungsrechte darstellt5.
7.38
Mit dem Girovertrag ist zugleich rahmenartig ein abstraktes Schuldversprechen vereinbart und den Kreditinstituten die Befugnis eingeräumt, durch rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts den Anspruch aus der Gutschrift im Einzelfall nach Inhalt und Höhe zu konkretisieren. Zu einer
1 2 3 4
5
mehl in FS Möhring, 1975, S. 381 (390). Nach Wallach (Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992, S. 11) ist jedoch die Funktion einer inhaltlichen Konkretisierung der rechtsgeschäftlichen Bedingungen wesensfremd. Heinrichs in Palandt, Überbl. v. § 104 BGB Rz. 4. Wallach, Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992, S. 11; vgl. weiter Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1151). Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 9. Koller, BB 1972, 687 (692); Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 217; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1151 mwN); Hadding/Häuser, WM 1989, 589 (591); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 417; Wallach, Die Befugnis der Banken zur Stornierung von Überweisungsgutschriften, 1992, S. 10 f. Nach Gernhuber ist der forderungsbegründende Akt bei der Gutschrift ein einseitiges Rechtsgeschäft der Bank (Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2. Aufl. 1994, S. 209 f.). Nach Meder bedarf es einer Annahme der in der Gutschriftserteilung liegenden Willenserklärung der Bank, die mit dem Schweigen auf die Kontogutschrift erklärt wird (WM 1999, 2137 [2138]). Gottwald in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 315 BGB Rz. 1.
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solchen Konkretisierung der Leistungspflicht kommt es, wenn einem der Vertragspartner das Recht zusteht, „die geschuldete Leistung zu bestimmen“ (§ 315 BGB), und er von diesem Gestaltungsrecht Gebrauch macht1. Bei diesem Leistungsbestimmungsrecht handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung2. Dieses Zugangserfordernis entspricht nicht der Interessenlage des Kontoinhabers. Das zugrunde liegende Forderungsrecht soll baldmöglichst wirksam entstehen, damit verfügbares Giroguthaben vorhanden ist3. Dieser Zeitpunkt für den Erwerb würde jedoch hinausgeschoben werden, wenn hierfür der Zugang der Mitteilung über diese Kontogutschrift durch den sog. Tagesauszug zu ihrem Wirksamwerden erforderlich wäre.
7.39
Der Anspruch aus der Kontogutschrift entsteht deshalb nach allgemeiner Meinung durch die Gutschrift als solche4. Es bedarf also keiner Annahmeerklärung des Buchgeldempfängers oder dessen Kenntnis5. Die Gutschriftsbuchung braucht ihm nicht einmal mitgeteilt zu werden6.
7.40
Die Entstehung des Zahlungsanspruchs schon im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kontogutschrift bedeutet, dass das Zugangerfordernis, wie es in § 130 Abs. 1. Satz 1 BGB für das Wirksamwerden einer Willenserklärung gegenüber Abwesenden normiert ist, als stillschweigend abbedungen gilt7. Die Regelung des § 130 BGB ist nach allgemeiner Meinung nicht zwingend. Deshalb können über das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen abweichende Vereinbarungen getroffen werden8. Zulässig ist die Abrede, dass die Willenserklärung schon vor ihrem Zugang zu einem anderen früheren Zeitpunkt wirksam werden soll9, zB schon bei ihrer Abgabe10.
7.41
Für das Wirksamwerden der Kontogutschrift genügt andererseits nicht allein ihre technische Vornahme. Hinzukommen muss, dass das Zahlungsinstitut auch den hierfür erforderlichen Rechtsbindungswillen verlautbart hat11. So dürfte es zulässig sein, sich gegenüber ihren Girokunden in ausreichend trans-
7.42
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Vgl. Heinrichs in Palandt, § 315 BGB Rz. 11. Gottwald in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 315 BGB Rz. 33. Hadding/Häuser, ZHR 145 (1981), 138 (159). Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16 mwN. BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 53; BGH v. 9.3.1951 – I ZR 38/ 50, NJW 1951, 437. Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 217. RGZ 108, 91 (96); Dilcher in Staudinger, 12. Aufl. 1980, § 130 Rz. 18; Heinrichs in Palandt, § 130 BGB Rz. 19. Einsele in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 130 BGB Rz. 12 mwN; Hefermehl in Soergel, 13. Aufl. 1999, § 130 BGB Rz. 7. Krüger-Nieland in RGRK-BGB, § 130 BGB Rz. 28; Flume, Allgemeiner Teil des BGB, Bd. III, 1992, S. 227. BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322); Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 226; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1155).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
parenter Form, etwa in den übersandten Kontoauszügen, vorzubehalten, dass die darin ausgewiesenen Gutschriften erst wirksam werden, wenn sie nicht innerhalb von zwei Tagen nach dem darin bezeichneten Buchungsdatum storniert werden.
2. Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kontogutschrift
7.43
Unabhängig von der rechtlichen Begründung, wie der Anspruch aus der Gutschrift im Einzelnen entsteht, kann die Gutschrift nach alledem erst dann wirksam werden, wenn sich der erforderliche Rechtsbindungswille des kontoführenden Instituts manifestiert hat1. Deshalb kann der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Gutschrift nicht einheitlich bestimmt werden, sondern ist auch von dem angewandten Buchungsverfahren abhängig2.
7.44
Einer wirksamen Gutschrift liegt ein Forderungsrecht aus einem Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis und damit aus einem Vertragsverhältnis zugrunde. Zum Wesen jeden Vertrages gehört aber die rechtliche Bindung der Partner. Es bedarf daher zumindest eines konkludenten Verhaltens, das den erforderlichen Bindungswillen ausdrückt. a) Manuelle Gutschriftsbuchung
7.45
Soweit die Verbuchung der Gutschrift manuell erfolgt, manifestiert sich dieser Rechtsbindungswille nach allgemeiner Meinung im Zeitpunkt der Buchung der Gutschrift3. Mit dieser Buchung wird das „ausfüllende Gestaltungsrecht“ ausgeübt, wie es dem Zahlungsinstitut im Interesse eines frühestmöglichen Wirksamwerdens der Gutschrift zugebilligt wird4. Die Buchung war deshalb bislang das „Symbol des Buchgeldes“5. Denn bei der manuellen Buchung kontrolliert der kontoführende Institutsmitarbeiter die Ordnungsmäßigkeit der Gutschrift schon vor ihrer Erteilung. Mit Rücksicht auf diese sog. Vordisposition kann diese Gutschriftsbuchung als rechtsgeschäftlich gewollt angesehen werden. b) EDV-Gutschrift
7.46
Die präzise Festlegung des Zeitpunktes der Gutschrift ist durch die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) etwas schwieriger geworden6. Bei der EDV-mäßigen Bearbeitung des Zahlungsverkehrsvorganges kann aber nicht schon in der Eingabe des Buchungsbeleges in den Rechner (Compu1 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f.; Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1155). 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16. 3 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (32); Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. C/14; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16. 4 Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 223. 5 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 57. 6 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 30.
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ter) oder in der Gutschriftsbuchung der rechtliche Bindungswille erblickt werden. Denn durch die Automatisierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs fallen Vornahme der Kontogutschrift als reiner Buchungsvorgang und Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Kontogutschrift durch den hierfür zuständigen Institutsmitarbeiter häufig zeitlich auseinander. Etwas anderes gilt nur für die Bareinzahlung auf das eigene Konto. Hier entstehen bereits mit der Einzahlung und nicht erst mit der Gutschrift Forderungsrechte gegen das Institut in Gestalt von jederzeit verfügbarem (Sicht-) Guthaben1. Anders als bei Gutschriften im bargeldlosen Zahlungsverkehr hat daher die Gutschriftsbuchung bei Bareinzahlungen stets nur deklaratorische Rechtsnatur2. Dagegen ist die Bareinzahlung auf ein fremdes Konto insoweit wie eine Überweisung zu behandeln, bei der die Kontogutschrift konstitutiv ist3.
7.47
Beim automatisierten belegbegleitenden Zahlungsverkehr kann deshalb nicht schon der Gutschriftserteilung ein Rechtsbindungswille des Zahlungsinstituts entnommen werden, wenn die Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Kontogutschrift erst nach der Verbuchung erfolgt. Bei einer solchen Nachdisposition ist für das Wirksamwerden einer Gutschriftsbuchung also nicht bereits die Eingabe der Daten aus den Buchungsbelegen in einen Computer ausreichend, weil sie ohne Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit geschieht4. Auch die sich anschließende EDV-mäßige Buchung auf dem Girokonto kann nicht bereits als wirksame Gutschriftserteilung angesehen werden. In diesen beiden Zeitpunkten befindet sich die Gutschriftserteilung noch im Stadium der bloßen Erklärungsvorbereitung und nicht in dem allein entscheidenden Stadium der Erklärungsabgabe der kontoführenden Stelle5.
7.48
Die Gutschrift ist in diesem frühen Stadium ein reiner Skripturakt im Sinne des Entwurfs einer Gutschrift. Der erforderliche Rechtsbindungswille des entsprechenden Zahlungsdienstleisters lässt sich erst unterstellen, wenn die Endgültigkeit der Erklärung äußerlich erkennbar wird6.
7.49
Für das Wirksamwerden der Kontogutschrift muss nach Ansicht des BGH der hierfür erforderliche Rechtsbindungswille äußerlich erkennbar werden7. So-
7.50
1 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (128) = BGHZ 106, 259 ff. = NJW 1989, 582 f. (Wertstellungsurteil). 2 BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 96/78, WM 1979, 533 (534); Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 70. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 424; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 54. 4 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. Vgl. weiter OLG Zweibrücken v. 12.1.1984 – 4 U 136/82, WM 1984, 531 (532); Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 225; aA OLG Hamm v. 8.6.1977 – 11 U 28/77, WM 1977, 1238 (1239). 5 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322). 6 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322); Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 226; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 420. 7 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
dann stellt die Gutschriftsbuchung nicht mehr nur ein Internum des entsprechenden Instituts in der Vorbereitungsphase der Kontogutschrift dar. Dieser Zeitpunkt ist spätestens mit dem vorbehaltlosen Absenden des die Gutschrift dokumentierenden Kontoauszuges bzw. dessen Bereitstellen zur Abholung gegeben1.
7.51
Selbst dieses Absenden der Kontoauszüge ist aber für das Wirksamwerden der Kontogutschrift nicht ausreichend, wenn die Kontoauszüge nicht von dem kontoführenden Institut selbst, sondern unmittelbar von einem hiervon rechtlich oder zumindest organisatorisch getrennten Rechenzentrum versandt werden.
7.52
Hier wird üblicherweise in dem Kontoauszug ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gutschrift erst endgültig ist, wenn sie nicht an dem dem Buchungstag folgenden bzw. übernächsten Tag storniert wird. Durch diesen ausdrücklichen Vorbehalt wird die Kontogutschrift erst am folgenden bzw. übernächsten Tag wirksam. aa) Maßgeblichkeit der autorisierten Abrufpräsenz
7.53
Die bisherige Faustformel, der Rechtsbindungswille des Zahlungsinstituts sei „spätestens mit der vorbehaltlosen Absendung der Kontoauszüge an den Überweisungsempfänger bzw. deren Bereitstellung zur Abholung manifestiert“, erscheint jedoch angesichts der technischen Weiterentwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu unscharf, um in den echten Grenzfällen, in denen es auf die genaue Fixierung des Entstehungszeitpunktes der Kontogutschrift ankommt, klare Verhältnisse zu schaffen.
7.54
So besteht insbesondere eine nicht unwesentliche Zeitspanne zwischen dem heute voll automatisierten Ausdruck der Kontoauszüge, ihrer Kuvertierung und Frankierung sowie dem Abtransport zur Post2. Der genaue Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kontogutschrift kann aber aus vielfältigen Rechtsgründen erheblich sein, insbesondere wegen der Möglichkeit eines Widerrufs der zugrunde liegenden Überweisung, die spätestens mit der Kontogutschrift ausgeführt und damit unwiderruflich ist3.
7.55
Nach Ansicht des BGH ist im Interesse der Rechtsklarheit nicht die individuelle Prüfungsreihenfolge bei der jeweiligen EDV-mäßigen Buchung, die Außenstehenden ohnehin verschlossen ist, sondern generell der Zeitpunkt maßgebend, in dem nach dem Willen des Zahlungsinstituts die Daten der Gutschrift zur vorbehaltlosen Bekanntgabe an den Überweisungsempfänger zur Verfügung gestellt werden4. Soweit der Kunde Zugriffsmöglichkeit auf den Datenbestand des Zahlungsinstituts hat, wie sie unmittelbar etwa durch Kon1 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322). 2 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 54a. 3 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. 4 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322); BGH v. 23.11.1999 – XI ZR 98/ 99, ZIP 2000, 123; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 54.
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Grundlagen
toauszugdrucker oder über das Online-Banking, neuerdings insbesondere auch über das Internet, gegeben ist, sei deshalb auf die sog. autorisierte Abrufpräsenz abzustellen1. bb) Einheitlicher Zeitpunkt für alle EDV-Gutschriften Dieser Zeitpunkt sollte nach überwiegender Meinung für jede EDV-Gutschrift maßgeblich sein2. Dies gilt auch für Gutschriften im Rahmen des beleglosen Magnetband-Clearing-(DTA-)Verfahrens. Denn auch bei diesem Verfahren sprechen die besseren Gründe dafür, nicht erneut hinsichtlich des Wirksamwerdens der Gutschriftsbuchung zu differenzieren. Es sei vielmehr auf denselben rechtlichen Zeitpunkt abzustellen, wie er für die EDV-mäßige Abwicklung eines belegbegleiteten Überweisungsauftrages gilt3. Auch in diesen Fällen lässt erst die Bereithaltung der entsprechenden Daten für den Abruf durch den Zahlungsempfänger (Abrufpräsenz) die Gutschriftsbuchung wirksam sein4.
7.56
Wird auf diese Abrufpräsenz abgestellt, entfällt auch die im Schrifttum breit erörterte Problematik bei den Überweisungsaufträgen im Magnetband-Clearing-(DTA-)Verfahren. Bei diesem sog. beleglosen Datenträgeraustausch ist eine Überprüfung des einzelnen Überweisungsauftrages nach Eingabe des Magnetbandes in die EDV-Bearbeitung mangels Beleges nicht durchführbar. Möglich ist allein eine rechtliche Prüfung dahingehend, ob im Zeitpunkt der Eingabe des Magnetbandes in die Datenverarbeitung und damit praktisch der EDV-Buchung ein Widerruf des Überweisungsauftrages bei der kontoführenden Stelle der Empfängerbank vorlag. Diese Prüfung kann nach der Ansicht des OLG Nürnberg nicht im Sinne der – das Wirksamwerden der Kontogutschrift hinausschiebenden – Nachdisposition gewertet werden, wie sie bei einem belegbegleiteten Überweisungsauftrag erfolgt5. Beim beleglosen Datenträgeraustausch könnte die Empfängerbank deshalb ihren für die Gutschriftserteilung erforderlichen Rechtsbindungswillen schon dadurch erklären wollen, dass sie das betreffende Magnetband in die Datenverarbeitungsanlage eingibt. Dem hieraus folgenden Risiko für die Empfängerbank könnte nach dieser Ansicht
7.57
1 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320; ZIP 2000, 123; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16. 2 OLG Nürnberg v. 18.4.1996 – 8 U 3213/95, WM 1997, 1524 (1526); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 54; Hadding/Häuser, WM 1998, 1149 (1153); Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 228. 3 OLG Nürnberg v. 18.4.1996 – 8 U 3213/95, WM 1997, 1524 (1526); Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1153); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 524; Pleyer/Wallach, RIW 1988, 172 (176). Vgl. weiter Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. C/14 mit der Einschränkung, dies gelte nicht in den Fällen, in denen noch eine Nachdisposition der Bank möglich ist. Nach Schimansky sei es jedoch Sache der Bank, für welchen Zeitpunkt sie die Buchungen zum Abruf bereitstellt (Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 54). 4 Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 227. Nach dem OLG Nürnberg manifestiert sich beim Magnetband-Clearing-Verfahren der erforderliche Bindungswille in der Absendung der Magnetbänder (OLG Nürnberg v. 18.4.1996 – 8 U 3213/95, WM 1997, 1524 [1526]); vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 524. 5 OLG Nürnberg v. 18.4.1996 – 8 U 3213/95, WM 1997, 1524 (1526).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
dadurch Rechnung getragen werden, dass der hierbei zeitlich vorverlegte Rechtsbindungswille der Bank unter die auflösende Bedingung gestellt wird, dass bei der Endkontrolle der EDV-mäßigen Verbuchung festgestellt wird, dass bis zur Eingabe des Magnetbandes in die EDV-Anlage kein rechtzeitiger Widerruf des Überweisungsbetrages erfolgt ist. Der Zeitpunkt der EDV-mäßigen Verbuchung ist wegen der bei Rechenzentren üblichen uhrzeitmäßigen Genauigkeit aller wesentlichen Vorgänge jederzeit nachvollziehbar1. Die Konstruktion eines wegen der Widerruflichkeit des Überweisungsauftrages nur (auflösend) bedingten Einlösungswillens ist aber entbehrlich, wenn für das Wirksamwerden einer EDV-mäßigen Buchung stets die Abrufpräsenz maßgeblich ist2.
7.58
Bei einer allein im elektronischen Datenverkehr durchgeführten Überweisung, bei der die Daten ohne vorherige Überprüfungsmöglichkeit durch das Empfängerinstitut in dessen Datenbestand übertragen („durchgebucht“) werden und deshalb die Überweisungsbeträge elektronisch gebucht auf deren Kundenkonten erscheinen, steht die elektronische Gutschrift regelmäßig unter dem Vorbehalt der sog. Nachdisposition, in der die Übereinstimmung von Kontonummer und Empfängerbezeichnung, die Einhaltung des Abkommens über den Überweisungsverkehr und das Vorliegen eines Widerrufs geprüft wird3. Hier wird die Gutschrift erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem das Empfängerinstitut durch einen Organisationsakt (Datenfreischaltung) mit Rechtsbindungswillen die Gutschriftsdaten vor vorbehaltloser Bekanntmachung an den Überweisungsempfänger zur Verfügung stellt4. Einer solchen Nachdisposition bedarf es allerdings dann nicht, wenn wenn der Zahlungsdienstleister des Zahlungsdienstnutzers mit diesem die Ausführung der Überweisung anhand von Kundenkennungen gemäß § 675r BGB vereinbart hat und diese danach ausgeführt wird.
7.59
Diese autorisierte Abrufpräsenz erfordert einen entsprechenden Organisationsakt des Zahlungsdienstleisters in Form einer EDV-mäßigen „Freischaltung“ der Buchungsdaten, mit der der genaue Entstehungszeitpunkt der Kontogutschrift möglichst nachvollziehbar fixiert wird. Diese „Freischaltung“ kann der Buchgeldempfänger auf Grund seines girovertraglichen Anspruchs auf Gutschrift der für ihn eingegangenen Beträge verlangen5. Von der Abrufpräsenz zu unterscheiden ist die der Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrags. Gemäß § 675p Abs. 1 BGB ist ein Widerruf grundsätzlich nach dessen Zugang beim Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht mehr möglich. Allerdings erlaubt § 675p Abs. 4 Satz 1 BGB eine Vereinbarung zwischen dem Zahlungsdienstleister und seinem Nutzer, auch einen anderen Zeitpunkt für den Widerruf zu vereinbaren. Für den Fall der Vereinbarung einer solchen Wider1 Kindermann, WM 1982, 318 (320). 2 Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1153, Fn. 54); differenzierend Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 12. 3 BGH v. 23.11.1999 – XI ZR 98/99, ZIP 2000, 123; Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 228. 4 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, S. 17. 5 Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1153); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 54; Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 228.
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rufsmöglichkeit ist der Zahlungsdienstleister gemäß § 675p Abs. 4 Satz 3 BGB berechtigt, dafür ein Entgelt in Rechnung zu stellen. c) Erteilung von Vorbehaltsgutschriften Das Zahlungsinstitut des Zahlungsempfängers erteilt im Rahmen der ihm erteilten (bargeldlosen) Inkassoaufträge Gutschriften unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass es Deckung aus dem bei ihm eingehenden Inkassoerlös erhält – „Eingang vorbehalten“ (E.v.). Hierzu enthalten die kreditwirtschaftlichen AGB ausführliche Regelungen. Vgl. Nr. 9 Abs. 1 der AGB-Banken:
7.60
„Schreibt die Bank den Gegenwert von Schecks und Lastschriften schon vor ihrer Einlösung gut, geschieht dies unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung, und zwar auch dann, wenn diese bei der Bank selbst zahlbar sind. Reicht der Kunde andere Papiere mit dem Auftrag ein, von einem Zahlungspflichtigen einen Forderungsbetrag zu beschaffen (zum Beispiel Zinsscheine), und erteilt die Bank über den Betrag eine Gutschrift, so steht diese unter dem Vorbehalt, dass die Bank den Betrag erhält. Der Vorbehalt gilt auch dann, wenn die Papiere bei der Bank selbst zahlbar sind. Werden Schecks oder Lastschriften nicht eingelöst oder erhält die Bank den Betrag aus dem Einzugsauftrag nicht, macht die Bank die Vorbehaltsgutschrift rückgängig. Dies geschieht unabhängig davon, ob in der Zwischenzeit ein Rechnungsabschluss erteilt wurde.“ Umstritten ist, ob der Vorbehalt des Eingangs des Inkassoerlöses als aufschiebende oder auflösende Bedingung zu qualifizieren ist. Der auftragsrechtliche Herausgabeanspruch des Kunden auf den Inkassoerlös (§ 667 BGB), den das Zahlungsinstitut auf Grund der girovertraglichen Vereinbarung dem Girokonto gutzuschreiben hat, entsteht erst, wenn von dem auf dem Einzugswege nachgeordneten Zahlungsdienstleister Deckung erhalten hat. Vor diesem Zeitpunkt schuldet das Inkassoinstitut den einzuziehenden Betrag weder bedingt noch betagt1.
7.61
Die im Zeitpunkt der Gutschriftsbuchung fehlende Zahlungsverbindlichkeit des kontoführenden Instituts könnte dafür sprechen, dass die Gutschrift unter der aufschiebenden Bedingung der späteren Einlösung steht2. Andererseits spricht die Behandlung dieser Gutschriftsbuchungen durch die Praxis dafür, dass die Kontogutschrift sofort wirksam sein und nur in den Ausnahmefällen der Nichteinlösung der Inkassopapiere rückwirkend entfallen soll. Bei dieser Beurteilung stehen die E.v.-Gutschriften unter der auflösenden Bedingung der Rückgabe als einem klar definierten und zeitlich fixierbaren Ereignis3.
7.62
Für die Vereinbarung einer nur auflösenden Bedingung spricht vor allem, dass eine aufschiebend bedingte Kontogutschrift nicht kontokorrentfähig wäre und
7.63
1 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085 mwN) = BGHZ 118, 171 ff. = NJW 1992, 1960 f. 2 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 570, 577, 744; Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. E/6; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 166. 3 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 55 f.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
damit auch nicht verrechnet werden könnte1. Die E.v.-Gutschriften werden jedoch sofort in das Kontokorrent mit einer bestimmten Wertstellung für die Zinsberechnung eingestellt und fließen zudem in den für den Kunden verfügbaren Tagessaldo2. Nach Schimansky handelt es sich deshalb bei diesen Gutschriftsbuchungen um auflösend bedingte Kontogutschriften3.
3. Die Wertstellung (Valutierung) der Kontobuchungen
7.64
Die Wertstellung (Valutierung) einer Buchung auf einem Girokonto ist der Kalendertag, an den die Zinsberechnung im Bankkontokorrent anknüpft. Die Zinsberechnung erfolgt gewohnheitsrechtlich durch Bildung eines fiktiven Zwischensaldos, der jeweils aus der rechnerischen Differenz von Soll- und Habenbuchungen mit gleicher Wertstellung entsteht4.
7.65
Dieser Zwischensaldo gilt nur für die Zinsberechnung. Er darf also nicht mit dem aus den Gutschriften und Belastungen eines Buchungstages gebildeten sog. Tagessaldo verwechselt werden5. Der Tagessaldo soll der kontoführenden Stelle die Kontrolle über die vom Kunden getroffenen Dispositionen und dem Kunden die Übersicht über den Stand seines Kontos erleichtern6.
7.66
Die Wertstellung hat gemäß § 675t Abs. 1 BGB spätestens an dem Geschäftstag zu erfolgen, an dem der überwiesene Betrag bei dem Zahlungsdienstleister des Überweisungsempfängers eingeht und dieser deshalb einen Anspruch auf Gutschrift erwirbt, für die der eingegangene Betrag als buchungsmäßige Deckung dient7. Dieser Anspruch auf Gutschrifterteilung entsteht mit Eingang dieser buchmäßigen Deckung bei dem kontoführenden Institut8. Denn das Empfängerinstitut hat solche eingehenden Beträge sofort an den hieraus begünstigten Kontoinhaber in Form einer Kontogutschrift herauszugeben (§§ 667, 675, 271 Abs. 1 BGB)9. Deshalb hat bei Bareinzahlungen die Wertstellung ge1 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 54 f. 2 Die Einräumung dieser Verfügungsmöglichkeit über den „E.v.“ gutgeschriebenen Betrag beinhaltet deshalb ein Angebot zur Kreditgewährung (van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 166). 3 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 54 f.; ebenso Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 51. Derselben Meinung sind BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828; BGH v. 12.5.1980 – VIII ZR 170/79, 1980, 738; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, 1986, 1409 = NJW 1987, 317 ff.; Gößmann in BuB, Rz. 1/250. 4 Zu den Einzelheiten vgl. Schlegelberger/Hefermehl, § 355 HGB Rz. 39; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 33. 5 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 61 ff. 6 BGH v. 24.4.1985 – I ZR 176/83, WM 1985, 936 (937) = NJW 1985, 3010 f. 7 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1193) = BGHZ 135, 316 ff. = NJW 1997, 2042 f.; vgl. hierzu Borges, WM 1998, 105 ff.; WM 1997, 1661 (1662) = NJW 1997, 3168 f. 8 BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6 (7) = NJW-RR 1990, 366 f.; BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1193); BGH v. 17.6.1997 – XI ZR 239/96, WM 1997, 1661 (1662). 9 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1193); BGH v. 17.6.1997 – XI ZR 239/96, WM 1997, 1661 (1662).
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Grundlagen
mäß § 675t Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Tag der Einzahlung zu erfolgen1. Bei Einzahlungen auf das Girokonto eines unternehmerischen Kunden hat die Verfügbarkeit sowie die Wertstellung spätestens auf den nächsten Geschäftstag zu erfolgen. Ausnahmen sind zulässig, soweit es sich um Zahlungsvorgänge handelt, die in einer Nicht-Euro-Währung erfolgen. Bei Belastungsbuchungen ist der korrekte Wertstellungstag gemäß § 675t Abs. 3 BGB frühestens der Tag, an dem der Zahlungsdienstleister für Rechnung seines Kunden eine Leistung erbracht hat und das Zahlungskonto mit dem Zahlungsbetrag belastet hat.
7.67
Eine korrekte Wertstellung für die eingegangenen Überweisungsbeträge ist im Übrigen erforderlich, damit der Zahlungsdienstleister seiner Herausgabepflicht nach §§ 667, 675t Abs. 1 Satz 2 BGB auch in zeitlicher Hinsicht vollständig nachkommen kann2. Denn erst mit dieser Wertstellung kann sich der überwiesene Betrag zinsmäßig auswirken3.
7.68
Das Wertstellungsdatum als Tag des Überweisungseingangs bei dem kontoführenden Institut ist unabhängig vom Buchungstag, an dem lediglich die Verbuchung des überwiesenen Betrages als Kontobewegung vollzogen wird4. Ist die Überweisung bei der Bank erst nach dem sog. Buchungsschnitt eingegangen, muss die erst am nächsten Bankarbeitstag erfolgende Gutschrift auf den Eingangstag zurückvalutiert werden5.
7.69
Die Wertstellung besagt nach Ansicht des BGH noch nichts über die Verzinsung als solche. Sie dient lediglich als zeitlicher Anknüpfungspunkt für die Zinsberechnung6.
7.70
Bei der Wertstellung handelt es sich um keine Befristung im Sinne einer aufschiebenden Bedingung gemäß §§ 163, 158 BGB, die die Wirksamkeit einer Kontogutschrift hinausschieben würde. Deshalb ist die Wertstellung auch keine Rechtshandlung iS des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Das Datum der Wertstellung gibt nur der Einfachheit halber den Tag an, an dem der Kontoinhaber über den gutgeschriebenen Betrag verfügen kann, ohne der Bank Kreditzinsen zahlen zu müssen7. Denn verfügt der Kunde über diesen Betrag vor dem hinausgeschobenen Wertstellungstag der Gutschrift, so geht diese Kontobewegung als Sollposten in den Saldo des Abschlusstages ein und wird zinswirksam erst durch den Habenposten im Saldo des Wertstellungstages der Gutschrift ausgeglichen. Für die Zwischenzeit sind, soweit der für die Verzinsung
7.71
1 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 = BGHZ 106, 259 ff. = NJW 1989, 582 f. 2 Pleyer/Huber, ZIP 1987, 424 (430). 3 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1193) = BGHZ 135, 316 ff. = NJW 1997, 2042 f.; WM 1997, 1661 (1662) = NJW 1997, 3168 f. 4 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 61 ff. 5 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1193); 1661 (1662); Pleyer/Huber, ZIP 1987, 424 (433). 6 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 61 ff. 7 BGH v. 21.12.1977– VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 (134).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
maßgebliche Zwischensaldo negativ gewesen ist, Sollzinsen und gegebenenfalls auch Überziehungsprovisionen zu zahlen1.
7.72
Fehlt eine Vereinbarung über den Zinsbeginn, ändert sich die Verzinsungspflicht mit dem Beginn des auf die Wertstellung folgenden Kalendertages (nicht: Bankarbeitstages)2. Dabei ergibt sich nach Ansicht des BGH die Änderung der Verzinsungspflicht entsprechend dem Grundsatz der sog. Zivilkomputation, dass Fristen und damit auch Zinsen nach vollen Tagen berechnet werden, aus einer entsprechenden Anwendung des für den Fristbeginn geltenden § 187 BGB und des das Fristende regelnden § 188 BGB. Hiernach endet die Verzinsung für ein debitorisch geführtes Girokonto in Höhe des Überweisungsbetrages mit Ablauf des Tages der Wertstellung auf dem Empfängerkonto. Bei einer etwaigen Verzinsung kreditorisch geführter Girokonten beginnt die Verzinsung des überwiesenen Betrages am Kalendertag nach der Wertstellung3.
7.73
Der Nutzen der Kreditinstitute aus der Wertstellungspraxis stellt keinen Preis im klassischen Sinne für die Vermittlung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dar. Denn dieser „Wertstellungsgewinn“ ist weder von vornherein genau bestimmt noch ohne weiteres berechenbar. Die Einnahmen der Bank entstehen vielmehr aus der Einflussnahme der Valutierung auf einen anderen Preis in Gestalt der Zinsen, der hinausgeschoben oder verkürzt wird. Die Wertstellung ist demnach nicht als Zins im Rechtssinne, sondern als Zinsabrede und damit als eine der Angemessenheitskontrolle der §§ 307 ff. BGB unterworfene Preisnebenabrede zu qualifizieren4. Allerdings lassen die gesetzlichen Regelungen praktisch keinen Spielraum für entsprechende Wertstellungsabreden. Gemäß § 675t Abs. 1 Satz 2 BGB muss die Wertstellung als Zinsbeginn an dem Geschäftstag erfolgen, an dem der Zahlungsbetrag auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers eingegangen ist. Gemäß § 675t Abs. 2 Satz 1 BGB gilt dies auch für Bareinzahlungen auf ein Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers, sofern dieser ein Verbraucher ist, bei Nicht-Verbrauchern ist der nachfolgende Geschäftstag gemäß § 675t Abs. 2 Satz 2 BGB der maßgebliche. Wie sich aus § 675e Abs. 4 BGB ergibt, sind diese Wertstellungsregelungen auch für Unternehmer gemäß § 14 BGB nicht abdingbar.
4. Belastungsbuchung ohne rechtserzeugende Wirkung
7.74
Im Unterschied zur Kontogutschrift hat eine Belastungsbuchung keine rechtserzeugende Bedeutung, da sie keine materiell-rechtliche Veränderung der zugrunde liegenden Forderungen bewirkt. Es handelt sich vielmehr um einen 1 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 61 ff. 2 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 61. 3 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1193) = BGHZ 135, 316 ff. = NJW 1997, 2042 f.; BGH v. 17.6.1997 – XI ZR 239/96, WM 1997, 1661 (1662) = NJW 1997, 3168 f.; vgl. weiter Borges, WM 1998, 105 ff. 4 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (128) = BGHZ 106, 259 ff. = NJW 1989, 582 f.; BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1193); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 67; Pleyer/Huber, ZIP 1987, 424 (429); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 460.
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7. Teil
Grundlagen
Realakt mit im Wesentlichen deklaratorischer Wirkung1. Dies gilt auch, wenn infolge der Belastungsbuchung ein negativer Kontostand ausgewiesen wird2. Obwohl der Buchung keine rechtliche Bedeutung zukommt, hat der Kontoinhaber einen Anspruch auf Rückgängigmachung einer unberechtigten Belastungsbuchung durch eine entsprechende Gegenbuchung3. An dieser Stornierung hat der Kunde regelmäßig ein Interesse, weil die Belastungsbuchung den Tagessaldo mindert und er daher in Höhe der Belastungsbuchung nicht mehr über sein wirkliches Guthaben verfügen kann. Hat der Zahlungsdienstleister die fehlerhafte Belastungsbuchung verschuldet, kann ein zu ersetzender wirtschaftlicher Schaden dadurch entstehen, dass der Kunde bis zur Rückbuchung wegen des unrichtig übermittelten Tagessaldos in seiner Verfügung über das Girokonto beschränkt ist, weil die Bank insoweit keine Verfügungen mehr zulässt4.
7.75
Die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Rückgängigmachung einer unberechtigten Belastungsbuchung liegt im Girovertrag, dessen Durchführung Der Zahlungsdienstleister beeinträchtigt, wenn er die gebotene Stornierung einer Belastungsbuchung unterlässt und hierdurch der ausgewiesene Tagessaldo unrichtig ist.
7.76
Auf Grund des § 675t Abs. 3 BGB ist die frühere Praxis, das Girokonto vor Ausführung einer Zahlung mit einem Vorschuss gemäß § 669 BGB in Höhe des Zahlungsbetrags zu belasten5, nicht mehr zulässig6. Der die Zahlung ausführende Zahlungsdienstleister kann nur noch einen Aufwendungsersatzanspruch geltend machen, in dem er die Belastungsbuchung zeitgleich oder nach der Gutschrift beim nachfolgenden Institut geltend macht7.
7.77
Unterbleibt die Überweisung aus irgendeinem Grund, etwa weil der Überweisungsbegünstigte kein Konto unterhält, ist die Belastungsbuchung rückgängig zu machen. Der Zahlungsdienstleister des Überweisenden hat sodann die Belastungsbuchung, soweit der Überweisungsbetrag bereits an das nachfolgende Institut weitergeleitet worden ist, rückgängig zu machen und diesen, da er zur Durchführung des Überweisungsauftrages nicht benötigt wurde, wieder herausgeben (§ 667 BGB)8.
7.78
1 BGH v. 17.9.1991 – XI ZR 256/90, WM 1991, 1915 (1916) = NJW 1992, 112 f.; BGH v. 17.12.1992 – IX ZR 226/91, WM 1993, 429 (432) = BGHZ 121, 98 ff. = NJW 1993, 735; BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1422) = NJW 1994, 2357 ff.; vgl. hierzu Schnauder, ZIP 1994, 1069 ff. 2 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1422). 3 BGH v. 28.1.1980 – II ZR 39/79, WM 1980, 438; vgl. weiter BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1327) = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; vgl. hierzu Ahlers, NJW 1990, 1149 ff. 4 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1423) = NJW 1994, 2357 ff.; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 51. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 345. 6 Grundmann, WM 2009, 1109 (1113). 7 BR-Drucks. 848/08, S. 184. 8 BGH v. 28.11.1977 – II ZR 122/76, WM 1978, 367; OLG Zweibrücken v. 12.1.1984 – 4 U 136/82, WM 1984, 531 mwN.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7.79
Die Herausgabe geschieht in Form einer Rückbuchung mit Wirkung ex nunc. Der Zahlungsdienstleiter schuldet dem Zahlungsdienstenutzer für die Zeit zwischen der Belastungsbuchung und der Rückbuchung keine Habenzinsen. Bei einem debitorisch geführten Konto kann sie für die Zwischenzeit Sollzinsen berechnen. Dagegen tritt ausnahmsweise eine ex tunc-Wirkung bei der Rückbuchung ein, wenn der Zahlungsdienstleiter eine Zahlung versehentlich ohne Auftrag oder doppelt ausgeführt oder irrtümlich einen zu hohen Betrag überwiesen hat. In diesen Fällen fehlte ein entsprechender Überweisungsauftrag und damit ein Anspruch auf Aufwendungsersatz. Das Girokonto des Überweisenden ist hier ohne rechtlichen Grund belastet worden.
7.80
Umstritten ist, welche Rechtswirkung dieser Aufwendungserstattungsanspruch auf den dem Kontoguthaben zugrunde liegenden Zahlungsanspruch des Kunden hat. Die herrschende Lehre nimmt an, dass zwischen beiden eine Verrechnung stattfindet und dass erst hierdurch diese Guthabenforderung gemindert bzw. getilgt wird. Nach einer Mindermeinung1 reduzierte sich dagegen das Kontoguthaben automatisch, da die Befolgung der Kundenweisung etwa durch Ausführung eines Überweisungsauftrags den Zahlungsdienstleiter in Analogie zu § 787 Abs. 1 BGB von einer Schuld gegenüber dem Kunden in entsprechender Höhe befreien soll. Diese Analogie ist nach Canaris abzulehnen, weil sie mit dem Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses bei Girokonten unvereinbar ist. Denn der Kontokorrentabsprache liege die Vorstellung einer Verrechnung und nicht die eines automatischen Erlöschens der jeweiligen Guthabenforderung im Sinne des Tagesguthabens aus dem Girovertragsverhältnis (§ 667 BGB) zugrunde2.
VIII. Buchgeldzahlung zur Erfüllung von Geldschulden
7.81
Buchgeldzahlungen dienen gewöhnlich der Bezahlung von Geldschulden, die aus dem Valutaverhältnis des Buchgeldzahlers zum Buchgeldempfänger herrühren. Solche Zahlungsverbindlichkeiten stellen regelmäßig sog. Schickschulden dar. Im Unterschied zu den Holschulden und Bringschulden fallen bei den Schickschulden der Leistungsort als der Ort, an dem der Leistungspflichtige die geschuldeten Leistungshandlungen zu erbringen hat, und der Ort des Leistungserfolges auseinander (§ 270 Abs. 4 BGB). Der Leistungserfolg, dh. die wirksame Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Empfängerkonto, gehört also nicht mehr zur Leistungshandlung des Schuldners. Seine Leistungspflicht ist vielmehr erfüllt, wenn er die Überweisung veranlasst hat, vorausgesetzt, dass der geschuldete Betrag später dem Girokonto des Gläubigers gutgeschrieben wird3.
7.82
Keine Schickschulden stellen aber die Zahlungsverbindlichkeiten des kontoführenden Zahlungsdienstleisters aus Giroguthaben dar, die sich bei der tägli1 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 43 mwN. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 344 mwN zum Streitstand. 3 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22.
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7. Teil
Grundlagen
chen Saldierung der auf den Girokonten verbuchten Buchgeldeingänge ergeben. Diesen Tagessalden liegen Rückforderungsansprüche des Kontoinhabers im Sinne der unregelmäßigen Verwahrung zugrunde, auf die verwahrungsrechtliche Sonderregelungen anwendbar sind. Danach hat die Rückgabe der hinterlegten Sache am Ort der „Aufbewahrung“ (kontoführende Niederlassung) zu erfolgen (§ 697 BGB iVm. § 700 Abs. 1 Satz 3 BGB). Diese Rückzahlungspflicht stellt eine Holschuld dar, auf die § 270 BGB deshalb nicht anwendbar ist1. Mit Rücksicht auf dieses Auseinanderfallen von Leistungsort und Ort des Leistungserfolges bestimmt § 270 Abs. 1 BGB, dass der Schuldner Geld im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln hat. Dementsprechend treffen auch den Buchgeldzahler die „Transport“gefahr auf dem Überweisungswege sowie die hierbei entstehenden Kosten im Verhältnis zum Zahlungsempfänger.
7.83
1. Tilgungszeitpunkt Das Transportrisiko der Schickschuld entfällt mit ihrer Tilgung. Damit stellt sich die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erfüllungswirkung einer Buchgeldzahlung.
7.84
a) Gutschrift auf Gläubigerkonto als spätester Zeitpunkt Nach ganz überwiegender Literaturmeinung tritt die Forderungstilgung spätestens mit der Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Girokonto des Buchgeldempfängers ein. Denn in dieser Kontogutschrift wird die forderungstilgende Erfüllung der Geldschuld aus dem (Valuta-)Verhältnis zwischen Buchgeldzahler (Schuldner) und Buchgeldempfänger (Gläubiger) erblickt2. Diese Gutschriftsbuchung verschafft dem Buchgeldempfänger gegen das kontoführende Institut einen abstrakten Zahlungsanspruch im Sinne eines Schuldversprechens oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB). Aus der Sicht des Buchgeldempfängers tritt also ein „Schuldnerwechsel“ ein.
7.85
Hierbei handelt es sich aber um keine Schuldübernahme iS der §§ 414 ff. BGB. Denn mit der Kontogutschrift wird eine neue (abstrakte) Zahlungsverbindlichkeit des kontoführendne Instituts als neue Schuldnerin begründet.
7.86
b) Deckungseingang bei Gläubigerbank als maßgeblicher Zeitpunkt Schon nach bisherigem Recht drängte sich jedoch die Frage auf, ob nicht eine dogmatisch sauberere Lösung für eine interessengerechte Verteilung des Transportrisikos einer Buchgeldzahlung gebietet, die Tilgung der zugrunde 1 Sprau in Palandt, § 697 BGB Rz. 1. 2 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BFH v. 10.11.1987 – VII R 171/84, WM 1988, 252; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 476; Heinrichs in Palandt, § 362 BGB Rz. 9.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
liegenden Geldschuld auf den Zeitpunkt vorzuverlegen, zu dem die (geldmäßige) Deckung bei dem kontoführenden Institut des Buchgeldempfängers eingeht1. Nach dem für solche Schickschulden geltenden § 270 BGB müsste der Buchgeldzahler das Insolvenzrisiko des Zahlungsdienstleisters des Buchgeldempfängers tragen. Dieses Risiko trägt aber auch nach der herrschenden Meinung nicht der Buchgeldzahler, sondern der Buchgeldempfänger, obwohl nach dieser Literaturmeinung der Tilgungszeitpunkt auf den Zeitpunkt der Erteilung der Kontogutschrift hinauszuschieben ist2. Dieser Widerspruch zur gesetzlichen Regelung wird vermieden, wenn der Tilgungszeitpunkt schon auf den Eingang der Deckung bei der Empfängerbank vorverlegt wird.
2. Rechtzeitigkeit der Buchgeldzahlung
7.88
Soweit die Buchgeldzahlung auf dem Überweisungswege erfolgt, stellt sich die weitere Frage, ob der Schuldner die Buchgeldzahlung rechtzeitig veranlasst hat. Im Unterschied zur Scheckzahlung und der Ermächtigung des Gläubigers zum Lastschrifteinzug seiner Geldforderung wird bei der Überweisung der Zahlungsvorgang vom Buchgeldzahler ausgelöst, so dass er für eine rechtzeitige Beauftragung seines kontoführenden Instituts selbst zu sorgen hat.
7.89
Nach herrschender Meinung hat der Schuldner seine Leistung rechtzeitig erbracht, wenn er das Geld bis zum Zahlungstermin abgesandt hat3. Im Schrifttum ist freilich umstritten, was im Überweisungsverkehr unter dieser „Absendung“ zu verstehen ist. Dabei ist nach den verschiedenartigen Überweisungswegen zu differenzieren.
7.90
Werden das Girokonto des Buchgeldempfängers und das des Buchgeldzahlers bei derselben Filiale eines Zahlungsdienstleisters geführt (sog. Hausüberweisung), genügt nach der herrschenden Meinung, dass der Überweisungsauftrag fristgerecht bei dem erstbeauftragten Institut eingeht und ausreichende Deckung für die Auftragsausführung vorhanden ist4. Dasselbe muss gelten, wenn diese beiden Girokonten bei verschiedenen Filialen desselben Instituts geführt werden (sog. Filialüberweisung). Mit Rücksicht darauf, dass die erstbeauftragte Filiale und die das „Empfänger“konto führende Filiale selbständige Teile eines Unternehmens sind (sog. Grundsatz der Unternehmenseinheit)5, 1 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 208. 2 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 105; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 476. Nach Bittner müsste sich der Buchgeldempfänger überdies ein Verschulden seiner kontoführenden Bank gemäß § 278 BGB anrechnen lassen, wenn hierdurch die Verschaffung der sich anschließenden Kontogutschrift scheitert (Bittner in Staudinger, Neubearb. 2009, § 270 BGB Rz. 21). 3 BGH v. 5.12.1963 – II ZR 219/62, WM 1964, 113 mwN = NJW 1964, 499. Nach Canaris muss der Schuldner den Überweisungsauftrag so frühzeitig erteilen, dass der Betrag dem Empfänger am Fälligkeitszeitpunkt gutgeschrieben werden kann (Bankvertragsrecht, Rz. 480 ff.); Trölitzsch/Jaeger, BB 1994, 2152 (2153); Vogel, DB 1997, 1758 (1759). 4 Heinrichs in Palandt, § 270 BGB Rz. 7. 5 Kümpel, WM 1996, 1893 (1899 mwN).
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7. Teil
Grundlagen
ist für das Merkmal der rechtzeitigen Absendung auf den Eingang des Überweisungsauftrages bei der erstbeauftragten Filiale abzustellen1. Eine Mindermeinung stellt für die Rechtzeitigkeit auf die Abbuchung des zu überweisenden Betrages vom Schuldnerkonto ab. Mit dieser Belastung entsteht jedoch schon der Anspruch des Buchgeldempfängers auf Gutschrift im Sinne des auftragsrechtlichen Herausgabeanspruchs (§ 667 BGB). Mit der Verschaffung eines solchen Anspruchs, den das Institut sodann mit der Gutschrift auf dem Girokonto des Buchgeldempfängers erfüllt, ist jedoch mehr bewirkt, als das Gesetz bei der Schickschuld erfordert, bei der nur die rechtzeitige Übersendung verlangt wird (vgl. § 270 Abs. 1 BGB)2.
7.91
Auch bei einer außerbetrieblichen Überweisung – hier werden die Girokonten des Buchgeldzahlers und des Buchgeldempfängers nicht bei demselben Institut geführt – kommt es für die Rechtzeitigkeit auf die „Absendung“ des geschuldeten Geldbetrages an. Dabei bejaht die herrschende Meinung die Rechtzeitigkeit der Leistung, sofern der Überweisungsauftrag innerhalb der Zahlungsfrist bei dem Institut des Buchgeldzahlers eingeht und ausreichend Deckung vorhanden ist oder ggf. ein entsprechender Kreditrahmen zur Verfügung steht und der geschuldete Betrag später dem Konto des Gläubigers zur Verfügung steht3.
7.92
Etwas anderes gilt nur, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner eine besondere Vereinbarung über die Rechtzeitigkeit der Zahlung getroffen worden ist, wofür die Vereinbarung einer Zahlungsfrist alleine nicht genügt. Gewollt sein kann im Einzelfall, dass dem Gläubiger bis zum Fristablauf die Gutschrift auf seinem Girokonto erteilt und damit auch der Leistungserfolg eingetreten sein muss. Insbesondere kann die Zahlungspflicht des Versicherers davon abhängen, dass die fällige Prämie noch vor Fristablauf seinem Girokonto gutgeschrieben worden ist. § 36 Abs. 1 VVG regelt die Prämienverbindlichkeit als eine qualifizierte Schickschuld.
7.93
An die Kontogutschrift knüpft auch die Regelung der Abgabenordnung über den Erfüllungszeitpunkt an. Nach § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO gilt eine Zahlung im bargeldlosen Zahlungsverkehr an dem Tag als entrichtet, an dem der Betrag der Finanzbehörde auf einem ihrer Konten gutgeschrieben wird.
7.94
7.95–7.100
Einstweilen frei.
1 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 208. 2 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 208. 3 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 212 mwN; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
2. Abschnitt Die Überweisung 7.101
Bei einer Überweisung1 beauftragt der Buchgeldzahler sein Zahlungsinstitut, einen bestimmten Betrag zu Lasten seines Girokontos an den Buchgeldempfänger zu überweisen. Ausgangspunkt dieses bargeldlosen Zahlungsvorganges ist das Girokonto des Buchgeldzahlers. Endpunkt der Überweisung ist die Gutschrift auf dem Empfängerkonto. Dagegen beginnt die Buchgeldzahlung mittels Schecks oder Lastschriften umgekehrt mit der Gutschrift „Eingang vorbehalten“ (E.v.), die dem Buchgeldempfänger auf seinem Girokonto erteilt wird. Bei diesen beiden Zahlungsverfahren wir – im Gegensatz zur Überweisung – der Zahlungsvorgang durch den Zahlungsempfänger ausgelöst.
7.102
Die kontoführenden Institute stehen in (Giro-)Vertragsverhältnissen zu ihren beteiligten Girokunden. Dasselbe gilt für die Rechtsverhältnisse der mitwirkenden Zahlungsinstitute untereinander. In diesen „Interbanken“verhältnissen schließen die Zahlungsinstitute die Verträge zwecks Ausführung der ihnen erteilten Aufträge nicht im Namen ihrer Girokunden, sondern im eigenen Namen, wie dies auch für das sonstige bankmäßige Dienstleistungsgeschäft gilt.
I. EG-Richtlinien
7.103
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben zwecks Verbesserung des grenzüberschreitenden Überweisungsverkehrs die Richtlinie 97/5/EG v. 27.1.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen (Überweisungs-Richtlinie) erlassen, die bis zum 14.8.1999 in deutsches Recht umzusetzen war2. Mit dieser Richtlinie sollte den Interessen von Privatpersonen und vor allem mittleren und kleineren Unternehmen Rechnung getragen werden, Überweisungen in andere Mitgliedstaaten schnell, zuverlässig und kostengünstig vornehmen zu können3. Diese Umsetzung erfolgte durch das Überweisungsgesetz (ÜG) v. 21.7.1999, das am 14.8.1999 in Kraft getreten ist4. 1 Eine Übersicht der Rechtsprechung des BGH zum Überweisungsverkehr in der Zeit vom 1.10.1950 bis 31.3.2001 von Nobbe, ehemals Vors. Richter des Bankrechtssenats des BGH, ist abgedruckt in WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4. Dabei werden auch wesentliche Aspekte des neuen Überweisungsrechts erörtert, die zu einer veränderten Rechtslage geführt haben. Vgl. weiter Schimansky zum Überweisungsrecht ab 1.1.2001 in Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 20, 2003, S. 49 ff. Zu den Auswirkungen der Schuldrechtsreform siehe van Look in FS Kümpel, 2003, S. 329 ff. 2 ABl. EG Nr. L 43 v. 14.2.1997, S. 25, abgedruckt in WM 1997, 844 ff. 3 Erwägungsgrund Nr. 2 der Überweisungsrichtlinie. Nach dieser Richtlinie müssen seit dem 1.7.2003 die Bankgebühren bei nationalen und grenzüberschreitenden Überweisungen in Höhe bis zu 12 500 Euro identisch sein. 4 BGBl. I 1999, S. 1642 ff.; Hartmann, Die Bank 1999, 536 ff.; vgl. weiter Häuser, WM 1999, 1937 ff.; Bydlinski, WM 1999, 1046 ff.; Klamt/Koch, DB 1999, 943 ff.; Hadding, WM 2000, 2465 ff. Vgl. weiter Hoffmann zu den dogmatischen Strukturen Einzelner zentraler Regelungen, WM 2001, 881 ff.
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7. Teil
Die Überweisung
Die gesetzliche Neuregelung erscheint trotz ihrer stark kritisierten Schwachstellen praktikabel1. Die Anwendbarkeit beschränkte sich zunächst auf grenzüberschreitende Überweisungen in Staaten innerhalb der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR). Für die Überweisungen in das sonstige Ausland und den inländischen Überweisungsverkehr galt die gesetzliche Neuregelung zwischen dem 1.1.2002 und dem 31.10.2009. Auf Grund dieser europäischen Vorgaben war der deutsche Gesetzgeber veranlasst worden, wesentliche Aspekte des Überweisungsrechts zum Teil stark abweichend vom bisherigen Recht neu zu regeln.
7.104
Das Überweisungsgesetz v. 21.7.1999 hatte zugleich einige europäische Vorgaben aus der EG-Zahlungssicherungsrichtlinie 98/26/EG v. 19.5.19982 in deutsches Recht umgesetzt. Mit dieser weiteren Richtlinie sollten die Risiken aus den hiervon erfassten nationalen und internationalen Abrechnungs-(Clearing-)Systemen reduziert werden. Dabei ging es vor allem um die Verringerung der Gefahr, dass die Insolvenz eines einzelnen Kreditinstitutes auf Grund seiner Einbindung in diese Systeme auch auf andere Kreditinstitute ausstrahlen und dadurch einen „Dominoeffekt“ auslösen kann.
7.105
Die Berührungspunkte der Zahlungssicherungsrichtlinie mit der Überweisungsrichtlinie betrafen insbesondere die sog. Zahlungsverträge. Es handelte sich um Verträge, mit denen sich ein Kreditinstitut im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs einem anderen gegenüber verpflichteten, eine Überweisung weiterzuleiten (§ 676d BGB aF). Nach der Zahlungssicherungsrichtlinie (Art. 3 und 5) durften solche Verträge nur zu den im System festgelegten Bedingungen während der Ausführung einer Überweisung einseitig beendet werden. Die Umsetzung dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelung erfolgte in den §§ 676a Abs. 3 Satz 2 und 676d Abs. 2 Satz 2 BGB aF3.
7.106
Am 31.12.2001 ist die EG-Verordnung 2560/2001 über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro in Kraft getreten4. Schwerpunkt ist der in Art. 3 verankerte Grundsatz der Gebührengleichheit. Danach dürfen die Kreditinstitute für grenzüberschreitende Euro-Zahlungen nur die „gleichen Gebühren“ wie für inländische Zahlungen berechnen5. Zum 1.11.2009 wurde diese Verordnung geändert und insbesondere das Preisgleichheitsgebot für nationale und grenzüberschreitende Eurozahlungsvorgänge innerhalb der EU gemäß Art. 3 iVm. Art. 2 Nr. 1 und 14 auf Lastschriften ausgedehnt.
7.107
1 Grundmann, WM 2000, 2284, wonach man mit dem Gesetz „gut leben kann“. 2 ABl. EG Nr. L 166 v. 11.6.1998, S. 45. 3 Die Art. 3 und 5 der Zahlungssicherungsrichtlinie sind teilweise bereits durch das Überweisungsgesetz v. 21.7.1999 umgesetzt worden (vgl. BGBl. I 1999, S. 1642). Vgl. weiter Keller, WM 2000, 1269 (1277). 4 ABl. EG Nr. L 344 v. 28.12.2001, S. 13. 5 Zum Inhalt und Rechtsfolgen der Verordnung vgl. Hoffmann, WM 2002, 1517 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
II. Umsetzung des Gemeinschaftsrechts
7.108
Bei der Umsetzung der EG-Überweisungsrichtline konnte der deutsche Gesetzgeber nicht auf schon vorhandene Gesetzesvorschriften zurückgreifen. Das Überweisungsrecht wurde im deutschen Recht als Teil des Girovertrages begriffen, der eine spezielle Form des Geschäftsbesorgungsvertrages iS des § 675 BGB darstellt. Diese Vorschrift erschöpft sich in der Verweisung auf die auftragsrechtlichen Bestimmungen, die die Rechte und Pflichten der Beteiligten im Zusammenhang mit Überweisungen nur ansatzweise und die in den von der Überweisungsrichtlinie angesprochenen Punkte gar nicht regelt. Es konnte auch nicht auf eine gefestigte Vertragspraxis oder auf Rechtsgrundsätze des BGH zurückgegriffen werden. Die vom BGH anlässlich der Überprüfung der AGB-Banken entwickelten Rechtsgrundsätze waren für die Umsetzung der Überweisungsrichtlinie nicht ausreichend, weil sie in sämtlichen von dieser Richtlinie angesprochenen Fragen zu genau gegenteiligen und für den Bankkunden als Überweisungsauftraggeber ungünstigen Ergebnissen führen1. Für die Umsetzung musste deshalb zunächst ein legislativer Rahmen geschaffen werden.
7.109
Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung auch die sich im Inland vollziehenden (nationalen) Überweisungen einbezogen, obwohl die Überweisungsrichtlinie nur grenzüberschreitende Überweisungen bis zu 50 000 Euro betrifft. Die Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie auch auf Inlandsüberweisungen erschien sachlich zwingend, um eine Schlechterstellung der Bankkunden bei reinen Inlandsüberweisungen zu vermeiden. Denn das EG-Recht besagt in allen zentralen Fragen des Überweisungsrechts genau das Gegenteil von dem, was zuvor die AGB der Kreditinstitute und die dazu entwickelten Rechtsgrundsätze des Bundesgerichtshofes besagten.
7.110
Eine nach dem EG-Recht mögliche Schlechterstellung der Inlandsüberweisungen wurde verworfen, weil es für eine solche Differenzierung keinen sachlichen Grund gäbe. Wäre es bei den bisherigen deutschen Rechtsgrundsätzen verblieben, wäre das Haftungsrisiko der Kreditinstitute deutlich geringer als nach den Vorgaben der Überweisungsrichtlinie, obwohl das Fehler- und Haftungsrisiko der Kreditinstitute im inländischen bargeldlosen Zahlungsverkehr deutlich geringer als bei grenzüberschreitenden Überweisungen ist. Deshalb haben nach Meinung des Gesetzgebers die Vorgaben der Überweisungsrichtlinie den für den Überweisungsverkehr bisher geltenden Rechtsgrundsätzen die innere Rechtfertigung genommen2.
7.111
Das Überweisungsgesetz hatte auch die Überweisungen in Nicht-Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (Drittstaatsüberweisungen) in die Regelung mit einbezogen. Schon zur Verhinderung von Umgehungen der Überweisungsrichtlinie müssten Überweisungen von und aus Drittstaaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) auf dem Wege der Überweisung vom Auf1 BT-Drucks. 14/745, S. 8, 9. 2 BT-Drucks. 14/745, S. 9.
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7. Teil
Die Überweisung
traggeber zum Begünstigten mit geregelt werden1. Auch wäre es sachlich ungerechtfertigt, wenn solche Drittstaatsüberweisungen völlig anders behandelt würden als Überweisungen innerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums. Nach dem Gesetzgeber hätte dies insbesondere bei Überweisungen in Staaten wie die Schweiz oder die USA zu unbefriedigenden Ergebnissen führen können, zumal die US-amerikanischen Regelungen Vorbild für die Überweisungsrichtlinie waren2. Andererseits konnte es nach dem maßgeblichen Recht in den Drittstaaten an der Möglichkeit eines Rückgriffs auf eine in der Überweisungskette nachgeschalteten Bank fehlen, wenn die erstbeauftragte Bank infolge der Neuregelung eine Haftung ohne eigenes Verschulden traf. Eine solche Inanspruchnahme der nachgeschalteten Bank gehörte aber zur inneren Rechtfertigung der Konzeption der Überweisungsrichtlinie, die eine zwingend vorgegebene verschuldensunabhängige „Geld-zurück-Garantie“ (Money-back-Garantie) der erstbeauftragten Bank gegenüber dem Überweisungsauftraggeber vorsah (Art. 8 Überweisungsrichtlinie). Nach dem Überweisungsgesetz wurde diese Garantiehaftung auf 12.500 Euro begrenzt (§ 676b Abs. 3 BGB aF). Diese Haftungsrisiken der Kreditinstitute konnten jedoch bei den Drittstaatsüberweisungen dadurch neutralisiert werden, dass die Möglichkeit vorgesehen war, bei solchen Überweisungen abweichende Vereinbarungen mit dem Bankkunden zu treffen (§ 676c Abs. 3 Nr. 3 BGB aF). Diese Befreiungsmöglichkeit ermöglichte die Schaffung eines einheitlichen gesetzlichen Leitbildes der Banküberweisung3. Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsverkehrsrichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht dient der Umsetzung der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt („Zahlungsdiensterichtlinie“), die neben aufsichtsrechtlichen Regelungen auch Anforderungen an den Euro-Zahlungsverkehr definiert, die bis zum 31.10 2009 in nationales Recht umgesetzt werden mussten. Hinsichtlich dieses zivilrechtlichen Bereiches wird von der Zahlungsdiensterichtlinie der Zweck verfolgt, die Grundlage für einen EU-weiten Binnenmarkt für den Zahlungsverkehr zu schaffen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb der EU-/EWR-Staaten genauso einfach, effizient und sicher sind wie rein nationale Zahlungen innerhalb eines der Mitgliedstaaten. Außerdem zielt die Richtlinie darauf ab, den Wettbewerb innerhalb des Marktes zu erhöhen, weshalb der Zahlungsverkehr auch von speziellen „Zahlungsinstituten“ betrieben werden darf, die keiner Banklizenz bedürfen, sondern deren Zulässigkeit durch das ZAG geregelt wird.
7.112
Die Zahlungsdiensterichtlinie regelt insbesondere in den Titeln III und IV die zivilrechtlichen Anforderungen, die zur Schaffung eines einheitlichen EuroZahlungsraums („Single Euro Payment Area – SEPA“) als erforderlich angesehen werden, damit EU- bzw. EWR-weit ein einheitlicher Rechtsrahmen ge-
7.113
1 BT-Drucks. 14/745, S. 10. 2 BT-Drucks. 14/745, S. 10. 3 BT-Drucks. 14/745, S. 10.
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schaffen werden kann. Durch diesen sollen einheitliche pan-europäische Zahlungsverfahren eingeführt werden, die in allen EU-/EWR-Staaten einheitlich angewendet werden und einheitlichen rechtlichen Regelungen unterliegen. Die Richtlinie enthält deshalb sehr genaue Regelungen und macht enge Vorgaben für die einzelnen Verfahren, die von den nationalen Gesetzgebern umgesetzt werden mussten. Diese Vorgaben beziehen sich neben vorvertraglichen und vertraglichen Informationspflichten insbesondere auf Regelungen über die Bereitstellung und Handhabung der entsprechenden Zahlungsverfahren und enthalten genaue Festlegungen hinsichtlich der Entgeltlichkeit, zur Autorisierung, zum Widerruf, zum Einsatz der Zahlungsinstrumente, zu den Ausführungsfristen, zu den Wertstellungszeitpunkten, zu den Leistungsstörungen, aber auch zu Erstattungsansprüchen und zur Haftung. Eingeführt wurden die neuen zivilrechtlichen Regelungen durch spezielle Vorschriften im BGB als Teil des Titels 12, der sich mit dem Auftrag, dem Geschäftsbesorgungsvertrag und den Zahlungsdiensten beschäftigt. Folglich finden sich die entsprechenden Regelungen in einem Untertitel 3 und stehen neben den Regelungen zum Auftrag und zum Geschäftsbesorgungsvertrag. Die §§ 675b bis 676c BGB, von denen sich die Regelungen §§ 675c bis 676c BGB mit den Zahlungsdiensten beschäftigen, sind an die Stelle der bisherigen Vorschriften der §§ 676 bis 676h BGB getreten. Sie ersetzen damit insbesondere die Regelungen zum Überweisungsvertrag gemäß §§ 676a ff. BGB aF, zum Zahlungsvertrag gemäß §§ 676d f. BGB aF, zum Girovertrag gemäß §§ 676f. BGB aF sowie der fälschlich dem Girovertrag zugeordneten Regelung zum Missbrauch von Zahlungskarten in § 676h BGB aF.
7.114
Während die früheren Regelungen, die den Überweisungsvertrag und den Zahlungsvertrag erfassten, nur die Überweisung als Zahlungsverkehrsinstrument näher regelten, sind die jetzigen Vorschriften so allgemein abgefasst, dass sie sich auch auf andere Zahlungsinstrumente, wie zB Lastschriften, Zahlungen mittels Debit- und Kredit-Karten oder auch das Online-Banking beziehen. Diese Zahlungsinstrumente waren in der Vergangenheit praktisch ungeregelt, denn neben dem Überweisungs- und Zahlungsvertrag, die – wie ausgeführt – sich lediglich auf Überweisungen bezogen, fanden sich im Gesetz sonst nur noch rudimentäre Regelungen zum Girovertrag sowie zum Missbrauch von Zahlungskarten in § 676h BGB aF, ohne dass darin jedoch die vertraglichen Anforderungen für andere Zahlungsverfahren auch nur im Ansatz geregelt worden wären.
7.115
Ersetzt wurden auch die Regelungen zu den Informationspflichten in § 12 und § 13 BGB-InfoV. Deren Nachfolger sind in das Einführungsgesetz zum BGB überführt worden, das damit in Art. 248 um Regelungen zu den Zahlungsdiensten ergänzt wurde.
7.116
Die EU-Zahlungsdiensterichtlinie setzt die Tradition entsprechender Richtlinien, durch die versucht wurde und wird, den nationalen Zahlungsverkehr EU- bzw. EWR-weit zu regeln, fort. Die auf die Zahlungsdiensterichtlinie zurückzuführenden Regelungen ersetzen die bisherigen §§ 676a bis 676h BGB, die zur Umsetzung der „Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über grenzüberschreitende Überweisungen (Überweisungsrichtli862
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nie)“ sowie des Art. 8 der „Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz“ und Art. 8 der „Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher“ in das BGB eingeführt worden waren. Insbesondere die Überweisungsrichtlinie, auf der das am 21.7.1999 erlassene und zum 14.8.1999 in Kraft getretene Überweisungsgesetz beruhte, hatte zur Zielsetzung, zumindest den Überweisungsverkehr im Hinblick auf die Laufzeit sowie die Entgeltberechnung innerhalb der EU- und EWR-Staaten zu vereinfachen. Für inländische Überweisungen galt das Überweisungsgesetz im Übrigen erst seit 1.1.2002, so dass diese gesetzlichen Regelungen für den inländischen Zahlungsverkehr nicht einmal acht Jahre in Kraft waren. Die durch das Überweisungsgesetz eingeführten Differenzierungen in Überweisungsvertrag, Zahlungsvertrag und Girovertrag sind wieder aufgegeben worden, alle drei Glieder einer Zahlungskette werden durch einheitliche und vom Zahlungsverfahren unabhängige Vertragstypen geregelt werden.
1. Die neuen Regelungen über Zahlungsdienste Zunächst einmal ergibt sich aus § 676c Abs. 1 BGB, dass es sich bei dem Vertrag, der auf Zahlungsdienste abzielt, um einen Geschäftsbesorgungsvertrag handelt, so dass dessen allgemeine Regelungen gemäß §§ 663, 665 bis 670 sowie 672 bis 674 BGB Anwendung finden, sofern es keine speziellen Vorschriften zum Zahlungsdienst gibt oder diese auf Grund ihres Sinngehalts nicht anwendbar sind.
7.117
In räumlicher Hinsicht ergibt sich aus § 675d Abs. 1 Satz 2 iVm. § 675e Abs. 2 BGB, dass die Anwendung bestimmter Regelungen zum Zahlungsverkehr auf Zahlungsdienste in Währungen eines Staates außerhalb des EWR oder die Erbringung von Zahlungsdiensten, bei denen der Zahlungsdienstleister des Zahlers oder des Zahlungsempfängers außerhalb des EWR gelegen ist, keine Anwendung findet. Dies bezieht sich in erster Linie auf die Regelungen zu den Entgelten in § 675q Abs. 1 und 3 BGB, zu den Ausführungsfristen in § 675s Abs. 1 BGB, zu den Wertstellungsanforderungen gemäß § 675t Abs. 2 BGB, zu den Erstattungsansprüchen gemäß § 675x Abs. 1 BGB, die Haftung des Zahlungsdienstleisters gemäß § 675y Abs. 2 BGB sowie die Erfüllungsgehilfenhaftung gemäß § 675z Satz 3 BGB eines Zahlungsdienstleisters für von ihm zwischengeschaltete Zahlungsdienstleister. Zwar gelten alle anderen Vorschriften im Grundsatz auch für Zahlungen außerhalb der EU- und EWRStaaten, allerdings erlaubt § 675e Abs. 2 Satz 2 BGB in diesem Fall, von den gesetzlichen Regelungen auch zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abzuweichen. Diese Abweichung wird jedoch für solche Zahlungsdienste, die in Euro oder in der Währung eines EU- oder EWR-Staates erbracht werden, wieder dahingehend eingeschränkt, dass Vorschriften zur Wertstellung in § 675t Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie in Abs. 3 BGB auch weiterhin zwingend bleiben.
7.118
Schließlich erlaubt § 675e Abs. 4 BGB im Zahlungsdienstegeschäftsverkehr mit einem Zahlungsdienstnutzer, der nicht Verbraucher ist, in erheblichem
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Umfange auch für Zahlungen innerhalb der EU- bzw. EWR-Staaten von den zwingenden gesetzlichen Regelungen abzuweichen. Außerdem erlaubt § 675e BGB im Falle von Kleinbetragsinstrumenten oder elektronischem Geld von zwingenden Vorschriften abzuweichen, wie dies in § 675e Abs. 2 BGB im Einzelnen aufgelistet ist.
2. Informationspflichten
7.120
Gemäß § 675d Abs. 1 Satz 1 BGB treffen die Unterrichtungspflichten einen Zahlungsdienstleister, gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer bestimmte Informationen im Zusammenhang mit der Zahlungsdienstleistung zu erbringen.
7.121
Gemäß Art. 248 Abschnitt 2 (§§ 3 ff.) und Abschnitt 3 (§§ 12 ff.) EGBGB wird zwischen dem Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 BGB und dem Einzelzahlungsvertrag gemäß § 675f Abs. 1 BGB differenziert, wobei primär die Informationspflichten an den Zahlungsdiensterahmenvertrag anknüpfen und solche für Einzelzahlungsverträge nur dann gelten, wenn diese nicht Teil eines Zahlungsdiensterahmenvertrages sind. Im Übrigen verdrängen die Spezialregelungen zu den Informationspflichten bei Zahlungsdiensten gemäß Art. 248 §§ 1 f. EGBGB konkurrierende Informationspflichten zum Fernabsatz gemäß § 312c Abs. 1 BGB iVm. Art. 246 §§ 1 und 2 EGBGB, sofern Pflichten nicht bei den Informationspflichten zu den Zahlungsdienstleistungen geregelt werden.
7.122
Gegenüber den früheren Regelungen zur BGB-InfoV sind die Informationspflichten in erheblichem Umfange erweitert worden. Für Zahlungsdiensterahmenverträge werden zunächst in Art. 248 § 4 EGBGB vorvertragliche Informationspflichten festgelegt, die sich insbesondere auf – den Zahlungsdienstleister – die Nutzung des entsprechenden Zahlungsdienstes – die Entgelte, Zinsen und Wechselkurse – die Kommunikation – Schutz- und Abhilfemaßnahmen – Änderungen der Vertragsbedingungen, die Kündigung, das anwendbare Recht und das zuständige Gericht sowie – Rechtsbehelfe beziehen. Dabei werden die Anforderungen äußerst detailliert beschrieben.
7.123
Ergänzt werden diese vorvertraglichen Informationspflichten nur durch die in Art. 248 § 5 EGBGB festgelegte Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass während der Vertragslaufzeit der Zahlungsdienstnutzer jederzeit die Übermittlung von Vertragsbedingungen sowie der in Art. 248 § 4 EGBGB festgelegten Informationen in Textform verlangen kann.
7.124
Außerdem ergibt sich aus Art. 248 § 6 EGBGB, dass vor Ausführung eines vom Zahler ausgelösten Zahlungsvorgangs innerhalb eines Zahlungsdienste864
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rahmenvertrages der Zahler vom Zahlungsdienstleister verlangen kann, über die maximale Ausführungsfrist des Zahlungsvorgangs sowie die in Rechnung zu stellenden Entgelte und deren Aufgliederung unterrichtet zu werden. Die während der einzelnen Zahlungsvorgänge zu erfüllenden Informationspflichten ergeben sich aus Art. 248 §§ 7 ff. EGBGB, wobei zwischen Informationen an den Zahler (Art. 248 § 7 EGBGB) und den Zahlungsempfänger (Art. 248 § 8 EGBGB) unterschieden wird. Der Zahlungsdienstleister ist gemäß Art. 248 § 7 EGBGB gegenüber dem Zahler nach Belastung von dessen Kontos verpflichtet, ihm folgende Informationen zukommen zu lassen:
7.125
– Die Kennung des Zahlungsvorgangs, um dem Zahler die Identifizierung des betreffenden Vorgangs zu ermöglichen; außerdem sind ggf. Angaben zum Zahlungsempfänger erforderlich. – Den Zahlungsbetrag in der Währung, in der entweder das Konto belastet wird oder in der die Zahlung erfolgt. – Alle zu zahlenden Entgelte und deren Aufschlüsselung sowie Zinsen und ggf. Wechselkurse. – Das Wertstellungsdatum der Belastung oder das Datum des Zugangs des Zahlungsauftrages. Weiterhin sind gemäß Art. 248 § 8 EGBGB Informationspflichten gegenüber dem Zahlungsempfänger zu erfüllen. Diesem müssen mitgeteilt werden:
7.126
– Die Kennung des Zahlungsvorgangs sowie weitere, mit dem Zahlungsvorgang übermittelte Angaben. – Der Zahlungsbetrag. – Die zu entrichtenden Entgelte in aufgeschlüsselter Form sowie Zinsen und ggf. Wechselkurse. – Das Wertstellungsdatum der Gutschrift. Sollte ein Einzelzahlungsvertrag zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlenden vereinbart worden sein, der nicht in einen Zahlungsdiensterahmenvertrag eingebettet ist, ergeben sich die besonderen Informationspflichten aus Art. 248 §§ 13 bis 15 EGBGB, wobei gemäß Art. 248 § 12 EGBGB die sich aus § 13 EGBGB sowie den Vertragsbedingungen ergebenden vorvertraglichen Informationen in leicht zugänglicher Form zur Verfügung zu stellen sind, ohne dass jedoch – im Gegensatz zu den Informationspflichten im Zahlungsdiensterahmenvertrag – die Textform, wie sie für den Zahlungsdiensterahmenvertrag in Art. 248 § 3 EGBGB vorgeschrieben ist, eingehalten werden muss. Sollte jedoch der Zahler ein entsprechendes Verlangen stellen, hat der Zahlungsdienstnutzer die Informationen und Vertragsbedingungen ebenfalls in Textform zur Verfügung zu stellen.
7.127
Gemäß Art. 248 § 13 EGBGB ist der Zahler darüber zu unterrichten, welche Informationen oder Kundenkennungen er zur Verfügung stellen muss, damit eine ordnungsgemäße Ausführung des Zahlungsauftrags möglich ist.
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7.129
Weiterhin ist der Zahlende über die maximale Ausführungsfrist für den zu erbringenden Zahlungsdienst zu unterrichten.
7.130
Außerdem stehen ihm auch hier Informationen über die Entgelte in aufgeschlüsselter Form sowie ggf. über Wechselkurse zu. Zinsen werden nicht erwähnt, weil es sich beim Einzelzahlungsvertrag um einen nicht in einen Zahlungsdiensterahmenvertrag eingebetteten Vertrag handelt, so dass es zu keinen Zinsbelastungen auf einem Girovertrag, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag handeln würde, kommen kann.
7.130a
Schließlich enthält Art. 248 § 13 Abs. 1 Satz 2 EGBGB einen Verweis auf Art. 248 § 4 Abs. 1 EGBGB und damit auf die vorvertraglichen Informationspflichten beim Zahlungsdiensterahmenvertrag, die, soweit sie von Relevanz sind, ebenfalls ergänzend gelten.
7.131
Sobald der Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag erhalten hat, werden die sich aus Art. 248 § 14 EGBGB ergebenden Informationspflichten ausgelöst, wobei es für diese keine spezielle Form gibt. Es handelt sich dabei um – die dem Zahlungsvorgang zugeordnete Kennung, die es dem Zahler ermöglichen soll, den Zahlungsvorgang zu identifizieren, – die Angaben zum Zahlungsempfänger, – den Zahlungsbetrag in der Währung des Zahlungsauftrages, – die Höhe der vom Zahler für den Zahlungsvorgang zu entrichtenden Entgelte ggf. in aufgeschlüsselter Form, – ggf. den Wechselkurs, den der Zahlungsdienstleister des Zahlers dem Zahlungsvorgang zugrundgelegt hat, – das Datum des Zugangs des Zahlungsauftrages.
7.132
Art. 248 § 15 EGBGB legt schließlich die Informationen fest, die beim Einzelzahlungsvertrag dem Zahlungsempfänger nach Ausführung des Zahlungsvorgangs übermittelt werden müssen. Sie sind weitgehend mit den entsprechenden Informationspflichten im Rahmen eines Zahlungsdiensterahmenvertrages identisch, enthalten Unterschiede allerdings insofern, als Leistungen, die mit dem Zahlungsdiensterahmenvertrag verbunden sind, im Falle des Einzelvertrages nicht erbracht werden, insbesondere Inbezugnahmen auf Gutschriften, da der Einzelzahlungsvertrag weder beim Zahlenden noch beim Zahlungsempfänger ein Konto zwingend voraussetzt.
7.133
Dem Zahlungsempfänger sind deshalb Informationen über – die Kennung des Zahlungsvorgangs sowie ggf. weitere mit dem Zahlungsvorgang übermittelte Angaben zur Verfügung zu stellen; – er ist über den Zahlungsbetrag in der Währung zu unterrichten, in dem ihm dieser zur Verfügung gestellt wird; – ihm müssen die von ihm zu entrichtenden Entgelte und ggf. deren Aufschlüsselung im Zusammenhang mit dem Zahlungsvorgang zur Verfügung gestellt werden; 866
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– ggf. ist eine Unterrichtung über den Wechselkurs erforderlich, den der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers dem Zahlungsvorgang zugrundegelegt hat; – er ist über das Wertstellungsdatum der Gutschrift zu informieren.
3. Die Vertragsstruktur Wie bereits dargelegt, kennen die auf der Zahlungsdiensterichtlinie beruhenden gesetzlichen Regelungen nicht mehr die Unterscheidung in Überweisungsvertrag, Zahlungsvertrag und Girovertrag, stattdessen wird Bezug genommen auf den Zahlungsdienstevertrag gemäß § 675f BGB, der sich untergliedert in den Einzelzahlungsvertrag gemäß § 675f Abs. 1 BGB sowie den Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 BGB. Während sich der Einzelzahlungsvertrag lediglich darauf bezieht, einen einzelnen Zahlungsvorgang auszuführen, legt der Zahlungsdiensterahmenvertrag den vertraglichen Rahmen für verschiedene aufeinander folgende Zahlungsvorgänge sowie für ein Zahlungskonto fest. Der Zahlungsdiensterahmenvertrag ersetzt folglich den bisherigen Vertragstypus des Girovertrages, ohne jedoch mit diesem identisch zu sein, da – wie sich aus der Wortwahl in „gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Konto oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen ...“ ergibt –, die Führung eines Zahlungskontos für einen Zahlungsdiensterahmenvertrag nicht zwingend erforderlich ist. Darüber hinaus kann er – wie aus § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB folgt – auch Teil eines anderen Vertrags sein oder mit ihm zusammenhängen, so dass der Zahlungsdiensterahmenvertrag eine Vielzahl von Vertragstypen, wie zB den bisherigen Dauerauftrag, aber auch einen Vertrag über die Nutzung einer Zahlungskarte, abdecken kann. Wiederbelebt worden ist im Rahmen dieser neuen Vertragskonstruktion der „Zahlungsauftrag“, dessen Ende zunächst mit dem Überweisungsvertrag gekommen war, da ja bekanntlich der Überweisungsvertrag als eigenständiger Vertragstyp für die Ausführung einer Überweisung an die Stelle des früheren Zahlungsauftrags, bei dem es sich um eine Weisung innerhalb eines bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages handelte, getreten war. Deshalb sieht § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB wieder einen Zahlungsauftrag vor, bei dem es sich um jeden Auftrag handelt, den ein Zahler seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungsempfänger erteilt.
7.134
Da es sich beim Zahlungsdiensterahmenvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt, wurden in §§ 675g und 675h BGB die Regelungen über die Änderung sowie die Kündigung dieses Vertrages eingeführt. Von besonderer Bedeutung ist hier § 675g Abs. 1 BGB, der für eine Änderung des Rahmenvertrages voraussetzt, dass diese spätestens zwei Monate vor dem Änderungszeitpunkt dem Zahlungsdienstnutzer in Textform zur Verfügung gestellt werden muss. Das bemerkenswerte an dieser Regelung besteht darin, dass sie im Grundsatz von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auszugehen scheint, da ein solch langfristiges Änderungsverfahren bisher nur im Rahmen der Anpassung von
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Allgemeinen Geschäftsbedingungen bekannt war, nicht jedoch auch bei Individualvereinbarungen. Da nach dem Wortlaut § 675g Abs. 1 BGB auch zwingend zu sein scheint, bedeutet dies, dass es nicht möglich ist, einen Zahlungsdiensterahmenvertrag individualvertraglich durch ein abweichendes Verfahren zu ändern. Von einem Sonderfall, wie dem für elektronisches Geld in § 675i Abs. 2 Nr. 1 BGB geregelten Fall einmal abgesehen, folgt aus § 675e Abs. 4 BGB, dass § 675g BGB, und damit auch das Änderungsverfahren, nur dann dispositiv ist, wenn es sich bei dem Zahlungsdienstnutzer um keinen Verbraucher, sondern einen Unternehmer gemäß § 14 BGB handelt. In allen anderen Fällen ist damit das Änderungsverfahren zwingend, selbst wenn der Zahlungsdiensterahmenvertrag nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt wird.
7.136
Dass der Gesetzgeber in erster Linie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Augen hatte, dabei gleichzeitig aber auch Anforderungen für den individualvertraglichen Zahlungsdiensterahmenvertrag festgelegt hat, ergibt sich auch aus § 675g Abs. 2 BGB, da es danach rechtlich erlaubt ist zu vereinbaren, dass eine Zustimmung auch durch Schweigen erteilt werden kann. Sofern dies folglich in einer Rahmenvereinbarung vereinbart wird, kann bestimmt werden, dass eine Zustimmungsfiktion durch Schweigen erfolgen kann. Damit ist durch den Gesetzgeber die Frage, ob und in welchem Umfange Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zahlungsverkehr durch Schweigen genehmigt werden können, erledigt worden. Mit der Verpflichtung des Zahlungsdienstleisters in § 675g Abs. 2 Satz 2 BGB, dem Zahlungsdienstnutzer mit dem Angebot zur Vertragsänderung mitzuteilen, welche Folgen sein Schweigen auf das Änderungsangebot hat, hat der Gesetzgeber die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Genehmigung von Belastungen auf Grund von Einziehungsermächtigungen 1 für den Zahlungsdiensterahmenvertrag übernommen. Dem Zahlungsdienstnutzer ist ein Recht zur außerordentlichen Kündigung für den Fall des Änderungsverlangens des Zahlungsdienstnutzers eingeräumt worden. Beim Änderungsbegehren bestehen, falls dieses Kraft Vereinbarung auch durch Schweigen genehmigt werden kann, zukünftig drei Alternativen: Zunächst kann der Zahlende die Vertragsänderung durch Schweigen genehmigen. Sollte er dem Änderungsbegehren widersprechen, besteht der Vertrag zu den bisherigen Bedingungen fort. Zusätzlich wird ihm aber auch noch das Recht eingeräumt, bis zum vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung das Vertragsverhältnis fristlos zu kündigen. Auf dieses Kündigungsrecht muss der Zahlungsdienstleister den Zahlenden auch ausdrücklich hinweisen. Jedes Änderungsbegehren ist deshalb für einen Zahlungsdienstleister mit dem Risiko verbunden, dass der Zahlungsdienstnutzer dieses dazu nutzt, das Vertragsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden.
1 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 ff.
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Im Falle einer Änderung von Zinssätzen oder Wechselkursen bedarf es des vorstehen beschriebenen aufwendigen Verfahrens nicht, diese können auch ohne entsprechende vorherige Benachrichtigung unmittelbar wirksam werden, sofern dies im Zahlungsdienstrahmenvertrag vereinbart wurde und diese Änderungen auf vereinbarten Referenzzinssätzen oder Referenzwechselkursen beruhen. Allerdings muss gemäß Art. 248 § 9 Nr. 2 EGBGB der Zahlungsdienstleister den Zahlungsdienstnutzer unverzüglich nachträglich über eine solche Änderung informieren, sofern diese für den Nutzer nachteilig ist. Auch lösen diese Änderungen kein Recht zur Kündigung aus.
7.137
Ergänzt wird die Regelung zur Änderung des Zahlungsdienstrahmenvertrages durch § 675h BGB, der das Recht zur ordentlichen Kündigung eines solches Vertrages regelt.
7.138
Danach hat der Zahlungsdienstnutzer das Recht, den Vertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, sofern nicht ausdrücklich eine Kündigungsfrist vereinbart worden ist. Eine solche ist – wie sich aus § 675h Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt – nur wirksam, wenn sie nicht mehr als einen Monat beträgt. Während beim Kündigungsrecht des Zahlungsdienstnutzers nicht zwischen befristeten und unbefristeten Verträgen unterschieden wird, so dass das Recht zur Kündigung auch bei befristeten Verträgen besteht, kann gemäß § 675h Abs. 2 BGB der Zahlungsdienstleister den Zahlungsdienstrahmenvertrag nur kündigen, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und ein Kündigungsrecht vereinbart worden ist. In diesem Fall darf die Kündigungsfrist zwei Monate nicht unterschreiten. Außerdem ist die Einhaltung der Textform zu berücksichtigen. Das in § 675h BGB geregelte Kündigungsrecht tritt nicht an die Stelle des in § 676a Abs. 3 und 4 BGB aF geregelte frühere Recht zur Kündigung des Überweisungsvertrages, da sich das neue Kündigungsrecht auf den Rahmen für die Ausführung einer solchen Überweisung bezieht. Sofern eine Überweisung vorzeitig beendet werden soll, tritt an die Stelle der Kündigung der Widerruf des Zahlungsauftrages, dessen rechtlicher Rahmen in § 675p BGB geregelt worden ist. Das Recht zur Kündigung des Zahlungsdienstrahmenvertrages ist aber von Bedeutung sowohl für den Kontovertrag als auch für den Dauerauftrag. Letzterer konnte nach dem früheren Recht hinsichtlich aller zukünftigen, noch nicht begonnenen Zahlungen von beiden Parteien jederzeit gekündigt werden. Unberührt von den Regelungen des § 675h BGB bleibt nur das nicht näher geregelte Recht zur außerordentlichen Kündigung, das jeweils eines besonderen Grundes bedarf.
7.139
Schließlich wird in § 675h Abs. 3 BGB klargestellt, dass im Falle einer Kündigung des Zahlungsdienstrahmenvertrages die vereinbarten Entgelte nur anteilig zu zahlen bzw. – sofern es bereits zu einer Vorauszahlung gekommen sein sollte – anteilig zu erstatten sind.
7.140
Während, wie sich aus § 675e Abs. 2 BGB ergibt, für Kleinbetragszahlungen die Regelungen zum Zahlungsdienstvertrag in erheblichem Umfange dispositiv sind, werden die Kündigungsregelungen gemäß § 675h BGB davon nicht
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erfasst, so dass auch bei einem Zahlungsdienstrahmenvertrag, der sich auf Kleinbetragsinstrumente oder elektronisches Geld bezieht, die dargestellten Kündigungsregelungen Anwendung finden.
4. Entgeltregelungen
7.142
Zwar greifen die gesetzlichen Regelungen nicht in die Höhe der zu bildenden Preise ein, diesbezüglich besteht weiterhin Vertragsfreiheit, gleichwohl wird festgelegt, welche Leistungen nicht mit einem Preis versehen werden dürfen.
7.143
§ 675d Abs. 3 BGB legt fest, dass die gemäß Art. 248 §§ 1 bis 16 EGBGB zu erbringenden Informationspflichten grundsätzlich unentgeltlich zu leisten sind. Die Vereinbarung eines Entgelts ist nur zulässig, sofern es sich um Informationen handelt, die auf Verlangen des Zahlungsdienstnutzers vom Zahlungsdienstleistenden mit größerer Häufigkeit erbracht werden als die in Art. 248 §§ 1 bis 16 EGBGB vorgesehenen, diese Informationen über die Informationspflichten nach den vorstehend bezeichneten Vorschriften hinausgehen und zur Erbringung Kommunikationswege verwendet werden, die nicht im Zahlungsdienstrahmenvertrag vereinbart worden sind. Außerdem müssen diese Entgelte angemessen sein und haben sich an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters zu orientieren. Dies heißt zwar nicht, dass diese Kosten nicht überschritten werden dürfen, gleichwohl wird eine Preisbildung auf dieser Grundlage nur insofern als angemessen betrachtet werden können, als die tatsächlichen Kosten nicht wesentlich überschritten werden. Nur im Geschäftsverkehr mit Unternehmern kann § 675g BGB insbesondere der gesetzliche Rahmen für die Preisbildung ausgeschlossen werden. Weiterhin stellt § 675d Abs. 4 BGB nochmals klar, dass die sich aus Art. 248 §§ 17 und 18 EGBGB ergebenden Pflichten von Dritten zu erbringen sind. Letztlich wiederholt § 675d Abs. 4 BGB nur die sich bereits aus Art. 248 §§ 17 und 18 EGBGB ergebenden Informationspflichten.
7.144
Besondere Bedeutung kommt § 675f Abs. 5 BGB zu, der es einem Zahlungsdienstleister untersagt, mit dem Zahlungsempfänger eine Vereinbarung zu treffen, wonach es diesem nicht erlaubt ist, für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments eine Ermäßigung anzubieten. Ursprünglich war sogar vorgesehen, auch eine Vereinbarung zu verbieten, durch die ein Zahlungsdienstleister dem Zahlungsempfänger untersagt hätte, für die Nutzung bestimmter Zahlungsauthentifizeriungsintrumente ein Entgelt zu berechnen. Das Recht zur Gewährung einer Ermäßigung dagegen darf dem Zahlungsempfänger nicht genommen werden. Eine solche Regelung ist zunächst von Bedeutung für die Kreditkartengesellschaften, denn bisher hatten diese im Akquisitionsvertrag ihre Händler verpflichtet, Zahlungen mittels Kreditkarte nicht anders zu behandeln als Barzahlungen, was letztlich bedeutete, dass der Händler weder für die Entgegennahme einer Kreditkartenzahlung ein höheres Entgelt als für eine Barzahlung nehmen durfte, noch berechtigt war, dem Kunden im Falle der Zahlung mittels Bargeld oder eines anderen Zahlungsverfahrens einen günstigeren Preis anzubieten. Aber auch für das 870
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electronic-cash-Verfahren hat die Bestimmung Bedeutung, denn gemäß Nr. 2 der bisherigen Händlerbedingungen – Bedingungen für die Teilnahme am electronic-cash-System der deutschen Kreditwirtschaft – waren die Händler verpflichtet, Zahlungen im electronic-cash-Verfahren zu Barzahlungspreisen zu akzeptieren. Wie sich aus § 675e Abs. 4 BGB ergibt, ist diese Regelung auch bei Verträgen mit Unternehmen nicht abdingbar, wobei sie auf Grund ihres Inhalts sicherlich auch nur dort von wirklicher Bedeutung ist, sodass diesen zukünftig das Recht, bei Nutzung anderer Zahlungsauthentifizierungsinstrumente eine Ermäßigung zu gewähren, nicht genommen werden kann. Nur die Berechnung eines zusätzlichen Entgelts kann vertraglich im Zahlungsdiensterahmenvertrag zwischen Zahlungsempfänger und seinem Dienstleister ausgeschlossen werden. § 675q BGB begründet die Verpflichtung, den Zahlungsbetrag ungekürzt zu übertragen, bis er beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers ankommt. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers ist allerdings befugt, Entgelte vom Überweisungsbetrag abzuziehen, sofern dies mit dem Zahlungsempfänger vereinbart worden ist und die Informationspflichten gemäß Art. 248 §§ 8 und 15 EGBGB erfüllt werden. Diese Regelung deckt sich zunächst mit dem Inhalt von § 676b Abs. 2 BGB, die es dem überweisenden Kreditinstitut sowie den zwischengeschalteten Kreditinstituten ebenfalls untersagte, Entgelte vom Überweisungsbetrag in Abzug zu bringen, auch folgt aus § 676g Abs. 2 BGB, dass ein Kreditinstitut berechtigt ist, mit seinem Kunden eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass es für die Entgegennahme von Zahlungen ein Entgelt berechnet. Gleichwohl unterscheidet sich die neue Regelung von der bisherigen insofern, als es gemäß § 676a Abs. 1 Satz 2 BGB zulässig war, mit dem Überweisenden einen Entgeltabzug zu vereinbaren, während die neue Regelung in § 675q Abs. 1 BGB dies endgültig ausschließt, so dass der bisherige Regelfall endgültig verpflichtend ist und nicht ab bedungen werden kann. Lediglich bei Zahlungsvorgängen mit Drittstaatenbezug ist, wie sich aus § 676e Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt, das Entgeltabzugsverbot grundsätzlich nicht anzuwenden, während es auch dann, wenn der Zahlungsdienstnutzer kein Verbraucher ist, nicht ab bedungen werden kann, wie sich aus der fehlenden Erwähnung von § 675q in § 676e Abs. 4 BGB ergibt.
7.145
5. Die Autorisierung Als neue Rechtsfigur eingeführt worden ist in §§ 675j ff. BGB die „Autorisierung von Zahlungsvorgängen“. Darunter ist gemäß § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB die Zustimmung eines Zahlers zu einem Zahlungsvorgang zu verstehen. Die Fassung des Begriffs der Autorisierung deckt ein weites Feld von Zustimmungsformen zu Zahlungen in verschiedenen Verfahren ab. Deutlich wird dies anhand von § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Zustimmung sowohl als Einwilligung als auch – sofern Zahlender und sein Zahlungsdienstleister dies vereinbart haben – Genehmigung erteilt werden kann. Unter Zustimmung ist die vorherige, unter Genehmigung die nachträgliche Einwilligung Werner
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
zur Zahlung zu verstehen. Damit erfasst die Regelung sowohl Zahlungen mittels Überweisungen, Karten im electronic cash-Verfahren oder auch Kreditkarten, bei denen der Zahlende unter Einsatz des Zahlungsinstruments gleichzeitig auch die Einwilligung zur Zahlung abgibt, als auch das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren, in dem die Genehmigung zur Kontobelastung erst nachträglich erteilt wird. Gemäß § 675j Abs. 1 Satz 3 BGB ist es dem Zahlungsdienstleister und seinem Zahlenden freigestellt zu vereinbaren, wie eine entsprechende Zustimmung erteilt werden kann. Sie können deshalb die Zustimmung auch mittels eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments vereinbaren, so dass die Autorisierung auch zB mittels einer Zahlungskarte, einer Chipkarte oder eines ähnlichen Instruments erfolgen kann.
7.147
Dadurch bleibt das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren auch weiterhin zulässig, es setzt lediglich voraus, dass der Zahlende und sein Zahlungsdienstleister eine Vereinbarung darüber treffen, dass zu einer solchen Lastschrift eine Genehmigung auch nachträglich erteilt werden kann. Dies geschieht in Nr. 2.4 der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren, die den entsprechenden Vereinbarungen in Nr. 7 Abs. 3 bzw. Abs. 4 der früheren AGB-Banken bzw. AGB-Sparkassen entspricht, und ein Genehmigungsverfahren für Einziehungsermächtigungslastschriften regelt.
7.148
Die Zustimmung ist grundsätzlich widerruflich, wobei – wie sich aus § 675j Abs. 2 BGB ergibt – dies nur so lange möglich ist, wie auch der Zahlungsauftrag widerrufen werden kann. Damit wird klargestellt, dass es sich bei Zustimmung und Zahlungsauftrag um zwei unterschiedliche Rechtsfiguren handelt, auch wenn sie in der Praxis sicherlich kaum zu unterscheiden sein werden, denn der an eine Bank erteilte Überweisungsauftrag, eine bestimmte Zahlung auszuführen, beinhaltet zum einen den Zahlungsauftrag selbst, gleichzeitig aber auch die Zustimmung, das Konto mit dem Überweisungsbetrag zu belasten. Durch § 675p BGB wird allerdings der Zeitpunkt der Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrages gegenüber dem bisherigen Recht erheblich nach vorne verlegt. Während gemäß § 676a Abs. 4 Satz 1 BGB aF ein Überweisungsvertrag grundsätzlich noch bis zu dem Zeitpunkt gekündigt werden konnte, in dem es möglich war, dem Kreditinstitut des Begünstigten die Kündigung zur Kenntnis zu bringen, bevor der Überweisungsbetrag bei diesem Institut zur endgültigen Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten zur Verfügung gestellt wurde, stellt § 675p BGB den Grundsatz auf, dass ein Widerruf nach Zugang des Zahlungsauftrages beim Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht mehr möglich ist. Bezogen auf Überweisungen wäre dies der Zeitpunkt, zu dem die überweisende Bank den Auftrag von ihren Kunden erhalten hat. Es spielt danach keine Rolle, ob mit der Ausführung bereits begonnen worden ist oder nicht. Allerdings ist es gemäß § 675p Abs. 4 BGB möglich, auch noch einen späteren Widerruf vertraglich zu vereinbaren, so dass die bisherigen überweisungsrechtlichen Regelungen vertraglich oder über Allgemeine Geschäftsbedingungen auch weiterhin festgelegt werden könnten. In den entsprechenden Bedingungen für den Überweisungsverkehr ist davon jedoch kein Gebrauch gemacht worden. 872
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7. Teil
Die Überweisung
Für von oder über den Zahlungsempfänger ausgelöste Zahlungsvorgänge, wie dies zB bei der Lastschrift der Fall ist, wird der Zeitpunkt, bis zu dem der Widerruf des Zahlungsauftrages durch den Zahler möglich ist, festgelegt als der Zeitpunkt, zu dem entweder der Zahlungsauftrag oder die Zustimmung zur Ausführung des Zahlungsvorgangs an den Zahlungsempfänger übermittelt wurde. Damit ist der Widerruf ab dem Zeitpunkt ausgeschlossen, ab dem es in den Händen des Zahlungsempfängers liegt, den Zahlungsbetrag einzuziehen. Auch hier spielt es keine Rolle, ob mit der Ausführung des Zahlungsvorgangs bereits begonnen worden ist. Allerdings enthält die Regelung für die Lastschrift insofern eine Besonderheit, als hier der Widerruf bis zum Ende des Geschäftstages vor dem vereinbarten Fälligkeitstag möglich ist. Im Lastschriftverfahren bedeutet dies gegenüber dem bisherigen Recht jedoch gleichwohl nicht, dass im Grundsatz die Erteilung einer Einziehungsermächtigung an den Zahlungsempfänger als Übermittlung des Zahlungsauftrags und Zustimmung zur Ausführung gewertet werden kann. Folgerichtig endet das Widerrufsrecht für die Einziehungsermächtigungslastschrift auch nach neuem Recht nicht früher als nach dem bisherigen Recht, da die Erteilung einer Einziehungsermächtigung nach wie vor nicht als Erteilung eines Zahlungsauftrages und/oder Zustimmung zur Zahlung gewertet werden kann. Außerdem gelten für Lastschriften noch Sonderregelungen in § 675x BGB, die dem Zahlenden jedoch kein Widerrufs- oder Kündigungsrecht gewähren, sondern ihm einen Erstattungsanspruch geben.
7.149
Sofern – wie in § 675p Abs. 3 BGB geregelt – ein bestimmter Ausführungstermin vereinbart worden ist, ist der Zahlungsauftrag bis zum Ende des Geschäftstages vor dem vereinbarten Tag widerruflich.
7.150
An die frühere Regelung, das Anerkennen von Zahlungsverkehrssystemen als den gesetzlichen Regelungen zum Widerruf vorgehend, knüpft § 675p Abs. 5 BGB an, der bestimmt, dass in einem Zahlungsverkehrssystem ein Auftrag zu Gunsten eines anderen Teilnehmers nach den Regeln des Systems unwiderruflich wird. Dies entspricht den Bestimmungen in § 676a Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 BGB aF, die die Kündigungsrechte des Kreditinstituts bzw. des Überweisenden entsprechend einschränken. Sofern die Zahlung mittels eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments erfolgt, können der Zahler und sein Zahlungsdienstleister gemäß § 675k Abs. 1 BGB eine Nutzungsobergrenze vereinbaren. Dies gab es ohne ausdrückliche Regelung aber bereits in den Online-Banking-Bedingungen vor Inkrafttreten des § 675k BGB.
7.151
§ 675k Abs. 2 BGB regelt ausrücklich die Möglichkeit, das Zahlungsauthentifizierungsinstrument sperren zu lassen, was der früheren Praxis auf Grund von Vereinbarungen mit den Nutzern solcher Instrumente entspricht. Stärker ausgeformt wird jetzt jedoch die Informationspflicht des Zahlungsdienstleisters, den Zahler zu informieren, wenn er eine Sperre des Instruments veranlasst. Der Zahlungsdienstleister ist dann verpflichtet, den Zahlenden möglichst vor Veranlassen der Sperre, spätestens jedoch unverzüglich danach zu unterrichten, auch müssen ihm die maßgeblichen Gründe dafür mitgeteilt
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
werden. Diese Unterrichtung kann nur dann unterbleiben, wenn der Zahlungsdienstleister dadurch gegen gesetzlich Verpflichtungen verstoßen würde. Sobald die Gründe für die Sperre nicht mehr vorliegen, ist der Zahlungsdienstleister verpflichtet, die Sperre des Zahlungsauthentifizierungsinstruments aufzuheben oder dieses durch ein entsprechendes neues Instrument zu ersetzen. Auch darüber muss der Zahler unverzüglich unterrichtet werden.
7.153
§ 675l BGB legt die Sorgfaltspflichten des Zahlungsdienstleisters fest, wobei diese weitestgehend den in den früheren Online-Banking- oder auch ec-Karten-Bedingungen festgelegten entsprechen. Folglich ist der Zahlende verpflichtet, nach Erhalt eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor einem unbefugten Zugriff zu schützen. Dies entspricht den Geheimhaltungsverpflichtungen im Zusammenhang mit der PIN im Online-BankingVerfahren oder auch bei der ec-Karte – jetzt: girocard-Maestro Card. Darüber hinaus ist der Nutzer dieser Instrumente verpflichtet, den Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder auch eine sonst nicht autorisierte Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments unverzüglich dem Zahlungsdienstleister oder einer von diesem benannten Stelle anzuzeigen, nachdem er Kenntnis von den entsprechenden Umständen erlangt hat. Als Gegenstück zu den Verpflichtungen des Nutzers eines entsprechenden Zahlungsautorisierungsinstruments enthält § 675m BGB einen umfangreichen Katalog der vom Zahlungsdienstleister einzuhaltenden Sorgfaltspflichten.
7.154
Darunter fällt gemäß § 675m Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Pflicht sicherzustellen, dass die personalisierten Sicherheitsmerkmale des Zahlungsauthentifizierungsinstruments nur der zur Nutzung berechtigten Person zugänglich sind. Dies bedeutet zunächst einmal, dass ein Zahlungsdienstleister vertraglich mit seinem Zahlungsdienstnutzer vereinbaren muss, dass entsprechende personalisierte Sicherheitsmerkmale nur von den berechtigten Personen genutzt werden dürfen. Die Regelung besagt aber auch, dass die Sicherheitsmerkmale so ausgestaltet werden müssen, dass es auch tatsächlich ohne Sorgfaltspflichtverletzung nur dem Nutzer möglich ist, diese zu nutzen. Eine PIN oder ein Passwort, das geheim zu halten und getrennt vom Zahlungsauthentifizierungsinstrument aufzubewahren ist, erfüllt diese Voraussetzung, dagegen wird die Pflicht dann nicht eingehalten, wenn es sich zB um offen auf eine Karte aufgeprägte Daten – wie zB die Kreditkartennummer – handelt. Die Verpflichtung besagt weiterhin aber auch, dass das personalisierte Sicherheitsmerkmal nur mit dem einer konkreten Person zugeordneten Zahlungsauthentifizierungsinstrument verwendbar sein darf, was zB bedeutet, dass Passwörter nicht mit beliebig vielen Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten benutzt werden können. Zwar kann einerseits nicht ausgeschlossen werden, dass Passwörter oder PIN häufiger als einmal vorkommen, andererseits aber führt die Verpflichtung dazu, dass die Zahl an PIN oder Passwörtern nicht so stark eingeschränkt werden darf, dass diese mit einer größeren Zahl gleicher Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten funktionieren würden, wie dies zB der Fall wäre, wenn PIN nur ein- oder zweistellig wären. Weiterhin untersagt 874
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Die Überweisung
§ 675m Abs. 1 Nr. 2 BGB das unaufgeforderte Übersenden von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten, soweit es sich dabei nicht um einen Ersatz, worunter auch die Übersendung einer neuen Karte nach Ablauf des Verfallsdatums der alten Karte zu verstehen ist, handelt. Aus dem Begriff „unaufgefordert“ ist zu schlussfolgern, dass eine vereinbarte Zusendung von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten dagegen unschädlich und zulässig ist. Schließt folglich ein Zahlungsdienstleister mit seinem Kunden einen Zahlungsdienstrahmenvertrag ab, auf Grund dessen eine Karte ausgegeben werden soll und ist dies mit dem Kunden auch so vereinbart worden, wäre in der Übersendung eines entsprechenden Zahlungsauthentifizierungsinstruments kein Verstoß gegen das gesetzliche Verbot zu sehen, wobei sicherlich jedoch mit dem Empfänger eines solchen Instruments auch vereinbart werden sollte, dass dieses an ihn übersandt wird. Gleichwohl ist fraglich, ob es einer solchen Regelung überhaupt bedurft hätte, denn auch nach gegenwärtigem Recht trägt das Risiko des Verlusts aus der Übersendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments unabhängig davon, auf wessen Initiative die Versendung erfolgt ist, der Versender, denn im Falle der Verwendung eines solchen Instruments muss der Zahlungsdienstleister, will er einen Anspruch einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB geltend machen, im Zweifelsfall den Nachweis führen, dass der Zahlungsdienstnutzer selbst verfügt hat. Kann er diesen Nachweis nicht führen, käme im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses nur ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 241 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB in Betracht, dessen Voraussetzungen der Zahlungsdienstleister ebenfalls nachweisen muss. Sollte folglich ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument versandt werden und unklar bleiben, ob dieses tatsächlich beim Zahlungsdienstnutzer eingegangen ist, liegt das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung beim Zahlungsdienstleister, sofern er nicht den Nachweis führen kann, dass der Zahlungsdienstnutzer das Instrument selbst eingesetzt oder zu seiner missbräuchlichen Verwendung beigetragen hat. Gerade letzteres kann jedoch bei einer unaufgeforderten Zusendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments im Hinblick auf die Versendung nicht in Betracht kommen, denn dafür ist nicht der Zahlungsdienstleister verantwortlich. Die besonderen Pflichten im Zusammenhang mit dem Aufbewahren eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments entstehen erst in dem Augenblick, in dem der Zahlungsdienstnutzer das Instrument bewusst entgegennimmt, so dass auch ungesicherte Briefkästen, ja selbst das ungesicherte Verbringen von einer Postabholstelle nach Hause die besonderen Pflichten nicht auslösen können, sofern in beiden Fällen der Zahlungsdienstnutzer nicht weiß, dass ihm ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument zugestellt worden ist, was bei einer unaufgeforderten Sendung auch tatsächlich nicht der Fall sein dürfte. Sofern sich die unaufgeforderte Übersendung auf den Fall bezieht, dass zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer noch kein Vertragsverhältnis besteht, liegt das Risiko ebenfalls beim Zahlungsdienstleister, denn in einem solchen Fall kann mangels Vertragsverhältnisses kein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB in Betracht kommen. Auch vertragliche Schadensersatzansprüche scheiden in einem solchen Fall aus, so dass allenfalls eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes gemäß Werner
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
§ 823 Abs. 2 BGB iVm. einem entsprechenden Gesetz in Betracht kommen kann. Dies setzt in der Regel jedoch ein strafbares Verhalten des Zahlungsdienstnutzers voraus und erfordert deshalb äußert strenge Nachweispflichten.
7.156
Auch die Regelung in § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB, wonach der Zahlungsdienstleister dafür Sorge tragen muss, dass der Zahlungsdienstnutzer mit geeigneten Mitteln jederzeit in der Lage ist, die erforderliche Anzeige eines Missbrauchs oder eines Verlusts gemäß § 675l Satz 2 BGB zu erstatten oder die Aufhebung einer Sperre gemäß § 675k Abs. 2 Satz 5 BGB zu verlangen, ist nur eingeschränkt neu. Die Möglichkeit einer jederzeitigen Sperrmitteilung gab es für entsprechende Zahlungsinstrumente auch schon ohne ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung, da, wenn ein Zahlungsdienstleister eine solche Möglichkeit nicht anbieten würde, sein Mitverschulden für Schäden während des Zeitraums, der vergeht, weil der Zahlungsdienstnutzer die Sperrmitteilung nach Kenntnisnahme nicht rechtzeitig hat absetzen können, ein so hohes Maß erreichen würde, dass der Schaden dann überwiegend oder sogar alleine vom Institut zu tragen sein dürfte. Neu ist lediglich, dass jetzt auch die Möglichkeit geschaffen werden muss, auf gleichem Wege eine Entsperrung verlangen zu können.
7.157
Der Rechtslage vor Inkrafttreten des Zahlungsdiensteumsetzungsgestzes zum 1.11.2009 dagegen entspricht auch die Verpflichtung in § 675m Abs. 1 Nr. 4 BGB, wonach der Zahlungsdienstleister die Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments verhindern muss, sobald ihm eine entsprechende Anzeige gemäß § 675l Satz 2 BGB zugegangen ist. Eine solche Verpflichtung sahen schon die früheren ec-Karten- sowie die Online-Bedingungen vor.
7.158
Weiterhin enthält § 675m Abs. 1 Satz 2 BGB die Verpflichtung des Zahlungsdienstleisters, dem Zahlungsdienstnutzer auf dessen Wunsch noch für einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten die Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen dieser beweisen kann, dass er eine entsprechende Anzeige gemäß § 675l Satz 2 BGB erstattet hat. Auch wenn dies zuvor nicht ausdrücklich geregelt war, war darin sicherlich eine vertragliche Nebenpflicht zu sehen, die ein Zahlungsdienstleister zu erfüllen hatte, falls sein Zahlungsdienstnutzer eine solche Bestätigung zB für eine Anzeige bei der Polizei oder um Ersatzleistungen von einer Versicherung zu erhalten, forderte. Insofern konkretisiert die Neuregelung nur das, was bereits zuvor schon galt.
6. Die Ausführung von Zahlungsvorgängen
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Die Ausführung von Zahlungsvorgängen wird im Detail in §§ 675n bis 675t BGB geregelt. Wie sich insbesondere aus den Überschriften zu §§ 675n bis 675p BGB ergibt, gibt es wieder die Rechtsfigur des „Zahlungsauftrages“. Ein solcher wird gemäß § 675n Abs. 1 BGB wirksam zu dem Zeitpunkt, zu dem er dem Zahlungsdienstleister zugeht. Er ist damit Bestandteil eines Zahlungsdienstvertrages, wobei er sowohl zur Ausführung im Rahmen eines Einzelzahlungsvertrages 876
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Die Überweisung
gemäß § 675f Abs. 1 BGB als auch zur Ausführung im Rahmen eines Zahlungsdienstrahmenvertrages gemäß § 675f Abs. 2 BGB von Relevanz sein kann. In der bezeichneten Regelung in § 675n Abs. 1 BGB wird weiterhin berücksichtigt, dass entsprechende Aufträge auch außerhalb der Geschäftszeiten zugehen können, beispielsweise wenn sie papierhaft in den Briefkasten des Zahlungsdienstleisters geworfen oder in den elektronischen Briefkasten des Zahlungsdienstleisters eingestellt werden. Um zu vermeiden, dass durch einen solchen Zugang die Zahlungsfristen zu laufen beginnen, obwohl er nicht an einem Geschäftstag erfolgt, bestimmt § 675n Abs. 1 Satz 2 BGB, dass dann, wenn der Zugang auf einen Zeitpunkt fällt, der nicht mehr innerhalb der Zeiten eines Geschäftstags liegt, der Auftrag als am darauf folgenden Geschäftstag zugegangen gilt. Darüber hinaus wird es jetzt gemäß § 675n Abs. 1 Satz 3 BGB als zulässig erachtet, bestimmte Termine für den Zugang festzulegen („Cut-OffTime“), innerhalb deren der Zugang erfolgen muss, damit dieser auf den Geschäftstag des Zugangs fällt, anderenfalls gilt erst der nächste Geschäftstag als Zugang, so dass auch erst an diesem die Fristen zu laufen beginnen. Damit wird die Festlegung eines entsprechenden Zeitpunkts für das Ende der Annahmefrist gesetzlich anerkannt, auch wenn es in der Vergangenheit in der Praxis in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend geregelt worden war und zu keinen grundsätzlichen Beanstandungen geführt hat. Nach den seit 1.11.2009 geltenden gesetzelichen Regelungen wird klargestellt, dass dieser Zeitpunkt „nahe dem Ende eines Geschäftstages“ liegen muss, so dass die „Cut-Off-Zeit“ nicht zu weit nach vorne gelegt werden darf. In der Vergangenheit galten Annahmefristen, die vor dem Nachmittag begannen, gemäß § 307 BGB als unangemessen1, während der Hinweis auf das nahe Ende wohl dahingehend interpretiert werden muss, dass der Zeitpunkt nicht wesentlich früher als einige wenige Stunden vor Ende des Geschäftstages vorverlegt werden darf. Sollten Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer einen bestimmten Termin für den Beginn der Ausführung einer Zahlung festlegen, beginnen die sich aus § 675s BGB ergebenden Fristen erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen. § 675o Abs. 1 BGB stellt klar, dass der Zahlungsdienstleister im Falle der Ablehnung eines Zahlungsauftrages verpflichtet ist, den Zahlungsdienstnutzer darüber unverzüglich zu unterrichten, wobei auch die Gründe für die Ablehnung eines solchen Auftrages mitzuteilen sind, soweit eine solche Mitteilung nicht gegen gesetzliche Verbote verstößt. Dies bedeutet, dass eine Bank letztlich nicht willkürlich einen Zahlungsauftrag ablehnen darf, sondern nur, wenn Gründe dafür vorliegen. Nach dem bis zum 31.10.2009 geltenden Recht setzte die Verpflichtung zur Zahlung einen selbständigen Vertrag, den Überweisungsvertrag gemäß §§ 676a ff. BGB aF voraus. Auf Grund der Vertragskonstruktion hatte damit ein Kreditinstitut die Möglichkeit zu entscheiden, ob es ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages annehmen wollte. Aus § 362 HGB folgte, dass der Abschluss eines Vertrages fingiert wurde, wenn ein Kaufmann, dessen Geschäftsbetrieb die Besorgung von Geschäften mit anderen mit sich bringt, einen solchen Antrag nicht unverzüg-
1 Vgl. dazu Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. 1, 31.
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lich ablehnt. Damit bestand auch im früheren Recht die Verpflichtung, die Ablehnung zum Abschluss eines Überweisungsvertrages ebenso unverzüglich mitzuteilen, wie nach aktuellem Recht die Ablehnung zur Ausführung eines Zahlungsauftrages. Gleichwohl besteht ein Unterschied zwischen der früheren und der aktuellen Rechtslage darin, dass der Überweisungsvertrag abgelehnt werden durfte, während der Zahlungsauftrag, eingebettet in einen Zahlungsdienstevertrag, nur dann abgelehnt werden darf, wenn es dafür spezielle Gründe gibt. Neu ist allerdings, dass der Zahlungsdienstleister nunmehr – wie sich aus § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB ergibt – berechtigt ist, mit dem Zahlungsdienstnutzer in einem Zahlungsdienstrahmenvertrag – also auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – eine Vereinbarung über die Zahlung eines Entgelts für den Fall der Unterrichtung über eine berechtigt Ablehnung eines Zahlungsauftrages zu treffen. Damit ist die bisherige Diskussion, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Institut berechtigt ist, seinem Kunden ein Entgelt dafür in Rechnung zu stellen, das es ihn über die Ablehnung einer Zahlung unterrichtet, zumindest für den Zahlungsauftrag obsolet geworden1. Entsprechende Entgeltklauseln waren in der Vergangenheit auf Grund eines Verstoßes gegen § 9 AGBG aF bzw. § 307 BGB als unzulässig angesehen worden2, da danach Kreditinstitute Entgelte nur für Leistungen verlangen durften, die sie auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für einen einzelnen Kunden erbringen. Eine entsprechende Entgeltregelung für eine Benachrichtigung ist dagegen als unzulässig angesehenworden, da es sich dabei um eine Leistung handeln sollte, die die Bank im Zusammenhang mit der Erfüllung eigener Pflichten oder Zwecke erbringe und deshalb unwirksam war3. Für das Lastschriftverfahren ist entschieden worden, dass entsprechende Entgelte für die Überprüfung der vorhandenen Kontodeckung auch nicht als pauschalierter Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden durften, da solche Klauseln gegen § 309 Nr. 5 BGB (früher: § 11 Nr. 5 AGBG) verstoßen sollten4.
7.161
Allerdings legt § 675o Abs. 2 BGB fest, dass ein Zahlungsdienstleister dann nicht berechtigt ist, die Ausführung eines vom Zahlenden autorisierten Zahlungsauftrages abzulehnen, wenn er die Bedingungen für dessen Ausführung, wie sie im Zahlungsdienstrahmenvertrag festgelegt worden sind, erfüllt und die Ausführung auch nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt. Diese Vorschrift nimmt den sich aus der bisherigen Regelung in § 676a Abs. 3 Satz 1 BGB aF enthaltenen Grundgedanken auf, wonach das Kreditinstitut vor Beginn der Ausführungsfrist jederzeit berechtigt war, den Überweisungsvertrag wieder zu kündigen, wobei der Beginn der Ausführungsfrist an die Erfüllung 1 Vgl. zur bisherigen Rechtsprechung, die es als unzulässig erachtete, dass für die Benachrichtigung eines Kunden von der Nichtausführung einer Überweisung bzw. der Mitteilung der Ablehnung eines Überweisungsvertrages ein Entgelt erhoben wurde, BGHZ 146, 377. 2 Vgl. BGH v. 21.10.1997 – XI ZR 5/97, WM 1997, 2298 (2300) = WuB IV C. § 9 AGBG 3.98 (Grundmann/Burg). 3 BGH v. 21.10.1997 – XI ZR 5/97, WM 1997, 2298 (2299); BGH v. 13.2.2001 – XI ZR 197/00, WM 2001, 563. 4 Vgl. BGH v. 21.10.1997 – XI ZR 5/97, WM 1997, 2298 (2299 f.); LG Düsseldorf v. 27.10.1999 – 12 O 168/99, WM 2000, 351.
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Die Überweisung
bestimmter Voraussetzungen geknüpft war. Nach der neuen Regelung scheidet deshalb die Ablehnung eines Zahlungsauftrages in dem Moment aus, in dem die vertraglich vereinbarten Bedingungen für dessen Ausführung vorliegen. Dies ist insofern nachvollziehbar, als der Zahlungsauftrag Teil eines Zahlungsdienstevertrages ist, durch den ein Kreditinstitut verpflichtet wird, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, so dass es nicht willkürlich die Ausführung eines Zahlungsauftrages verweigern kann, sofern die dafür festgelegten Bedingungen eingehalten werden. Sollte es zur berechtigten Ablehnung eines Zahlungsauftrages kommen, beginnt weder die Ausführungsfrist gemäß § 675s BGB zu laufen, noch können Haftungs- oder sonstige Ansprüche gemäß §§ 675y und 675z BGB begründet werden.
7.162
Das Gegenstück zum Recht des Zahlungsdienstleisters, den Zahlungsauftrag abzulehnen, enthält § 675p BGB, da er das Widerrufsrecht des Zahlungsdienstenutzers regelt. Im Grundsatz jedenfalls wird das Widerrufsrecht gegenüber dem früheren Kündigungsrecht aber auch gegenüber dem früheren Widerrufsrecht ganz erheblich eingeschränkt, da jetzt im Grundsatz die Unwiderruflichkeit mit Eingang des Zahlungsauftrages beim Zahlungsdienstleister des Zahlers eintritt, während gemäß § 676a Abs. 4 BGB aF die Kündigung bis zum Eingang des Überweisungsbetrages beim Kreditinstitut des Zahlungsempfängers möglich.
7.163
Gemäß § 675r BGB ist ein Zahlungsdienstleister ausdrücklich berechtigt, einen Zahlungsvorgang ausschließlich anhand von vom Zahlungsdienstnutzer angegebenen Kundenkennungen auszuführen, so dass in einem solchen Fall nicht mehr der Name, sondern die entsprechende Kennung maßgeblich ist. Eine Zahlung auf der Grundlage der dem Zahlungsdienstleister übermittelten Kundenkennung gilt nach der neuen Regelung als ordnungsgemäß ausgeführt, selbst wenn die entsprechende Kundenkennung nicht zum Zahlungsempfänger, an den der Zahlungsdienstnutzer eigentlich leisten sollte, gehört. Damit ist gesetzlich die Abbedingung des Kontonummer-Namensvergleichs zulässig, denn nach bisheriger ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung war ein Kreditinstitut im Falle einer Diskrepanz zwischen Namen und Kontonummer verpflichtet, einen Kontonummer-Namensvergleich durchzuführen und bei einer Abweichung vorsorglich nachzufragen und den Überweisungsbetrag ggf. dem Empfänger gutzuschreiben1. Sollte kein Kontonummer-Namensvergleich durchgeführt und lediglich anhand der numerischen Angaben die Überweisung ausgeführt worden sein, stand danach dem namentlich bezeichneten Zahlungsempfänger ein Anspruch auf Gutschrift zu. Auch im Verhältnis zwischen Überweisendem und Kreditinstitut war nach dieser Rechtslage ausschließlich die Empfängerbezeichnung und nicht die Empfängerkontonummer
7.164
1 Vgl. BGH v. 28.3.1977 – II ZR 134/75, WM 1977, 580; BGH v. 13.6.1983 – II ZR 226/ 82, WM 1983, 834; BGH v. 31.1.1972 – II ZR 145/69, WM 1972, 308; OLG Frankfurt am Main v. 4.5.1983 – 17 U 95/82, WM 1983, 743; OLG München v. 10.1.1995 – 25 U 4514/94, WM 1995, 2137.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
maßgeblich1. Lediglich für beleglose Überweisungen im Geschäftsverkehr mit Unternehmern gemäß § 14 BGB ist es als zulässig erachtet worden, die Maßgeblichkeit der Kontonummer zu vereinbaren2. Gleiches sollte auch im Interbankenverkehr gelten3. Lediglich das AG München hat die Ansicht vertreten, im Online-Banking sei sogar ohne ausdrückliche Vereinbarung die Empfängerbank nicht zum Kontonummer-Namensvergleich verpflichtet, da die Teilnahme an einem solchen, für alle Beteiligten vorteilhaften Verfahren als Verzicht auf die Pflicht zum Abgleich angesehen werde4. Diese Diskussion wird durch die neue gesetzliche Regelung beendet, die es erlaubt, eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass die Ausführung einer Zahlung ausschließlich anhand einer Kundenkennung erfolgt, wobei durch die Bestimmung in § 675r BGB klargestellt wird, dass zum einen der Verzicht auf den Namen als maßgebliches Kriterium für die Zuordnung von Zahlungen grundsätzlich zulässig ist, zum anderen dazu aber eine ausdrückliche Vereinbarung erforderlich ist.
7.165
Durch die weitere Regelung in § 675r Abs. 2 BGB, wonach eine Kundenkennung eine Abfolge von Buchstaben, Zahlen oder Symbolen sein kann, die dem Zahlungsdienstnutzer vom Zahlungsdienstleister mitgeteilt wird, ist es grundsätzlich möglich, auch die Kontonummer als maßgebliches Kriterium zu vereinbaren, wobei allerdings auch andere Ordnungskriterien zulässig sind. Allerdings wird diese Möglichkeit wieder durch § 675r Abs. 3 BGB verwässert, da danach der Zahlungsdienstleister den Zahler unverzüglich darüber zu unterrichten hat, wenn eine angegebene Kundenkennung „erkennbar“ keinem Zahlungsempfänger oder keinem Zahlungskonto zuzuordnen ist. Dies kann allerdings nur die Fälle betreffen, in denen eine Ausführung anhand dieser Angaben nicht möglich ist, während das Risiko, dass die angegebene Kundenkennung entweder nicht zu demjenigen oder dem Konto gehört, dem sie zugeordnet werden soll, derjenige zu tragen hat, der die Kundenkennung eingegeben hat. Deshalb ergibt sich auch aus § 675r Abs. 3 BGB keine Verpflichtung zur Durchführung des Kontonummer-Namensvergleichs, sondern ein solcher wird sogar ausgeschlossen.
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Eine ganz erhebliche Verkürzung der Ausführungsfristen gegenüber der bis zum 31.10.2009 geltenden Rechtslage folgt aus § 675s BGB, denn danach hat der vom Zahler beauftragte Zahlungsdienstleister sicherzustellen, dass ein Zahlungsbetrag spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrages folgenden Geschäftstages beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingeht, so dass für Zahlungen – unabhängig davon, ob es sich um institutsinterne oder -externe handelt – das Gleiche Zahlungsziel gilt. Diese kurze Frist findet auch Anwendung auf grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb der EU- und EWR-Staaten. Lediglich dann, wenn sie nicht in 1 BGH v. 14.1.2003 – XI ZR 154/02, NJW 2003, 1389. 2 BGH v. 15.11.2005 – XI ZR 265/04, NJW 2006, 503 = BGH v. 12.11.2007 – II ZR 183/ 06, WM 2008, 28 ff. 3 OLG Düsseldorf v. 16.1.2004 – I-16 U 24/03, WM 2004, 1233 und OLG Nürnberg v. 27.3.2002 – 12 U 2744/01, ZIP 2002, 1722. 4 AG München v. 18.6.2007 – 222 C 5471/07, NJW 2008, 2275, kritisch dazu Pauli, NJW 2008, 2229 ff.
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7. Teil
Die Überweisung
Euro erfolgen, ist es erlaubt, eine Frist von maximal vier Geschäftstagen zu vereinbaren. Für in Papierform ausgelöste Zahlungsvorgänge ist eine Fristverlängerung um einen weiteren Geschäftstag zulässig, so dass normale Zahlungen innerhalb von zwei Tagen auszuführen sind. Ausnahmen vom Anwendungsbereich dieser sich aus § 675f Abs. 1 BGB ergebenden Fristen folgen aus § 675e Abs. 2 BGB, wonach sie auf Zahlungsdienste keine Anwendung finden, die gemäß § 675d Abs. 1 Satz 2 BGB entweder in der Währung eines Staates außerhalb des EWR erfolgen oder es sich um Zahlungsdienste handelt, bei denen der Zahlungsdienstleister des Zahlers oder des Zahlungsempfängers seinen Sitz außerhalb des EWR hat. Ansonsten gilt die ein- bzw. zweitätige Ausführungsfrist, die lediglich bis zum 1.1.2012 durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Zahler und dem Zahlungsdienstleister – auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – auf bis zu drei Geschäftstage verlängert werden kann.
7.167
Die seit dem 1.11.2009 geltenden gesetzlichen Regelungen stellen eine ganz erhebliche Verkürzung der sich bis dahin aus § 676a Abs. 2 BGB aF ergebenden Fristen zur Ausführung von Überweisungen dar. Danach waren grenzüberschreitende Überweisungen in Mitgliedsstaaten der EU bzw. des EWR, die auf deren Währung oder auf Euro lauten, innerhalb von fünf Werktagen auszuführen, soweit nichts anderes vereinbart worden war. Damit waren fünf Werktage der Regelfall, es bestand jedoch auch die Möglichkeit, eine längere Frist zu vereinbaren. Diese ist nunmehr auf einen bzw. bei beleggebundenen Zahlungen auf zwei Geschäftstage begrenzt, lediglich bis zum 1.1.2012 sind Ausnahmen zulässig. Dies gilt jedoch für alle Zahlungen innerhalb der EU und des EWR, unabhängig davon, wo das Institut des Zahlers und des Empfängers ihren Sitz haben. Nur dann, wenn die Zahlung nicht in Euro erfolgt, wobei aus § 675d Abs. 1 Satz 2 BGB folgt, dass damit Zahlungen in einer anderen als einer EU-/EWR-Währung gemeint sind, kann diese Frist auch über den 1.1.2012 hinaus auf bis zu maximal vier Tage verlängert werden.
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Weiterhin sah § 676a Abs. 2 Nr. 2 BGB aF vor, dass bei inländischen Überweisungen in Inlandswährung die die Dauer der Zahlung bis zum Konto des Kreditinstituts des Begünstigten maximal drei Tage betragen durfte. Diese Frist wird gemäß § 675s BGB ab dem 1.1.2012 zwingend auf einen Tag verkürzt und kann lediglich für beleggebundene Überweisungen auf zwei verlängert werden. Es besteht jedoch eine Regelungslücke für Überweisungen innerhalb eines Kreditinstituts, denn bisher war vorgesehen, dass die Ausführung eine Überweisung bei Zahlungen innerhalb einer Haupt- oder Zweigstelle eines Kreditinstituts einen Bankgeschäftstag, ansonsten zwei Bankgeschäftstage betragen durfte, wobei jedoch maßgeblich für die Fristbestimmung der Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten war, da bei innerbetrieblichen Überweisungen die Zahlung immer bereits beim Kreditinstitut des Empfängers eingegangen ist. Dieser Fall wird von § 675s Abs. 1 nicht erfasst, da es hier lediglich darum geht, dass die Zahlung innerhalb eines Geschäftstages beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingeht. Es bleibt deshalb offen, wie mit innerbetrieblichen Überweisungen zu verfahren ist,
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Werner
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
denn nach dem Wortlaut würde dies bedeuten, dass das Kreditinstitut nunmehr beliebig entscheiden kann, wann es den Betrag dem Empfängerkonto gutschreibt. Die Gesetzesbegründung sagt dazu allerdings, dass dann, wenn nur ein Zahlungsdienstleister beteiligt ist, es vorrangig auf § 675t Abs. 1 BGB ankommt, da es in diesem Fall keiner Ausführungsregelung bedarf, denn der Zahlungsdienstleister hat in einem solchen Fall den für den Zahlungsempfänger bestimmten Geldbetrag durch den Zahler bereits erhalten. Deshalb kommt es auf die unverzügliche Verfügbarmachung an. Unter Heranziehung des § 675t Abs. 1 BGB dürfte dies der Tag sein, an dem das Konto des Zahlers mit dem Zahlungsbetrag belastet wird, wobei diese Belastung auch dann innerhalb eines Geschäftstages zu erfolgen hat.
7.169a
Bis zum 1.1.2012 ist es allerdings zulässig, die Ausführungsfrist durch entsprechende Vereinbarung zu verlängern. Deshalb ist es zulässig, bis zu dem genannten Tag zwischen Zahler und Dienstleister eine Frist von bis zu drei Geschäftstagen für die Ausführung von Zahlungen zu vereinbaren. Sollte es sich um Zahlungsvorgänge innerhalb des EWR handeln, die nicht in Euro erfolgen, kann eine Frist von bis zu vier Geschäftstagen – auch über den 1.1.2012 hinaus – vereinbart werden. Werden Zahlungsvorgänge in Papierform ausgelöst, ist eine grundsätzliche Verlängerung der Ausführungsfrist um einen Geschäftstag zulässig1.
7.170
Von den Ausführungszeiten zu unterscheiden ist die Wertstellung und die Verfügbarkeit über den jeweiligen Zahlungsbetrag. Dieser muss unverzüglich verfügbar gemacht werden, nachdem er auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Empfängers eingegangen ist. Sofern die Gutschrift auf einem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers erfolgen soll – die Zahlung setzt also nicht unbedingt ein Konto voraus, sondern möglich sind auch Zahlungen zum Zwecke der Barabhebung –, hat die Wertstellung als der Zeitpunkt, der für die Berechnung der Zinsen maßgeblich ist, spätestens an dem Geschäftstag zu erfolgen, an dem der Zahlungsbetrag auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers – also nicht dem Konto des Zahlungsempfängers – eingegangen ist. Dies entspricht der Regelung in § 675g Abs. 1 Satz 4 BGB aF, da auch diese vorsah, dass – sofern nicht mit einem Unternehmen etwas Abweichendes vereinbart worden war – dies unter dem Datum des Tages zu erfolgen hatte, an dem der Betrag dem Kreditinstitut des Zahlungsempfängers zur Verfügung gestellt worden war. Die Möglichkeit, mit einem Unternehmen gemäß § 14 BGB ein anderes Wertstellungsdatum zu vereinbaren, gibt es im aktuellen Recht nicht mehr. Lediglich für Bareinzahlungen kann hinsichtlich der Vereinbarung des Wertstellungsdatums zwischen Verbraucher und Unternehmen unterschieden werden. Während dann, wenn der Verbraucher Bargeld einzahlt, dies dem Zahlungsempfänger unverzüglich nach dem Zeitpunkt der Entgegennahme verfügbar gemacht werden muss, ist es gemäß § 675t Abs. 2 Satz 2 BGB zulässig, bei Einzahlungen von Nichtverbrauchern dem Zahlungsempfänger den Geldbetrag spätestens an dem auf die Entgegennahme folgenden Geschäftstag verfügbar zu machen und wertzustellen. Die 1 Grundmann, WM 2009, 1109 (1115).
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Bestimmung des Wertstellungsdatums richtet sich dsbei aber nicht nach der Qualifikation des Zahlungsempfängers, sondern des Zahlenden. § 675t Abs. 3 BGB stellt schließlich klar, dass bei Belastungen der Wertstellungstermin niemals früher liegen kann als der Zeitpunkt der Belastung.
7. Ersatzansprüche Zunächst einmal stellt § 675u BGB klar, dass dann, wenn ein Zahlungsvorgang nicht autorisiert worden ist, dem Zahlungsdienstleister kein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen zusteht. Dies entspricht auch ohne ausdrückliche Regelung dem bisherigen Recht, da ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB immer voraussetzt, dass derjenige, gegenüber dem er geltend gemacht worden ist, eine Zahlung veranlasst hat. Auch darin ist keine rechtlich zusätzliche Neuerung zu sehen. Allerdings muss die Haftung im Zusammenhang mit den Haftungsausschlüssen gemäß § 676b Abs. 2 BGB und § 676c BGB gesehen werden.
7.171
Gemäß § 675v Abs. 1 BGB haftet ein Zahler zwar für die missbräuchliche Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments, sofern ihm dieses verloren gegangen oder gestohlen worden ist, jedoch wird die Haftung zukünftig auf 150 Euro begrenzt. Dies gilt selbst dann, wenn der Zahler die personalisierten Sicherheitsmerkmale nicht sicher verwahrt hat. Allerdings folgt aus § 675v Abs. 2 BGB, dass eine solche Haftungsbegrenzung dann nicht eingreift, wenn der Zahler in betrügerischer Absicht, vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, so dass die Haftungsbegrenzung in Höhe von 150 Euro nur gilt, wenn eine dieser schwerwiegenden Verschuldensformen nicht vorliegt. Dafür jedoch greift diese Haftung auch dann, wenn den Zahler kein verschulden trifft.
7.172
Hinsichtlich der Haftung bis zu einem Betrag von 150 Euro ist zwischen verschiedenen Fallgruppen zu unterscheiden. Soweit es zu einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung kommt, muss der Zahler zumindest durch eine nicht sichere Aufbewahrung dazu beigetragen haben, so dass dieser Anspruch wenigstens leichte Fahrlässigkeit voraussetzt. Dagegen ist – wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt – die Haftung für den Missbrauch verloren gegangener oder gestohlener Zahlungsauthentifizierungsinstrumente bis zu einem Betrag von 150 Euro auch verschuldensunabhängig begründet. Folglich ist die neue Haftungsregelung gestuft. In Abhängigkeit vom Sachverhalt haftet der Zahler sowohl verschuldensunabhängig als auch im Falle leichter Fahrlässigkeit bis zu einem Betrag von 150 Euro, bei wenigstens groben subjektiven Pflichtverletzungen haftet er unbegrenzt. In beiden Fällen endet die Haftung aber gemäß § 675v Abs. 3 BGB, sobald der Inhaber des Zahlungsauthentifizierungsinstruments den Verlust angezeigt hat. Sollte das Kreditinstitut seiner sich aus § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB ergebenden Verpflichtung, eine Möglichkeit zur jederzeitigen Anzeige des Verlustes oder des Missbrauchs eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments erstatten zu können, nicht nachkommen, scheidet die Haftung gemäß § 675v Abs. 1 BGB – also bis zu einem Betrag von 150 Euro – aus. Da Abs. 2 nicht erwähnt wird, heißt dies, dass er aber im Falle
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eines wenigstens grob fahrlässigen Verhaltens auch dann weiter haftet, wenn er nicht die Möglichkeit hat, sein Zahlungsauthentifizierungsinstrument jederzeit sperren zu lassen.
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Schließlich stellt § 675v Abs. 3 BGB in Satz 3 aber auch klar, dass dann, wenn in betrügerischer Absicht gehandelt wird, die Haftung auch fortbesteht, nachdem eine Anzeige erstattet worden ist oder wenn eine solche nicht erstattet werden kann, weil das Kreditinstitut seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist.
7.175
Im Grundsatz orientiert sich die neue Haftungsregelung an den bisherigen vertraglichen Regelungen im ec-Karten-Bereich oder auch im Online-Banking, jedoch mit der Abweichung, dass einerseits die Haftungsbegrenzung für leichte Fahrlässigkeit nunmehr Bezug nimmt auf einen absoluten Betrag, andererseits aber in geringen Umfange eine verschuldensunabhängige Haftung nach Risikosphären zulässig ist. Allerdings war in der Vergangenheit weniger die Frage der verschuldensabhängigen Haftung problematisch, diese wurde höchstrichterlich auch für den ec-Karten-Missbrauch bestätigt1, entscheidend war im Zusammenhang mit Zahlungsauthentifizierungsverfahren vielmehr, ob und wie der Nachweis einer Authentifizierung erbracht werden kann, da es in der Regel weder Zeugen noch Urkunden dafür gibt, durch die belegt werden könnte, dass der Inhaber dieser Instrumente entweder selbst gehandelt oder durch einen unsorgfältigen Umgang mit diesen zur Schadenverursachung beigetragen hat. In der Vergangenheit kam deshalb in solchen Fällen der „Anscheinsbeweis“ zur Anwendung, der letztlich besagte, dass dann, wenn ein Zahlungsinstrument persönlich zugeordnet ist und mit einem vertretbaren wirtschaftlichen oder technischen Aufwand nicht überwunden werden kann, der Einsatz eines solchen den Beweis des ersten Anscheins dafür begründet, dass der Inhaber dieses Mediums damit zumindest unsorgfältig umgegangen ist2. Allerdings war und ist die Anwendung der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises gerade im Zusammenhang mit Authentifizierungsinstrumenten insbesondere im Online-Banking und der ec-Karte höchst umstritten. Es gibt deshalb in § 675w BGB eine Regelung, die sich mit dem Nachweis des Einsatzes eines Authentifizierungsinstruments beschäftigt. Die Vorschrift stellt dabei Mindestanforderungen an die Darlegungs- und Beweislast von Zahlungsdienstleistern auf, sofern zwischen ihnen und einem Zahlungsdienstnutzer ein Zahlungsvorgang streitig ist, denn der Zahlungsdienstleister hat nur einen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen gemäß §§ 675c, 670 BGB, wenn eine autorisierte Zahlung vorliegt. Anderenfalls hat der Zahlungsdienstleister dem Zahlungsdienstnutzer gemäß § 675u BGB den ggf. bereits belasteten Zahlungsbetrag zu erstatten. Dem Zahlungsdienstleister kann allerdings in einem solchen Fall ein Schadensersatzanspruch gegen den Zahlungsdienstnutzer gemäß § 675v BGB zustehen, wobei eine unbegrenzte Haftung wenigstens grobe Fahrlässigkeit voraussetzt, wie sich aus § 675v Abs. 2 BGB ergibt, ansonsten ist sie auf 150 Euro beschränkt. 1 BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309 ff. 2 Vgl. mwN BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309 ff.
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8. Beweisregelungen Die Regelung des § 675w BGB ist allerdings nicht ganz klar. Nach der Gesetzesbegründung soll sie besagen, dass der Zahlungsdienstleister des Zahlers zum Nachweis der Autorisierung eines bereits ausgeführten Zahlungsvorgangs, einer Sorgfaltspflichtverletzung des Zahlers oder eines Handelns in betrügerischer Absicht wenigstens darlegen und ggf. beweisen muss, dass eine Authentifizierung stattgefunden hat und der Zahlungsvorgang technisch einwandfrei abgelaufen ist. Die Authentifizierung selbst wird in Satz 2 bestimmt als eine formalisierte Prüfung, ob die für eine Ausführung eines Zahlungsvorgangs vereinbarten Instrumente – zB in Form von Karten und PIN – verwendet worden sind. Sollte ein Zahlungsvorgang durch ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument ausgelöst worden sein, reicht dies nach der neuen Regelung nicht als Nachweis dafür aus, dass eine entsprechende Autorisierung eines Zahlungsvorgangs, eine Sorgfaltspflichtverletzung oder ein betrügerisches Handeln des Zahlungsdienstnutzers vorliegt. Es soll dadurch verhindert werden, dass ohne konkrete Betrachtung des Einzelfalls allein die Aufzeichnung des Einsatzes eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments einschließlich der Authentifizierung ausreicht, um den Aufwendungsersatzanspruch oder einen Schadensersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters begründen zu können. Dem Zahlungsdienstnutzer soll die Möglichkeit eingeräumt werden, substantiiert und glaubhaft vorzutragen, dass ein Diebstahl oder eine missbräuchliche Verwendung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments vorgelegen hat und ggf. wie der Dieb oder missbräuchliche Verwender Zugang zu den personalisierten Sicherheitsmerkmalen hat erhalten können. Den Gerichten obliegt es aber gemäß § 286 ZPO zu würdigen, ob die Voraussetzungen für den Anscheinsbeweis vorliegen und ob ggf. der Vortrag des Zahlungsdienstnutzers den Anschein einer Autorisierung als Voraussetzung für die Sorgfaltspflichtverletzung erschüttern kann.
7.176
Mit § 675w BGB wird Art. 59 der Zahlungsdiensterichtlinie umgesetzt. Letztlich entspricht die Regelung in den Grundzügen der bisherigen Rechtsprechung zu den Fällen des Kartenmissbrauchs mittels Eingabe einer PIN, so dass sie nicht – wie zT zunächst befürchtet – den Anscheinsbeweis im Zusammenhang mit missbräuchlichen Kartenzahlungen oder im Online-Banking erschüttert. Damit bleibt auch zukünftig der Anscheinsbeweis im elektronischen Zahlungsverkehr oder bei Zahlungen mittels ec-Karte anwendbar.
7.177
9. Erstattungsansprüche Im Zusammenhang mit nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführten Zahlungsvorgängen ist zwischen verschiedenen Ansprüchen zu unterscheiden. Zunächst gibt es gemäß § 675x BGB einen Erstattungsanspruch des Zahlers auf den belasteten Zahlungsbetrag, der auf einem autorisierten, von oder über den Zahlungsempfänger ausgelösten Zahlungsvorgang beruht, sofern bei der Autorisierung der genaue Zahlungsbetrag nicht angegeben wurde und der Zahlungsbetrag den nach bisherigem Ausgabenverhalten, den Bedingungen Werner
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des Zahlungsdienstrahmenvertrages und den Umständen des Einzelfalls zu erwartenden Zahlungsbetrag übersteigt. Dabei ist in erster Linie an Vorgänge zu denken, bei denen zB im Kreditkartenbereich ein blanko unterschriebener Beleg als Sicherheit oder zur Berechnung des zum Zeitpunkt der Ausfüllung noch nicht endgültig feststehenden Betrages beim Zahlungsempfänger hinterlegt wird. Die Regel findet dagegen keine Anwendung auf die herkömmliche Einziehungsermächtigungslastschrift, da diese bis zum Zeitpunkt ihrer Genehmigung keine autorisierte Zahlung darstellt. Unter den Anwendungsbereich fallen allerdings die bereits erwähnten Kreditkartenzahlungen ebenso wie das bisherige Abbuchungsauftragsverfahren. Da im vorliegenden Fall der Zahler selbst die Ursache für den Zahlungsvorgang gesetzt hat, muss er zum einen die Umstände darlegen, aus denen sich das Erstattungsverlangen ergibt, zum anderen hat er auch keinen Anspruch auf eine valutengerechte Gutschrift. Die Regelung des § 675x Abs. 1 BGB ist aber abdingbar.
7.179
Für Lastschriften sieht § 675x Abs. 2 BGB die Möglichkeit vor, dass der Zahler und sein Zahlungsdientleister eine Vereinbarung treffen, wonach ein Erstattungsanspruch auch in Betracht kommen kann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind, dh. kein Erstattungsanspruch bestehen würde. Von Bedeutung ist diese Vorschrift insbesondere für die SEPA-Lastschrift, die zum 1.11.2009 parallel zu den neuen gesetzlichen Regelungen eingeführt wurde. Das neue Verfahren beruht – ähnlich wie das Abbuchungsauftragsverfahren – auf einer Weisung des Zahlers sowohl an den Zahlungsempfänger als auch an seinen Zahlungsdienstleister und stellt folglich einen autorisierten Vorgang dar. Dieses Verfahren unterscheidet sich grundsätzlich vom Einzugsermächtigungslastschriftverfahren, da es dort gerade keine Weisung des Zahlers an seinen Zahlungsdienstleister gibt. Trotz der jetzigen Autorisierung soll nach den SEPA-Regelungen der Zahlungsdienstleister des Zahlers diesem ein zeitlich befristetes Erstattungsrecht ohne weitere Begründungserfordernisse einräumen. Der Zahlungsdienstleister des Zahlers wird seinerseits durch die SEPA-Interbanken-Regelungen abgesichert, da er nach diesen im Falle des Widerspruchs einen Anspruch auf Rückvergütung gegen den Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers hat. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers muss sich dann ggf. in einer Inkassovereinbarung ein Rückbelastungsrecht gegen den Zahlungsempfänger ausdrücklich vorbehalten. Ein solches Recht findet sich auch in der aktuellen Inkassovereinbarung zwischen Lastschrifteinreicher und Inkassostelle. In praktischer Hinsicht tritt dieser, für das SEPA-Lastschriftverfahren auf acht Wochen befristete Erstattungsanspruch an die Stelle des Widerrufsrechts im Einziehungsermächtigungslastschriftverfahren.
7.180
§ 675x Abs. 3 BGB wiederum enthält Regelungen, die es einem Zahlungsdienstleister erlauben, mit dem Zahlungsdienstnutzer zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen kein Erstattungsanspruch besteht. Da der gesetzlich vorgesehene Erstattungsanspruch nur in den Fällen des § 675x Abs. 1 und 4 BGB besteht, bezieht sich die Ausnahmeregelung auch nur auf diese Verfahren, da im Falle des § 675x Abs. 2 BGB ein Erstattungsanspruch zwingend nicht besteht und gar nicht erst vereinbart werden muss. Die Ausnahmere886
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7. Teil
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gelung erfasst insbesondere in Deutschland das Abbuchungsauftragsverfahren, denn dieses fällt unter die Bestimmungen gemäß § 675x Abs. 1 und 4 BGB. Dieses Verfahren würde seine Vorteile für den Zahlungsempfänger verlieren, wenn es in diesem Fall ein Erstattungsverlangen gäbe. Folglich können der Zahler und sein Zahlungsdienstleister für vom Zahlungsempfänger angestoßene Zahlungen vereinbaren, dass dem Zahler kein Erstattungsanspruch zusteht, wenn er seinen Zahlungsdienstleister unmittelbar die Zustimmung zur Belastung erteilt hat und ggf. über einen anstehenden Zahlungsvorgang mindestens vier Wochen vor dem Fälligkeitstermin vom Zahlungsdienstleister oder vom Zahlungsempfänger über den zu belastenden Betrag unterrichtet wird. Gemäß § 675x Abs. 4 BGB beträgt die Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen acht Wochen.
7.181
Sollte der Zahler ein Erstattungsbegehren geltend machen, ist der Zahlungsdienstleister verpflichtet, diesem den vollständigen Betrag zu erstatten oder mitzuteilen, aus welchen Gründen er dies ablehnt, wobei dann auch Hinweise auf Beschwerde- und ggf. außergerichtliche Streitbeilegungsstellen erforderlich sind. Dabei ist eine Frist von zehn Tagen einzuhalten, ohne dass aus der Regelung jedoch ersichtlich wird, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn die Frist nicht eingehalten wird. Eine Erstattung nicht ablehnen darf der Zahlungsdienstleister, wenn eine entsprechende Erstattungspflicht gemäß § 675x Abs. 2 BGB für Lastschriften vereinbart worden ist. Darüber hinaus scheidet der Erstattungsanspruch gemäß § 675x Abs. 6 BGB auch dann aus, wenn eine Lastschrift, der zunächst gemäß Abs. 1 widersprochen werden könnte, vom Zahler gegenüber seinem Zahlungsdienstleister ausdrücklich genehmigt wird.
10. Haftungsregelungen § 675y BGB schließlich regelt die Haftung des Zahlungsdienstleisters im Falle einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung von Zahlungsaufträgen. Gleichzeitig wird darin auch die Nachforschungspflicht begründet.
7.182
Zunächst einmal folgt aus § 675y Abs. 1 BGB, dass bei Zahlungen, die vom Zahler ausgelöst werden, wie dies zB bei Überweisungen der Fall ist, dieser von seinem Dienstleister im Falle einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung des Zahlungsauftrages die unverzügliche und ungekürzte Erstattung des Zahlungsbetrages verlangen kann, wobei dann, wenn die Zahlung zu Lasten eines Kontos erfolgt sein sollte, die Gutschrift so zu erfolgen hat, als habe es den fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang nie gegeben. Diese Regelung kann nur so verstanden werden, dass eine valutengerechte Gutschrift erfolgen muss, da anderenfalls der Kontoinhaber zumindest den Zinsverlust zu tragen hätte.
7.183
Gegenüber der bisherigen Regelung in § 676b BGB aF unterscheidet sich die neue insofern, als es nicht mehr der Setzung einer Nachfrist bedarf. Der weiterhin in der Vorschrift geregelte Fall eines unberechtigten Abzugs vom Überweisungsbetrag, der an den Zahlungsempfänger zu leisten ist, unterscheidet sich Werner
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von der bisherigen Regelung in § 676b BGB aF nur insofern, als dort der Überweisende entscheiden konnte, ob er selbst diesen Betrag erstattet bekommen wollte oder dieser an den Begünstigten weitergleitet werden sollte. Während die bisherige Vorschrift ausdrücklich auch auf den Fall Bezug nimmt, dass die Abzüge von einem zwischengeschalteten Kreditinstitut vorgenommen wurden und das überweisende Institut für diese ausdrücklich haftete, fehlt in § 675y Abs. 1 BGB eine entsprechende Bestimmung. Da die Regelung jedoch sehr allgemein gehalten ist, ist sie so zu verstehen, dass auch hier das Zahlungsinstitut des Zahlenden dafür einzustehen hat, unabhängig davon, wer den Abzug vorgenommen hat. Lediglich für den Fall, dass der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers einen entsprechenden Abzug vorgenommen hat, entfällt der Erstattungsanspruch des Zahlungsdienstleisters des Zahlenden. Auch dies entspricht den bisherigen Regelungen, da gemäß § 676b Abs. 2 BGB aF das überweisende Kreditinstitut nur für zwischengeschaltete Institute haftete, für den Fall jedoch, dass der Abzug vom endbegünstigten Institut vorgenommen worden ist, sah § 676g Abs. 2 BGB aF vor, dass dieses dem Zahlungsempfänger den in Abzug gebrachten Betrag zu erstatten hatte.
7.184
§ 675y Abs. 2 BGB regelt den Fall, dass der Zahlungsvorgang nicht vom Zahlenden, sondern vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelöst wird. In diesem Fall hat der Zahlungsempfänger bei einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung des Zahlungsauftrages das Recht, von seinem Zahlungsdienstleister zu verlangen, dass der Zahlungsauftrag erneut dem Zahlungsdienstleister des Zahlers übermittelt wird. Es besteht jedoch nur ein Anspruch auf Übermittlung des Zahlungsauftrages, für die Nichtausführung hat das Zahlungsinstitut des Zahlungsempfängers nicht in gleichem Umfange einzustehen wie im Falle eines vom Zahlenden ausgelösten Zahlungsauftrages. Sollte der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers jedoch den Nachweis führen, dass es die ihm obliegenden Pflichten erfüllt hat und es gleichwohl zur nicht ordnungsgemäßen Ausführung des Zahlungsauftrages gekommen ist, hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers dem Zahler den bereits in Abzug gebrachten Betrag zu erstatten, so dass bei diesem Institut das Risiko einer nicht sorgfältigen Ausführung liegt, sofern nicht ein anderes zwischengeschaltetes Institut dafür nachweislich verantwortlich ist. Sollten vom Zahlungsbetrag lediglich Teilbeträge in Abzug gebracht worden sein, hat der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers den abgezogenen Betrag dem Zahlungsempfänger unverzüglich verfügbar zu machen, wenn entsprechende Entgelte entgegen § 675q Abs. 1 und 2 BGB in Abzug gebracht worden sind. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers hat dafür einzustehen, unabhängig davon, wer den Abzug vorgenommen hat. Er haftet deshalb auch für Abzüge durch den Zahlungsdienstleister des Zahlers sowie von zwischengeschalteten Instituten, selbst wenn er seinerseits von diesen in Abzug gebrachten Beträgen nichts erhalten hat. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers kann jedoch gemäß § 676a BGB gegen dasjenige Institut, das den Abzug vorgenommen hat, einen Ausgleichsanspruch geltend machen.
7.185
Gemäß § 675y Abs. 3 BGB sind die Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers gegen seinen Zahlungsdienstleister ausgeschlossen, soweit der Zahlungsauftrag 888
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nach der vom Zahlungsdienstnutzer angegebenen Kundenkennung ausgeführt worden ist. Sollte diese fehlerhaft sein, hat das daraus resultierende Risiko der Zahler und nicht der Zahlungsdienstleister zu tragen. Allerdings besteht in einem solchen Fall ein Anspruch des Zahlers gegen seinen Zahlungsdienstleister sich darum zu bemühen, den Zahlungsbetrag wieder zu erlangen. Es ist zulässig, im Zahlungsdienstrahmenvertrag für diese Leistung ein Entgelt zu vereinbaren. § 675y Abs. 4 BGB gibt dem Zahlungsdienstnutzer darüber hinaus Ansprüche auf Erstattung der Entgelte und Zinsen, die ihm vom Zahlungsdienstleister im Zusammenhang mit nicht erfolgten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgängen in Rechnung gestellt worden sind oder dessen Konto belastet wurden. Dies entspricht der bisherigen Regelung in § 676b Abs. 3 Satz 1 BGB, da auch danach im Zusammenhang mit nicht erfolgten oder fehlerhaften Zahlungsvorgängen berechnete Entgelte ebenso wie Zinsen zu erstatten sind. Allerdings enthalten die neuen gesetzlichen Regelungen hinsichtlich des Zahlungsbetrages selbst keine Haftungsbegrenzung auf 12 500 Euro, wie dies für die Geld-Zurück-Garantie in § 676b Abs. 2 BGB vorgesehen war.
7.186
Aus § 675y Abs. 5 folgt schließlich eine Nachforschungspflicht des Zahlungsdienstleisters bei fehlerhaft oder nicht erfolgter Ausführung eines Zahlungsauftrages. Der Zahlungsdienstleister, dessen Zahlungsdienstnutzer eine Zahlung angestoßen hat, hat seinem Nutzer – unabhängig von sonstigen Ansprüchen – Auskunft darüber zu erteilen, wie der Zahlungsvorgang abgelaufen ist.
7.187
In § 675z werden über §§ 675u und 675y BGB hinausgehende Ansprüche geregelt. Die Vorschrift erfasst deshalb Ansprüche auf eine finanzielle Entschädigung des Zahlungsdienstnutzers, die über die Ansprüche wegen nicht autorisierter oder mangelhafter Ausführung eines Zahlungsauftrages, wie sie sich aus der Zahlungsdienstrichtlinie ergeben, hinausgehen. Dabei gilt der Grundsatz, dass ein Zahlungsdienstnutzer gegen seinen Zahlungsdienstleister wegen einer nicht autorisierten Zahlung oder eines mangelhaft ausgeführten Zahlungsauftrages zunächst einen Anspruch nach den §§ 675u und 675y BGB hat, der allen anderen, auf ähnliche Rechtsfolgen gerichteten Ansprüchen vorgeht. Sollte es folglich nach anderen Regelungen Ansprüche auf Erstattung des Zahlungsbetrages, von Zinsen oder Entgelten geben, werden diese ausgeschlossen, da insofern die §§ 675u und 675y BGB Spezialregelungen darstellen. Folgeschäden zB werden jedoch von diesen Bestimmungen nicht erfasst, so dass hier – sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sein sollten – § 280 Abs. 1 BGB weiterhin anwendbar bleibt. Deshalb ist die Möglichkeit vorgegeben, eine vertragliche Haftungsbegrenzung für diese Schäden in Höhe von mindestens 12 500 Euro zu vereinbaren. Damit gilt die entsprechende Regelung in § 676c Abs. 1 Satz 5 BGB aF inhaltlich weiter. Die Haftungsbegrenzung gilt nicht – ebenso wie bisher – für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, den Zinsschaden und für solche Gefahren, die ein Zahlungsinstitut ausdrücklich übernommen hat.
7.188
§ 675z Abs. 3 BGB stellt weiterhin klar, dass zwischengeschaltete Zahlungsinstitute als Erfüllungsgehilfen des Zahlungsdienstleisters desjenigen Zah-
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lungsdienstnutzers anzusehen sind, der die Zahlung angestoßen hat. Diese Regelung entspricht im Prinzip § 676c Abs. 1 Satz 3 aF BGB. Eine Ausnahme ist nur für die Fälle vorgesehen, in denen der Zahlungsdienstnutzer die Einschaltung eines bestimmten zwischengeschalteten Instituts vorgegeben hat und dieses die wesentliche Ursache für den Fehler bei der Ausführung der Zahlung gesetzt hat. Die Erfüllungsgehilfenhaftung für zwischengeschaltete Institute ergab sich nach bisherigem Recht aus §§ 676b Abs. 2 und 676c Abs. 1 Satz 3 BGB aF. In den Fällen, in denen das vom Zahlungsdienstnutzer vorgegebene zwischengeschaltete Institut ein Verschulden trifft, ergibt sich aus § 675z Satz 4 BGB ein eigenständiger Anspruch des Zahlungsdienstnutzers gegen das zwischengeschaltete Institut. Auch das ist nicht neu, ergab sich ein entsprechender Anspruch bei Überweisungen nach alter Rechtslage aus § 676b Abs. 3 Satz 7 und § 676c Abs. 2 BGB aF.
7.190
Schließlich bestimmt § 675z Satz 5 BGB, dass Ansprüche auf den Ersatz von Folgeschäden des Zahlungsdienstnutzers wegen nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung gegen seinen Zahlungsdienstleister nicht bestehen, wenn die mangelhafte Ausführung auf die vom Zahlungsdienstnutzer fehlerhaft angegebene Kundenkennung zurückzuführen ist. Diese Bestimmung korrespondiert mit § 675r BGB, der es grundsätzlich erlaubt, dass zwischen dem Zahlenden und seinem Zahlungsinstitut eine Vereinbarung getroffen werden kann, wonach die Ausführung eines Zahlungsvorgangs anhand von Kundenkennungen erfolgt. Ist eine solche Vereinbarung getroffen worden, sind die zwischengeschalteten Kreditinstitute nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die Kundenkennung zum richtigen Kunden gehört, sie müssen die Zahlung allein anhand dieser Angaben ausführen und haben letztlich nur zu überprüfen, ob es diese gibt, nicht jedoch, wem sie zugeordnet ist.
7.191
Im Übrigen legt § 675z Satz 1 BGB fest, dass es sich bei §§ 675u und 675y BGB hinsichtlich der darin geregelten Zahlungsvorgänge – also von nicht autorisierten Zahlungen sowie nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung von Zahlungen – um eine abschließende Auflistung handelt.
7.192
§ 676 BGB bestimmt, dass, wenn zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und einem Zahlungsdienstleister streitig ist, ob ein Zahlungsvorgang ordnungsgemäß ausgeführt worden ist, der Zahlungsdienstleister den Nachweis führen muss, dass es zu einer ordnungsgemäßen Aufzeichnung und Verbuchung des Zahlungsvorgangs gekommen ist und dabei keine Störung vorlag. Diese Regelung ist nicht zu verwechseln mit § 675b BGB, die sich mit dem Nachweis der Authentifizierung beschäftigt, also der Frage, ob ein Zahlungsvorgang mittels Einsatz eines Authentifizierungsinstruments ordnungsgemäß autorisiert worden ist. Beim Nachweis der Ausführung von Zahlungsvorgängen geht es aber um die Fälle, in denen derjenige, der die Zahlung veranlasst hat, reklamiert, die Zahlung sei nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden.
7.193
Bei § 676a BGB handelt es sich um die Nachfolgeregelung zu § 676e BGB aF, der nur für Überweisungen galt. Er beschäftigt sich nicht mit dem Rechts890
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7. Teil
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verhältnis zwischen einem Zahlungsdienstnutzer und einem Zahlungsdienstleister, sondern dem zwischen verschiedenen Zahlungsdienstleistern, wobei ein Zahlungsdienstleister, der einem anderen Zahlungsdienstleister einen Auftrag zur Weiterleitung einer Zahlung erteilt, im Verhältnis zu diesem Zahlungsdienstnutzer ist. Die Regelung gibt dem Zahlungsdienstleister, der gemäß §§ 675y und 675z BGB einem Zahlungsdienstnutzer haftet, seinerseits einen Anspruch gegen den Zahlungsdienstleister oder die zwischengeschaltete Stelle, in dessen Verantwortungsbereich die Grundlagen für den Erstattungsanspruch begründet worden sind. Dieser Regressanspruch ist verschuldensunabhängig und besteht gegenüber nachgeschalteten Dienstleistern auch dann, wenn der Zahlungsdienstleister des Zahlenden selbst in keiner vertraglichen Beziehung zu diesem steht, etwa weil ein anderer Zahlungsdienstleister zwischengeschaltet worden ist. Neben diesem sich aus § 676 BGB ergebenden Regressanspruch kommen ggf. auch noch andere Ansprüche der Zahlungsdienstleister untereinander in Betracht, da die Zahlungsdienstrichtlinie, deren Umsetzung die neuen zivilrechtlichen Regelungen dienen, nur im Hinblick auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister, nicht jedoch im Verhältnis der Zahlungsdienstleister untereinander abschließend ist. § 676b Abs. 2 Satz 1 BGB legt eine Ausschlussfrist von 13 Monaten für Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers gegen seinen Dienstleister für den Fall fest, dass Zahlungsvorgänge nicht autorisiert oder fehlerhaft ausgeführt worden sind. Auf Grund dessen wird der Zahlungsdienstnutzer gemäß § 676b Abs. 1 BGB zunächst verpflichtet, seinem Zahlungsdienstleister die Feststellung eines nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs unverzüglich anzuzeigen.
7.194
Gemäß § 676b Abs. 2 BGB kann der Zahlungsdienstnutzer Ansprüche und Einwendungen gegen seinen Zahlungsdienstleister wegen nicht autorisierter oder fehlerhaft ausgeführter Zahlungsvorgänge dann nicht mehr geltend machen, wenn die entsprechende Anzeige nicht innerhalb eines Zeitraums von 13 Monaten nach der entsprechenden Belastung erfolgt. Nach Ablauf dieser Frist hat der Zahlungsdienstnutzer gegen seinen Zahlungsdienstleister keinen Anspruch auf Korrektur der fehlerhaften Buchung. Der Ablauf der dreizehnmonatigen Frist führt deshalb zu einer endgültigen Genehmigung, sofern eine solche nicht bereits durch den quartalsweisen Rechnungsabschluss herbeigeführt worden ist. Bezogen auf die Lastschrift und insbesondere die Einziehungsermächtigungslastschrift bedeutet dies, dass bei nicht möglicher Genehmigung durch Schweigen auf den Rechnungsabschluss gemäß Nr. 2.4 der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren, da keine Einziehungsermächtigung vorlag, nach Ablauf von 13 Monaten auch in diesen Fällen der Belastung nicht mehr widersprochen werden kann.
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§ 676b Abs. 3 BGB sieht vor, dass die Ausschlussfrist auch für Ansprüche auf den Ersatz von Folgeschäden eines nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs gilt, es sei denn, der Zahlungsdienstnutzer war ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Frist gehindert. Dies gilt jedoch Werner
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nur für die Folgeschäden, für Ansprüche und Einwendungen des Zahlungsdienstnutzers gegen den Zahlungsdienstleister wegen der nicht ausgeführten Zahlung kommt ein Ausschluss bzw. eine Verlängerung der Ausschlussfrist mangels verschuldeter Unkenntnis nicht in Betracht, was sich damit rechtfertigen lässt, dass der Zahlungsdienstnutzer nach Einblick in seinen Kontoauszug unberechtigte Belastungen erkennen kann.
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§ 676c BGB regelt die Haftungsausschlüsse und setzt damit Art. 78 der Zahlungsdienstrichtlinie um. Folglich scheidet eine Haftung eines Zahlungsdienstleisters dann aus, wenn die die Haftung begründenden Umstände entweder auf höhere Gewalt zurückzuführen sind oder der Zahlungsdienstleister diese auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung herbeiführen musste. Allerdings wird der Begriff der „höheren Gewalt“ auf Grund seiner Unschärfe und unterschiedlichen Interpretation vermieden, stattdessen enthält § 676c Nr. 1 BGB die Bestimmung eines Ereignisses, das als höhere Gewalt angesehen werden kann, wie sie sich in der Zahlungsdienstrichtlinie findet.
III. Rechtsbeziehung zwischen überweisendem Kunden und seinem Zahlungsdienstleister
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Nach bisherigem Recht wurde zwischen dem Überweisenden und seinem Institut eine Überweisungsvertrag gemäß § 676a BGB aF abgeschlossen, auf Grund dessen das Kreditinstitut verpflichtet worden war, den Überweisungsbetrag dem Konto der Empfängerbank bei institutsfremden bzw. dem Konto des Zahlungsempfängers bei institutsinternen Überweisungen gut zu schreiben. Diese Rechtskonstruktion ist durch das seit dem 1.11.2009 geltende Recht durch eine neue Konstruktion ersetzt worden. Danach muss zwischen Überweisendem und überweisender Bank ein Zahlungsdienstevertrag gemäß § 675f BGB bestehen. Diesen Vertrag gibt es in Form des Einzelzahlungsvertrags gemäß § 675f Abs. 1 BGB und des Zahlungsdiensterahmenvertrags gemäß § 675f Abs. 2 BGB. Im ersten Fall wird durch den entsprechenden Vertrag der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahler eine Zahlung auszuführen, im zweiten Fall besteht ein Rahmenvertrag auf Grund dessen sich der Zahlungsdienstleister verpflichtet hat, für den Zahler Zahlungen auszuführen oder eine Zahlungskonto zu führen. Die einzelne Zahlung selbst erfolgt dann auf Grund eines Zahlungsauftrags gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB, den der Zahler dem Zahlungsdienstleister erteilt.
7.198
Der Überweisende kann, soweit vereinbart, dem Zahlungsdienstleister den zu überweisenden Geldbetrag auch in bar zur Verfügung stellen, da die Regelungen zum Zahlungsdienstevertrag ein Konto nicht zwingend vorsehen, sondern ein Zahlungskonto auch Gegenstand eines Zahlungsdiensterahmenvertrags gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB sein kann, aber nicht muss. Der einzelne Zahlungsvorgang im Rahmen eines Zahlungsdienstvertrags ist also nicht nur auf den praktischen Regelfall der Konto-zu-Konto-Überweisung, sondern auch auf die Barüberweisung zugeschnitten. Damit ist das Gesetz wieder zum Mo892
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Die Überweisung
dell des Überweisungsauftrags als auftragsrechtliche Weisung (§ 665 BGB) im Rahmen eines Zahlungsdienstevertrags zurück gekehrt1. Die durch das Überweisungsgesetz zum 1.1.2002 neu eingeführten Regelungen zum Überweisungsvertrag gemäß §§ 676a ff. BGB sind zum 1.11.2009 wieder aufgehoben und durch die Regelungen zum Zahlungsdienstevertag gemäß § 675f BGB ersetzt worden. § 675y BGB regelt insbesondere die Ansprüche, die dem Überweisenden bei Leistungsstörungen gegen seine kontoführende Bank zustehen. Es werden dabei letztlich in § 675y Abs. 1 BGB drei unterschiedliche Arten von Leistungsstörungen unterschieden: Die gekürzte Überweisung, die verspätete Überweisung und die verlorene Überweisung. Ein solches „Verlorengehen“ ist zB gegeben, wenn ein zwischengeschaltetes Kreditinstitut insolvent wird2.
7.199
Zwar trägt § 675n BGB die Überschrift „Zugang von Zahlungsaufträgen“, regelt aber letztlich nur die Konsequenzen des Zugangs, die Wirksamkeit eines Zahlungsauftrags im Rahmen eines Zahlungsdienste – oder Zahlungsdiensterahmenvertrags. Auf den Zugang selbst finden die allgemeinen Vorschriften (§§ 145 ff., 151 BGB) Anwendung3. Eine stillschweigende Annahme gemäß § 151 BGB kann im Beginn der Bearbeitung, zB durch Eingabe in die EDV, erblickt werden4. Regelmäßig wird der Überweisungsauftrag gemäß § 362 HGB dadurch zu Stande kommen, dass das Zahlungsinstitut nach Eingang eines Überweisungsauftrages nicht „unverzüglich antwortet“. Nach dieser Bestimmung gilt Schweigen als Annahme des Antrages5. Dies folgt auch aus § 675o Abs. 1 BGB, der bestimmt, dass der Zahlungsdienstleister verpflichtet ist, den Zahlungsdienstnutzer unverzüglich über die Ablehnung eines Zahlungsauftrags zu unterrichten, wobei diese in jedem Fall innerhalb der sich aus § 675s BGB ergebenden Ausführungsfristen erfolgen muss. „Unverzüglich“ in § 675o BGB bedeutet dabei, dass der Zahlungsdienstleister die sich aus § 675s ergebenden Fristen nicht ausnutzen darf, sondern dass diese die Obergrenze für die Ausführung festlegen. Im Übrigen können mit dem Kunden Einlieferungschlusszeiten (cut-off-Fristen) für die taggleiche Bearbeitung seines Auftrages (sog. Buchungsschnitt) vereinbart werden, sofern diese – wie sich aus § 675n Abs. 1 Satz 3 BGB ergibt – nahe am Ende des Geschäftstages liegen6.
7.200
Der Zahlungsdienstleister ist grundsätzlich zur Annahme und Ausführung des Überweisungsauftrages verpflichtet, sofern dieser im Rahmen eines als Zahlungsdiensterahmenvetrags gemäß § 675f Abs. 2 BGB zu qualifizierenden Girokontos erteilt wird und die sonstigen für die Ausführung erforderlichen Voraussetzungen, wie insbesondere die erforderliche Deckung oder ein ent-
7.201
1 2 3 4 5
Begr. RegE des ÜG, BT-Drucks. 14/745, S. 13. Begr. RegE des ÜG, BT-Drucks. 14/745, S. 22. BT-Drucks. 14/745, S. 18. Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 30. Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 30; Schulz, ZBB 1999, 287 (291); Grundmann, WM 2000, 2269 (2275). 6 BT-Drucks. 14/745, S. 19; Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 1.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
sprechender Kreditrahmen vorliegen, da er Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs für den Kontoinhaber dient. Es besteht deshalb ggf. aus § 675o Abs. 2 BGB ein Kontrahierungszwang im Hinblick auf den Zahlungsauftrag1, nicht aber zum Abschluss eines Girovertrags. Die frühere Rechtsprechung zur girovertraglichen Weisung ist weiterhin von Bedeutung, nachdem die Regelungen zum Überweisungsvertrag gemäß §§ 676a ff. BGB aF wieder durch die Rechtsfigur des Überweisungauftrags in § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB ersetzt worden sind2.
1. Abgrenzung zum Zahlungsdienstevertrag (§ 675f BGB)
7.202
Nachdem mit Wirkung zum 1.11.2009 die Differenzierungen zwischen Überweisungsvertrag gemäß §§ 676a ff. BGB aF, 676d f. BGB aF und 676f f. BGB aF aufgegeben worden ist, finden nun auf diese ursprünglich verschiedenen Vertragstypen die Regelungen zum Zahlungsdienstevertrag gemäß § 675f BGB Anwendung. Während es sich beim Girovertrag um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt, unterfällt auch das Vertragsverhältnis zwischen den an der Weiterleitung von Zahlungen betrauten Instituten hierunter, es sei denn, es soll ohne Kontovertrag zwischen diesen eine Zahlung weitergeleitet werden, dann liegt ein Einzelvertrag gemäß § 675f Abs. 1 BGB vor, während die einzelne Zahlung auf Grund eines Zahlungsauftrags gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB ausgeführt wird, dessen Erteilung im Rahmen eines entsprechenden Zahlungsdienstevertrags erfolgt. Der Zahlungsdienstevertrag ist ein Unterfall des entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages, auf den die auftragsrechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen (§ 675 BGB)3, sofern keine Sonderregelungen gelten.
7.203
Die Überweisungspflicht der kontoführenden Bank wird jetzt wieder durch den Girovertrag zunächst nur gattungsmäßig (sog. Gattungshandlungsschuld) 4 bestimmt. Das Tätigwerden der Bank setzt eine konkretisierende Weisung voraus, die jetzt gesetzlich als „Zahlungsauftrag“ in § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB definiert ist. Bei einem solchen Überweisungsauftrag handelte es sich um keinen rechtlich selbständigen Auftrag (§ 662 BGB), sondern um eine im Rahmen eines Zahlungsdienstevertrags erteilte „Weisung“ iS des § 665 BGB5, da – wie sich aus § 675f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt – dieser Vertrag Grundlage für die Ausführung von Zahlungsvorgängen nach Erteilung eines entsprechenden Auftrags ist. 1 2 3 4
Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 4. Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 4. BT-Drucks. 14/745, S. 10. Hadding/Häuser, ZHR 145 (1981), 138 (140); van Geldern in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 57 Rz. 20. 5 Sprau in Palandt, § 665 BGB Rz. 5. Nach Canaris, WM 1980, 354 (357) hat der Überweisungsauftrag eine Doppelnatur (Weisung im auftragsrechtlichen Sinne und abstrakte Anweisung im Sinne des § 783 BGB). Der Begriff der Weisung findet sich ua. in § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB, §§ 384 Abs. 1, 408 Abs. 1 HGB (Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 665 BGB Rz. 3).
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Die Überweisung
Solche Weisungen sind einseitige rechtsgeschäftliche Gestaltungserklärungen, durch die der Auftraggeber einzelne Pflichten des Beauftragten bei der Ausführung des Auftrages konkretisiert („aktualisiert“)1. Damit wird die zunächst nur gattungsmäßig bestimmte Geschäftsbesorgungspflicht in eine SpeziesÜberweisungspflicht der kontoführenden Stelle verwandelt2. Weisungen sind von der kontoführenden Stelle zu befolgen, wenn der Girovertrag als rechtliche Grundlage für das Weisungsrecht des Girokunden wirksam zu Stande gekommen ist3. Die Weisungsbefugnis des Girokunden kann deshalb als rechtsgeschäftliches Gestaltungsrecht qualifiziert werden4. Für Zahlungssaufträge gelten im Übrigen die allgemeinen Bestimmungen für Rechtsgeschäfte, insbesondere die Vorschriften über Willensmängel. Solche Weisungen waren also nach herrschender Meinung anfechtbar5. Im Übrigen bedürten nicht vollgeschäftsfähige Kontoinhaber der Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter.
7.204
Dies gilt auch für beschränkt Geschäftsfähige, die über ihr Lohn- oder Gehaltskonto durch Banküberweisung verfügen wollen. Die Minderjährigen erwerben zwar Teilgeschäftsfähigkeit, wenn sie mit Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter ein Arbeits- oder Dienstverhältnis eingehen. Diese partielle Geschäftsfähigkeit deckt jedoch nach herrschender Meinung nur die Errichtung eines Lohn- oder Gehaltskontos und Barabhebungen von diesem Konto, nicht jedoch die Erteilung von Überweisungsaufträgen6. Andererseits besteht bei Überweisungsaufträgen zu den üblichen Bedingungen für die kontoführende Stelle ein Kontrahierungszwang, weil Zweck des dem Girokonto zugrunde liegenden Girovertrages die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs für den Kontoinhaber ist7.
7.205
2. Inhalt der Geschäftsbesorgungspflicht der Bank Die Zahlungsinstitut hat den Zahlungsauftrag, wenn ausreichende Deckung in Form eines ausreichenden Kontoguthabens oder Kreditrahmens vorhanden ist, unverzüglich und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 HGB) auszuführen8, wie sich aus § 675o Abs. 2 BGB.
7.206
Während gemäß § 676a Abs. 2 BGB aF sich die Frist für die Ausführung einer Überweisung danach bestimmte, ob das Girokonto des Zahlungsempfängers bei der Bank des Überweisenden („Haus- oder Filialüberweisung“) oder bei einer anderen Bank unterhalten wurrde9, gibt es eine solche Differenzierung in § 675s Abs. 2 BGB nicht mehr. Danach hat der Zahlungsdienstleister des
7.207
1 Wittmann in Staudinger, Neubearb. 2006, § 665 BGB Rz. 2; Sprau in Palandt, § 665 BGB Rz. 2. 2 Hadding/Häuser, ZHR 145 (1981), 138 (140). 3 Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 665 BGB Rz. 5 ff. 4 Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 665 BGB Rz. 5 ff. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 377 ff. 6 Heinrichs in Palandt, § 113 BGB Rz. 4 mwN; Vortmann, WM 1994, 965 (966, 967). 7 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 4. 8 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 326. 9 BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797 (798) = NJW 1991, 2210 f.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Zahlers sicherzustellen, dass der Zahlungsbetrag spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt folgenden Geschäftstags beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingeht. Es ist lediglich zulässig, für den Zeitraum bis zum 1.1.2012 eine Frist von drei Geschäftstagen zu vereinbaren. Sofern es sich um Zahlungen innerhalb des EWR handelt, die nicht in Euro ausgeführt werden sollen, kann eine Frist von vier Geschäftstagen vereinbart werden, für papierhaft erteilte Aufträge ist grundsätzlich eine Verlängerung um einen Geschäftstag zulässig. Die Fristen finden auch dann keine Anwendung auf Zahlungsdienste in der Währung eines Staates außerhalb des EWR oder wenn der Zahlungsdienstleister des Zahlers oder des Zahlungsempfängers seinen Sitz außerhalb des EWR hat, wie sich aus §§ 675d Abs. 1 Satz 2, 675e Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt. Nicht geregelt ist die Fallkonstellation einer Haus- oder Filialüberweisung, da hier der Zahlungsdienstleiser des Zahlungsempfängers bereits über den Betrag verfügt. Aus § 675t Abs. 1 BGB folgt in diesem Fall aber, dass nach Erteilung des Zahlungsauftrags dem Empfänger der Zahlungsbetrag unverzüglich zur Verfügung gestellt werden muss. Wertstellungstag ist dabei der Tag des Zahlungseingangs, in einem entsprechenden fall also der Tag des Zugangs des Überweisungsauftrags, während es bei institutsübergreifenden Zahlungen auf den Tag ankommt, an dem der Zahlungsdienstleiser des Zahlungsempfängers den Betrag gutgeschrieben bekommt.
7.208
Der Zahlungsauftrag begründet keine Ansprüche für den hierdurch begünstigten Buchgeldempfänger, da es sich dabei um eine Weisung innerhalb eines Zahlungsdienstevertrags gemäß § 675f BGB handelt, der alleine zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister besteht und unabhängig vom Valutaverhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger ist.
7.209
Der dem Zahlungauftrag zugrunde liegende Zahlungsvertrag entfaltet auch keine Schutzwirkung zu Gunsten des Zahlungsempfängers1. Es handelt sich ausschließlich um eine Rechtsbeziehung zwischen dem auftragserteilenden Zahler und seinem kontoführenden Institut2. Der Zahlungsauftrag begründet auch keinen Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß § 328 BGB in den Fällen der Avisierung der Überweisung durch den erstbeauftragten Zahlungsdienstleister oder ihren Kunden gegenüber dem Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers3. In einem sog. Eilavis oder Direktavis und seiner Entgegennahme durch das Empfängerinstitut liegt kein Vertrag zu Gunsten des Zahlungsempfängers4. Hierdurch wird keine rechtliche Verbindlichkeit des Avisierenden begründet5. 1 Die gegenteilige Auffassung der instanzlichen Rechtsprechung ist nach Meinung von Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 23 und Schimansky (Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 13) nicht haltbar. 2 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 13. 3 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1410); OLG Düsseldorf v. 21.5.1987 – 6 U 197/86, WM 1987, 1008 (1009). 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 397, 404. 5 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 186; vgl. weiter BGH v. 27.1.1998 – XI ZR 145/97, WM 1998, 592 (593), wonach mit dem Stempelaufdruck „angenommen“ auf der Durchschrift des Überweisungsauftrages ohne besondere Anhaltspunkte eine Ausführung dieses Auftrages nicht zugesichert wird.
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Die Überweisung
Der in der Bankpraxis übliche Wortlaut stellt im Übrigen klar, dass die avisierende Bank gegebenenfalls zur Beachtung eines rechtzeitigen Widerrufs ihres Auftraggebers verpflichtet ist1. a) Gesetzliche Neuregelung der Geschäftsbesorgungspflicht Eine Modifizierung hat auch die Geschäftbesorgungspflicht des Zahlungsinstituts des Zahlers erfahren. Dieses Institut schuldet nach der gesetzlichen Neuregelung im Regelfall nicht nur ein Bemühen um die Ausführung der vom Kunden gewünschten Überweisung, wie es den Pflichten im Dienstvertrag (§ 611 BGB) entspricht. Vielmehr haftet das Zahlungsisntitut für den tatsächlichen Erfolg der Überweisung2, wie sich jetzt aus § 675y Abs. 1 BGB ergibt. Die Haftung für die Herbeiführung eines Erfolges ist typisch für eine werkvertragliche Leistungspflicht (§ 631 BGB). Gegenstand eines Werkvertrages ist nicht nur die Herstellung oder Veränderung einer Sache, sondern jeder andere durch Dienstleistung oder Arbeit herbeizuführende (auch unkörperliche) Erfolg (§ 631 Abs. 2 BGB), wie sie zB die elektronischen Kontogutschriften im bargeldlosen Zahlungsverkehr darstellen.
7.210
Eine solche werkvertragliche Erfolgsbezogenheit der Geschäftsbesorgungspflicht der Überweiserbank wurde schon vor Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes bei den haus(instituts)internen Überweisungen bejaht3. Sie ist in der Praxis stets gegeben, wenn der Zahler und der Zahlungssempfänger ihr Girokonto bei demselben Zahlungsinstitut unterhalten und diese somit die gewünschten Kontogutschriften selbst erteilen kann.
7.211
Der „Erfolg“, den das Institut des Zahlers bei einer institutsübergreifenden Überweisung seinem Girokunden aus dem Zahlungsauftrag schuldet, lässt sich aus der gesetzlichen Umschreibung des Inhalts dieses Rechtsverhältnisses entnehmen. Aus § 675y Abs. 1 BGB folgt, dass das überweisende Institut den Überweisungsbetrag rechtzeitig, und soweit nichts anderes vereinbart, ungekürzt dem Institut des Begünstigten unmittelbar oder unter Beteiligung zwischengeschalteter Institute zu diesem Zweck zu übermitteln hat. Diese Übermittlung bedeutet gemäß § 675s Abs. 1 Satz 1 BGB, dass eine Gutschrift des Überweisungsbetrages auf einem Girokonto des Empfängerinstituts herbeigeführt wird4. Mit diesem Geldeingang erhält das Empfängerinstitut die
7.212
1 Der Wortlaut ist abgedruckt bei Escher-Weingart in BuB, Rz. 6/218; vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 405. 2 BT-Drucks. 14/745, S. 11 (16); Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 11 (19, 28); Schulz, ZBB 1999, 287 (290); von Westphalen, BB 2000, 157 (158); Klamt/Koch, NJW, 1999, 2776 (2777); Grundmann, WM 2000, 2269 (2278); Hadding, WM 2000, 2465 (2466). 3 Schön, AcP 198 (1998), 401 (449); Bydlinski, WM 1999, 1046 (1049); Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 28; vgl. weiter Hoffmann, wonach auch der Aufwendungserstattungsanspruch der erstbeauftragten Bank gegen den überweisenden Kunden aus § 670 BGB nur im Erfolgsfall entstehen kann (WM 2001, 881 (882). 4 BT-Drucks. 14/745, S. 18; Bydlinski, WM 1999, 1046 (1049); Schulz, ZBB 1999, 287 (291); Uwe H. Schneider, WM 1999, 2189 (2193); Grundmann, WM 2000, 2269 (2278).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
erforderliche Deckung für die dem Überweisungsbegünstigten zu erteilende Gutschrift. Nach Erhalt dieser Deckung, auch Gutschriftsgegenwert genannt, ist das Empfängerinstitut gegenüber dem Überweisungsbegünstigten auf Grund des zu ihm bestehenden Girovertragsverhältnisses verpflichtet, auf dessen Girokonto eine entsprechende, die Überweisung vollendende Gutschrift zu erteilen1. Die Pflicht, dem Empfängerinstitut den Überweisungsbetrag zu „übermitteln“, bedeutet also, dem Empfängerinstitut den Gutschriftsgegenwert als Deckung für die dem begünstigten Girokunden zu erteilende Gutschrift anzuschaffen. aa) Auslegungsbedürftigkeit der gesetzlichen Regelung
7.213
Wie sich aus der Verpflichtung des erstbeauftragten Instituts aus § 675y Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, ist dieses Institut für die vollständige Ausführung einer Zahlung verantwortlich. Damit wird – wie unter dem früheren Recht des Überweisungsvertrags gemäß § 676a Abs. 1 BGB aF – auch ein Erfolg geschuldet2, wie dies für den Werkvertrag typisch ist (vgl. § 631 Abs. 2 BGB)3. Im Gegensatz jedoch zum früheren Recht gibt es keine in der Höhe begrenzte „Money-Back-Garantie“ gemäß § 676b BGB mehr, vielmehr kann der Zahler jetzt im Falle einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung des Zahlungsauftrags die unverzügliche und ungekürzte Erstattung des Zahlungsbetrags verlangen. Lediglich für Folgeschäden ist gemäß § 675z BGB eine Haftungsbegrenzung auf 12.500 Euro zulässig. bb) Gemengelage von werk- und garantievertraglichen Pflichten
7.214
Der Pflichtenkreis der Überweiserbank im Rahmen eines Zahlungsauftrags innerhalb eines Zahlungsdienstevertrags gemäß § 675f Abs. 1 oder Abs. 2 BGB stellt auch weiterhin eine Gemengelage von Geschäftsbesorgungspflichten und Garantieverpflichtungen dar4. Diese Geschäftsbesorgungspflichten haben auch weiterhin werkvertraglichen Charakter. Hierzu gehören bei institutsübergreifenden Überweisungen, bei denen keine unmittelbare Kontoverbindung zwischen Überweiserbank und Empfängerbank besteht, zweifelsfrei alle Dienstleistungen, die erforderlich sind, um die unvermeidbare Zwischenschaltung anderer Banken zu veranlassen. Denn mit Rücksicht auf den regelmäßigen Zweck einer Buchgeldzahlung, hierdurch eine fällige Geldverbindlichkeit zu erfüllen, muss unterstellt werden, dass die erstbeauftragte Bank das Endergebnis ihrer Mitwirkung bei dem bargeldlosen Zahlungsverkehr
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Kümpel, WM 2000, 797 (800). Grundmann, WM 2009, 1109 (1115). BT-Drucks. 14/745, S. 11 (16, 18). Vgl. Klamt/Koch, wonach der Überweisungsvertrag als eigenständiger Unterfall des Geschäftsbesorgungsvertrages „auch“ werkvertragliche Elemente enthält (NJW 1999, 2776). Nach Gößmann/Häuser stellt sich der Überweisungsvertrag nunmehr als Geschäftsbesorgungsvertrag „mit weit überwiegenden werkvertraglichen Elementen dar“ (WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 28).
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Die Überweisung
schuldet und sie damit eine werkvertragliche Leistungspflicht übernehmen will1. Zumindest sehr zweifelhaft erscheint, ob auch die Pflicht der Überweiserbank, der Empfängerbank den Überweisungsbetrag zu „übermitteln“, als eine solche werkvertragliche Geschäftsbesorgungspflicht einzustufen ist2. Bei institutsübergreifenden Überweisungen unter unvermeidbarer Zwischenschaltung anderer Banken wird der kontomäßige Eingang des Gutschriftsgegenwertes bei der Empfangsbank streng genommen von dieser in der Girokette unmittelbar vorgeschalteten Bank bewirkt. Für Dienstleistungen der Überweiserbank im Sinne einer erfolgsbezogenen Tätigkeit ist hier kein Raum. Die entsprechend den europäischen Vorgaben auch insoweit gewollte Haftung der Überweisungsbank für den „Erfolg“ in Form des Eingangs des Überweisungsgegenwertes bei der Empfängerbank lässt sich aber auch durch die Annahme einer garantievertraglichen Leistungspflicht sicherstellen. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen kann es den Kreditinstituten nicht verwehrt werden, im Rahmen des Girovertrages eine Garantie dahin gehend zu übernehmen, dass bei Vorliegen der für eine Banküberweisung erforderlichen Voraussetzungen jeweils der Überweisungserfolg bewirkt wird3.
7.215
b) Vorzugswürdigkeit einer garantievertraglichen Leistungspflicht Die Überweisungsbank hat die Pflicht, bei einer verspäteten Überweisung eine Zinsentschädigung und bei einer Verzögerung oder Nichtausführung der Überweisung über den Überweisungsbetrag hinaus Schadensersatz gemäß § 675z BGB zu leisten, sofern der Schaden schuldhaft verursacht worden ist.
7.216
c) Zahlungsauftrag als weitergeleiteter Auftrag Mit Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie ist zwar wieder zur Rechtsfigur des Zahlungsauftrags zurückgekehrt worden, gleichwohl hat bei einer Weiterleitung des Überweisungsauftrages die erstbeauftragte Bank die von ihr geschuldete Ausführungspflicht zwar ordnungsgemäß erfüllt4, trotzdem haftet sie aber – wie sich aus § 675y Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt – für die vollständige und rechtzeitige Ausführung der Zahlung. Es kann dabei die Frage offen bleiben, ob die/das nachgeschaltete(n) Institut(e) Erfüllungsgehilfe(n) des erstbeauftragten Instituts ist (sind), denn nach § 675z Satz 3 BGB hat das erstbeauftragte Institut das Verschulden einer zwischengeschalteten Stelle wie eigenes
1 Bydlinski, WM 1999, 1046; Uwe H. Schneider, WM 1999, 2189 (2193); Ehmann/ Hadding, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 3, 13; Kümpel, WM 2000, 797 (803); Hadding, WM 2000, 2465 (2466). 2 Bejahend Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 7 (8). 3 Grundmann, WM 2000, 2269 (2284), der auch bei der Erörterung der Probleme der Interbankenverhältnisse im Rahmen institutsübergreifender Überweisungen generell von der „Garantiehaftung“ der erstbeauftragten Bank spricht (S. 2282). 4 Hansen, BB 1989, 2418 (2419); Hüffer, WM 1987, 643; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 8 Rz. 33.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
zu vertreten, es sei denn, der Zahlungsdienstenutzer hat dieses Institut ausdrücklich vorgegeben.
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Die Zurechnung des Verschuldens einer zwischengeschalteten Bank gemäß § 675z Satz 3 BGB kommt gemäß §§ 675d Abs. 1 Satz 2, 675e Abs. 2 BGB dann nicht in Betracht, wenn Zahlungsdienste in der Währung eines Staates außerhalb der EWR erbracht werden oder bei der Erbringung von Zahlungsdiensten, bei denen der Zahlungsdienstleister des Zahlers oder des Zahlungsempfängers außerhalb des EWR belegen ist. Außerdem kann gemäß § 675e Abs. 4 BGB dann, wenn der Zahlungsdienstnutzer kein Verbraucher ist, die Haftung gemäß § 675z Satz 3 BGB abbedungen werden.Damit kann nur noch in diesem Fall die Haftung für den Erfüllungsgehilfen wie nach der bis zum 31.10.2009 geltenden Rechtslage ausgeschlossen werden1. d) Quasi-Erfüllungsgehilfenhaftung der Überweiserbank mittels Garantiehaftung
7.219
Die Verschuldensregelung stellt aber nur klar, dass das Überweisungsinstitut das Verschulden eines zwischengeschalteten Instituts grundsätzlich wie eigenes Verschulden zu vertreten hat, ohne jedoch hierbei die Frage zu entscheiden, ob das nachgeschaltete Institut auch den Status eines Erfüllungsgehilfen des erstbeauftragten Instituts hat. Der Gesetzeswortlaut schließt jedenfalls nicht aus, dass das erstbeauftragte Institut ungeachtet seiner Verschuldenshaftung die Übermittlung des Überweisungsbetrages wie beim weitergeleiteten Auftrag selbst nicht schuldet2. Denn in § 675z Satz 3 BGB heißt es lediglich, dass der Zahlungsdienstleister das Verschulden einer zwischengeschalteten Stelle wie eigenes Verschulden zu vertreten hat. Diese Rechtsfolge entspricht der Erfüllungsgehilfenhaftung iS des § 278 BGB. Bei der Haftungsnorm fehlt aber, wenn das Zahlungsinstitut eine erfolgreiche Weiterleitung des dem Empfängerinstitut zu übermittelnden Überweisungsbetrages durch die zwischengeschaltete Stelle nicht selbst werkvertraglich schuldet, sondern nur „garantiert“, das wesentliche Tatbestandsmerkmal des § 278 BGB, wonach sich der Schuldner des eingeschalteten Dritten zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient haben muss3. Der schon von der EG-Überweisungsrichtlinie 1 Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 42. 2 Auch die EG-Überweisungsrichtlinie sah nach Bydlinski keine weiter gehende Geschäftsbesorgungspflicht als beim weitergeleiteten Auftrag vor; anderenfalls wären die zur Auftragsausführung eingeschalteten Banken zwingend als Erfüllungsgehilfen anzusehen (WM 1999, 1046 [1047]); Kümpel, WM 2000, 797 (801). 3 So Gößmann/Häuser zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Überweisungsgesetz. Danach werden Mitarbeiter und Organpersonen zwischengeschalteter Banken „in der Sache Erfüllungsgehilfen gleichgestellt“ und „wie Erfüllungsgehilfen des überweisenden Kreditinstitutes behandelt“ (WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 24 [40]). Nach Nobbe, der in der Weiterleitung des Überweisungsbetrages durch die zwischengeschalteten Banken eine eigene werkvertragliche Leistungspflicht der Überweiserbank erblickt, sind die nachgeordneten Banken Erfüllungsgehilfen der Überweiserbank (WM 2000, Sonderbeil. Nr. 4, 8 [9, 19]). Vgl. weiter von Westphalen, BB 2000, 157 (159, 162); Klamt/Koch, NJW 1999, 2276 (2278); Schulz, ZBB 1999, 287 (289); Grundmann, WM 2000, 2269 (2279).
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Die Überweisung
und deren Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber angestrebte Schutz der Bankkunden durch eine Haftung der erstbeauftragten Bank lässt sich auch nach dem durch die Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie erstrebten Schutz dadurch erreichen, dass dem erstbeauftragten Zahlungsinstitut die Haftung für ein Verschulden der zwischengeschalteten Stelle auferlegt wird, ohne diese auch noch zur Erfüllungsgehilfin iS des § 278 BGB werden zu lassen1. Mit dieser Quasi-Erfüllungsgehilfenhaftung lässt sich auch die wirklichkeitsfremde Unterstellung vermeiden, dass sich das erstbeauftragte Zahlungsinstitut bei einer notwendige Mitwirkung einer anderen Stelle zu wesentlich mehr verpflichten will als die Einschaltung einer sorgfältig ausgewählten und unterwiesenen, in die Weiterleitung eingebundenen Stelle.
3. Grundsatz der Formfreiheit Weder für Zahlungsdiensteverträge noch für Zahlungsaufträge ergibt aus § 675f BGB eine bestimmte Form, sodass sie grundsätzlich auch mündlich und damit auch konkludent zu Stande kommen können2. In der Praxis werden aber einheitliche Formulare verwendet, deren Ausgestaltung sich insbesondere an den von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes vereinbarten „Richtlinien für einheitliche Zahlungsverkehrsvordrucke“ zu orientieren haben3. Diese Formulare sehen eine Zeile für die Unterschrift des Auftraggebers vor. Hierin liegt aber keine Vereinbarung der Schriftform nach § 127 BGB4. Überweisungsformulare, die keine Unterschrift unter dem Text tragen, sondern nur oben am Rand rechts gezeichnet sind („Oberschrift“), erbringen nicht die Vermutung der Echtheit (§§ 440 Abs. 2, 416 ZPO). Es greift auch nicht der Erfahrungssatz ein, dass unterschriebene Urkunden die vollständige Willenserklärung einer Partei richtig wiedergeben5. Die Bank braucht im Übrigen Aufträge mit faksimiliertem Namenszug nur zu akzeptieren, wenn der Girokunde sie von den damit für sie verbundenen Risiken durch eine entsprechende Erklärung freigestellt hat6.
7.220
Verlangt der Kunde von seinem Zahlungsdienstleisters eine Bestätigung für den erteilten Überweisungsauftrag, sollte dem Kundenwunsch auch aus Bank-
7.221
1 AA Einsele, wonach das faktische Unvermögen der erstbeauftragten Bank zur Gutschriftserteilung auf dem Konto einer anderen Bank nicht dagegen spreche, dass sie sich gleichwohl hierzu verpflichtet mit der Konsequenz, dass die nachgeschalteten Banken zwingend ihre Erfüllungsgehilfen wären (AcP 198 [1998], 143 [175]). 2 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 8. 3 Maßgebend sind derzeit die am 16.10.1995 in Kraft getretenen „Richtlinien für einheitliche Zahlungsverkehrsvordrucke“ (1995), die „Richtlinien für eine einheitliche Codierung von zwischenbetrieblichen weiterzuleitenden Zahlungsverkehrsbelegen“ (Codierungsrichtlinien) sowie das seit dem 16.4.1996 geltende „Abkommen zum Überweisungsverkehr“, das Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten begründet (Nr. 6 des Abkommens). 4 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 8. 5 BGH v. 20.11.1990 – XI ZR 107/89, WM 1991, 57; BGH v. 21.1.1992 – XI ZR 71/91, WM 1992, 626. 6 Escher-Weingart in BuB, Rz. 6/34.
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interesse entsprochen werden. Der Zeitpunkt des Eingangs des ordnungsgemäß ausgefüllten Überweisungsauftrages ist maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Erfüllung einer Geldschuld und damit die Vermeidung von Verzugszinsen. Mit dieser Bestätigung kann die Rechtzeitigkeit der Absendung des geschuldeten Geldes nachgewiesen werden1.
7.222
Beim beleglosen Zahlungsverkehr sind diese Formulare von Magnetbändern, Kassetten oder Disketten abgelöst worden. Insbesondere in Einzelfällen können jedoch Überweisungsaufträge auch fernmündlich und fernschriftlich erteilt werden2. Beim sog. „Blitz“giro wird der Überweisungsauftrag gegen ein zusätzliches Entgelt fernschriftlich an den Zahlungsdienstleister des Buchgeldempfängers weitergegeben und so die Gutschrift auf dessen Girokonto am Tage der Auftragserteilung sichergestellt.
4. Daueraufträge und sonstige Auftragsformen
7.223
Der Zahlungsdienstevertrag als Einzelzahlungsvertrag ist regelmäßig auf eine einmalige Überweisung gerichtet. Er kann aber auch einen „Dauerauftrag“ für Überweisungen derselben Beträge an denselben Empfänger zu wiederkehrenden Zeitpunkten beinhalten und stellt dann einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 BGB dar3.
7.224
Neben diesen beiden Grundformen kennt die Praxis auch die sog. Sammelüberweisung. Sie ist auch nach der gesetzlichen Neuregelung möglich4. Hier wird das erste, die Unterschrift des Auftraggebers tragende Blatt des Überweisungsformulars durch eine Aufstellung der einzelnen Überweisungsbeträge zusammengefasst. Der Sammelüberweisungsauftrag muss aber die Einzelbeträge sowie die Gesamtsumme der beiliegenden Einzelüberweisungsträger enthalten. Die Unterschrift ist unter der Auflistung der Einzelüberweisungen zu leisten5, sodass zusammengefasste Einzelzahlungsverträge gemäß § 675f Abs. 1 BGB mit einer entsprechenden Zahl an Zahlungsaufträgen gemäß § 675f Abs. 3 BGB vorliegen.
5. Gefälschte oder verfälschte Aufträge
7.225
Wird der Überweisungsauftrag gefälscht oder inhaltlich verfälscht, so ist das Fälschungsrisiko vorrangig vom vermeintlichen erstbeauftragten Zahlungsdienstleister zu tragen6. Denn der Zahlungsdienstleister darf nach dem Giro1 2 3 4 5 6
Trolitzsch/Jaeger, BB 1994, 2152 (2153); Vogel, DB 1997, 1758 (1759). Vgl. BGH v. 11.3.1976 – II ZR 116/74, WM 1976, 904. Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 25. Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 25. BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392 (1293). BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392 (1393 mwN); BGH v. 11.10.1994 – XI ZR 238/93, WM 1994, 2073 (2074); BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712 (1713). Zum deliktsrechtlichen Schadensausgleich bei Ausführung gefälschter Überweisungsaufträge vgl. Häuser in FS Kümpel, 2003, S. 219 (221 ff.). Vgl. weiter
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vertrag nur vom Kunden erteilte Überweisungsaufträge ausführen. Hieran fehlt es auch bei ge- oder verfälschten Aufträgen. Die Überweisung auf Grund eines gefälschten Auftrages steht einer von vornherein fehlenden Anweisung gleich1. Der Zahlungsdienstleister kann hier keinen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 675, 675f Abs. 3 Satz 2 670 BGB gegen den Kontoinhaber erwerben2. § 670 BGB setzt nach seinem eindeutigem Wortlaut einen tatsächlich erteilten Auftrag voraus3. § 675u BGB stellt dies jetzt ausdrücklich klar. Das Fälschungsrisiko kann auch nicht durch die AGB auf den Zahler abgewälzt werden, denn, wie sich aus § 675e Abs. 2 bis Abs. 4 BGB ergibt, ist § 675u BGB nicht abdingbar. Die gesetzliche Regelung nimmt damit das grundsätzliche Verbot einer verschuldensunabhängigen Sphärenhaftung auf, wie dies anhand der Fälschung von Schecks von der Rechtsprechung entwickelt worden ist4. Deshalb erwirbt der Zahlungsdienstleiter einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675, 675f Abs. 3 Satz 2, 670 BGB selbst dann nicht, wenn er die Fälschung nicht erkennen konnte und diese durch einen Umstand ermöglicht wurde, der in der Sphäre des Kontoinhabers liegt5, es sei denn, dieser hat die Fälschung verschuldet.
7.226
Auch wenn Zahlungsinstitute grundsätzlich das Fälschungsrisiko zu tragen haben, kann sich im Einzelfall eine Haftung des Kunden für einen seinem Institut entstehenden Fälschungsschaden ergeben. Der Girokunde hat die girovertragliche Pflicht, die Gefahr einer Fälschung soweit wie möglich auszuschalten6. Hat der Kunde zB Überweisungsformulare blanko unterschrieben oder ausgefüllt und wurden die Formulare sodann entgegen seinem Willen ergänzt, haftet der Kunde wegen eines von ihm veranlassten Rechtsscheins7. Hier hat der Kunde eine Schutzpflicht als Nebenpflicht des Girovertragsverhältnisses verletzt und sich deswegen schadenersatzpflichtig gemacht. Unter Umständen ist der Kunde auch zur Warnung der Bank und zur Veranlassung der Sperre seines Kontos verpflichtet, wenn ihm seine Ausweispapiere verloren gegangen sind8. Die girovertraglichen Pflicht des Kontoinhabers, die Gefahr der Fälschung eines Überweisungsauftrages soweit wie möglich auszuschalten, begründet jedoch keine Verpflichtung, an Personen seines Ver-
7.227
1 2 3 4 5 6 7 8
Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 368 f.; für den Fall eines gefälschten Überweisungsauftrages auf Grund kollusiven Zusammenwirkens des Gutschriftsempfängers mit dem zuständigen Bankangestellten vgl. BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1422 ff.); vgl. weiter Schnauder, ZIP 1994, 1069. Vgl. weiter LG Lübeck v. 5.3.1993 – 4 O 306/92, WM 1993, 1131. BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712 (1713). LG München I v. 15.7.2009 – 28 O 22448/08, WM 2010, 79 (80). BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712 (1713). BGH v. 13.6.1995 – XI ZR 154/94, BGHZ 130, 87 (92) = WM 1995, 1485; BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712 (1713). BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712 (1713). BGH v. 11.10.1994 – XI ZR 238/93, WM 1994, 2073 (2074). BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392 (1393); OLG Koblenz v. 9.12.1983 – 2 U 944/82, WM 1984, 206 (208). BGH v. 14.10.1967 – Ib ZR 169/65, WM 1967, 1142 (1143).
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trauens keine Informationen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich nähere Angaben zu seinen Kontoverbindungen zu machen1.
6. Gesetzliche Nebenpflichten aus dem Zahlungsauftrag
7.228
Aus dem dem Zahlungsvertrag in Verbindung mit dem konkreten Zahlungsauftrag erwachsen dem Zahlungsinstitut auch Nebenpflichten, die sich aus den auftragsrechtlichen Bestimmungen (§§ 665 f. BGB) ergeben. Solche Nebenpflichten bestehen aber auch für den Zahlenden. a) Einhaltung der Ausführungsfristen (§ 675s Abs. 1 BGB)
7.229
Aus § 675s Abs. 1 BGB ergibt sich entsprechend der Umsetzung von Art. 69 Abs. 1 der Zahlungsdiensterichtlinie, dass seit dem 31.10.2009 Zahlungsvorgänge spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt eines Überweisungsauftrags folgenden Geschäftstags ausgeführt sein müssen. Diese Frist gilt für alle Zahlungen innerhalb der EU-/EWR-Staaten in Euro und ist damit gegenüber der bisherigen Rechtslage gemäß § 676a Abs. 2 Satz 1 BGB aF erheblich verkürzt worden, denn danach standen für solche Zahlungen bis zu fünf Tagen zur Verfügung. Bis zum 1.1.2012 ist es aber zulässig, durch Vereinbarung diese Frist auf bis zu drei Geschäftstagen auszuweiten. Da das Gesetz nicht weiter einschränkt, was unter „vereinbaren“ zu verstehen ist, sind entsprechende Vereinbarungen auch durch allgemeine Geschäftsbedingungen zulässig. Sofern es sich um Zahlungen innerhalb der EWR-Staaten handelt, die nicht in Euro erfolgen, kann eine Frist von maximal vier Geschäftstagen vereinbart werden. Für beleghaft erteilte Aufträge ist die Vereinbarung einer Verlängerung um einen weiteren Tag zulässig. Auf Zahlungen, bei denen der Zahlungsdienstleister des Zahlers oder des Empfängers in einem Staat außerhalb eines EWR-Staates belegen ist, sind, wie sich aus §§ 675d Abs. 1 Satz 2, 675e Abs. 2 Satz 1, 675s Abs. 1 BGB ergibt, die vorstehenden Fristen nicht anwendbar. Gleiches gilt nach den bezeichneten Regelungen für Zahlungen in der Währung eines Staates außerhalb der EWR-Staaten. b) Rückfrage- und Benachrichtigungspflichten der Überweiserbank (§§ 666 und 675o Abs. 1 BGB)2
7.230
Die beim Giroverkehr mitwirkenden Zahlungsinstitute müssen sich streng an den ihnen erteilten formalen Auftrag halten (Grundsatz der formalen Auftragsstrenge)3. Deshalb ist nach auftragsrechtlichen Grundsätzen beim auftragserteilenden Zahlenden zurückzufragen, wenn konkrete Zweifel irgend-
1 BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 325/00, WM 2001, 1712 (1714). 2 Vgl. BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588 (589). 3 BGH v. 15.12.1975 – II ZR 28/74, WM 1976, 630 (631); BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/ 85, WM 1986, 1409 = NJW 1987, 317 ff.; BGH v. 12.10.1999 – XI ZR 294/98, WM 1999, 2255; OLG Schleswig v. 27.7.2000 – 5 U 63/99, WM 2001, 812.
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welcher Art bestehen1. Wenn das Zahlungsinstitut aus besonderen Gründen von dem Auftrag meint abweichen zu müssen, hat es seinen Kunden umgehend zu benachrichtigen. Dies folgt aus der Pflicht des Beauftragten, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben (§ 666 BGB). Eine solche Benachrichtigungspflicht obliegt dem Zahlungsinstitut gemäß § 675o Abs. 1 Abs. 1 BGB auch, wenn es den Zahlungsauftrag mangels Deckung nicht ausführen will2. Hat das Zahlungsinstitut es versäumt, ihren Kunden über die wegen mangelnder Deckung unterbliebene Ausführung seines Zahlungsauftrages zu unterrichten, hat es zwar ihre Benachrichtigungspflicht verletzt. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung3 aber noch nicht, dass es stets schadensersatzpflichtig ist. Denn den Kontoinhaber trifft als Zahlungsauftraggeber ein überwiegendes Mitverschulden, wenn er nicht für eine ausreichende Deckung gesorgt hat. Dieses überwiegende Mitverschulden verdrängt die Vertragsverletzung der Bank; der Schaden ist hier nach § 254 Abs. 1 BGB vom Kontoinhaber allein zu tragen.
7.231
Ist die Zahlung fehlgeschlagen, muss der Girokunde hierüber in jedem Falle unterrichtet werden. Dies gilt auch bei einer Einzelzahlung, die nicht im Rahmen eins Zahlungsdiensterahmenvertrags gemäß § 675f Abs. 2 BGB – meist eines Girovertragsverhältnisses – sondern eines auf eine einzelne Zahlung gerichteten Einzelzahlungsvertrags gemäß § 675f Abs. 1 BGB erfolgt4. Dies folgt auch aus § 675y Abs. 1 BGB, da der Zahlungsdienstleister dem Zahlenden dann, wenn über diesen der Zahlungsvorgang ausgelöst worden ist, den Zahlungsbetrag ungekürzt wieder erstatten muss. Damit dieser Anspruch des Zahlers jedoch erfüllt werden kann, ist es erforderlich, dass er zuvor über die Nicht-Ausführung unterrichtet worden ist.
7.232
Der Girokunde hat im Übrigen gegen seine kontoführende Stelle gemäß § 666 BGB einen Auskunftsanspruch, der auch Vorgänge betrifft, über die sie den Kunden bereits unterrichtet hat5. Dieser Anspruch umfasst nicht nur die Erteilung von Kontoauszügen, sondern auch zusätzliche Auskünfte, soweit sie zur Überprüfung der Richtigkeit einzelner Buchungen erforderlich sind6. Dabei setzt dieser Auskunftsanspruch keinen weiter gehenden Anspruch voraus, dessen Vorbereitung die begehrte Auskunft dienen soll7. Auch kann der Girokunde, der von seinem Zahlungsinstitut bereits über bestimmte Vorgänge in-
7.233
1 OLG München v. 9.3.1995 – 32 U 5600/94, WM 1995, 1017 (1018) für den Fall der Mehrdeutigkeit des Überweisungsauftrages. 2 OLG Hamm v. 21.9.1983 – 3 U 64/83, WM 1984, 1222. Diese Pflicht gilt auch für Direktbanken (LG Bonn v. 15.9.1999 – 5 S 103/99, MDR 1999, 1453); zur neuen Rechtslage vgl. Grundmann, WM 2009, 1109 (1114). 3 OLG Hamm v. 21.9.1983 – 3 U 64/83, WM 1984, 1222. 4 BGH v. 27.2.1978 – II ZR 3/76, WM 1978, 637; Schimansky in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 49 Rz. 57. 5 BGH v. 30.1.2001 – XI ZR 183/00, WM 2001, 621. 6 BGH v. 4.7.1985 – III ZR 144/84, WM 1985, 1098 (1099). 7 BGH v. 28.2.1989 – XI ZR 91/88, WM 1989, 518.
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formiert worden ist, hierüber erneut Auskunft verlangen, wenn er glaubhaft macht, dass ihm die erteilten Informationen verloren gegangen sind und dem Zahlungsisntitut die erneute Auskunftserteilung noch möglich und zumutbar ist1. Dieser Anspruch ist nicht auf den Fall beschränkt, dass dem Kunden die Unterlagen ohne sein Verschulden abhanden gekommen sind. Wenn sein Auskunftsbegehren nicht mutwillig oder missbräuchlich erscheint, ist es unerheblich, wie und aus welchem Grunde er in die Lage geraten ist, erneut Auskunft zu verlangen2. Welche Informationen einem Zahler oder Zahlungsempfänger vor und nach der Ausführung von Zahlungen zur Verfügung zu stellen ist, ergibt sich aus Art. 248 §§ 4 ff. EGBGB. c) Keine Vorschussleistung des Buchgeldzahlers
7.234
Bisher haben Kreditinstituteüblicherweise das Konto ihres Girokunden schon bevor der überwiesene Betrag dem Buchgeldempfänger gutgeschrieben worden ist, mit dem Zahlungsbetrag belastet und damit konkludent einen Vorschuss iS des § 669 BGB geltend gamcht3. Aus § 675t Abs. 3 BGB folgt jedoch nunmehr, dass eine Belastungsbuchung zur Geltendmachung eines Vorschusses gemäß § 669 BGB nicht mehr zulässig ist. Geltend gemacht werden kann nach Umsetzung der Zahlungsdienstericchtlinie in innerdeutsches Recht zum 31.10.2009 nur noch ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB zeitgleich oder nachdem die Gutschrift an das in der Zahlungskette nachfolgende Institut weitergeleitet worden ist4. Das erstbeauftragte Zahlungsintitut muss mit der Belastung allerdings nicht warten, bis die Zahlung beim Zahlungsempfänger angekommen ist.
7.235
Umstritten ist, welche Rechtswirkung der Aufwendungserstattungsanspruch des Zahlungsisntituts auf das Kontoguthaben des Girokunden hat, dem ein Rückforderungsrecht im Sinne der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 BGB) – sog. Tagessaldo – zugrunde liegt. Die herrschende Lehre nimmt an, dass zwischen beiden gegenseitigen Ansprüchen eine (kontokorrentmäßige) Verrechnung stattfindet und dass erst hierdurch die Guthabenforderung getilgt und damit gemindert wird. Nach einer Mindermeinung5 reduzierte sich dagegen das Kontoguthaben automatisch, da die Befolgung der Kundenweisung aus seinem Zahlungsauftrag das Zahlungsinstitut von einer Schuld gegenüber dem Kunden in entsprechender Höhe befreien soll (analog § 787 Abs. 1 BGB).
7.236
Eine solche Analogie ist nach Canaris abzulehnen, da sie mit dem Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses bei Girokonten unvereinbar ist. Denn der Kontokorrentabsprache liege die Vorstellung einer solchen Verrechnung und 1 BGH v. 28.2.1989 – XI ZR 91/88, WM 1989, 518. 2 BGH v. 28.4.1992 – XI ZR 193/91, WM 1992, 977 (979); BGH v. 30.1.2001 – XI ZR 183/00, WM 2001, 621 (622). 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 345; vgl. weiter BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (128) = BGHZ 106, 259 ff. = NJW 1989, 582 f., wonach die Bank gemäß §§ 669, 675 BGB Vorschuss verlangen kann. 4 Grundmann, WM 2009, 1109 (1113). 5 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 43 mwN.
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Die Überweisung
nicht die eines automatischen Erlöschens der jeweiligen Guthabenforderung im Sinne des Tagesguthabens aus dem Girovertragsverhältnis (§ 667 BGB) zugrunde1. Unterbleibt die Zahlung, etwa weil der Zahlungsempfänger kein Konto unterhält, ist die Belastungsbuchung gemäß § 675y Abs. 1 Satz 2 BGB rückgängig zu machen.
7.237
d) Weisungswidrige Auftragsausführung Hält sich ein Zahlungsdienstleister entsprechend dem Grundsatz der formalen Auftragsstrenge nicht strikt an die ihm erteilten Weisungen, erwirbt er gemäß § 675y Abs. 4 BGB keinen Vergütungsanspruch und muss die ggf. bereits erhaltenen Beträge erstatten. Die weisungswidrige Auftragsausführung kann zudem bei einem schuldhaften Verhalten des Zahlungsdienstleisters eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB darstellen, die zum Ersatz des seinem Girokunden hierdurch entstandenen Schadens verpflichten kann2.
7.238
Bei solchen Abweichungen von den Kundenweisungen muss die Bank ohne Rücksicht auf ein Verschulden die erhaltene Deckung gemäß § 675y Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgewähren. Dies entspricht den sich aus §§ 667, 675 BGB ergebeneden rechtsfolgen3. Missachtet dagegen ein dem überweisenden Zahlungsinstitut in der Girokette nachgeschalteten Institut die Weisung des Kunden, hat gleichwohl das Überweisungsinstitut diese Deckung herauszugeben, da § 675y BGB nicht danach differenziert, wer für die nicht weisungsgemäße Ausführung verantwortlich ist. Nur wenn ein vom Zahlungsdienstnutzer vorgegebenes Institut die wesentliche Ursache für die Nichtausführung oder fehlerhafte Ausführung der Zahlung verursacht hat. In diesem Fall haftet dieses Institut gemäß § 675z Satz 3 und 4 BGB dem Zahler für evtl. Schäden. Davon erfasst werden jedoch nur solche Schäden, die nicht von § 675y BGB erfasst werden, sodass das erstbeauftragte Institut auch in diesem Fall den Überweisungsbetrag seinem Auftraggeber erstatten muss4. Rückgriffsansprüche des Überweisungsinstituts gegen das verantwortliche zwischengeschaltete Institut ergeben sich aus § 676a BGB. Es besteht jetzt, auch wenn die Institute kein Rechtsverhältnis zueinander haben, ein gesetzlicher Direktanspruch5.
7.239
e) Verhaltens-(Schutz-)Pflichten des Zahlungsinstituts und des Kunden Die beiden synallagmatischen Hauptleistungspflichten bei der Überweisung als einem Zahlungsauftrag im Rahmen eines Zahlungsdienstevertrags gemäß § 675f BGB, bei dem es sich wiederum um einen Unterfall des entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags gemäß § 675 BGB handelt, sind die Pflicht des Zahlungsinstituts zur Ausführung des ihm erteilten Zahlungsauftrages und 1 2 3 4 5
Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 344 mwN zum Streitstand. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 96. BGH v. 17.9.1991 – XI ZR 256/90, WM 1991, 1915 (1917) = NJW 1992, 112 f. Grundmann, WM 2009, 1109 (1115 f.). Grundmann, WM 2009, 1109 (1116).
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die Entgeltpflicht des Zahlenden. Diese Hauptpflicht des Zahlungsinstituts beinhaltet eine auf den „Transport“ von Buchgeld gerichtete Geschäftsbesorgung1. Zu dieser Hauptleistungspflicht des Zahlungsinstituts gehören Nebenleistungspflichten wie insbesondere die auftragsrechtliche Benachrichtigungsund Rechnungslegungspflicht (§ 666 BGB). Bei der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinierichtlinie sind weitere Aufklärungs- und Informationspflichten statuiert worden. So haben Zahlungsnstitute dem Kunden gemäß Art. 248 §§ 4 ff. EGBGB zusätzliche Informationen ua. über Ausführungsfristen, Wertstellungszeitpunkte, Referenzkurse und weitere im Verordnungswege bestimmte Einzelheiten zur Verfügung zu stellen.
7.241
Diese Verhaltens-(Schutz-)Pflichten wurden von der herrschenden Meinung im Grundsatz schon aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung abgeleitet, der kein (Bank-)Vertragsverhältnis, sondern als Ausprägung des die Rechtsordnung mittragenden Vertrauensprinzips ein (gesetzliches) Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht mit quasivertraglicher Haftung zugrunde liegt. Die Rechtsprechung verknüpft dagegen die Verhaltens-(Schutz-)Pflichten ganz überwiegend mit einem konkreten Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Bank, wie dies insbesondere auf den Girovertrag zutrifft2.
7.242
Solche Schutzpflichten können sich grundsätzlich auch aus dem konkreten Zahlungsauftrag ergeben3. Dabei sind diese Pflichten vielgestaltig. Inhalt und Umfang sind aus einer Beurteilung der Interessenlage heraus nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu entwickeln4. So hat das erstbeauftragte Zahlungsinstitut bei einer außerbetrieblichen Überweisung die Angaben zum Verwendungszweck, die für das Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger wesentlich sind, an die nachgeschaltete Bank weiterzuleiten5. Hat die Bank bei einer fehlgeschlagenen Überweisung infolge pflichtwidrigen Verhaltens einer anderen Bank ihre Schadensersatzansprüche aus der Drittschadensliquidation an den Girokunden abgetreten, muss sie ihren Kunden auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten die für die gerichtliche Geltendmachung erforderlichen Informationen geben6. aa) Warnpflichten des Zahlungsinstituts
7.243
Zu diesen Verhaltens-(Schutz-)Pflichten gehören auch bestimmte Warnpflichten des Zahlungsinstituts7. Hinsichtlich ihres Umfangs ist zu berücksichti1 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 100. 2 Vgl. BGH v. 29.1.1979 – II ZR 148/77, WM 1979, 417 (419); BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/84, WM 1985, 905 (906) = BGHZ 95, 103 ff. = NJW 1985, 2326 f. für die Pflicht des Kunden zur Prüfung der Tagesauszüge bei Girokonten. 3 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 100. 4 Heinrichs in Palandt, § 241 BGB Rz. 7. 5 Dies folgt aus §§ 7 u. 8 Art. 248 EGBGB. 6 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 102. 7 Vgl. hierzu Möschel, AcP 186 (1986), 212, der für den automatisierten Zahlungsverkehr auf eine weitere Zurückdrängung von Warnpflichten der Bank gegenüber dem Kunden verweist.
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7. Teil
Die Überweisung
gen, dass das Girogeschäft zu dem sog. standardisierten Massengeschäft der Zahlungsinstitute zählt. Dem Girogeschäft liegt daher ein sehr begrenzter Geschäftszweck zugrunde1. Dementsprechend erwachsen den Zahlungsinstituten auch nur eingeschränkte Verpflichtungen aus dem Girogeschäft. Das Zahlungsinstitut genügt daher ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Prüfung eines Zahlungsauftrages, wenn sie sich davon überzeugt hat, dass er seinem äußeren Erscheinungsbild nach den Eindruck der Echtheit erweckt2. Zahlungsinstitute brauchen grundsätzlich keine Erwägungen über die Zweckmäßigkeit von Überweisungsaufträgen anzustellen. Denn sie haben regelmäßig keinen genügenden Einblick in die Motive und Verhältnisse ihrer Kunden, um sich ein klares Urteil über die Zweckmäßigkeit von Kundenaufträgen bilden zu können. Eine solche Pflicht des Zahlungsinstituts wäre zudem mit Zweck und Funktion des Giroverkehrs unvereinbar. Nach Ansicht des BGH werden die Institute im Giroverkehr nur zum Zwecke eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig und haben sich schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorfälle grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern3. In Ausnahmefällen kann jedoch etwas anderes gelten. So ist eine Warnpflicht gegenüber dem Kontoinhaber als Auftraggeber einer Überweisung zu bejahen, wenn das Zahlungsinstitut Kenntnis von der Zahlungseinstellung des Buchgeldempfängers oder vom unmittelbaren Bevorstehen seines wirtschaftlichen Zusammenbruchs hat. Denn das Zahlungsinstitut kann nicht wissen, ob der Buchgeldzahler möglicherweise vorleistet. In diesem Fall hätte er ohne die Überweisung die Möglichkeit der Insolvenzaufrechnung gehabt, die vor einem Ausfall mit seiner Gegenforderung gegen den Buchgeldempfänger schützen würde. Nach § 96 InsO braucht der zur Aufrechnung befugte Gläubiger seine Forderung nicht im Insolvenzverfahren anzumelden, sondern kann sich durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung gegen den Gemeinschuldner voll befriedigen. In diesen Fällen läuft die Bank daher Gefahr, durch die Vornahme der Überweisung an einer Schädigung des Kunden mitzuwirken4. Diese Warnpflicht entfällt grundsätzlich im Abrechnungsverfahren der Deutschen Bundesbank5.
7.244
Diese Warnpflicht besteht regelmäßig selbst dann, wenn der Überweisungsempfänger ebenfalls Kunde des Zahlungsinstituts ist und sich der Überweisungsvorgang daher innerhalb eines Zahlungsinstitutes ohne Einschaltung anderer Zahlungsinstitute vollzieht. Hier verdrängt die Warnpflicht gegenüber dem Auftraggeber der Überweisung die Pflicht des Instituts gegenüber dem
7.245
1 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 = NJW 1987, 317 ff.; OLG München v. 9.3.1995 – 32 U 5600/94, WM 1995, 1017 (1019). 2 BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392 (1394) = NJW-RR 1992, 1264 ff. 3 BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392 (1394) = NJW-RR 1992, 1264 ff. 4 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588 (589); BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/ 85, WM 1986, 1409 (1410) = NJW 1987, 317 ff. 5 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588 (589).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Überweisungsempfänger zur Wahrung des Bankgeheimnisses. Eine solche Warnpflicht des Instituts gegenüber dem Kontoinhaber wird weiter bejaht, wenn sich gegen einen Verfügungsberechtigten über das Konto der Verdacht des Missbrauchs der Vertretungsmacht aufdrängen muss1, etwa bei verdächtigen Verfügungen eines GmbH-Geschäftsführers über das Konto der Gesellschaft. Hier läuft die kontoführende Stelle Gefahr, an einer Schädigung ihres Kunden als Kontoinhaber mitzuwirken.
7.246
Eine Warnpflicht hat der BGH auch bei einer (Haus-)Überweisung bejaht, bei der der Überweisende und der Empfänger Banken waren. Hier ist die beauftragte Bank ausnahmsweise verpflichtet, die überweisende Bank vor Erteilung der Gutschrift auf dem Konto der empfangenden Bank darauf hinzuweisen, dass die Bankenaufsicht die Schließung der Empfängerbank für den Verkehr mit der Kundschaft angeordnet hat2. Da es hier um Überweisungen – und damit um Zahlungsdienstleistungen – ging, gelten diese Grundsätze auch für Zahlungsinstitute iS des § 1 Abs. 1, 2 ZAG. bb) AGB-mäßige Verhaltens- und Schutzpflichten des Girokunden
7.247
Der Girokunde ist verpflichtet, die nicht unerheblichen Risiken des Zahlungsinstituts im Überweisungsverkehr, insbesondere das Fälschungsrisiko, weitestmöglich auszuschalten3. So ist vom Girokunden ein gewisses Maß an Kontrolle der in den Kontoauszügen mitgeteilten Kontobewegungen gemäß Nr. 11 Abs. 3 AGB-Banken zu verlangen. Lässt er erkannte Fehlbelastungen unbeanstandet, trägt er einen Teil des Schadens, der dadurch entsteht, dass die Bank ausgeführte gefälschte oder verfälschte Aufträge nicht rechtzeitig rückgängig machen kann4. Einer Überspannung der für den Kunden zumutbaren Kontrolle ist nach der Rechtsprechung durch Anwendung eines vernünftigen Sorgfaltsmaßstabes entgegen zu wirken5. Bei der Erfüllung dieser Verhaltensund Schutzpflichten haftet der Girokunde auch für seine Hilfspersonen (§ 278 BGB)6.
7.248
Zur Vermeidung von Schäden enthalten die AGB der Kreditinstitute bestimmte (Verhaltens-)Pflichten bei der Erteilung von Aufträgen (Nr. 11 Abs. 2 AGB-Banken)7. Danach müssen Aufträge jeder Art ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Nicht eindeutig formulierte Aufträge können Rückfragen zur Folge haben, die zu Verzögerungen führen können. Vor allem hat der Kunde bei Überweisungsaufträgen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Namens des Zahlungsempfängers, der angegebenen Kontonummer und der
1 2 3 4 5 6 7
BGH v. 17.11.1975 – II ZR 70/74, WM 1976, 474. BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1410) = NJW 1987, 317 ff. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 101. BGH v. 8.10.1991 – XI ZR 207/90, WM 1991, 1912 = NJW 1991, 3208 ff. BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998. Zu den Einzelheiten vgl. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 125. Zur Haftung des Bankkunden wegen girovertraglicher Pflichtverletzung vgl. Merkel in FS Kümpel, 2003, S. 365 ff.
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Die Überweisung
angegebenen Bankleitzahl1 zu achten. Änderungen, Bestätigungen oder Wiederholungen von Aufträgen müssen als solche gekennzeichnet sein (Nr. 11 Abs. 2 AGB-Banken). Hält der Kunde bei der Ausführung eines Auftrages besondere Eile für nötig, weil zum Beispiel ein Überweisungsbetrag dem Empfänger zu einem bestimmten Termin gutgeschrieben sein muss, hat er dies dem Zahlungsinstitut gesondert mitzuteilen. Bei formularmäßig erteilten Aufträgen muss dies außerhalb des Formulars erfolgen (Nr. 11 Abs. 3 AGB-Banken). Dieser erforderliche Hinweis auf eine besondere Eilbedürftigkeit schränkt aber die Pflicht zu einer zügigen Bearbeitung des Überweisungsauftrages nicht ein. Die Hinweispflicht betrifft deshalb solche Aufträge, die schneller als geschäftsüblich ausgeführt werden sollen2.
7.249
Führt die schuldhafte Verletzung dieser Verhaltenspflichten zu einem Schaden, geht dieser zu Lasten des Kunden. Hat das Zahlungsinstitut durch ein schuldhaftes Verhalten zu der Entstehung des Schadens beigetragen, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB), in welchem Umfang Zahlungsinstitut und Kunde den Schaden zu tragen haben.
7.250
7. Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrages Nach den gesetzlichen Regelungen ist zwischen der Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags gemäß § 675h BGB und dem Widerruf des darauf beruhenden Zahlungsauftrags gemäß § 675p BGB zu unterscheiden.
7.251
a) Kündigungsrecht und Widerrufsmöglichkeit des Zahlungsauftrags des Überweisenden Der Zahlungsdienstenutzer kann den Zahlungsdiensterahmenvertragvertrag gemäß § 675h Abs. 1 BGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist jederzeit kündigen, selbst wenn er für einen bestimmten Zeitraum geschlossen worden sein sollte, sofern keine Kündigungsfrist vereinbart worden ist. Eine solche darf aber in keinem Fall länger als einen Monat betragen. Was die Widerruflichkeit des konkreten Zahlungsauftrags anbetrifft – mit Aufgabe des Modells des Überweisungsvertrags gemäß § 676a BGB aF ist an die Stelle der Kündigung wieder der Widerruf getreten –, allerdings besteht die gesetzliche Widerrufsmöglichkeit gemäß § 675p Abs. 1 BGB nur noch bis zum Zugang des Zahlungsauftrags beim Zahlungsdienstleister des Zahlers. Danach nicht mehr, selbst wenn die Zahlung noch nicht ausgeführt worden ist. Diese Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass gemäß 1 Nach dem BGH muss, wer wie zB die Finanzverwaltung professionell am elektronischen Zahlungsverkehr teilnimmt, peinlich darauf achten, dass nicht nur die Kontonummer des Empfängers, sondern auch die Bankleitzahl richtig angegeben wird (WM 2000, 2255 [2256]). 2 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 37 mwN.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
§ 675s BGB die Frist für die Ausführung von Zahlungen innerhalb der EWRStaaten im Grundsatz auf einen Tag verkürzt worden ist. Um diese Anforderungen an die Zahlungsdauer sicherstellen zu können, müssen die Kreditinstitute die Möglichkeit zu einer elektronischen Ausführung von Zahlungen erhalten, die in der Regel ein Eingreifen und Stoppen der Ausführung nach Eingang beim Überweisungsinstitut nicht mehr erlaubt. Diese Einschränkung des Widerrufs hatte seine Parallele in der Einschränkung des Kündigungsrechts des Überweisungsvertrags nach dem Überweisungsgesetz, weil die EGÜberweisungsrichtlinie von der Empfängerbank verlangte, dass sie die bei ihr eingehenden Beträge so schnell wie möglich an den Empfänger auskehrt1. Der Widerruf ist folglich nicht mehr, wie die Kündigung, mit einem dem früheren Direktwiderruf entsprechenden rechtlichen Möglichkeit des Überweisungsinstituts gegenüber dem Begünstigten ausgestaltet2. Gemäß § 675p Abs. 4 BGB können der Zahlungsdienstleister und sein Zahlungsdienstenutzer aber weiter gehende Kündigungsmöglichkeiten vereinbaren. Es ist auch zulässig, dass die in die Ausführung einer Zahlung eingebundenen Institute davon abweichende Widerrufsmöglichkeiten vorsehen, wie dies zB im Überweisungsabkommen, dass die Kreditinstitute untereinander als Interbankenabkommen abgeschlossen haben, der Fall ist. Danach kann eine Überweisung noch solange zurück gerufen werden, solange die Zahlung noch nicht zur endgültigen Gutschrift auf dem Konto des Zahlungsempfängers beim Empfängerinstitut eingegangen ist.
7.253
Im Rahmen von Zahlungsverkehrssystemen kann ein Auftrag zu Gunsten eines anderen Teilnehmers an einem solchen System von dem in den Regeln des Systems bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr widerrufen werden.
7.254
Das Zahlungsinstitut des Zahlers hat gegen den Zahlungsdienstleister, in dessen Verantwortungsbereich die Ursachen dafür gesetzt worden sind, dass es Ansprüche des Zahlungsdienstenutzers gemäß §§ 675y und 675z BGB hat befriedigen müssen, einen entsprechenden Ausgleichsanspruch gemäß § 676a BGB. Dieser Anspruch kann an den Überweisenden abgetreten werden. Dem steht das Abtretungsverbot der „Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch“ (III Nr. 2 Abs. 2) nicht entgegen, weil er nur Schadensersatzansprüche aus einer Verletzung der Richtlinien erfasst3. b) Ablehnung des Zahlungsauftrags durch das Zahlungsinstitut
7.255
Nach der Rückkehr zum Modell des Zahlungauftrags in § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB kommt eine Kündigung, wie § 676a Abs. 2 BGB sie vorsah, nicht mehr in Betracht. An ihre Stelle ist die Ablehnung des Zahlungauftrags gemäß § 675o BGB getreten. Das Zahlungsinstitut des Zahlers ist grundsätzlich nicht be1 BT-Drucks. 14/745, S. 20. 2 Becher, DStR 1999, 1360 (1364); Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 36; zum früheren Recht vgl. BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321; Hadding/ Häuser, WM 1988, 1149 (1154); Grundmann, WM 2000, 2269 (2276). 3 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19.
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Die Überweisung
rechtigt, einen Zahlungsuaftrag abzulehnen, es sei denn, gemäß § 675o Abs. 2 BGB liegen die im Zahlungsdiensterahmevertrag festgelegten Voraussetzungen für die Ausführung nicht vor. Danach kommt ein Ablehnung des Zahlungsauftrags durch das Institut des Zahlers nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dazu gehören können die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Überweisenden1 oder die Kündigung eines zur Durchführung der Überweisung erforderlichen Kredits, da es zu den Ausführungsbedingungen gehört, dass die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB geltend machen kann. Grundsätzlich ist das Instiut im Falle der Ablehnung eines Zahlungauftrags aber gemäß § 675o Abs. 1 BGB verpflichtet, den Zahler über die Ablehnung sowie die Gründe dafür innerhalb der Ausführungsfristen gemäß § 675s BGB mitzuteilen, es sei denn, die Mitteilung der Gründe würde gegen rechtsvorschriften verstoßen.
8. Haftungsrechtliche Aspekte Nach Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in innerdeutsches Recht sieht § 675y Abs. 1 BGB vor, dass der Zahlungsdienstnutzer vom Zahlungsdienstleister im Falle einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung eines Zahlungauftrags die unverzügliche und ungekürzte Erstattung des Zahlungsbetrags verlangen kann. Von einer nicht erfolgten Ausführung kann ausgegangen werden, wenn die Zahlung nicht innerhalb der sich aus § 675s BGB sich ergebenden Fristen erfolgt. Werden Entgelte entgegen § 675q Abs. 1 BGB in Abzug gebracht, liegt zwar auch eine „fehlerhafte“ Ausführung des Zahlungsauftrags vor, doch greift hier die Sonderregelung gemäß § 675y Abs. 1 Satz 3 BGB, wonach in diesem Fall der Differenzbetrag vom Zahlungsdienstleister des Zahlers dem Zahlungsempfänger zu erstatten ist. Das erstbeauftragte Institut ist entsprechend der Vorgaben der Zahlungsdiensterichtlinie für die Abwicklung der Überweisung verantwortlich, bis der Überweisungsbetrag dem Konto des Zahlungsinstituts des Zahlungsempfängers gutgeschrieben worden ist.
7.256
Nach früherem Recht (vor Inkfraftreten des zwischenzeitlich durch das Zahlungsdiensterichtlinien-Umsetzungsgesetz ersetzen Überweisungsgesetzes) konnte sich der Überweisungsauftraggeber bei institutsübergreifendem Giroverkehr stets nur an das Institut halten, bei dem die Abwicklungsstörung vorgefallen war. Regelmäßig war es aber für ihn nicht einfach festzustellen, um welches es sich dabei handelte2. Durch das Überweisungsgesetz war deshalb eine verschuldensunabhängige Haftung der erstbeauftragten Bank gemäß § 676b BGB aF eingeführt worden. Dieses Haftungsprinzip findet sich auch in § 675y BGB. Danach haftet das erstbeauftragte Zahlungsinstitut gegenüber dem Zahler für die Ausführung der Überweisung, dh. bis zum rechtzeitigen und ungekürzten Eingang des Überweisungsbetrags beim Zahlungsdienstleister des Empfängers. Die Haftung wegen verspäteter, gekürzter und verlorener
7.257
1 Vgl. hierzu Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 35. 2 BT-Drucks. 14/745, S. 8, 13.
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Überweisung setzt kein Verschulden der beteiligten Zahlungsdienstleister voraus. Aus § 675z BGB folgt, dass andere Ansprüche, die ein Verschulden im Haftungstatbestand voraussetzen, sowie Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung von der gesetzlichen Regelung für diese drei Haftungstatbestände unberührt bleiben. Hier kommen vor allem Ansprüche wegen Verzuges (§ 280 Abs. 1, 2 BGB iVm. § 286 BGB) und sonstiger Pflichtverletzungen (§ 280 Abs. 1 BGB) in Betracht, etwa wenn das Institut die Begleitmitteilung zur Person des Überweisenden und zum Verwendungszweck nicht rechtzeitig weiterleitet oder Warnpflichten verletzt1.
7.258
Die verschuldensunabhängige Haftung gemäß § 675y Abs. 1 BGB entfällt jedoch, wenn die Ursache für den Fehler bei der Abwicklung der Überweisung höhere Gewalt ist (§ 676c Nr. 1 BGB). Nach der gesetzlichen Definition sind unter höherer Gewalt Umstände zu verstehen, die „auf einem ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignis beruhen, auf das diejenige Partei, die sich auf dieses Ereignis beruft, keinen Einfluss hat und dessen Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können“2. a) Verschuldensunabhängige Haftung bei verzögerter oder gekürzter Auftragsausführung
7.259
Wird die Überweisung erst nach Ablauf der Ausführungsfrist gemäß § 675s Abs. 1 BGB bewirkt, gibt es keine ausdrückliche Regelung zu Verzugszinsen mehr, da dann gemäß § 675y Abs. 1 BGB der Anspruch auf Nichtausführung der Zahlung geltend gemacht werden kann und das Konto des Zahlers gemäß § 675y Abs. 1 Satz 2 BGB wieder auf den Stand zu bringen ist, denn es ohne die Zahlung gehabt hätte. Sofern die Voraussetzungen für den Verzug vorliegen, kann der Zahler ggf. aber auch Schadensersatzansprüche wegen Verzugs gemäß § 286 BGB geltend machen, da gemäß § 675z BGB neben der verschuldensunabhängigen Haftung gemäß § 675y BGB auch eine verschuldensabhängige Haftung in Betracht kommen kann3.
7.260
Nach der EG-Zahlungsdiensterichtlinie sind die Zahlungsdienstlesiter gesetzlich zu verpflichten, die Überweisungsbeträge grundsätzlich ungekürzt zu überweisen und Abweichungen im Rahmen des gemäß § 675e BGB ausdrücklich zu vereinbaren. Vor allem bei grenzüberschreitenden Überweisungen ist es nicht selten zu so genannten doppelten Gebührenbelastungen gekommen. Hieraus können sich insbesondere schädliche Rechtsfolgen ergeben, etwa dass der Überweisende mit der Erfüllung in Verzug gerät oder gewährte Skonti entfallen4. Das Zahlungsinstitut des Zahlers hat deshalb die von ihm selbst oder von zwischengeschalteten Instituten entgegen § 675q Abs. 1 BGB einbehaltenen Beträge ohne zusätzliche Entgelte oder Auslagen dem Begünstigten 1 Schulz, ZBB 1999, 287 (294); Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 40 ff. 2 Vgl. zur entsprechenden Definition in Art. 9 der EG-Überweisungsrichtlinie als Vorgängerregelung zur Zahlungsdienste-Richtlinie Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 8. 3 Vgl. dazu Grundmann, WM 2009, 1109 (1115). 4 BT-Drucks. 14/745, S. 21; Hadding, WM 2000, 2465 (2468 ff.).
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Die Überweisung
zu überweisen (§ 675y Abs. 1 Satz 3 BGB). Bei diesem Erstattungsanspruch kommt es auf ein Verschulden des erstbeauftragten Instituts nicht an. Weist das erstbeauftragte Institut gemäß § 675y Abs. 1 Satz 4 BGB nach, dass der Zahlungsbetrag ungekürzt beim Dienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist, entfällt die Haftung. Sollte der Zahlungsdienstleister des Empfängers Entgelte in Abzug bringen, steht ihm dieses Recht nur zu, soweit er gemäß § 675q Abs. 2 BGB mit seinem Zahlungsdienstenutzer eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat. Anderfalls muss er diese Beträge erstatten. Die Haftung des erstbeauftragten Instituts für zwischengeschaltete Institute ergibt sich aus § 676a BGB, da anderfalls der darin normierte Ausgleichsanspruch nicht erforderlich wäre. Der sich aus § 675y BGB ergebende Anspruch ist – anders als die Money-Back-Garantie gemäß § 676b BGB aF, die diesbzgl. einen Betrag in Höhe von 12 500 Euro zzgl. Entgelte und Auslagen vorsah – der Höhe nach nicht beschränkt. Nur in den Fällen des § 675e Abs. 2 und Abs. 4 BGB sind Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen zulässig: Im Falle des § 675e Abs. 2 BGB ist § 675y Abs. 1 BGB nicht anwendbar, in im Falle des § 675e Abs. 4 BGB kann § 675y BGB in seiner Gesamtheit abbedungen werden. b) Schadensersatzpflicht wegen Verschuldens bei Auftragsausführung Wird eine Überweisung von einer zwischengeschalteten Stelle schuldhaft nicht ordnungsgemäß ausgeführt, so kann bei einer solchen Pflichtverletzung ein Schadensersatzanspruch entstehen. Eine solche fehlerhafte Auftragsausführung liegt insbesondere vor, wenn es ein in der Girokette nachgeordnetes Institut schuldhaft versäumt, die auf Grund des Zahlungsauftrags des vorgeschalteten Instituts geschuldete Leistung nicht oder nicht ordnungsgemäß zu erbringen. Die hierdurch verzögerte Kontogutschrift kann dem Buchgeldzahler zB die Möglichkeit des Abzugs eines Skontos nehmen, den ihm der Buchgeldempfänger beim Abschluss des Kaufvertrages für die Zahlung innerhalb einer bestimmten Frist konzediert hat. Zwar hat dafür der erstbeauftragte Zahlungsdienstleister einzustehen, wie sich aus §§ 675y und 675z BGB ergibt, jedoch steht diesem Institut gegenüber dem Zahlungsinstitut oder der entsprechend zwischengeschalteten Stelle, die Ursache für die Haftung nach den genannten Vorschriften gesetzt hat, ein Ausgleichsanspruch gemäß § 676a BGB zu.
7.261
Die Begründung eines solchen Schadensersatzanspruchs berührt rechtsdogmatische Grundfragen in den Fällen, in denen die fehlerhafte Bearbeitung nicht von dem eigenen Zahlungsdienstleister des Zahlers, sondern von einem nachgeschalteten Institut oder Stelle zu verantworten ist. In diesen Fällen besteht zwischen dem Zahler und der zwischengeschalteten Stelle keine Vertragsbeziehung, auf die ein solcher Schadensersatzanspruch gestützt werden könnte, denn das erstbeauftragte Institut handelt in eigenem Namen, also nur für Rechnung ihres Kunden. Dasselbe gilt für die Überweisungsaufträge, die die zwischengeschalteten Institute den in der Girokette nachgeschalteten Instituten erteilen1. Hier entfällt eine Haftung dieser zwischen-
7.262
1 Vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 387.
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geschalteten Stellen gegenüber dem Buchgeldzahler mangels einer vertraglichen Rechtsbeziehung1.
7.263
Nach früherem Recht – vor Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes – entstand aus einem solchen Verschulden der zwischengeschalteten Stellen kein Schaden, weil solche institutsübergreifenden Überweisungen als (haftungsbegrenzende) weitergeleitete Aufträge eingeordnet worden sind und die Zwischenbanken deshalb keine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) der Überweisungsbank sein konnten2. Die Überweisungsbank schuldete ihrem Girokunden nur die ordnungsgemäße Weiterleitung des ihr erteilten Überweisungsauftrages. Diese Verpflichtung hatte sie damit erfüllt, dass sie eine andere Zwischenbank beauftragte und dieser die erforderliche Deckung zur Verfügung stellte3. Danach konnten deshalb beim mehrgliedrigen Zahlungsverkehr zu Gunsten des Überweisenden ggf. die Voraussetzungen für die Schadensliquidation im Drittinteresse oder eines Vertrages mit Schutzwirkungen für Dritte gegeben sein4. Dabei ist es sehr umstritten gewesen, ob der Schadensausgleich im mehrgliedrigen Giroverkehr mit der seit langem anerkannten Rechtsfigur der Drittschadensliquidation5 erreicht werden konnte oder hierzu auch Schutzwirkungen der geschäftsbesorgungsrechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen den nachgeschalteten Banken der Girokette zu Gunsten des Überweisenden beigelegt werden konnten6. Auch nach der gesetzlichen Neuregelung des Überweisungsrechts im Zuge der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie und zuvor der Überweisungsrichtlinie hatte diese Streitfrage ihre praktische Bedeutung nicht verloren. Denn das erstbeauftragte Institut kann seine Haftung bei schuldhafter Verletzung der Geschäftsbesorgungspflichten betragsmäßig auf 12 500 Euro begrenzen, soweit es sich nicht um den reinen Erstattungsanspruch gemäß § 675y Abs. 1 BGB handelt. Nach den in § 675e Abs. 2 und Abs. 4 BGB geregelten Fallgruppen kann die Haftung ggf. sowohl hinsichtlich der Rechweite als auch des Umfanges weitgehend eingeschränkt werden.
7.264
Den Ersatz des Schadens auf Grund eines Vertrages kann grundsätzlich nur derjenige verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt. Tritt dagegen der Schaden bei einem Dritten ein, so 1 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 158. 2 BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797 (798); Kümpel, WM 1996, 1893 (1894) mwN; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 142 ff.; kritisch hierzu Einsele, AcP 198 (1998), 145 ff. 3 BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797 (798); Schimansky in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 134 ff. 4 Hadding in FS Werner, 1984, S. 165 (169 ff.); Hadding, WM 2000, 2465 (2468). 5 Die Drittschadensliquidation war schon bei Schaffung des BGB bekannt. Der Gesetzgeber hat jedoch ausweislich der Protokolle zum BGB für den Fall, dass in der Person des Dritten ein Schaden eintritt, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die bereits damals vorhandene Rechtsprechung zur Schadensliquidation im Drittinteresse und wegen der Schwierigkeiten bei der Gesetzesformulierung von einer gesetzlichen Regelung abgesehen und damit bewusst diesen Komplex weiterhin der Rechtsprechung überlassen (van Gelder, WM 1995, 1253, 1254). 6 Hadding/Häuser, WuB 1 D 1.–6.88 mwN.
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Die Überweisung
haftet ihm der Schädiger in der Regel nur nach Deliktsrecht1. Deshalb hat die Rechtsprechung eine Drittschadensliquidation nur in ganz besonders gelagerten Fällen zugelassen. Wenn das durch den Vertrag geschützte Interesse infolge besonderer Rechtsbeziehungen zwischen dem aus dem Vertrag berechtigten Gläubiger und dem Träger der Interessen dergestalt auf den Dritten verlagert ist, dass der Schaden ihn und nicht den Gläubiger trifft, soll Letzterer berechtigt sein, den Drittschaden geltend zu machen2. Rechtsprechung und Schrifttum haben Fallgruppen für bestimmte Situationen entwickelt, in denen der Schaden typischerweise in der Person eines Dritten entsteht und es hier nicht gerechtfertigt ist, den vertragswidrig handelnden Schädiger auf Kosten des Dritten vom Ersatze des dem Letzteren zugefügten Schadens zu entlasten. Diese Sachverhalte können mit den Stichworten „mittelbare Stellvertretung“, „Treuhand“, „obligatorische Gefahrentlastung“ und „Obhut für fremde Sachen“ umschrieben werden3.
7.265
Einvernehmen besteht im Wesentlichen, dass die Drittschadensliquidation auf die Fälle der mittelbaren Stellvertretung anwendbar ist4. Ein „indirekter“ Stellvertreter, wie ihn insbesondere der Kommissionär repräsentiert, handelt im Interesse seines Auftraggebers, aber im eigenen Namen (vgl. § 383 HGB). Deshalb kann ein solcher Stellvertreter, wie insbesondere das erstbeauftragte Institut, den in der Person ihres Girokunden als ihrem Auftraggeber entstandenen Schaden wie einen eigenen geltend machen5. Der „schadenslose Ersatzanspruch“ des mittelbaren Stellvertreters und der „anspruchslose Schaden“ des Auftraggebers wird in der Person des mittelbaren Stellvertreters als Gläubiger des Schadensersatzanspruches zusammengezogen, um eine zufällige Schadensverlagerung vom Gläubiger auf den Dritten zu vermeiden6.
7.266
Diese Voraussetzungen für die Drittschadensliquidation waren nach früherem Recht bis zum Inkfraftreten des Überweisungsgesetzes insbesondere im mehrgliedrigen Giroverkehr erfüllt7. Wie im sonstigen Bankgeschäft handelten auch hier die Kreditinstitute nicht im Namen ihrer (Giro-)Kunden, sondern im eigenen Namen8. In diesen Fällen war durch die Verletzung einer Vertrags-
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BGH v. 21.5.1996 – XI ZR 199/95, WM 1996, 1618 (1619). BGH v. 21.5.1996 – XI ZR 199/95, WM 1996, 1618 (1619) mwN. van Gelder, WM 1995, 1253 (1259). BGH v. 21.5.1996 – XI ZR 199/95, WM 1996, 1618 (1619); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1, Allgemeiner Teil, S. 465; van Gelder, WM 1995, 1253 (1259); Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 149 mwN; einschränkend Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 26, 45. van Gelder, WM 1995, 1253 (1259). Nach Hadding handelt es sich bei der Drittschadensliquidation im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr um einen „vereinbarten“ Weg des Ausgleichs von Nachteilen (Drittschadensliquidation und „Schutzwirkungen für Dritte“ im bargeldlosen Zahlungsverkehr, in FS Werner, 1984, S. 165 [182 ff.]). Nach Schimansky besteht dagegen kein Bedürfnis einer solchen die rechtliche Begründung unterstützenden „Annahme einer vereinbarten Drittschadensliquidation“ (Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 149). Hadding in FS Werner, 1984, S. 165 (177 ff.) mwN.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
pflicht nicht die der Schädigerbank in der Girokette vorgeschaltete Zwischenbank als ihre Auftraggeberin im rechtlichen Sinne, sondern unmittelbar und allein der Girokunde als Buchgeldzahler geschädigt worden. Es ging also um den Ersatz des unmittelbar bei diesem Girokunden entstandenen Schadens1.
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Bei einer solchen Drittschadensliquidation musste sich die anspruchsberechtigte Bank freilich bei der Geltendmachung des Drittschadens eine schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch den Überweisenden und dessen Hilfspersonen nach §§ 254, 278 BGB anrechnen lassen2.
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Die gesetzliche Neuregelung des Überweisungsrechts enthält eine solche Schadensliquidation im Interesse des Überweisenden. In diesen Fällen hat der Überweisende die zwischengeschaltete Stelle, die den Schaden schuldhaft verursacht hat, für die Durchführung der Überweisung vorgegeben mit der Folge, dass das erstbeauftragte Institut für das Verschulden dieser ihr nachgeschalteten Stelle im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 675z BGB nicht einzustehen hat (§ 675z Satz 3 Halbsatz 2 BGB). In diesem Fall haftet die vom Zahlungsdienstnutzer vorgegebene Stelle diesem gemäß § 675z Satz 4 BGB direkt. Damit liegen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Drittschadensliquidation vor. Hier sind die Anspruchsvoraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch in der Person des erstbeauftragten Instituts oder einer anderen der schadensverantwortlichen Stelle vorgeordneten Stelle erfüllt. Dagegen liegt der wirtschaftliche Nachteil der fehlerhaften Bearbeitung beim Zahlungsdienstnutzer. Hier kann der Überweisende seinen Schaden unmittelbar gegenüber der von ihm vorgegebenen zwischengeschalteten Stelle geltend machen (§ 675z Satz 4 BGB). Bei diesem Direktanspruch des Überweisenden handelt es sich der Sache nach um eine Drittschadensliquidation3. c) Zahlungsauftrag zwischen beteiligten Zahlungsinstituten mit Schutzwirkung für Buchgeldzahler?
7.270
Der BGH hat bislang den Geschäftsbesorgungsverträgen im bargeldlosen Zahlungsverkehr Drittschutzwirkung nur im Lastschriftverfahren und im Scheckeinzugsverfahren zugemessen4. Ein Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung hat die vertraglichen Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter auf den 1 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, S. 466; Hadding in FS Werner, 1984, S. 165 (181). 2 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 163/88, WM 1989, 1754 (1755); OLG Köln v. 11.10.1988 – 25 U 26/87, WM 1989, 93 (96). 3 Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 40/42, wonach in diese Richtung wohl auch die Vorstellungen des Gesetzgebers gehen, nach denen dieser Direktanspruch „sich sonst aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergäbe“ (BT-Drucks. 14/1067, S. 18); Hadding, WM 2000, 2468. 4 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042 ff.; BGH v. 21.2.1983 – II ZR 142/82, WM 1983, 410 (411); BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 (1393); BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, 1988, 246 (243).
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Die Überweisung
mehrgliedrigen Überweisungsverkehr übertragen und sich dabei auf die BGHRechtsprechung zum Lastschriftverfahren berufen1. Nach den literarischen Äußerungen von Mitgliedern des zuständigen XI. Senats des BGH steht aber zu erwarten, dass der BGH den girovertraglichen Beziehungen der Zahlungsinstiute im Überweisungsverkehr keine Schutzwirkungen zu Gunsten des Überweisenden beilegen wird2. Für eine Ausdehnung von Schutzpflichten besteht umso weniger Anlass, als auch mit der Drittschadensliquidation vernünftige Ergebnisse erzielt werden können3.
IV. Rechtsbeziehungen zwischen mitwirkenden Zahlungsinstituten4 Beim außerbetrieblichen Überweisungsverkehr beschränkt sich nach früherem Recht die girovertragliche Pflicht der erstbeauftragten Bank darauf, dass sie den Auftrag an eine andere geeignete Bank weiterleitete und dieser die für die Auftragsausführung erforderliche Deckung zur Verfügung stellte5. Für diese Weiterleitung stehen verschiedene Gironetze („Leitwege“) zur Verfügung. Das inländische Zahlungsverkehrsnetz besteht aus mehreren selbständigen Gironetzen mit regionalen und zentralen Clearingstellen. Dabei sind fünf Gruppen zu unterscheiden, die an die Organisationsstruktur der deutschen Kreditinstitutsgruppen anknüpfen6: (1) Gironetz der Deutschen Bundes1 OLG Düsseldorf v. 11.2.1982 – 6 U 151/81, WM 1982, 575 (576); OLG Düsseldorf v. 21.5.1987 – 6 U 197/86, WM 1987, 1008 (1009); OLG Frankfurt v. 9.2.1984 – 1 U 74/ 83, WM 1984, 726 (727). Das OLG München v. 4.12.1986 – 1 U 3855/86, WM 1988, 373 hat Schutzpflichten der Empfängerbank aus ihrem Vertragsverhältnis mit der Überweiserbank zu Gunsten des Überweisenden bejaht. Nach Hadding/Häuser wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung inzwischen eine solche Schutzwirkung für Dritte in den unterschiedlichsten Gestaltungen des Überweisungsverkehrs, wenn auch nicht immer überzeugend, bejaht (Hadding/Häuser, WM 1989, 589 [591]). Vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 25, 395; Heinrichs in Palandt, § 328 BGB Rz. 23; Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. C/10. Verneint wird die Schutzwirkung iE vom OLG Hamm v. 28.9.1978 – 2 U 30/78, WM 1979, 342; LG Hamburg v. 15.4.1981 – 17 S 159/80, WM 1981, 754 (755) und LG Frankfurt v. 7.7.1982 – 2/4 O 59/ 82, WM 1982, 1343. Das OLG Schleswig v. 25.8.1983 – 5 U 210/82, WM 1984, 549 (550) hat diese Frage dahingestellt sein lassen. 2 Nach Nobbe ist der Überweisende nicht in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen, den die Überweiserbank im Interbankenverhältnis schließt (WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 22). Kritisch gegenüber einer Schutzwirkung zu Gunsten des Überweisenden auch OLG Düsseldorf v. 26.10.2000 – 6 U 51/00, WM 2001, 2000 (2001). 3 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 148 ff.; vgl. weiter van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 210; van Gelder, WM 1995, 1253 (1259); Jung, ZEuP, 1996, 659 (670 ff.). Ob der BGH diesen beachtlichen Gegenargumenten folgen wird, hat er in seinem Urteil v. 9.5.2000 (Az.: XI ZR 276/99) ausdrücklich offen gelassen (vgl. WM 2000, 1380 [1381]). 4 Hüffer, ZHR 151 (1987), 93 ff.; Schröter, ZHR 151 (1987), 118 ff.; Gößmann in FS Kümpel, 2003, S. 153 ff. 5 BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797 (798) = NJW 1991, 2210 f. 6 Arnoldt/Martin in Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 40. Aufl. 2000, S. 596 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
bank mit ihren Hauptverwaltungen (Landeszentralbanken) sowie einer Vielzahl von Haupt- und Zweigstellen, (2) Gironetz der Sparkassen mit regionalen Landesbanken/Girozentralen und der Deutschen Girozentrale/Deutschen Kommunalbank in Frankfurt a.M., (3) Gironetz der Kreditgenossenschaften mit regionalen Zentralbanken, (4) Girosystem der Postbank sowie (5) die hausinternen Verrechnungsnetze der großen privaten Geschäftsbanken. Bei den Gironetzen der Sparkassen und der Kreditgenossenschaften sind zahlreiche rechtlich selbständige Institute zur gemeinsamen Abwicklung des Zahlungsverkehrs zusammengeschlossen 1.
1. Selbständige Vertragsverhältnisse zwischen den beteiligten Instituten (Interbankenverhältnis)
7.272
In der Girokette bestehen jeweils zweiseitige selbständige Geschäftsbesorgungsverhältnisse, die nach gegenwärtigem Recht als Zahlungsdienstevertrag gemäß § 675f BGB qualifiziert werden können, zwischen den in einem unmittelbaren geschäftlichen Kontakt stehenden Gliedern2. Denn die zwischengeschalteten Zahlungsdienstleister treten regelmäßig als selbständige Vertragspartner auf und nicht als Stellvertreter oder Boten des erstbeauftragten Instituts bei der Übermittlung ihrer rechtsgeschäftlichen Erklärungen an den Zahlungsdienstleister des Buchgeldempfängers3. Das jeweils nächste Glied in der Girokette hat gegenüber dem vorhergehenden dieselbe auftragsrechtliche Stellung wie das erstbeauftragte Institut gegenüber ihrem Zahlungsdienstnutzer4. Auch nach der gesetzlichen Neuregelung steht der Überweisende nur in einer vertraglichen Beziehung zum überweisenden Institut und hat im Regelfall keine direkten Ansprüche gegen eine der zwischengeschalteten Stellen, da die Überweisung in einer Kette von selbständigen Verträgen weitergeleitet wird5.
7.273
Nach dem Zahlungsdiensterichtlinien-Umsetzungsgesetz kommen – ebenso wie nach dem früheren Überweisungsgesetz – die Geschäftsbesorgungsverhältnisse mit der in der Überweisungskette jeweils nachgeordneten Stelle durch Abschluss eines Zahlungsdienstevertrages und der Erteilung eines Zahlungsauftrags in dieser Rechtsbeziehung zu Stande. Hierdurch verpflichtet sich eine zwischengeschaltete Stelle gegenüber einer anderen, einen Zahlungsbetrag an eine in der Girokette nachgeordnete Stelle oder an den Zahlungsdienstleister des Überweisungsbegünstigten weiterzuleiten.
7.274
Auch wenn der frühere, spezielle für das Rechstverhältnis der Banken untereinander konzipierte Zahlungsvertrag durch den allgemeinen Zahlungsdiens1 Wegen der Einzelheiten vgl. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 46 Rz. 8 ff. 2 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f.; BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 163/88, WM 1989, 1754 (1755) = BGHZ 108, 386 ff. = NJW 1990, 250 f.; vgl. hierzu Blaurock, ZBB 1990, 83 ff., WM 1991, 757; Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 44 mwN. 3 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 4 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 132. 5 Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 44.
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7. Teil
Die Überweisung
tevertrag und den Zahlungsauftrag ersetzt worden ist, sind Rückgriffsansprüche des verschuldensunabhängig haftenden erstbeauftragten Zahlungsdienstleisters gegen die Stelle, der bei der Abwicklung der Überweisung eine Verzögerung oder vertragswidrige Kürzung unterlaufen ist, gemäß § 676a BGB erhalten geblieben. Schuldner des Rückgriffsanspruchs ist also das Institut, das die Weiterleitung verzögert oder ungerechtfertigte Abzüge vorgenommen hat. Es können danach auch mehrere Institute haften, sofern jedem ein entsprechender Fehler unterlaufen ist. Der Rückgriff setzt kein Verschulden voraus, sofern auch die Inanspruchnahme des erstbeauftrgten Instituts kein Verschulden voraussetzt. Dies ergibt sich aus den Regelungen, auf die § 676a BGB Bezug nimmt. Während der Anspruch nach § 675y BGB kein Verschulden voraussetzt, kommt eine Haftung gemäß § 675z BGB nur im Falle des Verschuldens in Betracht1. Auf die Ansprüche sind die haftungsausfüllenden Vorschriften der §§ 249 ff. BGB anwendbar. Auch gilt grundsätzlich § 254 BGB, bei dessen Anwendung aber ausschließlich von Verursachungsbeiträgen auszugehen sein wird, soweit es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt. Bei unberechtigten Abzügen (§ 675y Abs. 1 Satz 3 BGB) kann die Bank des Überweisenden grundsätzlich als eine Form der Naturalrestitution (§ 249 BGB) von dem zwischengeschalteten Kreditinstitut eine Nachüberweisung verlangen, wie dies in der Zahlungsdiensterichtlinie (Art. 75 Abs. 1) auch vorgesehen ist.
7.275
Auch bei Inanspruchnahme der sich aus § 675y Abs. 1 BGB ergebenden verschuldensunbahängigen Haftung des ertbeauftragten Instituts soll sichergestellt werden, dass der verlorene Betrag letztlich von der Stelle gezahlt wird, der der Fehler unterlaufen ist. Hierbei wird es vor allem bei Einschaltung mehrerer Stellen nicht immer einfach festzustellen sein, bei welcher die Überweisung „hängen geblieben“ ist. Während nach dem Recht des Zahlungsvertrags die Bank nicht dasjenige Kreditinstitut ermitteln musste, bei welchem der Fehler unterlaufen ist war und Erstattung von der Bank verlangen konnte, der sie die Überweisung weitergeleitet hatte, sieht § 676a BGB jetzt einen Anspruch nur gegen das Institut vor, in dessen Verantwortungsbereich es zur Ursache für die Haftung des erstbeauftragten Instituts gemäß §§ 675y und 675z BGB gekommen ist.
7.276
Da an Zahlungsaufträgen und Zahlungsdiensteverträgen zwischen Zahlungsdienstleistern keine Verbraucher beteiligt sind, ist es hier – wie sich aus § 675e Abs. 5 BGB ergibt – zulässig, §§ 676v bis 676 BGB abzubedingen, sodass Haftungsbegrenzungen und –ausschlüsse in weiterem Umfange, als vom Gestzgeber vorgesehen, zulässig sind. Allerdings können solche Regelungen nur Wirkungen entfalten, wenn das verantwortliche Institut und das haftende Institut eine unmittelbare Vertragsbeziehung haben oder wenn entsprechende Einschränkungen sich aus den Regeln eines Zahlungsverkehrssystems oder eines Interbankenabkommens ergeben. Die gemäß § 675z Satz 2 BGB zulässi-
7.277
1 Grundmann, WM 2009, 1109 (1115 f.).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
gerweise vereinbarte Haftungsbegrenzung für die Haftung des erstbeauftragen Instituts gemäß § 675z BGB kommt damit mittelbar auch dem Institut zu Gute, gegen das am Ende der Ausgleichsanspruch gemäß § 676a BGB besteht.
7.278
Aus § 675y Abs. 3 Satz 2 BGB folgt, dass selbst dann, wenn das beauftragte Zahlungsinstiut nicht gemäß § 675y Abs. 1 BGB haftet, da die fehlerhafte Ausführung der Zahlung auf eine fehlerhaft durch den Zahler angegebene Kundenkennung zurück zu führen ist, es sich gleichwohl bemühen muss, den Zahlungsbetrag wieder zu erlangen. Es ist allerdings zulässig, dass der Zahlungsdienstleister mit dem Zahlungsdienstnutzer im entsprechenden Rahmenvertrag vereinbart, dass er dafür ein Entgelt erhält. Im Übrigen folgt aus § 675y Abs. 5 BGB, dass das Zahlungsinstitut des Zahlungsdienstnutzers, der den entsprechenden Auftrag erteilt hat, der nicht oder fehlerhaft ausgeführt wurde, seinem Auftraggeber auf Verlangen den Zahlungsvorgang nachvollziehen und darüber unterrichten muss.
7.279
Soweit den überweisenden Zahlungsdienstnutzer über den in § 675y Abs. 3 Satz 2 BGB geregelten Sonderfall hinaus ein mitwirkendes eigenes Verschulden trifft, ist der Rückerstattungsanspruch aus § 675y Abs. 1 BGB gemäß § 254 Abs. 1 BGB herabzusetzen1. Bei der Bestimmung der Mitverschuldensquote ist in erster Linie auf das Maß der beiderseitigen Schadensverursachung und in zweiter Linie auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens abzustellen. Für die Haftungsverteilung kommt es deshalb wesentlich darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in erheblich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat. des Empfängers, sondern auch die Bankleitzahl der Empfängerbank richtig angegeben wird, um Fehlüberweisungen zu vermeiden. Insoweit bestehen nach dem BGH höhere Anforderungen an die Sorgfalt als bei den Privatkunden im beleghaften Überweisungsverkehr, bei dem es entscheidend auf den Namen des Überweisungsbegünstigten ankommt2. Allerdings wird für die vorstehend dargestellten Grundsätze nur noch Raum bleiben, soweit ausnahmsweise keine Ausführung von Zahlungen anhand einer Kundenkennung gemäß § 675r BGB erfolgt. Sofern anhand einer Kundenkennung die Zahlung ausgeführt werden darf, folgt aus § 675y Abs. 3 BGB, dass das aus einer fehlerhaften Angabe resultierende Risiko vom Zahler zu tragen ist.
7.280
Die Pflichten im Interbankenverhältnis der Girokette werden konkretisiert durch Abkommen, Vereinbarungen und Richtlinien, die die kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände für ihre Mitgliedsinstitute verbindlich abschließen. Dies gilt insbesondere für das am „Abkommen zum Überweisungsverkehr“ in der aktuellen Fassung vom 28.1.2008, das allerdings auf Grund den sich aus der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in deutsches Recht ergebenden neuen gesetzlichen Anforderungen im Laufe des Jahres 2010 einer Überarbeitung unterzogen werden wird. Die Empfängerbank oder eine zwischengeschaltete Bank hält sich deshalb im Rahmen des ihr erteilten Auftrages, wenn sie 1 BGH v. 11.7.2000 – X ZR 126/98, WM 2000, 2255 (2256). 2 BGH v. 11.7.2000 – X ZR 126/98, WM 2000, 2255 (2256).
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Die Überweisung
für das jeweilige Verfahren diese Abkommen oder Richtlinien beachtet1. Im Übrigen gilt auch für die Empfängerbank der Grundsatz der formalen Auftragsstrenge. Die zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen der Beteiligten können grundsätzlich keine Beachtung finden2. Kommt es deshalb zu einer weisungswidrigen Fehlleitung eines Überweisungsbetrages durch die Empfängerbank im beleglosen Überweisungsverkehrs, ist der empfangene Betrag wieder zurückzuerstatten (§§ 675u, 667, 675 BGB). Dieser Rückerstattungsanspruch kann an den überweisenden Girokunden abgetreten werden, weil sich das in Abschnitt III Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch enthaltene Abtretungsverbot nach Wortlaut, Sinn und Zweck nur auf Schadenersatzansprüche erstreckt3. Dieser Anspruch kann sich wegen mitwirkenden Verschuldens des Überweisenden ermäßigen4. Auch der Buchgeldzahler steht lediglich in einer girovertraglichen Beziehung zu seiner kontoführenden Stelle. Dagegen soll nach der Lehre vom sog. Netzvertrag dem Überweisenden gegen die in der Girokette nachgeschalteten Kreditinstitute ein vertraglicher „Direkt“anspruch zustehen5. Die Einzelverträge zwischen den Gliedern einer Überweisungskette seien nach dieser Rechtsfigur eingebettet in ein Gesamtsystem des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Diese Einbettung würde die individualistische Vertragsstruktur wertungsmäßig so überlagern, dass durch Anschluss an ein solches Verbundsystem ein Netzvertrag zu Stande kommt. Dies begründe eine die Vertragskette überspringende Aktivlegitimation des Überweisenden gegenüber der fehlerhaft handelnden Zwischenbank. Der Netzvertrag verbinde alle an der Vermittlung bargeldloser Zahlungen beteiligten Kreditinstitute mit dem Überweisenden und ermögliche deshalb auch dessen direkten Widerruf gegenüber der Bank des Buchgeldempfängers auf vertraglicher Grundlage6. Die Rechtsfigur des Netzvertrages wird ganz überwiegend abgelehnt7. Hierbei handele es sich um eine dem geltenden Recht unbekannte, von den Beteiligten nicht gewollte und im Abschlusstatbestand nicht konstruierbare Erscheinung.
1 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 163/88, WM 1989, 1754 (1755) = BGHZ 108, 386 ff. = NJW 1990, 250 f. Für das (Magnetband-)Clearing-Verfahren vgl. BGH v. 11.7.2000 – X ZR 126/98, WM 2000, 2255. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19. 3 BGH v. 12.10.1999 – XI ZR 294/98, WM 1999, 2255; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19. 4 ZB durch fehlerhafte Angabe der Bankleitzahl (BGH v. 12.10.1999 – XI ZR 294/98, WM 1999, 2256). 5 Möschel, AcP 186 (1986), 187 (211 ff.). 6 Vgl. Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1154). 7 van Gelder, WM 1995, 1253; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 131; Hüffer, ZHR 151 (1987), 93 (106 ff.); Schröter, ZHR 151 (1987), 118 (126 f.); Köndgen in Köndgen (Hrsg.), Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, RWS-Forum 1, 1987, S. 133 (145); Koller in ebd., S. 21 (25); Schwark, ZHR 151 (1987), 325 (339); Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1154 f.).
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7.281
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
2. Anschaffung der Deckung für den Überweisungsauftrag
7.282
Die in einen Überweisungsvorgang eingeschalteten Institute brauchen an sie weitergeleitete Zahlungsaufträge erst auszuführen, wenn ihnen die entsprechende Deckung zugeflossen ist. Nach auftragsrechtlichen Grundsätzen hat der Beauftragte zwar einen Anspruch auf Vorschuss gemäß § 669 BGB, aus der Regelung in § 675t Abs. 3 BGB in Umsetzung von Art. 73 Abs. 3 der Zahlungsdiensterichtlinie folgt jedoch für Zahlungsvorgänge, dass eine Belastung nur noch zeitglich oder oder nachdem die Gutschrift für das nächste Zahlungsinstitut in der Überweisungskette erteilt wurde, sodass nur noch ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB in Betracht kommt1. Die Modalitäten der Verschaffung dieser Deckung bestimmen sich danach, ob die beteiligten Institute untereinander eine Kontoverbindung unterhalten. Dabei kann dieses Konto bei dem kontoführenden Institut des Buchgeldzahlers oder bei dem Institut des Buchgeldempfängers unterhalten werden, so dass keine weiteren Zwischenstellen einzuschalten sind.
7.283
Dieses Konto ist für das das Konto innehabende Institut ein sog. Nostro-Konto (italienisch: „unser Konto“). Für die kontoführende Stelle handelt es sich dagegen um ein sog. Loro-Konto (italienisch: „ihr Konto bei uns“).
7.284
Unterhält das Empfängerinstitut bei dem überweisenden Instiut ein Konto, erhält es auf diesem Konto eine entsprechende Gutschrift durch das überweisende Institut. Die Vermögensverschiebung zu Gunsten des Empfängerinstituts tritt erst ein, wenn die Gutschrift bei dem kontoführenden Institut bewirkt worden ist. Die Gutschrift bei einer nichtkontoführenden Stelle hat nur die Bedeutung einer Kontrollbuchung2. Hat dagegen das überweisende Institut ein Konto bei dem Empfängerinstitut, wird Letzteres das bei ihr unterhaltene Konto mit dem Überweisungsbetrag belasten. Das Empfängerinstitut hat durch die Kontogutschrift bzw. Kontobelastung entsprechendes Buchgeld als Deckung dafür erhalten, dass sie ihrem Kunden wegen des ihr erteilten Überweisungsauftrages eine korrespondierende Kontogutschrift zu erteilen hat3. Erhält das Empfängerinstitut eine Gutschrift vom Überweisungsinstitut, erwirbt es einen Zahlungsanspruch als vermögensrechtlichen Ausgleich für die Eingebung einer entsprechenden Zahlungsverbindlichkeit aus der dem Buchgeldempfänger erteilten Kontogutschrift. Belastet das Empfängerinstitut das bei ihr unterhaltene Konto des überweisenden Instituts, verringert sich entsprechend seine Zahlungsverbindlichkeit gegenüber dem überweisenden Institut. Hierin liegt der Ausgleich für die Eingehung einer Zahlungsverbindlichkeit aus der dem Buchgeldempfänger erteilten Kontogutschrift.
7.285
Fehlt eine unmittelbare Kontoverbindung, werden andere Institute eingeschaltet, über die die giromäßige Buchgeldzahlung von dem Empfängerinstitut 1 Grundmann, WM 2009, 1109 (1113); BR-Drucks 848/08, S. 184. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 3 Vgl. BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 = NJW 1987, 317 ff. zur Anschaffung dieser Deckung durch Belastung des bei der Empfängerbank unterhaltenen Kontos der Überweiserbank.
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Die Überweisung
an das überweisende Institut unmittelbar oder mittelbar über weitere zwischengeschaltete Institute geleistet werden kann. Hierbei handelt es sich häufig um die Kopfstelle eines in sich geschlossenen Gironetzes wie bei den Girozentralen der Sparkassen oder der Zentralkassen der Genossenschaftsbanken. Bei einem bargeldlosen Zahlungsverkehr können daher mehr als nur zwei Zahlungsinstitute eingeschaltet werden.
3. Buchgeldzahlung unter Mitwirkung der Deutschen Bundesbank Zu den Aufgaben der Deutschen Bundesbank gehört neben der Mitwirkung an der vorrangigen Sicherung der Geldwertstabilität und der Kreditversorgung der Wirtschaft „die Sorge für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland“ (§ 3 BBankG). In Erfüllung dieser öffentlichrechtlichen Verpflichtung unterhielt die Deutsche Bundesbank bis zum Jahre 2000 ein privatrechtlich organisiertes Gironetz und den sog. Abrechnungsverkehr für den bargeldlosen Zahlungsverkehr der Kreditinstitute1. Mit Hilfe dieser Einrichtungen sollten die Laufzeiten im bargeldlosen Zahlungsverkehr im Interesse der Wirtschaft verkürzt werden2.
7.286
Das Gironetz wird von den Kreditinstituten, die bei der Bundesbank oder bei einer Haupt- oder Zweigstelle der Landeszentralbanken ein Girokonto unterhalten, vor allem für den „vereinfachten Scheck- und Lastschrifteinzug für die Kreditinstitute“ genutzt, der in den AGB der Bundesbank (Nr. III) näher geregelt ist. Diesem Verfahren liegen Geschäftsbesorgungsverträge zwischen Bundesbank und den mitwirkenden Kreditinstituten als ihren Kontoinhabern zugrunde. Denn die Bundesbank wird bei diesem Inkassoverfahren als selbständige Inkassostelle tätig3. Da die Inkassotätigkeit gebühren- und lastenfrei erfolgt, ist das Vertragsverhältnis zur Inkassobank kein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), sondern als schlichtes Auftragsverhältnis (§§ 662 ff. BGB) zu qualifizieren. Wie auch im sonstigen Interbankenverhältnis sind die der Bundesbank erteilten Inkassoaufträge als girovertragliche Weisungen (§ 665 BGB) im Rahmen des bestehenden Girovertragsverhältnisses anzusehen4.
7.287
V. Zahlungsinstitut des Buchgeldempfängers als Letztbeauftragter in der Girokette Im Rahmen des institutsübergreifenden Überweisungsverkehrs ist das Institut des Buchgeldempfängers in einer doppelten Rolle tätig, wenn es auf dessen Girokonto die Gutschriftsbuchung als Endpunkt des Zahlungsvorganges vor1 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588 (589); vgl. weiter Gramlich, Bundesbankgesetz, Währungsgesetz, Münzgesetz, 1988, § 3 Rz. 30 ff. 2 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 (1392) = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff. 3 Häuser, WM 1988, 1505 (1508); Bürger, WuB I D 3.–2.86; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 88 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 90.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
nimmt. So ist das Empfängerinstitut zum einen Letztbeauftragter in der Girokette der ihm vorgeschalteten Zahlungsinstitute1. Das Empfängerinstitut steht deshalb als Beauftragter in einem Geschäftsbesorgungsverhältnis zu dem ihm vorgeschalteten Institut, wobei es sich dabei in Abhängigkeit davon, ob es um die Vereinbarung über die Durchführung einer Einzelzahlung oder aufeinander folgender Zahlungsvorgänge geht, um eine Zahlungsdienstevertrag in Form eines Einzelzahlungs- oder Zahlungsdiensterahmenvertrags gemäß § 675f Abs. 1 oder Abs. 2 BGB handelt.
7.289
Das Empfängerinstitut ist auch (Empfangs-)Beauftragter im Rahmen des dem Girokonto zugrunde liegenden Girovertrags zum Kontoinhaber, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß 675 Abs. 2 Satz 1 BGB handelt. Auf Grund dieser Vertragsbeziehung ist das Empfängerinstitut verpflichtet, den bei ihr eingegangenen Überweisungsbetrag dem Konto des Buchgeldempfängers gutzuschreiben.
1. Maßgeblichkeit des Namens des Buchgeldempfängers
7.290
Soweit beleghaft erteilte Überweisungsaufträge ausgeführt werden, ist nach ständiger Rechtsprechung der in dem Auftrag bezeichnete Name des Zahlungsempfängers und nicht die Nummer seines Girokontos maßgeblich. Dieses Prinzip des Namenskontos2 wird daraus abgeleitet, dass der Name im Vergleich zur Kontonummer eine wesentlich sicherere Individualisierung ermöglicht3. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen kann auch der Kontonummer die ausschlaggebende Bedeutung zukommen4.
7.291
Schreibt die Empfängerbank den Überweisungsbetrag weisungswidrig nicht dem Überweisungsempfänger, sondern der angegebenen Kontonummer gut, musste sie nach früherem Recht die empfangene Deckung der ihr vorgeschalteten Bank erstatten, weil sie keinen verrechenbaren Aufwendungsersatzanspruch (§§ 670, 675 BGB) erwarb5. Dagegen war nach der von Nobbe vertretenen Rechtsansicht unter dem Überweisungsgesetz die Empfängerbank dem Erstattungsanspruch der vorgeschalteten Bank nicht ausgesetzt, weil die Überweisung bereits mit der Gutschrift auf dem Konto des Empfängers be1 Hadding/Häuser, WM 1988, 1149 (1154); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 387; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 8, 33. Nach dem BGH v. 14.1.2003 – XI ZR 154/02, WM 2003, 430 (433) ist die Empfangsbank bei fehlender Übereinstimmung von Kontonummer und Name des Überweisungsbegünstigten nicht verpflichtet, bei der Bank des Überweisenden rückzufragen, selbst wenn der Überweisungsbetrag nicht im normalen Geschäftsverkehr mit dem Überweisungsbegünstigten liegt. 2 OLG Köln v. 11.10.1988 – 25 U 26/87, WM 1989, 93 (95); vgl. weiter OLG Schleswig v. 27.7.2000 – 5 U 63/99, WM 2001, 812 (813). 3 BGH v. 8.10.1991 – XI ZR 207/90, WM 1991, 1912 (1913 mwN) = NJW 1991, 3208 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 15. 4 BFH v. 13.6.1997 – VII R 62/96, WM 1998, 1482 (1484); Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 15. 5 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19.
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7. Teil
Die Überweisung
wirkt war (§ 676a Abs. 2 BGB aF). Die Empfängerbank war jedoch ihrem Kunden als Überweisungsbegünstigten zur Gutschrift des Überweisungsbetrages auf dessen Konto verpflichtet (§§ 676f Satz 1, 676g Abs. 1 BGB aF)1. Soweit die Maßgeblichkeit der Kontonummer AGB-mäßig vereinbart wurde, sollte darin nach früherer Rechtslage eine unbillige Benachteiligung des Kunden im Sinne der Generalklausel des § 307 BGB (= § 9 AGBG aF) zu sehen gewesen sein, da hierdurch das durch den Abgleich von Kontonummer und Empfängername vermeidbare Risiko von Fehlüberweisungen einseitig dem Girokunden aufgebürdet wurde2. Die Gutschrift auf einem anderen Konto hat regelmäßig keine Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis und belastet deshalb den überweisenden Girokunden mit dem Risiko einer nochmaligen Leistung3. Die Kontonummer stellt dagegen aus dieser Sicht nur ein technisches Hilfsmittel für das leichtere Auffinden (Individualisierung) des Überweisungsbegünstigten als Zahlungsempfänger dar4. Der Überweisende identifiziert mit der Kontonummer die im Überweisungsauftrag als Zahlungsempfänger bezeichnete Person5.
7.292
Diese Rechtsprechung stand aus der Sicht der Bankpraxis nicht im Einklang mit dem fortschreitenden Einsatz der EDV-Technik bei der Bewältigung von Massenvorgängen in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung. Diese Automatisierung erfordert eine Bearbeitung anhand der nummernmäßigen Angabe der maßgeblichen Daten des Überweisungsauftrages6. In Anbetracht der sich aus § 675s BGB ergebenden Ausführungsfristen, die spätestens ab 1.1.2012 für Zahlungen innerhalb der EWR-Staaten für nur noch einen Tag betragen dürfen, bleibt für eine beleggebundene Bearbeitung von Überweisungsaufträgen kein Raum mehr. Auf Grund dessen erlaubt § 675r BGB die Ausführung von Zahlungsvorgängen anhand von Kundenkennungen. Damit ist auch die bisher von Schimansky vertretene Rechtsansicht, wonach die Kreditwirtschaft nicht die nach dem Girovertrag geschuldeten Prüfungen mit der Begründung entfallen lassen könne, sie ließen sich nach dem Stand der Technik nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand EDV-mäßig erledigen7, obsolet geworden, zumindest soweit es um Zahlungen geht, die anhand von Kundenkennungen ausgeführt werden dürfen.
7.293
Damit hat der Gesetzgeber die Grundsätze übernommen, die vor Inkrafttreten des § 675r BGB schon im beleglosen Überweisungsverkehr galten. Dabei erklärte sich der auftraggebende Girokunde damit einverstanden, dass für die
7.294
1 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19. 2 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 163/88, WM 1989, 1754 (1755) = BGHZ 108, 386 ff. = NJW 1990, 250 f. 3 BGH v. 18.4.1985 – VII ZR 309/84, WM 1985, 826 = NJW 1985, 2700; vgl. hierzu K. Schmidt, JuS 1985, 993 f.; BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, WM 1986, 875 (877) = BGHZ 98, 24 ff. = NJW 1986, 2428 ff.; vgl. hierzu Canaris, ZIP 1986, 1021 f. 4 BGH v. 31.1.1972 – II ZR 145/69, WM 1972, 308 (309); Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 15 mwN. 5 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 83 ff. 6 OLG Hamm v. 15.11.1993 – 31 U 63/93, WM 1994, 1027 (1028); Steuer, Die Bank 1985, 561 (562); Schröter, ZGesKredW 1986, 137 (138); Blaurock/André, ZBB 1990, 83. 7 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 83 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Ausführung der Überweisung nur die Kontonummer und die Bankleitzahl maßgeblich sind und eine Verpflichtung der Bank zur Kontrolle des Empfängernamens im Verhältnis zum Auftraggeber nicht besteht. Sodann stand die Kontonummer als Synonym für den Empfänger1.
2. Unmaßgeblichkeit des Verwendungszwecks
7.295
Die Überweisungsformulare enthalten eine besondere Spalte für den Verwendungszweck der Überweisung. Hierdurch soll regelmäßig eine Beziehung der Überweisung zum Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger hergestellt werden, insbesondere wenn mit dem überwiesenen Betrag eine bestimmte Zahlungsverbindlichkeit getilgt werden soll. Die Spalte für den Verwendungszweck hat keine Bedeutung für das Rechtsverhältnis zwischen Buchgeldempfänger und seiner kontoführenden Stelle2. Dies gilt gleichermaßen im Verhältnis des Buchgeldzahlers zum Zahlungsdienstleister des Buchgeldempfängers3. Das Überweisungsformular enthält daher bei der Spalte für den Verwendungszweck auch den eingedruckten Hinweis „Nur für den Empfänger“. Dieser Hinweis entspricht der Stellung der Zahlungsinstitutes bei der Vermittlung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, die bei dessen Durchführung auf die Rechtsbeziehung zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger nicht zu achten haben4. Es besteht nur eine girovertragliche Nebenpflicht der Zahlungsdienstleister zur Weiterleitung solcher Angaben5. Sollen die mitwirkenden Banken zur Beachtung des Verwendungszwecks verpflichtet sein, muss außerhalb der girovertraglichen Weisung ein gesonderter Auftrag erteilt werden6.
VI. Rechtsbeziehung zwischen Buchgeldempfänger und seinem Zahlungsdienstleister
7.296
Der bargeldlose Zahlungsvorgang als „Transport“ von Buchgeld ist beendet, wenn der überwiesene Betrag dem Girokonto des Buchgeldempfängers entsprechend seiner Bezeichnung im Überweisungsauftrag gutgeschrieben worden ist. Diese Gutschrift lässt für den Kontoinhaber einen Zahlungsanspruch entstehen.
7.297
Soweit der Überweisungsbegünstigte kein Girokonto unterhält und sein Zahlungsdienstleister den eingegangenen Betrag auf einem CpD-Konto (Conto pro 1 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16. 2 BGH v. 30.5.1968 – VII ZR 2/66, WM 1968, 839; BGH v. 11.3.1976 – II ZR 116/74, WM 1976, 904 (905). 3 OLG Düsseldorf v. 2.4.1987 – 6 U 243/86, WM 1987, 954; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 91. 4 Vgl. BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 = NJW 1987, 317 ff. 5 BGH v. 11.3.1976 – II ZR 116/24, WM 1976, 904 (907). 6 BGH v. 10.12.1970 – II ZR 132/68, WM 1971, 158 (159); vgl. weiter Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 91.
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7. Teil
Die Überweisung
Diverse) verbucht hat, erwirbt er aus dieser Verbuchung regelmäßig keinen Anspruch gegen das Institut. Diese Sammelkonten haben institutsinternen Charakter; die darauf vorgenommenen Verbuchungen sind nur vorläufiger Natur1. Das dem Girokonto zugrunde liegende Vertragsverhältnis wird herkömmlicherweise als Girovertrag bezeichnet, der der Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dient2. Der Girovertrag hat erst allmählich sein eigenes Gepräge durch die Bankpraxis erfahren. Die AGB der Kreditwirtschaft enthalten deshalb eine Reihe rechtsgeschäftlicher Regelungen, mit denen die gesetzlichen Bestimmungen ergänzt werden. Der Girovetrag wird seit Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in deutsches Recht gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB dem Zahlungsdiensterahmenvertrag zugeordnet.
7.298
Der Girovertrag ist jedoch nur insoweit geregelt worden, als dies durch die Zahlungsdiensterichtlinie gefordert wird. Im Gegensatz jedoch zur Rechtslage unter dem Überweisungsgesetz gibt es kaum noch Regelungslücken im Hinblick auf andere Instrumente des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Denn die Regelungen in §§ 675c ff. BGB beziehen sich auf alle Arten von Zahlungsdiensten, sodass sie nicht nur für Überweisungen, sondern für alle Zahlungsverfahren gelten, soweit diese keine Spezialreglung erfahren haben, wie zB Wechsel und Scheck im WG und ScheckG.
7.299
Zwar wird der in § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB verwendete Begriff des Zahlungskontos nicht näher definiert, aus der Bestimmung des Girovertrags als Zahlungsdiensterahmenvertrag und damit als Zahlungsdienstevertrag folgt, dass das Zahlungsinstitut gemäß § 675f Abs. 1 BGB verpflichtet ist, Zahlungsvorgänge für den Zahlungsdienstenutzer auszuführen. Die Legaldefinition des Zahlungsvorgangs in § 675f Abs. 3 Satz 1 BGB wiederrum erfasst die Bereitstellung, Übermittlung und Abhebung eines Geldbetrags, womit alle für ein Konto relevanten Vorgänge erfasst werden.
7.300
Gleichwohl sind einige offene Streitfragen ungeregelt geblieben. Dabei handelt es sich um die sog. Schufa-Klausel, den Anspruch auf ein Girokonto und den Umfang des Bankgeheimnisses.
7.301
1. Anspruch auf Gutschrift des Überweisungsbetrages Der dem Konto zugrunde liegende Girovertrag verpflichtete schon vor der Umsetzung der Zahlungsdienste-Richtlinie das Empfängerinstitut, die für ihre Kunden eingehenden Beträge entgegenzunehmen und diesem Konto gutzuschreiben. Bei dem Girovertrag als Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 BGB handelt es sich um einen Unterfall des Geschäftsbesorgungsvertrags, auf den die auftragsrechtlichen Bestimmungen gemäß §§ 663, 1 BGH v. 30.6.1986 – III ZR 70/85, WM 1986, 1182 (1183) = NJW 1986, 55 f. 2 BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, WM 1989, 126 (128); BGH v. 11.12.1990 – XI ZR 54/ 90, WM 1991, 317 (318).
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7.302
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
665 bis 670 und 672 bis 674 BGB gemäß § 675c Abs. 1 BGB Anwendung finden. Danach ist der Beauftragte zur Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten verpflichtet (§ 667 BGB). Die Verpflichtung zur Gutschriftserteilung setzt danach voraus, dass die kontoführende Stelle den Überweisungsbetrag selbst „erlangt“ hat, ihr also „Deckung“ verschafft worden ist. Denn nach der Rechtsansicht des BGH handelt es sich bei diesem Anspruch auf Gutschriftserteilung „um den Anspruch auf Herausgabe dessen, was der Beauftragte durch die Geschäftsbesorgung erlangt hat“1. Dies gilt auch nach aktuellem Recht, nur dass jetzt nicht mehr auf § 675 BGB zurück gegriffen werden muss, da die Zahlungsdienste als Spezialfall der Geschäftsbesorgung in § 675c ff. BGB geregelt worden sind.
7.303
Dieser Anspruch auf Gutschriftserteilung entsteht mit Eingang der buchmäßigen Deckung bei der kontoführenden Stelle2. Denn das Empfängerinstitut hat solche eingehenden Beträge sofort an den hieraus begünstigten Kontoinhaber in Form einer Kontogutschrift herauszugeben (§§ 667, 675f Abs. 2 und Abs. 3, 271 Abs. 1 BGB)3. Die Rechtsposition des Überweisungsbegünstigten hinsichtlich des Anspruchs auf Gutschriftserteilung ist bei der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie nochmals verbessert worden. Während ursprünglich der Widerruf eines Überweisungsauftrages bis zur Erteilung der Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsbegünstigten als Zahlungsempfänger möglich war, verlegt das Überweisungsgesetz diesen Zeitpunkt vor auf die Buchung des Überweisungsbetrages auf dem Eingangskonto der Empfängerbank. Nur bis zu diesem Zeitpunkt war die Empfängerbank zu Rücksendung des Geldes verpflichtet (§ 676d Abs. 2 Satz 1 BGB aF). Der Überweisungsvertrag konnte zwar auf Grund des werkvertraglichen Charakters seiner Geschäftsbesorgungspflicht grundsätzlich jederzeit gekündigt werden (vgl. § 649 BGB). Dieses Kündigungsrecht entfiel aber, wenn die Kündigung der Empfängerbank nicht bis zu dem Zeitpunkt mitgeteilt wird, in dem der Überweisungsbetrag bei dieser Bank endgültig zur Gutschrift auf dem Empfängerkonto eingegangen war (§ 676a Abs. 4 Satz 1 BGB aF). Nach Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in deutsches Recht ergibt sich aus § 675p Abs. 1 BGB, dass – sofern nicht etwas Abweichendes geregelt worden ist – der als Zahler fungierende Zahlungsdienstnutzer den Überweisungsauftrag nicht mehr widerrufen kann, wenn er bei seinem Zahlungsdienstleister eingegangen ist. Es kommt dabei nicht einmal darauf an, dass der Zahlungsdienstleister schon mit der Bearbeitung begonnen hat. Durch diese starke Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit soll sichergstellt werden, dass die Institute die Infrastruktur schaffen, um die sich aus § 675s Abs. 1 BGB sich ergebenden kurzen Ausführungsfristen sicherstellen zu können.
1 BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, WM 1978, 58 (59). 2 BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6 (7) = NJW-RR 1990, 366 f.; BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1193) = BGHZ 135, 316 ff. = NJW 1997, 2042 f.; vgl. hierzu Borges, WM 1998, 105 ff.; WM 1997, 1661 (1662) = NJW 1997, 3168 f. 3 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1193); BGH v. 10.4.1997 – III ZR 111/96, WM 1997, 1661 (1662).
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7. Teil
Die Überweisung
Der mit Eingang des Überweisungsgegenwertes bei dem Empfängerinstitut entstehende Anspruch des Empfängers auf Kontogutschrift ist nicht mehr kausaler Natur. Gleichwohl entsteht nicht sogleich ein Anspruch aus der Gutschrift. Denn das Gesetz behält nicht nur die überkommene Zweistufigkeit von Anspruch auf Gutschrift und nach Gutschriftserteilung aus der Gutschrift bei. Die Gutschrift auf dem Eingangskonto der Empfängerbank lässt auch keinen anspruchsbegründenden Vertrag iS von § 328 BGB zu Gunsten des Empfängers entstehen. Der Wille des Empfängerinstituts geht stets dahin, den Überweisungseingang in den Girovertrag einfließen zu lassen, so dass Auszahlungsansprüche des Empfängers erst aus der Gutschrift auf seinem Konto entstehen können1. Bei der Gutschrift handelt es sich dann um ein abstraktes Zahlungsversprechen gemäß § 780 BGB2. Ausgeführt ist diese Buchung mit Herstellung einer autorisierten Abrufpräsenz3.
7.304
Dieser Anspruch auf Erteilung einer Gutschrift auf dem Girokonto ist bei der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie weiter ausgeformt worden. Danach hat das Empfängerinstitut an dieses weitergeleitete Angaben zur Identifizierung der Person des Überweisenden und zum Verwendungszweck ihrem Girokunden mitzuteilen (Art. 248 § 15 Nr. 1 EGBGB). Die gesetzliche Neuregelung hat im Übrigen Fristen für eine baldestmögliche Gutschrift vorgegeben. Der bei dem Empfängerinstitut eingegangene Betrag ist dem Kunden gemäß § 675t Abs. 1 Satz 2 BGB unverzüglich zur Verfügung zu stellen, wobei darunter der Geschäftstag zu verstehen ist, an dem das Empfängerinstitut den Zahlungsbetrag erhält. Wird der überwiesene Betrag nicht fristgemäß dem Konto des Kunden gutgeschrieben, so hat das Zahlungsinstitut diesem den Überweisungsbetrag mit der Wertstellung gutzuschreiben, die dem Tag entspricht, an dem der Zahlungsdienstleister den für den Zahlungsempfänger bestimmten Betrag seinem Konto gutgeschrieben bekommen hat.
7.305
Für den Zeitpunkt des Eingangs der Deckung und damit des Entstehens des Anspruchs auf Gutschriftserteilung ist nicht erforderlich, dass die kontoführende Stelle hiervon Kenntnis erlangt hat4. Der Eingang der buchmäßigen Deckung erfolgt auf einem (Nostro-)Konto der kontoführenden Stelle bei einem anderen Institut dadurch, dass ihr dieser Gegenwert mit autorisierter Abrufpräsenz gutgeschrieben wird5. Dieser Deckungseingang kann auch dadurch herbeigeführt werden, dass die kontoführende Stelle das bei ihr geführte Konto des Auftraggebers, also regelmäßig der ihr in der Girokette unmittelbar vorgeschalteten Stelle, belastet.
7.306
Ausreichend ist also eine „buchmäßige“ Deckung; eine „wertmäßige“ Deckung ist dagegen nicht erforderlich6. Das Institut haftet also ohne Rücksicht
7.307
1 Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 20. 2 Grundmann, WM 2009, 1109 (1113). 3 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, BGHZ 103, 143 (147 f.) = WM 1988, 321; Möschel, AcP 186 (1986), 187 (204 f.). 4 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 10. 5 Grundmann, WM 2000, 2269 (2276). 6 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 10.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
auf eigenes Verschulden für sein Unvermögen, auf die erlangte Deckung tatsächlich zugreifen zu können. Denn für das Girovertragsverhältnis gilt § 276 Abs. 1 Satz 1 aE BGB1.
7.308
Nach auftragsrechtlichen Grundsätzen trägt zwar das Risiko des zufälligen Untergangs oder einer Verschlechterung des „Erlangten“ der Auftraggeber selbst dann, wenn das Erlangte in Geld besteht2. Diese Grundsätze gelten aber lediglich für den schlichten Auftrag, nicht jedoch für das Girovertragsverhältnis, dessen wesentlicher Zweck der „Transport“ von Buchgeld ist3.
7.309
Der auftragsrechtliche Herausgabeanspruch ist nach Rechtsansicht des BGH girovertraglich dahin gehend umgestaltet, dass er „auf Gutschrift auf dem Girokonto gerichtet ist“4. Daran hat sich durch die Einführung des § 675f BGB nichs geändert, der in Abs. 2 Satz 1 BGB den Girovertrag den Regelungen des Zahlungsdiensterahmenvertrags unterstellt, denn dieser Vertragstyp erfasst die Ausführung von Zahlungsvorgängen verschiedenster Art, wozu auch die Gutschrift eingehender Zahlungen gehört.
7.310
Auch bei der Ausführung eines Auftrags zum Inkasso eines zur Gutschrift auf dem Girokonto eingereichten Schecks oder einer einzuziehenden Lastschrift entsteht dieser Anspruch auf Gutschrift erst nach Eingang des Inkassoerlöses. Denn das kontoführende Institut schuldet dasjenige, was es einzuziehen hat, aber noch nicht eingezogen hat, weder bedingt noch betagt5. Soweit die kontoführende Stelle – wie üblich – den Gegenwert von Schecks und Lastschriften bereits vor der Einlösung gutschreibt, geschieht dies in der Regel unter dem Vorbehalt der Einlösung, „Eingang vorbehalten“ (vgl. zB Nr. 9 Abs. 1 AGBBanken).
7.311
Die auftragsrechtliche Herausgabepflicht des Empfängerinstituts wird im Übrigen noch nicht begründet, wenn das Institut den Buchgeldzahlern des Empfängerinstituts mitteilt, dass sie von einem Kunden beauftragt sei, einen genau bezifferten Betrag auf das Konto eines bestimmten Girokunden des Empfängerinstituts zu überweisen. Dieses Institut hat in diesen Fällen noch keine Deckung erlangt. Denn ein solches Avis begründet im Regelfall keine rechtliche Verpflichtung der avisierenden Stelle gegenüber dem Empfängerinstitut6. Vielmehr stellt das Avis eine schlichte Mitteilung dar, sofern sich aus dem Wortlaut nicht etwas anderes ergibt. Das avisierende Institut trifft daher auch keine Haftung, wenn es letztlich insbesondere durch Widerruf daran gehindert wird, ihrem Avis die angekündigte Überweisung folgen zu lassen7. 1 Seiler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 667 BGB Rz. 23; Steffen in RGRK-BGB, § 667 BGB Rz. 17. 2 BGH v. 14.7.1958 – VII ZR 99/57, WM 1958, 1129. 3 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 6. 4 BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, WM 1978, 58 (59); BGH v. 28.10.1998 – VIII ZR 157/97, WM 1999, 11; vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 399. 5 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, WM 1985, 1057 (1058) = BGHZ 95, 149 ff. = NJW 1985, 2649 f. unter Bezugnahme auf RGZ 53, 327 (330). 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 404. 7 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 186 mwN.
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7. Teil
Die Überweisung
Vereinzelt verlangt der Überweisungsbegünstigte, dass sein Schuldner zu seinen Gunsten einen unwiderruflichen Zahlungsauftrag erteilt, der von dem Institut des Überweisenden zu bestätigen ist. In einer solchen Bestätigung kann ein abstraktes Schuldversprechen (§ 780 BGB) des Überweisungsinstituts gegenüber dem Überweisungsbegünstigten gesehen werden1. Hier kommt es ausnahmsweise zu einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Überweisungsinstitut und dem Überweisungsbegünstigten, der sein Girokonto bei einem anderen Institut unterhält.
7.312
2. Anspruch aus der Gutschrift Die Gutschriftsbuchung auf dem Girokonto begründet nach allgemeiner Meinung einen abstrakten Zahlungsanspruch iS der §§ 780, 781 BGB2. Diese Kontogutschriften werden häufig missverständlich als Giralgeld oder Buchgeld bezeichnet. Dieses Zahlungsmittel ist durch seine jederzeitige Verfügbarkeit gekennzeichnet, damit es wie Bargeld zur Erfüllung fälliger Zahlungsverbindlichkeiten verwendet werden kann. Hieran fehlt es aber bei für den Girokunden kontomäßig verbuchten Zahlungsansprüchen, weil diese von der Kontokorrentabrede erfasst werden, die regelmäßig mit einem Girokonto verknüpft ist. Denn über kontokorrentgebundene Forderungen kann nicht mehr selbständig verfügt werden. Buch-(Giral-)geld im engeren rechtlichen Sinne stellt vielmehr nur der jederzeit disponierbare Guthabensaldo auf dem Girokonto dar. In diesen sog. Tagessaldo fließen die einzelnen Kontogutschriften nach Verrechnung mit etwaigen Belastungsbuchungen ein3.
7.313
Die rechtserzeugende Wirkung der Gutschriftsbuchung auf dem Girokonto schließt aber nicht aus, dass in sehr begrenzten Ausnahmefällen diese Rechtswirkung wieder einseitig durch die kontoführende Stelle beseitigt werden kann. So kann die kontoführende Stelle bis zum nächsten Rechnungsabschluss das AGB-mäßige Stornorecht ausüben, wenn ihr auf Grund einer fehlerhaften Gutschriftsbuchung ein Bereicherungsanspruch erwachsen ist (vgl. Rz. 7.400 ff.). Im Übrigen kann der Buchgeldempfänger unter bestimmten Voraussetzungen die Gutschrift zurückweisen (vgl. Rz. 7.318 ff.).
7.314
Eine Sonderregelung besteht auch für die Rücküberweisung überzahlter Leistungen aus der Sozialversicherung im Falle des Ablebens des Versicherten (§ 118 Abs. 3 SGB VI, § 96 Abs. 3 SGB VII und § 66 Abs. 2 BVG). Hiernach sind Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten auf ein Girokonto gezahlt worden sind, zurückzuüberweisen4. Etwas anderes gilt nur, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits
7.315
1 OLG Köln v. 17.9.1993 – 20 U 251/92, ZIP 1993, 1538 (1539). 2 Nach der BGH-Rechtsprechung handelt es sich um ein Schuldversprechen (Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 16). 3 Kümpel, WM 2000, 797 (799). 4 Für diese Überweisung steht der Bank kein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen zu; dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BSG v. 20.12.2001 – B 4 RA 126/00 R, WM 2002, 2144 [2145]).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
anderweitig verfügt worden ist und die Rücküberweisung nicht aus Guthaben erfolgen kann. Die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft haben gemeinsam mit den Spitzenverbänden der Rentenversicherungsträger und der Unfallversicherungen Erläuterungen mit Empfehlungscharakter erarbeitet1. Durch die gesetzlichen Regelungen hat der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung einen unmittelbaren Rücküberweisungsanspruch gegen das Institut, auf das die Rentenleistungen überwiesen worden sind2. Dieser Anspruch geht grundsätzlich einem Erstattungs- oder Bereicherungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen die Erben vor. Damit wird zu Gunsten des Leistungsträgers der Grundsatz durchbrochen, dass Mängel im Valutaverhältnis grundsätzlich auch nur im Valutaverhältnis auszugleichen sind3.
7.316
Der Erstattungsanspruch des Versicherungsträgers überlagert auf Grund seiner öffentlichrechtlichen Rechtsnatur die vertragliche Rechtsbeziehung zwischen kontoführender Stelle und dem Kontoinhaber. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darf deshalb die kontoführende Stelle zur Finanzierung ihrer Erstattungspflicht den gegen sie gerichteten Auszahlungsanspruch des Kontoinhabers durch Belastung des Kontos um den Betrag verringern, den sie selbst zur Rücküberweisung der „überzahlten Geldleistung“ an den Versicherungsträger benötigt4. Dieses kontomäßige Belastungsrecht ist hinsichtlich seiner guthabenverringernden Rechtswirkung vergleichbar dem AGB-Stornorecht, mit dem die kontoführende Stelle ihren bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Kontoinhaber ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe im Wege der Selbsthilfe auf einfache Weise durchsetzen kann5. Der spezielle Erstattungsanspruch der Versicherungsträger ermöglicht es dem haftenden Institut – insoweit abweichend vom allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch – sich gegenüber dem Versicherungsträger auf „Entreicherung“ zu berufen. Dieser Einwand greift aber nur, wenn das Konto bei Eingang der Rückforderung des Versicherungsträgers kein zur vollständigen oder teilweisen Erstattung ausreichendes Guthaben ausweist6 und dies auf wirksamen Verfügungen des Kontoinhabers beruht. Denn die kontoführende Stelle darf die überwiesenen Beträge nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden7.
7.317
Soweit die kontoführende Stelle über bestimmte Kontobewegungen dem Versicherungsträger Auskunft erteilen muss (vgl. zB § 118 Abs. 3 SGB VI) liegt hierin keine verfassungswidrige Verletzung des Bankgeheimnisses, das auch dann gilt, wenn keine Bank, sondern ein Zahlungsinstitut eingeschaltet ist. Da der Zahlungsdienst ursprünglich Teil der Bankdienstleistungen war, galt für ihn auch das Bankgeheimnis. Durch die Herauslösung aus den zwingend 1 Abgedruckt in WM 1992, 2078. 2 LSG Stuttgart v. 29.11.1994 – L 13 J 560/94, WM 1995, 1876 (1878); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 192. 3 LSG Stuttgart v. 29.11.1994 – L 13 J 560/94, WM 1995, 1876 (1878). 4 BSG v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R, WM 2000, 1847 (1852). 5 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908). 6 BSG v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R, WM 2000, 1847 (1851). 7 BSG v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R, WM 2000, 1847 (1851); Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 23.
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7. Teil
Die Überweisung
von einem Kreditinstitut zu erbringenden Leistungen und der eigenständigen Regulierung unter dem ZAG ändert sich daran nichts. Deshalb sind auch Zahlungsinstittute, die keine Kreditinstitute sind, an das „Bankgeheimnis“ gebunden, soweit dieses auch in der Vergangenheit schon den Zahlungsverkehr erfasst hat. Diese Auskunftspflicht soll im öffentlichen Interesse eine schnelle Rücküberweisung der überzahlten Rentenbeträge ermöglichen, damit die Gelder möglichst bald dem Versicherungsträger zur Erfüllung seiner Aufgabe wieder zur Verfügung stehen1.
3. Zurücküberweisung einer Kontogutschrift durch Buchgeldempfänger Ist der Buchgeldempfänger mit der Buchgeldzahlung nicht einverstanden oder widerspricht diese sogar der getroffenen Absprache, stellt sich die Frage, wie er gegen die dennoch erfolgende Gutschriftsbuchung auf seinem Girokonto geschützt werden kann. Denn eine solche „aufgedrängte“ Gutschrift2 kann für den Buchgeldempfänger unter Umständen, insbesondere bei debitorischem Konto, ungelegen kommen. So kann die kontoführende Stelle die „aufgedrängte“ oder nur versehentlich erteilte Gutschrift zur Rückführung des Schuldsaldos verwenden wollen. Selbst bei einem kreditorischen Girokonto kann diese Gutschrift ungelegen kommen, insbesondere wenn sie von einer Saldopfändung durch den Gläubiger des Buchgeldempfängers erfasst wird.
7.318
Bei solchen debitorischen Girokonten und Kontenpfändungen ist der Buchgeldempfänger in seiner Verfügung über diese Kontoeingänge beschränkt. Andererseits ist aber der Buchgeldempfänger auf Grund der Gutschriftsbuchung bereichert, wenn diese Gutschrift zur Befriedigung der kontoführenden Stelle oder des Pfändungsgläubigers führt3. Denn die Kontogutschrift hat den Zahlungsanspruch des Buchgeldempfängers aus dem Valutaverhältnis wegen seines fehlenden Einverständnisses mit der Buchgeldzahlung nicht getilgt.
7.319
Ist diese Bereicherung des Buchgeldempfängers wie bei „aufgedrängter“ Gutschrift auf Kosten des Buchgeldzahlers erfolgt4, sieht sich der Buchgeldempfänger einem Bereicherungsanspruch des Buchgeldzahlers ausgesetzt5. Der Buchgeldempfänger muss deshalb in der Lage sein, der Zuwendung eines derartigen Zahlungsanspruchs durch seine Erklärung zuvorzukommen, keine Rechte aus der Kontogutschrift herzuleiten6.
7.320
Bei fehlendem Einverständnis mit der Giroüberweisung darf deshalb der Buchgeldempfänger nach Rechtsprechung und überwiegendem Schrifttum die Kon-
7.321
1 2 3 4 5
BSG v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R, WM 2000, 1847 (1853). Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10 ff. BGH v. 18.4.1985 – VII ZR 309/84, WM 1985, 826 = NJW 1985, 2700. Hadding/Häuser, WM 1989, 589 (591). Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 17; Hadding/Häuser, WM 1989, 589 (591). 6 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560 (1562) = NJW 1990, 323 f.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
togutschrift zurück überweisen1. Diese Zurücküberweisung hat ex tunc-Wirkung2, wie dies auch für die Ausübung des AGB-mäßigen Stornorechts der kontoführenden Stelle für die Zinsberechnung gilt (vgl. Nr. 3 Abs. 3 AGBBanken). Nur mit einer solchen Rückwirkung lässt sich dogmatisch begründen, dass etwaige Sicherungsrechte der Bank wegen der fehlenden Tilgungswirkung der Kontogutschrift bestehen bleiben3 und Pfändungsgläubiger nicht auf ein durch die fehlerhafte Gutschrift entstandenes Kontoguthaben zurückgreifen können4. Die Rechtslage soll nach der Ausübung des Zurückweisungsrechts so anzusehen sein, als habe die kontoführende Stelle die Kontogutschrift nie erteilt5.
7.322
Der BGH hat bislang den zeitlichen Rahmen für die Ausübung des Zurückweisungsrechts offen gelassen6. Die Zurückweisung ist jedenfalls dann rechtzeitig, wenn sie unverzüglich („ohne schuldhaftes Zögern“ – § 121 BGB) erfolgt ist7. Nach Ansicht des OLG Celle kommt als zeitliche Schranke nur die der Verwirkung in Betracht8. Diese Problematik wird dadurch relativiert, dass das Zurückweisungsrecht entfällt, wenn der Buchgeldempfänger die Gutschrift durch schlüssiges Verhalten, insbesondere durch Kontoverfügungen angenommen („genehmigt“) hat9. Die kontoführende Stelle ist im Übrigen schutzwürdig, wenn der Buchgeldempfänger mit Rücksicht auf diese Gutschrift weiteren Kredit in Anspruch genommen oder ihm die Bank Sicherheiten freigegeben hat. Hier hat der Buchgeldempfänger mit seinem Verhalten einen Vertrauenstatbestand gesetzt, der die Geltendmachung des Zurückweisungsrechts ausschließt10. a) Rechtsnatur des Zurückweisungsrechts
7.323
Die Rechtsgrundlage dieses ausnahmsweise als Gestaltungsrecht eingeräumte Zurückweisungsrechts11 ist umstritten. Nach Ansicht des BGH ergibt sich diese neue Rechtsfigur aus einer ergänzenden Auslegung des Girovertrages (§ 157 BGB)12. Diese Lösung vermag sich den Bedürfnissen der Interessenlage 1 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560 (1562). 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 3 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560 (1562) = NJW 1990, 323 f.; Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10 (15, 16); Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 250. 4 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 17. 5 Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10 (16). 6 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 19. 7 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 18; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 8 OLG Celle v. 24.3.1993 – 3 U 140/92, WM 1994, 625 (626). 9 Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10 (16); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 18 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. 10 Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10 (16). 11 Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 247. 12 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560 (1562); Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10 (17); Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 247.
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Die Überweisung
flexibel anzupassen1. Kontogutschriften stehen deshalb unter der mit dem Girovertrag vereinbarten auflösenden Bedingung (§ 158 BGB), dass das in bestimmten Ausnahmefällen bestehende Zurückweisungsrecht vom Kontoinhaber nicht ausgeübt wird. Nach einem Teil der in der Literatur vertretenen Ansicht ergibt sich das Zurückweisungsrecht aus einer analogen Anwendung von § 333 BGB, der ein solches Recht dem Begünstigten aus einem Vertrag zu Gunsten Dritter zubilligt2. Gegen eine solche Analogie spricht aber, dass der Buchgeldempfänger – anders als der Begünstigte eines Vertrages zu Gunsten Dritter – an dem Girovertrag, der die Rechtsgrundlage des ihm durch die Gutschriftsbuchung verschafften Zahlungsanspruches bildet, als Vertragspartner beteiligt ist. Überdies will die kontoführende Stelle mit dieser Gutschriftsbuchung ihre girovertragliche Herausgabepflicht (§§ 675c Abs. 1, 675f Abs. 2 Satz 1, 667 BGB) gegenüber ihrem Kunden erfüllen. Angesichts dieses Tilgungszwecks kann die kontoführende Stelle die Kontogutschrift ihrem Girokunden schwerlich aufdrängen, wie dies bei einem Vertrag zu Gunsten Dritter in der Person des Drittbegünstigten der Fall sein kann3.
7.324
b) Reichweite des Zurückweisungsrechts Umstritten ist, in welchen Fallkonstellationen ein solches Zurückweisungsrecht auch unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der anderen Beteiligten zuzubilligen ist. So kann auch für die kontoführende Stelle des Buchgeldempfängers die girovertragliche Pflicht zur Zurückweisung des gutgeschriebenen Betrages nachteilig sein, wenn sie mit Rücksicht auf die Kontogutschrift ihrem Kunden weitere Kredite gewährt oder eine Sicherheit aufgegeben hat4.
7.325
Der BGH hat bisher ein solches Zurückweisungsrecht nur anerkannt, wenn es an einem Valutaverhältnis zwischen Buchgeldempfänger und Buchgeldzahler fehlt, das den Rechtsgrund für die Gutschrift bilden könnte5. Das Schrifttum geht jedoch über diesen Ansatz hinaus und bejaht ein generelles Zurückweisungsrecht6. Nach Rechtsansicht des BGH muss jedoch ein solches Zurückweisungsrecht auf Ausnahmefälle begrenzt bleiben, für die ein triftiger, mit dem Willen und der Interessenlage der Girovertragspartner vereinbarter Rechtfertigungsgrund besteht. Ein uneingeschränktes Zurückweisungsrecht
7.326
1 Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. 247 mwN; Meder, WM 1999, 2137 ff. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 473. 3 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 19 ff.; Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10 (15); Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. B 243; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4 (17). 4 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560 (1562) = NJW 1990, 323 f.; Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10. 5 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 150/88, WM 1989, 1560 (1562); Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 16 ff. 6 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 mwN = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f.; vgl. hierzu Häuser, ZIP 1995, 89 ff.
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würde einen ungehinderten Giroverkehr nicht mehr gewährleisten und den Tagessaldo als Grundlage für die Kontoverfügung entwerten1.
7.327
Nach der von Schimansky vertretenen Rechtsansicht würde zudem der Wert der bargeldlosen Zahlung gemindert2. Die kontoführende Stelle brauche im Übrigen ihr Interesse an einer Verrechnung des Zahlungseinganges mit einem Debetsaldo auf dem Girokonto nicht im Interesse ihres Kunden an der Verhinderung dieser Befriedigungsmöglichkeit zu opfern. Ebenso schutzwürdig sei das Interesse des Pfandgläubigers an der Befriedigung auch aus diesen Zahlungseingängen3.
7.328
Ein Zurückweisungsrecht besteht nach Rechtsansicht des BGH aber in den Fällen, in denen der zurückgewiesene Gutschriftsbetrag dem Kontoinhaber materiell nicht oder nicht mehr zusteht4. Denn das Recht der kontoführenden Stelle zur Erteilung einer Gutschrift lässt sich lediglich für solche Geldeingänge rechtfertigen, die in Wahrheit für den Kontoinhaber bestimmt sind5. Die innere Rechtfertigung für das Zurücküberweisungsrecht liegt mithin im Fehlen eines Valutaverhältnisses, das einen Rechtfertigungsgrund für die Buchgeldzahlung bilden konnte6.
7.329
Besteht dagegen zwischen Buchgeldempfänger und dem Buchgeldzahler ein Valutaverhältnis, kann die Kontogutschrift nach Ansicht von Schimansky nicht zurückgewiesen werden7. In diesen Fällen kann der Buchgeldzahler, insbesondere bei einem rechtzeitigen – dem Buchgeldempfänger unbekannt gebliebenen – Widerruf einen Bereicherungsanspruch erlangen. Soweit diese Buchgeldzahlung nicht im Einverständnis des Empfängers erfolgt ist oder gar den mit dem Buchgeldzahler vereinbarten Zahlungsmodalitäten widerspricht, wird die dem Valutaverhältnis zugrunde liegende Zahlungsverbindlichkeit des Buchgeldzahlers nicht getilgt. Der Buchgeldempfänger wird aber durch die Zugriffsmöglichkeit der kontoführenden Stelle oder des Pfändungsgläubigers auf Kosten des Buchgeldzahlers bereichert8.
7.330
Der Buchgeldzahler kann jedoch in diesen Fällen nicht mit seinem Bereicherungsanspruch gegen die durch die Kontogutschrift nicht getilgte Forderung des Buchgeldempfängers aus dem Valutaverhältnis aufrechnen. Dieser Aufrechnungsausschluss ist geboten, damit nicht über dieses Erfüllungssurrogat (§ 389 BGB) letztlich doch eine Schuldbefreiung erreicht würde, die bei einer vom Buchgeldempfänger nicht gebilligten Buchgeldzahlung gerade nicht eintreten soll9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 (150). Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 18 ff. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 18 ff. BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 (150) = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 18 ff. Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 18. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 18 ff. BGH v. 18.4.1985 – VII ZR 309/84, WM 1985, 826 = NJW 1985, 2700. Häuser in WM-Festgabe Hellner, 1995, S. 10 (12); Schimansky in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 47 Rz. 16; BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149.
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4. Verhaltens-(Schutz-)Pflichten des Zahlungsdienstnutzers Aus der girovertraglichen Rechtsbeziehung erwachsen nicht nur dem Zahlungsisntitut Verhaltens- und Schutzpflichten. So obliegt dem Zahlungsdienstnutzer die vertragliche Nebenpflicht, die ihm von der Bank mitgeteilten Kontobewegungen und Kontostände zu kontrollieren und gegebenenfalls Fehler gegenüber dem Zahlungsdienstleister zu beanstanden. Diese Verhaltenspflicht ist in den AGB-Banken ausformuliert worden. Danach hat der Kunde Kontoauszüge und bestimmte weitere Mitteilungen auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben (Nr. 11 Abs. 4 AGB-Banken). Der Giroverkehr mit seinen massenhaft anfallenden Geschäftsvorgängen kann nur unter dieser Voraussetzung zuverlässig funktionieren1. Bei Verletzung dieser Kontrollpflicht kann sich der Kunde wegen positiver Forderungsverletzung schadensersatzpflichtig machen2. Der Kunde kann sich auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen, wenn er einen ihm irrtümlich gutgeschriebenen Betrag für eine sonst nicht geplante Urlaubsreise ausgegeben hat3. Er muss vielmehr nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen seinem Institut den von ihm abverfügten Betrag wieder anschaffen, wenn der Irrtum dieses Instituts bei der gebotenen Sorgfalt hätte erkannt werden können (§ 276 BGB).
7.331
5. Beendigung des Girovertrages Der Girovertrag als ein Dauerschuldverhältnis und Unterfall des Zahlungsdiensterahmenvertrags gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB kann nach allgemeinen Grundsätzen aus wichtigem Grunde fristlos gekündigt werden. Der Kunde kann diese Kontoverbindung auch ohne Vorliegen eines Grundes jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wie sich aus § 675h Abs. 1 BGB ergibt.
7.332
Das Zahlungsinstitut kann den Girovertrag gemäß § 675h Abs. 2 BGB nur kündigen, wenn dieser Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde und ein Kündigungsrecht vereinbart wurde. Dabei muss die Kündigungsfrist gemäß § 675h Abs. 2 Satz 2 BGB mindestens zwei Monate betragen. Eine Kündigung zur Unzeit ohne wichtigen Grund kann die Bank schadensersatzpflichtig machen (vgl. § 627 Abs. 2 BGB)4.
7.333
Mit dem Wegfall des Girovertrages verliert das Girokonto seine Eigenschaft als Zahlungsverkehrskonto. Der Kunde kann deshalb insbesondere keine Überweisungsaufträge mehr erteilen. Mit Rücksicht auf die sich aus dem bisherigen Girovertragsverhältnis ergebenden nachvertraglichen Schutzpflichten5 ist das
7.334
1 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998 (999); OLG Hamm v. 14.3.1986 – 20 U 290/85, WM 1986, 704 (707). 2 BGH v. 29.1.1979 – II ZR 148/77, WM 1979, 417 (419); BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/ 84, WM 1985, 905 (907) = BGHZ 95, 103 ff. = NJW 1985, 2326 f. 3 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998 (999). 4 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 32. 5 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 36.
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Zahlungsinstitut befugt, noch eingehende Überweisungsaufträge für ihren ehemaligen Girokunden entgegenzunehmen1. Sie hat diesen Betrag dem Kunden gemäß § 667 BGB herauszugeben2. Im Übrigen hat das ehemalige kontoführende Institut den Kunden von dem Eingang der Buchgeldzahlung zu unterrichten.
7.335
Wird das Girovertragsverhältnis nach dem Tode des Kontoinhabers von einem Vorerben fortgeführt, tritt der Nacherbe in dieses Vertragsverhältnis nicht ein. Die Benutzung des Girokontos durch den Vorerben für den eigenen Zahlungsverkehr gebietet es, die mit diesem Vertragsverhältnis verbundenen Rechte und Pflichten fortan ausschließlich dem Vorerben persönlich und nicht mehr dem Nachlass zuzuordnen (vgl. § 2111 BGB)3.
7.336
Dasselbe gilt für die weitere Benutzung eines Einzel- oder Oder-Kontos für eigene Zwecke durch Miterben4. Hierdurch wird die ererbte Rechtsstellung als Beteiligter des Giroverhältnisses aus dem Nachlass herausgelöst und nunmehr ohne gesamthänderische Bindung (§§ 2038–2041 BGB) selbständig fortgesetzt. Dies läuft letztlich auf eine gegenständliche Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft hinaus5.
VII. Erfüllungswirkung der Kontogutschrift im Valutaverhältnis zwischen Buchgeldzahler und Buchgeldempfänger
7.337
Mit der Gutschriftsbuchung auf dem Girokonto des Buchgeldempfängers erlischt nach der Rechtsprechung des BGH und der ganz überwiegenden Literaturmeinung dessen Zahlungsanspruch aus seinem Valutaverhältnis zum Buchgeldzahler6. Denn durch diese Kontogutschrift – genauer mit deren Wirksamwerden – wird dem Buchgeldempfänger ein abstraktes Forderungsrecht aus einem Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) verschafft, das vermögensmäßig an die Stelle des durch diese Buchgeldzahlung getilgten Zahlungsanspruchs aus dem Valutaverhältnis tritt. Aus der Sicht des Buchgeldempfängers vollzieht sich also eine Art Schuldnerwechsel.
7.338
Hierbei handelt es sich aber um keine Schuldübernahme iS der §§ 414 ff. BGB, bei der dieselbe Verbindlichkeit vom neuen Schuldner übernommen wird. Denn mit der forderungstilgenden Kontogutschrift wird eine neue (abstrakte) Zahlungsverbindlichkeit für der kontoführenden Stelle als Schuldnerin begründet. Erst wenn dem Gläubiger ein solcher abstrakter unwiderrufbarer 1 BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, WM 1995, 745. 2 BGH v. 21.3.1995 – XI ZR 189/94, WM 1995, 745; Schimansky in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 47 Rz. 36. 3 BGH v. 10.10.1995 – XI ZR 263/94, WM 1995, 2094 (2095). 4 BGH v. 18.1.2000 – XI ZR 160/99, WM 2000, 469. 5 Hadding, WuB I B 2.-2.00. 6 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, WM 1972, 309; BFH v. 10.11.1987 – VII R 171/84, WM 1988, 252; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 476; Heinrichs in Palandt, § 362 BGB Rz. 9.
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Die Überweisung
Zahlungsanspruch verschafft wird, kann eine Buchgeldzahlung mittels Überweisung der Barzahlung hinsichtlich der Erfüllung gleich erachtet werden1. Voraussetzung dieser Erfüllungswirkung ist aber, dass der Buchgeldzahler den geschuldeten Betrag dem Buchgeldempfänger „endgültig zur freien Verfügung“ überweist2. Unterhält der Überweisungsbegünstigte bei dem Empfängerinstitut kein Girokonto und wird ihm deshalb der Betrag auf einem Konto pro Diverse (CpD) gutgeschrieben, erwirbt er einen Zahlungsanspruch erst, wenn die Bank ihm das Recht einräumt, über den gutgeschriebenen Betrag jederzeit verfügen zu können3. Es kommt dann zum Abschluss eines Zahlungsdienstevertrags in der Form eines Einzelzahlungsvertrags gemäß § 675f Abs. 1 Satz 1 BGB, der auf einen Zahlungsvorgang in Form der Entgegennahme einer Zahlung gerichtet ist.
7.339
Schon nach früherem Recht bot es sich an, den Zeitpunkt der Forderungstilgung bereits auf den Eingang der für die Kontogutschrift bestimmten Deckung bei der kontoführenden Stelle des Buchgeldempfängers vorzuverlegen4. Damit wäre zugleich eine dogmatisch saubere Lösung für eine interessengerechte Verteilung des Transportrisikos einer Buchgeldzahlung geschaffen, auf die der für Schickschulden geltende § 270 BGB anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift müsste der Buchgeldzahler das Insolvenzrisiko der kontoführenden Stelle des Buchgeldempfängers tragen, wenn seine Verbindlichkeit erst mit der Kontogutschrift erlischt. Dieses Risiko trägt aber auch nach der herrschenden Meinung nicht der Buchgeldzahler, sondern der Buchgeldempfänger5. Dieser Widerspruch zur gesetzlichen Regelung wird mit einer Vorverlegung des Tilgungszeitpunkts schon auf den Eingang der Deckung bei dem Empfängerinstitut vermieden.
7.340
Für diese zeitliche Vorverlegung sprach überdies, dass der Buchgeldempfänger mit dem Eingang der Deckung bei seiner kontoführenden Stelle bereits den girovertraglichen Herausgabeanspruch (§ 667 BGB) erlangt, der nach dem BGH girovertraglich dahin gehend ausgestaltet ist, dass er auf Gutschrift auf dem Girokonto gerichtet ist6. Der Möglichkeit eines Widerrufs der Banküberweisung bis zur Gutschrift auf dem Konto des Buchgeldempfängers konnte im Übrigen dadurch Rechnung getragen werden, dass der Anspruch aus der Gutschrift durch einen rechtzeitigen Widerruf des Buchgeldzahlers auflösend bedingt angesehen wurde7.
7.341
1 BGH v. 21.12.1981 – II ZR 270/79, WM 1982, 291 (293). 2 BGH v. 23.1.1996 – XI ZR 75/95, WM 1996, 438 (439) = NJW 1996, 1207 f.; BGH v. 28.10.1998 – VIII ZR 157/97, WM 1999, 11. 3 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 21 (22). 4 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 207 ff. 5 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 109; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 476. Nach Bittner müsste sich der Buchgeldempfänger überdies ein Verschulden seiner kontoführenden Bank gemäß § 278 BGB anrechnen lassen, wenn hierdurch die Verschaffung der sich anschließenden Kontogutschrift scheitert (Bittner in Staudinger, Neubearb. 2009, § 270 BGB Rz. 21). 6 BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, WM 1978, 58 (59). 7 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 209.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Nach der Umsetzung der EG-Überweisungsrichtlinie lag es nahe, den Erfüllungszeitpunkt auf den Eingang des Überweisungsgegenwertes bei dem Empfängerinstitut vorzuverlegen. Denn das Recht des Überweisenden zur Kündigung des Überweisungsvertrages erlosch, wenn dem Empfängerinstitut die Kündigung nicht bis zu dem Zeitpunkt mitgeteilt worden war, in dem der Überweisungsgegenwert einem Konto dieses Instituts gutgeschrieben wurde (§ 676a Abs. 4 Satz 1 BGB aF). Zu einem späteren Zeitpunkt konnte der Anspruch des Empfängers auf Gutschrift nicht mehr auf Grund des Überweisungsvertrages zerstört werden1. Die Leistung des Überweisenden wurde damit endgültig. Auch wenn die Erteilung der Gutschrift auf dem Empfängerkonto noch fehlte, konnte gleichwohl bereits Erfüllung eingetreten sein, weil an den aus dem Girovertrag heraus empfangsberechtigten Überweisungsbegünstigten endgültig geleistet worden war2. Dieser war zwar wegen der fehlenden Kontogutschrift noch nicht unmittelbar verfügungsbefugt. Mit Rücksicht auf die dem Girokonto zugrunde liegende Kontokorrentabrede konnte der Bankkunde nur über das jeweilige Kontoguthaben in Form des sog. Tagessaldo verfügen, in den aber nur die auf dem Girokonto bereits erteilten Kontogutschriften einfließen. Das Empfängerinstitut schuldete aber die unbedingte und schnelle Herausgabe des Überweisungsgegenwertes durch Erteilung einer entsprechenden Kontogutschrift3. Die Buchung auf dem Eingangskonto des Empfängerinsituts hatte deshalb eine vergleichbare Qualität wie die Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsbegünstigten. Wegen der Fristgebundenheit und der Haftung der Empfängerbank war nach Gößmann/Häuser der Anspruch auf Gutschrift dem Bargeld nahe gerückt4. Im Übrigen ging das Verlustrisiko iS des § 270 BGB mit der Deckungsgutschrift auf dem Eingangskonto des Empfängerinstituts auf den Überweisungsbegünstigten über5. An dieser Rechtlage hat sich mit Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie in innerdeutsches Recht nichts geändert, denn gemäß § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht der Anspruch des Zahlungsempfängers auf Verfügbarmachung des Zahlungsbetrags in dem Augenblick, in dem der Zahlungsdienstleister den Zahlungsbetrag auf seinem Konto gutgeschrieben bekommen hat.
VIII. Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Banküberweisungen 1. Allgemeines
7.343
Wie bei Bargeldzahlungen kann es auch bei Überweisungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr zu einer Zahlung kommen, auf die der Überweisungsempfänger keinen Anspruch hat. Hier bewirkt die Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Girokonto des Überweisungsempfängers eine nicht gerecht1 2 3 4 5
Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 21. AA Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 21. Begr. RegE ÜG, BT-Drucks. 14/745, S. 13 u. 26. Gößmann/Häuser, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 21. Grundmann, WM 2000, 2269 (2283).
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Die Überweisung
fertigte Vermögensverschiebung zu seinen Gunsten. Die Korrektur einer solchen ungerechtfertigten Bereicherung erfolgt durch den gesetzlichen Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB), mit dessen Hilfe ein Rechtserwerb rückgängig gemacht werden kann, der zwar rechtsgültig vollzogen ist, aber eines rechtlichen Grundes (causa) mangelt. Ein solcher Bereicherungsausgleich zu Gunsten desjenigen, der durch den ungerechtfertigten Rechtserwerb einen entsprechenden Vermögensverlust erlitten hat, kann sich auch bei fehlerhaften Banküberweisungen vollziehen. Beauftragt zB der Zahlungsdienstenutzer nach Bezahlung einer Geldverbindlichkeit versehentlich seine kontoführende Stelle nochmals mit der Überweisung dieses Geldbetrages an seinen schon befriedigten Gläubiger, ist dieser um den ihm überwiesenen Betrag auf Kosten seines früheren Schuldners ohne rechtlichen Grund bereichert. Diese ungerechtfertigte Vermögensverschiebung soll der entsprechende Bereicherungsanspruch des irrtümlich Überweisenden gegen den Überweisungsempfänger wieder ausgleichen.
7.344
a) Komplexer Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis Der bereicherungsrechtliche Ausgleich bei fehlerhaften Überweisungen gehört wegen der enormen Vielfalt der Fallgestaltungen zu den am meisten erörterten Fragenkomplexen des Bereicherungsrechts, weil sich hier die eigentlichen bereicherungsrechtlichen Probleme stellen. Anders als bei der sich regelmäßig zwischen Gläubiger und Schuldner unmittelbar vollziehenden Barzahlung sind bei einer Überweisung mindestens drei Personen beteiligt. So ist ein Dreiecksverhältnis gegeben, wenn Gläubiger und Schuldner ihr Girokonto bei demselben Institut unterhalten. Sehr häufig werden aber diese beiden Girokonten als Ausgangspunkt und Zielpunkt der Überweisung bei verschiedenen Instituten unterhalten. Hier sind an der Überweisung mindestens vier, wenn nicht sogar weitere Personen beteiligt, wenn hierzu mehrere Zahlungsinstitute zwischengeschaltet werden müssen (sog. Girokette).
7.345
Beim Bereicherungsausgleich im Rahmen solcher Mehrpersonenverhältnisse ist deshalb zu bestimmen, welcher von den beteiligten Personen ein Ausgleichsanspruch gegen den ungerechtfertigt Bereicherten zusteht, weil er als „Leistender“ im Sinne des gesetzlichen Bereicherungsanspruches (§ 812 BGB) einzustufen ist1.
7.346
b) Grundlegende Korrektur der Rechtsprechung durch Bankrechtssenat des BGH Bei der Bestimmung des Bereicherungsgläubigers in dem zu entscheidenden Sachverhalt hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit häufig stereotyp 1 Ist der Leistende im bereicherungsrechtlichen Sinne bestimmt, so kommt dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten“ im Sinne des gesetzlichen Tatbestandes der Leistungskondiktion keine Bedeutung mehr zu (OLG München v. 19.12.1990 – 7 U 5649/ 89, WM 1993, 412 [413]; Sprau in Palandt, § 812 BGB Rz. 31).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
zum Ausdruck gebracht, dass sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbiete. Stets komme es auf die Besonderheiten des Einzelfalles an, die für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung derartiger Vorgänge zu beachten seien1.
7.348
Für die Rechtsanwendung war dieses konturlose Abstellen auf die Umstände des Einzelfalles eine keineswegs zufriedenstellende Entscheidungspraxis. Inzwischen ist diese Unsicherheit beim Bereicherungsausgleich im Bereich des Zahlungsverkehrs überwunden. Deshalb verzichtet der für alle Streitigkeiten aus dem Bereich des Zahlungsverkehrs ausschließlich zuständige XI. Zivilsenat des BGH bewusst auf den Vorbehalt, es würden sich „schematische Lösungen“ verbieten2.
7.349
Diese Korrektur der bisherigen BGH-Rechtsprechung ermöglicht die nachfolgende systematisierende Darstellung des Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungen3. Dabei besteht eine wesentliche Frage darin, ob Bereicherungsgläubiger das erstbeauftragte Institut oder ihr mit dem fehlerhaft überwiesenen Betrag belasteter Girokunde (nachfolgend kurz „beteiligter Girokunde“) ist, so dass dieser zwangsläufig von dem Bereicherungsausgleich behelligt wird. Die erforderliche Mitwirkung des Girokunden lässt zudem die praktische Abwicklung für alle Beteiligten spürbar komplizierter werden. c) Bestimmung der bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehung
7.350
Mit der Ermittlung des „Leistenden“ im Einzelfall werden bei einem Mehrpersonenverhältnis zugleich die bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehungen bestimmt, an der sich der Bereicherungsausgleich zu orientieren hat. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH4 vollzieht sich der Bereicherungsausgleich in den Fällen der Leistung kraft (An-)Weisung, zu denen auch die Überweisung gehört, grundsätzlich innerhalb des jeweiligen (fehlerhaften) Leistungsverhältnisses5. Ist also das Leistungsverhältnis zwischen Überweisendem (Anweisendem) und seinem mit der Überweisung (erst)beauftragten Institut (Angewiesener) fehlerhaft, vollzieht sich der Bereicherungsausgleich zwischen diesen Personen. Bei Fehlern im Leistungsverhältnis zwischen dem Überweisenden (Anweisenden) und dem Überweisungsempfängers (Anweisungsempfänger) ist dieser Ausgleich zwischen diesen vorzunehmen. Sind die beiden Leistungsverhältnisse fehlerhaft, so gilt nichts anderes6. 1 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24 mit Zitaten der einschlägigen Entscheidungen. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. 3 Vgl. Kümpel, WM 2001, 2273 ff. 4 Vgl. die Übersicht der BGH-Rechtsprechung seit 1.10.1950 zum Überweisungsverkehr von Nobbe in WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24 ff. 5 Vgl. BGH v. 25.9.1986 – VII ZR 349/85, WM 1986, 1381 (1382) mit Übersicht der BGH-Rechtsprechung = NJW 1987, 185 ff.; BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1421) = NJW 1994, 2357; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. 6 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24.
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7. Teil
Die Überweisung
Diesem Grundsatz liegen mehrere Wertungen zugrunde. Jede Partei eines fehlerhaften Leistungs-(Kausal-)verhältnisses soll ihre Einwendungen und Einreden gegen die andere Partei geltend machen können und zugleich vor Einwendungen und Einreden geschützt werden, die aus dem Rechtsverhältnis ihres Partners zu einem Dritten herrühren. Im Übrigen soll jeder Partner das Risiko der Zahlungsunfähigkeit derjenigen Person tragen, die sie sich selbst im Rahmen der Privatautonomie als Partner ausgesucht hat1.
7.351
aa) Bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff als Rechtsbegriff Das bereicherungsrechtliche Leistungsverhältnis im Mehrpersonenverhältnis bestimmt sich nach den Zwecken, den die Beteiligten mit den erfolgten Leistungen erreichen wollten. Denn Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinne ist „jede auf bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung gerichtete Zuwendung“2.
7.352
Die Anknüpfung des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs an die Zweckbestimmung dient dem Ziel, in Mehrpersonenverhältnissen die Zurechnung der sich im realen Leben faktisch vollziehenden Vermögensverschiebungen zu der bereicherungsrechtlich relevanten Leistungsbeziehung zu ermöglichen3.
7.353
Im bargeldlosen Zahlungsverkehr vollzieht sich die bereicherungsrechtliche Vermögensverschiebung faktisch durch die dem Überweisungsempfänger erteilte Kontogutschrift mit deren Wirksamwerden. Denn hierdurch erwirbt der Überweisungsempfänger einen Zahlungsanspruch, der nach allgemeiner Meinung als ein Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) einzustufen ist.
7.354
Beim bereicherungsrechtlichen „Leistungs“begriff handelt es sich also um einen Rechtsbegriff, für den es entscheidend darauf ankommt, welchem Beteiligten an dem Mehrpersonenverhältnis die faktische Leistung (Kontogutschrift) bereicherungsrechtlich zuzurechnen ist4. Dies ist im Überweisungsverkehr ganz überwiegend der Inhaber des belasteten Girokontos und nicht die bei der Überweisung mitwirkenden Zahlungsinstitut. Deshalb ist die Überweisung mit ihrem zugrunde liegenden Mehrpersonenverhältnis ein anschauliches Beispiel für ein solches Auseinanderfallen von faktischer Leistung und Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinne.
7.355
bb) Überweisung als Simultanleistung im Valuta- und Deckungsverhältnis Kommt es für den bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff entscheidend auf den mit der Leistung verfolgten Zweck an, ergeben sich bei einer Überwei1 Canaris in FS Larenz, 1973, 799 (802 f.); Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. 2 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1421); Sprau in Palandt, § 812 BGB Rz. 3 mwN; Blaurock, NJW 1984, 1 (3). 3 Lieb in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 812 BGB Rz. 23. 4 Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, 15. Aufl. 2010, Rz. 728, S. 349; Lieb in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 812 BGB Rz. 28.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
sung im Regelfall zwei Leistungsbeziehungen. Das erstbeauftragte Institut erbringt durch die Ausführung des Überweisungsauftrags eine Leistung an seinen Girokunden als Auftraggeber (Überweisender). Diese Leistungsbeziehung wird als Deckungsverhältnis bezeichnet, weil das Zahlungsinstitut als Leistungsschuldner hieraus den Gegenwert als „Deckung“ für ihre Leistung erhält1.
7.357
Zugleich bewirkt der Überweisende mit dieser ihm von seinem Zahlungsinstitut erbrachten Leistung eine gleiche Leistung an den Überweisungsempfänger dergestalt, dass diesem seine kontoführende Stelle eine Kontogutschrift erteilt2. Die Leistung des Zahlungsdienstleisters an seinen Girokunden fließt also gleichzeitig (simultan) in dessen Valutaverhältnis zwecks Erfüllung seiner darin wurzelnden Zahlungsverbindlichkeit und mutiert dort zu einer Leistung des Überweisenden im Rechtssinne3. Zur Veranschaulichung dieser Simultanleistung wird deshalb auch von einer „Umleitung“ der Überweisung auf dem Weg zum Überweisungsempfängers als ihrem Endziel gesprochen. Die Leistungsbeziehung zwischen Überweisenden und Überweisungsempfänger wird als Valuta- oder Zuwendungsverhältnis bezeichnet, weil sich hieraus für die „Zuwendung“ (Kontogutschrift) der Rechtsgrund ergibt, bei dessen Fehlen ein Bereicherungsausgleich geboten ist.
7.358
Die in der Ausführung des Überweisungsauftrags liegende Leistung des erstbeauftragten Instituts beinhaltet also gleichzeitig eine Leistung an ihren Girokunden (Deckungsverhältnis) und dessen Leistung an den Überweisungsempfänger (Valutaverhältnis). Eine solche „Simultan“leistung ist typisch für die Anweisung iS der §§ 783 ff. BGB. Beim Überweisungsauftrag liegt zwar keine Anweisung im Wortsinne vor4. Hieraus ergeben sich aber gleichwohl Parallelen zu den §§ 783 ff. BGB, die das Schrifttum häufig bei der dogmatischen Einordnung der Überweisung heranzieht5. cc) Zwischengeschaltete Institute regelmäßig als Leistungs„mittler“
7.359
Besteht wie im Regelfall einer Ausführung des Überweisungsauftrages eine bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehung im Valutaverhältnis zwischen Überweisenden und Überweisungsempfänger, fehlt es hinsichtlich der sich
1 Heinrichs in Palandt, Einf. v. § 328 BGB Rz. 3; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1, Allg. Teil, 14. Aufl. 1987, § 17 Ib, S. 222. 2 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1421) = NJW 1994, 2357 ff.; BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, WM 2001, 1454 (1456) = BGHZ 147, 269 ff. = NJW 2001, 2880 ff.; vgl. hierzu K. Schmidt, JuS 2001, 1122 f. 3 Schnauder, WM 1996, 1069 (1071). 4 Vgl. BGH v. 16.6.1983 – VII ZR 370/82, WM 1983, 908 (909) = BGHZ 87, 393 ff. = NJW 1983, 2499 ff.; vgl hierzu Kupisch, ZIP 1983, 1412 ff. Wegen der Unterschiede des Überweisungsauftrages zur bürgerlich-rechtlichen Anweisung vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 322. 5 Nach Schimansky kann das Anweisungsrecht als Argumentationshilfe allenfalls für bereicherungsrechtliche Fehlentscheidungen dienen (Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 12 ff., § 50 Rz. 2).
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Die Überweisung
zwischen diesen beiden Personen vollziehenden „Buchgeld“zahlung regelmäßig an einer bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen dem Überweisungsempfänger und den hierbei zwischengeschalteten Instituten (Giroketten). Denn das erstbeauftragte Zahlungsinstitut will dadurch, dass es der ihr auf dem Überweisungswege nachgeschalteten Stelle Deckung für die dem Überweisungsempfänger zu erteilende Kontogutschrift anschafft, eine Leistung an den Girokunden als ihren Auftraggeber erbringen1. Die in der Girokette jeweils nachgeschaltete Stelle will mit ihrer „Weiterleitung“ des überwiesenen Betrages eine Leistung an die ihr vorgeschaltete Stelle erbringen, die sie hiermit beauftragt hat. Die beim bargeldlosen Zahlungsverkehr des erstbeauftragten Instituts nachgeschalteten Institute sind also „Durchgangsstationen“ beim „Transport“ des Buchgeldes vom Girokonto des Überweisenden auf das Girokonto des Überweisungsempfängers. Dies gilt auch für die kontoführende Stelle des Überweisungsempfängers in ihrer Rolle als letztbeauftragtes Institut in der Überweisungskette2. Deshalb sind die Zahlungsinstitute in diesen Fallkonstellationen keine Leistenden iS des § 812 BGB, sondern nur Leistungs„mittler“3. Die für den bargeldlosen Zahlungsverkehr typischen Mehrpersonenverhältnisse lassen sich also im Überweisungsverkehr praktisch auf das Dreiecksverhältnis „rechtswidrig belasteter Girokunde, seine kontoführende (erstbeauftragte) Stelle und Überweisungsempfänger“ reduzieren4. Dementsprechend kommen bei fehlerhaften Überweisungen als Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs regelmäßig der belastete Girokunde oder seine kontoführende Bank in Betracht. In extremen Ausnahmefällen kann ein Bereicherungsanspruch auch des Zahlungsdienstleisters des Überweisungsempfängers gegen dessen Girokunden zustehen.
7.360
2. Rechtswidrig belasteter Girokunde als Bereicherungsgläubiger Wie die Bargeldzahlung dient auch die bargeldlose Zahlung im Giroverkehr regelmäßig der Erfüllung von Geldschulden. Aus wirtschaftlicher Sicht stehen deshalb die Leistungsbeziehung zwischen Überweisendem als Schuldner und Überweisungsempfänger (Gläubiger) und damit das sog. Valutaverhältnis ganz im Vordergrund. Buchungstechnisch zeigt sich dies darin, dass Ausgangspunkt der Überweisung das mit dem überwiesenen Betrag belastete Girokonto des Überweisenden und Zielpunkt das Girokonto des Überweisungsempfän-
1 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1421) = NJW 1994, 2357. 2 BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977, 1196 (1197); vgl. weiter Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 2 ff. 3 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 2, Besonderer Teil, 12. Aufl. 1981, S. 526. Dieselben Grundsätze gelten nach der BGH-Rechtsprechung auch für das Inkasso von Lastschriften als „rückläufige Überweisungen“ und von Schecks. Denn die Rechtsfigur der Leistung kraft (An-)Weisung kann bei allen Varianten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs als rechtliche Klammer dienen (Schwark, ZHR 151 [1987], 325 [342]). 4 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 2 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
gers ist. Deshalb hat sich der Bereicherungsausgleich ganz überwiegend in dem zwischen diesen beiden Kontoinhabern bestehenden (Valuta-)Verhältnis zu vollziehen1. a) Fehlerhaftes Valutaverhältnis
7.362
Bereicherungsrechtlich unproblematisch sind die fehlerhaften Überweisungen, wenn das Deckungsverhältnis der erstbeauftragten Stelle zu ihrem belasteten Girokunden mängelfrei ist und deshalb die Fehlerhaftigkeit allein im Valutaverhältnis wurzelt. Wie bei der Barzahlung erwirbt der mit dem Überweisungsbetrag belastete Girokunde einen Bereicherungsanspruch gegen seinen Vertragspartner (Überweisungsempfänger), wenn das Valutaverhältnis fehlerhaft ist, etwa wenn der Rechtsgrund für die Zahlung im Valutaverhältnis nach Erteilung der Kontogutschrift wegen eines wirksamen Rücktritts vom zugrunde liegenden Vertrag wegfällt2. Der Kontogutschrift kann aber der rechtliche Grund bereits bei ihrer Erteilung mangeln, wenn der Überweisende zB seinen Gläubiger im Auftragsformular irrtümlich falsch bezeichnet hat und deshalb die fehlgeleitete Überweisung keine Tilgungswirkung im Valutaverhältnis entfalten konnte. Hier ist also Schuldner des bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruches der durch die irrtümliche Kontogutschrift bereicherte Dritte3.
7.363
Ein Bereicherungsanspruch des Buchgeldzahlers gegen den Buchgeldempfänger kann jedoch auch bei einem intakten Valutaverhältnis entstehen. Dies gilt insbesondere, wenn die Überweisung den im Valutaverhältnis getroffenen Absprachen widerspricht. So kann der Überweisungsempfänger Barzahlung verlangt oder ein anderes Girokonto bestimmt haben4. Der Bereicherungsanspruch gründet sich in diesen Fällen darauf, dass der mit der Überweisung bezweckte Erfolg (Tilgung der zugrunde liegenden Geldschuld) nicht eingetreten ist5. b) Fehlerhaftes Deckungsverhältnis
7.364
Soweit die Überweisung aus der Sicht des Deckungsverhältnisses fehlerhaft ist, etwa wenn die mit der Überweisung beauftragte Stelle den Überweisungs1 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 9; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 28. 3 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 mwN = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f.; vgl. hierzu Häuser, ZIP 1995, 89 ff.; BGH v. 9.5.2000 – XI ZR 276/99, WM 2000, 1379 (1380) = BGHZ 144, 245 ff. = NJW 2000, 2503 f.; vgl. hierzu Schwark, EWiR 2001, 463 f. 4 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908) = BGHZ 87, 246 ff. = NJW 1983, 2501 f. 5 Zu der Frage, ob der Überweisende mit diesem Bereicherungsanspruch gegen seine – wegen der fehlgeschlagenen Tilgung – fortbestehende Geldschuld aus dem Valutaverhältnis aufrechnen kann, vgl. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 27.
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7. Teil
Die Überweisung
betrag versehentlich zweimal überwiesen hat, kann sie dem belasteten Girokunden nicht zugerechnet werden. Infolge der hier unzulässigen Zurechenbarkeit hat den Bereicherungsanspruch nicht der Girokunde, sondern sein Zahlungsinstitut (sog. Durchgriffskondiktion). Ist dagegen eine solche Zurechnung der fehlerhaften Überweisung trotz Fehlens eines wirksamen Zahlungsauftrages möglich, erwirbt der belastete Girokunde einen Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger, wenn dieser die Fehlerhaftigkeit nicht gekannt hat. Dies ist zB der Fall, wenn der Girokunde seinen Überweisungsauftrag zwar rechtzeitig widerrufen hatte, der Überweisungsempfänger aber in der empfangenen Kontogutschrift eine Leistung des Girokunden auf den ihm geschuldeten Betrag gesehen hat. Bei Kenntnis der Fehlerhaftigkeit steht dagegen der Bereicherungsanspruch dem erstbeauftragten Institut zu.
7.365
c) Mängelbehaftetes Valuta- und Deckungsverhältnis (sog. Doppelmangel) Sind fehlerhafte Ausführungen von Überweisungsaufträgen dem Inhaber des belasteten Girokontos als Buchgeldzahlung zuzurechnen, ist es für den Bereicherungsausgleich grundsätzlich unerheblich, ob nur das Valutaverhältnis oder auch das Deckungsverhältnis zwischen Zahlungsinstitut und belastetem Girokunden fehlerhaft ist. Ein solcher sog. Doppelmangel liegt beispielsweise vor, wenn ein Dauerauftrag wegen regelmäßig wiederkehrender Zahlungsverpflichtungen erteilt worden ist und nach seiner Kündigung gemäß § 675h Abs. 1 BGB wegen Fortfalls dieser Verbindlichkeiten von dem ursprünglich beauftragten Institut nicht berücksichtigt worden ist1. Der Fall des Doppelmangels weist also grundsätzlich keine bereicherungsrechtlichen Besonderheiten auf2.
7.366
3. Zahlungsinstitut des rechtswidrig belasteten Girokunden als Bereicherungsgläubiger Das Zahlungsinstitut des Inhabers des belasteten Girokontos kann je nach den Umständen des Einzelfalles einen Bereicherungsanspruch gegen seinen Girokunden oder ausnahmsweise direkt gegen den Überweisungsempfänger erwerben (sog. Durchgriffskondiktion). Hier stellt sich das am meisten erörterte Problem des Bereicherungsanspruchs im Mehrpersonenverhältnis.
7.367
a) Bereicherungsanspruch gegen den Girokunden Das Zahlungsinstitut des belasteten Kontoinhabers will mit der Überweisung seinem Kunden eine Leistung erbringen. In keinem Fall bezweckt dieses Insti1 BGH v. 19.1.1984 – VII ZR 110/83, WM 1984, 423 (424) = BGHZ 89, 376 ff. = NJW 1984, 1348 ff.; vgl. hierzu Canaris, JZ 1984, 627 ff. 2 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 50 Rz. 3; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
tut eine eigene Leistung an den Überweisungsempfänger. Die Überweisung bezweckt also eine Leistung des Zahlungsdienstleisters in seinem (Deckungs-) Verhältnis zum belasteten Girokunden. Diese Leistung soll zugleich in das Valutaverhältnis zwischen dem Girokunden als Überweisendem und dem Überweisungsempfänger „umgeleitet“ werde, um dort als schuldtilgende Leistung des Girokunden erscheinen zu können.
7.369
Ist also das Deckungsverhältnis zwischen Zahlungsinstitut und seinem Girokunden fehlerhaft, etwa weil das Institut versehentlich einen rechtzeitig widerrufenen Überweisungsauftrag ausgeführt hat, erwirbt das Institut einen Bereicherungsanspruch gegen seinen Girokunden. Mit Hilfe dieses Bereicherungsanspruchs kann das Zahlungsinstitut sodann den vermögensmäßigen Ausgleich dafür suchen, dass es wegen des weggefallenen Zahlungsauftrags keinen entsprechenden auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 675u, 670 BGB) gegen ihren Girokunden erworben hat.
7.370
Ein solcher Bereicherungsanspruch des Zahlungsinstituts ist insbesondere gegeben, wenn die Kontogutschrift im Valutaverhältnis zwischen belastetem Girokunden und Überweisungsempfänger Tilgungswirkung hatte, der Girokunde also von seiner Schuld befreit und dadurch sein Vermögen vermehrt worden ist. Fehlt es dagegen im Valutaverhältnis an einer solchen Zahlungsverbindlichkeit, erwirbt das Zahlungsinstitut bei fehlerhaftem Deckungsverhältnis einen Anspruch gegen seinen Girokunden auf Abtretung seines Bereicherungsanspruches gegen den Überweisungsempfänger, der seinerseits um die durch die Kontogutschrift rechtsgrundlos empfangene Überweisung bereichert ist („Doppel“kondiktion statt einstufiger „Durchgriffs“kondiktion)1. b) Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger
7.371
Ein Bereicherungsausgleich zwischen dem erstbeauftragten Institut und seinem mit dem überwiesenen Betrag belasteten Girokunden erfolgt nur in den Fällen, in denen die Überweisung diesem Kunden als seine Leistung an den Überweisungsempfänger zuzurechnen ist. Ist eine solche Zurechenbarkeit ausgeschlossen, stellt sich die fehlerhafte Überweisung als eine Leistung des erstbeauftragten Instituts an den Überweisungsempfänger dar mit der Folge, dass sich der Bereicherungsausgleich zwischen diesem Institut und dem Überweisungsempfänger zu vollziehen hat. aa) Belastetem Girokunden nicht zurechenbare Fehlüberweisung
7.372
Wie die umfangreiche Rechtsprechung zeigt, kann es aus den unterschiedlichsten Gründen an einer bereicherungsrechtlichen Leistung fehlen. Ein besonders anschauliches Beispiel ist, wenn der Inhaber des belasteten Girokontos einen wirksamen Überweisungsauftrag überhaupt nicht erteilt hat. Hier hat das erstbeauftragte Institut nur erfolglos versucht, eine Leistung an ihren 1 BGH v. 1.6.1989 – III ZR 261/87, WM 1989, 1364 (1367) = NJW 1989, 2879 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 430; Blaurock, NJW 1984, 1 (2).
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7. Teil
Die Überweisung
Kontoinhaber zu erbringen. Denn die Überweisung des Instituts an den Überweisungsempfänger kann seinem Girokunden nicht zugerechnet werden. Der belastete Kunde hat sie nicht veranlasst und auch keinen Anschein dafür gesetzt, die Zahlung sei seine Leistung1. Dieses Ergebnis ist allein sach- und interessengerecht2. Das Interesse der Allgemeinheit am ungehinderten Ablauf des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bleibt unberührt. Es fordert nicht, dass auch der Empfänger einer vom belasteten Kontoinhaber nicht veranlassten Überweisung von Störungen in den Drittbeziehungen möglichst verschont werden müsste. Das Vertrauen des Verkehrs in Buchgeldzahlungen findet dort seine Grenze, wo solche Zahlungen ohne wirksamen Auftrag des belasteten Girokunden erfolgt sind3. Der zu Unrecht belastete Kontoinhaber muss in diesen Fällen von der fehlerhaften Überweisung unbehelligt bleiben. Eine andere Betrachtungsweise lässt nach Ansicht des BGH den in der Rechtsscheinlehre allgemein anerkannten Grundsatz außer Betracht, dass der gutgläubige Vertragsgegner nur dann geschützt werden kann, wenn der andere Vertragsteil den Rechtsschein in zurechenbarer Weise hervorgerufen hat4. Zudem wird der Überweisungsempfänger hinreichend vor den rechtlichen Folgen einer Durchgriffskondiktion das erstbeauftragten Institut durch die Regeln des § 818 Abs. 3 BGB geschützt5.
7.373
Zu diesen, dem belasteten Girokunden nicht zurechenbaren Überweisungen liegt eine umfangreiche Judikatur, insbesondere des BGH, vor. Danach gehören hierzu die „Schein“anweisung6, der versehentlich doppelt ausgeführte Überweisungsauftrag, die Überweisung des zehnfachen Betrages der im Auftrag bezifferten Summe7, die Überweisung an einen anderen als den im Überweisungsauftrag bezeichneten Empfänger8, der gefälschte Überweisungsauftrag9, der Auftrag eines Geschäftsunfähigen10 und die Nichtigkeit des Überweisungsauftrages11. Ebenso wenig kann dem belasteten Kontoinhaber die Er-
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Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. BGH v. 31.5.1976 – VII ZR 218/74, WM 1976, 707. BGH v. 5.11.2002 – XI ZR 381/01, WM 2003, 14 (15). BGH v. 20.3.2001 – XI ZR 157/00, WM 2001, 954 (957) = BGHZ 147, 145 ff. = NJW 2001, 1855 f.; vgl. hierzu Löhnig, JA 2001, 622 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. BGH v. 5.11.2002 – XI ZR 381/01, WM 2003, 14 (15). BGH v. 25.9.1986 – VII ZR 349/85, WM 1986, 1381 (1382) = NJW 1987, 185 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 27. BGH v. 9.3.1987 – II ZR 238/86, WM 1987, 530 ff. = NJW 1987, 1825 f.; BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, WM 1995, 352 (353) = NJW 1995, 1484 ff. BGH v. 20.6.1990 – XII ZR 93/89, WM 1990, 1280 (1281) = NJW-RR 1990, 1200 ff.; BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 = NJW 1994, 2357 ff.; OLG Köln v. 31.5.1996 – 2 U 18/96, WM 1996, 2007 (2009); vgl. OLG Naumburg v. 28.5.1997 – 5 U 46/96 für die Einlösung eines gefälschten Schecks an einen gutgläubigen Schecknehmer (WM 1998, 593 [596]). BGH v. 20.6.1990 – XII ZR 98/89, WM 1990, 1531 = BGHZ 111, 382 ff. = NJW 1990, 3194 f.; vgl. hierzu Flume, NJW 1991, 2521 ff. Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25, wonach in Ausnahmefällen ein Bereicherungsanspruch des belasteten Kunden sogar möglich erscheint, wenn im Innenver-
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
teilung eines Überweisungsauftrages durch einen nicht bevollmächtigten Dritten zugerechnet werden, weil dies der Wertung des § 179 BGB für die Fälle der fehlenden Vertretungsmacht entgegenstünde1.
7.375
Dabei macht es keinen Unterschied, ob für den belasteten Kontoinhaber ein vollmachtloser Einzelvertreter oder lediglich einer von mehreren nur gesamtvertretungsberechtigten Kontobevollmächtigten gehandelt hat. Für eine Zurechnung der vollmachtlosen und deshalb unwirksamen Überweisung mangelt es auch in diesen Fällen an der notwendigen Wertungsbasis, wie sie bei einem rechtzeitigen Widerruf eines Überweisungsauftrages gegeben ist. Hier hat der belastete Kontoinhaber einen zurechenbaren Anlass für die Überweisung und damit eine Ursache für den Anschein gesetzt, dass diese Zahlung seine Leistung sei2.
7.376
Bei den fehlerhaften Überweisungen, die dem belasteten Girokunden nicht zugerechnet werden können, wird deshalb der Überweisungsempfänger durch die Kontogutschrift auf Kosten des Zahlungsdienstleisters und nicht ihres belasteten Girokunden bereichert. Die „Entreicherung“ des Zahlungsdienstleisters als notwendiges Gegenstück zur „Bereicherung“ des Überweisungsempfängers beruht darauf, dass der Zahlungsdienstleister wegen fehlendem Zahlungsauftrags gemäß § 675u BGB keinen girovertraglichen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB erwirbt, der die Verminderung seines Vermögens infolge der irrtümlichen Überweisung kompensieren könnte. Dem Zahlungsdienstleister steht deshalb in den Fällen der seinem Girokunden nicht zurechenbaren Überweisungen ein Bereicherungsanspruch unmittelbar gegen den Überweisungsempfänger zu.
7.377
Dementsprechend wird bei diesen Fallkonstellationen auch vom „Direkt“anspruch des Zahlungsdienstleisters und dessen „Durchgriffs“kondiktion gesprochen3. Bei einem Mehrpersonenverhältnis könnte theoretisch der Ausgleich infolge einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung auch mittelbar (indirekt) dadurch vorgenommen werden, dass auch der belastete Girokunde als Bereicherungsschuldner eingestuft wird. Denn solche fehlerhaften Überweisungen führen regelmäßig auch zu einer Bereicherung des belasteten Girokunden. Soweit die Überweisung trotz ihrer Fehlerhaftigkeit die Erfüllung einer Zahlungsverbindlichkeit des belasteten Girokunden aus dem Valutaverhältnis bewirkt, ist der Kunde um diese Schuldbefreiung „bereichert“. hältnis zur Bank eine Risikoabwälzung auf den Kunden vorliegt ungeachtet dessen, dass die Bank keinen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) gegen ihren Kunden erworben hat. 1 OLG Düsseldorf v. 4.6.1993 – 17 U 214/92, WM 1993, 1327; Blaurock, NJW 1984, 1 (3); Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. 2 BGH v. 20.3.2001 – XI ZR 157/00, WM 2001, 954 (956) mwN = BGHZ 147, 145 ff. = NJW 2001, 1855 f. 3 Eine solche Durchgriffskondiktion ist der Bank auch bei einer Kontopfändung möglich, wenn sie an den Vollstreckungsgläubiger ihres Kontoinhabers (Hauptschuldner) irrtümlich einen das Kontoguthaben übersteigenden Betrag zahlt oder sich bei dieser Zahlung über die Rangfolge der Vollstreckungsgläubiger irrte (OLG Düsseldorf v. 20.8.2001 – 1 U 199/00, WM 2002, 74 [75]).
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7. Teil
Die Überweisung
Ohne diese Erfüllungswirkung ist der Überweisungsempfänger um die Kontogutschrift „bereichert“, so dass der belastetet Girokunde gegen diesen einen Bereicherungsanspruch erwirbt. Diese Bereicherung kann sodann der zahlungsdienstleister von seinem Girokunden nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen herausverlangen, weil er die versehentliche Belastungsbuchung auf dessen Girokonto rückgängig machen muss und deshalb wegen des von ihm fehlerhaft überwiesenen Betrags „entreichert“ ist („Doppel“kondiktion statt einstufiger „Durchgriffs“kondiktion). Der bei einer solchen „Durchgriffs“kondiktion direkt vorzunehmende Bereicherungsausgleich zwischen dem Überweisungsempfänger und dem Zahlungsdienstleister des belasteten Girokunden stellt eine sog. „Nichtleistungskondiktion“ dar1. Diese Variante der ungerechtfertigten Bereicherung ist gegeben, wenn sie nicht „durch die Leistung eines anderen“ (sog. Leistungskondiktion), sondern „in sonstiger Weise“ erfolgt ist (vgl. § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB). Denn der Zahlungsdienstleister will auch in den Fällen eines wegen Zweckverfehlung misslungenen Leistungsversuches stets an seinen belasteten Kunden und nicht etwa an den Überweisungsempfänger (Bereicherungsschuldner) leisten2. Deshalb stellt die dem Überweisungsempfänger verschaffte Kontogutschrift auch keine Leistung des Zahlungsdienstleisters als Dritten iS des § 267 Abs. 1 BGB dar3.
7.378
Soweit dem Zahlungsdienstleister des rechtswidrig belasteten Girokunden ein solcher Direktanspruch gegen den Überweisungsempfänger zusteht, erwirbt der belastete Girokunde keinen Bereicherungsanspruch gegen den Überweiserempfänger, insbesondere scheidet eine „Nichtleistungs“kondiktion des Girokunden gegen den Überweisungsempfänger aus. Denn der Empfänger des Überweisungsbetrages ist auch nicht „in sonstiger Weise“ auf Kosten des hiermit belasteten Girokunden iS des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB bereichert. Eine solche Bereicherung zu Lasten des Girokunden scheidet aus, da sein Zahlungsdienstleister diese Belastungsbuchung rückgängig machen muss. Denn sie hat infolge fehlenden Zahlungsauftragsauftrages gemäß § 675u BGB keinen girovertraglichen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB gegen ihren Kontoinhaber erworben. Deshalb findet die Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers als ein vermögensmehrender Vorgang nicht das erforderliche Gegenstück in einem entsprechendem Vermögensverlust des vermeintlich überweisenden Schuldners. Somit ist der Überweisungsempfänger auf Kosten des Zahlungsdienstleiiters und nicht des von ihm zu Unrecht belasteten Kunden bereichert worden4.
7.379
1 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. 2 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1421) = NJW 1994, 2357 ff. 3 BGH v. 20.3.2001 – XI ZR 157/00, WM 2001, 954 (956) = BGHZ 147, 145 ff. = NJW 2001, 1855 f. 4 Vgl. weiter BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1422), wonach auch die mit der ungerechtfertigten Belastungsbuchung verbundene Beeinträchtigung der jederzeitigen Verfügbarkeit von Giroguthaben nicht im kondikitonsrechtlichen Sinne mit der Bereicherung des Überweisungsempfängers aus der zu Unrecht erhaltenen Kontogutschrift korrespondiert.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
bb) Unbeachtlichkeit der „Gutgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers
7.380
Kann die fehlerhafte Überweisung dem belasteten Girokunden nicht zugerechnet werden, ist es unerheblich, wenn sich die Kontogutschrift aus der Sicht des Buchgeldempfängers als eine Zahlung dieses Kontoinhabers darstellt1. Der sog. Empfängerhorizont des Buchgeldempfängers vermag nach dem BGH und dem überwiegenden Schrifttum die fehlende Tilgungs- und Zweckbestimmung des belasteten Girokunden nicht zu ersetzen. Es entspricht einer allgemeinen Erkenntnis der Rechtsscheinlehre, dass der gutgläubige Vertragsgegner bei fehlender Zurechenbarkeit nicht geschützt werden kann2.
7.381
Die „Gutgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers kann also bei der Einzelfallentscheidung nur dann in die Waagschale gelegt werden, wenn die fehlerhafte Überweisung dem belasteten Girokunden zugerechnet werden kann. Infolge dieser Zurechenbarkeit stellt sich sodann diese Überweisung bereicherungsrechtlich als eine Leistung des Girokunden dar, so dass grundsätzlich der Bereicherungsausgleich zwischen dem vermeintlich Überweisenden und dem Überweisungsempfänger vorzunehmen ist. Erst dann stellt sich die Anschlussfrage, ob sich an diesem Ergebnis bei „Bösgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers etwas ändert, weil es in den Fällen der Zurechenbarkeit entscheidend auf den Empfängerhorizont des Überweisungsempfängers ankommen muss (vgl. hierzu nachfolgend). cc) Belastetem Girokunden zurechenbare Fehlüberweisung
7.382
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich wiederholt mit Sachverhalten zu beschäftigen gehabt, bei denen die fehlerhafte Überweisung dem belasteten Girokunden trotz Fehlens eines wirksamen Überweisungsauftrages zuzurechnen war mit der Folge, dass der Bereicherungsanspruch dem Girokunden zuzuordnen war. In den ganz überwiegenden Fällen hatte der Überweisungsempfänger die Fehlerhaftigkeit nicht erkannt und deshalb in dem ihm gutgeschriebenen Betrag eine Leistung des belasteten Girokunden als vermeintlich Überweisenden erblickt. Nach der zahlreichen Rechtsprechung ist eine Zurechenbarkeit insbesondere gegeben, wenn der Zahlungsdienstleister einen Widerruf (bzw. bei der bis zum 30.10.2009 geltenden Rechtslage eine Kündigung) oder eine wirksame Pfändung übersehen hat. Hier wurzelt der dem Zahlungsdienstleister unterlaufene Fehler in seinem Rechtsverhältnis zum belasteten Girokunden3. Ein weiteres anschauliches Beispiel ist die Änderung eines Dauerauftrages, die von dem Zahlungsdienstleister unbeachtet bleibt. Bereicherungsrechtlich gleich zu behandeln ist auch der Fall, in dem der Zahlungsdienstleister auf Grund eines Dauerauftrages versehentlich über eine längere Zeit einen erhöhten Betrag über-
1 Canaris, JZ 1987, 201. 2 BGH v. 20.3.2001 – XI ZR 157/00, WM 2001, 954 (956) mwN = BGHZ 147, 145 ff. = NJW 2001, 1855 f.; OLG Bamberg v. 23.2.2000 – 8 U 53/99, NJW-RR 2001, 129; vgl. weiter BGH v. 24.4.2001 – VI ZR 36/00, WM 2001, 1454 (1456) = BGHZ 147, 269 ff. = NJW 2001, 2880 ff.; Schnauder, NJW 1999, 2841 ff.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. 3 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 26.
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7. Teil
Die Überweisung
weist und der Überweisungsempfänger damit rechnen durfte, dass es sich insoweit um eine Unterhaltserhöhung durch den Buchgeldzahler handelt1. Zu der Kategorie der zurechenbaren fehlerhaften Überweisungen dürften auch sonstige Fälle der nachträglichen Beseitigung des Überweisungsauftrages gehören, selbst wenn dies wie bei der Anfechtung mit rückwirkender Kraft (§ 142 Abs. 1 BGB) geschieht2. Streng genommen war auch hier zunächst ein Zurechnungsgrund vorhanden. Ein solcher ursprünglich wirksam erteilter Überweisungsauftrag könnte es rechtfertigen, diese Leistung dem Inhaber des belasteten Girokontos zuzuordnen. Deshalb ist nach der von Schimansky vertretenen Ansicht auch hier der Bereicherungsausgleich im Deckungsverhältnis zwischen dem belasteten Kontoinhaber und seiner Bank vorzunehmen. Dies entspräche im Übrigen dem Grundgedanken der anfechtungsrechtlichen Schadensersatznorm des § 122 BGB3.
7.383
dd) Kenntnis des Überweisungsempfängers von der Fehlerhaftigkeit Durchgriffskondiktion des Zahlungsdienstleisters bei einer seinem Girokunden zurechenbaren Überweisung ist auch in den Ausnahmefällen gegeben, in denen der Überweisungsempfänger wusste, dass die Überweisung auf einem fehlerhaften Verhalten des Zahlungsdienstleisters beruht. Klassisches Beispiel ist der Fall, in dem dem Überweisungsempfänger der rechtzeitige Widerruf des zu seinen Gunsten erteilten Überweisungsauftrages bekannt war. Hier kann es aus der in diesen Fällen maßgeblichen Sicht des Überweisungsempfängers um keine Leistung des belasteten Kontoinhabers handeln4. Denn der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff erfordert eine auf „bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung gerichtete Zuwendung“.
7.384
Hat der Überweisungsempfänger den rechtzeitigen Widerruf des Überweisungsauftrages durch den hiermit belasteten Kontoinhaber gekannt, kann er in der ihm versehentlich erteilten Kontogutschrift keine Überweisung erblicken, mit der der belastete Kontoinhaber eine für ihn bestimmte Leistung bezweckte. Die „Bösgläubigkeit“ des Überweisungsempfängers verdrängt also die „Zurechenbarkeit“, die beim Bereicherungsausgleich anlässlich einer fehlerhaften Überweisung das vorrangige Entscheidungskriterium für die Frage darstellt, ob der Bereicherungsanspruch dem belasteten Kontoinhaber oder seinem Zahlungsdienstlesiter zusteht.
7.385
4. Rechtsposition des Empfängerinstituts beim Bereicherungsausgleich Das Zahlungsinstitut des Überweisungsempfängers kann grundsätzlich einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen seinen ungerechtfertigt bereicherten Girokunden erwerben. Im Regelfall nimmt jedoch das Empfängerins1 2 3 4
Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 27. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 18. Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 19. Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 26.
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7.386
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
titut am Bereicherungsausgleich nicht teil, weil es als letztes Glied in der Überweisungskette bei der Erteilung der Gutschrift kein Leistender, sondern nur Leistungs„mittler“ im bereicherungsrechtlichen Sinne ist. a) Empfängerinstitut als Bereicherungsgläubiger
7.387
In seltenen Ausnahmefällen erwirbt auch das Zahlungsinstitut des Überweisungsempfängers (Empfängerinstitut) infolge seiner versehentlichen Kontogutschrift einen Bereicherungsanspruch gegen seinen Girokunden (Überweisungsempfänger). Diesen Zahlungsanspruch kann es durch Ausübung ihres AGB-mäßigen Stornorechts im Wege der Selbsthilfe durchsetzen.
7.388
Umstritten ist, ob dem Empfängerinstitut zusätzlich zu seinem Bereicherungsanspruch ein mit diesem in Anspruchskonkurrenz stehender vertraglicher Rückzahlungsanspruch zusteht. Bei Bestehen eines solchen vertraglichen Zahlungsanspruches würde der Girokunde trotz Wegfalls der Bereicherung auch bei (unverschuldeter) Unkenntnis der Rechtsgrundlosigkeit rückzahlungspflichtig. Eine solche vertragliche Rückzahlungspflicht würde jedoch die durch §§ 818 Abs. 3, 819 BGB gezogene Opfergrenze überschreiten1.
7.389
Dieser unmittelbare Bereicherungsausgleich in der Leistungsbeziehung zwischen Überweisungsempfänger und seinem Zahlungsinstitut ist insbesondere gegeben, wenn dem Institut kein Auftrag zur Erteilung dieser Kontogutschrift erteilt worden ist, etwa bei einer irrtümlichen Doppelbuchung oder einer Buchung auf einem falschen Konto2.
7.390
Dieser Bereicherungsanspruch des Überweisungsinstituts besteht unabhängig von einem etwaigen Regressanspruch gegen seinen Kontoinhaber, weil dieser die irrtümliche Kontogutschrift schuldhaft (mit)verursacht hat. Ein Schaden entsteht dem Empfängerinstitut aber nur, soweit sein Bereicherungsanspruch nicht durchsetzbar ist. Dieser Ersatzanspruch ist also nur subsidiär3. b) Empfängerinstitut als bloßer Leistungs„mittler“
7.391
Das Empfängerinstitut ist hinsichtlich der bei ihm eingehenden Überweisungen in einer Doppelrolle tätig. Zum einen ist es im Rahmen des Girovertrages mit seinem Kunden zur Entgegennahme der für ihn bestimmten Buchgeldzahlungen ermächtigt4. In dieser Rolle bezweckt das Empfängerinstitut mit der Kontogutschrift seine girovertragliche Verpflichtung gegenüber seinem Kunden zur Herausgabe des für ihn empfangenen Geldbetrages zu erfüllen5. Aus der Sicht dieser Zweckbestimmung für die Erteilung der Kontogutschrift 1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 434. 2 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, WM 1995, 352 = NJW 1995, 1484; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 25. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 436. 4 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f.; Hadding/Häuser, WM 1989, 1149 (1154); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 387. 5 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 9.
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7. Teil
Die Überweisung
besteht also ein bereicherungsrechtliches Leistungsverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner kontoführenden Stelle. Zum anderen bezweckt das Empfängerinstitut mit der Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Girokonto des Überweisungsempfängers, den Auftrag der ihm in der Überweisungs-(Giro-)kette unmittelbar vorgeschalteten Stelle auszuführen. Insoweit befindet sich das Empfängerinstitut in der Rolle des Letztbeauftragten, der die mehrgliedrige Überweisungskette bildenden Institute1. Das Empfängerinstitut wird hierbei als Beauftragter der ihr unmittelbar vorgeschalteten Stelle tätig, der es wegen des zugrunde liegenden Girovertragsverhältnisses die Erteilung der Kontogutschrift schuldet. Bei einer solchen Kontogutschrift handelt es sich um einen vermögensneutralen und damit bereicherungsrechtlich irrelevanten Zahlungsvorgang, wenn das Empfängerinstitut wie regelmäßig von der ihr vorgeschalteten Stelle den Gegenwert als Deckung für die erteilte Gutschrift erhält.
7.392
Beim Bereicherungsausgleich hat jedoch nach der BGH-Rechtsprechung das zwischen dem Überweisungsempfänger und dem Inhaber des belasteten Girokontos bestehende Leistungs-(Valuta-)Verhältnis den Vorrang. Deshalb steht bereicherungsrechtlich im Vordergrund die Rolle der kontoführenden Stelle des zu Unrecht belasteten Girokunden als erstbeauftragtes Institut in der Überweisungskette, wie sie von den mitwirkenden Instituten als bloße Leistungsmittler gebildet wird. Dagegen tritt die Rolle des Zahlungsdienstleisters des Überweisungsempfängers als letztes Glied der Überweisungskette beim bargeldlosen Zahlungsverkehr stark in den Hintergrund2.
7.393
Nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen erwirbt deshalb das Empfängerinstitut keinen Bereicherungsanspruch, wenn es dem Überweisungsempfänger versehentlich eine Gutschrift erteilt, weil es – und nicht das erstbeauftragte Institut – den noch rechtzeitig bei ihr eingegangenen Rückruf des Überweisungsauftrages durch den hiermit belasteten Girokunden unbeachtet gelassen hat. Wertungsmäßig ist hier der gleiche Sachverhalt wie bei einem bereits von dem erstbeauftragten Institut übersehenen Rückruf des Auftrages gegeben. Im letzteren Fall wird die Überweisung trotz rechtzeitigen Widerrufs dem belasteten Girokunden zugerechnet, weil er den später widerrufenen Auftrag jedenfalls erteilt und damit die fehlerhafte Überweisung initiiert hat, so dass der Fehler letztendlich in dem Rechtsverhältnis zu seinem (erstbeauftragten) Institut wurzelt. Kann also wertungsmäßig die dem Überweisungsempfänger erteilte Gutschrift auch bei der versehentlichen Nichtberücksichtigung eines Widerrufs durch das Empfängerinstitut dem belasteten Girokunden bereicherungsrechtlich zugerechnet werden und hat – wie regelmäßig – der Überweisungsempfänger den Widerruf nicht gekannt, ist der mit dem Überweisungsbetrag belastete Girokunde wiederum am Bereicherungsausgleich beteiligt3.
7.394
1 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 49 Rz. 136 ff. 2 Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 24. 3 BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 = BGHZ 87, 246 ff. = NJW 1983, 2501 f.; Nobbe, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 4, 26; Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGBBanken Rz. 1 f.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7.395
Tilgt also die irrtümliche Kontogutschrift eine gegenüber dem Überweisungsempfänger bestehende Zahlungsverbindlichkeit des belasteten Girokunden und bereichert damit diesen in Höhe der versehentlich erteilten Kontogutschrift, hat dieser Girokunde den Betrag zwecks bereicherungsrechtlichen Ausgleichs an das „entreicherte“ Empfängerinstitut zu zahlen. Diese „Entreicherung“ folgt daraus, dass das Empfängerinstitut nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen die seinem Girokunden versehentlich erteilte Kontogutschrift nicht rückgängig machen (stornieren) kann. Infolge der Nichtbeachtung des rechtzeitigen Rückrufs des Überweisungsauftrages kann das Empfängerinstitut aber auch den Gegenwert als Deckung für diese versehentliche Gutschrift weder von der ihm in der Überweisungskette unmittelbar vorgeschalteten Stelle noch von dem erstbeauftragten Institut verlangen.
7.396
Ist dagegen diese Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis des Überweisungsempfängers zu dem belasteten Girokunden nicht eingetreten und steht ihm deshalb weiterhin der Zahlungsanspruch gegen diesen Girokunden zu, ist der Überweisungsempfänger um die ihm versehentlich erteilte Kontogutschrift bereichert. Nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen erwirbt der zu Unrecht belastete Girokunde gegen den Überweisungsempfänger einen entsprechenden Bereicherungsanspruch, der an das Empfängerinstitut zum Ausgleich seiner versehentlich erteilten Kontogutschrift (direkt oder unter Zwischenschaltung der in der Girokette stehenden Institute) abzutreten ist.
7.397
Im Übrigen muss das erstbeauftragte Institut die Belastungsbuchung auf dem Konto seineses Kunden rückgängig machen. Denn ihm steht wegen des rechtzeitigen Widerrufs des Auftrages durch seinen Kunden gegen diesen gemäß § 675u BGB kein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB zu.
7.398
Hier zeigt sich, dass das Empfängerinstitut im Unterschied zu den anderen, ihm in der Überweisungskette vorgeschalteten Stellen in einer Doppelrolle bei einem bargeldlosen Zahlungsvorgang tätig ist: Als letztes Glied (Endbeauftragter) in der Überweisungskette und zugleich als Zahlstelle für den Überweisungsempfänger1. In dieser Rolle als Letztbeauftragter in der Girokette erbringt es mit der Kontogutschrift eine Leistung, die es der ihm vorgeschalteten Stelle auf Grund des zu dieser bestehenden zahlungsdienstvertraglichen Auftragsverhältnisses gemäß § 675f Abs. 1 oder Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BGB schuldet. Deshalb vermittelt das Empfängerinstitut aus der bereicherungsrechtlich maßgeblichen Sicht des Überweisungsempfängers eine vom vermeintlich Überweisenden geschuldete Leistung. Nach dieser Sichtweise ist also das Empfängerinstitut bei der Erteilung der Kontogutschrift lediglich Leistungs„mittler“ und kein „Leistender“ im Sinne der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Infolgedessen ist das Empfängerinstitut zwangsläufig in den Bereicherungsausgleich für die fehlerhafte Überweisung mit den sich daraus ergebenden bereicherungsrechtlichen Konsequenzen eingebunden. Hiernach ist der Bereicherungsanspruch dem mit dem Überwei1 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 173/94, WM 1995, 149 = BGHZ 128, 135 ff. = NJW 1995, 520 f.
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7. Teil
Die Überweisung
sungsbetrag zu Unrecht belasteten Girokunden zuzuweisen, weil ihm fehlerhafte Überweisung nach den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurechnen ist, soweit der Überweisungsempfänger nicht ausnahmsweise Fehlerhaftigkeit kannte und sich auch nicht in Kenntnis aller Umstände wusst unwissend stellte.
die zudie be-
5. Ergebnis der bereicherungsrechtlichen Bewertung von Fehlüberweisungen Der Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungen vollzieht sich regelmäßig zwischen dem mit Überweisungsbetrag belasteten Girokunden, dem Überweisungsempfänger und dem erstbeauftragten Institut. Im Regelfall steht dem belasteten Girokunden ein Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger zu. Dagegen kann das erstbeauftragte Institut einen Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger erwerben (Durchgriffskondiktion), wenn die fehlerhafte Überweisung dem hiermit belasteten Girokunden nicht zugerechnet werden kann oder im Falle einer Zurechenbarkeit der Buchgeldempfänger die Fehlerhaftigkeit kannte oder sich in Kenntnis aller Umstände bewusst unwissend stellte. In extremen Ausnahmefällen kann auch die Bank des Überweisungsempfängers gegen diesen unmittelbar einen Bereicherungsanspruch erwerben, den sie durch Ausübung ihres AGB-mäßigen Stornorechts im Wege der Selbsthilfe durchsetzen kann.
7.399
6. AGB-mäßiges Stornorecht Soweit das Empfängerinstitut infolge der fehlerhaften Gutschriftsbuchung einen Bereicherungsanspruch gegen den Kontoinhaber erworben hat, ist es, soweit es sich dabei um ein Kreditinstitut handelt, auf Grund einer in der Kreditwirtschaft üblichen AGB-mäßigen Klausel unter Nr. 8 Abs. 1 der Bedingungen befugt, die Kontogutschrift im Wege der Selbsthilfe durch eine Belastungsbuchung wieder rückgängig zu machen (sog. Stornierung).
7.400
Solche Stornobuchungen sind nur auf einem kontokorrentmäßig geführten Girokonto zulässig, da Gutschriftsbuchungen auf diesem Konto Zahlungsansprüche nach §§ 780, 781 BGB begründen und damit stets rechtskonstitutiv sind. Gutschriften auf Spar- und Termingeldkonten sind dagegen nicht rechtsbegründend, sondern deklaratorisch. Guthaben auf diesen Konten werden – im Unterschied zu den Girokonten – als Darlehen eingestuft, bei denen der Rückzahlungsanspruch zumindest nicht in allen Fällen durch die Kontogutschrift begründet wird, wie dies für Giroguthaben gilt.
7.401
Bei dem Stornorecht handelt es sich nach dem BGH um ein eigenständiges, auf dem Girovertrag basierendes Rückbuchungsrecht, das seiner Rechtsnatur nach ein Widerrufsrecht darstellt1. Mit der Ausübung dieses Widerrufsrechts
7.402
1 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998; BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908) = BGHZ 87, 246 ff. = NJW 1983, 2501 f.; von Westphalen, WM 1984, 1
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
wird der Zahlungsanspruch des Kunden (§§ 780, 781 BGB), der mit der stornierten Gutschriftsbuchung begründet worden ist, wieder beseitigt. Das Stornorecht soll dem Zahlungsinstitut ermöglichen, einen Rückgewährsanspruch im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen1. a) Zweck des Stornorechts
7.403
Das Stornorecht bezweckt, die mit der Geltendmachung solcher Bereicherungsansprüche der kontoführenden Stelle erfahrungsgemäß verbundenen Schwierigkeiten und Risiken zu vermeiden. Hierdurch soll die Rechtsstellung dieses Instituts insbesondere auf eine von den Unsicherheiten des Bereicherungsrechts unabhängige eigenständige Grundlage gestellt werden2. Insbesondere kann der Kontoinhaber nicht den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) einwenden3.
7.404
Die Ausübung des Stornorechts setzt einen Bereicherungsanspruch der kontoführenden Stelle voraus. Die AGB-mäßige Stornoklausel knüpft deshalb das Stornorecht ausdrücklich daran, dass dem Institut „ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zusteht“. Würde dieses Rückbuchungsrecht auch für fehlerhafte Kontogutschriften gelten, in denen der kontoführenden Stelle kein Bereicherungsanspruch gegen den Kontoinhaber zusteht, würde die Stornoklausel eine unangemessene Regelung im Sinne der Generalklausel des AGB-Gesetzes darstellen4.
7.405
Der kontoführenden Stelle steht deshalb kein Stornorecht zu, wenn sie einen Überweisungsauftrag trotz rechtzeitigen Widerrufs ausgeführt und infolgedessen keinen bereicherungsrechtlichen Direktanspruch gegen ihren Kontoinhaber als Überweisungsempfänger hat, der Bereicherungsausgleich vielmehr im Wege der „Doppelkondiktion“ vorgenommen werden muss5. Ein Stornorecht entfällt im Übrigen auch in den Fällen, in denen die kontoführende Stelle irrtümlich von einem Vorhandensein ausreichender Deckung ausgeht. Hier kann das Institut seinen auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) gegen das ihm in der Überweisungskette vorgeschaltete Stelle geltend machen6.
7.406
Kein Fall des Stornorechts ist es, wenn ein Zahlungsinstitut durch eine Gegenbuchung eine Gutschriftsbuchung berichtigt, die wie zB im Lastschrifteinzugsverfahren oder beim Scheckinkasso noch unter dem Vorbehalt des Ein-
1 2 3 4 5 6
(4); Kümpel, WM 1979, 378. Nach einem Teil der Literatur handelt es sich bei dem Stornorecht um ein Anfechtungsrecht (vgl. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 7 mwN). OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398 (2399). BGH v. 22.1.1993 – V ZR 164/90, WM 1993, 907 (908). Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 455; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 14. BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908) = BGHZ 87, 246 ff. = NJW 1983, 2501 f. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 1 f. Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 2.
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7. Teil
Die Überweisung
gangs des Inkassoerlöses steht und deshalb dem Kontoinhaber im Zeitpunkt der Gegenbuchung noch keinen endgültigen Zahlungsanspruch verschafft hatte1. b) Zeitliche Befristung des Stornorechts Nach der BGH-Rechtsprechung erlischt das Stornorecht mit dem nächsten Rechnungsabschluss des kontokorrentmäßig geführten Girokontos2. Die Ansprüche und damit auch der der fehlerhaften Kontogutschrift zugrunde liegende Zahlungsanspruch des Kontoinhabers erlöschen durch den Rechnungsabschluss, so dass dieser Anspruch als Gegenstand des Stornorechts nicht mehr in Betracht kommt3.
7.407
Mit Rücksicht auf diese BGH-Rechtsprechung befristet die Stornoklausel der AGB der Kreditinstitute das Stornorecht bis zum nächsten Rechnungsabschluss. Stattdessen wird der Bank in Nr. 8 Abs. 2 der AGB eine „Berichtigungsbuchung“ gestattet, wenn die fehlerhafte Gutschrift erst nach einem Rechnungsabschluss festgestellt wird. Erhebt der Kunde gegen eine solche Berichtigungsbuchung Einwendungen, so wird die Bank den Betrag dem Konto wieder gutschreiben und ihren Rückzahlungsanspruch gesondert geltend machen. Gegenüber diesem Berichtigungsanspruch ist anders als beim Stornorecht der Einwand der weggefallenen Bereicherung (§ 818 BGB) zulässig. Dieser Berichtigungsanspruch stellt deshalb auch keine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar4.
7.408
In dieser Berichtigungsbuchung liegt ein Angebot an den Kunden auf Abschluss einer Stornierungsvereinbarung. Widerspricht der Kunde der Belastungsbuchung, muss also diese Buchung rückgängig gemacht werden. Die AGB-Klausel spricht von „Einwendungen“ des Kunden gegen die Berichtigungsbuchung, meint hiermit aber ein fehlendes Einverständnis, ohne das die angebotene Stornierungsvereinbarung nicht zu Stande kommen kann5. Hat die kontoführende Stelle die Rückgutschrift erteilt, kann der Kontoinhaber hierüber gleichwohl nicht verfügen, wenn die Bank dies verweigert (Einrede nach § 821 BGB)6.
7.409
1 BGH v. 9.10.1974 – VIII ZR 190/73, WM 1974, 1127 (1129). 2 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 166/77, WM 1978, 998; dagegen hat es der BGH v. 9.5.1983 – II ZR 241/82, WM 1983, 907 (908) offen gelassen, ob das Stornorecht auch noch nach Beendigung der Geschäftsverbindung geltend gemacht werden kann, weil die AGB bis zur Abwicklung der Geschäftsverbindung fortgelten. 3 Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 90 ff. Eine weisungswidrig erteilte Kontogutschrift kann jedoch von der Bank bereicherungsrechtlich nicht zurückverlangt werden, wenn sie gegenüber dem Empfänger nachträglich eine Leistungsbestimmung mit Blick auf das Valutaverhältnis trifft (OLG Stuttgart v. 21.9.1988 – 1 U 23/88, WM 1989, 945 [947]). 4 Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 18. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 4; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 13 Rz. 18. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 4; Bunte in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 13 Rz. 18.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7.410
Über diese Berichtigungs- und Stornierungsbuchungen wird das Institut den Kunden unverzüglich unterrichten (Nr. 8 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken). Bei einer Verletzung dieser Benachrichtigungspflicht kann sich die kontoführende Stelle wegen Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig machen.
7.411
Die Bank nimmt solche Buchungen hinsichtlich der Zinsberechnung1 rückwirkend zu dem Tag vor, an dem die fehlerhafte Buchung erfolgte – sog. valutagerechte Buchungen (Nr. 8 Abs. 3 Satz 2 AGB-Banken). Der Kontoinhaber soll wirtschaftlich so gestellt werden, als wäre die stornierte Gutschriftsbuchung nicht geschehen. Eine solche Berichtigungsbuchung ist auch kontokorrentrechtlich zulässig. Denn der zugrunde liegende Bereicherungsanspruch ist auf Rückzahlung von Buchgeld gerichtet2.
7.412
Dem Stornorecht steht auch nicht die Auszahlung des auf der irrtümlichen Gutschrift beruhenden Guthabens an den Kontoinhaber entgegen3. Im Übrigen kann das Stornorecht nach herrschender Meinung auch bei nicht ausreichendem Kontoguthaben ausgeübt werden. Es ist also unschädlich, dass die Stornierung in diesen Fällen einen Schuldsaldo auf dem Girokonto entstehen lässt4.
7.413–7.420
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Lastschriftverfahren I. Grundsätzliches
7.421
Das Lastschriftverfahren5 ist erst in den sechziger Jahren von der Kreditwirtschaft zu einem einheitlichen Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs entwickelt worden. Seine wirtschaftliche Bedeutung lässt sich an dem wachsenden Anteil am bargeldlosen Zahlungsverkehr ablesen. Der Vorläufer des 1 Zur Frage der Wirksamkeit dieser Zinsberechnung, wenn die Stornierungs- oder Berichtigungsbuchung zu einem Schuld-(Debet-)Saldo geführt hat, vgl. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 25 mwN. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 433; aA Blaurock, NJW 1984, 1 (4 Fn. 30), der die Kontokorrentfähigkeit verneint, weil der Bereicherungsanspruch nicht auf Geld, sondern auf die Aufhebung des mit der Gutschrift verbundenen abstrakten Schuldversprechens gerichtet sei. Eine solche rein konstruktionsmäßige Betrachtungsweise erscheint jedoch nach Canaris im Hinblick auf die Besonderheiten der Giroüberweisung wenig sachgerecht. Besser sei, einen girorechtlich modifizierten und daher von vornherein auf Rückzahlung von Buchgeld gerichteten Anspruch anzunehmen. 3 LG Berlin v. 8.12.1978 – 21 O 274/78, WM 1979, 322. 4 Vgl. OLG Nürnberg v. 17.8.1977 – 9 U 35/77, WM 1977, 1336; OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398 (2399); Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGBBanken Rz. 2; Blaurock, NJW 1984, 1 (7). 5 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, §§ 56 ff.; Krepold in BuB, Rz. 6/300 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7.410
Über diese Berichtigungs- und Stornierungsbuchungen wird das Institut den Kunden unverzüglich unterrichten (Nr. 8 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken). Bei einer Verletzung dieser Benachrichtigungspflicht kann sich die kontoführende Stelle wegen Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig machen.
7.411
Die Bank nimmt solche Buchungen hinsichtlich der Zinsberechnung1 rückwirkend zu dem Tag vor, an dem die fehlerhafte Buchung erfolgte – sog. valutagerechte Buchungen (Nr. 8 Abs. 3 Satz 2 AGB-Banken). Der Kontoinhaber soll wirtschaftlich so gestellt werden, als wäre die stornierte Gutschriftsbuchung nicht geschehen. Eine solche Berichtigungsbuchung ist auch kontokorrentrechtlich zulässig. Denn der zugrunde liegende Bereicherungsanspruch ist auf Rückzahlung von Buchgeld gerichtet2.
7.412
Dem Stornorecht steht auch nicht die Auszahlung des auf der irrtümlichen Gutschrift beruhenden Guthabens an den Kontoinhaber entgegen3. Im Übrigen kann das Stornorecht nach herrschender Meinung auch bei nicht ausreichendem Kontoguthaben ausgeübt werden. Es ist also unschädlich, dass die Stornierung in diesen Fällen einen Schuldsaldo auf dem Girokonto entstehen lässt4.
7.413–7.420
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Lastschriftverfahren I. Grundsätzliches
7.421
Das Lastschriftverfahren5 ist erst in den sechziger Jahren von der Kreditwirtschaft zu einem einheitlichen Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs entwickelt worden. Seine wirtschaftliche Bedeutung lässt sich an dem wachsenden Anteil am bargeldlosen Zahlungsverkehr ablesen. Der Vorläufer des 1 Zur Frage der Wirksamkeit dieser Zinsberechnung, wenn die Stornierungs- oder Berichtigungsbuchung zu einem Schuld-(Debet-)Saldo geführt hat, vgl. Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 13 Rz. 25 mwN. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 433; aA Blaurock, NJW 1984, 1 (4 Fn. 30), der die Kontokorrentfähigkeit verneint, weil der Bereicherungsanspruch nicht auf Geld, sondern auf die Aufhebung des mit der Gutschrift verbundenen abstrakten Schuldversprechens gerichtet sei. Eine solche rein konstruktionsmäßige Betrachtungsweise erscheint jedoch nach Canaris im Hinblick auf die Besonderheiten der Giroüberweisung wenig sachgerecht. Besser sei, einen girorechtlich modifizierten und daher von vornherein auf Rückzahlung von Buchgeld gerichteten Anspruch anzunehmen. 3 LG Berlin v. 8.12.1978 – 21 O 274/78, WM 1979, 322. 4 Vgl. OLG Nürnberg v. 17.8.1977 – 9 U 35/77, WM 1977, 1336; OLG Zweibrücken v. 22.4.1997 – 5 U 48/95, WM 1997, 2398 (2399); Hopt in Baumbach/Hopt, Nr. 8 AGBBanken Rz. 2; Blaurock, NJW 1984, 1 (7). 5 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, §§ 56 ff.; Krepold in BuB, Rz. 6/300 ff.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
Lastschrifteinzuges war das Einziehungsverfahren, das insbesondere von Schoele seit dem Jahre 1920 nachdrücklich gefordert worden ist und dem heutigen Abbuchungsverfahren entspricht1. Das Lastschriftverfahren wird mittlerweile über drei Jahrzehnte praktiziert. Die Diskussion über seine Dogmatik ist trotz gefestigter Rechtsprechung2 intensiv geführt worden, doch dürfte sie mit Anerkennung des Lastschriftverfahrens in den Regelungen zu den Zahlungsdiensten gemäß §§ 675c ff. BGB zu einem Ende kommen3. Auch im Ausland, insbesondere in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, wurden Lastschriftverfahren praktiziert, die aber untereinander sehr weitgehende Unterschiede aufweisen.
7.422
Mit Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen der EWR-Staaten ist jedoch die Rechtsgrundlage für ein einheitliches, EWR-weites Lastschriftverfahren geschaffen worden, das seine rechtliche Grundlage in einem europäischen Interbankenabkommen, dem SEPA (= Single European Payment Area)-Rulebook, findet4.
7.423
1. Lastschrift als „rückläufige“ Überweisung Das Lastschriftverfahren dient – wie die Überweisung – regelmäßig der bargeldlosen Bezahlung von Geldschulden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs besteht aber darin, dass beim Lastschriftverfahren die bargeldlose Zahlung nicht vom Schuldner, sondern vom Gläubiger veranlasst wird. Beim Lastschriftverfahren verwandelt sich die Geldschuld, wie sie regelmäßig auch einer Überweisung zugrunde liegt, von einer Schickschuld zu einer Holschuld5. Hierzu reicht der Gläubiger die Lastschrift bei seiner kontoführenden Stelle zum Einzug ein. Die Lastschrift wird sodann unmittelbar oder unter Zwischenschaltung anderer Stellen dem kontoführenden Institut des Schuldners zur Einlösung vorgelegt, die zu einer entsprechenden Belastung des Girokontos des Schuldners führt.
7.424
Wie bei der Überweisung bildet sich auch beim Lastschriftverfahren eine für den bargeldlosen Zahlungsverkehr typische Kette von korrespondierenden Kontogutschriften der bei den am Zahlungsvorgang mitwirkenden Zahlungsdienstleistern; diese Gutschriften bilden die buchungsmäßige und rechtliche Grundlage für die Buchgeldzahlung. Ein deutlicher Unterschied besteht aber
7.425
1 Hadding/Häuser, WM 1983, Sonderbeil. Nr. 1, 6. 2 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 57 Rz. 1; van Gelder in FS Kümpel, 2003, S. 131 ff.; vgl. weiter van Gelder mit einer Übersicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 7. 3 Vgl. zu den neuen rechtlichen Regelungen Hadding in FS Hüffer, S. 273 ff. und Werner, BKR 2010, 9 ff. 4 Hadding in FS Hüffer, S. 273 (280 ff.); Werner, BKR 2010, 9 (13 ff.). 5 BGH v. 30.1.1985 – IVa ZR 91/83, WM 1985, 461 (462); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 154.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
darin, dass aus der Sicht des buchungsmäßigen Ablaufs des Lastschriftverfahrens das Zahlungsinstitut des Gläubigers als erstes Glied dieser Gutschriftskette erscheint. Denn das Gläubigerinstitut erteilt schon bei Einreichung der Lastschrift eine Gutschrift auf dem Girokonto ihres Kunden als Lastschriftgläubiger. Dagegen erscheint die Gutschrift des Zahlungsdienstleisters des Lastschriftschuldners als letztes Glied dieser Buchungskette. Bei einer Überweisung beginnt dagegen diese Gutschriftskette bei dem Institut des Schuldners und endet bei dem Institut desGläubigers. Die dem Lastschriftverfahren zugrunde liegende Buchgeldzahlung im Sinne einer geldwerten Leistung des Schuldners an seinen Gläubiger vollzieht sich im Übrigen auch beim Lastschrifteinzug zu Lasten des Girokontos des Schuldners und zu Gunsten des Gläubigerkontos.
7.426
Schoele hat deshalb für den Einzug einer Lastschrift die vom BGH übernommene Bezeichnung „rückläufige“ Überweisung verwendet1. Mit dieser Terminologie sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Lastschriftzahlung als bargeldloser Zahlungsvorgang der Überweisung sehr ähnelt, in ihrem buchungstechnischen Ablauf aber in umgekehrter Richtung verläuft2.
2. Vorzüge des Lastschriftverfahrens
7.427
Die weit verbreitete Nutzung des Lastschriftverfahrens erklärt sich nicht nur aus seiner Praktikabilität und Eignung für Rationalisierungsmaßnahmen. Dieses Inkassoverfahren ist auch mit wesentlichen Vorteilen für die Beteiligten verbunden. So hat vor allem der Gläubiger die Möglichkeit der Initiative beim Zahlungseinzug und ist somit nicht mehr darauf angewiesen, die pünktliche Zahlung seiner Schuldner abzuwarten. Das Lastschriftverfahren dient nach Rechtsansicht des BGH im Wesentlichen dem Interesse des Gläubigers an der zügigen und reibungslosen Einziehung seiner Forderungen3.
7.428
Des Weiteren wird die innerbetriebliche Buchhaltung des Gläubigers entlastet. Der pünktliche Zahlungseingang erspart weitgehend die Debitorenbuchhaltung und die Versendung von Mahnschreiben. Schließlich kann der Gläubiger durch EDV-Einsatz den Einzug seiner Außenstände weitgehend rationalisieren.
7.429
Die Vorteile des Schuldners bestehen vor allem in einer wesentlichen Arbeitserleichterung. Er braucht weder Überweisungsaufträge zu erteilen noch Schecks auszustellen oder Fälligkeitstermine zu überwachen, um Skontovergünstigungen nicht zu verlieren oder einen Zahlungsverzug zu vermeiden. Der Zahlungsverpflichtete kann also die Initiative seines Gläubigers zur ter1 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977 1196 (1197); Hadding/Häuser, WM 1983, Sonderbeil. Nr. 1, 6. 2 Hadding/Häuser, WM 1983, Sonderbeil. Nr. 1, 4. 3 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042; BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521) = NJW 1989, 1672 f.; BGH v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, WM 1996, 335 (336) = NJW 1996, 988 ff.; vgl. hierzu Häuser, JZ 1997, 957 ff.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
mingerechten Bezahlung seiner Geldschuld abwarten und braucht lediglich ein entsprechendes Guthaben auf seinem für den Lastschrifteinzug bezeichneten Konto zu unterhalten oder zumindest über einen ausreichenden Überziehungskredit zu verfügen. Im Übrigen ist der Schuldner am bargeldlosen Zahlungsvorgang kostenlos beteiligt, während nach allgemeinen Grundsätzen der Schuldner Geld im Zweifel auf seine Kosten und Gefahr dem Gläubiger zu übermitteln hat (§ 270 BGB). Das Lastschriftverfahren birgt freilich für den Lastschriftschuldner das Risiko, dass sein Konto auf Grund einer Lastschrift belastet wird, ohne dass dem Lastschriftgläubiger eine entsprechende Forderung zusteht. Dieses Risiko darf jedoch nicht überbewertet werden. Im Lastschriftverfahren auf Grund einer dem Gläubiger erteilten Einzugsermächtigung braucht der Schuldner nur dieser Belastung seines Girokontos in angemessener Frist zu widersprechen, damit er von seiner kontoführenden Stelle eine entsprechende Wiedergutschrift erhält (vgl. Rz. 7.448; 7.478 ff.). Diese Möglichkeit entfällt nur bei dem in der Praxis selteneren Abbuchungsauftragsverfahren. Hier muss der Schuldner bei einem missbräuchlichen Lastschrifteinzug oder bei einer nicht vertragsgemäßen Leistung des Gläubigers den seinem Girokonto abgebuchten Betrag unmittelbar von seinem Gläubiger zurückfordern.
7.430
Angesichts der vielfältigen Vorteile des Lastschriftverfahrens wird dieses Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs weiter expandieren. Es ist besonders geeignet für die Bezahlung wiederkehrender Zahlungsverbindlichkeiten auch unterschiedlicher Höhe wie Steuern, Strom-, Wasser- und Telefonrechnungen, Zeitungsabonnements sowie Versicherungsprämien. Das Lastschriftverfahren wird aber auch bei den kartengesteuerten bargeldlosen Zahlungssystemen, insbesondere beim Einsatz der Kreditkarte praktiziert, um dem zahlungsberechtigten Vertragspartner des Karteninhabers den geschuldeten Betrag durch eine Gutschrift auf seinem Girokonto zu verschaffen1.
7.431
Die Vorteile des Lastschriftverfahrens für die Zahlungsdienstlsieter liegen vor allem darin, dass sich der Einzug der Lastschriften für die vollständige Automatisierung durch Austausch elektronischer Datenträger oder durch Datenfernübertragung eignet. Lastschriften, die der kontoführenden Stelle des Lastschriftgläubigers mit urkundenmäßigen Belegen („beleghaft“) eingereicht werden, sind von dieser sog. ersten Inkassostelle auf EDV-Medien zu erfassen und beleglos unmittelbar der Zahlstelle des Lastschriftschuldners vorzulegen oder beleglos an die in der Inkassokette nachgeschaltete Stelle weiterzuleiten. Zu diesem beleglosen Lastschrifteinzug haben sich die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft und der Deutschen Bundesbank in dem Abkommen über den Lastschriftverkehr (LSA) verpflichtet2.
7.432
1 Zum Lastschriftverfahren im Internet vgl. Werner, BKR 2002, 11 ff. 2 Das LSA ist abgedruckt bei Krepold in BuB, Rz. 6/311 ff.
Werner
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
3. Dogmatische Grundstrukturen
7.433
Das Lastschriftverfahren ist eine Schöpfung der Praxis. Die Gerichte konnten daher nicht auf die überkommene Rechtsprechung zur Überweisung und zum Scheckeinzug als den beiden älteren Formen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zurückgreifen. Der BGH hatte aus diesem Grund in Anlehnung an vergleichbare rechtliche Strukturen bei der Überweisung und beim Scheckeinzug neue Rechtsgrundsätze zu entwickeln, die die Besonderheiten des Lastschriftverfahrens berücksichtigen. Dabei besteht zu einzelnen Rechtsfragen noch keine einhellige Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum.
7.434
Einvernehmen besteht darin, dass das Lastschriftverfahren als eine Art des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dessen allgemeinen Regelungen unterworfen ist1. Zwischen den als Lastschriftgläubiger und -schuldner beteiligten Kunden eines Zahlungsdienstleisters und ihren kontoführenden Instituten sowie zwischen den beim Lastschrifteinzug mitwirkenden Instituten bestehen Girovertragsverhältnisse, die als Zahlungsdiensterahmenverträge gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB einzuordnen sind. Das Valutaverhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und -schuldner ist dagegen anderen schuldrechtlichen Normen, insbesondere kaufrechtlichen Bestimmungen beim Warenkauf durch den Lastschriftschuldner unterworfen2. a) Unterschiedliche Grundstruktur von Einzugsermächtigungs- und Abbuchungsauftragsverfahren
7.435
Das Lastschriftverfahren der Kreditwirtschaft, wie es im Lastschriftabkommen (LSA) geregelt ist, kennt zwei Abwicklungsformen, deren rechtliche Grundstruktur sich deutlich voneinander unterscheidet: Das in der Praxis vorherrschende „Einzugsermächtigungs“verfahren und das „Abbuchungsauftrags“verfahren (Abschnitt I Nr. 1 des LSA). Das Einzugsermächtigungsverfahren setzt voraus, dass der Zahlungspflichtige (Schuldner) den Zahlungsempfänger (Gläubiger) schriftlich „ermächtigt“, die von ihm zu entrichtenden, näher bezeichneten Zahlungen bei Fälligkeit zu Lasten seines Girokontos bei dem hierzu bestimmten Institut durch Lastschrift einzuziehen. Beim Abbuchungsauftragsverfahren erteilt der Schuldner dagegen seiner kontoführenden Stelle (Zahlstelle) einen generelle Auftrag iS des § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB, Lastschriften des im Abbuchungsauftrag bezeichneten Gläubigers zu Lasten seines Girokontos im Rahmen einer vorhandenen Deckung einzulösen3. Dieser Zahlungsauftrag entspricht dem Überweisungs„auftrag“ im bargeldlosen Überweisungsverkehr4.
7.436
Der wesentliche Unterschied zwischen Abbuchungsauftragsverfahren und Einzugsermächtigungsverfahren besteht in dem Zeitpunkt, in dem die zugrunde liegende Lastschrift als endgültig eingelöst gilt. Beim Abbuchungsauf1 2 3 4
van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 57 Rz. 57. van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 57 Rz. 64. BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195); Hadding, WM 1978, 1366 ff. BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195); BGH v. 21.4.1986 – II ZR 126/ 85, WM 1986, 784 (785) = NJW-RR 1986, 959 f.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
tragsverfahren ist die Lastschrift bereits mit der Belastung des Girokontos des Schuldners endgültig eingelöst („bezahlt“), soweit dies durch seinen „Abbuchungs“auftrag, der als Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB anzusehen ist, gedeckt ist, und die Belastungsbuchung nach den kreditwirtschaftlichen AGB wirksam geworden ist1. Dagegen tritt die endgültige Einlösung der Lastschrift beim Einzugsermächtigungsverfahren wesentlich später ein. Denn die Zahlstelle des Schuldners darf nach dem LSA (Abschnitt III) die von ihr bezahlten Lastschriften der ersten Inkassostelle zur Wiedervergütung zurückgeben, wenn der Schuldner der Belastung seines Girokontos binnen sechs Wochen widersprochen hat. Dem Schuldner steht ein solches Widerspruchsrecht zu, weil die Belastungsbuchung nach gefestigter BGH-Rechtsprechung zu ihrem Wirksamwerden der Genehmigung des Schuldners bedarf2. Mit seiner Einzugsermächtigung will der Schuldner seinem Gläubiger nur die Benutzung des Lastschriftverfahrens gestatten, nicht aber das Recht einräumen, unmittelbar über das Guthaben auf seinem Girokonto zu verfügen3. b) Vielzahl nachgeordneter Inkassoverhältnisse Mit Rücksicht auf die für den bargeldlosen Zahlungsverkehr notwendige Mitwirkung von Zahlungsinstituten, die auch hier im eigenen Namen handeln, vollzieht sich der Lastschrifteinzug auf der Grundlage einer entsprechenden Vielzahl entgeltlicher Zahlungsdiensteverträge zwischen den Beteiligten gemäß § 675f BGB. So bestehen zwischen Gläubiger und Schuldner vertragliche Beziehungen zu ihren kontoführenden Instituten. Weitere entsprechende Rechtsverhältnisse werden begründet, wenn zwischen dem Gläubiger- und Schuldnerinstitut kein unmittelbares Girovertragsverhältnis besteht und mithin ein oder mehrere andere Stellen für das Inkassoverfahren zwischengeschaltet werden müssen. Aus rechtlicher Sicht ist von besonderem Interesse das Girovertragsverhältnis zwischen dem Gläubiger und seinem Institut.
7.437
II. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und seinem Institut Das Girovertragsverhältnis, das zwischen dem Gläubiger und seiner kontoführenden Stelle besteht, gibt dem Gläubiger noch nicht das Recht, Lastschriften zum Einzug einzureichen. Insoweit ergibt sich ein Unterschied zur Einreichung von Schecks zum Inkasso im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs4. Für den Lastschrifteinzug bedarf es vielmehr des Abschlusses einer 1 BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450 (451) = BGHZ 79, 381 ff. = NJW 1981, 1669 ff.; vgl. hierzu Terpitz, NJW 1981, 1649 ff.; WM 1996, 335 (337) = NJW 1996, 988 ff. 2 BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895 (896) = BGHZ 101, 153 ff. = NJW 1987, 2370 ff.; BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521) = NJW 1989, 1672 f. 3 BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 44. 4 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 2.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Inkassovereinbarung, für die das Kreditgewerbe einen weitgehend vereinheitlichten Mustertext verwendet1. Wie beim Einzugsermächtigungsverfahren muss der Schuldner auch beim Abbuchungsauftragsverfahren den Gläubigern den Lastschrifteinzug gestatten. Dieses ausdrückliche Einverständnis ist nach der Inkassovereinbarung (Nr. 3) erforderlich2.
7.439
Dagegen bedarf es keiner besonderen Vereinbarung zwischen dem Schuldner und seinem Zahlungsinstitut über seine passive Teilnahme am Lastschriftverfahren. Das zwischen beiden bestehende Girovertragsverhältnis ermöglicht es dem Zahler, über sein Giroguthaben auch dadurch zu verfügen, dass er seinem Gläubiger den Lastschrifteinzug zu Lasten seines Girokontos gestattet3. Allerdings sind mit Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie speziellen Lastschriftbedingungen eingeführt worden, die jeder Kontoinhaber mit seinem Institut abschließt und die das Rechtsverhältnis zwischen Zahlstelle und Lastschriftschuldner regeln. Bei den entsprechenden Vereinbarungen handelt es sich um Zahlungsdiensterahmenverträge gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB oder um Zusatzvereinbarungen dazu. Das Einziehungermächtigungsverfahren lässt sich unter die Zahlungsdienste subsumieren, da § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB jetzt ausdrücklich auch von der Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung ausgeht.
7.440
Ein Zahlungsinstitut wird vor allem im eigenen Interesse lediglich Kunden von unzweifelhafter Bonität und Seriosität zum Lastschriftverfahren zulassen4. Denn das Gläubigerinstitut erteilt schon bei Einreichung der Lastschriften Gutschriften unter dem Vorbehalt des Eingangs des darin bezifferten Betrages. Über diese sog. E.v.-Gutschriften lässt es regelmäßig den Gläubiger sofort verfügen. Das Gläubigerinstitut läuft deshalb bei nicht eingelösten Lastschriften Gefahr, insbesondere wegen eines Widerspruchs des Schuldners, mit seinem Rückzahlungsanspruch gegen den Gläubiger infolge seiner Zahlungsunfähigkeit auszufallen5. Überdies muss sich die Inkassostelle darauf verlassen können, dass der Zahlungsempfänger nur Lastschriften einreicht, wenn er das Lastschriftverfahren als Zahlungsmodus mit seinem Schuldner im Valutaverhältnis vereinbart hat und die der Lastschrift zugrunde liegende Forderung auch fällig ist6.
7.441
In der Inkassovereinbarung (Nr. 2) verpflichtet sich der Gläubiger, Lastschriften nur dann zum Einzug einzureichen, wenn ihm eine schriftliche Einzugsermächtigung seines Schuldners als Zahlungspflichtigem vorliegt. Die Inkassostelle kann zwar verlangen, dass ihr der Kunde die erforderliche Einzugsermächtigung seiner Schuldner vorlegt. Hiervon pflegt aber die Praxis wegen des damit verbundenen Aufwandes keinen Gebrauch zu machen. Inkassostellen brauchen deshalb nach Ansicht des BGH auch nicht zu prüfen, ob dem Last1 2 3 4 5 6
Abgedruckt bei Krepold in BuB, Rz. 6/379a. Krepold in BuB, Rz. 6/310; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 40. van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 40. Krepold in BuB, Rz. 6/375; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 3. Krepold in BuB, Rz. 6/375; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 3. Krepold in BuB, Rz. 6/375.
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Lastschriftverfahren
schriftgläubiger Einzugsermächtigungen erteilt worden sind1. Wegen dieser fehlenden Prüfpflicht haftet das Gläubigerinstitut dem Schuldnerinstitut, wenn es eine Lastschrift einzieht, für die dem Schuldner keine Einzugsermächtigung erteilt worden ist2.
1. Schriftform für Inkassovereinbarung Die Inkassovereinbarung sieht im Übrigen vor, dass die den Gläubigern zu erteilende Einzugsermächtigung schriftlich erteilt werden muss (Abschnitt I Nr. 1a LSA)3. Mit dieser Regelung soll einer möglichen Diskreditierung des Lastschriftverfahrens entgegengewirkt werden, die durch mündlich erteilte Einzugsermächtigungen entstehen könnte. In begründeten Ausnahmefällen kann jedoch die Gläubigerbank unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Zahlungsempfänger vereinbaren, dass auch eine nicht schriftlich erteilte Einzugsermächtigung ausreicht. Nach einer Verlautbarung des ehemaligen Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (jetzt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) handelt es sich hierbei aber nur um Ausnahmeregelungen wie etwa bei telefonisch aufgegebenen Zeitungsinseraten, deren Entgelte zum Teil nur auf der Basis eines Lastschriftverfahrens eingezogen werden4.
7.442
2. Erteilung von E.v.-Gutschriften Die Beträge der Lastschriften werden unmittelbar nach Einreichung dem Girokonto des Gläubigers gutgeschrieben. Diese Gutschrift erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) „Eingang vorbehalten“ (E.v.-Gutschriften)5. Das in einer Kontogutschrift liegende Schuldversprechen (§ 780 BGB) steht also unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung der Lastschrift durch die kontoführende Stelle des Schuldners (sog. Zahlstelle)6.
7.443
Dementsprechend richtet sich die für die Zinsberechnung maßgebliche Wertstellung der Lastschriftgutschrift nach den üblichen Laufzeiten im Einzugsverkehr. Sie können sich regelmäßig auf drei bis fünf Tage nach dem Tag der Einreichung der Lastschrift erstrecken7. Diese Wertstellungspraxis ist nach Ansicht des BGH nicht zu beanstanden8. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass die Gläubigerbank über die Einlösung der Lastschriften von den Zahlstellen keine Nachricht erhält (vgl. Abschnitt I Nr. 7 Abs. 2 LSA) und die Gut-
7.444
1 BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977, 1196 (1199). 2 Vgl. auch Abschnitt 1 Nr. 5 des Lastschriftabkommens. 3 Zur Ersetzung der Schriftform durch die qualifizierte elektronische Signatur vgl. Werner, BKR 2002, 11 (13). 4 Vgl. Krepold in BuB, Rz. 6/315 zu Abschnitt I Nr. 1. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 570; Krepold in BuB, Rz. 6/393. 6 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 13; van Gelder in FS Schimansky, 1999, S. 127 (141). 7 Krepold in BuB, Rz. 6/395. 8 BGH v. 17.6.1997 – XI ZR 239/96, WM 1997, 1661 (1663) = NJW 1997, 3168 f.; vgl. hierzu Borges, WM 1998, 105 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
schrift zur Vermeidung einer zweiten Buchung aus Rationalisierungsgründen schon bei Einreichung erfolgt, ohne dass der Bank der gutgeschriebene Betrag zugeflossen ist1, weshalb auch für die Anwendung der Wertstellungsregelungen in § 675t Abs. 1 BGB kein Raum ist, denn sie setzen den Zugang des Zahlungsbetrags auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters voraus. Diese Praxis enthält eine zulässige Pauschalierung der bis zum Eingang der Deckung vergehenden Zeitspanne, die für beide Seiten im jeweiligen Einzelfall Vorund Nachteile mit sich bringen kann. Da der Lastschrifteinzug vom Gläubiger beleggebunden mit sog. Sammeleinzugsauftrag und beleglos durch Datenträger mit sog. Begleitzettel in Gang gesetzt wird und für die Summe einer darin zusammengefassten Vielzahl von Lastschriften eine Gesamtgutschrift erteilt wird2, ist es auch nicht erforderlich, bei der Wertstellung nach Haus-, Filialund außerbetrieblichen Lastschriften zu differenzieren und damit dem als Massengeschäft konzipierten Lastschriftverfahren einen wesentlichen Rationalisierungsvorteil zu nehmen.
7.445
Bis zur Einlösung der Lastschriften steht aber dem Gläubiger kein Anspruch aus der Gutschrift zu. Das Gläubigerinstitut braucht deshalb keine Verfügungen über diese E.v.-Gutschriften zuzulassen3. Regelmäßig kann aber der Gläubiger zumindest über Teile dieser E.v.-Gutschriften verfügen4. Hierin liegt eine Kreditgewährung; bei Nichteinlösung der Lastschrift steht dem Zahlungsdienstleister sodann der darlehensrechtliche Rückzahlungsanspruch (§ 488 BGB) zu5. Das hierfür bestimmte „Rückbelastungs“recht der Inkassovereinbarung (Nr. 7) hat insoweit nur deklaratorische Bedeutung6. Wegen des Kreditrisikos solcher vorzeitigen Kontoverfügungen kann die Bank grundsätzlich ihren AGB-mäßigen Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (Nr. 13 Abs. 1 AGB-Privatbanken) geltend machen7. Der Umfang dieses Anspruches richtet sich nicht nur nach dem einzuziehenden Lastschriftvolumen, sondern auch nach dem Bonitätsrisiko des Lastschrifteinreichers8.
7.446
Mit der Einreichung der Lastschriften gehen zugleich die zugrunde liegenden Forderungen auf die Bank über (Nr. 15 Abs. 2 AGB-Privatbanken). Damit erhält die Bank eine direkte Zugriffsmöglichkeit gegen den Lastschriftschuldner, die ihr Ausfallrisiko bei Nichteinlösung der Lastschriften verringern soll9.
7.447
Die E.v.-Gutschrift erstarkt zu einer anspruchsbegründenden Gutschrift durch die Einlösung der Lastschrift, mit der die aufschiebende Bedingung „Eingang 1 2 3 4 5 6 7 8 9
van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 13. van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 72. van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 13, 22. Krepold in BuB, Rz. 6/394. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 572; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 13. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 572. van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 22; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 582. Krepold in BuB, Rz. 6/394. van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 22.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
vorbehalten“ entfällt. Nach den AGB der Kreditwirtschaft sind Lastschriften – wie auch Schecks – eingelöst, wenn die hierzu erteilte Belastungsbuchung der Schuldnerbank nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. Lastschriften, die über die Abrechnungsstelle einer Landeszentralbank vorgelegt werden, sind eingelöst, wenn sie nicht bis zu dem von der Landeszentralbank festgesetzten Zeitpunkt an die Abrechnungsstelle zurückgegeben werden (Nr. 9 Abs. 2 AGB-Privatbanken). Mit dieser Einlösung entfallen auch alle (Eingangs-)Vorbehalte, unter denen die auf dem Inkassoweg erteilten Gutschriften der mitwirkenden Banken stehen1. Anders als bei der Ausführung eines Überweisungsauftrags hat also die Belastungsbuchung der Schuldnerbank wegen dieses Wegfalls des mit den Gutschriftsbuchungen verknüpften Eingangvorbehaltes eine rechtskonstitutive Bedeutung2. Die Einlösung der Lastschriften hat freilich beim Einzugsermächtigungsverfahren keine Endgültigkeit im Sinne der Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB zur Folge, wie sie für die beabsichtigte Tilgung des Zahlungsanspruchs im Valutaverhältnis erforderlich ist3. Bei diesem Inkassoverfahren steht der Anspruch aus der bei Lastschrifteinreichung erteilten E.v.-Gutschrift nicht nur unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung (§ 158 Abs. 1 BGB). Die nach der Einlösung zu einer anspruchsbegründenden Buchung erstarkende E.v.-Gutschrift steht unter der weiteren auflösenden Bedingung der Wiedervergütung wegen Widerspruchs des Kunden gegen die Belastungsbuchung auf seinem Girokonto (§ 158 Abs. 2 BGB)4.
7.448
Diese Widerspruchsmöglichkeit ist jedoch für das Gläubigerinstitut kein ausreichender Umstand, um Verfügungen über die von ihm gutgeschriebenen Beträge selbst dann nicht mehr zuzulassen, wenn die Lastschriften durch die Belastungsbuchung auf dem Girokonto des Lastschriftschuldners als vorläufig eingelöst anzusehen sind. Mit einer solchen restriktiven Handhabung der Verfügungsmöglichkeiten des Lastschrifteinreichers würde seine Liquidität übermäßig beeinträchtigt und damit das Einzugsermächtigungsverfahren wesentlich an Attraktivität verlieren5. Mit Rücksicht auf die Funktion des Lastschriftverfahrens hat vielmehr das Gläubigerinstitut das mit der Widerspruchsmöglichkeit verknüpfte Verlustrisiko zu tragen, zumal sie dieses Risiko durch strenge Prüfung der Bonität des Lastschriftträgers weitgehend zu beherrschen vermag6.
7.449
1 BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450 = BGHZ 79, 381 ff. = NJW 1981, 1669 ff. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 550. 3 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 22. 4 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828 (829); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 22; van Gelder, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 7, 17; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 577; Krepold in BuB, Rz. 6/393. 5 Krepold in BuB, Rz. 6/394. 6 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 17; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 582.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
3. Zeitlich unbegrenztes Rückbelastungsrecht
7.450
Nach der Inkassovereinbarung (Nr. 8) kann die Gläubigerbank nicht eingelöste Lastschriften mit der Wertstellung der E.v.-Gutschrift zurückbelasten. Das gilt auch für die Rückbelastung von Lastschriften, die auf einer Einzugsermächtigung beruhen und für die der Zahlungspflichtige nach Belastung des Inkassobetrages auf seinem Konto Wiedergutschrift verlangt, weil er dieser Belastung widersprochen hat. Dieses Rückbelastungsrecht enthält nach herrschender Meinung keine zeitliche Begrenzung1. Im Unterschied zum Rückvergütungsanspruch der Schuldnerbank gegen die Gläubigerbank, der nach dem LSA (Abschnitt III Nr. 2) nur binnen sechs Wochen nach Widerspruch des Schuldners gegen die Belastung seines Girokontos geltend gemacht werden kann, ist also das Rückbelastungsrecht der Gläubigerbank aus der Inkassovereinbarung unbefristet. Diese sechswöchige Frist kann sich nicht reflexartig zu Gunsten des Lastschrifteinreichers auswirken. Denn der Schuldner kann nach der BGH-Rechtsprechung im Einzugsermächtigungsverfahren bis zu deren Genehmigung widersprechen. Diese kann im Einzelfall durchaus erst nach dieser Frist erteilt werden. Die Gläubigerbank kann also von ihrem Rückbelastungsrecht auch dann Gebrauch machen, wenn sie trotz Ablaufes der Sechswochenfrist im Einvernehmen mit der Schuldnerbank die Lastschrift zurückgibt2.
4. Keine Haftung des Gläubigerinstituts für nachgeordnete Inkassoinstitute
7.451
Das Gläubigerinstitut hat die Lastschriften nach ihrer Einreichung unverzüglich auf dem hierfür geeigneten Inkassoweg weiterzuleiten. Mit dieser Weiterleitung hat sie ihre Geschäftsbesorgungspflicht erfüllt. Deshalb können die nachgeordneten Inkassoinstitute auch keine Erfüllungsgehilfen des Gläubigerinstituts sein, für deren Verschulden es gemäß § 278 BGB einzustehen hätte3.
III. Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und seinem Zahlungsinstitut
7.452
Der Schuldner kann auf Grund des zu seiner kontoführenden Stelle bestehenden Girovertragsverhältnisses ohne weiteres am Lastschriftverfahren teilnehmen. Der Girovertrag beinhaltet auch die Befugnis, über das Kontoguthaben mittels Lastschriften zu verfügen. Auf Grund dessen werden mit dem Kontoinhaber verschiedene Bedingungen über die Teilnahme an den Lastschriftverfahren vereinbart, wie die „Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einziehungsermächtigungsverfahren“, die „Bedingungen für Zahlungen mit1 Krepold in BuB, Rz. 6/397; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 17; einschränkend Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 578. 2 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 17; einschränkend Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 578. 3 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 21.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
tels Lastschrift im Abbuchungsauftragsverfahren“, die „Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren“ und für Firmenkunden die „Bedingungen für Zahlungen im SEPA-Firmenlastschriftverfahren“. Für die Beurteilung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Schuldner und seinem Zahlungsinstitut ist zwischen dem Abbuchungsauftragsverfahren und dem Einzugsermächtigungsverfahren zu differenzieren.
7.453
1. Abbuchungsauftragsverfahren Beim Abbuchungsauftrag beauftragt der Schuldner über einen Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB im Rahmen eines Zahlungsdiensterahmenvetrags gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB sein Institut, die von einem bestimmten Gläubiger auf ihn gezogenen Lastschriften zu Lasten seines Kontos einzulösen. Dieser Auftrag ist kein echter Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB), aus dem der Lastschriftgläubiger berechtigt wird1. Das Schuldnerinstitut will beim Lastschrifteinzug dem Zahlungsbegünstigten keinen eigenen Anspruch verschaffen, sondern sich nur zur ordnungsgemäßen Weiterleitung des Buchgelds verpflichten. Der Abbuchungsauftrag ist lediglich die Legitimierung der Schuldnerbank gegenüber dem Schuldner zur Abbuchung der Beträge von Lastschriften eines bestimmten Gläubigers2 und wird jetzt durch den Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB erfasst. Es handelt sich dabei um eine Zustimmung zur Zahlung gemäß § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB.
7.454
Der Abbuchungsauftrag ist ein genereller Zahlungsauftrag innerhalb des zwischen dem Schuldner und seiner kontoführenden Stelle bestehenden Girovertrages und unterscheidet sich dadurch im Grundsatz nicht von der Rechtsfigur der (General-)Weisung gemäß §§ 665, 675 BGB, über die vor Inkrafttreten des Zahlungsdiensterichtlinienumsetzungsgesetzes der Abbuchungsauftrag erklärt worden ist3. Kraft dieses Auftrags ist das Schuldnerinstitut berechtigt, die bei ihm eingehenden Lastschriften des im Abbuchungsauftrag bezeichneten Gläubigers durch Belastung des Kontos seineses Kunden einzulösen.
7.455
Mit dem Wirksamwerden dieser Belastungsbuchung erlangt das Schuldnerinstitut den Gegenwert aus der Lastschrift, den sie bestimmungsgemäß aus der Geschäftsführung für das Gläubigerinstitut oder der ihr in der Inkassokette unmittelbar vorgeschalteten Zwischenstelle einziehen sollte (§§ 675c Abs. 1, 667 BGB)4. Nach dem LSA (Abschnitt I Nr. 1) werden die Lastschriftbeträge zu Gunsten des Gläubigers über sein Institut von dem Konto des Schuldners eingezogen. Mit der Belastung des Schuldnerkontos entspricht das Schuldner-
7.456
1 BGH v. 21.4.1986 – II ZR 126/85, WM 1986, 784 (785) = NJW-RR 1986, 959 f. 2 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 57 Rz. 61. 3 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195); BGH v. 21.4.1986 – II ZR 126/ 85, WM 1986, 784 (785); van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 57 Rz. 64. 4 BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450 (451) = BGHZ 79, 381 ff. = NJW 1981, 1669 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
institut nicht nur den Abbuchungsaufträgen, sondern vor allem dem Auftrag des ihr in der Inkassokette unmittelbar vorgeschalteten Instituts zum Lastschrifteinzug1. Das Wirksamwerden dieser Belastungsbuchung lässt zugleich alle Vermerke „Eingang vorbehalten“ (E.v.) der auf dem Inkassowege erteilten Gutschriften fortfallen2. Damit ist die bargeldlose (Buchgeld-)Zahlung des Schuldners an seinen Gläubiger erfolgt3. Das Schuldnerinstitut hat infolge ihrer Vermittlung dieser Buchgeldzahlung in Höhe des Lastschriftbetrages Aufwendungen gemacht. Der hierdurch begründete Ersatzanspruch (§§ 675c Abs. 1, 670, 675 BGB) wird durch die Belastungsbuchung auf dem Schuldnerkonto dokumentiert4.
7.457
Wie bei sonstigen Verfügungen über Giroguthaben ist das Zahlungsinstitut zur Einlösung der Lastschrift nur verpflichtet, wenn das Konto des Schuldners ausreichende Deckung aufweist. Nach dem LSA (Abschnitt II Nr. 1b) kann das Zahlungsinstitut als Zahlstelle des Schuldners die Lastschrift mangels Deckung auf dem bezeichneten Konto zurückgeben. Teileinlösungen kommen nach dem LSA (Abschnitt I Nr. 7 Abs. 3) nicht in Betracht.
7.458
Weist dagegen das Konto ausreichendes Guthaben auf, ist das Schuldnerinstitut zur Einlösung der Lastschriften grundsätzlich auch dann berechtigt, wenn der Gläubiger durch die Inanspruchnahme des Lastschriftverfahrens gegenüber seinem Schuldner pflichtwidrig handelt. Drängen sich dagegen dem Schuldnerinstitut massive Verdachtsmomente auf oder erkennt es die Lastschrifteinreichung als ein missbräuchliches Verhalten des Gläubigers, dürfte ihre Befugnis und Pflicht zur Einlösung der Lastschrift entsprechend den Grundsätzen über den Vollmachtsmissbrauch entfallen5. Im Zweifelsfalle dürfte sich eine Rückfrage beim Schuldner empfehlen6. a) Einlösung bei fehlendem Abbuchungsauftrag
7.459
Fehlt der Abbuchungsauftrag, hat das Schuldnerinstitut die Lastschrift nach dem LSA (Abschnitt II Nr. 1c) innerhalb der dort vorgesehenen Frist (spätestens an dem auf den Tag des Eingangs folgenden Geschäftstag) zurückzugeben. Denn beim Abbuchungsauftragsverfahren lautet der Auftrag des auf dem Inkassoweg vorgeschalteten Gläubigerinstituts oder der Zwischenstelle, den Einzug der Lastschrift mit Rücksicht auf den zu Gunsten des Gläubigers erteilten Abbuchungsauftrag vorzunehmen7. Bei fehlendem Abbuchungsauftrag 1 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195); BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/ 80, WM 1981, 450 (451). 2 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195); BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/ 80, WM 1981, 450 (451). 3 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 29. 4 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 31. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 541; zur Widerspruchsmöglichkeit gegen Einzugsermächtigungslastschriften im Konkurs- oder Vergleichsverfahren des Schuldners vgl. Rottnauer, WM 1995, 272 ff. 6 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 35. 7 Hadding/Häuser, WM 1983, Sonderbeil. Nr. 1, 18.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
fehlt es deshalb an einem verbindlichen Inkassoauftrag. In der Übersendung der Lastschrift kann aber nach Ansicht des BGH unter bestimmten Voraussetzungen das Auftragsangebot der vorgeschalteten Inkassostelle liegen, die Lastschrift dennoch vom Schuldner einzuziehen. Dem Interesse des Gläubigers und damit auch des Gläubigerinstituts entspräche es eher, wenn das Schuldnerinstitut bei fehlenden Abbuchungsaufträgen zumindest den Versuch unternimmt, die Einlösung der Lastschrift durch Einholung der Zustimmung des Schuldners herbeizuführen, als diese einfach zurückzugeben. Dieses Auftragsangebot nimmt das Schuldnerinstitut an, wenn es mit Zustimmung des Schuldners dessen Konto belastet mit der Folge, dass die Lastschrift eingelöst ist1. Diese Rechtsprechung begegnet Bedenken, weil eigentlich jeder Einziehungsauftrag dahingehend auszulegen ist, dass er bei einem etwaigen fehlenden Abbuchungsauftrag als „Antrag auf Abschluss eines besonderen Inkassoauftrages“ gewollt ist2. Dieser Kritik hat der BGH in einer späteren Entscheidung durch eine zeitlich restriktivere Auslegung des Einziehungsauftrages Rechnung getragen. Der von ihm unterstellte Inkassoauftrag an das Schuldnerinstitut, bei Fehlen eines Abbuchungsauftrages die Lastschrift dennoch vom Schuldner einzuziehen, stünde unter dem Vorbehalt, dass die Einholung des Einverständnisses des Schuldners zur Belastung seines Kontos grundsätzlich innerhalb der Rückgabefristen des Lastschriftabkommens möglich ist. Ohne diese zeitliche Befristung würde der Zweck der Rückgabefristen vereitelt, Gläubigerinstitut und Gläubiger so bald wie möglich von der Nichteinlösung zu informieren, um diese vor Schaden zu bewahren3.
7.460
Nach einem Teil des Schrifttums kann in der Belastung des Schuldnerkontos trotz Fehlens eines Abbuchungsauftrags die Einlösung der Lastschrift gesehen werden. Diese gegenüber dem Schuldner unwirksame Kontobelastung geschieht auf Risiko des Schuldnerinstituts, das selbst noch keine Deckung für die Lastschrifteinlösung erhalten hat. Deshalb kann die Unterstellung eines Einlösungswillens des Schuldnerinstituts nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, wenn dafür besondere Gründe vorliegen oder das Schuldnerinstitut zwecks Rationalisierung des Geschäftsbetriebes auf die Prüfung verzichtet, ob ein Abbuchungsauftrag vorliegt4.
7.461
b) Zeitpunkt der Lastschrifteinlösung Beim Abbuchungsauftragsverfahren gilt die Lastschrift mit der Belastung des Girokontos des Schuldners als endgültig eingelöst (bezahlt), soweit diese Belastung durch einen von ihm erteilten Abbuchungsauftrag gedeckt ist5. Dabei tritt diese Einlösungswirkung nach den AGB der Banken nicht schon mit der 1 BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450 (451) = BGHZ 79, 381 ff. = NJW 1981, 1669 ff.; WM 1979, 996. 2 Hadding/Häuser, WM 1983, Sonderbeil. Nr. 1, 19. 3 BGH v. 10.9.1982 – II ZR 186/81, WM 1982, 1246 (1248) = NJW 1983, 220 ff. 4 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 34; Bauer, WM 1983, 198 (204). 5 BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450 (451) = BGHZ 79, 381 ff. = NJW 1981, 1669 ff.
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7.462
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Belastung des Girokontos, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt ein1. Danach sind Lastschriften wie Schecks erst eingelöst, wenn die Belastung des Girokontos nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach der Belastungsbuchung rückgängig gemacht (storniert) wird (Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken). Der Ablauf dieser zweitägigen Stornofrist hat die Einlösung auch dann zur Folge, wenn die Belastung durch eine elektronische Datenverarbeitungsanlage vorgenommen wird2.
7.463
Soweit Lastschriften über die Abrechnungsstelle einer Landeszentralbank vorgelegt werden, sind diese jedoch eingelöst, wenn sie nicht bis zu dem von der Landeszentralbank festgesetzten Zeitpunkt an die Abrechnungsstelle zurückgegeben werden (Nr. 9 Abs. 2 Satz 3 AGB-Banken)3. Etwas anderes gilt nur beim „vereinfachten Scheck- und Lastschrifteinzug“ der Landeszentralbanken. Hier gilt die verspätete Rückgabe einer unbezahlt gebliebenen Lastschrift nicht als Einlösung4.
7.464
Für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Belastungsbuchung kann also nicht allein auf die Buchung abgestellt werden. Sie ist zunächst nur ein rein tatsächlicher Vorgang im Sinne eines bloßen Entwurfs einer Buchung und besagt deshalb noch nichts über die Einlösung der Lastschrift5. Wie bei einer manuellen Buchung muss für eine wirksame Einlösung noch hinzukommen, dass der Zahlungsdienstleister mit diesem buchungstechnischen Vorgang zugleich ihren Einlösungswillen bekunden will6.
7.465
Dieser von der Rechtsprechung7 generell geforderte Einlösungswillen als weitere subjektive Voraussetzung der Einlösung wird von einem Teil des Schrifttums8 kritisiert. Die Kritik stützt sich darauf, dass die hL bei der Erfüllung von Verbindlichkeiten einschließlich von Geldschulden auch sonst das Erfordernis eines Erfüllungsvertrages oder eines einseitigen rechtsgeschäftlichen Erfüllungswillens verneint und allein den realen Tilgungsakt für den Eintritt der Erfüllung genügen lässt (Theorie der „realen Leistungsbewirkung“)9. Das Denkmodell der Erfüllung durch reale Leistungsbewirkung biete sich daher auch für die Einlösung der Inkassopapiere des bargeldlosen Zahlungsverkehrs 1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 550. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 700 für die gleich gelagerte Scheckeinlösung. 3 BGH v. 26.1.1987 – II ZR 121/86, WM 1987, 400 = NJW 1987, 2439 ff.; Häuser, WM 1988, 1505 (1508). 4 BGH, WM 1996, 335 (337) = NJW 1996, 988 ff.; vgl. hierzu Häuser, JZ 1997, 957 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 597, 549. 5 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 38; vgl. BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326) für das Scheckinkasso = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; vgl. hierzu Ahlers, NJW 1990, 1149 ff. 6 BGH v. 2.2.1970 – II ZR 80/69, WM 1970, 490 (491); BGH v. 28.9.1972 – II ZR 109/70, WM 1972, 1379 (1380); BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326); OLG Frankfurt v. 24.9.1985 – 5 U 240/83, WM 1986, 351; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 550. 7 BGH v. 2.2.1970 – II ZR 80/69, WM 1970, 490 (491); BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326). 8 Pleyer/Wallach, ZHR 153 (1989), 539 (544 ff.). 9 Heinrichs in Palandt, § 362 BGB Rz. 5.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
an, sofern nicht das subjektive Erfordernis eines rechtsgeschäftlichen Einlösungswillens durch Besonderheiten des technischen Einlösungsvorganges veranlasst sei. Die zweitägige Stornofrist in den AGB der Kreditinstitute, mit deren Ablauf eine endgültige Einlösung eintritt, soll dem technischen Ablauf bei einer EDV-mäßigen Bearbeitung der Inkassopapiere Rechnung tragen. Diese für die Einlösung maßgebliche Frist gilt nach dem BGH schon aus Gründen der Rechtsklarheit ohne Rücksicht auf das angewandte Verfahren und unabhängig davon, ob der Belastungsbuchung eine Prüfung vorausgegangen ist (Vordisposition) oder ob eine Nachdisposition erfolgt1.
7.466
Dieselbe Rechtslage ist bei einer zentralen Datenverarbeitungsanlage gegeben. In diesen Fällen besteht eine organisatorische Trennung zwischen dem sog. Rechenzentrum als verbuchender Stelle und der kontoführenden Stelle des Schuldnerinstituts. Auch hier ist die Einlösung erst erfolgt, wenn der AGBmäßige Stornierungsvorbehalt wegen Verstreichens der zweitägigen Frist entfallen ist.
7.467
c) Keine Widerspruchsmöglichkeit nach Einlösung der Lastschrift Das Abbuchungsauftragsverfahren bezweckt auch nach Ansicht des BGH, dem Gläubiger den einzuziehenden Betrag durch die Belastung des Girokontos seines Schuldners endgültig und nicht nur unter Vorbehalt eines fehlenden Widerspruches des Schuldners zu verschaffen, wie dies beim Einzugsermächtigungsverfahren der Fall ist2. Das Schuldnerinstitut ist kraft des ihm erteilten Abbuchungsauftrages im Verhältnis zu seinem Kunden als Lastschriftschuldner zur Einlösung der Lastschrift berechtigt und verpflichtet; die Durchführung dieses Auftrages kann deshalb nicht mehr einseitig rückgängig gemacht werden3.
7.468
Ein Widerruf des Abbuchungsauftrags kommt nicht mehr in Betracht, sobald der Auftrag beim Zahlungsdienstleister des Zahlers eingegangen ist. Insoweit bestehen zwischen dem Abbuchungsauftragsverfahren und der Überweisung keine rechtlichen Unterschiede; auch ein ausgeführter Überweisungsauftrag ist nicht mehr widerrufbar4. Mit der Wirksamkeit der Belastung des Schuldnerkontos ist dem Gläubiger der einzuziehende Betrag endgültig verschafft5. Dementsprechend kann der Schuldner der Belastung seines Girokontos auch nicht mehr widersprechen6. Dieser Rechtslage trägt auch das Lastschriftab-
7.469
1 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326); vgl. Häuser, WM 1988, 1505 (1511); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 550; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 192 für Scheckeinlösung. 2 BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450 (451) = BGHZ 79, 381 ff. = NJW 1981, 1669 ff.; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 46. 3 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 45. 4 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195). 5 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 46. 6 BGH v. 17.4.1978 – II ZR 18/77, WM 1978, 819 (820); BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/ 77, WM 1979, 194 (195); BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, WM 1981, 450 (451); van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 45.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
kommen des Kreditgewerbes Rechnung. Danach ist ein Widerspruch des Schuldners gegen die Belastung nur bei Lastschriften zulässig, die auf einer Einzugsermächtigung beruhen (Abschnitt III Nr. 1).
7.470
Umstritten ist, ob dem Schuldner auch in den Fällen kein Widerspruchsrecht zusteht, in denen ein die Kontobelastung deckender Abbuchungsauftrag erteilt worden ist, die vorgelegte Lastschrift aber als „Einzugsermächtigungs“Lastschrift gekennzeichnet ist (sog. doppelt begründete Lastschrift)1. Dem Schuldnerinstitut bleibt es nach der vom BGH vertretenen aber unbenommen, die Kontobelastung zu stornieren, wenn der Schuldner binnen sechs Wochen widersprochen hat. Wenngleich der Widerspruch des Schuldners von seinem Institut nicht beachtet zu werden braucht, ist die Lastschrift entsprechend ihrer Kennzeichnung im Interbankenverhältnis als EinzugsermächtigungsLastschrift zu behandeln2. Die doppelt begründete Lastschrift kann deshalb nach einem rechtzeitigen „Widerspruch“ des Kunden an das Gläubigerinstitut zurückgegeben werden3.
7.471
Durch eine solche Rückgabe macht sich das Schuldnerinstitut auch nicht schadensersatzpflichtig gegenüber dem Gläubiger, soweit nicht die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) vorliegen4. Auch kommt kein Schadensersatzanspruch aus der Verletzung einer Schutzpflicht auf Grund eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter in Betracht. Mit Rücksicht darauf, dass die durch einen Abbuchungsauftrag gedeckte Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren weitergeleitet worden ist, braucht es nur nach den diesbezüglichen Bestimmungen des Lastschriftabkommens zu verfahren, die einen solchen Widerspruch vorsehen5. Auch in diesen Fällen ist das Gläubigerinstitut gegenüber dem Gläubiger berechtigt, die ihm erteilte Gutschrift gemäß der Inkassovereinbarung (Nr. 9) zu stornieren6.
7.472
Die vom Gläubiger ausgehende und von dem Gläubigerinstitut abgegebene Willenserklärung, dass die Lastschrift als Einzugsermächtigungs-Lastschrift behandelt werden soll, lässt diese Lastschrift aus dem Abbuchungsverfahren herausfallen7. Diese scharfe Trennung der beiden Verfahrensarten erfordert auch die praktischen Bedürfnisse. So erfolgt auf Grund der überwiegenden Beleglosigkeit des Lastschrifteinzuges die Zuordnung zu den beiden Verfahrensarten automatisch. Bei der Abwicklung im Einzugsermächtigungsverfahren unterbleibt aber die Prüfung des Vorliegens eines Abbuchungsauftrages. Deshalb ist es auch verfehlt, das Schuldnerinstitut einem Schadensersatzrisi1 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 49, 98 ff.; van Gelder, WM 2000, 101 (108). 2 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195). 3 Krepold in BuB, Rz. 6/482; OLG Rostock v. 15.2.1996 – 1 U 21/95, WM 1996, 2011 (2013). 4 van Gelder, WM 2000, 101 (109). 5 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (196). 6 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 49. 7 van Gelder, WM 2000, 101 (109).
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Lastschriftverfahren
ko auszusetzen, wenn es den Widerspruch gegen eine als solche gekennzeichnete Einzugsermächtigungs-Lastschrift befolgt1.
2. Einzugsermächtigungsverfahren Beim Einzugsermächtigungsverfahren „ermächtigt“ der Schuldner den Gläubiger, fällige Forderungen zu Lasten seines Kontos durch Lastschriften einzuziehen. Im Gegensatz zum Abbuchungsauftragsverfahren gibt hier der Schuldner gegenüber seiner Bank keine Erklärung ab, die als sein erforderliches Einverständnis zur Belastung seines Kontos mit dem Lastschriftbetrag gedeutet werden kann. An dieser rechtlichen Würdigung hat auch das Zahlungsdiensterichtlinienumsetzungsgesetz nichts geändert, das in § 675j Abs. 1 BGB ausdrücklich auch die nachträgliche Genehmigung als Möglichkeit der Zustimmung vorsieht, denn auch danach liegt mit der Einziehungsermächtigung noch keine Zustimmung vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt das Schuldnerinstitut bei dieser Kontobelastung nur auf Grund der Weisung des Gläubigerinstituts bzw. der ihm auf dem Inkassowege vorgeschalteten Zwischenstelle im Rahmen des zwischen den Zahlungsinstituten bestehenden Giroverhältnissen und ohne entsprechenden Auftrag des Schuldners2. Das Schuldnerinstitut löst deshalb die Lastschrift auf eigene Rechnung ein, weil sie zu dieser Kontobelastung im Verhältnis zu ihrem Kunden nicht berechtigt ist3. Deshalb erwirbt das Schuldnerinstitut zunächst noch keinen Aufwendungsersatzanspruch (§§ § 675c Abs. 1, 675f Abs. 3 Satz 2, 670, 675 BGB), wie er mit der Belastungsbuchung bereits dokumentiert wird4. Ein solcher Anspruch, den das Schuldnerinstitut mit der Belastungsbuchung geltend macht, steht ihm erst zu, wenn der Schuldner die Belastungsbuchung gegenüber dem Schuldnerinstitut genehmigt hat5.
7.473
a) Vorläufige Einlösung der Lastschrift im Verhältnis zum Gläubigerinstitut durch Belastungsbuchung Die fehlende Berechtigung zu dieser Kontobelastung im Innenverhältnis des Schuldnerinstituts zum Schuldner verhindert aber nicht, dass die Lastschrift mit Rücksicht auf den hierdurch manifestierten Einlösungswillen des Schuldnerinstituts als (vorläufig) eingelöst gilt6. Der bargeldlose Zahlungsvorgang zwischen dem Schuldnerinstitut und dem Lastschriftgläubiger ist damit vorbehaltlich eines etwaigen Widerspruchs des Schuldners abgeschlossen. Die 1 In diesem Sinne OLG Düsseldorf v. 6.5.1977 – 16 U 213/76, NJW 1977, 1403 (1404). Hiergegen van Gelder, WM 2000, 101 (109), wonach es zur Richtigstellung dieser verfehlten Rechtsprechung durch den BGH noch keine Gelegenheit gab. 2 BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521) mwN = NJW 1989, 1672 f. 3 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 57 Rz. 31. 4 BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521); BGH v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, WM 1996, 335 (337) = NJW 1996, 988 ff. 5 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1578). 6 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 55; van Gelder, WM 2000, 101 (102).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
dem Gläubiger bei Einreichung der Lastschrift unter „Eingang vorbehalten“ erteilte Kontogutschrift ist durch diese Einlösung „vorbehaltlos“ und damit endgültig und dem Gläubiger hierdurch entsprechendes Buchgeld verschafft worden1. Hinsichtlich dieser Einlösungswirkung besteht also kein Unterschied zu der im Rahmen des Abbuchungsverfahrens erteilten Belastung des Schuldnerkontos. Auch dort wird die Belastungsbuchung nach den kreditwirtschaftlichen AGB wirksam, wenn sie nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht worden ist (Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken).
7.475
Diese Einlösung der Lastschrift besagt aber nichts über die Endgültigkeit der von dem Schuldnerinstitut vorgenommenen Belastungsbuchung auf dem Konto des Schuldners, weil hierfür dessen girovertragliche Weisung fehlt. Auch hat die Einlösung der Lastschrift mit Rücksicht auf das Widerspruchsrecht des Schuldners gegen die auf seinem Konto vorgenommene Belastungsbuchung noch keine Erfüllungswirkung in seinem Valutaverhältnis zum Gläubiger2. Das in der Gutschrift auf dem Gläubigerkonto liegende Schuldversprechen steht deshalb unter der weiteren auflösenden Bedingung der vorzunehmenden Wiedervergütung wegen Widerspruchs des Schuldners3. b) Endgültige Lastschrifteinlösung mit Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis
7.476
Wenngleich Einvernehmen über die Einlösung der Lastschrift mit dem Wirksamwerden der Belastung auf dem Schuldnerkonto besteht, ist im Schrifttum umstritten, wie die endgültige Einlösung der Lastschrift rechtlich zu konstruieren ist4. Erst mit dieser Endgültigkeit kann die Buchgeldzahlung Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner zeitigen. Hierzu bedarf es nach Ansicht des BGH einer Genehmigung des Lastschriftschuldners, die nicht schon in der Erteilung der Einzugsermächtigung im Rahmen der Lastschriftabrede mit dem Gläubiger gesehen werden kann5.
7.477
Zur dogmatischen Einordnung dieser „Einzugsermächtigung“ werden im Schrifttum verschiedene Theorien vertreten. So wird in dieser Erklärung eine anweisungsähnliche Doppelermächtigung erblickt, die das Schuldnerinstitut zur Zahlung an den Gläubiger ermächtigt (Zahlungsermächtigung) und zugleich den Gläubiger zur Entgegennahme der Buchgeldzahlung legitimiert (Empfangsermächtigung). Nach der sog. Vollmachtstheorie ist die Einzugsermächtigung eine vollmachtsähnliche Befugnis des Gläubigers zur aktiven Ein-
1 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195); BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/ 80, WM 1981, 450 = BGHZ 79, 381 ff. = NJW 1981, 1669 ff.; van Gelder, WM 2000, 101 (102). 2 van Gelder, WM 2000, 101. 3 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828 (829) = BGHZ 74, 309 (315). 4 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 55, § 57 Rz. 4; Krepold in BuB, Rz. 6/316. 5 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1578).
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Lastschriftverfahren
wirkung auf das zwischen Schuldner und Schuldnerinstitut bestehende Deckungsverhältnis. In der Lastschriftermächtigung wird ferner ein Leistungsbestimmungsrecht des Gläubigers iS des § 317 BGB erblickt. Nach der von Canaris vertretenen Rechtsansicht erteilt der Schuldner dem Gläubiger eine (Ausübungs)Ermächtigung iS des § 185 BGB zur Erteilung eines Überweisungsauftrages an die Zahlstelle zu Lasten seines Kontos. Hierbei handelt es sich um eine interne, weil nur gegenüber dem Gläubiger erklärte Ermächtigung, während dem Abbuchungsauftragsverfahren eine externe Ermächtigung gegenüber dem Schuldnerinstitut zugrunde liegt1. Nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht wird die Belastungsbuchung auf dem Schuldnerkonto im Anschluss an die von Hadding2 entwickelte „Genehmigungstheorie“ erst endgültig, wenn sie durch den Schuldner nach §§ 684 Satz 2, 185 Abs. 2 Satz 1 BGB aF bzw. 675j Abs. 1 BGB genehmigt worden ist3. Erst diese Genehmigung begründet einen Anspruch des Schuldnerinstituts auf Ersatz seiner Aufwendungen aus der (vorläufigen) Einlösung der Lastschrift4. Bis zu dieser Genehmigung kann der Schuldner der Belastung seines Kontos widersprechen5. Mit diesem Widerspruch verlangt der Schuldner die nur deklaratorisch bedeutsame Rückgängigmachung (Stornierung) der Belastung durch Wiedergutschrift, weil sie nicht durch einen von ihm ausgehenden Zahlungsauftrag gedeckt ist6. Das Widerspruchsrecht ist somit das Korrektiv für die unberechtigte Kontobelastung7. Es mindert zugleich die Risiken eines Missbrauchs des Einzugsermächtigungsverfahrens durch den Gläubiger, der wahrheitswidrig das Vorliegen einer Einzugsermächtigung behauptet8.
7.478
Diese Widerspruchsmöglichkeit beruht nicht auf dem Lastschriftabkommen (Abschnitt IV Nr. 1), weil dieses nur Rechte und Pflichten zwischen den beteiligten Instituten begründen kann. Das Widerspruchsrecht ergibt sich vielmehr daraus, dass beim Einzugsermächtigungsverfahren das Zahlungsinstitut das Girokonto seines Kunden ohne dessen Auftrag belastet hat9. Die Wider-
7.479
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 532 ff. 2 Hadding in FS Bärmann, 1990, S. 388 ff.; Hadding, WM 1978, 1366 ff.; Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV C 20. 3 BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521) = NJW 1989, 1672 f.; BGH v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, WM 1996, 335 (336) = NJW 1996, 988 ff.; BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1579); van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 57 Rz. 37 mwN; van Gelder, WM 2000, 101 (102, 104). 4 BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521); BGH v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, WM 1996, 335 (336); BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1578); van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 57 Rz. 36, 43. 5 BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895 (896) = BGHZ 101, 153 ff. = NJW 1987, 2370 ff. 6 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 125/02, WM 2002, 2408 (2409); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 57, 62. 7 Hadding, WM 1978, 1366 (1368); Bauer, WM 1981, 1186 (1187); van Gelder, WM 2000, 101. 8 van Gelder, WM 2000, 101. 9 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
spruchsmöglichkeit hat deshalb ihre Rechtsgrundlage in dem Girovertragsverhältnis zwischen Schuldner und seinem Zahlungsinstitut1.
7.480
Den Widerspruch seines Kunden hat das Zahlungsinstitut grundsätzlich selbst dann zu beachten, wenn ihm bekannt ist, dass der Schuldner die abgebuchten Beträge dem Zahlungsempfänger schuldet2 und deshalb im Verhältnis zu seinem Gläubiger möglicherweise pflichtwidrig handelt. Entscheidend ist allein, dass der Schuldner widersprochen hat3. Das Schuldnerinstitut hat weder eine Prüfungspflicht noch ein Prüfungsrecht4.
7.481
Von der Zulässigkeit des Widerspruchs des Lastschriftschuldners gegenüber seinem Zahlungsdienstleister zu unterscheiden ist die Frage, ob der Lastschriftschuldner hierzu auch im (Valuta-)Verhältnis zum Lastschriftgläubiger berechtigt ist. Dies beurteilt sich nach dem Zweck, den das Widerspruchsrecht im Einzugsermächtigungsverfahren zu erfüllen hat5. Hat der Schuldner eine Einzugsermächtigung erteilt, ist er gegenüber seinem Gläubiger zur Genehmigung der Belastungsbuchung auf seinem Girokonto verpflichtet. Ein Widerspruch des Schuldners ist deshalb pflichtwidrig, wenn er hierfür nicht anerkennenswerte Gründe hatte, die ihn davon abgehalten hätten, den mit Lastschrift geltend gemachten Betrag bar oder durch Überweisung zu zahlen6.
7.482
Mit dem Widerspruch gegen die Belastungsbuchung verweigert der Schuldner zugleich ihre Genehmigung nach § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB7.
7.483
Dieser Widerspruch kann auch nicht mehr vom Schuldner widerrufen werden. Auf die geschäftsbesorgungsrechtliche Genehmigung nach § 675j Abs. 1 BGB, die für die Wirksamkeit der unberechtigten Belastungsbuchung erforderlich ist, finden die §§ 182 ff. BGB entsprechende Anwendung8. Die Verweigerung einer solchen Genehmigung ist – wie diese auch – eine Gestaltungserklärung, die als solche unwiderruflich ist9. Sie kann aber als ein nicht formbedürftiger Zahlungsauftrag angesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die für das Zahlungsinstitut eindeutig eine entsprechende Weisung ihres Kunden erkennen lassen10. 1 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 70. 2 BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/84, WM 1985, 905 = BGHZ 95, 103 ff.; OLG Düsseldorf v. 24.11.2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557; van Gelder, WM 2000, 101. 3 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828 (829); BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/ 84, WM 1985, 905; BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895 (896); BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1579). 4 OLG Düsseldorf v. 24.11.2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557. 5 BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895 (896) = BGHZ 101, 153 ff. 6 van Gelder, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 7, 8 mwN. 7 Nach früherem Recht wurde § 684 Satz 2 BGB auf die Genehmigung angewendet; vgl. zur bisherigen Rechtslage van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 57; van Gelder, WM 2000, 101. 8 BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521) = NJW 1989, 1672 f. 9 BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 62; van Gelder, WM 2000, 101 (102). 10 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 63; van Gelder, WM 2000, 101 (103).
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Lastschriftverfahren
An dieser gefestigten Rechtsprechung, die für die Praxis maßgeblich ist1, hat der BGH trotz kritischer Stimmen in der Literatur festgehalten2. Die im Schrifttum vertretene Theorie, der Schuldner ermächtige oder bevollmächtige im Einzugsermächtigungsverfahren den Gläubiger zu Verfügungen über sein Konto, lässt nach Ansicht des BGH die Interessenlage und die tatsächliche Abwicklung des Lastschriftverfahrens außer Betracht. Das Lastschriftverfahren dient im Wesentlichen dem Interesse des Gläubigers an der zügigen und reibungslosen Einziehung seiner Forderungen3. Seine weite Verbreitung verdankt es der Tatsache, dass die Gläubiger bei der Einholung der formularmäßigen Einzugsermächtigungen mit dem Hinweis auf die Risikofreiheit werben und dabei die fehlende Verpflichtung zur Einlösung und die freie Widerruflichkeit der „Ermächtigung“ in den Vordergrund stellen. Dies spricht bereits gegen die Annahme einer echten Ermächtigung iS des § 185 BGB. Zwischen Gläubiger und Schuldner besteht vielmehr bei sachgerechter Auslegung der beiderseitigen Erklärungen Einvernehmen darüber, dass durch die Einzugsermächtigung nur die Benutzung des von der Kreditwirtschaft entwickelten technischen Verfahrens gestattet wird, der Schuldner dagegen dem Gläubiger nicht das Recht einräumen will, unmittelbar über sein Guthaben bei dem Zahlungsinstitut zu verfügen. Von der Interessenlage her besteht für ihn kein Anlass, dem Gläubiger über die Verfahrensvereinfachung hinaus mehr Rechte einzuräumen, als diesem zustehen würden, wenn der Zahlungsverkehr auf dem konventionellen Weg durch Banküberweisung oder Scheckzahlung abgewickelt würde4.
7.484
Dieser Deutung entspricht auch die Widerspruchsmöglichkeit für den Schuldner, von der das Abkommen über den Lastschriftverkehr ausgeht. Sie ließe sich bei Annahme einer echten Ermächtigung oder Vollmacht dogmatisch nicht erklären. Aus den Vereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner ist sie nicht herzuleiten, und in den Einziehungsermächtigungen wird sie nicht erwähnt. Durch das Abkommen über den Lastschriftverkehr kann sie nicht eingeräumt werden, da dieses nur Rechte und Pflichten zwischen den beteiligten Kreditinstituten begründet. Der durch die Genehmigungstheorie gewährleistete Schutz des Schuldners bildet iÜ die innere Rechtfertigung für die Abwicklung des Lastschriftverkehrs als eines Massengeschäfts ohne Prüfung der Ermächtigung. Der erforderliche Schutz des Schuldners wird nicht bereits dadurch gewährleistet, dass die Ermächtigung nur „berechtigte“ Lastschriften deckt. Der Schuldner geht ohne die freie Widerspruchsmöglichkeit, die sich aus dem Fehlen einer von ihm ausgehenden Weisung gegenüber seinem Zahlungsdienstleister ergibt, das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die „Berechtigung“ der eingelösten Lastschrift ein.
7.485
Unberechtigt wird eine Lastschrift eingereicht, wenn für sie das zum Schuldner bestehende Valutaverhältnis dem Gläubiger keine ausreichende Grund-
7.486
1 Krepold in BuB, Rz. 6/330. 2 BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521); BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/ 99, WM 2000, 1577 (1578). 3 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042. 4 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
lage bietet, weil es an anerkennenswerten Gründen mangelt, die den Schuldner davon abgehalten haben, den mit der Lastschrift geltend gemachten Betrag in bar oder durch eine Banküberweisung zu zahlen1. Solche Gründe können sich daraus ergeben, dass der Schuldner eine Einzugsermächtigung überhaupt nicht oder nicht in einem die Lastschrift deckenden Umfang erteilt hat oder weil die Einzugsermächtigung inzwischen erloschen ist. Auch ist ein Widerspruch berechtigt und damit aus der Sicht des Valutaverhältnisses nicht pflichtwidrig, wenn der geltend gemachte Zahlungsanspruch noch nicht entstanden oder nicht fällig gewesen ist oder gegen diesen Anspruch Gegenrechte bestanden, die der Schuldner geltend machen wollte2. c) Erlöschen des Widerspruchsrechts
7.487
Nach dem Lastschriftabkommen (Abschnitt III Nr. 1 und 2) kann eine Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren an das Gläubigerinstitut als erste Inkassostelle zur Wiedervergütung nur zurückgegeben werden, wenn der Schuldner binnen sechs Wochen nach Belastung seines Kontos widersprochen hat. Ob diese sechswöchige Frist auch eine Bedeutung im Verhältnis des Schuldners zu seiner Bank hat, ist im Schrifttum umstritten.
7.488
Die sechswöchige Widerspruchsfrist gilt nach zutreffender Auffassung nur im Interbankenverhältnis3. Die Rechtsstellung des Schuldners richtet sich dagegen allein nach dem Girovertragsverhältnis zu seinem Zahlungsdienstleister. Der Schuldner kann deshalb nach Rechtsansicht des BGH grundsätzlich zeitlich unbegrenzt widersprechen4. Die Gläubigerbank kann also auch noch nach Ablauf von sechs Wochen mit einem Widerspruch eines Lastschriftverfahrens außerhalb des Lastschriftabkommens konfrontiert werden5. Sodann stellt sich die Frage, ob die Gläubigerbank in ihrem Verhältnis zum Lastschriftgläubiger von der unbefristeten Möglichkeit der zwischen ihnen geschlossenen Inkassovereinbarung (Nr. 9) Gebrauch machen will, dessen Konto zurückzubelasten und den Lastschriftbetrag der Schuldnerbank wieder zurückzuvergüten6.
7.489
Soweit der Lastschrift keine Einzugsermächtigung zugrunde lag und dem Schuldnerinstitut wegen des zu beachtenden Widerspruchs ihres Kunden ein Schaden entstanden ist, haftet hierfür nach dem LSA (Abschnitt I Nr. 5) das Gläubigerinstitut (verschuldensunabhängige Garantiehaftung)7.
7.490
Dieser Schadensersatzanspruch entsteht nach der von Canaris vertretenen Rechtsansicht aber nur, wenn das Schuldnerinstitut seine Ansprüche gegen 1 2 3 4
BGHZ 101, 153 = WM 1987, 895; van Gelder, WM 2000, 101 (102). van Gelder, WM 2000, 101 (102, 107). BGH v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, WM 1996, 335 (337) = NJW 1996, 988 ff. BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1579); OLG Düsseldorf v. 24.11.2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557; van Gelder in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 58 Rz. 70; van Gelder, WM 2000, 101 (104). 5 Krepold in BuB, Rz. 6/315. 6 Krepold in BuB, Rz. 6/315; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 71. 7 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 591.
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Lastschriftverfahren
den Lastschriftgläubiger nicht hat durchsetzen können1. Die Schuldnerinstitut muss sich also nach Ablauf der sechswöchigen Frist in erster Linie unmittelbar an den Lastschriftgläubiger halten2. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Nr. 9 Satz 2 der Inkassovereinbarung zwischen Gläubigerinstitut und Lastschriftgläubiger. Auf dieses Rückbelastungsrecht wirkt sich nach Canaris die sechswöchige Frist des Lastschriftabkommens für den Anspruch des Schuldnerinstituts auf Wiedervergütung des bezahlten Lastschriftbetrages „reflexartig“ aus. Soweit das Schuldnerinstitut seinen Erstattungsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger unmittelbar durchzusetzen vermöge, dürfe deshalb das Gläubigerinstitut gemäß § 242 BGB nicht zusätzlich von dem Rückbelastungsrecht nach Nr. 9 der Inkassovereinbarung Gebrauch machen. Hierzu sei das Gläubigerinstitut nur befugt, wenn es dem Schuldnerinstitut schadensersatzpflichtig sei, weil dessen unmittelbare Inanspruchnahme des Lastschriftgläubigers erfolglos geblieben sei3. Im Übrigen stehe dem Schuldnerinstitut gegen das Gläubigerinstitut ein Ersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB analog zu, soweit sein Durchgriff gegen den Lastschriftgläubiger erfolglos geblieben ist. Denn das Schuldnerinstitut hat mit der Belastung des Kontos des Lastschriftschuldners eine Weisung des Gläubigerinstituts als erster Inkassostelle ausgeführt, die in Höhe des Ausfalls zu Aufwendungen geführt hat4. Der Widerspruch ist aber ausgeschlossen, wenn der Schuldner die Belastungsbuchung gegenüber dem Schuldnerinstitut nach § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB genehmigt und dieses dadurch den Aufwendungsersatzanspruch erworben hat5. Diese Genehmigung kann auch stillschweigend erteilt werden6. Da gemäß § 675j Abs. 1 Satz 3 BGB der Zahler und sein Zahlungsdienstleister die Form der Genehmigung vereinbaren können, ist es möglich, auch die Form einer konkludenten Zustimmung zu vereinbaren. Ziff. 2.4 der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren sieht deshalb die Genehmigung durch Verstreichenlassen einer Sechs-Wochen-Frist nach Übersendung des Rechnungsabschlusses vor.
7.491
Eine solche Genehmigung lag nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht zum Zeitpunkt vor Einführung des § 675j Abs. 1 Satz 3 BGB aber nicht schon im Schweigen des Lastschriftschuldners auf die Zusendung eines Tageskontoauszuges mit der Belastung des Lastschriftbetrages vor7. Der in diesem Auszug ausgewiesene Saldo ist ein reiner Postensaldo, der vor allem für die Zinsbe-
7.492
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 592. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 578; vgl. weiter van Gelder, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 7, 8. Nach Werner, BKR 2002, 11 (16) hat sich die Inkassostelle nach Ablauf der 6-Wochen-Frist um die Rückholung des eingezogenen Lastschriftbetrages zu bemühen. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 578. 4 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 146. 5 BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895 (896) = BGHZ 101, 153 ff.; BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1578); van Gelder, WM 2000, 101 (104). 6 BGH v. 19.10.1978 – II ZR 96/77, WM 1979, 194 (195); BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/ 84, WM 1985, 905 (906) = BGHZ 95, 103 ff. = NJW 1985, 2326 f.; BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521) = NJW 1989, 1672 f.; van Gelder in FS Kümpel, 2003, S. 131 (136). 7 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1579).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
rechnung erstellt wird sowie ungedeckte Verfügungen des Kunden verhindern und diesem die Disposition über sein Buchgeld erleichtern soll. Damit dient das sog. Tagessaldo nur tatsächlichen Zwecken. In dem bloßen Schweigen auf einen Tagesauszug liegt deshalb keine konkludente rechtsgeschäftliche Erklärung, geschweige denn eine Genehmigung von Belastungsbuchungen auf Grund einer Einzugsermächtigungs-Lastschrift1. Ob dies nach Einführung des § 675j Abs. 1 Satz 3 BGB anders gewertet werden könnte, denn immerhin haben die Parteien die Dispositionsfreiheit, die Form der nachträglichen Genehmigung zu vereinbaren, kann dahingestellt bleiben, da die weiter oben erwähnten Bedingungen an die Übersendung des Rechnungsabschlusses und nicht den Kontoauszug anknüpfen.
7.493
Der Kunde kann sich aber nach der Ansicht des BGH2 durch sein Schweigen auf den Kontoauszug mit dem belasteten Lastschriftbetrag gegenüber seiner Bank schadensersatzpflichtig machen. Auf Grund des Girovertragsverhältnisses obliegt dem Kunden die Pflicht zur Kontrolle der ihm in den Tageskontoauszügen mitgeteilten Kontobewegungen und Kontostände. Verletzt er diese Pflicht schuldhaft, muss er seiner Bank wegen Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB für den daraus entstehenden Schaden einstehen.
7.494
Dies hindert den Zahlungspflichtigen jedoch nicht daran, dass er beim Einzugsermächtigungsverfahren der ohne seine Weisung vorgenommenen Kontobelastung widersprechen und die Wiedergutschrift des belasteten Betrages verlangen kann3. Gegen den hieraus erwachsenden Schadensersatzanspruch ihres Kunden ist das Schuldnerinstitut regelmäßig geschützt, wenn es gegen seinen Kunden einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung seiner Pflicht zur unverzüglichen Überprüfung der Tageskontoauszüge erlangt hat4.
7.495
Nach Ansicht des BGH konnte auch im Schweigen des Schuldners auf einen ihm übermittelten Rechnungsabschluss nicht ohne weiteres eine Genehmigung der darin enthaltenen Lastschriftbelastungen erblickt werden. Diese Rechnungsabschlüsse galten zwar nach den AGB der Kreditinstitute als genehmigt, wenn ihnen nicht spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach deren Zugang widersprochen wurde. Hierdurch gehen die kontokorrentfähigen beiderseitigen Ansprüche und Leistungen unter; übrig bleibt lediglich ein Anspruch aus dem Saldoanerkenntnis5. Diese Rechtswirkung ist aber nicht zu verwechseln mit einer rechtsgeschäftlichen Genehmigung aller dem Rechnungsabschluss zugrunde liegenden Buchungen. Denn Belastungsbuchungen, denen keine Ansprüche der kontoführenden Stelle entsprechen, werden durch das Saldoanerkenntnis weder rechtmäßig noch ohne weiteres genehmigt6. 1 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1579); van Gelder, WM 2000, 101 (105). 2 BGH v. 24.6.1985 – II ZR 277/84, WM 1985, 905 (906); vgl. weiter OLG Dresden v. 28.6.1999 – 17 U 3963/98, WM 2000, 566 (568) = ZIP 1999, 1626 (1628). 3 Bundschuh in FS Stimpel, 1985, S. 1039 (1047 f.). 4 Vgl. auch van Gelder in FS Kümpel, 2003, S. 131 (135). 5 BGH v. 13.3.1981 – I ZR 5/79, BGHZ 80, 172 (176) = WM 1981, 542. 6 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1579).
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Lastschriftverfahren
Nach Ansicht des BGH konnte jedoch dem Schweigen des Kunden auf den Rechnungsabschluss der Erklärungswert einer geschäftsbesorgungsrechtlichen Genehmigung der Kontobelastungen auf Grund Einzugsermächtigungs-Lastschriften auch durch eine AGB-mäßige Klausel verschafft werden, wenn hierbei die Voraussetzungen für fingierte Willenserklärungen gemäß § 10 Nr. 5 AGBG aF (jetzt: § 308 Nr. 5 BGB) geschaffen würden1. Hiervon hatte die Kreditwirtschaft Gebrauch gemacht (vgl. zB Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken aF). Danach hatte der Kunde gegen eine im Rechungsabschluss enthaltene Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, Einwendungen zu erheben, sofern er diese Buchung nicht schon vorher genehmigt hatte. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen galt als Genehmigung. Die Ausklammerung der ohne Ermächtigung ausgestellten Lastschriften von dieser AGB-mäßigen Genehmigungsfiktion erfolgte, um das Risiko der Insolvenz des Zahlungsempfängers nicht auf den belasteten Kunden der Zahlstelle abzuwälzen2. Darauf aufbauend sieht Ziff. 2.4 der aktuellen Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren ebenfalls die Genehmigung durch Schweigen nach Übersendung eines Rechnungsabschlusses vor, sofern nicht innerhalb von sechs Wochen den entsprechenden Belastungen widersprochen wird. Diese Regelung entspricht der früheren in den AGB und findet ihre rechtliche Grundlage jetzt in § 675j Abs. 1 Satz 3 BGB.
7.496
Diese Genehmigungsfiktion bei Belastungsbuchungen auf Grund Einzugsermächtigungslastschriften hat eine andere Rechtsqualität als das Schweigen auf Rechnungsabschlüsse, das nur eine Beweislastumkehr zu Lasten des Bankkunden bewirkt. Dagegen beinhaltet das Schweigen auf solche Belastungsbuchungen ihre endgültige Genehmigung, so dass der Schuldner sie infolge dieser Genehmigung nicht mehr rückgängig machen kann.
7.497
Der BGH hat es iÜ ausdrücklich offen gelassen, ob die widerspruchslose Fortsetzung des Zahlungsverkehrs über ein Girokonto, das mit Beträgen aus Einzugsermächtigungslastschriften belastet ist, über eine längere Zeit hinweg als Genehmigung durch schlüssiges Handeln zu werten ist3. Weiterhin ist im Einziehungsermächtigungsverfahren strittig, ob und inwieweit einem Insolvenzverwalter des Lastschriftschuldners weitergehende Widerspruchs-
7.498
1 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1579); vgl. weiter van Gelder, WM 2000, 101 (105). 2 Nach Koller soll diese AGB-mäßige Genehmigungsfiktion zwischen „berechtigt“ und „unberechtigt“ eingereichten Lastschriften differenzieren, bei denen der Schuldner keine Einziehungsermächtigung erteilt hat (EWiR 2000, 959 [960]). Dagegen sollte nach van Gelder die Genehmigungsfiktion auch bei erteilter Ermächtigung nicht greifen, wenn die Lastschrift nach dem Valutaverhältnis unberechtigt war (WM 2001, Sonderbeil. Nr. 7, 10). 3 BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, WM 2000, 1577 (1579) mwN. Nach van Gelder erscheint eine solche Wertung „immerhin erwägenswert“ (WM 2000, 101 [105]); vgl. weiter van Gelder, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 7, 9; van Gelder in FS Kümpel, 2003, S. 131 (135).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
rechte als dem ursprünglichen Schuldner selbst zustehen. Der IX. Zivilsenat des BGH hat dazu zunächst die Ansicht vertreten, dass bis zur Genehmigung einer Lastschriftbelastung noch keine Erfüllung der Grundforderung eintrete, weshalb der Insolvenzverwalter weiter gehende Widerspruchsrechte als der Lastschriftschuldner habe1, dem Gläubiger – dem Lastschrifteinreicher – stehe weiter eine Anspruch auf Erfüllung seiner Forderung zu, bei der es sich um eine ungesicherte Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO handele, soweit nicht ausnahmsweise eine Genehmigung durch den Schuldner zu der Zeit, als er noch über sein Vermögen verfügen durfte, erteilt worden sei. Dagegen wird eingewandt, mit der Bezahlung der Lastschrift sei die Forderung im Grundverhältnis erloschen, so dass der Insolvenzverwalter kein weiter gehendes Widerspruchsrecht als der Schuldner selbst habe2. Sollte dieser danach rechtsmissbräuchlich einer Belastung auf Grund einer Einziehungsermächtigung widersprechen, könnte er sich gemäß § 826 BGB schadensersatzpflichtig machen. In einer neueren Entscheidung jedoch hat der IX. Zivilsenat seine Rechtsprechung dahingehend eingeschränkt, dass dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter die Befugnis fehle, die Genehmigung zu versagen, wenn die Lastschriften aus unpfändbarem Schuldnervermögen eingelöst wurden3. Damit ist die bisherige Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH, wonach die in Nr. 7 Abs. 3 bzw. Abs. 4 der AGB der Banken und Sparkassen geregelte Genehmigungsfiktion (jetzt: Nr. 2.4 der Bedingungen über den Einzug von Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren) zwar sowohl im Verhältnis zum endgültigen als auch vorläufigen „starken“, nicht jedoch gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gelte4, da dieser noch keine alleinige Verfügungs- oder Verwaltungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners erhält, teilweise korrigiert worden. Wird ein vorläufiger starker Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, geht die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO auf den vorläufigen Verwalter über, der weitgehend die Befugnisse eines endgültigen Insolvenzverwalters erhält. Zwar sind die insolvenzspezifischen Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt, da er die Wahlrechte des Insolvenzverwalters gemäß §§ 103 und 115–117 InsO im Eröffnungsverfahren noch nicht hat, da jedoch die Genehmigung der Belastungsbuchung eine Verfügung gemäß §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 Satz 1 InsO ist und der vorläufige „starke“ Insolvenzverwalter danach uneingeschränkt in die Rechtsstellung des Schuld-
1 BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, WM 2004, 2482; BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 173/02, WM 2006, 2092 und BGH v. 25.10.2007 – IX 217/06, BKR 2008, 36; in diesem Sinne auch OLG Celle v. 21.10.2009 – 3 U 78/09, WM 2010, 352; zu dieser Rspr. Michel/ Bauch, BKR 2008, 89 ff. 2 Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885. 3 BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, WM 2010, 1543 (1544). 4 BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BKR 2008, 36 (39 f.); BGH v. 29.5.2008 – IX ZR 42/ 07, BB 2008, 1755 (1756); kritisch zu dieser Rspr. Jungmann, ZIP 2008, 295 ff.; noch weiter gehend OLG München v. 13.1.2009 – 5 U 2379/08, WM 2009, 455 ff., wonach die Bestellung eines (vorläufigen oder endgültigen) Insolvenzverwalters als Ablehnung der Genehmigung gelten soll.
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Lastschriftverfahren
ners vor Erlass der Verfügungsbeschränkungen einrückt, wird die Genehmigung des Schuldners durch die des vorläufigen Insolvenzverwalters ersetzt1. Allerdings gilt dies nicht bei der Einlösung aus unpfändbarem Schuldnervermögen2, auch ist eine pauschale Versagung der Genehmigung der Buchung unzulässig, vielmehr muss der Insolvenzverwalter im Einzelfall die Reichweite seiner Rechtsmacht prüfen3. Anders ist die Rechtslage bei einem mit Zustimmungsvorbehalt bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß §§ 22 Abs. 2, 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Zwar sind bei einer entsprechenden Anordnung des Insolvenzgerichts die Verfügungen des Schuldners ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters absolut unwirksam gemäß §§ 24 Abs. 1, 81 Abs. 2 InsO, gleichwohl kann der Insolvenzverwalter den Schuldner weder zu einem bestimmten Tun anhalten, noch dieses für ihn veranlassen4. Deshalb wirkt Nr. 2.4 der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren (früher: Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken [bzw. Nr. 7 Abs. 4 AGBSparkassen]) nicht gegenüber dem vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter5, sodass es in einem solchen Fall nicht zur Genehmigung der Belastung auf Grund einer Einziehungsermächtigungslastschrift durch Schweigen des Insolvenzverwalters oder des Schuldners kommen kann6. Allerdings ist fraglich, ob dies noch zur Entscheidung des BGH v. 20.7.20107 passt. Dagegen wird in einer Entscheidung des XI. Zivilsenats v. 10.6.2008 die Ansicht vertreten, dass mit Gutschrift des Lastschriftbetrags auf dem Empfängerkonto Erfüllung eintrete8. Deshalb können die Wirkungen der Genehmigungsfiktion nach Nr. 2.4 der Bedignungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren (früher: Nr. 7 Abs. 3 Satz 3 ABG-Banken [bzw. Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen]) – die damit höchstrichterlich anerkannt ist – auch eintreten, wenn zuvor ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden ist9, da auch dieser dadurch gebunden werde. Wolle er die Genehmigungsfiktion verhindern, müsse er widersprechen, da er damit zum Ausdruck bringe, dass er der Genehmigung des Schuldners durch Schweigen nicht zustimme. Außerdem setzt sich der XI. Zivilsenat des BGH in der vorstehend genannten Entscheidung kritisch mit der Genehmigungstheorie auseinander. Der Insolvenzverwalter habe – anders als vom IX. Zivilsenat des BGH angenommen – keine weitergehenden Widerspruchsrechte als der Schuldner. Das Widerspruchsrecht des Schuldners im Deckungsverhältnis zwischen Schuldner und
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BGH v. 25.10.2007 – IX 217/06, BKR 2008, 36 (39). BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, WM 2010, 1543 (1544 f.). BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, WM 2010, 1543 (1545 ff.). BGH v. 25.10.2007 – IX 217/06, BKR 2008, 36 (39). BGH v. 25.10.2007 – IX 217/06, BKR 2008, 36 (39). AA OLG Düsseldorf v. 21.11.2007 – I-15 U 71/07, BKR 2008, 476 (479) und KG v. 2.12.2008 – 13 U 8/08, ZIP 2009, 279 (281 f.). 7 BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, WM 2010, 1543. 8 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, WM 2008, 1963 ff., dazu Berger, NJW 2009, 473 ff. 9 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, WM 2008, 1963 ff.
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Zahlstelle habe nicht notwendigerweise auch Auswirkungen auf die Erfüllungsabrede im Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Die Erfüllungswirkung soll vielmehr im Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bereits mit der Lastschriftbelastungsbuchung eintreten. Sollte folglich vor der Insolvenz die Erfüllungswirkung eingetreten sein, hätte danach der Insolvenzverwalter kein weitergehendes Widerspruchsrecht als der Lastschriftschuldner, ein unbegründeter Widerspruch kann deshalb eine Schadenersatzpflicht – in diesem Fall des Insolvenzverwalters – gemäß § 826 BGB auslösen1. Er vertritt jetzt weiterhin die Ansicht, das Einziehungsermächtigungslastschriftverfahren könne unter Anlehnung an das SEPA-Verfahren „widerspruchsfest“ gemacht werden2. Auch könne eine Genehmigung der Belastung konkludent vor Ablauf der Genehmigungsfrist gemäß Nr. 2.4 der Lastschriftbedingungen erteilt werden3.
3. SEPA-Lastschriftverfahren a) Rechtsgrundlagen
7.499
Auf Grundlage der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt zur Schaffung einer „Single Euro Payment Area (SEPA)“ v. 13.11.20074 und der Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht durch das VerbrKredRLUG v. 29.7.20095 wird es erstmals ein einheitliches europäisches Lastschriftverfahren geben („Pan-European Direct Debit“). Dabei muss zwischen der SEPA-Lastschrift und den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Lastschriften unterschieden werden.
7.500
Bei der „SEPA-Lastschrift“ handelt es sich um ein EU-/EWR-weites Lastschriftverfahren, das die Bankverbände auf Grundlage der Zahlungsdiensterichtlinie und bereits im Vorgriff auf deren nationale Umsetzung entwickelt haben, um ein EU-/EWR-weites einheitliches Lastschriftverfahren anbieten zu können, neben dem die beiden bisherigen Lastschriftverfahren, das Einziehungsermächtigungs- und das Abbuchungsauftragsverfahren, fortgeführt werden.
7.501
Die europäischen Bankverbände haben ihre Anforderungen an ein europäisches Lastschriftverfahren, das SEPA-Lastschriftverfahren, im „SEPA Direct Debit Scheme Rulebook“ und im „SEPA Business to Business Direct Debit Scheme Rulebook“ (für den reinen Geschäftsverkehr) des European Payments Council (EPC) niedergelegt. Bei der EPC handelt es sich um eine Vereinigung europäischer Banken, die unter der Federführung der europäischen Bankenverbände im Jahre 2002 gegründet worden ist, um die Schaffung eines
1 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, WM 2008, 1963 ff.; KG Berlin v. 2.12.2008 – 13 U 8/08, WM 2009, 545 ff.; dazu auch Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885 (1887 ff.). 2 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, WM 2010, 1546 ff. 3 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, WM 2010, 1546 (1552 ff.). 4 ABl. EU Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1. 5 BGBl. I 2009, S. 2355.
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Lastschriftverfahren
einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums voran zu treiben. Organisatorisch handelt es sich dabei um eine „Non-Profit-Vereinigung“ nach belgischem Recht mit Sitz in Brüssel. Über die entsprechenden „Rulebooks“ werden die sich aus der Richtlinie ergebenden Anforderungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und organisatorischen Interessen der Kreditwirtschaft umgesetzt. Eines dieser Instrumente ist die SEPA-Lastschrift („SEPA Direct Debit“), die in den „Rulebooks“ unter Berücksichtigung der sich aus der Richtlinie ergebenden rechtlichen Anforderungen sowohl für den Geschäftsverkehr mit dem Verbraucher als auch ausschließlich zwischen Unternehmen näher geregelt wird. Das Besondere an der SEPA-Lastschrift besteht darin, dass es sich bei ihr um ein EU-/EWR-weites, grenzüberschreitendes einheitliches Lastschriftverfahren handelt. Allerdings setzt die Teilnahme eines Instituts voraus, dass es dem „SEPA Core Direct Debit Scheme“, das über das „European Payments Council (EPC)“ angeboten wird, beitritt.
7.502
b) Ablauf des SEPA-Lastschriftverfahrens Die Besonderheit der SEPA-Lastschriftverfahren ergibt sich daraus, dass der gesamte Prozess am Belastungstag („Due Date“) ausgerichtet ist, während es sich bei dem Einziehungsermächtigungs- und dem Abbuchungsauftragslastschriftverfahren jeweils um „Sichtverfahren“ handelt, dh., die Belastung erfolgt mit Vorlage der Lastschrift. Das SEPA-Verfahren sieht dagegen vor, dass der Lastschrifteinreicher ein konkretes Belastungs- und damit Fälligkeitsdatum (Due Date – „D“) vorgibt. An diesem Tag muss die Belastung erfolgen, weshalb das Fälligkeitsdatum, das Settlement-Datum und das Belastungsdatum identisch sind.
7.503
Der Zahlungspflichtige erteilt dem Gläubiger vor Belastung ein „Mandat“, bei dem es sich aber – im Gegensatz zur Einziehungsermächtigung – um die Autorisierung zur Belastung des Schuldnerkontos mittels Lastschrift gemäß § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB handelt und die die Qualität eines Zahlungsauftrags gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB hat.
7.504
Sofern zwischen dem Lastschriftgläubiger und dem -schuldner nichts Abweichendes vereinbart worden ist, hat dieser jenen zwei Wochen vor dem Fälligkeitsdatum („D-14“) darüber zu unterrichten, dass er dessen Konto belasten wird, wobei diese Erklärung auch in einer anderen Erklärung – zB einer Rechnung – enthalten sein kann. Außerdem muss die Lastschrift mit einer eindeutigen Identifizierung („Creditor Identifier“ = CI) des Zahlungsempfängers versehen werden, damit der Zahlungspflichtige die Belastung zuordnen kann. Es ist danach entsprechend der neuen rechtlichen Regelung in § 675r BGB zulässig, Zahlungen anhand von Kundenkennungen auszuführen. Die Zahlungsdienstleister haben ihre vertraglichen Leistungen ordnungsgemäß erfüllt, wenn sie sich an die Kundenkennung gehalten und die Lastschrift danach verarbeitet haben, auch wenn sie nicht einem der beteiligten Zahlungsdienstnutzer zu zuordnen ist.
7.505
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7.506
Zwar wird auch bei der SEPA-Lastschrift der Zahlungsempfänger ermächtigt, eine Zahlung vom Konto des Zahlungspflichtigen einzuziehen, das dafür in papierhafter oder elektronischer Form zu erteilende Mandat geht über die Einziehungsermächtigung jedoch insofern hinaus, als es gleichzeitig auch das Zahlungsinstitut des Zahlungspflichtigen ermächtigt, dessen Konto zu belasten, sodass dieses das Konto des Zahlungspflichtigen mit dessen Genehmigung belastet. Deshalb handelt es sich bei dem Mandat nicht um eine nachträgliche Genehmigung gemäß § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB wie bei der Einziehungsermächtigung, sondern um eine vorherige Einwilligung. Das Mandat wird in elektronische Datensätze überführt und an die Zahlstelle als Teil der Lastschrifteinreichung übermittelt. Der Lastschriftgläubiger hat das elektronisch oder manuell signierte Mandat, das ihn autorisiert, die Lastschrift anzustoßen und die Zahlstelle ermächtigt, das Konto des Lastschriftschuldners zu belasten, nach den gesetzlichen Vorgaben aufzubewahren. Ihren Inhalt muss er in elektronische Datensätze überführen und unter Einschaltung einer oder mehrerer Inkassostellen der Zahlstelle übermitteln.
7.507
Der Lastschriftgläubiger hat nach den Regelungen im Rulebook vor Ausführung der Belastung verschiedene Fristen zu beachten: Zwei Wochen vor der Belastung des Kontos des Lastschriftschuldners muss der Lastschriftgläubiger diesem, sofern nichts Abweichendes vereinbart wurde, eine Vorabinformation übermitteln („D-14“). Danach kann der Lastschriftgläubiger bei seiner Bank, der ersten Inkassostelle, die Lastschrift initiieren.
7.508
Sofern es sich um die erste oder eine einmalige Lastschrift handelt, muss sie mindestens fünf Tage vor der Belastung des Schuldners bei der ersten Inkassostelle eingereicht werden („D-5“), im „B2B-Bereich“ ist diese Frist auf einen Tag verkürzt. Bei wiederkehrenden Lastschriften verkürzt sich diese Frist auf zwei Tage („D-2“). Allerdings muss der Einreicher – damit eine Unterscheidung überhaupt möglich ist – die Lastschrift entsprechend als einmalige, erstmalige oder wiederkehrende kennzeichnen. Die erste Inkassostelle reicht danach die Lastschrift unter Nutzung des Clearing & Settlement Mechanismus das bezogene Institut weiter. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Lastschriftdateien für die Belastungsbuchung innerhalb der oben dargestellten Fristen von fünf bzw. zwei Tagen beim bezogenen Institut eingehen.
7.509
Innerhalb der Vorlauffristen kann das bezogene Institut bei seinem Kunden eine Vorabgenehmigung einholen. Diese vorherige Einwilligung ist insofern von Bedeutung, als in den „Rulebooks“ von der durch § 675x Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 BGB eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht worden ist, dem Lastschriftschuldner das Recht einzuräumen, ohne Angabe von Gründen die Erstattung des Lastschriftbetrags innerhalb eines Zeitraums von acht Wochen nach der Belastung verlangen zu können. Ist jedoch die entspre992
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Lastschriftverfahren
chende Vorabgenehmigung eingeholt worden, ist der Erstattungsanspruch bereits vor Ablauf der Acht-Wochen-Frist ausgeschlossen. Im „B2B-Bereich“ darf eine Belastung des Kontos des Zahlers erst dann erfolgen, wenn das Institut des Schuldners vom Schuldner die Bestätigung über die Erteilung des Mandats erhalten hat und die erforderliche Deckung vorhanden oder eine die Belastung abdeckende Kreditlinie eingeräumt worden ist. Außerdem ist das Schuldnerinstitut gehalten, seine „B2B-Kunden“ in den entsprechenden Lastschrift-Bedingungen – den Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Firmenlastschriftverfahren – zu verpflichten, es unverzüglich darüber zu informieren, falls ein Mandat unwirksam geworden sein sollte.
7.510
Die Belastung hat aber auch hier in jedem Fall an dem in der Lastschrift vorgegebenen Tag („Due Date“) zu erfolgen. c) Lastschriftrückgabe Für die Rückgabe von SEPA-Lastschriften sind verschiedene Gründe im Rulebook vorgesehen. Die Anwendung erfolgt in einem speziellen Verfahren, dem „Exception Handling – Rückgabe der Lastschrift“. In Betracht kommen:
7.511
– Technische Gründe, – die mangelnde technische Fähigkeit des bezogenen Instituts, Lastschriften entgegen zu nehmen, – die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen des Lastschriftschuldners innerhalb von acht Wochen. Im „B2B-Bereich“ wird es diese Frist von acht Wochen nicht geben. Dies widerspricht nicht deutschem Recht, da der dafür einschlägige § 675x Abs. 2 BGB bei Lastschriften Zahler und Zahlungsdienstleister nur das Recht einräumt, einen innerhalb des Zeitraums von acht Wochen gemäß § 675x Abs. 4 BGB auszuübenden Erstattungsanspruch für den Fall zu vereinbaren, dass keine Vorabgenehmigung erteilt worden ist, rechtlich zwingend ist ein solches Recht jedoch nicht. Sofern der Lastschriftschuldner nachweisen kann, dass der Einzug zu Unrecht erfolgt ist, kann eine Belastung gemäß § 676b Abs. 2 BGB während eines Zeitraums von bis zu 13 Monaten zurückgegeben werden. Dies gilt auch für die beiden tradierten Lastschriftverfahren, also das Einziehungsermächtigungsund das Abbuchungsauftragsverfahren.
7.512
Während allerdings im Grundsatz beim SEPA-Lastschriftverfahren vorgesehen ist, dass das Institut des Zahlers der Gläubigerbank die Beträge zurückbelasten kann, die sie dem Zahler aus den vorstehend dargelegten Gründen erstattet hat, steht ihr ein solches Recht im „B2B-Bereich“ nicht zu. Ebenso gibt es für den „B2B-Bereich“ keine ausdrücklich Regelung im SEPA-Regelwerk, die dem Zahlungsinstitut des Zahlungsempfängers das Recht einräumen würden, den ursprünglichen Zahlungsempfänger mit den Erstattungsbeträgen zurück zu belasten. Dies schließt entsprechende Ansprüche außerhalb des SEPA-Regelwerks aber nicht aus.
7.513
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Für das „Direct Debit-Vefahren“ im Verhältnis zum Verbraucher gibt es nach den Rulebooks verschiedene Rückgabeprozesse („R-Transaktionen“). Für die Phase vor Settlement sind folgende Rückgabeprozesse vorgesehen (in dieser Phase als „Reject“ bezeichnet): – Technische Gründe, – Rückruf durch den Lastschrifteinreicher („Revocation“), sofern der Rückruf vor der Annahme durch die erste Inkassostelle erfolgt, – „Request for Cancellation“, wenn der Rückruf durch die 1. Inkassostelle erfolgt, bevor die Lastschrift in den Clearing & Settlement Mechanismus überführt worden ist, – Widerspruch des Lastschriftschuldners („Refusal“), wobei im „B2B-Bereich“ dieser Widerspruch vor Settlement zwingend beachtet und vorrangig bearbeitet werden muss, während ansonsten eine nur eine vorrangige Beachtung in Betracht kommen soll, aber nicht muss, da es ggf. noch den „Return“ gibt.
7.515
Nach Settlement kommen folgende Rückgabegründe in Betracht: – Rückgabe durch das bezogene Institut („Return“), – Rückgabe der Lastschrift durch den Lastschriftschuldner nach Kontobelastung („Refund“), entsprechend dem Widerspruch, – „Reversal“ (optinal), dh. Rückgabe durch den Lastschrifteinreicher nach Akzeptanz durch die erste Inkassostelle, jedoch spätestens innerhalb von zwei Tagen nach Settlement, sofern erste Inkassostelle ein Reversal-Verfahren anbietet, wozu sie jedoch nicht verpflichtet ist.
7.516
Grundsätzlich trägt innerhalb der Widerspruchs- oder Erstattungsfrist – sofern ein solches Recht vereinbart wird oder gesetzlich, wie zB gemäß § 675x Abs. 1 BGB besteht – die Zahlstelle das Insolvenz- und Moratoriumsrisiko der Inkassostelle. Sollte es entsprechende Gerüchte über die finanzielle Lage der Inkassostelle geben, ist die Zahlstelle – anders als bei der Einziehungsermächtigungslastschrift – nicht berechtigt, die SEPA-Lastschrift zurück zu weisen, da sie ja auf Grund einer Weisung ihres Kunden handelt. Sie sollte sich deshalb mit ihrem Kunden ins Benehmen setzen und klären, ob sie auf Grund seiner Weisung ausführen soll. Weiterhin kann sie bis zu fünf Tagen nach dem Belastungstag noch einen „return“ durchführen und die Zahlung zurück holen.
4. Benachrichtigungspflicht bei Nichteinlösung
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Bei Nichteinlösung einer Lastschrift ist der Schuldner hierüber zu unterrichten1. Das Schuldnerinstitut muss seinen Kunden durch diese Benachrichtigung in die Lage versetzen, anderweitig für die rechtzeitige Erfüllung der
1 BGH v. 28.2.1989 – XI ZR 80/88, WM 1989, 625 (626) = NJW 1989, 1671 f. Eine solche Informationspflicht entfällt, wenn die Lastschrift unzulässigerweise von einem Sparkonto eingezogen werden soll (LG Nürnberg-Fürth v. 7.3.2001 – 10 O 9126/00, WM 2001, 1900 [1901]).
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Lastschriftverfahren
Zahlungsverpflichtung zu sorgen1. Diese Benachrichtigung ist spätestens am Tage der Rückgabe der Lastschrift abzusenden. Eine Verletzung dieser Pflicht macht das Schuldnerinstitut wegen Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig2. Für die Schadensursächlichkeit des Unterlassens der rechtzeitigen Benachrichtigung ist der Schuldner beweispflichtig3. Aus §§ 675f Abs. 4 Satz 2, 675o Abs. 1 Satz 4 BGB folgt jetzt, dass dann, wenn die Nichteinlösung zu Recht erfolgt, das Zahlungsinstitut des Schuldners für die Unterrichtung ein Entgelt in Rechnung stellen darf.
IV. Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner (Valutaverhältnis) Nach dem gesetzlichen Leitbild schuldet ein Zahlungspflichtiger die Übereignung von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel. Es bedarf deshalb zwischen Gläubiger und Schuldner einer besonderen Lastschriftabrede; sie kann auch konkludent abgeschlossen werden4. Mit einer solchen Vereinbarung ist die Zahlung mittels Lastschrift eine Leistung iS des § 362 Abs. 1 BGB und nicht nur Leistung an Erfüllungs statt5. Im Übrigen wird die Geldschuld von einer bisher „qualifizierten Schickschuld (§ 270 Abs. 1, 4 BGB) zur Holschuld“6. Der Schuldner hat deshalb das seinerseits Erforderliche getan, wenn er auf seinem Konto ausreichende Deckung unterhält7.
7.518
Mit der Lastschriftabrede hat sich auch die Gefahrtragungslage verändert. Für Verzögerungen aus einer verspäteten Vorlage der Lastschrift durch das Gläubigerinstitut oder die ihm auf dem Inkassoweg nachgeschalteten Zwischenstellen hat nunmehr der Gläubiger einzustehen. Der Schuldner haftet nur für ein Verschulden seines Zahlungsdienstleisters, die als Zahlstelle sein Erfüllungsgehilfe ist8. Mit der Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstelle geht die Verlustgefahr in diesem Zeitpunkt auf den Gläubiger über9.
7.519
1. Pflichten aus der Lastschriftabrede Aus der Lastschriftabrede erwachsen Gläubiger und Schuldner bestimmte Pflichten.
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Häuser, WM 1989, 841 (842). van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 111 (113). Häuser, WM 1989, 841 (846 f.); vgl. weiter Terpitz, NJW 1989, 2740. van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 151. van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 149. BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, WM 1984, 163 (164) = NJW 1984, 871 f.; BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, WM 1985, 461 (462); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 629; Schwarz, ZIP 1989, 1442 (1446). 7 BGH v. 30.1.1985 – IVa ZR 91/83, WM 1985, 461 (462). 8 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 155. 9 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 641; Krepold in BuB, Rz. 6/366.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
a) Gläubigerpflichten
7.521
Infolge der Umwandlung der Zahlungsverbindlichkeiten von der bisherigen Schickschuld (§ 270 BGB) in eine Holschuld ist der Gläubiger gehalten, von der Ermächtigung zum Einzug der Lastschrift auch rechtzeitig Gebrauch zu machen1. Dies ist von besonderer Bedeutung für die vom Zahlungspflichtigen abgeschlossenen Versicherungsverträge. Hat ein Versicherungsnehmer dem Versicherer eine Lastschrifteinzugsermächtigung erteilt, so hat er als Schuldner einer Folgeprämie für eine Versicherung gemäß § 39 VVG „das seinerseits Erforderliche“ getan, wenn die Prämie bei Fälligkeit abgebucht werden kann2.
7.522
Denn die Vereinbarung des Lastschrifteinzugs erschöpft sich im Zweifel nicht darin, dem Versicherer lediglich die Befriedigungsmöglichkeit an die Hand zu geben, deren Wahrnehmung in seinem Belieben stehen soll. Mit der Einzugsermächtigung soll vielmehr regelmäßig gerade die Verantwortung für die rechtzeitige Übermittlung der Prämie auf den Versicherer übertragen werden. Die Lastschriftabrede ist nach Ansicht des BGH dahin auszulegen, dass sich der Zahlungsempfänger direkt unter Vorlage von Lastschriftbelegen an das ihm benannte Zahlungsinstitut wenden und durch Gebrauchmachen von der Einzugsermächtigung selbst Sorge für den Prämieneinzug tragen soll3.
7.523
Unterbleibt die Vorlage der Lastschrift bei Fälligkeit des zugrunde liegenden Zahlungsanspruchs und weist das Schuldnerkonto die notwendige Deckung auf (vgl. § 297 BGB), kommt der Gläubiger in Annahmeverzug. Ein Leistungsangebot des Schuldners ist hierzu nicht erforderlich4.
7.524
Wird die Lastschrift nicht eingelöst, besteht die Zahlungsverpflichtung des Schuldners mit ihrem ursprünglichen Inhalt weiter. Die Vereinbarung über den Lastschrifteinzug begründet also wie bei der Hingabe eines Schecks für den zahlungspflichtigen Schuldner zunächst nur die aufschiebende Einrede, dass der Gläubiger auf Grund der getroffenen Erfüllungsvereinbarung aus der Forderung keine Leistung außerhalb des Lastschriftverfahrens verlangen kann. Diese Einrede erlischt, wenn das Schuldnerinstitut die Einlösung verweigert oder wenn etwa wegen Insolvenz des Schuldners feststeht, dass diese Einlösung nicht erfolgen wird5. b) Schuldnerpflichten
7.525
Der Schuldner hat auf Grund der Lastschriftabrede für die Einlösung der seiner Bank eingereichten Lastschriften zu sorgen. Hierzu muss er auf dem Girokonto ausreichende Deckung (Guthaben oder eine Kreditlinie) unterhalten6. 1 BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, WM 1984, 163 (164) = NJW 1984, 871 f. 2 BGHZ 69, 361 (366) = NJW 1978, 215 ff. 3 BGH v. 30.1.1985 – IVa ZR 91/83, WM 1985, 461 (462); vgl. ferner BGHZ 69, 361 (366 f.). 4 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 160. 5 Huber in Soergel, 12. Aufl. 1991, § 433 BGB Rz. 208. 6 BGH v. 30.1.1985 – IVa ZR 91/83, WM 1985, 461 (462).
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7. Teil
Lastschriftverfahren
Der Schuldner darf im Übrigen keine Weisungen zur Nichteinlösung von Lastschriften erteilen, wenn hierfür im Valutaverhältnis kein Grund besteht1. Beim Einzugsermächtigungsverfahren muss der Schuldner im Übrigen die vorläufige Einlösung durch die Belastungsbuchung auf seinem Konto genehmigen. Denn erst hierdurch wird die Buchgeldzahlung endgültig, so dass der Gläubiger über die ihm bei Lastschrifteinreichung erteilte Kontogutschrift gesichert disponieren kann2.
2. Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner Die Erfüllung tritt erst ein, wenn die geschuldete Leistung endgültig an den Gläubiger bewirkt worden ist (§ 362 Abs. 1 BGB)3. Eine Buchgeldzahlung im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs kann deshalb einer Barzahlung hinsichtlich der Erfüllungswirkung nur dann wirtschaftlich gleichgestellt werden, wenn die Kontogutschrift dem hieraus begünstigten Gläubiger so nahe gerückt ist, dass dieser das Buchgeld wie bares Geld verwerten kann4. Hierzu ist erforderlich, dass die Buchgeldzahlung an den Lastschriftgläubiger endgültig erfolgt ist5.
7.526
a) Abbuchungsverfahren Beim Abbuchungsverfahren verschafft die dem Gläubiger bei Lastschrifteinreichung erteilte E.v.-Gutschrift einen unentziehbaren Zahlungsanspruch (§ 780 BGB), sobald die Belastungsbuchung auf dem Schuldnerkonto nach Maßgabe der diesbezüglichen AGB-Klausel (vgl. Nr. 9 Abs. 2 AGB-Privatbanken) wirksam geworden und damit zugleich endgültig ist. Mit dieser endgültigen Einlösung ist der Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis erfüllt6.
7.527
b) Einzugsermächtigungsverfahren Beim Einzugsermächtigungsverfahren stellt sich dagegen die Frage, ob auch hier die Einlösung der Lastschrift durch das AGB-mäßige Wirksamwerden der Belastungsbuchung auf dem Schuldnerkonto eine Erfüllung iS des § 362 BGB darstellt. Die Frage des Erfüllungszeitpunkts bei dem Inkasso solcher Lastschriften ist höchstrichterlich noch nicht geklärt7, wenn auch der XI. Zivilsenat angedeutet, aber nicht endgültig entschieden hat, dass mit Gutschrift auf 1 OLG Düsseldorf v. 24.11.2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 638. 2 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 157. 3 BGH v. 26.2.1986 – VIII ZR 28/85, WM 1986, 547 = BGHZ 97, 197 ff. = NJW 1986, 1677 ff.; vgl. hierzu Rehbein, JR 1986, 410 f. 4 BGH v. 25.1.1988 – II ZR 320/87, WM 1988, 321 (322) = BGHZ 103, 143 ff. = NJW 1988, 1320 f. 5 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 163. 6 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 164. 7 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 165.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
dem Konto des Gläubigers auch im Einziehungsermeächtigungsverfahren dieser alles erhalten hat, was er nach der Parteivereinbarung als Erfüllung habe erhalten sollen und auch endgültig behalten dürfe, sodass damit möglicherweise Erfüllung eingetreten sei, während die Widerspruchsmöglichkeit im Deckungsverhältnis nicht die Parteivereinbarung betreffe und die Genehmigung nur erforderlich sei, damit das Institut des Schuldners den Aufwendungsersatzanspruch geltend machen könne1.
7.529
Nach den Befürwortern der Ermächtigungs- bzw. Vollmachtstheorie bewirkt bereits die Lastschrifteinlösung eine Erfüllung des Zahlungsanspruchs aus dem Valutaverhältnis. Mit dieser Einlösung entfällt der „Vorbehalt des Eingangs“, unter dem die Gutschrift auf dem Girokonto des Lastschriftgläubigers bei Einreichung erteilt worden ist. Die Folge davon ist, dass der Gläubiger einen Zahlungsanspruch aus der Kontogutschrift (§ 780 BGB) erwirbt.
7.530
Gegen diesen frühzeitigen Erfüllungszeitpunkt spricht jedoch, dass die Erfüllung unter der weiteren auflösenden Bedingung der vorzunehmenden Wiedervergütung wegen des Widerspruchs des Schuldners steht und deshalb noch nicht endgültig ist2. Die Erfüllung iS des § 362 Abs. 1 BGB kann jedoch erst eintreten, wenn die geschuldete Leistung endgültig an den Gläubiger bewirkt worden ist3.
7.531
Gegen die Erfüllungswirkung der Einlösung der Lastschrift spricht aus der Sicht der für die Praxis maßgeblichen Genehmigungstheorie weiter, dass die Schuldnerbank einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) gegen den Schuldner, wie er sich in der Belastungsbuchung auf dessen Girokonto manifestiert, erst erwirbt, wenn der Schuldner diese Buchung genehmigt hat (§675j Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB). Bis zu dieser Genehmigung hat das Schuldnerinstitut nicht einmal einen Anspruch auf Leistung gegen den Schuldner in Höhe des Lastschriftbetrages erlangt, geschweige denn, dass der Schuldner eine Leistung erbracht hat. Bis zur Genehmigung der Belastungsbuchung ist also noch nichts aus dem Vermögen des Schuldners abgeflossen. Die Erfüllung einer Schuld ohne Leistung ist jedoch, wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt (vgl. § 362 Abs. 1 BGB), ein Widerspruch in sich4. Mit Rücksicht auf die unbefristete Widerspruchsmöglichkeit des Schuldners bestimmt sich deshalb der Erfüllungszeitpunkt danach, wann diese Möglichkeit infolge der späteren Genehmigung der Belastungsbuchung durch den Schuldner entfällt5.
7.532
Wenn auch mit der Einlösung der Lastschrift noch keine endgültige Erfüllung eingetreten ist, muss doch berücksichtigt werden, dass der Gläubiger hier1 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, WM 2008, 1963 (1966) = WuB I D 2.-1.09 (Werner). 2 BGH v. 10.4.1978 – II ZR 203/76, BGHZ 74, 309 (315) = WM 1979, 828 (829). 3 BGH v. 26.2.1986 – VIII ZR 28/85, WM 1986, 547 = BGHZ 97, 197 ff. = NJW 1986, 1677 ff.; BGH v. 23.1.1996 – XI ZR 75/95, WM 1996, 438 (439) = NJW 1996, 1207 f.; Heinrichs in Palandt, § 362 BGB Rz. 1. 4 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 179. 5 Häuser, WM 1991, 1 (5); van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 178; van Gelder, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 7, 17.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
durch einen Zahlungsanspruch gemäß § 780 BGB erworben und damit (vorläufig) Buchgeld empfangen hat. Dieser Abwicklungslage des Lastschrifteinzugs nach Einlösung der Lastschrift ist der Erfüllungsanspruch des Gläubigers anzupassen. Nach der Lastschrifteinlösung und bis zu ihrer Genehmigung durch den Schuldner ist deshalb der Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis in seiner Durchsetzung gehemmt. Dem Schuldner steht deshalb die Einrede des „Deckungseingangs“ zu1. Im Übrigen kann der Gläubiger auf Grund der Lastschriftabrede verlangen, dass der Schuldner die Belastung seines Kontos genehmigt. Erst durch diese Genehmigung erwirbt der Gläubiger einen Anspruch aus der ihm erteilten Kontogutschrift, die durch einen Widerspruch des Schuldners nicht mehr beeinträchtigt werden kann2.
V. Rechtsbeziehungen im Interbankenverhältnis Die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft und die Bundesbank haben ein „Abkommen über den Lastschriftverkehr“ (LSA) geschlossen, mit dem die Abwicklung des Lastschrifteinzuges weitgehend standardisiert wird. Das LSA ist in seiner ursprünglichen Fassung am 1.1.1964 in Kraft getreten und mehrfach aktualisiert worden3. Das LSA ist im Jahre 1995 mit dem „Abkommen über die Umwandlung beleghaft erteilter Lastschriftaufträge in Datensätze und deren Bearbeitung“ (EZL-Abkommen) zusammengefasst worden. Das LSA, in der jetzigen Fassung vom 3.9.2007, begründet Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten (Abschnitt IV Nr. 1)4.
7.533
Grundgedanke des LSA ist, der Zahlstelle (Schuldnerinstitut) im Verhältnis zur ersten Inkassostelle (Gläubigerinstitut) die Abwälzung der Risiken des Lastschriftverfahrens zu ermöglichen, die sich daraus ergeben, dass die erste Inkassostelle einen Kunden zum Lastschriftverfahren zugelassen hat, während sie selbst insoweit keine Möglichkeit für die Prüfung der Bonität und Seriosität des Gläubigers hatte5. So haftet die erste Inkassostelle bei Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren der Zahlstelle für jeden Schaden, der dieser durch unberechtigt eingereichte Lastschriften entsteht (Abschnitt I Nr. 5). Schadensersatzansprüche wie auch Reklamationen sind außerhalb des Lastschriftverfahrens unmittelbar gegenüber der ersten Inkassostelle oder der Zahlstelle geltend zu machen (Abschnitt IV Nr. 3 Abs. 2).
7.534
Zwischen der ersten Inkassostelle und der Zahlstelle sowie etwaigen in der Girokette zwischengeschalteten Kreditinstituten bestehen Zahlungsdienste-
7.535
1 Häuser, WM 1991, 1 (7). 2 BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895 (896) = BGHZ 101, 153 ff. = NJW 1987, 2370 ff.; Häuser, WM 1991, 1 (6); van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 181. 3 Der Wortlaut vom 12.12.1995 ist abgedruckt bei Reiser/Krepold in BuB, Rz. 6/311. 4 BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977, 1196 (1197); BGH v. 14.2.1989 – XI ZR 141/88, WM 1989, 520 (521) = NJW 1989, 1672 f. 5 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 116.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
verträge (§ 675f BGB). Dabei werden ein eingeschaltetes Zwischeninstitut auf Weisung der ersten Inkassostelle und die Zahlstelle auf einen rechtlich eigenständigen Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB der Zwischenstelle tätig1.
1. Rückgabe von Lastschriften
7.536
Zur Vermeidung eines erheblichen Arbeits- und Kostenaufwands enthält das LSA eine Reihe von Regelungen, die die Rückgabe von Lastschriften vereinfachen sollen (Abschnitt II). Danach können Lastschriften zurückgegeben werden, die zu Unstimmigkeiten oder Unklarheiten wegen der in ihnen enthaltenen Daten führen und deshalb ohne zusätzliches Risiko für die Zahlstelle nicht ausgeführt werden können (sog. unanbringliche Lastschriften). Eine Rückgabemöglichkeit besteht auch bei Einlösung ohne Deckung auf dem Schuldnerkonto. Etwas anderes gilt nur, wenn die Zahlstelle vor Rückgabe der Lastschrift einen Einlösungswillen eindeutig und unmissverständlich der Inkassostelle gegenüber bekundet hat2. Die Zahlstelle ist gegenüber ihrem Kunden in solchen Fällen nicht zur Einlösung auf Kredit berechtigt, weil er bei dieser den Einzug der Lastschrift nicht veranlasst hat. Schließlich können Lastschriften, die im Abbuchungsauftragsverfahren eingezogen werden, ohne Vorliegen eines solchen Abbuchungsauftrags zurückgegeben werden (Abschnitt II Nr. 1c).
7.537
Die Rückgabe der nicht eingelösten Lastschrift hat spätestens an dem auf den Tag des Eingangs fallenden Geschäftstag zu erfolgen. Die Versäumung dieser Rückgabefrist hat jedoch nicht zur Folge, dass die Lastschrift als eingelöst gilt. Wie sich aus Abschnitt III Nr. 2 und Nr. 3 LSA ergibt, ist die erste Inkassostelle zur Rücknahme nicht eingelöster Lastschriften auch bei Verletzung des LSA und damit auch bei nicht rechtzeitiger Rückgabe verpflichtet3. Die Fristversäumung der Zahlstelle lässt also die E.v.-Gutschrift, die dem Gläubiger bei Einreichung der Lastschrift erteilt worden ist, nicht endgültig werden4. Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren können auch nach ihrer Einlösung zurückgegeben werden, wenn der Schuldner binnen sechs Wochen der Belastung seines Kontos widerspricht (Abschnitt III Nr. 1 und Nr. 2 LSA). Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Widerspruch unberechtigt ist5. Nach Ablauf der sechswöchigen Frist ist eine Rückgabe nach den im LSA aufgestellten Regelungen ausgeschlossen. Für die Zahlstelle besteht nur die Möglichkeit, die Inkassostelle für Schäden haftbar zu machen, die ihr durch unberechtigt eingereichte Lastschriften entstanden sind (Abschnitt I Nr. 5 LSA).
1 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042 (1196); BGH v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, WM 1996, 335 (337) = NJW 1996, 988 ff. 2 OLG Hamm v. 7.7.1997 – 31 U 101/96, WM 1998, 1576 (1577). 3 BGH v. 7.5.1979 – II ZR 210/78, WM 1979, 996 (997). 4 Vgl. BGH v. 2.2.1970 – II ZR 80/69, NJW 1970, 898 (899); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 132; Bauer, WM 1983, 198 (205). 5 Krepold in BuB, Rz. 6/315; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 139.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
2. Wiedervergütung eingelöster Lastschriften Hat der Kunde innerhalb der sechswöchigen Frist der Belastung seines Kontos widersprochen, muss die erste Inkassostelle den eingezogenen Betrag wieder vergüten (Abschnitt II Nr. 3 LSA). Dabei ist es unerheblich, ob der Widerspruch berechtigt war oder nicht1. Dies gilt selbst dann, wenn der Zahlstelle bekannt war, dass der Schuldner den Widerspruch im Verhältnis zum Gläubiger missbräuchlich erklärt hat2. Auch nach Ablauf der sechswöchigen Frist ist die erste Inkassostelle zur Wiedervergütung verpflichtet, wenn der Kunde der Zahlstelle noch vor Genehmigung der Belastung seines Kontos widersprochen hat und dem Kunden der ersten Inkassostelle keine Ermächtigung zum Lastschrifteinzug erteilt hat (sog. unberechtigte Einzugsermächtigungslastschrift).
7.538
Nach Auffassung des ehemaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (jetzt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) liegt in der Verpflichtung der Gläubigerbank zur Rücknahme nicht eingelöster Lastschriftverfahren kein Kredit in Form von Bürgschaften, Garantien oder sonstiger Gewährleistungen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 KWG, den sie ihren Kunden als Lastschrifteinreicher gewährt. Einer solchen Wertung stehen die zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen entgegen.
7.539
3. Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter? Die am Lastschrifteinzug beteiligten Institute handeln wie auch sonst im Interbankenverhältnis im eigenen Namen. Damit werden beim Lastschriftverfahren mehrere durch den Inkassozweck verknüpfte Vertragsverhältnisse begründet mit der Folge, dass zwischen den Beteiligten, insbesondere zwischen Gläubiger und Schuldnerinstitut sowie Schuldnerinstitut und Gläubigerinstitut, keine Vertragsbeziehungen bestehen. Hier fehlen also vertragliche Leistungsansprüche, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzpflichten begründen könnte. Insoweit liegen die Verhältnisse ähnlich wie im Überweisungsverkehr3.
7.540
a) Schutzpflichten der Schuldnerbank gegenüber dem Lastschriftgläubiger Nach dem LSA (Abschnitt II Nr. 2 Abs. 1) hat die Schuldnerbank die erste Inkassostelle bei Lastschriften ab 3000 Euro unmittelbar spätestens an dem auf den Tag des Eingangs folgenden Geschäftstag und unter Einsatz der vorgeschriebenen Kommunikationsverfahren von der Nichteinlösung zu benachrichtigen. An dieser sog. Eilnachricht ist vor allem die erste Inkassostelle interessiert, weil sie den Gläubiger regelmäßig über die bei Lastschrifteinrei-
1 Denck, ZHR 147 (1983), 544 (560 f.); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 588; Bauer, WM 1981, 1186 (1190). 2 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828 (829). 3 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
chung erteilten Gutschriften verfügen lässt und deshalb dessen Girokonto möglichst bald wieder belasten möchte.
7.542
Auch für den Lastschriftgläubiger besteht ein erhebliches Interesse daran, dass das Schuldnerinstitut solche nicht eingelösten Lastschriften unverzüglich nach Eingang und Prüfung zurückgehen lässt oder zumindest das Gläubigerinstitut von der nicht erfolgten Einlösung benachrichtigt. Schon mit Rücksicht auf seine geschäftlichen Dispositionen ist der Gläubiger daran interessiert, nicht von verspäteten Rückbelastungen überrascht zu werden. Bei verspäteter Benachrichtigung besteht zudem die Gefahr, dass der Lastschriftgläubiger im Vertrauen auf die zwischenzeitlich erfolgte Einlösung weitere Geschäfte mit dem Schuldner tätigt und erst bei der verspäteten Rückgabe der Lastschrift merkt, dass sein Vertrauen getäuscht und der Schuldner insolvent geworden ist. Hier hat der Lastschriftgläubiger ein berechtigtes Interesse daran, einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerbank zu erwerben.
7.543
Denn der Lastschriftgläubiger erwirbt keinen Schadensersatzanspruch gegen seine Institut. Dem Gläubigerinstitut kann keine Vertragsverletzung vorgeworfen werden. Das säumige Schuldnerinstitut ist auch kein Erfüllungsgehilfe des Gläubigerinstituts, für dessen Verschulden es gegenüber dem Lastschriftgläubiger wie für eigenes Verschulden einzustehen hätte (§ 278 BGB).
7.544
Dieses Interesse des Gläubigers an einer alsbaldigen Zurückleitung der nicht eingelösten Lastschrift und der vorgeschriebenen Eilnachricht hat sein Institut als erste Inkassostelle auf Grund des zwischen ihnen bestehenden Girovertrages gegenüber den anderen auf dem Inkassowege nachgeschalteten Zahlungsinstituten wie sein eigenes Interesse wahrzunehmen. Dementsprechend begründen die LSA-Regelungen über die Rückgabe unbezahlter Lastschriften nach der Entscheidung des BGH v. 28.2.19771 nicht nur Vertragspflichten des Schuldnerinstituts gegenüber dem Gläubigerinstitut, sondern nach Treu und Glauben auch Schutzpflichten des Schuldnerinstituts zu Gunsten des jeweiligen Lastschriftgläubigers.
7.545
Diese Schutzpflicht basiert auf dem zwischen Gläubigerinstitut und Schuldnerinstitut bestehenden Zahlungsdienstevertrags. Sind aber zum Lastschriftinkasso weitere Institute eingeschaltet, hat diese Schutzpflicht als Rechtsgrundlage das Vertragsverhältnis zwischen dem Schuldnerinstitut und dem ihm auf dem Inkassoweg unmittelbar vorgeschalteten Institut2. aa) Argumente für die Rechtsfortbildung
7.546
Diese Rechtsprechung hat der BGH3 trotz kritischer Äußerung im Schrifttum4 bestätigt und sie hierbei auf das Scheckeinzugsverfahren ausgedehnt, soweit 1 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042 (1043) = BGHZ 69, 82 ff. 2 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042 (1043) = BGHZ 69, 82 ff. 3 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 (1393) = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff.; BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 246 (243) = NJW-RR 1988, 559 ff. 4 Hadding in FS Werner, 1984, S. 165 (169 ff.).
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7. Teil
Lastschriftverfahren
es um die Verpflichtung der eingeschalteten Kreditinstitute geht, den Scheck auf dem schnellsten und sichersten Weg dem bezogenen Institut vorzulegen. Die Einbeziehung von Dritten in den Schutzbereich von Schuldverhältnissen kann nach Ansicht des BGH geboten sein, wenn Massengeschäfte eines bestimmten Typs mit einem einheitlich praktizierten Verfahren zugrunde liegen, das den Rechtsverkehr in großem Stile unter Inanspruchnahme des Vertrauens auf sach- und interessengerechte Abwicklung angeboten wird. Dies sei der Fall, wenn das Verfahren für den Dritten, der sich dessen bedient, bestimmte verfahrenstypische Risiken in sich birgt und den mit der Durchführung betrauten beteiligten Instituten ohne weiteres zugemutet werden kann, diese Risiken klein zu halten. Mit dieser Rechtsprechung hat der BGH den Kreis der Verträge mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter wesentlich erweitert. Ursprünglich kam eine solche Einbeziehung Dritter regelmäßig nur in Betracht, wenn das Innenverhältnis zwischen Gläubiger und Drittem durch einen personenrechtlichen Einschlag gekennzeichnet und erkennbar ist, dass der Gläubiger in Mitverantwortung und Fürsorge für den Dritten handelt. Voraussetzung für die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrags, an dem sie nicht unmittelbar beteiligt sind, ist, dass für den Schuldner erkennbar mit seiner Leistung ein Dritter in Berührung kommt, demgegenüber der Gläubiger fürsorge- und obhutspflichtig ist, und dass es dem Sinn und Zweck des Vertrages entspricht, dem Dritten den Schutz in gleicher Weise zugute kommen zu lassen wie dem Gläubiger selbst. Diese Schutzwirkung beschränkt sich nicht auf Körper und Gesundheit des Dritten, sondern erstreckt sich auch auf dessen Vermögen1. Mit diesem Erfordernis des „personenrechtlichen Einschlags“ sollte eine Ausuferung solcher Schutzpflichten vermieden und eine Grenze eingehalten werden, jenseits deren der Schutz Dritter auf das Recht der unerlaubten Handlung beschränkt bleiben muss. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH hat dagegen die Frage, ob „Wohl und Wehe“ des Dritten dem Vertragspartner des Schutzpflichtigen anvertraut waren, nur noch die Bedeutung, dass eine objektive Interessenlage vorliegt, auf Grund deren die Schutzwirkung eines Vertrages zu bejahen ist, ohne dass es auf dessen konkrete Auslegung ankäme2.
7.547
bb) Restriktive Annahme von Schutzpflichten Der BGH hat in seiner Rechtsprechung zur Schutzwirkung zu Gunsten Dritter die Gefahren gesehen, die aus der damit verbundenen Ausdehnung der vertragsähnlichen Vertrauenshaftung für primäre Vermögensschäden ohne Vertrag entstehen können. Außer in den Fällen, in denen eine besondere Fürsorgebeziehung zwischen Gläubiger und Drittem besteht, hat der BGH deshalb nur fallgruppenweise den Anwendungsbereich des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter erweitert3. 1 OLG Düsseldorf v. 21.5.1987 – 6 U 197/86, WM 1987, 1008 (1009). 2 BGH v. 26.11.1986 – IVa ZR 86/85, WM 1987, 257 (259) = NJW 1987, 1758 ff. 3 Vgl. Schwark, ZHR 151 (1987), 325 (331).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
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Die Rechtsprechung hat bislang keine weiteren Schutzpflichten aus dem Vertragsverhältnis abgeleitet, die beim Lastschrifteinzug begründet werden. So hat die Rechtsprechung Schutzpflichten des Gläubigerinstituts gegenüber dem Schuldner verneint. Es brauche mit Rücksicht auf das Widerspruchsrecht des Schuldners insbesondere nicht zu prüfen, ob dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung vorliegt1.
7.550
Dem Lastschriftschuldner steht auch kein Anspruch auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung gegen das Gläubigerinstitut zu. Voraussetzung für den Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB in Gestalt der sog. Leistungskondiktion wäre, dass zwischen dem Gläubigerinstitut und dem Lastschriftschuldner ein Leistungsverhältnis bestünde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Leistung in diesem Sinne ist die bewusste, zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu Lasten des eigenen Vermögens. Eine solche Leistung liegt nur im Verhältnis zwischen Lastschriftschuldner und Lastschriftgläubiger vor. Das Schuldnerinstitut erbringt dagegen mit der Einlösung der Lastschrift eine Leistung des Lastschriftschuldners an den Lastschriftgläubiger, nicht aber an dessen Institut. Das Gläubigerinstitut wird daher ausschließlich als Leistungsmittlerin zwischen dem Lastschriftschuldner und dem Lastschriftgläubiger tätig. Beim Lastschriftverfahren ist insoweit dieselbe Rechtslage gegeben wie bei der Überweisung2.
7.551
Dem Lastschriftschuldner steht nach Ansicht des BGH auch kein Anspruch wegen rechtsgrundloser Bereicherung des Gläubigerinstituts „in sonstiger Weise“ zu (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB). Ein solcher Anspruch in Gestalt der Eingriffskondiktion kommt im Regelfall nur in Betracht, wenn der Bereicherungsgegenstand auch aus der Sicht des Empfängers von niemandem geleistet worden ist. Beim Lastschriftverfahren erhält jedoch das Gläubigerinstitut eine Leistung vom Schuldnerinstitut, die den Lastschriftbetrag dem Gläubigerinstitut als Deckung dafür anzuschaffen hat, dass dieses dem Lastschriftgläubiger eine entsprechende Kontogutschrift erteilt3.
7.552
Den Schuldner treffen im Übrigen keine Schutzpflichten gegenüber dem Gläubigerinstitut. Weder der Girovertrag des Schuldners mit seinem Zahlungsdienstleister noch seine Absprache mit dem Gläubiger über den Lastschrifteinzug bieten Anhaltspunkte für die Begründung solcher Schutzpflichten4. Schließlich bestehen auch keine Schutzpflichten des Gläubigers gegenüber dem Schuldnerinstitut. Sie können weder aus dem Girovertragsverhältnis des Gläubigers zu seiner kontoführenden Stelle noch aus seinem Valutaverhältnis zum Schuldner abgeleitet werden5.
1 BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977, 1196 (1197); BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, WM 1978, 133 (134); Krepold in BuB, Rz. 6/340. 2 BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977, 1196 (1197). 3 BGH v. 20.6.1977 – II ZR 169/75, WM 1977, 1196 (1197). 4 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689; Krepold in BuB, Rz. 6/341. 5 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 192.
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7. Teil
Lastschriftverfahren
b) Dogmatische Vorzüge der Schadensliquidation im Drittinteresse Aus den literarischen Äußerungen von Mitgliedern des zuständigen XI. Senats des BGH kann geschlossen werden, dass der BGH für die Problemlösung statt der Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter die Schadensliquidation im Drittinteresse bevorzugt1. Für eine ufer- und konturenlose Ausdehnung von Schutzpflichten bestünde umso weniger Anlass, als auch mit einer solchen Drittschadensliquidation vernünftige Ergebnisse erzielt werden könnten2. Die vom II. Zivilsenat des BGH entschiedenen Sachverhalte hätten nach den Grundsätzen der Schadensliquidation im Drittinteresse beurteilt werden können. Deshalb sei eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung durch Heranziehung des „Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte“ nicht erforderlich und damit kein Raum für eine solche richterliche Rechtsfortbildung vorhanden gewesen3. Hinzu kommt, dass mit dieser Rechtsprechung des II. Zivilsenats die „Leistungsberührung“ des Dritten als unverzichtbare Voraussetzung für die Annahme einer Schutzpflicht aufgegeben worden ist. Weder der Zahlungsgläubiger kommt mit der Leistung der Zahlstelle noch der Zahlungspflichtige mit der Leistung der ersten Inkassostelle im Giroverhältnis zwischen diesen beiden Kreditinstituten gegenständlich oder unmittelbar in Berührung. Es fehle der erforderliche Kontakt zu der in diesem Giroverhältnis geschuldeten Hauptleistung, die den Gläubiger oder Schuldner einem besonderen unvermeidbaren Risiko aus diesem Leistungsverhältnis aussetzt4.
7.553
Nach der von Hadding vertretenen Rechtsansicht liegen die sachlichen Vorteile der Schadensliquidation im Drittinteresse vor allem in ihren klaren, rechtlich begründbaren Grenzen. Nicht mehr oder weniger nahe stehende „Dritte“, sondern lediglich der mittelbar Vertretene (Buchgeldzahler) wird mit seinem Schaden in das vertragliche Girovertragsverhältnis einbezogen, in dem ein Kreditinstitut eine Pflichtverletzung zu verantworten hat. Sodann ist der Kreis der in den Schadensausgleich einzubeziehenden Personen deutlich abgegrenzt. Infolge dieser rechtlichen Situation wird bei der Drittschadensliquidation das Risiko der Beteiligten an einer bargeldlosen Zahlung überschaubar und erst hierdurch zumutbar5.
7.554
Das LSA steht dieser Schadensliquidation nicht im Wege. Nach Abschnitt IV Nr. 1 LSA begründet dieses Abkommen zwar Rechte und Pflichten nur zwi-
7.555
1 Offen gelassen in dem BGH-Urteil v. 9.5.2000 – XI ZR 276/99, WM 2000, 1379 (1381). Vgl. weiter van Gelder, WM 2001, Sonderbeil. Nr. 7, 19. 2 Vgl. weiter van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 203 ff.; van Gelder, WM 1995, 1253 (1259); Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 85 für das Vertragsverhältnis zwischen Inkassobank und bezogener Bank beim Scheckeinzugsverfahren; Jung, ZEuP 1996, 659 (670 ff.). 3 van Gelder, WM 1995, 1253 ff.; vgl. weiter Hadding in FS Werner, 1984, S. 165 (199); Hadding, WM 1978, 1366 (1374). 4 Bauer, WM 1981, 1186 (1195); Krepold in BuB, Rz. 6/335; van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 207. 5 Hadding in FS Werner, 1984, S. 165 (196, 197); vgl. weiter van Gelder, WM 2001, Nr. 7, 19.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
schen den beteiligten Kreditinstituten. Damit ist aber nicht die Abtretung von Ansprüchen auf Grund der Drittschadensliquidation ausgeschlossen. Ein solcher Ausschluss wäre wegen seiner den Gläubiger oder Schuldner benachteiligenden Wirkung unwirksam1.
VI. Schadensersatzansprüche wegen missbräuchlichen Verhaltens im Rahmen des Lastschriftverfahrens
7.556
Wie die anderen bargeldlosen Zahlungssysteme eröffnet auch das Lastschriftverfahren Möglichkeiten missbräuchlichen Verhaltens. Dies gilt insbesondere für das Einzugsermächtigungsverfahren. Mit Rücksicht auf den massenhaften Anfall von Lastschriften müssen sich die mitwirkenden Institute auf formale Prüfungen bei der Zulassung zum Lastschriftverfahren durch das Gläubigerinstitut und dem Vorhandensein einer für die Lastschrifteinlösung ausreichenden Deckung durch das Schuldnerinstitut beschränken. Schadensersatzansprüche aus missbräuchlichem Verhalten richten sich keineswegs nur gegen den jeweiligen Vertragspartner in der Inkassokette. Stellt ein solches Verhalten eine unerlaubte Handlung, insbesondere eine sittenwidrige Schädigung iS des § 826 BGB, dar, kann ein Regressverhältnis auch zwischen zwei in der Inkassokette vertraglich nicht verbundenen Beteiligten, etwa zwischen dem Institut des Lastschriftgläubigers und dem Schuldner, begründet werden.
7.557
Ansatzpunkt für ein missbräuchliches Verhalten bietet insbesondere die Möglichkeit des Schuldners im Einzugsermächtigungsverfahren, einer Belastung seines Kontos mit der Absicht zu widersprechen, dass ihm in sittenwidriger Weise der abgebuchte Betrag zum Nachteil des Gläubigerinstituts oder des Gläubigers im eigenen Interesse oder im Interesse seines eigenen Instituts rückvergütet wird2, denn das Schuldnerinstitut hat einem Widerspruch seines Kunden gegen die Belastungsbuchung grundsätzlich zu entsprechen, selbst wenn ihm bekannt ist, dass dessen Girokunde die abgebuchten Beträge dem Zahlungsempfänger schuldet3. Dabei ist es unerheblich, ob dieser Widerspruch im Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner berechtigt ist4. Der Widerspruch ist selbst dann zu beachten, wenn er sich gegen Lastschriften aus einer möglicherweise sittenwidrigen Lastschriftreiterei richtet5.
1 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 209. 2 van Gelder, WM 2000, 101 (106). 3 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689 (690); BGHZ 95, 103 = NJW 1985, 2326; OLG Düsseldorf v. 24.11.2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557. 4 Zu den anerkennenswerten Gründen für einen Widerspruch vgl. van Gelder, WM 2000, 101 (107). 5 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828 (829).
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7. Teil
Lastschriftverfahren
1. Missbräuchlicher Widerspruch durch Lastschriftschuldner im Einzugsermächtigungsverfahren Ein Missbrauch des Widerspruchsrechts setzt voraus, dass dem Gläubiger gegen den widersprechenden Schuldner ein von der Einzugsermächtigung gedeckter Zahlungsanspruch zusteht1. Ohne einen solchen Zahlungsanspruch handelt es sich um eine unberechtigte Lastschrift, deren Kontobelastung der angeblich Zahlungspflichtige grundsätzlich widersprechen kann. Erleidet das Gläubigerinstitut hierdurch Schaden, weil es den Zahlungsempfänger über die gutgeschriebenen Beträge vor Einlösung der Lastschriften hat verfügen lassen und nunmehr einen Ausfall befürchten muss, verwirklicht sich das Risiko des Gläubigerinstituts als erster Inkassostelle, in dessen voller Kenntnis die Kreditwirtschaft das Lastschriftverfahren eingeführt hat2.
7.558
Wie die Regelungen des LSA (Abschnitt I Nr. 4 und III Nr. 1) zeigen, soll der Schaden aus Verfahrensmissbräuchen grundsätzlich die Gläubigerbank treffen. Denn das Lastschriftverfahren eröffnet eine Zugriffsmöglichkeit auf das Konto des Schuldners, so dass es vor allem auf eine ausreichende Bonität und Seriosität der Lastschrifteinreicher ankommt, die von dem Gläubigerinstitut zu verantworten ist3.
7.559
Für ein missbräuchliches Verhalten ist es aber auch nicht ausreichend, dass dem Lastschriftgläubiger ein Zahlungsanspruch zusteht und es sich damit um eine „berechtigte“ Lastschrift handelt. Auch in diesem Fall kann der Schuldner der Belastung seines Kontos widersprechen, wenn er hierfür anerkennenswerte Gründe hat4. Ob eine Widerspruchsmöglichkeit missbräuchlich ausgenutzt wird und dadurch in sittenwidriger Weise insbesondere das Insolvenzrisiko dem Gläubigerinstitut zugeschoben wird, hängt also von dem mit dem Widerspruch verfolgten Zweck ab5.
7.560
Nach Rechtsansicht des BGH liegt es im Rahmen des Widerspruchszwecks, wenn der Schuldner anerkennenswerte Gründe hat, die ihn im Zeitpunkt der Kenntnis der Lastschriften davon abgehalten haben würden, den entsprechenden Geldbetrag bar oder durch Überweisung zu begleichen6. Denn mit der Erteilung der Einzugsermächtigung will sich der Schuldner dem Gläubiger gegenüber nicht der Möglichkeit zur Ausübung seiner Gegenrechte begeben und seine Rechtsposition verschlechtern7. Anerkennenswerte Gründe für ei-
7.561
1 Hegel, Die Bank 1982, 74 (79); van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 90. 2 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689 (690); BGH v. 27.11.1984 – II ZR 294/ 83, WM 1985, 83 (84). 3 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 86. 4 BGH v. 27.11.1984 – II ZR 294/83, WM 1985, 83 (84); vgl. hierzu weiter van Gelder, WM 2000, 101 (107). 5 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689; OLG Hamm v. 21.12.1994 – 31 U 208/93, WM 1995, 479 (480). 6 BGH v. 27.11.1984 – II ZR 294/83, WM 1985, 83 (84). 7 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689 (690); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 91.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
nen Widerspruch gegen eine berechtigte Lastschrift sind nach Ansicht des BGH Leistungsverweigerungs-, Zurückbehaltungs- oder Aufrechnungsrechte des Lastschriftschuldners1.
7.562
Ein Widerspruch des Lastschriftschuldners kann dagegen eine sittenwidrige Schädigung iS des § 826 BGB darstellen, wenn der Lastschriftschuldner, der sich nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist mit der Belastung seines Kontos bereits zufrieden gegeben und damit auch entschlossen hatte, von etwaigen Gegenrechten keinen Gebrauch zu machen, gleichwohl der Belastung seines Girokontos mit der Lastschrift widerspricht. Das Ausfallrisiko zu einem solchen späteren Zeitpunkt auf die Gläubigerbank abzuwälzen, steht im Gegensatz zum bisherigen Verhalten des Schuldners und wäre ein Missbrauch der Widerspruchsmöglichkeit, die ihm zu diesem Zweck nicht eingeräumt worden ist2.
7.563
Auch das Schuldnerinstitut kann sich wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) gegenüber dem Gläubigerinstitut oder dem Gläubiger schadensersatzpflichtig machen, wenn es den Schuldner zu einem ungerechtfertigten Widerspruch anregt oder mitverursacht, um sich selbst Vorteile zu verschaffen3. Das Schuldnerinstitut kann auch Beihilfe zum rechtsmissbräuchlichen Widerspruch des Schuldners gegen eine berechtigte Lastschrift und damit zu einer sittenwidrigen Schädigung des Gläubigers leisten, wenn es die Widerspruchsmöglichkeit mit dem Schuldner wohlwollend erörtert, den Widerspruch als für sich finanziell günstige Variante akzeptiert und ihn beanstandungsfrei und zügig umsetzt4. Nach anderer Meinung erfordert die Schadensersatzpflicht ein planmäßiges sittenwidriges Zusammenwirken zwischen Schuldner und Schuldnerinstitut5.
2. Missbräuchliche Inanspruchnahme des Lastschriftverfahrens
7.564
Schadensersatzansprüche können sich im Übrigen ergeben, wenn das Lastschriftverfahren zweckwidrig genutzt wird und hierdurch den Beteiligten, insbesondere dem Gläubigerinstitut, im Rahmen des Einzugsermächtigungsverfahren vorsätzlich Schaden zugefügt wird. Ein solches missbräuchliches Verhalten stellt die Einreichung sog. Kreditlastschriften dar6. In diesen Fällen 1 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689 (690); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 91; zur sittenwidrigen Herstellung einer Aufrechnungslage vgl. OLG Oldenburg v. 6.3.1986 – 1 U 164/85, WM 1986, 1277 (1278). 2 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689 (690); van Gelder in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 91; zur sittenwidrigen Herstellung einer Aufrechnungslage vgl. OLG Oldenburg v. 6.3.1986 – 1 U 164/85, WM 1986, 1277 (1278). 3 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 829; OLG Naumburg v. 27.6.2002 – 2 U 157/01, WM 2003, 433 (436); van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 56. 4 OLG Frankfurt v. 16.9.1996 – 18 U 92/94, WM 1997, 211 (212); OLG Düsseldorf v. 24.11.2000 – 22 U 94/00, NJW-RR, 2001, 557; vgl. weiter Krepold in BuB, Rz. 6/425. 5 OLG Düsseldorf v. 24.11.2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557 (558); Denk, ZHR 144 (1980), 171 (188 ff.). 6 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689 (691).
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7. Teil
Lastschriftverfahren
vereinbaren Darlehensgeber und Darlehensnehmer, dass die Kreditvaluta im Einzugsermächtigungsverfahren vom Girokonto des Darlehensgebers abgebucht werden sollen. Sieht der Darlehensgeber seinen Rückzahlungsanspruch innerhalb der Widerspruchsfrist als gefährdet an, kann er das Insolvenzrisiko seines Darlehensnehmers von sich auf das Gläubigerinstitut verlagern. Die erste Inkassostelle würde also, ohne dies zu erkennen, die Funktion eines Bürgen für ihren Kunden als Lastschriftgläubigerin übernehmen. Sinn und Zweck des Lastschriftverfahrens ist es aber, den massenhaften bargeldlosen Zahlungsverkehr zu erleichtern, nicht aber dem Lastschriftschuldner eine risikolose Darlehensgewährung an den Lastschriftgläubiger innerhalb der Widerspruchsfrist zu ermöglichen1. Einen weiteren Missbrauch des Lastschriftverfahrens stellt die sog. Lastschriftreiterei dar. Hier werden von den beiden Beteiligten wechselseitig als Zahlungsempfänger und Zahlungspflichtigem Lastschriften eingereicht, die jeweils vom Girokonto des anderen Beteiligten abgebucht werden. Mit den bei Lastschrifteinreichungen erteilten Gutschriften wollen sich die Kontoinhaber kurzfristig Kredit verschaffen2. Die Lastschriftreiterei ist für die beteiligten Institute in ihrer Funktion als erste Inkassostelle mit besonderen Risiken behaftet. Sie ist wegen der Verlagerung dieser Risiken auf die Inkassostelle sittenwidrig mit der Folge, dass ihr gegen den „Lastschriftschuldner“ ein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB zusteht3. Insoweit ergibt sich eine Parallele zu der sog. Wechselreiterei, bei der die Beteiligten in sittenwidriger Weise wechselseitig Wechsel aufeinander ziehen, um sich mit Hilfe der Diskontierung dieser Wechsel durch ihre Bank die benötigten Geldmittel zu beschaffen4.
7.565
Der missbräuchliche Widerspruch hat auch Konsequenzen im Valutaverhältnis zwischen Lastschriftschuldner und -gläubiger. Die Lastschrifteinzugsabrede verpflichtet den Schuldner, die hieraus resultierenden Belastungsbuchungen auf seinem Girokonto zu genehmigen. Deshalb können bei einem missbräuchlichem Widerspruch Ansprüche wegen einer Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB und gegebenenfalls auch aus § 826 BGB bestehen5. Im Übrigen gerät der Schuldner in Verzug und ist schadensersatzpflichtig nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB6.
7.566
7.567–7.570
Einstweilen frei.
1 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 85/78, WM 1979, 689 (691); OLG Düsseldorf v. 20.6.2007 – I-16 U 129/06, BKR 2007, 514 ff.; OLG Stuttgart v. 20.12.2007 – 9 U 92/07, BKR 2008, 480 ff. 2 van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 56 Rz. 39. Dasselbe gilt für den Einsatz des Einzugsermächtigungsverfahrens, wenn Gläubiger und Schuldner dieselbe Person sind (van Gelder, WM 2000, 101 [107]). 3 BGH v. 28.5.1979 – II ZR 219/77, WM 1979, 828 (829). 4 BGH v. 30.11.1972 – II ZR 70/71, WM 1973, 66; van Gelder in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 56 Rz. 39. 5 BGH v. 15.6.1987 – II ZR 301/86, WM 1987, 895 = BGHZ 101, 153; OLG Düsseldorf v. 24.11.2000 – 22 U 94/00, NJW-RR 2001, 557; van Gelder, WM 2000, 101 (108) mwN. 6 van Gelder, WM 2000, 101 (108) mwN.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
4. Abschnitt Scheckinkasso I. Grundsätzliches
7.571
Wie die Überweisung und das Lastschriftverfahren gehört der Scheck zu den Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, der der Bezahlung von Geldschulden zu Lasten des bei einem Kreditinstitut unterhaltenen Girokontos dient. Auch bei einer Scheckzahlung verfügt der Aussteller des Schecks über sein Kontoguthaben. In solchen Kontoverfügungen liegt die eigentliche Funktion des Schecks. Das Scheckgesetz (Art. 3 Satz 1) bestimmt deshalb, dass ein Scheck nur auf einen Bankier gezogen werden darf, bei dem der Aussteller ein Guthaben hat. Guthaben ist hier aber weiter zu verstehen und erfasst auch die Befugnis, durch Scheckzahlungen einen Kredit zu nutzen.
7.572
Eine solche scheckmäßige Verfügung über das Kontoguthaben löst einen bargeldlosen Zahlungsvorgang aus, wenn die Zahlung der Schecksumme – wie im Regelfall – dadurch erfolgt, dass der Schecknehmer seinem Institut mit dem Einzug des Schecks zur Gutschrift auf sein bei ihr unterhaltenes Girokonto beauftragt. Sodann kommt es zu einer Buchgeldzahlung durch Abbuchung des Scheckbetrages vom Girokonto des Scheckausstellers.
7.573
Die scheckmäßige Kontoverfügung führt dagegen zu einer Bargeldzahlung, wenn der Scheckinhaber den Scheck dem bezogenen Institut unmittelbar vorlegt. Diese Verwendbarkeit des Schecks für eine Barauszahlung ist bei der Überweisung und der Lastschrift als den beiden anderen Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs grundsätzlich nicht gegeben.
1. Vergleich mit Lastschriftverfahren
7.574
Das Scheckinkassoverfahren weist Parallelen zum Lastschriftverfahren auf, das ebenfalls dem Einzug eines geschuldeten Betrages im bargeldlosen Zahlungsverkehr dient. Dies gilt insbesondere für das Abbuchungsauftragsverfahren. Bei dieser Variante des Lastschriftinkassos erteilt der Lastschriftschuldner mit dem Auftrag der kontoführenden Stelle (Zahlstelle) einen Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB zur Einlösung der Lastschrift. Eine dem Auftrag vergleichbare Weisung liegt auch dem zum Inkasso eingereichten Scheck zugrunde. Die in der Scheckurkunde verkörperte „Zahlungsanweisung“ iS des Art. 1 Nr. 2 ScheckG ist zwar eine besondere Form der Anweisung, wie sie im BGB (§§ 783 ff.) geregelt ist1. Mit dieser Scheckziehung auf das Giroguthaben ist aber zugleich eine girovertragliche Weisung (§ 665 BGB) des Scheckausstellers an das bezogene Institut verbunden, den Scheck zu Las-
1 Sprau in Palandt, § 783 BGB Rz. 13; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 1 ScheckG Rz. 1, 3.
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7. Teil
Scheckinkasso
ten seines Girokontos einzulösen1. Bezogener kann bei einem Scheck jedoch, wie sich aus Art. 3 ScheckG ergibt, nur eine Kreditinstitut sein. Ein Zahlungsinstitut reicht dazu nicht. Im Gegensatz zum Lastschriftverfahren setzt deshalb eine Zahlung mittels Scheck zumindest auf Seiten des bezogenen Instituts immer ein Kreditinstitut voraus, da ein Zahlungsinstitut ohne Zulassung nach dem KWG kein Bezogener iS des Art. 3 ScheckG sein kann. Auch das Scheckeinzugsgeschäft bleibt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG den Kreditinstituten vorbehalten, sodass es am Scheckzahlungsverfahren sowohl auf Seiten des Schuldners als auch des Einreichers nur Kreditinsitute als Beteiligte geben kann.Diese auftragsrechtliche Weisung im Rahmen des Girovertragsverhältnisses zwischen Scheckaussteller und seiner kontoführenden Stelle als Scheckbezogene wird vom Scheckinhaber als Bote überbracht2. Ein erheblicher Unterschied zwischen beiden Inkassoverfahren besteht aber darin, dass die einzuziehende Lastschrift vom Gläubiger selbst angefertigt wird. Das Scheckeinzugsverfahren setzt dagegen voraus, dass der Scheck zunächst vom Schuldner ausgestellt und seinem Gläubiger zum Inkasso ausgehändigt wird. Die Scheckurkunde ist im Übrigen – anders als die Lastschrift – ein Wertpapier. Sie legitimiert deshalb auch den unberechtigten Scheckinhaber zur Erteilung eines Inkassoauftrages und eröffnet damit andere Missbrauchsmöglichkeiten als beim Lastschriftverfahren.
7.575
2. Erfordernis eines Inkassoauftrages bei bargeldloser Scheckeinlösung Wie beim Lastschriftverfahren muss auch der Schecknehmer die Initiative ergreifen, um eine Gutschrift der Schecksumme auf seinem Konto zu erreichen.
7.576
Schecks können grundsätzlich auch an eine Bank verkauft werden. Solche Diskontierungen sind jedoch in der Praxis unüblich, weil Schecks keine feste Laufzeit haben, sondern mit der Vorlage bei dem bezogenen Institut zahlbar sind (Art. 28 Abs. 1 ScheckG). Die Einreichung eines Schecks bei einer Bank erfolgt deshalb im Zweifel zum Einzug. Diese Gemeinsamkeit von Scheckund Lastschriftinkasso in der Einzugsphase zeigt sich zB darin, dass die Bundesbank den „vereinfachten Scheck- und Lastschrifteinzug“ für Kreditinstitute in einheitlichen AGB geregelt hat. Auch die kreditwirtschaftlichen AGB enthalten zB einheitliche Regelungen für die Einlösung von Schecks und Lastschriften (Nr. 9 Abs. 2 AGB-Privatbanken).
7.577
Der Scheck wird von dem bezogenen Institut grundsätzlich nur „eingelöst“, wenn ihm die Scheckurkunde körperlich vorgelegt wird (Art. 29 ScheckG) oder das Inkasso im sog. beleglosen Scheckeinzug erfolgt, wie es in dem „Ab-
7.578
1 BGH v. 7.5.1979 – II ZR 210/78, WM 1979, 996 (997); Nobbe in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 60 Rz. 11; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB, Bankgeschäfte III Rz. 78; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 3. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 686; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 11.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
kommen über das beleglose Scheckeinzugsverfahren“ (BSE-Abkommen) der Kreditwirtschaft geregelt worden ist. Der Begriff „einlösen“ wird, wie seine Verwendung an mehreren Stellen des Scheckgesetzes zeigt (zB Art. 35, 39 Abs. 2, 40, 45 Nr. 1 und 46), als Synonym für „zahlen“ verstanden. Die Einlösung ist also die Ausführung der im Scheck enthaltenen unbedingten Anweisung, „eine bestimmte Geldsumme zu zahlen“ (Art. 1 Nr. 2 ScheckG)1. Für diese Scheckeinlösung hat der Schecknehmer die Scheckurkunde seiner kontoführenden Stelle einzureichen und sie mit dem Einzug durch Gutschrift auf sein Girokonto zu beauftragen.
7.579
Nach Erteilung dieses Inkassoauftrages erteilt die Bank dem Einreicher eine Gutschrift unter dem Vorbehalt der Scheckeinlösung. Soweit das im Scheck bezogene Girokonto – wie regelmäßig – nicht bei der Inkassobank selbst geführt wird, geht der Scheck den üblichen Inkassoweg wie beim Lastschriftverfahren. Das bezogene Institut löst sodann den Scheck ein, soweit der Aussteller des Schecks über ein ausreichendes Guthaben oder eine entsprechende Kreditlinie verfügt.
7.580
Mit dieser Einlösung wird die Kontogutschrift endgültig, die der Scheckeinreicher bei Erteilung des Inkassoauftrages von seinem Institut erhalten hat. Hierdurch hat der Scheckeinreicher in Höhe der Schecksumme eine Buchgeldzahlung vom Scheckaussteller als seinem Schuldner erhalten. Die beabsichtigte „Vermögensverschiebung“ im Valutaverhältnis zwischen dem ersten Schecknehmer und dem Scheckaussteller ist damit vollzogen. Damit ist zugleich der durch den Scheckeinzug ausgelöste bargeldlose Zahlungsvorgang abgeschlossen2.
7.581
Wie beim Lastschrifteinzugsverfahren und der Überweisung sind auch beim Scheckeinzugsverfahren regelmäßig zwei oder mehrere Institute beteiligt. Es besteht deshalb auch beim Scheckinkasso eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen. Dabei steht – wie beim Lastschrifteinzug – das Inkassoverhältnis zwischen Scheckinhaber und erster Inkassostelle im Vordergrund.
II. Inkassoverhältnis zwischen Scheckinhaber und erster Inkassostelle
7.582
Die zum Einzug eingereichten Schecks sollen regelmäßig dem bei der kontoführenden Stelle unterhaltenen Girokonto gutgeschrieben werden. Das Inkassoverfahren vollzieht sich also im Rahmen des der Kontoverbindung zugrunde liegenden Girovertragsverhältnisses, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt. Der einzelne Inkassoauftrag stellt deshalb einen Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB dar.
1 Pleyer/Wallach, ZHR 153 (1989), 539 (540). 2 Pleyer/Wallach, ZHR 153 (1989), 539 (541).
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7. Teil
Scheckinkasso
Verlangt der Kunde von seinem Institut eine Bestätigung für die Einreichung des Schecks, ist dem Kundenwunsch zu entsprechen. Der Zeitpunkt des Eingangs dieser Einreichung kann für die Frage der Rechtzeitigkeit der Scheckzahlung und damit der Vermeidung von Verzugszinsen von entscheidender Bedeutung sein1. Hinzu kommt, dass der Kunde ohne diese Bestätigung keinerlei Nachweis über die Aushändigung des Schecks als eines Wertpapiers in Händen hält.
7.583
Fehlt es an einem solchen Girokonto, wird im Rahmen eines Einzelzahlungsvertrags gemäß § 675f Abs. 1 Satz 1 BGB ein Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB erteilt, der ebenfalls einen Geschäftsbesorgungsvertrag in Form eines Dienstvertrages darstellt2. Hier wird der eingezogene Scheckbetrag auf dem sog. Konto pro Diverse gutgeschrieben3.
7.584
Der Einzugsauftrag verpflichtet die Inkassostelle, den Scheck auf dem schnellsten und sichersten Weg dem bezogenen Institut vorzulegen4. Inkassowege für Inlandsschecks mit Laufzeiten von mehr als fünf Arbeitstagen sind deshalb kaum noch akzeptabel5. Dabei darf sie sich grundsätzlich der banküblichen Einzugswege bedienen6.
7.585
Bei dieser Weiterleitungspflicht handelt es sich um eine sich aus der Natur dieses Geschäftsbesorgungsverhältnisses ergebende wesentliche Pflicht iS des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (= § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG aF). Die Haftung für die Verletzung einer solchen Pflicht kann auch im Handelsverkehr formularmäßig nicht ausgeschlossen werden7. Der Inkassoauftrag beschränkt sich regelmäßig auf die Einziehung des Scheckgegenwertes8.
7.586
Das Inkassoinstitut haftet nicht für ein Verschulden des bezogenen Instituts oder auf dem Einzugswege zwischengeschalteter anderer Institute. Die Geschäftsbesorgungspflicht der Inkassobank erschöpft sich in der ordnungsgemäßen Weiterleitung des Inkassoauftrages, so dass die nachgeordneten Banken keine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) sind9. Der Scheckinkassoauftrag stellt also ein weiteres Beispiel für den sog. weitergeleiteten Auftrag iS der Nr. 3 Abs. 2 AGB-Banken dar.
7.587
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Trolitzsch/Jaeger, BB 1994, 2152 f.; Vogel, DB 1997, 1758 f. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 2. OLG Frankfurt v. 2.6.1978 – 10 U 183/77, WM 1978, 1025 (1027). BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff.; BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 246 = NJW-RR 1988, 559 ff. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 30. BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 (1393). BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 246 (248); Nobbe in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 61 Rz. 35. BGH v. 4.7.1977 – II ZR 133/75, WM 1977, 1119 (1120). Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 34 unter Berufung auf BGH v. 19.3.1991 – XI ZR 102/90, WM 1991, 797 für die Weiterleitung eines Überweisungsauftrages.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
1. Erteilung einer Vorbehaltsgutschrift
7.588
Wie im Lastschriftverfahren erteilt die Inkassostelle dem Scheckeinreicher auf seinem Girokonto eine Gutschrift unter dem Vorbehalt der Einlösung. Dies gilt auch, wenn diese Papiere bei dem Institut selbst zahlbar sind (Nr. 9 Abs. 1 AGB-Banken). Wird der Scheck bei einer nicht kontoführenden Filiale des bezogenen Instituts eingereicht, liegt nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht auch hier ein Inkassoauftrag vor1.
7.589
Erteilt der Einreicher seinem Inkassoinstitut die Weisung, den eingehenden Einlösungsbetrag nicht seinem Konto, sondern dem Konto eines Dritten gutzuschreiben, darf sie die Gutschrift nicht auf dem Einreicherkonto erteilen2.
7.590
Diese Vorbehaltsgutschrift steht im Übrigen auch unter der weiteren Bedingung, dass sie den Scheckbetrag auch tatsächlich erhält. Gilt der Scheck bereits als eingelöst, weil das bezogene Institut eine die Einlösung bewirkende Bezahltmeldung iS der Nr. 9 Abs. 2 Satz 2 AGB-Banken abgesandt hat, verweigert es aber die Zahlung des Scheckbetrages, kann die Vorbehaltsgutschrift gemäß Nr. 9 Abs. 1 Satz 4 AGB-Banken wieder rückgängig gemacht werden. Diese Klausel ist nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (jetzt: §§ 305 ff. BGB) vereinbar. Denn der Scheckeinreicher hat einen Anspruch auf Gutschrift der Schecksumme gemäß §§ 675, 667 BGB erst, wenn seine kontoführende Stelle buchmäßig Deckung erlangt hat3.
7.591
Umstritten ist, ob diese Vorbehaltsgutschrift dogmatisch als Gutschrift unter der auflösenden Bedingung der Nichteinlösung oder unter der aufschiebenden Bedingung der Einlösung anzusehen ist4 (siehe Rz. 6.286). Praktische Bedeutung kann diese Einordnung als auflösende oder als aufschiebende Bedingung vor allem im Vollstreckungs- oder Insolvenzverfahren erlangen5. Für eine aufschiebende Wirkung spricht der gegen die Inkassostelle gerichtete auftragsrechtliche Herausgabeanspruch (§ 667 BGB) des Scheckeinreichers, der mit dieser Kontogutschrift erfüllt werden soll. Dieser entsteht erst, wenn die Inkassostelle von der auf dem Einzugswege nachgeordneten Stelle Deckung erhalten hat. Vor diesem Zeitpunkt schuldet die Inkassostelle den einzuziehen-
1 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326) = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; vgl. hierzu Ahlers, NJW 1990, 1149 ff. 2 BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6 (7) = NJW-RR 1990, 366 f. mit Anmerkung Häuser, WM 1990, 1184 (1187), wonach dem Dritten hieraus ein eigener Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Gutschrift erwächst (§§ 675, 667 Alt. 2 BGB). Anspruchsgrundlage ist das eigene Girovertragsverhältnis des Begünstigten mit der Inkassobank, so dass der Inkassoauftrag nicht als echter Vertrag zu Gunsten Dritter qualifiziert zu werden braucht. 3 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 135/96, WM 1997, 1194 (1197) = BGHZ 135, 307 ff. = NJW 1997, 2112 ff. 4 Vgl. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 38 mwN. 5 Vgl. BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085) = BGHZ 118, 171 ff. = NJW 1992, 1960 f.
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7. Teil
Scheckinkasso
den Betrag weder bedingt noch betagt1. Lässt die kontoführende Stelle den Scheckeinreicher – wie häufig – schon vor der Einlösung des Schecks über den gutgeschriebenen Betrag verfügen, liegt darin eine Kreditgewährung2. Ein Inkassoauftrag und kein Ankauf (Diskontierung) des Schecks liegt also unabhängig davon vor, ob die Inkassostelle den Einreicher sofort über die Vorbehaltsgutschrift verfügen lässt3. Für eine auflösende Bedingung der Nichteinlösung spricht vor allem, dass die Vorbehaltsgutschrift mit einer bestimmten Wertstellung für die Zinsberechnung sofort in das Kontokorrent eingestellt wird. Hierzu ist eine nur aufschiebende Gutschrift ungeeignet4.
7.592
Da die Inkassostelle bei Erteilung der Vorbehaltsgutschrift in vielen Fällen keine sichere Kenntnis vom Zeitpunkt der Scheckeinlösung und damit von der Erlangung der endgültigen Deckung hat, erhalten die Gutschriftsbuchungen einen pauschalen Wertstellungszeitpunkt, wenn von Erfahrungswerten über den Empfang der Deckung bei ungestörtem Scheckinkasso ausgegangen wird. Dies galt nach der vom BGH vertretenen Anischt für Wertstellungen bei auf in- oder ausländische Banken gezogenen DM-Schecks drei Arbeitstage und bei Währungsschecks fünf Tage nach der Vorbehaltsgutschrift5. Entsprechendes wird nun für auf Euro lautende Schecks anzunehmen sein.
7.593
Die BGH-Rechtsprechung ist in der dogmatischen Einordnung der Vorbehaltsgutschrift als aufschiebend oder auflösend bedingte Gutschrift nicht einheitlich6.
7.594
2. Pflichten der Inkassobank bei Nichteinlösung Bei Nichteinlösung des Schecks hat das bezogene Institut dafür zu sorgen, dass Protest erhoben wird oder die dem Protest gleichgestellten Erklärungen abgegeben werden7. Diese Maßnahmen sind erforderlich, damit dem Scheckinhaber der scheckrechtliche Rückgriff gegen den Scheckaussteller und die anderen Scheckverpflichteten erhalten bleibt (Art. 40 iVm. Art. 12, 18, 20, 27 ScheckG). 1 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085) mwN. 2 OLG Hamm v. 28.6.1995 – 31 U 4/95, WM 1995, 1441 (1443); LG Stuttgart v. 19.12.1995 – 23 O 223/95, WM 1996, 1723 (1724). 3 OLG Koblenz v. 14.10.1983 – 2 U 61/83, WM 1984, 467 (468). 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 38. 5 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 208/96, WM 1997, 1192 (1194) = BGHZ 135, 316 ff. = NJW 1997, 2042 f.; vgl. hierzu Borges, WM 1998, 105 ff. 6 Nach dem BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1411) = NJW 1987, 317 ff. erfolgt diese Gutschrift auflösend bedingt, über die der Scheckeinreicher unter Umständen sofort verfügen kann. An dem bis zum Wirksamwerden dieser Kontogutschrift dem Scheckeinreicher gegen die Inkassobank zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Erlöses erwirbt die Bank ein AGB-Pfandrecht (Häuser, WM 1990, 1184 [1186]); für aufschiebende Bedingung aber BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085). 7 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 39.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7.596
Die erforderliche förmliche Feststellung der Zahlungsverweigerung hat nicht nur die Funktion eines Beweismittels. Sie ist vielmehr sachliche Voraussetzung für den Rückgriffsanspruch, deren Fehlen bei seiner gerichtlichen Geltendmachung von Amts wegen festzustellen ist und gegebenenfalls zur Klageabweisung führt1.
7.597
Diese Pflicht zur Protesterhebung enthält das kreditwirtschaftliche „Abkommen über die Rückgabe nichteingelöster Schecks und die Behandlung von Ersatzstücken verloren gegangener Schecks im Scheckeinzugsverkehr“2. Dieses Scheckabkommen regelt die Rechte und Pflichten der mitwirkenden Kreditinstitute untereinander3.
7.598
Die Inkassostelle hat im Übrigen den Scheckeinreicher über die Nichteinlösung des Schecks unverzüglich zu informieren (§§ 666, 675 BGB) und sich um die Rückgabe der Scheckurkunde zu bemühen4.
3. Rechtsstellung der Inkassostelle bei unterbliebener Scheckeinlösung
7.599
Werden Schecks nicht rechtzeitig eingelöst oder erhält das Zahlungsinstitut den Betrag aus dem Inkassoauftrag nicht, so kann die kontoführende Stelle des Einreichers die Vorbehaltsgutschrift ohne Rücksicht auf einen zwischenzeitlichen Rechnungsabschluss wieder rückgängig machen (Nr. 9 Abs. 1 AGBBanken). Ungeachtet dieser Rückbelastung verbleiben der Inkassostelle ihre Rechte aus dem Scheck5.
7.600
Neben dieser Rückbelastung des nicht eingelösten Schecks kann die Inkassostelle im Einzelfall ein Interesse daran haben, den Aussteller aus seiner scheckrechtlichen Haftung für den nicht eingelösten Scheck in Anspruch zu nehmen6. Nach dem Scheckgesetz (Art. 12) haftet der Aussteller des Schecks für die Einlösung des Schecks7. Für seine Inanspruchnahme durch das mit dem Inkassso beauftragte Institut kommt es darauf an, welche Rechte es auf
1 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 (1392) mwN = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff.; BGH v. 7.3.1989 – XI ZR 146/88, WM 1989, 594 (595) = BGHZ 107, 111 ff. = NJW 1989, 1675 f.; zur rechtzeitigen Vorlegung vgl. BGH v. 1.10.1991 – XI ZR 29/91, WM 1991, 1910 = BGHZ 115, 247 ff. = NJW 1992, 118 f. 2 Abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Bankbedingungen 11. 3 BGH v. 28.11.1989 – XI ZR 34/89, WM 1990, 96 (97) = BGHZ 109, 235 ff. = NJW 1990, 833 f. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 41. 5 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 26. 6 Macht die Bank den scheckrechtlichen Rückgriffsanspruch im eigenen Namen zu Gunsten ihres Kunden als Inkassoauftraggeber geltend, so liegt eine Prozessstandschaft vor (BGH v. 4.7.1977 – II ZR 133/75, WM 1977, 1119). 7 Diese Haftung besteht auch auf Grund zurechenbar veranlassten Rechtsscheins, wenn der Scheck missbräuchlich zum Zwecke der ungenehmigten Kreditschöpfung (Scheckreiterei) in den Verkehr gebracht worden ist (BGH v. 23.5.1989 – XI ZR 82/88, WM 1989, 1009 [1010 f.] = NJW-RR 1989, 1207 f.; BGH v. 9.2.1993 – XI ZR 84/92, WM 1993, 499 [500] = BGHZ 121, 279 ff. = NJW 1993, 1068 f.).
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7. Teil
Scheckinkasso
Grund des Inkassoauftrages aus dem Scheck erworben hat1. Dies richtet sich im Einzelnen danach, ob dem Auftrag eine Legitimationszession oder ein Sicherungstreuhandverhältnis zugrunde liegt2. Im ersten Fall verbleiben die Rechte aus dem Scheck beim Kunden als Auftraggeber. Im letzten Fall werden sie sicherungshalber auf die beauftragte Bank übertragen. Nach der BGH-Rechtsprechung nimmt eine Bank entsprechend den allgemeinen Gepflogenheiten im Bankverkehr einen ihr zum Einzug übergebenen Scheck gleichzeitig zu ihrer eigenen Sicherung entgegen und lässt sich ihn deshalb sicherungshalber übereignen (Nr. 15 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken)3. Ein solches Sicherungsinteresse besteht insbesondere, wenn das Konto des Bankkunden bei Scheckeinreichung einen Schuldsaldo aufweist oder die Bank den Kunden wie üblich schon vor Scheckeinlösung über die Vorbehaltsgutschrift verfügen lässt4. Das Sicherungseigentum wird bei Gutgläubigkeit der Inkassobank auch an solchen Schecks begründet, die mangels eines Begebungsvertrages zwischen Aussteller und Schecknehmer als „irgendwie abhanden gekommen“ zu behandeln sind5.
7.601
Werden der Bank Schecks mit der Maßgabe eingereicht, dass ihr Gegenwert nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden darf, erstreckt sich die Sicherungsübereignung nicht auf diese Inkassopapiere (Nr. 15 Abs. 3 AGBBanken). Hierdurch soll der Rechtsprechung Rechnung getragen werden6.
7.602
Mit dem Erwerb des Sicherungseigentums geht auch die zugrunde liegende Forderung auf die Bank über (Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken)7. Macht die Bank diese Forderung geltend und geht der Erlös bei ihr ein, so erlischt ihre gesicherte Forderung gegen den Schuldner (§ 1288 Abs. 2 BGB).
7.603
Für dieses Erlöschen bedarf es keiner kontokorrentmäßigen Verrechnung. Wenn die Bank trotzdem den Erlös dem Konto gutschreibt, handelt es sich nur um die buchungstechnische Erledigung dieses Vorgangs, dem keine selbständige Bedeutung zukommt8.
7.604
Das Sicherungseigentum und die Sicherungsabtretung dienen der Sicherung aller Ansprüche, die der Bank gegen den Kunden bei Einreichung des Schecks aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder die infolge der Rückbelastung
7.605
1 Klein, WM 1975, 374 (376 f.). 2 Bei bloßer Legitimationszession muss sich die Inkassobank alle Einwendungen des Scheckausstellers gegen den Scheckeinreicher entgegenhalten lassen (BGH v. 4.7.1977 – II ZR 133/75, WM 1977, 1119 [1120]). 3 BGH v. 19.10.1987 – II ZR 9/87, WM 1988, 8 = BGHZ 102, 68 ff. = NJW 1988, 700 ff.; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 15. 4 BGH v. 3.2.1977 – II ZR 116/75, WM 1977, 970 (971). 5 OLG Düsseldorf v. 30.4.1973 – 6 U 199/72, WM 1973, 739 (740); OLG Koblenz v. 14.10.1983 – 2 U 61/83, WM 1984, 467 (468). 6 BGH v. 17.9.1984 – II ZR 23/84, WM 1984, 1391 = NJW 1985, 196 f.; BGH v. 14.11.1989 – XI ZR 97/88, WM 1990, 6 = NJW-RR 1990, 366 f. 7 Vgl. BGH v. 11.11.1976 – II ZR 2/75, WM 1977, 49 (50). 8 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, WM 1992, 1083 (1085) = BGHZ 118, 171 ff. = NJW 1992, 1960 f.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
nicht eingelöster Schecks entstehen (Nr. 15 Abs. 4 AGB-Banken). Diese AGBRegelung ist nach Rechtsansicht des BGH interessengemäß, weil die Banken die Schecksumme sofort bei Einreichung der Schecks gutschreiben und hierüber den Kunden vor der Einlösung des Schecks verfügen lassen. Durch ein solches Sicherungstreuhandverhältnis wird die Lage des Scheckausstellers nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Wenn der Schuldner dadurch Gefahr laufe, Einwendungen gegen den Scheckeinreicher zu verlieren (Art. 22 ScheckG), sei dies eine spezifische Folge des Scheckrechts, mit der jeder Scheckaussteller rechnen müsse, der einen Scheck begibt1. Die Sicherungstreuhand der Inkassobank wird bei deren Gutgläubigkeit auch an solchen Schecks begründet, die mangels eines Begebungsvertrages zwischen Aussteller und Schecknehmer „irgendwie abhanden gekommen“ sind2.
III. Scheckvertragliche Beziehung zwischen Scheckaussteller und bezogener Bank
7.606
Die Möglichkeit zu Scheckziehungen auf ein Girokonto begründet ein besonderes schuldrechtliches Verhältnis zwischen Scheckaussteller und bezogenem Institut. Dagegen bestehen keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Scheckaussteller und der Inkassobank. Deshalb erwachsen der Inkassostelle auch keine Sorgfalts- und Warnpflichten gegenüber dem Scheckaussteller3.
1. Rechtsnatur des Scheckvertrages
7.607
Das schuldrechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem bezogenen Institut und seinem Scheckkunden (Deckungsverhältnis) regelt der Scheckvertrag. Dieser ist in der Praxis regelmäßig mit einem dem Girokonto zugrunde liegenden Zahlungsdienstrahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB verknüpft, davon rechtlich aber zu unterscheiden4. Das Unterhalten eines Giroguthabens berechtigt den Kunden noch nicht, hierüber mittels Schecks zu verfügen. Nach dem Scheckgesetz (Art. 3 Satz 1) muss dem Kontoinhaber durch den Scheckvertrag das Scheckziehungsrecht eingeräumt werden5.
7.608
Der Scheckvertrag verpflichtet die kontoführende Stelle gegenüber ihrem Kunden, auf sie gezogene und ordnungsgemäß ausgestellte Schecks bis zur 1 BGH v. 3.2.1972 – II ZR 116/75, WM 1977, 970 (971); ebenso OLG Düsseldorf v. 15.1.1980 – 6 U 113/80, WM 1981, 369 (370); OLG Koblenz v. 14.10.1983 – 2 U 61/83, WM 1984, 467 (468). Art. 22 ScheckG setzt voraus, dass es sich um ein „Verkehrsgeschäft“ handelt und daher der Gedanke des Verkehrsschutzes zum Tragen kommt, wie dies für die Sicherungsabtretung gilt (Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 22 ScheckG Rz. 1, Art. 17 WG Rz. 22). 2 OLG Düsseldorf v. 30.4.1973 – 6 U 199/72, WM 1973, 739 (740); OLG Koblenz v. 14.10.1983 – 2 U 61/8, WM 1984, 467 (468). 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 22. 4 Bülow, WM 1996, 8. 5 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 3.
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7. Teil
Scheckinkasso
Höhe seines Guthabens oder einer eingeräumten Kreditlinie einzulösen. In der scheckrechtlichen Zahlungsanweisung (Art. 1 Nr. 2 ScheckG) liegt zugleich ein Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB, im Rahmen des dem Girokonto zugrunde liegenden Girovertragsverhältnisses den auf sie gezogenen Scheck einzulösen1. Der Scheckvertrag stellt nach allgemeiner Meinung einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) dar. Dabei wird er im Schrifttum zum Teil als Dienstvertrag (§§ 611, 675 BGB), zum Teil als Werkvertrag (§§ 631, 675 BGB) qualifiziert. Nach anderer Ansicht soll die Einordnung als gemischttypischer Vertrag mit dienst- und werkvertraglichen Elementen praxisgerechter sein2.
7.609
Der Scheckvertrag ist kein Vertrag zu Gunsten Dritter3. Das bezogene Institut ist nur dem Scheckaussteller, nicht aber dem Schecknehmer zur Einlösung verpflichtet4. Ein scheckrechtlicher Anspruch des Schecknehmers gegen das bezogene Institut ist nach Art. 4 ScheckG ausgeschlossen.
7.610
2. Abschluss des Scheckvertrages Der Scheckvertrag kommt regelmäßig mit der Aushändigung von Scheckvordrucken an den Kontoinhaber oder den Kontobevollmächtigten zu Stande. Die Kontovollmacht bei Girokunden beinhaltet auch das Recht, durch Scheckausstellung über das vorhandene Kontoguthaben zu verfügen und hierzu einen Scheckvertrag abzuschließen5.
7.611
Minderjährige können den Scheckvertrag als einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag nur unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter wirksam abschließen (§§ 105, 107, 108 BGB). Die beschränkte Geschäftsfähigkeit zur Eingehung eines Arbeitsverhältnisses (§ 113 BGB) reicht für den Abschluss eines wirksamen Scheckvertrages nicht aus, weil er – im Gegensatz zu der Eröffnung eines Gehaltskontos – zur Erfüllung der Verpflichtungen aus solchen Rechtsverhältnissen nicht benötigt wird6. Nach einer Verlautbarung des ehemaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (jetzt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) vom 22.3.19937 sollen an Minderjährige grundsätzlich keine Scheckformulare ausgehändigt werden.
7.612
Für die Beendigung des Scheckvertrages durch Kündigung gelten die generellen Regelungen in den AGB der Kreditinstitute. Das bezogene Institut kann
7.613
1 BGH v. 7.5.1979 – II ZR 210/78, WM 1979, 996 (997); BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/ 87, WM 1988, 1325 (1327) = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; Baumbach/ Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 3. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 31. 3 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 4. 4 BGH v. 26.11.1973 – II ZR 117/72, WM 1974, 155; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 Rz. 4. 5 BGH v. 19.4.1994 – XI ZR 18/93, WM 1994, 1204 (1205) = NJW 1994, 2082. 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 38. 7 Abgedruckt in Consbruch/Fischer, KWG, Kz. 4.260 und ZIP 1995, 691 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
deshalb den Scheckvertrag nur nach Einhaltung einer auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmenden angemessenen Frist kündigen (Nr. 19 Abs. 1 Satz 3 AGB-Banken)1. Bei Beendigung des Scheckvertrages sind die nicht benutzten Scheckvordrucke unverzüglich entweder an die kontoführende Stelle zurückzugeben oder entwertet zurückzusenden (Nr. 2 Abs. 3 der Bedingungen für den Scheckverkehr).
3. Rechte und Pflichten der Vertragspartner
7.614
Die Verpflichtung zur Einlösung besteht auch nach Ablauf der scheckrechtlichen Vorlegungsfrist des § 29 ScheckG2. Scheckrechtlich ist die Einlösung nicht verboten. Nach Art. 32 Abs. 2 ScheckG kann das bezogene Institut auch nach Ablauf der Vorlegungsfrist Zahlung leisten, sofern der Scheck nicht widerrufen worden ist. Außerdem besteht grundsätzlich kein Anlass für die Annahme, dass nach den zwischen Scheckaussteller und Schecknehmer getroffenen Absprachen die Einlösung nach Ablauf der Vorlegungsfrist ausgeschlossen sein soll.
7.615
Bei einer Nichteinlösung der Schecks unterrichtet die Bank den Kunden (§§ 675, 666 BGB). Diese Benachrichtigung hat stets vor der Nichteinlösung zu erfolgen. Denn diese Benachrichtigung soll dem Scheckaussteller die Möglichkeit verschaffen, die Nichteinlösung noch abzuwenden3. Nur wenn eine vorherige Benachrichtigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, hat die Unterrichtung zusammen mit der Nichteinlösung zu erfolgen.
7.616
Bei einer solchen Nichteinlösung darf die bezogene Bank alle zur Geltendmachung des scheckrechtlichen Rückgriffsanspruches erforderlichen Daten, insbesondere Name und Anschrift des Scheckausstellers, an die Inkassostelle oder den Scheckeinreicher weitergeben. Der Scheckaussteller hat sein Einverständnis hierzu mit der Begebung des Schecks erklärt und ist hieran nach Treu und Glauben gebunden4.
7.617
Der bezogenen Bank obliegen grundsätzlich keine Aufklärungs- und Warnpflichten gegenüber ihrem Scheckkunden. Denn die Kreditinstitute werden im Allgemeinen lediglich zum Zwecke eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig und haben sich schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern5. Bei erkennbaren Gefahren für den Scheckaussteller ist die bezoge-
1 OLG Köln v. 28.8.1995 – 16 W 45/95, WM 1996, 150. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 692; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 135. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 90 unter Bezugnahme auf BGH v. 28.2.1989 – XI ZR 80/88, WM 1989, 625 (für Lastschrift). 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 95. 5 BGH v. 30.6.1992 – XI ZR 145/91, WM 1992, 1392 (1394) = NJW-RR 1992, 1264 ff.; vgl. hierzu J. Münch, JZ 1993, 850 ff.
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7. Teil
Scheckinkasso
ne Bank aber ausnahmsweise verpflichtet, einen Scheck nur nach vorheriger Rückfrage bei ihrem Kunden einzulösen1.
4. Einlösung des Schecks Die Einlösung des Schecks erfolgt durch die Befolgung der scheckrechtlichen Zahlungsanweisung des Ausstellers durch die bezogene Bank. Damit wird die von ihr geschuldete Leistung iS des § 362 Abs. 1 BGB bewirkt. Die bezogene Bank schuldet dem Aussteller einen Leistungserfolg und nicht nur eine Leistungshandlung2. Dieser Erfolg tritt grundsätzlich nur ein, wenn die Zahlung der Schecksumme an einen Empfangsberechtigten als die geschuldete Leistung erbracht ist3.
7.618
Der BGH stellt zum Teil auf die Vollendung der Vermögensverschiebung ab4. Hiermit ist aber nur die Zahlung an den empfangsberechtigten Inhaber gemeint5.
7.619
Bei einem Barscheck schuldet die bezogene Bank die Barzahlung von gesetzlichen Zahlungsmitteln in Höhe der Schecksumme. Wird der Scheck im Rahmen eines Inkassoauftrages vorgelegt, erfolgt die geschuldete Zahlung durch bargeldlose Anschaffung der erforderlichen Deckung für die dem Scheckeinreicher erteilte Kontogutschrift. Verrechnungsschecks dürfen dagegen nur im Wege einer Kontogutschrift eingelöst werden (Art. 39 Abs. 2 ScheckG). Solche Verrechnungsschecks sollen die Ermittlung des Scheckeinreichers ermöglichen und der Gefahr der Scheckeinlösung zu Gunsten Nichtberechtigter vorbeugen6.
7.620
Als Verrechnungsschecks werden in Deutschland nach Art. 3 EGScheckG auch die im Ausland ausgestellten gekreuzten Schecks behandelt. Diese Kreuzung geschieht durch zwei gleichlaufende Striche auf der Vorderseite, die üblicherweise schräg in der linken oberen Ecke erfolgen7. Die gleiche Behandlung erfahren nach ganz herrschender Meinung auch die in Deutschland ausgestellten gekreuzten Schecks8.
7.621
Die bezogene Bank hat im Übrigen die Schecksumme an einen Empfangsberechtigten zu zahlen9. Empfangsberechtigt ist jeder, an den die Bank die
7.622
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 97 unter Bezugnahme auf BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1410) = NJW 1987, 317 ff. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 159. 3 Die bezogene Bank ist dem Einreicher zum Schadensersatz nach § 826 BGB verpflichtet, wenn sie einen bereits eingelösten Scheck im Widerspruch zum Scheckabkommen im Interbankenverkehr zurückreicht und deshalb von der ersten Inkassostelle Wiedergutschrift des Scheckbetrages erhalten hat (AG Geldern v. 29.4.1987 – 4 C 589/ 86, WM 1987, 780 [781]). 4 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326) = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; vgl. hierzu Ahlers, NJW 1990, 1149 ff. 5 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 181. 6 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 39 ScheckG Rz. 2. 7 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 37 ScheckG Rz. 1. 8 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 152 mwN. 9 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 159.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Schecksumme mit befreiender Wirkung leisten kann. Dies ist insbesondere der materiell Scheckberechtigte als verfügungsberechtigter Eigentümer des Schecks und sein gesetzlicher oder bevollmächtigter Vertreter sowie ein von ihm zur Entgegennahme der Leistung Ermächtigter (§§ 362 Abs. 2, 185 BGB).
7.623
Empfangsberechtigt ist grundsätzlich aber auch der nur formell Berechtigte, der auf Grund gesetzlicher Vorschriften als Eigentümer des Schecks gilt. Dies ist bei einem Inhaberscheck der Besitzer (§ 1006 Abs. 1 BGB)1. Bei einem Orderscheck ist formell berechtigt der Inhaber, der in der Scheckurkunde als erster Nehmer benannt ist oder auf den eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten hinführt (Art. 19 Satz 1 ScheckG). Ein Blankoindossament mit einem richtigen oder falschen denkbaren Namen führt nicht zur Unterbrechung dieser Indossamentenkette (Art. 19 Satz 1 ScheckG).
7.624
Diese nur formelle Berechtigung ist jedoch für eine schuldbefreiende Empfangsberechtigung des Scheckeinreichers nicht ausreichend, wenn die bezogene Bank seine fehlende materielle Scheckberechtigung kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. Dies folgt aus dem zwischen bezogener Bank und Aussteller bestehenden Scheckvertrag in Verbindung mit den Scheckbedingungen2. Danach kann die Bank Schecks, die dem Kunden nach der Ausstellung abhanden gekommen sind, dem Konto ihres Kunden nur belasten, wenn sie bei der Einlösung nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Die bezogene Bank hat also wie die erste Inkassobank bei der Hereinnahme des Schecks die materielle Berechtigung des Scheckeinreichers anders als die formelle Berechtigung nur dann zu prüfen, wenn ihr Bedenken kommen oder kommen müssen3. Für die Verletzung dieser Prüfpflicht hat die bezogene Bank nur bei grobem Verschulden einzustehen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Leistung an einen nur formell berechtigten Scheckeinreicher dazu führt, dass die bezogene Bank einen Aufwendungsersatzanspruch iS des § 670 BGB gegen den Scheckaussteller erwirbt, sofern ihr die mangelnde materielle Berechtigung des Scheckeinreichers bekannt oder grob fahrlässig unbekannt ist4.
5. Zeitpunkt der Einlösung
7.625
Wie beim Lastschriftverfahren stellt sich auch beim Scheckinkasso die Frage, wann genau die Einlösung des Schecks erfolgt ist. Dieser Zeitpunkt ist zugleich entscheidend für den Wegfall der Vorbehalte, unter denen die auf dem Inkassoweg erteilten E.v.-Gutschriften der mitwirkenden Kreditinstitute stehen. Diese Gutschriften werden mit der Einlösung des Schecks endgültig mit der Folge, dass dem Scheckeinreicher entsprechendes Buchgeld verschafft worden ist. Mit dieser Einlösung gibt die bezogene Bank zu erkennen, dass sie 1 BGH v. 26.9.1989 – XI ZR 178/88, WM 1989, 1756 (1758) = BGHZ 108, 353 ff. = NJW 1990, 242 ff. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 169. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 169. 4 BGH v. 6.10.1994 – III ZR 165/93, WM 1995, 20 (22) = NJW-RR 1995, 130 ff.; BGH v. 31.10.1995 – XI ZR 69/95, WM 1995, 2136 (2137) = NJW 1996, 195 f.
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7. Teil
Scheckinkasso
sich mit dem Anspruch gegen den Scheckaussteller auf Zahlung des aufgewendeten Betrages begnügen will1. Hat die bezogene Bank den Scheck eingelöst, kann die Inkassobank den dem Einreicher gutgeschriebenen Betrag auch dann nicht zurückbelasten, wenn sie selbst den Betrag – aus welchen Gründen auch immer – der bezogenen Bank zurückerstattet hat2.
7.626
Die Einlösung des Schecks durch die bezogene Bank ist endgültig und nicht nur vorläufiger Natur wie im Lastschriftverfahren. Bei einer Lastschrift auf Grund einer Einziehungsermächtigung kann der Zahlungspflichtige (Lastschriftschuldner) noch innerhalb von sechs Wochen der Belastung seines Kontos widersprechen mit der Folge, dass die dem Gläubiger erteilte Kontogutschrift auch nach der Lastschrifteinlösung wieder rückgängig gemacht werden muss. Während bei der Einzugsermächtigung des Lastschriftverfahrens die Kontogutschrift wegen dieser Widerspruchsmöglichkeit also auflösend bedingt erteilt wird, ist sie bei der Scheckeinlösung unbedingt, weil die Scheckurkunde eine Weisung des Scheckausstellers zur entsprechenden Belastung seines Kontos enthält. Zudem ist diese scheckrechtliche Zahlungsanweisung mit einem girovertraglichen Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB des Scheckausstellers auf Grund des Giroverhältnisses verknüpft, das seiner Kontoverbindung zu der bezogenen Bank zugrunde liegt3. Insoweit ergibt sich eine Parallele zum Lastschriftverfahren, bei dem der Lastschriftschuldner seiner kontoführenden Bank einen Abbuchungsauftrag erteilt hat (sog. Abbuchungsauftragsverfahren)4.
7.627
Für die Bestimmung des Einlösungszeitpunkts, der nach der BGH-Rechtsprechung von der Bekundung des Einlösungswillens abhängt5, muss weiter unterschieden werden, ob der Scheck durch Barauszahlung, Erteilung einer Kontogutschrift oder Überweisung der Deckung an die Inkassobank eingelöst werden soll.
7.628
a) Barauszahlung Mit der Zahlung der Schecksumme an den empfangsberechtigten Vorleger ist der Scheck eingelöst. Hierbei ist es gleichgültig, ob der Scheck der kontoführenden Filiale oder einer anderen Stelle der bezogenen Bank vorgelegt wird (Nr. 9 Abs. 2 Satz 2 AGB-Banken)6. 1 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326) = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff. 2 LG Frankfurt v. 20.8.1975 – 2/1 S 128/75, WM 1976, 255 (256). 3 BGH v. 7.5.1979 – II ZR 210/78, WM 1979, 996 (997); Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 3. 4 Vgl. BGH v. 17.4.1978 – II ZR 18/77, WM 1978, 819; BGH v. 7.5.1979 – II ZR 210/78, WM 1979, 996. 5 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326) = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff. 6 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1411) = NJW 1987, 317 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 699; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 182.
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7. Teil
7.630
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Zu einer bargeldlosen Einlösung kommt es dagegen, wenn der Scheckbetrag auf einem bei der kontoführenden Zweigstelle selbst geführten Konto gutgeschrieben werden soll. Hier gilt der Scheck mit dieser (Haus-)Gutschrift als eingelöst, und zwar auch dann, wenn nicht zugleich das Konto des Scheckausstellers belastet worden ist1. Soll dagegen der Scheckbetrag dem Einreicher auf einem bei einer anderen Bank unterhaltenen Konto gutgeschrieben werden, so ist der Scheck erst mit dem Wirksamwerden dieser Gutschrift eingelöst2. b) Erteilung einer Kontogutschrift durch die bezogene Bank
7.631
Zu einer Kontogutschrift der bezogenen Bank kann es kommen, wenn der Scheck einer nicht kontoführenden Zweigstelle zum Einzug eingereicht wird. Auch eine solche Gutschrift steht unter dem üblichen Vorbehalt, dass die kontoführende Zweigstelle noch prüfen muss, ob der Scheck gedeckt und die Unterschrift des Ausstellers echt ist (Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken). Der positive Abschluss dieser Prüfung und damit der hierdurch bekundete Einlösungswille der kontoführenden Zweigstelle manifestiert sich in der Belastung des Kontos des Ausstellers und dem Verstreichen der AGB-mäßigen Stornierungsfrist. Dabei ist es nach dem BGH für den Stornierungsvorbehalt unerheblich, ob die nicht kontoführende Zweigstelle bei der von ihr erteilten (Filial-) Gutschrift eine Überprüfung der Schecks vor der Belastung (sog. Vordisposition) durchgeführt hat3.
7.632
Erteilt die bezogene Bank für den ihr unmittelbar vorgelegten Scheck auf dem Konto des Einreichers ausnahmsweise eine vorbehaltlose Gutschrift, ist der Scheck endgültig eingelöst4. Dabei ist es unerheblich, ob die bezogene Bank das Girokonto des Scheckausstellers auf ein ausreichendes Deckungsguthaben überprüft hat oder ob und wann dieses Konto mit der Schecksumme belastet worden ist5. c) Einlösung beim Scheckeinzug im bargeldlosen Zahlungsverkehr
7.633
Für die Einlösung eines Schecks im Inkassoweg ist zunächst die Belastungsbuchung auf dem Konto des Scheckausstellers erforderlich6. Weitere Voraussetzung der Einlösung ist, dass diese Buchung nicht innerhalb der AGB-mäßig hierfür vorgesehenen Frist storniert worden ist. Nach dieser AGB-Klausel sind Schecks erst eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht worden ist 1 Häuser, WM 1988, 1505 (1506). 2 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1411). 3 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326); aA Häuser, WM 1988, 1505 (1509 f.). 4 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1411) = NJW 1987, 317 ff.; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 189. 5 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 189; aA OLG Koblenz v. 9.10.1987 – 2 U 51/86, WM 1988, 18 (20). 6 BGH v. 2.2.1970 – II ZR 80/69, WM 1970, 490 (491); BGH v. 28.9.1972 – II ZR 109/70, WM 1972, 1379 (1380); BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1411).
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7. Teil
Scheckinkasso
(Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken). Die Einlösung ist im Übrigen auch dann erfolgt, wenn die bezogene Bank im Einzelfall eine Bezahltmeldung an den Adressaten abgesandt hat (Nr. 9 Abs. 2 Satz 3 AGB-Banken)1. Eine darüber hinausgehende Bekundung des Einlösungswillens ist nicht erforderlich2. Insbesondere kommt es nicht auf die Belastung des Ausstellerkontos oder auf den Ablauf der zweitägigen Stornierungsfrist der Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGBBanken an. Die Bezahltmeldung schafft ähnlich wie die Bezahlung eines Barschecks an den Vorleger einen gesonderten Einlösungstatbestand3. Diese zweitägige Stornierungsfrist soll dem technischen Ablauf einer EDVmäßigen Bearbeitung Rechnung tragen. Sie gilt nach allgemeiner Meinung schon aus Gründen der Rechtsklarheit ohne Rücksicht auf den Bearbeitungsablauf und ohne Rücksicht auf eine Vor- oder Nachdisposition der Belastungsbuchung4. Diese AGB-Regelung ist im Übrigen auch anwendbar, wenn das Inkasso durch eine andere Filiale der bezogenen Bank oder durch die bezogene Filiale selbst erfolgen soll5.
7.634
Die AGB-mäßige Stornierungsfrist gilt grundsätzlich unabhängig davon, welcher Inkassoweg gewählt worden ist. Denn die Zahlungsverkehrsabkommen der Kreditwirtschaft enthalten keine spezifischen Bestimmungen über den Einlösungszeitpunkt.
7.635
6. Ansprüche der bezogenen Bank aus der Scheckeinlösung Aus der Einlösung kann der bezogenen Bank der auftragsrechtliche Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) oder ein Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) erwachsen.
7.636
a) Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) Bei der Befolgung der Scheckanweisung durch Barzahlung, Erteilung einer Kontogutschrift oder Überweisung der Schecksumme an einen Empfangsberechtigten erwirbt die bezogene Bank einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Aussteller6.
7.637
Nach einer Mindermeinung reduziert sich dagegen das Kontoguthaben automatisch. Die Befolgung der Weisung des Kunden bei einer Kontoverfügung durch Scheckziehung soll das Kontoguthaben in Analogie zu § 787 Abs. 1 BGB
7.638
1 Gößmann in BuB, Rz. 1/264. 2 OLG Frankfurt v. 24.9.1985 – 5 U 240/83, WM 1986, 351; Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 194. 3 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 135/96, WM 1997, 1194 (1196) = BGHZ 135, 307 ff. = NJW 1997, 2112 ff. 4 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1326) = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff. 5 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 192. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 692.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
unmittelbar vermindern1. Diese Analogie vermag nicht zu überzeugen, weil sie mit dem Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses bei solchen Girokonten unvereinbar ist. Der Kontokorrentabsprache liegt die Vorstellung einer Verrechnung (Saldierung) und nicht die eines automatischen Erlöschens der Guthabenforderung zugrunde2. Hinzu kommt, dass § 787 Abs. 1 BGB nur auf Anweisungen bei ausreichendem Kontoguthaben anwendbar wäre, nicht aber bei einer Zahlungsanweisung unter Ausnutzung einer Kreditlinie3.
7.639
Leistet die bezogene Bank an einen nicht Empfangsberechtigten, kann sie bei Verletzung ihrer Pflichten aus dem Scheckvertrag einen auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch gegen ihren Kunden als Scheckaussteller nicht erwerben. Dies gilt insbesondere, wenn die bezogene Bank einen rechtzeitigen Scheckwiderruf nicht beachtet hat4. Nimmt die Bank trotzdem eine Belastungsbuchung auf dem Girokonto ihres Kunden vor, ist sie zur Stornierung verpflichtet. Dies geschieht buchungstechnisch durch eine Gutschrift des belasteten Betrages mit gleicher Wertstellung5. Dagegen kann der Kunde statt der Stornierung der Belastungsbuchung die Auszahlung des Betrages verlangen, wenn die Bank infolge der unbefugten Scheckeinlösung einen für sie günstigeren Saldo auf dem ebenfalls bei ihr geführten Girokonto des nichtberechtigten Scheckeinreichers erhalten hat6.
7.640
Ein Schutzbedürfnis für die bezogene Bank, die auf die Wirksamkeit einer nicht widerrufenen Scheckanweisung vertraut hat, kann selbst bei einem vom Scheckaussteller zurechenbar gesetzten Rechtsschein nicht bejaht werden7. Fehlt es an einer wirksamen scheckrechtlichen Zahlungsanweisung, kommt gegebenenfalls ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 BGB) oder ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) in Betracht. Ein gutgläubiger Erwerb eines Aufwendungsersatzanspruchs kraft Rechtsscheins soll im BGB keine Stütze finden8. b) Bereicherungsanspruch9
7.641
Ein Bereicherungsanspruch der bezogenen Bank aus der Scheckeinlösung kommt in Betracht, wenn die bezogene Bank gegen ihren Kunden keinen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) erworben hat, weil sie ihm gegenüber zur Scheckeinlösung nicht oder nicht in der vorgenommenen Weise 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 5. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 696. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 201. BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1327) = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; vgl. hierzu Ahlers, NJW 1990, 1149 ff. BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1327). OLG München v. 17.12.1997 – 3 U 4563/96, WM 1998, 1813 (1814). Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 204; aA Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 717, 718. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 204. Ausführlich Hadding in FS Kümpel, 2003, S. 167 ff.
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7. Teil
Scheckinkasso
berechtigt war1. Dabei vollzieht sich der Bereicherungsausgleich nach denselben Grundsätzen, wie er bei fehlerhaften oder fehlgeschlagenen Überweisungen von der BGH-Rechtsprechung entwickelt worden ist2. Fehlt es bereits anfänglich an einer wirksamen Scheckanweisung des Kunden, hat der bereicherungsrechtliche Ausgleich im Wege einer Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) im Verhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Scheckeinreicher zu erfolgen (sog. Durchgriffskondiktion)3. Zu diesen Fällen gehören insbesondere die Einlösung gefälschter Schecks4. Wird dagegen eine zunächst wirksam erteilte Scheckanweisung nachträglich widerrufen und der Scheck gleichwohl von der Bank bezahlt, so ist diese Scheckeinlösung nach der BGH-Rechtsprechung dem Scheckaussteller grundsätzlich nicht zuzurechnen. Der Kunde kann nicht als Unbeteiligter zum Bereicherungsschuldner der bezogenen Bank gemacht werden5. Ist dagegen dem Scheckeinreicher zum Zeitpunkt der Scheckeinlösung der Scheckwiderruf bekannt, dann stellt sich die Scheckeinlösung für ihn nicht als eine Leistung des Scheckausstellers dar. In einem solchen Falle steht der einlösenden Bank ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen den Kunden zu6.
7.642
7. Schecksperre Der Scheck kann bis zu seiner Einlösung widerrufen werden. Diesen Widerruf (Schecksperre) muss die bezogene Bank nach Auffassung des BGH schon während der Vorlegungsfrist beachten7. Nach dem Scheckgesetz (Art. 32 Abs. 1) wird der Widerruf zwar erst nach Ablauf der Vorlegungsfrist wirksam. Die Kreditinstitute beachten aber solche vorzeitigen Schecksperren seit langer Zeit routinemäßig. Diese tatsächliche Übung, auf die die Bankkunden weitgehend vertrauen, rechtfertigt es nach dem BGH, insoweit von einer Verkehrssitte oder einem Handelsbrauch auszugehen. Der Girovertrag sei daher gemäß § 157 BGB, § 346 HGB dahin gehend auszulegen, dass die Verpflichtung der bezogenen Bank zur Beachtung einer Schecksperre im Zweifel konkludent als Nebenpflicht des Scheckvertrages vereinbart sei8. Die bezogene Bank hat deshalb grundsätzlich jeden Scheckwiderruf ihres Kunden zu beachten9. 1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 705. 2 BGH v. 19.1.1984 – VII ZR 110/83, WM 1984, 423 = BGHZ 89, 376 ff. = NJW 1984, 1348 ff.; vgl. hierzu Canaris, JZ 1984, 627 ff. 3 BGH v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, WM 1994, 1420 (1421) = NJW 1994, 2357 ff.; vgl. hierzu Schnauder, ZIP 1994, 1069 ff.; K. Schmidt, JuS 1995, 74 ff. 4 BGH v. 20.6.1990 – XII ZR 93/89, WM 1990, 1280 = NJW-RR 1990, 1200 ff.; wegen weiterer Fälle vgl. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 211; OLG Naumburg v. 28.5.1997 – 5 U 46/96, WM 1998, 593 (596). 5 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 209. 6 BGH v. 16.6.1983 – VII ZR 370/82, WM 1983, 908 (909) = BGHZ 87, 393 ff. = NJW 1983, 2499 ff.; vgl. hierzu Flume, NJW 1984, 464; Kupisch, ZIP 1983, 1412 ff. 7 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1327) = BGHZ 104, 374 ff. = NJW 1988, 3149 ff.; vgl. weiter Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 32 ScheckG Rz. 3. 8 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, WM 1988, 1325 (1327). 9 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 132.
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7.643
7. Teil
7.644
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Nach den „Bedingungen für den Scheckverkehr“ (Nr. 5 Satz 2) kann dieser Widerruf nur beachtet werden, wenn er der Bank so rechtzeitig zugeht, dass seine Berücksichtigung im Rahmen des ordnungsgemäßen Arbeitsablaufes möglich ist. Gegen diese AGB-Klausel bestehen keine AGB-rechtlichen Bedenken1. Denn Schecksperren werden im Übrigen entgegen der früheren Handhabung auch dann beachtet, wenn sie noch innerhalb der zweitägigen Frist für die Stornierung von Belastungsbuchungen auf dem Girokonto des Scheckausstellers der bezogenen Bank übermittelt werden. Die Pflicht zur Beachtung des Widerrufs erlischt jedoch, wenn auch bei gehöriger unverzüglicher Bearbeitung des Scheckwiderrufs die Scheckeinlösung aus technischen oder anderen Gründen nicht mehr verhindert werden konnte. Zu außerordentlichen Maßnahmen zwecks Verhinderung der Einlösung ist die Bank nicht verpflichtet2.
8. Fälschung und Verfälschung von Schecks
7.645
Die Fälschung eines Schecks ist die Herstellung einer unechten Urkunde durch Nachahmen der Unterschrift des wahren Kontoinhabers. Unter Verfälschung ist die nachträgliche Änderung des Inhaltes eines echten Schecks zu verstehen. In beiden Fällen mangelt es an einer entsprechenden Scheckanweisung des Kontoinhabers als Scheckausstellers3. Die bezogene Bank ist folglich gegenüber dem Kontoinhaber zur Einlösung des ge- oder verfälschten Schecks nicht befugt. Mit der Scheckeinlösung erwirbt deshalb die Bank nach ständiger Rechtsprechung4 und der herrschenden Literaturmeinung5 keinen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675u, 675, 670 BGB. Sie darf also auch nicht das Konto ihres Kunden belasten6. Das Fälschungsrisiko liegt somit bei der bezogenen Bank, sofern der Scheckbetrag vom Einreicher nicht zurückverlangt werden kann, der das eigentliche Risiko trägt.
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 141. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 143. 3 BGH v. 13.5.1997 – XI ZR 84/96, WM 1997, 1250 (1251) = NJW 1997, 2236 ff. Zum deliktsrechtlichen Schadensausgleich vgl. Häuser in FS Kümpel, 2003, S. 219 (228 ff.). 4 BGH v. 21.5.1984 – II ZR 170/83, WM 1984, 1173 = BGHZ 91, 229 ff. = NJW 1984, 2530 f.; vgl. hierzu Rehbein, JR 1985, 109 ff.; WM 1993, 12 = NJW 1993, 534 ff.; BGH v. 19.6.2001 – VI ZR 232/00, WM 2001, 1460 (1461). 5 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 13; Reiser, WM 1986, 409 (412); Koller, NJW 1981, 2433 (2435); Koller, NJW 1984, 2225. 6 Besteht der Kunde in diesen Fällen nicht auf eine Stornierung der Belastungsbuchung und nimmt er stattdessen den Scheckfälscher gemäß § 823 Abs. 2 BGB, §§ 263, 267 StGB auf Schadensersatz in Anspruch, kann dieser sich nicht auf die Verletzung seiner Schadensersatzpflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) berufen, wenn der Bankkunde Zahlung der Scheckbeträge Zug um Zug gegen seine Verpflichtungserklärung verlangt, den Schädiger von Ersatzansprüchen seiner Bank freizuhalten; Hans. OLG Hamburg v. 5.11.1999 – 1 U 41/98, MDR 2000, 595 (596). Verweigert die Bank die Stornierung, steht dem Kontoinhaber gegen den Fälscher ein Schadensersatzanspruch zu, weil die unzulässige Belastungsbuchung das verfügbare Kontoguthaben entsprechend reduziert und deshalb einen Vermögensschaden darstellt (BGH v. 19.6.2001 – VI ZR 232/00, WM 2001, 1460 [1461]).
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7. Teil
Scheckinkasso
a) Unanwendbarkeit der Sphärenhaftung Nach einer Mindermeinung1 hat die Bank einen Aufwendungsersatzanspruch gegen ihren Kunden aus § 670 BGB, wenn sie die Fälschung auch bei sorgfältiger Prüfung nicht erkennen konnte und die Fälschung durch einen Umstand ermöglicht wurde, der in der Sphäre des Ausstellers liegt. Dieser von Eugen Ulmer2 entwickelten Sphärentheorie kann nach dem BGH nicht zugestimmt werden3. Der wertpapierrechtliche Rechtsscheingedanke kann einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) aus der Befolgung einer gefälschten Scheckanweisung nicht rechtfertigen. Eine gefälschte Scheckanweisung auf einem Vordruck mit vorcodierter Kontonummer kann nicht anders behandelt werden als ein gefälschter Überweisungsauftrag auf einem vorcodierten Auftragsformular für eine Banküberweisung4. Nach der Ansicht des BGH ist zudem die Geltungskraft des Ansatzes einer Sphärenhaftung, um eine verschuldensunabhängige Haftung im Privatrecht zu begründen, sehr begrenzt5. Das der Rechtsordnung zugrunde liegende haftungsrechtliche Verschuldensprinzip kann AGBmäßig nur ausnahmsweise abbedungen werden, wenn es durch höherrangige Interessen der AGB-Verwender gerechtfertigt ist oder die den Vertragspartner benachteiligende Abweichung vom dispositiven Gesetzeszweck durch Gewährung anderer rechtlicher Vorteile kompensiert wird. Denn das haftungsrechtliche Verschuldensprinzip gehört zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung iS des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (= § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG aF) als Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die AGB-mäßige Abbedingung lässt sich deshalb nicht allein mit dem Interesse der Bank rechtfertigen, in der Sphäre ihrer Kunden liegende Risiken von sich abzuwälzen. Dieses Bankinteresse ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht ausreichend, um einer uneingeschränkten AGB-mäßig vereinbarten Zufallshaftung des Kunden zur Wirksamkeit zu verhelfen6.
7.646
Dieser einschränkenden Rechtsprechung ist die Haftungsregelung in den einheitlichen Scheckbedingungen der Kreditwirtschaft angepasst worden. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Firmenkunden im Vergleich zur Privatkundschaft besondere Sorgfaltspflichten haben, um das Abhandenkommen von Scheckvordrucken und den Missbrauch von Schecks durch geeignete Sicherungsvorkehrungen weitestmöglich zu vermeiden. Bei einer schuldhaften Verletzung dieser Sorgfaltspflichten machen sich die Firmenkunden wegen
7.647
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 710; Zöllner, Wertpapierrecht, 15. Aufl. 2006, § 26 VI, 2. 2 E. Ulmer, Rechte der Wertpapiere, 1938, S. 315 f. 3 BGH v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, WM 1991, 1110 (1111) = BGHZ 114, 238 ff. = NJW 1991, 1886 ff.; vgl. hierzu Bälz, JZ 1991, 1143 ff.; WM 1991, 1368 (1370) = BGHZ 115, 38 ff. = NJW 1991, 2414 ff. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 101. 5 BGH v. 9.7.1992 – VII ZR 7/92, WM 1992, 1948 = BGHZ 119, 152 ff. = NJW 1992, 3158 ff.; vgl. hierzu Emmerich, JuS 1993, 252 f.; Küssner, JA 1993, 278 ff.; WM 1997, 910 (912) = BGHZ 135, 116 ff. = NJW 1997, 1700 ff. 6 BGH v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, WM 1991, 1110 (1111 f.); BGH v. 25.6.1991 – XI ZR 257/90, WM 1991, 1368 (1371).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig. Sodann bedarf es keines Rückgriffs auf die verschuldensunabhängige Sphärenhaftung. Diese Haftung wurde aber zunächst für Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts und für öffentlich-rechtliche Sondervermögen in den Scheckbedingungen aufrechterhalten. Dieser Personenkreis sollte den Schaden tragen, der dadurch entsteht, dass ihm Scheckvordrucke ohne sein Verschulden aus dem von ihm beherrschbaren Verantwortungsbereich (zB Entwendung aus den Geschäftsräumen) abhanden kommen und die Bank einen auf den abhanden gekommenen Scheckvordrucken gefälschten Scheck einlöst. Eine entsprechende Sphärenhaftung ist deshalb auch im Rechtsverhältnis zu Unternehmen – seinerzeit noch Kaufleuten – als gemäß § 307 BGB (= § 9 AGBG aF) unangemessen und damit als in AGB unzulässig angesehen worden1. § 675v Abs. 1 BGB – die eingeschränkte Möglichkeit einer Sphärenhaftung bis zu einem Betrag von 150 Euro beim Missbrauch von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten – kann hier keine Anwendung finden, da es beim Scheck nicht zum Einsatz eines entsprechenden Instruments kommt. b) Haftung des Kontoinhabers bei Verschulden
7.648
Mit der Einlösung eines gefälschten Schecks erleidet die Bank einen Schaden. Dieser ist vom Kontoinhaber nur dann zu ersetzen, wenn er ihn durch eine Verletzung einer Pflicht aus dem Scheckvertrag (§ 280 Abs. 1 BGB) schuldhaft verursacht hat, wobei die Beweislast bei der Bank liegt2. Verletzt der Kontoinhaber durch Verschulden3 eine dieser Pflichten, eine sonstige Sorgfaltspflicht gegenüber der kontoführenden Bank oder die Pflicht zur Einrichtung einer geeigneten betrieblichen Organisation zur Kontrolle des Scheckverkehrs4, ist der Scheckaussteller zum Ersatze des dadurch entstandenen Schadens verpflichtet.
7.649
Eine solche Haftung kannt vor allem bei nicht sorgfältiger Aufbewahrung der Scheckvordrucke in Betracht kommen5. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Den Kontoinhaber trifft aber kein Mitverschulden,
1 Dieses einschränkende Kriterium der Beherrschbarkeit fehlte in der Nr. 11 der Scheckbedingungen 1989, die der BGH als unvereinbar mit der Generalklausel des AGB-Rechts (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG aF [= § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nF]) angesehen hat (BGH v. 18.3.1997 – XI ZR 117/96, WM 1997, 910 [912] = BGHZ 135, 116 ff. = NJW 1997, 1700 ff.; BGH v. 13.5.1997 – XI ZR 84/96, WM 1997, 1250 [1251] = NJW 1997, 2236 ff.). 2 OLG Düsseldorf v. 13.6.1985 – 6 U 208/84, WM 1985, 1030; OLG Hamm v. 13.7.1984 – 11 W 78/83, WM 1985, 1261; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 14, 20; Koller, NJW 1981, 2433 (2440). 3 Zur Haftung für einen Erfüllungsgehilfen vgl. BGH v. 11.10.1994 – XI ZR 238/93, WM 1994, 2073 (2075) = NJW 1994, 3344 ff. 4 BGH v. 15.2.1982 – II ZR 53/81, WM 1982, 425 = NJW 1982, 1513 f.; BGH v. 13.5.1997 – XI ZR 84/96, WM 1997, 1250 (1251). 5 BGH v. 13.5.1997 – XI ZR 84/96, WM 1997, 1250 (1251); OLG Karlsruhe v. 2.11.1999 – 3 U 28/99, WM 2000, 953 (955).
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7. Teil
Scheckinkasso
wenn er den Scheck mit einfachem Brief dem Schecknehmer übermittelt hat1. Das Abhandenkommen von Scheckvordrucken ist im Übrigen unverzüglich möglichst der kontoführenden Stelle der Bank mitzuteilen (Nr. 2 Abs. 1 Scheckbedingungen). Eine verspätete Anzeige ist jedoch nicht schadensursächlich, wenn sie noch vor der Vorlage des gefälschten Schecks bei der bezogenen Bank eingegangen ist2.
7.650
c) Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens der bezogenen Bank Soweit sich der Scheckaussteller wegen der Verletzung seiner scheckvertraglichen Pflichten schadensersatzpflichtig gemacht hat, muss sich die Bank ein mitwirkendes Verschulden, insbesondere bei der Prüfung der gefälschten Schecks auf Ordnungsmäßigkeit gemäß § 254 BGB anrechnen lassen3.
7.651
Für das Verschulden genügt leichte Fahrlässigkeit. Dagegen ist nur grobe Fahrlässigkeit schädlich, wenn es um die Frage geht, ob die bezogene Bank einen abhanden gekommenen Scheck gutgläubig erworben hat und deshalb dem Scheckberechtigten gemäß §§ 990, 989 BGB iVm. Art. 21 ScheckG schadensersatzpflichtig ist, weil sie den Scheck infolge Einlösung nicht mehr an ihn herausgeben kann.
7.652
Die bezogene Bank hat daher insbesondere die Ordnungsmäßigkeit der ihr vorgelegten Schecks mit banküblicher Sorgfalt zu prüfen4. Diese Prüfungspflicht kann durch AGB nicht abbedungen werden5.
7.653
Diese Prüfungspflicht darf jedoch nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum nicht überspannt werden. Von den Kreditinstituten darf nach der Rechtsprechung insbesondere nicht verlangt werden, dass sie die Unterschriften mit den Fähigkeiten eines Schriftsachverständigen prüfen. Nicht jede geringfügige Abweichung des Schriftbildes von der hinterlegten Unterschrift muss also bereits den Verdacht der Bank erwecken. Die eigene Unterschrift fällt häufig recht unterschiedlich aus, je nachdem, welcher Kugelschreiber oder welcher Füllfederhalter benutzt wird. Auch die Einreichung von Firmenschecks zur Gutschrift auf das Konto eines Angestellten der Firma braucht durchaus nicht verdachtserregend zu sein. Entscheidend sind vielmehr stets die Umstände des Einzelfalls6. Dabei kann als Ergebniskontroll-
7.654
1 BGH v. 16.6.1998 – XI ZR 254/97, WM 1998, 1622 (1623) = BGHZ 139, 108 ff. = NJW 1998, 2898. 2 BGH v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, WM 1991, 1110 = BGHZ 114, 238 ff. = NJW 1991, 1886 ff. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 102; vgl. weiter BGH v. 13.5.1997 – XI ZR 84/96, WM 1997, 1250 (1251) = NJW 1997, 2236 ff. 4 BGH v. 9.12.1985 – II ZR 185/85, WM 1986, 123 = NJW 1986, 988 f. 5 BGH v. 21.5.1984 – II ZR 170/83, WM 1984, 1173 = BGHZ 91, 229 ff. = NJW 1984, 2530 f.; BGH v. 9.12.1985 – II ZR 185/85, WM 1986, 123; Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 110 mwN. 6 Vgl. hierzu BGH v. 9.12.1985 – II ZR 185/85, WM 1986, 123 = NJW 1986, 988 f.; BGH v. 3.11.1992 – XI ZR 56/92, WM 1993, 12 (14) = NJW 1993, 534.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
maßstab gelten, dass die Prüfungspflicht grundsätzlich nur verletzt ist, wenn der kontoführende Bankmitarbeiter ins Auge springende Abweichungen von der hinterlegten Unterschriftsprobe, ersichtlich vorhandene Änderungen des Schecks oder die ihm bekannte Ungewöhnlichkeit des Inkassoauftrages übergeht1. Allerdings führt eine entsprechend sorgfältige Prüfung nicht dazu, dass der Scheckaussteller das Risiko eines Missbrauchs zu tragen hat, denn bei fehlender wirksamer Scheckanweisung darf er mit dem Scheckbetrag nicht belastet werden. Er haftet für den Scheckbetrag ganz oder zT nur, soweit ihn am Scheckmissbrauch ein (Mit-)Verschulden trifft. Insofern ist die Frage einer Sorgfaltspflcithverletzung der bezogenen Bank nur von Relevanz, soweit es weitere Mitverantwortliche für den Scheckmissbrauch gibt.
7.655
Kann der bezogenen Stelle eine schuldhafte Verletzung ihrer Prüfungspflicht vorgeworfen werden, so hat sie nicht ohne weiteres den gesamten Schaden zu tragen. Sodann bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob eine Schadensaufteilung nach den Grundsätzen des § 254 BGB vorzunehmen ist. Dies kommt zB in Betracht, wenn der Kontoinhaber durch Sorglosigkeit die missbräuchliche Verwendung seiner Scheckvordrucke ermöglicht und das bezogene Institut andererseits seine Prüfungspflichten verletzt hat.
IV. Rechtsbeziehungen zwischen Scheckberechtigtem und bezogener Bank
7.656
Der Scheckberechtigte hat grundsätzlich weder scheckrechtliche noch vertragliche Zahlungsansprüche gegen die bezogene Bank. Ansprüche können nur dann bestehen, wenn die bezogene Bank eine individuelle Einlösungszusage erteilt oder über den Scheck Auskunft (Scheckbestätigung) gegeben hat.
1. Fehlende scheckrechtliche Beziehungen
7.657
Ein scheckrechtlicher Anspruch des Scheckberechtigten scheidet aus, weil die bezogene Bank die in dem Scheck enthaltene Zahlungsanweisung nicht annehmen kann2. Ein auf den Scheck gesetzter Annahmevermerk gilt als nicht geschrieben (Art. 4 ScheckG).
7.658
Zur Vermeidung solcher scheckrechtlichen Ansprüche erklärt das Scheckgesetz (Art. 15 Abs. 3) auch ein Indossament der bezogenen Bank für nichtig. Im Übrigen kann die bezogene Bank auch keine scheckrechtliche Bürgschaft übernehmen (Art. 25 Abs. 2 ScheckG).
7.659
Die Rechtsstellung des Scheckberechtigten ist der Stellung des Inhabers einer bürgerlich-rechtlichen Anweisung ähnlich, wenn diese wie üblich vom Angewiesenen nicht angenommen worden ist. Sodann erschöpft sich die Rechtsposition des Anweisungsempfängers in der Befugnis, die zugrunde liegende 1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 111, 126. 2 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, WM 1986, 1409 (1411) = BFHE 141, 184.
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7. Teil
Scheckinkasso
Leistung bei dem Angewiesenen im eigenen Namen geltend zu machen (§ 783 BGB). Hierdurch wird eine rechtlich eigenständige „Empfangs“ermächtigung begründet, ohne dass der Anweisungsempfänger einen Anspruch auf die Leistung oder die Annahme der Anweisung vom Angewiesenen verlangen kann1. Diese Rechtsposition des Scheckberechtigten beinhaltet eine Ermächtigung iS des § 185 BGB, die den Ermächtigten befugt, im eigenen Namen über das Recht des Ermächtigenden zu verfügen oder das Recht durch Einziehung oder in sonstiger Weise auszuüben2. Bei Vorliegen einer solchen Ermächtigung hat die Leistung an den Ermächtigten dieselbe forderungstilgende Wirkung wie die Leistung an den Gläubiger (Anweisenden) – § 362 Abs. 2 BGB. Diese Erfüllungswirkung der Ermächtigung gilt für alle Formen der Anweisung und damit auch für die scheckrechtliche Zahlungsanweisung als eine rechtlich gesondert geregelte Anweisungsform3. Ein scheckrechtlicher Zahlungsanspruch kann dagegen ausnahmsweise begründet werden, wenn der Scheck durch die Deutsche Bundesbank bestätigt wird. Aus einem solchen Bestätigungsvermerk auf der Rückseite des Schecks wird die Bundesbank dem Inhaber der Scheckurkunde scheckrechtlich zur Einlösung verpflichtet4. Auch haftet sie dem Scheckaussteller und dem Indossanten für die Einlösung (Art. 23 Abs. 1 BBankG). Angesichts der unbeschränkten Zahlungsfähigkeit der Bundesbank hat ein von ihr bestätigter Scheck Geldnotenfunktion, ohne jedoch gesetzliches Zahlungsmittel zu sein.
7.660
2. Vertraglicher Zahlungsanspruch des Scheckberechtigten Das Akzeptverbot des Art. 4 ScheckG schließt nicht aus, dass für die bezogene Bank eine vertragliche Zahlungsverbindlichkeit außerhalb der Scheckurkunde begründet wird5.
7.661
Außervertragliche Ansprüche kommen insbesondere als Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) in Betracht, wenn zB die bezogene Bank einen von ihr bereits eingelösten Scheck mit einem Nichteinlösungsvermerk zurückgibt6. Sittenwidrig handelt eine Bank auch, wenn sie die Rückgabe eines nicht eingelösten Schecks bewusst hinauszögert, weil sie ein eigenes Interesse an weiteren Lieferungen des Einreichers an den insolvenzgefährdeten Scheckaussteller hat, um sich zB aus dem Weiterverkaufserlös zu befriedigen oder um weitere Sicherheiten zu erlangen7.
7.662
1 2 3 4
Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 784 BGB Rz. 1. Heinrichs in Palandt, § 185 BGB Rz. 13. Olzen in Staudinger, Neubearb. 2006, § 362 BGB Rz. 42. BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 (1392) = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff. 5 BGH v. 6.3.1975 – II ZR 165/73, WM 1975, 466; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 4 ScheckG Rz. 2; Häuser in FS Schimansky, 1999, S. 183 (192 ff.). 6 AG Geldern v. 29.4.1987 – 4 C 589/86, WM 1987, 780 (781); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 735. 7 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 87.
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7. Teil
7.663
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Solche vertraglichen Zahlungsansprüche ergeben sich aber nicht schon aus der scheckrechtlichen Abrede zwischen Scheckaussteller und seiner bezogenen Bank über Scheckziehungen auf das bei ihr unterhaltene Girokonto. Hierbei handelt es sich um keinen Vertrag zu Gunsten des Schecknehmers iS des § 328 BGB1. Auch wird dem Schecknehmer mit der Aushändigung der Scheckurkunde kein Anspruch auf das bei der bezogenen Bank unterhaltene Kontoguthaben abgetreten2. Zweifelhaft erscheint, ob das Girovertragsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und der Inkassobank oder einer auf dem Inkassoweg zwischengeschalteten Bank Schutzpflichten zu Gunsten des Scheckeinreichers begründet. a) Einlösungszusage der bezogenen Bank
7.664
Die bezogene Bank kann grundsätzlich dem Scheckinhaber die Einlösung außerhalb der Scheckurkunde vertraglich zusagen. Das scheckrechtliche Akzeptverbot (Art. 4 ScheckG) steht dieser Einlösungszusage nicht entgegen. An das Vorliegen einer solchen Zusage werden jedoch strenge Anforderungen gestellt; insbesondere die neuere BGH-Rechtsprechung ist sehr restriktiv3. Die bezogene Bank hat im Regelfall keinen Anlass und kein Interesse, durch eine Einlösungszusage das Risiko der Insolvenz oder zwischenzeitlicher Verfügungen des Scheckausstellers vor der Einlösung zu übernehmen. Grundsätzlich soll nur über die Aussichten der Einlösung im Zeitpunkt der Anfrage Auskunft gegeben werden (sog. Scheckbestätigung)4. Nach der vom BGH vertretenen Ansicht ist es Sache des Anfragenden, der bezogenen Bank zu sagen, ob nur die übliche Scheckbestätigung oder aber eine echte Scheckeinlösungszusage verlangt wird. Dabei ist nicht zuletzt wegen des mit einer Scheckeinlösungsgarantie für die Bank verbundenen Risikos erforderlich, die Anfrage eindeutig und unmissverständlich zu formulieren5. Wird deshalb nur angefragt, ob ein Scheck „eingelöst“ werde, liegt in der Erklärung der bezogenen Bank, der Scheck werde zu einem bestimmten Zeitpunkt eingelöst, keine Einlösungszusage, sondern lediglich eine Scheckbestätigung6.
7.665
Aus dieser Einlösungszusage erwächst der bezogenen Bank eine garantievertragliche Einlösungspflicht7, wie sie früher auch bei der Begebung eines 1 BGH v. 26.11.1973 – II ZR 117/72, WM 1974, 154 (155). 2 BGH v. 6.3.1975 – II ZR 150/74, WM 1975, 818. 3 BGH v. 20.2.1990 – XI ZR 47/89, WM 1990, 494 (495) = BGHZ 110, 263 ff. = NJW 1990, 1482 f.; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 97. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 97 mit Beispielen für eine Einlösungszusage. 5 BGH v. 20.2.1990 – XI ZR 47/89, WM 1990, 494 (495) = BGHZ 110, 263 ff. = NJW 1990, 1482 f. 6 BGH v. 20.2.1990 – XI ZR 47/89, WM 1990, 494 (495); damit ist von der früheren Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH (v. 24.3.1980 – II ZR 188/79, WM 1980, 586 = BGHZ 77, 50 ff. = NJW 1980, 1956 f.) abgerückt worden (Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 101). 7 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 188/79, WM 1980, 586; BGH v. 29.3.1982 – II ZR 39/81, WM 1982, 924 (925); BGH v. 20.2.1990 – XI ZR 47/89, WM 1990, 494 (495); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 730.
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7. Teil
Scheckinkasso
Schecks unter Verwendung der eurocheque-Karte begründet wurde. Da bei der dem Scheck diesbzgl. ähnlichen gemäß § 783 BGB im Falle der Annahme durch den Angewiesenen1 ein abstraktes Schuldversprechen gemäß § 780 BGB begründet wird2, ist auch in der ggf. begründeten Einlösungspflicht des bezogenen Instituts beim Scheck ein abstraktes Schuldversprechen und keine Garantie zu sehen. Für das abstrakte Schudlversprechen spricht auch, dass eine Garantie erst dann Wirkungen entfaltet, wenn die entsprechend besicherte Forderung nicht eingezogen werden kann, während es hier ja gerade darum geht, dass diese Forderung in jedem Fall eingelöst wird. Die Einlösungszusage gilt nur gegenüber dem materiell berechtigten Schecknehmer. Deshalb können förmliche Mängel des Schecks, insbesondere das Fehlen der Ausstellerunterschrift oder des Ausstellungsdatums, dem Schecknehmer entgegengehalten werden3. Mit Rücksicht auf die abstrakte Natur und den Zweck der Einlösungszusage kann die Bank im Übrigen keine Einwendungen aus dem Valutaverhältnis des Scheckausstellers zum Scheckinhaber oder aus ihrem Deckungsverhältnis zum Scheckaussteller geltend machen4.
7.666
Die Abstraktheit des Schuldversprechens über die Einlösung des Schecks schließt nicht aus, dass diese Leistung vereinbarungsgemäß von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht wird, etwa dass die nach dem zugrunde liegenden Vertrag geschuldeten Waren geliefert werden5.
7.667
Ist jedoch das Valutaverhältnis zwischen dem Aussteller des Schecks und dem Schecknehmer wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) nichtig, steht der bezogenen Bank der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) zu, um sie nicht über die Einlösungszusage zur Mitwirkung an einem sittenwidrigen Geschäft zu zwingen6.
7.668
Die Zahlungspflicht aus der Einlösungszusage ist im Übrigen zeitlich begrenzt auf die übliche Dauer des Inkassos eines solchen Schecks im bargeldlosen Zahlungsverkehr7.
7.669
b) Scheckbestätigung8 Erklärt die bezogene Bank auf Anfrage, der Scheck sei gedeckt oder gehe in Ordnung oder gibt sie eine inhaltlich ähnliche Erklärung ab, liegt hierin keine 1 Hüffer in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 784 BGB Rz. 3. 2 Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 784 BGB Rz. 9; Hüffer in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 784 BGB Rz. 1, 6; vgl. weiter BGH v. 20.2.1990 – XI ZR 47/89, WM 1990, 494 (495), wo von einem „Erfüllungs“anspruch der Scheckberechtigten die Rede ist. 3 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, WM 1989, 1673 (1674) = NJW 1990, 384 ff. 4 Vgl. BGH v. 29.3.1982 – II ZR 39/81, WM 1982, 924 (926). 5 BGH v. 29.3.1982 – II ZR 39/81, WM 1982, 924 (926). 6 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, WM 1989, 1673 (1674) = NJW 1990, 384 ff. 7 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 188/79, WM 1980, 586 (587) = BGHZ 77, 50 ff. = NJW 1980, 1956 f. 8 Rieder, WM 1979, 686; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 4 ScheckG Rz. 3.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Einlösungszusage, sondern die bankübliche Scheckbestätigung. Sie bedeutet lediglich, dass der Scheck eingelöst würde, wenn er der bezogenen Bank zurzeit der Auskunftserteilung zur Einlösung vorgelegen hätte1. Damit jedoch übernimmt die bezogene Bank keine Verpflichtung, einen Widerruf des Scheckausstellers nicht zu beachten oder sein Girokonto zur Sicherstellung der Einlösung zu sperren2.
7.671
Durch die Scheckbestätigung kommt nach der Rechtsprechung konkludent ein Auskunftsvertrag zwischen der bezogenen Bank und dem Anfragenden zu Stande3. Bei Unrichtigkeit dieser Auskunft macht sich die bezogene Bank schadensersatzpflichtig4. Erfolgte die Scheckanfrage im Auftrag eines Bankkunden, handelt die anfragende Bank regelmäßig im eigenen Namen. Im Einzelfall kann ein Schadensersatzanspruch des Scheckeinreichers unter dem Gesichtspunkt eines Rechtsverhältnisses mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter in Betracht kommen5. Erfolgt die Scheckanfrage ausdrücklich „im Kundeninteresse“, so steht der anfragenden Bank kein Anspruch auf Ersatz der Schäden zu, die sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft durch eigene Geschäfte erleidet6.
7.672
Grundsätzlich besteht für die angefragte Bank keine grundsätzliche Verpflichtung zu einer „Korrekturmeldung“ bei nachträglichen Veränderungen7. Nur unter ganz besonderen Umständen kann die bezogene Bank nach Treu und Glauben zu einer solchen Korrekturmeldung verpflichtet sein8.
V. Valutaverhältnis zwischen Scheckaussteller und erstem Schecknehmer
7.673
Wie bei der Überweisung und der Lastschrift bedarf es auch bei der Bezahlung einer Geldschuld mittels eines Schecks der Zustimmung des Gläubigers. Denn zur Erfüllung einer Geldschuld braucht der Gläubiger nur eine Barzahlung in Gestalt der Übereignung von Banknoten oder von Geldmünzen als den gesetzlichen Zahlungsmitteln zu akzeptieren9. Eine Verpflichtung zur Scheck1 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 4 ScheckG Rz. 3; Nobbe in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 61 Rz. 111. 2 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 188/79, WM 1980, 586; Rieder, WM 1979, 686. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 112 mwN; Baumbach/Hefermehl/ Casper, Art. 4 Rz. 3 ff. 4 BGH v. 20.2.1990 – XI ZR 47/89, WM 1990, 494 (495) = BGHZ 110, 263 ff. = NJW 1990, 1482 f. 5 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 114; OLG Frankfurt v. 26.1.2007 – 24 U 49/06, BKR 2007, 386 (387). 6 BGH v. 18.6.1991 – XI ZR 282/90, WM 1991, 1629 = NJW-RR 1991, 1265. 7 BGH v. 25.6.1973 – II ZR 26/72, WM 1973, 1134 (1135). 8 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 119. 9 Vgl. BGH v. 30.11.1993 – XI ZR 80/93, WM 1993, 2237 (2238) = BGHZ 124, 254 ff. = NJW 1994, 318 ff.; vgl. hierzu von Westphalen, WM 1995, 1209 ff.; U. Hoffmann, WM 1995, 1341 ff.; Canaris, WM 1996, 237 ff.
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7. Teil
Scheckinkasso
annahme besteht deshalb nur, wenn der Gläubiger dem Schuldner das Recht zur Zahlung mittels Schecks eingeräumt hat. Diese Scheckzahlungsabrede kann auch stillschweigend mit oder nach Abschluss des Grundgeschäfts getroffen werden1. Der Scheck kann vom Gläubiger dementsprechend auch zurückgewiesen werden.
1. Rechtliche Konsequenzen der Scheckzahlungsabrede Die Hingabe eines Schecks zur Tilgung einer Schuld ist weder Erfüllung noch eine Leistung an Erfüllungs statt, sondern erfolgt lediglich erfüllungshalber2. Die zu tilgende Geldschuld aus dem Valutaverhältnis zwischen Schecknehmer als Gläubiger und Scheckaussteller als Schuldner bleibt bestehen, bis der Scheck eingelöst worden ist. Damit verbleibt dem Verkäufer insbesondere der Eigentumsvorbehalt an der gegen Scheckzahlung gelieferten Ware, auf die er zurückgreifen kann, wenn der Scheck nicht eingelöst wird. Auch nach der Scheckzahlungsabrede bleibt die zugrunde liegende Geldschuld eine qualifizierte Schickschuld iS des § 270 Abs. 1 BGB. Die Verlustgefahr bei der Übermittlung des Schecks auf dem Postwege trägt also der Schuldner3.
7.674
Mit dem Zugang des übermittelten Schecks geht die Verlustgefahr auf den Gläubiger über4. Zugleich wird die geschuldete Leistung zur Holschuld, weil der Schuldner bei ausreichendem Guthaben auf seinem Girokonto alles seinerseits Erforderliche getan hat5.
7.675
Sobald die bezogene Bank den Scheck eingelöst hat, trägt der Gläubiger im Verhältnis zum Schuldner neben der Gefahr des Verlustes, der Entwertung und der Beschlagnahme des Scheckbetrages auch das Risiko der Insolvenz einer der beteiligten Banken während des Übermittlungsvorgangs6.
7.676
1 Wegen der praktischen Beispiele vgl. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 216 ff. 2 BGH v. 10.2.1982 – I ZR 80/80, WM 1982, 637 (638) = BGHZ 83, 96 ff. = NJW 1982, 1946 f.; BGH v. 11.10.1995 – VIII ZR 325/94, WM 1995, 1988 (1989) = BGHZ 131, 66 ff. = NJW 1995, 3386 ff.; vgl. hierzu Bülow, JZ 1996, 475 f.; Hans. OLG Hamburg v. 21.12.1984 – 14 U 209/83, WM 1986, 383 (384); Baumbach/Hefermehl/Casper, Einl. ScheckG Rz. 19. Nach Häuser (WM 1988, 1505 [Fn. 4]) ist § 364 Abs. 2 BGB auf die Scheckzahlung unanwendbar; die scheckrechtliche Rückgriffsverbindlichkeit (Art. 12, 40 ScheckG) verfolge keinen primären Erfüllungszweck. Seiner Auffassung zufolge sei insoweit § 788 BGB entsprechend anzuwenden. 3 LG Braunschweig v. 18.4.1978 – 9 O 147/77, WM 1979, 735; Baumbach/Hefermehl/ Casper, Art. 39 ScheckG Rz. 2. 4 BGH v. 16.4.1996 – XI ZR 222/95, WM 1996, 1037 (1038) = NJW 1996, 1961 f.; vgl. weiter Kreissl, WM 1996, 1074 ff. 5 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 226 mwN. 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 226.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
2. Pflichten des Schecknehmers
7.677
Der Schecknehmer ist gegenüber dem Scheckaussteller gehalten, für den ordnungsgemäßen Einzug der Schecks zu sorgen1. Der Scheck muss deshalb innerhalb der Vorlegungsfrist bei der bezogenen Bank vorgelegt oder einem anderen Kreditinstitut zum Inkasso eingereicht werden. Diese Vorlegungsfrist beträgt für Schecks, die im Inland ausgestellt und zahlbar sind, acht Tage (Art. 29 Abs. 1 ScheckG). Das rechtzeitige Inkasso des Schecks ist nicht nur eine Obliegenheit des Gläubigers, sondern wird zu einer rechtlichen Verpflichtung, insbesondere wenn die Zahlung der Schecksumme, wie bei der Versicherungsprämie, auch im Interesse des Schuldners liegt2. Mit dem Scheckeinzug kann auch eine Bank beauftragt werden3, die aber keine Erfüllungsgehilfin des Schecknehmers ist4. Versäumt der Schecknehmer die rechtzeitige Vorlegung, verletzt er seine Obliegenheit zur Mitwirkung bei der Tilgung der Scheckverbindlichkeit und gerät deshalb in Annahmeverzug (§ 293 BGB).
7.678
Der Schecknehmer ist auf Grund der Scheckzahlungsabrede gehalten, sich zunächst aus dem Scheck zu befriedigen. Der Scheckaussteller kann deshalb den Einwand der Scheckhingabe geltend machen, wenn er wegen der Forderung aus dem Grundgeschäft (Valutaverhältnis) in Anspruch genommen wird5.
7.679
Bei Nichteinlösung des Schecks kann der Gläubiger auf den Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis (Kausalforderung) zurückgreifen6. Der Scheckaussteller ist aber zur Erfüllung dieser Forderung nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Schecks verpflichtet. Damit soll der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Schuldners aus der Kausalforderung und aus der scheckrechtlichen Ausstellerhaftung (Art. 12 ScheckG) begegnet werden. Die Bezahlung der Kausalforderung kann jedoch von der Rückgabe des Schecks nicht mehr abhängig gemacht werden, wenn die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme unwahrscheinlich ist und es aus besonderen Gründen Schwierigkeiten bereitet, den Scheck für kraftlos erklären zu lassen und ein Ausschlussurteil zu erwirken. Mit dieser Kraftloserklärung könnte eine solche doppelte Inanspruchnahme vermieden werden7.
3. Pflichten des Scheckausstellers
7.680
Der Scheckaussteller ist vor allem verpflichtet, während der Vorlegungsfrist des Schecks gemäß Art. 29 ScheckG für ausreichende Deckung auf seinem 1 BGH v. 1.10.1984 – II ZR 115/84, WM 1984, 1466 (1467); BGH v. 30.10.1985 – VIII ZR 251/84, WM 1986, 20 = BGHZ 96, 182 ff. = NJW 1986, 424 ff.; vgl. hierzu Emmerich, JuS 1986, 311 f. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 227. 3 Baumbach/Hefermehl/Casper, Einl. ScheckG Rz. 22. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 766. 5 BGH v. 1.10.1984 – II ZR 115/84, WM 1984, 1466 (1467). 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 233 mwN. 7 Vgl. weiter Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 770.
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Scheckinkasso
Konto zu sorgen. Auch muss er die Scheckeinlösung störende Eingriffe, insbesondere die Sperre des Schecks, unterlassen1. Diese Verpflichtung endet grundsätzlich mit der Vorlegungsfrist. Dem Schuldner kann nicht zugemutet werden, für eine unbestimmte Zeit eine Deckung für die Einlösung eines präjudizierten Schecks zu unterhalten2. Der Scheck kann freilich schon während der Vorlegungsfrist widerrufen werden, wenn dem Gläubiger die Forderung aus dem Grundgeschäft infolge eines Rechtsmangels oder einer zwischenzeitlichen Abtretung nicht mehr zusteht3. Der Widerruf ist auch dann zulässig, wenn die Forderung aus dem Valutaverhältnis einredebehaftet ist. Denn der Schecknehmer kann aus dem Scheck nicht mehr Rechte in Anspruch nehmen, als ihm aus dem Valutageschäft zustehen4. Die Frage der Zulässigkeit eines Widerrufs ist jedoch von dessen Wirksamkeit zu trennen. Auch ein unzulässiger Widerruf ist wirksam. Sorgt der Schuldner für keine ausreichende Deckung auf seinem Girokonto oder lässt er den Scheck unberechtigterweise sperren, kann der Schecknehmer einen Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB geltend machen. Für eine schuldhafte Pflichtverletzung der bezogenen Bank, etwa durch Verzögerung oder Verweigerung der Einlösung eines gedeckten Schecks hat der Schuldner zu haften (§ 278 BGB). Die Bank ist seine Erfüllungsgehilfin, weil sich der Scheckaussteller ihrer zur Tilgung seiner Geldschuld bedient5.
7.681
4. Erfüllung der Zahlungspflicht Die Forderung aus dem Valutaverhältnis zwischen Schecknehmer und Scheckaussteller erlischt gemäß § 362 Abs. 1 BGB mit der Scheckeinlösung durch die kontoführende Stelle6. Dieser Erfüllungswirkung steht nicht entgegen, dass die bezogene Bank nur auf den Scheck zahlt. Die zugrunde liegende Forderung erlischt gleichwohl, weil diese Scheckzahlung der Vereinbarung im Valutaverhältnis entspricht7.
7.682
Umstritten ist das Erlöschen der Grundforderung, wenn die bezogene Bank den Scheck an einen gutgläubigen Erwerber oder an einen Nichtberechtigten zahlt8. Nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht kann ein Gläubiger seine auch nach Bezahlung des Schecks an einen Nichtberechtigten fortbeste-
7.683
1 BGH v. 19.10.1987 – II ZR 9/87, WM 1988, 8 = BGHZ 102, 68 ff. = NJW 1988, 700 ff. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 768; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 237. 3 BGH v. 19.10.1987 – II ZR 9/87, WM 1988, 8. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 238 mwN. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 767. 6 BGH v. 4.10.1990 – IX ZR 270/89, WM 1990, 1883 (1885) = NJW 1991, 427 ff.; BGH v. 11.10.1995 – VIII ZR 325/94, WM 1995, 1988 (1991) = BGHZ 131, 66 ff. = NJW 1995, 3386 ff. 7 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 242. 8 Wegen der unterschiedlichen Meinungen in der Literatur vgl. Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 244 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
hende Forderung aus dem Valutaverhältnis grundsätzlich nicht mehr durchsetzen und sich bei grober Fahrlässigkeit der einlösenden Bank nur an diese halten. Dies gilt unabhängig davon, ob den Gläubiger an dem Abhandenkommen ein Verschulden trifft oder nicht. Denn mit dem Zugang eines Schecks geht die Verlustgefahr analog § 270 BGB auf den Schecknehmer über, soweit er sich mit einer Scheckzahlung einverstanden erklärt hat1.
7.684
Der Zeitpunkt der Erfüllung der Forderung aus dem Valutaverhältnis deckt sich im Regelfall mit dem Zeitpunkt der Einlösung des Schecks (vgl. Rz. 7.625 ff.)2. Dies setzt aber voraus, dass die einlösende Zahlstelle des Schuldners die Schecksumme der mit dem Scheckinkasso beauftragten Bank auch tatsächlich als Deckung für die Gutschrift anschafft, die die Inkassobank dem Gläubiger bei Einreichung des Schecks unter dem Vorbehalt des Eingangs des Inkassoerlöses erteilt hat (E.v.-Gutschrift). Denn die Einlösung ist die Vermittlung einer Buchgeldzahlung durch Anschaffung der Deckung für eine solche E.v.-Gutschrift. Ohne Eingang dieser Deckung bei der Inkassobank kann diese E.v.-Gutschrift nicht wirksam werden und wird deshalb wieder rückgängig gemacht (Nr. 9 Abs. 1 Satz 4 AGB-Banken)3. Sodann fehlt es an einer Gutschrift auf dem Girokonto des Gläubigers und damit an einer Erfüllung des Zahlungsanspruchs aus dem Valutaverhältnis.
7.685
Für die Rechtzeitigkeit dieser Erfüllung kommt es auf den Zeitpunkt der Leistungshandlung an. Denn der Gläubiger trägt bei der Scheckzahlung die Gefahr der verzögerten Scheckeinlösung (§ 270 Abs. 4 BGB). Der Schuldner hat deshalb seine Leistungshandlung rechtzeitig bewirkt, wenn er den Scheck innerhalb der Leistungsfrist der Post zur Beförderung übergibt oder ihn in den Briefkasten des Gläubigers einwirft4. Dies setzt freilich voraus, dass der Scheck vom Gläubiger auf Grund einer Scheckzahlungsabrede akzeptiert werden muss und nachfolgend auch eingelöst wird.
VI. Vertragsbeziehungen zwischen den mitwirkenden Kreditinstituten
7.686
Beim Scheckeinzug wirken mehrere Kreditinstitute mit, sofern nicht die Inkassobank zugleich auch kontoführende Bank des Scheckausstellers ist. Die die Inkassokette bildenden Kreditinstitute sind jeweils durch Girovertragsverhältnisse miteinander verbunden. Besteht eine unmittelbare Kontobeziehung zwischen der Inkassobank und der bezogenen Bank, liegt bei Vorlage eines Schecks zwecks Einlösung ein Auftrag im Rahmen des Girovertrages als Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB vor.
1 BGH v. 16.4.1996 – XI ZR 222/95, WM 1996, 1037 (1038) = NJW 1996, 1961 f. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 60 Rz. 251. 3 BGH v. 6.5.1997 – XI ZR 135/96, WM 1997, 1194 (1196) = BGHZ 135, 307 ff. = NJW 1997, 2112 ff. 4 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 293/00, WM 2002, 999 (1000).
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Scheckinkasso
Fehlt eine solche unmittelbare Kontoverbindung und wird deshalb ein weiteres Kreditinstitut eingeschaltet, bestehen unmittelbare Girovertragsverhältnisse nur zwischen dieser Zwischenbank und der Inkassobank einerseits sowie zwischen der Zwischenbank und der bezogenen Bank andererseits. Denn die Zwischenbank wird im eigenen Namen und nicht nur als Erfüllungsgehilfin der Inkassobank tätig1. Sie hat wie die Inkassobank den Scheck auf dem schnellsten und sichersten Weg der bezogenen Bank zuzuleiten2. Die Zwischenbank hat der Inkassobank eine Vorbehaltsgutschrift über den Scheckbetrag zu erteilen und das Konto der bezogenen Bank, soweit es bei ihr unterhalten wird, entsprechend zu belasten3.
7.687
VII. Zahlungsverkehrsabkommen für den beleghaften Scheckeinzug Wesentliche Rechte und Pflichten der mitwirkenden Kreditinstitute zueinander (sog. Interbankenverhältnis)4 sind geregelt in dem „Abkommen über den Einzug von Schecks“ (Scheckabkommen)5 v. 3.9.2007 das auch das frühere „Abkommen zur Vereinfachung des Einzuges von Orderschecks“ (Orderscheckabkommen) mit umfasst. Dieses Abkommen ist eine von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes im eigenen Namen sowie in Vollmacht ihrer Mitgliedsinstitute geschlossene Rahmenvereinbarung. Sie stellt keine AGB dar6.
7.688
Das Abkommen begründet Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Banken, nicht jedoch für den Scheckeinreicher oder den wahren Scheckberechtigten bei Einzug eines abhanden gekommenen Schecks7. Umstritten ist, ob dem Scheckaussteller und dem Scheckeinreicher aus der Verletzung der durch diesesZahlungsverkehrsabkommen begründeten Pflichten Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zustehen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass ein nicht eingelöster Scheck unter Verletzung der Rückgabefrist verspätet an die Inkassobank zurückgegeben wird. Wie bei der verspäteten Rückgabe einer Lastschrift8 soll nach dem BGH die Pflicht zur rechtzeitigen Rückgabe eines
7.689
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 64. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 742; BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 362/00, WM 2001, 1666 (1667). 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 64. 4 BGH v. 28.11.1989 – XI ZR 34/89, WM 1990, 96 (97) = BGHZ 109, 235 ff. = NJW 1990, 833 f.; Nobbe, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 5, 16. 5 Dieses Abkommen regelt nur die Fälle der Nichteinlösung von Schecks und nicht den Fall, dass die bezogene Bank gefälschte Schecks in der irrigen Annahme einlöst, die Schecks seien echt (OLG Karlsruhe v. 2.11.1999 – 3 U 28/99, WM 2000, 953 [954]). 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 758; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 60. 7 BGH v. 26.9.1989 – XI ZR 178/88, WM 1989, 1756 (1758) = BGHZ 108, 353 ff. = NJW 1990, 242 ff.; vgl. weiter BGH v. 28.11.1989 – XI ZR 34/89, WM 1990, 96 (97) = BGHZ 109, 235 ff. = NJW 1990, 833 f. 8 BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, WM 1977, 1042.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
nicht eingelösten Schecks Schutzwirkungen auch zu Gunsten des Scheckeinreichers entfalten1. Hiergegen sind im Schrifttum von maßgeblicher Seite Bedenken angemeldet worden. Danach können etwaige Schäden des Ausstellers des Schecks oder des Scheckeinreichers aus der Verletzung des Zahlungsverkehrsabkommens gegen die Inkassobank oder die bezogene Bank im Wege der Drittschadensliquidation geltend gemacht werden2. Dabei ist der Scheckeinreicher auf die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch seine Bank angewiesen, soweit das Orderscheckabkommen mit seinem Abtretungsverbot iS des § 399 BGB anwendbar ist3.
7.690
Das Scheckeinzugsverfahren begründet unter den beteiligten Banken wie auch im sonstigen mehrgliedrigen Zahlungsverkehr ein Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflichten mit gegenseitigen Schutzpflichten4. Hierzu gehört auch die Pflicht der Inkassobank, die bezogene Bank von Verdachtsmomenten zu unterrichten, die sich insbesondere aus der Person des Scheckeinreichers oder den Umständen der Scheckeinreichung für sie ergeben und die nach der allgemeinen Lebenserfahrung darauf schließen lassen, dass der eingereichte Scheck gefälscht oder seinem früherem Inhaber abhanden gekommen sein könnte5. Soweit die bezogene Bank bei der Scheckeinlösung ein Mitverschulden trifft, ist eine Aufteilung des Schadens vorzunehmen (§ 254 BGB). Dabei ist zu ihren Lasten eine schuldhafte Verletzung der Pflicht ihres Girokunden zur sorgfältigen Aufbewahrung der Scheckvordrucke zu berücksichtigen6.
7.691
Wird ein bereits eingelöster Scheck von der bezogenen Bank zurückgegeben, erwächst der Inkassobank im Falle der Wiedergutschrift des Scheckbetrages ein Bereicherungsanspruch gegen die Bezogene7. Des Weiteren kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Betracht, weil die Rückgabe des bereits eingelösten Schecks sittenwidrig ist8. Ein solcher Anspruch kann auch dem Scheckeinreicher zustehen9.
7.692
Die bezogene Bank ist nach dem Zahlungsverkehrsabkommen bei Nichteinlösung verpflichtet, den Scheck spätestens an dem auf den Tag der Vorlage, der Übermittlung der Scheckdaten im beleglosen Scheckeinzugsverfahren (BSE-Verfahren) oder der Vorlage des Scheckbildes bei der Bundesbank im imagegestützten Scheckeinzug (ISE-Verfahren) folgenden Geschäftstag soweit möglich (betrifft nur die körperliche Voralge – mit mit dem Vorlegungsver1 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 (1393) = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff.; BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 246 = NJW-RR 1988, 559 ff.; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 28 ScheckG Anh. Rz. 32. 2 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 28 ScheckG Anh. Rz. 32; Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 108. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 108. 4 OLG Karlsruhe v. 2.11.1999 – 3 U 28/99, WM 2000, 953 (954); Canaris Bankvertragsrecht, Rz. 25. 5 OLG Karlsruhe v. 2.11.1999 – 3 U 28/99, WM 2000, 953 (954). 6 OLG Karlsruhe v. 2.11.1999 – 3 U 28/99, WM 2000, 953 (954). 7 BGH v. 26.1.1987 – II ZR 121/86, WM 1987, 400 = NJW 1987, 2439 ff. 8 AG Geldern v. 29.4.1987 – 4 C 589/86, WM 1987, 780 (781). 9 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 109.
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Scheckinkasso
merk versehen an die erste Inkassostelle zurückzuleiten (Abschnitt V.1 des Scheckabkommens). Eine verspätete Rückgabe des Schecks hat keine Einlösung zur Folge1. Neben dem „Scheckabkommen“, das verschiedene Abkommen, die Scheckverfahren in der Vergangenheit regelten, zusammenfasst, ist das „Abkommen über den beleglosen Einzug von Reisescheckgegenwerten“ (BRS-Abkommen) als eigenständiges Vertragswerk erhalten geblieben.
7.693
Das Scheckabkommen sieht insbesondere die BSE-Pflicht, eine Ausweitung des GSE-Verfahrens auf in der Vergangenheit nicht automationsfähige Einzugspapiere und sowie eine Pflicht zur beleglosen Rückrechnung nicht eingelöster BSE-Schecks vor. Mit diesen Maßnahmen wurde erreicht, dass das gesamte Clearing sowohl für Schecks als auch für Lastschriften und Überweisungen seit dem 7.9.1998 vollständig beleglos durchgeführt wird. Dies war eine notwendige Voraussetzung für die Umsetzung des Szenarios für die Abwicklung des Inlandszahlungsverkehrs in der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.
7.694
1. Mitwirkung der Deutschen Bundesbank Wie im Überweisungs- und Lastschriftverkehr kann auch beim Scheckeinzug die Deutsche Bundesbank beteiligt werden, die nach § 3 BBankG auch für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland zu sorgen hat. Diese Teilnahme geschieht auf unterschiedlichem Wege.
7.695
a) Einlieferung in den Abrechnungsverkehr Schecks können auch zum Einzug in den Abrechnungsstellen der Deutschen Bundesbank gegeben werden, die an den bedeutendsten Bankplätzen sog. Abrechnungsstellen unterhält2. Dieser Einzugsweg kann gewählt werden, wenn Inkassobank und bezogene Bank zu dem Teilnehmerkreis derselben Abrechnungsstellen gehören3. Abrechnungsteilnehmer sind jeweils die im Bezirk der Abrechnungsstellen ansässigen Kreditinstitute. Der Einlieferung des Schecks steht die Vorlegung iS des Art. 28 ScheckG gleich (Art. 31 Abs. 1 ScheckG). Die Abrechnung geschieht durch tägliche Verrechnung (sog. Skontration)4.
7.696
b) Vereinfachter Scheck- und Lastschrifteinzug Sind Inkassobank und bezogene Bank nicht bei derselben Abrechnungsstelle als Teilnehmer zugelassen, so kann die Inkassobank wie beim Lastschriftver1 BGH v. 2.2.1970 – II ZR 80/69, WM 1970, 490; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 28 ScheckG Anh. Rz. 32. 2 Ein Verzeichnis der Abrechnungsstellen ist bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 31 ScheckG Rz. 4 abgedruckt. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 88 ff. 4 BGH v. 26.1.1987 – II ZR 121/86, WM 1987, 400 = NJW 1987, 2439 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
kehr den hierfür geschaffenen „vereinfachten Scheck- und Lastschrifteinzug“ der Bundesbank nutzen. Dieses Inkassoverfahren ist in den AGB der Deutschen Bundesbank näher geregelt (AGB-BBank). Nach den AGB-BBank (VI1.) kann die Bundesbank mit dem Inkasso von Inhaber- und Orderschecks auf alle Orte des Bundesgebietes beauftragt werden.
7.698
Die Bundesbank wird beim vereinfachten Scheckeinzug als selbständige Inkassostelle tätig1. Da die Inkassotätigkeit gebühren- und lastenfrei erfolgt, ist das Vertragsverhältnis zur Inkassobank kein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), sondern als schlichtes Auftragsverhältnis (§§ 662 ff. BGB) zu qualifizieren. Wie auch im sonstigen Interbankenverhältnis des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind die der Bundesbank erteilten Inkassoaufträge als girovertragliche Weisungen gemäß § 665 BGB im Rahmen des bestehenden Girovertragsverhältnisses anzusehen2.
7.699
Verletzt die Bundesbank ihre auftragsrechtlichen Pflichten, etwa weil sie den Scheck schuldhaft nicht oder verzögert weiterleitet, so macht sie sich gegenüber der ihr vorgeschalteten Inkassobank wegen Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig3. Die Inkassobank kann einen Schaden, der bei ihrem Kunden als Scheckeinreicher eingetreten ist, unter dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation geltend machen. Sie ist auch verpflichtet, den Schadensersatzanspruch auf Verlangen an den Scheckeinreicher abzutreten.
7.700
Nach Auffassung des II. Zivilsenats des BGH4 besteht darüber hinaus – wie im Lastschriftverkehr – auch ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch des Scheckeinreichers gegen die Bundesbank unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter. Hiergegen sind im Schrifttum Bedenken angemeldet worden5.
7.701
Da die Bundesbank beim vereinfachten Scheck- und Lastschrifteinzug als selbständige Inkassostelle und nicht nur als Botin mitwirkt, steht sie in einem unmittelbaren Girovertragsverhältnis mit der ihr nachgeschalteten bezogenen Bank. Auch beim vereinfachten Lastschrift- und Scheckeinzug besteht also kein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen der Inkassobank und der bezogenen Bank. Der Inkassobank können aber gegen die bezogene Bank Bereicherungsansprüche und Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zustehen6. 1 Bürger, WuB I D 3.-2.86; Häuser, WM 1988, 1505 (1508). 2 Nach Nobbe vermag die vom II. Zivilsenat des BGH (v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391 = BGHZ 96, 9 ff. = NJW 1986, 249 ff.) vorgenommene Qualifizierung der Deutschen Bundesbank als bloße Botin im vereinfachten Lastschrift- und Scheckeinzug nicht zu überzeugen (in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 90); vgl. weiter Häuser, WM 1988, 1505 (1508). 3 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391. 4 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, WM 1985, 1391; BGH v. 21.12.1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 247. 5 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 91; 121 ff.; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rz. 198 ff. 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 92.
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Scheckinkasso
2. Belegloser Scheckeinzug Zur weiteren Rationalisierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wurde 1985 das beleglose Scheckeinzugsverfahren eingeführt, bei dem auch die Bundesbank als Inkassostelle eingeschaltet werden kann. Hierzu hatten die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft und die Bundesbank das „Abkommen über das beleglose Scheckeinzugsverfahren“ (BSE-Abkommen) abgeschlossen, Das mittlerweile in das Scheckabkommen integriert worden ist. Dieses beleglose Einzugsverfahren sieht vor, dass die Angaben auf den vom Kunden zum Einzug eingereichten Schecks von seinem Kreditinstitut auf Datenträger übernommen und nach formatiert werden, um den Inkassoauftrag in das beleglose Scheckeinzugsverfahren überzuleiten.
7.702
Das überleitende Kreditinstitut ist ermächtigt, die Scheckgegenwerte von der bezogenen Bank beleglos einzuziehen (Abschnitt II.1 Abs. 2 Scheckabkommen). Im Übrigen verwahrt das überleitende Kreditinstitut die Originalschecks oder die davon erstellten Mikrokopien der Vorder- und Rückseite entsprechend den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften. Die Originalschecks sind auch dann für einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten aufzubewahren, wenn Mikrokopien erstellt wurden.
7.703
Unvereinbar mit dem Scheckgesetz und den Pflichten der mitwirkenden Banken gegenüber dem Scheckaussteller ist im BSE-Verfahren insbesondere, dass die bezogene Bank infolge der fehlenden körperlichen Vorlegung des Schecks die an sich gebotene Unterschriftsprüfung nicht mehr vornehmen kann1. Die Haftung der Bank für die vorzunehmende Prüfung der ihr vorzulegenden Schecks kann aber nach Rechtsprechung und Schrifttum vertraglich nicht ausgeschlossen werden2.
7.704
Im Übrigen ist ein wesentliches Begriffsmerkmal der Wertpapiere, zu denen auch der Scheck gehört, dass diese Urkunden zur Geltendmachung der darin verbrieften Rechte körperlich vorgelegt werden müssen. Das Scheckgesetz hat deshalb an diese Vorlage einige wesentliche Regelungen für den Scheckverkehr geknüpft. So ist die körperliche Vorlage der Scheckurkunde bei der bezogenen Bank insbesondere für die Einholung eines wirksamen Protestvermerks bei Nichteinlösung des Schecks erforderlich3. Dieser Protest ist notwendig,
7.705
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 1113. 2 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG Rz. 18 mwN; vgl. Koller, WM 1985, 821, der sich im Ergebnis für den Verzicht auf diese Prüfungspflicht wegen gewandelter Verhältnisse ausspricht. 3 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 40 ScheckG Rz. 4; Schlie, WM 1990, 617 (618); Reiser, WM 1986, 409 (413); anders Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 743a, der Art. 40 Nr. 2 ScheckG auf den Nichteinlösungsvermerk der ersten Inkassostelle anwenden will. Nach dem AG Königswinter (v. 9.8.1989 – 9 C 131/89, NJW-RR 1990, 628) wird der erforderliche Protestvermerk im beleglosen Scheckinkassoverfahren auch nicht dadurch ersetzt, dass die bezogene Bank ohne die körperliche Vorlage der Scheckurkunde bestätigt, dass der Scheck nicht bezahlt worden ist; mit einer anderen Entscheidung wären die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten.
Werner
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
damit der Inhaber des nicht eingelösten Schecks seinen scheckrechtlichen Rückgriffsanspruch gegen den Scheckaussteller im Scheckprozess (§ 605a ZPO) geltend machen kann (Art. 12, 40 ScheckG)1. Durch den Wegfall der körperlichen Vorlage des Schecks bei der bezogenen Bank wird dem Schecknehmer also der scheckrechtliche Rückgriffsanspruch und dessen Durchsetzbarkeit im Scheckprozess genommen.
7.706
Dem Scheckeinreicher verbleibt lediglich die Möglichkeit, seine Inkassobank im regulären Erkenntnisverfahren auf Schadensersatz zu verklagen. Die Ersatzpflicht dürfte sich auch auf den Zins- und Vergütungsanspruch iS des Art. 45 Nr. 2 und 4 ScheckG erstrecken. Die Inkassobank ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie gegen ihre Pflicht verstoßen hat, für die nach dem Scheckgesetz unverzichtbare körperliche Vorlage der Scheckurkunde zu sorgen2. Der Scheckeinreicher hat jedoch zu beweisen, dass auf dem Konto des Scheckausstellers bei ordnungsgemäßer Vorlage Deckung vorhanden gewesen wäre oder er bei Kenntnis der Nichteinlösung Zahlung von dritter Seite erhalten hätte3.
7.707
Mit Rücksicht auf die teilweise Unvereinbarkeit des beleglosen Scheckinkassos mit dem Scheckgesetz und den Pflichten der Inkassobank und der bezogenen Bank gegenüber dem Scheckeinreicher und dem Scheckaussteller können nur Schecks mit Beträgen unter 6000 Euro in das Verfahren einbezogen werden (Abschnitt II. 1 Scheckabkommen). Für Schecks über größere Beträge gilt das ISE-Verfahren ab 6000 Euro, das in Abschnitt III des Scheckverfahrens geregelt ist und das das frühere, im GSE-Abkommen gerelte Verfahren über entsprechende Scheckgegenwerte abgelöst hat. Auch in diesem Verfahren, das sich stark an das BSE-Abkommen anlehnt, ist das überleitende Kreditinstitut ermächtigt, die Scheckgegenwerte von den bezogenen Kreditinstituten beleglos einzuziehen. Von diesen in das Verfahren einbezogenen GroßbetragSchecks sind jedoch – anders als nach dem BSE-Verfahren – Scheckbilder an die bezogenen Kreditinstitute zu übermitteln.
VIII. Haftung der Inkassobank und bezogenen Bank gegenüber Scheckberechtigten bei abhanden gekommenen Schecks
7.708
Kommt ein Scheck dem Schecknehmer abhanden, ist der nichtberechtigte Scheckinhaber auf Grund der Legitimationswirkung der Scheckurkunde in der Lage, die Schecksumme einziehen zu lassen. Damit stellt sich die Frage, ob der Scheckberechtigte seinen Schaden insbesondere gegenüber der ersten Inkassobank in der Einzugskette oder gegenüber der bezogenen Bank geltend 1 Hierbei handelt es sich um eine Unterart des sog. Urkundenprozesses, bei dem als Beweismittel nur Urkunden zugelassen sind und deshalb ein vollstreckbarer Titel gegen den Scheckaussteller schneller erwirkt werden kann. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 113; Reiser, WM 1986, 409 (413); Schlie, WM 1990, 617 (618) ff. 3 BGH v. 8.12.1980 – II ZR 39/80, WM 1981, 119 = NJW 1981, 1101 ff.
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machen kann. Eine Haftung der sonstigen zwischengeschalteten Banken entfällt im Regelfall, weil sich deren Pflichten grundsätzlich auf die ordnungsgemäße Weiterleitung des Schecks an die Bezogene und die Herausgabe der erlangten Deckung erschöpft1. Ein Scheck ist abhanden gekommen, wenn der Eigentümer oder sein Besitzmittler den unmittelbaren Besitz ohne seinen Willen verloren hat. Hierzu gehören auch die Fälle, in denen der Scheck ohne wirksamen Begebungsvertrag etwa bei Geschäftsunfähigkeit (§§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB) oder bei einem sonstigen zur Unwirksamkeit führenden Willensmangel in die Hände des nicht berechtigten Scheckeinreichers gelangt ist2.
7.709
Zwischen dem Scheckberechtigten und der ersten Inkassobank und der bezogenen Bank bestehen regelmäßig keine vertraglichen Beziehungen. Ein Schadensersatzanspruch kann sich aber aus den §§ 990, 989 BGB ergeben, die das Rechtsverhältnis zwischen dem herausgabeberechtigten Eigentümer und dem herausgabepflichtigen Besitzer der Sache regeln.
7.710
Danach haftet der bösgläubige Besitzer dem Eigentümer (Scheckberechtigter) für den Schaden, der dadurch entsteht, dass infolge seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann. Bösgläubig ist, wer bei der Besitzergreifung den Mangel des Besitzrechts kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (vgl. § 990 Abs. 1 BGB).
7.711
Voraussetzung einer solchen Haftung ist jedoch, dass der Scheckberechtigte noch Eigentümer des Schecks ist und ihm deshalb der eigentumsrechtliche Herausgabeanspruch zusteht. Dieses Eigentum ist jedoch weggefallen, wenn die erste Inkassobank das Eigentum an der Scheckurkunde gutgläubig gemäß Art. 21 ScheckG erworben hat. Diese Übereignung erfolgt in der Praxis üblicherweise sicherungshalber (vgl. Rz. 7.601). Die Gutgläubigkeit iS des Art. 21 ScheckG entfällt, wenn die Bank den Scheck in bösem Glauben erworben hat oder ihr beim Erwerb eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Der Herausgabeanspruch erlischt im Übrigen, sobald die Bank den wegen fehlender Gutgläubigkeit nicht erworbenen Scheck auf dem Inkassowege an eine andere Bank weitergegeben hat3.
7.712
Der Schadensersatz gemäß §§ 990, 989 BGB kann auch gegenüber der bezogenen Bank geltend gemacht werden, weil sie im Zuge der Einlösung Besitz an der Scheckurkunde erlangt4. Die bezogene Bank erwirbt jedoch das – Schadensersatz ausschließende – Eigentum entsprechend § 952 Abs. 2 BGB, wenn sie den Scheck wirksam einlöst5. Dies setzt wiederum voraus, dass ihr bei der
7.713
1 BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 362/00, WM 2001, 1666 (1667). 2 BGH v. 26.9.1995 – XI ZR 159/94, WM 1995, 1950 = NJW 1995, 3315 ff.; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 171 ff. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 185. 4 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 5b. 5 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 35 ScheckG Rz. 4.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
der Einlösung vorausgehenden Prüfung der Berechtigung des Einreichers keine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt1.
7.714
Der Schaden besteht nach Einlösung des Schecks durch die bezogene Bank darin, dass hierdurch die im Scheck enthaltene Zahlungsanweisung für den Berechtigten wirtschaftlich wertlos geworden ist. Es liegt sodann eine Verschlechterung iS des § 989 BGB vor2. Soweit dem Scheckberechtigten ein Schadensersatzanspruch wegen grob fahrlässiger Verletzung der Prüfpflichten sowohl gegen die Inkassobank als auch gegen die bezogene Bank zusteht, kommt im Interbankenverhältnis eine Schadensteilung in Betracht.
7.715
Neben einem solchen Schadensersatzanspruch kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Bereicherungsanspruch des Scheckberechtigten gemäß § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB oder § 816 Abs. 2 BGB gegen die Inkassobank in Betracht kommen. Hierzu muss die Bank die Schecksumme wie zB beim Ankauf des Schecks für eigene Rechnung eingezogen haben und zudem das Eigentum an der Scheckurkunde nicht gutgläubig erworben haben. Anderenfalls fehlt es bereits an der nach § 816 BGB erforderlichen Verfügung eines Nichtberechtigten3. Im Übrigen kann sich die Inkassobank auf den Wegfall der Bereicherung berufen (§ 818 Abs. 3 BGB), wenn sie den Inkassoerlös an den Einreicher des Schecks in bar ausgezahlt oder auf sein Girokonto gutgeschrieben hat4.
1. Problem der Wissenszusammenrechnung
7.716
Der gutgläubige Erwerb der Scheckurkunde, der einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 990, 989 BGB ausschließt, hängt davon ab, ob die handelnden Bankmitarbeiter nicht bösgläubig gewesen sind. Damit stellt sich die Frage, inwieweit das schädliche Wissen eines Bankmitarbeiters der Bank zuzurechnen ist. Dies beurteilt sich nach § 166 BGB, der nicht nur bei rechtsgeschäftlicher Vertretung, sondern auch bei einer Wissensvertretung analog anzuwenden ist5. Die Frage hat insbesondere bei der Erteilung eines Scheckeinzugsauftrags eine besondere Bedeutung, weil hier regelmäßig mehrere Bankmitarbeiter, teilweise in verschiedenen Abteilungen, mitwirken. Einvernehmen besteht, dass eine Zusammenrechnung des Wissens aller Vertreter einer Filialbank nicht in Betracht kommt, ungeachtet dessen, dass die rechtlich unselbständige Zentrale, 1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 185. Zum Belastungsrecht der bezogenen Bank bei Einlösung abhanden gekommener Inhaberschecks vgl. Schnauder, WM 2000, 549 ff.; Nobbe, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 5, 17 ff. 2 KG v. 23.11.1994 – 24 U 1428/94, WM 1995, 242 (244); Nobbe in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 61 Rz. 189 ff. Zum Gegenstand des Schadens und seiner gerichtlichen Geltendmachung vgl. Haertlein, ZBB 2001, 7 ff. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 300. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 301. 5 BGH v. 31.1.1996 – VIII ZR 297/94, WM 1996, 824 (825) = NJW 1996, 1205 f. = GmbHR 1996, 294; vgl. hierzu Schultz, NJW 1997, 2093 f.; BGH v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, WM 1997, 1092 (1093) = BGHZ 135, 202 ff. = NJW 1997, 1917 ff.; vgl. hierzu Emmerich, JuS 1997, 845 f.
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Filialen und Zweigstellen eine rechtliche Unternehmenseinheit bilden. Denn Ausgangspunkt ist, dass jeweils das Wissen der aktuell handelnden Bankmitarbeiter zuzurechnen ist1. Eine umfassende Erfassung und Verteilung der vorhandenen Informationen ist angesichts der Massenhaftigkeit des Scheckverkehrs unmöglich und wäre zudem nicht mit dem Bankgeheimnis vereinbar2. Die stark arbeitsteilige Erledigung der Geschäftsvorgänge durch mehrere Bankmitarbeiter aus Rationalisierungsgründen darf jedoch nicht zu Lasten des Bankkunden gehen3. Das Wissen der mehreren an einem einheitlichen Geschäftsvorgang beteiligten Vertreter ist deshalb der Bank zuzurechnen4.
7.717
Ob das Wissen der Geschäftsleitung oder anderer Angestellter, die mit dem konkreten Vorgang nicht befasst waren, der Bank zugerechnet werden darf, kann unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens relevant sein5. Ein solches Verschulden kann auch darin erblickt werden, dass keine abteilungsübergreifende Informationstechnik organisiert worden ist, soweit hierzu ein konkreter Anlass bestand6.
7.718
Die Frage, wessen Wissen der Bank zuzurechnen ist, lässt sich im Übrigen nach der Rechtsprechung nur in wertender Beurteilung entscheiden7. Dies sind bei einem Scheckinkasso nicht nur der die Scheckurkunde entgegennehmende Schalterangestellte, sondern jeder Mitarbeiter, dem der Scheck zur Prüfung und zur weiteren Bearbeitung zugeleitet worden ist oder der über die Hereinnahme des Schecks endgültig entscheidet8. Eine schädliche Pflichtverletzung kann auch bei einer Kontoeröffnung begangen worden sein, wenn es ohne diese zur Hereinnahme des Schecks erst gar nicht gekommen wäre9. Hier wirkt also die Pflichtverletzung fort10. Wird der Scheck bei einer nicht kontoführenden Filiale eingereicht, kommt es auch auf Bösgläubigkeit des Kontoführers an11. Soweit die mit dem Geschäftsvorgang befassten Bankmitarbeiter keine Vertretungsmacht haben, ist § 166 Abs. 1 BGB entsprechend
7.719
1 OLG Karlsruhe v. 24.8.1994 – 6 U 14/94, WM 1995, 378; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 9a; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 199. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 199. 3 BGH v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, WM 1997, 1092 (1093) = BGHZ 135, 202 ff. = NJW 1997, 1917 ff.; OLG Celle v. 9.1.1991 – 3 U 54/90, WM 1991, 1412 (1414). 4 Heinrichs in Palandt, § 166 BGB Rz. 8; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 9a. 5 BGH v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, WM 1997, 1092 (1093); Baumbach/Hefermehl/ Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 9a. 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 205. 7 BGH v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, WM 1997, 1092 (1093). 8 OLG Karlsruhe v. 24.8.1994 – 6 U 14/94, WM 1995, 378 (379); KG v. 23.11.1994 – 24 U 1428/94, WM 1995, 241 (243); Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 9a. 9 BGH v. 29.9.1992 – XI ZR 265/91, WM 1992, 1849 = NJW 1992, 3235 ff. 10 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 19. 11 BGH v. 19.1.1993 – XI ZR 76/92, WM 1993, 541 (542) = NJW 1993, 1066 ff.
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anzuwenden1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist entsprechend dem Wortlaut des § 990 Abs. 1 BGB der Zeitpunkt des Erwerbs des Besitzes an der Scheckurkunde2. Dabei kommt es aber auch auf das Wissen des Angestellten an, dem der Scheck zur Prüfung und weiteren Bearbeitung zugeleitet worden ist. Denn die hierfür entscheidende Endgültigkeit des Willens zum Besitzerwerb ist erst eingetreten, wenn der zuständige Mitarbeiter den Scheck geprüft und den Inkassoauftrag angenommen hat3.
7.720
Für die Bösgläubigkeit der bezogenen Bank ist der Zeitpunkt der Einlösung maßgeblich. Dies ist in den zwischen der bezogenen Bank und dem Scheckaussteller vereinbarten Scheckbedingungen ausdrücklich klargestellt (Nr. 3 Abs. 2 Scheckbedingungen. Erst mit dieser Einlösung bringt die Bank den nach § 990 Abs. 1 BGB erforderlichen Besitzerwerbswillen zum Ausdruck. Erfolgt die Einlösung durch eine Belastung auf dem Girokonto des Scheckausstellers, dürfte der maßgebliche Zeitpunkt die Prüfung des Schecks, nicht aber das Wirksamwerden dieser Belastungsbuchung nach der zweitägigen „Stornierungs“frist der Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken sein.
2. Bösgläubigkeit der Bank
7.721
Die Bank kann sich bei der Hereinnahme oder der Einlösung eines Inhaberschecks grundsätzlich auf die (materielle) Berechtigung des Einreichers verlassen. Der Besitz der Scheckurkunde begründet nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen eine widerlegliche Vermutung für die materielle Berechtigung (sog. formelle Legitimation)4.
7.722
Bei einem auf den Namen lautenden (Order-)Scheck stellt dagegen der bloße Besitz noch keine Vermutung für die sachliche Berechtigung des Inhabers dar. Hinzu kommen muss, dass der Scheckinhaber sein Recht durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweist, wobei das Letzte ein Blankoindossament sein kann (Art. 19 ScheckG)5. Die Pflicht zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit dieser Indossamentenkette gemäß Art. 35 ScheckG ist in Abschnitt IV. 2 Abs. 2 des „Scheckabkommens“ auf die erste Inkassostelle verlagert worden. Dies ist jedoch im Verhältnis zwischen Scheckaussteller und bezogener Bank unerheblich6.
7.723
Nach der Rechtsprechung brauchen die Kreditinstitute grundsätzlich nicht zu prüfen, ob der durch den Urkundenbesitz formell legitimierte Einreicher auch
1 BGH v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, WM 1992, 792 (793) = BGHZ 117, 104 ff. = NJW 1992, 1099 f.; vgl. hierzu Waltermann, NJW 1993, 889 ff.; Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 199. 2 BGH v. 19.1.1993 – XI ZR 76/92, WM 1993, 541 (542). 3 BGH v. 19.1.1993 – XI ZR 76/92, WM 1993, 541 (542) = NJW 1993, 1066 ff. 4 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 19 ScheckG Rz. 1 iVm. Art. 21 ScheckG Rz. 2, 4; Zöllner, Wertpapierrecht, 15. Aufl. 2006, § 4 II. 5 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 19 ScheckG Rz. 1. 6 BGH v. 31.10.1995 – XI ZR 69/95, WM 1995, 2136 (2137).
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Scheckinkasso
sachlich berechtigt ist1. Die Inkassobank handelt bei der Hereinnahme eines Schecks bzw. die bezogene Bank bei der Einlösung grob fahrlässig, wenn die hiermit befassten Mitarbeiter die im bankkaufmännischen Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen des Einzelfalls in ungewöhnlich hohem Maße verletzt haben und das unbeachtet lassen, was jedem Bankangestellten hätte einleuchten müssen. Dies ist der Fall, wenn die im Zeitpunkt des Scheckerwerbs bekannten Umstände so ungewöhnlich und verdächtig erscheinen, dass die Bank sich bei einfachster Überlegung einer Erkundigungspflicht nicht entziehen kann, ohne sich nach der verständigen Auffassung der beteiligten Handelskreise dem Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens auszusetzen2. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit des § 276 Abs. 2 BGB erheblich übersteigt3. Dabei ist der massenhafte Empfang der Schecks und der auf schnelle Abwicklung ausgerichtete Massenverkehr zu berücksichtigen, der die Prüfungsmöglichkeiten der Bank erheblich einschränkt4.
7.724
Eine solche gesteigerte Prüfungspflicht der Bank besteht erst dann, wenn ganz besondere Umstände nach der Lebenserfahrung den Verdacht der fehlenden Scheckberechtigung ergeben5. Ob die fehlende Kenntnis von der mangelnden Verfügungsbefugnis des Scheckeinreichers auf grober Fahrlässigkeit der Inkassobank beruht, ist im Wesentlichen eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die auf einer Gesamtschau aller entscheidungserheblichen Umstände zu beruhen hat6. Der Nachprüfung unterliegt aber, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit oder die Sorgfalts- und Prüfungspflichten der Inkassobank bei der Hereinnahme des Schecks zum Einzug verkannt hat7. Die eine
7.725
1 BGH v. 7.12.1987 – II ZR 157/87, WM 1988, 147 (148) = BGHZ 102, 316 ff. = NJW 1988, 911 ff.; vgl. hierzu H. Schulz, JA 1988, 273 ff.; BGH v. 13.6.1988 – II ZR 295/87, WM 1988, 1296 (1297) = NJW 1988, 2798 f. Zur erhöhten Prüfpflicht bei der Diskontierung eines Verrechnungsschecks vgl. BGH v. 26.9.1995 – XI ZR 159/94, WM 1995, 1950 (1951) = NJW 1995, 3315 ff.; vgl. hierzu Schnauder, WM 1996, 1069 ff. 2 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 4, 9. Zur Frage der groben Fahrlässigkeit bei Hereinnahme abhanden gekommener, blanko-indossierter Orderverrechnungsschecks durch Kreditinstitute vgl. BGH v. 15.2.2000 – XI ZR 186/99, WM 2000, 812 ff. 3 BGH v. 29.9.1992 – XI ZR 265/91, WM 1992, 1849 = NJW 1992, 3235 ff.; BGH v. 10.5.1994 – XI ZR 212/93, WM 1994, 1203 (1204) = NJW 1994, 2093 f. Vgl. ferner OLG Celle v. 21.10.1992 – 3 U 280/91, WM 1993, 101 zur sorgfaltswidrigen Einlösung eines gefälschten Barschecks durch eine nicht kontoführende Filiale. 4 OLG Düsseldorf v. 4.11.1994 – 17 U 57/94, WM 1995, 524 (525); Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 8. 5 BGH v. 13.6.1988 – II ZR 295/87, WM 1988, 1296 (1297) = NJW 1988, 2798 f.; BGH v. 16.3.1993 – XI ZR 103/92, WM 1993, 736 = NJW 1993, 1583 ff.; OLG München v. 1.10.1997 – 7 U 3043/97, WM 1998, 2101. 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 194; BGH v. 15.2.2000 – XI ZR 186/ 99, WM 2000, 812 (813). 7 BGH v. 15.2.2000 – XI ZR 186/99, WM 2000, 812 (813); BGH v. 18.7.2000 – XI ZR 263/99, WM 2000, 1744 (1745).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Prüfungspflicht gemäß Art. 21 ScheckG begründenden Verdachtsumstände können sich insbesondere aus der Scheckurkunde selbst, aus der Person des Einreichers, aus der Ungewöhnlichkeit des Geschäfts und seiner Begleitumstände sowie aus sonstigen Auffälligkeiten im konkreten Sachverhalt ergeben1.
7.726
Eine ungewöhnlich hohe Schecksumme – im der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um einen Betrag über 100 000 DM (= 51 129 Euro) –, ist nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht allein noch kein Umstand, der für die Begründung eines Verdachts ausreichend ist und der die Bank zur Überprüfung der sachlichen Berechtigung des Einreichers verpflichten könnte. Ein entsprechende hoher Betrag kann jedoch, wenn er zu den der Bank bekannten Verhältnissen des Einreichers nicht passt, zusammen mit weiteren Begleitumständen den Verdacht begründen, dass der Scheck abhanden gekommen sein könnte2.
7.727
Auch die Verschiedenheit von Einreicher und erstem Schecknehmer (Disparität) genügte nach der früheren BGH-Rechtsprechung alleine noch nicht, um eine Prüfungspflicht der Bank gemäß Art. 21 ScheckG begründen zu können3. Diese Rechtsprechung ging davon aus, dass es jedenfalls im kaufmännischen Verkehr nicht ungewöhnlich sei, wenn der erste Schecknehmer den Scheck nicht sogleich zum Einzug einreiche, sondern ihn zahlungshalber weitergebe4. Diese Annahme ist vom Schrifttum als unzutreffend angesehen worden5. Diese Kritik im Schrifttum6 wäre geeignet, der bisherigen Beurteilung der Fahrlässigkeit bei der Hereinnahme sog. disparischer Schecks den Boden zu entziehen. Es müsste dann die Verfügungsberechtigung durch Rückfrage beim Schecknehmer oder beim Scheckaussteller intensiver als bisher geprüft werden, um den Vorwurf einer grob fahrlässigen Hereinnahme des Schecks zu vermeiden7. Die Bedeutung der Disparität zwischen Scheckeinreicher und Schecknehmer für den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gegenüber einer Inkasso1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 220 ff.; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 8. Zur grob fahrlässigen Hereinnahme eines kaufmännischen Schecks auf das Konto eines Minderjährigen vgl. OLG Celle v. 5.7.1995 – 3 U 226/94, WM 1995, 1912. 2 BGH v. 16.3.1993 – XI ZR 103/92, WM 1993, 736 = NJW 1993, 1583 ff.; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 61 Rz. 244. 3 BGH v. 16.3.1993 – XI ZR 103/92, WM 1993, 736 (737). 4 BGH v. 16.3.1993 – XI ZR 103/92, WM 1993, 736 (737). 5 Vgl. BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 58/95, WM 1996, 248 (249) = NJW 1996, 657. Hierzu K. Schmidt, JuS 1996, 556 f.; Bülow, WM 1997, 10 ff.; BGH v. 4.11.1997 – XI ZR 270/ 96, WM 1997, 2395 = NJW-RR 1998, 255 f.; vgl. weiter LG Frankfurt v. 2.7.1998 – 2/24 S 317/97, WM 1998, 2102; LG Leipzig v. 29.6.1998 – 3 HKO 6569/97, WM 1998, 2105. 6 Aden, NJW 1994, 413 (416). 7 BGH v. 12.12.1995 – XI ZR 58/95, WM 1996, 248 (249); Nobbe in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 61 Rz. 2461. Zu den Bedenken der Rückwirkung einer geänderten BGHRechtsprechung aus der Sicht des rechtsstaatlichen Prinzips der Rechtssicherheit vgl. OLG Düsseldorf v. 23.10.1996 – 11 U 23/96, NJW-RR 1997, 496 (497). Vgl. weiter Bülow, NJW 1997, 10 ff.
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Scheckinkasso
bank hängt also entscheidend davon ab, ob es im kaufmännischen Geschäftsverkehr üblich ist, Schecks zahlungshalber weiterzugeben. Damit werden die Prüfungspflichten der Inkassobank durch die rechtstatsächlichen Gegebenheiten im kaufmännischen Geschäftsverkehr bestimmt. Sie hängen deshalb nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung insbesondere davon ab, ob die Weitergabe von Inhaber- oder vom ersten Schecknehmer blanko-indossierter Orderverrechnungsschecks üblich ist oder nicht vorkommt1. Die bekannt gewordene Meinungsumfrage der Industrie- und Handelskammern Karlsruhe und Stuttgart zu der Frage, ob die Weitergabe von Inhaberschecks zahlungshalber im kaufmännischen Verkehr üblich ist, ist nach Ansicht des BGH aber keine geeignete Grundlage für die Beurteilung der allein maßgeblichen tatsächlichen Praxis2. Zur Beurteilung hat ein Gericht im konkreten fall deshalb eine auf den Zeitpunkt der Scheckeinreichung bezogene Auskunft der Deutschen Industrie- und Handelstages oder ein Scheckverständigengutachten einzuholen. Die hierzu erforderliche Befragung von Kaufleuten, die selbst Inhaberoder Orderverrechnungsschecks ausstellen und entgegennehmen, muss sich auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken, um eine sichere Erkenntnisgrundlage zu bilden3. Die Disparität kann jedoch im Einzelfall durchaus ein für die Prüfungspflicht gemäß Art. 21 ScheckG ausreichendes Verdachtsmoment sein. Eine Inkassobank handelt deshalb grob fahrlässig, wenn ein Inhaberverrechnungsscheck aus dem kaufmännischem Geschäftsverkehr, als dessen Scheckbegünstigter der Arbeitgeber des Einreichers bezeichnet ist, zum Inkasso über ein privates Girokonto eingereicht wird4.
7.728
3. Mitverschulden des Scheckberechtigten (§ 254 BGB) Ein Mitverschulden von Hilfspersonen muss sich der geschädigte Scheckberechtigte gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Ein Entlastungsbeweis gemäß § 831 BGB wird regelmäßig ausgeschlossen sein. Ist die Inkassobank bei der Hereinnahme des Schecks bösgläubig, wird ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 985 ff. BGB) und damit eine rechtliche Sonderverbindung begründet, auf die § 278 BGB entsprechend anwendbar ist5. Ein solches Mitverschulden liegt in der fehlenden organisatorischen und personellen Trennung von Buchhaltung und Scheckeinzug6. Auch muss der Geschädigte den Scheck sofort 1 BGH v. 15.2.2000 – XI ZR 186/99, WM 2000, 812 (814). Diese Rechtsprechung gilt auch für den Erwerb solcher Schecks durch sonstige Kaufleute (BGH v. 18.7.2000 – XI ZR 263/99, WM 2000, 1744 [1745]); vgl. weiter BGH v. 17.7.2001 – XI ZR 362/00, WM 2001, 1666; Saarländisches OLG v. 17.4.2001 – 7 U 854/98-149). 2 BGH v. 4.11.1997 – XI ZR 270/96, WM 1997, 2395 (2396). 3 BGH v. 15.2.2000 – XI ZR 186/99, WM 2000, 812 (814). 4 BGH v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, WM 1997, 1092 (1093) = BGHZ 135, 202 ff. = NJW 1997, 1917 ff.; BGH v. 4.11.1997 – XI ZR 270/96, WM 1997, 2395. 5 BGH v. 16.1.1979 – VI ZR 243/76, NJW 1979, 973; KG v. 23.11.1994 – 24 U 1428/94, WM 1995, 241 (245). 6 OLG Celle v. 5.7.1995 – 3 U 226/94, WM 1995, 1913; Nobbe in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 61 Rz. 295 mwN.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
sperren lassen, wenn der Verdacht besteht, dass er in falsche Hände geraten ist1.
7.730–7.740
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs 7.741
Die zunehmende Automatisierung erfasst insbesondere auch den konventionellen Zahlungsverkehr, zu dem die Überweisung sowie das Inkasso von Lastschriften und Schecks gehören. Hierzu sind unter Mitwirkung der Spitzenverbände der Kreditwirtschaft und der Bundesbank Abwicklungsverfahren entwickelt worden, bei denen die elektronische Technik genutzt werden kann, um die massenhaft anfallenden Geschäftsvorgänge bewältigen zu können2. Auch bei der Ausführung der Inkassoaufträge für Lastschriften und Schecks dominiert die beleglose Abwicklung der Zahlungsvorgänge, wie sie für die zwischenzeitlich neu geschaffenen Zahlungsverkehrsmedien typisch sind. Bei diesem Abwicklungsverfahren handelt es sich um den Datenträgeraustausch und die Datenfernübertragung.
7.742
Als rechtliche Grundlage des bargeldlosen Datenträgeraustausches im Interbankenverhältnis wurde im Jahre 1976 zwischen den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft die „Vereinbarung über die Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch“ (Magnetband-Clearing-Verfahren) geschlossen. Diese Vereinbarung wurde im Jahre 1998 unter Teilnahme der Deutschen Bundesbank durch die „Vereinbarung über den Datenaustausch in der zwischenbetrieblichen Abwicklung des Inlandszahlungsverkehrs“ (Clearing-Abkommen) ersetzt. Hiernach verpflichten sich die Kreditinstitute, Zahlungsverkehrsaufträge des Inlandszahlungsverkehrs in der zwischenbetrieblichen Abwicklung beleglos mittels Datenfernübertragung (DFÜ) oder Datenträger nach Maßgabe dieser Vereinbarung zu übermitteln, sofern in dem Abkommen über den Einzug von Schecks nichts anderes geregelt ist. Für die einzelnen Zahlungsverkehrsarten sind daneben die Regelungen des Überweisungsabkommens, des Lastschriftabkommens und der Abkommen zum Scheckverkehr zu beachten. So bestimmt die Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 des Überweisungsabkommens, dass bei Überweisungen ab 15 000 Euro, die nicht im Rahmen des normalen Geschäftsverkehrs liegen oder gegen deren Ordnungsmäßigkeit im Einzelfall Bedenken bestehen, vom Kreditinstitut des Empfängers erwartet wird, dass es durch das erstbeauftragte Institut bei dem Kontoinhaber zurückfragt. Hierbei
1 BGH v. 19.1.1993 – XI ZR 76/92, WM 1993, 541 (544) = NJW 1993, 1066 ff.; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 7. 2 Beim Abschluss der hierzu getroffenen Abkommen und Richtlinien durch die kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände handeln diese als Bevollmächtigte der ihnen angeschlossenen Mitgliedsinstitute (BGH v. 14.1.2003 – XI ZR 154/02, WM 2003, 430 [432]).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
sperren lassen, wenn der Verdacht besteht, dass er in falsche Hände geraten ist1.
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Einstweilen frei.
5. Abschnitt Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs 7.741
Die zunehmende Automatisierung erfasst insbesondere auch den konventionellen Zahlungsverkehr, zu dem die Überweisung sowie das Inkasso von Lastschriften und Schecks gehören. Hierzu sind unter Mitwirkung der Spitzenverbände der Kreditwirtschaft und der Bundesbank Abwicklungsverfahren entwickelt worden, bei denen die elektronische Technik genutzt werden kann, um die massenhaft anfallenden Geschäftsvorgänge bewältigen zu können2. Auch bei der Ausführung der Inkassoaufträge für Lastschriften und Schecks dominiert die beleglose Abwicklung der Zahlungsvorgänge, wie sie für die zwischenzeitlich neu geschaffenen Zahlungsverkehrsmedien typisch sind. Bei diesem Abwicklungsverfahren handelt es sich um den Datenträgeraustausch und die Datenfernübertragung.
7.742
Als rechtliche Grundlage des bargeldlosen Datenträgeraustausches im Interbankenverhältnis wurde im Jahre 1976 zwischen den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft die „Vereinbarung über die Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch“ (Magnetband-Clearing-Verfahren) geschlossen. Diese Vereinbarung wurde im Jahre 1998 unter Teilnahme der Deutschen Bundesbank durch die „Vereinbarung über den Datenaustausch in der zwischenbetrieblichen Abwicklung des Inlandszahlungsverkehrs“ (Clearing-Abkommen) ersetzt. Hiernach verpflichten sich die Kreditinstitute, Zahlungsverkehrsaufträge des Inlandszahlungsverkehrs in der zwischenbetrieblichen Abwicklung beleglos mittels Datenfernübertragung (DFÜ) oder Datenträger nach Maßgabe dieser Vereinbarung zu übermitteln, sofern in dem Abkommen über den Einzug von Schecks nichts anderes geregelt ist. Für die einzelnen Zahlungsverkehrsarten sind daneben die Regelungen des Überweisungsabkommens, des Lastschriftabkommens und der Abkommen zum Scheckverkehr zu beachten. So bestimmt die Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 des Überweisungsabkommens, dass bei Überweisungen ab 15 000 Euro, die nicht im Rahmen des normalen Geschäftsverkehrs liegen oder gegen deren Ordnungsmäßigkeit im Einzelfall Bedenken bestehen, vom Kreditinstitut des Empfängers erwartet wird, dass es durch das erstbeauftragte Institut bei dem Kontoinhaber zurückfragt. Hierbei
1 BGH v. 19.1.1993 – XI ZR 76/92, WM 1993, 541 (544) = NJW 1993, 1066 ff.; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 21 ScheckG Rz. 7. 2 Beim Abschluss der hierzu getroffenen Abkommen und Richtlinien durch die kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände handeln diese als Bevollmächtigte der ihnen angeschlossenen Mitgliedsinstitute (BGH v. 14.1.2003 – XI ZR 154/02, WM 2003, 430 [432]).
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7. Teil
Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs
handelt es sich aber um eine bloße Sollvorschrift, die für die beteiligten Kreditinstitute keine Vertragspflicht begründet1. Im Übrigen sehen die für die Abwicklung der einzelnen Zahlungsverfahren einschlägigen Abkommen, wie das Überweisungs-, Lastschrift- oder Scheckabkommen die Umwandlung beleghaft erteilter Aufträge in Datensätze und die daran anschließende beleglose Verarbeitung vor. Die von der Kreditwirtschaft vereinbarten Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch enthalten regelmäßig Regelungen über die Haftung der am Zahlungsvorgang beteiligten Kreditinstitute. Soweit dabei die Abtretung von Schadenseratzansprüchen ausgeschlossen wird, gilt dieses Abtretungsverbot nicht für Rückerstattungsansprüche gegen die Empfängerbank aus einer weisungswidrigen Gutschriftserteilung2.
7.743
I. Datenträgeraustausch Zur Rationalisierung des Zahlungsverkehrs nehmen die Kreditinstitute von hierzu zugelassenen Kunden auch Datenträger in Gestalt von Magnetbändern, Disketten und Kassetten entgegen (sog. Magnetband[Disketten/Kassetten]Clearing-Verfahren)3. Hierbei handelt es sich um der Bank erteilte Ausführungsaufträge für Überweisungen und Lastschriften. Zu einem solchen Datenträgeraustausch kommt es auch, wenn die Bank dem Kunden Datenträger mit eingegangenen Buchgeldzahlungen aushändigt.
7.744
Jedem Datenträger ist ein Auftrag in Form eines besonderen Begleitzettels beizufügen, der bestimmte Mindestangaben enthalten muss und die Funktion eines Sammelüberweisungs- oder -einziehungsauftrages über die Gesamtsumme aller Überweisungen bzw. Lastschriften hat. Der Kunde hat die Kontonummer des Empfängers bzw. Zahlungspflichtigen und die Bankleitzahl des endbegünstigten Kreditinstuts bzw. der Zahlstelle zutreffend anzugeben. Die in die Abwicklung des Zahlungsauftrages eingeschalteten Kreditinstitute sind berechtigt, die Bearbeitung ausschließlich anhand dieser numerischen Angaben vorzunehmen. Fehlerhafte Angaben können Fehlleitungen des Zahlungsauftrages zur Folge haben. Schäden und Nachteile, die hieraus entstehen, gehen zu Lasten des Kunden.
7.745
Bei der Auslieferung des Datenträgers werden die darauf enthaltenen Belastungen bzw. Gutschriften unter Verzicht auf Einzelbelege in Form einer Sammelbuchung auf das Konto des Kunden gebucht. Die Einzelheiten des Rechtsverhältnisses zwischen Kunde und Bank werden in besonderen Geschäftsbedingungen geregelt (Bedingungen für die Beteiligung von Kunden am automa-
7.746
1 BGH v. 9.5.2000 – XI ZR 276/99, WM 2000, 1379 (1380); OLG Düsseldorf v. 26.2.1999 – 17 U 155/98, WM 1999, 1363 (1364). 2 BGH v. 12.10.1999 – XI ZR 294/98 WM 1999, 2255. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 526 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
tisierten Zahlungsverkehr durch beleglosen Datenträgeraustausch „mittels Magnetbändern/mittels Disketten“)1.
II. Datenfernübertragung
7.747
Der ständig zunehmende Einsatz von PC hat dazu geführt, dass Firmenkunden zunehmend eine Datenkommunikation im Wege der Datenfernübertragung (DFÜ) wünschen. Insbesondere Zahlungsverkehrsaufträge können auf diesem Wege ohne Datenträger übermittelt werden. Hierzu wird durch den sog. Scanner ein Abbild des Überweisungsträgers (sog. Image) hergestellt.
7.748
Die Spitzenverbände des Kreditgewerbes und die ehemalige Deutsche Bundespost haben daher gemeinsam ein Verfahren entwickelt, das der Kundschaft die Datenfernübertragung von Zahlungsverkehrsaufträgen an die jeweilige Hausbank unter Einsatz eines Personal-Computers ermöglicht (ZahlungsverkehrDatenfernübertragung – ZV-DFÜ). Hierzu ist im Dezember 2001 eine „Vereinbarung über den beleglosen Datenaustausch in der zwischenbetrieblichen Abwicklung des Inlandszahlungsverkehrs“ (Clearingabkommen) abgeschlossen worden, dessen aktuelle Fassung seit 28.1.2008 gilt. Dieses Verfahren kann auch für die elektronische Übermittlung von Kontoauszugsdaten an den Kontoinhaber genutzt werden. Im Verhältnis des Kunden zu seiner kontoführenden Bank gelten die „Bedingungen für Datenfernübertragung“ (DFÜ).
III. Überleitung belegbegleiteter Überweisungs- und Lastschrifteinzugsaufträge in die beleglose Zahlungsverkehrsabwicklung2
7.749
Seit dem EZÜ-Abkommen vom April 1984 und dem EZL-Abkommen vom Oktober 1987 ist es den Kreditinstituten möglich, fast alle beleghaft erteilten Überweisungs- und Lastschrift-Inkassoaufträge in die beleglose Abwicklung des Zahlungsverkehrs einzubeziehen. Beide Abkommen existieren allerdings nicht mehr, sondern sind in das Überweisungs- und das Lastschriftabkommen integriert worden. Das vom Kunden eingereichte Datenmaterial wird entweder durch ein Schriftenlesesystem oder durch manuelle Datenerfassung über Terminals auf EDV-Medien erfasst und im Abrechnungsverkehr zwischen den Kreditinstituten beleglos abgewickelt3. Die Überleitung des beleg1 Nach dem OLG Köln v. 11.10.1988 – 25 U 26/87, WM 1989, 93 (94) handelt es sich auch bei den „Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch“ um AGB, soweit sie Bestandteil des Girovertrages zwischen Bankkunde und kontoführender Bank sind. 2 Reiser, WM 1990, 745. 3 Die von den eingereichten Belegen übernommenen Daten werden derzeit noch ganz überwiegend auf Datenträger übernommen (Magnetband-Clearing-Verfahren), die dann weitergeleitet werden. In seltenen Fällen erfolgt aber auch schon der Datentransport rein elektronisch über die Leitungsnetze der Telekom oder anderer Dienstleister.
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Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs
haft überlassenen Materials in beleglose Datensätze ist jetzt zwingend vorgesehen, während es den Kreditinstituten im EZÜ1- und EZL2-Abkommen noch freigestellt war, ob sie beleghaft erteiltes Material in beleglose Datensätze „wandeln“. Die Regelungen in Zahlungsverkehrsabkommen zur Überführung beleghaft erteilten Materials in beleglose Datensätze bilden die vertragliche Grundlage für das technische Abwicklungsverfahren im zwischenbetrieblichen Zahlungsverkehr. In der Vertragsbeziehung zwischen dem Kunden und seinem beauftragten Institut sind diese Regelungen in den Abkommen freilich grundsätzlich unbeachtlich3.
7.750
1. EZÜ-Verfahren4 Bei der manuell oder durch das Schriftenlesesystem erfolgenden Erfassung der Daten können Fehler nicht völlig ausgeschlossen werden. Das Überweisungsabkommen enthält daher in Nr. 5 Abs. 3 eine Regelung über die Haftung der am Zahlungsvorgang beteiligten Kreditinstitute. Diese Risikoverteilung orientiert sich an der Rechtsprechung zur Haftung der Kreditinstitute für Fehlbuchungen auf Grund widersprüchlicher Angaben über den Überweisungsempfänger (Buchgeldempfänger)5.
7.751
Nach der BGH-Rechtsprechung ist im beleghaften Zahlungsverkehr nicht die angegebene Kontonummer, sondern der Name des im Auftrag genannten Zahlungsempfängers maßgeblich6. Das kontoführende Kreditinstitut des Überweisungsbegünstigten prüft daher manuell die im beleghaften Auftrag angegebene Kontonummer und die in Klarschrift angegebene Bezeichnung des Kontoinhabers gemäß der angegebenen Kontonummer auf Übereinstimmung (sog. Kontonummer/Namensvergleich, auch Kontoanrufsprüfung ge-
7.752
1 2 3 4
EZÜ ist die Abkürzung für „Elektronischer Zahlungsverkehr mit Überweisungen“. EZL ist die Abkürzung für „Elektronischer Zahlungsverkehr mit Lastschriften“. Reiser, WM 1990, 745 (746). Das ursprüngliche EZÜ-Abkommen ist abgedruckt in WM 1990, 786. Dieses Abkommen ist zwischenzeitlich in das Abkommen zum Überweisungsverkehr integriert worden, dessen Wortlaut in Schimansky/Bunte/Lwowski, Anh. 3 zu §§ 52–55 abgedruckt ist. Zur Rechtsnatur der in der Nr. 3 Abs. 1 dieses neuen Abkommens vorgesehenen Rückfrage der Empfängerbank bei der erstbeauftragten Bank vgl. OLG Düsseldorf v. 26.2.1999 – 17 U 155/98, WM 1999, 1363 (1364). 5 Reiser, WM 1990, 745 (746). 6 BGH v. 9.7.1991 – XI ZR 72/90, WM 1991, 1452 (1458); BGH v. 8.10.1991 – XI ZR 207/90, WM 1991, 1912 (1913). Dagegen ist die Frage, ob die Bezeichnung des Kontoinhabers oder die angegebene Kontonummer maßgeblich ist, für den beleglosen Überweisungsverkehr mittels Datenträgeraustausch oder auf elektronischem Wege nach wie vor nicht abschließend geklärt (ausdrücklich offen lassend BGH v. 13.6.1983 – II ZR 226/82, WM 1983, 834). Dagegen haben das OLG Hamm (v. 22.2.1978 – 20 U 267/ 77, WM 1979, 339 [341]) und das OLG Köln (v. 11.10.1988 – 25 U 26/87, WM 1989, 93 [94 f.]; v. 8.5.1990 – 22 U 299/89, WM 1990, 1963 [1964]) die Ansicht vertreten, dass im beleglosen Verfahren die Maßgeblichkeit der Kontonummer mit dem Kunden wirksam vereinbart werden kann.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
nannt), um Haftungsrisiken zu vermeiden. Dieser Rechtsprechung ist jedoch durch § 675r BGB, der es einem Zahlungsdienstleister erlaubt, Zahlungsaufträge alleine anhand einer vom Zahlenden angegebenen Kundenkennung zu bearbeiten, überholt, sodass jetzt, sofern nicht ausnahmesweise ein etwas abweichendes vereinbart worden ist, die in eine Zahlung eingebundenen Zahlungsdienstleister keinen Kontonummer-Namensvergleich mehr durchführen müssen und alleine anhand der Kundenkennung die Ausführung vornehmen dürfen.
7.753
Allerdings sieht das derzeit aktuelle Überweisungsabkommen in Nr. 3 Abs. 2 noch die Verpflichtung des Kreditinstituts des Begünstigten vor, bei EZÜÜberweisungen einen Kontonummer-Namensvergleich durchzuführen. Im Interesse eines gerechten Ausgleichs der aus der Datenerfassung resultierenden Haftungsrisiken ist deshalb im EZÜ-Verfahren die Haftung zwischen dem schadensverursachenden Institut und dem zum Kontonummer/Namensvergleich verpflichteten Institut des Überweisungsbegünstigten nach Maßgabe der denkbaren Fehlerquellen verschieden aufgeteilt. Grundgedanke war dabei, dass der durch das beleglose Überweisungsverfahren erzielte Rationalisierungserfolg vor allem beim kontoführenden Kreditinstitut des Überweisungsbegünstigten zu Buche schlägt1. Allerdings stellt sich die Frage, welche Bedeutung diese Regelung im Überweisungeabkommen im Lichte des § 675r BGB noch hat. Ist, wie sich aus § 675r Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt, die Ausführung einer Zahlung nur anhand der Kundenkennung zulässig, kann aus der unterlassenen Ausführung des Kontonummer-Namensvergleichs kein Schaden resultieren, da es bei einer Ausführung anhand der Kundenkennung zu keinem Schaden mehr kommen kann, den eines der beteiligten Institute dem Zahler oder dem Zahlungsempfänger zu ersetzen hätte. Damit ist die bezeichnete Verpflichtung mittlerweile sanktionslos. Gleichwohl ist sie nicht bedeutungslos, denn auch wenn die Zahlungsdienstleister zur Bearbeitung eines Zahlungsauftrags anhand der Kundenkennung berechtigt sind, ändert dies nichts daran, dass der Überweisende nich an den Inhaber der Kundenkennung, sondern an einen betimmten Empfänger Zahlungen leisten möchte. Die Durchführung de Kontonummer-Namensvergleichs ist deshalb in tatsächlicher Hinsicht geeignet, die Fehlleitung von Zahlungsaufträgen zu verhindern. Sollte eine Institut eine Diskrepanz zwischen Kundenkennung und angegebenem Empfänger feststellen, ist auch weiterhin die Empfängerbezeichnung maßgeblich. Die Regelung in § 675r BGB führt nicht dazu, dass der Inhaber der Kundenkennung zum Berechtigten der Überweisung wird, sondern soll nur den Kreditinstituten eine schnellere Ausführung durch eine vereinfachte Verarbeitung erlauben, um die sich aus § 675s BGB ergebenden Fristen einhalten zu können. Aus § 675r BGB resultiert nur eine Risikoverlagerung, die Regelung führt aber nicht dazu, dass eine eigentlich Unberechtigter zum Berechtigten aus einer Zahlung wird.
7.754
Zur weiteren Rationalisierung der Abwicklung papiergebundener Überweisungsaufträge haben die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft und die Bundes1 Reiser, WM 1990, 745 (746).
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7. Teil
Automatisierung des konventionellen Zahlungsverkehrs
bank das Anfang 1993 in Kraft getretene „Abkommen über die Umwandlung beleghafter Überweisungen (Gutschriftsträger) mit prüfziffergesicherten Verwendungszweckangaben in Datensätze mittels Codierzeilenlesung und deren weitere Bearbeitung“ (BZÜ-Abkommen) geschlossen. Auch dieses Abkommen ist zwischenzeitlich in das Überweisungsabkommen integriert worden. Im BZÜ werden wie im EZÜ die Daten der Codierzeile auf EDV-Medien erfasst und im Verrechnungsverkehr zwischen den Kreditinstituten beleglos weitergeleitet (sog. Magnetband-Clearing-Verfahren). Hierdurch soll der Anteil beleglos weitergeleiteter Zahlungen zum Vorteil des Zahlungsempfängers und des Kreditgewerbes weiter gesteigert werden. Firmen und öffentliche Kassen, die in größerem Umfang Zahlungseingänge zu empfangen haben, können für das BZÜ-Verfahren standardisierte neutrale Überweisungs- oder Zahlscheinvordrucke mit „prüfziffergesicherten“ Zuordnungsdaten an ihre zahlungspflichtigen Kunden ausgeben. Das erstbeteiligte Institut hat auf Grund einer speziellen Textschlüsselkennzeichnung vor Überführung der jeweiligen Zahlung in das BZÜ-Verfahren eine Prüfzifferkontrolle der im Mehrzweckfeld der Codierzeile enthaltenen Daten nach dem vorgegebenen Verfahren durchzuführen. Für den Zahlungsempfänger ergibt sich der Vorteil, den einzelnen Zahlungsvorgang nach den von ihm selbst vorgegebenen internen Daten einwandfrei zuordnen zu können.
2. EZL-Verfahren1 Auch das Abkommen über den Lastschriftverkehr enthält unter Nr. 3 eine Regelung über die elektronische Verarbeitung bleghaft eingereichter Lastschriften. Im Unterschied zum Überweisungsverkehr ist aber beim Lastschriftverfahren die Gefahr eines Geldverlustes wesentlich geringer. Denn bei Überweisungen ist es bei einer irrtümlichen Gutschriftserteilung nicht in jedem Falle möglich, das Geld vom Kontoinhaber zurückzubekommen; zumindest sind hiermit erhebliche Mühen und Kosten verbunden. Beim Lastschriftverfahren besteht insoweit eine wesentlich andere Ausgangssituation. Hier kann der zu Unrecht belastete Kunde die Kontobelastung beanstanden und unverzüglich valutagerechte Wiedergutschrift verlangen.
7.755
7.756–7.760
Einstweilen frei.
1 Abgedruckt in WM 1990, 787. Dieses Abkommen ist zwischenzeitlich in das Abkommen zum Überweisungsverkehr integriert worden. Wegen des Wortlauts vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, Anh. 3 zu §§ 52–55.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
6. Abschnitt Kontobezogenes Online-Banking1 (Direkt-/Homebanking) 7.761
Das Online-Banking-Verfahren eröffnet einem Zahlungsdienstnutzer die Möglichkeit, mit seinem Zahlungsdienstleister in einen direkten elektronischen Dialog zu treten, um die von ihm angebotenen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Im Unterschied zum ec-Geldautomatensystem und dem electronic cash-System handelt es sich beim Online-Banking aber um kein kartengesteuertes Verfahren. Bei der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen wird kein anderes Zahlungsinstitut eingeschaltet, wie dies insbesondere bei der Benutzung des ec-Geldautomaten eines anderen Kreditinstitutes der Fall ist. Eine Parallele zum Online-Banking ergibt sich insoweit nur bei der Benutzung des bankeigenen Geldautomaten. Während für die Barabhebung am bankeigenen Geldautomaten mit Kreditkarte oder Zahlungskarte bereits die Persönliche Geheimzahl (PIN) genügt, bedarf es bei der Abwicklung von Bankgeschäften mittels Online-Banking neben der PIN jeweils noch einer Transaktionsnummer (TAN).
7.762
Der Zahlungsdienstnutzer kann die technische Verbindung zum Online-Banking-Angebot der Bank nur über den Zugangskanal herstellen, der ihm von seinem Zahlungsdienstleister mitgeteilt wird. Zunächst diente hierfür das sog. Bildschirmtext-(Btx-)Verfahren. Hier wurden die Aufträge und Weisungen in den PC des Kunden eingegeben und durch einen Decoder auf dem Bildschirm sichtbar gemacht. Sodann erfolgt mittels eines Modems die Dateneingabe in das Telefonnetz der Telekom (T-Online), mit dem die Daten unmittelbar an den Zentralrechner der Bank weitergeleitet werden konnten. Das T-Online-Verfahren ist aber zwischenzeitlich eingestellt worden.
7.763
Das Btx-/T-Online-Verfahren wie auch das HBCI-Verfahren gehören zum „Direktbanking“. Mit diesem unscharfen Begriff sind solche bankmäßigen Geschäftsverbindungen gemeint, bei denen die Kommunikation zwischen dem Bankkunden und seinem Kreditinstitut nicht mehr persönlich am Bankschalter erfolgt. Für die Kundenaufträge werden vielmehr Telefon, Telefax oder die modernen Teledienste benutzt.
I. Einführung des Bildschirmtext-(Btx-)Verfahrens 1984
7.764
Das Online-Banking im engeren Wortsinne wurde Mitte der 1980er Jahre in Gestalt des Bildschirmtext-(Btx-)Verfahrens eingeführt. Die Spitzenverbände des Kreditgewerbes und die ehemalige Deutsche Bundespost haben hierzu ein 1 Für das Online-Banking in Gestalt des Btx-Verfahrens vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527ee ff.; G. Schneider, Die Geschäftsbeziehungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990; Gößmann in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 55; Hellner in FS Werner, 1984, S. 251 (258 ff.); Birkelbach, Onlinebanking – Bankgeschäfte rund um die Uhr, Köln 1998; Lange, Internet Banking, 1998; Zietsch, Die Haftung im Telefon-Banking-Verkehr, 1998.
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7. Teil
Kontobezogenes Online-Banking (Direkt-/Homebanking)
„Abkommen über Bildschirmtext“ abgeschlossen. Damit ist den angeschlossenen Kreditinstituten ein „Konzept für die Absicherung des Benutzerzugangs zur kontobezogenen Bildschirmtext-Anwendung (Btx-Sicherungskonzept)“ verbindlich vorgeben worden. Die Vertragspartner haben gleichzeitig „Muster-Bedingungen über die Nutzung von Bildschirmtext“ erarbeitet. Diese Bedingungen sind den angeschlossenen Kreditinstituten als Vertragsgrundlage für die Rechtsbeziehungen zu ihren Kunden empfohlen worden. Sie sind seit dem wiederholt neu gefasst worden und liegen jetzt als „Online-Banking-Bedingungen“ in einer Fassung aus dem Jahre 2009 vor.
7.765
II. Institutsspezifisches Leistungsangebot der Kreditwirtschaft Im Unterschied zu den kartengesteuerten Zahlungssystemen fehlt es im Online-Banking an einem einheitlichen Leistungsangebot der Institute. Ganz überwiegend werden Dienstleistungen aus dem Girogeschäft angeboten, insbesondere die Erteilung von Überweisungs- und Daueraufträgen sowie Lastschriftabbuchungsaufträge, Bestellung von Scheck-Vordrucken sowie die Eröffnung weiterer Konten. Zu den sonstigen Leistungen gehören insbesondere die Bestellung von Reiseschecks und ausländischen Zahlungsmitteln (Sorten). Das Spektrum der Informationsangebote umfasst die Abfrage des Guthabens und der Umsätze auf den Konten und Depots sowie von Wertpapier- und Devisenkursen.
7.766
Die Inanspruchnahme dieses Leistungsangebots setzt eine besondere Absprache zwischen Zahlungsdienstleister und seinem und Kunden voraus. Sie beinhaltet eine Vereinbarung über die Benutzbarkeit eines bestimmten Kommunikationsmediums für den Geschäftsverkehr mit dem Zahlungsinstitut. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Zuverlässigkeit des Kunden, weil der Zugang zu dem Leistungsangebot bereits durch die Kenntnis der Kontonummer sowie der Persönlichen Identifikationsnummer (PIN) und einer Transaktionsnummer (TAN) möglich ist.
7.767
Soweit sich das Leistungsangebot auf das Girogeschäft bezieht, handelt es sich bei der Vereinbarung mit dem Kunden um eine Nebenabrede zu dem Girovertrag1. Sie begründet eine Reihe besonderer gegenseitiger Pflichten2.
7.768
III. Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Nutzers Das Online-Banking-Verfahren erfolgt beleglos. Das Sicherungskonzept des Verfahrens legt deshalb besonderen Wert auf die zweifelsfreie Identifizierung 1 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 15. 2 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 31 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
des Nutzers1. Auch muss sichergestellt sein, dass bei Verfügungen, die im traditionellen Geschäftsverkehr eine Unterschrift des Kunden als Sicherungsvorkehrung erfordern, Missbrauchs- und Manipulationsmöglichkeiten weitgehend ausgeschaltet sind, denn der Zahlungsdienstleiter muss darauf achten, dass er bei Ausführung der über das Online-Banking erteilten Aufträge und mit schuldbefreiender Wirkung leistet, damit er hieraus einen wirksamen Aufwendungserstattungsanspruch (§ 670 BGB) erlangt.
7.770
Jedem Kunden wird eine individuelle Zahl, die sog. persönliche Identifikationsnummer (PIN) zugeordnet. Die PIN werden so erstellt, dass auch die Mitarbeiter der ausgebenden Institute sie nicht in Erfahrung bringen können. Der Kunde erhält die Merkmale deshalb in sog. Blinddruckbriefen, die in einer EDV-Anlage hergestellt werden. Der Kunde kann außerdem seine PIN jederzeit selbst ändern, ohne hierzu verpflichtet zu sein2.
7.771
Die Kenntnis der PIN gewährt im Übrigen auch nur die Möglichkeit, Kenntnis über den aktuellen Kontosaldo zu erlangen. Selbst bei Kenntnis der PIN ist ein Nichtberechtigter nicht in der Lage, Verfügungen über das Kontoguthaben vorzunehmen. Denn zusätzlich zur PIN erhält der Kunde sog. Transaktionsnummern (TAN), mit denen der einzelne Auftrag zuverlässig identifiziert werden kann. Für den Fall, dass ein unberechtigter Dritter die PIN in Erfahrung bringt, muss der Kunde bei Kontoverfügungen und sonstigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen gegenüber seinem Institut jeweils zusätzlich eine Transaktionsnummer eingeben. Sie ist nur einmal verwendbar. Der Kunde erhält hierzu von seinem Zahlungsdienstleister einen Vorrat von solchen Transaktionsnummern, die ohne jeden logischen Zusammenhang ausgewählt werden. Mittlerweile ist es jedoch nicht mehr üblich, TAN-Briefe zu verschicken, auf denen eine Vielzahl an einmal verwendbarer TAN ohne zusätzliche Merkmale aufgedruckt ist. Stattdessen sind aus Sicherheitsgründen neue TAN-Verfahren eingeführt worden. Beim iTAN-Verfahren kann der Nutzer die TAN nicht mehr frei wählen, sondern er erhält eine durchnummerierte Liste. Bei jeder Freigabe wird vom Zahlungsdienstleister eine bestimmte TAN abgefordert, sodass sie nur für diese Transaktion verwendet werden kann. Dem gleichen Sicherheitsweck dient die Bestätigungsnummer (BEN) zu jeder TAN, die von dem Zahlungsdienstleister nach Auftragseingang zurück gesandt wird, sodass der Nutzer durch Abgleich dieser BEN mit der BEN, die sich auf seiner TAN-Liste zur entsprechenden TAN findet, überprüfen kann, ob sein Auftrag auch von der Bank entgegen genommen worden ist. Im m-TAN-Verfahren erhält der Nutzer nach Eingabe und Übermittlung seiner Transaktionsdaten eine TAN zusammen mit den Transaktionsdaten übermittelt. Stimmen diese mit seinen Daten überein, gibt er die Transaktion frei. Weiterhin kann der Online-Banking-Nutzer individuelle Transaktionslimite oder „Öffnungszeiten“ für sein Online-Banking festlegen, sodass keine Auf1 Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 55 Rz. 13. 2 Zur (zu verneinenden) Frage, ob auch eine Pflicht der Kunden zur regelmäßigen Änderung der PIN besteht, vgl. Schneider, Die Geschäftsbeziehungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 60.
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7. Teil
Kontobezogenes Online-Banking (Direkt-/Homebanking)
träge erteilt werden können, die außerhalb dieser Limite liegen. Schließlich gibt es eine Chipkarte – es kann sich dabei auch um die ec-Karte handeln – mit TAN-Generator, der eine einmal verwendbare TAN erzeugt, die mit Hilfe eines Lesegeräts gelesen werden kann. TAN-pflichtige Aufträge und Weisungen des Kunden werden ohne Verwendung einer solchen Transaktionsnummer nicht ausgeführt. Der Kunde hat nach den „Bedingungen für Online-Banking“ (Nr. 7.2) dafür Sorge zu tragen, dass keine andere Person Kenntnis von der PIN und der TAN erlangt. Erfährt der Nutzer von einer solchen Kenntniserlangung, muss er unverzüglich gemäß Ziff. 8 der Bedingungen eine Sperranzeige erstatten.
7.772
IV. Rechtliche Aspekte des Online-Banking1 Zu einer wirksamen Einbeziehung der Banken-AGB gemäß § 305 Abs. 2 BGB über das Online-Banking ist deren EDV-mäßige Speicherung erforderlich. Auch sollte der Kunde auf dem Bildschirm deutlich darauf hingewiesen werden, dass er durch einen „Maus-Klick“ den AGB-Text sichtbar werden und auch ausdrucken lassen kann2.
7.773
Missbrauchsmöglichkeiten sind im Rahmen des technisch Machbaren und wirtschaftlich-organisatorisch Zumutbaren auszuschließen. Der Bank kommt im Übrigen der Anscheinsbeweis (Prima-facie-Beweis) zugute, dass ein bestimmter Auftrag den von ihr behaupteten Inhalt hat, wenn PIN und TAN als korrekt vom Kunden verwendet erscheinen und der Auftrag von der Bank in technisch zuverlässiger Weise aufgezeichnet worden ist3. Daran hat auch § 675w BGB nichts geändert, da diese Regelungen Anforderungen definiert, die denen an die Anwendung des Anscheinsbeweises im eltektronischen Zahlungsverkehr entsprechen.
7.774
1. Abgabe und Zugang der Willenserklärungen des Kunden Beim kontobezogenen Dialog über das Online-Banking sind aus rechtlicher Sicht von besonderer Bedeutung die Fragen, die generell mit der Abgabe, der Übermittlung, dem Zugang und der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen verknüpft sind4. Dies erklärt sich daraus, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen hier automatisiert sind. Dabei handelt es sich freilich um keine spezifisches
1 Werner in BuB, Rz. 19/25 ff.; von Rottenburg, WM 1997, 2381 ff. 2 Zur Frage der Einbeziehung der AGB bei Vertragsabschluss mittels Bildschirmtexts vgl. Mehrings, BB 1998, 2373; Köhler, NJW 1998, 185 (189); Gruber, DB 1999, 1437 (1439). 3 OLG Oldenburg v. 11.1.1993 – 13 U 133/92, NJW 1993, 1400 (1401). 4 Zum Zugang eines Telefaxschreibens und der Aussagekraft eines „OK“-Berichts im Telefax-Sendebericht vgl. BGH v. 7.12.1994 – VIII ZR 153/93, BB 1995, 221 ff. mit Anmerkungen von Burgard.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Problem des Online-Banking, sondern um eines, das sich aus jeder Verwendung von EDV-Anlagen im rechtsgeschäftlichen Verkehr ergibt1.
7.776
Der Auftrag des Kunden wird vom Kunden über eine Tastatur eingegeben und auf dem Bildschirm sichtbar. Diese Eingabe stellt aber noch nicht die Abgabe einer Willenserklärung dar. Die „Bedingungen für Online-Banking“ stellen vielmehr unter Nr. 4.1 klar, dass die Erteilung eines Auftrags, die Autorisierung mittels eines personalisierten Sicherheitsmerkmals (TAN oder elektronische Signatur) sowie die Übermittlung an das beauftragte Institut voraussetzt2.
7.777
Bei der Frage, wann die Kundenerklärungen dem Zahlungsdienstleister gemäß § 675n Abs. 1 BGB zugegangen sind, ist zu unterscheiden, ob ein Online- oder Offline-Dialog stattgefunden hat. Denn nach allgemeinen Grundsätzen ist für den Zeitpunkt des Zugangs auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme abzustellen3. Beim Online-Dialog werden die Erklärungsdaten mit einer für die rechtliche Beurteilung unerheblichen zeitlichen Verzögerung unmittelbar nach ihrem Eingang bearbeitet4. Anders verhält es sich beim Offline-Dialog, bei dem die Kundenerklärungen zunächst nur gespeichert werden.
7.778
Hier findet die Datenverarbeitung und damit die für den Zugang maßgebliche Möglichkeit der Kenntnisnahme erst dann statt, wenn der Datenträger mit den Erklärungsdaten in die EDV-Anlage eingelegt wird5. Nach den „Bedingungen für Online-Banking“ (Nr. 5 Abs. 1) werden die erteilten Aufträge im Rahmen des ordnungsmäßigen Arbeitsablaufes und in Abhängigkeit von der jeweiligen Auftragsart bearbeitet.
2. Haftungsregeln
7.779
Die „Bedingungen für Online-Banking“ enthalten in Nr. 10 Regelungen für die Haftung des Kunden, wenn Schäden im Rahmen des Online-Banking entstehen. Diese Haftung setzt zwar grundsätzlich voraus, dass dem Kunden ein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann, allerdings ist im Rahmen des § 675v Abs. 1 BGB in begrenztem Umfange bis zu einem Betrag von 150 Euro auch eine verschuldensunabhängige Sphärenhaftung vorgesehen. Ge1 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 63. 2 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 77, wonach diese Eingabe in das Btx-System mit der Niederschrift einer Willenserklärung auf einem Blatt Papier verglichen werden kann. Zu den technischen Ausgestaltungsmöglichkeiten dieser Freigabe vgl. Hellner in FS Werner, 1984, S. 251 (267); vgl. weiter Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 55 Rz. 14. 3 Vgl. Heinrichs in Palandt, § 130 BGB Rz. 5. 4 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 90. 5 Schneider, Die Geschäftsbedingungen der Banken mit ihren Kunden auf dem Wege des Bildschirmtextes, 1990, S. 92.
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7. Teil
Kontobezogenes Online-Banking (Direkt-/Homebanking)
mäß Nr. 10.1 richtet sich die Haftung der Bank bei nicht autorisierten oder fehlherhaft ausgeführten Online-Banking-Verfügungen vorrangig nach den für die jeweilige Auftragsart vereinbarten Sonderbedingungen, alos zB den Bedingungen für den Überweisungsverkehr, wenn es um eine Überweisung gehen sollte, oder den Bedingungen für Wertpapiergeschäfte, wenn es um Wertppapiere gehen sollte.
3. Sperre des Online-Banking-Angebotes Die „Bedingungen für Online-Banking“ enthalten unter Nr. 8 und 9 Regelungen über eine Sperranzeige und die Nutzungssperre. Dies ist vor allem für die Fälle vorgesehen, in denen eine falsche PIN oder TAN dreimal hintereinander eingegeben worden sind. Auch darf die Bank den Zugang im Online-Banking sperren, wenn der Verdacht einer missbräuchlichen Nutzung des Kontos oder Depots besteht.
7.780
4. Finanzielle Nutzungsgrenze „Bedingungen für das Online-Banking“ sehen unter Nr. 1 Abs. 3 vor, dass der Nutzer und seine Bank eine gesonderte Vereinbarung über Verfügungslimite treffen. Wird die vereinbarte Nutzungsgrenze nicht eingehalten, darf die Bank Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen, die aus der Nutzung des Online-Banking entstehen. Solche Kontoverfügungen führen nur zu einer geduldeten Überziehung des Kontos (§ 493 BGB). In diesem Fall kann die Bank den höheren Zinssatz für geduldete Kontoüberziehungen verlangen.
7.781
V. Homebanking über offene Netze (Internet) Seit der Einführung des neuen Standards „Homebanking Computer Interface“ (HBCI) im Jahre 1997 kann nunmehr auch das Internet1 als Kommunikationsweg gewählt werden (sog. Homebanking über offene Netze). Auf diesen neuen und modernen Standard, der den Austausch von Daten ermöglicht, haben sich alle Banken und Sparkassen im Rahmen eines bundesweit geltenden Abkommens vom 1.10.1997 geeinigt. Der HBCI-Standard enthält die Modalitäten für die Gliederung und den Aufbau der Daten, damit sie vom Rechner des Kreditinstituts und dem des Bankkunden verstanden werden können. Es soll sichergestellt werden, dass die unterschiedlichen Computerprogramme problemlos miteinander kommunizieren können2. Das HBCI-Verfahren ermöglicht eine wesentlich problemlosere und kundenfreundlichere Geschäftsabwicklung. Auch wird der direkte elektronische Dialog zwischen dem Kunden und seinem Kreditinstitut vereinfacht. 1 Zu den speziellen Rechtsfragen und den verbraucherschutzrechtlichen Aspekten des Internetverkehrs vgl. Ernst, BB 1997, 1057 ff.; Ernst, VuR 1997, 259 ff.; Werner, Electronic Banking, Rz. 14/15 ff. 2 Zur Einführung des HBCI-Standards ausführlich Stockhausen, WM 2001, 605.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7.783
Beim HBCI-Dialog können die aufwendigen Prozeduren mit PIN und TAN des Online-Banking-Verfahrens vermieden werden. Diese beiden Sicherungsmerkmale werden ersetzt durch elektronische Unterschriften nach dem international etablierten „RSA-Verfahren“1 bzw. „MAC-Verfahren“2. Beim HBCIOnline-Dialog identifiziert und legitimiert sich der Bankkunde mit einer elektronischen Signatur an Stelle der PIN und TAN als Identifikations- und Legitimationsmedien des Online-Banking. Beim asymmetrischen RSA-Verfahren wird ein Schlüsselpaar verwendet, das stets aus einem privaten Schlüssel und einem öffentlichen Schlüssel besteht, den der Kunde seiner Bank zu übermitteln hat. Mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels kann die Bank die Ordnungsmäßigkeit der elektronischen Unterschrift des Kunden überprüfen. Diese Signatur beweist, dass die unterschriebenen Daten auf dem Übertragungsweg nicht verändert worden sind und einem bestimmten Kunden zugeordnet werden können.
7.784
Der „HBCI-Standard“ ist von dem verwendeten Transportmedium unabhängig. Hierdurch wird Homebanking über die verschiedensten Endgeräte ermöglicht. Benutzbar sind vor allem PC, Fernsehgeräte, die mit einer Set-Top-Dose ausgestattet sind oder sog. Smartphones. Auch ist es gleichgültig, mit welchen Betriebssystemen der Kunden-PC ausgestattet ist (sog. Plattformunabhängigkeit).
7.785–7.790
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Kartengesteuerte Zahlungssysteme I. Allgemeines 1. Bedürfnis nach Automatisierung der Zahlungsvorgänge
7.791
Die Automatisierung erfasst nicht nur die konventionellen Zahlungsverkehrsinstrumente in Gestalt der Überweisung sowie das Inkasso von Lastschriften und Schecks, sondern auch die frühere ec-Karte. Diese Karte wurde ursprünglich nur dazu geschaffen, Schecks unter der Garantie der bezogenen Bank zu begeben – eine Funktion, die mittlerweile weggefallen ist. Durch Weiterentwicklung der ec-Karte zur Zahlungskarte können die Bankkunden zunehmend mit ihrem Kreditinstitut auf elektronischem Wege durch Kontoverfügungen, Auftragserteilungen sowie Abruf kundenbezogener Informationen, insbesondere in Gestalt von Kontoauszügen kommunizieren. Mit Hilfe der Zahlungskarte wie auch der insoweit vergleichbaren Kreditkarte und GeldKarte („elektronische Geldbörse“) sowie der speziellen Kundenkarte der Kreditinstitute 1 RSA-Verfahren: Rivert/Shamir/Adlemann, Verschlüsselungsverfahren, benannt nach den Erfindern. 2 von Rottenburg, WM 1997, 2381 (2389 f.).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
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Beim HBCI-Dialog können die aufwendigen Prozeduren mit PIN und TAN des Online-Banking-Verfahrens vermieden werden. Diese beiden Sicherungsmerkmale werden ersetzt durch elektronische Unterschriften nach dem international etablierten „RSA-Verfahren“1 bzw. „MAC-Verfahren“2. Beim HBCIOnline-Dialog identifiziert und legitimiert sich der Bankkunde mit einer elektronischen Signatur an Stelle der PIN und TAN als Identifikations- und Legitimationsmedien des Online-Banking. Beim asymmetrischen RSA-Verfahren wird ein Schlüsselpaar verwendet, das stets aus einem privaten Schlüssel und einem öffentlichen Schlüssel besteht, den der Kunde seiner Bank zu übermitteln hat. Mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels kann die Bank die Ordnungsmäßigkeit der elektronischen Unterschrift des Kunden überprüfen. Diese Signatur beweist, dass die unterschriebenen Daten auf dem Übertragungsweg nicht verändert worden sind und einem bestimmten Kunden zugeordnet werden können.
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Der „HBCI-Standard“ ist von dem verwendeten Transportmedium unabhängig. Hierdurch wird Homebanking über die verschiedensten Endgeräte ermöglicht. Benutzbar sind vor allem PC, Fernsehgeräte, die mit einer Set-Top-Dose ausgestattet sind oder sog. Smartphones. Auch ist es gleichgültig, mit welchen Betriebssystemen der Kunden-PC ausgestattet ist (sog. Plattformunabhängigkeit).
7.785–7.790
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Kartengesteuerte Zahlungssysteme I. Allgemeines 1. Bedürfnis nach Automatisierung der Zahlungsvorgänge
7.791
Die Automatisierung erfasst nicht nur die konventionellen Zahlungsverkehrsinstrumente in Gestalt der Überweisung sowie das Inkasso von Lastschriften und Schecks, sondern auch die frühere ec-Karte. Diese Karte wurde ursprünglich nur dazu geschaffen, Schecks unter der Garantie der bezogenen Bank zu begeben – eine Funktion, die mittlerweile weggefallen ist. Durch Weiterentwicklung der ec-Karte zur Zahlungskarte können die Bankkunden zunehmend mit ihrem Kreditinstitut auf elektronischem Wege durch Kontoverfügungen, Auftragserteilungen sowie Abruf kundenbezogener Informationen, insbesondere in Gestalt von Kontoauszügen kommunizieren. Mit Hilfe der Zahlungskarte wie auch der insoweit vergleichbaren Kreditkarte und GeldKarte („elektronische Geldbörse“) sowie der speziellen Kundenkarte der Kreditinstitute 1 RSA-Verfahren: Rivert/Shamir/Adlemann, Verschlüsselungsverfahren, benannt nach den Erfindern. 2 von Rottenburg, WM 1997, 2381 (2389 f.).
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
kann die elektronische Technik auch für bestimmte Zahlungsvorgänge in den kartengesteuerten Zahlungssystemen nutzbar gemacht werden.
2. Internationales edc-System (electronic debit card) Mittlerweile sind auch Kartenzahlungen Teil des gemeinsamen Binnenmarktes für Zahlungsverkehrsprodukte innerhalb des EWR geworden. Ziel der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt1 ist die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes auch für Kartenzahlungen, um dadurch Vereinfachungen für den Karteninhaber und für den Handel zu bewirken. Deshalb ist es mittleweile möglich, dass europäische Karteninhaber ihre Karte SEPA2-weit auf gleiche Art und Weise einsetzen können, wie sie dies im Heimatland gewohnt sind. Händler in Europa sollen Karten aus dem ganzen SEPA-Gebiet so akzeptieren können, wie auf dem heimischen Markt. Auf Grund dessen hat das European Payment Council (EPC) ein entsprechendes Rahmenwerk dafür geschaffen. Das „SEPA Cards Framework (SCF)“ legt Prinzipien und Regelungen für den SEPA-Kartenzahlungsmarkt fest. Dabei wird auf die Perspektiven der Karten-Zahlungssysteme, der Karteninhaber, der Kartenakzeptanten und der Kartenemittenten eingegangen. Die in dem „SEPA Cards Framework“ festgelegten Prinzipien und Anforderungen sind verpflichtend für alle Banken, die Mitglieder im EPC sind. Die Kartenzahlungen haben folgende Eigenschaften aufzuweisen:
7.792
Kartentransaktionen an elektronischen Kassen- und Geldautomaten müssen im SEPA-Bereich mit allgemein üblichen, durch die SEPA-Banken ausgegebenen Karten ebenso wie Zahlungen und Barabhebungen in Euro möglich sein. Das „SEPA Cards Framework“ bezieht sich nur auf Kartenzahlungen mit einer „Zahlungsgarantie“, so dass solche, die auf dem elektronischen Lastschriftverfahren beruhen, nicht darunter fallen. Bis 2010 sind Karten mit Magnetstreifen und PIN noch zulässig, danach nur solche, die mit einem genauer spezifizierten Chip ausgestattet sind. Nicht unter die SEPA Cards Framework fällt die automatische Geldbörse.
7.793
Zur SCF-Konformität müssen Kartensysteme folgende wesentliche Anforderungen erfüllen: Die Teilnahmekriterien müssen transparent und dürfen nicht diskriminierend sein. Sie dürfen nicht national begrenzt sein. Die Lizenzierung erfolgt für den SEPA-Raum. Preise müssen SEPA-weit gültig und transparent sein.
7.794
Im Bereich der Kartenzahlungen sind in Deutschland das electronic-cash-Verfahren sowie das Geldautomatensystem SEPA-tauglich gemacht worden, sodass auch mit entsprechenden ausländischen Debitkarten Zahlungen an elektronischen Kassen und Geldabhebungen an Geldautomaten möglich sind. Nachdem die diesen Verfahren zugrunde liegenden Vertragswerke (electronic-
7.795
1 ABl. EU Nr. L 319 v. 5.12.2007, S. 1 ff. 2 SEPA steht für „Single European Payment Area“.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
cash-Vertragswerke und Vereinbarung über das deutsche Geldautomatensystem) geändert worden sind, befinden sich die Verfahren derzeit in der Umsetzungsphase. Die Eignung des electronic-cash-Systems ergibt sich daraus, dass es bereits europaweit angeboten wird, auch ist die Teilnahme daran national nicht begrenzt, so dass dieses System anderen europäischen Ländern offen steht.
7.796
Grenzüberschreitende Maestro-Transaktionen, die das electronic-cash-Verfahren betreffen, gibt es seit 1.1.2008. Dazu ist das gesamte electronic-cash-Vertragswerk (Vereinbarung über ein Institutsübergreifendes System zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen, Händlerbedingungen, Netzbetreibervertrag und ec-Karten-Bedingungen) einer Überarbeitung unterzogen worden, die jedoch eher technischer denn rechtlicher Natur ist.
7.797
Gleichfalls überarbeitet worden ist die Vereinbarung über das Deutsche Geldautomatensystem im Hinblick auf die SEPA-Anforderungen, sodass Abhebungen auch mittels garantierter Debit-Karten von Instituten aus anderen EWRLändern möglich sind. Zu diesem Zweck ist das deutsche GeldautomatenSystem (ebenso wie das electronic-cash-Verfahren) mit den PIN-gestützten und garantierten Debitkartenzahlungssystemen der „Euro Alliance of Payments Schemes (EAPS)“ vernetzt worden.
7.798
Plattform für die Zusammenarbeit ist die nach belgischem Recht gegründete „Euro Alliance of Payment Schemes Limited Liability Cooperative Company (EAPS-Gesellschaft)“, an der sich die deutsche Kreditwirtschaft über die „European Payment Card Solution GmbH (EPCS)“, bei der es sich um eine 100 %ige Tochter der EURO Kartensysteme handelt, beteiligt hat. Regelungen über die Zusammenarbeit ergeben sich aus dem Participation Agreement zwischen EAPS und dem Zentralen Kreditausschuss und den EAPS-Rules. Dabei handelt es sich aber um eine rein vertragliche Organisation, die mit ihren Teilnehmern versucht, die Anforderungen der EU-Richtlinie zu Zahlungsdiensten umzusetzen, bevor die entsprechenden nationalen Regelungen erlassen worden sind.
7.799
Nicht unter die Regelungen der Richtlinie zu Kartenzahlungen und in den Anwendungsbereich der EAPS fällt das elektronische Lastschriftverfahren. Dieses muss allerdings den rechtlichen Anforderungen an Lastschriftzahlungen genügen.
3. Chipkarten der Kreditwirtschaft mit unternehmensbezogenen Zusatzanwendungen
7.800
Die Kreditinstitute, die an ihre Kunden Karten zum bargeldlosen Bezahlen von Waren und Dienstleistungen (Zahlungskarte, Kunden- und GeldKarten) ausgeben, können diese mit einem multifunktionalen Chip ausstatten, der es interessierten Handels- und Dienstleistungsunternehmen ermöglicht, den Chip als Speichermedium für eine eigene unternehmensbezogene Anwendung (zB den elektronischen Fahrschein) zu nutzen. Hierzu wird der Fahrschein 1068
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
nicht mehr in Papierform ausgedruckt, sondern in einem freien Speicherplatz auf dem Mikrochip der Karte implementiert. Das kartenausgebende Kreditinstitut stellt mit dem Chip auf der Karte lediglich die technische Plattform zur Verfügung, die es dem Karteninhaber ermöglicht, in der Karte – neben den darin enthaltenen Zahlungsverkehrsanwendungen – die Zusatzanwendungen von Unternehmen zu speichern. Das Unternehmen trägt die Verantwortung für den Inhalt der Zusatzanwendung und verpflichtet sich, diese so auszugestalten, dass damit nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird. Eine Leistung, die das Unternehmen über die unternehmensbezogene Zusatzanwendung gegenüber dem Karteninhaber erbringt, richtet sich ausschließlich nach dem Inhalt der Vertragsverhältnisse zwischen dem Karteninhaber und dem Unternehmen. Bei der Speicherung, inhaltlichen Änderung oder Nutzung einer unternehmensbezogenen Zusatzanwendung auf der Karte wird die vom kartenausgebenden Kreditinstitut an den Karteninhaber ausgegebene PIN nicht eingegeben. Im Übrigen hat der Karteninhaber Einwendungen, die den Inhalt der unternehmensbezogenen Zusatzanwendungen betreffen, ausschließlich gegenüber dem Unternehmen geltend zu machen, das die Zusatzanwendungen in die Karte eingespeichert hat.
7.801
Die Implementierung von unternehmensbezogenen Zusatzanwendungen auf Chipkarten der Kreditwirtschaft basiert auf einer diesbezüglichen Vereinbarung der zuständigen Spitzenverbände der Kreditwirtschaft über bestimmte Rahmenbedingungen. Danach ist die Nutzung des Chips für eine unternehmensbezogene Zusatzanwendung nur nach Maßgabe der einheitlichen „Bedingungen für die Implementierung unternehmensbezogenener Zusatzanwendungen auf Chipkarten der Kreditwirtschaft (Händlerbedingungen)“ möglich. Sie bestimmen ua., dass die technische Infrastruktur, mit der die Karte vom kartenausgebenden Kreditinstitut ausgestattet worden ist, nur unter Einsatz eines Sicherheitsmoduls für die vorgesehene Zusatzanwendung genutzt werden kann. Dieses Sicherheitsmodul erhält das Unternehmen von seinem Kreditinstitut (sog. Händlerinstitut).
7.802
Soweit Karten mit der technischen Applikation für die Implementierung einer Zusatzanwendung ausgegeben worden sind, hat das emittierende Kreditinstitut mit seinem Kunden die üblichen „Bedingungen für Zahlungskarten“ zu vereinbaren, die ergänzende Bestimmungen für solche Zusatzanwendungen enthalten.
7.803
4. Zahlungskarte als Instrument kartengesteuerter Zahlungssysteme Während die frühere eurocheque-Karte im – zum 1.1.2002 weggefallenen – Scheckkartenverfahren nur die Funktion hatte, die Akzeptanz der eurocheques durch die Schecknehmer zu erhöhen und damit nur systemunterstützend war, dient die heutige Zahlungskarte, die unterschiedliche Bezeichnungen trägt, auf Grund der Gebräuchlichkeit aber weiterhin ec-Karte genannt wird, bei den anderen Zahlungssystemen zur Steuerung der einzelnen ZahWerner
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7.804
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
lungsvorgänge. Dies gilt insbesondere bei der Benutzung der automatisierten Kassen im Rahmen des electronic cash-Systems (POS-System) und bei Abhebungen an Geldautomaten.
7.805
Keine solche Steuerungsfunktion hat dagegen die Zahlungskarte bei einem Elektronischen Lastschriftverfahren (ELV), das auf einem Lastschrifteinzug ohne Zahlungsgarantie beruht. Die ELV-Kassenterminals lesen die im Magnetstreifen der Zahlungskarte gespeicherten Daten, um damit eine Lastschrift mit der für das anschließende Inkasso erforderlichen Einzugsermächtigung zu erstellen.
7.806
Seit 1996 kann die ec-Karte auch mit der GeldKarten-Funktion ausgerüstet werden, wenn dem Kunden keine eigenständige GeldKarte angeboten werden soll.
7.807
Aus der Verordnung Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.20091, durch die die so genannte „EU-Preisverordnung“ aufgehoben und ersetzt worden ist (ebenfalls als „EU-Preisverordnung“ bezeichnet), ergeben sich besondere Anforderungen an die Entgelterhebung im Zahlungsverkehr. Ziel dieser Verordnung und der Vorgängerverordnung ist es, die Schaffung eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums zu fördern. In der Begründung zur urspünglichen Verordnung findet sich deshalb die Aussage, dass die Beibehaltung eines gegenüber den Inlandszahlungen höheren Entgeltniveaus für grenzüberschreitende Zahlungen den grenzüberschreitenden Handelsverkehr hemme und deshalb ein Hindernis für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes darstelle. Außerdem sei eine zwischen dem Inland und dem (EU-)Ausland differenzierende Entgeltberechnung geeignet, das Vertrauen in den Euro zu beeinträchtigen. Infolgedessen müsse durch die entsprechenden Maßnahmen des EU-Gesetzgebers sichergestellt werden, „dass für grenzüberschreitende Zahlungen in Euro und für Euro-Zahlungen innerhalb eines Mitgliedsstaates die gleichen Gebühren erhoben werden“. Im Unterschied zu einer EU-Richtlinie bedarf die vorstehend bezeichnete Verordnung keiner Überführung in das deutsche Rechtssystem, sondern entfaltet gemäß Art. 249 Abs. 2 EG/Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbare Geltung in jedem Mitgliedsstaat. Auf Grund dessen sah Art. 3 Abs. 2 der früheren EUPreisverordnung zunächst vor, dass ab 1.7.2003 die Entgelte ua. für grenzüberschreitende Kartenzahlungen bis zu einem Überweisungsbetrag von 12 500 Euro mit den nationalen Gebühren für innerstaatliche Überweisungen in den Mitgliedstaaten gleich zu sein haben. Jedes Kreditinstitut war damit zwar in der Bestimmung der Höhe des Entgelts für solche Transaktionen frei, durfte jedoch nicht zwischen inländischen und entsprechenden grenzüberschreitenden Transaktionen unterscheiden. Letztlich hatte und hat dies zur Folge, dass die Kreditinstitute eine Mischkalkulation vornehmen müssen, um so den Bereich, der defizitär ist, von einem anderen Bereich mit finanzieren zu lassen. 1 ABl. EU Nr. L 266 v. 9.10.2009, S. 11, ersetzt die Verordnung Nr. 2560/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.12.2001 über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro (ABl. EG Nr. L 344 v. 28.12.2001, S. 13).
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
Sollten folglich Kreditinstitute für Inlandszahlungen in der Vergangenheit niedrigere Entgelte berechnet haben als für entsprechend grenzüberschreitende Zahlungen, weil erstere preislich günstiger sind, wird eine entsprechende Mischkalkulation zur Folge haben, dass die Entgelte für den Inlandskarteneinsatz anzuheben sind, damit die entsprechenden Entgelte für die grenzüberschreitenden Zahlungen ggf. adäquat reduziert werden können. Der Anwendungsbereich der Verordnung ist zum 1.1.2006 auf alle grenzüberschreitenden Überweisungen in Euro bis zu einem Überweisungsbetrag von 50 000 Euro erweitert worden, durch die jetzt aktuelle Preisverordnung gilt die Verpflichtung zur Entgeltgleichheit in ihrem Anwendungsbereich für alle Arten von grenzüberschreitenden Zahlungen durch Zahlungsdienstleister bis zu einem Betrag von 50 000 Euro. In räumlicher Hinsicht bezieht sich die EU-Preisverordnung, deren Rechtsgrundlage Art. 249 EG-Vertrag/Art. 288 AEUV ist, nur auf grenzüberschreitende Euro-Zahlungen innerhalb der Europäischen Union1. Nicht erfasst werden folglich grenzüberschreitende Euro-Zahlungen außerhalb der EU. Die jetzige EU-Preisverordnung erstreckt sich auch auf Inlandszahlungen, nicht jedoch auf grenzüberschreitende Zahlungen von und außerhalb der Vertragsstaaten (Drittstaaten).
7.808
Adressaten der EU-Preisverordnung sind „Zahlungsdienstleister“, wozu gemäß Art. 2 Nr. 5 EU-Preisverordnung natürliche und juristische Personen gehören, die gewerbsmäßig grenzüberschreitende Zahlungen ausführen. Folglich richtet sich die EU-Preisverordnung an alle Institute, die grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr anbieten. Begünstigt werden sollen die „Zahlungsdienstnutzer“, unter die im deutschen Recht sowohl Verbraucher iS des § 13 BGB als auch Unternehmen iS des § 14 BGB sowie die Angehörigen freier Berufe fallen. Dementsprechend ist die EU-Preisverordnung nicht nur im Privatkunden-, sondern auch im Firmenkundengeschäft von Relevanz.
7.809
Bei den neuen elektronischen Zahlungsverkehrsmedien bedarf es keiner unmittelbaren persönlichen Mitwirkung von Bankmitarbeitern. Diese Instrumente eröffnen dem Kunden vielmehr den Zugang zu den elektronischen Dienstleistungen seiner kontoführenden Bank. Sie werden deshalb auch als Kunden-Selbstbedienungs-Systeme bezeichnet.
7.810
Die ec-Karte kann im Übrigen dazu benutzt werden, Kontoauszüge und Kontoabschlüsse über den Kontoauszugsdrucker ausdrucken zu lassen, wie sie zwischenzeitlich von der Kreditwirtschaft aus Rationalisierungsgründen eingeführt worden sind. Hierfür werden zwischen Bank und Kunden AGB-mäßige „Sonderbedingungen für die Benutzung von Kontoauszugsdruckern“ verwendet.
7.811
Die Funktionen der ec-Karte haben zT auch die von einigen Kreditinstituten ausgegebenen „Kunden“karten. Diese institutsbezogenen Karten können ua.
7.812
1 Vgl. Wand in BuB, Rz. 18/103b.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
als Bedienungsmedium bei kartengesteuerten Zahlungssystemen dienen. Sie sind aber nicht als Garantiekarten bei der Ausstellung von eurocheques geeignet gewesen.
7.813
Die Zahlungskarte ist keine Inhaberkarte iS des § 807 BGB. Denn das kartenemittierende Institut will nicht jedem Inhaber zur Leistung verpflichtet sein, wie die zusätzliche Verwendung einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) zeigt1. Sie ist im Übrigen auch kein Legitimationspapier nach § 808 BGB, weil in ihr keine bestimmte Leistung versprochen wird. Im Übrigen kann das kartenausgebende Institut Verfügungen über das Girokonto auch ohne Vorlage der Karte zulassen2. Die Karte kann aber als einfaches Legitimationspapier qualifiziert werden, ohne dass diese Einordnung eine praktische Bedeutung hat3.
5. Verwendung einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN)
7.814
Will ein Kunde die ec-Karte als Bedienungsmedium für automatisierte Kassen oder Geldautomaten nutzen, erhält er von der Bank eine „persönliche Geheimzahl“. Diese persönliche Geheimzahl („Persönliche Identifikationsnummer – PIN“) ist neben der Zahlungskarte in die zugelassenen Geldautomaten oder automatisierten Kassen einzugeben. Sie dient als weiteres Legitimationsmittel der Sicherheit dieser Systeme gegen Missbräuche durch unbefugte Dritte. Ohne diese PIN-Eingabe können also die Geldautomaten und das bargeldlose Zahlen mittels der automatisierten Kassen nicht genutzt werden. Im internationalen electronic debit card(edc)-System des Auslands kann aber an Stelle der persönlichen Geheimzahl im Einzelfall eine Unterschrift zur Zahlung ausreichend sein.
7.815
Bei den „papiergebundenen“ Zahlungssystemen, wie insbesondere bei der früheren Ausstellung von eurocheques wurde dagegen neben der ec-Karte als weiteres Legitimationsmittel die vom Kunden zu leistende Unterschrift genutzt. Diese ermöglichte einen Kontrollvergleich mit seiner Unterschrift auf der Scheckkarte oder auf dem Vordruck zur Eröffnung des bei dem kartenemittierenden Kreditinstitut unterhaltenen Girokontos.
7.816
Soweit die Zahlungskarte auch mit der GeldKarten-Funktion ausgestattet wird, bedarf es beim Einsatz als GeldKarte keiner PIN-Eingabe. Hier ist die persönliche Identifikationsnummer nur beim Aufladen der GeldKarte an den sog. Ladeterminals erforderlich.
1 BGH v. 16.12.1987 – 3 StR 209/87, WM 1988, 405 (407); Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7. 2 BGH v. 16.12.1987 – 3 StR 209/87, WM 1988, 405 (407); Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527b; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527b.
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
II. AGB-mäßige Sonderbedingungen für die Nutzung der Zahlungskarte Für die Ausgabe der früheren ec-Karte als einer multifunktionalen Karte, die heute unter verschiedenen Namen – zB als „girocard“ – als Zahlungskarte angeboten wird und die der Einfachheit halber im weiteren als „ec-Karte“ bezeichnet wird, sind im Jahre 1989 die „Bedingungen für den ec-Service“ als ein für alle Kreditinstitute einheitlich geltendes Bedingungswerk geschaffen worden, die die Rechtsbeziehungen der Karteninhaber zur kartenausgebenden Bank näher regeln1. Dabei waren die drei Funktionen der ec-Karte in Gestalt der (zwischenzeitlich weggefallenen) Scheckkartengarantie bei Scheckausstellungen und eines Bedienungsmediums für automatisierte Kassen und Geldautomaten berücksichtigt worden.
7.817
Für die Schaffung einer umfassenden AGB-Regelung sprach vor allem, dass dem Kontoinhaber jeweils für einen bestimmten Zeitraum ein gemeinsamer Verfügungsrahmen für die automatisierten Kassen und die Geldautomaten eingeräumt wird. Verfügungen des Kunden an diesen Kassen und Geldautomaten werden von einem für beide Systeme einheitlich festgesetzten Verfügungsrahmen abgeschrieben, der auf Verlangen des Kunden individuell herabgesetzt werden kann. Auch sollte die Haftung des Kunden bei einer missbräuchlichen Verwendung der ec-Karte übersichtlich an einer Stelle für alle drei Funktionen geregelt sein2. Diese ec-Bedingungen bildeten eine wesentliche Rechtsgrundlage für die ec-kartengestützten und -gesteuerten Zahlungssysteme3.
7.818
1995 gab es eine überarbeitete Fassung, die inhaltlich mit den bisherigen Bedingungen weitgehend übereinstimmte, aber auch Neuregelungen enthielt und insgesamt neugegliedert war4. Bei der damaligen Neufassung war es zu einigen Abweichungen zwischen den Fassungen gekommen, wie sie für den Bereich der privaten Banken, den Sparkassen- und den Volksbankenbereich jeweils einheitlich gelten5.
7.819
Mit der Einführung des Systems „GeldKarte“ im Jahre 1996 wurden die „Bedingungen für die ec-Karte“ um die erforderlichen Regelungen für dieses neue Zahlungssystem ergänzt6. Die ec-Karte kann seit diesem Zeitpunkt, sofern sie mit einem entsprechenden Chip ausgestattet ist, auch als GeldKarte zum bargeldlosen Bezahlen an automatisierten Kassen des Handels- und Dienstleistungsbereiches (POS) verwendet werden. Die GeldKarte soll als elektronische
7.820
1 Harbeke, WM 1989, 1709 (1711 f.). 2 Abgedruckt in WM 1988, 1742. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 8 ff. noch zu den früheren eurocheque-Bedingungen. 4 Ahlers, WM 1995, 601. 5 Die entsprechenden, damals geltenden Regelwerke sind als „Bedingungen für ec-Karten“ der privaten Banken in WM 1995, 636 ff. abgedruckt; vgl. weiter Ahlers, WM 1995, 601 ff.; Wand, ZIP 1996, 214 ff.; Harbeke, ZIP 1995, 250 ff. 6 Diese Fassung ist abgedruckt in WM 1996, 2356 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Geldbörse Bargeldfunktionen übernehmen und insoweit Bargeld ersetzen. Sie gehört zu den von § 675i BGB erfassten Kleinbetragszahlungsinstrumenten.
7.821
Mit der Einführung des „Maestro“ als internationales Akzeptanzsymbol im Rahmen des grenzüberschreitenden POS-Systems kam es zu einer weiteren Überarbeitung der „Bedingungen für die ec-Karte“, die sich im Wesentlichen auf die Einarbeitung dieses Symbols in das Bedingungswerk beschränkt.
7.822
Eine weitere grundlegende Überarbeitung dieser Bedingungen wurde mit dem Auslaufen der Scheckkartengarantie zum 31.12.2001 erforderlich. Bei der Neufassung wurde auf sämtliche eurocheque-relevante Regelungen verzichtet. Auch war die Bezeichnung „ec-Karte“ durch „Zahlungskarte“ ersetzt worden. Diese Bedingungen galten nunmehr für die Nutzung der Karte in Verbindung mit der persönlichen Geheimzahl (PIN) zur Abhebung an in- und ausländischen Geldautomaten, zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen im Rahmen des inländischen electronic cash-Systems (POS-System) und im internationalen Maestro-System im Ausland sowie zum Aufladen der GeldKarte an Ladeterminals, die mit dem GeldKarten-Logo gekennzeichnet sind. Im Übrigen regelten die Bedingungen die Nutzung der Karte ohne Einsatz der PIN als GeldKarte zum bargeldlosen Bezahlen an automatisierten Kassen der Handels- und Dienstleistungsbereiche, die mit dem GeldKartenLogo gekennzeichnet sind.
7.823
Mit Umsetzung der Zahlungsdienste-Richtlinie in deutsches Recht zum 31.10.2009 sind auch die ec-Karten-Bedingungen – ebenso wie andere Bedingungen über Zahlungsverkehrsinstrumente – einer umfassenden Überarbeitung unterzogen worden. Insbesondere sind die Regelungen zu den Pflichten sowohl des Instituts als auch des Kartennutzers im Zusammenhang mit dem Zahlungauthentifizierungsinstrument als auch dem persönlichen Sicherheitsmerkmal – also Karte und PIN – den Regelungen in §§ 675l und 675m BGB angepasst worden. Außerdem ist die Haftung um verschuldensunabhängige Sphärenhaftung bis 150 Euro, wie § 675v Abs. 1 BGB dies vorsieht, erweitert worden. Weiterhin sind die Bestimmungen zur Haftung des Karteninhabers für den gesamten Schaden entsprechend dem gesetzlichen Rahmen in § 675v Abs. 2 BGB überarbeitet worden.
1. Wesentliche Regelungspunkte
7.824
Angesichts der zusätzlichen Einsatzmöglichkeiten schon für die bisherige ecKarte empfahl es sich, das Bedingungswerk im Interesse größerer Transparenz und Lesbarkeit neu zu strukturieren. Nach der Beschreibung der Funktion der Karte und deren verschiedenen Einsatzmöglichkeiten unter A. I. Geltungsbereich folgen unter A. II. die „Allgemeinen Regeln“, die für alle Nutzungsarten der Karte gelten. A. III. enthält „Besondere Regeln für einzelne Nutzungsarten“, B. bezieht sich auf „Von der Bank angebotene andere Service-Leistungen“, C. auf „Zusatzanwendungen“ und D. schließlich auf die „Außergerichtliche Streitschlichtung und Beschwerdemöglichkeit“. 1074
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
Der Kontoinhaber hat jeweils mit der Bank zu vereinbaren, welche Dienstleistungen mit der Karte in Anspruch genommen werden können. Hierauf wird ausdrücklich unter B. 2. der „Kartenbedingungen“ hingewiesen.
7.825
a) Finanzielle Nutzungsgrenzen Die Kartenbedingungen stellen ausdrücklich klar, dass der Kartenkunde nur im Rahmen des Kontoguthabens oder eines vorher für das Konto eingeräumten Kredits die Karte nutzen darf (A. II. Nr. 2 Kartenbedingungen Privatbanken). Diese „Nutzungsgrenze“ darf nicht mit dem „Verfügungsrahmen“ verwechselt werden, wie er dem Kunden für den Geldautomaten-Service und das bargeldlose Bezahlen an automatisierten Kassen im electronic cash- und edcSystem eingeräumt wird. Dieser Verfügungsrahmen darf jeweils nur im Rahmen der finanziellen Nutzungsgrenze ausgenutzt werden. Hat der Kunde seine finanzielle Nutzungsgrenze ausgeschöpft, darf er mit der Karte keine Verfügungen mehr vornehmen, auch wenn der Verfügungsrahmen noch nicht voll ausgeschöpft ist1.
7.826
Die Einräumung eines solchen Verfügungsrahmens ist aus technischen Gründen erforderlich. Denn bei der vorgeschriebenen Kommunikation mit der Autorisierungszentrale kann nur dieser technische Verfügungsrahmen im Rechenzentrum, nicht aber der aktuelle Kontostand beim Institut abgefragt werden. Eine Autorisierung der Inanspruchnahme des Geldautomaten oder des electronic cash-Systems unmittelbar am Girokonto des Kunden und damit an seiner aktuellen finanziellen Nutzungsgrenze ist regelmäßig nicht möglich2. Deshalb muss der Kunde selbst darauf achten, dass er bei der Ausnutzung des technischen Verfügungsrahmens sein verfügbares Kontoguthaben oder den ihm eingeräumten Dispositionskredit, also seine finanzielle Nutzungsgrenze nicht überschreitet. Dabei ist für die Frage des Überschreitens nicht der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Umsatz an den automatisierten Kassen oder am Geldautomaten durch die eingeschaltete Autorisierungszentrale „genehmigt“ wird, sondern der Zeitpunkt, zu dem der getätigte Umsatz vom Konto abgebucht wird3.
7.827
Auch bei einem Überschreiten des finanziellen Nutzungsrahmens haftet der Kartenemittent aus ihrer Zahlungsgarantie gegenüber dem Betreiber des Geldautomaten oder dem am electronic-cash-System teilnehmenden Vertragsunternehmen.
7.828
Die Kartenbedingungen stellen deshalb klar, dass die Bank die aus Verfügungen, durch die die finanzielle Nutzungsgrenze überschritten wird, resultierenden Aufwendungserstattungsansprüche dem Girokonto belasten darf. Diese Belastungsbuchungen können also zu einer geduldeten Kontoüberziehung (§ 493 BGB) mit den für diese geltenden höheren Zinssätzen führen.
7.829
1 Ahlers, WM 1995, 601 (602). 2 Wand, ZIP 1996, 214 (221). 3 Wand, ZIP 1996, 214 (221).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
b) Umrechnung von Fremdwährungsbeträgen
7.830
Verwendet der Kunde die Karte für auf fremde Währung lautende Verfügungen, wird gleichwohl das Konto in Euro belastet (A. II. Nr. 3 Kartenbedingungen). Die Umrechnung von Fremdwährungsbeträgen erfolgt im Inland durch die Stelle, die den Zahlungsvorgang vom Ausland zur weiteren Bearbeitung erhält. Die Bestimmung des Kurses bei Fremdwährungsgeschäften ergibt sich aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis. Eine Änderung des in der Umrechnungsregelung genannten Referenzwechslkurses wird unmittelbar und ohne dass zuvor der Kunde unterrichtet werden müsste, wirksam. Zwar setzt die Änderung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags, unter den auch die ec-Kartenvereinbarung fällt, gemäß § 675g Abs. 1 BGB ein entsprechendes Angebot voraus, dass mindestens zwei Monate vor der geplanten Änderung erfolgen muss, doch gilt für die Änderung von Zinsen und Wechselkursen die Ausnahme, dass es hier keiner vorherigen Benachrichtigung bedarf, sofern dies – wie hier – im Zahlungsdiensterahmenvertrag ausdrücklich vereinbart wird und der Kurs entweder vom Zahlungsdienstleiter zugänglich gemacht gemacht wird oder aus öffentlich zugänglichen Quellen stammt. c) Rückgabe, Sperre und Einziehung der Karte
7.831
Mit Aushändigung einer neuen, spätestens aber nach Ablauf der Gültigkeitsdauer darf der Kartenemittent die Herausgebe der alten Karte verlangen1. Eine unverzügliche Rückgabe hat auch zu erfolgen, wenn die Berechtigung zur Kartennutzung, insbesondere nach Kündigung der Kontoverbindung oder des Kartenvertrages entfallen ist. Dasselbe gilt für die einem Kontobevollmächtigten ausgehändigte Karte nach Widerruf der Vollmacht. Sofern die Karte mit einem GeldKartenchip ausgestattet sein sollte, steht dem Karteninhaber ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der noch aufgeladenen Beträge zu. Sollten auf die Karte Zusatzanwendungen implementiert worden sein, was gemäß Abschnitt C der Bedingungen ausdrücklich zulässig ist, muss der Karteninhaber, wie sich aus A. II. Nr. 3 der Bedingungen ergibt, dass diese vor Rückgabe wieder entfernt werden. d) Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten des Karteninhabers
7.832
Die Kartenbedingungen umschreiben bestimmte Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten des Kunden bei der Aufbewahrung der Karte und Sicherung der PIN2. 1 Zur Behandlung der ec-Karten in der Zwangsvollstreckung vgl. BGH v. 14.2.2003 – IXa ZB 53/03, WM 2003, 625 ff. 2 Die Verletzung dieser Sorgfaltspflichten führt zu einer Haftung nach den allgemeinen Regeln wegen Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB (vgl. Reifner, BB 1989, 1912 [1915] und die dort aufgeführten Beispiele der Verletzung der Sorgfaltspflichten des Kunden hinsichtlich der Aufbewahrung der Karte und des Geheimhaltens der persönlichen Geheimzahl). Liegt die Schadensursache ausschließlich im Gefahrenbereich des Karteninhabers, so obliegt diesem die Darlegung und der Beweis, keine Pflichtverletzung begangen zu haben (OLG Zweibrücken v. 24.9.1990 – 4 U 31/90, WM 1991, 67).
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
Hierdurch erfüllen die Kreditinstitute zugleich ihre girovertragliche Nebenpflicht, die Kunden umfassend über mögliche Risiken zu informieren, die mit bestimmten Verhaltens- und Verfahrensweisen verbunden sind1. Auch gehört dies zu der sich aus § 675m Abs. 1 Nr. 1 BGB ergebenden Verpflichtung sicherzustellen, dass die Nutzung des personaliserten Sicherheitsmerkmale des Authentifizierungsinstruments – es handelt sich dabei um die zur Karte gehörende PIN – nur von berechtigten Personen eingesetzt werden kann. Der Karteninhaber hat gemäß A. II. Nr. 6.1 der Bedingungen die Karte nach Erhalt unverzüglich auf dem Unterschriftsfeld zu unterschreiben. Sie ist mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren. Nach der Rechtsprechung kann von dem Bankkunden verlangt werden, dass er die Karte und die persönliche Geheimzahl (PIN) räumlich getrennt mit sich führt2. Sie dürfen nicht in derselben Hand-, Hosen-, Jacken- oder Manteltasche und erst recht nicht in derselben Brieftasche oder Geldbörse aufbewahrt werden3. Nach der vom BGH vertretenen Rechtsansicht liegt im Übrigen eine gemeinsame Verwahrung nur vor, wenn ein Unbefugter Karte und PIN in einem Zugriff erlangen kann und nicht nach dem Auffinden der einen Unterlage weiter nach der anderen suchen muss4. Es gibt jedoch Fallkonstellationen, in denen dem Kartenkunden kein haftungsauslösendes Fehlverhalten hinsichtlich der Aufbewahrung der PIN und/oder der Karte angelastet werden kann, etwa wenn die Entwendung dieser Zahlungsinstrumente bei einem Einbruch erfolgt oder der Kunde Opfer eines Raubüberfalls wird5. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Karte abhanden kommt und missbräuchlich verwendet wird. Sie darf insbesondere nicht unbeaufsichtigt im Kraftfahrzeug aufbewahrt werden6. Denn die Karte kann bei Geldautomaten und automatisierten Kassen missbräuchlich eingesetzt werden.
7.833
Der Karteninhaber hat dafür zu sorgen, dass keine andere Person Kenntnis von der persönlichen Geheimzahl (PIN) erlangt. Dies bedeutet, dass er entsprechende den Anforderungen der Rechtsprechung die PIN nicht dem offenen Einblick Dritter preisgeben darf, auf unerwünschte Beobachter bei Einsatz zu achten hat und die ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen muss, um zu verhindern, dass Dritte von der PIN Kenntnis erlangen. Welche Maßnahmen hierzu erforderlich sind, lässt sich im Übrigen nur unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilen. Nicht erforderlich ist jedoch, die jeweilige PIN auswendig zu lernen und keinerlei Gedächtnisstütze mit sich zu führen. Dies würde die Sorgfaltspflichten angesichts der
7.834
1 Vgl. LG Lüneburg v. 14.5.1985 – 9 O 372/84, WM 1985, 914 (915). Vgl. ferner Köhler, AcP 182 (1982), 126 (129 f.). 2 OLG Köln v. 9.1.2002 – 13 U 54/01, WM 2003, 124. 3 LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00. 4 BGH v. 17.10.2000 – XI ZR 42/00, WM 2000, 2421 (2423); vgl. weiter OLG Frankfurt v. 7.12.2001 – 24 U 188/99, WM 2002, 1055 zum Verstecken der ec-Karte in einem unbewachten Wohnmobil und AG Nürnberg v. 30.1.2002 – 31 C 9097/01, WM 2002, 1060 zum Liegenlassen in einem unbewachten PKW. 5 LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00, WM 2001, 853. 6 AG Essen v. 23.10.1997 – 21 C 245/97, WM 1998, 1127.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Vielzahl von Geheimnummern im Alltagsleben überspannen1. Die Geheimzahl darf insbesondere nicht auf der Karte vermerkt oder in anderer Weise zusammen mit dieser aufbewahrt werden. Denn jede Person, die die persönliche Geheimzahl kennt und in den Besitz der Karte kommt, hat die Möglichkeit, zu Lasten des auf der Karte angegebenen Kontos Verfügungen zu tätigen.
7.835
Stellt der Karteninhaber den Verlust der Karte fest oder werden ihm missbräuchliche Verfügungen mit seiner Karte bekannt, ist das kartenemitierende Institut – möglichst die kontoführende Stelle – gemäß A. II Nr. 6.4 Abs. 1 der Kartenbedingungen unverzüglich zu benachrichtigen. Der Verlust der Karte kann auch gegenüber dem Zentralen Sperrannahmedienst angezeigt werden. Der Zentrale Sperrannahmedienst sperrt alle für das betreffende Konto ausgegebenen Karten für die weitere Nutzung an Geldautomaten und automatisierten Kassen. Zur Beschränkung der Sperre auf die abhanden gekommene Karte muss sich der Karteninhaber mit seinem Institut – möglichst mit der kontoführenden Stelle – in Verbindung setzen. Wird die Karte missbräuchlich verwendet, ist unverzüglich Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Die vorstehend dargestellten Regelungen konkretisieren die sich aus § 675l Satz 2 BGB ergebenden Pflichten des Nutzers eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments, wobei der Zahlungsdienstleister im Gegenzug gemäß § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB für eine jederzeitige Sperrmöglichkeit Sorge tragen muss. e) AGB-Klauseln zur Erfüllung der Aufklärungspflicht der kartenausgebenden Bank
7.836
Die „Kartenbedingungen“ enthalten neben rechtskonstitutiven Regelungen auch rein deskriptive Klauseln zu der Funktionsweise und den Risiken der erfassten Zahlungssysteme. Hierdurch wollen die Banken ihren vorvertraglichen Aufklärungspflichten Rechnung tragen, um nicht ihren künftigen Aufwendungserstattungsanspruch durch Schadensersatzpflichten wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) zu gefährden2, da sie bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen gemäß § 675u BGB verpflichtet sind, entsprechende Belastungen valutengerecht wieder zu korrigieren.
7.837
Insbesondere wird auf die Verpflichtung der Bank gegenüber den Betreibern von Geldautomaten und automatisierten Kassen hingewiesen, diesen die Beträge zu vergüten, über die unter Verwendung der ec-Karte verfügt worden ist. Deshalb sind Einwendungen und sonstige Beanstandungen des Karteninhabers aus dem (Valuta-)Verhältnis zu den Betreibern von automatisierten Kassen unmittelbar gegenüber diesen Unternehmen geltend zu machen (A. III. Nr. 1.3 Kartenbedingungen). 1 LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00, WM 2001, 853; vgl. weiter LG Halle v. 27.10.2000 – 14 O 97/00, WM 2001, 1298. 2 Zu diesen Aufklärungspflichten vgl. Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 9. Aufl. 2009, Rz. 269; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527q; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 54 Rz. 10. Nach Bieber empfehle sich eine gesonderte mündliche Belehrung des Kunden im Eigeninteresse der Bank (WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 11).
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
Auch wird der Kunde ausdrücklich auf die Konsequenzen einer fehlerhaften Eingabe der persönlichen Geheimzahl (PIN) hingewiesen. Wird diese dreimal hintereinander falsch eingegeben, kann die Karte an Geldautomaten und an automatisierten Kassen nicht mehr eingesetzt werden. Der Karteninhaber sollte sich in diesem Fall mit seiner Bank, möglichst mit der kontoführenden Stelle, in Verbindung setzen (A. III. Nr. 1.2 Kartenbedingungen).
7.838
2. Haftungsregelungen für missbräuchliche Verwendung der Karte Dem Kunden erwachsen aus den einzelnen Verwendungsfunktionen der Karte Haftungsrisiken, falls die Karte abhanden kommt und missbräuchlich eingesetzt wird. Im Interesse einer transparenten Regelung empfahl sich eine alles umfassende Haftungsregelung in einem überschaubaren Kontext, die jetzt ihre Rechtsgrundlage in § 675v BGB findet. Denn die verschiedenen Verlustrisiken sind mit demselben Medium in Gestalt der Karte verknüpft. Die Kartenbedingungen sehen eine Haftungsverteilung zwischen Kunde und Kreditinstitut vor, die den Kunden in weitem Umfang von seiner Verantwortlichkeit für eingetretene Schäden freistellt. Dabei weichen die Haftungsklauseln der entsprechendene Karten-Bedingungen der Privatbanken teilweise von den Bedingungen ab, die die Sparkassen und der Volksbanken- und Genossenschaftsbereich verwenden1.
7.839
Die missbräuchliche Verwendung der Karte kann auch Straftatbestände verwirklichen. So ist die Entnahme von Geld mit Hilfe einer verfälschten Karte als Computerbetrug strafbar. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 263a StGB auch den Missbrauch von Karten an Geldautomaten, insbesondere die unbefugte Benutzung fremder Codenummern bei missbräuchlichem Gebrauch eines Geldautomaten als Computerbetrug erfassen wollen2. Ob § 263a StGB auch die Fälle des Missbrauchs durch den berechtigten Karteninhaber erfasst, ist wegen der Spezialnorm des § 266b StGB umstritten3. Wird die auf dem Magnetstreifen vorhandene Kontonummer entfernt und durch eine andere ersetzt, so liegt hierin eine strafbare Veränderung von Daten, die magnetisch gespeichert waren (§§ 303a, 202a StGB)4.
7.840
a) Verteilung des Schadensrisikos aus einer missbräuchlichen Verwendung der Karte Bei der Neufassung der ec-Bedingungen im Jahre 1995 wurde insbesondere die Aufteilung des Schadensrisikos aus missbräuchlicher Verwendung der ec-Karte der BGH-Rechtsprechung zur verschuldensunabhängigen Haftung des Kunden angepasst5. Hiernach war ein wesentlicher Grundgedanke der gesetzli1 Vgl. weiter Wand, ZIP 1996, 214. 2 BGH v. 22.11.1991 – 2 StR 376/91, WM 1992, 515 (516) = BGHSt 38, 120 ff. = NJW 1992, 445. 3 Vgl. Fischer, 57. Aufl. 2010, § 263a StGB Rz. 14 mwN. 4 BayObLG v. 24.6.1993 – 5 St RR 5/93, WM 1993, 2079 (2080). 5 Zur Haftung bei missbräuchlicher Verwendung von Zahlungskarten durch Dritte nach neuem Recht siehe Koller in FS Kümpel, 2003, S. 315 ff.
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7.841
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
chen Regelung im Sinne der Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB [= § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG aF]), dass eine Schadensersatzpflicht regelmäßig schuldhaftes Verhalten voraussetzt1. Eine AGB-mäßig vereinbarte verschuldensunabhängige Haftung des Bankkundenwar danach nur noch in sehr engen Grenzen zulässig. Mit Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie hat sich dies jedoch insofern wieder etwas geändert, als jetzt zB § 675v Abs. 1 BGB für bestimmte Fallkonstellationen eine verschuldensunabhängige Haftung bis zu einem Betrag von 150 Euro ausdrücklich erlaubt, sodass sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Sphärenhaftung im Falle des ec-Karten-Missbauchs zulässig ist, nicht mehr stellt. Die Haftung des Kunden und der Haftungsumfang hängen deshalb zum einen von der konkreten Fallkonstellation und zum anderen vom Verhalten des Kunden ab. b) Abhängigkeit der Risikoverteilung vom vertragsmäßigen Kundenverhalten
7.842
Die Kartenbedingungen bestimmen zunächst in A. II. Nr. 12.1 und 12.2, dass die Bank dem Kunden bei nicht autorisierten, fehlerhaften oder nicht erfolgten Kartenverfügungen keinen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB hat und ggf. belastete Beträge gemäß § 675u BGB wieder erstatten muss. Darüberhinaus können gemäß A. II. Nr. 12.3 der Bedingungen auch noch Schadenersatzansprüche in Betracht kommen, die auf 12 500 Euro begrenzt sind. Die Haftungsregelung bezieht sich auf evtl. Folgeschäden und bewegt sich innerhalb des von § 675z BGB vorgegebenen Rahmens.
7.843
Aber auch wenn die Bank gegen ihren Kunden keinen Aufwendungsersatzanspruch hat und bereits belastete Aufwendungen gemäß § 675u BGB wieder erstatten müsste, schließt die Schadenersatzansprüche des Zahlungsinstituts gegen den Karteninhaber nicht aus. Bei einem solchen Schuldverhältnis können neben den Hauptleistungs- und Nebenpflichten, die der Durchführung und Sicherung der geschuldeten Hauptleistung dienen, allgemeine Verhaltens- und Schutzpflichten bestehen, die mit dem konkreten Vertragsinhalt nichts zu tun haben2. Nach den Regeln des allgemeinen Schuldrechts hat sich jeder Vertragspartner in zumutbarer Weise so zu verhalten, dass Person, Eigentümer und sonstige Rechtsgüter einschließlich des Vermögens des anderen Teils nicht verletzt werden3. Schutzobjekt dieser Kategorie vertraglicher Nebenpflichten ist das Interesse des Partners an der Erhaltung seines personen- und vermögensrechtlichen Status quo (Rechtsgütersphäre). Während diese Pflichten für die Kartenzahlung bisher aus 1 BGH v. 25.6.1991 – XI ZR 257/90, WM 1991, 1368 (1370) = BGHZ 115, 38 ff. = NJW 1991, 2414 ff.; BGH v. 1.4.1992 – XII ZR 100/91, WM 1992, 1163 (1164) = NJW 1992, 1761 ff.; BGH v. 9.7.1992 – VII ZR 7/92, WM 1992, 1948 (1953) = BGHZ 119, 152 ff. = NJW 1992, 3158 ff.; vgl. hierzu Emmerich, JuS 1993, 252 f.; BGH v. 9.4.2002 – XI ZR 245/01, WM 2002, 1006 (1008). 2 Roth in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 241 BGB Rz. 90. 3 BGH v. 22.3.1979 – VII ZR 133/78, WM 1979, 726 (727); WM 1983, 798; Heinrichs in Palandt, § 242 BGB Rz. 35.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme
einer Beurteilung der Interessenlage heraus nach den Grundsätzen von Treu und Glauben entwickelt worden ist, legen die §§ 675l und 675m BGB sowohl für den Zahlungsdienstenutzer als auch den Zahlungsdienstleister bestimmte Pflichten ausdrücklich fest. c) Differenzierungen bei der Kundenhaftung Soweit der Karteninhaber durch ein schuldhaftes Verhalten zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, bestimmt sich seine Haftung nach dem Maß seines Verschuldens, wobei unter engen Voraussetzungen sogar eine verschuldensunabhängige Haftung bis zu einem Betrag in Höhe von 150 Euro in Betracht kommen kann (A. II. Nr. 13.1 Kartenbedingungen Privatbanken). Dabei trifft die Bank die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Karteninhabers1. Daraus folgt, dass die Haftungsbegrenzung in A. II. Nr. 13.1 Abs. 1 und Abs. 2 der Bedingungen immer dann zum Tragen kommt, wenn ein Fall der Sphärenhaftung oder der leichten Fahrlässigkeit vorliegt. Allerdings kommt die Sphärenhaftung in Anlehnung an § 675y Abs. 1 BGB nicht bei allen, sondern nur bei bestimmten Fallkonstellationen in Betracht, nämlich dann, wenn Karte oder PIN gestohlen oder sonst abhanden gekomen sind und danach die Karte für unberechtigte Abhebungen an einem Geldautomat, zu Zahlungen an automatisierten Kassen, zur Aufladung der GeldKarte oder zum Aufladen eines Prepaid-Mobilfunkkontos eingesetzt wird. Ansonsten setzt die Haftung bis zu einem Betrag von 150 Euro leichte Fahrlässigkeit voraus.
7.844
Die Bank stellt den Kontoinhaber in jedem Falle für alle Beträge über 150 Euro des Gesamtschadens frei, sofern – wie sich aus A. II. Nr. 13.1 Abs. 3 der Kartenbeidnungen ergibt – sofern nicht eine wenigstens grob fahrlässige Pflichtverletzung in Betracht kommt2. Allerdings gilt die Haftungsbegrenzung nur für leichte Fahrlässigkeit oder entsprechend unverschuldetes Handeln.
7.845
Nach den Bedingungswerken der Sparkassen und Genossenschaftsbanken verzichten die Institute auf die Geltendamchung des Betrags von 150 Euro, sofern der Kunde seine Pflichten nicht wenigstens grob fahrläsig verletzt hat. Ab einem Veschuldensgrad von grober Fahrlässigkeit entspricht die Haftung des Kartenkunden der Haftung des Kartenkunden bei Privatbanken.
7.846
Die Haftung bis zu einem Betrag von 150 Euro endet, sobald der Verlust der Karte der kontoführenden Stelle oder dem telefonischen Sperrannahmedienst mitgeteilt worden ist, wie sich aus A. II. Nr. 13.2 der Kartenbedingungen er-
7.847
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 65. Dabei besteht nach dem OLG Hamm bei einem Missbrauch der ec-Karte unter Benutzung der PIN grundsätzlich kein Anscheinsbeweis dafür, dass der Karteninhaber dem Täter die Kenntnis der PIN durch einen pflichtwidrigen Umgang mit der PIN verschafft haben muss (OLG Hamm v. 17.3.1997 – 31 U 72/96, ZIP 1997, 878 [880]); vgl. weiter LG Rottweil v. 25.11.1998 – 1 S 148/98, WM 1999, 1934; LG Stuttgart v. 28.4.1999 – 13 S 239/98, WM 1999, 1935. 2 Nach dem Urteil des LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00 ist diese Haftungsregelung angemessen iS des § 9 AGBG aF (= § 307 BGB nF).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
gibt. Die Haftungsbegrenzung auf 150 Euro gilt, wie sich aus A. II. Nr. 13.1 Abs. 3 der Bedingungen ergibt, jedoch für wenigstens leicht fahrlässiges Handeln dann nicht, wenn der Karteninhaber entweder kein Verbraucher gemäß § 13 BGB ist, die Karte außerhalb des EWR oder zur Zahlung in einer NichtEWR-Währung eingesetzt wird. Dabei ist von der eng begrenzeten Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, gemäß §§ 675e Abs. 4, 675y BGB und §§ 675e Abs. 2, 675d Abs. 1 Satz 2, 675y Abs. 1 BGB Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen zu vereinbaren.
7.848
Sollte das Karteninstitut schuldhaft zum Schaden beigetragen haben und folgt daraus, dass entweder für die Sphärenhaftung kein Raum mehr bleibt oder die sich aus der leichten Fahrlässigkeit errechnende Mitverschuldensquote zu einer geringeren Haftung als in Höhe von 150 Euro führt, bleibt es bei der gesetzlichen Mitverschuldensregelung (§ 254 BGB). Dasselbe gilt, wenn dem Kontoinhaber nicht nur „leichte“, sondern „normale“ Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dies folgt aus der Systematik der Haftungsregelung, die an die gesetzliche Mitverschuldensregelung anknüpft und den Kontoinhaber lediglich für den Fall nur leichter Fahrlässigkeit begünstigen will. Fehlt es an diesem Ausnahmefall, gilt die gesetzliche Mitverschuldensregelung1.
7.849
Hat die Bank ihre Verpflichtungen erfüllt, dagegen der Kontoinhaber seine Pflichten grob fahrlässig verletzt, trägt dieser den entstandenen Schaden nach den Kartenbedingungen aller Institutsgruppen im vollen Umfang, wie sich zB aus A. II. Nr. 13.1 Abs. 5 der Kartenbedingungen der Privatbanken ergibt. Ein solcher Verschuldensgrad kann nach dieser Haftungsklausel insbesondere vorliegen, wenn der Kartenverlust der Bank oder dem Zentralen Sperrannahmedienst schuldhaft nicht unverzüglich mitgeteilt worden ist, die persönliche Geheimzahl (PIN) auf der Karte vermerkt oder zusammen mit der Karte verwahrt oder der Missbrauch der Karte durch Mitteilung der PIN an eine andere Person verursacht worden ist.
7.850
Die Haftung bei missbräuchlicher Verwendung der Karten ist betragsmäßig begrenzt. Für Schäden, die innerhalb des für den Verfügungsrahmen geltenden Zeitraums verursacht werden, beschränkt sich die Haftung jeweils auf den mitgeteilten Verfügungsrahmen (A. II. Nr. 13.1 Abs. 6 Kartenbedingungen Privatbanken).
7.851
Die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Karteninhabers als Voraussetzung für eine Schadensersatzpflicht liegt bei der Bank. Dagegen sind die Voraussetzungen für ein Mitverschulden der Bank durch die Bank vom Kunden darzulegen und zu beweisen2. d) Vereinbarkeit mit dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)
7.852
Die Schadensverteilung ist wegen der Komplexität der Regelungsmaterie entsprechend ausdifferenziert. Sie dürfte aber dem durchschnittlichen Bankkun1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 62. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 65.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme
den keine vermeidbaren Verständnisschwierigkeiten bereiten. Angesichts der klaren, am Regel-/Ausnahmeverhältnis ausgerichteten Systematik ist das Transparenzangebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht verletzt1, zumal sich die Regelung eng an das Gesetz anlehnt. Davon ausgehend, dass dieses nicht intranparent ist, kann die Intransparenz auch nicht die darauf aufsetzenden AGB-Regelungen treffen e) Angemessenheit der Schadensverteilung Die geltende Haftungsregelung steht nunmehr im Einklang mit dem Verbot einer unangemessenen Benachteiligung des Bankkunden im Sinne der Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 BGB [= § 9 AGBG aF]). Ausgangspunkt der Schadensverteilung ist, dass bei der missbräuchlichen Verwendung der Karte an Geldautomaten und automatisierten Kassen dem kartenausgebenden Kreditinstitut kein gesetzlicher Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 675u BGB zusteht2. Außerdem gibt sie jetzt den gesetzlich eingeräumten Spielraum eins zu eins wieder, sodass für die Unangemessenheit der Regelung kein Raum mehr bleibt.
7.853
Ebenso wenig erwirbt die Bank einen Bereicherungsanspruch gegen den Kontoinhaber. Bei einer missbräuchlichen Verwendung der Karte kommt es regelmäßig zu keiner Schuldbefreiung des Kontoinhabers3.
7.854
III. Garantiefunktion der ec-Karte Die drei konventionellen Instrumente des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Gestalt eines Überweisungsauftrages, der Lastschrift und des Schecks verschaffen dem Gläubiger bis zur Auftragsausführung bzw. Einlösung keine zusätzliche Absicherung gegen die Zahlungsverweigerung oder -unfähigkeit seines Schuldners. Der Gläubiger hat einen rechtlich selbständigen Zahlungsanspruch gegen seine kontoführende Bank und damit Buchgeld erst erlangt, wenn die Gutschrift, die er von seiner kontoführenden Bank erteilt erhalten hat, endgültig geworden ist.
7.855
Bis zur Endgültigkeit der Buchgeldzahlung hat der Gläubiger, der seine Leistung ohne sofortige Bezahlung des vereinbarten Entgelts mit Bargeld zu erbringen bereit ist, ein Interesse daran, gegen eine spätere Zahlungsverweigerung oder -unfähigkeit seines Partners abgesichert zu sein. Dieser Absicherung des Gläubigers diente die durch die ec-Karte wie die Kreditkarte, die dem Gläubiger einen zusätzlichen abstrakten Zahlungsanspruch gegen den Kartenherausgeber als einem Dritten mit zweifelsfreier Bonität verschafft.
7.856
Die drei konventionellen Instrumente des Zahlungsverkehrs können das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers nicht befriedigen. Denn der Überweisungs-
7.857
1 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 64; aA Löwe, ZIP 1995, 259. 2 Ahlers, WM 1995, 601 (605). 3 Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 3 ScheckG, Rz. 13.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
auftrag des Schuldners an seine kontoführende Stelle ist kein anspruchsbegründender Vertrag zu Gunsten des Gläubigers als Buchgeldempfänger iS des § 328 BGB, ganz abgesehen davon, dass der Gläubiger regelmäßig keinen Einfluss auf die hierzu erforderliche Erteilung eines solchen Auftrages hat. Das Gleiche gilt für den Abbuchungsauftrag, den der Schuldner beim Lastschriftverfahren seiner kontoführenden Stelle als Zahlstelle erteilen kann, der aber gegenüber der kontoführenden Stelle widerrufbar ist. Beim Einzugsermächtigungsverfahren wird dem Lastschriftgläubiger lediglich der Einzug des geschuldeten Betrages im bargeldlosen Zahlungsverkehr mittels Lastschrift gestattet, ohne dass der Gläubiger ermächtigt (§ 185 BGB) oder bevollmächtigt (§ 167 BGB) ist, das Weisungsrecht des Schuldners gegenüber dessen kontoführender Stelle auszuüben.
7.858
Auch der Scheck verschafft dem Gläubiger als Schecknehmer keinen Zahlungsanspruch gegen die bezogene Bank als Zahlstelle des Scheckausstellers. Nach dem Scheckgesetz (Art. 4) kann ein Scheck nicht durch die bezogene Bank angenommen werden; eine solche Annahme wäre aber die rechtliche Voraussetzung für die Begründung einer eigenen Zahlungsverpflichtung der Bezogenen.
7.859
Bei der Bezahlung mit einem Scheck verbessert sich die Rechtsposition des Gläubigers nur insoweit, als er neben dem Zahlungsanspruch aus seinem Valutaverhältnis zum Schuldner – sog. kausaler Zahlungsanspruch – zusätzlich einen scheckrechtlichen Zahlungsanspruch gegen seinen Schuldner erwirbt. Als Aussteller des Schecks haftet der Schuldner kraft Gesetzes für dessen Einlösung (Art. 12, 40 ScheckG).
7.860
Dieser scheckrechtliche Zahlungsanspruch kann im sog. Scheckprozess gerichtlich geltend gemacht werden (§ 605a ZPO). Hierbei handelt es sich um eine Unterart des sog. Urkundenprozesses (§ 592 ZPO). Diese Prozessart eröffnet ein beschleunigtes Verfahren. Denn hier erfolgt nur eine sehr beschränkte Sachprüfung durch das Gericht. Insoweit ähnelt der Urkundenprozess dem Arrestverfahren, das dem Gläubiger eine schnelle Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen seines Schuldners eröffnet. Infolge des weitestmöglichen beleglosen Scheckeinzugsverfahrens ist die praktische Bedeutung des Scheckprozesses zwischenzeitlich spürbar zurückgegangen1.
7.861
Auch die Bezahlung einer Geldschuld mit einem Scheck ändert also nichts daran, dass der Gläubiger bis zur Erlangung einer endgültigen Kontogutschrift auf seinem Girokonto nur seinen Schuldner auf Zahlung in Anspruch nehmen kann. Wurde früher dagegen ein Scheck unter Verwendung einer ec-Karte begeben, so trat eine wesentliche Verstärkung der Rechtsposition des Gläubigers ein. In diesen Fällen erwarb der Gläubiger schon mit der Entgegennahme des Schecks einen selbständigen Zahlungsanspruch gegen die bezogene Bank.
7.862
Ebenso verstärkt sich die Rechtsposition des Gläubigers bei Verwendung einer Kreditkarte. Hier erwirbt der Gläubiger einen selbständigen Zahlungsanspruch gegen den Kartenemittenten. In beiden Fällen ist der Gläubiger also nicht mehr 1 Braun in MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2007, § 605a ZPO Rz. 1 mwN.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme
auf die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit seines Schuldners angewiesen. Dies führte früher zu einer wesentlich größeren Akzeptanz des Schecks als Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, wie dies heute noch für die Kreditkarte gilt1. Für den Missbrauch der Scheckkarte und der Kreditkarte ist ein eigener Straftatbestand eingeführt worden (§ 266b StGB). Eine vergleichbare Absicherung wie durch die Garantiefunktion der ec-Karte erfährt der Zahlungsberechtigte bei den nicht papiergebundenen „elektronischen“ Zahlungen an automatisierten Kassen im Rahmen des electronic cash-Systems. Hier wird jeder Zahlungsvorgang „genehmigt“ und damit „garantiert“. Ebenso gesichert ist der Zahlungsberechtigte beim Einsatz der GeldKarte als elektronische Geldbörse.
7.863
1. Grundsätzliches Die ec-Karte wurde im Jahre 1968 als „Scheckkarte“ eingeführt, die zunächst nur die Funktion hatte, dem Schecknehmer eine Einlösungsgarantie des kartenausgebenden Kreditinstituts zu verschaffen. Diese mit einem Magnetstreifen versehene Karte konnte in allen Staaten West- und Osteuropas einschließlich der Mittelmeeranrainerstaaten zur Begebung von eurocheques verwendet werden. Bei dem eurocheque handelte es sich um einen international einheitlich gestalteten Scheck, der zur Bezahlung von Waren und Dienstleistungen und zur Beschaffung von Bargeld benutzt werden konnte. Der kartengarantierte eurocheque war scheckrechtlich ein normaler Inhaberscheck. Seine Besonderheit lag in der Garantiehaftung der bezogenen Bank2.
7.864
Die eurocheque-Garantie ist auf Grund eines Beschlusses der Europay International S.A. als Lizenzgeberin v. 22.4.1999 zum Ende des Jahres 2001 ausgelaufen. Zum gleichen Zeitpunkt wurde die 1982 von der deutschen Kreditwirtschaft abgeschlossene „Vereinbarung zum eurocheque-System“ aufgehoben, mit der die Lizenz der Europay International S.A. vertragstechnisch umgesetzt worden war. Der Wegfall des Scheckkartenverfahrens wurde vor allem durch den drastischen Rückgang der Ausstellung scheckkartengarantierter eurocheques im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr ausgelöst, der mit einem vermehrten Einsatz der ec-Karte an Geldausgabeautomaten und im Rahmen des electronic cash-Systems (POS-System) einherging. Hinzu kamen die stark gestiegenen Kosten für die Abwicklung solcher Scheckzahlungen, die im Besonderen auf die zu geringe Transaktionszahl bei diesem bisherigen Zahlungsverkehrsinstrument herrührten3.
7.865
1 Nach dem BGH war die Wegnahme einer codierten eurocheque-Karte in der Absicht, sich unbefugt durch ihre Benutzung und die Eingabe der zugehörigen Geheimzahl Geld aus einem Geldautomaten zu verschaffen und sie sodann dem Berechtigten zurückzugeben, eine straflose Gebrauchsentwendung (furtum usus), BGH v. 16.12.1987 – 3 StR 209/87, WM 1988, 405 (406) = BGHSt 35, 152 ff. Die Strafbarkeit ergibt sich aus § 263a StGB. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 11. 3 Börsen-Zeitung v. 7.10.2000, S. 6; Handelsblatt v. 9.10.2000.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
2. Garantievertrag zwischen Zahlungsempfänger und bezogener Bank
7.866
Die aus dem Einsatz der ec-Karte resultierende Verpflichtung der bezogenen Bank wurde von der herrschenden Meinung als Garantievertrag und nicht als abstraktes Schuldversprechen (§ 780 BGB) qualifiziert1. Hierfür spricht nicht nur, dass die Einstandspflicht der bezogenen Bank in den früheren Bedingungen für ec-Karten als Garantie bezeichnet wurde. Die Haftung der Bank war vor allem für die Fälle gewollt, in denen ein nicht garantierter Scheck nicht eingelöst wurde. Es sollte also eine subsidiäre Erfolgshaftung begründet werden, wie sie für die Garantie typisch ist2. Allerdings hat sich die Situation mit Wegfall des eurocheques geändert, denn jetzt ist die „Garantie“ unmittelbar mit einer entsprechenden Weisung zur Zahlung, sei es bei der Bezahlung an automatisierten Kassen, sei es bei Abhebungen an Geldautomaten, verknüpft. a) Abgrenzung der Garantie von Bürgschaft und Schuldbeitritt
7.867
Der Garantievertrag ist im BGB nicht geregelt. Die Bedürfnisse des Rechtsund Wirtschaftsverkehrs haben dazu geführt, dass sich neben den vom Gesetz ausdrücklich normierten Verträgen weitere typische Verträge herausgebildet haben (sog. verkehrstypische Verträge)3. Dabei handelt es sich zum Teil um Neubildungen eigener Art, wie dies auch für den Garantie-(Gewähr-)Vertrag zutrifft. Der Garantievertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Garant eine Verpflichtung zur Schadloshaltung übernimmt, sofern der Garantieerfolg nicht eintritt; er haftet auch für alle typischen Zufälle.
7.868
Der garantierte Erfolg ist ein anderer und weiter gehend als die bloße garantierte Vertragsleistung. Der Umfang der Verpflichtung zur Schadloshaltung bestimmt sich nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen4.
7.869
Der Anspruch aus der Garantie ist ein Erfüllungsanspruch. Die Schadloshaltung bei der Forderungsgarantie, wie sie auch die Scheckkartengarantie darstellte, geht auf Ersatz des Schadens, der dem Gläubiger (Schecknehmer) aus der Nichterfüllung oder nicht rechtzeitigen Erfüllung seiner Forderung aus dem Valutaverhältnis zu seinem Schuldner (Scheckinhaber) erwächst5.
7.870
Die Garantie ist mit der vom Gesetz geregelten Bürgschaft (§ 765 Abs. 1 BGB) verwandt. Beide sollen eine persönliche Forderung gegen einen Dritten durch Übernahme einer Hilfsschuld absichern6. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Bürgschaftsschuld vom Bestehen und Umfang der gesicherten (Haupt-)Schuld dauernd abhängig ist. Diese Akzessorietät fehlt der 1 BGH v. 6.3.1975 – II ZR 165/73, WM 1975, 466; BGH v. 25.1.1982 – II ZR 154/81, WM 1982, 478 (479) = BGHZ 83, 28 ff. = NJW 1982, 1466 f.; vgl. hierzu Hadding/Häuser, WM 1993, 1357 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 834 mwN. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 11, 76 mwN. 3 Heinrichs in Palandt, Einf. v. § 311 BGB Rz. 12. 4 BGH v. 11.7.1985 – IX ZR 11/85, WM 1985, 1035 (1037) = NJW 1985, 2941 ff. 5 BGH v. 16.12.1960 – II ZR 137/59, WM 1961, 204 (207); Sprau in Palandt, Einf. v. § 765 BGB Rz. 16. 6 Palandt, Einf. v. § 765 BGB Rz. 15, 16.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme
Garantie, die wie die Scheckkartengarantie eine Zahlungsverbindlichkeit der bezogenen Bank begründen soll, die unabhängig von dem Anspruch des Schecknehmers (Garantiebegünstigten) gegen den Scheckkarteninhaber aus dem Valutaverhältnis Bestand hat. Die Terminologie der früheren „Bedingungen für die ec-Karte“ wie auch die Interessenlage spricht auch dagegen, dass an Stelle einer Garantie ein Schuldbeitritt (Schuldmitübernahme, kumulative Schuldübernahme) der bezogenen Bank gewollt war. Der Schuldbeitretende tritt zusätzlich neben dem bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis ein; beide werden Gesamtschuldner iS der §§ 421 ff. BGB1. Die bezogene Bank wollte aber nicht die Zahlungsverbindlichkeit ihres Kunden aus dem Valutaverhältnis mit dem Schecknehmer mitübernehmen, sondern diesen nur schadlos halten, wenn der Scheck ausnahmsweise zB wegen fehlender Deckung oder Widerrufs (Schecksperre) durch den Aussteller nicht eingelöst wurde. Durch die Scheckkarte sollte daher erkennbar nur eine subsidiäre Haftung der bezogenen Bank begründet werden. Auch wenn der Scheck, der „garantiert“ werden soll, weggefallen ist, sprechen auch im Lichte des aktuellem Rechts gute Gründe für den Garantievertrag. Der Einsatz der Karte stellt im Lichte des § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB einen Zahlungsauftrag dar, der bei Zahlungen im electronic cash-Verfahren üer den Zahlungsempfänger an das Zahlungsinstitut des Zahlers übermittelt wird. Insofern zahlt diesen auf Grund des Auftrags seines Kunden. Sollte dieser jedoch unwirksam sein, weil die Karte missbräuchlich eingesetzt wurde, oder auch das Konto des Zahlers nicht die für die Einlösung erforderliche Deckung aufweisen, kommt die aus dem Einsatz von Karte und PIN resultierende „Garantie“ zum Zuge, die gerade dann Anwendung findt, wenn aus dem Auftrag selbt keine Zahlungsverpflichtung resultiert.
7.871
b) Zustandekommen des Garantievertrages Der Garantievertrag kam nach herrschender Meinung zwischen dem bezogenen Institut und dem Zahlungsempfänger durch einen Vertragsschluss zu Stande, der durch den Inhaber der ec-Karte vermittelt wird. Hierbei handelte der Karteninhaber nicht nur als Übermittlungsbote, sondern als offener Stellvertreter des bezogenen Instituts (§ 164 Abs. 1 BGB)2. Denn der Karteninhaber entscheidet nach freiem Ermessen selbst, ob, gegenüber welchem Zahlungsempfänger und in welcher Höhe eine Garantieverpflichtung seines Instituts begründet werden soll3. Die Vollmacht erteilte das Kartenemittierende Institut konkludent durch die Aushändigung der ec-Karte an den Kontoinhaber oder Kontobevollmächtigten4.
1 Palandt, Überbl. v. § 414 BGB Rz. 2. 2 OLG Hamm v. 18.11.1971 – 2 Ss 685/71, NJW 1972, 298 (299); OLG Nürnberg v. 8.6.1978 – 8 U 11/78, NJW 1978, 2513 (2514); Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 78 mwN; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 831; Baumbach/Hefermehl/Casper, Anh. Art. 4 ScheckG Rz. 7. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 78. 4 Hadding, WuB I D 3.-3.88; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 78.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
c) Garantiehaftung auf Grund Rechtsscheinhaftung
7.873
Die Garantiehaftung kam und kommt auch zum Tragen, wenn die ec-Karte von einem nicht verfügungsberechtigten Dritten verwendet wird. Trotz Besitzes der Karten ist der Dritte kein Bevollmächtigter des kartenausgebenden Institutes; es fehlt ihm die Vertretungsbefugnis zum Abschluss eines Garantievertrages1. Die Garantiehaftung des Institutes kann jedoch auf Grund zurechenbaren Rechtsscheins begründet werden2. Dieser Haftung steht auch nicht entgegen, dass die ec-Karte keinen Wertpapier-Charakter hat und auch kein qualifiziertes Legitimationspapier iS des § 808 BGB darstellt3.
7.874
Die ec-Karte war deshalb auch nicht aufgebotsfähig iS der §§ 946 ff. ZPO4. Wegen der Ähnlichkeit mit einer Vollmachtsurkunde wurde jedoch eine Kraftloserklärung durch das ausgebende Institut analog § 176 BGB für zulässig erachtet5. Nach der Kraftloserklärung konnten aus der Vorlage der ec-Karte keine Rechte mehr herleiten6. Diese Möglichkeit der Kraftloserklärung stand aber nicht im Einklang mit der Akzeptanz der ec-Karte, zumal die Garantie durch Einsatz in elektronischen Verfahren begründet wird, sodass es vor allem einer technischen Sperre bedarf, um ihren weiteren Einsatz zu unterbinden, diese dafür aber auch zwingend erforderlich ist.
7.875
Ungeachtet ihres fehlenden Wertpapiercharakters war die ec-Karte auf Grund ihrer Legitimationsfunktion im Zusammenhang mit dem eurocheque ein Rechtsscheinträger und damit als Vertrauensgrundlage für die Rechtsscheinhaftung ausreichend. Diese Karte sollte den sie vorlegenden Scheckaussteller gegenüber dem Schecknehmer als denjenigen ausweisen, der berechtigt war, über das im Scheck bezeichnete Girokonto zu verfügen und die Garantiehaftung der bezogenen Bank zu begründen7. Diese Legitimationskraft ließ die ecKarte zwar nicht zu einem Legitimationspapier iS des § 808 BGB werden, wie dies zB auf das Sparbuch zutrifft, dessen Besitz bestimmte Legitimationswirkungen bei Verfügungen über das Sparguthaben durch einen Nichtberechtigten entfaltet. Die ec-Karte war aber auf Grund der ihr zugewiesenen Legitimationsfunktion mit einer Vollmachtsurkunde vergleichbar, deren Aushändigung typischerweise keinen selbständigen Bevollmächtigungsakt darstellt, sondern der Schaffung eines Legitimationsträgers im Hinblick auf eine zuvor oder gleichzeitig erteilte Innenvollmacht dient. Diese Legitimationsfunktion lässt die Vollmachtsurkunde zum Rechtsscheinträger werden mit der Folge, dass der gutgläubige Geschäftsgegner in sein Vertrauen auf das Bestehen der darin dokumentierten Vollmacht geschützt wird, wenn diese nicht oder nicht
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 833 mwN; aA LG Berlin v. 18.5.1981 – 95 O 14/81, WM 1981, 1242. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 79. 3 BGH v. 16.12.1987 – 3 StR 209/87, WM 1988, 405 (407) = BGHSt 35, 152 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527b; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7. 4 Kümpel, NJW 1975, 1549; Pleyer/Wüsten, WM 1975, 1102 (1105). 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 849. 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 111. 7 LG Koblenz v. 28.6.1988 – 6 S 390/87, WM 1988, 1666 (1667).
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
wirksam erteilt worden ist oder sie zurzeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes nicht mehr besteht (vgl. § 173 BGB)1. Ein solcher Rechtsscheinträger wie die Vollmachtsurkunde ist die ec-Karte immer noch, wenn auch jetzt nicht mehr im Zusammenhang mit einem Scheck. Sie ist insoweit der GeldKarte und der Kreditkarte vergleichbar, denn sie dokumentiert eine Vollmachtserteilung des Instituts, wie sie konkludent durch die Aushändigung der ec-Karte an den Kontoinhaber oder den Kontobevollmächtigten erfolgt. Mit Rücksicht auf diesen, dem Kreditinstitut zurechenbaren Rechtsschein darf der Akzeptant der Karte in einem mit PIN garantierten Verfahren darauf vertrauen, dass der Vorleger der ec-Karte bei der Verwendung mittels PIN zumAbschluss eines Garantievertrages zu Lasten des Emittenten bevollmächtigt ist. Der ec-Karte kommt deshalb eine ähnliche Legitimationswirkung zu wie einer Vollmachtsurkunde2.
7.876
Wird die Karte bei missbräuchlicher Verwendung mittels richtiger PIN eingesetzt, wird hierdurch der für die Garantiehaftung erforderliche Rechtsscheintatbestand verwirklicht, wie früher bei Vorlage der Karte als Garantiekarte für den eurocheque3.
7.877
3. ec-Kartenvertrag mit dem Kontoinhaber (Deckungsverhältnis) Der ec-Scheckkartenvertrag regelte das Rechtsverhältnis zwischen dem kartenausgebenden Kreditinstitut und seinem Kunden als Karteninhaber. Bei diesem sog. Deckungsverhältnis handelte es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB.
7.878
Minderjährige bedürften für die Teilnahme am ec-Kartenverfahren nicht nur der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter (§ 107 BGB). Erforderlich wäre auch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gemäß § 1822 Nr. 8 BGB, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Minderjährige die ec-Karte zur Kreditaufnahme in Form von Kontoüberziehungen verwendete. Deshalb soll von der Aushändigung einer ec-Karte grundsätzlich Abstand genommen werden4.
7.879
Hat der Kontoinhaber eine Kontovollmacht erteilt, kann eine ec-Karte auch auf den Namen des Bevollmächtigten ausgestellt werden. In diesen Fällen kommt zwischen dem Kreditinstitut und dem Kontobevollmächtigten ein eigenständiger Vertrag mit eigenen Rechten und Pflichten zu Stande, der als ebenfalls als Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB
7.880
1 Schramm in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 172 BGB Rz. 1. 2 Timm/Enders, JuS 1992, 406 (409); Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 79. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 848; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 110. 4 Verlautbarung des ehemaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (jetzt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) v. 22.3.1995, abgedruckt in ZIP 1995, 691 ff.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
einzustufen ist1. Nach diesem Vertrag darf der Kontobevollmächtigte für das kartenemittierende Kreditinstitut eine Garantiehaftung begründen2. Einige der in den Bedingungen für ec-Karten geregelten Pflichten richteten sich ausdrücklich an den Inhaber der Karte und gelten damit auch für den Kontobevollmächtigten als Karteninhaber3.
7.881
Wird die Kontovollmacht widerrufen, ist der Kontoinhaber dafür verantwortlich, dass die ec-Karte des Bevollmächtigten zurückgegeben wird (A. II. Nr. 1 ec-Bedingungen Privatbanken). Aufwendungen der Bank aus der Weiterbenutzung der Karte hat der Kontoinhaber zu erstatten, wie es den Wertungen der §§ 170, 172 BGB entspricht4.
7.882
Der Inhalt des ec-Kartenvertrages wird wesentlich durch das diesem zugrundeliegende Bedingungswerk (z.B die „Bedingungen für die girocard“ oder die „Bedingungen für die SparkassenCard“) bestimmt. Der Karteninhaber wie auch der Kontobevollmächtigte dürfen Verfügungen mit seiner ec-Karte nur im Rahmen des Kontoguthabens oder eines vorher für das Konto eingeräumten Kredits vornehmen. Auch wenn der Karteninhaber diese sog. finanzielle Nutzungsgrenze nicht einhält, kann die Bank den Ersatz der Aufwendungen verlangen, die aus dem Karteneinsatz entstehen. Die hieraus resultierenden Kontobelastungen führen zu geduldeten Kontoüberziehungen mit den hierfür geltenden höheren Zinssätzen.
7.883
Wird diese Pflicht zur Einhaltung der finanziellen Nutzungsgrenzen verletzt, erwirbt das kontoführende Institut regelmäßig einen Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung (jetzt: § 280 Abs. 1 BGB) sowie wegen ungerechtfertigter Übernahme der Geschäftsführung5. Daneben kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266b StGB in Betracht, der den Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten unter Strafe stellt6. Diese Schadensersatzansprüche traten neben den Aufwendungserstattungsanspruch (§ 670 BGB)7.
7.884
Der ec-Kartenvertrag endete mit dem Ablauf des Girovertrages. Der Vertrag konnte auch einseitig gekündigt werden. Die Kündigungsfristen richteten sich nach den Grund-AGB (vgl. Nr. 19 AGB-Privatbanken), die auch die fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde, etwa bei Missbrauch der ec-Karte regeln8. 1 Hadding, WuB I D 3.-3.88, noch zur alten Rechtslage vor Einführung des Zahlungsdienstevertrags. 2 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 16. 3 OLG Celle v. 9.12.1987 – 3 U 43/87, WM 1988, 150 (152). 4 Schröter, ZBB 1995, 395 (397); Harbeke, WM 1989, 1709 (1712); Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 21. 5 Hadding, WuB I D 3.-3.88; vgl. weiter OLG Celle v. 9.12.1987 – 3 U 43/87, WM 1988, 150. 6 Hierbei handelt es sich um einen speziellen Straftatbestand, der den allgemeinen Tatbestand des Betruges und der Untreue (§§ 263, 266 StGB) verdrängt, BGH v. 2.3.1993 – 1 StR 849/92, NStZ 1993, 283. 7 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 32. 8 Vgl. weiter Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 19.
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
Wie bereits weiter oben ausgeführt, besteht kein Aufwendungsersatzanspruch, wenn das kartenemittierende Institut zwar auf Grund der vermittelten Garantie an den Kartenakzeptanten zahlen muss, die Karte jedoch von einem Unberechtigten eigesetzt worden ist. In diesem Fall folgt aus § 675u BGB, dass der Kartenemittent bereits belastete Aufwendungen erstatten muss. In Betracht kommen können dann nur Schadenersatzsansprüche, sofern die Voraussetzungen für eine entsprechende Haftung vorliegen.
7.885
Aus A. II. Nr. 13.2 der ec-Kartenbedingungen der Privatbanken, die auf § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB beruhen, folgt, dass das kartenemittierende Institut eine Kartensperre in jedem Fall beachten muss und das es ab diesem Zeitpunkt gegen den Karteninhaber weder Aufwendungsersatz- noch Schadensersatzansprüche für den Karteneinsatz nach Sperre geltend machen darf, es sei denn, der Karteninhaber handelt in betrügerischer Absicht.
7.886
4. Einwendungen des bezogenen Instituts gegen die Garantieinanspruchnahme Das bezogene Institut kann die Unwirksamkeit des Garantievertrages einwenden, wenn es an den formellen Voraussetzungen für die Garantieübernahme mangelte. Bei den elektronischen Zahlungsverfahren ist dies insbesondere der Fall, wenn die Terminals nicht dem ZKA-Standard entsprechen und nicht für die entsprechenden Verfahren freigegeben worden sind oder der Kartenakzeptant erkennt oder erkennen kann, dass der Verwender der Karte nicht der berechtigte Karteninhaber sein kann (zB Verwendung einer auf eine Frau ausgestellte Karte durch einen Mann oder nach Ablauf des Gültigkeitsdatums).
7.887
An dieser Unwirksamkeit des Garantievertrages fehlt es jedoch, wenn der Karteninhaber nur beschränkt geschäftsfähig ist. Auch solche Kunden können die Bank beim Zustandekommen des Garantievertrages wirksam vertreten (§ 165 BGB).
7.888
Selbst wenn der Wuchereinwand nur das Grundgeschäft nichtig sein lässt und hiervon der Garantievertrag unberührt bleibt, steht dem bezogenen Institut gleichwohl gegen den Garantiebegünstigten der Einwand des Rechtsmissbrauchs bei Geltendmachung des Garantieanspruches zu. Das bezogene Institut darf nicht auf dem Umwege über die (abstrakte) Garantiezusage zur Mitwirkung an einem sittenwidrigen Geschäft gezwungen werden1.
7.889
Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Karteninhaber und dem Kartenakzeptanten kommen schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht in Betracht. Das kartenemittierende Institut ist nicht Vertragspartner, so dass es sich um eine unzulässige Einwendung aus dem Recht eines Dritten
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1 Zur vergleichbaren Fallkonstellation bei der Verwendung eines garantierten eurocheques: BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, WM 1989, 1673 (1674) = NJW 1990, 384 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 836.
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handeln würd1. Solche Einwendungen sind unvereinbar mit der Funktion der ec-karte, die dem Kartenakzeptant eine ähnlich gesicherte Rechtsposition wie eine Barzahlung verschaffen soll. Eine Ausnahme gilt deshalb nur für die Fälle, in denen die Geltendmachung des Garantieanspruchs einen Rechtsmissbrauch in der Form einer unzulässigen Rechtsausübung darstellt2. Beispiele hierfür sind die Nichtigkeit des Valutaverhältnisses wegen Gesetzeswidrigkeit (§ 134 BGB), Sittenwidrigkeit oder Wucher (§ 138 BGB)3.
IV. Bargeldloses Zahlen an automatisierten Kassen des electronic cash-Systems4
7.891
Das electronic cash-System ermöglicht dem Bankkunden bargeldlose Zahlungen an den automatisierten Kassen des Handels und des Dienstleistungsgewerbes zu Lasten seines Girokontos bei dem kartenausgebenden Institut. Dem POS-System sind Einzelhandelsgeschäfte, Tankstellen und Hotels angeschlossen (nachfolgend kurz „Händler“). Der Kunde des Händlers braucht sich hierzu nur durch seine ec-Karte oder sonst zum Verfahren zugelassenen Karte und die persönliche Geheimzahl (PIN) zu legitimieren.
7.892
Damit entfällt die Ausstellung der „Belastungsbelege“ des Kreditkartenverfahrens. Bei dem POS-System handelt es sich also um ein nicht „papiergebundenes“ elektronisches Zahlungssystem. In dieser „beleglosen“ Veranlassung des Zahlungsvorgangs berühren sich die Verbraucherinteressen mit den Rationalisierungsinteressen der Handels- und Dienstleistungsunternehmen5. Die elektronische Zahlung beschleunigt im Übrigen die Zahlungsvorgänge an den Ladenkassen. Aus der Sicht des Händlers ergeben sich weitere Kosten sparende Rationalisierungseffekte gegenüber einer Bezahlung mit Bargeld oder Scheck. Insbesondere entfallen die mit einem Bargeldbestand verbundenen Risiken wie auch die späteren Einzahlungen dieser Bestände bei der Bank und Einreichungen von Schecks zum Einzug auf das eigene Girokonto.
1. Grundstrukturen des electronic cash-Systems
7.893
Wesentlicher Bestandteil des electronic cash-Systems ist die Genehmigung jedes Zahlungsvorgangs durch die jeweilige Autorisierungsstelle des kartenausgebenden Instituts. Hierzu wird die Zahlungskarte in die automatisierte 1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 836; OLG Hamm v. 8.7.1983 – 7 U 14/83, WM 1984, 1445 (1448); OLG Nürnberg v. 8.6.1978 – 8 U 11/78, NJW 1978, 2513 (2514). 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 836; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 102. 3 BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, WM 1989, 1673 = NJW 1990, 384 ff.; OLG Hamm v. 8.7.1983 – 7 U 14/83, WM 1984, 1445 (1448) zu den entsprechenden Fällen bei der Verwendung garantierter eurocheques. 4 Reiser, WM 1989, Sonderbeil. 3; Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. 1; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527cc; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 68. 5 Hartmann, WM 1983, 982 (983).
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Kasse (electronic cash-Terminal) eingeführt, die dem Kunden den geschuldeten Geldbetrag anzeigt. Anschließend identifiziert sich der Kunde durch Eingabe seiner persönlichen Geheimzahl (PIN) über die Terminal-Tastatur. Sodann werden die für die Autorisierung erforderlichen Daten, wie sie auf dem Magnetstreifen der Zahlungskarte codiert sind, der zuständigen Autorisierungsstelle elektronisch übermittelt. Hiernach wird zur Vermeidung missbräuchlicher Kontoverfügungen überprüft, ob die PIN richtig ist und die Zahlungskarte auch nicht gesperrt ist und ob der dem Kunden eingeräumte Verfügungsrahmen eingehalten wird. Bei positivem Prüfungsergebnis sendet die Autorisierungszentrale als Beauftragte des kartenausgebenden Instituts die Nachricht „Zahlung genehmigt“ an das electronic cash-Terminal. Mit der Autorisierung des jeweiligen electronic cash-Umsatzes wird für das kartenausgebende Kreditinstitut eine (abstrakte) Zahlungsverbindlichkeit, bei der es sich um eine Garantie handelt, da sie nur zur Anwendung kommt, wenn die Zahlung auf Grund des aus dem Einsatz der Karte resuliterenden Zahlungsauftrags gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB nicht ausgeführt werden kann, begründet1. Sie verschafft dem hieraus begünstigten Händler einen der Bargeldzahlung gleichwertigen Vermögenswert. Diese wirtschaftliche Gleichwertigkeit des elektronischen Autorisierungsvorgangs mit einer Bargeldzahlung erklärt auch, dass die Bedingungen für die entsprechenden Zahlungskarten nicht mehr vom POS-System, sondern nur noch vom „electronic cash“System sprechen. Das Kürzel „POS“ (Point of Sale) soll andeuten, dass die bargeldlosen Zahlungen am Ort des Vertriebes der Waren oder der Dienstleistungen erfolgen. Dagegen drückt die Bezeichnung „electronic cash“ viel treffender aus, dass dem Händler durch den Autorisierungsvorgang auf elektronischem Wege eine der Zahlung von Bargeld durchaus gleichwertige Leistung in Form eines abstrakten Zahlungsanspruches gegen das kartenausgebende Kreditinstitut verschafft wird.
7.894
a) Abgrenzung zum elektronischen Lastschriftverfahren und zur elektronischen Geldbörse Die systemimmanente Einschaltung der jeweiligen Autorisierungsstelle der kartenausgebenden Kreditinstitute ist zugleich ein wesentliches Abgrenzungsmerkmal zu den Elektronischen Lastschriftverfahren („ELV“) und der GeldKarte als elektronischer Geldbörse. Beim ELV unterbleibt die Autorisierung des Zahlungsvorgangs.Hier übernimmt das kartenausgebende Institut wegen der fehlenden Autorisierung keine Zahlungsgarantie gegenüber dem Händler, rechtlich handelt es sich um ein ganz normales Einziehungsermächtigungslastschriftverfahren mit allen sich daraus ergebenden Risiken.
7.895
Bei der elektronischen Geldbörse (GeldKarte) erwirbt dagegen der Zahlungsberechtigte wie beim electronic cash-System einen – der Bargeldzahlung gleichwertigen – abstrakten Zahlungsanspruch gegen das kartenausgebende Kreditinstitut. Dieser Rechtserwerb vollzieht sich jedoch durch den unmittelbaren
7.896
1 Böker, WM 1995, 468 (478).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Dialog zwischen dem mit einem Chipkartenleser ausgestatteten Terminal des Händlers und dem Mikroprozessorchip der GeldKarte. Die bei der elektronischen Geldbörse angewandte Chipkarten-Technik ermöglicht also eine sog. Offline-Autorisierung. Dagegen erfordert die sog. „Online“-Autorisierung1 der bisherigen Magnetstreifentechnik der Zahlungskarte die Einschaltung der jeweiligen Autorisierungszentrale, die entsprechende Kosten für die Datenfernübertragung verursacht. b) Clearing der electronic cash-Umsätze durch Lastschrifteinzug
7.897
Die electronic cash-Umsätze werden nach ihrer Autorisierung im (technischen) Lastschriftverfahren abgewickelt. Hier erhält der Händler eine entsprechende Kontogutschrift zu Lasten des beim kartenausgebenden Kreditinstitut unterhaltenen Girokontos des Karteninhabers. Dieses Clearing der Umsätze im üblichen Rahmen der bargeldlosen Zahlung ist aber nicht mehr Gegenstand des electronic cash-Systems im engeren Wortsinne und deshalb auch nicht in den zugrunde liegenden Vertragswerken näher geregelt2. Bei diesem Clearing hat jedoch der jeweilige sog. Netzbetreiber eine unterstützende Funktion wahrzunehmen. Da es sich jedoch um ein rein technisches Lastschriftverfahren handelt, kommen die aus dem Lastschriftverfahren resultierenden Rückgabegründe, wie zB Widerspruch oder mangelnde Deckung, nicht zur Anwendung.
7.898
Die beiden Hauptfunktionen des Netzbetreibers bestehen in der Bereitstellung von electronic cash-Terminals, die durch seine Rechner gesteuert werden (electronic cash-Terminal-Netz) und in der elektronischen Weiterleitung der Autorisierungsanfragen der bei ihm angeschlossenen Händler an die Autorisierungsstelle des kartenausgebenden Kreditinstituts. Neben dieser „RoutingFunktion“ in der Autorisierungsphase obliegt dem Netzbetreiber aber auch eine wichtige Aufgabe beim späteren Clearing der electronic cash-Umsätze im bargeldlosen Zahlungsverkehr3, denn der Netzbetreiber ist verpflichtet, die Einleitung des Geld-Clearing dadurch zu unterstützen, dass er Lastschriftdateien aus den electronic cash-Umsätzen der angeschlossenen Händler generiert. Diese Dateien sind entweder dem Händler zur Einreichung bei seinem kontoführenden Institut bzw. einer von diesem benannten Zentralstelle zur Verfügung zu stellen, beim kontoführenden Institut des Händlers in dessen Auftrag einzureichen oder nach Abtretung der Forderung durch den Händler seinem kontoführenden Institut zur Einziehung zu übergeben.
2. Rechtsgrundlagen des electronic cash-Systems
7.899
Dieses System beruht auf mehreren Vertragswerken4, denn ähnlich dem Kreditkartengeschäft sind an einem electronic cash-Umsatz der Karteninhaber, 1 2 3 4
Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 5. Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 5. Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 5. Abgedruckt in Schimansky/Bunte/Lwowski, Anh. zu §§ 67, 68.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme
das Vertragsunternehmen als Zahlungsberechtigter und das kartenausgebende Kreditinstitut beteiligt. Das für die Autorisierung und das Clearing dieses Umsatzes erforderliche electronic cash-Terminal-Netz wird vom Netzbetreiber zur Verfügung gestellt. Bei dem electronic cash-System handelt es sich um ein von der deutschen Kreditwirtschaft getragenes „institutsübergreifendes“ System. Hierzu wurde im Jahre 1990 eine „Vereinbarung über ein institutsübergreifendes System zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen (electronic cash-System)“ zwischen den Spitzenverbänden der Privatbanken, Sparkassen und Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie der Postbank geschlossen, die derzeit in der aktuellen Fassung vom 1.10.2008 vorliegt. Dieser „POS-Grundvertrag“ umschreibt vor allem die Voraussetzungen für die Teilnahme an diesem Zahlungssystem und seine „Eckpfeiler“ (Autorisierung der Umsätze, Zahlungsgarantie der kartenausgebenden Kreditinstitute, Forderungsinkasso dieser Lastschriften). Auch ist eine Ausgleichspflicht zwischen den Vertragspartnern für Schäden vorgesehen, die im Interesse des electronic cash-Systems abgedeckt werden müssen und deren Übernahme einem einzelnen angeschlossenen Kreditinstitut nicht zugemutet werden kann. Aus technisch-organisatorischen Gründen sind zwischen den automatisierten Ladenkassen und den Autorisierungsstellen die Netzbetreiber zwischengeschaltet. Diese Unternehmen haben die electronic cash-Terminals bereitzustellen, die durch Rechner des Netzbetreibers gesteuert werden. Der Netzbetreiber ist für die technische Betreuung des Terminalnetzes verantwortlich und hat sicherzustellen, dass dieses Netz bestimmte Sicherheitsanforderungen erfüllt. Hierzu wird zwischen den Netzbetreibern und den Vertragspartnern des Grundvertrages ein standardisierter „Vertrag über die Zulassung als Netzbetreiber im electronic cashSystem der deutschen Kreditwirtschaft“ abgeschlossen.
7.900
Dieser Netzbetreibervertrag enthält insbesondere Regelungen für die elektronische Übermittlung der Umsätze vom Händlerterminal bis zum Eingang in die von der Kreditwirtschaft betriebenen Autorisierungs-Systeme („Routing“funktion). Die Rechner der Netzbetreiber müssen an den Schnittstellen zu den Autorisierungssystemen die einheitliche Spezifikation der Kreditwirtschaft für den Nachrichtenverkehr und andere der Systemsicherheit dienenden Komponenten erfüllen.
7.901
Schließlich wird der Netzbetreiber ausdrücklich verpflichtet, das Inkasso der autorisierten Zahlungsansprüche der Händler im bargeldlosen Zahlungsverkehr durch Erstellung sog. Lastschriftdateien über die electronic cash-Umsätze zu unterstützen. Diese Umsätze können im Netz zentral im Betreiberrechner oder vor Ort im Händler-Terminal gesammelt werden.
7.902
Für die Teilnahme der Handels- und Dienstleistungsunternehmen an dem electronic cash-System gelten die „Bedingungen für die Teilnahme am electronic cash-System der Deutschen Kreditwirtschaft“. Diese Bedingungen werden zwar über das kontoführende Institut des Händlers vermittelt, gelten jedoch nicht nur im Verhältnis zu ihm, sondern im Verhältnis zu allen Insti-
7.903
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
tuten, die dem System angeschlossene Karten emittieren. Das entsprechende Institut handelt dabei als Vertreter des jeweiligen kreditwirtschaftlichen Verbandes, dem er angehört, der wiederrum einerseits seine Mitglieder vertritt und andererseits als Mitglied des Zentralen Kreditausschusses für die gesamte deutsche Kreditwirtschaft handelt. Danach müssen sich die zugelassenen Unternehmen, sofern sie nicht selbst die Aufgaben des Netzbetreibers übernehmen, einem Betreibernetz anschließen. Des Weiteren verpflichtet sich der Händler, Journale der electronic cash-Terminals für ein Jahr aufzubewahren und auf Verlangen im Original zur Verfügung zu stellen. Auch ist zu gewährleisten, dass der Beauftragte der Kreditwirtschaft auf Wunsch Zutritt zu den Terminals erhält und diese überprüfen kann. Des Weiteren erwähnen die Händler-Bedingungen die Zahlungsgarantie der kartenausgebenden Kreditinstitute sowie die für die electronic cash-Umsätze an die kartenabgebenden Kreditinstitute zu zahlenden Entgelte.
7.904
Schließlich enthalten auch die entsprechenden Bedingungen für die Zahlungskarten, wie sie zwischen den kartenausgebenden Instituten und ihren Kunden vereinbart werden, Regelungen für das Bezahlen an automatisierten Kassen. Danach gilt für die Inanspruchnahme der electronic cash-Terminals und der Geldautomaten ein einheitlicher Verfügungsrahmen, den der Karteninhaber nur im Rahmen seines Kontoguthabens oder eines ihm vorher für das Konto eingeräumten Kredits in Anspruch nehmen kann. Auch wird der Bankkunde darauf hingewiesen, dass die Zahlungskarte an den automatisierten Kassen nicht mehr eingesetzt werden kann, wenn die persönliche Geheimzahl dreimal hintereinander falsch eingegeben wird.
3. Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstituts als Garantieverpflichtung
7.905
Die Rechtsnatur der Zahlungsverpflichtung, die mit der Autorisierung des jeweiligen electronic cash-Umsatzes für das kartenausgebende Kreditinstitut begründet wird, ist umstritten. Einvernehmen besteht aber, dass es sich bei dieser Verpflichtung um eine abstrakte Zahlungsverbindlichkeit handelt. Denn es müssen sowohl Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis zum Karteninhaber als auch aus dem Valutaverhältnis zwischen diesem und dem Händler als Zahlungsberechtigtem ausgeschlossen sein. Nur mit einem solchen abstrakten Zahlungsanspruch wird den Händlern eine Rechtsposition verschafft, die wirtschaftlich dem Empfang von Bargeld gleichgestellt werden kann1.
7.906
Für die Einstufung der Zahlungsverpflichtung scheiden deshalb von vornherein die akzessorische Bürgschaft wie auch die Schuldübernahme oder der Schuldbeitritt aus. In Betracht kommt nur eine Garantie oder ein selbständiges Schuldversprechen iS des § 780 BGB2. Für die Entscheidung zwischen 1 Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 8; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 68 Rz. 6. 2 Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 8, 9.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme
diesen beiden Alternativen ist die Terminologie des dem electronic cash-System zugrunde liegenden Vertragswerkes nicht aussagekräftig. Anders als bei der früheren Scheckkartengarantie für eurocheques wird die Zahlungsverpflichtung des electronic cash-Systems nicht ausdrücklich als „Garantie“ bezeichnet. Es wird aber auch keine einheitliche Terminologie für die Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstituts verwandt, die es zwingend nahe legen würde, darin ein Schuldversprechen iS des § 780 BGB zu erblicken. So heißt es in Nr. 4 der Händler-Bedingungen, dass das kartenausgebende Kreditinstitut mit der Nachricht über die positive Autorisierung die „Erklärung“ abgibt, dass es die Forderung in Höhe des am electronic cash-Terminal autorisierten Betrages begleicht. Die Klauseln in den „Bedingungen für die Zahlungskarte“ weisen den Karteninhaber nur auf die „vertragliche Verpflichtung“ der Bank hin, die unter Verwendung der Zahlungskarte verfügten Beträge an die Betreiber (Händler) zu vergüten. Eine solche verpflichtende „Erklärung“ der kartenausgebenden Bank im Sinne der Händler-Bedingungen und der Bedingungen für die Zahlungskarte kann als Garantie eingestuft werden1. a) Zahlungsgarantie als Abgrenzungsmerkmal zum elektronischen Lastschriftverfahren Für die Einstufung der Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstitutes als eine Garantieverpflichtung2 spricht schon die Grundkonzeption des ELV, bei dem es sich rechtlich um ein „normale“ Einziehungsermächtigungslastschriftverfahren handelt und bei dem Lastschriften wegen Widerspruchs oder mangels Deckung zurück gegeben werden können, während im electronic cash-System beides nach einer entsprechenden Autorsierung nicht mehr möglich und die Zahlung damit garantiert ist.
7.907
b) Garantieverpflichtung auf Grund des Gesamtgefüges der bargeldlosen Zahlungssysteme Die Einstufung der Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts als Garantieverpflichtung folgt aber vor allem aus der Funktion des electronic 1 In der Nr. 9 der kreditwirtschaftlichen Vereinbarung über das electronic cash-System verpflichten sich zwar die kartenausgebenden Kreditinstitute, ein „Zahlungsversprechen“ in Höhe der am electronic cash-System autorisierten Beträge abzugeben. Ein Zahlungsversprechen im weiteren (untechnischen) Sinne des Wortes kann aber auch eine Zahlungsgarantie darstellen. Abgesehen davon kommt es für die Frage, ob ein Schuldversprechen iS des § 780 BGB vorliegt, vor allem auf die Terminologie der Händler-Bedingungen an, weil die Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstitutes gegenüber dem jeweiligen Händler abgegeben wird. Dort ist aber nur von der insoweit völlig neutralen „Erklärung“ der Bank zur Begleichung des autorisierten Betrages die Rede. 2 Bejahend Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. F/8; Ahlers, WM 1995, 601 (605); Kümpel, WM 1997, 1037 (1040); Gutschmidt, Zahlungsverkehr, Bd. 2, 2009, Abschnitt 6.2, S. 2; ein Schuldversprechen bejahen Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 9; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 68 Rz. 9; Böker, WM 1995, 468 (476, Fn. 76).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
cash-Systems im Gesamtgefüge der verschiedenen Zahlungssysteme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Bei diesem System handelt es sich um eine Weiterentwicklung der früher bestehenden Scheckkartengarantie, an deren Stelle die „Autorisierung“ des jeweiligen Zahlungsvorgangs getreten ist, die das Ausstellen eines kostenaufwendigen eurocheques entbehrlich macht. Mit der „Einlösungs“garantie des Scheckkartenverfahrens verpflichtete sich das kartenausgebende Institut, die in dem garantierten eurocheque enthaltene (scheckrechtliche) Zahlungsanweisung ihres Girokunden als Scheckaussteller zu befolgen.
7.909
Einen insoweit vergleichbare Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB erteilt der Girokunde konkludent, wenn er die ec-Karte und seine persönliche Geheimzahl (PIN) in das electronic cash-Terminal des Händlers eingibt, um die vorgeschriebene Autorisierung durch die Autorisierungszentrale seiner kontoführenden (kartenausgebenden) Stelle zu ermöglichen1. Hierbei macht der Kunde von seinem auftragsrechtlichen Weisungsrecht Gebrauch, das ihm auf Grund des dem Girokonto zugrunde liegenden entgeltlichen entgeltlichen Zahlungsdiensterahmenvertrags gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB zusteht.
7.910
Diese Weisung zur Bezahlung des jeweiligen electronic cash-Umsatzes zu Lasten seines Giroguthabens wird konkludent im Zuge des Autorisierungsvorganges der Autorisierungsstelle übermittelt. Diese wird hierbei als Beauftragte der kartenausgebenden Institute tätig und ist deshalb auch für den „Empfang“ solcher Weisungen für das kartenausgebende Institut als Auftraggeber zuständig (§ 164 Abs. 3 BGB). Die Online-Verbindung des electronic cash-Terminals des Händlers zur Autorisierungsstelle ist deshalb ein geeigneter Weg für den erforderlichen Zugang dieser Kundenweisung als eine empfangsbedürftige Willenserklärung bei dem Kartenemittenten als Erklärungsadressat (vgl. § 130 BGB).
7.911
Mit der Autorisierung eines electronic cash-Umsatzes garantiert das kartenausgebende Institut, die konkludente Weisung seines Girokunden zur Einlösung der über diesen Umsatz erstellten Lastschrift zu befolgen2. Dieser Lastschrift liegt der Zahlungsanspruch des Händlers aus dem autorisierten Umsatz zugrunde.
7.912
Dieser Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis bleibt bestehen, bis der Händler mittels der Lastschrift eine Gutschrift auf seinem Girokonto erhält. Dementsprechend bestimmt Nr. 11 der electronic cash-Vereinbarung, dass das mit dem Lastschriftinkasso beauftragte Institut für den Inhaber der „Forderung“ aus dem electronic cash-Umsatz den Einzug der „Forderung“ per Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren abwickelt. Die Übernahme der Zahlungsgarantie durch das kartenausgebende Kreditinstitut stellt also keine Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 BGB) dar. Insoweit ergibt sich wiederum 1 Reiser, WM 1989, Sonderbeil. Nr. 3, 11. 2 Zur Konstruktion des Vertragsschlusses vgl. Kümpel, WM 1997, 1037 (1040); vgl. weiter Bröker, WM 1995, 468 (478); Gößmann, Zustandekommen der Zahlungsgarantie im elektronischen Zahlungsverkehr, in FS Schimansky, 1999, S. 145 (151 ff.).
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme
eine Parallele zur früheren Begebung von eurocheques unter Verwendung der ec-Karte. Auch eine solche Scheckbegebung bei gleichzeitiger Verschaffung eines Garantieanspruches gegen die kartenausgebende Bank erfolgte nicht an Erfüllungs statt. Der zugrunde liegende Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis bestand bis zur Scheckeinlösung durch die bezogene Bank auch dort fort. Dementsprechend bestimmt die electronic cash-Vereinbarung, dass eine Rückgabe dieser Lastschrift durch das kartenausgebende Institut wegen Widerspruchs, fehlender Deckung oder aus anderen Gründen im Sinne des Abkommens über den Lastschriftverkehr nicht möglich ist. Parallel dazu weisen die „Bedingungen für die ec-Karte“ zur Information des Karteninhabers ausdrücklich darauf hin, dass sich das kartenausgebenden Institut gegenüber dem Betreiber von automatisierten Kassen vertraglich verpflichtet hat, die unter Verwendung der ec-Karte verfügbaren Beträge an den Betreiber zu vergüten. Einwendungen und sonstige Beanstandungen des Kunden aus dem Vertrags-(Valuta-) Verhältnis zum Händler, bei dem bargeldlos an einer automatisierten Kasse bezahlt worden ist, sind unmittelbar gegenüber diesem geltend zu machen (A. III. Nr. 1.3. ec-Kartenbedingungen der privaten Banken).
7.913
V. Bargeldloses Bezahlen ohne Zahlungsgarantie an automatisierten Kassen mittels Lastschrift (POZ-System) Das POZ-System ist mit Rücksicht auf die Wünsche aus Kreisen des Handels eingeführt worden. Hierzu haben die interessierten kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände eine „Vereinbarung“ zum POZ-System abgeschlossen1. Anlass hierfür war, dass der Handel die Zahlungskarte für ein eigenes Zahlungssystem zu nutzen begann2. Bei diesem sog. „wilden“ System kann die Sperrdatei der jeweiligen Autorisierungsstelle des kartenausgebenden Kreditinstituts nicht abgefragt werden. Hierdurch entsteht eine erhebliche Sicherheitslücke beim Einsatz der Karte. Gleichwohl haben sich diese „wilden“ Verfahren, denen ein elektronisches Lastschriftverfahren („ELV“) zugrunde liegt, durchgesetzt. Das POZ-Verfahren ist deshalb zum 31.12.2006 eingestellt worden. Beim ELV handelt es sich um ein Einziehungsermächtigungs-Lastschriftverfahen, auf das ausschließlich das Lastschriftabkommen sowie die rechtlichen Regelungen für ein solches Zahlungsverfahren Anwendung finden.
7.914
Ein wesentlicher Unterschied zum electronic cash-System besteht in der vom Handel gewünschten vereinfachten Legitimationsprüfung beim ELV. Anders als beim electronic cash-System erfolgt die Legitimation des Karteninhabers
7.915
1 Abgedruckt in Gutschmidt, Zahlungsverkehr, 2009, und in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Anh. zu §§ 67, 68. 2 Zu den damit verbundenen Fragen insbesondere der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit sowie der wirksamen Entpflichtung der Bank vom Bankgeheimnis vgl. Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 12 ff.; vgl. weiter van Gelder in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 56 Rz. 78 ff.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
im ELV nicht durch die Eingabe der persönlichen Geheimzahl (PIN), sondern durch einen Vergleich der Unterschrift auf der ec-Karte mit der Unterschrift, die der Karteninhaber auf der jeweils durch die automatisierte Ladenkasse erstellten Lastschrift-Einzugsermächtigung zu leisten hat. Auf die PIN-Eingabe wird vor allem deswegen verzichtet, weil ein Teil der ec-Karteninhaber ihre persönliche Geheimzahl nicht kennt oder wieder vergisst und damit als potentieller Kundenkreis ausfällt1. Hinzu kommt, dass die Legitimation mit Hilfe der Unterschrift des Karteninhabers kostengünstiger ist. Die Verwendung einer persönlichen Geheimzahl stellt hohe Sicherheitsanforderungen an das electronic cash-System und verursacht daher entsprechende Investitionsund Betriebskosten.
7.916
Infolge des Verzichts auf den Einsatz der PIN als zusätzliches Kontrollmittel erhöht sich gegenüber dem POS-System das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der ec-Karte. Auf Grund dieses weniger sicheren und missbrauchsanfälligeren Verfahrens kommt eine Garantie der Umsätze nicht in Betracht.
7.917
Eine zur Vermeidung des Einsatzes gesperrter Zahlungskarten im POZ-Systems vorgesehen vertragliche Verpflichtung der Vertragsunternehmen, die Sperrdateien des Kreditgewerbes auf eine etwaige Kartensperre elektronisch abzufragen, gibt es im ELV nicht, da es sich dabei um ein alleine auf dem Lastschriftverfahren beruhendes Verfahren handelt.
7.918
Das ELV beschränkt sich darauf, den Handels- und Dienstleistungsunternehmen zu ermöglichen, mittels der auf dem Magnetstreifen gespeicherten Daten der Zahlungskarte eine Lastschrift an einer automatisierten Kasse schnell und rationell zu erstellen. Dabei hat der Kunde auch eine schriftliche Einzugsermächtigung im Sinne des Lastschriftverfahrens abzugeben. Das Unternehmen hat dafür zu sorgen, dass seine Mitarbeiter an den Terminals ihre Kontrollpflichten hinsichtlich der Überprüfung der Unterschriften auf der Zahlungskarte einerseits und der Einzugsermächtigung mit größter Sorgfalt nachkommen. Diese Lastschrift kann im Unterschied zur Autorisierung im electronic cash-System widerrufen werden, da im ELV das kartenausgebende Institut keine Zahlungsgarantie übernimmt. Ein solcher Widerruf bedeutet freilich regelmäßig nicht, dass damit auch die Ermächtigung zur Weitergabe des Namens und der Adresse des Kunden widerrufen wird2.
7.919
Der Kunde erklärt sich im Rahmen des Zahlungsvorgangs auch schriftlich damit einverstanden, dass das kartenausgebende Institut Name und Anschrift des Kunden an den Händler mitteilt. Infolge der fehlenden Zahlungsgarantie muss der Händler erforderlichenfalls den Kunden direkt in Anspruch nehmen können. Die entsprechende Einwilligung des Karteninhabers, dass sein Institut berechtigt ist, dem Händler auf Grund der entsprechenden Erklärung Namen und Anschrift bekannt zu geben, verpflichtet das kartenausgebenden
1 Vgl. Terrahe, Die Bank 1992, 312 (313). 2 Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 68 Rz. 14.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme
Institut jedoch nicht zur Herausgabe der Informationen. Eine solche Verpflichtung konnte nur im eingestellten POZ-Verfahren durch die entsprechende POZ-Vereinbarung, die für alle angeschlossenen Institute galt, begründet werden.
VI. Zahlungskarte als Bedienungsmedium für Geldautomaten Zu den kartengesteuerten Zahlungssystemen gehört auch das Geldautomatensystem (GA-System). Es ermöglicht Bargeldabhebungen an den Geldautomaten auch außerhalb der Öffnungszeiten der Kreditinstitute.
7.920
1. Rechtsgrundlagen Dieses Zahlungssystem beruht auf der Vereinbarung über das deutsche Geldautomatensystem1, das in seiner aktuellen Fassung vom 1.12.2003 vorliegt. Dieses Abkommen ist von den kreditwirtschaftlichen Spitzenverbänden abgeschlossen worden, die hierbei zugleich als Stellvertreter für die ihnen angeschlossenen Kreditinstitute handelen2. Die angeschlossenen Institute stellen hiernach die von ihnen betriebenen Geldautomaten allen Inhabern der zugelassenen Karten institutsübergreifend und ohne Differenzierung in der zeitlichen Nutzungsmöglichkeit zur Verfügung. Zu diesen Karten gehören insbesondere die ec-karte und die zum GA-System zugelassenen sog. Kundenkarten der angeschlossenen Kreditinstitute.
7.921
Das deutsche Geldautomatensystem ist Bestandteil des europäischen Europay-Geldautomatensystems und des weltweiten Maestro-Systems. Die Geldautomaten können deshalb auch im Rahmen des grenzüberschreitenden Geldautomatensystems genutzt werden und sind damit SEPA-tauglich. Die Geldautomaten sind auch für solche Karten geöffnet, die dem internationalen „CIRRUS“-System angehören3. Dieses internationale Geldautomatensystem wird weltweit von der in den USA ansässigen Gesellschaft „CIRRUS-Systems Incorporated“ lizenziert und in Europa auf Grund einer an Europay International vergebenen Exklusivlizenz ausschließlich von Europay International S.A. betreut. Entsprechend der Zugehörigkeit zu den regional verschiedenen Systemen sind die Geldautomaten einheitlich mit dem GA-Piktogramm, dem Maestro-Zeichen und dem Cirrus-Zeichen zu kennzeichnen.
7.922
Diese Vereinbarung begründet nach dem Schrifttum zwischen den beteiligten Kreditinstituten eine BGB-Gesellschaft in Form einer Innengesellschaft. Denn die Beteiligten verfolgen mit den von ihnen getragenen Geldautomatensystemen einen gemeinsamen Zweck und sind verpflichtet, die Erreichung dieses
7.923
1 Abgedruckt bei Beyritz/Hartmann/Wand, Zahlungsverkehr, Kapitel N. 2 Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 6. 3 CIRRUS ist ein eingetragenes Zeichen der CIRRUS Systems Inc. Alleiniger Lizenzgeber für CIRRUS in Europa ist Europays International.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Zweckes in der vereinbarten Weise zu fördern, wie es der Begriff der BGBGesellschaft voraussetzt (§ 705 BGB)1.
7.924
Nicht alle in dieser Vereinbarung übernommenen Pflichten sind jedoch gesellschaftsrechtlicher Natur, wie dies insbesondere für die Pflicht zur Erstattung von Aufwendungen gilt. Dagegen ist die Ausgleichspflicht bei der Verwendung gefälschter oder verfälschter Karten spezifisch gesellschaftsrechtlicher Art2. Danach erfolgt bei Schäden, die durch die Benutzung von Geldautomaten mit solchen Karten entstehen, sowie bei sonstigen Schäden, die im Interesse des Systems abgedeckt werden müssen und deren Übernahme einem einzelnen Kreditinstitut nicht zugemutet werden kann, unter bestimmten Voraussetzungen ein Ausgleich zwischen den Vertragspartnern3.
7.925
Die teilnehmenden Kreditinstitute übernehmen keine Gewähr für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des GA-Systems4. Soweit überhaupt eine solche Organisationspflicht des einzelnen kartenausgebenden Kreditinstitutes bejaht werden kann, würde sich dieser zweifelsfrei nicht auf institutsfremde Geldautomaten erstrecken. In diesen Fällen fehlt die hierfür erforderliche Möglichkeit der Einflussnahme und Kontrolle und damit die für eine Haftung notwendige Beherrschbarkeit des Risikos5. Auch bei einem technischen Versagen der institutseigenen Geldautomaten dürfte regelmäßig eine Schadensersatzpflicht entfallen. Denn die Bank wird sich regelmäßig nicht in Verzug befinden6. Im Regelfall verbleibt dem Kunden die Möglichkeit, das Bargeld während der Schalterstunde bei seiner Bank abzuheben oder sich die benötigten Beträge an anderen Geldautomaten oder mit Hilfe der Zahlungskarte bei anderen Kreditinstituten zu beschaffen7.
7.926
Die Rechtsbeziehungen zwischen den kartenausgebenden Instituten und ihren Girokunden als Karteninhaber sind durch die Bedingungen für die ecKarte geregelt. Mit Rücksicht auf die Multifunktionalität dieser Karte im Rahmen des electronic cash-Systems enthalten diese Bedingungen auch Regelungen für andere Kartenfunktionen, die für alle erfassten Zahlungssysteme einheitlich gelten.
7.927
Das Geldautomatensystem wirft zahlreiche Rechtsprobleme auf, die von der Rechtsprechung und dem Schrifttum noch nicht abschließend geklärt sind8. Dabei ist zu unterscheiden, ob für die Bargeldabhebung ein institutseigener oder -fremder Geldautomat benutzt wird.
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Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527y; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 6. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527y. Nr. 9 der kreditwirtschaftlichen Vereinbarung. Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 54 Rz. 2; vgl. weiter Hopt in Baumbach/ Hopt, BankGesch. Rz. F/6. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527j. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527i; Jopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. F/6. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527i. Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 1.
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2. Rechtliche Konstruktion der Bargeldauszahlung an institutseigenen Geldautomaten Mit der Eingabe der Zahlungskarte und der PIN in den Automaten macht der Kunde schuldrechtlich gesehen lediglich seinen Anspruch gegen seine kontoführende Stelle geltend1. Die Verfügung an einem Geldautomaten ist ein Zahlungauftrag gemäß § 675t Abs. 3 Satz 2 BGB, der hier auf Auszahlung zu Lasten seines Girokontos gerichtet ist, bei der es sich um einen Zahlungsvorgang gemäß § 675f Abs. 3 Satz 1 BGB handelt2. Soweit das Girokonto ein Guthaben ausweist, verbirgt sich hinter diesem Forderungsrecht des Kunden der Anspruch auf das tägliche Guthaben eines Kontokorrentkontos (sog. Tagessaldo). Bei diesem Anspruch handelt es sich nach der BGH-Rechtsprechung um ein Rückforderungsrecht aus der mit dem Girovertrag, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt, verbundenen unregelmäßigen Verwahrung – depositum irregulare gemäß § 700 Abs. 1 BGB3. Denn die kontoführende Stelle soll das jederzeit in Bargeld umwandelbare Kontoguthaben für den Kunden bis zur Abverfügung „aufbewahren“.
7.928
Bei einem debitorischen Konto liegt in der Eingabe von Karte und PIN zugleich die Ausübung des kreditvertraglichen Abrufsrechts aus einer eingeräumten Kreditlinie oder die Inanspruchnahme eines Überziehungskredites gemäß § 493 BGB4.
7.929
Mit der Überlassung der Karte wird also kein eigenständiger Zahlungsanspruch des Girokunden gegen sein Institut in Gestalt eines abstrakten Zahlungsanspruchs gemäß § 780 BGB begründet5. Vielmehr wird dem Kunden mit der ec-Karte nur eine zusätzliche Möglichkeit zur Geltendmachung seines Rückzahlungsanspruches gemäß § 700 BGB eröffnet. Sein auftragsrechtliches Weisungsrecht aus dem zugrunde liegenden Girovertrag wird also dahin gehend erweitert, dass die Barauszahlung nicht nur am Kassenschalter der kontoführenden Bank, sondern auch an den bankeigenen oder institutsfremden Geldautomaten verlangt werden kann6.
7.930
Diese zusätzliche Weisungsmöglichkeit erweitert die Rechtsposition des Kartenkunden. Denn Leistungsort für den girovertraglichen Rückzahlungsan-
7.931
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d. 2 Gößmann, WM 1998, 1264 (1267). 3 BGH v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, WM 1982, 816 (817) = BGHZ 84, 371 ff. = NJW 1982, 2193 ff.; BGH v. 15.6.1993 – XI ZR 133/92, WM 1993, 1585 (1586) = NJW-RR 1993, 1266 f.; BGH v. 10.10.1995 – XI ZR 263/94, WM 1995, 2094 (2095) = BGHZ 131, 60 ff. = NJW 1996, 190 f.; vgl. hierzu Grziwotz, JR 1996, 286; Schimansky in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 47 Rz. 14, 27. Die missbräuchliche Verwendung der Zahlungskarte erfüllt den Tatbestand des § 266b StGB, wenn das Bargeld von einem institutsfremden Geldautomaten abgehoben wird, also im sog. Drei-Parteien-System, nicht aber bei der Benutzung eines Geldautomaten der kartenemittierenden Bank (BayObLG v. 23.4.1997 – 3 St RR 33/97, BB 1997, 2347). 4 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527h. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d, 527h.
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spruch ist die Schalterhalle der kontoführenden Stelle. Nach der auf solche Zahlungsansprüche anzuwendenden verwahrungsrechtlichen Regelung hat die Rückgabe der „hinterlegten“ Sache an dem Ort zu erfolgen, an dem diese aufzubewahren ist (§ 700 Abs. 1 Satz 3 BGB iVm. § 697 BGB). Die für Geldschulden als sog. Schickschulden geltende spezielle Bestimmung des § 270 Abs. 1 BGB ist auf die bankmäßigen Sichteinlagen nicht anzuwenden1.
3. Benutzung institutsfremder Geldautomaten
7.932
Auch bei Barabhebungen an institutsfremden Geldautomaten verlangt der Karteninhaber eine Auszahlung zu Lasten seines Girokontos. Denn mit der Eingabe von Karte und PIN macht der Kunde schuldrechtlich gesehen nur seinen girovertraglichen Auszahlungsanspruch gemäß § 675f Abs. 3 Satz 1 BGB gegen die kartenemittierende Stelle geltend2. Wie bei der Benutzung eines institutseigenen Geldautomaten liegt hierin die konkludente Ausübung des auftragsrechtlichen Weisungsrechts, das dem Bankkunden auf Grund des dem Girokonto zugrunde liegenden Girovertrages zusteht (§675f Abs. 3 Satz 2 BGB). Mit der Aushändigung einer bei Geldautomaten benutzbaren ec-karte wird dieses Weisungsrecht dahin gehend erweitert, Auszahlungsanweisungen dem kartenausgebenden Kreditinstitut auch über andere automatenbetreibende Institute mit der Maßgabe erteilen zu können, diese Beträge an den jeweiligen Betreiber zu überweisen. a) Rechtsnatur des Erstattungsanspruchs des automatenbetreibenden Instituts
7.933
Nach ganz überwiegender Literaturmeinung erwächst dem Betreiber eines institutsfremden Geldautomaten aus einer Geldabhebung ein auftragsrechtlicher Aufwendungserstattungsanspruch gegen das kartenausgebende Kreditinstitut (§ 670BGB)3. Das Rechtsverhältnis des automatenbetreibenden Instituts zum kartenausgebenden Institut beinhaltet einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB.
7.934
Angesichts der dem Geldautomatensystem zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten und dem Gesamtgefüge der kartengesteuerten Zahlungssysteme liegt es jedoch näher, dem Betreiber von Geldautomaten denselben abstrakten Zahlungsanspruch wie dem Betreiber einer automatisierten Ladenkasse im electronic cash-Verfahren zuzubilligen.
7.935
Denn wie beim electronic cash-Verfahren wird die Bargeldauszahlung durch die jeweilige Autorisierungsstelle als Beauftragte des kartenausgebenden Kreditinstituts „genehmigt“. Für diese Gleichbehandlung sprechen auch die insoweit im Kreditgewerbe einheitlich geltenden Bedingungen für die ec-Karte. 1 Sprau in Palandt, § 697 BGB Rz. 1. 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d; Kümpel, WM 1997, 1037 (1038). 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527y; nach von Gablenz, Die Haftung der Bank bei Einschaltung Dritter, 1983, S. 254, ist der Zahlungsvorgang juristisch analog der Scheckkartensysteme zu behandeln.
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Darin wird von der „vertraglichen Zahlungsverpflichtung“ des kartenausgebenden Kreditinstituts gesprochen, ohne dass zwischen den Betreibern von Geldautomaten und den Betreibern automatisierter Kassen differenziert wird (A. III. Nr. 1.3. girocard-Bedingungen Privatbanken). Ein weiteres Argument für die Begründung einer Garantieverbindlichkeit ergibt sich aus der rechtlichen Bewertung des Zahlungsvorgangs im insoweit gleich gelagerten electronic cash-Verfahren. Gibt der Kartenkunde seine ecKarte und seine persönliche Geheimzahl (PIN) in die automatisierte Kasse des electronic cash-Systems ein, erteilt er einen Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BGB im Rahmen des bestehenden Girovertrags, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt. Der konkludent erteilte Zahlungsauftrag wird im Zuge des Autorisierungsvorgangs der Autorisierungsstelle übermittelt, die hierbei als Beauftragte des kartenausgebenden Instituts tätig ist und deshalb auch stellvertretend eine solche Willenserklärung entgegennehmen kann (§ 164 Abs. 3 BGB). Mit der Autorisierung des electronic cash-Umsatzes garantiert sodann die kartenausgebende Stelle, diesen Zahlungsauftrag ihres Girokunden zu befolgen, wenn ihr im weiteren Verlauf eine Lastschrift über den garantierten Betrag zur Einlösung übermittelt wird. Durch den Einsatz der PIN erteilt der Karteninhaber seine Zustimmung zum Zahlungsvorgang gemäß § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB mittels eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments.
7.936
Die Eingabe der ec-Karte und der PIN mit anschließender Autorisierung und Lastschrifteinzug erfolgt auch bei der Bargeldabhebung an institutsfremden Geldautomaten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass mit dieser „Genehmigung“ für das kartenausgebende Institut eine Zahlungsverbindlichkeit begründet wird, da der Karteninhaber so gemäß § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB seine Zustimmung erteilt. Für diese rechtliche Beurteilung spricht auch die Regelung des Inkassos der ausgezahlten Beträge in der zwischen den kreditwirtschaftlichen Spitzenverbänden getroffenen „Vereinbarung über das deutsche Geldautomatensystem“. Dort wird klargestellt, dass sich die „Einlösungspflicht“ des kartenausgebenden Instituts hinsichtlich der ihm vorgelegten Lastschriften „auf alle durch sie positiv autorisierten Verfügungen“ an institutsfremden Geldautomaten bezieht1. Wie beim electronic cash-System kann eine solche Einlösungspflicht als Zahlungsgarantie eingestuft werden2, der neben den Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675 Abs. 3 Satz 2, 670 BGB tritt.
7.937
b) Erfüllungswirkung der Auszahlung im Verhältnis Kunde/kartenausgebendes Institut Mit dem Auftrag des Karteninhabers an sein kontoführendes Kreditinstitut durch Eingabe von Karte und PIN den Gegenwert der Barabhebung zu Lasten seines Girokontos an den Betreiber des benutzten Geldautomaten zu über1 Vgl. Nr. 8 der Anlage 2 zu der kreditwirtschaftlichen Vereinbarung. 2 Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
weisen, wird dieser zugleich zum Inkasso dieses Betrages beim kartenausgebenden Institut ermächtigt.
7.939
Diese Ermächtigung des kartenausgebenden Instituts ergibt sich analog § 783 BGB. Eine unmittelbare Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die bei der Benutzung des Geldautomaten verwendete Karte keine Urkunde iS des § 783 BGB darstellt. Die Anweisung des BGB beinhaltet aber nur einen gesetzlich geregelten Sonderfall der allgemeinen Anweisung, unter der die Aufforderung und die Ermächtigung an einen anderen (kartenausgebendse Institut) zu verstehen ist, für Rechnung des Anweisenden an einen Dritten (automatenbetreibendes Institut) zu leisten1. Die §§ 783 ff. BGB sind deshalb auch auf andere Anweisungsformen entsprechend anwendbar2. Diese analoge Anwendung ist umso mehr geboten, als der benutzte Geldautomat den codierten Teil „liest“ und damit die für den anschließenden Lastschrifteinzug wesentlichen Daten der Karte in die Verfügungssphäre des automatenbetreibenden Instituts gelangt sind. Deshalb kann dieser Sachverhalt dem gesetzlichen Tatbestand des § 783 BGB gleichgestellt werden, der für die Ermächtigung die Aushändigung einer „Urkunde“ erfordert.
7.940
Ist jedoch das automatenbetreibende Institut zum Einzug des Gegenwertes zu Lasten des Girokontos des Karteninhabers befugt, erfüllt das kartenausgebende Institut mit der Einlösung der vom Automatenbetreiber ausgestellten Lastschrift insoweit seine girovertragliche Rückgewährspflicht. Denn eine solche schuldtilgende Erfüllungswirkung tritt auch dann ein, wenn an einen Dritten geleistet wird, der zur Entgegennahme der geschuldeten Leistung ermächtigt ist (§ 362 Abs. 2 BGB iVm. § 185 BGB)3. Eine solche Ermächtigung zur Annahme der Erfüllungsleistung im eigenen Namen ist insbesondere bei allen Arten der Anweisung gegeben4.
7.941
Es bedarf deshalb auch nicht der Einstufung des automatenbetreibenden Institus als Erfüllungsgehilfin des kartenausgebenden Instituts, um das Erlöschen der girovertraglichen Rückgewährspflicht in Höhe der Bargeldabhebung begründen zu können5. Gegen eine solche Erfüllungsgehilfenschaft spricht zudem, dass sodann das kartenausgebende Institut für ein Verschulden des Betreibers des benutzten Geldautomaten einzustehen hätte (§ 278 BGB).
1 Sprau in Palandt, § 783 BGB Rz. 1. 2 BGH v. 17.5.1971 – VIII ZR 15/70, NJW 1971, 1608; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 7. M. Weber, Das Geldausgabeautomatengeschäft nach deutschem Recht, Diss. St. Gallen, 1984, S. 76 ff. 3 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, WM 1983, 559 (560) = BGHZ 87, 156 ff. = NJW 1983, 1605 ff.; vgl. hierzu Zimmermann, DNotZ 1983, 552 ff.; Olzen in Staudinger, Neubearb. 2006, § 362 BGB Rz. 41 ff.; Wenzel in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, Band 2a, § 362 BGB Rz. 17. 4 Wenzel in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 362 BGB Rz. 17. 5 Diese Mitwirkung des Betreibers des benutzten Geldautomaten als Erfüllungsgehilfe des kartenausgebenden Kreditinstitutes bejahen Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527y; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 8, 9; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 54 Rz. 15.
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4. Verschaffung des Eigentums an dem ausgegebenen Bargeld Kein Einvernehmen besteht, ob die für die Übereignung erforderliche Übereignungsofferte des Instituts schon antizipierend bei Aushändigung der Karte erklärt und vom Kunden bei der Benutzung des Geldautomaten angenommen wird. Nach der von Canaris vertretenen Rechtsansicht sollte dieses Übereignungsangebot besser in der Aufstellung des Geldautomaten erblickt werden, um unterschiedliche Rechtskonstruktionen für die Übereignung zu vermeiden, wenn der Karteninhaber nicht die instituseigenen, sondern institutsfremde Geldautomaten benutzt1. Bei missbräuchlicher Benutzung des Geldautomaten durch den Karteninhaber wird ganz überwiegend der Eigentumserwerb verneint2. Dem Rechtsverkehr erwachsen hieraus keine Nachteile, weil das automatenbetreibende Institut sein Eigentum an gutgläubige Dritte verliert (§§ 932, 935 Abs. 2 BGB)3.
7.942
5. Beweisfragen Die Voraussetzungen des Anspruchs gegen den Karteninhaber auf Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB wegen Benutzung eines eigenen oder institutsfremden Geldautomaten hat nach allgemeinen Grundsätzen die Bank zu beweisen. Mit Rücksicht auf die technische Sicherheitsinfrastruktur des PINSystems begründet aber nach ganz herrschender Meinung in der Rechtsprechung die Verwendung der Karte unter Einsatz der richtigen PIN den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber entweder die angeblich missbräuchliche Transaktion selbst vorgenommen hat oder mit seiner PIN nicht sorgfältig umgegangen ist4. Dieser prima-facie-Beweis setzt voraus, dass 1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527d. 2 Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 10; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527e; aA OLG Schleswig v. 13.6.1986 – 1 Ss 127/86, WM 1987, 64 (65). 3 Bieber, WM 1987, Sonderbeil. Nr. 6, 10. 4 So AG Berlin-Charlottenburg v. 16.12.2002 – 202 C 177/02, WM 2003, 1174 (1175); vgl. weiter LG Bonn v. 11.1.1995 – 5 S 163/94, WM 1995, 575; LG Köln v. 20.9.1994 – 11 S 338/92, WM 1995, 976 ff.; LG Frankfurt/M. v. 13.12.1995 – 2/1 S 154/95, WM 1996, 953; LG Frankfurt v. 12.5.1999 – 2/1 S 336/98; LG Darmstadt v. 10.11.1999 – 2 O 571/97, WM 2000, 911 (913); KG v. 10.1.1992 – 9 U 959/91, WM 1992, 729 = NJW 1992, 1051; OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 9 U 63/01, WM 2003, 125 (127). Nach dem OLG Hamm besteht bei einem Missbrauch der Karte unter Benutzung der PIN grundsätzlich kein Anscheinsbeweis, weil nicht auszuschließen ist, dass der Täter die PIN selbständig durch Ausprobieren oder Entschlüsseln anhand der auf der Karte gespeicherten Daten ermittelt haben kann (OLG Hamm v. 17.3.1997 – 31 U 72/96, WM 1997, 1203 ff.); hiergegen Werner, WM 1997, 1516 ff.; LG Hannover v. 16.3.1998 – 20 S 97/97, WM 1998, 1123 (1124); AG Hannover v. 9.5.1997 – 567 C 9676/94, WM 1997, 1207; AG Berlin-Charlottenburg v. 13.8.1997 – 7b C 280/97, WM 1997, 2082; AG Berlin-Charlottenburg v. 17.10.1997 – 12b C 164/97, WM 1998, 1124 (1125); AG Dinslaken v. 29.4.1998 – 8 C 42/98, WM 1998, 1126; AG Osnabrück v. 24.10.1997 – 47 C 335/97, WM 1998, 1128; AG Wildeshausen v. 28.5.1997 – 4 C 357/96 IV, WM 1998, 1128 (1129); LG Stuttgart v. 28.4.1999 – 13 S 239/98, WM 1999, 1934; LG Köln v. 30.8.2000 – 13 S 172/00, WM 2001, 852; LG Köln v. 17.1.2001 – 26 O 56/00, WM 2001, 853; vgl. weiter OLG Oldenburg v. 29.8.2000 – 9 U 23/00, WM 2000, 2337
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
der Auszahlungsvorgang durch das Geldautomaten-Protokoll ordnungsgemäß dokumentiert ist und die technisch-organisatorische Ausstattung des Systems mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Manipulationen ausschließt1. Dem steht auch nicht § 675w BGB entgegen, der die Aufzeichnung des Zahlungsvorgangs und die Authentifizierung durch den Zahlungsdienstleister alleine als Nachweis nicht genügen lässt. Dies hat vor Schaffung des § 675w BGB auch noch nicht als Nachweis ausgereicht. Vielmehr müssen noch weitere Gesichtspunkte, wie die Funktionsfähigkeit und die Unüberwindlichkeit des Sicherungssystems hinzutreten2.
7.944
Der Karteninhaber kann den Anscheinsbeweis nicht schon mit der pauschalen Behauptung entkräften, es sei möglich, die Geldausgabe mit ver- oder gefälschten Karten oder durch andere Formen des Systembruchs zu erschleichen und es sei auch eine Funktionsstörung des Geldautomaten nicht auszuschließen. Dasselbe gilt für die Einlassung, dass der benutzte Geldautomat gegen ein Ausspähen der PIN durch Dritte nicht ausreichend gesichert sei. Die Entkräftung des Anscheinsbeweises erfordert vielmehr die konkrete Darlegung möglicher Umstände, aus denen sich die Kenntnisnahme der PIN durch einen Unberechtigten plausibel ergeben könnte3. Behauptet ein Kontoinhaber, er habe aus einem Geldautomaten kein Geld erhalten, sein Konto sei aber gleichwohl mit einem Betrag in Höhe der versuchten Abhebung belastet worden, so hat er sämtliche Voraussetzungen des Bereicherungsanspruches gegen das kontoführende Kreditinstitut zu beweisen. Dazu gehört auch die Bereicherung des Kreditinstitutes, die durch den Nachweis der ordnungsgemäßen Abstimmung des Geldautomaten widerlegt werden kann4.
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(2339) = NJW-RR 2000, 1718 (1719); OLG Frankfurt v. 7.12.2001 – 24 U 188/99, WM 2002, 1055; AG Hohenschönhausen v. 9.5.2001 – 11 C 430/99, WM 2002, 1057. Vgl. weiter Gößmann, WM 1998, 1264 (1269); Werner, WM 1997, 1516 (1517) mwN; Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 11. Siehe auch BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/ 03, BGHZ 160, 308 = WM 2004, 2309; OLG Brandenburg v. 7.3.2007 – 13 U 69/06, WM 2007, 2193; OLG Frankfurt v. 30.1.2008 – 23 U 38/05, WM 2008, 534; OLG Karlsruhe v. 6.5.2008 – 17 U 170/07, WM 2008, 1549; kritisch Jungmann in Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2007, 2008, S. 329 ff. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 527e; Bieber, WM 1987, Sonderbeil. 6, 12 (31); Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 54 Rz. 13; OLG Celle v. 27.2.1985 – 3 U 148/ 84, WM 1985, 655 (656); AG Nürnberg v. 15.10.1986 – 23 C 5048/86, WM 1987, 9 (10); AG Saarbrücken v. 13.1.1987 – 42 C 1078/86, WM 1987, 810 (811); AG Bochum v. 11.2.1988 – 44 C 445/86, WM 1988, 1629; LG Duisburg v. 22.12.1988 – 5 S 35/88, WM 1989, 181 (182 f.). BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309 ff. AG Berlin-Charlottenburg v. 16.12.2002 – 202 C 177/02, WM 2003, 1174 (1175). AG Burgdorf v. 25.10.1993 – 3 C 532/93, WM 1993, 2122.
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Kartengesteuerte Zahlungssysteme
VII. GeldKarte als elektronische Geldbörse1 Das im Jahre 1996 eingeführte GeldKarten-Verfahren ist ein weiteres Instrument zur bargeldlosen Erfüllung von Zahlungsverbindlichkeiten. Es eröffnet eine einfache, rationelle und kostengünstige Zahlungsmöglichkeit in allen Bereichen, in denen überwiegend „kleinere Beträge“ geschuldet werden. In Betracht kommen insbesondere der Personennahverkehr, Parkhäuser, Warenautomaten, Sport- und Kulturveranstaltungen, Kioske sowie Kantinen.
7.945
Mit Rücksicht auf diesen Verwendungszweck und zwecks Beschränkung des Verlustrisikos wird die GeldKarte nur mit Beträgen bis zu maximal 200 Euro aufgeladen. Bei dieser Aufladung werden elektronische Werteinheiten in dem Chip der GeldKarte gespeichert. Diese Werteinheiten werden beim Karteneinsatz an den GeldKarten-Terminals zur Bezahlung des geschuldeten Geldbetrages verbraucht. Dasselbe geschieht bei den Telefonkarten, die schon seit geraumer Zeit als Chipkarte für die Benutzung von Kartentelefonen verwendet werden.
7.946
Die GeldKarte basiert auf der Chipkartentechnologie. Hier wird die Karte mit einem Mikroprozessor ausgestattet, der einen unmittelbaren Dialog mit dem Prozessor (Rechner) des GeldKarten-Terminals zur Autorisierung des jeweiligen Karteneinsatzes ermöglicht. Die Technologie der Prozessorchipkarte als eines miniaturisierten Computers sowie die Begrenzung des Höchstbetrages an Chipgeld auf 200 Euro bietet eine höhere Sicherheit gegenüber der Verwendung der Zahlungskarte mit ihrer Magnetstreifentechnik (sog. Hybridkarten). Deshalb konnte auf die Verwendung einer persönlichen Geheimzahl (PIN) und die Einschaltung der jeweiligen Autorisierungsstelle der kartenausgebenden Kreditinstitute verzichtet werden, wie sie bei der Nutzung des electronic cashSystems und Geldautomaten zur „Genehmigung“ des jeweiligen Zahlungsvorgangs erfolgt. Hierdurch soll eine missbräuchliche Verwendung abhanden gekommener Bankkunden-Karten vermieden werden (sog. „Online“-Autorisierung). Die mit einer solchen Online-Abfrage verbundenen Kosten der Datenkommunikation entfallen dagegen bei der „Offline-Autorisierung“ der Chipkartentechnologie. Die GeldKarte kann entweder an speziellen, mit dem GeldKarten-Logo gekennzeichneten Terminals oder zunehmend auch an Geldautomaten aufgeladen werden. Bei einer kontobezogenen Karte geschieht dies zu Lasten des Kontos, für das die Karte ausgestellt wurde in Verbindung mit der persönlichen Geheimzahl (PIN), wie sie auch für Bargeldabhebungen an inund ausländischen Geldautomaten oder beim bargeldlosen Zahlen an automatisierten Kassen des inländischen electronic cash-Systems benötigt werden.
7.947
1 Kümpel, WM 1997, 1037 ff.; Werner in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch MultimediaRecht, 24. Aufl. 2010, Teil 13, 5. Abschnitt; Schwolow, Die „Elektronische Geldbörse“, in Herrmann/Berger/Wackerbarth (Hrsg.), Deutsches und Internationales Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 272 ff.; Friedrich/Möker, Vorausbezahlte Karten – eine Bewertung aus der Sicht der Deutschen Bundesbank, 2. Aufl. 1995; Pfeiffer, NJW 1997, 1036 ff.; Groß in FS Schimansky, 1999, S. 165 ff.; BGH v. 5.10.2004 – XI ZR 210/03, WM 2004, 2309.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
1. „Chipgeld“ als Bargeldersatz
7.948
Die GeldKarte mit ihrem im Chip gespeicherten Betrag („Chip“geld) soll entsprechend der ihr zugewiesenen Funktion die mit Bargeld bestückte Geldbörse ersetzen. Sie wird deshalb auch als elektronische Geldbörse bezeichnet.
7.949
Die Funktion der GeldKarte als Bargeldersatz wird insbesondere beim technischen Ablauf des Karteneinsatzes wahrnehmbar. Das aktuell verfügbare Chipgeld wird hierbei jeweils um den vom Karteninhaber geschuldeten Betrag vermindert, so wie sich bei der Ausgabe von Banknoten und Geldmünzen der Bestand des sich in der Geldbörse befindlichen Bargelds reduziert.
7.950
Die Funktion des Chipgelds als Bargeldersatz zeigt sich besonders deutlich in den Fällen, in denen die GeldKarte nicht durch Belastung des Girokontos, also unter Rückgriff auf „Buchgeld“, sondern gegen Einzahlung von Bargeld aufgeladen wird und damit unmittelbar Banknoten und Geldmünzen in elektronisches Geld umgewandelt werden.
7.951
GeldKarten, bei denen das ausgebende Institut die sofortige Deckung in Form von Bargeld erhält, werden als sog. „weiße Karten“ ausgegeben, die ausschließlich GeldKarten-Funktion haben. Als Karteninhaber kommen regelmäßig Touristen und Geschäftsreisende in Betracht, die keine Kontoverbindung zu dem kartenausgebenden Institut unterhalten. Diese „weißen Karten“ sind keinem bestimmten Girokonto zugeordnet. Deshalb können diese „entpersonalisierten“ Karten auch nicht unmittelbar, sondern allenfalls unter Verwendung einer Zahlungskarte oder Kundenkarte mit deren PIN und innerhalb deren Verfügungsrahmen zu Lasten von Giroguthaben aufgeladen werden.
2. GeldKarte als „vorausbezahlte“ Geldbörse
7.952
Bei der GeldKarte wird der im Chip gespeicherte Betrag schon bei ihrer Ausgabe vom Girokonto des Karteninhabers abgebucht, wenn hierfür kein Bargeld zur Verfügung gestellt wird. Dagegen kommt es bei der Inanspruchnahme des electronic cash-Systems zu einer entsprechenden Belastung des Girokontos des Kontoinhabers erst dann, nachdem ein electronic cash-Umsatz getätigt worden ist. Bei der GeldKarte muss jedoch im Regelfall eine wesentlich schnellere Inanspruchnahme aus dem Karteneinsatz einkalkuliert werden. Die Funktion der GeldKarte als Ersatz von „Kleingeld“ für den täglichen Bedarf lässt eine baldige Ausgabe des im Chip gespeicherten „elektronischen Gelds“ erwarten. Dies rechtfertigt es, den Gegenwert dieses „Chipgelds“ schon bei Aushändigung der Karte vom Girokonto als auftragsrechtlichen Vorschuss (§ 669 BGB) abzubuchen1, obwohl – wie sich aus § 675t Abs. 3 BGB ergibt – die Geltendmachung eines Vorschusses nicht mehr grundsätzlich
1 Groß in FS Schimansky, 1999, S. 165 (168); aA Koller in FS Schimansky, 1999, S. 209 (219).
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
zulässig ist1. Für solche „Kleinbetragszahlungsinstrumente“ gelten im Übrigen – wie sich aus § 675i BGB ergibt – rechtliche Sonderregelungen. Hinzu kommt, dass es sich bei diesen Vorschüssen um verhältnismäßig geringfügige Beträge handelt. Auch ist bei der Prüfung der Angemessenheit dieser sofortigen Belastung des Girokontos mit dem Gegenwert des gespeicherten Chipgelds zu berücksichtigen, dass bei der Ausgabe der GeldKarte – anders als bei Ausgabe der Zahlungskarte – nicht auf die Bonität des Kunden abgestellt wird. Das kartenemittierende Institut hat deshalb ein wesentlich stärkeres Interesse an einem ausreichenden Schutz vor einem Karteneinsatz ohne ausreichende Deckung durch Kontoguthaben oder eine Kreditlinie. Schließlich wird durch die sofortige Kontobelastung vermieden, dass es zu einer Vielzahl kostenaufwendiger Belastungen des Girokontos mit verhältnismäßig geringfügigen Beträgen aus dem Karteneinsatz im Kleinpreis-Bereich kommt.
7.953
Der vom Girokonto abgebuchte Betrag wird einem bankinternen „Geldbörsen-Verrechnungskonto“ gutgeschrieben, aus dem alle vorausbezahlten Beträge für die ausgegebene GeldKarte als Deckung des die Karte emittierenden Instituts für seine spätere Inanspruchnahme aus den Kartenumsätzen verbucht werden. Soweit der Kunde das Chipgeld nicht verbraucht hat, muss das Institut diesen Vorschuss in entsprechender Höhe wieder zurückgewähren, wenn ihm die GeldKarte zum „Entladen“ zurückgegeben wird. Der Beauftragte (Institut) hat dasjenige, was er zur Durchführung der übertragenen Geschäftsbesorgung (Vorschuss) erhalten, aber letztlich nicht benötigt hat, wieder herauszugeben (§ 667 BGB). Auch daran wird deutlich, dass es sich bei der GeldKarte um einen Zahlungsdienst iS des § 675c BGB handelt, auf den die entsprechenden Regelungen der §§ 675c ff. BGB mit den Modifikationen des § 675i BGB grundsätzlich anwendbar sind.
7.954
3. Rechtliche Parallelen zur Grundstruktur des kartengesteuerten Zahlungsverkehrs Die verschiedenartigen Instrumente des kartengestützten Zahlungsverkehrs sind aus rechtlicher Sicht durch eine gleichförmige Grundstruktur geprägt. Dies gilt auch für die GeldKarte als Kleinbetragszahlungsinstrument gemäß § 675i BGB. Der Karteninhaber will zu Lasten seines Girokontos eine Geldschuld im Wege des bargeldlosen Zahlungsverkehrs erfüllen und deshalb eine entsprechende Kontoverfügung gegenüber seinem Institut vornehmen. Dabei soll sein Vertragspartner, der die von ihm geschuldete Leistung vor Erhalt einer Gutschrift auf seinem Girokonto zu erbringen hat, gegen das Risiko dieser Vorleistung durch eine abstrakte Zahlungsverbindlichkeit des kartenausgebenden Instituts abgesichert werden.
1 Grundmann, WM 2009, 1109 (1113).
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7.955
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
a) Erteilung eines Zahlungsauftrags
7.956
Die äußere Form dieser Verfügungen über das Giroguthaben kann freilich recht verschieden sein. Beim electronic cash-System und Geldautomaten-System erteilt der Bankkunde mit der Eingabe seiner Zahlungskarte und seiner persönlichen Geheimzahl (PIN) in die automatisierte Ladenkasse bzw. den benutzten einen Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB, wobei der Auftrag hier mittelbar über den Zahlungsempfänger und eine Zustimmung zur Zahlung gemäß § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB erteilt wird. Diese Auftragserteilung erfolgt im Rahmen des Girovertrags, bei dem es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB handelt.
7.957
Bei der Ausübung des girovertraglichen Weisungsrechts anlässlich des Einsatzes der GeldKarte ergibt sich eine wertungsmäßige Parallele zum electronic cash-System. Dort wird dieser Zahlungsauftrag dadurch erteilt, dass die Zahlungskarte in die automatisierte Ladenkasse mit der PIN eingegeben und die Bestätigungstaste des Händler-Terminals gedrückt wird. Hierin liegt die Auftragserteilung des Karteninhabers an das ausgebende Institut, den Gegenwert an seinen zahlungsberechtigten Vertragspartner zu Lasten seines Girokontos zu zahlen.
7.958
Rechtsgeschäftlich nichts anderes geschieht, wenn der Girokunde seine GeldKarte in die autorisierte Ladenkasse eingibt und damit seinem Institut konkludent den Auftrag erteilt, den Gegenwert an seinen Vertragspartner aus der von seinem Girokonto bereits abgebuchten Vorauszahlung zu leisten. Denn für die rechtsgeschäftliche Bedeutung des Karteneinsatzes ist es unerheblich, ob der Girokunde seine Karte im Rahmen des electronic cash-Systems oder im GeldKarten-System verwendet. Dies wird besonders deutlich in den Fällen erkennbar, in denen die multifunktionale Zahlungskarte zugleich auch mit der Geldbörsenfunktion ausgestattet ist. Für die Bewertung des rechtsgeschäftlichen Willens des Benutzers der Karte kann deren Eingabe in das Terminal nicht unterschiedlich beurteilt werden. Denn der Karteninhaber will in beiden Fällen seine kontoführende Stelle zu einer bargeldlosen Zahlung an seinen zahlungsberechtigten Vertragspartner veranlassen. Die GeldKarte verkörpert also ein die Möglichkeit zur Erteilung von Aufträgen gegenüber dem emittierenden Institut und kein Bargeld. Sie steht deshalb als bloße Legitimationsurkunde der ec-Karte oder der Kreditkarte näher als der Banknote oder der Geldmünze1.
7.959
Der mit dem Einsatz der GeldKarte konkludent erteilte Auftrag des Karteninhabers, seinem Vertragspartner den geschuldeten Geldbetrag zu Lasten der bereits von seinem Girokonto abgebuchten Vorauszahlung zu verschaffen, wird anschließend auch seinem Institut übermittelt. § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB erwähnt die Möglichkeit der Auftragserteilung über den Empfänger ausdrücklich. Diese Übermittlung ist für das Wirksamwerden dieses Kundenauftrags unverzichtbar. Denn solche Zahlungsaufträge werden, erst in dem Zeitpunkt
1 Schön, AcP 198 (1998), 401 (428).
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
wirksam, in dem sie dem Zahlungsdienstleister des Zahlers- also des Karteninhabers – gemäß § 675n Abs. 1 BGB zugehen. Dieser Zugang erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem die systemimmanente (Inkasso-)Lastschrift über den betreffenden GeldKarten-Umsatz bei dem kartenausgebenden Institut zur Einlösung eingeht. Insoweit ergibt sich eine Parallele zum Kreditkarten-System. Auch dort werden die Kartenumsätze per Lastschrift eingezogen. Der Inhaber der Kreditkarte erteilt auch bei diesem Karteneinsatz einen Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB, seine Zahlungsverbindlichkeiten gegenüber seinem Vertragspartner zu erfüllen1. Insbesondere im bargeldlosen Zahlungsverkehr stellt es keine Besonderheit dar, wenn solche Zahlungsaufträge des Kontoinhabers seiner kontoführenden Stelle nicht unmittelbar zugehen, sondern eine Vielzahl von übermittelnden Zwischenpersonen eingeschaltet sind. Dies gilt für den Scheck als traditionelles Zahlungsinstrument ebenso wie für das Online-Banking, wo ein solcher elektronischer Zahlungsauftrag erst über verschiedene Server unbemerkt springt, um zur kontoführenden Hausbank zu gelangen2.
7.960
b) Begründung einer abstrakten Zahlungsverbindlichkeit des kartenausgebenden Institutes Wie bei der Verwendung der ec-Karte zur Inanspruchnahme des electronic cash-Systems ist das Interesse der zahlungsberechtigten Handels- oder Dienstleistungsunternehmen darauf gerichtet, dass ihnen zur Absicherung ihrer an den Karteninhaber erbrachten Vorleistung ein (abstrakter) Zahlungsanspruch gegen das kartenausgebende Institut verschafft wird. Der Erwerb eines Garantieanspruchs vollzieht sich beim electronic cash-System mit der „Genehmigung“ des jeweiligen Zahlungsvorganges durch die systemimmanente Autorisierungszentrale (sog. Online-Autorisierung). Auch hierdurch wird für den Gläubiger ein solcher Zahlungsanspruch begründet3 und gleichzeitig sowohl ein Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB sowie eine Zustimmung zur Zahlung über den Zahlungsempfänger gemäß § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB unter Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments erteilt.
7.961
aa) Zustandekommen des Zahlungsanspruchs Einvernehmen besteht, dass der vorleistende Gläubiger auch beim Einsatz der GeldKarte einen Zahlungsanspruch gegen den Kartenausgeber erwirbt, um 1 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; KG Berlin v. 8.6.1993 – 13 U 119/93, WM 1993, 2044 (2045); OLG Schleswig v. 29.11.1990 – 5 U 143/89, WM 1991, 453; Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 67 Rz. 11; Martinek, Moderne Vertragstypen, Bd. III, 1993, S. 77 ff.; Oechsler, WuB I D 5-3.94; Escher, WM 1997, 1173 (1175). 2 Escher, WM 1997, 1173 (1174). 3 Ahlers, WM 1995, 601 (605); nach Harbeke, WM 1994, Sonderbeil. Nr. 1, 9 übernimmt die Käuferbank ein (abstraktes) Schuldversprechen iS des § 780 BGB; für das Vorliegen eines Schuldversprechens Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1625; Groß in FS Schimansky, 1999, S. 165 (176).
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7.962
7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
deren größtmögliche Akzeptanz im Rechtsverkehr zu gewährleisten. Bei der GeldKarte tritt für diesen Anspruchserwerb an die Stelle der Online-Autorisierung des electronic cash-Systems mit ihrer garantiebegründenden Wirkung der elektronische Dialog zwischen dem Prozessor des GeldKarten-Terminals und dem Prozessor im Chip der GeldKarte. Dieser Dialog deckt sich aus der Sicht der rechtsgeschäftlichen Begründung der Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Kreditinstituts vollständig mit dem garantiebegründenden Autorisierungsvorgang beim electronic cash-System.
7.963
Auch beim GeldKarten-Verfahren wird der Bezahlvorgang vom Prozessor des GeldKarten-Terminals (sog. Händlerkarte) initiiert. Hierzu liest die Händlerkarte die Identifikation der in den Terminal eingeführten GeldKarte sowie den Chipgeldbestand und führt die erforderlichen Plausibilitätsprüfungen durch. Sodann generiert die Händlerkarte einen Befehl an den Prozessor der GeldKarte zur „Abbuchung“ eines Chipgeldbetrages in Höhe des geschuldeten Geldbetrages. Nach der Reduzierung des gespeicherten Chipgeldbestandes („Abbuchung“) generiert der Prozessor der GeldKarte einen Datensatz mit den Transaktionsdaten, zu denen insbesondere der „abzubuchende“ Chipgeldbetrag, der Name des kartenausgebenden Institutes und die Kontonummer des Karteninhabers gehören. Dieser Transaktionssatz wird sodann mit einem Echtheitszertifikat an die Händlerkarte übermittelt. In dieser Übermittlung liegt das konkludente Angebot der kartenausgebenden Bank auf die vertragliche Begründung ihrer Zahlungsverbindlichkeit. Dieses Angebot wird vom Vertragspartner des Kartenbenutzers dadurch konkludent angenommen, dass die Händlerkarte den Transaktionsbetrag zu dem auf ihr gespeicherten Saldo addiert. Mit dieser Annahmeerklärung ist der Garantievertrag zu Stande gekommen. Auf eine „Rückmeldung“ dieser Erklärung wird verzichtet (§ 151 BGB)1.
7.964
Bei der GeldKarte tritt für die Generierung des Vertragsangebots der kartenausgebenden Stelle an die Stelle des Prozessors der zentralen Autorisierungsstelle des electronic cash-Systems der in den GeldKarten-Chip integrierte Prozessor. Dabei dienen die in den Chip gespeicherten elektronischen Werteinheiten (Chipgeld) dem Lesegerät des GeldKarten-Terminals als elektronischer Legitimationsnachweis für die Abgabe eines wirksamen Vertragsangebotes des kartenausgebenden Instituts. Die Rechtsnatur des „Chip“gelds ist also anders als das „Buch“geld in Form der Gutschriften auf dem Girokonto kein abstrakter Zahlungsanspruch gegen das kartenausgebende Institut. Das Chipgeld hat vielmehr nur eine Legitimationsfunktion bei der Begründung einer abstrakten Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts.
7.965
Die Händlerkarte generiert im Übrigen einen Transaktionssatz, der mit einem eigenen Zertifikat gesichert und im Terminal gespeichert wird. Auf Grund dieser Speicherung können die Lastschriften erstellt werden, mit denen die 1 Nach Gößmann kommt der Garantievertrag dadurch zu Stande, dass der Karteninhaber als offener Stellvertreter der kartenausgebenden Bank handelt (Gößmann in FS Schimansky, 1999, S. 145 [160 ff.]).
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
Gegenwerte des „abgebuchten“ Chipgeldbetrages bei den kartenausgebenden Instituten zu Lasten ihrer internen Geldbörsen-Verrechnungskonten eingezogen werden können. bb) Übernahme einer Zahlungsgarantie Kein Einvernehmen besteht darüber, ob der Zahlungsanspruch aus GeldKarten-Umsätzen wie bei den Umsätzen im electronic cash-System als ein abstrakter Garantieanspruch einzuordnen ist. Hierfür spricht jedoch die Interessenlage der Beteiligten und auch der Umstand, dass es sich bei der GeldKarte wie schon beim electronic cash-System im Kern um eine technische Fortentwicklung der durch das kartenausgebende Kreditinstitut „abgesicherten“ bargeldlosen Erfüllung einer Zahlungsverbindlichkeit des Schuldners in Form einer Garantie handelt1. Dementsprechend ist in Nr. 4 der einheitlichen „Bedingungen für die Teilnahme am System GeldKarte“, wie sie zwischen den teilnehmenden Unternehmen und ihren kontoführenden Instituten vereinbart werden, klargestellt, dass das jeweilige Unternehmen mit Abschluss eines ordnungsgemäßen Bezahlvorgangs mittels GeldKarte an zugelassenen GeldKarten-Terminals eine „Garantie“ gegen das kartenausgebende Institut in Höhe des getätigten Umsatzes erwirbt2.
7.966
4. Haftung des Kontoinhabers für missbräuchliche Verwendung der GeldKarte Mit Rücksicht auf den Charakter der GeldKarte als elektronisches Geld und Kleinbetragszahlungsinstrument ist gemäß § 675i Abs. 3 BGB die Haftung des Kartenemittenten für abhanden gekommene Karten und die darin gespeicherten Beträge ausgeschlossen, da weder das Zahlungskonto, auf das sie bezogen sind, noch die Karten selbst gegen Verfügungen durch Entladen gesperrt werden können. Hinsichtlich der Zahlungsfunktion ist deshalb eine GeldKarte wie Bargeld zu behandeln. Soweit es dagegen um den Aufladevorgang geht, gelten hinsichtlich der Haftung die gleichen Regelungen wie bei der missbräuchlichen Verwendung der ec-Karte an automatisierten Kassen oder am Geldautomaten.
7.967
Soweit den Kunden an einer missbräuchlichen Verwendung der GeldKarte kein Verschulden trifft, begründet die vorstehend dargestellte Risikoverteilung einen weiteren Fall einer verschuldensunabhängige Risikohaftung. Da diese Sphärenhaftung auf den gesetzlichen Regelungen beruht, stellt sich die Frage der Zulässigkeit nicht mehr. Darüberhinaus ist – da die Karte nicht mit einem höheren Betrag als 200 Euro aufgeladen werden kann und gemäß § 675i
7.968
1 Escher, WM 1997, 1173 (1180); Kümpel, WM 1997, 1037 (1040); vgl. weiter Gößmann, Zustandekommen der Zahlungsgarantie im elektronischen Zahlungsverkehr, in FS Schimansky, 1999, S. 145 (151, 164). 2 Diese „Bedingungen“ sind Bestandteil der von den kreditwirtschaftlichen Spitzenverbänden getroffenen „Vereinbarung über das institutsübergreifende System GeldKarte“.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Abs. 1 Satz 3 BGB zur Inanspruchnahme des Haftungsprivilegs auch nicht darf – das wirtschaftliche Risiko der Sphärenhaftung begrenzt.
7.969
Hinzu kommt, dass der Kunde die Höhe dieses Verlustrisikos selbst zu steuern vermag. Soll die maximale Haftungsgrenze von 200 Euro nicht ausgeschöpft werden, so kann die Karte mit wesentlich niedrigeren Beträgen aufgeladen und hierdurch die Höhe des Verlustrisikos entsprechend eingeschränkt werden.
7.970
Schließlich ist diese verschuldensunabhängige Haftung des Kunden auf den Betrag beschränkt, der bei Abhandenkommen der GeldKarte noch in deren Chip gespeichert ist. Denn soll die Karte zu Lasten des Girokontos des betroffenen Girokunden durch Benutzung eines Geldautomaten aufgeladen werden, bedarf es hierzu der GeldKarte und der Verwendung der dazugehörigen PIN. Für dieses missbräuchliche Aufladen gelten dann die Bedingungen für die ecKarte, die eine Haftung des Kunden in Abhängigkeit von seinem Verursachungsbeitrag mit einer auf 150 Euro beschränkten Haftung als Sphärenhaftung bei bestimmten Fallkonstellationen und bei leichter Fahrlässigkeit und einer unbeschränkten Haftung bei grober Fahrlässigkeit, Vorsatz und Absicht vorsieht.
5. GeldKartengeschäft als genehmigungspflichtiges Bankgeschäft
7.971
Die 6. Novelle zum KWG hatte den gesetzlichen Katalog der „lizenz“pflichtigen Bankgeschäfte wesentlich erweitert. Hierbei war auch das GeldKartengeschäft aufgenommen und damit zum erlaubnispflichtigen Bankgeschäft geworden (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG aF).
7.972
Der Gesetzgeber hielt es im Zusammenhang mit der Umsetzung der E-GeldRichtlinie1 für geboten, das GeldKartengeschäft wie auch das Netzgeldgeschäft in einem möglichst frühen Stadium der Bankenaufsicht zu unterwerfen. Nach seiner Einschätzung könnten diese beiden innovativen Zahlungsinstrumente bei größerer Akzeptanz zu einer entsprechenden Verdrängung der Barzahlungen und der traditionellen Buchgeldzahlungen führen und damit zu einem Risikofaktor für den gesamten Zahlungsverkehr werden. So könnte die Insolvenz eines bedeutenden Kartenemittenten oder Netzbetreibers das Vertrauen in diese neuartigen Zahlungsinstrumente erschüttern; dies könnte auch durch massive Fälschungen oder zahlreiche systembedingte Fehlbuchungen geschehen. Ein solcher Vertrauensverlust könnte wiederum zu Verwerfungen des gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit gravierenden volkswirtschaftlichen Konsequenzen führen. Denn bei hoher Akzeptanz der GeldKarte und verstärkter Nutzung der Netzgeldsysteme werden die Kreditinstitute ihre bisherigen bargeldlosen Zahlungsverkehrssysteme und Fazilitäten für Barzahlungen der geringeren Nachfrage anpassen. Die Kreditinstitute könnten sodann wegen ihrer reduzierten Kapazitäten nicht mehr in der Lage 1 Richtlinie 2000/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.9.2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, ABl. EG Nr. L 275, S. 39.
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7. Teil
Kartengesteuerte Zahlungssysteme
sein, eine gesteigerte Nachfrage der traditionellen Zahlungsinstrumente infolge schwindender Akzeptanz der GeldKarten oder der Netzgeldsysteme zu befriedigen1. Die Wahrscheinlichkeit solcher Störfälle sollte nach Meinung des Gesetzgebers zudem wesentlich geringer sein, wenn die GeldKarten-Ausgabe und Netzgeld-Emission durch Kreditinstitute erfolgt, die über einschlägige langjährige Erfahrungen und Sicherheitsstandards verfügen. Auch könnten Kreditinstitute negativen Auswirkungen solcher Ereignisse effizienter begegnen. Sie unterlägen zudem aufsichtsrechtlichen Liquiditäts- und Bonitätsvorschriften und könnten schließlich auf die Refinanzierungsmöglichkeiten bei der Zentralbank zurückgreifen2. Deshalb beschränkt sich die Richtlinie 2000/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten auf Unternehmen des Nicht-Bankenbereichs, die insoweit bankaufsichtsrechtlichen Mindeststandards unterworfen werden sollen.
7.973
Die Erstreckung der Bankenaufsicht auf das GeldKarten-Geschäft ist gesetzestechnisch durch Aufnahme in den gesetzlichen Katalog der Bankgeschäfte in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG erfolgt. Hierzu musste diese nunmehr „lizenz“pflichtige Geschäftsart im Wege einer Legaldefinition tatbestandsmäßig umschrieben werden. Das Geldkartengeschäft wurde durch die 6. KWG-Novelle v. 22.10.1997 definiert als „die Ausgabe vorausbezahlter Karten zu Zahlungszwecken“ (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG aF). Einen bankgeschäftlichen Status hat das GeldKarten-Geschäft aber nur bei solchen Zahlungssystemen, bei denen Kartenemittent und Leistungserbringer (kontoführendes Kreditinstitut des Zahlungspflichtigen) gegenüber dem Zahlungsempfänger verschiedene Personen sind. Diese „lizenz“pflichtigen dreiseitigen Systeme sind von den genehmigungsfreien zweiseitigen Systemen zu unterscheiden; hier sind Leistungserbringer und der Kartenemittent identisch. Bei dem lizenzfreien GeldKarten-Geschäft wird das mit der Vorausbezahlung belastete Girokonto des Karteninhabers bei dem kartenemittierenden Kreditinstitut unterhalten3. Diese Differenzierung ergibt sich aus der insoweit stark interpretationsbedürftigen Definition des GeldKarten-Geschäfts, dessen vollständiger Wortlaut die nachfolgende Fassung erhalten hatte:
7.974
„Die Ausgabe vorausbezahlter Karten zu Zahlungszwecken, es sei denn, der Kartenemittent ist auch der Leistungserbringer, der die Zahlung aus der Karte erhält“.
7.975
Durch das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ist der bisherige Bankgeschäftstatbestand „GeldKarten-Geschäft“ und das „Netzgeldgeschäft“ (bisher § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 KWG aF) zu dem neuen Bankgeschäftstatbestand „E-Geld-Geschäft“ zusammengefasst worden. Das Gesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 KWG) definierte das E-Geld-Geschäft „als die
7.976
1 BT-Drucks. 13/7142, S. 64 (65). 2 BT-Drucks. 13/7142, S. 64 (65). 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/7142, S. 64.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Ausgabe und die Verwaltung von elektronischem Geld“. Dieser Tatbestand orientierte sich begrifflich an der E-Geld-Richtlinie, der die beiden jetzt zusammengefassten Tatbestände vorausgegangen waren. Durch den entsprechenden Tatbestand hatte sich an der materiellen Rechtslage nichts geändert. Die Wortwahl „Ausgabe und Verwaltung“ berücksichtigt die Nebengeschäfte, die E-Geld-Institute zulässigerweise betreiben können (Art. 1 Abs. 5 E-GeldRichtlinie)1. Auch im Zuge der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie ist das E-Geld-Geschäft und damit auch die Ausgabe der GeldKarte ein Bankgeschäft geblieben, die, wie sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZAG ergibt, zwar Zahlungsdienstleister sind, nicht aber der Aufsicht des ZAG sondern nach wie vor des KWG unterliegen.
7.977–7.990
Einstweilen frei.
8. Abschnitt Kreditkartengeschäft 7.991
Das Kreditkartengeschäft hat seine Ursprünge in den USA und ist heute auch im inländischen Zahlungsverkehr nicht mehr wegzudenken. Gegenüber der Zahlungskarte hat die Kreditkarte den Vorteil, dass sie nach ihrer Grundkonzeption ohne eine betragsmäßige Grenze verwendet werden kann. Bei größeren Beträgen müssen sich freilich die Unternehmen, die die Kreditkarte auf Grund eines Rahmenvertrages mit dem Kartenherausgeber zu akzeptieren haben (sog. Vertragsunternehmen), die Verwendung durch eine Autorisierungszentrale des Kartenherausgebers (Emittent) bestätigen lassen.
7.992
Mit diesen „Genehmigungs“anfragen soll auch die missbräuchliche Verwendung von Kreditkarten aufgedeckt werden. Bei nicht genehmigter Limitüberschreitung braucht der Kartenherausgeber nicht zu zahlen. Ein solcher Ausschluss der Zahlungspflicht stellt keine unangemessene Regel iS des § 307 BGB (= § 9 AGBG aF) dar2.
7.993
Das Kreditkartengeschäft der deutschen Kreditinstitute stützt sich vor allem auf die Ausgabe der Master Card (bislang Eurocard/Master Card). Für die Entwicklung des Eurocard-Systems ist die Eurocard International S.A., Brüssel, gegründet worden. Diese Dachorganisation sollte sich um die Produktentwicklung und den weiteren Ausbau des Systems kümmern. Die Gesellschaft wurde am 1.7.1992 mit der eurocheque International S.A., Brüssel, zur Europay International S.A., Brüssel, fusioniert, die nunmehr als Master Card Europe Inc. firmiert. Unter dem Dach dieser neuen Gesellschaft werden verschiedene Produktgruppen mit einer Vielzahl von individuellen Funktionen und Dienstleistungen einschließlich der Master Card betreut3. 1 BT-Drucks. 936/01 (neu), S. 315. 2 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 75. 3 van Eldik, WM 1993, 283.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Ausgabe und die Verwaltung von elektronischem Geld“. Dieser Tatbestand orientierte sich begrifflich an der E-Geld-Richtlinie, der die beiden jetzt zusammengefassten Tatbestände vorausgegangen waren. Durch den entsprechenden Tatbestand hatte sich an der materiellen Rechtslage nichts geändert. Die Wortwahl „Ausgabe und Verwaltung“ berücksichtigt die Nebengeschäfte, die E-Geld-Institute zulässigerweise betreiben können (Art. 1 Abs. 5 E-GeldRichtlinie)1. Auch im Zuge der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie ist das E-Geld-Geschäft und damit auch die Ausgabe der GeldKarte ein Bankgeschäft geblieben, die, wie sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZAG ergibt, zwar Zahlungsdienstleister sind, nicht aber der Aufsicht des ZAG sondern nach wie vor des KWG unterliegen.
7.977–7.990
Einstweilen frei.
8. Abschnitt Kreditkartengeschäft 7.991
Das Kreditkartengeschäft hat seine Ursprünge in den USA und ist heute auch im inländischen Zahlungsverkehr nicht mehr wegzudenken. Gegenüber der Zahlungskarte hat die Kreditkarte den Vorteil, dass sie nach ihrer Grundkonzeption ohne eine betragsmäßige Grenze verwendet werden kann. Bei größeren Beträgen müssen sich freilich die Unternehmen, die die Kreditkarte auf Grund eines Rahmenvertrages mit dem Kartenherausgeber zu akzeptieren haben (sog. Vertragsunternehmen), die Verwendung durch eine Autorisierungszentrale des Kartenherausgebers (Emittent) bestätigen lassen.
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Mit diesen „Genehmigungs“anfragen soll auch die missbräuchliche Verwendung von Kreditkarten aufgedeckt werden. Bei nicht genehmigter Limitüberschreitung braucht der Kartenherausgeber nicht zu zahlen. Ein solcher Ausschluss der Zahlungspflicht stellt keine unangemessene Regel iS des § 307 BGB (= § 9 AGBG aF) dar2.
7.993
Das Kreditkartengeschäft der deutschen Kreditinstitute stützt sich vor allem auf die Ausgabe der Master Card (bislang Eurocard/Master Card). Für die Entwicklung des Eurocard-Systems ist die Eurocard International S.A., Brüssel, gegründet worden. Diese Dachorganisation sollte sich um die Produktentwicklung und den weiteren Ausbau des Systems kümmern. Die Gesellschaft wurde am 1.7.1992 mit der eurocheque International S.A., Brüssel, zur Europay International S.A., Brüssel, fusioniert, die nunmehr als Master Card Europe Inc. firmiert. Unter dem Dach dieser neuen Gesellschaft werden verschiedene Produktgruppen mit einer Vielzahl von individuellen Funktionen und Dienstleistungen einschließlich der Master Card betreut3. 1 BT-Drucks. 936/01 (neu), S. 315. 2 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 75. 3 van Eldik, WM 1993, 283.
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7. Teil
Kreditkartengeschäft
Das Kreditkartengeschäft stellt kein Bankgeschäft im gesetzlichen Sinne des Kataloges der lizenzpflichtigen Bankgeschäfte dar, wie sie § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG enthält1. Nach der Neufassung des KWG durch das Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften v. 22.10.1997 gehörten Unternehmen, deren Haupttätigkeit in der Ausgabe oder Verwaltung von Kreditkarten besteht, zu den sog. Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 KWG aF). Diese Institute sind von den sog. Finanzdienstleistungsinstituten zu unterscheiden, bei denen es sich um Unternehmen handelt, die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die keine Kreditinstitute sind (§ 1 Abs. 1a KWG). Die Erbringung solcher Finanzdienstleistungen bedarf anders als die Tätigkeiten der Finanzinstitute einer staatlichen Erlaubnis (vgl. § 32 Abs. 1 KWG).
7.994
Das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz hatte das Kreditgartengeschäft in den Katalog der Finanzdienstleistungen aufgenommen (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG aF). Die das Kreditgeschäft betreibenden Unternehmen bedurften danach einer staatlichen Erlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 KWG und unterlagen der Bankenaufsicht. Diese Maßnahme erschienen erforderlich, weil das Kreditkartengeschäft nach den zwischenzeitlichen Erfahrungen verstärkt für Geldwäschezwecke über die Nutzung sog. Kreditkartenkonten missbraucht worden war. Bestimmte Varianten der Kreditkarte ermöglichen den Transfer von Geldern ins Ausland, ohne dass bislang die Zahlungsströme des Kartengeschäfts einer Aufsicht nach dem Geldwäschegesetz unterstellt waren2. Das KWG (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 aF) definierte das Kreditkartengeschäft als die Ausgabe oder Verwaltung von Kreditkarten und Reiseschecks, es sei denn, der Kartenemittent war auch der Erbringer der dem Zahlungsvorgang zugrunde liegenden Leistung. Dabei erfasste der Begriff des Kreditkartengeschäfts nach den Gesetzesmaterialien auch Zahlungen über Zahlungssysteme, die neben konventionellen Kartenverfahren Zahlungen unter Einsatz eines elektronischen Mediums etwa über Internet unter Verwendung der Kreditkartennummer ermöglichten3 (sog. Telefon- oder Mailorderverfahren4). Dasselbe galt für sonstige moderne Abwicklungssysteme von Zahlungen, etwa über das Mobile Banking oder die WAP-Technologie, weil sich diese Zahlungssysteme auf Grund ihrer Intransparenz ebenfalls für Geldwäschezwecke nutzen lassen5. Im Zuge der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in deutsches Recht ist das Kreditkartengeschäft durch Streichung von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG aus dem Katalog der erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte herausgenommen worden. Es handelt sich jetzt dabei um einen Zahlungsdienst gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. c ZAG, der einer entsprechenden Erlaubnis nach § 8 ZAG bedarf. Damit unterliegen Kreditkarteninstitute nicht
7.995
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Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 68. BT-Drucks. 936/01 (neu), S. 316; BT-Drucks. 14/8017, S. 112. BT-Drucks. 14/8601, S. 22. BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158 (2160); Meder, WM 2002, 1993 ff. BT-Drucks. 14/8017, S. 12.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
mehr der Bankenaufsicht durch die BAFin, wohl aber der Aufsicht eines Zahlungsdienstleisters. Auch diese Aufgabe wird durch die BAFin ausgeübt.
I. Wirtschaftliche Funktionen
7.996
Der Vorteil der Kreditkarte liegt für den Benutzer in der Bequemlichkeit und Sicherheit, die die bargeldlose Zahlung dieses Verfahrens mit sich bringt1. Die Kreditkarte ist besonders für den geschäftlichen Reiseverkehr geeignet. Bei häufiger Benutzung ergeben sich Zinsvorteile2. Denn der Karteninhaber wird erst nachträglich mit den Beträgen belastet, die der Kartenemittent an Vertragsunternehmen als Vertragspartner des Karteninhabers zu zahlen hatte. Diese Zinsvorteile können die für die Karte zu entrichtende Benutzungsgebühr kompensieren.
7.997
Der Vorteil der Kreditkarten akzeptierenden Unternehmen liegt in der Erweiterung ihres Kundenpotentials und der sich daraus ergebenden Chance auf Umsatzsteigerung. Insbesondere die auf der Durchreise befindlichen Personen wären ohne das Kreditkartensystem meist nicht in der Lage, an einem fremden Ort, vor allem im Ausland, größere Einkäufe zu tätigen. Häufig wird nicht ausreichend Bargeld mit sich geführt und die früher garantierten Schecks konnten nur betragsmäßig begrenzt ausgestellt werden. Dagegen genügt regelmäßig ein Telefonanruf des Vertragsunternehmens in ein Büro eines Kreditkartenausgebers, um dessen Zahlungszusage zu erwirken3.
7.998
Ein weiteres Expansionsfeld für die Kreditkarte ist das grenzüberschreitende Tele- und Internetshopping. Für die ausländischen Anbieter ist es regelmäßig einfacher, den vom Karteninhaber geschuldeten Betrag mit Hilfe der Abbuchungsstelle eines Kreditkartenunternehmens im eigenen Heimatstaat einzuziehen.
1. Universales Zahlungsmittel
7.999
Die Kreditkarte ist wegen ihrer weltweiten Verwendbarkeit ein universales Zahlungsmittel4, deren Einsatzmöglichkeiten über die ec-Karte hinausgehen, die in erster Linie für Zahlungen innerhalb des EWR gedacht ist.
7.1000
Mit der Kreditkarte können vor allem Waren und Dienstleistungen bei Vertragsunternehmen, Einzelhandelsgeschäften, Restaurants, Hotels, Fluggesellschaften, Mietwagenfirmen ua. bargeldlos gezahlt werden. Die Kreditkarte 1 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 (1214) = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f. 2 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 4. Zur Frage der sog. „Bonus-Meilen“ für Kreditkartenumsätze als verbotene Zugaben vgl. Ultsch, WM 1999, 2535 ff. 3 Vgl. LG Heidelberg v. 15.12.1987 – 4 S 14/87, WM 1988, 773 (774). 4 BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, WM 1997, 2244 (2246) = BGHZ 137, 27 ff. = NJW 1998, 383 f.
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Kreditkartengeschäft
gehört deshalb zu den Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, bei deren Einsatz der Karteninhaber seine Zahlungsverbindlichkeiten zu Lasten eines bei seinem Zahlungsinstitut geführten Girokontos erfüllen kann1. Mit der Kartenzahlung stundet deshalb das Vertragsunternehmen die Zahlungsverbindlichkeit des Karteninhabers mit der Verpflichtung, den geschuldeten Betrag erfüllungshalber beim Karteninhaber einzuziehen2. Solche Stundungen werden auch bei der Bezahlung mittels Schecks oder Lastschrift vereinbart. Die Vertragsunternehmen erhalten die den Karteninhabern in Rechnung gestellten Beträge unter Abzug des vereinbarten Disagios. Bei dem Disagio handelt es sich um eine Gegenleistung dafür, dass der Kartenemittent den Vertragsunternehmen neue Kunden zuführt, die ihre Einkäufe weitestmöglich nach der Verwendbarkeit von Kreditkarten ausrichten3. Bei den Emittenten der Kreditkarte handelt es sich meist um eine Bank oder eine von Banken betriebene Gesellschaft.
7.1001
2. Bargeldservice Die Kreditkarten dienen freilich nicht nur der bargeldlosen Zahlung, sondern auch der Beschaffung von Bargeld (sog. Bargeldservice). So hat der Inhaber einer Eurocard die Möglichkeit, sich Bargeld an Geldautomaten sowie gegen Vorlage eines Ausweispapiers an Kassen von Kreditinstituten im In- oder Ausland auszahlen zu lassen. Für die Nutzung dieser Geldautomaten stellt die Bank dem Karteninhaber eine persönliche Geheimzahl (PIN) zur Verfügung, wie sie auch für den Einsatz der Kreditkarte an einer automatisierten Kasse eines Vertragsunternehmens benötigt wird4.
7.1002
Bei diesem Bargeldservice handelt es sich um eine zusätzliche Dienstleistung. Der typische Zweck eines Kreditkartenvertrages erschöpft sich darin, die von dem Karteninhaber eingegangenen Zahlungsverbindlichkeiten aus dem Valutaverhältnis mit dem Vertragsunternehmen zu erfüllen. Deshalb ist es auch mit der Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 307 BGB vereinbar, wenn der Kartenemittent für die Inanspruchnahme des Bargeldservice ein dem Karteninhaber im Voraus bekannt gegebenes Entgelt berechnet5. Bei der Nutzung dieses zusätzlichen Service fehlt es an einem Leistungsaustausch, wie er sich beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen der Vertragsunternehmen vollzieht. Beim Bargeldservice erbringt der
7.1003
1 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 36; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 143. 2 LG Düsseldorf v. 24.10.1990 – 23 S 885/89, WM 1991, 1027 (1029); Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (24). 3 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 58. 4 Bei einer unbefugten Verwendung einer Kreditkarte (Eurocard) kann davon ausgegangen werden, dass der Karteninhaber die PIN pflichtwidrig bei sich getragen hat. Wegen der außerordentlichen Schwierigkeit der Ermittlung der PIN kann von einem Anscheinsbeweis ausgegangen werden (OLG Frankfurt v. 7.5.2002 – 8 U 268/01, WM 2002, 2101 [2102]). 5 AG Frankfurt/M. v. 18.4.1996 – 30 C 1934/95-25, WM 1996, 1177.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Kartenemittent vielmehr die von ihm geschuldete Leistung unter Einschaltung eines Dritten. Der Emittent haftet im Übrigen dem Vertragsunternehmen, bei dem der Bargeldservice in Anspruch genommen worden ist1.
3. Inanspruchnahme des Karteninhabers im Lastschriftverfahren
7.1004
Der Kartenemittent nimmt wegen seiner Zahlungen an die Vertragsunternehmen die betreffenden Inhaber der Kreditkarte in Anspruch. Dies geschieht dadurch, dass der Emittent die von ihm gezahlten Geldbeträge bei der kontoführenden Stelle des Karteninhabers im Wege des Lastschriftverfahrens einzieht. Dieser Technik des Kreditkartengeschäfts liegt das sog. Drei-ParteienSystem zugrunde.
7.1005
Beim Zwei-Parteien-System gibt dagegen das die Leistung erbringende Unternehmen, etwa eine Einzelhandelskette, selbst die Karte aus2. In Deutschland haben nur die Kreditkarten des Drei-Parteien-Systems Verbreitung gefunden. Soweit eine Kreditkarte wie die MasterCard auch von den deutschen Kreditinstituten selbst emittiert werden darf, sind uU sogar vier Vertragsparteien eingeschaltet: Karteninhaber, emittierendes Kreditinstitut, Vertragsunternehmen und ein im eigenen Namen handelndes beauftragtes Unternehmen des emittierenden Instituts, das für die Abwicklung des Kreditkartengeschäfts zuständig ist.
7.1006
Auch das Kreditkartengeschäft dient funktionell dem bargeldlosen Zahlungsverkehr3. Bei den Zahlungsvorgängen aus den Kreditkartenumsätzen sind im Regelfall jeweils sechs Personen beteiligt: der Karteninhaber, das Vertragsunternehmen und der Kartenemittent sowie deren jeweilige kontoführende Stellem, die die bargeldlose Zahlung vermitteln. Bei dieser Vermittlung wird die kontoführende Stelle des Vertragsunternehmens als Inkassostelle tätig, die hierbei einen bargeldlosen Zahlungsvorgang wie beim Inkasso von Lastschriften und Schecks veranlasst. Die kontoführende Stelle des erstattungspflichtigen Karteninhabers wird als dessen Zahlstelle tätig, bei der das Institut des Kartenemittenten die vom Karteninhaber geschuldeten Beträge im Lastschriftverfahren einziehen kann. Für den Kartenemittenten ist also die bargeldlose Zahlung des Karteninhabers nur ein durchlaufender Posten auf dem Wege zum Vertragsunternehmen als zahlungsberechtigtem Gläubiger.
4. Kreditfunktion
7.1007
Ein wesentlicher Unterschied der Kreditkarte zu den herkömmlichen Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs besteht darin, dass die Kreditkarte 1 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 159. 2 Zur Rechtsnatur der vertraglichen Beziehungen im Zwei-Parteien-System vgl. Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 6 Rz. 15. 3 BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, WM 1985, 1336 = BGHSt 33, 244 ff. Nach dem OLG Karlsruhe v. 28.11.1990 – 1 U 189/90, WM 1991, 184 (187) ist das Kreditkartenverfahren aber nicht völlig der Bargeldzahlung gleichzusetzen.
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Kreditkartengeschäft
entsprechend ihrem Namen im Regelfall zugleich eine Kreditfunktion hat1. Das Vertragsunternehmen gewährt dem Karteninhaber einen Kredit im weiteren Sinne des Wortes dadurch, dass es die von ihm geschuldete Leistung ohne sofortige Bezahlung erbringt2. Dagegen liegt regelmäßig keine Kreditgewährung des Kartenemittenten an den Karteninhaber vor, wenn der Emittent die Zahlungen an die Vertragsunternehmen wie üblich nicht sofort gegenüber dem Karteninhaber abrechnet und von dessen Konto abbuchen lässt. Solche Abrechnungen erfolgen nur aus Gründen der technischen Vereinfachung in periodischen Abständen. Der Kartenemittent ist mithin zu einem derartigen Zuwarten regelmäßig nicht verpflichtet, wie dies bei einer Kreditgewährung der Fall wäre3.
7.1008
Dieses rationelle Abrechnungsverfahren stellt deshalb auch keine Kreditgewährung dar, auf welche die §§ 491 ff. BGB (bzw. das frühere Verbraucherkreditgesetz) anwendbar sind. Die Kreditkarte wird hier vielmehr nur als Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs verwendet4. Die vereinheitlichten AGB für die MasterCard enthalten deshalb auch eine sog. finanzielle Nutzungsgrenze. Danach darf der Bankkunde die Kreditkarte nur im Rahmen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse verwenden, so dass ein termingerechter Ausgleich der Eurocard-Umsätze gewährleistet ist5. Der mit dem üblichen Abrechnungsverfahren verbundene Zahlungsaufschub wird im Übrigen nicht gegen Zahlung eines Entgeltes gewährt, wie es § 491 Abs. 1 BGB (bzw. § 1 Abs. 2 VerbrKrG aF) erfordert. Die Jahresgebühr für die Kreditkarte stellt kein Entgelt für den konkreten Zahlungsaufschub dar, sondern wird als Vergütung für die Dienstleistungen des Kartenemittenten gezahlt6. Auch das von dem Vertragsunternehmen zu zahlende Disagio stellt kein mittelbares Entgelt des Karteninhabers für die monatliche Abrechnung dar, sondern ist eine Vergütung im Verhältnis von Kartenemittent und Vertragsunternehmen7.
7.1009
Dagegen liegt ein der Schriftform des § 492 BGB unterliegender Kreditvertrag vor, wenn für die Kreditkarte ein gesondertes (debitorisches) Kreditkonto geführt wird, der Kartenemittent dem Kontoinhaber seinen Aufwendungsersatz-
7.1010
1 OLG Karlsruhe v. 28.11.1990 – 1 U 189/90, WM 1991, 184 (187). 2 BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, WM 1985, 1336 (1337) = BGHSt 33, 244 ff.; Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 49. 3 Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (18); vgl. aber weiter Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1623, wonach sogar in der Zahlung des Kartenherausgebers an das Vertragsunternehmen ein Kredit gesehen werden kann. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 11/5462, S. 18 ff.; Pfeiffer, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 26. Aufl. 2010, Rz. 42. 5 Bei Eigenemissionen von Eurocard durch Kreditinstitute enthalten die zum Teil abweichenden AGB vereinzelt den klarstellenden Hinweis, dass die „Autorisierung“ einzelner Kreditkartenumsätze weder zur Einräumung eines Kredites noch zur Erhöhung eines zuvor eingeräumten Kredites führt, sondern in der Erwartung erfolgt, dass ein Ausgleich der Kartenumsätze erfolgt. 6 Seibert, DB 1991, 429; Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 49. 7 Seibert, DB 1991, 429.
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
anspruch (§§ 675f Abs. 2 Satz 1, 670 BGB) für mehr als drei Monate stundet und die Inanspruchnahme dieses Kredits gegen Zinszahlungen ermöglicht. Derartige Kreditinanspruchnahmen stellen im Übrigen keine Kontoüberziehungen iS des § 493 BGB dar, weil solche „Kreditkartenkonten“ nicht als laufende Konten geführt werden, wie es diese von bestimmten Formerfordernissen befreiende Gesetzesbestimmung erfordert1. Die diesbezügliche Privilegierung des § 493 BGB kommt nur zum Tragen, wenn der Karteninhaber durch Verwendung der Kreditkarte einen ihm ohne spezifischen Verwendungszweck eingeräumten Dispositionskredit ausnutzt, der ihm die Überziehung seines Girokontos ermöglicht.
II. Rechtsnatur des Kreditkartengeschäfts
7.1011
Für die rechtliche Darstellung des Kreditkartengeschäfts ist das Rechtsverhältnis zwischen Vertragsunternehmen und Kartenherausgeber von besonderem Interesse. Die Akzeptanz der Kreditkarte hängt weitgehend davon ab, dass die Vertragsunternehmen den Gegenwert für die erbrachte Leistung im bargeldlosen Zahlungsverkehr von dem Kartenherausgeber erlangen können. Die Erfüllung des Zahlungsanspruchs des Vertragsunternehmens soll durch eine bargeldgleiche Sicherung gewährleistet werden2. Hierzu wird dem Vertragsunternehmen bei der Verwendung der Kreditkarte ein rechtlich eigenständiger Zahlungsanspruch gegen den Kartenemittenten als einen zahlungskräftigen Dritten verschafft. Insoweit ergibt sich eine Parallele zu den anderen Instrumenten der kartengestützten bargeldlosen Zahlungssysteme.
7.1012
Einen anderen rechtlichen Schwerpunkt bildet das Rechtsverhältnis des Kartenemittenten zum Karteninhaber. Der Emittent holt sich die Deckung für die Zahlungen an die Vertragsunternehmen beim Karteninhaber. Die rechtliche Ausgestaltung dieses Deckungsverhältnisses prägt zugleich die zwischen Kartenemittenten und Vertragsunternehmen bestehende Vertragsbeziehung.
1. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Inhaber der Kreditkarte
7.1013
Das Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Inhaber der Kreditkarte war nach Rechtsprechung und Literaturmeinung ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Einschlag (§§ 675, 631 BGB)3, der jetzt als 1 Seibert, DB 1991, 429 (430); vgl. weiter Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 67 Rz. 17, 49. 2 Pfeiffer, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerk, 26. Aufl. 2010, Rz. 20. 3 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; KG v. 8.6.1993 – 13 U 119/93, WM 1993, 2044; OLG Oldenburg v. 21.12.1993 – 5 U 82/93, WM 1994, 378; Martinek in Schimansky/Bunte/Lwowski, 1. Aufl. 2001, § 67 Rz. 2 (anders aber Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, 3. Aufl. 2007, § 67 Rz. 7); Hadding, WM 1987, 1571; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 146.
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Kreditkartengeschäft
Zahlungsdiensterahmenvetrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen ist, da es sich um einen Vetrag handelt, der auf die Erbringung von Zahlungsdiensten ausgerichtet ist1. Diese rechtliche Einordnung gilt auch in den Fällen, in denen der sicherungshalber verschaffte Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens gegen den Kartenemittenten keine Zahlungsgarantie beinhaltet, sondern die Kaufpreisforderungen aus dem Kauf des Zahlungsanspruches des Vertragsunternehmens aus seinem Grundgeschäft mit dem Karteninhaber (Valutaverhältnis) darstellt2. Bei dem Kreditkartenvertrag handelt sich um einen (Zahlungsdienste-)Rahmenvertrag. Er verschafft dem Karteninhaber nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen einen Anspruch gegen die angeschlossenen Vertragsunternehmen, ohne Bezahlung die gekauften Waren erwerben oder die gewünschten Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können (§ 328 BGB)3. Der Schwerpunkt des Vertrages liegt also in der vorweggenommenen Stundung des Zahlungsanspruchs des Vertragsunternehmens aus dem Valutaverhältnis mit dem Karteninhaber im Zusammenhang mit der Erbringung von Zahlungsdiensten.
7.1014
Wird für die Ehefrau des (Haupt-)Karteninhabers eine Familienzusatzkarte ausgegeben, kommt ein Zahlungsdiensterahmenvertrag auch mit der Ehefrau zu Stande4. Soweit für Firmenkunden neben der Hauptkarte weitere Zusatzkarten für Mitarbeiter des Kunden ausgestellt werden, kann eine gesamtschuldnerische Haftung des Firmenkunden für die Verwendung dieser Zusatzkarten vereinbart werden. Dagegen ist es nach dem Schrifttum mit der Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 307 BGB unvereinbar, wenn der Inhaber einer solchen Zusatzkarte auch für Zahlungsansprüche aus der Verwendung der Hauptkarte oder der für andere Mitarbeiter ausgegebenen Zusatzkarten haften soll5.
7.1015
Die Hauptpflicht des Kartenemittenten besteht darin, die Zahlungsverbindlichkeiten des Karteninhabers aus dem jeweiligen Grundgeschäft mit dem Vertragsunternehmen (Valutaverhältnis) zu erfüllen6. Der Kartenemittent hat also dafür zu sorgen, dass der Inhaber der Kreditkarte von seiner Zahlungspflicht gegenüber dem Vertragsunternehmen befreit wird7. Der Emittent ist
7.1016
1 Grundmann, WM 2009, 1157 (1161). 2 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1628; vgl. weiter BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 zu der auf einem solchen Forderungskauf basierenden Eurocard; OLG Karlsruhe v. 28.11.1990 – 1 U 189/90, WM 1991, 184 (187); OLG Frankfurt v. 10.12.1992 – 6 U 149/91, WM 1993, 889 (892). 3 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 58. 4 OLG Köln v. 23.1.1992 – 13 U 206/91, WM 1993, 369. 5 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 149; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1631; vgl. weiter Pfeiffer, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 26. Aufl. 2010, Rz. 100 f. 6 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; KG v. 8.6.1993 – 13 U 119/93, WM 1993, 2044; OLG Oldenburg v. 21.12.1993 – 5 U 82/93, WM 1994, 378; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1628; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 146. 7 Pfeiffer, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 26. Aufl. 2010, Rz. 22.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
mithin zu einer Erfüllungsübernahme iS des § 329 BGB verpflichtet1. Diese Erfolgsbezogenheit der vom Kartenemittenten geschuldeten Hauptleistung zeigt, dass der übernommene Zahlungsdienst nicht auf eine Dienstleistung, sondern auf eine Werkleistung gerichtet ist (vgl. § 631 Abs. 2 BGB)2.
7.1017
Die Hauptleistung des Karteninhabers besteht in der Zahlung eines Entgelts (Kreditkarten„gebühr“), die meist jährlich berechnet wird3. Soweit für die Verwendung der Kreditkarte im Ausland eine gesonderte Vergütung in Rechnung gestellt wird, unterliegt dieses Entgelt nicht der richterlichen Inhaltskontrolle. Nach dem BGH handelt es sich hierbei um eine zusätzlich angebotene Sonderleistung, die eine kontrollfreie Bepreisung ermöglicht4. Allerdings ist für Zahlungen innerhalb der EWR-Statten die Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Paraments und des Rates vom 16.9.2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/20015, die vorschreibt, dass für nationale Zahlungen und für grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb der EWR-Staaten in Euro oder in schwedischen Kronen bis zu einem Betrag von 50 000 Euro keine unterschiedlich hohen Entgelte genommen werden dürfen. Es wird zwar nicht die Preishöhe festgeschrieben, wohl aber, dass nicht zwischen nationalen und EWR-weiten Zahlungsvorgängen differenzeirt werden darf und hier ein Preisgleichheitsgebot gilt. Da es sich um eine EG-Verordnung handelt, muss diese nicht in nationales Recht umgesetzt werden, sie gilt in den nationalen Rechtsordnungen unmittelbar, ohne dass es eines Umsetzungsakts bedarf.
7.1018
Die Verpflichtung zur Erfüllungsübernahme stellt eine Rahmenvereinbarung über eine Vielzahl von entgeltlichen Zahlungsvorgängen dar. Die nähere Bestimmung (Konkretisierung) der zunächst nur gattungsmäßig festgelegten Pflicht erfolgt durch den jeweiligen Einsatz der Kreditkarte6. Dabei wird zur Einziehung des geschuldeten Rechnungsbetrages regelmäßig von dem Vertragsunternehmen ein sog. „Belastungs“beleg ausgestellt, den der Karteninhaber zu unterzeichnen hat.
7.1019
Beim Einsatz der Kreditkarte wird vor allem im Ausland vielfach auf die Unterzeichnung eines solchen Belastungsbeleges verzichtet. Dies gilt insbesondere bei fernmündlichen Bestellungen im Teleshopping oder „Charge-it“Verfahren. Hier genügt die Nennung des Namens des Karteninhabers und die
1 Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (34); Hadding in Soergel, § 329 BGB Rz. 11; Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 7; Pfeiffer, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 26. Aufl. 2010, Rz. 22, 24. 2 Martinek in Schimansky/Bunte/Lwowski, 1. Aufl. 2001, § 67 Rz. 7; vorsichtiger Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, 2. Aufl. 2004, § 67 Rz. 7. 3 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 147. 4 BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, WM 1997, 2244 (2245) = BGHZ 137, 27 ff. = NJW 1998, 383 f.; Wand, WM 1997, 289 ff. 5 ABl. EU Nr. L 266 v. 9.10.2009, S. 11. 6 Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (35).
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Kreditkartengeschäft
Angabe der Nummer und der Gültigkeitsdauer der Kreditkarte1. Auch bei diesem Verfahren enthält nach dem BGH der Vertrag zwischen dem Kartenemittenten und seinen Vertragsunternehmen eine Zahlungszusage in Form eines abstrakten Schuldversprechens (§ 780 BGB). Dieses rahmenmäßig vereinbarte Versprechen ist aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) durch die Einreichung ordnungsgemäßer Belastungsbelege, die in jedem Einzelfall die Zahlungspflicht des Kreditkartenunternehmens entstehen lassen2. Dementsprechend ist die Nutzungsmöglichkeit der Kreditkarte „MasterCard“ in den hierfür geltenden „Bedingungen“ erweitert worden. Deshalb bestimmt die Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 der „Bedingungen für die MasterCard“ ausdrücklich, dass der Karteninhaber nach vorheriger Abstimmung mit dem Vertragsunternehmen ausnahmsweise darauf verzichten kann, den Belastungsbeleg zu unterzeichnen und stattdessen lediglich seine Kartennummer angeben zu können (sog. Telefon- oder Mailorderverfahren). Beim Telefon- oder Mailorderverfahren handelt es sich nach der Rechtsprechung um ein sehr missbrauchsanfälliges Verfahren, das bei der AGB-mäßigen Verteilung des Schadensrisikos angemessen zu berücksichtigen ist3. Zum Inkasso des geschuldeten Rechnungsbetrages im bargeldlosen Zahlungsverkehr wird der erstellte Belastungsbeleg wie die Lastschrift im Lastschriftverfahren vom Vertragsunternehmen seiner kontoführenden Stelle eingereicht, soweit nicht die Abrechnung zwischen Vertragsunternehmen und Kartenemittent auf elektronischem Wege erfolgt. Die beim Vertragsunternehmen aufgestellten Terminals, über die die vorgeschriebene Autorisierung des Karteneinsatzes eingeholt wird, verfügen zunehmend über die Möglichkeit des Ausdrucks einer Quittung, die der Karteninhaber zu unterschreiben hat und die beim Vertragsunternehmen als Beleg verbleibt. Diese Quittung iS des § 368 BGB enthält eine Angabe des Ortes, Datums und Zeitpunkts des Zahlungsvorgangs sowie das Autorisierungs-Kennzeichen als Merkmal der genehmigten Zahlung.
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a) Rechtsnatur des Belastungsbeleges Mit der Unterzeichnung des Belastungsbeleges erteilte der Karteninhaber nach Rechtsprechung und herrschender Literaturmeinung dem Kartenemittenten 1 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 4; Etzkorn, WM 1991, 1901 (1903); Werner in BuB, Rz. 19/183; Meder, WM 2002, 1993 ff. 2 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, WM 2002, 1120 (1122 mwN). 3 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158 (2160); OLG Frankfurt v. 21.7.2000 – 2 U 181/99, WM 2001, 984 (986). Nach dem OLG Naumburg v. 20.8.2002 – 11 U 140/01, ZIP 2002, 1795 verstößt eine AGB-Klausel, die dem Kartenemittenten ein Rückgriffsrecht gegen das Vertragsunternehmen gewährt, wenn der Karteninhaber die Bestellung bestreitet und die Zahlung verweigert, nicht gegen das Verbot unangemessener Benachteiligung. Zustimmend Meder, ZIP 2002, 2112 (2117). Zur Frage, ob bei Verwendung der Kreditkarte ohne die regelmäßige Unterzeichnung eines Belastungsbeleges die erforderlich Zahlungsweisung des Karteninhabers an den Kartenemittenten iS der §§ 675 Abs. 1, 665 BGB ohne weiteres erblickt werden kann, vgl. LG Karlsruhe v. 11.2.2000 – 9 S 226/99, WM 2000, 2339 (2341).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Geschäftsbesorgungsverhältnisses die auftragsrechtliche Weisung iS der §§ 665, 675 Abs. 1 BGB, seine Zahlungsverbindlichkeit gegenüber dem Vertragsunternehmen zu tilgen1. Da auch die Kreditkartenzahlung zu den Zahlungsdiensten gemäß §§ 675c ff. BGB gehört, stellt die Unterzeichnung des Bealstungsbelegs jetzt die Erteilung eines Zahlungsauftrags gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB dar. Weitergeleitet wird der Zahlungsauftrag über den Zahlungsempfänger an den Zahlungsdienstleister des Zahlers. Diese Art der Zahlungsabwicklung ist unabhängig davon, ob der Kartenemittent gegenüber dem Vertragsunternehmen diese Forderungstilgung garantiert oder dem Vertragsunternehmen dessen Zahlungsanspruch aus dem Valutageschäft mit dem Karteninhaber abkauft2. Der mit dem Karteneinsatz erteilte Auftragzur Erfüllungsübernahme wird von dem Vertragsunternehmen als Bote des Karteninhabers dem Kartenemittenten übermittelt3.
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Der Karteninhaber kann seinen Auftrag zu solchen Erfüllungsübernahmen grundsätzlich nicht mehr widerrufen. Zunächst folgt aus § 675p Abs. 2 Satz 1 BGB, dass über den Zahlungsempfänger – wie hier – ausgelöste Zahlungsvorgänge nicht mehr widerrufen werden können, nachdem der Zahlungsauftrag oder die Zustimmung zur Ausführung des Zahlungsvorgangs vom Zahler an den Zahlungsempfänger übermittelt worden sind. Damit bedarf es für den Ausschluss einer solchen Widerrufsmöglichkeit nicht mehr einer Erklärung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Kreditkartengeschäfts4, da andernfalls die Funktion der Kreditkarte als Bargeldersatz nicht hätte gewährleistet werden können5.
7.1023
Vor Inkrafttreten der aktuellen gesetzlichen Regelungen ist die Ansicht vertreten worden, dass ein Weisungswiderruf allenfalls dann zulässig sein konnte, wenn die Unwirksamkeit des Zahlungsanspruchs des Vertragsunternehmens ausnahmsweise offensichtlich und leicht liquide nachweisbar ist6. Dies sollte beispielsweise der Fall sein, wenn der Karteninhaber Belege über das Grundgeschäft mit dem Vertragsunternehmen vorlegen konnte, aus denen 1 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195 (2196); KG v. 8.6.1993 – 13 U 119/93, WM 1993, 2044 (2045); Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 146; Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 11; Oechsler, WM 2000, 1613 (1614, 1620); Pichler, NJW 1998, 3234 (3236), wonach diese Weisung auch mündlich oder elektronisch erteilt werden kann. 2 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 145. 3 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 11. 4 OLG München v. 11.5.1999 – 5 U 67/38/98, WM 1999, 2356 (2357); OLG Köln v. 14.11.2001 – 13 U 8/01, WM 2002, 1800 (1802); AG Frankfurt/M. v. 24.8.1998 – 29 C 1767/98-46, WM 1998, 2145; Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 32mwN; Etzkom, WM 1991, 1901 (1906); hiergegen kritisch Ma, Einwendungsdurchgriff und Widerrufsrecht als Instrument des Verbraucherschutzes im Kreditkartenverfahren, Diss. Frankfurt am Main, 1996, S. 145 ff.; vgl. weiter Haack, MDR 2000, 1419 ff. 5 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195 (2196); OLG Schleswig v. 29.11.1990 – 5 U 143/89, WM 1991, 453 (454). 6 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195 (2196).
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Kreditkartengeschäft
sich das Nichtbestehen des Zahlungsanspruchs augenfällig oder zumindest leicht nachweisbar ergab1. Nach den jetzigen Regelungen bleibt für diesen Widerruf zeitlich jedoch kaum Raum. b) Ausschluss von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis Sobald der Kartenemittent dem Vertragsunternehmen den offenen Rechnungsbetrag bezahlt hat und damit die dem Karteninhaber geschuldete Erfüllungsübernahme vorgenommen hat, erwirbt er gegen diesen einen auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675f Abs. 3 Satz 2, 670 BGB. Dabei ist es unerheblich, ob der Kartenemittent eine Zahlungsgarantie gegenüber dem Vertragsunternehmen übernommen oder diesem vereinbarungsgemäß den Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis mit dem Karteninhaber abgekauft hat2.
7.1024
Bei dem Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten handelt es sich um keine Fremdwährungsschuld iS des § 244 BGB, wenn die Kreditkarte im Ausland eingesetzt wird. Denn der Kartenemittent erbringt seine Aufwendungen, die er von dem Karteninhaber erstattet verlangen kann, in der Heimatwährung3.
7.1025
Gegenüber diesem Erstattungsanspruch kann der Karteninhaber grundsätzlich keinerlei Einwendungen aus seinem Valutaverhältnis mit dem Vertragsunternehmen geltend machen4. Solche Einwendungen sollen grundsätzlich unmittelbar zwischen Karteninhaber und Vertragsunternehmen geklärt werden5.
7.1026
Für den Ausschluss solcher Einwendungen bedarf es keiner zusätzlichen Vereinbarungen mit dem Karteninhaber. Der Ausschluss folgt vielmehr schon daraus, dass der Kartenemittent gegenüber dem Vertragsunternehmen eine Zahlungsgarantie übernommen hat. Schon infolge der Abstraktheit einer solchen Garantieverbindlichkeit sind Einwendungen aus dem zu Grunde liegenden Valutaverhältnis von vornherein grundsätzlich ausgeschlossen6. Solche Einwendungen braucht der Kartenemittent im Interesse der Funktionsfähigkeit der Kreditkarte nur zu berücksichtigen, wenn sie offensichtlich, liquide beweisbar oder unbestritten sind7. In allen anderen Fällen stellt die Zahlung an das Vertragsunternehmen „erforderliche“ Aufwendungen im Sinne des auf-
7.1027
1 LG Aachen v. 26.1.1993 – 10 O 446/92, NJW-RR 1994, 1009. 2 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150 ff. 3 Meder, WM 1996, 2085 (2087); offen gelassen vom BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, WM 1997, 2244 (2245) = BGHZ 137, 27 ff. = NJW 1998, 383 f. 4 BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195 (2197); Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 31. 5 Zu den Rechtsproblemen bei der Rückabwicklung von Kreditkartengeschäften vgl. Freitag, WM 2000, 2185 ff. 6 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150 ff.; Oechsler, WM 2000, 1613 (1618); hiergegen kritisch Ma, Einwendungsdurchgriff und Widerrufsrecht als Instrumente des Verbraucherschutzes in Kreditkartenverfahren, Diss. Frankfurt am Main, 1996, S. 61 ff. 7 Oechsler, WM 2000, 1613 (1617, 1618, 1619).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
tragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruchs (§ 670 BGB) dar1. So wie das Vertragsunternehmen einen Garantieanspruch gegen den Kartenemittenten erwirbt, wenn die Unterschriften auf dem Belastungsbeleg und Kreditkarte bei laienhafter Prüfung identisch sind und der Diebstahl oder das sonstige Abhandenkommen durch den Kartenemittenten nicht mitgeteilt wurde, darf die Inanspruchnahme des Karteninhabers nur von der Einhaltung dieser Bedingungen für das Entstehen des Garantieanspruches abhängen, damit das Entstehen des Aufwendungsersatzanspruches für den Kartenemittenten kalkulierbar und praktisch durchsetzbar bleibt2.
7.1028
Soweit der Kartenemittent an Stelle einer Zahlungsgarantie den gegen den Karteninhaber gerichteten Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens kauft, erwirbt das Vertragsunternehmen einen rechtlich selbständigen Zahlungsanspruch aus dem mit dem Kartenemittenten getätigten Kaufvertrag (§ 433 BGB).
7.1029
Stützt sich der Kartenemittent gegenüber dem Karteninhaber auf den vom Vertragsunternehmen erworbenen Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis, wären Einwendungen aus dem Grundgeschäft zwar grundsätzlich möglich (vgl. § 404 BGB). Eine solche Einwendungsmöglichkeit gilt aber nach dem Zweck des Kreditkartenverfahrens als stillschweigend abbedungen3. Ein AGBmäßiger Ausschluss würde jedenfalls nicht gegen die Generalklausel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 BGB) verstoßen4. Auch insoweit ist das Interesse des Kartenemittenten anzuerkennen, grundsätzlich nicht in das Valutaverhältnis hineingezogen zu werden5. Ein solcher Einwendungsdurchgriff gegenüber dem Kartenemittenten kommt nach Meinung des Schrifttums aber in den Fällen in Betracht, in denen der Karteninhaber offenkundige oder leicht nachweisbare (liquide) Einwendungen gegenüber dem Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens geltend macht und den Kartenemittenten hiervon unterrichtet. Würde in diesen Fällen der Emittent gleichwohl an das Vertragsunternehmen Zahlung leisten, würde er gegenüber dem Karteninhaber treuwidrig handeln (§ 242 BGB). Bei einem solchen Verhalten entfiele der auftragsrechtliche Erstattungsanspruch6. Insoweit ergibt sich eine vergleichbare Rechtslage wie bei der missbräuchlichen Inanspruchnahme einer Bankgarantie und eines Dokumentenakkreditivs. Der Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten entfällt im Übrigen auch, wenn Angestellte des Vertragsunternehmens, denen die Kreditkarte zur Erstellung eines Belastungsbeleges ausgehändigt worden ist, gefälschte Belege erstellt haben7.
1 Oechsler, WM 2000, 1613 (1618). 2 Oechsler, WM 2000, 1613 (1615). 3 BGH v. 2.5.1990 – VIII ZR 139/89, WM 1990, 1059 (1061) = NJW 1990, 2880 ff.; vgl. hierzu Oechsler, WM 2000, 1613 ff.; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 6 Rz. 30. 4 OLG Schleswig v. 29.11.1990 – 5 U 143/89, WM 1991, 453. 5 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 151. 6 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 37; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150; Köndgen, NJW 1992, 2263 (2272). 7 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; vgl. weiter Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (38 f.).
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Kreditkartengeschäft
2. Rechtsbeziehungen zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen Zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen wird üblicherweise ein formularmäßiger Rahmenvertrag geschlossen. Hierin erklärt sich das Vertragsunternehmen zur Annahme der Kreditkarte bereit. Nach überwiegender Meinung liegt in dieser Bereitschaft des Vertragsunternehmens ein Vertrag zu Gunsten der Karteninhaber iS des § 328 Abs. 1 BGB1, der ebenfalls die Qualität eines Zahlungsdiensterahmenvertrags gemäß § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB hat, da er auch auf die Ausführung von Zahlungsvorgängen ausgerichtet ist.
7.1030
Das Vertragsunternehmen kann jedoch die Bezahlung mit der Kreditkarte verweigern, wenn diese nicht von seinem Kunden, sondern von einem Dritten zwecks bargeldloser Zahlung angeboten wird2. Das Vertragsunternehmen ist zwar wie jeder Gläubiger gemäß § 267 Abs. 1 BGB gehalten, eine Erfüllung durch einen Dritten zu akzeptieren. § 267 Abs. 1 BGB greift indes bei dem Angebot einer Leistung erfüllungshalber, wie sie die Zahlung mittels Kreditkarte darstellt, nicht ein3. Ein abweichendes Ergebnis lässt sich auch nicht aus dem Vertrag zwischen Kartenherausgeber und Vertragsunternehmen ableiten.
7.1031
Der Rahmenvertrag zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen enthält auch eine Klausel, wonach die künftigen Zahlungsansprüche des Vertragsunternehmens gegen die Inhaber der Kreditkarte aus deren Verwendung unter Abzug eines prozentualen Disagios von dem Emittenten zu zahlen sind. Sehr umstritten ist, wie dieser Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens gegen den Kartenemittenten rechtlich einzuordnen ist.
7.1032
a) Zahlungsgarantie des Kartenemittenten Die Zahlungszusage des Kartenemittenten, mit der die Erfüllung des Zahlungsanspruches des Vertragsunternehmens aus dem Grundgeschäft mit dem Karteninhaber (Valutaverhältnis) abgesichert werden soll, ist nach einem Teil des Schrifttums als Garantieverbindlichkeit einzuordnen4.
7.1033
Gegen das Vorliegen eines Garantievertrages wird jedoch eingewendet, dass der Garant nur für den Eintritt eines Erfolges einstehen soll, von dessen anderweitigem Eintritt die Parteien des Garantievertrages als Regelfall ausgehen. Es soll nur eine sekundäre „Ausfallhaftung“ für den Fall begründet werden, dass ein primärer Erfolg nicht eingetreten ist (Garantiefall). Beim Kreditkartengeschäft soll jedoch von vornherein und in erster Linie der Kartenemittent
7.1034
1 LG Düsseldorf v. 24.10.1990 – 23 S 885/89, WM 1991, 1027 (1029); Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (26); Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1649; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 158; Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 67 Rz. 71. 2 LG Düsseldorf v. 24.10.1990 – 23 S 885/89, WM 1991, 1027 (1029). 3 M. Wolf in Soergel, § 267 BGB Rz. 15. 4 Möschel in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, vor § 414 BGB Rz. 23; Zahrut, NJW 1972, 1077 (1078 ff.); Bitter, ZBB 1996, 104 (119).
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Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme des Karteninhabers erfolgt erst mittelbar dadurch, dass er dem primär in Anspruch genommenen Kartenemittenten die hieraus resultierenden Aufwendungen erstattet1. Die Zahlung des Kartenemittenten an das Vertragsunternehmen stellt nicht den „pathologischen“ Ausnahmefall, sondern den gewollten Normalfall dar. Deshalb ließe sich die Zahlungsverpflichtung des Kartenemittenten gegenüber dem Vertragsunternehmen am ehesten als ein Schuldversprechen iS des § 780 BGB einordnen2.
7.1035
Dieses Schuldversprechen ließe wie bei der Annahme einer Zahlungsgarantie den hierdurch „abgesicherten“ Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens gegen den Karteninhaber aus dem Valutaverhältnis unberührt. Hierauf kann das Vertragsunternehmen zurückgreifen, wenn der Kartenemittent ausnahmsweise die Zahlung verweigert. Auf diese Weise wird auch dem erkennbaren Willen der Beteiligten entsprochen, dass der Kartenemittent nur die hinausgeschobene bargeldlose Zahlung ermöglichen soll, ohne in etwaige Streitigkeiten aus dem Valutaverhältnis zwischen den Vertragsunternehmen und dem Karteninhaber hineingezogen zu werden. Der Kartenemittent braucht nur solche Einwendungen zu berücksichtigen, die offensichtlich, liquide beweisbar oder unbestritten sind3.
7.1036
Die primäre Inanspruchnahme des Kartenemittenten auf Zahlung des von dem Vertragsunternehmen in Rechnung gestellten Betrages zwingt jedoch keineswegs dazu, eine nur sekundäre Ausfallshaftung im Sinne einer Zahlungsgarantie für nicht interessegerecht zu bewerten4. Die Zahlung des Rechnungsbetrages durch den Kartenemittenten als Normalfall ist vielmehr schon dadurch ausreichend gewährleistet, dass er auf Grund seines Vertragsverhältnisses zum Karteninhaber verpflichtet ist, seine Zahlungsverbindlichkeiten aus dem Einsatz der Kreditkarte zu erfüllen. Denn in diesem Karteneinsatz liegt zugleich die an den Kartenemittenten gerichtete Weisung zur Vornahme dieser geschuldeten Erfüllungsübernahme5. Diese Weisung wird zudem vom Vertragsunternehmen selbst als Bote6 des weisungsberechtigten Karteninhabers dem Kartenemittenten übermittelt, wenn er die offenen Rechnungsbeträge vereinbarungsgemäß per Lastschrift vom Emittenten einzieht. Angesichts
1 Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (31). 2 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158 (2160); BGH v. 24.9.2002 – XI ZR 420/01, WM 2002, 2195 (2197); Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (31); Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1626; Bröker, WM 1995, 468 (476, Rz. 76); vgl. weiter Pichler, NJW 1998, 3234 (3237); Oechsler, WM 2000, 1613 (1615); Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski § 67 Rz. 66; vgl. weiter die diesbezüglichen Fundstellen in BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158 (2160). Nach Meder handelt es sich um eine Zahlungsverpflichtung, wie sie bei der Annahme einer Anweisung gemäß § 784 Abs. 1 BGB begründet wird (AcP 198 [1998], 72 [96]). 3 Oechsler, WM 2000, 1613 (1617, 1619). 4 In diesem Sinne aber Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 66; Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (31). 5 Pichler, NJW 1998, 3234 (3235); Oechsler, WM 2000, 1613 (1614, 1618). 6 Oechsler, WM 2000, 1613 (1620).
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Kreditkartengeschäft
dieser Einflussmöglichkeit des Vertragsunternehmens auf die Zahlung des ihm geschuldeten Betrages durch den Kartenemittenten erschöpft sich sein Interesse an der Absicherung seines Zahlungsanspruchs aus dem Grundgeschäft (Valutaverhältnis) auf solche Ausnahmefälle, in denen eine Verpflichtung zur grundsätzlich vorgesehenen Erfüllungsübernahme zumindest problematisch erscheint. Hierzu gehört insbesondere der Fall, dass eine abhanden gekommene Kreditkarte missbräuchlich von einem Dritten verwendet wird, der wegen fehlender materieller Berechtigung den Kartenemittenten nicht rechtswirksam zur Zahlung an das Vertragsunternehmen anweisen kann. b) Schuldversprechen (§ 780 BGB) als kein adäquates Sicherungsinstrument Diesem Sicherungszweck kann vor allem mit einem Garantievertrag angemessen Rechnung getragen werden1. Auch ein Schuldversprechen gemäß § 780 BGB kann zwar bezwecken, dem Gläubiger einen möglichst verlässlichen Anspruch zu gewähren, um sein Interesse an der Erfüllung seines Anspruchs gegen einen Dritten sicherzustellen2. Trotz dieser Gemeinsamkeit unterscheiden sich Garantievertrag und Schuldversprechen deutlich nach dem Inhalt der vom Schuldner übernommenen Leistungspflicht. Bei einem sicherungshalber erfolgten Schuldversprechen verpflichtet sich der Schuldner, die vom Dritten (Karteninhaber) versprochene Leistung selbst zu erbringen. Dagegen verpflichtet sich der Garant, lediglich für den Eintritt des von einem anderen versprochenen Erfolges einzustehen.
7.1037
Soweit die abstrakte Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten als Schuldversprechen eingeordnet wird, soll diesem mit Rücksicht auf die Sicherungsfunktion der Kreditkarte eine „Sicherungsabrede“ zugrunde liegen, die in dem formularmäßigen Rahmenvertrag zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen integriert ist3. Deshalb erbringt der Kartenemittent gegenüber dem Vertragsunternehmen eine „Garantieleistung“4. Die Funktionsfähigkeit eines Kreditkartensystems setze die „Garantie“ eines einwendungsfreien Zahlungsanspruches des Vertragsunternehmens voraus5. Mit Rücksicht auf diese besonderen „Sicherungs“abrede ergibt sich nach Oechsler auch eine Parallele zu der Rechtskonstruktion der fiduziarischen Sicherheiten6. Auch der Bestellung einer (Sicherungs-)Grundschuld und den üblichen (Sicherungs-) Übereignungen von Wirtschaftsgütern und (Sicherungs-)Zessionen liegt jeweils einer Sicherungsabrede zwischen dem Besteller der Sicherheiten und der kreditgebenden Bank zugrunde. Eine solche besondere Vereinbarung über den Sicherungszweck ist jedoch entbehrlich, wenn die Abweichung durch die Be-
7.1038
1 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 144; Zahrnt, NJW 1972, 1077 (1079). 2 Hüffer in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 780 BGB Rz. 10. 3 Oechsler, WM 2000, 1613 (1616); Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 66. 4 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 66; Oechsler, WM 2000, 1613 (1614, 1617, 1618). 5 Oechsler, WM 2000, 1613 (1614). 6 Oechsler, WM 2000, 1613 (1615).
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gründung einer abstrakten Zahlungsverbindlichkeit wie im Kreditkartengeschäft erfolgen soll. Hier bietet sich als adäquate Rechtsform die Übernahme einer Garantieverbindlichkeit an, der der Sicherungszweck begriffsimmanent ist. Mit der Einordnung der abstrakten Zahlungsverpflichtung des Kartenemittenten lässt sich auch vermeiden, dass einerseits ein Schuldversprechen unterstellt wird, andererseits aber schon im Interesse einer prägnanten Formulierung bei der Darstellung der Rechtsverhältnisse der Kreditkarte durchgängig von „Garantie“natur, „Garantie“leistung und „garantieren“ gesprochen werden muss1.
7.1039
Für die Einordnung der abstrakten Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten als Garantieverbindlichkeit spricht im Übrigen, dass die Kreditkarte wie die anderen modernen Zahlungsinstrumente, insbesondere die kartengestützten Zahlungssysteme den Schutz des Vertragsunternehmens vor dem Risiko seiner Vorleistung an dem Karteninhaber dient2. Auch beim Einsatz der Kreditkarte soll das Vertragsunternehmen vor einem Vorleistungsrisiko dadurch geschützt werden, dass die spätere Zahlung des ihm geschuldeten Betrages mittels einer Kontogutschrift durch Begründung einer abstrakten Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten abgesichert wird3. Denn die Akzeptanz der Kreditkarte hängt regelmäßig davon ab, dass das Vertragsunternehmen bei Bewirken seiner Leistung wirtschaftlich so gestellt wird, als habe der Karteninhaber mit Bargeld bezahlt4.
7.1040
Die Übernahme einer solchen nachrangigen (sekundären) Einstandspflicht liegt hier wesentlich näher als die Erteilung eines Schuldversprechens, das für den Kartenemittenten eine Zahlungsverbindlichkeit begründen würde, die auf gleicher Stufe neben der Zahlungsverbindlichkeit des Karteninhabers aus seinem Valutaverhältnis zum Vertragsunternehmen stünde. Denn im Regelfall hat der Kartenemittent schon auf Grund seiner Verpflichtung gegenüber dem Karteninhaber aus dem zwischen ihnen bestehenden Zahlungsdiensterahmenvertrags die Zahlung des offenen Rechnungsbetrages des Vertragsunternehmens zu leisten. Zur Vornahme dieser geschuldeten Erfüllungshandlung wird der Kartenemittent zudem durch den Einsatz der Karte verbindlich angewiesen gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB beauftragt5. Angesichts der mit dem Karteneinsatz verknüpften Zahlungsweisung besteht auch aus der Sicht des Vertragsunternehmens kein echtes Bedürfnis für die Begründung einer zusätzlichen gleichstufigen Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten in Form eines Schuldversprechens (§ 780 BGB).
7.1041
Lediglich für den Ausnahmefall, dass der Kartenemittent im (Innen-)Verhältnis zum Karteninhaber nicht verpflichtet sein sollte, die mit dem Kartenein1 Vgl. zB Oechsler, WM 2000, 1613 ff. 2 Martinek, Moderne Vertragstypen, Bd. III, 1993, S. 100 ff.; Oechsler, WM 2000, 1613 (1615, 1617). 3 Oechsler, WM 2000, 1613 (1615). 4 Oechsler, WM 2000, 1613 (1615, 1616). 5 Pichler, NJW 1998, 3234 (3235) zur früheren Rechtslage, die noch von einer geschäftsbesorgungsrechtlichen Weisung ausging, ohne dass dies hier qualitativ einen Unterschied machen würde.
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satz konkludent erteilte Weisung zur geschuldeten Erfüllungsvornahme auszuführen, will er im Interesse einer möglichst breiten Akzeptanz seiner Kreditkarten dafür einstehen, dass der vom Karteninhaber geschuldete Betrag dem Vertragsunternehmen bezahlt wird. Für die Auslegungsfrage (§§ 133, 157 BGB), ob ein Garantievertrag oder Schuldversprechen gemäß § 780 BGB vorliegt, kommt es im Übrigen entscheidend auf das Verständnis der beteiligten Wirtschaftskreise an1. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch der Einsatz der anderen Instrumente des kartengesteuerten bargeldlosen Zahlungsverkehrs nach zumindest einem Teil der Literaturmeinung in Übereinstimmung mit dem Verständnis der Praxis ebenfalls einen Garantieanspruch zu Gunsten der Vertragspartner des Bankkunden entstehen lässt, der die Erfüllung seines Zahlungsanspruches aus dem Valutaverhältnis zum Kartenkunden gewährleisten soll. Dasselbe Sicherungsbedürfnis des Vertragspartners des Kartenkunden im Rahmen der anderen kartengesteuerten und -gestützten Zahlungssysteme ist ein weiteres Argument dafür, die hierfür benötigten Zahlungsverbindlichkeiten des Kartenemittenten weitestmöglich demselben schuldrechtlichen Vertragstypus zuzuordnen. Auch lässt sich die ausreichende Absicherung des Vertragsunternehmens gegen eine spätere Nichtzahlung des geschuldeten Betrages insbesondere gegenüber ausländischen Anbietern leichter und überzeugender erklären, wenn die abstrakte Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittenten eine Garantie und kein Schuldversprechen iS des § 780 BGB darstellt. Bei dem Schuldversprechen handelt es sich um ein sehr spezielles Rechtsinstitut des deutschen Rechts, dass den ausländischen Rechtsordnungen fremd ist. Dagegen handelt es sich bei einer Garantie um ein international anerkanntes und weltweit praktiziertes Sicherungsinstrument, dass der Akzeptanz einer global einsetzbaren Kreditkarte nur förderlich sein kann. Soweit die Garantiehaftung zum Tragen kommt, haftet der Kartenemittent gegenüber dem Vertragsunternehmen „in erster Linie und nicht erst nach vergeblicher Inanspruchnahme des Karteninhabers2“, wie dies auch bei der Einordnung der Zahlungsverbindlichkeit des Kartenemittent als Schuldversprechen der Fall wäre.
7.1042
c) Begründung des Garantieanspruchs Die dogmatische Struktur der Begründung der abstrakten Zahlungsverbindlichkeit ist umstritten3. So soll nach einer Meinung in den zwischen Kartenemittent und den Vertragsunternehmen formularmäßig geschlossenen Anschlussverträgen ein rahmenartiges Vertragsverhältnis zu Stande kommen4.
1 Hüffer in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 780 BGB Rz. 10. 2 Mit dieser „primären“ Haftung des Kartenemittenten begründet der BGH die Einordnung der Zahlungsverpflichtung als Schuldversprechen (BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158 [2160]). 3 Oechsler, WM 2000, 1613 (1615). 4 Hadding in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. G 22; Bitter, ZBB 1996, 104 (119); Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1626. Nach dem BGH ist dieses Vertragsverhältnis aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) durch die Einrei-
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Sodann könnte in dem Auftrag des Karteninhabers zur Zahlung an das Vertragsunternehmen die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB erblickt werden, mit der zugleich der zunächst nur rahmenmäßig festgelegte Zahlungsanspruch der Höhe nach bestimmt wird1. Insoweit ergibt sich eine Parallele zur Erteilung einer Kontogutschrift. Mit dem bei Kontoeröffnung abgeschlossenen Girovertrag wird zugleich ein abstraktes Schuldversprechen (§ 780 BGB) als Rahmenvertrag vereinbart und den Kreditinstituten die Befugnis eingeräumt, durch rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts den Anspruch aus der Gutschrift im Einzelfall nach Inhalt und Höhe zu konkretisieren. Zu einer solchen Konkretisierung der Leistungspflicht kommt es, wenn einem der Vertragspartner das Recht zusteht, „die geschuldete Leistung zu bestimmen“ (§ 315 BGB), und er von diesem Gestaltungsrecht Gebrauch macht2.
7.1044
Dieses Gestaltungsrecht des Kartenemittenten als Garantieschuldner übt der Karteninhaber konkludent durch Einsatz der Karte und Unterzeichnung des Belastungsbeleges aus.
7.1045
Der Garantieanspruch kommt nach wohl herrschender Meinung dadurch zu Stande, dass sich das Vertragsunternehmen den von ihm erstellten Belastungsbeleg unterzeichnen lässt3. Mit der Unterschriftsleistung erfolgen also zwei Willenserklärungen der Karteninhaber. Zum einen liegt in diesem schlüssigen Verhalten die Erteilung eines Zahlungsauftrgs gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB an den Kartenemittenten zur Zahlung an das Vertragsunternehmen und autorisiert damit den Zahlungsvorgang, zum anderen gibt der Karteninhaber als bevollmächtigter Vertreter des Kartenemittenten eine Garantieofferte ab, die das Vertragsunternehmen konkludent annimmt. Die Kreditkarte legitimiert den Karteninhaber zu einer solchen Stellvertretung beim Zustandekommen des Garantievertrages zwischen Kartenemittent und Vertragsunternehmen (§ 164 BGB)4.
7.1046
Diese Legitimationsfunktion macht die Kreditkarte aber noch nicht zum Wertpapier5. Die Kreditkarte soll den Karteninhaber nur als Vertragspartner des Emittenten ausweisen, der zur Inanspruchnahme der Möglichkeiten bargeldloser Zahlungen mit der Kreditkarte befugt ist. Diese Legitimationsfunktion lässt die Kreditkarte wie die ec-Karte und die GeldKarte zu einer Legitimationsurkunde mit Rechtsscheinwirkung werden mit der Folge, dass das gutgläubige Vertragsunternehmen in seinem Vertrauen auf die materielle Berechtigung des Karteninhabers und damit seinen Status als Bevollmächtigter
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chung ordnungsgemäßer Belastungsbelege, die im Einzelfall die Zahlungspflicht des Kartenemittenten entstehen lassen (BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158 [2160]). Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 66; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1626. Vgl. Heinrichs in Palandt, § 315 BGB Rz. 10 f. Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 143 f. Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 144. Eckert, WM 1987, 161 (168) mwN.
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7. Teil
Kreditkartengeschäft
des Kartenemittenten bei der Begründung des Garantievertrages geschützt wird1. Die Kreditkarte hat deshalb eine ähnliche Wirkung wie eine Vollmachtsurkunde gemäß § 172 BGB. Dies gilt umso mehr, als die Fälschung der Unterschrift auf dem Belastungsbeleg durch die auf der Rückseite der Kreditkarte befindliche Originalunterschrift erheblich erleichtert wird und damit die gutgläubigen und sorgfältig handelnden Vertragsunternehmen besonders schutzwürdig erscheinen lassen2. Der gute Glaube des Vertragsunternehmens ist zu schützen, wenn die Unterschriften auf dem Belastungsbeleg und der Kreditkarte bei laienhafter Prüfung identisch sind und der Diebstahl oder ein sonstiges Abhandenkommen der Karte durch den Kartenemittenten nicht mitgeteilt wurde3. Die Qualifizierung des Karteninhabers als offenen Stellvertreter des Kartenemittenten bei Zustandekommen der abstrakten Zahlungsverbindlichkeit hat also den Vorteil, den für die Funktionsfähigkeit der Kreditkarte gebotenen Schutz der gutgläubigen Vertragsunternehmen durch analoge Anwendung des § 172 BGB auf eine überzeugende Rechtsgrundlage zu stellen. Hinzu kommen eine weitere Reihe von Sachgründen, die dafür sprechen, auf die Begründung der abstrakten Zahlungsverpflichtung im Einzelfall und nicht auf einen globalen Sicherungsrahmen abzustellen4. d) Forderungskauf statt Zahlungsgarantie? Nach dem Wortlaut der von den Kartenemittenten verwendeten AGB soll häufig keine Zahlungsgarantie übernommen werden. Vielmehr verpflichtet sich der Emittent gegenüber dem Vertragsunternehmen, dessen Zahlungsanspruch aus dem Valutageschäft mit dem Karteninhaber zu erwerben. Dies galt insbesondere für die von Mastercard verwendeten AGB, die ursprünglich von einem Forderungsankauf ausgingen Diese Verpflichtung des Kartenemittenten hatte der VIII. Zivilsenat des BGH zunächst als Rechtskauf eingeordnet5.
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Bei dieser Vertragskonstruktion würde das Vertragsunternehmen einen kaufrechtlichen Zahlungsanspruch (§ 433 BGB) gegen den Emittenten und damit wie bei der Übernahme einer Zahlungsgarantie einen eigenständigen An-
7.1048
1 Vgl. Oechsler, WM 2000, 1613 (1619); Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 79, zur ec-Karte und Kümpel, WM 1997, 1037 (1041) zur GeldKarte. 2 Vgl. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 79 zu der insoweit vergleichbaren Rechtsscheinhaftung bei der missbräuchlichen Verwendung einer ec-Karte. 3 Oechsler, WM 2000, 1613 (1619); vgl. auch BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158 (2160); OLG Frankfurt v. 21.7.2000 – 2 U 181/99, WM 2001, 984 (986) sowie den 7. Senat des OLG Frankfurt (v. 11.4.2001 – 7 U 18/00, NJW 2000, 2114 = WM 2001, 1898) und den 19. Senat dieses OLG (OLG Frankfurt v. 25.7.2001 – 19 U 3/ 01, ZIP 2001, 1583 [1584] mit Anmerkung von Meder). 4 Vgl. hierzu Oechsler, WM 2000, 1613 (1616). 5 BGH v. 2.5.1990 – VIII ZR 139/89, WM 1990, 1059 (1060) = NJW 1990, 2880 ff.; Eckert, WM 1987, 161 (162 ff.). Nach Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (19), spricht gegen einen Forderungskauf, dass für den Kartenherausgeber nicht der endgültige Erwerb der Forderungen des Vertragsunternehmens gegen die Karteninhaber mit der Zahlung eines Kaufpreises als Gegenleistung im Vordergrund steht, sondern die Zusage einer Zahlung auf die Verbindlichkeiten der Karteninhaber, für die als Entgelt (Provision) das prozentuale Disagio verlangt wird.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
spruch erwerben, für dessen Erfüllung ihm das Vermögen des Emittenten haftet.
7.1049
Mit der Annahme eines Forderungskaufes sollte das Vorliegen einer Garantieübernahme vermieden werden1. Eine solche Garantieübernahme könnte ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft der Kartengesellschaft darstellen; da zu den Bankgeschäften auch das Garantiegeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG) ghört. Auch hätte das Kreditkartengeschäft dann mit Eigenkapital (§ 10 KWG) unterlegt werden müssen. Liegt dem Kreditkartengeschäft dagegen ein Forderungskauf zugrunde, liegt kein Bankgeschäft iS des KWG vor. Danach ist nur der Ankauf von Wechseln und Schecks, nicht aber auch der Ankauf anderer Forderungen ein genehmigungspflichtiges Bankgeschäft (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KWG)2. Die Möglichkeit, durch die Rechtskonstruktion eines Forderungskaufes das Erfordernis einer Erlaubnis durch die Aufsichtsbehörde abzuwenden, war zunächst durch das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz entfallen, da nach dem dadurch neu gefassten § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG aF die Ausgabe oder Verwaltung von Kreditkarten Finanzdienstleistungen darstellte, die erlaubnispflichtig waren. Mit Inkrafttreten des ZAG ist jedoch die vorstehend bezeichnete Regelung aufgehoben worden3, da Kartenzahlungen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. c ZAG – gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 ZAG ggf. auch mit Kreditgewährung – unter die Zahlungsdienste fallen und deshalb gemäß § 8 ZAG einer Erlaubnis als Zahlungsdienstleister durch die BAFin bedürfen.
7.1050
Gegen die Annahme eines Forderungskaufes spricht nach Martinek/Oechsler4 die Funktion der Kreditkarte als Bargeldersatz. Das Vertragsunternehmen sei zu einer Vorleistung nur bereit, wenn es hinsichtlich der Erfüllung seines Zahlungsanspruchs aus dem Valutageschäft mit dem Karteninhaber in einer der Barzahlung gleichwertigen Weise abgesichert wird. Hierzu ist die Übernahme einer Zahlungsgarantie oder eines sicherungshalber erteilten Schuldversprechens gemäß § 780 BGB erforderlich5.
7.1051
Wird von einem Forderungskauf ausgegangen, erwirbt der Kartenemittent den Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens aus dem Valutageschäft mit dem Karteninhaber. Dieser Forderungserwerb schließt jedoch nicht aus, dass der Emittent zusätzlich einen auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch für die Ausführung des Zahlungsauftrags (§§ 675f Abs. 3 Satz 2, 670 BGB) gegen den Karteninhaber erwirbt, wenn er den geschuldeten Betrag an das Vertragsunternehmen zwecks Erfüllung seiner Kaufpreisverbindlichkeit 1 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 64; Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (29). 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1627. 3 Gesetz zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz) v. 25.6.2009, BGBl. I 2009, S. 1506. 4 Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 65. 5 Martinek/Oechsler, Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 65; vgl. weiter Hadding in FS Pleyer, S. 17 (29, 30); Hadding in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. G 22.
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7. Teil
Kreditkartengeschäft
aus dem Forderungskauf zahlt1. Macht der Emittent den erworbenen Zahlungsanspruch aus dem Valutaverhältnis geltend, kann der Karteninhaber grundsätzlich keine Einwendungen oder Einreden aus dem Valutaverhältnis erheben. Mit Rücksicht auf den besonderen Vertragszweck des Kreditkartenvertrages gilt § 404 BGB stillschweigend abbedungen2. Nach Auffassung des XI. (Bankrechts-)Senats des BGH ist das Vertragsverhältnis zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragsunternehmen nicht als Forderungskauf, sondern als abstraktes Schuldversprechen anzusehen3. Der Wortlaut des Vertrages zwischen Kreditkartenemittent und Vertragsunternehmen spricht zwar von „Kauf“. Für die Auslegung ist aber die Bezeichnung als „Kauf“ nur der Ausgangs-, nicht aber der entscheidende Gesichtspunkt. Dagegen spricht, dass diese Wortwahl vor allem dem Zweck diente, Kreditkartenunternehmen der Erlaubnispflicht zu entziehen, die § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG iVm. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG aF für Garantiegeschäfte betreibende Kreditinstitute vorschrieb4. Geschäftswille und Interessenlage von Kreditkarten- und Vertragsunternehmen legen es vielmehr nahe, die zwischen ihnen geschlossenen Verträge generell einem einheitlichen Vertragstyp zuzuordnen5. Diese Verträge enthalten eine Zahlungszusage des Kreditkartenunternehmens in Form eines abstrakten Schuldversprechens (§ 780 Abs. 1 BGB). Dieses rahmenmäßig vereinbarte Versprechen ist aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) durch die Einreichung ordnungsgemäßer Belastungsbelege, die in jedem Einzelfall die Zahlungspflicht des Kreditkartenunternehmens entstehen lassen6.
7.1052
e) Haftung für Schäden aus missbräuchlicher Verwendung der Kreditkarte durch Dritte Der Karteninhaber ist zur sorgfältigen Aufbewahrung der Kreditkarte verpflichtet, um eine unbefugte Verwendung der Kreditkarte durch Dritte zu verhindern. Wird zB die Karte in einer Jacke oder Handtasche aufbewahrt, die in einer Gastwirtschaft über eine Stuhllehne gehängt wird, liegt hierin ein leicht fahrlässiges Verhalten7, das eine Haftung bis zu einem Betrag von 150 Euro gemäß § 675v Abs. 1 BGB begründen kann.
1 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150. 2 BGH v. 2.5.1990 – VIII ZR 139/89, WM 1990, 1059 (1061) = NJW 1990, 2880 ff.; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 150 f.; Pfeiffer, Kreditkartenvertrag, in von Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerk, 26. Aufl. 2010, Rz. 81. 3 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, WM 2002, 1120 (1122). Der VIII. Senat hatte auf eine Anfrage des XI. Senats (WM 2001, 2158) gemäß § 132 Abs. 3 GVG mitgeteilt, dass er an seiner früheren Auffassung nicht festhält; vgl. weiter die Anmerkung zu diesem Urteil von Barnert, WM 2003, 1153 (1154). 4 Durch das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ist das Kreditkartengeschäft zu einer erlaubnispflichtigen Finanzdienstleistung ausgestaltet worden (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG). Diese Vorschrift ist jedoch mittlerweile aufgehoben worden, vgl. Rz. 7.1049. 5 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, WM 2002, 1120 (1122). 6 BGH v. 16.4.2002 – XI ZR 375/00, WM 2002, 1120 (1122). 7 OLG Bamberg v. 23.6.1993 – 8 U 21/93, WM 1994, 194 (195).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
7.1054
Sobald der Verlust der Kreditkarte gegenüber der gemäß § 675m Abs. 1 Nr. 3 BGB vorgeschriebenen Stelle angezeigt worden ist, übernimmt der Kartenemittent gemäß § 675v Abs. 3 Satz 1 BGB die Haftung für alle Schäden, die durch missbräuchliche Verfügungen der Kreditkarte nach diesem Zeitpunkt entstehen, es sei denn, der Karteninhaber handelt gemäß § 675v Abs. 3 Satz 3 BGB in betrügerischer Absicht. Problematisch war lange Zeit die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang der Karteninhaber für Schäden einzustehen hatte, die durch missbräuchliche Verfügung vor Eingang der Verlustanzeige entstehen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der überwiegend in der Literatur vertretenen Meinung konnte der Kartenemittent keinen auftragsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) erwerben, wenn die Kreditkarte zB unbefugt von einem unberechtigten Dritten verwendet wird, der hierbei die Unterschrift des materiell berechtigten Karteninhabers auf dem Belastungsbeleg nicht erkennbar fälscht. Bei einer solchen Fälschung der Unterschrift fehlt die konkludente Weisung des Karteninhabers gemäß § 665 BGB, den offenen Rechnungsbetrag an das Vertragsunternehmen zu zahlen. Infolgedessen konnte auch nicht, wie im Regelfall einer echten Unterschrift, ein auftragsrechtlicher Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) entstehen1. Die aktuellen gesetzlichen Regelungen behandeln jetzt die vorstehend dargestellten Fallkonstellationen, sodass sich die Diskussionen erledigt haben. Gemäß § 675u BGB haftet der Zahlungsdienstleister für nicht autorisierte Zahlungen gemäß § 675u BGB, sodass er keinen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB gegen den Karteninhaber mangels fehlenden Zahlungsauftrags gemäß § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB erwerben kann. Evtl. bereits belastete Zahlungen müssen umgehend und valutengerecht erstattet werden. Allerdings haftet der Karteninhaber auch ohne sein Verschulden bis zu einem Betrag von 150 Euro, falls sein Zahlungsauthentifizierungsinstrument – die Karte – verloren gegangen, gestohlen oder sonst abhanden gekommen ist und es danach mit diesem Instrument zu missbräuchlichen Verfügungen kommt. Sollte der Karteninhaber sein persönliches Sicherheitsmerkmal nicht sicher aufbewahren – dies kann im Zusammenhang mit der Kreditkarte nur die PIN betreffen –, haftet er ebenfalls bis zu einem Betrag von 150 Euro. Sollte der Karteninhaber dagegen seine Sorgfaltspflichten, dh., seine sich entweder aus § 675l BGB oder den Bedingungen für die Kreditkarte resultierenden Pflichten grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzten oder in betrügerischer Absicht handeln, haftet er für den gesamten Schaden. Gemäß § 675v Abs. 3 BGB endet die Haftung mit der Mitteilung an den Zahlungsdienstleister – also die Kartengesellschaft oder von ihr Beauftragte –, dass eine Kartensperre zu veranlassen ist, es sei denn, der Karteninhaber hat in betrügerischer Absicht gehandelt.
7.1055
Soweit die Vertragsunternehmen die missbräuchliche Verwendung der abhanden gekommenen Kreditkarte trotz sorgfältigen Vergleichs der gefälschten Unterschrift auf dem Belastungsbeleg mit der echten Unterschrift auf der 1 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.; Hadding in FS Pleyer, 1986, S. 17 (38); Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 153; Martinek/Oechsler in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 67 Rz. 42.
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7. Teil
Kreditkartengeschäft
Rückseite der Kreditkarte nicht erkennen konnten, muss das Vertragsunternehmen die Bezahlung des geschuldeten Betrages aus seinem Valutageschäft mit dem unbefugten Kartenbenutzer vom Kartenemittenten verlangen können. Denn die auch im Interesse des Karteninhabers liegende Akzeptanz der Kreditkarte würde großen Schaden nehmen, wenn die sorgfältig handelnden Vertragsunternehmen das für sie nicht erkennbare Risiko der Nichtberechtigung des Vorlegers zu tragen hätten1. Entstehen dem Kreditkartenunternehmen aus solchen missbräuchlichen Verwendungen der Kreditkarte durch die Zahlungen an die schutzwürdigen Vertragsunternehmen Aufwendungen, die es nach den vorstehend dargestellten Haftungsregelungen in Abhängigkeit von der Fallkonstellation bis zu einem Betrag von 150 oder sogar ganz verlangen kann. In der Haftung des Karteninhabers auch ohne sein Verschulden ist eine Risikoverteilung nach Sphären („Sphärentheorie“) und damit eine verschuldensunabhängige Sphärenhaftung zu sehen.
7.1056
Eine solche Haftung des Kunden konnte nach der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung nur ausnahmsweise wirksam vereinbart werden, wenn sie durch höherrangige Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt war oder die den Vertragspartner benachteiligende Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht durch Gewährung anderer rechtlicher Vorteile kompensiert wurde2. Diese Voraussetzung war gegeben, wenn die Haftung des Karteninhabers nach der Verlustmeldung vollständig entfiel und bis dahin die Haftung auf einen angemessenen Betrag begrenzt war3. Der BGH hat in seiner „Massacard“-Entscheidung v. 23.4.1991 betont, dass gegen die Zulässigkeit der dort verworfenen Haftungsklausel „entscheidend“ gesprochen habe, dass das auf den Karteninhaber verlagerte Risiko mangels betragsmäßiger Haftungsbegrenzung für diesen unkalkulierbar war4. Hinzu kommt, dass durch eine wenn auch nur verhältnismäßig geringe Haftungsbeteiligung bei einer betragsmäßig unbegrenzt verwendbaren Kreditkarte ein Anreiz für den Karteninhaber zur baldestmöglichen Verlustmeldung geschaffen wird. Diese Diskussion hat sich jedoch für den Bereich der Zahlungsdienste und damit auch für die Kreditkarte erledigt, da jetzt eine eingeschränkte Sphärenhaftung zulässig ist. Der deutsche Gesetzgeber ist dabei den Vorgaben des EU-Gesetzgebers gefolgt, der für den Bereich der Zahlungsdienste in der Zahlungsdiensterichtlinie eine entsprechende Haftungsmöglichkeit vorsieht.
7.1057
Die Haftungsbeteiligung des Karteninhabers entfällt jedoch, wenn die Mitarbeiter des Vertragsunternehmens die zur Erstellung des Belastungsbeleges überlassene Kreditkarte dazu benutzen, um unbemerkt gefälschte Belastungs-
7.1058
1 BGH v. 25.9.2001 – XI ZR 375/00, WM 2001, 2158 (2161); vgl. Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 151, für den insoweit gleich gelagerten Fall der missbräuchlichen Verwendung entwendeter Reiseschecks. 2 BGH v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, WM 1991, 1110 (1111). 3 OLG Bamberg v. 23.6.1993 – 8 U 21/93, WM 1994, 194 (195). 4 BGH v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, WM 1991, 1110 (1112); Köndgen, NJW 1992, 2263 (2272).
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
belege zu erstellen. Ein solcher Missbrauch ist der Sphäre des Kartenemittenten zuzurechnen, der das Vertragsunternehmen ausgewählt hat1, denn es liegt dann weder – wie dies für die Haftung gemäß § 675v Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlich ist – ein Verlorengehen, Abhandenkommen oder Stehlen der Karte als Zahlungsauthentifizierungsinstrument vor.
III. Eigenemission von Kreditkarten durch Kreditinstitute
7.1059
Bei Eigenemissionen besteht das für das Kreditkartengeschäft typische Vertragsverhältnis in Gestalt eines Zahlungsdiensterahmenvertrags § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB zwischen dem Karteninhaber und emittierendem Kreditinstitut. Diese Rechtsbeziehung ist in den Bedingungen für die MasterCard, bei denen es sich um Allgemeine Geschäfstbedingungen handelt, näher geregelt. Für diese Sonder-AGB haben die Spitzenverbände des Kreditgewerbes einen Mustertext entwickelt, der eine Berücksichtigung des institutsindividuellen Leistungsangebots zulässt. So wird insbesondere der Dispositionsrahmen durch das Leistungsprofil bestimmt, mit dem das emittierende Kreditinstitut die Karte ausgestaltet hat.
7.1060
Bei einer Eigenemission wird eine Kartengesellschaft, die als Beauftragte des emittierenden Kreditinstituts für dessen Rechnung tätig wird, zwischengeschaltet. Hier wird das für das Kreditkartengeschäft typische Drei-PersonenVerhältnis um eine vierte Person erweitert: Die Kartengesellschaft. Auch in diesen Fällen schließt die Kartengesellschaft die Verträge mit dem Vertragsunternehmen im eigenen Namen ab. Es wird daher ein unentgeltliches Kommissionsgeschäft iS des § 406 Abs. 1 Satz 2 HGB getätigt. Danach kommen die kommissionsrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung, wenn ein Kaufmann, der kein Kommissionär ist, im Betriebe seines Handelsgewerbes Geschäfte für Rechnung eines anderen im eigenen Namen zu schließen übernimmt. Auch hier hat die Kartengesellschaft die Kartenumsätze mit dem Vertragsunternehmen abzuwickeln. Dementsprechend kann sie von den emittierenden Kreditinstituten die Erstattung aller Aufwendungen verlangen (§ 670 BGB). Das Kreditinstitut haftet daher für die Zahlungsfähigkeit des Karteninhabers. Andererseits kann das Kreditinstitut von der Kartengesellscahft alle Erträge aus dem Kreditkartengeschäft, wie zB die Händlerprovisionen, verlangen (§ 667 BGB).
7.1061–7.1070
Einstweilen frei.
1 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 280/83, WM 1984, 1213 = BGHZ 91, 221 ff. = NJW 1984, 2460 f.
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7. Teil
Reisescheck
9. Abschnitt Reisescheck Im Unterschied zur Kreditkarte dient der Reisescheck primär nicht als bargeldloses Zahlungsmittel. Er ermöglicht vielmehr den Bankkunden, auch ohne Mitnahme von Bargeld ins Ausland zu verreisen und sich dort jederzeit Bargeld durch Einlösung bei den ausländischen Zahlstellen zu verschaffen. Mit Reiseschecks können aber auch Zahlungsverbindlichkeiten erfüllt werden. Eine Vielzahl von Hotels, Fluggesellschaften, Restaurants, Reisebüros und Einzelhandelsgeschäften akzeptiert Reiseschecks bestimmter Emittenten als bargeldloses Zahlungsmittel. Der Reisescheck hat trotz aller Fortschritte im grenzüberschreitenden Bank- und Finanzdienstleistungsverkehr seine wirtschaftliche Bedeutung als ein internationales Zahlungsinstrument nicht verloren1.
7.1071
Das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz hat die Ausgabe oder Verwaltung von Reiseschecks in den Katalog der Finanzdienstleistungen eingeordnet (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG aF), so dass diese Unternehmen nunmehr einer Erlaubnis der Aufsichtsbehörde bedürfen. Mit Einführung des ZAG als besonderes Aufsichtsrecht für Zahlungsdienste ist das Reisescheckgeschäft in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG aufgenommen worden, sodass dieses auch weiterhin zu den Finanzdienstleistungen gehört und einer Erlaubnis nach § 32 KWG bedarf.
7.1072
Die auf bestimmte runde Beträge lautenden Reiseschecks werden heute nicht mehr von den deutschen Kreditinstituten selbst emittiert, sondern von ihnen lediglich vertrieben. Emittenten sind – wie zB American Express und Thomas Cook – auf das Reisescheckgeschäft spezialisierte Unternehmen mit einem weltweiten Zahlstellennetz. Die deutschen Kreditinstitute handeln beim Verkauf der Reiseschecks nicht im eigenen Namen, sondern als offene Stellvertreter der Emittenten (§ 164 Abs. 1 BGB). Deshalb bestehen keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem Ersterwerber des Reiseschecks und dem Kreditinstitut als Ausgabestelle2.
7.1073
Beim Erwerb von Reiseschecks muss der darin bezifferte Betrag voll eingezahlt werden. Wie bei der GeldKarte und dem Netzgeld handelt es sich also auch bei den Reiseschecks um vorausbezahlte Zahlungsverkehrsinstrumente. Diese Vorleistung ist als Vorschuss zu qualifizieren, den der Emittent auf Grund seines Geschäftsbesorgungsverhältnisses zum Ersterwerber verlangen kann (§§ 669, 675 BGB)3. Bei Ausgabe der Reiseschecks hat der Ersterwerber auf dem Scheckvordruck eine Unterschrift zu leisten, die eine missbräuchliche Verwendung bei Verlust der Schecks möglichst verhindern soll. Eine Verletzung dieser Sorgfaltspflicht stellt ein gemäß § 254 BGB zu berücksichtigendes Verschulden des Ersterwerbers dar4. Bei der späteren Einlösung der Reise-
7.1074
1 2 3 4
Saria/Stessl, RIW 2002, 35 ff. Fritzsche, WuB I D 3-6.94; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 59 mwN. Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. E/9. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 85; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 871.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
schecks ist eine zweite Unterschrift des Ersterwerbers mit rechtsgeschäftlicher Qualität erforderlich1.
I. Rechtsnatur
7.1075
Die Rechtsnatur des Reiseschecks ist bislang durch die Rechtsprechung nicht geklärt worden2. Im Schrifttum besteht kein Einvernehmen über die Rechtsnatur3. Teilweise werden in den Reiseschecks nach dem Vorbild des American Express Traveler Cheque Schecks iS des Scheckgesetzes gesehen, die vom Ersterwerber an eigene Order ausgestellt und auf den Emittenten gezogen sind4. Die neuere Literatur lehnt diese Qualifizierung ab. Der gegen Vorausbezahlung erhältliche Reisescheck soll den Ersterwerber begünstigen und nicht eine scheckrechtliche Ausstellerhaftung (Art. 12 ScheckG) begründen5.
7.1076
Der American Express Traveler Cheque ähnelt am meisten der bürgerlichrechtlichen Anweisung (§ 783 BGB), die von der Emittentin angenommen wird (§ 784 BGB)6. Diese Annahmeerklärung, für die eine faksimilierte Unterschrift analog § 793 Abs. 2 BGB genügt, erfolgt bereits vor der Ausgabe der Reiseschecks7. Die zweite Unterschrift des Ersterwerbers bei der Verwendung des Reiseschecks ist als dessen Anweisungserklärung gemäß § 783 BGB anzusehen8.
7.1077
Im Unterschied zu dem American Express Traveler Cheque enthält der Reisescheck von Thomas Cook keine solche Zahlungsanweisung iS des § 783 BGB, sondern eine Einlöseverpflichtung. Dieser Reiseschecktyp hat deshalb große Ähnlichkeit mit einem kaufmännischen Verpflichtungsschein an Order iS des § 363 Abs. 1 Satz 2 HGB9.
7.1078
Der Reisescheck ist nach dem neueren Schrifttum weder ein Wertpapier im engeren Sinne noch ein Rektapapier. Denn bei einem Verlust der Reise1 2 3 4 5 6
7 8 9
Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 135. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 50. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 859; vgl. weiter Hadding in FS Krejci, 2001, S. 1181 ff. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 859. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 51 f. mwN; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 314. Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 136; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 54; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 4 Rz. 367. Nach Hadding handelt es sich bei jeder Art von Reisescheck um eine bürgerlich-rechtlich angenommene Anweisung gemäß §§ 783, 784 BGB, um dem Sicherungsbedürfnis des Schecknehmers dadurch Rechnung zu tragen, dass er einen rechtlich selbständigen (abstrakten) und damit weitgehend einwendungsfreien Zahlungsanspruch gegen den den Reisescheck ausgebenden Emittenten erwirbt (FS Krejci, 2001, S. 1183 [1189]). Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 138; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 4 Rz. 367. Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 138. RGZ 1979, 342 (345); Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 54.
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7. Teil
Reisescheck
schecks ist zur Geltendmachung des Anspruches des Ersterwerbers die Innehabung der Urkunden nicht erforderlich. Es liegt also nur eine Legitimationsurkunde vor1.
II. Rechtsbeziehung zwischen Ersterwerber und Emittent Das Vertragsverhältnis zwischen dem Emittenten des Reiseschecks und dem Ersterwerber stellt nach allgemeiner Meinung einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter dar (§§ 675, 631 BGB), der wegen der Einzahlung des Gegenwertes bei der Scheckausgabe mit einem Einlagengeschäft (§ 700 BGB) verbunden ist2. Dementsprechend ist der Emittent zur Einlösung des Reiseschecks zum Nennbetrag Zug um Zug gegen Rückgabe der Scheckurkunde verpflichtet.
7.1079
Dagegen besteht kein Einlösungsanspruch gegen die Zahlstelle, selbst wenn diese in das vom Emittenten weltweit unterhaltene Netz von Korrespondenzbanken eingebunden ist. Der zwischen dem Emittenten und diesen Banken bestehende Geschäftsbesorgungsvertrag ist kein echter Vertrag zu Gunsten des Ersterwerbers3. Auch bestehen zwischen dem Ersterwerber und der einlösenden Zahlstelle keine sonstigen schuldrechtlichen Beziehungen, auf Grund deren der Ersterwerber die Einlösung verlangen könnte4.
7.1080
Bei einem Abhandenkommen der Reiseschecks sehen die AGB der Emittenten eine sofortige Rückerstattung vor, die zum Teil unterschiedlich geregelt ist. Dabei obliegt dem Ersterwerber die Beweislast, wobei ihm die Beweiserleichterungen zugute kommen, die von der Rechtsprechung für den Nachweis des Versicherungsfalls bei entwendeten Sachen entwickelt worden sind5. Der Ersterwerber muss deshalb nur einen äußeren Sachverhalt darlegen und beweisen, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Verlust oder die Entwendung des Reiseschecks geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Emittenten, die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs darzutun und zu beweisen6.
7.1081
1 Hopt in Baumbach/Hopt, BankGesch. Rz. E/9; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 314; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 54 ff.; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 136. Zur Rechtsnatur als Rektapapier vgl. Hadding in FS Krejci, 2001, S. 1181 (1189). 2 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 860; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGb Rz. 137; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 63. Für eine Geschäftsbesorgung mit Dienstvertragscharakter (§§ 675, 611 BGB) vgl. Odefey, Der einheitliche DM-Reisescheck der deutschen Kreditinstitute, in Bankrechtliche Sonderveröffentlichungen des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht an der Universität Köln, Bd. 29, 1982, S. 178 ff.; Fritzsche, WuB I D 3.-6.94. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 90 mwN. 4 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 90. 5 AG Frankfurt v. 26.2.1991 – 32/30 C 1417/89-48, WM 1992, 306 (307) = WuB I D 3.-4.92; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 73. 6 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 73 mwN.
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7. Teil
7.1082
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Der Ersterwerber kann im Übrigen gegen Rückgabe der Reiseschecks die Herausgabe des bei ihrem Kauf geleisteten Vorschusses verlangen (§ 667 BGB). Dieser Herausgabeanspruch entfällt jedoch, wenn dem Emittenten ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB zusteht, den er mit dem Vorschuss verrechnen darf1. Ein solcher Ersatzanspruch ist vor allem gegeben, wenn die mit dem Emittenten verbundene Korrespondenzbank aus der Einlösung des Reiseschecks ihrerseits einen Aufwendungsersatzanspruch erworben hat. Dasselbe gilt, wenn sonstige Banken die Einlösung vornehmen oder Dritte die Reiseschecks in Zahlung nehmen, soweit hierbei die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben sind (§§ 670, 677, 683 BGB2).
III. Übertragung von Reiseschecks
7.1083
Die Reiseschecks sind regelmäßig frei übertragbar. Dies geschieht vor allem, wenn die Reiseschecks an Stelle von Bargeld zur Bezahlung einer in Anspruch genommenen Leistung verwendet werden. Hierzu gehört auch die Einlösung der Reiseschecks durch eine Bank außerhalb des Netzes der Korrespondenzbanken des Emittenten. In dieser Übertragung des Reiseschecks liegt zugleich eine konkludente Abtretung des Einlösungsanspruchs, den der Ersterwerber gegen den Emittenten hat3.
7.1084
Stellt der Reisescheck eine bürgerlich-rechtliche Anweisung iS des § 783 BGB dar, kommt auch eine Abtretung des aus der Annahmeerklärung des Emittenten resultierenden Zahlungsanspruches (§ 784 Abs. 1 BGB) in Betracht. Eine solche Übertragung bedarf nach § 792 Abs. 1 Satz 2 BGB der Schriftform. Hierfür sollte bereits ausreichend sein, wenn der Ersterwerber seine Unterschrift auf der Rückseite des Reiseschecks leistet4.
IV. Rechtsbeziehung zwischen Emittent und der einlösenden oder in Zahlung nehmenden Stelle
7.1085
Soweit deutsches Recht anwendbar ist, besteht zwischen dem Emittenten und den Korrespondenzbanken ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675, 611 BGB). Hiernach sind diese Zahlstellen gegenüber den Emittenten zur Einlösung vorgelegter Reiseschecks gemäß den Einlösungs-Richtlinien unter sorgfältiger Prüfung der Berechtigung des Vorlegers verpflichtet. Mit der Einlösung er1 Odefey, Der einheitliche DM-Reisescheck der deutschen Kreditinstitute, 1982, S. 239. 2 OLG Frankfurt v. 28.5.1980 – 19 U 148/79, WM 1980, 752; vgl. weiter LG Frankfurt v. 16.10.1979 – 2/18 O 365/77, WM 1980, 290; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 873; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 85. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 863; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 94; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 139. 4 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 140.
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Werner
7. Teil
Reisescheck
wirbt die Korrespondenzbank gegen den Emittenten einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 675 BGB. Werden abhanden gekommene Schecks eingelöst, erwirbt die Korrespondenzbank gleichwohl einen Aufwendungsersatzanspruch, wenn sie bei sorgfältiger Prüfung der Legitimation des Vorlegenden das Abhandenkommen nicht erkannt hat und deshalb die Aufwendung für erforderlich halten durfte1. Ist der Vorleger der materiell berechtigte Erwerber des Reiseschecks, erwirbt die einlösende oder die in Zahlung nehmende Stelle zugleich auch dessen Einlösungsanspruch gegen den Emittenten und das Eigentum am Reisescheck (§§ 398, 952 BGB)2.
7.1086
Wird der Reisescheck von einer mit dem Emittenten vertraglich unverbundenen Bank eingelöst oder von einem Hotel oder sonstigen Vertragspartner des Ersterwerbers in Zahlung genommen, erwerben diese ebenfalls einen auftragsrechtlichen Erstattungsanspruch (§ 670 BGB). Entspricht die Übernahme einer Geschäftsführung wie in solchen Fällen dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Gechäftsherrn (Emittenten), kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendung verlangen (§ 683 BGB). Diese Voraussetzungen werden bei der Verwendung von Reiseschecks regelmäßig erfüllt sein. Die Emittenten sind an einer möglichst weltweiten Akzeptanz der von ihnen ausgegebenen Reiseschecks interessiert3. Neben diesem auftragsrechtlichen Aufwendungsersetzanspruch besteht ein abstrakter Zahlungsanspruch gegen den Emittenten, wenn der Reisescheck als eine bürgerlich-rechtlich angenommene Anweisung gemäß §§ 783, 784 BGB qualifiziert werden kann.
7.1087
V. Einlösung abhanden gekommener Reiseschecks Werden abhanden gekommene Reiseschecks durch eine Korrespondenzbank eingelöst, erwirbt diese ebenfalls einen auftragsrechtlichen Erstattungsanspruch, wenn die vorgeschriebenen Kontrollvorkehrungen in Form des Unterschriftsvergleichs und der Identitätskontrolle des Vorlegers eingehalten worden sind4. Die damit verknüpften Prüfungspflichten werden insbesondere grob verletzt, wenn der Reisescheck nach Ablauf seiner einjährigen Gültigkeitsdauer eingelöst wird5.
7.1088
Diesen auftragsrechtlichen Erstattungsanspruch erwerben auch die die Reiseschecks in Zahlung nehmenden Stellen. Eine solche Inzahlungnahme ent-
7.1089
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 872; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 141; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 97 ff. mwN. 2 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 317, 318; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 862. 3 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 99; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 861; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 4 Rz. 374; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 142. 4 Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rz. 317, 318. 5 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 867.
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7. Teil
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
spricht grundsätzlich dem Interesse und dem wirklichen, zumindest aber dem mutmaßlichen Willen des Emittenten, wie es der auftragsrechtliche Erstattungsanspruch einer Geschäftsführung ohne Auftrag voraussetzt (§ 683 BGB). Denn der Emittent hat ein großes Interesse an einer möglichst weitreichenden Akzeptanz der von ihm ausgegebenen Reiseschecks. Diese wäre gefährdet, wenn gutgläubig handelnden Dritten das Risiko der Nichtberechtigung des Vorlegers aufgebürdet würde1.
7.1090
Hat der Emittent auch in diesen Fällen der einlösenden oder der in Zahlung nehmenden Stelle den Gegenwert zu zahlen, erwirbt diese ihrerseits einen Aufwendungserstattungsanspruch gegen den Ersterwerber, soweit dieser nicht abbedungen worden ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Ersterwerber rechtzeitig den Verlust der Reiseschecks gemeldet hat. Eine Weitergabe dieser Verlustmeldung an alle weltweit tätigen Korrespondenzbanken ist dem Emittenten nach allgemeiner Meinung nicht zumutbar2. Beim Verkauf der Reiseschecks wird der Ersterwerber deshalb auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Auszahlungssperre nach einer Verlustmeldung nicht möglich ist. Der einlösenden oder in Zahlung nehmenden Stelle wird im Übrigen nur selten eine Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten nachgewiesen werden können.
7.1091
Aus der missbräuchlichen Verwendung abhanden gekommener Reiseschecks erwächst jedoch dem Ersterwerber kein eigenes Verlustrisiko. Beim Verkauf der Reiseschecks wird regelmäßig eine Versicherung gegen solche Schäden abgeschlossen3, wenn diese nicht sogar zur Vermeidung der Versicherungsprämien vom Emittenten selbst getragen wird.
VI. Inkasso von Reiseschecks
7.1092
Zum Girogeschäft der Kreditinstitute gehört auch der Einzug der Gegenwerte eingelöster oder zum Inkasso hereingenommener Reiseschecks im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Hierzu haben die kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände mit der Deutschen Bundesbank im Jahre 1991 ein „Abkommen über den beleglosen Einzug von Reisescheckgegenwerten“ (BRS-Abkommen) abgeschlossen, das im September 1998 durch das „Abkommen über den Einzug von Reiseschecks“ (Reisescheckabkommen) ersetzt worden, das in seiner aktuellen Fassung seit 3.9.2007 Gültigkeit hat.
7.1093
Bezogenes Kreditinstitut iS des Reisescheckabkommens ist ein Kreditinstitut, das ein Emittent von Reiseschecks mit der Verrechnung der Scheckgegenwerte beauftragt hat. Diese Verrechnung erfolgt durch eine entsprechende Konto1 OLG Frankfurt v. 28.5.1980 – 19 U 148/79, WM 1980, 752; Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 63 Rz. 99; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 4 Rz. 374; Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 142; Käser, ZgesKredW 1992, 399 (402). 2 OLG Frankfurt v. 28.5.1980 – 19 U 148/79, WM 1980, 752; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 869, 873; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 4 Rz. 374. 3 Heymann/Horn, Anh. § 372 HGB Rz. 141; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 4 Rz. 374.
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Werner
7. Teil
Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins)
gutschrift und löst damit einen bargeldlosen Zahlungsvorgang aus. Erste Inkassostelle ist das erste am Einzug beteiligte Kreditinstitut, bei vom Ausland eingereichten Reiseschecks das erste am Inkasso beteiligte Kreditinstitut im Inland. Das Reisescheckabkommen begründet für die Reiseschecks wie die anderen Zahlungsverkehrsabkommen für das Interbankenverhältnis Rechte und Pflichten ausschließlich zwischen den beteiligten Kreditinstituten.
7.1094–7.1100
Einstweilen frei.
10. Abschnitt Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins) I. Funktion des Netzgeldes beim bargeldlosen Zahlungsvorgang Das Instrumentarium des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit den traditionellen Zahlungsinstrumenten wie Überweisung, Lastschrift und Scheckzahlung sowie den Zahlungssystemen auf der Basis der ec-Karte und der Kreditkarte kann auch durch elektronisches Geld ergänzt werden, das nicht nur in GeldKarten gespeichert („Chip“geld), sondern auch in Rechnernetzen verwendet werden kann („Netz“geld)1. Netzgeldzahlungen basieren auf Zahlungseinheiten, die in Form digitaler Daten in dem PC des Zahlungsdienstenutzers gespeichert und von dort auf den PC des Zahlungsberechtigten übertragen werden können2. Wie das elektronische Chipgeld in der GeldKarte dient auch das Netzgeld der bargeldlosen Bezahlung von Geldschulden. Die Verwendung elektronischen Geldes ist folglich vergleichbar mit dem Einsatz von Kreditkarten oder der bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen im Rahmen des electronic cash-Systems. Das elektronische Geld in Form von Netzgeld soll vor allem bei Geschäftsabschlüssen im Internet genutzt werden. Auch wenn E-Geldinstitute, wie sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZAG ergibt, zwar Zahlungsdienstleister iS des ZAG sind, gleichwohl jedoch eigenen aufsichtsrechtlichen Regelungen unterliegen, fällt das Netzgeld als elektronisches Geld doch in den Anwendungsbereich des Rechts der Zahlungsdienste gemäß §§ 675c ff. BGB, wobei jedoch – je nach Ausgestaltung – die sich aus § 675i BGB ergebenden Ausnahmeregelungen für elektronisches Geld Anwendung finden kann. Ob und welche Ausnahmeregelungen im Einzelfall vereinbart werden können, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens ab. 1 Zu den rechtlichen Aspekten des Netzgeldes im Internet vgl. Escher, WM 1997, 1173 (1175); Kümpel, WM 1998, 365 ff.; Kümpel, NJW 1999, 313 ff.; vgl. weiter Gramlich, Elektronisches Geld – Gefahr für Geldpolitik und Währungshoheit?, CR 1997, 11 ff.; Werner in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, 24. Aufl. 2010, Teil 13, 5. Abschnitt; Blaurock/Münch, K&R 2000, 97 ff.; Spallino, WM 2001, 231 ff. Zum Europarechtlichen Rahmen für das elektronische Geld vgl. Lukey, WM 2002, 1529 ff. 2 Pichler, Rechtsnatur, Rechtsbeziehungen und zivilrechtliche Haftung beim elektronischen Zahlungsverkehr im Intemet, Arbeitsberichte zum Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (Hrsg. Hoeren/Holznagel), Bd. 3, 1998, S. 6.
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7.1101
7. Teil
Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins)
gutschrift und löst damit einen bargeldlosen Zahlungsvorgang aus. Erste Inkassostelle ist das erste am Einzug beteiligte Kreditinstitut, bei vom Ausland eingereichten Reiseschecks das erste am Inkasso beteiligte Kreditinstitut im Inland. Das Reisescheckabkommen begründet für die Reiseschecks wie die anderen Zahlungsverkehrsabkommen für das Interbankenverhältnis Rechte und Pflichten ausschließlich zwischen den beteiligten Kreditinstituten.
7.1094–7.1100
Einstweilen frei.
10. Abschnitt Elektronisches Netzgeld (Cyber Coins) I. Funktion des Netzgeldes beim bargeldlosen Zahlungsvorgang Das Instrumentarium des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit den traditionellen Zahlungsinstrumenten wie Überweisung, Lastschrift und Scheckzahlung sowie den Zahlungssystemen auf der Basis der ec-Karte und der Kreditkarte kann auch durch elektronisches Geld ergänzt werden, das nicht nur in GeldKarten gespeichert („Chip“geld), sondern auch in Rechnernetzen verwendet werden kann („Netz“geld)1. Netzgeldzahlungen basieren auf Zahlungseinheiten, die in Form digitaler Daten in dem PC des Zahlungsdienstenutzers gespeichert und von dort auf den PC des Zahlungsberechtigten übertragen werden können2. Wie das elektronische Chipgeld in der GeldKarte dient auch das Netzgeld der bargeldlosen Bezahlung von Geldschulden. Die Verwendung elektronischen Geldes ist folglich vergleichbar mit dem Einsatz von Kreditkarten oder der bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen im Rahmen des electronic cash-Systems. Das elektronische Geld in Form von Netzgeld soll vor allem bei Geschäftsabschlüssen im Internet genutzt werden. Auch wenn E-Geldinstitute, wie sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZAG ergibt, zwar Zahlungsdienstleister iS des ZAG sind, gleichwohl jedoch eigenen aufsichtsrechtlichen Regelungen unterliegen, fällt das Netzgeld als elektronisches Geld doch in den Anwendungsbereich des Rechts der Zahlungsdienste gemäß §§ 675c ff. BGB, wobei jedoch – je nach Ausgestaltung – die sich aus § 675i BGB ergebenden Ausnahmeregelungen für elektronisches Geld Anwendung finden kann. Ob und welche Ausnahmeregelungen im Einzelfall vereinbart werden können, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens ab. 1 Zu den rechtlichen Aspekten des Netzgeldes im Internet vgl. Escher, WM 1997, 1173 (1175); Kümpel, WM 1998, 365 ff.; Kümpel, NJW 1999, 313 ff.; vgl. weiter Gramlich, Elektronisches Geld – Gefahr für Geldpolitik und Währungshoheit?, CR 1997, 11 ff.; Werner in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, 24. Aufl. 2010, Teil 13, 5. Abschnitt; Blaurock/Münch, K&R 2000, 97 ff.; Spallino, WM 2001, 231 ff. Zum Europarechtlichen Rahmen für das elektronische Geld vgl. Lukey, WM 2002, 1529 ff. 2 Pichler, Rechtsnatur, Rechtsbeziehungen und zivilrechtliche Haftung beim elektronischen Zahlungsverkehr im Intemet, Arbeitsberichte zum Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (Hrsg. Hoeren/Holznagel), Bd. 3, 1998, S. 6.
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7. Teil
7.1102
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Girogeschäft)
Von der Zahlung mit elektronischem Geld ist die Bezahlung mit Kreditkarte im Internet zu unterscheiden, bei der der Kunde nur die auf die Karte aufgeprägten Daten nutzt. Das ursprünglich angebotene SET-Verfahren, das auf der Verwendung eines asymmetrischen, digitalen Signaturverfahrens (Public KeyVerfahren) nach SET (Secure Electronic Transaction)-Standard beruhte1, ist dagegen zwischenzeitlich eingestellt worden. Daneben gibt es als konventionelles Zahlungsverfahren im Internet das Lastschriftverfahren in Form des Einzugsermächtigungsverfahren. Die nach dem kreditwirtschaftlichen Lastschriftabkommen vorgesehene Schriftform für die erforderliche Einziehungsermächtigung kann durch die elektronische Form ersetzt werden, soweit das elektronische Dokument mit einer sog. qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist (§§ 126a, 127 Abs. 2 BGB)2, wobei sich mittlerweile am Markt die Substituierung der Schriftform durch die telekommunikative Form gemäß § 127 Abs. 2 BGB durchgesetzt hat. Dabei kommen beim Einsatz von Lastschriften im Internet dieselben Risiken zum Tragen wie beim sonstigen Lastschrift-Einziehungsermächtigungsverfahren, insbesondere die Widerspruchsmöglichkeit des Lastschriftschuldners innerhalb der Sechs-Wochen-Frist3.
II. Abweichende Grundkonzeption verschiedener Netzgeldsysteme
7.1103
In der Praxis wurden einige Zeit für Netzgeldzahlungen das sog. ecash- und das Cyber cash-System durch große deutsche Kreditinstitute angeboten. Sie sind jedoch in den Jahren 2000 und 2001 eingestellt worden, sodass sich eine Betrachtung erübrigt.
1 Pichler, NJW 1998, 3234 ff.; vgl. weiter Zwißler, Datenschutz und Datensicherheit 1998, 711 ff., 1999, 13 ff. 2 Werner, BKR 2002, 11 (13), wonach eine solche Ausweitung des Lastschriftverfahrens weitgehend davon abhängig sein wird, ob die mit einer solchen Signatur verbundenen Nachteile für den Signaturinhaber, insbesondere die damit verbundenen Kosten durch die Vorteile einer solchen Unterzeichnungsform ausgeglichen werden können. 3 Werner, BKR, 2002, 11 (16).
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Werner
8. Teil Einlagen- und Spargeschäft
1. Abschnitt Grundsätzliches . . . .
Rz. 1
I. Bedeutung und Begriff des Einlagengeschäftes . . . . . . . . .
2
II. Einlagenarten im Überblick . . .
9
2. Abschnitt Sichteinlagen . . . . .
21
I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . .
22
II. Kontoguthaben . . . . . . . . .
25
III. Tagesgeldkonto . . . . . . . . .
29
IV. Sonstige Sichteinlagen
. . . . .
32
3. Abschnitt Termineinlagen . . . .
36
I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . .
37
II. Zeitdauer der Überlassung . . . 1. Feste Laufzeitvereinbarung (Festgeld) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kündigungsfrist (Kündigungsgeld)
39 40 43
4. Abschnitt Spareinlagen . . . . . .
46
I. Grundlagen . . . . . . . . . . .
47
II. Begriff der Spareinlage . . 1. Regelung des § 21 Abs. 4 RechKredV . . . . . . . 2. Begriffsmerkmale . . . . a) Sparurkunde . . . . . aa) Inhalt und Formen bb) Rechtsnatur . . . . cc) Beweiswert . . . .
. . . .
49
. . . . . .
50 52 53 54 57 63
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
b) Vermögensansammlung . . . . c) Spezifischer Einlegerkreis . . . d) Mindestkündigungsfrist . . . . III. Rückzahlung und Leistungsbefreiung . . . . . . . . . . . 1. Gläubigerstellung . . . . . . . 2. Voraussetzungen und Höhe des Rückzahlungsanspruchs . . . . 3. Rückzahlung an Dritte . . . . a) Liberationswirkung . . . . . b) Vorzeitige Leistung . . . . . c) Ausschluss der Liberationswirkung . . . . . . . . . . .
Rz. 69 71 73
. .
78 80
. . . .
85 87 88 92
.
95
IV. Verzinsung und formularmäßige Zinsklauseln . . . . . . . . . . . 1. Zinsanspruch . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung der Zinsabrede . . a) Festzins . . . . . . . . . . . . b) Variable Verzinsung . . . . . . aa) Gestaltungsrahmen formularmäßiger Zinsänderungsklauseln . . . . . . . . . . bb) Unwirksame Zinsklauseln und Lückenschließung im Vertrag . . . . . . . . . . cc) Kurzfristige Sparverträge . c) Kombination aus variablem und festem Zins . . . . . . . . d) Zinsklauseln mit Zufallskomponente . . . . . . . . . . . .
99 100 104 106 108
111
118 123 125 127
V. Sparbriefe . . . . . . . . . . . . 129
Schrifttum: Arendts/Teuber, Uralt-Sparbücher – Verjährung von Auszahlungsansprüchen und Beweiswert, MDR 2001, 546; Barleon, Sparkonten: Altsparbücher und Minderjährigenkonten, Bankpraktiker 2009, 424; Bruchner, AGB-rechtliche Zulässigkeit von Zinsanpassungsklauseln, BKR 2001, 16; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, 2. Aufl. 2009; Burkiczak, Zur Frage der Zulässigkeit uneingeschränkter Zinsänderungsklauseln in AGB bei kurzfristigen Sparprodukten, BKR 2007, 190; Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts – Tendenzen zu seiner „Materialisierung“, AcP 200 (2000), 273; Demgensky/Erm, Der Begriff der Einlagen nach der 6. KWG-Novelle, WM 2001, 1441; Habersack, Zinsänderungsklauseln im Lichte des AGBG und VerbrKrG, WM 2001, 753; Hofmann, Die ec-/maestro-Karte als Rektapapier, WM 2005, 1305; Kaiser, Anforderungen der Rechnungslegungsverordnung an die Spareinlage, WM 1996, 141; Kessler/Heda, Wahrnehmung von Chancen als Glücksspiel? Strukturierte Kapitalmarktprodukte mit Sportkomponente, WM 2004, 1812; Kirchhoff, Die neuere wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung des BGH zum Bankgeschäft, WM 2009, 97; Kümpel,
Peterek
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
Praktische Bedürfnisse für die Fortentwicklung des Wertpapierbegriffs, WM 1983, Sonderbeilage Nr. 6 zu Nr. 25; Loritz, Stille Beteiligungen und Einlagenbegriff des Kreditwesengesetzes, ZIP 2001, 309; Mai, Die Teilnichtigkeit unerlaubt betriebener Einlagengeschäfte, ZBB 2010, 222; Meister, Die deutsche Liquiditätsverordnung – ein Vorbild für Europa, Kreditwesen 2007, 39; Metz, Variable Zinsvereinbarungen bei Krediten und Geldanlagen, BKR 2001, 21; Mülbert, Der Kontovertrag als bankgeschäftlicher Vertragstypus, FS Kümpel, 2003, S. 395; Mülbert/Böhmer, Ereignisbezogene Finanzprodukte, Zivil-, Kapitalmarkt-, Wertpapier-, Straf- und Öffentliches Recht – Teil I, WM 2006, 937; Piekenbrock, Das AGB-Pfandrecht am Kundenguthaben in der Klauselkontrolle, WM 2009, 49; Rösler/Wimmer, Angemessenheit der Höhe von Vorschusszinsen, BKR 2007, 8; Rösler/Lang, Zinsklauseln im Kredit- und Spargeschäft der Kreditinstitute – Probleme mit Transparenz, billigem Ermessen und Basel II, ZIP 2006, 214; Schebesta, Wirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln für Spareinlagen aus Banksicht, BKR 2002, 564; Schebesta, Zinsklauseln im Spiegel der aktuellen Rechtsprechung, BKR 2005, 217; Schimansky, Zinsanpassungsklauseln in AGB, WM 2001, 1169; Schraepler, Bankrisiko bei Auszahlung ohne Sparbuch, NJW 1973, 1864; Schulze/Dörner/Ebert ua., BGB, 5. Aufl. 2007; Servatius, Ball im Netz ist Geld auf der Bank – die zivilrechtliche Behandlung einer an sportliche Erfolge geknüpften Verzinsung von Sparguthaben, WM 2004, 1804; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl. 2010; Wand, Musterdarlehensvertrag für gewerbliche Kreditvergaben – Zinsanpassung wegen veränderter Refinanzierungsmöglichkeiten am Geld- und Kapitalmarkt, risikoadjustierte Zinsgestaltung im Hinblick auf Basel II und Ausplatzierung des Kreditrisikos – Teil I, WM 2005, 1932; Welter, Aktuelle Rechtsfragen zum Sparbuch, WM 1987, 1117.
1. Abschnitt Grundsätzliches 8.1
Das Einlagengeschäft dient der Bank als Ertrags- und laufende Refinanzierungsquelle. Es wird auch als Passivgeschäft bezeichnet und zählt zu den wichtigsten Bankgeschäften mit dem höchsten Schutzniveau1.
I. Bedeutung und Begriff des Einlagengeschäftes
8.2
Die Bedeutung des Einlagengeschäftes ist aus zwei Blickwinkeln zu betrachten: Für den Kunden bietet es die Möglichkeit, sein Geld in die Form von Kontoguthaben zu wandeln. Damit kann der Kunde verschiedene Zwecke verfolgen. Er kann sich zunächst vor den Risiken aus dem Besitz von Bargeld wie Verlust, Vernichtung oder Diebstahl schützen, ohne aber sich der Möglichkeit der Verfügung über den Gegenwert zu begeben. Mit der Begründung von Giral- oder Buchgeld auf einem Girokonto wird des Weiteren die Grundlage für die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr geschaffen. Schließlich können für den Kunden, abhängig von der Einlagenart und Ausgestaltung des zugrunde liegenden Produktvertrages, der Vermögensaufbau, die Sicherung bestehenden Geldvermögens oder die laufende Erzielung von Erträgen im Vordergrund stehen. 1 Serafin/Weber in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, § 1 KWG Rz. 9; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 32 f.
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Peterek
8. Teil
Grundsätzliches
Den Banken dient das Geschäft mit den Einlagen ihrer Kunden vornehmlich dazu, liquide Geldbeträge für die laufende Finanzierung ihres Aktivgeschäfts kontinuierlich anzusammeln und bereitzuhalten1. Dabei wird das Einlagengeschäft von den Kreditinstituten möglichst so gesteuert, dass die Zinserträge aus der Verwendung der Kundeneinlagen im Kreditgeschäft die Verzinsung dieser Einlagen deutlich übersteigen. Die Differenz hieraus steht der Bank in Form der sog. Zinsspanne als Ertrag zur Verfügung.
8.3
Eine wachsende Bedeutung hat das Einlagengeschäft in der in 2007 beginnenden internationalen Finanzmarktkrise erfahren. Während vor Beginn dieser Krise insbesondere der Euro-Anleihemarkt eine gängige Finanzierungsquelle für die Banken darstellte, waren viele Banken während der Finanzmarktkrise auf andere Finanzierungsformen angewiesen, da die Begebung neuer Anleihen mit Blick auf steigende Risikoprämien zunehmend teurer und schwieriger wurde. Daneben mussten Rückzahlungspflichten aus fälligen Anleihen bedient werden. Ausleihungen zwischen den Banken nahmen auf Grund gestiegenen Misstrauens in der Kreditwirtschaft ab. Vor diesem Hintergrund entstand bankseitig der Bedarf, andere Finanzierungsformen auszuweiten. Herkömmliche Kundeneinlagen haben in diesem Zusammenhang eine zunehmend wichtige Funktion als Finanzierungsquelle für die Banken erhalten.
8.4
Das Einlagengeschäft ist im Katalog der Bankgeschäfte des § 1 KWG an erster Stelle in Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 angeführt und näher umschrieben als „die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden.“ Damit kommt zum Ausdruck, dass nicht jede Annahme fremder Gelder Einlagengeschäft sein kann, vielmehr müssen die betreffenden Gelder gerade „als Einlagen“ hereingenommen und von der sonstigen Hereinnahme fremder Gelder durch die Kreditinstitute abgegrenzt werden. So sind der Einlagenbegriff des Gesellschaftsrechts sowie der zivilrechtliche Darlehensbegriff von dem Begriff der Einlage im Sinne des KWG zu unterscheiden2. Die Einlage iS des KWG verbleibt dem Vermögen des Einlegers als Forderung gegen den Einlagennehmer, wohingegen die Einlage nach Gesellschaftsrecht nicht mehr zum Vermögen des Gesellschafters gehört. Allerdings schließen sich die Begriffe nicht notwendig gegenseitig aus, weshalb im Einzelfall auch Überschneidungen möglich sein können3.
8.5
Die Ausgabe von auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen iS des § 793 BGB oder Orderschuldverschreibungen zur Refinanzierung des Aktivgeschäfts ist ausdrücklich kein bankmäßiges Einlagengeschäft (dazu Rz. 15.111).
8.6
1 BVerwG v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, WM 1984, 1364 (1367); vgl. auch VG Berlin v. 4.7.1985 – 14 A 268/84, WM 1986, 879 (882). 2 VG Berlin v. 4.7.1985 – 14 A 268/84, WM 1986, 879 (881); VG Frankfurt a.M. v. 11.3.2010 – 1 L 271/10.F, Rz. 24 (zitiert nach juris). 3 VG Berlin v. 22.2.1999 – 25 A 276/95, NJW-RR 2000, 642 (645).
Peterek
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
Diese Möglichkeit der Refinanzierung über den Kapitalmarkt steht damit auch Industrieunternehmen offen1. Der Erwerb von Schuldverschreibungen im Rahmen der Emission ist ein Kaufvertrag2. Die Entgegennahme des hierfür zu entrichtenden Kaufpreises durch die emittierende Bank stellt daher kein Einlagengeschäft dar.
8.7
Neben der gesetzlichen Definition des Einlagengeschäftes ist der Begriff der Einlage im Gesetz nicht näher bestimmt. Zu den einzelnen Merkmalen des Einlagenbegriffs siehe Rz. 2.24 ff.
8.8
Im Ergebnis kommt dem Einlagenbegriff für zugelassene Kreditinstitute keine größere Bedeutung mehr zu. Neben der Abgrenzung der bankmäßigen Einlage von der sonstigen Hereinnahme fremder Gelder ist der Einlagenbegriff insbesondere für die Frage relevant, ob eine Nichtbank ein unerlaubtes Einlagengeschäft betreibt3. Das Betreiben eines Bankgeschäftes wie das des Einlagengeschäftes ohne Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht begründet einen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG4. Bei diesem Erlaubnisvorbehalt des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG handelt es sich um ein Schutzgesetz iS des § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten des einzelnen Einlegers5. Dies kann insbesondere für Unternehmen außerhalb des Bankensektors relevant sein, welche die Vermögensbildung ihrer Arbeitnehmer durch eine stärkere Beteiligung am Unternehmenserfolg, beispielsweise durch den Erwerb von seitens des Arbeitgebers emittierten Namens-Gewinnschuldverschreibungen, fördern. Dem steht letztlich § 3 Nr. 1 KWG entgegen, wonach der Betrieb des Einlagengeschäfts verboten ist, wenn der Kreis der Einleger überwiegend aus Betriebsangehörigen des Unternehmens besteht und keine sonstigen Bankgeschäfte betrieben werden, die den Umfang dieses Einlagengeschäfts übersteigen (Verbot des Betreibens von sog. Werksparkassen). Da bei solchen Werksparkassen Arbeitgeber und Schuldner der hereingenommenen Einlagen identisch sind, soll das Verbot der Werkssparkasse vor dem Risiko des gleichzeitigen Verlustes von Arbeitsplatz und Ersparnissen im Falle einer Insolvenz des Unternehmens schützen6.
1 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 43. 2 Vgl. dazu Weidenkaff in Palandt, Vorb v § 488 BGB Rz. 8. 3 Vgl. beispielsweise VG Frankfurt a.M. v. 19.6.2008 – 1 E 2566/07, ZIP 2009, 213 ff.; BGH v. 2.6.2005 – III ZR 365/03, WM 2005, 1362; Gößmann in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 69 Rz. 6. 4 Umstritten ist, ob ein Verstoß gegen § 32 KWG zu einer Nichtigkeit von Verträgen des unerlaubt betriebenen Einlagengeschäftes (Einlagenverträge) führt. Gegen eine Nichtigkeit nach § 134 BGB Hess. VGH v. 20.5.2009 – 6 A 140/08, WM 2009, 1889 (1894); demgegenüber wird die Nichtigkeit bejaht von VG Frankfurt a.M. v. 11.3.2010 – 1 L 271/10.F, Rz. 36 (zitiert nach juris); zustimmend Voß, BB 2010, 1372. Siehe zur Frage der (Teil-)Nichtigkeit auch Mai, ZBB 2010, 222 ff. 5 BGH v. 11.7.2006 – VI ZR 339/04, WM 2006, 1898 (1901). 6 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 3 KWG Rz. 2.
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8. Teil
Grundsätzliches
II. Einlagenarten im Überblick In der Bankpraxis steht dem Begriff der Einlage kein bestimmter Typ von Bankgeschäft gegenüber. Vielmehr fallen unter diesen Begriff verschiedene Einlagenarten, denen wiederum unterschiedliche Produkttypen entsprechen1. Für das Einlagengeschäft der Banken sind drei Arten von Einlagen zu nennen, Sichteinlagen, Termineinlagen und Spareinlagen. Diese unterscheiden sich in ihrer jeweiligen Rechtsnatur sowie in der rechtlichen Ausgestaltung des Rückzahlungsanspruches des Kunden2. Die begriffliche Unterscheidung geht auf die früher geltende ZinsVO3 zurück. Heute ist diese Unterscheidung noch mit Blick auf die Liquiditätsverordnung4 relevant, wonach die Restlaufzeiten der hereingenommenen Gelder für die Beurteilung der Liquiditätslage der Banken Bedeutung haben.
8.9
Als Ausgangspunkt für die rechtliche Einordnung einer bankmäßigen Einlage ist fest zu halten, dass die bei der Bank eingezahlten Banknoten und Geldmünzen in deren Eigentum übergehen. Der Einleger verliert seine dingliche Berechtigung an den Geldern5. Den bankmäßigen Einlagen können daher keine Verwahrungsverträge zugrunde liegen. Denn beim Verwahrungsvertrag verbleibt das Eigentum an den aufbewahrten Sachen beim Hinterleger. Wird beispielsweise eine Einlage im bargeldlosen Zahlungsverkehr durch Erteilung einer entsprechenden Gutschrift auf dem Kundenkonto begründet, so kann sich auf Grund der Rechtsnatur dieses unkörperlichen Forderungsrechtes die Frage des Übergangs von Eigentum von vornherein nicht stellen. Denn dingliche Rechte können nur an Sachen wie Banknoten und Geldmünzen bestehen.
8.10
Die zugrunde liegende Vertragsbeziehung kann daher nur eine so genannte unregelmäßige Verwahrung iS des § 700 BGB oder einen Darlehensvertrag darstellen. Für beide Vertragstypen ist wesentlich, dass das Eigentum an dem überlassenen Geld auf den geldempfangenden Vertragspartner übergeht (§§ 488, 700 BGB). Dabei unterscheiden sich unregelmäßige Verwahrung und Darlehen in einem für die Praxis wesentlichen Punkt. Der Rückgewähranspruch ist bei der unregelmäßigen Verwahrung jederzeit fällig (§ 695 BGB). Bei einem Darlehen hängt dagegen die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs entweder von einem vereinbarten Rückzahlungstermin oder von einer vorherigen Kündigung ab (vgl. § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB). An diese unterschiedlichen Fälligkeitsregelungen knüpft die rechtliche Einordnung der verschiedenen, nachfolgend näher dargestellten Einlagenarten an.
8.11
8.12–8.20
Einstweilen frei.
1 Berger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, Vor § 488 BGB Rz. 64. 2 Zur Frage, ob jeder Einlage ein Kontovertrag als bankgeschäftlicher Vertragstyp zugrunde liegt, siehe Mülbert in FS Kümpel, 2003, S. 395 ff. 3 § 13 Abs. 1 ZinsVO (ZinsVO v. 5.2.1965, BGBl. I 1965, S. 33). Die ZinsVO wurde bereits im Jahr 1967 aufgehoben (BGBl. I 1967, S. 352). 4 Verordnung über die Liquidität der Institute v. 14.12.2006, BGBl. I 2006, S. 3117. Hierzu näher Meister, Kreditwesen 2007, 39 f. 5 Henssler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 700 BGB Rz. 16.
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
2. Abschnitt Sichteinlagen 8.21
Sichteinlagen werden auch als „täglich fällige Gelder“ bezeichnet, da der Einleger hierüber jederzeit verfügen kann. Für sie ist weder eine Laufzeit noch eine Kündigungsfrist vereinbart. Ihre Bedeutung haben die Sichteinlagen insbesondere im bargeldlosen Zahlungsverkehr. Als so genanntes Giralgeld bilden sie im Zusammenhang mit einem Girokontovertrag (dazu Rz. 6.595 ff.) die Grundlage für unbare Verfügungen mittels Überweisung, Scheck oder Lastschrift. Im Übrigen werden Sichteinlagen in der Bankpraxis auf Tagesgeldkonten und Verrechnungskonten, beispielsweise für Wertpapiergeschäfte, unterhalten.
I. Rechtsnatur
8.22
Den Sichteinlagen liegt eine unregelmäßige Verwahrung zugrunde, denn es handelt sich um täglich fällige Gelder1. Der gesetzliche Tatbestand der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 BGB) ist beispielsweise verwirklicht, wenn der Kunde Bargeld zur Gutschrift auf sein kreditorisches Girokonto einzahlt, um sich Buchgeld für den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu verschaffen. Hier geht das Eigentum an dem körperlichen Geld auf die Bank über mit der gesetzlichen Folge, dass die Bank jederzeit zur Rückzahlung eines entsprechenden Geldbetrages verpflichtet ist (§§ 695, 700 Abs. 1 Satz 3 BGB).
8.23
Die unregelmäßige Verwahrung stellt einen eigenständigen Vertragstyp des bürgerlichen Rechts dar, der Elemente des Darlehens (§§ 488 ff. BGB) und der Verwahrung (§§ 688 ff. BGB) verbindet. Das Verwahrungselement kommt durch § 700 Abs. 1 Satz 3 BGB zum Ausdruck, wonach Zeit und Ort der Rückgabe sich im Zweifel nach den verwahrungsrechtlichen Vorschriften bestimmen2. Nach § 695 BGB kann der Hinterleger – im Unterschied zum Darlehensgeber – die hinterlegte Sache jederzeit zurückfordern, wie es insbesondere für die jederzeitige Verfügbarkeit von Giroguthaben der Fall ist. Dabei ist der Gläubiger der Einlagenforderung gehalten, seinen Rückzahlungsanspruch nach billigem Ermessen auszuüben. Der Kunde kann daher ausnahmsweise gehalten sein, seine Barabhebung bei einem besonders hohen Verfügungsbetrag der Bank im Voraus zu avisieren3, zumal der regelmäßige Kassenbestand der Bank mit Blick auf Sicherheitsanforderungen üblicherweise nicht für außergewöhnlich hohe Barabhebungen abgestellt ist.
8.24
Mit der rechtlichen Einordnung der Sichteinlagen als ein Fall der unregelmäßigen Verwahrung geht eine Holschuld für den Kunden einher. Leistungsort ist die Geschäftsstelle der kontoführenden Bank4. Denn nach der insoweit 1 Vgl. BGH v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, WM 1982, 816 (817). 2 Henssler in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 700 BGB Rz. 2; Berger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, Vor § 488 BGB Rz. 64. 3 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, BankR III Rz. III 13. 4 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, BankR III Rz. III 12.
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8. Teil
Sichteinlagen
anzuwendenden verwahrungsrechtlichen Regelung hat die Rückgabe der hinterlegten Sache an dem Ort zu erfolgen, an dem diese aufzubewahren war (§§ 700 Abs. 1 Satz 3 BGB iVm. 697 BGB). Diese Regelung gilt auch für die unregelmäßige Verwahrung und zwar selbst dann, wenn die Rückgabeverbindlichkeit eine Geldschuld darstellt. Die für Geldschulden geltende spezielle Bestimmung des § 270 Abs. 1 BGB ist auf die bankmäßigen Sichteinlagen nicht anwendbar. Danach sind Geldschulden sog. Schickschulden, bei denen der Schuldner das Geld im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln hat. Solche Schickschulden sind nur die Termin- und Spareinlagen, die ihrer Rechtsnatur nach Darlehen sind.
II. Kontoguthaben Die Forderung des Kunden aus dem Kontoguthaben ist auf Auszahlung eines Geldbetrages in entsprechender Höhe gerichtet. Bei der rechtlichen Einordnung dieses Anspruches des Kunden wird im Ergebnis nicht danach differenziert, ob das Kontoguthaben aus Einzahlungen von Bargeld oder aus Gutschriften aus für den Kontoinhaber bestimmten Zahlungseingängen herrührt. Zwar gehen letztere nicht mit der Übereignung von Bargeld einher, wie es der gesetzliche Tatbestand des § 700 BGB voraussetzt. Der Kunde könnte aber jederzeit durch Geltendmachung seines Auszahlungsanspruchs das durch solche Gutschriften entstandene Kontoguthaben (Buchgeld) in Bargeld umwandeln und sodann durch sofortige Einzahlung zur Gutschrift auf dem Konto ohne weiteres den gesetzlichen Tatbestand der unregelmäßigen Verwahrung verwirklichen. Es ist deshalb sachlich gerechtfertigt, die Unterhaltung solcher täglich fälligen Guthaben, insbesondere auf Girokonten, ungeachtet ihrer Herkunft als eine „Aufbewahrung“ iS der unregelmäßigen Verwahrung zu qualifizieren1.
8.25
Das Guthaben auf einem Bankkonto unterliegt unabhängig von der konkreten Einlagenart dem AGB-Pfandrecht der Bank. Dieses dient der Besicherung der Ansprüche, die der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kunden zustehen. Das Kontoguthaben ist in der Pfandrechtsklausel in Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken als ein Beispiel für einen Anspruch, an dem die Bank ein Pfandrecht erwirbt, ausdrücklich angeführt. Damit wird im Ergebnis ein Pfandrecht der Bank an eigener Schuld begründet2 (dazu Rz. 6.419 ff.). Dieses Pfandrecht ist nicht von der Fälligkeit der gesicherten Ansprüche abhängig, sondern entsteht auch bei künftigen und bedingten, bestimmbaren gesicherten Forderungen bereits mit der Vereinbarung der Pfandrechtsklausel der AGB-Banken (Nr. 14 Abs. 2 AGB-Banken)3.
8.26
Durch eine Barauszahlung des Kontoguthabens am Schalter der kontoführenden Stelle erfüllt die Bank ihre aus §§ 700 Abs. 1 Satz 3, 695, 697 BGB
8.27
1 Vgl. Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 70 Rz. 3. 2 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, AGB-Banken Rz. 334; Piekenbrock, WM 2009, 49. 3 BGH v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, WM 2007, 874 (875).
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
folgende Rückgabepflicht1. Für die Frage der Zulässigkeit einer Bepreisung von Barauszahlungen wurden von der Rechtsprechung nachstehende Grundsätze entwickelt. Da der Kunde bei einer Barauszahlung am Schalter keine besondere Dienstleistung in Anspruch nimmt, kann ihm die Bank ihren damit verbundenen personellen oder sachlichen Aufwand nicht über eine pauschale Preisklausel als Entgelt in Rechnung stellen2. Mit einer Bepreisung wäre eine unangemessene Benachteiligung des Kunden verbunden. Denn eine Entgeltklausel führte im Ergebnis dazu, dass der Kontoinhaber eine Vergütung dafür schuldet, dass er seine, in der Regel unverzinsliche, Sichteinlage nicht weiter bei der Bank belässt, sondern zurückfordert3. Eine unangemessene Benachteiligung wurde von der Rechtsprechung jedoch dann verneint, wenn dem Inhaber eines privaten Girokontos zugleich mindestens fünf unentgeltliche Freiposten im Monat eingeräumt sind4. Da die Zurverfügungstellung von Geldausgabeautomaten eine Sonderleistung der Bank ist, kann für eine Barverfügung am Automaten ein Entgelt erhoben werden5. Andererseits können Barauszahlungen am Schalter im Rahmen eines Girokonto-Sondermodells bepreist werden, wenn dieses Kontomodell eine im Wesentlichen elektronische (Online-Banking) oder automatenmäßige (zB SBZweigstellen) Nutzung des Kontos vorsieht und dafür ein geringeres Entgelt als bei einem Grundmodell mit kostenlosen Auszahlungen am Schalter erhoben wird. Dies gilt jedenfalls für solche Beträge, die auch an Automaten verfügt werden können. Der Kunde muss jedoch die freie Wahl zwischen dem Grundmodell mit einer kostenfreien Barauszahlung und den Konto-Sondermodellen haben6.
8.28
Es ist fraglich, ob die vorgenannten Grundsätze zu der Zulässigkeit eines Entgelts unverändert fortgelten können, soweit auch Barauszahlungen im Rahmen eines Zahlungsdienstevertrages (§ 675f BGB) betroffen sind. Denn nach der durch die Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie7 neu eingeführten Regelung des § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB ist der Zahlungsdienstnutzer verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Hiervon ist auch die Abhebung von Bargeld erfasst, da die Bank mit einer Barauszahlung einen Zahlungsvorgang gemäß § 675f Abs. 3 BGB ausführt8.
1 BGH v. 30.11.1993 – XI ZR 80/93, WM 1993, 2237 (2238). 2 Generell zur AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle siehe Rz. 6.352 ff. 3 BGH v. 30.11.1993 – XI ZR 80/93, WM 1993, 2237 (2239); hierzu kritisch Canaris, AcP 200 (2000), 273 (333 f. und 339 f.). 4 BGH v. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, WM 1996, 1080 (1081). 5 BGH v. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, WM 1996, 1080 (1082); OLG Naumburg v. 3.8.1995 – 4 U 34/95, WM 1995, 1578 ff. 6 LG Hannover v. 16.11.2004 – 14 O 209/02, ZBB 2005, 206; hierzu Steppeler, EWiR 2005, 293 f. 7 Siehe Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2355 ff. 8 Für den Begriff des Zahlungsvorgangs wird auf den tatsächlichen Geldfluss abgestellt, siehe Begr. RegE zu § 675f Abs. 3 BGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 102.
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8. Teil
Sichteinlagen
III. Tagesgeldkonto Neben den Guthaben auf Girokonten, die vornehmlich für Zwecke des Zahlungsverkehrs bestimmt sind, stellen täglich fällige Einlagen auf sog. Tagesgeldkonten eine stark wachsende Bedeutung für das Einlagengeschäft der Banken dar. Für den Kunden steht dabei sein Anlage- und Rentabilitätsinteresse im Vordergrund, ohne zugleich auf die Vorteile ständiger Liquidität verzichten zu müssen. Entwicklungen auf dem Geldmarkt, wonach für länger gebundene Gelder kaum höhere Zinssätze als für kurzfristig oder täglich verfügbare Anlagen gezahlt wurden, ließ die Angebote an Tagesgeldkonten ansteigen.
8.29
Einen klassischen Produkttyp „Tagesgeld“ gibt es nicht. Dem entspricht die Breite der heute anzutreffenden Tagesgeldangebote der Banken mit unterschiedlich ausgestalten Produktbedingungen. Dabei steht der Begriff Tagesgeld für eine täglich fällige Sichteinlage, deren Nutzung für Zahlungsverkehrszwecke üblicherweise vertraglich ausgeschlossen oder zumindest stark eingeschränkt wird. Abhängig von dem Umfang einer möglichen Nutzung als Zahlungsverkehrskonto kann die Grenze zu einem herkömmlichen Girokonto daher fließend sein1. Mit Blick auf den Charakter als täglich fällige Einlage bedarf es keiner vertraglichen Kündigungs- oder Fälligkeitsregelung. Gegenstand der Abrede über den geschuldeten Zinssatz ist üblicherweise ein variabler Zins, wobei ein Festzins, ggf. auch nur für eine bestimmte Dauer ab Vertragsbeginn, ebenso möglich ist. Auch sind Zinsaufschläge, beispielsweise gestaffelt nach der jeweiligen Einlagenhöhe, eine Mindesteinlagenhöhe oder die Bindung höherer Zinssätze an eine online-Kontoführung denkbar. Im Einzelnen werden die Grenzen einer formularmäßigen Ausgestaltung der Produktabsprachen durch das AGB-Recht gezogen.
8.30
Einschränkungen in der Art und Weise, über die Einlage täglich verfügen zu können, zB nur über ein bei Vertragsschluss festgelegtes Referenzkonto, sind möglich, dürfen den Kunden aber nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB). Nicht selten werden in den Produktbedingungen, insbesondere bei Direktbanken ohne Filialgeschäft, Barverfügungen ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist § 3 Nr. 3 KWG zu beachten, wonach es ein verbotenes Einlagengeschäft darstellt, wenn die Barverfügung über Einlagen durch Vereinbarung ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Soweit die Produktbedingungen vorsehen, dass über das Guthaben durch Überweisung auf ein vereinbartes Verrechnungskonto zu verfügen ist, liegt ein Verstoß gegen § 3 Nr. 3 KWG nicht vor, da in diesem Fall Barauszahlungen von dem zuvor bestimmten Verrechnungskonto möglich sind2.
8.31
1 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 53. 2 Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 69 Rz. 12.
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
IV. Sonstige Sichteinlagen
8.32
Neben Giro-/Kontokorrentkonten und Tagesgeldkonten werden Sichteinlagen stets dort als Einlagentyp vereinbart, wo die tägliche Verfügbarkeit von besonderer Bedeutung und damit wesentlicher Vertragszweck ist. So sind beispielsweise Guthaben auf Verrechnungskonten, die einem Wertpapierdepot für Wertpapiergeschäfte zugeordnet sind, typischerweise täglich fällig, damit die Beträge für Anlagen in Wertpapieren stets ohne Weiteres zur Verfügung stehen. Es gilt daher auch in diesen Fällen die rechtliche Einordnung der Einlage in das Recht der unregelmäßigen Verwahrung ohne Regelung einer bestimmten Laufzeit oder Kündigungsfrist.
8.33–8.35
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Termineinlagen 8.36
Eine weitere Kategorie von Einlagen bilden Termineinlagen. Sie dienen dem Kunden vornehmlich der Erzielung von Erträgen in Form von Zinsen oder der nur kurzzeitigen Anlage von Liquidität. Abhängig davon, ob die Fälligkeit der Einlage bereits bei deren Hereinnahme vereinbart oder aber an eine vorherige Kündigung gebunden wird, lassen sich Termineinlagen in Festgelder oder Kündigungsgelder einteilen. Mit Blick auf die feste Anlagedauer bzw. vereinbarte Kündigungsfrist kann die Bank über diese Einlage zeitlich verlässlich disponieren. Auch Spareinlagen sind als Kündigungsgelder ausgestaltet. Wegen der für sie geltenden besonderen Regelungen für die Rechnungslegung durch die Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV) stellen diese aber eine Sonderform eines Kündigungsgeldes dar und werden als eigene Einlagenkategorie „Spareinlagen“ behandelt (dazu Rz. 8.49 ff.).
I. Rechtsnatur
8.37
Ausgangspunkt für die rechtliche Einordnung der Termineinlagen ist die Vereinbarung über die Rückzahlung. Termineinlagen werden entweder durch Ablauf einer vereinbarten Anlagedauer oder durch eine vorherige, den vertraglichen Vereinbarungen entsprechende fristgerechte Kündigung fällig. Diese Fälligkeitsvoraussetzungen entsprechen § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB, weshalb mit der Hereinnahme von Termineinlagen ein Darlehensschuldverhältnis zwischen Bank und Kunde begründet wird1. Im Gegensatz zu der unregelmäßigen Verwahrung steht bei Termineinlagen das Geldanlageinteresse des Kunden 1 Weidenkaff in Palandt, Vorb v § 488 BGB Rz. 19; Berger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, Vor § 488 BGB Rz. 66; OLG Dresden v. 25.1.2001 – 16 U 2113/00, WM 2001, 803 (804).
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
IV. Sonstige Sichteinlagen
8.32
Neben Giro-/Kontokorrentkonten und Tagesgeldkonten werden Sichteinlagen stets dort als Einlagentyp vereinbart, wo die tägliche Verfügbarkeit von besonderer Bedeutung und damit wesentlicher Vertragszweck ist. So sind beispielsweise Guthaben auf Verrechnungskonten, die einem Wertpapierdepot für Wertpapiergeschäfte zugeordnet sind, typischerweise täglich fällig, damit die Beträge für Anlagen in Wertpapieren stets ohne Weiteres zur Verfügung stehen. Es gilt daher auch in diesen Fällen die rechtliche Einordnung der Einlage in das Recht der unregelmäßigen Verwahrung ohne Regelung einer bestimmten Laufzeit oder Kündigungsfrist.
8.33–8.35
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Termineinlagen 8.36
Eine weitere Kategorie von Einlagen bilden Termineinlagen. Sie dienen dem Kunden vornehmlich der Erzielung von Erträgen in Form von Zinsen oder der nur kurzzeitigen Anlage von Liquidität. Abhängig davon, ob die Fälligkeit der Einlage bereits bei deren Hereinnahme vereinbart oder aber an eine vorherige Kündigung gebunden wird, lassen sich Termineinlagen in Festgelder oder Kündigungsgelder einteilen. Mit Blick auf die feste Anlagedauer bzw. vereinbarte Kündigungsfrist kann die Bank über diese Einlage zeitlich verlässlich disponieren. Auch Spareinlagen sind als Kündigungsgelder ausgestaltet. Wegen der für sie geltenden besonderen Regelungen für die Rechnungslegung durch die Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV) stellen diese aber eine Sonderform eines Kündigungsgeldes dar und werden als eigene Einlagenkategorie „Spareinlagen“ behandelt (dazu Rz. 8.49 ff.).
I. Rechtsnatur
8.37
Ausgangspunkt für die rechtliche Einordnung der Termineinlagen ist die Vereinbarung über die Rückzahlung. Termineinlagen werden entweder durch Ablauf einer vereinbarten Anlagedauer oder durch eine vorherige, den vertraglichen Vereinbarungen entsprechende fristgerechte Kündigung fällig. Diese Fälligkeitsvoraussetzungen entsprechen § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB, weshalb mit der Hereinnahme von Termineinlagen ein Darlehensschuldverhältnis zwischen Bank und Kunde begründet wird1. Im Gegensatz zu der unregelmäßigen Verwahrung steht bei Termineinlagen das Geldanlageinteresse des Kunden 1 Weidenkaff in Palandt, Vorb v § 488 BGB Rz. 19; Berger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, Vor § 488 BGB Rz. 66; OLG Dresden v. 25.1.2001 – 16 U 2113/00, WM 2001, 803 (804).
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8. Teil
Termineinlagen
eindeutig im Vordergrund und überlagert insoweit das bloße Geldaufbewahrungs- oder Hinterlegungsinteresse1. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass Zuzahlungen und Verfügungen während der Anlagedauer in den Produktbedingungen regelmäßig nicht zugelassen werden. Die Rechte an Festgeldkonten werden durch Abtretung gemäß § 398 BGB übertragen2. Wesentliche vertragliche Leistungspflichten sind damit die Kapitalüberlassung durch den Kunden auf Zeit einerseits und deren Vergütung durch die Bank in Form eines Zinses andererseits, dessen Höhe üblicherweise von der Höhe des Anlagebetrages sowie der Laufzeit bzw. Länge der Kündigungsfrist abhängt.
8.38
II. Zeitdauer der Überlassung Es obliegt der freien Vereinbarung der Vertragsparteien, die Dauer der Kapitalüberlassung bereits bei Vertragsabschluss fest zu vereinbaren oder aber die Fälligkeit des Anlagebetrages von einer kundenseitigen Ausübung eines Kündigungsrechtes während der Vertragslaufzeit abhängig zu machen.
8.39
1. Feste Laufzeitvereinbarung (Festgeld) Werden bereits bei Vertragsabschluss für die Anlage eines bestimmten Anlagebetrages eine feste Anlagedauer und eine bestimmte Fälligkeit vereinbart, so ist nach deren Ablauf der Vertrag ohne weitere Erklärungen oder Vereinbarungen beendet. Das Festgeld wird dann zum vereinbarten Zeitpunkt fällig. Wegen der festen Laufzeitvereinbarung ist für beide Parteien eine ordentliche Kündigung gemäß Nr. 18 Abs. 1 bzw. Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken nicht möglich. Eine wie in der früher geltenden ZinsVO (§ 13 Abs. 2 ZinsVO) geregelten Mindestlaufzeit von 30 Zinstagen ist nicht mehr erforderlich. Die geltenden Regelungen über die Mindestreservepflicht von Einlagen sehen eine Mindestreservepflicht nur vor, wenn die Laufzeit oder die Kündigungsfrist der Einlage bis zu zwei Jahre beträgt (vgl. Art. 4 EZB-Mindestreserve-Verordnung3). Für eine über zwei Jahre hinausgehende Laufzeit besteht keine Pflicht zu einer Mindestreserve (Art. 4 Abs. 1 lit. a EZB-Mindestreserve-Verordnung). Üblich sind Laufzeiten von 30, 60, 90 oder 180 Tagen. Eine Obergrenze für die Laufzeit besteht nicht. Die unterschiedlich langen Anlagedauern (oder Kündigungsfristen im Falle einer Ausgestaltung als Kündigungsgelder) sind jedoch in bilanzieller Hinsicht insoweit relevant, als der Ausweis in der Bankbilanz nach Restlaufzeiten gegliedert ist (Fristengliederung, § 9 RechKredV).
8.40
Daneben kann der Kunde in dem Produktvertrag die Bank ermächtigen, nach Ablauf der Anlagedauer den ursprünglichen oder den sich nach Zinsgutschrift
8.41
1 Vgl. Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 70 Rz. 7. 2 OLG Oldenburg v. 31.3.1998 – 5 U 92/97, WM 1998, 2239. 3 EG-Verordnung Nr. 1745/2003 der Europäischen Zentralbank v. 12.9.2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht, ABl. EU Nr. L 250 v. 2.10.2003, S. 10.
Peterek
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
ergebenden Betrag als gleiches Termingeld fortzuführen. Diese so genannte Prolongationsermächtigung oder Prolongationsabrede hat regelmäßig den Inhalt, dass die Bank die betreffende Einlage jeweils nach Ablauf der Anlagedauer für den gleichen Zeitraum zu den gleichen Bedingungen und dem jeweils aktuellen Zinssatz neu anlegen soll. Grundlage für diese Neuanlage ist eine entsprechende und in dem ursprünglichen Produktvertrag ausdrücklich erteilte Ermächtigung des Kunden. Das Festgeld verlängert sich somit bei Fälligkeit ohne weitere Erklärungen des Kunden. Die Prolongationsabrede kann aber jederzeit widerrufen werden. Erteilt der Kunde beispielsweise vor Ablauf der Anlagedauer eine andere Weisung, ist damit zugleich der Widerruf dieser Ermächtigung verbunden. Um dem Kunden eine Entscheidung über die Ausübung seines Widerrufrechts zu ermöglichen, ist in der Prolongationsermächtigung zugleich geregelt, dass die Bank rechtzeitig vor Ablauf der vereinbarten Anlagedauer über die neue Zinskondition informiert.
8.42
Mit der Prolongationsermächtigung lässt sich eine Anlage auch mehrere Male hintereinander prolongieren. Damit wird einerseits dem Interesse der Bank an einer im Ergebnis längerfristigen Anlagedauer der betreffenden Einlagen entsprochen. Andererseits erhält der Kunde jeweils kurz vor Fälligkeit die neuen Konditionen mitgeteilt, ohne selbst stets ein neues Angebot einholen zu müssen. Entspricht dieses nicht seinen Vorstellungen, kann der Kunde durch Widerruf der Prolongationsermächtigung die „endgültige“ Fälligkeit der Termineinlage herbeiführen. Neben der Prolongationsabrede kann zudem vertraglich vereinbart werden, dass die Zinsen nach jeweiligem Ablauf eines Anlagezeitraumes auf ein separates Verrechnungskonto ausgekehrt werden.
2. Kündigungsfrist (Kündigungsgeld)
8.43
Eine Termineinlage kann auch ohne eine feste Laufzeitvereinbarung begründet und deren Fälligkeit von einer vorangehenden Kündigung abhängig gemacht werden. Der Anlagebetrag wird in diesem Fall zunächst auf unbestimmte Zeit mit der Vereinbarung einer Kündigungsfrist hereingenommen. Eine Mindestkündigungsfrist besteht nicht. Der Eintritt der Fälligkeit hängt somit von der Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechtes ab. Das Recht zu einer ordentlichen Kündigung steht beiden Vertragsparteien zu1. Da die Laufzeit des Vertrages nicht bereits bei Vertragsabschluss feststeht, bedarf es zudem einer Regelung über den Zeitpunkt der Zinsgutschrift.
8.44–8.45
Einstweilen frei.
1 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 78.
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8. Teil
Spareinlagen
4. Abschnitt Spareinlagen Die klassische Spareinlage wird im Allgemeinen durch das herkömmliche Sparbuch verkörpert. Dieses hat mit der Einführung neuerer Sparformen und Anlagemöglichkeiten in der Vergangenheit an Bedeutung eher verloren. Davon unberührt bleiben die einzelnen Begriffsmerkmale der Spareinlage, welche diese von den anderen Einlagenarten abgrenzt. Gegenüber Sichtguthaben auf Girokonten werden Spareinlagen auch bei nur kurzfristiger Kündbarkeit erfahrungsgemäß lange bei der kontoführenden Bank unterhalten. Mit Blick auf diese tatsächliche längere Verweildauer sind sie daher für die Kreditinstitute als Finanzierungsmittel für langfristige Ausleihungen von Bedeutung1. Von den Kunden werden Sparkonten mit einer kurzen Kündigungsfrist auch dazu genutzt, Gelder „zu parken“, bis eine andere, ggf. längerfristig ausgerichtete Anlageentscheidung getroffen wird.
8.46
I. Grundlagen Das KWG enthielt früher für Spareinlagen Sonderregelungen in den §§ 21 bis 22a KWG, die bei dessen Novellierung im Jahre 1993 entfallen sind2. Seitdem sind Spareinlagen nur in § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV)3 geregelt. Damit hat der Gesetzgeber den letzten Schritt in der Deregulierung des Sparverkehrs vollzogen4. Der Gesetzgeber betrachtete die bisherigen gesetzlichen Regelungen auf Grund der Entwicklung im modernen Spar- und Einlagengeschäft der Kreditinstitute als nicht mehr erforderlich, da der Sparer heute in hohem Maße ertragsbewusst und mit einer ganzen Reihe von Sparformen, unter anderem mit Termineinlagen und variabel- oder festverzinslichen Wertpapieren, gut vertraut sei. Ein gesetzlicher Eingriff in die Vertragsfreiheit durch Schaffung eines standardisierten Produktes „Spareinlage“ wurde daher als entbehrlich angesehen. Der Kreditwirtschaft steht es nach der amtlichen Begründung der vierten KWG-Novelle frei, Spareinlagen in unveränderter oder gewandelter Form anzubieten5. Der damit einhergehende Gestaltungsspielraum dient nicht zuletzt auch dem Wettbewerb. Die zu den ein-
1 Siehe auch van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 38 f. 2 Vierte KWG-Novelle v. 21.12.1992, Art. 9, BGBl. I 1992, S. 2211. 3 RechKredV v. 10.2.1992, BGBl. I 1992, S. 203 in der Fassung der Bekanntmachung v. 11.12.1998; zu den Anforderungen der Rechnungslegungsverordnung an die Spareinlage vgl. Kaiser, WM 1996, 141 ff. 4 Zudem hat der Gesetzgeber mit der Aufhebung der Zinsverordnung bereits im Jahr 1967 auf jeglichen Einfluss auf die Zinsgestaltung der Kreditinstitute verzichtet, siehe Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute, Begr., BR-Drucks. 504/92, S. 35. 5 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute (Vierte KWG-Novelle), Begr., BR-Drucks. 504/92, S. 35.
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8.47
8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
zelnen Sparverkehrsvorschriften des KWG ergangenen Stellungnahmen des BAKred sind gleichwohl nach wie vor gültig1. Soweit deren Inhalt nicht beachtet wird, bleibt jedoch der einzelne Sparvertrag in zivilrechtlicher Hinsicht wirksam2.
8.48
In zivilrechtlicher Hinsicht kommt bei Hereinnahme einer Spareinlage zwischen Bank und Kunde ein Darlehensvertrag gemäß § 488 BGB zu Stande3. Neben den einzelnen besonderen Regelungen des jeweiligen Sparkontovertrages werden mit dem Kunden regelmäßig auch Sonderbedingungen für Sparkonten vereinbart, welche das auf sämtliche Spareinlagen einer Bank anwendbare Bedingungswerk darstellen und inhaltlich Abweichungen von den AGBBanken enthalten können. Der Gesetzgeber ging bei der vorgenannten Deregulierung des Sparverkehrs davon aus, dass es den Banken unbenommen sei, die für das Vertragsverhältnis mit den Sparern für bedeutsam erachteten Regelungen der aufgehobenen KWG-Vorschriften in Allgemeine Geschäftsbedingungen aufzunehmen. Dies gelte insbesondere für die Kündigungsfristen des aufgehobenen § 22 Abs. 1 und 2 KWG4.
II. Begriff der Spareinlage
8.49
Einzige gültige Rechtsquelle für Spareinlagen ist § 21 Abs. 4 RechKredV. Es handelt sich dabei um eine abschließende Minimalregelung für den Sparverkehr5. Im Übrigen sind Spareinlagen nicht mehr gesetzlich geregelt. Das Sparguthaben selbst entsteht durch Einzahlung (bar oder unbar) auf das betreffende Sparkonto.
1. Regelung des § 21 Abs. 4 RechKredV
8.50
Damit eine Einlage in der Bankbilanz als Spareinlage ausgewiesen werden kann, müssen bestimmte Anforderungen an die Ausgestaltung der Einlage erfüllt werden. Diese Bilanzierungskriterien sind in § 21 Abs. 4 RechKredV geregelt und wirken sich auch auf die Vertragsgestaltung zwischen Bank und Kunde aus. Daneben kommt den Spareinlagen iS der RechKredV eine Privilegierung insoweit zu, als diese auf die Liquiditätsgrundsätze des § 11 KWG eingeschränkt angerechnet werden (sog. privilegierte Spareinlagen).
1 Siehe die bankaufsichtlichen Stellungnahmen zum Sparverkehr in Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 220 bis 222. 2 Harbeke in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 39 Rz. 6. 3 Habersack in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 808 BGB Rz. 22; Weidenkaff in Palandt, Vorb v § 488 BGB Rz. 19. 4 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute, Begr., BR-Drucks. 504/92, S. 35. 5 Erste Verordnung zur Änderung der RechKredV, Begr. RegE, BT-Drucks. 12/4876 v. 6.5.1993, S. 6.
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8. Teil
Spareinlagen
Mit der Regelung des § 21 Abs. 4 RechKredV ist ein Schutz der Bezeichnung „Spareinlage“ nicht verbunden1. Die Bank kann daher Spareinlagen zu abweichenden Bedingungen hereinnehmen, mit der Folge, dass ein bilanzieller Ausweis unter den Spareinlagen nicht möglich ist2. Dies kann beispielsweise, abhängig von der konkreten vertraglichen Ausgestaltung, für Sparbriefe zutreffen. Werden die einzelnen Voraussetzungen der RechKredV nicht erfüllt, so hat dies auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Sparkontovertrages jedenfalls keine Auswirkung. Damit ist den Banken eine individuelle und innovative Produktgestaltung unter der Bezeichnung „Spareinlage“ möglich.
8.51
2. Begriffsmerkmale Spareinlagen sind nach § 21 Abs. 4 Satz 1 RechKredV nur unbefristete Gelder, die folgende vier Voraussetzungen erfüllen. Sie sind durch Ausfertigung einer Urkunde als Spareinlagen gekennzeichnet (a) und nicht für den Zahlungsverkehr bestimmt (b). Spareinlagen werden nur von einem bestimmten Einlegerkreis hereingenommen (c). Schließlich muss eine Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten vereinbart sein (d).
8.52
a) Sparurkunde Nach § 21 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 RechKredV wird über die Spareinlage eine Sparurkunde ausgestellt, welche die Einlage als Spareinlage kennzeichnet. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, welche Anforderungen an eine Sparurkunde zu stellen sind, wie diese rechtlich zu qualifizieren ist und insbesondere welcher Beweiswert einer Sparurkunde im Verhältnis zwischen Bank und Kunde zukommt.
8.53
aa) Inhalt und Formen Aus der Sparkunde müssen die Höhe der Einlage sowie deren Veränderungen, wozu auch die Gutschrift der vergüteten Zinsen zählt, hervorgehen. Die Sparurkunde muss zudem ihren Aussteller erkennen lassen und Rückschluss auf den Gläubiger der Spareinlage geben3. Die Ausstellung eines Sparbuches auf einen erdichteten oder falschen Namen ist mit Blick auf das Gebot der formalen Kontowahrheit gemäß § 154 Abs. 1 AO (dazu Rz. 6.639) nicht zulässig. Unterschriften sind für die Gültigkeit einer Sparurkunde nicht erforderlich. Bloße Quittungen über eine Einzahlung sowie Spargeschenkgutscheine, welche erst bei einer Bank zur Gutschrift vorgelegt werden müssen, erfüllen nicht die begrifflichen Voraussetzungen einer Sparurkunde4. 1 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, BankR III Rz. III 19. 2 Erste Verordnung zur Änderung der RechKredV, Begr. RegE, BT-Drucks. 12/4876 v. 6.5.1993, S. 6 f. 3 Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 6. 4 Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 6.
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8.54
8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
8.55
Eine konkrete Form der Sparurkunde wird von § 21 Abs. 4 RechKredV nicht vorgegeben. Neben dem in § 21 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 RechKredV ausdrücklich angeführten Sparbuch sind auch andere Urkundenformen möglich. So können Loseblatt-Sparbücher oder Staffelurkunden ausgegeben werden1. Bei einem Loseblatt-Sparbuch werden die jeweiligen Kontoauszüge zu einer Sparbuchhülle, in der sich ein Kontostammblatt befindet, abgelegt2. Dabei stellen Hülle und der jeweils letzte Kontoauszug gemeinsam die Sparurkunde dar. Hingegen bildet bei der Form einer Staffelurkunde der jeweilige Kontoauszug bereits für sich genommen die Sparurkunde, weshalb das einzelne Blatt alle Merkmale einer Sparurkunde erfüllen muss.
8.56
Da nach § 21 Abs. 4 RechKredV im Gegensatz zu der aufgehobenen Regelung im KWG (§ 21 Abs. 4 Satz 3 KWG aF) eine Vorlegungspflicht der Sparurkunde bei Verfügungen nicht geregelt ist, kann auch eine Sparkarte (Chipkarte) ausgegeben werden, die in Verbindung mit einer persönlichen Geheimzahl (PIN) auch Verfügungen an Geldautomaten im In- und Ausland im Rahmen der betraglichen Freigrenze von 2000 Euro pro Kalendermonat ermöglicht. Die Sparkarte selbst erfüllt nicht alle Begriffsvoraussetzungen einer Sparurkunde3. Daher sehen die Bedingungen für eine Spareinlage, für die eine Sparkarte ausgegeben wird, regelmäßig vor, dass Sparkarte und Kontoauszug zusammen die Sparurkunde bilden4. Daneben ist auch möglich, dass die Sparkarte nur das technische Medium ist, welches Verfügungen flexibler ermöglichen soll, und ausschließlich die Kontoauszüge das Loseblatt-Sparbuch bilden. bb) Rechtsnatur
8.57
Die Ausstellung der Sparurkunde ist nicht Voraussetzung für das Entstehen der Forderung5. Anders als bei einer Inhaberschuldverschreibung entsteht die Guthabenforderung allein durch die zugrunde liegenden schuldrechtlichen Abreden. Die Sparurkunde schafft keine neue Forderung und hat somit nur deklaratorische Bedeutung6.
8.58
Die Rechtsnatur eines Sparbuchs richtet sich nach den Vereinbarungen zwischen Bank und Kunde. Regelmäßig enthält das Sparbuch eine Inhaberklausel, und die Bank ist nach den zu Grunde liegenden Sparbedingungen berechtigt,
1 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 43. 2 Zu den einzelnen Voraussetzungen für Loseblatt-Sparbücher vgl. Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen v. 20.3.1967, 19.9.1973 sowie 25.5.1982. 3 Hierzu näher Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 6; zur Sparkarte siehe auch Baumbach/ Hefermehl/Casper, WPR Rz. 88. 4 Hofmann, WM 2005, 1305 (1307) geht hingegen unzutreffend davon aus, dass die jeweilige Guthabenhöhe auf dem Magnetstreifen gespeichert sei. Tatsächlich löst die Sparkarte (nur) eine Autorisierungsanfrage aus und ist für den Kunden ein reines Bedienmedium. 5 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, SB Spar Rz. 3; Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 6. 6 Habersack in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 808 BGB Rz. 6.
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8. Teil
Spareinlagen
an den Vorleger des Sparbuches fällige Zahlungen zu leisten. In diesem Fall ist das Sparbuch ein Namenspapier mit Inhaberklausel iS von § 808 BGB. Gebräuchlich sind hierfür auch die Bezeichnungen „qualifiziertes Legitimationspapier“ oder „hinkendes Inhaberpapier“. Mit letzterem Begriff soll bedeutet sein, dass der bloße Inhaber der Sparurkunde nicht berechtigt ist, die in der Urkunde versprochene Leistung zu verlangen, da er ein Forderungsrecht nicht innehat (§ 808 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Bank ist nicht verpflichtet, an ihn zu zahlen, da das Sparbuch kein abstraktes Schuldanerkenntnis darstellt und die Leistungspflicht der Bank nur gegenüber dem materiellen Forderungsinhaber besteht1. Allerdings ist die Bank bei Vorlage der Sparurkunde gleichwohl berechtigt, die darin versprochene Leistung an den jeweiligen Vorleger ohne Rücksicht auf dessen Gläubigerrecht, Verfügungsbefugnis oder Vollmacht mit schuldbefreiender Wirkung zu leisten (Legitimations- oder Liberationswirkung)2. Insoweit besteht ein Unterschied zu einem Rektapapier, da die Leistung nicht ausschließlich an den namentlich angeführten Berechtigten erbracht werden muss3. Ohne eine Regelung, dass die Bank nur bei Vorlage des Sparbuches leistet, handelt es sich demgegenüber um ein einfaches Legitimationspapier oder eine bloße Beweisurkunde über Ein- und Auszahlungen4. Das Eigentum an der Sparurkunde wird durch Abtretung der betreffenden Spareinlagenforderung übertragen5. Das Recht am Papier folgt gemäß § 952 BGB dem Recht aus dem Papier6. Eigentümer der Sparurkunde ist demnach der materielle Inhaber der Forderung7. Eine Übertragung des Eigentums nach sachenrechtlichen Grundsätzen scheidet aus. Zugunsten des Besitzers der Sparurkunde greift daher auch nicht die Eigentumsvermutung nach § 1006 BGB8. Somit hat der bloße Besitz des Sparbuches auch keinen zwingenden Aussagewert über die materiell-rechtliche Berechtigung. Änderungen der Rechtsinhaberschaft müssen in der Sparurkunde nicht eingetragen sein. Es wäre jedoch möglich, in den Bedingungen des betreffenden Sparvertrages die Wirksamkeit einer Abtretung an die Übergabe der Sparurkunde oder an die Eintragung des neuen Gläubigers in der Sparurkunde zu knüpfen9.
8.59
In der Übergabe der Sparurkunde wird regelmäßig eine, ggf. auch stillschweigende, Abtretung der Guthabenforderung liegen10. Hintergrund hierfür ist, dass der unmittelbare Besitzer der Sparurkunde als berechtigter Inhaber der
8.60
1 Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 1, näher Rz. 7; van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 44. 2 BGH v. 20.11.1958 – VII ZR 4/58, WM 1959, 198. 3 Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 71 Rz. 42. 4 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, BankR III Rz. III 22. 5 BGH v. 7.7.1992 – XI ZR 239/91, WM 1992, 1522 (1523). 6 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 44; Gursky in Staudinger, Neubearb. 2004, § 952 BGB Rz. 5. 7 BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, WM 2005, 1216 (1217). 8 Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR Rz. 89; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, BankR III Rz. III 31. 9 Habersack in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 808 BGB Rz. 27. 10 BGH v. 23.6.1965 – III ZR 251/63, WM 1965, 897 (900); Gursky in Staudinger, Neubearb. 2004, § 952 BGB Rz. 12.
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
Einlagenforderung gilt1. Ausnahmen hiervon bestehen, wenn die Sparurkunde erkennbar aus anderen Gründen, beispielsweise zum Zwecke einer sicheren Verwahrung, in Besitz genommen wird2. In diesen Konstellationen kommt der Übergabe der Sparurkunde nicht die Bedeutung einer Forderungsabtretung zu mit der Folge, dass ggf. eigentumsrechtliche Herausgabeansprüche gegen den Besitzer der Sparurkunde bestehen3.
8.61
Mit Blick auf die Rechtsnatur des Sparbuches kann dieses selbst nicht Gegenstand eines Pfandrechts sein, weshalb eine Pfändung der Spareinlage durch eine etwaige Pfändung des Sparbuches als körperliche Sache nicht in Betracht kommt4. Nach Überweisung der gepfändeten Forderung muss der Schuldner das Sparbuch an seinen Gläubiger herausgeben, damit dieser die Forderung geltend machen kann (§ 836 ZPO)5.
8.62
Die Wertpapiereigenschaft der Sparurkunde ist umstritten. Die von der Rechtsprechung des BGH6 und Teilen des Schrifttums7 bejahte Wertpapiereigenschaft wird stellenweise in Zweifel gezogen8. Entscheidend für die Wertpapiereigenschaft ist die Verbindung des Rechts mit der Urkunde, weshalb zu dessen Geltendmachung die Vorlage der Urkunde erforderlich ist. Gegen den Wertpapiercharakter einer Sparurkunde wird angeführt, dass sich die für ein Wertpapier typische Umlauffähigkeit des verbrieften Forderungsrechts mit dem Ziel des Sparens, der Ansammlung von Vermögen in privater Hand, nicht vereinbaren lasse9. In der Praxis entscheidet sich diese Frage bei einer Leistung einer gutgläubigen Bank an einen Sparer, nachdem dieser ohne Kenntnis der Bank seine Einlagenforderung an einen Dritten mit Übergabe des Sparbuches abgetreten hat und von der Bank sodann ohne Vorlage des Sparbuches Auszahlung verlangt10. Die Wertpapiereigenschaft schließt eine Leistungsbefreiung der Bank gegenüber dem Zedenten aus, da bei Vorlegungspapieren der Schuldnerschutz des § 407 BGB keine Anwendung findet11. Im Ergebnis wird
1 BGH v. 18.1.2005 – X ZR 264/02, WM 2005, 462 (463). 2 BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, WM 2005, 1216 (1217); OLG Köln v. 24.4.1995 – 16 U 120/94, WM 1995, 1956; OLG Düsseldorf v. 26.8.1998 – 11 U 75/95, MDR 1999, 174 (175). 3 BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, WM 2005, 1216 (1217). Kritisch hierzu Gehrlein, WuB I C. 2.–2.05. 4 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 333. 5 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 336. 6 BGH v. 24.4.1975 – III ZR 147/72, WM 1975, 733 (735). 7 Habersack in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 808 BGB Rz. 24; Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 1; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, BankR III Rz. III 23. 8 Den Wertpapiercharakter des Sparbuches verneinen Schraepler, NJW 1973, 1864; Kümpel, WM 1983, Sonderbeilage Nr. 6, 11; Kümpel, WM 1984, 802 (803 f.). 9 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2000, Rz. 3.103; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 71 Rz. 44; van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 47. 10 Hierzu auch Welter, WM 1987, 1117 (1118 ff.). 11 Habersack in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 808 BGB Rz. 34; Grüneberg in Palandt, § 407 BGB Rz. 2.
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8. Teil
Spareinlagen
richtigerweise danach zu differenzieren sein, ob der Besitz der Sparurkunde für die Geltendmachung der Einlagenforderung eine materiell-rechtliche Voraussetzung ist1. Maßgeblich sind daher die zwischen Bank und Sparer, insbesondere in den Sparbedingungen, vereinbarten Regelungen zu einer etwaigen Vorlegungspflicht. Die im privaten Bankgewerbe verwandten Sonderbedingungen für Sparkonten sehen üblicherweise vor, dass bei Auszahlungen das Sparbuch vorzulegen. cc) Beweiswert Wird von der Bank die materielle Berechtigung des Anspruchsstellers bestritten, so hat der Anspruchssteller seine Berechtigung zu beweisen. Hierfür begründet der bloße Besitz am Sparbuch noch keine Vermutungswirkung. Die Beweislast ist jedoch umgekehrt, wenn das Sparbuch auf den Namen des Besitzers und Anspruchsstellers lautet2 (hierzu auch Rz. 8.80 ff.).
8.63
Bezüglich Bestand und Höhe der Einlagenforderung gilt die allgemeine zivilprozessuale Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Hiernach müssen der Sparer grundsätzlich die Höhe seines Guthabens und die Bank die Auszahlung und Erfüllung des Auszahlungsanspruches darlegen und beweisen3. In diesem Zusammenhang kommt dem Sparbuch regelmäßig ein hoher Beweiswert zu. So ist das Sparurbuch die einzige Unterlage, die für den Kontoinhaber erkennbar die Kontobewegungen und den sich daraus ergebenden Kontostand ausweist. Separate Rechnungsabschlüsse werden nicht erteilt. Der hohe Beweiswert resultiert zudem aus dem Umstand, dass Auszahlungen oder Kontoauflösungen grundsätzlich nicht ohne Vorlage des Sparbuches erfolgen. Der Sparer wird sich daher zum Beweis seiner Forderung stets auf die Eintragungen in der Sparurkunde berufen und erfüllt die ihm obliegende Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage seines Sparbuches4. Denn ein Sparbuch hat nach allgemeiner Meinung den Charakter einer für den Bankkunden sprechenden Beweisurkunde5. Die in der Sparurkunde eingetragenen Gutschriften haben einen quittungsähnlichen Charakter, dem die Wirkung eines außergerichtlichen Geständnisses zukommt6. In beweisrechtlicher Hinsicht verfügt der Sparer damit über eine starke Rechtsposition. Mit der letzten Eintragung in der Sparurkunde kann der Beweis geführt werden, dass die Guthabenforderung zu der in der Sparurkunde eingetragenen Zeit und Höhe bestand.
8.64
In beweisrechtlicher Hinsicht ist zu unterscheiden, ob die betreffende Eintragung in der Sparurkunde von der Bank unterzeichnet wurde oder ob die Eintragung rein maschinell und ohne Bankunterschrift erfolgte. Im ersten Fall ist die Sparurkunde eine Privaturkunde nach § 416 ZPO, welche den vollen Be-
8.65
1 So auch Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR Rz. 86 f. 2 Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, BankR III Rz. III 32. 3 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, SB Spar Rz.17; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 71 Rz. 33. 4 Barleon, BankPraktiker 2009, 424. 5 OLG Köln v. 20.4.2000 – 1 U 107/99, WM 2001, 2298 f. 6 Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 71 Rz. 34.
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
weis für die darin enthaltene Erklärung erbringt. Ohne Unterschrift der Eintragung ist die Sparurkunde Gegenstand einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO1. Hiergegen ist ein Gegenbeweis der Bank zulässig2.
8.66
Weisen bankinterne Dokumentationen eine von dem Sparbucheintrag abweichende oder keine Guthabenhöhe aus, stellt sich die Frage nach dem Nachweis der Unrichtigkeit des ausgewiesenen Sparguthabens. Derartige Abweichungen entstehen, wenn die Bank ausnahmsweise eine Auszahlung ohne Vorlage des Sparbuches zugelassen hat. Für den Nachweis der Unrichtigkeit des Sparbucheintrages sind ähnliche Grundsätze maßgeblich, wie sie von der Rechtsprechung für die Widerlegung einer Bankquittung entwickelt worden sind3. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welchen Beweiswert bankinterne Unterlagen, beispielsweise ein EDV-Beleg über die Löschung des Kontos oder die Eintragung der Kontolöschung in das Stockregister, haben und ob damit die beweisrechtlichen Wirkungen eines Geständnisses beseitigt werden können.
8.67
Die Beweislast für die Erfüllung der Guthabenforderung trägt die Bank4. In der Rechtsprechung wird eine etwaige Beweislastumkehr zu Gunsten der Bank überwiegend abgelehnt, wenn sich die Bank ausschließlich auf interne Unterlagen beruft, um entgegen der Eintragungen in der Sparurkunde einen Gegenbeweis für die erbrachte Auszahlung an den Kunden führen zu wollen5. Bankinterne Unterlagen, die dem Kunden nicht zur Kenntnis gebracht worden sind, reichen daher grundsätzlich nicht aus, um die Beweiskraft einer Sparurkunde zu erschüttern6. An eine etwaige Änderung der Darlegungs- und Beweislast werden von der Rechtsprechung strenge Anforderungen gestellt7. Entsprechendes gilt für die Beurteilung eines längeren Zeitablaufs seit der letzten Eintragung in der Sparurkunde. Dieser Sachverhalt vermag nach der Rechtsprechung an der Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich nichts zu ändern, insbesondere gebe es keinen Erfahrungssatz, wonach ein Sparkonto aufgelöst sei oder ein Guthaben nicht mehr aufweise, wenn der Inhaber der betreffenden Sparurkunde über Jahrzehnte keine Eintragungen vornehmen lässt8. Nach 1 Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 53. 2 OLG Frankfurt a.M. v. 22.12.1988 – 1 U 216/87, WM 1990, 496. 3 OLG Köln v. 20.4.2000 – 1 U 107/99, WM 2001, 2298 unter Bezugnahme auf BGH v. 28.9.1987 – II ZR 35/87, WM 1988, 524. 4 BGH v. 4.6.2002 – XI ZR 361/01, WM 2002, 1652 (1653). 5 BGH v. 21.9.1989 – III ZR 55/89, NJW-RR 1989, 1518, wonach das Handzeichen eines Mitarbeiters der Bank im Stockregister unbeachtlich sei; OLG Frankfurt a.M. v. 22.12.1988 – 1 U 216/87, WM 1990, 496 für die Eintragung des Vermerks „aufgelöst“ im Stockbuch der Bank und die Nichterwähnung des Sparkontos in ihrer Zinskapitalisierungsliste. 6 OLG Celle v. 18.6.2008 – 3 U 39/08, BKR 2008, 525 (527); OLG München v. 4.10.2000 – 3 U 3574/00, WM 2001, 1761 (1762 f.); OLG Köln v. 20.4.2000 – 1 U 107/99, WM 2001, 2298 f. 7 OLG Celle v. 18.6.2008 – 3 U 39/08, BKR 2008, 525 (527); OLG Köln v. 20.4.2000 – 1 U 107/99, WM 2001, 2298. 8 BGH v. 4.6.2002 – XI ZR 361/01, WM 2002, 1652 (1653); OLG München v. 4.10.2000 – 3 U 3574/00, WM 2001, 1761 (1762 f.).
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8. Teil
Spareinlagen
der Rechtsprechung ist der Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungsfrist nach § 257 HGB unbeachtlich1, was in der Praxis zu einer zeitlich unbefristeten Aufbewahrung führt2. Im Ergebnis ist die Rechtssprechung zu der Frage eines Gegenbeweises uneinheitlich. Die Gerichte nehmen stets eine Einzelfallbetrachtung vor, aus der sich einheitliche Grundsätze nur schwer ableiten lassen3. Ein Gegenbeweis ist der Bank nur möglich, wenn auf Grund der besonderen vorliegenden Umstände der starke Beweiswert der Sparurkunde erschüttert ist4. Ein schlüssiger Gegenbeweis kann insbesondere gelingen, wenn zu der Vorlage bankinterner Unterlagen weitere Umstände hinzutreten, insbesondere Indizien aus der Sphäre des Sparers, die in der Gesamtschau die Beweisführung der Bank erhärten und die Beweiskraft der Sparbucheintragung erschüttern. Im Ergebnis hängt dies von der Beweiswürdigung in jedem Einzelfall und der Gewichtung der Indizien ab5. So kann der Nachweis der Auszahlung eines Sparguthabens im Falle der fehlenden Eintragung im Sparbuch beispielsweise durch einen vom Kunden unterzeichneten Überweisungsauftrag erbracht werden6. Zugunsten der Bank kann im Einzelfall zu berücksichtigen sein, dass Kontoverfügungen in eng umrissenen Ausnahmefällen, zB wegen fälliger Forderungen aus einem Wertpapiergeschäft, auch ohne die Vorlage der Sparurkunde zulässig sein können7. Ähnlich gewichtige Indizien können beispielsweise die gleichzeitige Auflösung der übrigen Geschäftsbeziehung, die gleichzeitige Ablösung oder Rückführung von Darlehen des Kunden, die Zeugenaussage eines Bankmitarbeiters, Korrespondenz der Bank, deren Sinn sich nur aus einer vorangegangenen Kontoauflösung erschließt, oder eine dem Auszahlungsbetrag entsprechende Neuanlage sein8.
8.68
b) Vermögensansammlung Spareinlagen sollen einen Sparzweck erfüllen und dienen der Ansammlung oder Anlage von Vermögen. Für Sparkonten ist daher nur eine Kontoführung auf Guthabenbasis zulässig9. Dies erklärt die Regelung in § 21 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 RechKredV, wonach Spareinlagen ausdrücklich nicht für den Zahlungsverkehr bestimmt sind. Verfügungen durch Überweisung, Scheck, Lastschrift oder Kreditkarte werden daher nicht zugelassen. Die Zweckbestimmung des 1 BGH v. 4.6.2002 – XI ZR 361/01, WM 2002, 1652 (1653); OLG Frankfurt v. 20.8.1997 – 23 U 166/96, NJW 1998, 997 (998 f.); vgl. auch Gößmann in Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 71 Rz. 35. 2 Barleon, BankPraktiker 2009, 424 (425). 3 Arendts/Teuber, MDR 2001, 546 (549 f.); Harbeke, WuB I C. 2.–3.99. 4 Vgl. OLG Hamburg v. 31.5.1989 – 5 U 74/89, WM 1989, 1681 f. 5 Vgl. zB KG Berlin v. 4.3.1992 – 24 U 6394/91, WM 1992, 979. 6 OLG Köln v. 20.4.2000 – 1 U 107/99, WM 2001, 2298 (2299). 7 Vgl. Mitteilung des BAKred Nr. 1/64 v. 3.8.1964, Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 220. Die dort angeführten Grundsätze zu der aufgehobenen Regelung des § 21 Abs. 4 KWG aF gelten heute fort. 8 Arendts/Teuber, MDR 2001, 546 (550); Batereau, WuB I C. 2.–1.02; OLG Köln v. 9.7.2003 – 13 U 133/02, WM 2004, 1475 (1476); Langbein, WuB I C. 2.–1.04. 9 Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, SB Spar Rz. 2.
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8.69
8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
Sparkontos schließt demgegenüber Gutschriften aus laufenden Zahlungen wie beispielsweise Gehalts- oder Rentenzahlungen nicht aus, vorausgesetzt, diese werden nicht für den Lebensunterhalt beansprucht und stehen daher unbefristet für Zwecke der Vermögensansammlung zur Verfügung1. Im täglichen Geschäftsverkehr lässt sich bei Gutschriften oder Einzahlungen des Kunden der Sparwille als eine rein subjektive Größe allerdings nicht stets und eindeutig feststellen2.
8.70
Unschädlich ist es dagegen, wenn die Spareinlage mit Geld finanziert wird, das von einem Dritten als Darlehen entgegengenommen worden ist. Unzulässig ist nur die darlehensweise Finanzierung durch das kontoführende Kreditinstitut selbst3. c) Spezifischer Einlegerkreis
8.71
Spareinlagen dürfen gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 RechKredV nur von einem bestimmten Kreis von Einlegern angenommen werden. Dieser wird in der vorgenannten Vorschrift negativ umschrieben: Spareinlagen werden hiernach nicht von Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, wirtschaftlichen Vereinen, Personenhandelsgesellschaften oder von Unternehmen mit Sitz im Ausland mit vergleichbarer Rechtsform angenommen. Grund für diesen Ausschluss ist der Umstand, dass die genannten Unternehmen ihre Geldmittel grundsätzlich im Geschäftsbetrieb oder im Zahlungsverkehr verwenden und für diese zudem sachgerechtere Möglichkeiten der Geldanlage zur Verfügung stehen4.
8.72
Ausnahmen von dem Ausschluss bestehen nach dem Wortlaut von § 21 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 RechKredV, wenn die genannten Unternehmen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (vgl. hierzu die Definitionen in §§ 52–54 AO) oder wenn es sich bei den angenommenen Geldern um Sicherheiten nach § 551 BGB handelt. Hintergrund für die letztgenannte Ausnahme ist, dass es sich dabei in wirtschaftlicher Hinsicht um Gelder von natürlichen Personen handelt und von einer längeren Verweildauer der Gelder auszugehen ist5. d) Mindestkündigungsfrist
8.73
Schließlich regelt § 21 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 RechKredV, dass Spareinlagen eine Mindestkündigungsfrist von drei Monaten aufweisen müssen. Dieses Erfordernis grenzt die Spareinlage iS der RechKredV von Sicht- und Festgeldern ab 1 Reischauer/Kleinhans, KWG, KzA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 19. 2 Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 19. 3 OLG Celle v. 19.3.1986 – 3 U 169/85, WM 1986, 820. 4 Erste Verordnung zur Änderung der RechKredV, Begr. RegE, BT-Drucks. 12/4876, S. 7. 5 Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 22 f.; Erste Verordnung zur Änderung der RechKredV, Begr. RegE, BT-Drucks. 12/4876, S. 7.
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8. Teil
Spareinlagen
und entspricht dem Wesen des zugrundliegenden Darlehensverhältnisses, wonach Voraussetzung für eine Rückzahlung eine vorausgegangene Kündigung ist, § 488 Abs. 3 BGB. Spareinlagen sollen der Bank bei Hereinnahme für eine unbestimmte Zeit zur Verfügung stehen und nicht jeder kurzfristigen Verfügungsdisposition zugänglich sein1. Daher darf bei Entgegennahme der Einlage nicht gleichzeitig – auch nicht rein vorsorglich – eine Kündigung ausgesprochen werden. Dies würde die Spareinlagen an befristete Termingelder angleichen2. Ähnlich kritisch zu beurteilen sind wiederholte und mehrfach aufeinander folgende Kündigungen, da auch dabei faktisch befristete Einlagen entstehen. Ebenso unzulässig ist es, mit neuen Einzahlungen auf ein Konto mit einer bereits gekündigten Einlage so zu verfahren, als würden auch diese Einzahlungen von der Kündigung mit erfasst und mit Ablauf der Kündigungsfrist fällig3. Anderenfalls würden spätere Einzahlungen bereits bei Hereinnahme nur befristet angenommen werden, was mit dem Wesen der Spareinlage iS der RechKredV nicht vereinbar ist.
8.74
Sparverträge, welche in ihren Bedingungen vorsehen, dass nach einer bestimmten Spardauer oder einer vereinbarten Anzahl von Sparraten das angesparte Guthaben zur Auszahlung fällig wird, ohne dass es einer vorausgehenden Kündigung bedarf, erfüllen – ungeachtet ihrer oft gewählten Bezeichnung als „Spareinlagen“ oder „Kündigungsgelder“ – nicht die Voraussetzungen der RechKredV.
8.75
Da es sich bei der Drei-Monats-Frist der RechKredV nur um eine Mindestfrist handelt, können auch ohne weiteres längere Kündigungsfristen vereinbart werden4. Daneben kann eine Kündigungssperrfrist von beliebiger Dauer zwischen Bank und Kunde vereinbart werden5. Kündigungen während einer Kündigungssperrfrist sind unzulässig und unwirksam.
8.76
Der jeweils geltende Zinssatz für Spareinlagen mit der vorgenannten Mindestkündigungsfrist wird als sog. Spareckzinssatz bezeichnet6. Dieser bildet die
8.77
1 BGH v. 24.4.1975 – III ZR 147/72, WM 1975, 733 (735). 2 Schreiben Nr. 10 des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen v. 20.10.1987 – I 3-241-4/85, siehe Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 222. 3 Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 26. 4 Erste Verordnung zur Änderung der RechKredV, Begr. RegE, BT-Drucks. 12/4876, S. 7. 5 Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 24; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, SB Spar Rz. 29. 6 So auch bereits schon während der Geltung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 21 Abs. 1 Satz 1 KWG aF, siehe auch Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 24. Der Begriff Spareckzins wurde im Rahmen der früheren Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank als ermittelter durchschnittlicher Zinssatz für Spareinlagen mit (vormals) gesetzlicher, ab Juli 1993 mit dreimonatiger Kündigungsfrist verwendet. Ab 2003 wurde die frühere Bundesbank-Zinsstatistik durch die in den Ländern des Euroraumes erhobene EWUZinsstatistik ersetzt.
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
Grundlage für die Bemessung der Zinsen der Darlehen mit längerer Kündigungsfrist. Als Faustregel gilt: Je länger die Kündigungsfrist und ggf. Kündigungssperrfrist, desto größer der Nutzen der Kreditinstitute aus der Ausleihung dieser Spargelder und desto höher im Regelfall auch der gewährte Zinssatz.
III. Rückzahlung und Leistungsbefreiung
8.78
Der Anspruch auf Rückzahlung der Spareinlage ergibt sich aus § 488 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB. Voraussetzung ist die Fälligkeit, welche bei der Spareinlage durch Kündigung herbeigeführt wird. Erfüllungsort ist die das Sparkonto führende Geschäftsstelle der Bank, da die Rückgabe an dem Ort der Aufbewahrung zu erfolgen hat, §§ 700 Abs. 1 Satz 3, 697 BGB1.
8.79
Mit Blick auf die Rechtsnatur der Sparurkunde als qualifiziertes Legitimationspapier ergeben sich weitere Fragen im Zusammenhang mit der Rückzahlung der Spareinlage. So ist aus Sicht der Bank zum Zwecke der Erfüllung ihrer Leistungspflicht maßgeblich, an wen und unter welchen Voraussetzungen die Spareinlage leistungsbefreiend ausgezahlt werden kann, da der Besitz der Sparurkunde in vielen Fällen nur eine indizielle Bedeutung haben kann. Auch muss der materielle Forderungsinhaber nicht zwingend mit dem in der Sparurkunde Benannten identisch sein. So kann die Forderung zwischenzeitlich, ggf. formlos, abgetreten worden sein und das Recht somit einer anderen als der in der Urkunde bezeichneten Person zustehen. Darüber hinaus ist für die Bank eine zweifelsfreie Bestimmung des Gläubigers in der Praxis insbesondere im Falle etwaiger Aufrechnungen sowie bei eingehenden Pfändungen von Bedeutung.
1. Gläubigerstellung
8.80
Wer Gläubiger des Rückzahlungsanspruches ist, richtet sich nach den Vereinbarungen der Vertragspartner bei Kontoeröffnung. Auch für das Sparkonto gelten die allgemeinen Grundsätze für die Bestimmung der Kontoinhaberschaft. Maßgeblich ist hiernach, wer nach dem erkennbaren Willen der kontoeröffnenden Person Gläubiger der Guthabenforderung werden soll2 (dazu Rz. 6.631 ff.). Der für die Eröffnung eines Girokontos geltende Grundsatz, wonach der formelle Kontoinhaber grundsätzlich als Kontoinhaber anzusehen ist, findet hier keine Anwendung3.
8.81
Dies gilt auch bei Anlegung eines Kontos auf den Namen eines Dritten. Es kommt daher nicht zwingend darauf an, wer in der Kontobezeichnung be1 Van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 51. 2 BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, WM 2005, 1216; BGH v. 2.2.1994 – IV ZR 51/93, WM 1994, 731. 3 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 6 Rz. 24; Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 44 f.; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 71 Rz. 7 f.
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Spareinlagen
nannt ist oder aus wessen Mitteln die Einzahlungen stammen1. Denn die das Konto errichtende und einzahlende Person kann mit der Bank möglicherweise vereinbaren wollen, dass gemäß § 328 BGB ein anderer Inhaber des Forderungsrechts sein soll2. Auch scheidet in Fällen mit Drittbezug ein Treuhandkonto nicht stets von vornherein aus. Bei der Ermittlung des hiernach maßgeblichen Willens der kontoerrichtenden Person sind stets die Umstände des Einzelfalls im Zeitpunkt der Kontoeröffnung besonders zu berücksichtigen. Nachträgliche Willensbekundungen oder eingetretene Umstände sind grundsätzlich unbeachtlich3. Im Ergebnis entsprechen diese allgemeinen Grundsätze der objektiven Auslegung nach §§ 133, 157 BGB, da stets auf den erkennbaren Willen des Handelnden, wie beispielsweise einen Zuwendungswillen im Fall des § 328 BGB, abzustellen ist4. Anders als bei einem Girokonto kommen bei einem Konto mit einem ausgestellten Sparbuch für die Ermittlung des Willens konkrete Anknüpfungspunkte als etwaige Indizien in Betracht. So können insbesondere die Besitzverhältnisse am Sparbuch grundsätzlich eine starke Indizwirkung haben. Ein für die Gläubigerstellung wesentliches Indiz ist, wer die Sparurkunde in seinen unmittelbaren Besitz nimmt5. Dies erklärt sich aus der Liberationswirkung, da gemäß § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB die Bank durch Leistung an den Inhaber von ihrer Leistungspflicht befreit wird (dazu Rz. 8.88 ff.). Als weitere Indizien kommen insbesondere die kontoeröffnende Person, die Herkunft der eingezahlten Gelder sowie die Namenseintragung im Sparbuch in Betracht6. Allerdings sind stets die erkennbaren Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, die zu einer anderen Beurteilung führen und eine bestimmte Indizwirkung entkräften können. Zahlt beispielsweise ein Dritter vorbehaltlos auf ein Sparkonto ein, das ein anderer in seiner Gegenwart eröffnet hat, ist der Kontoinhaber Gläubiger, auch wenn der Einzahlende das Sparbuch an sich nimmt7.
8.82
Bei Fällen mit Drittbezug ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Dritte mit Anlegung des Sparkontos noch kein eigenes Leistungsrecht haben soll, wenn die das Konto errichtende Person die auf den Namen eines Dritten ausgestellte Sparurkunde in ihrem alleinigen Besitz behält und sich der Verfügung über das Guthaben noch nicht vollumfänglich begeben will. Weil in diesem Fall davon auszugehen ist, dass der das Konto Errichtende sich die Verfügung und das Sparbuch bis auf weiteres vorbehalten möchte, ist er allein
8.83
1 OLG Düsseldorf v. 26.8.1998 – 11 U 75/95, MDR 1999, 174 (175); OLG Saarbrücken v. 18.8.1999 – 1 U 104/99, OLGR Saarbrücken 2000, 127 f. 2 Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 46. 3 BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, WM 2005, 1216. 4 So auch Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 44; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, BankR III Rz. III 29. 5 BGH v. 18.1. 2005 – X ZR 264/02, WM 2005, 462 (463). 6 Grundmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, BankR I Rz. I 239. 7 BGH v. 25.4.2005 – II ZR 103/03, WM 2005, 1216 (1217), hierzu Gehrlein, WuB I C 2.–2.05; OLG Köln v. 24.4.1995 – 16 U 120/94, WM 1995, 1956; OLG Düsseldorf v. 26.8.1998 – 11 U 75/95, MDR 1999, 174 (175).
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
Gläubiger1. Dabei kommt aber in Betracht, dass der einzahlende Kontoinhaber dem Dritten die Guthabenforderung auf den Todesfall zuwenden wollte2. Dabei muss jedoch ein hierauf gerichteter Wille bei der Kontoeröffnung erkennbar sein3. Auch eine etwaige Bezugsberechtigung nach § 331 Abs. 1 BGB ändert nichts an der Kontoinhaberschaft der das Konto für einen Dritten eröffnenden und das Sparbuch besitzenden Person, da diese jederzeit rückgängig gemacht werden kann4.
8.84
Bei Anlegung eines Sparbuches durch die Eltern auf den Namen ihres Kindes stellt sich häufig die Frage, wer Inhaber des materiellen Forderungsrechts gegen die Bank sein soll. In Anwendung der eingangs angeführten Grundsätze des BGH, wonach der erkennbare Wille der kontoerrichtenden Person maßgeblich ist, wird zunächst darauf abzustellen sein, ob die das Konto errichtende Person erkennbar in Ausübung ihres Vermögenssorgerechts für den in der Sparurkunde Benannten ausübt. Die Eltern handeln bei der Kontoerrichtung regelmäßig in Vertretung für ihr minderjähriges Kind, weshalb ohne erkennbar entgegenstehende Einzelumstände das vertretene Kind Konto- und Forderungsinhaber wird5. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass auf das für das minderjährige Kind angelegte Sparkonto von Dritten stammende Beträge, beispielsweise Geldgeschenke von Verwandten, eingezahlt werden sollen. Hier kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Eltern selbst Inhaber des der Anlage von Drittgeldern dienenden Sparguthabens werden6. Dem Umstand, dass das Sparbuch im Besitz der Eltern verbleibt, kommt dabei keine indizielle Bedeutung für die Forderungsinhaberschaft zu7. Ohnehin berechtigt die Verpflichtung zur elterlichen Sorge zum Besitz an der Sparurkunde8.
2. Voraussetzungen und Höhe des Rückzahlungsanspruchs
8.85
Wie dargestellt, bedarf es wegen der Ausgestaltung der Spareinlage als Kündigungsgeld zur Herbeiführung der Fälligkeit einer vorangehenden Kündigung. Nach § 21 Abs. 4 Satz 2 RechKredV können Sparbedingungen dem Kunden 1 BGH v. 18.1.2005 – X ZR 264/02, WM 2005, 462 (463); OLG Bremen v. 10.5.2007 – 2 U 27/07, NJOZ 2008, 2448; BGH v. 9.11.1966 – VIII ZR 73/64, WM 1966, 1244 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 156. 2 Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 46; Gursky in Staudinger, Neubearb. 2004, § 952 BGB Rz. 12; Gottwald in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 328 BGB Rz. 58. 3 BGH v. 18.1.2005 – X ZR 264/02, WM 2005, 462 (463); Habersack in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 808 BGB Rz. 26. 4 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 6 Rz. 29. 5 Gottwald in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 328 BGB Rz. 58; Nobbe, WuB I C. 2.–1.06; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 29 Rz. 18; Leisch, WuB I C. 2.–1.05; OLG Zweibrücken v. 9.1.1989 – 4 U 157/88, WM 1990, 754 (755). 6 OLG Saarbrücken v. 18.8.1999 – 1 U 104/99, OLGR Saarbrücken 2000, 127 f. für auf dem Sparkonto angelegte Geldgeschenke der Großeltern. 7 OLG Bamberg v. 7.10.2005 – 6 U 18/05, WM 2006, 273 (274). 8 Hadding/Häuser in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, ZahlungsV Rz. A 86.
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8. Teil
Spareinlagen
jedoch das Recht einräumen, über seine Einlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten bis zu 2000 Euro pro Sparkonto und Kalendermonat ohne Kündigung zu verfügen. Eine solche Regelung lässt die Einordnung als Spareinlage nach § 21 Abs. 4 RechKredV unberührt. Diesem „Freibetrag“ liegt der Gedanke zugrunde, dass sich eine strikte Einhaltung der Mindestkündigungsfrist von drei Monaten hemmend auf das erwünschte Kontosparen des breiten Publikums auswirken könnte. Da der „Kalendermonat“ maßgeblich ist, kann der Kunde innerhalb von zwei Bankarbeitstagen bei einem dazwischen liegenden Wechsel des Kalendermonats im Ergebnis die doppelte Höhe des Freibetrages ausschöpfen1. Werden Spareinlagen auf Verlangen des berechtigten Kontoinhabers ausnahmsweise vorzeitig zurückgezahlt, so kann der zurückgezahlte Betrag als Vorschuss verzinst werden, soweit die vertraglichen Vereinbarungen eine entsprechende Regelung hierzu enthalten. Regelmäßig werden daher die betreffenden Bedingungswerke für Sparkonten Abreden zur Berechnung von Vorschusszinsen vorsehen2. In der RechKredV ist eine zwingende Berechnung von Vorschusszinsen bei einer ausnahmsweisen vorzeitigen Verfügung nicht vorgeschrieben3. Die Berechnung von Vorschusszinsen ist damit kein unverzichtbares Begriffsmerkmal der Spareinlage iS der RechKredV. Allerdings bleibt es dabei, dass die vorzeitige Verfügung eine Ausnahme darstellen muss4. Ein Rechtsanspruch auf eine vorzeitige Verfügung darf dem Sparer nicht eingeräumt werden. Dies stünde im Widerspruch zu dem Wesen der Spareinlage als eine unbefristete, als Kündigungsgeld ausgestaltete Einlage.
8.86
3. Rückzahlung an Dritte Eine Leistungspflicht der Bank besteht nur gegenüber dem tatsächlichen Inhaber der Einlagenforderung. Gegenüber dem bloßen Inhaber der Sparurkunde ist die Bank dagegen ohne Nachweis der materiell-rechtlichen Berechtigung nicht zu leisten verpflichtet. Dennoch kann die Bank unter bestimmten Voraussetzungen auch an Dritte leistungsbefreiend auszahlen.
8.87
a) Liberationswirkung Erfolgt die Rückzahlung nicht an den Berechtigten selbst, sondern an einen davon abweichenden Inhaber der Sparurkunde, kann gleichwohl Erfüllungswirkung eintreten und die Bank von ihrer Leistungspflicht frei werden. Denn der Schuldner wird gemäß § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB durch Leistung an den Inhaber der Urkunde auch ohne Prüfung der Verfügungsberechtigung befreit (Legitimations- oder Liberationswirkung). Damit ist der Bank durch die Inhaberklausel das Risiko einer Doppelzahlung und der Uneinbringlichkeit ihrer 1 Erste Verordnung zur Änderung der RechKredV, Begr. RegE, BT-Drucks. 12/4876, S. 7. 2 Zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit Rösler/Wimmer, BKR 2007, 8 (15 ff.). 3 Reischauer/Kleinhans, KWG, KZA 418 Anhang zur RechKredV, Kommentierung zu § 21 Abs. 4 RechKredV, Rz. 28. 4 Kaiser, WM 1996, 141 (146).
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8.88
8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
Kondiktion gegen den vermeintlichen Gläubiger abgenommen1. Der Schuldner muss sich allerdings nicht auf diese Befreiungswirkung berufen, es steht ihm auch frei, die an den materiell-rechtlich nicht berechtigten Vorleger der Urkunde geleistete Zahlung gemäß § 812 BGB zurückzufordern2.
8.89
Gegenstand der gesetzlichen Legitimations- oder Liberationswirkung der Inhaberschaft der Sparurkunde ist die versprochene Leistung. Versprochen in diesem Sinne sind alle Leistungen der Bank, die dem jeweiligen Sparvertrag unter Beachtung aller vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen entsprechen3. Darunter fällt demnach die Auszahlung solcher Beträge, für die ein fälliger Rückzahlungsanspruch besteht. Daher kann die Bank den Freibetrag von 2000 Euro mit schuldbefreiender Wirkung auch an einen nichtberechtigten Vorleger eines Sparbuches zahlen. Eine solche betragsmäßig begrenzte Auszahlung gehört zu den von der Legitimationswirkung der Sparurkunde geschützten versprochenen Leistungen4. Die Legitimationswirkung erstreckt sich auch auf das Kündigungsrecht zur Erlangung eines Guthabens unter Buchvorlage5, nicht jedoch auf solche Willenserklärungen, die mit der Empfangnahme der versprochenen Leistung in keinem Zusammenhang stehen, wie beispielsweise eine Änderung des Sparvertrages6.
8.90
Für den Umfang der Legitimationswirkung macht es keinen Unterschied, ob die Bank an einen Nichtberechtigten, der im eigenen Namen unter Vorlage der Sparurkunde Auszahlung verlangt, leistet, oder an einen Nichtberechtigten, der die Auszahlung unter dem Namen des Berechtigten, beispielsweise mit einer nicht erkennbar gefälschten Unterschrift, verlangt7. Auch im letzteren Fall darf der von der Legitimationswirkung bezweckte Schuldnerschutz nicht eingeschränkt sein. Denn maßgeblich ist, dass der Kontoinhaber sich selbst der Kontrolle über das Legitimationspapier begeben hat8.
8.91
Eine Schuldbefreiung nach § 808 Abs. 1 BGB ist auch gegeben, wenn der Inhaber der Sparurkunde nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig ist. Zwar ist eine Auszahlung an einen minderjährigen Kontoinhaber wegen des damit verbundenen Forderungsverlustes nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Dennoch tritt der Minderjährigenschutz hinter die Liberationswirkung zurück. Denn die Schutzwirkung des § 808 BGB stellt ausschließlich auf den Besitz der Urkunde ab. Wird die Bank bei Leistung an einen Nichtberechtigten von ihrer Auszahlungspflicht befreit, so muss dies umso mehr bei Leistung an den tatsächlichen, aber geschäftsunfähigen Gläubiger gelten9. Anderes gilt, wenn die 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BGH v. 20.5.2009 – IV ZR 16/08, WM 2009, 1458 (1459). OLG Düsseldorf v. 14.6.2005 – 4 U 109/04, NJW-RR 2006, 1470 ff. BGH v. 24.4.1975 – III ZR 147/72, WM 1975, 733 (735). Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR Rz. 91. Vgl. auch BGH v. 20.5.2009 – IV ZR 16/08, WM 2009, 1458 (1459). Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, BankR III Rz. III 26. BGH v. 20.5.2009 – IV ZR 16/08, WM 2009, 1458 (1459). BGH v. 20.5.2009 – IV ZR 16/08, WM 2009, 1458 (1460). Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 71 Rz. 51; Barleon, BankPraktiker 2009, 424 (427); aA Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 26.
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8. Teil
Spareinlagen
Bank nicht redlich handelt und für sie die beschränkte oder fehlende Geschäftsfähigkeit erkennbar war. b) Vorzeitige Leistung In den Besonderen Sparbedingungen der Banken sind regelmäßig eine Kündigungsfrist und ein Freibetrag vereinbart. Guthabenbeträge, deren Rückzahlung hiernach zunächst eine Kündigung vorausgehen muss, können nicht befreiend an den nichtberechtigten Vorleger ausgezahlt werden, da das Fehlen einer rechtzeitigen Kündigung im Ergebnis ein Auszahlungshindernis begründet1. Nach dem BGH stehe dem nicht entgegen, dass der Schuldner nach § 271 Abs. 2 BGB grundsätzlich zu einer vorzeitigen Leistung berechtigt ist2. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Auslegungsregel, für deren Anwendung kein Raum ist, wenn im Einzelfall ausdrücklich vertragliche Absprachen getroffen worden sind. Dem BGH zufolge geht die versprochene Leistung iS von § 808 BGB bei einer vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist nur auf Auszahlung nach rechtzeitiger Kündigung3.
8.92
In diesem Zusammenhang stellt sich die weitere Frage, ob bei Auszahlung eines über den Freibetrag hinausgehenden Betrages die leistungsbefreiende Wirkung hinsichtlich des gesamten Betrages entfällt4 oder ob die befreiende Wirkung in Höhe des Freibetrages eintritt5. Diese Frage wurde in der Rechtsprechung unter der Geltung des aufgehobenen § 22 Abs. 1 KWG unterschiedlich beurteilt. Im Schrifttum wird eine Leistungsbefreiung auch bei einer vorzeitigen Auszahlung entgegen einer vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist hinsichtlich des gesamten Auszahlungsbetrages mit Hinweis auf die fehlende Schutzwirkung einer Kündigungsregelung zu Gunsten des Sparers teilweise bejaht6. Bei einer vorzeitigen Auszahlung über den Freibetrag hinaus an einen nichtberechtigten Vorleger kann jedoch grobe Fahrlässigkeit der Bank gegeben sein, welche die Liberationswirkung ausschließt7.
8.93
Der nichtberechtigte Inhaber einer Sparurkunde kann jedoch zunächst einen Guthabenbetrag kündigen und sich diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist auszahlen lassen. In diesem Fall erfolgt die Auszahlung zu Gunsten der Bank
8.94
1 BGH v. 14.1.1988 – III ZR 4/87, NJW 1988, 2100 (2100). 2 BGH v. 24.4.1975 – III ZR 147/72, WM 1975, 733 (735). 3 BGH v. 24.4.1975 – III ZR 147/72, WM 1975, 733 (735); BGH v. 20.11.1958 – VII ZR 4/58, WM 1958, 198 f. 4 So OLG Hamm v. 18.11.1960 – 8 U 138/60, NJW 1961, 1311 (1312); LG Hamburg v. 17.2.1983 – 2 S 17/82, WM 1983, 577; LG Essen v. 9.7.1987 – 16 O 143/87, WM 1987, 1452 (1453). 5 So BGH v. 20.3.1986 – III ZR 236/84, WM 1986, 608, vgl. hierzu K. Schmidt, JuS 1986, 998 f.; BayObLG v. 16.11.1967 – 1a Z 108/67, WM 1968, 259 (261); LG München I v. 26.9.1984 – 15 S 5443/84, WM 1985, 599. 6 Marburger in Staudiner, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 51 mwN; aA Baumbach/ Hefermehl/Casper, WPR Rz. 91. 7 Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 71 Rz. 55 f.; Thessinga in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, BankR III Rz. III 26.
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Einlagen- und Spargeschäft
leistungsbefreiend gegenüber dem berechtigten Gläubiger, da die Auszahlung nicht unter Missachtung der betreffenden Vereinbarungen des Sparvertrages erfolgte1. c) Ausschluss der Liberationswirkung
8.95
Aus dem Inhalt der Sparurkunde ersichtliche besondere Vereinbarungen, die die Funktion eines Auszahlungshindernisses haben, wie beispielsweise ein Sperrvermerk, stehen einer leistungsbefreienden Zahlung an einen nicht verfügungsberechtigten Inhaber grundsätzlich entgegen2. Denn die Legitimationswirkung des § 808 BGB kann nicht weiter reichen, als sich aus der Urkunde selbst ergibt3. In diesem Fall wird die versprochene Leistung zusätzlich durch eine weitere Vereinbarung zwischen Bank und Kunde bestimmt. Vor dem Hintergrund, dass § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB dispositives Recht ist, handelt es sich bei solchen Abreden letztlich um eine vertragliche Beschränkung der Legitimations- oder Liberationswirkung4.
8.96
Entsprechendes gilt für sich aus der Urkunde ergebende besondere Vereinbarungen, zB eine Kennwortvereinbarung. Eine Leistungsbefreiung gegenüber dem Berechtigten tritt daher nur ein, wenn diese von der betreffenden Vereinbarung gedeckt ist. Eine Pfändung wird demgegenüber durch eine Kennwortvereinbarung nicht unzulässig, da das Kennwort nur vor einer unrechtmäßigen Verfügung schützen soll. Nach Überweisung ist der Gläubiger der rechtmäßig Verfügungsbefugte und kann daher auch ohne Kenntnis des Kennwortes über das Sparguthaben verfügen5.
8.97
Die Regelung des § 808 BGB ist auch im Falle einer versperrten Anlage von Geldern eines Mündels oder unter Betreuung stehenden Kunden (hierzu Rz. 6.684) abbedungen. Wird Mündel- oder Betreutengeld gemäß der nach § 1809 BGB bestehenden Verpflichtung angelegt, so kann die Bank das betreffende Guthaben nur mit Genehmigung des Gegenvormunds bzw. Gegenbetreuers oder mit gerichtlicher Genehmigung auszahlen. Die Liberationswirkung des § 808 BGB ist insoweit eingeschränkt6. Die Bank kann daher nicht an den nichtberechtigten Vorleger des Legitimationspapieres mit befreiender
1 BGH v. 24.4.1975 – III ZR 147/72, WM 1975, 733 (736). 2 So bereits BGH v. 20.11.1958 – VII ZR 4/58, WM 1959, 198 f.; BGH v. 14.1.1988 – III ZR 4/87, WM 1988, 1478 ff., wonach eine Sperre nur durch Vereinbarung mit dem tatsächlichen Gläubiger der Spareinlage aufgehoben werden kann. 3 BGH v. 20.11.1958 – VII ZR 4/58, WM 1959, 198 f. 4 BGH v. 21.6.1976 – III ZR 99/74, WM 1976, 1050 f.; Habersack in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 808 BGB Rz. 30; nach Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 28, näher Rz. 31, soll in jedem Einzelfall durch Auslegung geklärt werden, ob derartige vertragliche Abreden ihrem Sinn nach die Liberationswirkung einschränken oder nur besondere Sorgfaltspflichten des Ausstellers begründen sollen, deren Verletzung Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. 5 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 334. 6 Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1809 BGB Rz. 7; Engler in Staudinger, Neubearb. 2004, § 1809 BGB Rz. 8 und 14.
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Spareinlagen
Wirkung auszahlen. Auf den Umstand, ob aus der Sparurkunde ein etwaiger Sperrvermerk ersichtlich ist, kommt es dabei nicht an1. Die Liberationswirkung zu Gunsten der Bank greift nach allgemeiner Ansicht zudem nicht, wenn die Bank positive Kenntnis von der Nichtberechtigung des Vorlegers hat. Dies kann beispielsweise bei einem der Bank angezeigtem Sparbuchverlust der Fall sein. Gleiches gilt, wenn auf Grund grober Fahrlässigkeit die fehlende Berechtigung des Verfügenden von der Bank nicht erkannt wird2. Dieser Ausschluss ist mit Blick auf einen wertenden Vergleich mit Inhaberpapieren, zB mit einem Wechsel (vgl. Art. 40 Abs. 3 WG), gerechtfertigt3. Anderenfalls reichte die Liberationswirkung bei einem qualifizierten Legitimationspapier weiter als bei einem Inhaberpapier.
8.98
IV. Verzinsung und formularmäßige Zinsklauseln Die Motive des Kunden, in welcher Form er bei der Bank eine Geldanlage unterhält, sind vielfältig und spiegeln sich regelmäßig in der konkreten Produktwahl wieder. Ist für den Anleger die Liquidität einer Geldanlage entscheidend, geht dies in aller Regel zu Lasten der Rendite. Im Einlagengeschäft wird regelmäßig der zu erwartende Zinsertrag für die Anlageentscheidung ausschlaggebend sein, weshalb für den Anleger insbesondere die nähere Ausgestaltung des Zinsanspruches von Interesse ist.
8.99
1. Zinsanspruch Das BGB enthält keine Definition des Zinsbegriffes. Nach allgemeiner Auffassung ist für die Begriffsbestimmung die Entgeltfunktion des Zinses maßgeblich. Hiernach ist die Verzinsung die gewinn- und umsatzunabhängige, nach der Laufzeit bemessene Vergütung für das der Bank zur Nutzung und auf Zeit überlassene Kapital4. Die Zahlung des Zinses kann ratierlich über die Zeit verteilt, regel- oder unregelmäßig oder einmalig in einem Betrag erfolgen5.
8.100
Eine gesetzliche Rechtspflicht zu einer Verzinsung besteht nicht. Für die Qualifizierung als Einlage iS von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG ist es unerheblich, ob Zinsen vergütet werden. Auch die Einordnung der Spareinlage als Darlehensgeschäft nach § 488 Abs. 1 BGB setzt eine Verzinsung nicht voraus. Den Vertragsparteien ist es unbenommen, ein Darlehen auch unverzinslich zu vereinbaren6. Ob die Leistung von Zinsen geschuldet sein soll, ist somit als Ausfluss der Vertragsfreiheit Gegenstand einer freien Vereinbarung zwischen Bank und Kunde.
8.101
1 Engler in Staudinger, Neubearb. 2004, § 1809 BGB Rz. 14. 2 Habersack in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 808 BGB Rz. 15. 3 Marburger in Staudinger, Neubearb. 2009, § 808 BGB Rz. 24; van Look in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 2 Rz. 46. 4 BGH v. 9.11.1978 – III ZR 21/77, NJW 1979, 805 (806). 5 Schulze in Schulze/Dörner/Ebert ua., § 246 BGB Rz. 3. 6 Berger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 488 BGB Rz. 55.
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Einlagen- und Spargeschäft
8.102
Auch die Höhe der Zinssätze ist der freien Gestaltung der Parteien überlassen1. Eine Grenze bildet § 138 BGB. Für das Neugeschäft und das Bestandsgeschäft eines Produktes müssen die Zinssätze nicht identisch sein. So kann beispielsweise durch besondere Zinskonditionen, die ausschließlich für Neuverträge gewährt werden, ein Anreiz für Neukunden geschaffen werden. Im Übrigen richtet sich die Berechnung der Höhe der Zinsschuld nach der konkreten Einlagenhöhe, Anlagendauer und Rückzahlungspflicht der Bank.
8.103
Die Dauer der Verzinsung wird regelmäßig von der Dauer der Nutzungsmöglichkeit des der Bank überlassenen Kapitals bestimmt sein2. Dies entspricht der Akzessorietät der Zinsschuld, wonach diese in ihrer Entstehung sowie in ihrem Fortbestand an eine Hauptschuld in Gestalt einer Rückzahlungspflicht gebunden ist3. Eine Pflicht zur Zinszahlung kann hiernach nicht als alleiniger Inhalt einer Schuld entstehen. Den Beginn der Verzinsung können die Parteien frei bestimmen4. So findet sich in Sonderbedingungen vieler Banken zu Gunsten des Kunden die Regelung, dass die Verzinsung bereits am Tag der Einzahlung beginnt. Im Übrigen beginnt die Verzinsung nach § 187 Abs. 1 BGB an dem Tag, welcher der Annahme der zu verzinsenden Einlage folgt. Der Anspruch auf Verzinsung endet regelmäßig mit der Fälligkeit der Einlage, da zu diesem Zeitpunkt auch die Kapitalnutzungsmöglichkeit endet.
2. Ausgestaltung der Zinsabrede
8.104
Der Anspruch auf die Zahlung von Zinsen beruht auf einer Abrede zwischen den Parteien des betreffenden Produktvertrages. Soweit im Einzelfall die Zinsabrede nicht eindeutig ist, muss im Rahmen der gebotenen Auslegung auf die eingangs genannte Funktion des Zinses als laufzeitabhängige Vergütung für die zeitweise Kapitalüberlassung abgestellt werden. Im Massengeschäft wie dem Sparverkehr wird die nähere Ausgestaltung des Zinsanspruches regelmäßig in einer eigenen formularmäßigen Zinsklausel vereinbart. Für kurzfristige Spareinlagen wie den herkömmlichen Sparbüchern enthalten die Sonderbedingungen für Sparkonten häufig eine Regelung zu Zinsen. Darin wird für die Höhe der jeweils maßgeblichen Zinssätze auf den „Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft“ der kontoführenden Stelle und ergänzend auf das Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank verwiesen5.
8.105
Für die Sparkonten im Übrigen wird die Regelung der Verzinsung zusammen mit anderen Absprachen über die wesentlichen Vertragsmerkmale wie insbesondere Anlagebetrag, Dauer der Kapitalüberlassung und Rückzahlungsmodalitäten üblicherweise im Produktvertrag selbst vereinbart. Da im Mengengeschäft der Banken standardisierte formularmäßige Produktverträge verwandt werden, ist eine Zinsklausel insbesondere am Maßstab der Inhaltskontrolle 1 2 3 4 5
Siehe auch Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, SB Spar Rz. 36. Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 70 Rz. 22. AA Berger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 488 BGB Rz. 168. BGH v. 8.11.1984 – III ZR 132/83, WM 1985, 10 (12). Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, SB Spar Rz. 36.
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Spareinlagen
nach §§ 307 ff. BGB zu beurteilen. Ob die Parteien eines Sparvertrages eine über dessen Gesamtlaufzeit gleich bleibende oder eine variable Verzinsung vereinbaren, ist jedoch eine durch gesetzliche Vorschriften nicht vorgegebene Preisregelung der Parteien, welche einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht unterworfen ist1. a) Festzins Vereinbaren die Parteien, dass über die gesamte Dauer der Kapitalüberlassung ein gleich bleibender Zinssatz geschuldet sein soll, kann diese Zinsabrede weder von der Bank noch von dem Kunden einseitig geändert werden. Vorteil einer Festzinsvereinbarung für Schuldner und Gläubiger ist die feste Kalkulierbarkeit von Zinsaufwand bzw. Zinsertrag. Diese Festschreibung kann sich aber nachteilig auswirken, wenn sich während der Laufzeit die Marktverhältnisse und das Zinsniveau nicht unerheblich ändern. Denn die davon in wirtschaftlicher Hinsicht nachteilig betroffene Partei kann einen Anpassungsbedarf einseitig nicht umsetzen. Grundsätzlich ist dieses Risiko umso höher, je länger die Gesamtlaufzeit dauert.
8.106
Aus AGB-rechtlicher Sicht sind Festzinsvereinbarungen nicht zu beanstanden. Die Höhe des Zinssatzes ist grundsätzlich frei vereinbar. Um die Konditionen wettbewerbsfähig zu gestalten, wird sich in der Praxis die Höhe des Zinssatzes regelmäßig am Markt vergleichbarer Einlagenprodukte orientieren2.
8.107
b) Variable Verzinsung Vereinbaren die Parteien einen für die Laufzeit der Anlage veränderlichen oder variablen Zinssatz, steht dessen konkrete Höhe nur bei Vertragsabschluss als anfänglicher Zinssatz fest, die künftige Entwicklung während der Laufzeit des Sparvertrages ist indes offen. Dabei unterliegt der anfängliche Vertragszins nicht der Inhaltskontrolle3. Grundsätzlich besteht für die Banken insbesondere bei langfristigen Sparverträgen ein Bedürfnis, auch für bestehende Verträge den Zinssatz an die veränderlichen Gegebenheiten des Geld- oder Kapitalmarktes anpassen zu können4. Ein solches Interesse wird auch vom Bundesgerichtshof für das Passivgeschäft der Banken ausdrücklich anerkannt5.
8.108
Der variable Zinssatz kann an eine bestimmte veränderliche Bezugsgröße fest gekoppelt sein, so dass sich der Zinssatz bei der Veränderung der Bezugsgröße automatisch verändert6. Mit Blick auf diese unmittelbare Auswirkung solcher Veränderungen spricht man von Zinsgleitklauseln. Der Bank steht dabei kei-
8.109
1 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (934); BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493; BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825 (826). 2 Siehe auch Rösler/Lang, ZIP 2006, 214 (219). 3 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (934). 4 Schebesta, BKR 2005, 217 (224). 5 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825 (827). 6 Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 78 Rz. 60; Schebesta, BKR 2002, 564 (567).
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Einlagen- und Spargeschäft
nerlei Ermessensspielraum zu. Die AGB-mäßige Vereinbarung einer solchen Zinsgleitklausel ist aus der Sicht der Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 1 BGB) grundsätzlich unbedenklich1.
8.110
Hiervon abzugrenzen sind die (vor allem im Kreditgeschäft) üblichen Zinsanpassungs- oder Zinsänderungsklauseln, bei denen der Bank ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) eingeräumt wird. Für die Beurteilung der Wirksamkeit ihrer formularmäßigen Vereinbarung stellt sich die Frage nach Umfang und Grenzen der Zinsänderungsbefugnis. So ist von Interesse, nach welchen Kriterien die Höhe der Verzinsung während der Vertragsdauer bestimmt wird und unter welchen konkreten Voraussetzungen eine einseitige Änderung des Zinssatzes erfolgen kann. aa) Gestaltungsrahmen formularmäßiger Zinsänderungsklauseln
8.111
Die Grenzen eines formularmäßigen Änderungsvorbehaltes werden insbesondere von dem AGB-Recht bestimmt. Eine Zinsklausel, welche der Bank das Recht zu einer einseitigen Zinsänderung einräumt, begründet inhaltlich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Bank. Nach der Rechtsprechung ist dessen Wirksamkeit am Maßstab der §§ 307, 308 Nr. 4 BGB zu beurteilen2. Hiernach ist ein Änderungsvorbehalt unwirksam, wenn die Vereinbarung der Änderung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den Kunden unzumutbar ist. Die Beweislast für die Zumutbarkeit obliegt dabei dem Verwender und mithin der Bank3.
8.112
Ausgehend von der rechtlichen Beurteilung von Zinsänderungsklauseln für das Kreditgeschäft4 wurde die Frage nach der Zulässigkeit entsprechender Klauseln auch für Einlagenprodukte diskutiert. Für einen langfristig angelegten Sparvertrag, der neben einer variablen Grundverzinsung eine laufzeitabhängige Einmalzahlung bei Vertragsende vorsieht, hat der BGH auf die Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbandes hin in einer Grundsatzentscheidung eine formularmäßige Zinsänderungsklausel, welche der Bank eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräumt, wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB für unwirksam erklärt5. Der Sparer dürfe angesichts des Langfristcharakters des Sparvertrages nicht einem unkalkulierbaren Zinsänderungsrisiko ausgesetzt werden. Vielmehr sei dem beklagten Kreditinstitut zuzumuten, unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarktes diejenigen oder eine Kombination derjenigen auszuwählen, die den Gegebenheiten des betreffenden Einlagengeschäftes nahe kommen und sie zum Maßstab für künftige 1 Habersack, WM 2001, 753 (754); Bruchner, BKR 2001, 16 (17); vgl. weiter Metz, BKR 2001, 21 (26 ff.). 2 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825 (826); LG Düsseldorf v. 23.11.2005 – 12 O 45/05, WM 2006, 570 (571); AG Koblenz v. 15.6.2007 – 161 C 3970/06, WM 2007, 2057. 3 Kieninger in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 308 Nr. 4 BGB Rz. 12. 4 Hierzu näher Wand, WM 2005, 1932 (1937 ff.); Schebesta, BKR 2005, 217; Schimansky, WM 2001, 1169; Habersack, WM 2001, 753. 5 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825 ff.
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Spareinlagen
Zinsänderungen zu machen. Zur Vermeidung der Unzumutbarkeit könne die Bank auf der Grundlage der beabsichtigten Verwendung der betreffenden Einlagen die für den danach in Betracht kommenden Teil ihres Aktivgeschäftes maßgeblichen Parameter des Kapitalmarktes einer Umschreibung der Voraussetzungen, Richtlinien und Grenzen für künftige Zinsänderungen zugrunde legen. Zudem müsse das bei Vertragsabschluss bestehende Verhältnis zwischen Vertragszins und Referenzzins während der gesamten Vertragsdauer gewahrt bleiben1. Dies ist der Fall, wenn der Abstand zwischen beiden vorgenannten Zinssätzen während der gesamten Vertragslaufzeit beibehalten wird2. Mit der Vereinbarung der vorgenannten Parameter in einer formularmäßigen Zinsänderungsklausel soll für den Kunden das Risiko beliebiger Zinsänderungen ausgeschlossen und das gebotene Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Zinsänderungen geschaffen werden.
8.113
Im Ergebnis dürfen nach der BGH-Rechtsprechung unzumutbare Änderungen nicht möglich sein. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Zinsänderungsklausel kommt es entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen an, für die ein Zinsänderungsvorbehalt gelten soll3. In diesem Zusammenhang stellt der BGH insbesondere auf den Langfristcharakter des Sparvertrages und die konkreten Nachteile einer vorzeitigen Verfügung ab4.
8.114
Zur Wahrung des Transparenzgebotes des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB müssen die Voraussetzungen für eine Anpassung des Zinssatzes in einer Zinsänderungsregelung nachvollziehbar dargestellt sein, damit für den Sparer mögliche Leistungsänderungen in einem gewissen Maß kalkulierbar sein. Die Befugnis zur Änderung des variablen Zinssatzes muss durch eine Bindung an bestimmte Parameter des Kapitalmarktes begrenzt sein5. Für die Auswahl der Referenzgröße kommt in der Rechtsprechung des BGH der Mittelverwendung beson-
8.115
1 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825 (828). 2 Zu der Unterscheidung zwischen absolutem und prozentualem Abstand des Vertragszinses zum Referenzzins siehe auch BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (936). Während im Rahmen der Inhaltskontrolle die Regelung eines absoluten Abstandes in einer Zinsänderungsklausel zulässig sein kann, kann dem BGH zufolge eine hierauf beruhende Zinsberechnung im Rahmen einer als Folge einer unwirksamen Zinsänderungsklausel vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung unzulässig und allein der relative Abstand maßgeblich sein (hierzu Rz. 8.122). 3 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825 (827). 4 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825 (827 f.). 5 Stellenweise wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung auch bereits die Bindung an den Zinssatz für Neuverträge, der letztlich durch den marktwirtschaftlichen Wettbewerb reguliert wird, als hinreichende Begrenzung der Anpassungsfreiheit der Bank beurteilt, so zB LG Frankfurt a.M. v. 18.1.2008 – 2-01 S 274/06. Anknüpfungspunkt hierfür sind die Ausführungen des BGH, wonach die Bindung des Zinssatzes für bestehende Sparverträge an den für das Neugeschäft geltenden Zinssatz im Zusammenhang mit der Frage nach einer Begrenzung der Änderungsbefugnis angesprochen wird, siehe BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825 (827).
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Einlagen- und Spargeschäft
dere Bedeutung zu. Als Referenzgröße können eine oder mehrere objektive Größen des Kapitalmarktes dienen, die eine Sachnähe zu der konkreten Verwendung der betreffenden Einlagen haben. Die Mittelverwendung durch die Bank orientiert sich an den jeweiligen Produktmerkmalen des Sparvertrages, wie Anlagedauer, Abhängigkeit des Zinsertrages von einer über die Vertragsdauer ansteigenden Sparprämie, Möglichkeiten einer vorzeitigen Verfügung, Kündigungsfristen und -sperrfristen etc.1. So ergibt sich beispielsweise aus den vertraglichen Abreden, mit welcher zeitlichen Bindung das Einlagenaufkommen aus dem betreffenden Sparvertrag der Bank zur Verfügung steht. Durch eine langfristige Bindung der Einlagen bestehen für die Bank grundlegend andere Verwendungsmöglichkeiten als bei kurzfristig gebundenen Einlagen. Auch in ihrer Wiederanlage sind kurzfristig und länger gebundene Spareinlagen regelmäßig unterschiedlich strukturiert, und die jeweiligen Zinsen bei der Wiederanlage entwickeln sich erfahrungsgemäß unterschiedlich2. Letztlich ist die vertraglich geschuldete Gesamtverzinsung, deren Bestandteil auch eine laufzeitabhängige Einmalzahlung („Bonus“, „Prämie“ etc.) sein kann, von der Bank durch die betreffende Mittelverwendung zu erwirtschaften. Daher scheiden Referenzzinssätze, die mit der tatsächlichen kalkulatorischen Grundlage der Bank wenig oder nichts gemein haben, als sachgerechte Bezugsgröße aus.
8.116
Die als objektiver Anknüpfungspunkt zu benennenden Kapitalmarktgrößen müssen öffentlich zugänglich und damit für den Kunden leicht nachvollziehbar sein (zB Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank, EWU-Zinsstatistik etc.)3. Der Kunde muss in der Lage sein, den Inhalt der Klausel zu erfassen und die in der Klausel angeführten Parameter des Kapitalmarktes sowie deren Entwicklung nachzuprüfen4. Soweit ein Referenzzins aus einer Kombination aus mehreren objektiven Parametern gebildet wird, ist in der Zinsklausel neben den einzelnen Komponenten auch deren jeweilige Gewichtung zu vereinbaren.
8.117
Schließlich ist die Ausübung des billigen Ermessens durch die Bank in einem Zinsänderungsmodus konkret zu umschreiben. So sind insbesondere die Intervalle einer Überprüfung (monatlich, vierteljährlich etc.) sowie ggf. ein Schwellenwert der Veränderung der Bezugsgröße, bei dessen Erreichen eine Zinsänderung erfolgen soll, in der Zinsklausel zu regeln5. Weicht die Bank bei der Höhe der Zinsanpassung von den Bewegungen der maßgeblichen Bezugsgröße ab, ist sie für die Frage der Angemessenheit der erfolgten Zinsänderung beweispflichtig. Zudem ist zu beachten, dass bei negativer wie auch bei positiver Veränderung eine Gleichheit der Änderung gewahrt ist. 1 Vgl. LG Arnsberg v. 31.10.2007 – 3 S 119/06, Rz. 32 ff. (zitiert nach juris), sowie LG Bielefeld v. 6.6.2007 – 21 S 41/07 (unveröffentlicht). 2 LG Düsseldorf v. 19.10.2007 – 6 O 531/06, Rz. 40 f. (zitiert nach juris). 3 Rösler/Lang, ZIP 2006, 214 (215); zur Repräsentativität der Statistik der Deutschen Bundesbank siehe auch BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 285/03, WM 2005, 322 (324); BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (935). 4 Hensen, EWiR § 308 BGB 1/04, 587 (588). 5 Schebesta, BKR 2005, 217 (224).
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Spareinlagen
bb) Unwirksame Zinsklauseln und Lückenschließung im Vertrag Soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise unwirksam sind, bleibt nach § 306 Abs. 1 BGB der Vertrag im Übrigen wirksam. Mit Blick auf die oben dargestellte Grundsatzentscheidung des BGH stellt sich daher die Frage, welche Regelung über die Verzinsung an Stelle einer nach den BGHGrundsätzen unwirksamen Zinsklausel in bestehenden Sparverträgen gilt. Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung nachfolgenden Urteilen ausdrücklich klar gestellt, dass die grundsätzliche Entscheidung der Vertragsparteien für eine variable Verzinsung von der Unwirksamkeit einer Zinsanpassungsklausel unberührt bleibt1. Damit scheidet eine etwaige dauerhafte feste Verzinsung zu dem Anfangszinssatz aus. Im Ergebnis lässt sich hiernach die Zinsklausel in eine kontrollfreie Vereinbarung über die Variabilität des Zinssatzes einerseits und eine der AGB-Kontrolle unterliegende Bestimmung über das Wie der Zinsänderung andererseits aufteilen.
8.118
Für Bestandsverträge mit einer mangels des erforderlichen Mindestmaßes an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksamen Zinsklausel stellt sich somit die Frage, wie die entstandene Lücke in der vertraglichen Vereinbarung zu schließen ist. Mit der Unwirksamkeit der Klausel entfällt das einseitige Leistungsbestimmungsrecht der Bank2. Der BGH weist mangels dispositiven Gesetzesrechts den Weg der ergänzenden Vertragsauslegung. Deren Ziel ist die Herstellung eines angemessenen Interessenausgleiches zwischen den Parteien. Danach ist entscheidend, welche Regelung Bank und Kunde in Kenntnis der Unwirksamkeit der betreffenden Klausel nach dem Vertragszweck und nach sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben gewählt hätten3. Die ergänzende Vertragsauslegung hat dem BGH zufolge auch gegenüber einem etwaigen einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Kunden nach §§ 316, 315 Abs. 1 BGB Vorrang, da ein Rückgriff auf die Regelung des § 316 BGB dem Interesse der Vertragsparteien regelmäßig nicht entspricht4. Im Ergebnis kommt daher eine einseitige Festlegung der für eine Zinsanpassung maßgeblichen Parameter, gleich durch welche Partei, nicht in Betracht. Vielmehr sind diese Parameter im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung von dem damit befassten Gericht selbst zu bestimmen5.
8.119
Damit stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die im Rahmen der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung maßgeblichen Parameter festzulegen
8.120
1 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (934); BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 (1494); zu dem Klausel- und Kontroll„splitting“ Bannert, EWiR § 308 BGB 1/09, 11. 2 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (934 f.); Burkiczak, BKR 2007, 190 (193); Rösler/Lang, ZIP 2006, 214 (218); aA Habersack, WM 2001, 753 (760) zu Zinsänderungsklauseln in Darlehensverträgen. 3 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (934); BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 (1494). 4 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (934). 5 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (935); vgl. auch Schimansky, WM 2001, 1169 (1175).
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Einlagen- und Spargeschäft
sind. Allgemein müssen diese dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit entsprechen. Der BGH führt als wichtigsten Parameter den Referenzzins an, dessen Veränderung eine Zinsänderung auslöst. Dieser Referenzzins muss zunächst in öffentlich zugänglichen Medien, wie beispielsweise den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank, ausgewiesen sein und von unabhängigen Stellen in einem fest definierten Verfahren bestimmt werden1. Da nach der Rechtsprechung des BGH unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarktes diejenige oder eine Kombination derjenigen auszuwählen ist, die dem konkreten Geschäft der Bank mit den betreffenden Einlagen möglichst nahe kommen2, scheidet für langfristige Sparverträge dem BGH zufolge eine – selbst in ihrer Gewichtung eher untergeordnete – anteilige Einbeziehung eines Referenzzinses für kurzfristige Spareinlagen aus3. Insbesondere der Spareckzins ist hiernach keine sachgerechte Bezugsgröße4. Abhängig von dem konkreten Konzept des Sparvertrages sind nach dem BGH vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten für die Wahl des Referenzzinses ohne Bedeutung, wenn bei einer vorzeitigen Verfügung keine oder eine wesentlich geringere Prämie als bei Ende der Laufzeit anfällt5. Denn in diesem Fall stelle eine vorzeitige Verfügung für den Kunden keine echte Handlungsalternative dar. Im Ergebnis wird daher das mit einer ergänzenden Vertragsauslegung befasste Gericht einen öffentlich zugänglichen Referenzzins für langfristige Spareinlagen heranziehen müssen, welcher idealerweise sowohl der Laufzeit des streitgegenständlichen Sparvertrages wie auch der Struktur des Ansparvorgangs entspricht oder aber möglichst nahe kommt. Unbeantwortet bleibt in der Rechtsprechung des BGH jedoch die Frage nach einem sachgerechten Referenzzins für Laufzeiten eines Sparvertrages, für welche eine den BGH-Anforderungen entsprechende öffentlich zugängliche Zinsstatistik fehlt. In einem konkreten Verfahren wird diese Frage im Zweifel nur mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens zu klären sein.
8.121
Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sind zudem Anpassungsschwelle sowie Anpassungsintervall zu bestimmen. Dies muss abhängig von den entsprechenden Vereinbarungen der Parteien erfolgen, soweit diesen Abreden ein Hinweis auf den Parteiwillen entnommen werden kann. Entspricht es dem Willen der Parteien, dass jede Veränderung des Referenzzinses ohne Erreichen einer bestimmten Anpassungsschwelle eine Veränderung des Vertragszinses auslöst, soll nach dem BGH selbst ein Schwellenwert von 0,1 Prozentpunkten nicht interessengerecht sein6. Das Anpassungsintervall dürfte sich regel-
1 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (935). 2 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2005, 825 ff.; dazu auch Rz. 8.114. 3 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (935) bei einer Einbeziehung eines Referenzzinses für kurzfristige Spareinlagen mit einem Anteil von 20 %. 4 Aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung: für den Spareckzins als einzige sachgerechte Bezugsgröße AG Koblenz v. 15.6.2007 – 161 C 3970/06, WM 2006, 2057; dabei wird ua. verkannt, dass der Spareckzins einen institutseigenen Zinssatz und weniger eine objektive Größe des Kapitalmarktes darstellt. 5 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (935). 6 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (936).
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8. Teil
Spareinlagen
mäßig nach dem Veröffentlichungszyklus des maßgeblichen Referenzzinses richten1. Schließlich muss eine Zinsänderung das Äquivalenzprinzip berücksichtigen. Danach darf durch eine Zinsänderung das Grundgefüge des Vertragsverhältnisses nicht zu Gunsten der Bank verschoben werden2. Während ein gleich bleibender nominaler Abstand des Vertragszinses zum Referenzzins im Wege der Inhaltskontrolle hinsichtlich § 308 Nr. 4 BGB zulässig sein kann, mag im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung nach dem BGH eine als Folge eines immer gleichen Abstandes gegebene absolute Margensicherung sich als nicht interessengerecht darstellen, weshalb in diesem Fall der relative Abstand des Vertragszinses zum Referenzzins maßgeblich sein soll3.
8.122
cc) Kurzfristige Sparverträge Dem Grundsatzurteil des BGH v. 17.2.2004 zur Unwirksamkeit einer formularmäßigen Zinsanpassungsklausel lag ein langfristiger Sparvertrag mit einer variablen Grundverzinsung und einer bei Vertragsende zu zahlenden laufzeitabhängigen Einmalzahlung zugrunde. In den Entscheidungsgründen wurde, wie bereits dargelegt, im Rahmen der Interessenabwägung besonders auf den Langfristcharakter des Vertrages und die konkreten Nachteile des Sparers bei vorzeitigen Verfügungen abgestellt. Die Langfristigkeit war neben der Vereinbarung gleichbleibender monatlicher Sparraten insbesondere durch die über die Vertragsdauer ansteigenden und erst ab dem dritten Vertragsjahr beginnenden Sparprämien gekennzeichnet. Damit ist die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Sparvertrages eine für die rechtliche Beurteilung der Zinsänderungsmodalitäten entscheidende Größe. Ungeklärt ist bislang, nach welchen Maßstäben variable Zinsklauseln in kurzfristigen Sparverträgen, vornehmlich den insbesondere auf Sparbüchern unterhaltenen herkömmlichen Spareinlagen mit drei Monaten Kündigungsfrist, rechtlich zu beurteilen sind4.
8.123
Für die Beurteilung dieser Frage ist von Bedeutung, inwieweit der Kunde bei kurzfristigen Anlagen auf veränderte Marktbedingungen sowohl im Hinblick auf die gegebenen Verfügungs- und Ausstiegsmöglichkeiten sowie auf die jederzeitige unbeschränkte Möglichkeit weiterer Einzahlungen flexibel und zeitnah reagieren kann5. Sind derartige Möglichkeiten gegeben, ist der Kunde nicht in gleichem Maße einem einseitigen Zinsänderungsrisiko ausgesetzt wie in dem Ausgangsfall der BGH-Rechtsprechung. In diesem Fall ist ein vergleichbar schutzwürdiges Interesse des Kunden nicht erkennbar. Der BGH weist mit Blick auf kurzfristige Passivgeschäfte zu Recht darauf hin, dass es
8.124
1 ZB monatliche Anpassungen bei einer regelmäßigen monatlichen Veröffentlichung eines Referenzzinses aus den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank. 2 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (936). 3 BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, WM 2010, 933 (936). 4 Burkiczak, BKR 2007, 190; Schebesta, WuB IV C. § 308 BGB 1.08. 5 Schebesta, WuB IV C. § 308 Nr. 4 BGB 1.06; vgl. auch Schebesta, BKR 2002, 564 (569); Harbeke in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 39 Rz. 28.
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8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
sich dabei um keine definitive Anlagenentscheidung des Kunden, sondern nur um die Möglichkeit, für den Zahlungsverkehr vorübergehend nicht benötigte Mittel zwischenzuparken, handelt1. Vor diesem Hintergrund ist es nicht geboten, die in der vorgenannten Grundsatzentscheidung des BGH formulierten Anforderungen auch für kurzfristige Spareinlagen unverändert anzuwenden. Vielmehr ist eine Bindung des Zinssatzes für bestehende Verträge an die Zinshöhe für das Neugeschäft eine hinreichende Begrenzung der bankseitigen Möglichkeit zur Zinsänderung2. c) Kombination aus variablem und festem Zins
8.125
Auch eine Kombination aus veränderlichem und festem Zins ist möglich. Üblicherweise wird eine solche Kombination bei längerfristigen Sparverträgen in Form eines variablen Grundzinses und einer einmaligen, bei Laufzeitende fälligen Bonuszahlung vereinbart, deren Höhe nach der Anspardauer gestaffelt ist. Dieser Bonus kann auf die gezahlten Zinsen oder auf die geleisteten Einzahlungen bezogen oder davon unabhängig ein bereits bei Vertragsschluss fest vereinbarter Betrag sein. Umgekehrt kann der Basiszins fest vereinbart sein und der Bonus seiner Höhe nach nicht von vornherein feststehen, da dieser von der Entwicklung bestimmter Kapitalmarktgrößen oder gar außerhalb des Finanzsektors liegender Zufallsgrößen abhängt (hierzu Rz. 8.127 f.). In jedem Fall ist ein solcher Bonus Entgelt für die Kapitalüberlassung und damit Zinsertrag.
8.126
Soweit bei einem Ansparvertrag alle periodischen Sparraten bonusberechtigt sind und der Sparer das Recht hat, die ursprünglich vereinbarte Sparrate jederzeit zu erhöhen, sind im Einzelfall die Grenzen des § 242 BGB zu beachten. Erhöht der Sparer gegen Ende der Vertragslaufzeit seine Sparraten massiv und außerverhältnismäßig, um trotz der geringen Restspardauer darauf den vollen Bonus zu erhalten, kann dies ein rechtsmissbräuchliches Verhalten begründen, wenn die Vertragsdurchführung für die Bank unzumutbar ist, weil der Kunde den Irrtum des Vertragsgestalters in besonderem Maße ausgenutzt hat3. Denn in diesem Fall kann eine Zweckentfremdung der Bonusregelung gegeben sein, da die betreffenden Sparraten nicht einer längerfristig angelegten Vermögensbildung, sondern der Kapitalanlage dienen4. d) Zinsklauseln mit Zufallskomponente
8.127
Die jüngere Produktentwicklung im Einlagen- und Spargeschäft ließ innovative Produkte entstehen, bei welchen die Höhe der Verzinsung von der zufälligen und ungewissen Entwicklung eines bestimmten Ereignisses oder dessen Ausgang abhängig gemacht wird. So wird ähnlich der Struktur vieler Inhaber1 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, WM 2004, 825 (828). 2 Schebesta, WuB IV C. § 308 Nr. 4 BGB 1.06; Schebesta, BKR 2005, 217 (225); LG Frankfurt a.M. v. 20.3.2009 – 2-01 S 70/08. 3 OLG Karlsruhe v. 30.6.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741 (1742 f.). 4 OLG Karlsruhe v. 30.6.2009 – 17 U 497/08, WM 2009, 1741 (1743).
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Spareinlagen
einlagenzertifikate die Verzinsung beispielsweise an den Kurs- oder Preisverlauf bestimmter Kapitalmarktgrößen wie Indices, Aktien etc. oder gar an außerhalb der Finanzwelt liegende Ereignisse wie zB den Ausgang von Sportereignissen1 geknüpft. Dabei kann sich diese Abhängigkeit auch nur auf einen Teil des Zinsertrags beziehen, beispielsweise in Form eines am Laufzeitende ggf. zu zahlenden Zinsbonus, und im Übrigen ein fester Basiszins vereinbart sein2. In rechtlicher Hinsicht ist maßgeblich, unter welchen Voraussetzungen eine Zinspflicht der Bank entsteht oder fällig wird. Regelmäßig wird der Eintritt der ungewissen Erfolgsgröße als Entstehungsvoraussetzung für die Zinszahlungspflicht ausgestaltet sein. Ebenso kommt eine aufschiebende Bedingung in Betracht3. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wurden derartige „ereignisbezogene“4 Produkte von der Rechtsprechung in den Fokus des Wettbewerbsrechts gestellt5. So hatte der BGH darüber zu entscheiden, ob die zufallsabhängige Verzinsung ein unzulässiges Glücksspiel ist, da nach §§ 3, 4 Nr. 6 UWG die Teilnahme von Verbrauchern an einem Gewinnspiel nicht von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht werden darf6. Zwar hat der BGH entgegen der Vorinstanzen einen weiten Dienstleistungsbegriff zugrunde gelegt und auch die Überlassung von Kapital gegen Entgelt hierunter gefasst. Allerdings müssen Gewinnspiel und Erbringung der Dienstleistung voneinander getrennt sein7. Da bei einer zufallsabhängigen Zinsregelung der mögliche Gewinn sich unmittelbar auf die vertragliche Leistung auswirke, liege nur ein besonderes Verfahren der Preisgestaltung vor. Hiernach sind Produkte, bei denen die Zinsabrede wegen der Bezugnahme auf ungewisse Erfolgsgrößen zwar ein spielerisches Element und ein Zufallsrisiko enthält, weder als unvollkommene Verbindlichkeit noch als unzulässiges Gewinnspiel einzuordnen.
8.128
V. Sparbriefe Eine weitere Ausgestaltungsform eines Sparproduktes ist der Sparbrief. Dieser lautet auf den Namen einer bestimmten Person und verbrieft einen Anspruch, zu einem bestimmten Zeitpunkt, eine bestimmte, bereits in der Urkunde festgelegte Geldsumme zu erhalten. Für die Geltendmachung der verbrieften Einlagenforderung ist der Besitz der Urkunde materiell-rechtlich erforderlich8. Der Sparbrief ist damit ein nicht börsenfähiges Rektapapier und eigenständi-
1 2 3 4 5 6
Vgl. auch Kessler/Heda, WM 2004, 1812; Servatius, WM 2004, 1804 ff. Vgl. auch BGH v. 19.4.2007 – I ZR 57/07, WM 2007, 1918 („150 % Zinsbonus“). Vgl. auch Servatius, WM 2004, 1804 (1811). Vgl. Mülbert/Böhmer, WM 2006, 937 für Finanztermingeschäfte. Kirchhoff, WM 2009, 97 (100 ff.). BGH v. 19.4.2007 – I ZR 57/05, WM 2007, 1918 ff.; Köhler in Köhler/Bornkamm, 28. Aufl. 2010, § 4 UWG Rz. 6.6 ff. 7 BGH v. 19.4.2007 – I ZR 57/05, WM 2007, 1918 (1921). 8 Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR Rz. 71.
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8.129
8. Teil
Einlagen- und Spargeschäft
ges Wertpapier1. Eine Leistungsbefreiung zu Gunsten der Bank kann nur bei Zahlung an den wahren Berechtigten eintreten. Mit Blick auf die Rechtsnatur des Sparbriefes als eine Namensschuldverschreibung ist nur der namentlich Berechtigte oder dessen Rechtsnachfolger befugt, die verbrieften Ansprüche geltend zu machen2. Eine Übertragung erfolgt durch Abtretung des Rückzahlungsanspruches3. Das Eigentum an der Sparbriefurkunde steht dem Gläubiger des verbrieften Rechts zu4.
8.130
Da Sparbriefe als nicht börsenfähige Rektapapiere keine Finanzinstrumente und keine Wertpapiere iS von § 2 WpHG sind, unterfallen sie nicht der Aufsicht durch die BaFin nach dem WpHG. Zwar sind Sparbriefe gemäß § 8f Abs. 1 Satz 2 VerkProspG als öffentlich angebotene Vermögensanlagen einzuordnen, gemäß § 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. d VerkProspG kann jedoch das öffentliche Angebot von durch Kreditinstitute ausgegebenen Namensschuldverschreibungen prospektfrei erfolgen.
8.131
Sparbriefe können grundsätzlich in zwei Formen ausgestaltet sein. Sie können entweder zum Nennwert ausgegeben, jährlich verzinst und zum Nennwert zurückgezahlt werden. Daneben kann ein Sparbrief auch ein abgezinstes Papier sein, dessen Zins und Zinseszins von vornherein für die gesamte Laufzeit auf den Verkaufspreis angerechnet werden mit der Folge, dass der Verkaufspreis unter dem Nennwert liegt. Die Laufzeiten von Sparbriefen betragen regelmäßig zwischen einem und zehn Jahren. In der Bankbilanz werden Sparbriefe als Verbindlichkeiten gegenüber Kunden mit vereinbarter Laufzeit oder Kündigungsfrist ausgewiesen (§ 21 Abs. 2 RechKredV).
8.132
Gegenüber dem Sparbuch bestehen erhebliche Unterschiede. Bei dem Sparbuch ist für die konkrete Höhe der Einlagenforderung letztlich nicht die Urkunde, sondern die tatsächliche Einlagenhöhe maßgeblich. Die unterschiedliche Rechtsnatur von Sparbrief und Sparbuch wird auch bei der Anlegung auf den Namen eines Dritten deutlich. Bei einem auf den Namen eines Dritten ausgestellten Sparbrief erwirbt der Dritte die verbriefte Forderung, was zwingend aus der Rechtsnatur als Namenspapier folgt5. Selbst der Besitz des Sparbriefes schützt nicht die Verfügungsmöglichkeit des nicht als Gläubiger genannten Anlegers6. Eine Liberationswirkung wie bei einem Sparbuch, bei dem mit befreiender Wirkung an den Vorleger des Sparbuches gezahlt werden kann, ist bei einem Sparbrief nicht gegeben7. 1 BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 179/88, WM 1989, 1640 (1641); Gursky in Staudinger, Neubearb. 2004, § 952 BGB Rz. 5; Habersack in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 808 BGB Rz. 23. 2 BGH v. 25.6.1987 – IX ZR 199/86, WM 1987, 1038. 3 BGH v. 25.6.1987 – IX ZR 199/86, WM 1987, 1038. 4 Gursky in Staudinger, Neubearb. 2004, § 952 BGB Rz. 5; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR Rz. 71. 5 OLG Celle v. 16.2.1994 – 3 U 84/93, WM 1994, 1069; Göbel, WuB I C. 2.–1.95; Harbeke in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 39 Rz. 11. 6 OLG Hamm v. 13.10.1986 – 11 W 2/86, WM 1987, 1128. 7 OLG Hamm v. 28.11.1990 – 31 U 161/90, WM 1991, 984 (985).
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8. Teil
Spareinlagen
Diese Unterschiede können ausnahmsweise eine Aufklärungs- und Beratungspflicht begründen, wenn der Anleger gegenüber der Bank deutlich macht, dass er bei einer Anlage auf den Namen eines Dritten sich der Verfügungsmöglichkeit nicht begeben will1. Eine grundsätzliche Verpflichtung der Bank, über die unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung bei der Anlage von Geldern auf einem Sparbuch oder bei dem Erwerb eines Sparbriefes auf den Namen eines Dritten ungefragt zu informieren, besteht jedoch nicht2.
1 Vortmann, EWiR § 276 BGB 5/94, 641 (642). 2 OLG Celle v. 16.2.1994 – 3 U 84/93, WM 1994, 1069 (1070).
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8.133
9. Teil Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
. . . . .
Rz. 1
I. Entwicklung des Investmentrechts . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutschland . . . . . . . . . . . 2. Europäische Ebene . . . . . . .
3 3 4
1. Abschnitt: Allgemeines
II. Abgrenzung von verwandten Geschäftsfeldern . . . . . . 1. Investmentclubs . . . . . . . 2. Geschlossene Fonds . . . . . 3. REITs . . . . . . . . . . . . 4. Vermögensverwaltung für Gemeinschaftsdepots . . . .
. . . .
. . . .
18 24 25 26
. .
27
2. Abschnitt: Grundstrukturen des Investmentgeschäfts .
31
I. Ausgestaltung der Fondsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kapitalanlagegesellschaft und das Vertragsmodell . . . . . 2. Die Investmentaktiengesellschaft und das Gesellschaftsmodell . . . . . . . . . . . . . . II. Aufgabenteilung zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank . . . . . . . . . . . . . . . III. Bildung von Sondervermögen . . 1. Treuhand- oder Miteigentumsmodell . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzbestimmungen zu Gunsten der Anleger in Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . .
31 33
36
43 44 45
Rz. 3. Abschnitt: Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds . . . . . . . . .
71
I. Gesetzliche Systematik . . . . .
71
II. Richtlinienkonforme Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . .
78
III. Nicht harmonisierte Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . 1. Immobilien-Sondervermögen (§§ 66 ff. InvG) . . . . . . . . . . 2. Gemischte Sondervermögen (§§ 83 ff. InvG) . . . . . . . . . . 3. Altersvorsorge-Sondervermögen (§§ 87 ff. InvG) . . . . . . . . . . 4. Infrastruktur-Sondervermögen (§§ 90a ff. InvG) . . . . . . . . . 5. Sonstige Sondervermögen (§§ 90g ff. InvG) . . . . . . . . . 6. Mitarbeiterbeteiligungs-Sondervermögen (§§ 90l ff. InvG) . . . . 7. Spezial-Sondervermögen (§§ 91 ff. InvG) . . . . . . . . . . . . . . 8. Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (Hedgefonds) (§§ 112 ff. InvG) . . . . . . . . . . . . . . a) Einzel-Hedgefonds . . . . . . b) Dach-Hedgefonds . . . . . . .
96 97 114 116 119 125 128 130
136 137 143
4. Abschnitt: Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten . . . . . . . . . . 151
IV. Open-End-Prinzip . . . . . . . .
53
I. Rechtsbeziehung der Kapitalanlagegesellschaft zu den Anteilsinhabern . . . . . . . . . . . . . 152
V. Publikumsfonds und Spezialfonds . . . . . . . . . . . . . .
57
II. Rechtsbeziehung der Kapitalanlagegesellschaft zur Depotbank . 157
VI. Wertpapiermäßige Verbriefung der Rechtsposition der Anleger .
64
III. Rechtsbeziehung der Depotbank zu den Anteilsinhabern . . . . . 160
48
Schrifttum: Baur, Investmentgesetze, 2. Aufl. 1997; Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Handbuch für das gesamte Investmentwesen, Loseblatt; Brinkhaus/Scherer, Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften/Auslandsinvestment-Gesetz, 2003; Fock, Gemischte Sondervermögen, WM 2006, 2160; Klebeck, Neue Richtlinie für Verwalter von alternati-
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
ven Investmentfonds?, DStR 2009, 2154; Laux, Zur Umsetzung der Richtlinie zur Harmonisierung des europäischen Investmentrechts in das deutsche Investmentrecht, WM 1990, 1093; Pötzsch, Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 949; Pütz/Schmies, Die Umsetzung der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Hedgefonds in der Praxis, BKR 2004, 51; Seibt/Conradi, Handbuch REIT Aktiengesellschaft, 2008; von Livonius, Investmentrechtliche Rahmenbedingungen für Hedgefonds in Deutschland, WM 2004, 60; Wallach, Die Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital im Gewand des Investmentänderungsgesetzes 2007, Der Konzern 2007, 487; Wilhelmi, Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaftlichen Regelung von Hedgefonds, WM 2008, 861.
1. Abschnitt Allgemeines 9.1
Traditionelles Ziel des Investmentrechts ist es, breiten Bevölkerungskreisen vorteilhafte Möglichkeiten beim Erwerb von Vermögensgegenständen zu eröffnen, die sonst nur großen Vermögen zur Verfügung stehen. Nicht-professionelle Anleger haben häufig nicht genügend Kapital, Wissen und Zeit, um ihre Investitionen so breit zu streuen, dass aus Sicht des Risikos und der Gewinnchancen einerseits und den Renditeerwartungen andererseits ein ausgewogenes, wirtschaftlich vernünftiges Verhältnis besteht. Das Investmentgeschäft mit Fonds versucht, diese Nachteile aufzuheben, indem die anlagesuchenden Gelder von Investoren zusammengelegt und das dadurch gebildete größere Vermögen professionell verwaltet wird.
9.2
Über das traditionelle Ziel des Investmentrechts hinausgehend beschränkt sich die Anlegerschaft in Investmentfonds mittlerweile aber nicht mehr nur auf Kleinsparer. Vielmehr investieren heute auch in großem Umfang andere Anlegerschichten in diese Anlageform. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Investmentrecht über die Jahre hinweg die Schaffung von neuen Produkten erleichterte, die den speziellen Interessen unterschiedlichster Anlegerschichten gerecht werden, zum Beispiel auch von Versicherungen oder sonstigen Unternehmen1.
I. Entwicklung des Investmentrechts 1. Deutschland
9.3
Gerade innerhalb der letzten Jahre ist das deutsche Investmentrecht rechtlich stark überarbeitet worden. Das ursprünglich im Jahr 1957 in Kraft getretene, mehrfach geänderte und durch das Auslandsinvestmentgesetz ergänzte Kapitalanlagegesellschaftsgesetz (KAGG) ist im Zuge der Umsetzung einer EU Richtlinie2 im Jahr 2004 durch das Investmentgesetz (InvG) und das Invest1 Köndgen/Schmies in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 113 Rz. 9. 2 Richtlinie 85/611/EWG in der am 4.12.2001 verabschiedeten Fassung der Änderungsrichtlinien 2001/107/EG und 2001/108/EG v. 21.1.2002, ABl. EG Nr. L 41 v. 13.2.2002, S. 20 ff.; sog. „OGAW III-Richtlinie“.
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9. Teil
Allgemeines
mentsteuergesetz ersetzt worden. Mit dem Investmentänderungsgesetz1 aus dem Jahre 2007 hat es bereits eine tief gehende Überarbeitung2 erfahren. Weitere Veränderungen in der Zukunft sind bereits vorgezeichnet. So sind zum Beispiel eine weitere Richtlinie3 aus dem Jahre 2009 in nationales Recht umzusetzen und zusätzliche gesetzgeberische Aktivitäten sind infolge der Finanzkrise der Jahre 2008/2009 absehbar4.
2. Europäische Ebene Bereits mit der Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW)5 aus dem Jahr 1985 versuchte der europäische Gesetzgeber, Mindeststandards für Fonds zu setzen. Die Richtlinie beschränkte sich auf offene Fonds, deren einziges Ziel in der Investition von Geldern in Wertpapiere bestand und deren Anteile beim Publikum in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft vertrieben wurde. Ziel der Richtlinie war eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen auf Gemeinschaftsebene und die Gewährleistung eines einheitlichen Anlegerschutzes. Inhaltlich regelt die Richtlinie die grundsätzlichen Strukturen einer Verwaltungsgesellschaft und die Voraussetzungen ihrer Zulassung, ihre Geschäftstätigkeit und ihre Aufsicht sowie Informationspflichten. Sie legt auch fest, dass das Fondsvermögen vom Gesellschaftsvermögen getrennt bei einer gesonderten Verwahrstelle zu verwahren ist, und regelt Mindestanforderungen an deren weitere Pflichten. Nicht zuletzt bestimmt die Richtlinie, dass die Zulassung eines OGAW-Fonds Gültigkeit für alle Mitgliedstaaten hat. Dem entsprechend muss ein einmal zugelassener OGAW kein vollständiges Zulassungsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat durchlaufen, in dem er vertrieben werden soll6. Vielmehr schuf die Richtlinie damit einen „Europäischen Pass“ für Fondsprodukte.
9.4
Die OGAW-Richtlinie wurde in größerem Umfang 2002 durch zwei weitere Richtlinien, der sog. Verwaltungsrichtlinie7 und der sog. Produktrichtlinie8,
9.5
1 BGBl. I 2007, S. 3089 ff. 2 So hat die Kapitalanlagegesellschaft mit der Änderung etwa die Institutseigenschaft nach dem Kreditwesengesetz verloren. 3 Richtlinie 2009/65/EG, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 32 ff.; sog. „OGAW IVRichtlinie“. 4 Etwa die geplante Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (Alternative Investment Fund Manager Directive – AIFMD). Siehe hierzu etwa den Bericht über den Vorschlag für diese Richtlinie unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc. do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2010-0171+0+DOC+PDF+VO//DE. 5 Richtlinie 85/611/EWG, ABl. EG Nr. L 375 v. 31.12.1985, S. 3 ff.; sog. „OGAW-Richtlinie“. In der Praxis wird häufig auch der englische Begriff für „OGAW“, nämlich „UCITS“ verwendet. Das Investmentgesetz bezeichnet Fonds, die der Richtlinie genügen, als „richtlinienkonforme Sondervermögen“. Gebräuchlich ist insofern auch, von „harmonisierten Fonds“ zu sprechen. 6 Richtlinie 85/611/EWG, ABl. EG Nr. L 375 v. 31.12.1985, S. 3 ff. (Art. 4 Abs. 1, Art. 46). 7 Richtlinie 2001/107/EG, ABl. EG Nr. L 41 v. 13.2.2002, S. 20. 8 Richtlinie 2001/108/EG, ABl. EG Nr. L 41 v. 13.2.2002, S. 35.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
verändert. Sie wird in der durch die beiden Richtlinien geänderten Form als OGAW III-Richtlinie bezeichnet1.
9.6
Die Verwaltungsrichtlinie konkretisiert die Anforderungen an die Struktur einer Verwaltungsgesellschaft. Sie erweitert die erlaubten Geschäftstätigkeiten solcher Gesellschaften. Sofern nationales Recht der Verwaltungsgesellschaft ein Auslagern von Tätigkeiten an Dritte erlaubt, regelt die Richtlinie die daran zu knüpfenden Mindesterfordernisse. Drüber hinaus wurde neben dem bereits bestehenden vollständigen Verkaufsprospekt ein vereinfachter Verkaufsprospekt eingeführt. Die Richtlinie schuf zudem einen weiteren „Europäischen Pass“ für Verwaltungsgesellschaften (auch Dienstleistungs- oder Management Company Passport genannt). In der Praxis scheiterte dessen Umsetzung allerdings vor allem an der Unklarheit von Zuständigkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden sowie Unterschieden in der Rechtsform bei den einzelnen Fondskategorien.
9.7
Die Produktrichtlinie erweiterte die Anlagemöglichkeiten eines OGAWFonds2 erheblich. So kann ein richtlinienkonformer Fonds auf Basis der Produktrichtlinie beispielsweise in Derivate investieren. Indexfonds als OGAW wurden ermöglicht. Der Einsatz definierter Instrumente, die auf nicht geregelten Märkten gehandelt werden, wurde zugelassen. Zusätzlich wurde der Erwerb von Anteilen eines andern OGAW ermöglicht. Außerdem regelt die Richtlinie auch Anlage- und Ausstellergrenzen neu.
9.8
Im Jahr 2009 wurde erneut eine Richtlinie mit wesentlichen Eingriffen in den Inhalt der OGAW-Richtlinie, die sog. OGAW IV-Richtlinie, erlassen3. Ihre Umsetzung in nationales Recht hat im Wesentlichen bis zum 1.7.2011 zu erfolgen4. Sie soll den geänderten Finanzmärkten des 21. Jahrhunderts Rechnung tragen, einen wirksameren und einheitlicheren Anlegerschutz gewährleisten und noch bestehende Beschränkungen des freien Verkehrs für Anteile an OGAW auf Gemeinschaftsebene beseitigen. Die OGAW IV-Richtlinie enthält hierzu signifikante Änderungen und Ergänzungen. Beispielhaft erwähnt seien die Veränderungen hinsichtlich des bereits unter der OGAW III-Richtlinie geschaffenen Europäischen Passes für Verwaltungsgesellschaften. Außerdem ermöglicht die neue Richtlinie einzelstaatliche und grenzüberschreitende Verschmelzungen von harmonisierten Fonds sowie einzelstaatliche und grenzüberschreitende Master-Feeder-OGAWs. Der mit der OGAW III-Richt-
1 Tatsächlich ist die OGAW-Richtlinie durch mehrere weitere Richtlinien verändert worden. Die Produkt- und Verwaltungsrichtlinien griffen aber wesentlich in den Kernbereich der OGAW, die kollektive Vermögensverwaltung durch Verwaltungsgesellschaften, ein. Daher wurde hinsichtlich der Nummerierung bevorzugt auf diese beiden Richtlinien abgestellt. 2 In der Praxis auch als „richtlinienkonformer“ oder „harmonisierter“ Fonds bezeichnet. 3 Richtlinie 2009/65/EG, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 32 ff. 4 Eine Ausnahme gilt für die Einführung der weiter unten dargestellten „Wesentliche Informationen für den Anleger“. Hier darf die Umsetzung bis zu zwölf Monate länger dauern.
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linie eingeführte vereinfachte Verkaufsprospekt wird durch das Konzept einer „Wesentlichen Information für den Anleger“1 ersetzt. Detailliert geregelt wurde etwa auch der bereits mit der ursprünglichen OGAW-Richtlinie eingeführte Produktpassport2 und eine verbesserte Zusammenarbeit der nationalen Regulierungsbehörden. Über die vorgenannten Beispiele hinaus enthält die Richtlinie weitere Änderungen, etwa das Erfordernis für die Mitgliedstaaten, eine außergerichtliche Schiedsstelle für Streitigkeiten im Zusammenhang mit OGAW zu schaffen. Sie ermöglicht außerdem auf Basis des Lamfalussy-Verfahrens in einigen Teilen konkretisierende Maßnahmen durch die EU-Kommission. Die Regelungen zum Europäischen Pass für Verwaltungsgesellschaften waren lange Gegenstand von politischen Streitigkeiten innerhalb der Mitgliedstaaten der EU. Sie waren deshalb zunächst nicht im Richtlinienentwurf enthalten. Im Gegenteil wurde im Verfahren der Schaffung der Richtlinie zunächst sogar empfohlen, eine Veränderung in diesem Punkt nicht vorzunehmen3. Die Kommission entschied sich aber nach Konsultation des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) dazu, die bis dahin unklaren und ergänzungsbedürftigen Regelungen der UCITS III-Richtlinie genauer zu fassen4. Die bestehenden Regelungen hatten es nämlich auf Grund mangelnder Eindeutigkeit verhindert, dass der Passport für Verwaltungsgesellschaften in der Praxis einen Durchbruch erzielen und eine grenzüberschreitende Betätigung der Gesellschaften erleichtert werden konnte. Der genannte Pass soll es ermöglichen, OGAW-Fonds durch eine Verwaltungsgesellschaft zu verwalten, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Auflegungsstaat5 des harmonisierten Fonds hat. Das kann entweder auf Basis der grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit oder über eine Zweigstelle dieser Gesellschaft im entsprechenden Auflegungsstaat des Fonds erfolgen. Die neue Richtlinie enthält jetzt die dafür erforderlichen klaren Zuständigkeiten für die Aufsichtsbehörden für beide betroffenen Mitgliedstaaten. Im Wesentlichen gilt insofern, dass es mit Blick auf den Fonds bei der Aufsicht durch das Auflegungsland bleibt. Hinsichtlich der organisatorischen Anforderungen an die Verwaltungsgesellschaft ist hingegen die Aufsicht des Herkunftslandes zuständig (Art. 19 OGAW IV). In der Praxis hatten sich zur Verwaltung von Fonds außerhalb des Heimatmitgliedstaats einer Verwaltungsgesellschaft bisher Auslagerungsmodelle entwickelt, die jedoch kostenintensiv das Vorhalten einer weiteren Verwaltungsgesellschaft im Auflegungsstaat erforderten. Letztere Gesellschaft legte den Fonds auf und lagerte dann die Verwaltung an die 1 Auf Englisch „Key Investor Information“ (KII) oder „Key Investor Document“ (KID). 2 Dh. das vereinfachte Vertriebszulassungsverfahren für Produkte in den anderen Mitgliedstaaten, siehe Rz. 9.4. 3 Siehe etwa die Zusammenfassung der Folgenabschätzung v. 16.7.2008, S. 8 f.; aufrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=SEC:2008:2264:FIN: DE:PDF. 4 Richtlinienentwurf v. 16.7.2008, S. 3 f.; abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0458:FIN:DE:PDF. 5 Also der Mitgliedstaat, nach dessen Recht der Fonds aufgelegt und von dessen Aufsichtsbehörde er zugelassen wurde.
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9.9
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Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
andere Verwaltungsgesellschaft aus. Auslagerungsmodelle dieser Art sollten in Zukunft überflüssig sein, was enorme Kostenersparnisse mit sich bringen würde.
9.10
Ein Kapitel der OGAW IV-Richtlinie widmet sich der Verschmelzung eines oder mehrerer harmonisierter Fonds. Geregelt wird dies sowohl für grenzüberschreitende wie auch für einzelstaatliche Fondsverschmelzungen. Zwar gab es bereits Regelungen zu Verschmelzungen auf nationaler Ebene1; nachdem die Praxis aber auch den dringenden Wunsch nach der Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzungsmöglichkeit geäußert hatte, wurde das Thema umfänglich in die Richtlinie zwecks EU-weiter Harmonisierung aufgenommen. In Frage kommen gemäß der Richtlinie drei Konstellationen der Verschmelzung: – Ein oder mehrere OGAW(s) werden auf einen bestehenden OGAW (oder einen Anlagezweig2 desselben) verschmolzen. – Ein oder mehrere OGAW(s) werden auf einen von ihnen neu gebildeten OGAW (oder einen Anlagezweig desselben) verschmolzen. – Ein oder mehrere OGAW, die bis zur Abwicklung ihrer Verbindlichkeiten weiter bestehen, werden auf einen von ihnen gebildeten neuen oder auf einen bestehenden OGAW verschmolzen.
9.11
Unabhängig von der gewählten Verschmelzungsart ist in jedem Fall die Genehmigung der Aufsichtsbehörde des/der Fonds einzuholen, der/die in dem aufnehmenden Fonds3 aufgeht bzw. aufgehen. Hierzu sind der Behörde dieses/ dieser Fonds diverse Nachweise zu erbringen4. Diese Behörde übermittelt Kopien an die Aufsichtsbehörde des Mitgliedstaates, in dem sich der aufnehmende Fonds befindet. Beide Behörden wägen die Auswirkungen der Verschmelzung auf die Anleger der jeweils von ihnen beaufsichtigten Fonds ab und bewerten, ob die Anleger hinreichende Informationen zu der Verschmel-
1 In Deutschland zB gemäß § 40 InvG, Einzelheiten dazu etwa bei Baur/Ziegler in BuB, Band 5, Investmentgeschäft, 81. Ergänzungslieferung, Rz. 9/295a. 2 Ein Anlagezweig ist ein Teilfonds im Rahmen einer Umbrella-Konstruktion oder ein Teilgesellschaftsvermögen einer Investmentgesellschaft, etwa einer deutschen Investmentaktiengesellschaft oder der im Wesentlichen aus Luxemburg bekannten Form des SICAV. Die einzelnen Teilfonds sind haftungsrechtlich von der Gesellschaft und untereinander abgeschottet. 3 Aufnehmender Fonds ist sowohl der Fonds, auf den verschmolzen wird (siehe oben Rz. 9.10, erster Spiegelstrich), wie auch der Fonds, der durch eine Verschmelzung erst gebildet wird (siehe oben Rz. 9.10, zweiter Spiegelstrich). 4 Dabei handelt es sich um (a) den Verschmelzungsplan, (b) die aktuelle Fassung des Prospektes und der „Wesentlichen Informationen für den Anleger“ des übernehmenden Fonds, sofern dieser in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist, (c) eine Bestätigungserklärung der Verwahrstellen der an der Verschmelzung beteiligten Fonds zur Überprüfung der Richtlinienkonformität bestimmter Teile des Verschmelzungsplans und (d) die Informationen, die der übertragende und der übernehmende Fonds ihren jeweiligen Anteilinhabern zu der geplanten Verschmelzung zu übermitteln gedenken (Einzelheiten siehe Art. 39 der Richtlinie 2009/65/EG, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 57).
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zung bekommen. Ist das ihrer Ansicht nach nicht der Fall, können Sie eine Änderung dieser Informationen verlangen. Diese Informationen sind den Anlegern in den aufgehenden wie auch übernehmenden Fonds1 nach der behördlichen Genehmigung der Verschmelzung, die durch den/die Aufsichtsbehörde(n) des/der aufgehenden Fonds erteilt wird, zu übermitteln. Die Übermittlung an die Anleger muss mindestens 30 Tage vor der letztmaligen Rücknahme der Anteilsscheine stattfinden, um jenen eine normale Anteilsscheinrückgabe ohne Zusatzkosten2 zu ermöglichen, falls sie nicht an der Verschmelzung teilnehmen möchten. Soweit möglich, muss alternativ zur Rückgabe der Anteile auch ein Umtausch in Anteile eines anderen harmonisierten Fonds der Verwaltungsgesellschaft oder des Fonds einer mit ihr verbundenen anderen Verwaltungsgesellschaft angeboten werden3. Ein weiteres Kapitel der Richtlinie widmet sich Master-Feeder-Strukturen von OGAW. Wie bei den Verschmelzungen werden auch diesbezüglich grenzüberschreitende Strukturen wie auch Strukturen innerhalb nur eines Mitgliedstaates erfasst. Bei Master-Feeder-Strukturen investiert ein oder investieren mehrere Feeder-Fonds das von ihnen bei den Anlegern eingesammelte Geld überwiegend oder vollständig in die vom Master-Fonds ausgegebenen Fondsanteile. Die Beweggründe für die Auflegung solcher Strukturen sind verschieden. So kann es beispielsweise sein, dass die vom Master-Fonds verfolgte Anlagestrategie in einer Jurisdiktion nicht erlaubt ist, wohl aber das Investment in Anteile des Master-Fonds, hinsichtlich der Anlagestrategie also keine sog. Durchschau stattfindet. Ein anderer Grund kann das Verhalten von Anlegern sein, wenn diese zum Beispiel bevorzugt in Fonds, die dem Recht der eigenen Jurisdiktion unterliegen, investieren, als in solche, die unter dem Recht anderer Mitgliedstaaten zugelassen wurden. Schließlich kann bei Absinken von verwaltetem Vermögen in einem Fonds auch innerhalb einer Jurisdiktion aus Effizienzgründen die Bildung von Master-Feeder-Strukturen interessant sein und können steuerliche Gründe eine Rolle spielen. Den Vorteilen von Master-Feeder-Strukturen versucht die Richtlinie nunmehr, Rechnung zu tragen. Nach ihr ist ein richtlinienkonformer Feeder-Fonds ein OGAW, der mindestens 85 % seines Vermögens in Anteile oder Anteilszweige eines anderen OGAW, dem Master-OGAW, investiert. Master-OGAW ist ein OGAW, der mindestens einen Feeder-OGAW unter seinen Anteilsinhabern hat, nicht selbst ein Feeder-OGAW ist und keine Anteile eines Feeder-OGAW hält. Abweichend von anderen OGAW hat der Master-OGAW, gesetzt den Fall, dass mindestens zwei Feeder-OGAW in ihn investieren, die Wahl, ob er bei weiterem Publikum Anlagegelder einsammeln möchte. Interessant ist die Tatsa-
1 Die Informationen an die Anleger in den aufgehenden Fonds können allerdings unter Umständen von denen an die Anleger in den übernehmenden Fonds abweichen. 2 So dürfen etwa mit der Verschmelzung in Zusammenhang stehende Verwaltungs-, Rechts- oder sonstigen Beratungskosten grundsätzlich nicht den Anlegern belastet werden. Dies gilt aber nicht nur für solche Anleger, die Anteile zurückgeben oder umtauschen, auch eine Umlage etwa auf das Fondsvermögen ist nicht zulässig. 3 Zu den Einzelheiten (Kostenrestriktionen beim Umtausch etc.) siehe Art. 45 Abs. 1 der Richtlinie 2009/65/EG, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 60.
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9.12
9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
che, dass die Richtlinie auch eine Spaltung von Masterfonds anspricht. Eine solche Spaltung von Fonds ist jedenfalls dem deutschen Recht fremd gewesen.
9.13
Bereits mit der OGAW III-Richtlinie wurde neben dem (ausführlichen) Verkaufsprospekt ein weiteres verpflichtendes Dokument der Verkaufsunterlagen eingeführt, der sog. vereinfachte Verkaufsprospekt. Er sollte die wichtigsten Informationen über den OGAW in einer klaren und leicht verständlichen Weise für den Durchschnittsanleger enthalten. Diesen vereinfachten Verkaufsprospekt ersetzt die neue Richtlinie durch die sog. „Wesentliche Informationen für den Anleger“. Ziel dieser wesentlichen Anlegerinformation ist es, weniger erfahrenen Anlegern fundierte Investitionsentscheidungen zu ermöglichen. Zu diesem Zweck sollen die „Wesentliche Informationen für den Anleger“ sinnvolle Angaben zu den wesentlichen Merkmalen des OGAW enthalten. Von der Form her sind die Informationen kurz zu halten und in einer allgemein verständlichen Sprache abzufassen. Ein einheitliches Format soll gewährleisten, dass der Anleger einfacher Vergleiche zwischen verschiedenen Produkten – auch grenzüberschreitend innerhalb der EU – herstellen kann1. Einzelheiten zu dem Inhalt und der Form der wesentlichen Informationen für den Anleger wird die Kommission mit Durchführungsmaßnahmen festlegen. Hierzu hat sie bereits Level 2 Maßnahmen ergriffen und von CESR beraten lassen.
9.14
Neben dem genauer ausgestalteten Passport für Verwaltungsgesellschaften bereitete auch der bereits mit der ursprünglichen OGAW-Richtlinie eingeführte Produktpassport in der Praxis je nach Mitgliedstaat Probleme in der konkreten Handhabung. So forderten einzelne Mitgliedstaaten im Rahmen des Anzeigeverfahrens zB zusätzliche Dokumente oder zeit- und kostenintensive Übersetzungen von Verkaufsunterlagen in die Landessprache. Insgesamt wurden die Fristen für die Anzeige als zu lang empfunden. Sie konnten darüber hinaus durch Anfordern von weiteren Unterlagen der (aus der Sicht des Fonds) Aufsichtsbehörde des Aufnahmemitgliedstaats unterbrochen werden. Die Zeitspanne zwischen Antrag und der Zulassung zum Vertrieb konnte leicht mehrere Monate betragen und damit die eigentliche Absicht eines Passports, die erleichterte Möglichkeit des Marktzugangs, in ihr Gegenteil verkehren. Die OGAW IV-Richtlinie versucht, dem entgegen zu steuern. Hierfür legt sie klar die Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörde des Herkunfts- und des Aufnahmestaats fest: Der OGAW übermittelt seiner Aufsichtsbehörde im Herkunftsstaat ein Meldeschreiben nebst weiteren erforderlichen Verkaufsunterlagen. Innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Eingang des Meldeschreibens prüft diese Behörde die Vollständigkeit der Unterlagen und übermittelt sie zusammen mit einer Bescheinigung, dass der Fonds die Vorgaben für OGAW erfüllt,
1 Aktuell gibt es Überlegungen auf EU-Ebene, ein vergleichbares Dokument auch für strukturierte Finanzprodukte, die sich an Verbraucher richten, einzuführen (PRIPs – Packaged Retail Investment Products); siehe hierzu „Communication on packaged retail investment products (PRIPs): Frequently Asked Questions“ auf http://www. europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=MEMO/09/210&format=HTML& aged=0&language=EN&guiLanguage=en.
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Allgemeines
an die Aufsichtsbehörde des Aufnahmestaates. Den antragstellenden Fonds unterrichtet sie über den Versand. Ab dem Datum dieser Unterrichtung darf der OGAW mit dem öffentlichen Vertrieb im Aufnahmemitgliedstaat beginnen. Initiativen der OGAW-Richtlinie sind in der Vergangenheit häufig an einer fehlenden oder unklaren Zuständigkeits- oder Zusammenarbeitsregelung der Aufsichtsbehörden in den jeweils betroffenen Mitgliedstaaten gescheitert. Die neue Richtlinie widmet sich diesem Thema daher und regelt deutlich detaillierter beide Themenkreise. Sie legt hierzu etwa einen Mindestkatalog an Befugnissen der Behörden fest (Art. 98 Abs. 2 OGAW IV) und verpflichtet die Behörden der verschiedenen Mitgliedstaaten, wann immer dies zur Wahrnehmung der in der Richtlinie festgelegten Aufgaben oder der ihnen durch die Richtlinie oder durch nationale Rechtsvorschriften übertragenen Befugnisse erforderlich ist, zu einer Zusammenarbeit (Art. 101 Abs. 1 OGAW IV).
9.15
Eine weitere Neuerung ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Schaffung einer außergerichtlichen Schlichtungsstelle für alle Verbraucherrechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Tätigkeiten von OGAWs1. Ein solches Schlichtungsverfahren für Verbraucher (auch Ombudsmann-Verfahren genannt) ist bereits aus anderen Bereichen des Finanzsektors bekannt (Art. 100 Abs. 2 OGAW IV).
9.16
Aktuell wird auf Europäischer Ebene an weiteren Richtlinien gearbeitet, die Auswirkungen auf das Investmentrecht haben werden. Prominentes Beispiel hierfür ist der Vorschlag einer Alternative Investment Fund Manager Richtlinie2, die sämtliche nicht über die OGAW-Richtlinie erfassten Fondsprodukte im Fokus hat. Da auf nationaler Ebene viele solcher nicht harmonisierter Produkte existieren, bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Richtlinie für die Fondsbranche mit sich bringen wird.
9.17
II. Abgrenzung von verwandten Geschäftsfeldern Das Investmentrecht beinhaltet im Wesentlichen Regelungen zu offenen Fonds. In der Terminologie des Gesetzes wird mit Blick auf solche Fonds von Investmentvermögen gesprochen. Hierunter versteht man Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in den nach dem Investmentgesetz zulässigen Vermögensgegenständen angelegt werden. Wesentliche Merkmale eines Investmentvermögens nach deutschem Recht sind also die kollektive Vermögensanlage auf der einen Seite und die Anwendung des Grundsatzes der Risikomischung auf der anderen.
9.18
Gemeinschaftliche Kapitalanlage könnte man als eine gemeinsame Kapitalanlage von unbestimmt vielen Investoren verstehen. Allerdings enthält das
9.19
1 Art. 100 Abs. 1 der Richtlinie 2009/65/EG, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 76. 2 Siehe dazu die Fundstelle oben Rz. 9.3 aE. Dazu Klebeck, DStR 2009, 2154 ff.
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Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
Investmentgesetz keine Mindestanzahl von Anlegern. Im Fall eines sog. Spezial-Sondervermögens bzw. Spezialfonds ist es deshalb sogar zulässig, dass lediglich ein Investor existiert. Beim Normalfall eines Publikumsfonds hingegen reicht eine einzelne Privatperson für die Fondszulassung nicht aus1.
9.20
Eine Legaldefinition dafür, was unter Risikostreuung zu verstehen ist, enthält das Gesetz nicht2. Risikodiversifizierung ist im weiteren Sinne eine Streuung von Gewinnchancen und Verlustrisiken. Dies wird ua. durch die Streuung von Anlagen (Diversifizierung) ermöglicht. Eine solche Diversifizierung bewirkt, dass bereits bei kleineren Anlagebeträgen die Gefahren und Nachteile einer Direktanlage in einen einzigen Vermögensgegenstand reduziert werden. Der Ausfall eines Vermögensgegenstands im Fonds, etwa durch die Insolvenz des Emittenten, führt auf Grund der Streuung zu einem niedrigeren Verlust als bei einer vollständigen Anlage des Geldes in diesen Vermögensgegenstand.
9.21
Zur Steuerung des Risikos hat die Kapitalanlagegesellschaft im Rahmen der kollektiven Vermögensverwaltung die Möglichkeit, die Vermögensanlagen des jeweiligen Fonds entsprechend den Verhältnissen des Kapitalmarktes und der Gesamtwirtschaft umzuschichten. Sie kann im Rahmen ihrer Anlagepolitik alle Änderungen im Fondsvermögen vornehmen, die der wechselnde Konjunkturverlauf, die Veränderungen auf dem Kapitalmarkt sowie die Entwicklungen der einzelnen Beteiligungsunternehmen im Fondsvermögen wünschenswert erscheinen lassen.
9.22
Ebenfalls der Risikobegrenzung dienen die diversen Investmentbeschränkungen im Investmentgesetz. So kann ein Investmentvermögen beispielsweise nicht in jeden Vermögensgegenstand investiert sein. Vielmehr gibt das Gesetz insoweit einen abschließenden Katalog an Gegenständen vor (§ 7 Abs. 2 InvG). Risikopräventiv wirken daneben etwa auch die im Gesetz enthaltenen Anlagegrenzen3.
9.23
Nicht alle Formen der kollektiven Kapitalanlage, die eine Risikomischung ihrer Anlagen vornehmen, unterfallen aber dem Investmentgesetz, selbst wenn sie sich im Rahmen der dort genannten Anlagegegenstände bewegen. Damit kommen sie nicht in den Genuss der investmentrechtlichen Vorteile. 1 Insofern spricht man auch von der Unzulässigkeit eines sog. „Millionärsfonds“. Reiche Privatanleger sollen nicht in den Genuss der (etwa steuerlichen) Vorzüge eines Fonds kommen, in den sie als einziger Investor investieren (Beckmann in Beckmann/ Scholtz/Vollmer, Investment, Nr. 410, § 2 InvG Rz. 19). 2 Allerdings gibt es in Deutschland eine Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörde Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wonach der Begriff eine qualitative und eine quantitative Komponente enthält. Erforderlich sind nach BaFin-Meinung mehr als drei Vermögensgegenstände mit unterschiedlichen Anlagerisiken (Rundschreiben 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG; aufrufbar unter http://www.bafin.de/cln_152/nn_721290/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Rundschreiben/2008/rs__1408__wa.html?__nnn =true). 3 Für harmonisierte Fonds etwa in den in §§ 50 ff. InvG genannten Grenzen.
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9. Teil
Allgemeines
So dürfen nach § 3 InvG die Bezeichnungen „Kapitalanlagegesellschaft“, „Investmentfonds“, „Kapitalanlagegesellschaft“, „Investmentaktiengesellschaft“ oder eine Bezeichnung, in der diese Begriffe allein oder im Zusammenhang mit anderen Worten vorkommen, nur von den dem Investmentgesetz unterliegenden und nach ihm regulierten Gesellschaften verwendet werden. Auf der anderen Seite unterliegen die nicht dem Investmentgesetz unterfallenden kollektiven Kapitalanlageformen auch keinem Zulassungsverfahren und keiner staatlichen Investmentaufsicht. Im Einzelfall kann die Abgrenzung einer kollektiven Kapitalanlage mehrerer Personen mit Risikomischung von Fonds im Sinne des Investmentgesetzes schwierig sein. Im Nachfolgenden seien einige Beispiele genannt.
1. Investmentclubs Ein Investmentclub ist der Zusammenschluss mehrerer Personen zwecks gemeinsamer Wertpapieranlagen, häufig nach dem Grundsatz der Risikomischung. Bezüglich der Rechtsform handelt es sich bei ihnen in der Praxis regelmäßig um Gesellschaften bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) oder nicht rechtsfähige Vereine. Anders als bei einem Fonds nach dem Investmentgesetz wird das Gesellschaftsvermögen aber nicht von der es verwaltenden Gesellschaft getrennt. Im Vergleich zu einem investmentrechtlichen Sondervermögen gelten daher keine haftungsrechtlichen Besonderheiten1. Je nach Ausgestaltung in der Praxis kann es sich allerdings bei der Geschäftsführung eines Investmentclubs um eine nach §§ 1, 32 Kreditwesengesetz (KWG) erlaubnispflichtige Tätigkeit handeln2. Ebenso kann ein Investmentclub bzw. seine Geschäftsführung je nach vertraglicher Ausgestaltung dem Erlaubnistatbestand der Anlageverwaltung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG) unterliegen.
9.24
2. Geschlossene Fonds Geschlossene Fonds werden in der Form einer GbR oder KG aufgelegt. Die Investoren haben mit Blick auf ihre Beteiligung also eine Stellung als Gesellschafter. Geschlossene Fonds konzentrieren sich häufig auf ein bestimmtes Projekt, etwa den Erwerb eines einzelnen Geschäfts- oder Mietshauses. Insofern scheiden sie vielfach bereits wegen einer fehlenden Risikomischung aus dem Anwendungsbereich des Investmentgesetzes aus. Geschlossene Fonds kommen aber auch als sog. Multi-Asset-Fonds vor, die in eine Vielzahl von Vermögensgegenständen investieren können. Anders als bei den im Investmentgesetz geregelten Fonds haben die Anleger geschlossener Fonds regelmäßig aber kein Recht, gegen Rückgabe des Fondsanteils eine Auszahlung des entsprechenden Vermögensanteils aus dem Fondsvermögen verlangen zu können3. Diese Fonds unterfallen deshalb nicht den Anforderungen des Invest-
1 Köndgen/Schmies in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 113 Rz. 56. 2 BVerwG v. 22.9.2004 – 6 C 29/03, BVerwGE 122, 29 ff. 3 Baur, Investmentgesetze, Bd. I, Einl. I, Rz. 76.
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9.25
9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
mentgesetzes. Allerdings müssen sie zumindest den Anforderungen des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes (VerkProspG) genügen1.
3. REITs
9.26
REITs (Real Estate Investment Trusts) sind Aktiengesellschaften mit Sitz in Deutschland und Börsenzulassung2 an einem geregelten Markt in der EU bzw. dem EWR. Sie werden insbesondere durch das Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REIT-Gesetz) besonderen Regelungen unterworfen. Der Unternehmensgegenstand eines REITs beschränkt sich nach § 1 REIT-Gesetz auf den Erwerb, das Halten und im Rahmen der Vermietung, Verpachtung und des Leasings einschließlich immobiliennaher Hilfstätigkeiten auf das Verwalten und Veräußern von Eigentum und dinglichen Nutzungsrechten an Immobilien und einigen mit jenen in Zusammenhang stehenden Vermögensgegenständen. Daneben darf ein REIT auch Beteiligungen an bestimmten Immobiliengesellschaften erwerben, halten, verwalten und veräußern3. Auf der Gesellschaftsebene genießt die REIT AG steuerliche Vorteile. Insgesamt ähnelt sie damit den Immobilien-Sondervermögen des Investmentgesetzes. Die Schaffung einer neben den Immobilien-Sondervermögen weiteren Möglichkeit der indirekten Beteiligung an diversifiziertem Immobilieneigentum wurde vom Gesetzgeber aber für erforderlich erachtet, weil Immobilienfonds im Ausland weitgehend unbekannt sind4. Vor dem Hintergrund der gewünschten Anlockung ausländischen Kapitals erklärt sich auch die Beibehaltung des englischen Ausducks REIT. Im Gegensatz zu einem Immobilienfonds hat der Investor nicht das Recht, gegen Rückgabe seiner Aktie eine Auszahlung seines Anteils am Gesellschaftsvermögens von der Gesellschaft verlangen zu können. Freilich sollte auf Grund der Börsennotierung eines REITs im Regelfall eine Veräußerung über die Börse möglich sein.
4. Vermögensverwaltung für Gemeinschaftsdepots
9.27
Die Verwaltung von Investmentfonds wird als kollektive Vermögensverwaltung bezeichnet. Die dazu im Gegensatz stehende individuelle Vermögensverwaltung bezieht sich im Grundsatz auf die Verwaltung eines aus mehreren Gegenständen zusammengesetzten Vermögens einer Person. Der Vermögensverwalter wird dabei regelmäßig auf der Grundlage eines Auftrags verbunden mit einer Vollmacht des Geschäftsherrn tätig. Dabei kann es sich sowohl um eine natürliche wie auch um eine juristische Person handeln. 1 BGBl. I 1998, S. 2701 ff., nicht zu verwechseln mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG), BGBl. I 2005, S. 1698 ff. 2 Die Zulassung an einem geregelten Markt in der EU bzw. des EWR muss spätestens drei Jahre nach Anmeldung der Gesellschaft zum Vor-REIT erfolgen, § 10 Abs. 2 REIT-Gesetz. 3 Im Einzelnen siehe §§ 1 und 3 REIT-Gesetz (BGBl. I 2007, S. 914 ff.); Conradi in Seibt/ Conradi, Handbuch REIT Aktiengesellschaft, Rz. 420 ff. 4 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/4026, S. 1.
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9. Teil
Grundstrukturen des Investmentgeschäfts
Individuelle Vermögensverwaltungen müssen sich aber nicht auf die Verwaltung von Vermögensgegenständen nur einer Person beschränken. Auch Gemeinschaftsdepots mehrerer Personen können auf Basis einer solchen individuellen Vermögensverwaltung geführt werden. Anders als bei Fonds nach dem Investmentgesetz steht aber bei einem Gemeinschaftsdepot der Kreis der Anleger üblicherweise von Anfang an fest. Eine Verbriefung der Rechte in Anteilen findet nicht statt. Ebenfalls anders als bei Fonds nach dem Investmentgesetz verbleiben beim verwalteten Gemeinschaftsdepot sämtliche Rechte mit Blick auf die Vermögensgegenstände bei den Depoteigentümern. Sie können etwa die Stimmrechte aus Aktien ausüben oder dem Verwalter bindende Einzelweisungen erteilen. Gegenüber Fonds nach Investmentrecht findet bei individueller Vermögensverwaltung außerdem keine Verbriefung der Rechte der Anleger in einem Wertpapier statt.
9.28
9.29–9.30
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Grundstrukturen des Investmentgeschäfts I. Ausgestaltung der Fondsverwaltung Die OGAW-Richtlinie kennt drei Formen von harmonisierten Fonds, nämlich solche in Vertragsform, solche in Gesellschaftsform und sog. „unit trusts“1. Während unit trusts eher im angelsächsischen Bereich aufgelegt werden, sind im kontinentaleuropäischen Bereich vor allem die Formen des sog. „Vertrags-“ und des „Gesellschaftsmodells“ verbreitet. So sieht das deutsche Investmentrecht bisher in den §§ 30 ff. InvG und §§ 96 ff. InvG auch lediglich die beiden letztgenannten Auflegungsformen vor.
9.31
Mit der umgangssprachlichen Bezeichnung „Fonds“ ist rechtlich gesehen ein verwaltetes Investmentvermögen gemeint. Die Verwaltung inländischer Investmentvermögen ist gesetzlich den Kapitalanlagegesellschaften (und Investmentaktiengesellschaften, soweit es die Verwaltung ihrer eigenen Mittel betrifft) vorbehalten. Ein Investmentvermögen ist eine vom Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft separiert zu haltende Vermögensmasse und deshalb auch (zumindest für inländische Investmentvermögen) Sondervermögen genannt (§§ 2 Abs. 2, 30 Abs. 1 Satz 2 InvG). Die Kapitalanlagegesellschaft kann mehrere solcher Sondervermögen bilden und verwalten (§ 30 Abs. 3 InvG). Die Kapitalanlagegesellschaft selbst ist eine den speziellen Anforderungen des Investmentgesetzes, zB mit Blick auf Kapitalanforderungen (§ 11 InvG), Organisationspflichten (§ 9a InvG)2 oder allgemeine Verhaltensregeln
9.32
1 Vgl. Baur, Investmentgesetze, Bd. 1, Einl. I, Rz. 70 ff. 2 Der Inhalt der Vorschrift wird konkretisiert durch die Mindestanforderungen an das Risikomanagement für Investmentgesellschaften (InvMaRisk) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aus deren Rundschreiben v. 30.6.2010, Geschäfts-
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Grundstrukturen des Investmentgeschäfts
Individuelle Vermögensverwaltungen müssen sich aber nicht auf die Verwaltung von Vermögensgegenständen nur einer Person beschränken. Auch Gemeinschaftsdepots mehrerer Personen können auf Basis einer solchen individuellen Vermögensverwaltung geführt werden. Anders als bei Fonds nach dem Investmentgesetz steht aber bei einem Gemeinschaftsdepot der Kreis der Anleger üblicherweise von Anfang an fest. Eine Verbriefung der Rechte in Anteilen findet nicht statt. Ebenfalls anders als bei Fonds nach dem Investmentgesetz verbleiben beim verwalteten Gemeinschaftsdepot sämtliche Rechte mit Blick auf die Vermögensgegenstände bei den Depoteigentümern. Sie können etwa die Stimmrechte aus Aktien ausüben oder dem Verwalter bindende Einzelweisungen erteilen. Gegenüber Fonds nach Investmentrecht findet bei individueller Vermögensverwaltung außerdem keine Verbriefung der Rechte der Anleger in einem Wertpapier statt.
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Einstweilen frei.
2. Abschnitt Grundstrukturen des Investmentgeschäfts I. Ausgestaltung der Fondsverwaltung Die OGAW-Richtlinie kennt drei Formen von harmonisierten Fonds, nämlich solche in Vertragsform, solche in Gesellschaftsform und sog. „unit trusts“1. Während unit trusts eher im angelsächsischen Bereich aufgelegt werden, sind im kontinentaleuropäischen Bereich vor allem die Formen des sog. „Vertrags-“ und des „Gesellschaftsmodells“ verbreitet. So sieht das deutsche Investmentrecht bisher in den §§ 30 ff. InvG und §§ 96 ff. InvG auch lediglich die beiden letztgenannten Auflegungsformen vor.
9.31
Mit der umgangssprachlichen Bezeichnung „Fonds“ ist rechtlich gesehen ein verwaltetes Investmentvermögen gemeint. Die Verwaltung inländischer Investmentvermögen ist gesetzlich den Kapitalanlagegesellschaften (und Investmentaktiengesellschaften, soweit es die Verwaltung ihrer eigenen Mittel betrifft) vorbehalten. Ein Investmentvermögen ist eine vom Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft separiert zu haltende Vermögensmasse und deshalb auch (zumindest für inländische Investmentvermögen) Sondervermögen genannt (§§ 2 Abs. 2, 30 Abs. 1 Satz 2 InvG). Die Kapitalanlagegesellschaft kann mehrere solcher Sondervermögen bilden und verwalten (§ 30 Abs. 3 InvG). Die Kapitalanlagegesellschaft selbst ist eine den speziellen Anforderungen des Investmentgesetzes, zB mit Blick auf Kapitalanforderungen (§ 11 InvG), Organisationspflichten (§ 9a InvG)2 oder allgemeine Verhaltensregeln
9.32
1 Vgl. Baur, Investmentgesetze, Bd. 1, Einl. I, Rz. 70 ff. 2 Der Inhalt der Vorschrift wird konkretisiert durch die Mindestanforderungen an das Risikomanagement für Investmentgesellschaften (InvMaRisk) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aus deren Rundschreiben v. 30.6.2010, Geschäfts-
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
(§ 9 InvG)1, genügende Gesellschaft in der Form einer GmbH oder Aktiengesellschaft (§ 6 Abs. 1 Satz 2 InvG). Sie muss zwingend einen Aufsichtsrat haben (§ 6 Abs. 2 InvG), dessen Mitglieder nach Persönlichkeit und Sachkunde die Interessen der Anleger wahren sollen (§ 6 Abs. 3 InvG). Kapitalanlagegesellschaften bedürfen zwingend einer Zulassung. In der Vergangenheit hatten sie den Status eines Kreditinstituts. Nachdem dieser Status europarechtlich jedoch nicht erforderlich ist und in Europa wenig verbreitet war, hat der deutsche Gesetzgeber die Institutseigenschaft der Kapitalanlagegesellschaft mittlerweile abgeschafft. Freilich bleibt die Gesellschaft nach wie vor über Regelungen im Investmentgesetz und Verweise desselben auf das Kreditwesengesetz stark reguliert. Freiheiten sind in Folge der Änderung aber etwa im Bereich der Eigenkapitalerfordernisse entstanden.
1. Die Kapitalanlagegesellschaft und das Vertragsmodell
9.33
Zur Auflegung eines Fonds sammelt die Kapitalanlagegesellschaft Gelder bei investitionswilligen Anlegern ein und investiert es anschließend in die Vermögensgegenstände des Fonds. Im Gegenzug erhält der Investor einen oder mehrere Anteilsscheine, die seine Rechte an dem Sondervermögen verbriefen. Rechtlich steht der Anleger in einer vertraglichen Verbindung zur Kapitalanlagegesellschaft. Inhaltlich konkretisiert wird diese durch die Vertragsbedingungen des Fonds und, soweit erforderlich, ergänzend durch die einschlägigen Gesetze, namentlich das Investmentgesetz. Da bei dieser Form eines Fonds im Gegensatz zum Gesellschaftsmodell keine Gesellschafterrechte verbrieft werden, wird sie als Vertragsmodell bezeichnet2.
9.34
Neben der kollektiven Vermögensverwaltung von Investmentvermögen im Vertragsmodell sind der Kapitalanlagegesellschaft kraft Gesetzes abschließend einige weitere Geschäftstätigkeiten erlaubt (§ 7 Abs. 2 und Abs. 4 InvG). Dabei handelt es sich um – die individuelle Vermögensverwaltung bzw. die Verwaltung Einzelner in Immobilien angelegten Vermögen für andere, – unter gewissen Voraussetzungen die Anlageberatung, – den Vertrieb, die Verwahrung und Verwaltung von Fondsanteilen, soweit diese den Vorschriften des Investmentgesetzes genügen (dabei muss es sich nicht um Fondsanteile der Kapitalanlagegesellschaft selbst handeln, auch Anteile anderer Gesellschaften sind erfasst), zeichen: WA 41 – Wp 2136 – 2008/0009, veröffentlicht unter http://www.bafin.de/ cln_179/nn_721290/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Rundschreiben/ 2010/rs__1005__wa__invmarisk.html?__nnn=true. 1 Für die Auslegung des Inhalts dieser Vorschrift zieht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Wohlverhaltensregeln des Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (BVI) heran, vgl. das BaFin-Schreiben v. 20.1.2010, Geschäftszeichen: WA 41 – Wp2136 – 2008/0009, veröffentlicht unter http://www.bafin.de/nn_722758/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Auslegungsentscheidungen/Wertpapieraufsicht/ae__100120__wohlverhaltensregelnbvi.html. 2 Baur in Assmann/Schütze, § 20 Rz. 178.
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9. Teil
Grundstrukturen des Investmentgeschäfts
– den Abschluss von Altersvorsorgeverträgen, – die Abgabe von Mindestzahlungszusagen bei sog. Garantiefonds, sowie – alle sonstigen mit der kollektiven Vermögensverwaltung und den vorgenannten Tätigkeiten unmittelbar verbundenen Tätigkeiten und – die Anlage des eigenen Vermögens. Eine Kapitalanlagegesellschaft darf auch Investmentvermögen verwalten, die nicht von ihr selbst aufgelegt worden sind. In Frage kommen die Verwaltung von Investmentvermögen anderer Kapitalanlagegesellschaften oder Investmentvermögen von Investmentaktiengesellschaften. In beiden Fällen könnte man der Meinung sein, dass es sich auch bei der Verwaltungstätigkeit dann um eine kollektive Vermögensverwaltung handelt1.
9.35
Gesetzgeberisch klargestellt wurde aber in § 7 Abs. 2 Nr. 1 InvG, dass die Verwaltung von nicht durch die Kapitalanlagegesellschaft selbst aufgelegten Investmentvermögen als individuelle Vermögensverwaltung zu klassifizieren ist.
2. Die Investmentaktiengesellschaft und das Gesellschaftsmodell Das Gesellschaftsmodell nach deutschem Recht wurde mit dem Investmentänderungsgesetz des Jahres 2007 grundlegend überarbeitet2, nachdem die bis dahin bestehenden Regelungen zur Investmentaktiengesellschaft für die Finanzindustrie unattraktiv waren. Zwar war bereits mit dem Investmentmodernisierungsgesetz im Jahre 2004 neben der als geschlossenem Fonds ausgestalteten Investmentaktiengesellschaft mit fixem Kapital eine weitere Form, die Investmentaktiengesellschaft mit variablem Kapital, eingeführt worden. Erst die genannte Reform aber brachte Klarheit hinsichtlich des Zusammenspiels des Investmentgesetzes mit dem Aktiengesetz. Gleichzeitig wurde mit der Reform die Investmentaktiengesellschaft mit fixem Kapital abgeschafft. Die Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital als verbleibende Gesellschaftsform heißt nunmehr nur noch „Investmentaktiengesellschaft“ (siehe §§ 96 ff. InvG). Vor dem Hintergrund dieser relativ jungen Reform dominiert aktuell nach wie vor die Vertragsform den deutschen Markt.
9.36
Bei der Gesellschaftsform von Fonds hält der Anleger anders als beim Vertragsmodell nicht verbriefte schuldrechtliche Rechte, sondern partizipiert gesellschaftsrechtlich an einer Gesellschaft, deren Zweck es ist, das eigene Vermögen nach investmentrechtlichen Grundsätzen zu verwalten. Der Fondsanteil ist im Gesellschaftsmodell also ein Gesellschaftsanteil. Gesellschaften, die solche Anteile ausgeben, müssen Aktiengesellschaften sein (§ 96 Abs. 1 InvG). Das im Verhältnis zum dem Aktiengesetz vorrangige Investmentgesetz
9.37
1 Aus Sicht der auslagernden Kapitalanlagegesellschaft lagert sie ja die Verwaltung des Fonds, also die „kollektive Vermögensverwaltung“ auf die aufnehmende Gesellschaft aus. Aus Sicht einer Investmentaktiengesellschaft liegt nicht einmal ein Auslagern iS des § 16 InvG vor (siehe § 96 Abs. 4 InvG). 2 Siehe hierzu auch Wallach, Der Konzern 2007, 487 ff.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
modifiziert die traditionelle Aktiengesellschaft allerdings sehr stark. Erkennbar ist eine solche investmentrechtliche Aktiengesellschaft an ihrer geschützten Bezeichnung „Investmentaktiengesellschaft“.
9.38
Eine Investmentaktiengesellschaft begibt zwei unterschiedliche Arten von Aktien, Unternehmens- und Anlageaktien (§ 96 Abs. 1 Satz 2 InvG). Die Gründungsgesellschafter müssen nach Erbringung der erforderlichen Einlagen die Unternehmensaktien übernehmen. Die Gesellschaft kann später weitere Unternehmensaktien begeben, wenn weitere Gesellschafter unter Leistung entsprechender Einlagen aufgenommen werden. Die zwingend als Namensaktien zu begebenden Unternehmensaktien gewähren die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft und Stimmrechte. Insofern unterscheiden sich Unternehmensaktien nicht von Stammaktien einer klassischen Aktiengesellschaft.
9.39
Im Gegensatz zu den Unternehmensaktien verbriefen die Anlageaktien der Gesellschaft keine mitgliedschaftlichen Rechte. Sie berechtigen nicht zur Teilnahme an der Hauptversammlung der Gesellschaft und gewähren auch keine Stimmrechte. Allerdings besteht im Regelfall eine Verpflichtung der Gesellschaft, solche Anlageaktien auf Verlangen des Anlageaktionärs gegen Auszahlung ihres Wertes am Gesellschaftsvermögen zurück zu nehmen.
9.40
Der satzungsmäßig zwingende Unternehmensgegenstand einer Investmentaktiengesellschaft ist die Anlage und Verwaltung ihrer Mittel mit dem ausschließlichen Ziel, die Aktionäre an erwirtschafteten Gewinnen partizipieren zu lassen (§ 96 Abs. 2 InvG). Dabei muss sie den Grundsatz der Risikomischung in den nach dem Investmentgesetz zulässigen Vermögensgegenständen wahren. Der Vorstand einer Investmentaktiengesellschaft darf das Gesellschaftsvermögen durch die Ausgabe von neuen Anlageaktien gegen Einlage wiederholt erhöhen. Begrenzt ist er dabei nur durch das in der Satzung festzulegende Höchstkapital der Gesellschaft. Anlageaktionäre haben grundsätzlich kein Bezugsrecht. Gibt ein Anlageaktionär seine Aktien an die Gesellschaft zurück und zahlt diese den Gegenwert aus dem Gesellschaftsvermögen aus, so ist letzteres automatisch um diesen Betrag herabgesetzt (§ 105 Abs. 3 InvG).
9.41
Anhand des Vorstehenden wird klar, dass die Unternehmensaktionäre die Gesellschafter sind, die die Investmentaktiengesellschaft gründen und halten. Die Anlageaktionäre hingegen investieren zu Anlagezwecken in die Gesellschaft. Zwar gewähren ihre Aktien normalerweise keine mitgliedschaftlichen Rechte. Im Gegenzug können sie aber von der Gesellschaft die Rücknahme der Aktien gegen Auszahlung ihres Wertes am Gesellschaftsvermögen verlangen. Das Gesetz berücksichtigt mit der Trennung von Unternehmens- und Anlageaktien also die unterschiedliche Motivationslage der Aktionäre.
9.42
Die Verwaltung der eigenen Mittel kann die Investmentgesellschaft entweder selbst vornehmen. Sie wird dann als selbstverwaltete Investmentaktiengesellschaft bezeichnet. Da auf die Investmentaktiengesellschaft die Auslagerungsvorschriften des Investmentrechts anwendbar sind, kann die Verwaltung aber auch an Dritte ausgelagert werden (§§ 99 Abs. 3, 16 Abs. 2 InvG). Der Dritte 1210
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9. Teil
Grundstrukturen des Investmentgeschäfts
muss aber über eine Zulassung zur Vermögensverwaltung verfügen und einer wirksamen öffentlichen Aufsicht unterliegen. Innerhalb Deutschlands kämen zwei Zulassungen in Frage, die Zulassung zur Finanzportfolioverwaltung (§ 1 Abs. 1a Nr. 3 KWG) oder die Zulassung als Kapitalanlagegesellschaft. Wird die Auslagerung der Vermögensverwaltung allerdings an eine Kapitalanlagegesellschaft vorgenommen, so folgt diese nicht den investmentrechtlichen Auslagerungsregeln. In einem solchen Fall spricht man vielmehr von einer fremdverwalteten Investmentaktiengesellschaft (§ 96 Abs. 4 InvG)1. Die Übertragung der Verwaltung bewirkt auch einen Übergang der vollständigen Haftung der Kapitalanlagegesellschaft in diesem Bereich.
II. Aufgabenteilung zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank Eines der tragenden Grundprinzipien des Investmentrechts ist die Aufgabenteilung zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank. Das Investmentgesetz hat in den §§ 20 ff. InvG beiden Institutionen eine selbständige, am Interesse der Anteilsinhaber ausgerichtete Stellung eingeräumt und jede von ihnen zur Überwachung der Tätigkeit des jeweils anderen verpflichtet2. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Kapitalanlagegesellschaft liegt in einer professionellen Anlage der von den Anteilinhabern eingezahlten Geldmittel. Die Depotbank ist dagegen mit der technischen Abwicklung der laufenden Geschäftsvorfälle betraut. Diese Funktionen ermöglichen zugleich eine Überwachung der Kapitalanlagegesellschaft. Mit dieser Aufgabenteilung soll ein zusätzlicher Schutz der Anleger erreicht werden.
9.43
III. Bildung von Sondervermögen Investmentvermögen hat die Kapitalanlagegesellschaft gesondert von ihrem eigenen Vermögen zu verwahren. Eine Kapitalanlagegesellschaft kann mehrere solcher Sondervermögen auflegen und verwalten. Dabei muss es sich nicht um die oben beschriebenen europarechtlich harmonisierten OGAW-Fonds handeln. Vielmehr kommt daneben auch eine Vielzahl von nicht harmonisierten Fonds in Frage, die nach dem Investmentgesetz aufgelegt werden dürfen.
9.44
1. Treuhand- oder Miteigentumslösung Das Investmentgesetz (§ 30 Abs. 1 InvG) hat es bei der Ausgestaltung der Vertragsbedingungen für den jeweiligen Fonds grundsätzlich in das Ermessen der Kapitalanlagegesellschaft gestellt, ob die zum Fondsvermögen gehörenden Vermögensgegenstände im treuhänderischen Eigentum der Kapitalanlagege1 Hackländer/Iken in Beckmann/Scholz/Vollmer, Investment, Handbuch für das gesamte Investmentwesen, Nr. 410, § 96 InvG Rz. 19. 2 BGH v. 18.9.2001 – XI ZR 337/00, WM 2001, 2053 (2054).
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9.45
9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
sellschaft stehen (Treuhandmodell) oder den Anlegern selbst Miteigentum an den Fondswerten zustehen soll (Miteigentum-Modell). Die Praxis verwendet fast ausschließlich das Miteigentumsmodell.
9.46
Abweichend von der grundsätzlichen Wahlfreiheit für die Kapitalanlagegesellschaft zwischen Treuhand- und Miteigentumsmodell müssen offene Immobilienfonds nach § 75 InvG zwingend treuhänderisch Eigentum an ihren Vermögensgegenständen haben. Ausschlaggebend dafür ist, dass nach deutschem Sachenrecht zum Erwerb von Immobilieneigentum grundsätzlich der Eintrag ins Grundbuch erforderlich ist. Im Falle des Miteigentum-Modells müsste das Grundbuch mit jedem Erwerb bzw. jeder Rückgabe von Anteilsscheinen korrigiert werden. Mangels praktischer Handhabbarkeit ordnet das Gesetz also das Treuhandmodell an, das dann aber auch für alle Vermögensgegenstände des Immobilienfonds gilt1.
9.47
Im Miteigentum-Modell hat die Kapitalanlagegesellschaft kein Eigentum an den Vermögenswerten des von ihr verwalteten Fonds. Vielmehr steht das Eigentum allen Anlegern gemeinschaftlich entsprechend ihrer Anteile zu (§ 33 Abs. 2 InvG). Freilich ist dieses Miteigentum in seinen Rechten investmentrechtlich stark eingeschränkt. So können die Miteigentumsanteile an den Vermögensgegenständen des Fonds nur durch die Übertragung des diese Rechte verbriefenden Anteilsscheines übertragen werden. Stimmrechte aus zu dem Sondervermögen gehörenden Aktien darf nicht der Anleger ausüben, sondern die Kapitalanlagegesellschaft (§ 32 Abs. 1 InvG). Im Verhältnis zu dem Anleger finden auch die Vorschriften des Depotgesetzes keine Anwendung (§ 30 Abs. 4 InvG). Nicht einmal die Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft mit den anderen Anlegern kann gefordert werden (§ 38 Abs. 5 InvG). Im Gegenzug erhält der Anleger aber ein Recht, die Anteile grundsätzlich jederzeit wieder an die Kapitalanlagegesellschaft gegen Auszahlung des ihm zustehenden Wertes am Sondervermögen zurück zu geben (§ 37 InvG).
2. Schutzbestimmungen zu Gunsten der Anleger in Sondervermögen
9.48
Das Investmentgesetz enthält eine Vielzahl von Regelungen, die dem Schutz der Anleger in Investmentfonds dienen. Bereits angesprochen (vgl. Rz. 9.24, Rz. 9.32 und Rz. 9.44) wurde die vom eigenen Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft getrennte Verwahrung der Vermögensgegenstände eines Fonds. Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank überwachen sich darüber hinaus gegenseitig. Stellt eine der Parteien dabei fest, dass es zu Gesetzesverstößen kam, die Ansprüche der Anleger auslösen, so muss sie diese Ansprüche notfalls auch gerichtlich gegen die andere Partei durchsetzen (§ 28 InvG). Das Recht der Anleger, selbst klageweise vorzugehen, bleibt dabei unberührt.
9.49
Das über das im Investmentfonds hinausgehende Vermögen von Anlegern wird dadurch geschützt, dass die Kapitalanlagegesellschaft nicht berechtigt ist, im Namen der Anleger Verbindlichkeiten einzugehen. Sie hat unabding1 Also auch etwa Vermögensgegenstände nach den §§ 67 Abs. 6, 68 und 80 InvG.
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9. Teil
Grundstrukturen des Investmentgeschäfts
bar keine Vertretungsmacht für die Investoren. Vielmehr handelt bei der Fondsverwaltung in eigenem Namen auf Rechnung des Fondsvermögens. Tritt die Kapitalanlagegesellschaft also in ein Rechtsgeschäft ein, so entstehen Verbindlichkeiten nur zu ihren eigenen Lasten, nicht aber zu Lasten der Investoren. Dabei haftet nicht einmal das Sondervermögen für solche Verbindlichkeiten, selbst wenn diese für Rechnung des Fonds eingegangen wurden. Gläubiger der Gesellschaft können also nicht auf das Investmentvermögen zugreifen, sondern sind grundsätzlich auf das eigene Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft als Haftungsmasse verwiesen. Konsequenterweise dürfen daher gemäß § 31 Abs. 5 InvG auch nur in Ausnahmefällen Sicherheiten an Vermögensgegenständen des Fonds bestellt werden. Gläubiger der Kapitalanlagegesellschaft können gegen Forderungen, die der Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung der Anleger zustehen, nicht mit eigenen Forderungen gegen die Kapitalanlagegesellschaft aufrechnen (§ 31 Abs. 6 InvG). Von diesem Aufrechnungsverbot sind sog. Payment- und LiquidationsNettingvereinbarungen auf der Grundlage standardisierter Rahmenverträge ausgenommen worden, die im Zusammenhang mit Wertpapierdarlehen, Pensionsgeschäften oder Geschäften mit sonstigen Finanzinstrumenten abgeschlossen werden, die nicht zum Handel an einer Börse zugelassen oder in einen anderen organisierten Markt einbezogen sind (§§ 54, 57 InvG).
9.50
Der Schutz des Sondervermögens greift selbst im Fall einer Insolvenz der Kapitalanlagegesellschaft. Die von ihr aufgelegten Investmentfonds genießen Insolvenzschutz, fallen also nicht in die Insolvenzmasse der Kapitalanlagegesellschaft (§ 38 Abs. 3 InvG).
9.51
Trotz des geschilderten Schutzes von Sondervermögen ist ein unberechtigter Vollstreckungsversuch natürlich nicht ausgeschlossen. In einem solchen Fall ist die Depotbank berechtigt und verpflichtet, Drittwiderspruchsklage zu erheben (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 InvG).
9.52
IV. Open-End-Prinzip Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei der Ausgestaltung der Investmentfonds der Kapitalanlagegesellschaften für das Open-End-Prinzip entschieden. Solche Open-End-Investmentfonds (auch als offene Investmentfonds bezeichnet) bleiben grundsätzlich offen für den Zugang neuer Mittel von Anlegern. Dementsprechend können laufend neue Investmentanteile ausgegeben werden. Freilich besteht keine gesetzliche Pflicht, neue Fondsanteile auszugeben1. So kann es im Fall von überhitzten Märkten, bei denen die Kapitalanlagegesellschaft mit Rückschlägen rechnet, gerechtfertigt sein, keine neuen Investitionen zu tätigen. Zur Vermeidung eines übermäßig hohen Anteils von nicht investiertem Geldvermögen im Fonds kann dann etwa die Ausgabe neuer Anteile bis 1 Vgl. Baur, Investmentgesetze, Bd. I, Einl. I, Rz. 80; Schödermeier/Baltzer in Brinkhaus/Scherer, Abschnitt I, § 11 KAGG Rz. 5.
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9.53
9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
zu einer positiven Veränderung der Marktaussichten reduziert oder eingestellt werden. Ein Kontrahierungszwang der Kapitalanlagegesellschaft mit potentiellen Investoren besteht nicht.
9.54
Jeder Anleger kann im Übrigen verlangen, dass ihm sein Anteil an dem Sondervermögen gegen Rückgabe des Anteilscheins ausgezahlt wird. Hierbei wird der Wert des Anteils an dem Sondervermögen in der Weise errechnet, dass der Gesamtwert des Fondsvermögens durch die Zahl der ausgegebenen Anteile geteilt wird (§ 36 Abs. 1 InvG). Das Fondsvermögen ist also keine statische Größe. Es vergrößert oder verringert sich durch Ankäufe oder Verkäufe entsprechend dem Zu- oder Abfluss von Investorengeldern.
9.55
Hinter dem Open-End-Prinzip der deutschen Investmentfonds steht der Gedanke, die Liquidität der angelegten Geldbeträge für den Anleger zu gewährleisten, ohne ihn zu einem Verkauf an einer Börse oder sonstigen Sekundärmarkt zu zwingen. Die deutschen Kapitalanlagegesellschaften müssen daher die ausgegebenen Anteile auf Verlangen der Anleger zurücknehmen.
9.56
Der vorstehende Gedanke gilt auch für Investmentvermögen einer Investmentaktiengesellschaft. Anders als bei klassischen Aktiengesellschaften hat hier der Anleger das Recht zur Rückgabe der Aktien an die Gesellschaft (§§ 2 Abs. 5, 105 Abs. 2 InvG).
V. Publikumsfonds und Spezialfonds
9.57
Der Kreis der an einem Fondsvermögen beteiligten Anleger kann unterschiedlich zusammengesetzt sein. Insoweit unterscheidet man zwischen Publikumsfonds und Spezialfonds. Unter Publikumsfonds werden Fonds verstanden, deren Anteilsscheine von jedermann erworben werden können (§ 2 Abs. 3 Satz 2 InvG). Bei den Publikumsfonds bleiben die Anleger regelmäßig gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft anonym. Die anzulegenden Geldmittel erhalten die Kapitalanlagegesellschaften durch Absatz der Fondsanteile über die zwischengeschalteten depotführenden Banken der Anleger. Vielfach bedienen sich Kapitalanlagegesellschaften zum Vertrieb auch selbständiger Vermittler. Außerdem kann eine Kapitalanlagegesellschaft auch selbst Depots für Kunden führen. In solchen Depots darf sie neben von ihr verwalteten Fondsanteilen auch Anteile verwalten, die nach den Vorschriften des Investmentgesetzes oder von einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben worden sind (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 InvG).
9.58
Spezialfonds sind Fonds, deren Anteilscheine einem bestimmten Kreis von Erwerbern vorbehalten sind. Nach dem Investmentgesetz (§ 2 Abs. 3 Satz 1 InvG) sind Spezialfonds Sondervermögen, deren Anteile auf Grund schriftlicher Vereinbarungen mit der Kapitalanlagegesellschaft ausschließlich von Anlegern, die nicht natürliche Personen sind, gehalten werden. Die zahlenmäßigen Beschränkungen der Investorenzahl in der Vergangenheit von zunächst zehn, später 30 Anlegern, bestehen nicht mehr. Mit der Auflegung von Spezialfonds soll die Kapitalanlagegesellschaft in die Lage versetzt werden, in 1214
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9. Teil
Grundstrukturen des Investmentgeschäfts
erheblichen Umfang für in- und ausländische Großanleger, insbesondere institutionelle Anleger, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Vermögensanlagen und Vermögensverwaltung anzubieten1. Spezialfonds sind ein Unterfall des Publikumsfonds. Tritt eine natürliche Person in den Anlegerkreis ein, so wird der Spezialfonds zum Publikumsfonds2. Im Gegensatz zum Publikumsfonds wird beim Spezialfonds allerdings auch für ausreichend erachtet, wenn lediglich ein einziger Investor in den Fonds investiert. Typischerweise werden Spezialfonds in der Praxis auch nur für einen oder wenige Großinvestoren aufgelegt, etwa Versicherungen oder Konzerngesellschaften.
9.59
Um das unbeabsichtigte Hinzutreten von natürlichen Personen zum Anlegerkreis eines Spezialfonds und damit seine Umqualifizierung zum Publikumsfonds zu verhindern, hat der Gesetzgeber die Übertragung von Anteilen an einem Spezialfonds an das Zustimmungserfordernis der Kapitalanlagegesellschaft geknüpft3. In diese schriftliche Vereinbarung zwischen Spezialfondsanlegern und Kapitalanlagegesellschaft wird außerdem häufig die Depotbank mit einbezogen4. Man spricht daher auch insofern von der „Dreier-Vereinbarung“.
9.60
Im Gegensatz zum Publikumsfonds ist der Einfluss der Investoren beim Spezialfonds auf das Fondsmanagement größer. Üblicherweise hat ein Spezialfonds einen sog. Anlageausschuss, in dem Vertreter des Fondmanagements und der Anleger sitzen und der regelmäßig zusammen kommt. In diesem Ausschuss werden ua. Investitionsentscheidungen aus der Vergangenheit und Strategien für die Zukunft besprochen. Die Vertreter der Investoren können dabei kontrollierend und beratend auf das Fondsmanagement einwirken5.
9.61
In der Anlagepolitik und aufsichtsrechtlich genießt der Spezialfonds gegenüber dem Publikumsfonds weit gehende Freiheiten. So muss er beispielsweise die gesetzlich für Publikumsfonds vorgegebenen Fondstypen nicht beachten (§ 91 Abs. 3 InvG)6, wenn die Anleger hierfür ihre Zustimmung erteilt haben. Freilich darf nur trotz dieser Lockerung nur in die vom Investmentgesetz vorgegebenen Vermögensgegenstände investiert werden. Die für Publikumsfonds gesetzlich vorgeschriebenen strengen Anlagebeschränkungen gelten für einen Spezialfonds allerdings ebenfalls nur in einem reduzierten Umfang.
9.62
Aufsichtsrechtlich unterliegt der Spezialfonds der Kontrolle durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Allerdings betrachtet der Gesetzgeber den Anlegerkreis von Spezialfonds als erfahrener und daher weniger schützenswert als den von Publikumsfonds. Im Gegensatz zu einem Publikumsfonds bedarf es daher einer weniger strengen Kontrolle durch die BaFin.
9.63
1 Laux, WM 1990, 1093 (1097). 2 Umgekehrt kann ein Publikumsfonds allerdings nicht durch ein Ausscheiden sämtlicher natürlicher Personen zum Spezialfonds werden, § 43 InvG. 3 Zeller in Brinkhaus/Scherer, Abschnitt I, § 1 KAGG Rz. 41. 4 Baur, Investmentgesetze, Bd. I, Anh. § 1 KAGG Rz. 36. 5 Köndgen/Schmies in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 113 Rz. 93. 6 Eine Ausnahme gilt nur für hinsichtlich der Hedgefonds nach den §§ 112 ff. InvG, der Gesetzesverweis bezieht sich nämlich nicht auf diese Fonds.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
Deshalb entfallen teilweise aufsichtsrechtliche Genehmigungserfordernisse und sind Berichtspflichten gelockert1.
VI. Wertpapiermäßige Verbriefung der Rechtsposition der Anleger
9.64
Die von den Kapitalanlagegesellschaften über die Fondsanteile ausgegebenen Anteilscheine sind Wertpapiere. Die Anteilscheine können als Inhaber- oder indossable Orderpapiere ausgestellt werden. Sie verbriefen nach § 33 InvG die Ansprüche des Anteilsinhabers gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft. Die wertpapiermäßige Verbriefung erstreckt sich auch auf die Ansprüche der Anteilsinhaber gegen die Depotbank.
9.65
Die Anteilsscheine sind keine rein schuldrechtlichen Wertpapiere, wie sie die Schuldverschreibungen der Anleiheemissionen darstellen. Denn Gegenstand der Verbriefung ist die gesamte Rechtstellung des Anlegers. Hierzu gehört bei der im Inland praktizierten Miteigentumslösung (vgl. Rz. 9.47) auch die eigentumsmäßige Beteiligung am Fondsvermögen. Nur diese umfassende Verbriefung wird der wirtschaftlichen Funktion des Investmentgeschäfts gerecht. Denn der wirtschaftliche Wert der Anteilsrechte erschöpft sich nicht in schuldrechtlichen Ansprüchen der Anleger gegen den Fonds auf eine ordnungsgemäße Geschäftsbesorgung. Dieser Wert ergibt sich vor allem aus der eigentumsmäßigen Beteiligung am Fondsvermögen2.
9.66
Der geldliche Wert eines Fondsanteils ergibt sich aus der Teilung des Wertes des Sondervermögens durch die Zahl der in den Verkehr gelangten Anteile (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InvG). Der Wert des Sondervermögens wird dabei entweder von der Kapitalanlagegesellschaft allein oder von der Depotbank unter Mitwirkung der Kapitalanlagegesellschaft entsprechend den gesetzlichen Regelungen ermittelt und veröffentlicht (§ 36 InvG)3.
9.67
Bei der Errichtung eines Fonds als Investmentaktiengesellschaft erwirbt der Anleger Anlageaktien4. Seine Rechte richten sich dem entsprechend nach den §§ 96 ff. InvG in Verbindung mit dem Aktiengesetz.
9.68–9.70
Einstweilen frei.
1 Siehe im Einzelnen Baur in Assmann/Schütze, § 20 Rz. 162. 2 Vgl. auch Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Nr. 410, § 33 Rz. 16 mwN. 3 Konkretisiert wird die Vorschrift durch die Verordnung über Inhalt, Umfang und Darstellung von Jahres-, Halbjahres-, Zwischen-, Auflösungs- und Liquidationsberichten von Sondervermögen und der Jahresabschlüsse und Lageberichte, Halbjahres-, Zwischen-, Auflösungs- und Liquidationsberichte von Investmentaktiengesellschaften sowie die Bewertung der dem Investmentvermögen zugehörigen Vermögensgegenstände (Investment-Rechnungslegungs- und Bewertungsverordnung, abgekürzt InvRBV) v. 16.12.2009, BGBl. I 2009, S. 3871. 4 Abgesehen von den die Gesellschaft gründenden bzw. betreibenden Unternehmensaktionären, die Unternehmensaktien innehaben, siehe Rz. 9.38.
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9. Teil
Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds
3. Abschnitt Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds I. Gesetzliche Systematik Die Systematik des Investmentgesetzes beschreibt zunächst die grundsätzlich für alle Sondervermögen geltenden Regeln. Richtlinienkonforme Sondervermögen sind solche, die den Anforderungen der OGAW-Richtlinie genügen.
9.71
Die richtlinienkonformen Sondervermögen stellen danach sozusagen den Grundtyp eines Sondervermögens dar. Das Gesetz verweist bei den nichtrichtlinienkonformen Sondervermögen auf den Grundtyp und beschreibt dann lediglich die davon abweichend geltenden Regeln. Eine Ausnahme von dieser Verweistechnik bilden lediglich die in Kapitel 4 des Investmentgesetzes beschriebenen Hedgefonds.
9.72
Das Investmentgesetz normiert einen bestimmten Rahmen für die geschäftlichen Aktivitäten der Kapitalanlagegesellschaft. Insbesondere sind die Vermögensgegenstände gesetzlich vorgeschrieben, in denen die Gelder der Anteilsinhaber angelegt werden dürfen (§ 46 Satz 2 InvG).
9.73
Zur Reduzierung der mit der Auflegung eines Sondervermögens verbundenen Verwaltungskosten1 bestimmen bereits die allgemeinen Vorschriften für Sondervermögen, dass Anteilsklassen gebildet werden können. Anteilsklassen an einem Fonds unterscheiden sich in den Rechten, die sie jeweils gewähren. Unterschieden werden können insbesondere Rechte hinsichtlich der Ertragsverwendung, des Ausgabeaufschlags, des Rücknahmeabschlags, der Währung des Anteilwertes der Verwaltungsvergütung oder der Mindestanlagesumme bzw. eine Kombination dieser Merkmale.
9.74
Der Ausgabeaufschlag ist ein einmalig vom Investor beim Anteilserwerb an die Kapitalanlagegesellschaft zu leistender Betrag. Der Aufschlag kann, muss aber nicht erhoben werden. Er verringert den Betrag des anzulegenden Geldes entsprechend. Seine Verwendung ist im ausführlichen Verkaufsprospekt darzulegen (§ 41 Abs. 1 InvG)2. Er dient regelmäßig dazu, die Vertriebskosten der Kapitalanlagegesellschaft abzudecken3. Erfolgt der Vertrieb der Anteile nicht direkt durch die Kapitalanlagegesellschaft, wird der Ausgabeaufschlag daher häufig teilweise oder vollständig an deren jeweiligen Vertriebspartner weitergegeben oder in Absprache mit der Kapitalanlagegesellschaft vom Vertriebspartner direkt einbehalten. Der Ausgabeaufschlag ist nicht Teil der laufenden Verwaltungskosten des Fonds.
9.75
Umgekehrt ist ein Rücknahmeabschlag ein einmaliger Betrag, der bei der Rückgabe eines Anteils erhoben werden kann, wenn die Vertragsbedingungen dies vorsehen.
9.76
1 Begr. RegE 4. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 66, 103. 2 Weitere Transparenzerfordernisse ergeben sich aus § 41 Abs. 6 InvG. 3 Baur, Investmentgesetze, Bd. 2, § 3 AuslInvG Rz. 8.
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9. Teil
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Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
Das Gesetz erlaubt der Kapitalanlagegesellschaft, sog. „Mindestzahlungszusagen“ zu machen. Solche Zusagen, nämlich bei Rücknahme, Beendigung der Verwaltung bzw. der Beendigung der Verwahrung und Verwaltung von speziellen Fondsanteilen einen Mindestbetrag an den Anleger zu zahlen, beziehen sich auf die umgangssprachlich als „Garantiefonds“ bezeichneten Sondervermögen. Bei solchen Fonds erhält der Anleger zB die Zusage, bei der Rückgabe zu einem bestimmten Stichtag zumindest das von ihm eingesetzte Kapital abzüglich Ausgabeaufschlag oder Rücknahmeabschlag zurück zu erhalten.
II. Richtlinienkonforme Sondervermögen
9.78
Richtlinienkonforme Sondervermögen sind solche, die der OGAW-Richtlinie entsprechen. Die Richtlinie definiert, in welche Anlageinstrumente ein Sondervermögen investieren darf und setzt dafür Anlagegrenzen und weitere Limite (zB für die Kreditaufnahme). Je nach Schwerpunkt der Anlagepolitik kann ein richtlinienkonformes Sondervermögen die Gestalt einer bestimmten Fondskategorie, etwa Wertpapier-Sondervermögen, Rentenfonds, Derivatefonds oder Geldmarktfonds, haben. Um eine einheitliche Klassifizierung von Sondervermögen zu gewährleisten, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) von ihrem Recht (§ 4 Abs. 2 InvG) Gebrauch gemacht und eine Richtlinie erlassen, die die Grenzen der jeweiligen Fondskategorie regelt1. Damit soll dem Anleger eine Orientierung zur Unterscheidung der angebotenen Investmentvermögen ermöglicht werden.
9.79
Zulässige Vermögensgegenstände eines richtlinienkonformen Sondervermögens sind Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Bankguthaben, Investmentanteile und Derivate. Das Investmentgesetz stellt bestimmte Anforderungen an diese Vermögensgegenstände (vgl. §§ 47 ff. InvG). Konkretisiert wird das Gesetz durch die sog. „Eligible Assets Richtlinie“ der EU2, den CESR guidelines zu dieser Richtlinie, der Derivateverordnung3 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Stellungnahmen dieser Behörde zu erwerbbaren Vermögensgegenständen4. In über die vorgenannten Anlagegegenstände hinausgehende Instrumente darf nur in geringem Umfang und in den gesetzlich vorgegebenen Grenzen investiert werden (§ 52 InvG). Ein Investment in Edelmetalle oder Zertifikate über Edelmetalle ist sogar vollständig verboten (§ 46 Satz 2 InvG).
1 Richtlinie zur Festlegung von Fondskategorien gemäß § 4 Abs. 2 Investmentgesetz (InvG) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, abrufbar unter http:// www.bafin.de/cln_115/nn_721188/SharedDocs/Aufsichtsrecht/DE/Richtlinien/rl__ 041212__fondskategorien.html?__nnn=true. 2 Richtlinie 2007/16/EG, ABl. EU Nr. L 79 v. 20.3.2007, S. 11 ff. 3 Abrufbar unter http://bundesrecht.juris.de/derivatev/index.html. 4 ZB „Verwaltungspraxis betreffend Erläuterung gewisser Definitionen durch Richtlinie 2007/16/EG und CESR/07-044 (Eligible Assets)“, abrufbar unter http://www.bafin.de/ cln_115/nn_722552/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Auslegungsentscheidungen/Wertpapieraufsicht/ae__070426__verwpraxrl.html?__nnn=true.
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9. Teil
Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds
Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz hat den Erwerb von Anteilen an anderen Fonds gestattet (umgesetzt in § 50 InvG). Mit diesen sog. Dachfonds kann den privaten Anlegern eine standardisierte Vermögensverwaltung angeboten werden, weil hier das Fachwissen anderer Fonds genutzt werden kann. Dachfonds dürfen jedoch grundsätzlich keine Anteile anderer Dachfonds erwerben, um das Entstehen sog. Kaskadenfonds zu verhindern, die für die Anleger wegen mangelnder Transparenz der Kostenbelastung und der kaum überschaubaren Vermögensverhältnisse erhebliche Probleme aufwerfen würden1. Die Zielfonds eines Dachfonds dürfen deshalb maximal zu 10 % selbst in andere Fonds investieren (§ 50 Abs. 1 Satz 3 InvG). Der Dachfonds selbst muss hingegen mindestens 51 % seines Vermögens in Zielfonds anlegen2. Die Kapitalanlagegesellschaft darf für einen Fonds in einem einzigen OGAW-Zielfonds maximal 20 %, in den sonstigen in § 50 Abs. 1 InvG näher beschriebenen Fonds maximal 30 % anlegen (§ 61 InvG). Dadurch wird eine zu hohe Konzentration von Zielfonds vermieden3.
9.80
Wertpapierindexfonds versuchen, die Wertentwicklung eines bestimmten Wertpapierindex nachzuvollziehen. OGAW-Fonds können solche Indexfonds in gewissen Grenzen darstellen. Hierzu darf, soweit es sich bei dem Index um einen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht anerkannten Wertpapierindex handelt, von den im Gesetz geregelten Ausstellergrenzen abgewichen werden (§ 63 InvG).
9.81
Kredite gewähren oder Bürgschaften stellen darf ein richtlinienkonformes Sondervermögen schon nach der OGAW-Richtlinie nicht (Art. 88 OGAW IV). Aber auch die Aufnahme von Krediten ist eingeschränkt. Sie muss in den Vertragsbedingungen des kreditaufnehmenden Fonds vorhergesehen sein und darf 10 % des Wertes des Sondervermögens4 nicht überschreiten. Die aufgenommenen Kredite müssen außerdem das Merkmal der Kurzfristigkeit aufweisen. Gesetzlich wird dieser Begriff nicht näher erläutert. Ob ein Kredit als kurzfristig zu klassifizieren ist, dürfte richtigerweise am Einzelfall zu entscheiden sein. Jedenfalls bei einer Laufzeit von mehr als einem Jahr dürfte eine Grenze erreicht sein, bei der keine Kurzfristigkeit mehr zu bejahen ist5.
9.82
Die Aufnahme von Kredit kommt etwa in Frage, um kurzfristig auftauchenden Liquiditätsbedarf darzustellen, zum Beispiel bei nicht erwarteten hohen Rückgaben von Anteilsscheinen, bei denen die Bedienung durch den Abver-
9.83
1 Begr. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 61, 116; Pötzsch, WM 1998, 949 (958). 2 Richtlinie zur Festlegung von Fondskategorien gemäß § 4 Abs. 2 Investmentgesetz (InvG) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, abrufbar unter http:// www.bafin.de/cln_115/nn_721188/SharedDocs/Aufsichtsrecht/DE/Richtlinien/rl__ 041212__fondskategorien.html?__nnn=true. 3 Aber dementsprechend auch die Bildung von Master-Feeder-Strukturen unterbunden. 4 Dieser berechnet sich nach § 36 Abs. 1 InvG. 5 So auch die aktuelle Sichtweise der BaFin, vgl. Nr. 8 des von ihr veröffentlichten Fragenkatalogs zu § 53 InvG, abrufbar unter http://www.bafin.de/cln_152/nn_ 721290/ SharedDocs/Downloads/DE/Service/Aufsichtsrecht/kreditaufnahme_C2_A753invg__ faq,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/kreditaufnahme§53invg_ faq.pdf.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
kauf von Vermögensgegenständen entweder nicht möglich oder im Vergleich zur Kreditaufnahme für die verbleibenden Anleger nachteilig ist. In einer solchen Situation wird sich die Verwaltungsgesellschaft des Fonds aber auch fragen müssen, ob der Liquiditätsengpass vorübergehend ist und mit der Kreditaufnahme überbrückt werden kann. Prognostiziert sie nachvollziehbar, dass auch mit der begrenzten Kreditaufnahme die Liquidität auf Sicht nicht ausreichen wird und eine Aussetzung der Rücknahme droht (§ 37 Abs. 1 InvG), wird sie die Vorteilhaftigkeit einer dennoch vorgenommenen Kreditaufnahme für den Anleger zu rechtfertigen haben.
9.84
Valutarische Sollsalden, die durch taggleiche Wertpapierkauf- und -verkaufgeschäfte entstehen, weil der Erlös aus dem Verkauf später als die Belastung aus dem Verkauf gebucht wird, erfüllen den Kreditbegriff nicht. Nicht-valutarische Sollsalden, also etwa Überziehungen und sonstige Dispositionen, die über die vorhandenen Barmittel hinaus gehen, stellen hingegen Kredite dar. Verfügt ein Fonds über verschiedene Bargeldkonten, so können diese miteinander saldiert werden. Sofern durch die Erhebung von Zinsen auf die Überziehung keine Unterdeckung entsteht, liegt dann kein Kredit vor. Im Übrigen ist grundsätzlich jeder Vorgang, der wirtschaftlich eine Fremdfinanzierung von Anlagegegenständen darstellt, eine Kreditaufnahme1.
9.85
Die Kreditaufnahme eines richtlinienkonformen Fonds bedarf der Zustimmung der Depotbank. Da rein valutarische Überziehungen nicht als Kredit im Sinne des Investmentgesetzes verstanden werden, gilt das Zustimmungserfordernis dort folgerichtig nicht (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 InvG).
9.86
Entgegen dem oben genannten Grundsatz, dass eine Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung des von ihr verwalteten harmonisierten Fonds keine Kredite begeben darf, sind Wertpapierdarlehen2 an einen Dritten möglich, wenn dessen Vertragsbedingungen dies vorsehen.
9.87
Allerdings darf ein solches Darlehen nur zu marktüblichen Entgeltkonditionen gewährt werden. Es muss daneben weitere Bedingungen erfüllen. So darf der Kurswert der Wertpapiere des Darlehens an einen Darlehensnehmer zehn Prozent des Wertes des Fonds nicht überschreiten. Unternehmen eines Konzerns gelten insofern als ein Darlehensnehmer. Außerdem muss die Kapitalanlagegesellschaft sich zu Gunsten des Fondsvermögens Sicherheiten entweder in Form von Geld oder in Form von bestimmten risikoarmen Wertpapieren stellen lassen.
9.88
Das Gesetz fordert hinsichtlich des Betrags der Sicherheiten einen marktüblichen Aufschlag. Die Höhe dieser Übersicherung bestimmt sich dabei nach 1 Scherer in Brinkhaus/Scherer, § 9 KAGG Rz. 23; Beckmann in Beckmann/Scholtz/ Vollmer, Investment, Nr. 410, § 26 InvG Rz. 17; BaFin in Nr. 2 des Fragenkatalogs zu § 53 InvG, abrufbar unter http://www.bafin.de/cln_171/nn_721290/SharedDocs/ Downloads/DE/Service/Aufsichtsrecht/kreditaufnahme_C2_A753invg__faq,templateId =raw,property=publicationFile.pdf/kreditaufnahme§53invg_faq.pdf. 2 Umgangssprachlich, aber juristisch unkorrekt wird ein Wertpapierdarlehen häufig auch als „Wertpapierleihe“ bezeichnet.
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9. Teil
Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds
den wirtschaftlichen Verhältnissen des Darlehensnehmers. Je schlechter dessen wirtschaftliche Lage ist, desto höher wird konsequenterweise der Aufschlag sein. Er dient als Puffer, um bei Kursschwankungen im Wert der entliehenen Papiere oder der Sicherheiten hinreichend Schutz für das Sondervermögen zu gewährleisten. Dem entsprechend hat die Kapitalanlagegesellschaft auch Sicherheiten nachzufordern, sobald der geforderte Betrag nebst Aufschlag unterschritten wird. Gleiches gilt, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers negativ verändern und der Aufschlag sich dem entsprechend erhöht. Bei befristeten Wertpapierdarlehen muss die Rückerstattung spätestens nach 30 Tagen fällig sein. Mit Rücksicht auf das Liquiditätsrisiko sind jedoch solche Geschäfte auf höchstens 15 % des Wertes des Sondervermögens begrenzt worden1. Auf eine Begrenzung des Wertpapierdarlehens pro Wertpapier-Gattung ist verzichtet worden. Die Streuungsvorschriften des Gesetzes lassen auch eine ausreichende Streuung der Wertpapier-Darlehensgeschäfte erwarten2.
9.89
Bei unbefristeten Wertpapierdarlehen muss die Kapitalanlagegesellschaft jederzeit zur Kündigung berechtigt sein. Dem Wertpapier-Darlehensnehmer darf in diesen Fällen nur eine Rückerstattungsfrist von höchstens fünf Börsentagen eingeräumt werden.
9.90
Mit Rücksicht auf diese kurzfristige Rückgabe können bei unbefristeten Wertpapierdarlehen grundsätzlich die gesamten zum Fondsvermögen gehörenden Wertpapiere verliehen werden. Der vollen Ausschöpfung dieser Möglichkeit kann aber im Einzelfall die Pflicht der Kapitalanlagegesellschaft entgegenstehen, das Fondsvermögen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes im Interesse der Anteilinhaber zu verwalten (§ 9 Abs. 1 InvG).
9.91
Die verliehenen Aktien müssen schließlich so rechtzeitig zurückgewährt werden, dass die Kapitalanlagegesellschaft die verbrieften Rechte, insbesondere die Stimmrechte, ausüben kann (§ 55 Nr. 2 InvG). Nach dem Investmentgesetz soll die Kapitalanlagegesellschaft die Stimmrechte aus Aktien von Gesellschaften mit Sitz im Geltungsbereich des Gesetzes regelmäßig selbst ausüben (§ 32 InvG). Sie kann aber auch im Einzelfall einen anderen zur Ausübung des Stimmrechts bevollmächtigen. Dabei soll sie Weisungen für die Ausübung erteilen. Eine solche Vollmacht kann sie aber auch ohne Weisung und dauerhaft an unabhängige Stimmrechtsvertreter erteilen. Damit soll die Ausübung der dem Sondervermögen zustehenden Stimmrechte gefördert und der Markt für unabhängige Stimmrechtsvertreter gefördert werden3.
9.92
Die Kapitalanlagegesellschaft kann sich eines Wertpapierleihsystems, das von einer Wertpapiersammelbank oder von einem anderen Unternehmen, dessen Unternehmensgegenstand die Abwicklung von grenzüberschreitenden Effek-
9.93
1 Begr. RegE 2. Finanzmarkt-Förderungsgesetz, BT-Drucks. 12/6679, S. 80. 2 Begr. RegE 2. Finanzmarkt-Förderungsgesetz, BT-Drucks. 12/6679, S. 80. 3 Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Nr. 410, § 32 InvG Rz. 7.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
tengeschäften für andere ist, betrieben wird, zur Vermittlung und Abwicklung von Wertpapierdarlehen bedienen. Voraussetzung ist, dass durch die Bedingungen dieses Leihsystems die Wahrung der Interessen der Anteilinhaber gewährleistet ist und die Vertragsbedingungen die Einschaltung eines solchen Unternehmens vorhersehen.
9.94
Unter sog. „echten Pensionsgeschäften“ versteht man Rechtsgeschäfte, bei denen dem Pensionsnehmer gegen Zahlung eines Entgelts das Eigentum an Wertpapieren des Pensionsnehmers übertragen wird. Zeitgleich wird aber schuldrechtlich vereinbart, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft eine Rückübertragung der Wertpapiere an den Pensionsgeber, ebenfalls gegen ein Entgelt, stattzufinden hat1. Solche Geschäfte sind der Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung des Sondervermögens in Grenzen erlaubt, und zwar als Pensionsgeber, wie auch als Pensionsnehmer. In Pension genommene Wertpapiere sind freilich auf die Anlagegrenzen des Fonds anzurechnen, gezahlte Entgelte sind im Rahmen der Liquiditätsgrenzen zu berücksichtigen. Das als Pensionsgeber erhaltene Entgelt ist auf die oben genannte zehnprozentige Kreditgrenze anzurechnen. Die Laufzeit von Pensionsgeschäften darf maximal zwölf Monate betragen.
9.95
Unter Leerverkäufen im Sinne des Investmentgesetzes versteht man die Veräußerung von Vermögensgegenständen, die sich im Zeitpunkt des Verkaufsgeschäftes nicht im Sondervermögen befinden. Solche Leerverkäufe sind für Fonds grundsätzlich nicht erlaubt2. Erlaubt hingegen sind Geschäfte, bei denen sich im Anschluss an den Verkauf der Vermögensgegenstand nicht mehr im Vermögen des Fonds befindet. Erwirbt er den Vermögenswert ins Fondsvermögen zB auf Basis eines Wertpapierdarlehens und veräußert ihn, so liegt darin kein Verstoß gegen das Leerverkaufsverbot, obwohl sich der Vermögensgegenstand nach Rückgabe an den Darlehensgeber bei fortbestehender Lieferverpflichtung aus dem Verkauf nicht mehr im Fondsvermögen befindet.
III. Nicht harmonisierte Sondervermögen
9.96
Der deutsche Gesetzgeber lässt neben den harmonisierten Sondervermögen eine Reihe von Fonds zu, die von den Regelungen der OGAW-Richtlinie abweichen. Aktuell handelt es sich um Immobilien-Sondervermögen (§§ 66 ff. InvG ), Gemischte Sondervermögen (§§ 83 ff. InvG), Altersvorsorge-Sondervermögen (§§ 87 ff. InvG), Infrastruktur-Sondervermögen (§§ 90a ff. InvG), Sonstige Sondervermögen (§§ 90g ff. InvG), Mitarbeiterbeteiligung-Sondervermögen (§§ 90l ff. InvG), Spezial-Sondervermögen (§§ 91 ff. InvG) und Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (§§ 112 ff. InvG, Hedgefonds). 1 Das Pensionsgeschäft begegnet häufig auch unter dem aus dem Englischen stammenden Begriff „Repo“ (Kurzform für „Repurchase Agreement“) oder – aus Sicht des Pensionsnehmers betrachtet – unter dem Begriff „Reverse-Repo“. 2 Dieser Grundsatz gilt aber nicht für alle Fondstypen: Hedgefonds nach § 112 InvG müssen ggf. sogar Leerverkäufe vorhersehen. Siehe dort auch die Legaldefinition von Leerverkauf (§ 112 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InvG).
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9. Teil
Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds
1. Immobilien-Sondervermögen (§§ 66 ff. InvG)1 Offene Immobilienfonds investieren nach dem Grundsatz der Risikomischung in Immobilien (konkretisierend hierzu § 73 InvG)2. Erwerbbar sind nach näherer Maßgabe des Investmentgesetzes das Eigentum bzw. Erbbaurechte an Grundstücken, die zu Mietwohn-, Geschäfts- oder gemischt genutzten Zwecken dienen. Sofern die Gebäude auf dem Grundstück noch nicht oder noch nicht vollständig vorhanden sind, können diese – oder Erbbaurechte daran – dennoch bereits im Rahmen von 20 %-Grenzen (bezogen auf das Fondsvermögen3) erworben werden, wenn sie sich bereits im Zustand der Bebauung befinden oder für eine alsbaldige eigene Bebauung bestimmt und geeignet sind (§ 67 InvG).
9.97
In gewissen Grenzen kann ein Immobilienfonds auch Grundstücke mit anderer Nutzung bzw. Erbbaurechte daran erwerben, wenn ein dauerhafter Ertrag erwartet werden kann und die Vertragsbedingungen einen entsprechenden Erwerb vorhersehen. Allerdings ist die Erwerbbarkeit auf maximal 15 % des Wertes des Fonds4 beschränkt. Gleiche gilt für Rechte in der Form von Teileigentum und Wohnungseigentum, Teilerbbaurechten und Wohnungserbbaurechten.
9.98
Unter den gennannten Voraussetzungen können darüber hinaus Nießbrauchsrechte an Grundstücken, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, erworben werden (§ 67 Abs. 2 Satz 3 InvG). Die Aufwendungen des Erwerbs solcher Nießbrauchsrechte dürfen allerdings zusammen mit dem Wert weiterer solcher Nießbrauchsrechte im Sondervermögen nicht mehr als 10 % des Wertes des Immobilienfonds ausmachen.
9.99
Der Erwerb von Grundstücken und Rechten der vorgenannten Art ist zunächst auf das Gebiet der Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) beschränkt. Für eine Erwerbbarkeit außerhalb dieses Gebietes müssen weitere Bedingungen erfüllt sein. So muss ein solcher Erwerb in den Vertragsbedingungen vorhergesehen und eine angemessene Streuung der Vermögensgegenstände gewährleistet sein. Die Staaten, in denen Vermögensgegenstände belegen sein dürfen, und der jeweilige maximale Anteil dieser Gegenstände am Fonds5 müssen in den Vertragsbedingungen ebenfalls dargelegt werden. In den betroffenen Staaten muss die freie Übertragbarkeit der Vermö-
9.100
1 Gegenwärtig plant das Bundesfinanzministerium grundlegende Strukturänderungen bei den offenen Immobilienfonds, siehe hierzu Art. 7 des Diskussionsentwurfes zu einem Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, veröffentlicht unter http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_1940/DE/BMF__Startseite/Service/Downloads/Abt__VII/DiskE__Gesetz__ Anlegerschutz__Verbesserung_20Funktionalit_C3_A4t_20Finanzm_C3_A4rkte,templateld=raw,property=publicationFile.pdf. 2 Vgl. aber wegen der Einhaltung der Anlagegrenzen auch die Anlaufzeit in § 74 InvG. 3 Zu beachten ist aber insofern § 67 Abs. 10 InvG. 4 Auch hier ist § 67 Abs. 10 InvG zu beachten. 5 Bei der Berechnung ist auch hier § 67 Abs. 10 InvG zu berücksichtigen.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
gensgegenstände gewährleistet und darf der Kapitalverkehr nicht beschränkt sein (§ 67 Abs. 3 InvG ).
9.101
Die vorstehend genannten Vermögensgegenstände müssen vor ihrem Erwerb von einem Sachverständigengutachter bewertet werden. Eine solche Bewertung zur Ermittlung des Verkehrswertes findet anschließend mindestens alle zwölf Monate erneut statt. Zuständig ist ein dafür von der Kapitalanlagegesellschaft zu bestellender Sachverständigenausschuss. Anders als bei der laufenden Verkehrswertermittlung darf bei der Erwerbswertermittlung der Sachverständige, der den Verkehrswert ermittelt, nicht Mitglied dieses Sachverständigenausschusses sein. Dies soll der Erhöhung der Objektivität dienen1.
9.102
Investieren darf ein offener Immobilienfonds auch in Beteiligungen an Immobiliengesellschaften. Auch bei solchen Investitionen muss eine entsprechende Möglichkeit in den Vertragsbedingungen enthalten und ein dauerhafter Ertrag zu erwarten sein (vgl. § 68 InvG, der auch weitere Bedingungen und Einschränkungen hinsichtlich Investments in Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften enthält). Nachschusspflichten müssen ausgeschlossen sein, nur unter Einschränkungen sind Minderheitsbeteiligungen möglich.
9.103
Zur Liquiditätserhaltung2 muss ein Immobilienfonds mindestens fünf Prozent und darf maximal 49 %3 liquide Mittel vorhalten. Sie dienen zum einen der Bedienung von Rückgabeverlangen, zum anderen aber auch der Finanzierung von neuen Vermögensgegenständen4. Diese Liquidität kann in Bankguthaben, nach näherer Maßgabe des Gesetzes aber auch in Geldmarktinstrumenten, Investmentanteilen, gewissen Wertpapieren bzw. Aktien von REITs angelegt werden5.
9.104
Zur Bedienung von Rückgabeverlangen, aber auch zur Finanzierungszwecken darf der Immobilienfonds Kredite aufnehmen. Wie bei einem OGAW-Fonds besteht auch für den offenen Immobilienfonds die Möglichkeit, kurzfristige Kredite bis zu einer Obergrenze von 10 % des Wertes des Sondervermögens aufzunehmen (§ 53 InvG). Kredite nach dieser Vorschrift dürfen aber nicht zur Finanzierung von Vermögensanlagen verwendet werden und dienen in erster Linie zB der Bedienung von Rückgabespitzen. Beim offenen Immobilienfonds sieht eine weitere Regelung (§ 80a InvG) die Aufnahme von Krediten bis zur Höhe von insgesamt 50 % des Wertes der sich im Fonds befindlichen Immobilien vor. Solche Kredite dürfen zur Finanzierung von Vermögensanlagen, nicht aber zur Bedienung von Anteilsrückgaben eingesetzt werden. Sie müssen freilich in den Vertragsbedingungen vorgesehen sein, ihre Aufnahme mit einer ordnungsmäßigen Geschäftsführung vereinbar sein, marktübliche Konditionen haben und den Belastungsgrenzen des Investmentgesetzes entsprechen.
1 2 3 4 5
Zöll in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Nr. 410, § 67 InvG Rz. 29. Köndgen/Schmies in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 113 Rz. 100. Bei der Berechnung ist § 80 Abs. 2 InvG zu berücksichtigen. Baur/Ziegler in BuB, 77. Lieferung, Rz. 9/233. Zu den Einzelheiten und Grenzen siehe § 80 Abs. 1 InvG.
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9. Teil
Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds
Immobilienfonds stehen in einem Spannungsverhältnis zwischen ihrem Schwerpunktinvestment in nicht kurzfristig anzuschaffenden und zu veräußernden Immobilien und auf der anderen Seite täglichen Mittelzu- und -abflüssen. In ihrer Konsequenz hat dies in den letzten Jahren mehrfach zur vorübergehenden Aussetzung der Rücknahme von Anteilen bei einzelnen Immobilienfonds geführt. Um solche Situationen besser handhaben zu können, bietet das Gesetz verschiedene Möglichkeiten.
9.105
Zwar besteht für einen offenen Fonds grundsätzlich die Pflicht, ausgegebene Anteile auch wieder zurück zu nehmen. Eine Pflicht, neue Anteile auszugeben, besteht normalerweise nicht. Um nicht in die Gefahr zu kommen, hohe Liquiditätszuflüsse angesichts der Pflicht zur Einhaltung der Grenze in Höhe von 49 % vorschnell in möglicherweise auf genaueren Blick hin nicht im Anlegerinteresse stehende Vermögensgegenstände zu investieren, beinhaltet das Investmentgesetz sogar ein Ausgabeverbot für neue Anteile, wenn eine solche Grenzverletzung droht (§ 80c Abs. 1 InvG).
9.106
Hinsichtlich der Rücknahme von Anteilen darf bei Überschreitung eines dort festgelegten Rückgabewertes an einem Rückgabetag, soweit die Vertragsbedingungen des Fonds es vorsehen, auf einen monatlichen Rücknahmemodus umgestellt werden. Dies soll der Kapitalanlagegesellschaft mehr Zeit zur Schaffung von Liquidität durch Veräußerung von Vermögensgegenständen verschaffen, um die Rückgaben bedienen zu können.
9.107
Darüber hinaus gehend stellt das Gesetz dem offenen Immobilienfonds zwei unabhängig voneinander bestehende Möglichkeiten zur Verfügung, die Anteilsrücknahme vorübergehend auszusetzen.
9.108
Wie auch bei OGAW-Fonds kann der offene Immobilienfonds von der Möglichkeit Gebrauch machen, bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen die Rücknahme von Anteilen vorübergehend auszusetzen, sofern dies unter Berücksichtigung der Anlegerinteressen erforderlich erscheint und in den Vertragsbedingungen des Fonds vorhergesehen ist (§ 37 Abs. 2 Satz 1 InvG)1. Während der Dauer dieser Aussetzung dürfen freilich auch keine weiteren Anteilsscheine ausgegeben werden (§ 37 Abs. 2 Satz 2 InvG). Letzteres kann insbesondere dann hinderlich für den Fonds sein, wenn die Aussetzung auf Grund von außergewöhnlich hohen Mittelrückflüssen erfolgte, da dann keine Mittelzufuhr durch die Ausgabe von neuen Investmentanteilsscheinen erfolgen kann.
9.109
Bei der ausschließlich für Immobilienfonds möglichen zweiten Form der Aussetzung der Rücknahme von Anteilen (§ 81 InvG) hingegen kann auch während der Suspensionsphase eine weitere Ausgabe von Investmentanteilen am Fonds stattfinden. Diese Aussetzungsmöglichkeit knüpft nicht an das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, sondern an Rücknahmeverlangen von Anlegern und das Fehlen der (unter Berücksichtigung der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Fonds) dazu notwendigen Mittel an
9.110
1 LG Frankfurt v. 19.12.2006 – 2-19 O 124/06, WM 2007, 2108 (2109).
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
und ist daher schon von den tatbestandlichen Voraussetzungen her enger als die oben genannte, für alle Fonds geltende Möglichkeit. Durch die Ausgabe von Anteilsscheinen trotz Rücknahmestops kann gerade im Fall fehlender Liquidität nicht nur durch Veräußerung von Vermögensgegenständen, sondern auch durch das Einwerben neuer Investoren Geld zur Bedienung von ausstehenden Anteilsrückgaben geschaffen werden.
9.111
Nachteil dieser Form der Rücknahmeaussetzung ist freilich ein eher enges Fristenkorsett: Zunächst soll die Kapitalanlagegesellschaft die Schaffung von Geldmitteln aus den nach den Liquiditätvorschriften des Fonds angelegten Mitteln versuchen. Dafür hat sie bis zum Ablauf einer in den Vertragsbedingungen festgelegten Frist Zeit (§ 81 Satz 1 InvG). Danach hat sie mit dem Verkauf von anderen Anlagegegenständen des Fonds zu beginnen (§ 81 Satz 2 InvG), wobei Verkäufe nicht etwa zu Zerschlagungswerten, sondern zu angemessenen Bedingungen zu erfolgen haben. Spätestens nach einem Jahr endet das Recht der Kapitalanlagegesellschaft, die Rücknahme auf Basis dieser gesetzlichen Verweigerungsregelung abzulehnen; soweit die Vertragsbedingungen es vorsehen, kann die Jahresfrist aber um bis zu einem weiteren Jahr ausgedehnt werden (§ 81 Sätze 3, 4 InvG). Längstens zwei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ablehnung muss die Kapitalanlagegesellschaft dann anfangen, die Vermögensgegenstände zu beleihen, um auf diese Art und Weise Geld für die Rückgaben zu erhalten (§ 81 Satz 5 InvG).
9.112
Während das für alle Fonds geltende allgemeine Recht, die Rücknahme bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen aussetzen zu können, einheitlich zu Gunsten bzw. zu Lasten aller Anleger wirkt, knüpft das zusätzlich für offene Immobilienfonds geltende Aussetzungsrecht am Rückgabeverlangen des jeweils zurückgebenden Anlegers an. Die wohl herrschende Meinung1 geht insofern von einem individuellen Leistungsverweigerungsrecht aus.
9.113
Hierbei darf aber nicht übersehen werden, dass die Kapitalanlagegesellschaft im Rahmen der Vermögensverwaltung auch den Gleichbehandlungsgrundsatz2 zu wahren hat. Einzelne Anleger oder einzelne Gruppen von Anlegern dürfen danach nicht gegenüber den übrigen Anlegern bevorzugt behandelt werden. Will die Kapitalanlagegesellschaft daher die Rücknahme bei einzelnen Anlegern oder Anlegergruppen zulassen, obwohl anderen Anlegern gegenüber die Anteilsrücknahme auf Basis des individuellen Leistungsverweigerungsrechts verweigert wurde, bedarf dies einer hinreichenden Rechtfertigung. Da das Recht zur Anteilsrückgabe bei offenen Fonds eine hervorragende Bedeutung hat, sind an eine solche Rechtfertigung hohe Maßstäbe anzulegen3.
1 Siehe Zöll in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Stand Nachlieferung 10/09, Nr. 410, § 81 InvG Rz. 37 mwN. 2 Zöll in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Nr. 410, § 81 InvG Rz. 10. 3 Ablehnend richtigerweise insofern für Auszahlpläne etwa Zöll in Beckmann/Scholtz/ Vollmer, Investment, Nr. 410, § 81 InvG Rz. 41 ff.
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9. Teil
Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds
2. Gemischte Sondervermögen (§§ 83 ff. InvG) Neben reinen offenen Immobilienfonds eröffnet das Investmentgesetz mit den Gemischten Fonds (§§ 83 ff. InvG) die Möglichkeit, Fonds aufzulegen, die gleichzeitig in die den harmonisierten Fonds zugänglichen Vermögensgegenstände und in Anteile an offenen Immobilienfonds, Sonstige Sondervermögen (§§ 90g ff. InvG) oder sogar in Hedgefonds (also Fonds nach §§ 112 ff. InvG oder vergleichbare ausländische Fonds) investieren1. Keine Rolle spielt dabei, ob diese Fondsanteile in der Form des Gesellschafts- oder Vertragsmodells aufgelegt wurden. Eine Direktanlage in Vermögensgegenstände, die über den Bereich von harmonisierten Fonds hinaus gehen (also etwa ein Direktinvestment in Immobilien) ist allerdings nicht möglich.
9.114
Gegenüber richtlinienkonformen Sondervermögen gelten bei Gemischten Sondervermögen erweiterte Anlagegrenzen hinsichtlich WertpapierindexSondervermögen, also solchen Sondervermögen, die versuchen, unter Wahrung des Grundsatzes der Risikomischung einen Wertpapierindex nachzubilden. Der jeweilige Wertpapierindex muss allerdings von der Bundesanstalt für Wertpapierdienstleistungsaufsicht (BaFin) anerkannt sein (§ 86 Satz 1 InvG).
9.115
3. Altersvorsorge-Sondervermögen (§§ 87 ff. InvG) Altersvorsorge-Sondervermögen haben primär das Ziel, die in Deutschland bestehenden gesetzlichen und privaten Altersvorsorgesysteme zu unterstützen2. Zur Verwirklichung dieses Ziels wird die Kapitalanlagegesellschaft, sofern sie einen Altersvorsorge-Fonds auflegt, auch einen Altersvorsorge-Sparplan anzubieten (§ 90 Abs. 1 InvG). Durch diesen Sparplan verpflichtet der Anleger sich, über die Vertragsdauer hinweg in regelmäßigen Abständen Anteile am Altersvorsorge-Fonds zu erwerben. Nach spätestens drei Vierteln der Laufzeit muss dem Altersvorsorge-Sparer die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Anteile ohne weitere Kosten in oder Ausgabeaufschläge in Anteile eines anderen Fonds der Kapitalanlagegesellschaft umzutauschen (§ 90 Abs. 2 InvG). Hiermit soll dem Anleger die Chance gegeben werden, die sich aus einer Anlage in risikoreicheren Fonds resultierenden Gefahren gegen Ende der Laufzeit des Sparplans zu begrenzen3.
9.116
Neben dem Angebot auf Abschluss eines Altersvorsorge-Sparplans ist die Kapitalanlagegesellschaft auch verpflichtet, einen diesen ergänzenden Auszahlungsplan anzubieten (§ 90 Abs. 5 InvG). Unter einem solchen Auszahlungsplan hat die Kapitalanlagegesellschaft nach Beendigung des Altersvorsorgesparplans gegen Rücknahme von Anteilen in regelmäßigen Abständen dem Gegenwert entsprechende Auszahlungen vorzunehmen. Dem Anleger bleibt
9.117
1 Vgl. zu Einzelheiten Fock, WM 2006, 2160 ff. 2 Vgl. BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 61; siehe wegen des dort verwendeten Begriffs „Pensions-Sondervermögen“ ebenda, S. 169. 3 BT-Drucks. 13/8933, S. 124.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
aber unbenommen, abweichende Vereinbarungen mit der Kapitalanlagegesellschaft zu treffen oder gänzlich von einer solchen Vereinbarung abzusehen1.
9.118
Während die Kapitalanlagegesellschaft mit Blick auf die von ihr aufgelegten Fonds bei deren Konzeption üblicherweise festlegen kann, ob die erwirtschafteten Beträge nach einer gewissen Zeitperiode an den Anleger ausgeschüttet werden oder eine Wiederanlage der Erträge gegen Übertragung entsprechender weiterer Anteile an den Anleger erfolgt (sog. thesaurierende Fonds), besteht dieses Wahlrecht bei den Altersvorsorge-Fonds nicht. Diese dürfen auf Grund ihres Ziels, der langfristigen Vermögensanlage zur Altersvorsorge, erwirtschaftete Erträge nicht ausschütten (§ 87 Abs. 2 InvG). Vielmehr müssen diese Erträge wieder angelegt (thesauriert) werden2.
4. Infrastruktur-Sondervermögen (§§ 90a ff. InvG)
9.119
Infrastruktur-Sondervermögen (§§ 90a ff. InvG) legen schwerpunktmäßig an in Beteiligungen an sog. ÖPP-Projektgesellschaften oder Immobilien, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. ÖPP-Projektgesellschaften sind im Rahmen von Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) tätige Gesellschaften, deren satzungsmäßiger oder gesellschaftsvertraglicher Gründungszweck die Errichtung, Sanierung, Bewirtschaftung oder das Betreiben von Gebäuden ist, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen (§ 2 Abs. 14 InvG).
9.120
Die Möglichkeit der Schaffung von Infrastruktur-Sondervermögen verfolgt verschiedene gesetzgeberische Zwecke. Einerseits soll die Finanzierungslast des Staates in o.g. Hinsicht gesenkt werden, ohne das Niveau an Leistungen des Staates im angesprochenen Bereich abzusenken. Außerdem soll der sich noch in der Entwicklungsphase befindliche ÖPP-Markt durch die dafür Kapital einsammelnde Fonds gestärkt werden. Gleichzeitig bieten InfrastrukturFonds dem Privatinvestor einen Zugangsweg zu dem ihm auf Grund der hohen Investitionsvolumina bis dahin praktisch verschlossenen Investment in ÖPP3.
9.121
Die Verwaltung von Infrastruktur-Fonds richtet sich im Wesentlichen nach den für offene Immobilienfonds geltenden Regeln des Investmentgesetzes. Besonderheiten gelten hinsichtlich der Anteilsrücknahme: Sie erfolgt mindestens einmal, maximal aber zweimal pro Jahr und erfordert eine unwiderrufliche Rückgabeeklärung mit Ankündigungsfrist von mindestens einem Monat (§ 90d Abs. 2 InvG).
9.122
Wie bei den offenen Immobilienfonds sind auch die Infrastrukturfonds mit einem Recht der Kapitalanlagegesellschaft zur Verweigerung der Rücknahme von Anteilen eines Anlegers unter bestimmten Umständen (näher dazu Rz. 9.124) ausgestattet (§ 90d Abs. 3 InvG). Dies soll einer Veräußerung von 1 BT-Drucks. 13/8933, S. 125. 2 BT-Drucks. 13/8933, S. 122. 3 BT-Drucks. 16/5576, S. 78.
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9. Teil
Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds
Vermögensgegenständen unter wirtschaftlich nachteiligen Bedingungen entgegenwirken. Weder aus der Gesetzesbegründung, noch aus dem Gesetzestext selbst lässt sich entnehmen, dass das in den allgemeinen Vorschriften für Sondervermögen geregelte Recht zur Aussetzung der Rücknahme von Anteilen (§ 37 Abs. 2 InvG) von den besonderen Verweigerungsrecht der Kapitalanlagegesellschaft beim Infrastruktur-Fonds verdrängt werden soll. Es gilt daher daneben weiter.
9.123
Fragen bleiben aber mit Blick auf den Inhalt des besonderen Verweigerungsrechtes. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann der Anleger Auszahlung des Gegenwertes seiner Anteile am Rückgabetermin nur verlangen, wenn der Wert der zurückgegebenen Fondsanteile im Zeitpunkt des Zugangs der Rückgabeerklärung den Betrag von 1 Mio. Euro nicht überschreitet. Während die Gesetzesbegründung dabei zwar auf den einzelnen Anleger abstellt, dessen Anteilsrückgabe den Wert von einer Million im Zeitpunkt des Zugangs seiner Erklärung (und damit mindestens ein Monat vor dem Rücknahmetermin) überschreitet, vollzieht der Gesetzeswortlaut dies nicht nach. Letzterer stellt nicht auf den Wert der einzelnen Rückgabe, sondern den Wert „der zurückgegebenen Anteile“ ab. Ungeklärt sind auch Fragen etwa nach der Rechtsnatur des Verweigerungsrechts1 und wie lange zB eine Verweigerung der Rücknahme dauern darf.
9.124
5. Sonstige Sondervermögen (§§ 90g ff. InvG) Mit der Schaffung des Fondstyps der Sonstigen Sondervermögen wollte der Gesetzgeber es ermöglichen, innovative Fondskonzepte zu realisieren. Allerdings gelten auch für die Sonstigen Sondervermögen Grenzen. Anders als bei Hedgefonds iS des § 112 InvG bleibt es etwa bei – wenn auch gegenüber anderen Fonds liberaleren – Beschränkungen bei der Kreditaufnahme und besteht das Verbot von Leerverkäufen (§ 59 InvG). Sonstige Sondervermögen haben jedoch ein selbst gegenüber Hedgefonds erweitertes Spektrum an möglichen Anlagegegenständen, in die investiert werden kann. Gegenüber anderen Fonds entfallen Beschränkungen, etwa Anlagebeschränkungen bei Ausstellern.
9.125
Über die auch für die meisten anderen Fondstypen hinaus erwerbbaren Gegenstände darf ein Sonstiges Sondervermögen in Edelmetalle und unverbriefte Darlehensforderungen investieren. Direktanlagen in Immobilien sind auch Sonstigen Sondervermögen hingegen verwehrt. Mit der Möglichkeit, bis zu 20 % des Fondsvermögens (§ 90h Abs. 6 InvG) aus kurzfristigen Krediten darstellen zu können besteht ein gegenüber anderen Fonds verdoppelter Kreditaufnahmerahmen2. Auch sind sie mit Blick auf das Spektrum an Derivaten, in
9.126
1 Der Gesetzeswortlaut (§ 90d Abs. 3 InvG) stellt auf das Verlangen-Können des Anlegers ab. 2 § 53 InvG gewährt lediglich eine Möglichkeit zur Darlehensaufnahme in Höhe von 10 %.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
das investiert werden kann, nicht den üblichen Einschränkungen anderer Fondstypen unterworfen1. Insgesamt bleibt aber auch bei Sonstigen Sondervermögen das Universum an Anlagemöglichkeiten beschränkt und gelten insoweit, wenn auch gelockert, Anlagegrenzen (§ 90h InvG).
9.127
Abweichend von dem für andere Fondstypen üblichen Grundgedanken einer kurzfristigen Liquidierbarkeit des Fondsanteils kann ein Sonstiges Sondervermögen Regelungen dahingehend treffen, dass eine Anteilsrücknahme höchstens einmal halbjährlich und mindestens einmal im Jahr erfolgt, wenn der Wert der zurückgegebenen Anteile einen in den Vertragsbedingungen festgelegten Betrag überschreitet. Voraussetzung ist, dass die Vertragsbedingungen des Fonds für eine Rückgabe von Anteilen die Notwendigkeit eines unwiderruflichen Rückgabeverlangens mit einer Ankündigungsfrist von minimal einem und maximal zwölf Monaten verlangen. Für Sonstige Sondervermögen mit Schwerpunkt in Forderungen aus Mikrofinanzkrediten gelten weitere Besonderheiten (vgl. § 90i InvG).
6. Mitarbeiterbeteiligungs-Sondervermögen (§§ 90l ff. InvG)
9.128
Gesetzgeberisches Ziel der seit 2009 existierenden MitarbeiterbeteiligungsSondervermögen ist die Beteiligung von Mitarbeitern eines Unternehmens an dessen Unternehmenserfolg. Neben den bestehenden direkten Möglichkeiten (zB Belegschaftsaktien) sollte auch eine Möglichkeit der Beteiligung über Fonds geschaffen werden. Charakteristisch für diese Fonds soll nicht die treuhänderische Vermögensverwaltung, sondern deren besondere Zwecksetzung sein. Die einen solchen Fonds verwaltende Kapitalanlagegesellschaft wird gesetzlich verpflichtet, nach einer Anlaufphase von drei Jahren 60 % des Fondsvermögens in diejenigen Unternehmen zu investieren, deren Arbeitnehmer sich an dem Fonds beteiligen (§ 90m Abs. 2 Satz 1 InvG iVm. § 90n InvG)2.
9.129
Angesichts der o.g. Zweckbindung ist das Mitarbeiterbeteiligungs-Sondervermögen in seinem Anlageuniversum stark eingeschränkt. Die Fonds nehmen Anteile außerdem höchstens einmal halbjährlich und minimal jährlich zu bestimmten Rücknahmeterminen zurück. Rückgaben unterliegen Rückgabefristen von einem Monat bis 24 Monaten (§ 90o Abs. 1 und 2 InvG).
7. Spezial-Sondervermögen (§§ 91 ff. InvG)
9.130
Spezialfonds3 unterscheiden sich von anderen Investmentfonds zu allererst durch einen beschränkten Investorenkreis. Nicht als Investor in Frage kommen nämlich natürliche Personen. Weil aber Privatinvestoren ausscheiden
1 § 51 Abs. 1 InvG ist durch § 90h Abs. 5 InvG abbedungen. 2 BT-Drucks. 16/10531, S. 12; die dort noch genannten zwei Jahre und 75 % wurden im weiteren Gesetzgebungsverfahren geändert, BT-Drucks. 16/11679, S. 23. 3 Siehe zu den Spezialfonds auch bereits die Unterscheidung gegenüber Publikumsfonds, Rz. 9.57 ff.
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9. Teil
Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds
und der demnach verbleibende Investorenkreis so genannter institutioneller Anleger (Unternehmen, Stiftungen, Banken, Versicherungen etc.) für erfahrener bei Investitionen erachtet wird, kann bei Spezialfonds in weiten Teilen auf das sonst sehr hohe Schutzniveau von Investmentfonds verzichtet werden. Die Anzahl an institutionellen Investoren in einen Spezialfonds war in der Vergangenheit zunächst auf zehn, dann auf 30 Investoren begrenzt. Eine solche zahlenmäßige Begrenzung sieht das Gesetz heute nicht mehr vor1. Während bei Publikumsfonds aber zumindest mehrere Anleger für notwendig erachtet werden, reicht bei den Spezialfonds bereits ein einziger Anleger aus. Häufig hat ein Spezialfonds in der Praxis auch nur einen einzigen Anleger, selten geht die Anzahl darüber hinaus.
9.131
Auch die Regelungen zum Spezialfonds folgen dem Prinzip des Verweises auf die allgemeinen Regelungen zu harmonisierten Investmentfonds und erklären diese für anwendbar, sofern keine Abweichungen geregelt sind. Die im Investmentgesetz dann aber enthaltenen Abweichungen lassen weit gehende Gestaltungsmöglichkeiten zu. Dies gilt insbesondere, wenn die Anleger zustimmen, der Fonds nur die gesetzlich zulässigen Vermögensgegenstände erwirbt2 und gewisse Anlagegrenzen eingehalten werden (§ 91 Abs. 2 InvG). Außerdem gilt eine erhöhte Aufnahmegrenze für kurzfristige Kredite. Statt der für die meisten anderen Fondstypen geltenden 10 %-Grenze dürfen Spezialfonds bis zu 30 % des Wertes des Sondervermögens über kurzfristige Kreditaufnahmen darstellen.
9.132
Die Kapitalanlagegesellschaft hat in einer Vereinbarung mit den Anlegern sicher zu stellen, dass Fondsanteile des Spezialfonds nur mit Zustimmung der Kapitalanlagegesellschaft übertragen werden können (§ 92 InvG). Dies soll einen ungewollten Wechsel des Spezialfonds in einen Publikumsfonds durch hinzutreten von Investoren, die natürliche Personen sind, verhindern. In diese Vereinbarung mit den Anlegern wird als dritte Partei häufig die Depotbank mit einbezogen und deren Rechte und Pflichten hinsichtlich des Spezialfonds geregelt. Dieser dreiseitige Vertrag wird in der Praxis auch Dreiervereinbarung genannt3.
9.133
Lediglich die Vertragsbedingungen von Spezialhedgefonds und Spezialdachhedgefonds und deren eventuelle spätere Änderung bedürfen – anders als bei Publikumsfonds – der Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Eine Prospektpflicht besteht für den Spezialfonds nicht (§ 93 Abs. 3 InvG), ebenfalls entfällt die Verpflichtung zur Erstellung von Halbjahresberichten (§ 94 Satz 2 InvG).
9.134
Der im Gesetz enthaltene Katalog an weiteren Ausnahmevorschriften (§ 95 InvG) bezieht sich ua. auf Erleichterungen bei der Auswahl und dem Wechsel
9.135
1 Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Nr. 410, § 2 InvG Rz. 21. 2 Eine Ausnahme sieht das Gesetz mit Blick auf den Beginn der Betreiberphase bei ÖPP-Projektgesellschaften vor (§ 91 Abs. 3 Nr. 2 InvG). 3 Baur in BuB, Rz. 9/416.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
der Depotbank bei einigen Spezialfondstypen, der Aussetzung der Rücknahme von Anteilen und der Übertragung der Verwaltung des Spezialsondervermögens auf eine andere Kapitalanlagegesellschaft bzw. die Kündigung dieser Verwaltung. Hier sind die Genehmigungs- bzw. Informationspflichten gar nicht oder nur in reduziertem Umfang einzuhalten. Gleiches gilt mit Blick auf Verschmelzungen von Spezialfonds. Weiter Lockerungen gelten etwa für die Erwerbbarkeit von Vermögensgegenständen, Sacheinlagen und den Kostenregelungen bei einem Spezialfonds.
8. Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (Hedgefonds) (§§ 112 ff. InvG)
9.136
Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz wurden im Interesse des Anlegerschutzes und des Finanzplatzes Deutschland erstmals Hedgefonds in den Geltungsbereich der regulierten Fonds übernommen1. Andere alternative Anlageformen, etwa Private Equity oder Venture Capital, fanden hingegen bis dato keinen Eingang in das Investmentgesetz. a) Einzel-Hedgefonds
9.137
Das Investmentgesetz unterscheidet in den §§ 112 und 113 InvG zwischen Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (auch „Einzel-“ oder „Single Hedgefonds“ genannt) und Dach-Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken Hedgefonds („Dach-Hedgefonds“).
9.138
Dem Gesetzgeber war bewusst, dass er bei seinen Regelungen zu Hedgefonds nicht allein an deren Namen als Ausgangspunkt aufsetzen konnte. Zu unterschiedlich sind die Ausgestaltungen der alternativen Anlageformen, die sich unter diesem Begriff wiederfinden2. Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Hedgefonds“ gibt es nicht. Nach dem Verständnis des Gesetzgebers sind Hedgefonds Kapitalsammelstellen, deren Manager Anlagemärkte, Instrumente und Strategien frei wählen und weitgehend frei von gesetzlichen Vorgaben unter Aufnahme von Krediten oder Einsatz von Derivaten zur Steigerung des Investitionsgrades und der Durchführung von Verkäufen von Vermögensgegenständen, die sich zurzeit des Verkaufs nicht im Eigentum des Sondervermögens befinden, anlegen dürfen3. Als wesentliche Merkmale von typischen, wenn auch nicht allen Hedgefonds, wurden auf dieser Basis die so genannte Hebelwirkung durch Aufnahme von Krediten oder Einsatz von Derivaten zur Steigerung des Investitionsgrades (auch als Leverage bezeichnet) und die ungedeckten Leerverkäufe von Vermögensgegenständen ausgemacht. Hierbei sind die Vorgaben des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte (WpMiVoG) v. 27.7.2010, BGBl. I 2010, S. 945, zu beachten. 1 BT-Drucks. 15/1553, S. 2 und 65; Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 ff. 2 von Livonius, WM 2004, 60 ff.; Wilhelmi, WM 2008, 861. 3 BT-Drucks. 15/1553, S. 107.
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9. Teil
Harmonisierte und nicht harmonisierte Fonds
Dem entsprechend müssen nach den Vorgaben des Gesetzes die Vertragsbedingungen eines Hedgefonds, der in der Terminologie des Investmentrechts auch „Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken“ genannt wird, mindestens eines dieser Strategiemerkmale aufweisen. Daneben muss der Grundsatz der Risikomischung befolgt werden. Im Übrigen soll der Hedgefonds in der Auswahl seiner Vermögensgegenstände keinen Beschränkungen unterworfen sein; freilich nur, soweit sich diese im Rahmen der insofern aufgezählten Anlagemöglichkeiten des Investmentrechts bewegen. Der Gesetzgeber wollte damit den Eingang von Produkten des Grauen (dh. unregulierten) Kapitalmarkts in Hedgefonds verhindern. Zur Abgrenzung gegenüber Private-Equity-Anlagen sind Investitionen von Hedgefonds in Beteiligungen an Unternehmen, die nicht an einer Börse zugelassen oder in einen regulierten Markt einbezogen sind, nur in beschränktem Umfang möglich. Dass Hedgefonds aktuell nicht in unverbriefte Darlehensforderungen gegen Unternehmen investieren können, obwohl andere Fondstypen dies dürfen, dürfte rein politischen Einflüssen bei der Einführung dieser Assetklasse zuzuschreiben sein.
9.139
Der Einsatz der von anderen Fondstypen abweichenden Techniken, die Hedgefonds zur Erreichung ihrer Strategie einsetzen, benötigt Services, die eine klassische Depotbank üblicherweise nicht zur Verfügung stellt. Hedgefonds arbeiten daher häufig mit sog. Prime Brokern zusammen1. Diese beherrschen zB das Abwickeln von Leerverkäufen oder das Leveragen mittels Derivaten und Krediten. Allerdings verlangen diese Prime Broker im Rahmen ihrer Dienstleistungen häufig Sicherheiten am Fondsvermögen und dass dieses dem entsprechend bei ihnen verwahrt wird. Der Gesetzgeber hat versucht, diesem Erfordernis Rechnung zu tragen, indem er den Hedgefonds die Zusammenarbeit mit Prime Brokern bis hin zur Verwahrung der Vermögensgegenstände bei jenem erlaubt. Allerdings muss im letzteren Falle ein deutlicher Warnhinweis an drucktechnisch hervorgehobener Stelle im Verkaufsprospekt enthalten (§ 117 Abs. 3 InvG)2.
9.140
Da Hedgefonds gegenüber herkömmlichen Fonds erhöhte Risiken aufweisen können, hielt der Gesetzgeber außerdem einen weiteren Warnhinweis mit Blick auf das Totalverlustrisiko des eingesetzten Kapitals für erforderlich, soweit keine Mindestzahlungszusage gemacht wurde (§ 117 Abs. 2 iVm. Abs. 3 InvG)3.
9.141
Um Hedgefonds weit gehende Freiheiten für ihre Anlagestrategie einzuräumen, gelten insbesondere die für andere Fondstypen geltenden Anlagegrenzen nicht4. Besonderheiten gelten auch hinsichtlich der Rücknahmepflicht von Anteilen.
9.142
1 Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Nr. 410, § 2 InvG Rz. 341. 2 Mit Abstufung danach, ob der Prime Broker seinen Sitz im Geltungsbereich des Investmentgesetztes hat und damit der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegt. 3 Der Nutzen dieses Warnhinweises ist eher zweifelhaft, da je nach Ausgestaltung der Anlagestrategie auch dort ein Totalverlust eintreten kann. Der Hinweis schafft also beim Vergleich von Hedgefonds mit anderen Produkten eine Ungleichheit, die im Einzelfall berechtigt sein kann, aber nicht muss. 4 BT-Drucks. 15/1553, S. 110; § 114 InvG.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
Hedgefonds haben auf Langfristigkeit der Anlagen ausgerichtete Strategien und investieren häufig auch in wenig liquide Vermögensgegenstände. Diese auf Grund von Rückgaben zu veräußern kann kurzfristig auf Grund von Marktengen unmöglich oder nur mit hohen Abschlägen möglich sein, die das Fondsvermögen signifikant schädigen können. Die Vertragsbedingungen eines Hedgefonds können daher vorhersehen, dass von den allgemeinen investmentrechtlichen Bestimmungen abweichende Rücknahmeregelungen gelten: Anteilspreisermittlung und Rücknahme müssen nur einmal im Kalendervierteljahr erfolgen1. Außerdem müssen Rückgaben bis zu 40 Tage vor dem entsprechenden Rücknahmetermin gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft unwiderruflich angekündigt werden (§ 116 Satz 2 InvG). Da der für die Rückgaben maßgebliche Anteilwert erst am Rücknahmetermin stattfindet, besteht hinsichtlich des zu erwartenden Rücknahmewertes im Zeitpunkt der Abgabe der Rückgabeerklärung ein Risiko, das umso höher ist, je länger die Ankündigungsfrist dauert. b) Dach-Hedgefonds
9.143
Dach-Hedgefonds sind Fonds, die in Single Hedgefonds investieren. Entsprechend den rechtlichen Vorgaben darf ein Dach-Hedgefonds neben den Investitionen in solche Zielfonds nur bis zu 49 % in Bankguthaben oder Geldmarktinstrumenten oder anderen geldähnlichen Anlageformen2 anlegen. Anders als Hedgefonds dürfen Dach-Hedgefonds keine ungedeckten Leeerverkäufe tätigen und keinen Leverage haben; Kreditaufnahmen sind nur im Allgemeinen Umfang (§ 53 InvG) möglich. Der Einsatz von Derivaten ist beschränkt. Die Einschränkungen dienen dem Anlegerschutz3.
9.144
Zugunsten einer Risikodiversifizierung unterliegen Dach-Hedgefonds Beschränkungen bezüglich des Umfangs einer Investition in einzelne Single Hedgefonds, der auf 20 % des Wertes des Dach-Hedgefonds limitiert ist (§ 113 Abs. 2 InvG). Vor dem Hintergrund einer Mindestinvestition4 von 51 % des Wertes eines Dach-Hedgefonds in Zielfonds ergibt sich, dass er in mindestens drei Single Hedgefonds investieren muss. Eine Investition in mehr als zwei Zielfonds desselben „Emittenten“ oder Managers ist nicht erlaubt. Nicht erforderlich allerdings ist, dass der Zielfonds selbst eine gestreute Investorenstruktur hat; vielmehr darf der Dach-Hedgefonds sämtliche Anteile eines Zielfonds erwerben.
9.145
Der Vermeidung eines Kaskadeneffekts dient das Verbot, in Zielfonds zu investieren, die ihre Mittel ihrerseits wieder in Hedgefonds anlegen (§ 113 Abs. 4 Satz 2 InvG)5.
9.146
Aus Anlegerschutzgesichtspunkten muss die einen Dach-Hedgefonds verwaltende Kapitalanlagegesellschaft sich im gesetzlichen Umfang vorgeschriebene 1 2 3 4 5
Eine häufigere Frequenz ist natürlich möglich. Abschließend in § 113 Abs. 2 InvG aufgeführt. BT-Drucks. 15/1553, S. 109. Im Umkehrschluss aus § 113 Abs. 2 und 1 InvG. BT-Drucks. 15/1553, S. 110.
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9. Teil
Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
Mindesttransparenz hinsichtlich der Zielfonds verschaffen und die Einhaltung von deren Anlagestrategie und deren Risiken ständig überwachen (§ 113 Abs. 5 InvG). Hierin liegt eine nicht zu unterschätzende Hürde für diesen Fondstyp. Hedgefonds verfolgen häufig Strategien, die auf das Ausnutzen von Fehlbewertungen im Markt setzen. Die Offenlegung von Details der Strategie und der eingegangenen Risiken des Hedgefonds kann seinen Erfolg gefährden, weshalb Hedgefondsmanager die für Dach-Hedgefonds geforderte Transparenz ggf. ablehnen. Damit scheiden solche Fonds aber als Zielfonds aus. Die bei den Hedgefonds gemachten Ausführungen (Rz. 9.141) zu Warnhinweisen im Verkaufsprospekt gelten für Dach-Hedgefonds entsprechend.
9.147
Wie bei Single Hedgefonds gelten auch für Dach-Hedgefonds Besonderheiten hinsichtlich der Rücknahmepflicht von Anteilen. Die Zielfonds eines DachHedgefonds haben grundsätzlich Ankündigungsfristen für die Rückgabe. Muss der Dach-Hedgefonds also auf Grund von Rückgaben Zielfondsanteile liquidieren, dauert dies eine gewisse Zeit. Die Vertragsbedingungen eines DachHedgefonds können daher vorhersehen, dass von den allgemeinen investmentrechtlichen Bestimmungen abweichende Rücknahmeregelungen gelten: Anteilspreisermittlung und Rücknahme müssen wie bei Single Hedgefonds nur einmal im Kalendervierteljahr erfolgen1. Außerdem müssen Rückgaben bis zu 100 Tage vor dem entsprechenden Rücknahmetermin gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft unwiderruflich angekündigt werden (§ 116 Satz 2 InvG). Da der für die Rückgaben maßgebliche Anteilwert erst am Rücknahmetermin stattfindet, besteht hinsichtlich des zu erwartenden Rücknahmewertes im Zeitpunkt der Abgabe der Rückgabeerklärung ein Risiko, das umso höher ist, je länger die Ankündigungsfrist dauert.
9.148
9.149–9.150
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten Infolge der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenteilung zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank liegen dem Investmentgeschäft Rechtsbeziehungen zwischen drei Parteien zugrunde. Es wird daher von einem Investmentdreiecks-Verhältnis gesprochen2. Die Kapitalanlagegesellschaft tritt in eine vertragliche Beziehung zu den Anteilinhabern und zur Depotbank. Eine weitere Rechtsbeziehung besteht zwischen den Anteilinhabern und der Depotbank.
1 Eine häufigere Frequenz ist, wie bei den Einzel-Hedgefonds, auch hier natürlich möglich. 2 Baur, Investmentgesetze, Bd. 1, § 12 KAGG Rz. 1; Köndgen/Schmies in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 113 Rz. 114.
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9.151
9. Teil
Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
Mindesttransparenz hinsichtlich der Zielfonds verschaffen und die Einhaltung von deren Anlagestrategie und deren Risiken ständig überwachen (§ 113 Abs. 5 InvG). Hierin liegt eine nicht zu unterschätzende Hürde für diesen Fondstyp. Hedgefonds verfolgen häufig Strategien, die auf das Ausnutzen von Fehlbewertungen im Markt setzen. Die Offenlegung von Details der Strategie und der eingegangenen Risiken des Hedgefonds kann seinen Erfolg gefährden, weshalb Hedgefondsmanager die für Dach-Hedgefonds geforderte Transparenz ggf. ablehnen. Damit scheiden solche Fonds aber als Zielfonds aus. Die bei den Hedgefonds gemachten Ausführungen (Rz. 9.141) zu Warnhinweisen im Verkaufsprospekt gelten für Dach-Hedgefonds entsprechend.
9.147
Wie bei Single Hedgefonds gelten auch für Dach-Hedgefonds Besonderheiten hinsichtlich der Rücknahmepflicht von Anteilen. Die Zielfonds eines DachHedgefonds haben grundsätzlich Ankündigungsfristen für die Rückgabe. Muss der Dach-Hedgefonds also auf Grund von Rückgaben Zielfondsanteile liquidieren, dauert dies eine gewisse Zeit. Die Vertragsbedingungen eines DachHedgefonds können daher vorhersehen, dass von den allgemeinen investmentrechtlichen Bestimmungen abweichende Rücknahmeregelungen gelten: Anteilspreisermittlung und Rücknahme müssen wie bei Single Hedgefonds nur einmal im Kalendervierteljahr erfolgen1. Außerdem müssen Rückgaben bis zu 100 Tage vor dem entsprechenden Rücknahmetermin gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft unwiderruflich angekündigt werden (§ 116 Satz 2 InvG). Da der für die Rückgaben maßgebliche Anteilwert erst am Rücknahmetermin stattfindet, besteht hinsichtlich des zu erwartenden Rücknahmewertes im Zeitpunkt der Abgabe der Rückgabeerklärung ein Risiko, das umso höher ist, je länger die Ankündigungsfrist dauert.
9.148
9.149–9.150
Einstweilen frei.
4. Abschnitt Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten Infolge der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenteilung zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank liegen dem Investmentgeschäft Rechtsbeziehungen zwischen drei Parteien zugrunde. Es wird daher von einem Investmentdreiecks-Verhältnis gesprochen2. Die Kapitalanlagegesellschaft tritt in eine vertragliche Beziehung zu den Anteilinhabern und zur Depotbank. Eine weitere Rechtsbeziehung besteht zwischen den Anteilinhabern und der Depotbank.
1 Eine häufigere Frequenz ist, wie bei den Einzel-Hedgefonds, auch hier natürlich möglich. 2 Baur, Investmentgesetze, Bd. 1, § 12 KAGG Rz. 1; Köndgen/Schmies in Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 113 Rz. 114.
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9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
I. Rechtsbeziehung der Kapitalanlagegesellschaft zu den Anteilsinhabern
9.152
Das Rechtsverhältnis der Kapitalanlagegesellschaft zu den Anlegern ist ein auf eine entgeltliche Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag iS des § 675 BGB1. Dieser Geschäftsbesorgungsvertrag wird auch Investmentvertrag genannt2. Geprägt wird dieser Vertrag durch das im Rahmen der Vermögensverwaltung bestehende Treuhandverhältnis zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Anleger, ohne dass dies etwas an der rechtlichen Einordnung des Investmentvertrags als Geschäftsbesorgungsvertrag ändert3.
9.153
Der Inhalt des Geschäftsbesorgungsverhältnisses zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Anteilinhaber wird im Wesentlichen durch das Investmentgesetz ausgeformt. Er wird darauf aufbauend bzw. ergänzend im Übrigen durch Vertragsbedingungen des jeweils einzelnen Sondervermögens geregelt (vgl. § 2 Abs. 2 InvG), die einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt aufweisen müssen (vgl. § 43 Abs. 4 InvG) und der Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bedürfen (§ 43 Abs. 2 InvG).
9.154
Die wesentlichsten sich aus dem Gesetz ergebenden Pflichten sind in allgemeinen Verhaltensregeln (§ 9 InvG) festgelegt. Danach hat die Kapitalanlagegesellschaft Fonds mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns – und folglich mit einem gesteigerten Sorgfältigkeitsmaßstab – zu verwalten. Dabei hat sie im ausschließlichen Interesse ihrer Anleger und der Integrität des Marktes zu handeln und die gebotene Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit walten zu lassen. Außerdem muss sie sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten bemühen und, wenn diese sich nicht vermeiden lassen, dafür sorgen, dass eine Lösung unter gebotener Wahrung der Anlegerinteressen erfolgt. Sie ist weiter verpflichtet, über die für eine ordnungsgemäße Geschäftstätigkeit erforderlichen Mittel und Verfahren zu verfügen (§ 9 Abs. 1 und 2 InvG).
9.155
Weitere wesentliche gesetzliche Obligation ist die Pflicht der Kapitalanlagegesellschaft zur Anteilsscheinrücknahme (§ 37 Abs. 1 InvG).
9.156
Die Vertragsbedingungen, die darüber hinaus für den jeweiligen Fonds schriftlich von der Kapitalanlagegesellschaft festzulegen sind, regeln etwa die konkrete Vermögensanlage und Anlagestrategie und andere fondsspezifische Einzelheiten. Nicht zu vergessen sind hierbei insbesondere auch die (nicht genehmigungspflichtigen) Regelungen zu den Kosten (§ 41 Abs. 1 InvG).
1 Baur in Assmann/Schütze, § 20 Rz. 213; Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Nr. 410, § 43 InvG Rz. 4. 2 Baur/Ziegler in BuB, Rz. 9/269. 3 So auch Baur/Ziegler in BuB, Rz. 9/269.
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9. Teil
Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
II. Rechtsbeziehung der Kapitalanlagegesellschaft zur Depotbank Die Kapitalanlagegesellschaft hat für die Verwahrung des Fondsvermögens und die sonstigen sich aus Gesetz ergebenden Aufgaben ein Kreditinstitut als Depotbank zu beauftragen (§ 20 InvG). Der Rechtsbeziehung zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank liegt nach allgemeiner Ansicht ein dienstvertragliches Verhältnis zugrunde, das auf eine entgeltliche Geschäftsbesorgung gerichtet ist (§ 675 BGB) und außerdem Elemente eines Verwahrungsvertrages enthält, soweit es um die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung der zum Fonds gehörenden Wertpapiere geht1.
9.157
Die Auswahl und der Wechsel der Depotbank bedürfen der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Die Depotbank hat bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausschließlich im Interesse der Anleger zu handeln, sie ist insofern insbesondere unabhängig von der Kapitalanlagegesellschaft. Neben der Verwahrung der Werte des Sondervermögens obliegt der Depotbank insbesondere die Ausgabe und Rücknahme von Anteilsscheinen. Einige Geschäfte bei der Verwaltung des Fondsvermögens darf die Kapitalanlagegesellschaft nur mit Zustimmung der Depotbank durchführen, bei anderen kontrolliert die Depotbank die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Sie hat das Recht und die Pflicht, Ansprüche von Anlegern wegen Verletzungen des Investmentgesetzes oder der Vertragsbedingungen gegen die Kapitalanlagegesellschaft geltend zu machen (§ 28 InvG). Andererseits hat sie den Weisungen der Kapitalanlagegesellschaft zu folgen, wenn diese investmentrechtlich in Ordnung sind und nicht gegen die Vertragsbedingungen verstoßen (§ 22 Abs. 1 InvG).
9.158
Die Überwachungsfunktion der Depotbank erstreckt sich nicht auf die Zweckmäßigkeit des Handelns der Kapitalanlagegesellschaft, sondern beschränkt sich auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle. Die Depotbank hat lediglich zu kontrollieren, ob die Maßnahmen mit den gesetzlichen Bestimmungen und den Vertragsbedingungen im Einklang stehen, nicht aber, ob bestimmte Anlageentscheidungen der Kapitalanlagegesellschaft wirtschaftlich sinnvoll sind2.
9.159
III. Rechtsbeziehung der Depotbank zu den Anteilsinhabern Die Depotbank hat im Rahmen der Aufgabenteilung eine Vielzahl von Kontrollfunktionen wahrzunehmen, die allein dem Schutz der Anteilinhaber dienen3. Diese originären Kontrollpflichten der Depotbank begründen nach herr1 Baur, Investmentgesetze, Bd. 1, § 12 KAGG Rz. 14 mwN. 2 BGH v. 18.9.2001 – XI ZR 337/00, WM 2001, 2053 (2054); OLG Frankfurt v. 19.12.1996 – 16 U 109/96, WM 1997, 364 (367). Vgl. auch Rundschreiben 6/2010 (WA) v. 2.7.2010 der BaFin zu den Aufgaben und Pflichten der Depotbank nach den §§ 20 ff. InvG, Punkt VIII.1, veröffentlicht unter http://www.bafin.de/cln_179/nn_722754/Shared Docs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Rundschreiben/2010/rs__1006__wa__depotbank __invg.html#doc1938522bodyText3. 3 Baur, Investmentgesetze, Bd. 1, § 12 KAGG Rz. 1.
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9.160
9. Teil
Investmentgeschäft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG)
schender Meinung ein Rechtsverhältnis zwischen der Depotbank und den Anteilinhabern. Umstritten ist, welche Rechtsnatur dieses Rechtsverhältnis hat1. Diskutiert wird neben einem vertraglichen oder einem gesetzlichen Schuldverhältnis auch ein Vertrag zu Gunsten Dritter. In der Praxis hat der Meinungsstreit bisher – soweit ersichtlich – noch keine Relevanz erlangt.
9.161
Die Kapitalanlagegesellschaft ist berechtigt und verpflichtet, Ansprüche der Anleger im eigenen Namen gegen die Depotbank geltend zu machen. Daneben ist der einzelne Anleger berechtigt, eigene Schadensersatzansprüche direkt gegen die Depotbank geltend zu machen (§ 28 Abs. 2 InvG).
9.162
Trotz der gegenseitigen Kontrolle von Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank zu Gunsten der Anleger dürfen beide dem selben Konzern angehören. So kann etwa die Depotbank des Fonds Muttergesellschaft der ihn auflegenden Kapitalanlagegesellschaft sein. Freilich haben sowohl Depotbank, wie auch die Kapitalanlagegesellschaft die Pflicht, und Interessenkonflikte zu vermeiden und unabhängig voneinander zu handeln (§§ 9, 22 InvG). Dies gilt auch und gerade im Konzernverbund.
1 Siehe zum Meinungsstand etwa Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Nr. 410, § 20 InvG Rz. 38 ff.
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10. Teil Kreditgeschäft mit Verbrauchern
. . . . .
Rz. 1
2. Abschnitt: Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB . . . .
11
I. Persönlicher Anwendungsbereich 1. Unternehmer . . . . . . . . . . 2. Verbraucher . . . . . . . . . . . 3. Existenzgründer . . . . . . . . . 4. Mehrere Darlehensnehmer . . .
12 13 14 16 19
II. Sachlicher Anwendungsbereich . 1. Gelddarlehen (§ 488 Abs. 1 BGB) 2. Ausgenommene Darlehensverträge (§ 491 Abs. 2 BGB) . . . . . 3. Beschränkte Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB . . . . . . . . . . 4. Finanzierungshilfen (§§ 506–509 BGB) . . . . . . . . . . . . . . .
21 22
35
III. Zeitlicher Anwendungsbereich .
38
IV. Abweichende Vereinbarungen . .
41
3. Abschnitt: Werbung . . . . . . .
51
1. Abschnitt: Allgemeines
I. Werbung für Kreditverträge (§ 6a PAngV) . . . . . . . . . . 1. Pflichtangaben (§ 6a Abs. 1 PAngV) . . . . . . . . . . . . . 2. Zusätzliche Angaben (§ 6a Abs. 2 und 4 PAngV) . . . . . . . . . . 3. Repräsentatives Beispiel (§ 6a Abs. 3 PAngV) . . . . . . . . . .
28 34
52 55 56 58
II. Werbung für Überziehungsmöglichkeiten (§ 6b PAngV) . . . . .
60
III. Sonderregelung für Darlehensvermittler (Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB) . . . . . . . . . . . . .
61
4. Abschnitt: Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB) . . . . .
71
I. Vorvertragliche Information (§ 491a Abs. 1 BGB) . . . . . . . 1. Form und Zeitpunkt (Art. 247 § 1 EGBGB) . . . . . . . . . . . 2. Muster (Anlagen 3 bis 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB) . . . . . . .
73 74 77
Rz. 3. Pflichtangaben bei Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 3 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . a) Name und Anschrift des Darlehensgebers (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) . . . . . b) Art des Darlehensvertrages (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) . . . . . . . . . . . c) Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 EGBGB) . . . . . . . . d) Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) . . . . . . . . . . . e) Sollzinssatz mit Angaben zur Anwendung und Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 EGBGB) . . . . . . . . f) Vertragslaufzeit (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) . . . . . g) Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB) . . . . . . . . . . . h) Gesamtbetrag mit repräsentativem Beispiel (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 EGBGB) . i) Auszahlungsbedingungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB) . . . . . . . . . . . j) Alle sonstigen Kosten mit Angaben zur Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) . . . k) Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB) . . . . . . . . l) Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB) . . . . . . . . . . . m) Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB) . . . n) Recht zur vorzeitigen Rückzahlung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB) . . . . . . . .
Merz
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82
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85
90
93 96
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
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Rz. 5. Abschnitt: Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 18 KWG) . . . . . . . . . 166
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6. Abschnitt: Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages . . . . . . . . . 171
Rz. o) Recht auf einen Vertragsentwurf (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 15 EGBGB) . . . . . . . . p) Recht auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB) . . . . . . . . 4. Zusatzangaben bei Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 4 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . a) Hinweis, dass der Darlehensnehmer die Notarkosten zu tragen hat (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) . . . . . . . . . b) Vom Darlehensgeber verlangte Sicherheiten (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) . . . . . c) Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung und dessen Berechnungsmethode (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) . . . d) Bindungszeitraum (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) . . . 5. Informationen bei besonderen Kommunikationsmitteln (Art. 247 § 5 EGBGB) . . . . . . 6. Besondere Angaben bei Zusatzleistungen (Art. 247 § 8 EGBGB) 7. Abweichende Informationspflichten bei Immobiliardarlehen (Art. 247 § 9 EGBGB) . . . . 8. Abweichende Informationspflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 10 EGBGB) . . . . . . . . . . . 9. Abweichende Informationspflichten bei Umschuldungen (Art. 247 § 11 EGBGB) . . . . . . 10. Besondere Angaben bei verbundenen Verträgen (Art. 247 § 12 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . 11. Besondere Angaben bei vermittelten Verträgen (Art. 247 § 13 EGBGB) . . . . . . . . . . . . .
I. Schriftform (§ 492 Abs. 1 BGB) . 173 110
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II. Vertragsentwurf (§ 491a Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 145 III. Angemessene Erläuterung (§ 491a Abs. 3 BGB) . . . . . . . 147 IV. Haftung bei vorvertraglichen Informationspflichtverletzungen
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II. Einzelne Mindestangaben . . . . 1. Pflichtangaben bei Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 6 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . a) Name und Anschrift des Darlehensgebers (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) . . . . . . . . . b) Art des Darlehensvertrages (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) . . . c) Effektiver Jahreszins (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) . . . . . d) Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) . . . . . e) Sollzinssatz mit Angaben zur Anwendung und Anpassung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB) . . . . . . . . . . . . f) Vertragslaufzeit (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) . . . . . . . . . g) Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB) . . . h) Gesamtbetrag (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB) . . . . . . . . . i) Auszahlungsbedingungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB) . . . j) Alle sonstigen Kosten mit Angaben zur Anpassung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) . . . k) Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB) . . . . . . . . . . . .
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Rz.
Rz. l) Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB) . . . m) Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB) . . . n) Recht zur vorzeitigen Rückzahlung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB) . . . . . . . . . . . o) Name und Anschrift des Darlehensnehmers (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) . . . . . p) Zuständige Aufsichtsbehörde (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) . . . . . . . . . . . q) Hinweis auf Anspruch auf einen Tilgungsplan (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) . . . r) Verfahren bei Kündigung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB) . s) Sämtliche weiteren Vertragsbedingungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) . . . . . t) Angaben zum Widerrufsrecht (Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) . 2. Zusatzangaben bei Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 7 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . 3. Besondere Angaben bei Zusatzleistungen (Art. 247 § 8 EGBGB) 4. Abweichende Angabepflichten bei Immobiliardarlehen (Art. 247 § 9 EGBGB) . . . . . . . . . . . 5. Abweichende Angabepflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 10 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . 6. Abweichende Angabepflichten bei Umschuldungen (Art. 247 § 11 EGBGB) . . . . . . . . . . 7. Besondere Angaben bei verbundenen Verträgen (Art. 247 § 12 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . 8. Besondere Angaben bei vermittelten Verträgen (Art. 247 § 13 EGBGB) . . . . . . . . . . . . .
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2. Kein Anspruch auf Kosten oder Anpassung . . . . . . . . . . . . 3. Neuberechnung der Teilzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kündigungsrecht des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . 5. Kein Nachbesicherungsrecht . . 6. Anspruch auf veränderte Abschrift . . . . . . . . . . . . 7. Fehlen von zusätzlichen Angaben
229 230 231 232 233 234
IV. Vertragsänderungen . . . . . . . 237
200
V. Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers (§ 499 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 239
201
7. Abschnitt: Widerrufsrecht (§ 495 BGB) . . . . . . . . . 251
202
I. Widerrufsinformation (Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) . . . . . . . . 252
203
II. Widerrufsfrist . . . . . . . . . . 257 III. Ausübung des Widerrufsrechts
204
. 261
IV. Widerrufsfolgen . . . . . . . . . 262 V. Ausnahmen vom Widerrufsrecht 265
205
VI. Das Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen (§ 356 BGB) . . . . 266
207
8. Abschnitt: Laufende Informationspflichten und Tilgungsplan . . . . . 276
208
I. Laufende Informationspflichten (§ 493 BGB) . . . . . . . . . . . 278 212
II. Informationspflichten bei einem Gläubigerwechsel . . . . . . . . 279
215
III. Unterrichtung bei Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 16 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . 281
216
IV. Unterrichtung bei geduldeten Überziehungen (Art. 247 § 17 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . 284
218
221
III. Rechtsfolgen bei Verletzung der Formerfordernisse (§ 494 BGB) . 223 1. Ermäßigung des Sollzinssatzes . 227
V. Tilgungsplan (§ 492 Abs. 3 Satz 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 288 9. Abschnitt: Einwendungsverzicht/ Wechsel- und Scheckverbot . . . . . . . . . 301 I. Unwirksamkeit eines Einwendungsverzichts . . . . . . . . . . 302 II. Wechsel- und Scheckverbot . . . 303
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Rz. 10. Abschnitt: Verzug . . . . . . . . 311 I. Verzugsschadenberechnung . . . 312
Rz. IX. Problematik der konkludenten Erlassverträge bei Not leidenden Krediten (sog. Erlassfalle) . . 347
II. Anrechnung von Teilleistungen . 314 11. Abschnitt: Vorzeitige Beendigung von Verbraucherdarlehen . . . . 321 I. Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 498 BGB) . . . . . . 322 II. Vertragliche Kündigungsrechte des Darlehensgebers (§ 499 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . 325 III. Kündigungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 329 IV. Vorzeitiges Rückzahlungsrecht des Darlehensnehmers (§ 500 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . 332 V. Kostenermäßigung (§ 501 BGB)
335
VI. Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 BGB) . . . . . . . . . . 337 VII. Verjährung . . . . . . . . . . . 342 VIII. Besonderheiten im Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . 344
12. Abschnitt: Besondere Darlehensarten . . . . . . . . . 351 I. Verbundene Verträge (§ 358 BGB) 1. Definition des Begriffes „Verbundener Vertrag“ . . . . . . . . . . 2. Verbundene Verträge bei Immobiliardarlehensverträgen . . . . . 3. Einwendungsdurchgriff (§ 359 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rückforderungsdurchgriff . . . . 5. Anwendungsbereich (§ 359a BGB) 6. Widerruf verbundener Verträge .
352 354 356 357 360 361 364
II. Immobiliardarlehensverträge (§ 503 BGB) . . . . . . . . . . . 367 III. Eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten (§ 504 BGB) . . . . . 372 IV. Geduldete Überziehungen (§ 505 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 378 13. Abschnitt: Darlehensvermittler (§ 655a BGB) . . . . . 401
Schrifttum: Ady, Die „unechte Abschnittsfinanzierung“ nach der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, WM 2010, 1305; Ady/Paetz, Die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie in deutsches Recht und besondere verbraucherpolitische Aspekte, WM 2009, 1061; Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010; Bergmann, Die reziproke Anwendung des künftigen § 359a Abs. 1 BGB und der finanzierte Immobilienkauf, BKR, 2010, 189; Bitter, Abschlussgebühren bei Bauspardarlehensverträgen – Sind wir auf dem Weg zu einer richterlichen Preisgestaltungskontrolle?, ZIP 2008, 1095; Bitter, Echter und scheinbarer Verbraucherschutz in der Bankpraxis, ZIP 2008, 2155; Bülow, Neues Verbraucherkreditrecht in Etappen, NJW 2010, 1713; Cahn, Zur Inhaltskontrolle von Überziehungsentgelten in Banken-AGB, WM 2010, 1197; Domke/Sperlich, Werbung für Verbraucherkredite mit Zinsangaben, BB 2010, 2069; Fraga Novelle/Knapp/Meißner/Merz/Schebesta/Tetzlaff/ Weis/Wengler/Wimmer, Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, 2. Aufl. 2009; Freckmann/Rösler, Tilgungsaussetzung bei der Immobilienfinanzierung, ZBB 2007, 23; Freitag, Die Beendigung des Darlehensvertrages nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, WM 2001, 2370; Freitag, Vorzeitige Rückzahlung und Vorfälligkeitsentschädigung nach der Reform der Verbraucherkreditrichtlinie, ZIP 2008, 1102; Freitag, Verbraucherdarlehens- und Restschuldversicherungsvertrag als verbundene Geschäfte?, ZIP 2009, 1297; Godefroid, Verbraucherkreditverträge, 3. Aufl. 2008; Gsell/Schellhase, Vollharmonisiertes Verbraucherkreditrecht – Ein Vorbild für die weitere europäische Angleichung des Verbrauchervertragsrechts?, JZ 2009, 20; Habersack, Das Abschlussentgelt bei Bausparverträgen – ein Fall für das AGB-Recht, WM 2008, 1857; Heinig, Anwendbarkeit der Vorschriften über verbundene Verträge auf Verbraucherdarlehens- und Restschuldversicherungsverträge, VersR 2010, 863; Herresthal, Die Verpflichtung zur Bewertung der
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Kreditwürdigkeit und zur angemessenen Erläuterung nach der neuen Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG, WM 2009, 1174; Heße/Niederhofer, Die Eigenverantwortung des Darlehensnehmers und die Erläuterungspflicht des Darlehensgebers nach § 491a Abs. 3 BGB, MDR 2010, 968; von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, 18. Aufl. 2010; von Heymann/Rösler, Berechnung von Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung, ZIP 2001, 441; Hofmann, Die Pflicht zur Bewertung der Kreditwürdigkeit, NJW 2010, 1782; Hofmann, Die neue Erläuterungspflicht des § 491a Abs. 3 BGB, BKR 2010, 232; Knops, Darlehens- und Restschuldversicherungsvertrag als verbundene Geschäfte – Rechtsfolgen für die Praxis, ZIP 2010, 1265; Kulke, Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht – Teil 2, VuR 2009, 373; Kulke, Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht, VuR 2009, 12 (Teil 1), 373 (Teil 2); Mehringer, Neu: Verbraucherdarlehensrecht, BankPraktiker 2010, 570; Merz, Überziehungskredite nach Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, ForderungsPraktiker 2010, 105; Merz/Rösler, Haftung bei Immobilienkapitalanlagen – Rollenbedingte Verantwortlichkeit – dargestellt an der Haftung der finanzierenden Bank, in Schmider/Wagner/Loritz (Hrsg.), Handbuch der Bauinvestitionen und Immobilienkapitalanlagen, Loseblatt; Metz, Variable Zinsen: Präzisierung bei § 315 BGB erforderlich?, BKR 2010, 265; Mülbert/Wilhelm, Rechtsfragen der Kombination von Verbraucherdarlehen und Restschuldversicherung, WM 2009, 2241; Müller-Christmann/Rösler/Sauer, Kündigung von Verbraucherdarlehen, ForderungsPraktiker 2010, 208; Münscher/Grziwotz/Lang/Krephold, Praktikerhandbuch Baufinanzierung, 3. Aufl. 2010; Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185; Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2010; Peters/Wehrt, Der Forward-Darlehensvertrag, WM 2003, 1509; Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 5. Aufl. 2010; Reifner, Die Höhe der Entschädigung bei vorfälliger Tilgung von Immobiliarkrediten, WM 2009, 1773; Riehm/Schreindorfer, Das Harmonisierungskonzept der neuen Verbraucherkreditrichtlinie, GPR 2008, 244; Rösler, Finanzierung und Erwerb von Immobilien als verbundenes Geschäft – Versuch einer Konkretisierung des § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB, FS Thode, 2005, S. 673; Rösler/Lang, Zinsklauseln im Kredit- und Spargeschäft der Kreditinstitute: Probleme mit Transparenz, billigem Ermessen und Basel II, ZIP 2006, 214; Rösler/Werner, Erhebliche Neuerungen im zivilen Bankrecht: Umsetzung von Verbraucherkredit- und Zahlungsdiensterichtlinie – Überblick über den Umsetzungsbedarf in der Bankpraxis anhand der vorliegenden Gesetzentwürfe, BKR 2009, 1; Rösler/Wimmer, Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Beendigung von Darlehensverträgen, WM 2005, 1873; Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; Rott, Die neue Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG und ihre Auswirkungen auf das deutsche Recht, WM 2008, 1104; Rühl, Weitreichende Änderungen im Verbraucherdarlehensrecht und Recht der Zahlungsdienste, DStR 2009, 2256; Siems, Die neue Verbraucherkreditrichtlinie und ihre Folgen, EuZW 2008, 454; Schirmbacher, Musterhafte Widerrufsbelehrung – Neuerungen und kein Ende, BB 2009, 1088; Schürnbrand, Die Neuregelung des Verbraucherdarlehensrechts, ZBB 2008, 383; Schürnbrand, Darlehensvertrag und Restschuldversicherung als verbundene Verträge, ZBB 2010, 123; Schulz, Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 6. Aufl. 2010; Stockhausen/Warner, Zivilrechtliche Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie, Finanzmarktkrise und Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie – Bericht über den Bankrechtstag am 26. Juni 2009 in Frankfurt a.M., WM 2009, 1548; Volmer, Für die Notarpraxis relevante Neuerungen im Recht des Verbraucherkredits, DNotZ 2010, 591; von der Linden, AGBrechtliches Transparenzgebot bei Zinsanpassungsklauseln – Probleme der Bankvertragsgestaltung nach Basel II –, WM 2008, 195; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145; Wittig/Wittig, Das neue Verbraucherdarlehensrecht – Schritte zur Vermeidung der Privatinsolvenz?, ZInsO 2009, 633.
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
1. Abschnitt Allgemeines 10.1
Die neue Verbraucherkreditrichtlinie1, die nach jahrelangen kontrovers geführten Diskussionen am 23.4.2008 verabschiedet und am 22.5.2008 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, war gemäß ihrem Art. 27 Abs. 1 von den Mitgliedstaaten bis zum 11.6.2010 in nationales Recht umzusetzen2. Mit der Neufassung der Verbraucherkreditrichtlinie werden verbraucherrechtliche Bestimmungen von der Werbung bis zur Beendigung eines Verbraucherdarlehens harmonisiert, um ein hohes Verbraucherschutzniveau und einen echten Binnenmarkt für Verbraucherdarlehen zu erreichen. Darüber hinaus sollen auch neue Kreditformen durch diese Richtlinie erfasst werden.
10.2
Anders als die alte Verbraucherkreditrichtlinie enthält die neue Verbraucherkreditrichtlinie für die von der Richtlinie erfassten Sachverhalte im Grundsatz vollharmonisierende Vorgaben (Art. 22 Abs. 1 Verbraucherkreditrichtlinie), die lediglich durch einige Optionen aufgeweicht wurden3. Dies hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Richtlinie nicht abweichen dürfen, soweit diese eine Regelung enthält4. Nationale Regelungen, die einen über das Niveau der Verbraucherkreditrichtlinie hinausgehenden Verbraucherschutz vorsehen würden, sind daher ausgeschlossen5. Einen Gestaltungsspielraum verbleibt den Mitgliedstaaten demnach nur, wenn die Richtlinie keine Regelung vorsieht6. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber auch verschiedentlich in nicht zu beanstandenderweise Gebrauch gemacht7. So unterliegen auch Kredite mit einem Nettodarlehensbetrag von über 75 000 Euro, Kredite an Existenzgründer und grundpfandrechtlich gesicherte Kredite den Regelungen des Verbraucherdarlehensrechts, ob1 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 133 v. 22.5.2008, S. 66; zur Entstehungsgeschichte der Verbraucherkreditrichtlinie: Siems, EuZW 2008, 454. 2 Berichtigung der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/ 102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 207 v. 11.8.2009, S. 14. 3 Vgl. zur Vollharmonisierung: Erwägungsgrund 9 und 10 der Verbraucherkreditrichtlinie; Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20; Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244; kritisch zur Vollharmonisierung: Knops auf dem Bankrechtstag am 26.6.2009 (Stockhausen/ Warner, WM 2009, 1548); Rott, WM 2008, 1104 (1105). 4 Ady/Paetz, WM 2009, 1061 (1062); Herresthal, WM 2009, 1174 (1175); Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (384); Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244 (245). 5 So hat beispielsweise der Verbraucher ab dem 11.6.2010 im Falle eines Widerrufs nur noch bei den von der Richtlinie nicht erfassten Immobiliardarlehensverträgen die Möglichkeit, einen geringeren Gebrauchsvorteils für die Nutzung des Darlehens nachzuweisen (§ 495 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BGB iVm. § 346 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BGB). 6 Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, Vor §§ 491 ff. BGB Rz. 14; Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (384); Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244 (245). 7 Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (384).
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Allgemeines
wohl diese nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst sind1. Der vollharmonisierende Charakter der Richtlinie ist aber auch bei der Auslegung einer nationalen Norm zu berücksichtigen2. Eine Auslegung, die im Bereich der Vollharmonisierung über das Schutzniveau der Richtlinie hinausgeht, ist daher unzulässig3. Die Vorgaben aus der Verbraucherkreditrichtlinie wurden durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht v. 29.7.2009 („Umsetzungsgesetz“) in das deutsche Recht übertragen und sind am 11.6.2010 in Kraft getreten4. Mit dem Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts v. 24.7.2010 („Änderungsgesetz“)5, das am 30.7.2010 in Kraft getreten ist, wurde unter anderem der Aufforderung des Deutschen Bundestags nachgekommen, ein Muster für eine Information über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen mit Gesetzlichkeitsfiktion in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen6. Darüber hinaus wurden die Vorschriften des Umsetzungsgesetzes in den Regelungsbereichen Widerrufsrecht und Darlehensvermittlungsrecht geändert, weitere Klarstellungen vorgenommen und vereinzelte Redaktionsversehen des Umsetzungsgesetzes behoben7.
10.3
Mit dem Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) wurde gleichzeitig auch ein von der Europäischen Kommission zu jenem Zeitpunkt lediglich angekündigtes zweites Korrigendum zum Text der Verbraucherkreditrichtlinie nachvollzogen. Das am 31.7.2010 veröffentlichte zweite Korrigendum8 und die Regelungen des Änderungsgesetzes sind jedoch nicht in allen Punkten deckungsgleich. Die Löschung des Spaltentrennstrichs, die in dem gesetzlichen Muster „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ gemäß Anlage 3 zu Art. 247 § 2 EGBGB zur Folge hat, dass die Zeile mit der Bezeichnung „Kosten im Zusammenhang mit dem Kredit“ zu einer Überschriftenzeile geworden ist9, findet sich im Korrigendum vom 31.7.2010 wider Erwarten nicht. Des Weiteren hat der deutsche Gesetzgeber jeweils in Nr. 3 des gesetzlichen Musters gemäß Anlage 3 und 4 zu Art. 247 § 2
10.4
1 Vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a und lit. c der Verbraucherkreditrichtlinie; Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (384). 2 Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, Vor §§ 491 ff. BGB Rz. 16; Riehm/ Schreindorfer, GPR 2008, 244 (245). 3 Herresthal, WM 2009, 1174 (1175). 4 BGBl. I 2009, S. 2355. 5 BGBl. I 2010, S. 977. 6 BT-Drucks. 16/13669, S. 5 und S. 123. 7 BT-Drucks. 17/1394, S. 12. 8 Berichtigung der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/ 102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 199 v. 31.7.2010, S. 40. 9 Vgl. Art. 2 Nr. 3a des Änderungsgesetzes v. 24.7.2010, BGBl. I 2010, S. 977 (979).
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
EGBGB in der rechten Spalte die Wörter „ausbleibende Zahlungen“ durch die Wörter „verspätete Zahlungen“ ersetzt1. In der deutschsprachigen Fassung des Korrigendums vom 31.7.2010 wurden dagegen die Wörter „ausbleibende Zahlungen“ durch die Formulierung „bei Zahlungsverzug“ ersetzt. Eine weitere Diskrepanz existiert bei der Angabe des Rechenergebnisses bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses. Nach Ziffer I lit. d Satz 1 der Anlage zu § 6 PangV in der Fassung des Änderungsgesetzes ist das Rechenergebnis auf zwei Dezimalstellen genau anzugeben. Entgegen der Ankündigung im Gesetzgebungsverfahren zum Änderungsgesetz2 wird nach der deutschen Sprachfassung der Verbraucherkreditrichtlinie allerdings nach wie vor die Angabe des Rechenergebnisses auf eine Dezimalstelle verlangt. Es ist zu erwarten, dass es ein weiteres Korrigendum bzw. ein weiteres Änderungsgesetz geben wird.
10.5
Durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie in das deutsche Recht wurde die Vergabe von Verbraucherdarlehen fast vollständig neu geregelt. Betroffen sind die Bereiche Werbung, vorvertragliche Information, Effektivzinsberechnung, Kreditwürdigkeitsprüfung, Form, Mindestangaben und Abschluss eines Verbraucherdarlehens, Widerrufsrecht, laufende Unterrichtungspflichten, Beendigung eines Verbraucherdarlehens, Vorfälligkeitsentschädigung und Darlehensvermittlung.
10.6–10.10
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB 10.11
§ 491 BGB definiert den Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages und bestimmt den Anwendungsbereich der folgenden Vorschriften. Verbraucherdarlehensverträge sind danach grundsätzlich alle entgeltlichen Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Das deutsche Recht sieht für Verbraucherdarlehensverträge weiterhin einen erweiterten Anwendungsbereich gegenüber dem europäischen Recht vor. So sind grundpfandrechtlich besicherte Darlehen und Renovierungsdarlehen grundsätzlich vom Anwendungsbereich erfasst. Des Weiteren wurde auf die Einführung einer Höchstgrenze weiterhin verzichtet, da gerade bei diesen Darlehen das Risiko für den Verbraucher vergleichsweise hoch ist und damit ein besonderes Schutzbedürfnis des Verbrauchers besteht3.
1 Vgl. Art. 2 Nr. 3b und Nr. 4 des Änderungsgesetzes v. 24.7.2010, BGBl. I 2010, S. 977 (979). 2 BT-Drucks. 17/1394, S. 33. 3 BT-Drucks. 16/11643, S. 76.
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Merz
10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
EGBGB in der rechten Spalte die Wörter „ausbleibende Zahlungen“ durch die Wörter „verspätete Zahlungen“ ersetzt1. In der deutschsprachigen Fassung des Korrigendums vom 31.7.2010 wurden dagegen die Wörter „ausbleibende Zahlungen“ durch die Formulierung „bei Zahlungsverzug“ ersetzt. Eine weitere Diskrepanz existiert bei der Angabe des Rechenergebnisses bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses. Nach Ziffer I lit. d Satz 1 der Anlage zu § 6 PangV in der Fassung des Änderungsgesetzes ist das Rechenergebnis auf zwei Dezimalstellen genau anzugeben. Entgegen der Ankündigung im Gesetzgebungsverfahren zum Änderungsgesetz2 wird nach der deutschen Sprachfassung der Verbraucherkreditrichtlinie allerdings nach wie vor die Angabe des Rechenergebnisses auf eine Dezimalstelle verlangt. Es ist zu erwarten, dass es ein weiteres Korrigendum bzw. ein weiteres Änderungsgesetz geben wird.
10.5
Durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie in das deutsche Recht wurde die Vergabe von Verbraucherdarlehen fast vollständig neu geregelt. Betroffen sind die Bereiche Werbung, vorvertragliche Information, Effektivzinsberechnung, Kreditwürdigkeitsprüfung, Form, Mindestangaben und Abschluss eines Verbraucherdarlehens, Widerrufsrecht, laufende Unterrichtungspflichten, Beendigung eines Verbraucherdarlehens, Vorfälligkeitsentschädigung und Darlehensvermittlung.
10.6–10.10
Einstweilen frei.
2. Abschnitt Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB 10.11
§ 491 BGB definiert den Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages und bestimmt den Anwendungsbereich der folgenden Vorschriften. Verbraucherdarlehensverträge sind danach grundsätzlich alle entgeltlichen Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Das deutsche Recht sieht für Verbraucherdarlehensverträge weiterhin einen erweiterten Anwendungsbereich gegenüber dem europäischen Recht vor. So sind grundpfandrechtlich besicherte Darlehen und Renovierungsdarlehen grundsätzlich vom Anwendungsbereich erfasst. Des Weiteren wurde auf die Einführung einer Höchstgrenze weiterhin verzichtet, da gerade bei diesen Darlehen das Risiko für den Verbraucher vergleichsweise hoch ist und damit ein besonderes Schutzbedürfnis des Verbrauchers besteht3.
1 Vgl. Art. 2 Nr. 3b und Nr. 4 des Änderungsgesetzes v. 24.7.2010, BGBl. I 2010, S. 977 (979). 2 BT-Drucks. 17/1394, S. 33. 3 BT-Drucks. 16/11643, S. 76.
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Merz
10. Teil
Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB
I. Persönlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich der §§ 491–512 BGB wird durch die Begriffe Unternehmer und Verbraucher bestimmt. Da die §§ 491 ff. BGB diesbezüglich keine eigenen Regelungen enthalten, sind die Legaldefinitionen dieser Begriffe in §§ 13, 14 BGB auch im Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts maßgebend.
10.12
1. Unternehmer Unternehmer iS der §§ 491 ff. BGB ist jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft (§ 14 Abs. 2 BGB), die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 14 Abs. 1 BGB). Typischerweise ist dies eine Bank, eine Sparkasse oder ein sonstiges Kreditinstitut iS des § 1 KWG. Darlehensgeber iS des § 491 Abs. 1 BGB kann aber auch ein Unternehmer sein, dessen unternehmerische Tätigkeit sich nicht auf die Kreditvergabe bezieht, wenn er das Darlehen in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit gewährt1.
10.13
2. Verbraucher Verbraucher iS des § 13 BGB ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann2. In persönlicher Hinsicht ist daher die Qualität als natürliche Person entscheidend, während das Gesetz im Hinblick auf die sachliche Qualität voraussetzt, dass das Rechtsgeschäft zu privaten Zwecken erfolgt3.
10.14
Hinsichtlich der Abgrenzung von Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist zu berücksichtigen, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen ist4. Anders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht der
10.15
1 BGH v. 9.12.2008 – XI ZR 513/07, WM 2009, 262. 2 Normadressat kann auch eine Mehrheit von natürlichen Personen sein, nach überwiegender Auffassung auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, soweit ein privater Zweck zum Handeln vorliegt, vgl. BGH v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, WM 2001, 2379; Ellenberger in Palandt, § 13 BGB Rz. 2; aA Prütting in Prütting/Wegen/Weinreich, § 13 BGB Rz. 8 mit Blick auf die zunehmend vertretene Rechtsfähigkeit der GbR; zur Rechtslage bei der Kreditgewährung an einen Strohmann vgl. BGH v. 13.3.2002 – VIII ZR 292/00, NJW 2002, 2030; Verbraucherschutzverbände in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins sind keine Verbraucher iS des § 13 BGB, vgl. BGH v. 23.2.2010 – XI ZR 186/09, WM 2010, 647. 3 In Fällen der Mischnutzung wird überwiegend darauf abgestellt, worin bei Abschluss des Vertrages der überwiegende Zweck der Nutzung liegt, OLG Celle v. 11.8.2004 – 7 U 17/04, NJW-RR 2004, 1645 (1646); Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 13 BGB Rz. 19. 4 BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780.
Merz
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Bank eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist1. Bei verbleibendem Zweifel, welcher Sphäre das konkrete Handeln zuzuordnen ist, ist aber zu Gunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden2.
3. Existenzgründer
10.16
Anwendung finden die §§ 491 bis 511 BGB auch auf Existenzgründungsdarlehen, wenn der Nettodarlehensbetrag 75 000 Euro nicht übersteigt (§ 512 BGB). Damit werden die Existenzgründer in dieser Beziehung und innerhalb dieser Begrenzung Verbrauchern gleichgestellt. Eine weitere Gleichstellung von Existenzgründern mit Verbrauchern sieht das Gesetz in § 655e Abs. 2 BGB für den Darlehensvermittlungsvertrag vor. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber den Existenzgründer grundsätzlich nicht als Verbraucher ansieht3. Die §§ 358 bis 359a BGB, auf die in § 512 BGB nicht verwiesen wird, sind daher auf Existenzgründer nicht anwendbar4. Hinsichtlich der Beweislast gilt, dass der Existenzgründer entsprechend dem allgemeinen Grundsatz die für ihn günstigen Voraussetzungen darlegen und beweisen muss, dh. dass das Darlehen für die Aufnahme einer selbständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit bestimmt war5.
10.17
Die Existenzgründungsphase ist erst mit der tatsächlichen Aufnahme der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit abgeschlossen. Diese ist in der Regel in der Eröffnung des Geschäftslokals, in dem Anbieten der Dienstleistungen oder in der aktiven Bewerbung des Unternehmens zu sehen6. Lediglich vorbereitende Handlungen, wie die Einstellung von Mitarbeitern, die Anmietung von Räumlichkeiten oder der Kauf von Einrichtungsgegenständen für das Geschäftslokal, genügen dagegen nicht7. Für die Entschei-
1 BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780. 2 BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780; BT-Drucks. 11/5462, S. 17 (bereits zur alten Rechtslage). 3 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, NJW 2005, 1273. 4 Bei der Vorgängerregelung (§ 507 BGB aF) wurde der fehlende Verweis auf die Bestimmungen für verbundene Verträge teilweise als Redaktionsversehen des Gesetzgebers angesehen und die Anwendbarkeit der §§ 358, 359 BGB aF auf Existenzgründer bejaht, vgl. Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 512 BGB Rz. 9. Diese Auffassung dürfte zumindest für die Neuregelung in § 512 BGB nicht mehr haltbar sein, da davon ausgegangen werden muss, dass dem Gesetzgeber diese Streitfrage bekannt war und er dennoch bei der umfassenden Neuregelung des Verbraucherdarlehensrechts von der Aufnahme eines Verweises auf die Bestimmungen für verbundene Verträge abgesehen hat. 5 Wittig/Wittig, WM 2002, 145. 6 Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 512 BGB Rz. 13; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 512 BGB Rz. 2; Ebert in Handkommentar-BGB § 512 BGB Rz. 2; Lwowski, WM-Sonderheft v. 25.9.1991, 49; Scholz, DB 1993, 261. 7 Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 512 BGB Rz. 13; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 512 BGB Rz. 2; Ebert in Handkommentar-BGB, § 512 BGB Rz. 2.
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10. Teil
Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB
dung der Frage, ob ein Darlehensnehmer sich noch in der Existenzgründungsphase befindet, ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen1. Der Schutz der §§ 491 ff. BGB greift grundsätzlich auch im Falle wiederholter Existenzgründungen ein2. Dagegen ist dieses Gesetz nicht anwendbar, wenn der Darlehensnehmer bereits eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübt und das Darlehen für den Ausbau oder die Erweiterung des bereits bestehenden Unternehmens in Anspruch nimmt3.
10.18
4. Mehrere Darlehensnehmer Wird der Kredit von mehreren Personen, etwa durch Eheleute4, beantragt, so sind die Formalien der §§ 491 ff. BGB gegenüber allen Kreditnehmern einzuhalten, sofern sie jeweils Verbrauchereigenschaft besitzen5.
10.19
Allerdings ist als echter Mitdarlehensnehmer ungeachtet der konkreten Vertragsbezeichnung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie im Wesentlichen gleichberechtigt über die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf6. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Mitdarlehensnehmer nur als Mithaftender anzusehen, der wie ein Bürge haftet7. Dass die Voraussetzungen für eine echte Mitdarlehensnehmerschaft im konkreten Einzelfall vorliegen, ist von der kreditgebenden Bank grundsätzlich darzulegen und zu beweisen8. Maßgebend für
10.20
1 BGH v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, NJW 1995, 722; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/ Weinreich, § 512 BGB Rz. 2; Ebert in Handkommentar-BGB, § 512 BGB Rz. 2. 2 OLG Celle v. 4.1.1995 – 2 U 262/93, WM 1996, 343; OLG Köln v. 5.12.1994 – 12 U 68/94, WM 1995, 612. 3 BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, ZIP 2000, 670. 4 Zur Mitverpflichtung des Ehegatten über § 1357 BGB: Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 24. 5 Auch auf einen Kreditvertrag an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der natürliche Personen beteiligt sind, kann das Verbraucherdarlehensrecht anwendbar sein, vgl. BGH v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, WM 2001, 2379; aA Prütting in Prütting/ Wegen/Weinreich, § 13 BGB Rz. 8 mit Blick auf die zunehmend vertretene Rechtsfähigkeit der GbR; zu den Besonderheiten bei der Darlehensvergabe an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts: Fraga Novelle/Wallner in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 219. 6 BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, WM 2009, 1460; BGH v. 16.12.2008 – XI ZR 454/ 07, NJW 2009, 1494; BGH v. 25.1.2005 – XI ZR 325/03, WM 2005, 418; BGH v. 23.3.2004 – XI ZR 114/03, WM 2004, 1083; BGH v. 28.5.2002 – XI ZR 205/01, WM 2002, 1649; BGH v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, WM 2002, 223; BGH v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, WM 2001, 402. 7 Zur Haftung des Bürgen vgl. Rz. 12.201. 8 Spricht für eine echte Mitdarlehensnehmerschaft der Wortlaut des vorformulierten Darlehensvertrages, hat der Schuldner nach den Regeln der sekundären Darlegungslast darzutun, dass er nicht das für eine Mitdarlehensnehmerschaft notwendige Eigeninteresse an der Kreditaufnahme besaß, vgl. BGH v. 16.12.2008 – XI ZR 454/07, NJW 2009, 1194.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
die Abgrenzung zwischen einer echten Mitdarlehensnehmerschaft und einer Mithaftungsübernahme ist der wirkliche Parteiwille, der im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Eine kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie zB „Mitdarlehensnehmer“, „Mitantragsteller“, „Mitschuldner“ oder dergleichen einen bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 BGB zur krassen finanziellen Überforderung von Angehörigen zu entgehen1. Nur bei einem echten Mitdarlehensnehmer kommt diese Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages auch bei einer solchen krassen finanziellen Überforderung nicht in Betracht2.
II. Sachlicher Anwendungsbereich
10.21
Der sachliche Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB setzt einen entgeltlichen Darlehensvertrag voraus3.
1. Gelddarlehen (§ 488 Abs. 1 BGB)
10.22
Das Verbraucherdarlehensrecht enthält keinen eigenständigen Darlehensbegriff4. Bei der Auslegung des Darlehensbegriffs der §§ 491 ff. BGB ist daher auf die Darlehensbeschreibung in § 488 Abs. 1 BGB zurückzugreifen5. Danach ist ein Darlehen dadurch gekennzeichnet, dass der Darlehensgeber verpflichtet ist, dem Darlehensnehmer den vereinbarten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen und der Darlehensnehmer bei Fälligkeit dessen Rückzahlung nebst Zinsen schuldet. Im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) stehen einerseits das Verschaffen und Belassen des Geldes und andererseits die Abnahme des vereinbarten Geldbetrages, die Zinszahlung (§ 488 Abs. 2 BGB) und die Bestellung der vereinbarten Sicherheiten. Nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht die Pflicht des Darlehensnehmers zur Rückzahlung (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine Pflicht des Darlehensnehmers zur Rückzahlung bei Fälligkeit besteht allerdings nur, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen hat. Dies ist der Fall, wenn die Darlehensvaluta an den Darlehensnehmer oder auf dessen Weisung an einen Dritten ausgezahlt wird, es sei denn, der Dritte ist nicht 1 BGH v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, WM 2002, 223. 2 BGH v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, WM 2001, 402. 3 Die Beurteilung der Frage, ob ein Darlehensvertrag iS der §§ 491 ff. BGB vorliegt, hängt nicht vom Verständnis des Verbrauchers, sondern von den objektiven Gegebenheiten ab, BGH v. 16.11.1995 – I ZR 177/93, WM 1996, 148. 4 Der Kredit- bzw. Darlehensbegriff wird in verschiedenen Gesetzen verwendet. Hierbei handelt es sich aber um keinen einheitlichen Rechtsbegriff. So sind die Legaldefinition des Kreditgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) und der Kreditbegriff des § 19 Abs. 1 KWG wesentlich weiter gefasst als der Begriff des Darlehens iS des § 488 Abs. 1 BGB. 5 Auf das Sachdarlehen (§§ 607 ff. BGB) finden die verbraucherschützenden Normen der §§ 491 ff. BGB keine Anwendung.
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10. Teil
Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB
überwiegend im Interesse des Darlehensnehmers, sondern sozusagen als „verlängerter Arm“ des Darlehensgebers tätig geworden1. Die §§ 491 ff. BGB erfassen die bekannten Gelddarlehen unter anderem in Form von
10.23
– Ratenkrediten mit in jeder Rate gleich bleibenden Anteilen von Kapital und Zinsen – Annuitätendarlehen mit gleich bleibender Ratenhöhe, aber in jeder Rate veränderlichen Kapital- und Zinsanteilen – endfälligen Darlehen, die am Ende der Laufzeit in einer Summe zurückzuzahlen sind – Rahmenkrediten, die bis zur eingeräumten Höhe revolvierend in Anspruch genommen werden können – Lombardkrediten, die zum Erwerb von Wertpapieren dienen, die der Bank als Sicherheit verpfändet werden – Forward-Darlehen, die zur späteren Ablösung eines bestehenden Darlehens bestimmt sind2 und – Fremdwährungsdarlehen3. Das Verbraucherdarlehen muss für den Verbraucher entgeltlich sein. Ein zinsloses und kostenfreies Darlehen ist vom Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB ausgenommen4. Unter Entgelt ist jede Art von Gegenleistung des Verbrauchers an den Darlehensgeber für die Darlehensgewährung zu verstehen5. Hierzu rechnen nicht nur die Zinsen, sondern auch das im Zweifel als laufzeitabhängiges Entgelt für die Kapitalnutzung einzustufende Disagio oder Damnum6. Ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt wurde bislang nicht als ausreichend für die Annahme eines entgeltlichen Darlehens angesehen7. Seit dem 11.6.2010 dürfte diese Auffassung wegen der neuen Regelung in § 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB nur noch bei zinslosen Darlehen mit einer Laufzeit von maximal drei Monaten aufrecht zu halten sein. Denn nach § 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB sind die Vorschriften über Verbraucherdarlehen nicht anwendbar, wenn bei derartigen Darlehen nur geringe Kosten anfallen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass bei einem zinslosen Darlehen mit einer Laufzeit von 1 BGH v. 16.5.2006 – XI ZR 06/04, NJW 2006, 2099; BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, WM 2006, 1066; BGH v. 12.11.2002 – XI ZR 47/01, WM 2002, 2501; BGH v. 17.1.1985 – III ZR 135/83, WM 1985, 221. 2 Peters/Wehrt, WM 2003, 1509; Rösler, WM 2000, 1930. 3 Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen siehe: Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 17; Lange in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 488 BGB Rz. 8. 4 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 11. 5 Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 491 BGB Rz. 53. 6 BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 200/99, WM 2000, 1243; Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 491 BGB Rz. 53; Kessal-Wulf in Staudinger BGB, § 491 BGB Rz. 49. 7 So zur früheren Rechtslage: Schürnbrand in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 491 BGB Rz. 53; Kessal-Wulf in Staudinger, Neubearb. 2004, § 491 BGB Rz. 48.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
mehr als drei Monaten, bei dem ein laufzeitunabhängiges Entgelt wie zum Beispiel das Bearbeitungsentgelt vereinbart wird, die Entgeltlichkeit zu bejahen ist.
10.25
Der Schuldbeitritt ist kein Darlehensvertrag iS des § 488 Abs. 1 BGB, weil der Beitretende nur die Mithaftung für die Verpflichtung des Darlehensnehmers übernimmt, ohne jedoch dessen Anspruch gegen den Darlehensgeber auf Auszahlung des Kredites zu erlangen1. Ungeachtet dessen wurden bislang die §§ 491 ff. BGB auf den Schuldbeitritt durch eine Person analog angewendet, die die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB erfüllte, auch wenn der Darlehensnehmer nicht Verbraucher war2. Eine analoge Anwendung dürfte auch nach dem 11.6.2010 weiterhin richtlinienkonform sein, da der Schuldbeitritt als Kreditsicherheit nicht von der in Art. 3 lit. c der Verbraucherkreditrichtlinie enthaltenen Definition des Kreditvertrages erfasst wird und demnach nicht in den Anwendungsbereich der neuen Verbraucherkreditrichtlinie fällt3.
10.26
Die Regelungen der Verbraucherkreditrichtlinie finden ebenfalls weiterhin keine Anwendung auf den Bürgschaftsvertrag4, denn der persönliche Anwendungsbereich der neuen Richtlinie entspricht dem der alten5. Im Gegensatz zum Schuldbeitritt wurde bei Bürgschaft von der Rechtsprechung eine analoge Anwendung der §§ 491 ff. BGB abgelehnt6. Dies ist auch sachgerecht, da die Rechtsstellung des Bürgen von der des Kreditnehmers weiter entfernt ist als die des Mitschuldners. Im Übrigen hat das Gesetz dem Schutz des Bürgen durch die in §§ 765 ff. BGB getroffenen Regelungen eingehend Rechnung getragen7. Auf die Bestellung einer Grundschuld zur Sicherung eines Darlehens sind die §§ 491 ff. BGB ebenfalls nicht anwendbar8. Das Gleiche gilt für die Bankbürgschaft oder -garantie (Avalkredit), auch wenn dieses Bankaval der Absicherung eines von einem Dritten aufgenommenen Kredites dient. Denn hierbei wird in Form einer Eventualverbindlichkeit nur eine Garantie für die Zahlungsfähigkeit des Avalauftraggebers (Bankkunde) übernommen. 1 Zum Schuldbeitritt vgl. Rz. 12.205. 2 BGH v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, WM 1996, 1258; BGH v. 12.11.1996 – XI ZR 202/ 95, WM 1997, 158; BGH v. 28.1.1997 – XI ZR 251/95, WM 1997, 663; BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 49/96, WM 1997, 710 für den Fall des Schuldbeitritts und BGH v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, WM 2000, 1632 für die Beteiligung als Kreditnehmer bei einem Kreditvertrag mit einer GmbH als Leasingnehmer; Rott, WM 2008, 1104 (1106); kritisch zur analogen Anwendung: Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (385). 3 Kulke, VuR 2009, 373 (378); Rott, WM 2008, 1104 (1106); Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (385). 4 Zum Bürgschaftsvertrag vgl. Rz. 12.201. 5 EuGH v. 23.3.2000 – Rs. C-208/98, EuZW 2000, 339, wonach Sicherungsgeschäfte nicht in den Anwendungsbereich der (alten) Verbraucherkreditrichtlinie (87/102/ EWG) fallen; BGH v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, WM 1998, 1120; Kulke, VuR 2009, 373 (378); Rott, WM 2008, 1104 (1106); Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (385). 6 EuGH v. 23.3.2000 – Rs. C-208/98, EuZW 2000, 339; BGH v. 21.4.1998 – IX ZR 258/ 97, WM 1998, 1120. 7 BGH v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, WM 1998, 1120. 8 BGH v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, WM 1998, 1120.
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Merz
10. Teil
Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB
Durch eine Stundung erlangt der Darlehensnehmer das Recht, ein ihm überlassenes Darlehen weiterhin zu benutzen, welches er ansonsten zurückzahlen müsste. Die Stundung stellt daher das Hinausschieben der Fälligkeit einer Forderung bei bestehen bleibender Erfüllbarkeit dar. Wird für die Stundung ein Entgelt verlangt und liegt kein Fall des § 491 Abs. 2 oder 3 BGB vor (§ 506 Abs. 4 Satz 1 BGB), so ist sie als entgeltlicher Zahlungsaufschub iS des § 506 Abs. 1 BGB einzuordnen, mit der Folge, dass die Vorschriften der §§ 358 bis 359a und 491a bis 502 BGB entsprechend anzuwenden sind (vgl. Rz. 10.35). Ein entgeltlicher Zahlungsaufschub iS des § 506 Abs. 1 BGB ist also gegeben, wenn für den gestundeten Betrag weiterhin die ursprünglich vereinbarten Sollzinsen berechnet werden1. Wird dagegen ein Betrag in Höhe von weniger als 200 Euro gestundet (§ 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder werden für eine Stundung von maximal drei Monaten nur geringe Kosten berechnet (§ 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB), liegt kein entgeltlicher Zahlungsaufschub vor. Auch die (vereinbarte) Berechnung von Verzugszinsen (§ 497 BGB) für die Dauer der Stundung führt noch nicht zur Entgeltlichkeit des Zahlungsaufschubs2. Denn in der Vereinbarung des gesetzlichen Verzugszinses ist kein Entgelt für die Gewährung der Stundung zu sehen, da der Darlehensgeber in den Fällen der verspäteten Zahlung auch ohne Stundung einen Anspruch auf Verzugszinsen hat. Das Gleiche gilt für bloße Rechtsverfolgungskosten (zB Inkassokosten), die dem Darlehensgeber nicht unmittelbar zugute kommen3.
10.27
2. Ausgenommene Darlehensverträge (§ 491 Abs. 2 BGB) Die Verbraucherkreditrichtlinie sieht einige Ausnahmen vom Geltungsbereich der Richtlinie vor, die fast vollständig in das deutsche Recht übernommen worden sind4. Die Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts sind in § 491 Abs. 2 BGB geregelt. Die in diesem Absatz aufgeführten Verträge sind kraft Definition keine Verbraucherdarlehensverträge, und die §§ 491 BGB ff. finden generell keine Anwendung. Da diese Verträge aber Verbraucherverträge iS des § 310 Abs. 3 BGB sind, bleiben die übrigen verbraucherschützenden gesetzlichen Regelungen (§§ 312 ff. BGB) anwendbar5.
10.28
Nach § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB finden die §§ 491 ff. BGB keine Anwendung auf Verbraucherdarlehensverträge, bei denen der Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB) weniger als 200 Euro beträgt (Bagatell-Darlehensverträge). Im Gegensatz zur bisherigen Regelung fallen also Darlehenverträge mit einem Nettodarlehensbetrag gleich 200 Euro in den Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB. Begründet wird die Ausnahmeregelung für Bagatell-Darlehensverträge mit dem geringeren Schutzbedürfnis des Verbrauchers, der den für den Darle-
10.29
1 Fraga Novelle/Wallner in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, 2. Aufl. 2009, Rz. 380. 2 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 506 BGB Rz. 3. 3 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 506 BGB Rz. 3. 4 Rott, WM 2008, 1104 (1106). 5 Weidenkaff in Palandt, § 491 BGB nF Rz. 3.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
hensgeber mit der Befolgung der Vorschriften über Verbraucherdarlehen verbundenen Aufwand nicht rechtfertigt. Dagegen hat der Gesetzgeber wie bisher von der Einführung einer Obergrenze auf Grund des erhöhten Schutzbedürfnisses des Verbrauchers abgesehen1. Für Kredite mit einem Nettodarlehen über 75 000 Euro ist nur eine punktuelle Ausnahme hinsichtlich der Sanktion bei fehlenden oder fehlerhaften Angaben zu den Sicherheiten vorgesehen (§ 494 Abs. 6 Satz 3 BGB).
10.30
Mit § 491 Abs. 2 Nr. 2 BGB wurde eine Ausnahmeregelung für Darlehen eingeführt, bei denen sich die Haftung des Darlehensnehmers auf eine dem Darlehensgeber nach §§ 1204 BGB ff. übergebene Pfandsache beschränkt („Haftungsdarlehen“). Mit dieser Ausnahmeregelung hatte der Gesetzgeber vor allem die Tätigkeit von so genannten Leih- oder Pfandhäusern im Blick2. Der Begriff der Haftung ist weit auszulegen. Die Ausnahmeregelung findet daher nur dann Anwendung, wenn der Pfandgegenstand auf Grund der vertraglichen Abrede alle zukünftigen Zahlungsverpflichtungen des Darlehensnehmers abdeckt. Der Darlehensgeber kann daher weder aus Verzug noch aus Nichtleistung der Rückzahlung weitere Ansprüche gegen den Darlehensnehmer als die Befriedigung aus dem Pfand geltend machen.
10.31
§ 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB enthält eine Ausnahmeregelung für zinslose Darlehen mit einer maximalen Laufzeit von drei Monaten, bei denen nur geringe Kosten vereinbart wurden. Hauptanwendungsfall sind Darlehen, die auf Zahlungskarten (Kredit- oder Debitkarten) mit einer jährlichen Kartengebühr gewährt werden. Der Begriff „Kosten“ ist im Rahmen dieser Ausnahmeregelung weit auszulegen3. Relevant sind nicht nur solche Kosten, die nach § 6 Abs. 3 PAngV bei der Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes zu berücksichtigen sind, sondern sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung entstehen können und die mit dem Darlehensnehmer vereinbart worden sind. Darunter können auch etwaige vereinbarte Verzugskosten fallen4. Für die Beurteilung des Begriffes „gering“ ist auf die Gesamtumstände abzustellen und nicht allein auf das prozentuale Verhältnis zwischen den vereinbarten Kosten und dem Nettodarlehensbetrag5. Steht bei Vertragsschluss bereits fest, dass der Darlehensnehmer das Darlehen innerhalb dieser drei Monate nicht zurückzahlen kann und der Darlehensgeber überdurchschnittlich hohe Verzugszinsen geltend machen kann, greift die Ausnahmeregelung in § 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht ein6.
10.32
Die Verbraucherschutzvorschriften gelten nicht für ein Arbeitgeberdarlehen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. § 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB setzt zu1 BT-Drucks. 16/11643, S. 76. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 76; für Darlehen, die Pfandleiher im Rahmen ihres Gewerbebetriebs gewähren, gelten die Vorschriften der Pfandleiherverordnung. 3 BT-Drucks. 16/11643, S. 77. 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 77. 5 BT-Drucks. 16/11643, S. 76. 6 BT-Drucks. 16/11643, S. 77.
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Merz
10. Teil
Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB
nächst voraus, dass der Arbeitgeber selbst das Darlehen einräumt. Die Darlehensausreichung durch einen Dritten, auch wenn dieser zum gleichen Konzern gehört, ist nicht ausreichend. Darüber hinaus muss das Darlehen als Nebenleistung zum Arbeitsvertrag gewährt werden. Von dem damit erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und dem Darlehen kann unter anderem ausgegangen werden, wenn mit der Darlehensgewährung eine Betriebsbindung, eine zusätzliche Vergütung oder eine Altersvorsorge bezweckt wird. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber die Darlehensverträge anderen Personen nicht anbietet. Für Kreditinstitute bedeutet dies, dass sie sich auf § 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB generell nicht berufen können. Aber auch andere Unternehmen können nicht von dieser Ausnahmeregelung profitieren, wenn sie so regelmäßig Arbeitgeberdarlehen vergeben, dass sie hierfür bereits entsprechende interne Strukturen („Kreditabteilung“) geschaffen haben1. Schließlich müssen Arbeitgeberdarlehen günstiger sein als marktübliche Verträge. Für diese Beurteilung ist auf den effektiven Jahreszins abzustellen2. In § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB werden die so genannten Förderdarlehen aus dem Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB ausgenommen. Darunter fallen alle Darlehen, die an einen begrenzten Personenkreis auf Grund von Rechtsvorschriften im öffentlichen Interesse zu günstigeren Konditionen vergeben werden. Im Gegensatz zur bis zum 11.6.2010 geltenden Rechtslage sind alle Förderdarlehen und nicht nur Förderdarlehen zum Wohnungsbau von § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB umfasst. Zudem hat der Gesetzgeber auf das Kriterium der Unmittelbarkeit verzichtet, das heißt, auch die so genannten durchgeleiteten Förderdarlehen, bei denen der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag mit seiner Hausbank zu von der Förderanstalt vorgegebenen Konditionen abschließt, fallen unter diese Ausnahmeregelung3.
10.33
Das Förderdarlehen muss aber zu günstigeren Konditionen vergeben werden. Dies ist nur der Fall, wenn im Darlehensvertrag für den Darlehensnehmer günstigere als marktübliche Bedingungen und höchstens der marktübliche Sollzinssatz vereinbart ist4.
3. Beschränkte Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB In einigen Fällen finden die Bestimmungen der §§ 491 ff. BGB nur teilweise Anwendung. Dies gilt gemäß § 491 Abs. 1 BGB für Immobiliardarlehensverträge und für eingeräumte oder geduldete Überziehungen, deren Sonderregelungen in den §§ 503 bis 505 BGB abschließend zusammengefasst sind. Zu der Fallgruppe mit beschränkter Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB zählen aber 1 BT-Drucks. 16/11643, S. 77. 2 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491 BGB Rz. 15; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 29. 3 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491 BGB Rz. 16; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 30; Weidenkaff in Palandt, § 491 BGB nF Rz. 3; kritisch hierzu: Rösler/Werner, BKR 2009, 1 (2); Kulke, VuR 2009, 373 (378). 4 ZB eine tilgungsfreie Zeit, BT-Drucks. 14/11643, S. 77.
Merz
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10.34
10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
auch Verbraucherdarlehensverträge, die entweder gerichtlich protokolliert oder festgestellt sind, wenn das Protokoll oder der Beschluss den Sollzinssatz, die Kosten des Darlehens und die Voraussetzungen für deren Anpassung enthält. Denn auf diese Darlehensverträge finden gemäß § 491 Abs. 3 BGB die §§ 491a bis 495 BGB sowie § 358 Abs. 2, 4 und 5 BGB keine Anwendung. Eine weitere Ausnahme ist in § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB geregelt. Danach findet bei besonderen Formen der Umschuldung das Widerrufsrecht keine Anwendung. Schließlich sind für Darlehen zur Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten (§ 1 Abs. 11 KWG) die Regelungen über verbundene Verträge ausgenommen (§ 359a Abs. 3 BGB)1.
4. Finanzierungshilfen (§§ 506–509 BGB)
10.35
Die Regelungen über entgeltliche Finanzierungshilfen zwischen einen Unternehmer und einem Verbraucher befinden sich in den §§ 506 bis 509 BGB2. Die Grundnorm des § 506 Abs. 1 BGB regelt den entgeltlichen Zahlungsaufschub3 sowie als Auffangtatbestand die sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe und erklärt die §§ 358 bis 359a und 491a bis 502 BGB auf diese Kreditformen für entsprechend anwendbar4. Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind lediglich die §§ 503 bis 505 BGB sowie § 492 Abs. 4 BGB. Die Regelungen über entgeltliche Finanzierungshilfen sind gemäß § 506 Abs. 4 BGB nicht anwendbar, wenn die Voraussetzungen des § 491 Abs. 2 und 3 BGB vorliegen.
10.36
Eine besondere Form des entgeltlichen Zahlungsaufschubs stellen die Teilzahlungsgeschäfte dar (§ 506 Abs. 3 BGB). Dabei handelt es sich vor allem um die Abzahlungsgeschäfte alter Art, bei denen der Käufer den Kaufpreis in Raten bezahlen darf. Hier erbringt der Verkäufer eine Vorleistung durch Überlassung des Kaufgegenstandes und stundet seinen Kaufpreisanspruch5. Auf Teilzahlungsgeschäfte als besondere Form des Zahlungsaufschubs sind die Verweisungen in § 506 Abs. 1 BGB anwendbar6. Vorbehaltlich des § 506 Abs. 4 BGB gelten zusätzlich die in den §§ 507 und 508 BGB geregelten Sondervorschriften.
10.37
In § 506 Abs. 2 BGB wird der Begriff der entgeltlichen Finanzierungshilfe, der weit auszulegen ist, von bloßen Gebrauchsüberlassungsverträgen (zB Mietverträgen) abgegrenzt7. Nach dieser Vorschrift gilt ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes als Finanzierungshilfe, wenn vertraglich entweder eine Er1 BT-Drucks, 16/11643, S. 72. 2 Ratenlieferungsverträge (§ 510 BGB) sind grundsätzlich keine Finanzierungshilfen. Diese Verträge unterfallen gemäß Art. 3 lit. c nicht der Verbraucherkreditrichtlinie. 3 Zur Stundung siehe Rz. 10.27. 4 Bei der Verweisung handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, BT-Drucks. 16/ 11643, S. 91. 5 Nach der Legaldefinition in § 506 Abs. 3 BGB sind Teilzahlungsgeschäfte entgeltliche Verträge, die die Lieferung einer bestimmten Sache oder die Erbringung einer bestimmten anderen Leistung gegen Teilzahlungen zum Gegenstand haben. 6 BT-Drucks. 16/11643, S. 92. 7 BT-Drucks. 16/11643, S. 92.
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Merz
10. Teil
Geltungsbereich der §§ 491 ff. BGB
werbsverpflichtung des Verbrauchers geregelt ist (Nr. 1), dem Unternehmer die Möglichkeit eingeräumt wird, von dem Verbraucher den Erwerb des Vertragsgegenstandes zu verlangen (Nr. 2), oder der Verbraucher bei Vertragsablauf einen vereinbarten Restwert garantieren muss (Nr. 3)1. Unter den Begriff der entgeltlichen Finanzierungshilfe fallen demnach die klassischen Finanzierungsleasingverträge.
III. Zeitlicher Anwendungsbereich Das durch das Umsetzungsgesetz v. 29.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2355) eingeführte neue Recht gilt nach Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB für alle Schuldverhältnisse, die seit dem 11.6.2010 entstanden sind. Auf Schuldverhältnisse, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind, finden grundsätzlich ausschließlich die bis dahin geltenden Regelungen Anwendung.
10.38
Ausgenommen hiervon sind nach Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB die folgenden Regelungen, die auch für vor dem 11.6.2010 abgeschlossene unbefristete Schuldverhältnisse gelten:
10.39
– Textformerfordernis bei nachvertraglichen Erklärungen des Darlehensgebers gemäß § 492 Abs. 5 BGB – Unterrichtungspflichten bei der Anpassung des Sollzinssatzes gemäß § 493 Abs. 3 BGB – Kündigungsrecht und Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers gemäß § 499 BGB – Kündigungsrecht des Darlehensnehmers gemäß § 500 Abs. 1 BGB – Unterrichtungspflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten gemäß § 504 Abs. 1 BGB – Unterrichtungspflichten bei geduldeten Überziehungen gemäß § 505 Abs. 1 BGB und – Unterrichtungspflichten bei erheblichen geduldeten Überziehungen gemäß § 505 Abs. 2 BGB. Da es für die Frage, welches Recht Anwendung findet, auf das Datum des Vertragsschlusses ankommt, wird der Darlehensgeber die neuen Regelungen auch schon vor dem 11.6.2010 beachten müssen, wenn das Verbraucherdarlehen zwar vor dem Stichtag angebahnt, jedoch erst danach abgeschlossen wird.
10.40
Die durch das Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) eingeführten Änderungen gelten seit dem 30.7.20102. Für die Erfüllung der vorvertragli-
10.41
1 Der Begriff „Gegenstand“ wird in § 506 Abs. 2 BGB als Oberbegriff für sämtliche Formen von Kauf-, Werk- und Dienstverträgen gewählt; es kann sich um eine bewegliche oder unbewegliche Sache (§ 90 BGB) ebenso handeln wie um Forderungen und sonstige Vermögensrechte, BT-Drucks. 16/11643, S. 92. 2 Art. 6 des Änderungsgesetzes v. 24.7.2010, BGBl. I 2010, S. 977 (979).
Merz
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
chen Information nach § 491a Abs. 1 BGB sieht das Änderungsgesetz jedoch eine Übergangsregelung vor. Nach Art. 247 § 2 Abs. 3 Satz 3 EGBGB gilt bis zum 31.12.2010 die Verpflichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch dann als erfüllt, wenn die gesetzlichen Muster gemäß Anlage 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB in der Fassung des Umsetzungsgesetzes vom 29.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2355) übermittelt werden.
IV. Abweichende Vereinbarungen
10.42
§ 511 BGB regelt die Unabdingbarkeit und das Umgehungsverbot von den Vorschriften der §§ 491 bis 510 BGB. Das bedeutet, dass von den vorgenannten Vorschriften weder zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf noch diese Vorschriften durch eine anderweitige Gestaltung umgangen werden dürfen1. Abweichungen zu Gunsten des Verbrauchers, wie zum Beispiel eine Verlängerung der Widerrufsfrist, sind aber nach wie vor möglich2. Zudem lässt das Gesetz an bestimmten Stellen vertragliche Abweichungen ausdrücklich zu (vgl. Art. 247 § 15 Abs. 2 EGBGB und § 500 Abs. 1 Satz 2 BGB).
10.43–10.50
Einstweilen frei.
3. Abschnitt Werbung 10.51
Durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie werden bereits für den Bereich der Werbung mit Verbraucherdarlehen dem Darlehensgeber oder jedem anderen Werbenden (zB Darlehensvermittler) umfangreiche Informationspflichten auferlegt. Dadurch sollen unter anderem Lockvogelangebote und eine den Verbraucher irreführende Hervorhebung isolierter Vertragskonditionen verhindert werden3. In der Praxis dürfte dies die Entwicklung neuer Werbekonzepte erforderlich machen.
1 ZB durch eine Aufteilung eines Darlehens in mehrere Einzelverträge, um jeweils die Bagatellegrenze des § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu unterschreiten, vgl. Kessal-Wulf in Staudinger, Neubearb. 2004, § 506 BGB Rz. 7; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491 BGB Rz. 12; auch in einer möglichst ungenauen Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung im Darlehensvertrag kann eine Umgehung liegen, wenn diese allein zu dem Zweck erfolgt, die Anwendbarkeit des § 359a Abs. 1 BGB auszuschließen, so Schürnbrand auf dem Bankrechtstag 2009, Stockhausen/Warner, WM 2009, 1548 (1552). 2 BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 47/08, BKR 2009, 167; Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 511 BGB Rz. 4. 3 Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (386).
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
chen Information nach § 491a Abs. 1 BGB sieht das Änderungsgesetz jedoch eine Übergangsregelung vor. Nach Art. 247 § 2 Abs. 3 Satz 3 EGBGB gilt bis zum 31.12.2010 die Verpflichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch dann als erfüllt, wenn die gesetzlichen Muster gemäß Anlage 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB in der Fassung des Umsetzungsgesetzes vom 29.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2355) übermittelt werden.
IV. Abweichende Vereinbarungen
10.42
§ 511 BGB regelt die Unabdingbarkeit und das Umgehungsverbot von den Vorschriften der §§ 491 bis 510 BGB. Das bedeutet, dass von den vorgenannten Vorschriften weder zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf noch diese Vorschriften durch eine anderweitige Gestaltung umgangen werden dürfen1. Abweichungen zu Gunsten des Verbrauchers, wie zum Beispiel eine Verlängerung der Widerrufsfrist, sind aber nach wie vor möglich2. Zudem lässt das Gesetz an bestimmten Stellen vertragliche Abweichungen ausdrücklich zu (vgl. Art. 247 § 15 Abs. 2 EGBGB und § 500 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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Einstweilen frei.
3. Abschnitt Werbung 10.51
Durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie werden bereits für den Bereich der Werbung mit Verbraucherdarlehen dem Darlehensgeber oder jedem anderen Werbenden (zB Darlehensvermittler) umfangreiche Informationspflichten auferlegt. Dadurch sollen unter anderem Lockvogelangebote und eine den Verbraucher irreführende Hervorhebung isolierter Vertragskonditionen verhindert werden3. In der Praxis dürfte dies die Entwicklung neuer Werbekonzepte erforderlich machen.
1 ZB durch eine Aufteilung eines Darlehens in mehrere Einzelverträge, um jeweils die Bagatellegrenze des § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu unterschreiten, vgl. Kessal-Wulf in Staudinger, Neubearb. 2004, § 506 BGB Rz. 7; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491 BGB Rz. 12; auch in einer möglichst ungenauen Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung im Darlehensvertrag kann eine Umgehung liegen, wenn diese allein zu dem Zweck erfolgt, die Anwendbarkeit des § 359a Abs. 1 BGB auszuschließen, so Schürnbrand auf dem Bankrechtstag 2009, Stockhausen/Warner, WM 2009, 1548 (1552). 2 BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 47/08, BKR 2009, 167; Sauer in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 511 BGB Rz. 4. 3 Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (386).
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Merz
10. Teil
Werbung
I. Werbung für Kreditverträge (§ 6a PAngV) Durch die Neueinführung des § 6a PAngV wird die Werbung für Kreditverträge gegenüber Letztverbrauchern stärker reglementiert. Bislang war bei der Werbung mit Verbraucherdarlehen die Angabe des (anfänglichen) effektiven Jahreszinses erforderlich, aber auch ausreichend, wenn in der Werbung der Nominalzins oder andere Preisbestandteile genannt wurden. Seit dem 11.6.2010 sind bei dieser Art der Werbung neben der Nennung des Effektivzinssatzes noch weitere Angaben erforderlich1.
10.52
Die Anwendung des § 6a PAngV setzt voraus, dass gegenüber Letztverbrauchern mit Zinsätzen oder sonstigen Zahlen, die die Kosten betreffen, geworben wird. Der Begriff der Werbung ist weit zu verstehen. Er umfasst jede auf den Absatz zielende produkt- oder leistungsbezogene Kommunikation im geschäftlichen Verkehr gleich welcher Art und Form. Adressat dieser Norm ist nicht nur der Darlehensgeber oder der ausschließliche Darlehensvermittler, sondern jeder, der mit Verbraucherdarlehen entsprechend wirbt. § 6a PAngV ist daher beispielsweise auch von Händlern zu beachten, die zur Steigerung ihres Warenabsatzes mit der Finanzierungsmöglichkeit unter Angabe von Zinssätzen oder sonstigen Zahlen werben.
10.53
Mit Zinssätzen wird geworben, wenn entweder der Sollzinssatz oder der effektive Jahreszins genannt wird. Bei einer Werbung mit einer „0 %-Kondition“ ist daher § 6a PangV ebenfalls anwendbar, auch wenn diese unentgeltlichen Darlehen vom Anwendungsbereich für Verbraucherdarlehen ausgenommen sind (§ 491 Abs. 1 BGB). Eine Werbung mit sonstigen Zahlen liegt unter anderem vor, wenn mit der Höhe der Monatsraten geworben wird. Der Nennung des Zinssatzes oder von sonstigen Zahlen steht es gleich, wenn nicht mit einer konkreten Zahl, sondern mit einer prozentualen Reduzierung des Sollzinssatzes geworben wird2. Die Werbung mit der Laufzeit oder mit dem Kreditbetrag fällt aber nicht in den Anwendungsbereich, da diese Zahlen nicht die Kosten betreffen.
10.54
1. Pflichtangaben (§ 6a Abs. 1 PAngV) Nach § 6a Abs. 1 PAngV sind bei der Werbung mit Zinssätzen oder Zahlenangaben für Kosten der Sollzinssatz, der Nettodarlehensbetrag und der effektive Jahreszins3 in klarer, verständlicher und auffallender Weise anzugeben, wobei 1 Zu den Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Praxis: Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 94 ff. 2 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 95. 3 Nach Ziffer I lit. d der Anlage zu § 6 PAngV in der Fassung des Änderungsgesetzes v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) ist der effektive Jahreszins auf zwei Dezimalstellen genau anzugeben. Dies gilt auch für den Bereich der Werbung (BT-Drucks. 17/1394, S. 33). Da Ziffer I lit. d der Anlage zu § 6 PAngV auf die Angabe und nicht auf die Berechnung abstellt, dürfte die Angabe mit einer Dezimalstelle auch in dem Fall den rechtlichen Anforderungen nicht genügen, in dem die zweite Dezimalstelle „Null“ beträgt.
Merz
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10.55
10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
eine Reihenfolge der Informationen nicht vorgegeben ist1. Neben der Nennung von Einzelwerten ist eine Angabe von Bandbreiten („von ... bis ...“) oder von sog. „ab-Konditionen“ möglich2. Die Angabe des Sollzinssatzes ist dahingehend zu konkretisieren, ob dieser gebunden oder veränderlich ist. Zudem sind alle sonstigen Kosten im Einzelnen aufzuführen. Darunter fallen alle Kosten, die bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses gemäß § 6 Abs. 3 PAngV zu berücksichtigen sind. Die Benennung der im Falle eines Vertragsschlusses zu entrichtenden Kosten ist allerdings nur dem Grunde nach und nicht der Höhe nach erforderlich. Hierfür spricht zum einen der Gesetzeswortlaut, der bezüglich der Kosten nicht ausdrücklich eine betragliche Angabe fordert. Zum anderen dürfte die Nennung eines konkreten Betrages häufig schon daran scheitern, dass die Kosten in einem prozentualen Verhältnis zum Darlehensbetrag stehen. Schließlich spricht für diese Auslegung auch die Regelung in § 6a Abs. 4 PangV, die eine Erleichterung für den Fall vorsieht, dass die Kosten für einen Vertrag über eine Zusatzleistung im Voraus nicht bestimmt werden können.
2. Zusätzliche Angaben (§ 6a Abs. 2 und 4 PAngV)
10.56
Die Pflichtangaben nach § 6a Abs. 1 PAngV sind gemäß § 6a Abs. 2 PAngV um weitere Angaben zu erweitern, sofern diese Voraussetzung für den Abschluss des beworbenen Vertrages sind. Es handelt sich um – die Angabe der Vertragslaufzeit, – bei Teilzahlungsgeschäften iS des § 506 Abs. 3 BGB um die Angabe der Sache oder Dienstleistung, ihres Barzahlungspreises sowie den Betrag der Anzahlung und – gegebenenfalls um die Angabe des Gesamtbetrages und des Betrages der Teilzahlungen. Die Angabe der Vertragslaufzeit, des Gesamtbetrages oder des Betrages der Teilzahlungen ist allerdings ausschließlich für den Fall erforderlich, dass das beworbene Darlehen nur mit einer konkreten Laufzeit, mit einem konkreten Gesamtbetrag oder mit einem bestimmten Teilzahlungsbetrag abgeschlossen werden kann. Eine generelle Information über die Mindest-/Maximallaufzeit, den Maximalgesamtbetrag oder den Betrag der Teilzahlungen ist in der Werbung mit Verbraucherdarlehen dagegen nicht notwendig.
10.57
Wird der Abschluss einer Restkreditversicherung oder einer anderen Zusatzleistung (Art. 247 § 8 EGBGB) verlangt und können die Kosten hierfür nicht im Voraus bestimmt werden, ist nach § 6a Abs. 4 PAngV auf diese Verpflichtung klar und verständlich an gestalterisch hervorgehobener Stelle zusammen mit dem Effektivzins hinzuweisen.
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 143; Rösler/Werner, BKR 2009, 1 (2). 2 Domke/Sperlich, BB 2010, 2069.
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Merz
10. Teil
Werbung
3. Repräsentatives Beispiel (§ 6a Abs. 3 PAngV) Neben den vorgenannten Pflichtangaben ist die Werbung für Kreditverträge gemäß § 6a Abs. 3 PAngV mit einem repräsentativen Beispiel zu versehen1. Dieses Beispiel muss neben den übrigen Pflichtangaben nach § 6a Abs. 1 und 2 PAngV einen effektiven Jahreszins ausweisen, von dem der Werbende erwarten darf, dass er mindestens zwei Drittel der auf Grund der Werbung zu Stande kommenden Verträge zu dem angegebenen oder zu einem niedrigerem effektiven Jahreszins abschließen wird2. Repräsentativ im Sinne dieser Vorschrift muss bei dem Beispiel also nur die Angabe des Effektivzinssatzes, nicht aber die weiteren Angaben sein3. Hinsichtlich der weiteren Angaben ist es ausreichend, wenn es sich um für das konkret beworbene Produkt typische Angaben handelt (dh. durchschnittliche Vertragslaufzeit, üblicher Nettodarlehensbetrag etc.), die entsprechend häufig abgeschlossen werden4.
10.58
Bei der Festlegung des repräsentativen Effektivzinssatzes kommt es zum einen auf den Adressaten der Werbung und zum anderen auf das konkret beworbene Produkt an5. Dies bedeutet, dass bei einer gezielten Werbung an einen bestimmten Adressatenkreis (zB Bestandskunden) ein anderer Effektivzinssatz repräsentativ sein kann als bei einer an die Allgemeinheit gerichteten Internet- oder Fernsehwerbung6. Hinsichtlich des konkret beworbenen Produktes stellt sich die Frage, ob die jeweilige Gattung oder nur eine konkrete Ausgestaltung dieser Gattung, wie dies bei der Werbung mit sog. Aktionskrediten üblich ist, beworben wird. Im letzteren Falle ist nämlich nur auf die zu erwartenden Abschlüsse des Aktionskredits abzustellen.
10.59
1 Eine Werbung ausschließlich mit dem repräsentativen Beispiel ist trotz des Wortlautes des § 6a Abs. 3 PAngV möglich, wenn außer dem repräsentativen Beispiel keine weiteren Angaben zu Zinssätzen oder Kosten getätigt werden oder wenn die Pflichtangaben denen im repräsentativen Beispiel entsprechen, wie dies bei der Werbung mit Aktionsangeboten vorkommen kann, Domke/Sperlich, BB 2010, 2069 (2070). 2 Ob die Festlegung auf zwei Drittel richtlinienkonform ist, ist zumindest zweifelhaft: BT-Drucks. 16/11643, S. 161; Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (634); die im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat vorgeschlagene Übertragung der Überwachung der Einhaltung der Regelungen in den §§ 6 bis 6b PAngV auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 6c PAngV-E) wurde nicht umgesetzt (BT-Drucks. 157/ 10). Zuständig für die Überwachung ist daher die nach dem jeweiligen Landesrecht zuständige Behörde. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist allerdings nach § 23 KWG berechtigt, bestimmte Arten der Werbung zu untersagen. 3 Offengelassen: Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (634). 4 Rott, WM 2008, 1104 (1108). 5 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 100. 6 Mit Blick auf die gelockerten Anforderungen der jüngeren Rechtsprechung an die Angabe von sog. Pflichttexten in der Fernsehwerbung dürfte es als ausreichend anzusehen sein, wenn die Pflichtangaben ca. 5 Sekunden eingeblendet werden. Darüber hinaus ist zu empfehlen, die Pflichtangaben auch auf die Internetseite aufzunehmen und im Fernsehspot auf diese zu verweisen, vgl. BGH v. 11.9.2008 – I ZR 58/06, NJWRR 2009, 470 („Fußpilz“); BGH v. 11.3.2009 – I ZR 194/06, GRUR 2009, 1064 („AKTIVA“); BGH v. 9.7.2009 – I ZR 64/07, GRUR 2010, 158 („FIFA-WM-Gewinnspiel“).
Merz
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
II. Werbung für Überziehungsmöglichkeiten (§ 6b PAngV)
10.60
§ 6b PAngV enthält eine Sonderregelung für Überziehungsmöglichkeiten iS des § 504 Abs. 2 BGB, die sowohl für § 6 PAngV als auch für § 6a PAngV gilt1. Nach dieser Vorschrift sind bei der Werbung für Überziehungsmöglichkeiten iS des § 504 Abs. 2 BGB statt des effektiven Jahreszinses der Sollzinssatz pro Jahr und die Zinsbelastungsperiode anzugeben. Diese Erleichterung greift aber nur ein, wenn außer den Sollzinsen keine weiteren Kosten vereinbart sind und die Zinsbelastungsperiode nicht kürzer als drei Monate ist.
III. Sonderregelung für Darlehensvermittler (Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB)
10.61
Durch das Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977, wurde in Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB eine zusätzliche Angabepflicht des Darlehensvermittlers eingeführt. Danach hat der Darlehensvermittler, wenn er gegenüber Verbrauchern für den Abschluss eines Verbraucherdarlehens iS des § 491 Abs. 1 BGB wirbt, den Umfang seiner Befugnisse einschließlich seines Vermittlerstatus gemäß Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EGBGB offen zu legen. Der Darlehensvermittler muss also unter anderem angeben, ob er ausschließlich für einen oder mehrere bestimmte Darlehensgeber oder unabhängig tätig wird.
10.62
Der Anwendungsbereich des Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB ist nicht mit dem des § 6a PAngV identisch. Während die zusätzliche Verpflichtung des Vermittlers nach Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB bei jeder Art von Werbung für den Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen iS des § 491 Abs. 1 BGB besteht, setzt die Anwendung des § 6a PangV eine Werbung mit Zinssätzen oder sonstigen Zahlenangaben für Kosten voraus2. Für diese Auslegung spricht die systematische Stellung dieser Verpflichtung und die fehlende Bezugnahme auf die Regelung in § 6a PAngV. Zudem handelt sich inhaltlich um eine Angabe, die sich auf die Person des Vermittlers und dessen Stellung bezieht, und nicht um eine preisbezogene Angabe.
10.63–10.70
Einstweilen frei.
1 BT-Drucks. 11/643, S. 143; Eine Parallelregelung findet sich in Art. 247 § 10 Abs. 3 EGBGB. 2 Bei einer reinen Imagewerbung für Verbraucherdarlehen ohne Angabe von Zinssätzen oder Kosten ist daher ausschließlich Art. 247 § 13 Abs. 4 EGBGB anwendbar, wogegen bei einer Werbung mit einer „0 %-Kondition“ nur § 6a PAngV zu beachten ist.
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Merz
10. Teil
Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
4. Abschnitt Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB) Das Umsetzungsgesetz v. 29.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2355) begründet erstmals umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten des Darlehensgebers1. Nach § 491a BGB hat der Darlehensgeber den Verbraucher vor Vertragsschluss zum einen in Textform über die in Art. 247 EGBGB geregelten Einzelheiten zu unterrichten. Zum anderen muss der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer angemessene Erläuterungen zum angebotenen Darlehensvertrag geben. Auf Verlangen des Darlehensnehmers besteht zudem die Verpflichtung des Darlehensgebers zur Aushändigung eines Vertragsentwurfes. Diese Verpflichtung besteht allerdings erst, wenn die Bank zum Abschluss des Darlehensvertrages bereit ist.
10.71
Alle drei vorvertragliche Informationspflichten bestehen unabhängig voneinander. Die Erfüllung einer Informationspflicht befreit trotz der zahlreichen inhaltlichen Überschneidungen nicht von der Verpflichtung zur Leistung der beiden anderen Informationspflichten. Der Grund hierfür liegt in der unterschiedlichen Zielsetzung der drei Informationspflichten. Während die Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB ein Vergleich verschiedener Angebote und der Vertragsentwurf die Prüfung des beabsichtigten Vertragsinhaltes ermöglichen soll, hat die Erläuterung zum Ziel, dass der Darlehensnehmer auf informierter Grundlage eigenverantwortlich entscheiden kann2. Mit Blick auf diese unterschiedlichen Zielsetzungen wird für die Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB eine knappe stichwortartige Darstellung der wesentlichen Punkte den gesetzlichen Anforderungen genügen3. Für erforderlich gehaltene weiter gehenden Ausführungen können entweder räumlich getrennt von der Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB4 oder im Rahmen der Erläuterung gemäß § 491a Abs. 3 BGB erteilt werden.
10.72
I. Vorvertragliche Information (§ 491a Abs. 1 BGB) Mit der vorvertraglichen Information gemäß § 491a Abs. 1 BGB soll der Darlehensnehmer in die Lage versetzt werden, auf der Grundlage der von dem Darlehensgeber angebotenen Vertragsbedingungen unter Berücksichtigung der eigenen Wünsche verschiedene Angebote mit einander zu vergleichen und eine eigenverantwortliche Entscheidung für oder wider einen Vertragsschluss zu fällen5.
1 2 3 4 5
Zur früheren Rechtslage: Herresthal, WM 2009, 1174. BT-Drucks. 16/11643, S. 78 f. Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 104. Vgl. Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB. BT-Drucks. 16/11643, S. 78.
Merz
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10.73
10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
1. Form und Zeitpunkt (Art. 247 § 1 EGBGB)
10.74
Die Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB muss nach Art. 247 § 1 EGBGB rechtzeitig vor dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages in Textform (§ 126b BGB) erfolgen. Rechtzeitig ist die Unterrichtung gemäß § 491a Abs. 1 BGB, wenn der Darlehensnehmer die Information vor jeglicher rechtlicher Bindung auch in Abwesenheit des Darlehensgebers eingehend zur Kenntnis nehmen und ohne zeitlichen Druck prüfen kann1. Dieses Erfordernis steht allerdings einem Vertragsabschluss auch unmittelbar nach Erteilung nicht entgegen, denn der Verbraucher ist nicht gezwungen, sich mit den vorvertraglichen Informationen näher zu beschäftigen2. Bei besonderen Kommunikationsmitteln (zB Telefongespräch) sieht das Gesetz in Art. 247 § 5 EGBGB zudem Erleichterungen vor.
10.75
Eine Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB gleich zu Beginn eines geschäftlichen Kontakts ist nicht erforderlich. Denn der Darlehensgeber kann die ihm auferlegten vorvertraglichen Informationspflichten erst angemessen erfüllen, wenn der Darlehensnehmer seinen Darlehenswunsch hinreichend konkretisiert hat und damit seinen entsprechenden Mitwirkungspflichten nachgekommen ist3.
10.76
Eine Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation der Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten nach § 491a BGB hat die Bank nicht4. Gleichwohl ist es ratsam, sich den Erhalt der ausgehändigten Unterlagen mit einer separaten Unterschrift (vgl. § 309 Nr. 12 lit. b BGB) bestätigen zu lassen5.
2. Muster (Anlagen 3 bis 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB)
10.77
Nach Art. 247 § 2 Abs. 1 EGBGB ist das gesetzliche Muster „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ gemäß Anlage 3 zu Art. 247 § 2 EGBGB bei allen Verbraucherdarlehensverträgen zwingend zu verwenden, wenn nicht ein Vertrag gemäß § 495 Abs. 3 Nr. 1, § 503 oder § 504 Abs. 2 BGB abgeschlossen werden soll. Bei Umschuldungen gemäß § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB, bei Immobiliardarlehensverträgen gemäß § 503 BGB und bei eingeräum1 BT-Drucks. 16/11643, S. 122; Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (636); der Referentenentwurf für das Umsetzungsgesetz v. 17.6.2008 sah dagegen noch zwingend vor, dass der Verbraucher die Information in Abwesenheit des Darlehensgebers zur Kenntnis nimmt. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 122; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB Rz. 18; Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (636); Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (386). 3 Kulke, VuR 2009, 373 (380). 4 Vor dem 1.1.2010 hat der BGH eine zivilrechtliche Pflicht von Kreditinstituten zur schriftlichen Dokumentation der Erfüllung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten auch gegenüber Kapitalanlegern abgelehnt, BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 320/04, WM 2006, 567; seit dem 1.1.2010 besteht gemäß § 34 Abs. 2a WpHG eine Verpflichtung zur Dokumentation der Beratung. 5 Rösler/Werner, BKR 2009, 1 (3); Kulke, VuR 2009, 373 (380).
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Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
ten Überziehungsmöglichkeiten gemäß § 504 Abs. 2 BGB besteht dagegen keine rechtliche Verpflichtung zur Verwendung der gesetzlichen Muster gemäß Anlage 4 und 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB. Verwendet der Darlehensgeber das für die entsprechende Vertragsart vorgesehene Muster und ist dieses ordnungsgemäß ausgefüllt, gilt mit dessen Übermittlung die Verpflichtung zur Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch im Fernabsatz als erfüllt (Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB). Das Erfordernis des ordnungsgemäßen Ausfüllens hat bei Änderungen des Kreditwunsches während der Phase der Vertragsanbahnung zur Folge, dass das gesetzliche Muster entsprechend anzupassen und das angepasste Muster dem Darlehensnehmer vor Unterzeichnung des Kreditvertrages auszuhändigen ist1. Um diesen Aufwand zu vermeiden, kann es sich in der Praxis anbieten, das gesetzliche Muster erst am Ende der Vertragsanbahnungsphase auszuhändigen, wenn die wesentlichen Eckpunkte des Darlehens feststehen2.
10.78
Hinsichtlich der äußeren Gestaltung besteht nur wenig Handlungsspielraum, was sich schon aus Art. 247 § 2 Abs. 2 Satz 3 EGBGB ergibt, der für diejenigen Fälle, in denen die Verwendung des Musters lediglich fakultativ ist, eine gleichartige Gestaltung und Hervorhebung der zu erteilenden Informationen vorschreibt. Die Muster gemäß Anlagen 3 bis 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB sind demnach insofern unverändert zu belassen, als die Darstellung in zwei Spalten und die Reihenfolge der einzelnen Informationen nicht verändert werden darf. Die Ergänzung des jeweiligen Musters mit einem Firmenlogo und der Produktbezeichnung ist aber unbedenklich. Auch können bei den Mustern gemäß Anlagen 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB die zwischen dem ersten und dem zweiten Abschnitt enthaltenen Bearbeitungshinweise ersatzlos gestrichen werden.
10.79
Will der Darlehensgeber bei den Mustern gemäß Anlagen 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB die als freiwillig gekennzeichneten Angaben (Telefon, E-Mail, Fax und Internet-Adresse) nicht angeben, können diese auch in der linken Spalte weggelassen werden3. Das Gleiche gilt für solche Informationen, bei denen „falls zutreffend“ angegeben ist oder für den Abschnitt 5 bzw. 6, falls kein Fernabsatzgeschäft vorliegt. Es stellt für den Verbraucher keinen Mehrwert dar und beeinträchtigt auch nicht die Vergleichbarkeit mit anderen Angeboten, wenn die nicht zutreffenden Informationen insgesamt weggelassen werden. Vielmehr erhöht es die Transparenz und damit auch die Verständlichkeit, wenn irrelevante Informationen entfallen. Alternativ sind die unzutreffenden Informationen als solche („nicht zutreffend“) zu kennzeichnen.
10.80
Weitere Hinweise dürfen wegen der Regelung in Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB nicht in das gesetzliche Muster integriert werden, sondern müssen hiervon
10.81
1 Mehringer, BankPraktiker 2010, 570 (572); Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 106. 2 Mehringer, BankPraktiker 2010, 570 (572). 3 Bei Angabe einer kostenpflichtigen Telefon-/Fax-Nummer sind ggf. die Vorgaben der §§ 66a ff. TKG zu beachten.
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
räumlich getrennt erteilt werden. Anderenfalls dürfte das gesetzliche Muster nicht als ordnungsgemäß ausgefüllt gelten mit der Folge, dass die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB nicht eingreift. Weitere Hinweise in diesem Sinne sind aber nur solche Angaben, die in keinem Zusammenhang mit den gesetzlichen Pflichtinformationen stehen. Erklärende Zusätze zu den Pflichtinformationen, wie beispielsweise der Hinweis auf die Bedeutung des Begriffes „Gesamtkreditbetrag“, können an der entsprechenden Stelle der Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite gemäß Anlage 3 zu Art. 247 § 2 EGBGB erteilt werden1. Denn der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung nur verhindern, dass freiwillige Informationen mit den gesetzlich vorgeschriebenen Informationen vermengt werden und damit nicht mehr voneinander unterschieden werden können2. Dem besseren Verständnis dienende Hinweise sollten durch die Regelung in Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB keinesfalls generell verhindert werden. Allerdings erscheint es ratsam, sich diesbezüglich auf ein Minimum zu beschränken und ausführlichere Informationen im Rahmen der Erläuterung zu erteilen.
10.81a
Durch das Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) wurden unter anderem die gesetzlichen Muster gemäß Anlage 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB geändert3. Die darin vorgesehenen Änderungen gelten seit dem 30.7.20104. Für die Erfüllung der vorvertraglichen Information nach § 491a Abs. 1 BGB sieht das Änderungsgesetz jedoch eine Übergangsregelung vor. Nach Art. 247 § 2 Abs. 3 Satz 3 EGBGB gilt bis zum 31.12.2010 die Verpflichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch dann als erfüllt, wenn die gesetzlichen Muster gemäß Anlage 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB in der Fassung des Umsetzungsgesetzes vom 29.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2355) übermittelt werden.
3. Pflichtangaben bei Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 3 EGBGB)
10.82
Art. 247 § 3 EGBGB zählt die Pflichtangaben auf, die in der vorvertragliche Unterrichtung bei Verbraucherdarlehensverträgen enthalten sein müssen5. a) Name und Anschrift des Darlehensgebers (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB)
10.83
Neben dem Namen (§ 12 BGB) ist die Anschrift des Darlehensgebers in der vorvertraglichen Information anzugeben, wobei die Angabe einer Postanschrift erforderlich ist, an die Schriftverkehr zugestellt werden kann. Die bloße Angabe einer Internetanschrift ist dagegen nicht ausreichend6.
1 2 3 4 5
Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 113. BT-Drucks. 16/11643, S. 126. Vgl. hierzu Rz. 10.4. Art. 6 des Änderungsgesetzes v. 24.7.2010, BGBl. I 2010, S. 977 (979). Zur möglichen Umsetzung in der Bankpraxis: Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 102 ff. 6 BT-Drucks. 16/11643, S. 123.
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Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
b) Art des Darlehensvertrages (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) Mit dieser Anforderung ist sowohl die Vertragsart (zB Darlehensvertrag oder Leasingvertrag) als auch dessen nähere Ausgestaltung (zB befristetes Darlehen mit regelmäßiger Tilgung) gemeint, wobei eine kurze schlagwortartige Bezeichnung ohne weiter gehende Erläuterung grundsätzlich ausreicht1.
10.84
c) Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 EGBGB) In der vorvertraglichen Information ist der effektive Jahreszins anzugeben und anhand eines repräsentativen Beispiels zu erläutern. Auch bei einem Darlehen mit veränderlichen Bedingungen ist die Angabe des Jahreszinses als „effektiver Jahreszins“ zu bezeichnen. Diese Änderung entspricht der Verbraucherkreditrichtlinie, die ebenfalls ausschließlich vom effektiven Jahreszins spricht. Dass der Begriff „anfänglich effektiver Jahreszins“ nicht weiter verwendet wird, ist für den Verbraucher allerdings nicht nachteilig. Denn bei einem Darlehen mit veränderlichen Bedingungen ist der Verbraucher über alle Kosten zu unterrichten, die während der Vertragslaufzeit angepasst werden können. Damit ist sichergestellt, dass der Verbraucher von dem Umstand, dass der effektive Jahreszins sich ändern kann, Kenntnis erlangt2.
10.85
Der effektive Jahreszins ist mit zwei Dezimalstellen anzugeben, was sich aus Ziffer I lit. d Satz 1 der Anlage zu § 6 PAngV in der Fassung des Änderungsgesetzes v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) ergibt3. Damit soll die bisherige Rechtslage, nach der das Rechenergebnis bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses auf zwei Dezimalstellen genau anzugeben ist, beibehalten werden4.
10.86
Die Berechnung des effektiven Jahreszinses richtet sich gemäß Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 3 EGBGB nach § 6 PAngV5. Danach sind in die Berechnung neben den Zinsen alle sonstigen Kosten einschließlich etwaiger Vermittlungskos-
10.87
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 123; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491a BGB Rz. 4; lediglich für den Immobiliardarlehensvertrag verlangt das gesetzliche Muster eine detailliertere Beschreibung. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 81. 3 Nach dem Umsetzungsgesetz v. 29.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2355) war der effektive Jahreszins noch mit einer Dezimalstelle anzugeben (Ziffer I lit. d Satz 1 der Anlage zu § 6 PAngV). Diese Regelung beruhte auf der deutschen Sprachfassung der Verbraucherkreditrichtlinie, die anders als die englische Sprachfassung („The result of the calculation shall be expressed with an accuracy of at least one decimal place“) die Angabe des Rechenergebnisses auf eine Dezimalstelle verlangt. Die deutsche Sprachfassung der Verbraucherkreditrichtlinie soll aber dahingehend abgeändert werden, dass das Rechenergebnis auf mindestens eine Dezimalstelle genau anzugeben ist. Die im Gesetzgebungsverfahren zum Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) angekündigte Änderung der deutschen Sprachfassung der Verbraucherkreditlinie ist allerdings noch nicht umgesetzt, vgl. Rz. 10.4. 4 BT-Drucks. 17/1394, S. 33. 5 Zur Effektivzinsberechnung siehe Wimmer in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 216 ff.
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
ten, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag zu entrichten hat und die dem Darlehensgeber bekannt sind, einzubeziehen1. Zu den sonstigen Kosten gehören unter anderem Bearbeitungskosten, Disagio, Agio, Cap-Prämien und Forward-Prämien, nicht aber Bereitstellungszinsen. Ausgenommen sind die in § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 PAngV aufgeführten Kosten. Problematisch sind nach wie vor die Kosten für Zusatzleistungen (zB Restschuldversicherungen), die nur dann Teil der Gesamtkosten sind, wenn der Abschluss zwingende Voraussetzung dafür ist, dass das Darlehen überhaupt oder zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt wird. Im Gegensatz zur alten Rechtslage trägt seit dem 11.6.2010 der Darlehensgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Zusatzleistung nicht verpflichtend war2. Die Prämien für eine Kapitallebensversicherung, mit deren Hilfe ein Verbraucherdarlehen am Ende der Vertragslaufzeit getilgt werden soll, sind bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses nicht zu berücksichtigen3.
10.88
Neben der Angabe des effektiven Jahreszinses ist in der vorvertraglichen Information auch dessen Erläuterung anhand eines repräsentativen Beispiels erforderlich. Das repräsentative Beispiel gemäß Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB ist nicht identisch mit dem in der Werbung gemäß § 6a Abs. 3 PAngV4. Das Beispiel in der vorvertraglichen Information hat sich vielmehr an den vom Darlehensnehmer genannten Wünschen zu orientieren, damit dieser realistisch seine Gesamtbelastung einschätzen kann. Im Rahmen des Beispiels ist dem Darlehensnehmer unter anderem mitzuteilen, welche Annahmen in die Berechnung eingeflossen sind5. Dies dient dem Zweck, dass der Darlehensnehmer erkennen kann, ob sich der effektive Jahreszins unter Umständen erhöhen kann (Art. 247 § 3 Abs. 3 Satz 2 EGBGB)6. Ein besonderer Hinweis ist im Zusammenhang mit dem repräsentativen Beispiel nach Satz 3 erforderlich, wenn das Darlehen mehrere Auszahlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Kosten oder Sollzinssätzen vorsieht.
10.89
Weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung gibt es einen Hinweis darauf, wie das repräsentative Beispiel dargestellt werden muss, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Da die Wiedergabe der Berechnungsformel gemäß der Anlage zu § 6 PAngV für den durchschnittlichen Verbraucher ohne Mehrwert ist, wird man eine verständliche Darstellung der wesentlichen 1 Zur Berechnung des effektiven Jahreszinses bei der unechten Abschnittsfinanzierung siehe Ady, WM 2010, 1305 (1307). 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 173; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 24; Ady/Paetz, WM 2009, 1061 (1068). 3 BGH v. 10.10.2006 – XI ZR 265/05, WM 2007, 108; BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 29/05, WM 2006, 1008. 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 125. 5 Bei den Annahmen handelt es sich um die Vermutungen oder Folgerungen, mit denen die Platzhalter in der Gleichung zur Berechnung des effektiven Jahreszinses ausgefüllt werden, BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 6 Dies entspricht der Funktion des bisherigen „anfänglichen effektiven Jahreszinses“, den das neue Recht nicht mehr vorsieht.
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Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
in die Berechnung einfließenden Beträge und Annahmen für ausreichend erachten1. d) Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) Der Begriff des Nettodarlehensbetrages ist in Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 2 EGBGB definiert und entspricht dem Begriff „Gesamtkreditbetrag“ aus Art. 3 lit. l der Verbraucherkreditrichtlinie. Nach der Legaldefinition ist der Nettodarlehensbetrag der Höchstbetrag, auf den der Darlehensnehmer auf Grund des Darlehensvertrages Anspruch hat. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dieser Betrag tatsächlich dem Darlehensnehmer zufließt2.
10.90
Bei der Ermittlung des Nettodarlehensbetrages stellt sich wie bisher die Frage, ob und ggf. welche mitfinanzierten Kosten zu berücksichtigen sind3. Auf Grund der Definition könnte man die Auffassung vertreten, dass sämtliche mitfinanzierten Kosten bei der Ermittlung des Nettodarlehensbetrages einzubeziehen sind. Für diese Auffassung könnte das Argument herangezogen werden, dass der Darlehensnehmer auf solche Beträge einen Anspruch hat, die er zurückzahlen muss, da die Rückzahlungsverpflichtung quasi die Kehrseite des Auszahlungsanspruches ist4.
10.91
Gegen diese Auffassung sprechen jedoch die folgenden Überlegungen. Nach der Legaldefinition in Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB ist der Gesamtbetrag die Summe aus Nettodarlehensbetrag und Gesamtkosten. Jeder Betrag ist daher im Rahmen der Gesamtbetragsberechnung nur einmal zu erfassen und damit entweder dem Nettodarlehensbetrag oder den Gesamtkosten zuzuordnen. Die Berechnung der Gesamtkosten richtet sich wie die Berechnung des effektiven Jahreszinses nach § 6 PAngV, auf den in Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 3 EGBGB verwiesen wird. Bezogen auf etwaig mitfinanzierte Kosten bedeutet dies, dass nur solche mitfinanzierten Kosten bei der Ermittlung des Nettodarlehensbetrages zu berücksichtigen sind, die zu den sechs Ausnahmetatbeständen des § 6 Abs. 3 PAngV gehören und damit bei der Ermittlung der Gesamtkosten außer Betracht bleiben. Denn nur mit dieser Auslegung wird ein Wertungswiderspruch zwischen den Definitionen Nettodarlehensbetrag sowie Gesamtkosten und der Berechnung des effektiven Jahreszinses vermieden. Der Begriff Nettodarlehensbetrag ist daher dahingehend auszulegen, dass sich dieser zusammensetzt aus der ausgezahlten Darlehensvaluta und denjenigen mitfinanzierten Kosten, die nicht zu den Gesamtkosten iS des § 6 Abs. 3 PAngV gehören5.
10.92
1 Zur Darstellung des repräsentativen Beispiels: Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 126. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 125. 3 Zum bisherigen Meinungsstand: Godefroid, Verbraucherkreditverträge, Rz. 157. 4 Diese Auslegung müsste bei konsequenter Anwendung auch zu einem neuen Ergebnis bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses führen mit der Folge, dass mitfinanzierte Kreditkosten nicht mehr bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses berücksichtigt werden müssten. Dafür, dass der Richtliniengeber oder der Gesetzgeber ein derartiges Ergebnis gewollt haben kann, gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. 5 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 116.
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
e) Sollzinssatz mit Angaben zur Anwendung und Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 EGBGB)
10.93
Der Sollzinssatz ist in § 489 Abs. 5 BGB definiert. Danach ist der Sollzinssatz der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Die Angabe des Sollzinssatzes als Monatszins, wie er früher bei Ratenkrediten häufig anzutreffen war, reicht daher nicht mehr aus. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn er für die gesamte Vertragslaufzeit oder für einen bestimmten Zeitraum (Zinsbindungsfrist) fest vereinbart ist. Der Sollzinssatz ist dagegen veränderlich, wenn er jederzeit nach den vereinbarten Bedingungen angepasst werden kann.
10.94
Die Angabe des Sollzinssatzes wird inhaltlich in Art. 247 § 3 Abs. 4 EGBGB konkretisiert. Anzugeben sind die Bedingungen sowie der Zeitraum für seine Anwendung und die Art und Weise seiner Anpassung. Bei einem gewöhnlichen Ratenkredit dürfte die Angabe des Sollzinssatzes verbunden mit dem Zusatz „gebunden für die gesamte Vertragslaufzeit“ zur Erfüllung der vorvertraglichen Unterrichtungspflicht ausreichend sein. Bei Darlehen mit einem veränderlichen Sollzinssatz ist in der vorvertraglichen Information die genaue Widergabe der Zinsanpassungsklausel nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr die Mitteilung der Anpassungskriterien, da diese einen Vergleich mit anderen Angeboten ermöglicht und der exakte Wortlaut der Zinsanpassungsklausel dem Darlehensvertrag entnommen werden kann, dessen Entwurf der Darlehensnehmer vor Abschluss gemäß § 491a Abs. 2 BGB verlangen kann1.
10.95
Unter „Anpassung“ ist das vertraglich vereinbarte einseitige Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei zu verstehen, während der Begriff „Änderung“ die beiderseitig gewollte Inhaltsänderung bedeutet2. Wird die Anpassung des Sollzinssatzes von der Veränderung eines Index oder eines Referenzzinssatzes abhängig gemacht, ist dieser ebenfalls anzugeben3. Werden in einem Darlehensvertrag mehrere Sollzinssätze vereinbart, sind die in Satz 3 und 4 enthaltenen Vorgaben zu beachten. f) Vertragslaufzeit (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB)
10.96
Die Vertragslaufzeit erstreckt sich von dem Vertragsschluss bis zur vollständigen Rückführung des Darlehens und kann entweder in Form eines Laufzeitenddatums oder einer Laufzeitdauer angegeben werden. Die Angabe der Vertragslaufzeit bei befristeten Darlehensverträgen ist daher durch die Nennung des konkreten Datums, an dem der Vertrag endet, oder durch die Angabe der Vertragslaufzeit in Jahre oder Monate möglich. Denn für die Angabe nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB ist es ausreichend, dass der Zeitpunkt nach
1 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 125. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 77. 3 Der Begriff des Referenzzinssatzes ist in § 675g Abs. 3 Satz 2 BGB definiert.
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Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
dem Kalender bestimmbar ist1. Bei einem unbefristeten Darlehen ist die Vertragslaufzeit als unbefristet einzutragen2. g) Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB) Nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB ist die Angabe von Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen erforderlich3. Hinsichtlich der Fälligkeit ist es ausreichend, wenn sie auf einen nach dem Kalender bestimmbaren Zeitpunkt bezogen wird4.
10.97
h) Gesamtbetrag mit repräsentativem Beispiel (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 EGBGB) Der Gesamtbetrag ist nach der Legaldefinition in Art. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB die Summe aus Nettodarlehensbetrag und Gesamtkosten5. Der Gesamtbetrag drückt damit als Oberbegriff die Gesamtbelastung des Darlehensnehmers aus6. Der Gesamtbetrag ist zusammen mit dem effektiven Jahreszins anhand eines repräsentativen Beispiels zu erläutern (Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB).
10.98
i) Auszahlungsbedingungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB) Unter den Auszahlungsbedingungen sind die Bedingungen für die Inanspruchnahme des Darlehens zu verstehen. In der Praxis wird die Darlehensauszahlung häufig an bestimmte Bedingungen, wie die wirksame Bestellung der zu stellenden Sicherheiten oder die Einreichung der bei Vertragsschluss noch fehlenden Unterlagen (zB Gehaltsnachweise), geknüpft. Für die vorvertragliche Information ist es aber nicht erforderlich, dass die im Darlehensvertrag geregelten Auszahlungsbedingungen einzeln aufgeführt werden. Ausreichend ist bereits der Hinweis, dass die Inanspruchnahme des Darlehens an bestimmte Bedingungen geknüpft ist und dass diese im Darlehensvertrag festgelegt sind7.
10.99
Darüber hinaus ist anzugeben, ob das Darlehen nicht an den Darlehensnehmer selbst ausgezahlt wird, sondern an einen Dritten. Dieser Hinweis ist allerdings nicht bei jeder weisungsgemäßen Auszahlung des Darlehens an einen Dritten erforderlich, sondern nur dann, wenn das Darlehen auf Grund einer vom Darlehensgeber vorgegebenen Zweckbindung ganz oder teilweise
10.100
1 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491a BGB Rz. 9. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 124. 3 Zur Angabepflicht der Anzahl der Tilgungsraten nach alter Rechtslage siehe OLG Karlsruhe v. 27.10.1998 – 17 U 316/97, WM 1999, 222. 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 124. 5 Die Hypothesen zur Berechnung des effektiven Jahreszinses sind auch zur Ermittlung des Gesamtbetrages heranzuziehen, Ady, WM 2010, 1305 (1308). 6 BT-Drucks. 16/11643, S. 125; zur Gesamtbetragsangabe bei endgültigen Darlehen siehe BGH v. 20.1.2009 – XI ZR 504/07, WM 2009, 506; BGH v. 19.2.2008 – XI ZR 23/07, WM 2008, 681. 7 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 117.
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
an einen Dritten ausgezahlt wird. Hauptanwendungsfall dürfte die Absatzfinanzierung sein, bei der das Darlehen der Bezahlung eines Warenkaufes dient und die Valuta unmittelbar an den Händler ausgezahlt wird. j) Alle sonstigen Kosten mit Angaben zur Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB)
10.101
Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB verpflichtet zur Angabe sämtlicher Kosten, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Darlehen zu tragen hat. Es handelt sich sowohl um die Kosten, die vor Vertragsschluss entstehen, als auch um solche, die bei der Durchführung des Vertrages anfallen. Es sind aber nur solche Kosten anzugeben, die auf Grund des Darlehensvertrages entstehen1. Exemplarisch nennt das Gesetz die Kosten für die Auszahlung und die Kosten eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments2. Als Kosten iS des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB sind unter anderem aber auch Bearbeitungskosten, Forward-Prämie und Cap-Prämie anzusehen3.
10.102
Fallen Kosten auf Grund einer separaten Vereinbarung an, ist Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB nicht anwendbar und eine Angabe dieser Kosten nur geboten, wenn dies an anderer Stelle ausdrücklich gesetzlich geregelt ist4. Fehlt es an einer solchen Regelung, ist nur bei verlangten Zusatzleistungen allgemein zu informieren (Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).
10.103
Bei den meisten Kosten handelt es sich um Einmalkosten, deren Höhe bei Vertragsschluss feststeht. In diesen Fällen erübrigt sich die Aufnahme einer Regelung zur Kostenanpassung. Fallen dagegen Kosten an, deren Höhe angepasst werden kann, sind die Bedingungen für eine Anpassung im Darlehensvertrag aufzuführen. Ein Anwendungsfall ist bei einem Rahmenkredit der Jahrespreis für die Kreditkarte, wenn die Kreditkarte das einzige Medium für die Darlehensinanspruchnahme ist („Revolving-Credit-Card“)5. k) Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB)
10.104
Für die Angabe des Verzugszinssatzes ist es ausreichend, wenn dieser abstrakt (zB Basiszinssatz + 5 %-Punkte) und nicht konkret (zB 6,5 %) angegeben wird6. 1 Zur Angabepflicht von Kreditvermittlungskosten siehe Rz. 10.143. 2 Der Begriff des Zahlungsauthentifizierungsinstruments wird in § 1 Abs. 5 ZAG definiert. 3 Zur Zulässigkeit von Bankentgelten: Nobbe, WM 2008, 185; Habersack, WM 2008, 1857; Bitter, ZIP 2008, 1095; Bitter, ZIP 2008, 2155; zur Zulässigkeit von Bearbeitungskosten: OLG Celle v. 2.2.2010 – 3 W 109/09, WM 2010, 355; LG Berlin v. 23.2.2010 – 15 O 102/10, WM 2010, 709; zum Forward-Darlehen und zur Cap-Prämie: Peters/Wehrt, WM 2003, 1509; Rösler, WM 2000, 1930; zur Schätzgebühr: OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – I-6 U 17/09, WM 2010, 215. 4 ZB Kontoführungsgebühren gemäß Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. 5 Vgl. Nr. 10 der Bedingungen für die Kreditkarten (Fassung 31.10.2009). 6 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB Rz. 7; offengelassen: Rösler/Werner, BKR 2009, 1 (3).
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Merz
10. Teil
Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
Für diese Auslegung spricht, dass der Verzugszins auf diese Weise ermittelbar ist und dass zum Zeitpunkt der Aushändigung der vorvertraglichen Information noch nicht feststeht, ob im Falle eines Vertragsschlusses der Darlehensnehmer jemals in Verzug gerät1. Zudem sehen die gesetzlichen Muster gemäß Anlage 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB anders als beim Sollzins und beim effektiven Jahreszins keine Prozentangabe vor. Hinsichtlich der Anpassungsmöglichkeiten ist es ausreichend, wenn darauf verwiesen wird, dass der Basiszinssatz von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt wird (§ 247 BGB). Die Notwendigkeit einer Angabe der Verzugskosten stellt sich nur, wenn der Darlehensgeber den Verzugsschaden nicht abstrakt, sondern konkret berechnet, denn neben der Berechnung des gesetzlichen Verzugszinses kann kein zusätzlicher Verzögerungsschaden verlangt werden (siehe Rz. 10.321). l) Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB) Die Formulierung des Warnhinweises zu den Folgen ausbleibender Zahlungen ist im gesetzlichen Muster „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ gemäß Anlage 3 zu Art. 247 § 2 EGBGB vorgegeben, so dass es keiner Ergänzung bedarf.
10.105
m) Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB) Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber lediglich zur Angabe, ob ein Widerrufsrecht besteht. Inhaltliche Ausführungen zum Widerrufsrecht sind nur bei Fernabsatzverträgen erforderlich (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB).
10.106
n) Recht zur vorzeitigen Rückzahlung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB) Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber, den Darlehensnehmer über sein Recht zu informieren, das Darlehen jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig zurückzuzahlen (§ 500 Abs. 2 BGB). Die Unterrichtung über den Anspruch des Darlehensgebers auf eine Entschädigung und deren Berechnungsmethode, ist nur bei entsprechender Relevanz nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderlich.
10.107
o) Recht auf einen Vertragsentwurf (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 15 EGBGB) Das Recht des Darlehensnehmers auf einen Vertragsentwurf ist in § 491a Abs. 2 BGB geregelt. Danach besteht der Anspruch nur, wenn der Darlehensgeber zum Vertragsschluss bereit ist2. 1 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 82. 2 Der Hinweis auf dieses Recht ist im gesetzlichen Muster vorgegeben, so dass es keiner Ergänzung bedarf.
Merz
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10.108
10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
p) Recht auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB)
10.109
Nach § 29 Abs. 7 BDSG hat ein Darlehensgeber, wenn er den Abschluss eines Verbraucherdarlehens infolge einer Datenbankabfrage (zB bei der SCHUFA) ablehnt, den Verbraucher unverzüglich hierüber sowie über die erhaltene Auskunft zu unterrichten. Die Unterrichtung hat nur dann zu unterbleiben, wenn hierdurch die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist1. Der Anspruch des Verbrauchers richtet sich gegen den Darlehensgeber, er kann aber auch von der Stelle, die die Auskunft erteilt hat, erfüllt werden2. Die Unterrichtungspflicht, für die es keiner Aufforderung durch den Verbraucher bedarf, ist kostenlos und unverzüglich zu erfüllen. Ausreichend ist in diesem Zusammenhang, wenn die Auskunft unmittelbar nach der Ablehnung per Brief versandt wird. Erforderlich ist eine Unterrichtung aber nur, wenn der Vertragsschluss infolge einer Datenbankabfrage abgelehnt wird, was grundsätzlich nur bei Übermittlung von so genannten harten Negativmerkmalen angenommen werden kann. Inhaltlich richtet sich der Anspruch des Verbrauchers nicht nur auf die bloße Unterrichtung über die erhaltene Auskunft, sondern umfasst auch eine Begründung3. Bei Vorliegen harter Negativmerkmale wird die Bank es aber bei dem Hinweis belassen können, dass bei Vorliegen eines solchen Merkmals der Abschluss eines Verbraucherdarlehens generell nicht in Betracht kommt.
4. Zusatzangaben bei Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 4 EGBGB)
10.110
Art. 247 § 4 EGBGB nennt weitere Angaben, die nicht bei allen Verbraucherdarlehensverträgen zwingend sind, sondern nur bei entsprechender Relevanz für den konkret ins Auge gefassten Darlehensvertrag4. a) Hinweis, dass der Darlehensnehmer die Notarkosten zu tragen hat (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB)
10.111
Erforderlich ist nur eine Angabe dem Grunde nach. Die Angabe eines konkreten Geldbetrages ist nicht notwendig. Begründet wird dies vom Gesetzgeber damit, dass die Nennung der gesetzlich vorgegebenen Notargebühren zwar möglich, aber wegen möglicher hinzukommender weiterer Kosten (zB Auslagen) nur begrenzt nützlich sei5.
1 ZB bei Verdacht auf Terrorismusfinanzierung oder Geldwäsche, BT-Drucks. 16/ 11643, S. 140. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 140. 3 BT-Drucks. 16/11643, S. 140. 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 126. 5 BT-Drucks. 16/11643, S. 126.
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10. Teil
Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
b) Vom Darlehensgeber verlangte Sicherheiten (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) Der Begriff „Sicherheiten“ ist in diesem Zusammenhang weit auszulegen (§ 232 BGB) und umfasst alle Gestaltungen, mit denen dem Darlehengeber zusätzliche Ansprüche zustehen, wenn das Darlehen nicht zurückgezahlt wird1. Anders als in der korrespondierenden Vorschrift für den Darlehensvertrag (Art. 247 § 7 Nr. 2 EGBGB) ist die Angabe der verlangten Versicherungen nicht zwingend.
10.112
c) Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung und dessen Berechnungsmethode (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB verpflichtet zur Unterrichtung über den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung nebst Angabe der Art der Berechnungsmethode, wenn der Darlehensgeber bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens (§ 500 Abs. 2 BGB) eine Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 BGB verlangt. Bei der Darlegung der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Festlegung auf eine bestimmte Berechnungsmethode und deren detaillierte Darstellung nicht erforderlich, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Darlehensgeber die Vorfälligkeitsentschädigung sowohl nach der Aktiv-Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnen2. Diese Möglichkeit besteht auch weiterhin, da weder der § 502 BGB noch die Verbraucherkreditrichtlinie eine bestimmte Berechnungsmethode vorschreiben3. Vor dem Hintergrund, dass das rechnerische Ergebnis sich im Regelfall nicht wesentlich unterscheidet, ist eine Festlegung auf eine bestimmte Berechnungsmethode auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht erforderlich. Hinsichtlich des Detaillierungsgrades dürfte eine kurze Umschreibung der wesentlichen Grundsätze für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung als ausreichend anzusehen sein, da eine allgemein verständliche Umschreibung der vom BGH aufgestellten Berechnungsgrundsätze kaum möglich ist4. Eine detaillierte Darstellung wäre auch nur begrenzt nützlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Berechnungsgrundsätze von der Rechtsprechung weiterentwickelt werden.
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 126. 2 BGH v. 20.12.2005 – XI ZR 66/05, WM 2006, 429 = WuB I E. 3.–1.06. (Merz); BGH v. 7.11.2000 – XI ZR 27/20, WM 2001, 20; BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 197/96, WM 1997, 1799; BGH v. 1.7.1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747 = WuB I E. 3.–1.98 (von Heymann/Rösler); Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; Reifner, WM 2009, 1773; Rösler/Wimmer, WM 2005, 1873; Peters/Wehrt, WM 2003, 1509; von Heymann/Rösler, ZIP 2001, 441; Freitag, WM 2001, 2370; Rösler/ Wimmer, WM 2000, 164. 3 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 132; aA Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (390); kritisch zur Begrenzung auf die Aktiv-Aktiv-Methode Freitag, ZIP 2008, 1102 (1107). 4 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491a BGB Rz. 11; Rösler/Werner, BKR 2009, 1 (3); Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 131.
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10.113
10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
d) Bindungszeitraum (Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB)
10.114
Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber zur Mitteilung, ob und ggf. wie lange er sich an die Information gebunden fühlt. Eine Bindung mag zwar für den Darlehensnehmer sinnvoll sein, da sie einen Vergleich zwischen mehreren Angeboten erleichtert. Eine gesetzliche Verpflichtung hierzu gibt es jedoch nicht1.
5. Informationen bei besonderen Kommunikationsmitteln (Art. 247 § 5 EGBGB)
10.115
Bei besonderen Vertriebsformen sieht das Gesetz in Art. 247 § 5 EGBGB unter bestimmten Voraussetzungen gewisse Erleichterungen bei der vorvertraglichen Information vor. Abweichend von den Regelungen in Art. 247 §§ 1–4 EGBGB kann nach dieser Vorschrift die vorvertragliche Information auch mündlich in reduziertem Umfang oder nachträglich erteilt werden.
10.116
Voraussetzung ist allerdings, dass der Darlehensvertrag mittels Kommunikationsmitteln abgeschlossen wird, die keine Erteilung der vorvertragliche Information in der in Art. 247 §§ 1 und 2 EGBGB genannten Form gestatten. Dies ist insbesondere bei fernmündlicher Kommunikation der Fall. Wegen des grundsätzlichen Schriftformerfordernisses (§ 492 Abs. 1 BGB) erlangt diese Erleichterung in der Praxis jedoch nur Bedeutung, wenn das Gesetz ausnahmsweise keine Schriftform für den Abschluss des Verbraucherdarlehens vorsieht. Die Anwendung der Regelung des Art. 247 § 5 EGBGB kommt daher bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten iS des § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB und bei Teilzahlungsgeschäften im Fernabsatz (§ 507 Abs. 1 Satz 2 BGB) in Betracht.
10.117
Weitere Voraussetzung für die Anwendung des Art. 247 § 5 EGBGB ist, dass der Darlehensnehmer die Kommunikationsform frei gewählt hat. Die Initiative zum Vertragsschluss muss also vom Darlehensnehmer ausgehen und darf nicht vom Darlehensgeber provoziert worden sein2. Die bloße Zurverfügungstellung der besonderen Kommunikationsform stellt aber noch keine Provokation dar, die eine Anwendung des Art. 247 § 5 EGBGB ausschließt.
10.118
Als dritte Voraussetzung muss die vollständige vorvertragliche Information nach Art. 247 § 1 EGBGB unverzüglich (§ 121 BGB) nachgeholt werden. In zeitlicher Hinsicht bedeutet dies, dass die Unterrichtung auch nach Vertragsschluss erfolgen kann3. In inhaltlicher Hinsicht sind die Informationen gemäß Art. 247 §§ 3 bis 5 und 8 bis 13 EGBGB zu erteilen. Die Verwendung des gesetzlichen Musters (Art. 247 § 2 EGBGB) dürfte auf Grund des Verweises 1 BT-Drucks. 16/11643, S. 126. 2 Nach der Gesetzesbegründung kann auf Art. 247 § 5 EGBGB keine Reduzierung der Kommunikationspflicht gestützt werden, wenn der Darlehensgeber zB per telefonische Kurznachricht dem Darlehensnehmer ein Angebot für eine Überziehungsmöglichkeit unterbreitet, das dieser binnen kurzer Frist annehmen muss, BT-Drucks. 16/ 11643, S. 126. 3 BT-Drucks. 16/11643, S. 127.
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10. Teil
Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
allein auf Art. 247 § 1 EGBGB in diesen Fällen nicht zwingend erforderlich sein. Für Telefongespräche schreibt Art. 247 § 5 Satz 2 EGBGB eine Konkretisierung der nach § 312c Abs. 1 BGB iVm. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB erforderlichen Information über die wesentlichen Merkmale der angebotenen Dienstleistung vor. Danach muss die Beschreibung der wesentlichen Merkmale zumindest die folgenden Angaben enthalten:
10.119
– Effektiver Jahreszins, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB – Gesamtbetrag, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB – Auszahlungsbedingungen, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB – Erläuterung des Gesamtbetrages und des effektiven Jahreszinses anhand eines repräsentativen Beispiels, Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB – Bedingungen für die Anwendung und Anpassung des Sollzinssatzes, Art. 247 § 3 Abs. 4 EGBGB. Die vorstehende Aufzählung ist allerdings nicht abschließend, was vom Gesetzgeber durch das Wort „zumindest“ klargestellt wird. Der Darlehensgeber hat also die Möglichkeit, die Aufzählung durch weitere Einzelheiten zu ergänzen1.
10.120
Darüber hinaus hat der Darlehensgeber bei entsprechender Relevanz die folgenden gesetzlichen Erweiterungen und Einschränkungen zu beachten2. Bei eingeräumten Überziehungen iS des § 504 Abs. 2 BGB muss gemäß Art. 247 § 10 Abs. 2 EGBGB die Beschreibung der wesentlichen Merkmale zumindest die Angabe des effektiven Jahreszinses mit repräsentativem Beispiel, des Nettodarlehensbetrages, des Sollzinssatzes nebst Bedingungen für dessen Anwendung sowie Anpassung und die Angabe aller sonstigen Kosten enthalten und auf eine etwaige Möglichkeit zur jederzeitigen Rückzahlungsaufforderung durch den Darlehensgeber hinweisen3. Die Pflicht zur Angabe des effektiven Jahreszinses entfällt nach Art. 247 § 10 Abs. 4 EGBGB, wenn es sich um eine eingeräumte Überziehung iS des § 504 Abs. 2 Satz 2 EGBGB handelt. Die zweite abweichende Regelung existiert für Umschuldungen gemäß § 495 Abs. 3 BGB. Bei Umschuldungen muss gemäß Art. 247 § 11 Abs. 2 EGBGB die
10.121
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 127. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 127. 3 Nach Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. c EGBGB ist in der vorvertraglichen Information ein Hinweis erforderlich, dass der Darlehensnehmer jederzeit zur Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrages aufgefordert werden kann, falls ein entsprechendes Kündigungsrecht für den Darlehensgeber vereinbart werden soll.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Beschreibung der wesentlichen Angaben zumindest die Angabe des effektiven Jahreszinses mit repräsentativem Beispiel, des Nettodarlehensbetrages, des Sollzinssatzes nebst Bedingungen für dessen Anwendung sowie Anpassung, der Vertragslaufzeit und die Angabe aller sonstigen Kosten enthalten. Eine ergänzende Regelung ist dagegen für verbundene Verträge vorgesehen. Neben den in Art. 247 § 5 Satz 2 EGBGB normierten Angaben sind gemäß Art. 247 § 12 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zusätzlich die erworbene Ware bzw. die bezogene Dienstleistung sowie der Barzahlungspreis mitzuteilen.
10.122
Aber auch in den Fällen des Art. 247 § 5 Satz 2 EGBGB ist eine vollständige Unterrichtung nach Satz 1 in jedem Fall nachzuholen1.
6. Besondere Angaben bei Zusatzleistungen (Art. 247 § 8 EGBGB)
10.123
In Art. 247 § 8 EGBGB sind die Informationspflichten für solche Zusatzleistungen zusammengefasst, die der Darlehensgeber für das Zustandekommen eines Darlehensvertrages zwingend verlangt. Ein Verlangen im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn das konkret angebotene Darlehen überhaupt oder nur zu den vorgesehenen Darlehenskonditionen gewährt wird, falls der Darlehensnehmer weitere Leistungen des Darlehensgebers in Anspruch nimmt oder gleichzeitig ein weiterer Vertrag abgeschlossen wird2. Kein Verlangen liegt demgegenüber vor, wenn der Darlehensnehmer die gleichen Darlehenskonditionen auch dann erhält, wenn er die angebotene Zusatzleistung nicht abschließt. Zwar ergibt sich diese Auslegung nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut des Art. 247 § 8 EGBGB, der allein auf den Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages abstellt. Jedoch deckt sich dieses Verständnis mit der Darstellung im gesetzlichen Muster gemäß Anlage 3 zu Art. 247 § 2 EGBGB und mit der Regelung zur Berechnung des Effektivzinssatzes in § 6 Abs. 3 Nr. 4 PAngV. Denn sowohl in dem gesetzlichen Muster als auch bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses bleiben Zusatzleistungen nur dann unberücksichtigt, wenn sie weder Voraussetzung für die Kreditvergabe noch Voraussetzung für die Kreditvergabe zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen sind.
10.124
Als Zusatzleistungen iS des Art. 247 § 8 EGBGB zählt das Gesetz beispielhaft den Abschluss eines Versicherungsvertrages oder eines Girokontovertrages auf. Aber auch die so genannten „Spar-/Kreditkombinationen“, bei denen der Darlehensnehmer Zahlungen leistet, die nicht der unmittelbaren Rückführung des Darlehens, sondern der Vermögensbildung dienen, mit dem das Darlehen am Ende der Laufzeit zurückgeführt werden soll, fallen in den Anwendungsbereich dieser Norm3.
10.125
Verlangt der Darlehensgeber zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages eine Zusatzleistung, ist in der vorvertraglichen Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB darauf hinzuweisen. Eine weiter gehende Angabepflicht ist 1 BT-Drucks. 16/11643, S. 127. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 3 Zur Tilgungsaussetzung bei der Immobilienfinanzierung: Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23.
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10. Teil
Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
bei Zusatzleistungen, die keine Spar-/Kreditkombinationen iS des Art. 247 § 8 Abs. 2 EGBGB darstellen, lediglich für den verlangten Abschluss eines Girokontovertrages vorgesehen. In diesem Fall sind in der vorvertraglichen Information gemäß Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die Kontoführungsgebühren sowie die Bedingungen, unter denen sie angepasst werden können, mitzuteilen. Bei anderen obligatorischen Zusatzleistungen besteht dagegen keine Verpflichtung zur Nennung der mit der jeweiligen Zusatzleistung verbundenen Kosten. Das Gesetz sieht eine derartige Verpflichtung des Darlehensgebers nicht vor, da bei anderen Zusatzleistungen offen ist, ob diese beim Darlehensgeber abgeschlossen werden und ob der Darlehensgeber diese Kosten daher kennt1. Eine Angabepflicht besteht auch nicht nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, denn Art. 247 § 8 EGBGB stellt für Zusatzleistungen eine abschließende Sonderregelung dar. Verpflichtet sich der Darlehensnehmer zur Vermögensbildung, muss nach Art. 247 § 8 Abs. 2 Satz 2 EGBGB aus der vorvertraglichen Information klar und verständlich hervorgehen, dass mit den Zahlungen während der Vertragslaufzeit keine Tilgung des Darlehens erfolgt und dass mit den Ansprüchen aus der Vermögensbildung die Tilgung des Darlehens nicht gewährleistet ist2. Ein Hinweis auf das Risiko einer Deckungslücke3 ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn vertraglich vereinbart ist, dass durch die Vermögensbildung die vollständige Darlehensrückzahlung sichergestellt ist. Hauptanwendungsfall dürfte die Kombination aus Vorausdarlehen und Bausparvertrag sein, bei dem die Rückzahlung erst mit Zuteilungsreife erfolgt und damit gesichert ist.
10.126
7. Abweichende Informationspflichten bei Immobiliardarlehen (Art. 247 § 9 EGBGB) Der Inhalt der vorvertraglichen Informationspflichten für Immobiliardarlehensverträge (§ 503 BGB) ist in Art. 247 § 9 EGBGB abschließend geregelt. Abweichend von den Angaben nach Art. 247 §§ 3 bis 8, 12 und 13 EGBGB sind folgende Angaben bei Immobiliardarlehen zwingend: – Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB4 – Effektiver Jahreszins, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB 1 BT-Drucks. 16/11643, S. 129. 2 Das Erfordernis an die Gestaltung („klar und verständlich“) in Art. 247 § 8 Abs. 2 EGBGB ist für die vorvertragliche Information bei Verbraucherdarlehensverträgen die einzige Formvorgabe; für Immobiliardarlehensverträge enthält Art. 247 § 9 Abs. 1 EGBGB eine weitere Formvorgabe. 3 Das Risiko einer Deckungslücke hat grundsätzlich der Darlehensnehmer zu tragen, BGH v. 20.11.2007 – XI ZR 259/06, WM 2008, 121. 4 Anders als bei den gesetzlichen Mustern gemäß Anlage 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB verlangt das Europäische Standardisierte Merkblatt (Anlage 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB) nicht nur die Angabe der Darlehensart, sondern eine kurze, aber deutliche Beschreibung des Darlehens, bei der unter anderem auf die zu stellenden Sicherheiten, die Tilgungsart und das einzubringende Eigenkapital eingegangen werden soll.
Merz
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10.127
10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
– Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB – Alle sonstigen Kosten mit Angabe zur Anpassung, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB – Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB – Informationen über Verträge mit Zusatzleistungen, Art. 247 § 8 EGBGB. Darüber hinaus muss die vorvertragliche Information einen deutlich gestalteten Hinweis darauf enthalten, dass der Darlehensgeber Forderungen aus dem Darlehensvertrag ohne Zustimmung des Darlehensnehmers abtreten und das Vertragsverhältnis auf einen Dritten übertragen darf, wenn die Abtretung im Darlehensvertrag nicht ausgeschlossen wird oder der Darlehensnehmers der Übertragung zustimmen muss (Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 2 EGBGB)1.
10.128
Auf Grund des eindeutigen Wortlauts des Art. 247 § 9 Abs. 1 EGBGB, wonach abweichend von den §§ 3 bis 8, 12 und 13 EGBGB lediglich die Angaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10 und 13 sowie nach § 3 Abs. 4 und § 8 EGBGB zwingend sind, ist die Unterrichtung über den Namen und die Anschrift des Darlehensvermittlers (Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB) trotz der insoweit gegenteiligen Aufstellung in der Gesetzesbegründung nicht verpflichtend2. Die im gesetzlichen Muster gemäß Anlage 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB („Europäisches Standardisiertes Merkblatt“) unter Punkt 12 bis 15 und 18 vorgesehenen Angaben sind ebenfalls nach Art 247 § 9 EGBGB nicht zwingend, können jedoch nach anderen Vorschriften (zB über Fernabsatzverträge vgl. Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB) erforderlich sein.
10.129
Eine weitere Sonderregelung besteht für die Kombination aus Immobiliardarlehensvertrag mit einem Bausparvertrag, bei der der Immobiliardarlehensvertrag bei Erreichen der Zuteilungsreife des Bausparvertrages durch ein Bauspardarlehen abgelöst wird. Da nach § 4 Abs. 5 BauSparkG der Zeitpunkt der Zuteilungsreife nicht im Voraus festgelegt werden darf, ist nach Art. 247 § 9 Abs. 2 EGBGB die Anzahl der Teilzahlungen in diesem Fall nicht anzugeben. Die Angabe der Laufzeit ist dagegen möglich, da diese umschrieben werden kann („bis zur Zuteilungsreife“)3. 1 Nach § 492 Abs. 1a Satz 3 BGB aF, der durch das Risikobegrenzungsgesetz mit Wirkung zum 19.8.2008 eingeführt wurde (BGBl. I 2008, S. 1666) und bereits wieder durch das Umsetzungsgesetz mit Wirkung zum 11.6.2010 aufgehoben wurde, musste dieser Hinweis bei Immobiliardarlehensverträgen in der vom Darlehensnehmer zu unterzeichnenden Vertragserklärung enthalten sein. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 130; vgl. aber Ziffer 1 des Merkblatts des Europäischen Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber. 3 BT-Drucks. 16/11643, S. 130.
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Merz
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Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
Bei Immobiliardarlehensverträgen besteht keine rechtliche Verpflichtung zur Verwendung des gesetzlichen Musters gemäß Anlage 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB („Europäisches Standardisiertes Merkblatt“)1. Verwendet der Darlehensgeber dieses Muster und ist es ordnungsgemäß ausgefüllt, gilt mit dessen Übermittlung die Verpflichtung zur Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch im Fernabsatz als erfüllt (Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB)2. In den Fällen, in denen das Muster nicht verwendet wird, schreibt Art. 247 § 2 Abs. 2 Satz 3 EGBGB eine gleichartige Gestaltung und Hervorhebung der zu erteilenden Informationen vor.
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8. Abweichende Informationspflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 10 EGBGB) Bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten iS des § 504 Abs. 2 BGB sind gemäß Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB in der vorvertraglichen Information abweichend von der Regelung in Art. 247 §§ 3 und 4 EGBGB nur folgende Angaben erforderlich: – Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 EGBGB3 – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB 1 Dieses Muster entspricht weitestgehend der seit 2001 für grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen existierenden Empfehlung der Kommission für vorvertragliche Informationen. Neben einigen sprachlichen Anpassungen wurde der Inhalt der Empfehlung noch um die Punkte 16 („Widerrufsrecht“) und 17 („Abtretung, Übertragung“) ergänzt, Ady/Paetz, WM 2009, 1061 (1065). Bei Verwendung des gesetzlichen Musters erfüllt der Darlehensgeber damit sowohl die gesetzlichen Vorgaben als auch die Anforderungen des Europäischen Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber. 2 Weitere Hinweise des Darlehensgebers müssen räumlich getrennt erteilt werden (Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB), BT-Drucks. 16/11643, S. 130. Beachtet der Darlehensgeber diesen Grundsatz nicht, dürfte das gesetzliche Muster nicht ordnungsgemäß ausgefüllt sein mit der Folge, dass die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB nicht eingreift. 3 Bei einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit iS des § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB ist die Angabe des effektiven Jahreszinses jedoch entbehrlich (Art. 247 § 10 Abs. 3 EGBGB). Die Pflicht zur Erläuterung des effektiven Jahreszinses anhand eines repräsentativen Beispiels (Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB) wurde erst durch das Änderungsgesetz v. 24.7.2010 eingeführt (BGBl. I 2010, S. 977). Die Ergänzung dient der vollständigen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 6 Abs. 1 lit. f der Verbraucherkreditrichtlinie), womit ein bestehendes Redaktionsversehen berichtigt wird, BTDrucks. 17/1394, S. 22.
Merz
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10.131
10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
– Vertragslaufzeit, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Alle sonstigen Kosten mit Angabe zur Anpassung, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB – Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB – Recht auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB – ggf. Bindungszeitraum, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Bedingungen zur Beendigung des Darlehensverhältnisses, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. b EGBGB – Hinweis, dass der Darlehensnehmer jederzeit zur Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrages aufgefordert werden kann, falls ein entsprechendes Kündigungsrecht vereinbart werden soll, Art. 247 § 10 Nr. 1 lit. c EGBGB.
10.132
Art. 247 § 10 Abs. 1 EGBGB enthält nur eine abschließende Sonderregelung zu den Regelungen in Art. 247 §§ 3 und 4 EGBGB, dh. die vorvertraglichen Informationspflichten nach den übrigen Vorschriften (Art. 247 §§ 8, 12 und 13 EGBGB) bleiben bestehen1. Auch bei dieser Darlehensform bleibt es dem Darlehensgeber unbenommen, freiwillig über den Pflichtenkatalog hinausgehende Angaben (zB nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB) zu erteilen2. Diese freiwilligen Angaben müssen aber räumlich getrennt von den Pflichtangaben erfolgen (Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB). Anderenfalls dürfte das gesetzliche Muster als nicht ordnungsgemäß ausgefüllt gelten mit der Folge, dass die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB nicht eingreift. Denn der in Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB geregelte Grundsatz gilt auch ohne ausdrücklichen Verweis für sämtliche Darlehensformen3.
10.133
Sofern der Darlehensnehmer für die Vertragsanbahnung besondere Kommunikationsmittel iS des Art. 247 § 5 EGBGB wählt, muss die Beschreibung der wesentlichen Merkmale nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB zumindest die Angaben nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 bis 5, 10, Abs. 3 und 4 sowie nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. c EGBGB enthalten4. 1 Die Aufnahme von Art. 247 § 4 EGBGB ist erst durch das Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) erfolgt. Mit dieser Ergänzung soll klargestellt werden, dass bei den vorvertraglichen Informationen auch hinsichtlich dieser Vorschrift in Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EGBGB eine abweichende Regelung getroffen wird und insoweit keine Hinweispflicht nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EGBGB besteht; BT-Drucks. 17/1394, S. 22 und BT-Drucks. 16/11643, S. 130; Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105 (106). 2 BT-Drucks. 17/1394, S. 22. 3 Für Immobiliardarlehensverträge enthält die Gesetzesbegründung einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis, BT-Drucks. 16/11643, S. 130. 4 Durch das Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) wurde der Inhalt für die Beschreibung der wesentlichen Merkmale um die Pflicht zur Angabe aller sonstiger Kosten sowie die Bedingungen für deren Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) und um die Pflicht zur Erläuterung des effektiven Jahreszinses anhand eines
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Merz
10. Teil
Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
Bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten gemäß § 504 Abs. 2 BGB besteht keine Rechtspflicht zur Verwendung des gesetzlichen Musters gemäß Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB („Europäische Verbraucherkreditinformationen bei Überziehungskrediten“). Verwendet der Darlehensgeber dieses Muster und ist es ordnungsgemäß ausgefüllt, gilt mit dessen Übermittlung die Verpflichtung zur Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch im Fernabsatz als erfüllt (Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB). In den Fällen, in denen das Muster nicht verwendet wird, schreibt Art. 247 § 2 Abs. 2 Satz 3 EGBGB eine gleichartige Gestaltung und Hervorhebung der zu erteilenden Informationen vor1.
10.134
9. Abweichende Informationspflichten bei Umschuldungen (Art. 247 § 11 EGBGB) Bei Umschuldungen iS des § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB sind gemäß Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB in der vorvertraglichen Information abweichend von den Regelungen in Art. 247 §§ 3 und 4 EGBGB nur folgende Angaben erforderlich: – Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 EGBGB – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB – Alle sonstigen Kosten mit Angabe zur Anpassung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB – Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB – Recht zur vorzeitigen Rückzahlung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB – Recht auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB repräsentativen Beispiels (Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB) erweitert. Die Ergänzung dient der vollständigen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 6 Abs. 4 Satz 1 iVm. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 2e und f der Verbraucherkreditrichtlinie), womit ein bestehendes Redaktionsversehen berichtigt wird, BT-Drucks. 17/1394, S. 22. 1 Merz, ForderungsPraktiker 2010, 105 (107).
Merz
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
– Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung und dessen Berechnungsmethode Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. b iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – Bedingungen zur Beendigung des Darlehensverhältnisses, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. c iVm. § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. b EGBGB – Ggf. Bindungszeitraum, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. d iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB.
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Art. 247 § 11 Abs. 1 EGBGB enthält nur eine abschließende Sonderregelung zu den Regelungen in Art. 247 §§ 3 und 4 EGBGB, dh. die vorvertraglichen Informationspflichten nach den übrigen Vorschriften (Art. 247 §§ 8, 12 und 13 EGBGB) bleiben bestehen1. Auch bei dieser Darlehensform bleibt es dem Darlehensgeber unbenommen, freiwillig über den Pflichtenkatalog hinausgehende Angaben (zB nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EGBGB) zu erteilen2. Diese freiwilligen Angaben müssen aber räumlich getrennt von den Pflichtangaben erfolgen (Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB). Anderenfalls dürfte das gesetzliche Muster als nicht ordnungsgemäß ausgefüllt gelten mit der Folge, dass die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 2 Abs. 3 EGBGB nicht eingreift. Denn der in Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB geregelte Grundsatz gilt auch ohne ausdrücklichen Verweis für sämtliche Darlehensformen3.
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Sofern der Darlehensnehmer für die Vertragsanbahnung besondere Kommunikationsmittel iS des Art. 247 § 5 EGBGB wählt, muss die Beschreibung der wesentlichen Merkmale nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB zumindest die Angaben nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 bis 6, 10, sowie Abs. 3 und 4 EGBGB enthalten4.
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Bei Umschuldungen gemäß § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB besteht keine Rechtspflicht zur Verwendung des gesetzlichen Musters gemäß Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB („Europäische Verbraucherkreditinformationen bei Umschuldungen“). Verwendet der Darlehensgeber dieses Muster und ist es ordnungsgemäß ausgefüllt, gilt mit dessen Übermittlung die Verpflichtung zur Unterrichtung nach § 491a Abs. 1 BGB auch im Fernabsatz als erfüllt (Art. 247 § 2 Abs. 3
1 Die Aufnahme von Art. 247 § 4 EGBGB ist erst durch das Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) erfolgt. Mit dieser Ergänzung soll klargestellt werden, dass bei den vorvertraglichen Informationen auch hinsichtlich dieser Vorschrift in Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB eine abweichende Regelung getroffen wird und insoweit keine Hinweispflicht nach Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EGBGB besteht; BT-Drucks. 17/1394, S. 22 und BT-Drucks. 16/11643, S. 131. 2 BT-Drucks. 17/1394, S. 23. 3 Für Immobiliardarlehensverträge enthält die Gesetzesbegründung einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis, BT-Drucks. 16/11643, S. 130. 4 Durch das Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) wurde der Inhalt für die Beschreibung der wesentlichen Merkmale um die Pflicht zur Angabe aller sonstiger Kosten sowie die Bedingungen für deren Anpassung (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) erweitert. Die Ergänzung dient der vollständigen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 6 Abs. 4 Satz 1 iVm. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 2e der Verbraucherkreditrichtlinie), womit ein bestehendes Redaktionsversehen berichtigt wird, BT-Drucks. 17/1394, S. 23.
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Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
EGBGB). In den Fällen, in denen das Muster nicht verwendet wird, schreibt Art. 247 § 2 Abs. 2 Satz 3 EGBGB eine gleichartige Gestaltung und Hervorhebung der zu erteilenden Informationen vor. In Art. 247 § 11 Abs. 3 EGBGB wird das Verhältnis von Art. 247 § 11 EGBGB zu Art. 247 § 10 EGBGB geregelt. Wird eine Umschuldung in der Form einer Überziehungsmöglichkeit vereinbart, gehen die Regeln des Art. 247 § 10 EGBGB vor.
10.139
10. Besondere Angaben bei verbundenen Verträgen (Art. 247 § 12 EGBGB) Bei verbundenen Verträgen iS des § 358 BGB1 müssen in der vorvertraglichen Information auch der finanzierte Gegenstand und der Barzahlungspreis angegeben werden (Art. 247 § 12 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB)2. Hinsichtlich der Bezeichnung des finanzierten Gegenstandes ist eine genaue Spezifizierung nach Hersteller oder Modell allerdings nicht erforderlich, sondern die Angabe einer Gattungsbezeichnung (zB „Elektrogerät“ oder „Restkreditversicherung“3) ausreichend4. Als Barzahlungspreis ist der (Kauf-)Preis anzugeben, den der Verbraucher zu entrichten hätte, wenn die Zahlungsverpflichtung aus dem finanzierten Vertrag bei Abschluss in voller Höhe fällig wäre5. Im Falle einer Teilfinanzierung bleibt die zu leistende Anzahlung bei der Angabe des Barzahlungspreises also unberücksichtigt6.
10.140
Art. 247 § 12 Abs. 1 EGBGB ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 359a Abs. 1 BGB anwendbar, dh. wenn der finanzierte Vertragsgegenstand zwar nicht mit dem Darlehen verbunden, aber im Darlehensvertrag konkret bezeichnet ist7. In diesem Fall ist zusätzlich zu der bereits vorhandenen konkreten Bezeichnung des finanzierten Vertragsgegenstandes noch die Angabe des Barzahlungspreises notwendig. Für die Annahme des § 359a Abs. 1 BGB ist eine Identifizierbarkeit des Vertragsgegenstandes erforderlich, was bei einer bloßen Typenbeschreibung noch nicht der Fall ist8. Die vom Gesetzgeber exemplarisch beschriebene Situation, dass der Vertragsgegenstand zwar im Darlehensvertrag genau bezeichnet ist, der Darlehensnehmer sich aber erst nach Abschluss des Darlehensvertrages für einen bestimmten Vertragspartner
10.141
1 Zu verbundenen Verträgen: Rz. 10.352. 2 Art. 247 § 12 EGBGB findet auch auf Verträge über entgeltliche Finanzierungshilfe iS des § 506 Abs. 1 BGB Anwendung. 3 Nach einer Entscheidung des BGH können Ratenkredit und Restkreditversicherung verbundene Verträge darstellen, BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 09/09, WM 2010, 166; OLG Schleswig v. 17.3.2010 – 5 U 2/10, WM 2010, 1074; Schürnbrand, ZBB 2010, 123; Heinig, VersR 2010, 863; Knops, ZIP 2010, 1265; Mülbert/Wilhelm, WM 2009, 2241; Freitag, ZIP 2009, 1297. 4 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 122. 5 BT-Drucks. 16/11643, S. 218. 6 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 122. 7 Zum Erfordernis der Finanzierung siehe Rz. 10.361. 8 BT-Drucks. 16/11643, S. 73.
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
entscheidet, der den genannten Vertragsgegenstand liefert, dürfte in der Praxis nur selten vorkommen1. Auf Grund des eindeutigen Wortlautes ist Art. 247 § 12 EGBGB allerdings nicht einschlägig, wenn ein Fall des § 359a Abs. 2 BGB vorliegt2. Eine entsprechende Anwendung scheidet schon deshalb aus, da Art. 247 § 8 EGBGB eine abschließende Sonderregelung für Zusatzleistungen enthält.
11. Besondere Angaben bei vermittelten Verträgen (Art. 247 § 13 EGBGB)
10.142
Bei vermittelten Verträgen3 ist gemäß Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB der Name (§ 12 BGB) und die Anschrift des Darlehensvermittlers in der vorvertraglichen Information anzugeben. Wie bei der Angabe des Darlehensgebers ist eine Postanschrift erforderlich, an die Schriftverkehr zugestellt werden kann. Die bloße Angabe einer Internetanschrift ist nicht ausreichend4.
10.143
Das Entgelt für die Darlehensvermittlung, das der Verbraucher oder ein Dritter an den Darlehensvermittler zahlt, ist dagegen nicht in der vorvertraglichen Information anzugeben. Eine entsprechenden Angabepflicht ist in Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB nicht vorgesehen und ergibt sich auch nicht aus Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, da Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB diesbezüglich eine abschließende Sonderregelung für die Darlehensvermittlung darstellt. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass der Verbraucher über die von ihm oder einem Dritten an den Darlehensvermittler zu zahlende Vermittlungsprovision bereits vom Darlehensvermittler vorab unterrichtet wird (Art. 247 § 13 Abs. 2 EGBGB), so dass eine erneute Unterrichtung durch den Darlehensgeber nicht geboten ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Darlehensgeber das von ihm an den Darlehensvermittler zu zahlende Entgelt nicht aus der eigenen Marge nimmt, sondern dem Darlehensnehmer zusätzlich in Rechnung stellt. In diesem Fall sind die Kosten für die Darlehensvermittlung als sonstige Kosten iS des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB anzusehen und entsprechend in der vorvertraglichen Information anzugeben.
10.144
Unabhängig von der gesetzlich geregelten vorvertraglichen Informationspflicht muss die Bank den Verbraucher vor Abschluss des Darlehensvertrages über Zahlung einer Vermittlungsprovision an den Darlehensvermittler aufklären, wenn die Bank ähnlich einem Vermögensverwalter die Wahrnehmung der Interessen des Verbrauchers als Hauptleistungspflicht schuldet5. 1 BT-Drucks. 16/11643, S. 73. 2 Nach § 359a Abs. 2 BGB ist § 358 Abs. 2 und 4 BGB entsprechend auf Verträge über Zusatzleistungen anzuwenden, die der Verbraucher in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag abgeschlossen hat. 3 Zur Darlehensvermittlung siehe Rz. 10.401. 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 123; Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 110. 5 BGH v. 20.1.2004 – XI ZR 460/02, WM 2004, 521; BGH v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, WM 2004, 417; BGH v. 14.10.2003 – XI ZR 134/02, WM 2003, 2328.
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Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
II. Vertragsentwurf (§ 491a Abs. 2 BGB) Nach § 491a Abs. 2 BGB hat der Verbraucher das Recht auf einen Vertragsentwurf, sofern der Darlehensgeber zum Abschluss des Darlehensvertrages bereit ist. Ob der Darlehensgeber zum Zeitpunkt der Anforderung eines Vertragsentwurfes zum Abschluss bereit ist, ist nach den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen. Hat sich der Darlehensgeber gemäß Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB an die vorvertraglichen Informationen gebunden, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass er auch zum Vertragsschluss bereit ist. Denn eine Bindung an Darlehenskonditionen ist nicht mit einer positiven Kreditentscheidung gleichzusetzen.
10.145
Die Verpflichtung zur Aushändigung eines Vertragsentwurfes, der den beabsichtigten Vertragsinhalt wiedergeben soll, besteht im Gegensatz zu den beiden anderen vorvertraglichen Informationspflichten nur auf Verlangen des Darlehensnehmers1. Der Anspruch erlischt mit Wegfall der Bereitschaft zum Vertragsschluss, spätestens aber mit Abschluss des Darlehensvertrages. Für die Aushändigung des Vertragsentwurfes bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 491a Abs. 2 BGB kann der Darlehensgeber kein Entgelt verlangen, da es sich um eine gesetzliche Verpflichtung handelt2. Vor diesem Zeitpunkt ist der Darlehensgeber hierzu allerdings nicht verpflichtet, so dass für eine Aushändigung ein Entgelt verlangt werden kann.
10.146
III. Angemessene Erläuterung (§ 491a Abs. 3 BGB) Der Darlehensgeber ist gemäß § 491a Abs. 3 BGB verpflichtet, dem Darlehensnehmer vor Abschluss des Darlehensvertrages angemessene Erläuterungen zu geben, damit dieser beurteilen kann, ob der angebotene Vertrag dem von ihm verfolgten Zweck und seinen Vermögensverhältnissen gerecht wird. Eine Verpflichtung gegenüber dem Darlehensnehmer, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit Blick auf das angebotene Darlehen zu prüfen und ihn aufzuklären, wenn sich ein Missverhältnis zwischen seinen finanziellen Verhältnissen und den Darlehensbelastungen ergibt, besteht weiterhin nicht3. Eine solche Verpflichtung des Darlehensgeber ergibt sich weder aus § 491a Abs. 3 BGB noch aus § 18 KWG4. Die Feststellung der eigenen Leistungsfähigkeit obliegt daher nach wie vor dem Darlehensnehmer, der auch die Risiken aus seiner eigenen Leistungsfähigkeit zu tragen hat5.
10.147
Das Gesetz legt keinen Mindestinhalt für die Erläuterung fest, sondern führt in § 491a Abs. 3 Satz 2 BGB lediglich mögliche Inhalte der Erläuterung nicht
10.148
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 78. 2 Nobbe, WM 2008, 185; Habersack, WM 2008, 1857; Bitter ZIP 2008, 1095; Bitter, ZIP 2008, 2155. 3 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 12.3.2002 – XI ZR 248/01, WM 2003, 1802. 4 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 12.3.2002 – XI ZR 248/01, WM 2003, 1802. 5 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 12.3.2002 – XI ZR 248/01, WM 2003, 1802; zur neuen Rechtslage: Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (389).
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
abschließend auf. Danach sind gegebenenfalls die vorvertraglichen Informationen gemäß § 491a Abs. 1 BGB, die Hauptmerkmale der vom Darlehensgeber angebotenen Verträge sowie ihre vertragstypischen Auswirkungen auf den Darlehensnehmer, einschließlich der Folgen bei Zahlungsverzug, zu erläutern. Die Erläuterungspflicht des § 491a Abs. 3 BGB bezieht sich ausschließlich auf den angeboten Darlehensvertrag. Zur Prüfung der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit oder zur Aufklärung über Vor- und Nachteile des finanzierten Geschäfts ist der Darlehensgeber weiterhin nicht verpflichtet1.
10.149
Unter den Hauptmerkmalen eines Darlehensvertrages sind nicht nur die Hauptleistungspflichten, sondern auch die Besonderheiten zu subsumieren, die den angebotenen Vertrag von anderen Darlehensverträgen unterscheidet2. So gehört bei einer unechten Abschnittsfinanzierung als besonderes Charakteristikum insbesondere der Wechsel der Vertragsbedingungen nach Erreichen eines Zeitabschnitts zu den zu erläuternden Hauptmerkmalen3. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Darlehensgeber den Darlehensnehmer im Rahmen der Erläuterung auch auf mögliche Gestaltungsalternativen innerhalb des angebotenen Darlehensvertrages hinweisen4. Wird beispielsweise das angebotene Darlehen wahlweise mit oder ohne Restkreditversicherung angeboten, ist der Darlehensnehmer darauf hinzuweisen, dass der Abschluss der Restkreditversicherung optional ist. § 491a Abs. 3 BGB begründet aber darüber hinaus keine Verpflichtung des Darlehensgebers, dem Darlehensnehmer Gestaltungsalternativen in Form von anderen Darlehensprodukten aufzuzeigen5. Denn Ziel der Erläuterung ist nicht, dass der Darlehensnehmer einen für seine Bedürfnisse optimalen Darlehensvertrag angeboten bekommt, sondern dass der Darlehensnehmer in die Lage versetzt wird, selbständig darüber zu entscheiden, ob der angebotene Vertrag für ihn nützlich ist6.
10.150
Zudem besteht auch keine Verpflichtung des Darlehensgebers, den Darlehensnehmer von sich aus auf mögliche Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der gewählten Kreditart hinzuweisen7. Denn es ist grundsätzlich Sache des Darlehensnehmers, selbst darüber zu befinden, welche der in Betracht kommenden Gestaltungsformen (Kreditarten) seinen wirtschaftlichen Verhältnissen am besten entspricht. Diese Entscheidung betrifft den Bereich der wirtschaftlichen Dispositionen, für die der Darlehensnehmer im Verhältnis zum Darlehensgeber im Allgemeinen das alleinige Risiko trägt8. 1 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 10.7.2007 – XI ZR 243/05, WM 2007, 1831; BGH v. 21.7.2003 – II ZR 387/02, WM 2003, 1762; zur neuen Rechtslage: BT-Drucks. 16/11643, S. 79; Hofmann, BKR 2010, 232 (236); Mehringer, BankPraktiker 2010, 570 (573); Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (638); Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (389). 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 79. 3 Ady, WM 2010, 1305 (1308). 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 79. 5 AA Rott, WM 2008, 1104 (1009). 6 BT-Drucks. 16/11643, S. 79; Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (389). 7 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 20.1.2004 – XI ZR 460/02, WM 2004, 521. 8 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 1.12.1988 – III ZR 175/87, WM 1989, 165.
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10. Teil
Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
Mit vertragstypischen Auswirkungen sind vor allem die finanziellen Belastungen und die Haftungsrisiken des Darlehensnehmers gemeint1. Bei einer Koppelung eines endfälliges Darlehens mit einer Kapitallebensversicherung ist der Darlehensnehmer beispielsweise auf das Risiko hinzuweisen, dass möglicherweise die Ablaufleistung der Versicherung am Ende der Laufzeit nicht ausreicht, um das Darlehen vollständig zu tilgen2. Ebenso wird der Darlehensgeber bei einem Fremdwährungsdarlehen etwaig bestehende Währungsrisiken erläutern müssen3. Als Sonderfall der vertragstypischen Auswirkungen erwähnt das Gesetz die Folgen bei Zahlungsverzug. Ausreichend ist in diesem Zusammenhang, wenn der Darlehensgeber die Auswirkungen der Darlehensaufnahme und die Folgen ausbleibender oder verspäteter Zahlungen dem Darlehensnehmer in allgemeiner Form erläutert.
10.151
Die Erläuterung nach § 491a Abs. 3 BGB kann (fern-)mündlich, schriftlich oder kombiniert erfolgen. In zeitlicher Hinsicht muss sie vor Abschluss des Darlehensvertrages geleistet werden. Eine Pflicht zur Erläuterung besteht allerdings nicht, wenn kein Anlass dafür besteht. Dies ist der Fall, wenn der Darlehensnehmer alles verstanden hat4.
10.152
Da der Darlehensnehmer über den Darlehensvertrag und dessen Bedingungen im Wesentlichen schon durch die vorvertragliche Information nach § 491a Abs. 1 BGB aufgeklärt wird, wird sich der Darlehensgeber im Rahmen des § 491a Abs. 3 BGB regelmäßig auf die Erläuterung von juristischen Fachbegriffen oder von etwaigen spezifischen Besonderheiten beschränken können5. Der Umfang der Erläuterung hängt dabei von der Komplexität des angebotenen Darlehens und von der Verständnismöglichkeit des Darlehensnehmers ab. Bei intransparenten Finanzierungskonstruktionen oder bei kombinierten Finanzierungen ist der Darlehensnehmer durch ausreichende Information über die spezifischen Besonderheiten und die damit verbundenen Vor- und Nachteile in die Lage zu versetzen, selbst darüber zu entscheiden, ob der Abschluss des angebotenen Darlehensvertrages seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und Vorstellungen entspricht6. Erhöhte Anforderungen an die Erläuterung sind auch bei ungewöhnlichen Vertragsklauseln zu stellen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob standardisierte Erläuterungen ausreichen oder ob diese individualisiert die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers berücksichtigen müssen. Für die Möglichkeit einer standardisierten Erläuterung spricht, dass die Verbraucherkreditrichtlinie grenzüberschreitende Darlehen ausweiten und einen Binnenmarkt für Verbraucherdarlehen herstel-
10.153
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 79. 2 Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (638); zur früheren Rechtslage: BGH v. 20.1.2004 – XI ZR 460/02, WM 2004, 521; BGH v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, WM 2004, 417. 3 Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (638). 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 79; Hofmann, BKR 2010, 232 (234); Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (389). 5 Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (389). 6 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 23.10.2007 – XI ZR 167/05, WM 2008, 154; BGH v. 20.3.2007 – XI ZR 414/04, WM 2007, 876; BGH v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, WM 2006, 377; BGH v. 20.1.2004 – XI ZR 460/02, WM 2004, 521.
Merz
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
len will. Diese Zielsetzung würde konterkariert, wenn zu hohe Anforderungen an den Individualisierungsgrad der Erläuterung gestellt würden, denn diese wären nur im Präsenzgeschäft erfüllbar. Eine standardisierte Erläuterung ist daher im Ergebnis als richtlinienkonform anzusehen1.
10.154
Hinsichtlich der Verständnismöglichkeit des Darlehensnehmers kann der Darlehensgeber die Erläuterungen grundsätzlich am Verständnis eines durchschnittlichen Darlehensnehmers ausrichten2. Der Darlehensgeber ist nicht verpflichtet, sich vor Erteilung der Erläuterung ein Bild vom Darlehensnehmer zu machen oder Nachforschungen über etwaige Informationsdefizite anzustellen3. Ist allerdings für den Darlehensgeber während der Vertragsanbahnung erkennbar, dass im konkreten Fall nicht von einem durchschnittlichen Verbraucher ausgegangen werden kann, sind weiter gehende Erläuterungen erforderlich. Der Umfang der geschuldeten Erläuterung findet aber dort seine Grenze, wo der Bereich der Angemessenheit verlassen wird. Einen Erfolg schuldet der Darlehensgeber nicht, dh. bei Vorliegen einer angemessenen Erläuterung kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob der Darlehensnehmer die gewünschte Vertragskonstruktion tatsächlich verstanden hat4. Denn die Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie lässt es auch zu, Vertragskonstruktionen zu wählen, deren Risiken nicht vollständig erfasst werden. Dieses Risiko gehört zu den allgemeinen Vertragsrisiken, die der Darlehensnehmer selbst zu tragen und die auch nicht durch die neu normierte Erläuterungspflicht auf den Darlehensgeber abgewälzt werden5.
10.155
Der Umfang der Verpflichtung zur Erläuterung nach § 491a Abs. 3 BGB entspricht damit im Ergebnis der von der Rechtsprechung entwickelten Aufklärungspflicht des Darlehensgebers, der die Rolle als Kreditgeber nicht überschreitet6. Die gesetzliche Verpflichtung zur Erläuterung ist einem Auskunftsvertrag gleichzusetzen und von einem Beratungsvertrag abzugrenzen, hinter der sie zurückbleibt7. Der Darlehensgeber hat den Darlehensnehmer daher vollständig, zutreffend und verständlich über den Darlehensvertrag und 1 Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (639); Herresthal, WM 2009, 1174 (1179); aA Ady/ Paetz, WM 2009, 1061 (1067); Kulke, VuR 2009, 373 (379); Rösler/Werner, BKR 2009, 1 (3); zweifelnd: Mehringer, BankPraktiker 2010, 570 (573). 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 79. 3 Herresthal, WM 2009, 1774 (1180); Heße/Niederhofer, MDR 2010, 968 (972). 4 AA Ady, WM 2010, 1305 (1308). 5 Zu den Vertragsrisiken bei Immobilienanlagen: von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 20; Merz/Rösler in HdB, Haftung bei Immobilienkapitalanlagen, Rz. 8310. 6 BT-Drucks, 16/11643, S. 78; zu den Aufklärungspflichten einer kreditgebenden Bank: von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 629; Merz/Rösler in HdB, Haftung bei Immobilienkapitalanlagen, Rz. 8310. 7 Zur Abgrenzung von Auskunfts- und Beratungsvertrag: BGH v. 5.3.2009 – III ZR 17/ 08, WM 2009, 739; BGH v. 25.10.2007 – III ZR 100/06, WM 2007, 2228; BGH v. 12.5.2005 – III ZR 413/04, WM 2005, 1219; zur neuen Rechtslage: BT-Drucks. 16/ 11643, S. 79; Mehringer, BankPraktiker 2010, 570 (573); Rühl, DStR 2009, 2256 (2261); Herresthal, WM 2009, 1174 (1180); Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (639); aA Ady/Paetz, WM 2009, 1061 (1066); Kulke, VuR 2009, 373 (379).
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Vorvertragliche Informationspflichten (§ 491a BGB)
dessen Bedingungen zu informieren. Eine wertende Beurteilung des Darlehensvertrages und dessen Bedingungen im Hinblick auf die individuellen Verhältnisse des Kunden und die hierauf fußende Empfehlung eines bestimmten Finanzierungsverhaltens schuldet der Darlehensgeber aus § 491a Abs. 3 BGB dagegen nicht. Voraussetzung für eine Verpflichtung des Darlehensgebers zu einer „darlehensnehmer- und darlehensgerechten Beratung“ ist vielmehr der Abschluss eines gesonderten Beratungsvertrages, der auch konkludent zu Stande kommen kann. Die Vertragsofferte liegt entweder in dem an den Darlehensgeber herangetragenen Beratungswunsch des Darlehensnehmers oder in der Kundenansprache durch die Bank. Die Annahme des Angebots erfolgt durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs1.
IV. Haftung bei vorvertraglichen Informationspflichtverletzungen Eine ausdrückliche Sanktion für die Verletzung von vorvertraglichen Informationspflichten sieht das Gesetz nicht vor. Bei der Verpflichtung aus § 491a BGB handelt es sich aber um eine echte Rechtspflicht, so dass bei ihrer Verletzung dem Darlehensnehmer gegen den Darlehensgeber oder den Darlehensvermittler Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB) zustehen kann2. Die Beweislast für die Verletzung von vorvertraglichen Informationspflichten und deren Kausalität trifft den Darlehensnehmer3.
10.156
Bei Verletzung einer der vorvertraglichen Informationspflichten aus § 491a BGB ist der Vertrauensschaden zu ersetzen, dh. der Schaden, den der Darlehensnehmer dadurch erlitten hat, dass er auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben vertraut hat4. Der Darlehensnehmer ist daher nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) so zu stellen, wie er ohne Pflichtverletzung gestanden hätte5. Nach der Lebenserfahrung, die im konkreten Fall zu widerlegen Sache des Darlehensgebers ist, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Darlehensnehmer ohne diese Pflichtverletzung das Darlehen nicht aufgenommen hätte. Denn die vorvertragliche Information nach § 491 BGB soll dem Darlehensnehmer die Entscheidungsgrundlage dafür liefern, ob die Darlehensaufnahme in seiner Situation überhaupt sinnvoll ist. Der Darlehensnehmer hat in diesen Fällen einen vollständigen Rückabwicklungs-
10.157
1 BGH v. 6.3.2008 – III ZR 298/05, WM 2008, 725; BGH v. 25.9.2007 – XI ZR 320/06, BKR 2008, 199; BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); zu den Beratungs- und Aufklärungspflichten der Kreditinstitute bei Kapitalanlagegeschäften: Clouth, Rechtsfragen der außerbörslichen Finanz-Derivate, 2001, S. 152 ff. 2 Ady, WM 2010, 1305 (1309); Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (386). 3 Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (637). 4 BGH v. 19.5.2006 – V ZR 264/05, WM 2006, 1536. 5 BGH v. 12.5.2009 – XI ZR 586/07, WM 2009, 1274; BGH v. 23.10.2007 – XI ZR 167/ 05, WM 2008, 154; BGH v. 19.6.2007 – XI ZR 142/05, WM 2007, 1456; Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (390).
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
anspruch. Sofern der Darlehensnehmer die Valuta bereits empfangen hat, schuldet er die Rückzahlung des Darlehens. Daneben hat er für die Dauer der Darlehensüberlassung grundsätzlich den Vertragszins zu zahlen, es sei denn, der Darlehensnehmer kann den Nachweis führen, dass er bei ordnungsgemäßer Information den Vertrag nicht zu diesem Zinssatz abgeschlossen hätte1.
10.158
Etwas anderes gilt für die Fälle, bei denen die Informationspflichtverletzung lediglich spezifische Besonderheiten des angebotenen Darlehensvertrages betrifft. Eine etwa gegebene Pflichtverletzung des Darlehensgebers, die es unterlässt, den Darlehensnehmer ausreichend über die Nachteile einer intransparenten Finanzierungskonstruktion oder einer Finanzierung mittels Festkredit und Kapitallebensversicherung zu unterrichten, rechtfertigt keinen Anspruch des Darlehensnehmers auf vollständige Rückabwicklung des Darlehensvertrages, sondern nur einen Anspruch auf Ausgleich der Nachteile der spezifischen gegenüber einer herkömmlichen Finanzierung2. Denn eine Aufklärungspflichtverletzung führt grundsätzlich nur zum Ersatz des Schadens, dessen Eintritt die Einhaltung der Pflicht verhindern sollte. Da eine ausreichende Aufklärung über spezifische Besonderheiten eines Darlehens den Darlehensnehmer lediglich in die Lage versetzen soll, selbst darüber zu entscheiden, ob der Abschluss dieser Finanzierungsform seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und Vorstellungen entspricht, nicht aber die Entscheidungsgrundlage dafür liefern soll, ob die Darlehensaufnahme in seiner Situation überhaupt sinnvoll ist, besteht in derartigen Fällen lediglich ein Anspruch auf Ersatz der durch die gewählte Finanzierungsart entstandenen Mehrkosten.
10.159–10.165
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 18 KWG) 10.166
Der Darlehensgeber ist nach § 18 Abs. 2 Satz 1 KWG verpflichtet, vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers zu prüfen3. Bislang bestand eine Verpflichtung zur Kreditwürdigkeitsprüfung nur bei Großkrediten über 750 000 Euro. Zudem wird die Pflicht zur Prüfung der Kreditwürdigkeit in § 18 Abs. 2 KWG auch auf bestehende Verbraucherdarlehensverhältnisse ausgedehnt4. So sind bei einer Änderung des Nettodarlehensbetrages die Auskünfte zumindest auf einen aktuellen 1 Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (637). 2 BGH v. 24.4.2007 – XI ZR 340/05, WM 2007, 1257; BGH v. 20.3.2007 – XI ZR 414/04, WM 2007, 876. 3 Der Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages ist iS des § 491 BGB zu verstehen, dh. Verträge iS des § 491 Abs. 2 BGB werden von der Regelung in § 18 Abs. 2 KWG nicht erfasst, BT-Drucks. 16/11643, S. 144. Die Verpflichtung des Unternehmers zur Prüfung der Kreditwürdigkeit vor dem Abschluss eines Vertrages über eine entgeltliche Finanzierungshilfe ist in § 509 BGB geregelt. 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 144.
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
anspruch. Sofern der Darlehensnehmer die Valuta bereits empfangen hat, schuldet er die Rückzahlung des Darlehens. Daneben hat er für die Dauer der Darlehensüberlassung grundsätzlich den Vertragszins zu zahlen, es sei denn, der Darlehensnehmer kann den Nachweis führen, dass er bei ordnungsgemäßer Information den Vertrag nicht zu diesem Zinssatz abgeschlossen hätte1.
10.158
Etwas anderes gilt für die Fälle, bei denen die Informationspflichtverletzung lediglich spezifische Besonderheiten des angebotenen Darlehensvertrages betrifft. Eine etwa gegebene Pflichtverletzung des Darlehensgebers, die es unterlässt, den Darlehensnehmer ausreichend über die Nachteile einer intransparenten Finanzierungskonstruktion oder einer Finanzierung mittels Festkredit und Kapitallebensversicherung zu unterrichten, rechtfertigt keinen Anspruch des Darlehensnehmers auf vollständige Rückabwicklung des Darlehensvertrages, sondern nur einen Anspruch auf Ausgleich der Nachteile der spezifischen gegenüber einer herkömmlichen Finanzierung2. Denn eine Aufklärungspflichtverletzung führt grundsätzlich nur zum Ersatz des Schadens, dessen Eintritt die Einhaltung der Pflicht verhindern sollte. Da eine ausreichende Aufklärung über spezifische Besonderheiten eines Darlehens den Darlehensnehmer lediglich in die Lage versetzen soll, selbst darüber zu entscheiden, ob der Abschluss dieser Finanzierungsform seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und Vorstellungen entspricht, nicht aber die Entscheidungsgrundlage dafür liefern soll, ob die Darlehensaufnahme in seiner Situation überhaupt sinnvoll ist, besteht in derartigen Fällen lediglich ein Anspruch auf Ersatz der durch die gewählte Finanzierungsart entstandenen Mehrkosten.
10.159–10.165
Einstweilen frei.
5. Abschnitt Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 18 KWG) 10.166
Der Darlehensgeber ist nach § 18 Abs. 2 Satz 1 KWG verpflichtet, vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers zu prüfen3. Bislang bestand eine Verpflichtung zur Kreditwürdigkeitsprüfung nur bei Großkrediten über 750 000 Euro. Zudem wird die Pflicht zur Prüfung der Kreditwürdigkeit in § 18 Abs. 2 KWG auch auf bestehende Verbraucherdarlehensverhältnisse ausgedehnt4. So sind bei einer Änderung des Nettodarlehensbetrages die Auskünfte zumindest auf einen aktuellen 1 Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (637). 2 BGH v. 24.4.2007 – XI ZR 340/05, WM 2007, 1257; BGH v. 20.3.2007 – XI ZR 414/04, WM 2007, 876. 3 Der Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages ist iS des § 491 BGB zu verstehen, dh. Verträge iS des § 491 Abs. 2 BGB werden von der Regelung in § 18 Abs. 2 KWG nicht erfasst, BT-Drucks. 16/11643, S. 144. Die Verpflichtung des Unternehmers zur Prüfung der Kreditwürdigkeit vor dem Abschluss eines Vertrages über eine entgeltliche Finanzierungshilfe ist in § 509 BGB geregelt. 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 144.
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10. Teil
Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 18 KWG)
Stand zu bringen (Satz 3) und im Falle einer erheblichen Erhöhung des Nettodarlehensbetrages ist die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers sogar neu zu bewerten (Satz 4). Unter Kreditwürdigkeit ist die Wahrscheinlichkeit zu verstehen, mit der der Darlehensnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag erfüllen wird1. Bei der Bewertung der Ausfallwahrscheinlichkeit kann der Darlehensgeber sich auf Auskünfte des Darlehensnehmers, auf Auskünfte Dritter oder bei bereits bestehender Geschäftsbeziehung auf bereits vorhandene Kenntnisse über den Darlehensnehmer stützen2. Auch eine Kombination dieser Informationsquellen ist zulässig. Unabhängig von der Art der Informationsquelle müssen die einzuholenden Informationen ausreichend sein3. Dies ist gegeben, wenn sie eine Kreditentscheidung auf fundierter Grundlage zulassen. Der genaue Umfang der einzuholenden Informationen ist gesetzlich nicht geregelt, sondern richtet sich nach jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls. Eine individualisierte Bonitätsprüfung ist nach § 18 Abs. 2 KWG allerdings nicht erforderlich, vielmehr kann diese mittels standardisierter Verfahren durchgeführt werden4.
10.167
Die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung stellt keine Verpflichtung gegenüber dem Darlehensnehmer dar5. Vielmehr handelt es sich weiterhin um eine aufsichtsrechtliche Pflicht ohne Schutzwirkung gegenüber dem Darlehensnehmer, deren Einhaltung von der BaFin überwacht wird (§ 6 KWG)6. Der Darlehensgeber ist daher aus § 18 Abs. 2 KWG nicht verpflichtet, die Einkommensund Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers mit Blick auf das finanzierende Geschäft zu prüfen und ihn aufzuklären, wenn sich ein Missverhältnis zwischen seinen finanziellen Möglichkeiten und den Darlehensbelastungen ergibt7. Dass der Gesetzgeber an dieser Konzeption festhält, wird anhand der unterschiedlichen Stellung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung für Unternehmer (§ 509 BGB) und für Kreditinstitute (§ 18 KWG) deutlich8. Zudem wurde die Regelung in § 509 BGB nur deshalb eingeführt, um keine Regelungslücken bei solchen Unternehmern entstehen zu lassen, die nicht der
10.168
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 96. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 144; Herresthal, WM 2009, 1174 (1177); Rösler/Werner, BKR 2009, 1 (3); Rühl, DStR 2009, 2256 (2261); Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (639). 3 Herresthal, WM 2009, 1174 (1177). 4 Herresthal, WM 2009, 1174 (1177). 5 Zur bisherigen Rechtslage: Hofmann, NJW 2010, 1782 (1783); Herresthal, WM 2009, 1174 (1175). 6 Rösler/Werner, BKR 2009, 1 (3); Rühl, DStR 2009, 2256 (2261); Herresthal, WM 2009, 1174 (1178); Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (388) aA Heße/Niederhofer, MDR 2010, 968 (972); Hofmann, NJW 2010, 1782; Ady/Paetz, WM 2009, 1061 (1067); Rott, WM 2008, 1104 (1110). Der Vorgabe der Verbraucherkreditrichtlinie nach einer wirksamen, abschreckenden und verhältnismäßigen Sanktion kommt der Gesetzgeber nach Ansicht von Herresthal nicht ausreichend nach und fordert daher die Einführung eines entsprechenden Ordnungswidrigkeitentatbestands, Herresthal, WM 2009, 1174 (1178). 7 So schon zur bisherigen Rechtslage: BGH v. 12.3.2002 – XI ZR 248/01, WM 2003, 1802; Herresthal, WM 2009, 1174 (1177). 8 Mehringer, BankPraktiker 2010, 570 (573); Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633 (639).
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Aufsicht nach dem KWG unterliegen1. Der Charakter einer Auffangregel spricht daher ebenfalls gegen die Annahme einer Schutzwirkung des § 18 Abs. 2 KWG gegenüber dem Darlehensnehmer2.
10.169–10.170
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages 10.171
Alle Verbraucherdarlehensverträge mit Ausnahme der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit iS des § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB bedürfen der gesetzlichen Schriftform und eines bestimmten Vertragsinhaltes3. Das Schriftformerfordernis und die Regelung des Vertragsinhaltes soll den Verbraucher vor einem unüberlegten finanziellen Engagement warnen und ihn über die Darlehenskonditionen informieren, damit er eine sachgerechte Entscheidung auf gesicherter Basis für oder gegen die Darlehensaufnahme fällen kann.
10.172
Seit dem 1.1.2002 gelten das Schriftformerfordernis und die Vorgaben hinsichtlich des Vertragsinhaltes grundsätzlich auch für die Vollmacht, die ein Darlehensnehmer zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages erteilt (§ 492 Abs. 4 BGB). Eine Ausnahme besteht nach § 492 Abs. 4 Satz 2 BGB nur für Prozessvollmachten und notariell beurkundete Vollmachten4. Bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes war es in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und auch in der Literatur heftig umstritten, ob Vollmachten zum Abschluss eines Verbraucherkreditvertrages, insbesondere wenn sie unwiderruflich erteilt worden sind, die Darlehensbedingungen nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG enthalten müssen5. In mehreren Entscheidungen hat der BGH festgestellt, dass solche Vollmachten nicht die Mindestangaben über die Kreditbedingungen enthalten müssen und dass § 492 Abs. 4 Satz 1 nur für nach dem 1.1.2002 erteilte Vollmachten gilt6. Eine vor diesem Zeitpunkt ohne die Mindestangaben erteilte Vollmacht ist also wirksam, selbst wenn der Vertreter den Darlehensvertrag erst nach diesem Zeitpunkt abschließt7.
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 95. 2 Rühl, DStR 2009, 2256 (2261). 3 Zur Mitverpflichtung von Ehegatten über § 1357 BGB: Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 24. 4 Da es sich in den Fällen des finanzierten Immobilienerwerbes wegen §§ 311b, 139 BGB zumeist um notarielle Vollmachten handelt, hat sich für die Praxis keine Veränderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ergeben, so auch Wittig/Wittig, WM 2002, 145; Habersack, BKR 2001, 72. 5 Vgl. Bülow NJW 2002, 1145; Wittig/Wittig WM 2002, 145; Peters/Gröpper, WM 2001, 2199. 6 BGH v. 24.4.2001 – XI ZR 40/00, WM 2001, 1024; BGH v. 25.10.2005 – XI ZR 402/03, WM 2006, 177; von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 383. 7 BT-Drucks. 14/7052, S. 201; Wittig/Wittig, WM 2002, 145.
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Aufsicht nach dem KWG unterliegen1. Der Charakter einer Auffangregel spricht daher ebenfalls gegen die Annahme einer Schutzwirkung des § 18 Abs. 2 KWG gegenüber dem Darlehensnehmer2.
10.169–10.170
Einstweilen frei.
6. Abschnitt Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages 10.171
Alle Verbraucherdarlehensverträge mit Ausnahme der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit iS des § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB bedürfen der gesetzlichen Schriftform und eines bestimmten Vertragsinhaltes3. Das Schriftformerfordernis und die Regelung des Vertragsinhaltes soll den Verbraucher vor einem unüberlegten finanziellen Engagement warnen und ihn über die Darlehenskonditionen informieren, damit er eine sachgerechte Entscheidung auf gesicherter Basis für oder gegen die Darlehensaufnahme fällen kann.
10.172
Seit dem 1.1.2002 gelten das Schriftformerfordernis und die Vorgaben hinsichtlich des Vertragsinhaltes grundsätzlich auch für die Vollmacht, die ein Darlehensnehmer zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages erteilt (§ 492 Abs. 4 BGB). Eine Ausnahme besteht nach § 492 Abs. 4 Satz 2 BGB nur für Prozessvollmachten und notariell beurkundete Vollmachten4. Bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes war es in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und auch in der Literatur heftig umstritten, ob Vollmachten zum Abschluss eines Verbraucherkreditvertrages, insbesondere wenn sie unwiderruflich erteilt worden sind, die Darlehensbedingungen nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG enthalten müssen5. In mehreren Entscheidungen hat der BGH festgestellt, dass solche Vollmachten nicht die Mindestangaben über die Kreditbedingungen enthalten müssen und dass § 492 Abs. 4 Satz 1 nur für nach dem 1.1.2002 erteilte Vollmachten gilt6. Eine vor diesem Zeitpunkt ohne die Mindestangaben erteilte Vollmacht ist also wirksam, selbst wenn der Vertreter den Darlehensvertrag erst nach diesem Zeitpunkt abschließt7.
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 95. 2 Rühl, DStR 2009, 2256 (2261). 3 Zur Mitverpflichtung von Ehegatten über § 1357 BGB: Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 491 BGB Rz. 24. 4 Da es sich in den Fällen des finanzierten Immobilienerwerbes wegen §§ 311b, 139 BGB zumeist um notarielle Vollmachten handelt, hat sich für die Praxis keine Veränderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ergeben, so auch Wittig/Wittig, WM 2002, 145; Habersack, BKR 2001, 72. 5 Vgl. Bülow NJW 2002, 1145; Wittig/Wittig WM 2002, 145; Peters/Gröpper, WM 2001, 2199. 6 BGH v. 24.4.2001 – XI ZR 40/00, WM 2001, 1024; BGH v. 25.10.2005 – XI ZR 402/03, WM 2006, 177; von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 383. 7 BT-Drucks. 14/7052, S. 201; Wittig/Wittig, WM 2002, 145.
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10. Teil
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
I. Schriftform (§ 492 Abs. 1 BGB) Nach § 492 Abs. 1 Satz 1 BGB sind alle Verbraucherdarlehensverträge mit Ausnahme der eingeräumten Überziehungsmöglichkeit iS des § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB schriftlich abzuschließen1. Schriftform bedeutet nach der Legaldefinition des § 126 BGB, dass die Vertragsparteien den Vertrag eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnen müssen2. Eine Unterzeichnung durch Stempel oder Faksimile ist daher unzulässig3. Auch eine Blankounterschrift genügt der von § 492 Abs. 1 BGB geforderten Schriftform nicht4. Zudem muss die formgerecht errichtete Erklärung dem Erklärungsempfänger auch in dieser Form zugehen. Eine Übermittlung durch Telefax genügt daher nicht den Anforderungen des § 126 BGB5.
10.173
Der Abschluss in elektronischer Form (§§ 126 Abs. 3, 126a BGB) ist erst seit dem 11.6.2010 zulässig6. Hierfür ist neben dem Einverständnis der anderen Vertragspartei erforderlich, dass der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versieht. Der Abschluss in Textform (§ 126b BGB) ist aber nach wie vor ausgeschlossen.
10.174
Für den Darlehensgeber sieht das Gesetz die weitere Erleichterung vor, dass die Erklärung mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellt werden darf (§ 492 Abs. 1 Satz 4 BGB). Der Begriff der „automatischen Einrichtung“, der gesetzlich nicht definiert ist, wird unterschiedlich ausgelegt. Teilweise wird bereits die mittels Computerausdruck erstellte Vertragsurkunde als mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellte Erklärung angesehen, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedarf7. Die Gegenansicht sieht die Verwendung eines Computers allein nicht als ausreichend an, da es an einer selbständige Herstellung durch die automatischen Einrichtung fehle. Vielmehr wird zusätzlich vorausgesetzt, dass der Computer auf einen Befehl hin auf Grund entsprechender vorhergehender Programmierung selbständig die erforderlichen Daten zusammensucht und aus den Einzeldaten die Erklärung fertigt, ohne dass es individueller oder maschinenschriftlicher Nachträge bedarf8.
10.175
1 Bei Rahmenverträgen sind allein das Grundgeschäft und die späteren Ausführungsgeschäfte formbedürftig, Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 12. 2 Bei mehreren Darlehensnehmern muss die Schriftform gegenüber jedem einzelnen Darlehensnehmer gewahrt werden, Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2. 3 BGH v. 25.3.1970 – VIII ZR 134/68, NJW 1970, 1078. 4 BGH v. 19.5.2005 – III ZR 240/04, NJW-RR 2005, 1141; eine Blankounterschrift des Darlehensgebers wird aber für zulässig erachtet, vgl. Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/ Weinreich, § 492 BGB Rz. 2. 5 BGH v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, WM 2006, 217. 6 Vor diesem Zeitpunkt war der Abschluss in elektronischer Form nach § 492 Abs. 1 Satz 2 BGB in der bis zum 11.6.2010 geltenden Fassung ausgeschlossen. 7 Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 6. Aufl. 2006, § 492 BGB Rz. 59. 8 BGH v. 29.9.2004 – VIII ZR 341/03, NZM 2005, 61.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
10.176
Für die Wahrung der gesetzlichen Schriftform ist eine einheitliche Urkunde erforderlich. Besteht der Darlehensvertrag aus mehreren Blättern, so ist die Einheitlichkeit der Urkunde gewahrt, wenn deren Zusammengehörigkeit erkennbar ist. Dies kann entweder durch eine körperlich feste Verbindung aller Blätter oder seit der im Mietrecht entwickelten sog. Auflockerungsrechtsprechung des BGH auch auf andere Weise geschehen, sofern sich hieraus die Zusammengehörigkeit der einzelnen Blätter zweifelsfrei ergibt1. Die Einheitlichkeit der Urkunde kann daher auch durch fortlaufende Seitenzahlen, fortlaufende Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitliche graphische Gestaltung, inhaltlichen Zusammenhang des Textes oder durch vergleichbare Merkmale erreicht werden2.
10.177
Der gesetzlichen Schriftform ist nach § 492 Abs. 1 Satz 3 BGB genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jeweils getrennt schriftlich erklärt werden. Darin liegt eine Abweichung von der in § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltenen Grundregel, nach der die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde geschehen muss. Erfolgt der Abschluss auf getrennten Urkunden, muss seit dem 11.6.2010 jede Urkunde den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt vollständig aufweisen3. Dies folgt aus der Aufhebung der bis dahin bestehenden Sonderregelung in § 492 Abs. 1 Satz 5 BGB aF, wonach (lediglich) die vom Darlehensnehmer zu unterzeichnende Vertragserklärung den gesetzlich vorgeschriebenen Vertragsinhalt aufweisen musste. Damit gilt für den Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen der allgemeine Grundsatz, wonach zur Wahrung des Schriftformerfordernisses beide Urkunden den gesamten Vertragsinhalt wiedergeben müssen4.
II. Einzelne Mindestangaben
10.178
§ 492 Abs. 2 BGB regelt den notwendigen Inhalt eines Verbraucherdarlehensvertrages und verweist hierzu auf die Regelungen in Art. 247 §§ 6–13 EGBGB. Diese unterscheiden zwischen Pflichtangaben (Art. 247 § 6 EGBGB), Zusatzangaben (Art. 247 § 7 EGBGB), Angaben bei besonderen Produktgestaltungen (Art. 247 §§ 8 und 12 EGBGB), Angaben für spezielle Verbraucherdarlehensverträge (Art. 247 §§ 9 bis 11 EGBGB) und zusätzliche Angaben bei vermittelten Darlehensverträgen (Art. 247 § 13 EGBGB).
10.179
In formeller Hinsicht verlangt das Gesetz an einigen Stellen ausdrücklich klare und für den Verbraucher verständliche Angaben5. Damit sind aber keine erhöhten Anforderungen an das Transparenzgebot verbunden. Es gelten vielmehr die Grundsätze, die die Rechtsprechung zu § 307 Abs. 2 Satz 2 BGB entwickelt hat. Eine besondere Hervorhebung („in hervorgehobener und deut1 2 3 4 5
BGH v. 18.12.2002 – XII ZR 253/01, NJW 2003, 1248. BGH v. 21.1.2004 – VIII ZR 99/03, NJW-RR 2004, 586. AA Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2. Ellenberger in Palandt, § 126 BGB Rz. 13. ZB in Art. 247 §§ 6, 7 und 8 Abs. 2 EGBGB.
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10. Teil
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
lich gestalteter Form“) ist ausschließlich für die Widerrufsinformation erforderlich, sofern der Darlehensgeber bei Verwendung der Musterwiderrufsinformation von der Gesetzlichkeitsfiktion profitieren will (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB bzw. Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB).
1. Pflichtangaben bei Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 6 EGBGB) Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB nennt die Pflichtangaben für Verbraucherdarlehensverträge und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen in Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB auf Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 EGBGB und damit auf fast alle Pflichtangaben bei der vorvertraglichen Information. Ausgenommen sind lediglich die Angaben zu den Ansprüchen des Darlehensnehmers auf einen Vertragsentwurf1 und auf Auskunft über das Ergebnis einer Datenbankabfrage2 sowie die Pflicht zur Erläuterung des Gesamtbetrages und des effektiven Jahreszinses3.
10.180
a) Name und Anschrift des Darlehensgebers (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) Neben dem Namen (§ 12 BGB) ist die Anschrift des Darlehensgebers in dem Darlehensvertrag anzugeben, wobei die Angabe einer Postanschrift erforderlich ist, an die Schriftverkehr zugestellt werden kann. Die bloße Angabe einer Internetanschrift ist nicht ausreichend4.
10.181
b) Art des Darlehensvertrages (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) Mit dieser Anforderung ist sowohl die Vertragsart (zB Darlehensvertrag oder Leasingvertrag) als auch dessen nähere Ausgestaltung (zB befristetes Darlehen mit regelmäßiger Tilgung) gemeint, wobei eine kurze schlagwortartige Bezeichnung ohne weiter gehende Erläuterung ausreicht5.
10.182
c) Effektiver Jahreszins (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) In dem Darlehensvertrag ist der effektive Jahreszins mit zwei Dezimalstellen anzugeben. Auch bei einem Darlehen mit veränderlichen Bedingungen ist die Angabe des Jahreszinses als „effektiver Jahreszins“ zu bezeichnen. Diese Änderung entspricht der Verbraucherkreditrichtlinie, die ebenfalls ausschließlich vom effektiven Jahreszins spricht. Dass der Begriff „anfänglich effektiver Jahreszins“ nicht weiter verwendet wird, ist für den Verbraucher allerdings nicht 1 2 3 4 5
Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 15 EGBGB. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB. Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB. BT-Drucks. 16/11643, S. 123. BT-Drucks. 16/11643, S. 123.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
nachteilig. Denn bei einem Darlehen mit veränderlichen Bedingungen ist der Verbraucher über alle Kosten zu unterrichten, die während der Vertragslaufzeit angepasst werden können. Damit ist sichergestellt, dass der Verbraucher von dem Umstand, dass der effektive Jahreszins sich ändern kann, Kenntnis erlangt1.
10.184
Der effektive Jahreszins ist mit zwei Dezimalstellen anzugeben, was sich aus Ziffer I lit. d Satz 1 der Anlage zu § 6 PAngV in der Fassung des Änderungsgesetzes v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) ergibt2. Damit soll die bisherige Rechtslage, nach der das Rechenergebnis bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses auf zwei Dezimalstellen genau anzugeben ist, beibehalten werden3.
10.185
Die Berechnung des effektiven Jahreszinses richtet sich gemäß Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 3 EGBGB nach § 6 PAngV4. Die Angabe des effektiven Jahreszinses hat gemäß Art. 247 § 6 Abs. 3 EGBGB unter Angabe der Annahmen zu erfolgen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages bekannt sind und die in die Berechnung des effektiven Jahreszinses einfließen. In die Berechnung des effektiven Jahreszinses sind neben den Zinsen alle sonstigen Kosten einschließlich etwaiger Vermittlungskosten einzubeziehen, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag zu entrichten hat und die dem Darlehensgeber bekannt sind5. Zu den sonstigen Kosten gehören unter anderem Bearbeitungskosten, Disagio, Agio, Cap-Prämien und ForwardPrämien, nicht aber Bereitstellungszinsen. Ausgenommen sind die in § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 PAngV aufgeführten Kosten. Problematisch sind nach wie vor die Kosten für Zusatzleistungen (zB Restschuldversicherungen), die nur dann Teil der Gesamtkosten sind, wenn der Abschluss zwingende Voraussetzung dafür ist, dass das Darlehen überhaupt oder zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt wird. Im Gegensatz zur alten Rechtslage trägt seit dem 11.6.2010 der Darlehensgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Zusatzleistung nicht verpflichtend war6. Die Prämien für eine Kapitalle1 BT-Drucks. 16/11643, S. 81. 2 Nach dem Umsetzungsgesetz v. 29.7.2009 (BGBl. I 2009, S. 2355) war der effektive Jahreszins noch mit einer Dezimalstelle anzugeben (Ziffer I lit. d Satz 1 der Anlage zu § 6 PAngV). Diese Regelung beruhte auf der deutschen Sprachfassung der Verbraucherkreditrichtlinie, die anders als die englische Sprachfassung („The result of the calculation shall be expressed with an accuracy of at least one decimal place“) die Angabe des Rechenergebnisses auf eine Dezimalstelle verlangt. Die deutsche Sprachfassung der Verbraucherkreditrichtlinie soll aber dahingehend abgeändert werden, dass das Rechenergebnis auf mindestens eine Dezimalstelle genau anzugeben ist. Die im Gesetzgebungsverfahren zum Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) angekündigte Änderung der deutschen Sprachfassung der Verbraucherkreditrichtlinie ist allerdings noch nicht umgesetzt, vgl. Rz. 10.4. 3 BT-Drucks. 17/1394, S. 33. 4 Zur Effektivzinsberechnung siehe Wimmer in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 216 ff. 5 Zur Berechnung des effektiven Jahreszinses bei der unechten Abschnittsfinanzierung siehe Ady, WM 2010, 1305 (1307). 6 BT-Drucks. 16/11643, S. 173; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 24; Ady/Paetz, WM 2009, 1061 (1068).
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10. Teil
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
bensversicherung, mit deren Hilfe ein Verbraucherdarlehen am Ende der Vertragslaufzeit getilgt werden soll, sind bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses nicht zu berücksichtigen1. d) Nettodarlehensbetrag (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) Der Begriff des Nettodarlehensbetrages ist in Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 2 EGBGB definiert. Nach der Legaldefinition ist der Nettodarlehensbetrag der Höchstbetrag, auf den der Darlehensnehmer auf Grund des Darlehensvertrages Anspruch hat. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dieser Betrag tatsächlich dem Darlehensnehmer zufließt2. Neben der ausgezahlten Darlehensvaluta sind daher bei der Berechnung des Nettodarlehensbetrages auch diejenigen mitfinanzierten Kosten zu berücksichtigen, die nicht zu den Gesamtkosten iS des § 6 Abs. 3 PAngV gehören3.
10.186
e) Sollzinssatz mit Angaben zur Anwendung und Anpassung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB) Der Sollzinssatz ist in § 489 Abs. 5 BGB definiert. Danach ist der Sollzinssatz der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Die Angabe des Sollzinssatzes als Monatszins, wie er früher bei Ratenkrediten häufig anzutreffen war, reicht daher nicht aus. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn er für die gesamte Vertragslaufzeit oder für einen bestimmten Zeitraum (Zinsbindungsfrist) fest vereinbart ist. Der Sollzinssatz ist dagegen veränderlich (variabel), wenn er jederzeit nach den vereinbarten Bedingungen angepasst werden kann.
10.187
Die Angabe des Sollzinssatzes wird inhaltlich in Art. 247 § 3 Abs. 4 EGBGB konkretisiert. Anzugeben sind die Bedingungen sowie der Zeitraum für seine Anwendung und die Art und Weise seiner Anpassung. Bei einem gewöhnlichen Ratenkredit mit festen Zinssatz ist im Darlehensvertrag die Angabe des Sollzinssatzes verbunden mit dem Zusatz „gebunden für die gesamte Vertragslaufzeit“ ausreichend. Dagegen müssen bei einem Darlehen mit einem veränderlichen Sollzinssatz auch die Bedingungen genannt werden, unter denen der Darlehengeber den Sollzinssatz anpasst (Zinsanpassungsklausel) 4.
10.188
f) Vertragslaufzeit (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) Die Vertragslaufzeit erstreckt sich von dem Vertragsschluss bis zur vollständigen Rückführung des Darlehens und kann entweder in Form eines Laufzeit1 BGH v. 10.10.2006 – XI ZR 265/05, WM 2007, 108; BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 29/05, WM 2006, 1008. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 125. 3 Vgl. dazu auch Rz. 10.90; Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 116. 4 Unter „Anpassung“ ist das vertraglich vereinbarte einseitige Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei zu verstehen, während der Begriff „Änderung“ die beiderseitig gewollte Inhaltsänderung bedeutet, BT-Drucks. 16/11643, S. 77.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
enddatums oder einer Laufzeitdauer angegeben werden. Die Angabe der Vertragslaufzeit bei befristeten Darlehensverträgen ist daher durch die Nennung des konkreten Datums, an dem der Vertrag endet, oder durch die Angabe der Vertragslaufzeit in Jahre oder Monate möglich. Denn für die Angabe der Vertragslaufzeit ist es ausreichend, dass der Zeitpunkt nach dem Kalender bestimmbar ist1. Bei einem unbefristeten Darlehen ist die Vertragslaufzeit als unbefristet anzugeben2. g) Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB)
10.190
Nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB ist die Angabe von Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen erforderlich3. Hinsichtlich der Fälligkeit ist es ausreichend, wenn sie auf einen nach dem Kalender bestimmbaren Zeitpunkt bezogen wird4. h) Gesamtbetrag (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB)5
10.191
Der Gesamtbetrag ist nach der Legaldefinition in Art. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB die Summe aus Nettodarlehensbetrag und Gesamtkosten6. Der Gesamtbetrag drückt damit als Oberbegriff die Gesamtbelastung des Darlehensnehmers aus7. i) Auszahlungsbedingungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB)
10.192
In der Praxis wird die Darlehensauszahlung häufig an bestimmte Bedingungen, wie die wirksame Bestellung der zu stellenden Sicherheiten oder die Einreichung der bei Vertragsschluss noch fehlender Unterlagen (zB Gehaltsnachweise), geknüpft. In diesem Fall sind die Auszahlungsbedingungen in dem Darlehensvertrag einzeln aufzuführen. Darüber hinaus ist im Darlehensvertrag anzugeben, ob das Darlehen nicht an den Darlehensnehmer selbst ausgezahlt wird, sondern ganz oder teilweise an einen Dritten. Der Hinweis auf die Auszahlung an einen Dritten ist allerdings nur dann erforderlich, wenn das Darlehen auf Grund einer vom Darlehensgeber vorgegebenen Zweckbindung ganz oder teilweise an einen Dritten ausgezahlt wird. Hauptanwen1 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 491a BGB Rz. 9. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 124. 3 Zur Angabepflicht der Anzahl der Tilgungsraten nach alter Rechtslage siehe OLG Karlsruhe v. 27.10.1998 – 17 U 316/97, WM 1999, 222. 4 BT-Drucks. 16/11643, S. 124. 5 Die Angabe des Gesamtbetrages und des effektiven Jahreszinses hat unter Angabe der Annahmen zu erfolgen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages bekannt sind und die in die Berechnung des effektiven Jahreszinses einfließen, Art. 247 § 6 Abs. 3 EGBGB. 6 Die Hypothesen zur Berechnung des effektiven Jahreszinses sind auch zur Ermittlung des Gesamtbetrages heranzuziehen, Ady, WM 2010, 1305 (1308). 7 BT-Drucks. 16/11643, S. 125; zur Gesamtbetragsangabe bei endgültigen Darlehen: BGH v. 20.1.2009 – XI ZR 504/07, WM 2009, 506.
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10. Teil
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
dungsfall dürfte die Absatzfinanzierung sein, bei der das Darlehen der Bezahlung eines Warenkaufes dient und die Valuta unmittelbar an den Händler ausgezahlt wird. j) Alle sonstigen Kosten mit Angaben zur Anpassung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB verpflichtet zur Angabe sämtlicher Kosten, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Darlehen zu tragen hat. Es handelt sich sowohl um die Kosten, die vor Vertragsschluss entstehen, als auch um solche, die bei der Durchführung des Vertrages anfallen. Es sind aber nur solche Kosten anzugeben, die auf Grund des Darlehensvertrages entstehen1. Exemplarisch nennt das Gesetz die Kosten für die Auszahlung und die Kosten eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments2. Als Kosten iS des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB sind unter anderem aber auch Bearbeitungskosten, Forward-Prämie und Cap-Prämie anzusehen3.
10.193
Fallen Kosten auf Grund einer separaten Vereinbarung an, ist Art. 247 § 3 Nr. 10 EGBGB nicht anwendbar und eine Angabe dieser Kosten nur geboten, wenn dies an anderer Stelle ausdrücklich gesetzlich geregelt ist4.
10.194
Bei den meisten Kosten handelt es sich um Einmalkosten, deren Höhe bei Vertragsschluss feststeht. In diesen Fällen erübrigt sich die Aufnahme einer Regelung zur Kostenanpassung. Fallen dagegen Kosten an, deren Höhe angepasst werden kann, sind die Bedingungen für eine Anpassung im Darlehensvertrag aufzuführen. Ein Anwendungsfall ist bei einem Rahmenkredit der Jahrespreis für die Kreditkarte, wenn die Kreditkarte das einzige Medium für die Darlehensinanspruchnahme ist („Revolving-Credit-Card“)5.
10.195
k) Verzugszinssatz mit Angaben zur Anpassung und Verzugskosten (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB) Für die Angabe des Verzugszinssatzes ist es ausreichend, wenn dieser abstrakt (zB Basiszinssatz + 5 %-Punkte) und nicht konkret (zB 6,5 %) angegeben wird. Für diese Auslegung spricht, dass der Verzugszins auf diese Weise ermittelbar ist und dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses offen ist, ob der Darlehensnehmer jemals in Verzug gerät. Hinsichtlich der Anpassungsmöglichkeiten ist 1 Zur Angabepflicht von Kreditvermittlungskosten siehe Rz. 10.222. 2 Der Begriff des Zahlungsauthentifizierungsinstruments wird in § 1 Abs. 5 ZAG definiert. 3 Zur Zulässigkeit von Bankentgelten siehe Nobbe, WM 2008, 185; Habersack, WM 2008, 1857; Bitter, ZIP 2008, 1095; Bitter, ZIP 2008, 2155; zur Zulässigkeit von Bearbeitungskosten: OLG Celle v. 2.2.2010 – 3 W 109/09, WM 2010, 355; LG Berlin v. 23.2.2010 – 15 O 102/10, WM 2010, 709; zum Forward-Darlehen und zur Cap-Prämie siehe Peters/Wehrt, WM 2003, 1509; Rösler, WM 2000, 1930; zur Schätzgebühr: OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – I-6 U 17/09, WM 2010, 215. 4 ZB Kontoführungsgebühren gemäß Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. 5 Vgl. Nr. 10 der Bedingungen für die Kreditkarten (Fassung 31.10.2009).
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
es ausreichend, wenn darauf verwiesen wird, dass der Basiszinssatz von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt wird (§ 247 BGB). Die Notwendigkeit einer Angabe der Verzugskosten stellt sich nur, wenn der Darlehensgeber den Verzugsschaden nicht abstrakt, sondern konkret berechnet, denn neben der Berechnung des gesetzlichen Verzugszinses kann kein zusätzlicher Verzögerungsschaden verlangt werden1. l) Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB)
10.197
Bei der Formulierung des Warnhinweises zu den Folgen ausbleibender Zahlungen ist es für den Darlehensvertrag völlig ausreichend, wenn der entsprechende Text aus dem gesetzlichen Muster „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ (Anlage 3 zu Art. 247 § 2 EGBGB) übernommen wird. Einer weiteren Ergänzung bedarf es nicht, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. m) Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB)
10.198
Nach § 495 Abs. 1 BGB steht dem Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht zu. Auf dieses Recht muss der Darlehensnehmer nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB hingewiesen werden. Dieser Hinweis kann aber zusammen mit den Pflichtangaben gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 BGB erfolgen. n) Recht zur vorzeitigen Rückzahlung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB)
10.199
Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber, den Darlehensnehmer über sein Recht zu informieren, das Darlehen jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig zurückzuzahlen (§ 500 Abs. 2 BGB). Die Unterrichtung über den Anspruch des Darlehensgebers auf eine Entschädigung und deren Berechnungsmethode ist nur bei entsprechender Relevanz nach Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB erforderlich. o) Name und Anschrift des Darlehensnehmers (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB)
10.200
Neben dem Namen (§ 12 BGB) ist die Anschrift des Darlehensnehmers in dem Darlehensvertrag anzugeben, wobei die Angabe einer Postanschrift, an die Schriftverkehr zugestellt werden kann, erforderlich ist. Die bloße Angabe einer Internetanschrift ist nicht ausreichend2. 1 Grüneberg in Palandt, 69. Aufl. 2010, § 286 BGB Rz. 45; Weidenkaff in Palandt, 69. Aufl. 2010, § 497 BGB Rz. 6. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 123.
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10. Teil
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
p) Zuständige Aufsichtsbehörde (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) Zuständige Aufsichtsbehörde für Institute iS des KWG ist gemäß § 6 KWG die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“).
10.201
q) Hinweis auf Anspruch auf einen Tilgungsplan (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB) Nach § 492 Abs. 3 Satz 2 BGB hat der Darlehensnehmer bei einem zeitlich befristeten Verbraucherdarlehen einen jederzeitigen Anspruch auf einen Tilgungsplan. Auf diesen Anspruch ist der Darlehensnehmer im Darlehensvertrag hinzuweisen.
10.202
r) Verfahren bei Kündigung (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB) Mit dieser Angabe soll dem Darlehensnehmer verdeutlicht werden, wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam ist und wie der Darlehensnehmer das Darlehen kündigen kann1. Im Darlehensvertrag sind daher die ordentlichen und außerordentlichen Kündigungsrechte des Darlehensnehmers und des Darlehensgebers nebst deren Voraussetzungen aufzuführen2. Im Ergebnis läuft dies auf die Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Kündigungsregelungen hinaus. Zu dem Verfahren bei Kündigung dürfte auch der Hinweis gehören, dass eine Kündigung erst mit Zugang bei der anderen Vertragspartei wirksam wird. Zudem dürfte darauf hinzuweisen sein, dass die Kündigung durch den Darlehensnehmer keiner Form bedarf, die Kündigung des Darlehensgebers dagegen aber in Textform erfolgen muss. Dies ergibt sich aus § 492 Abs. 5 BGB, wonach nachvertragliche Erklärungen des Darlehensgebers der Textform bedürfen.
10.203
s) Sämtliche weiteren Vertragsbedingungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB verpflichtet den Darlehensgeber zur Aufnahme sämtlicher weiteren Vertragsbedingungen in den Vertrag. Unter Vertragsbedingungen sind aber nur die Darlehensbedingungen im engeren Sinne und nicht auch solche Bedingungen zu verstehen, die zwar anlässlich des Abschlusses des Darlehensvertrages vereinbart werden, aber mit dem Darlehensvertrag nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen3. Für die Einbeziehung der AGB-Banken oder beispielsweise der Sonderbedingungen für 1 BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 2 Nach Kessal-Wulf bezieht sich die Angabepflicht lediglich auf die vertraglichen und gesetzlichen Kündigungs- und Rücktrittsrechte, die für den Darlehensgeber bei regulärem Vertragsverlauf bestehen, vgl. Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 4. Gegen die Beschränkung auf die Rechte bei regulärem Vertragsverlauf spricht die Gesetzesbegründung, wonach bei befristeten Darlehensverträgen zumindest auf das Kündigungsrecht nach § 314 BGB hingewiesen werden muss, BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 3 Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 11; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 492 BGB Rz. 2.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Kreditkarten gelten daher nach wie vor die Grundsätze zur Vereinbarung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB). Für diese einschränkende Auslegung spricht, dass es sich bei der Angabepflicht nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB und bei dem Schriftformerfordernis nach § 492 Abs. 1 BGB um spezielle Regelungen für Verbraucherdarlehensverträge handelt, die auf andere Verträge keine Anwendung finden. t) Angaben zum Widerrufsrecht (Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB)
10.205
Falls ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB besteht, dh. kein Fall des § 495 Abs. 3 BGB vorliegt, müssen im Darlehensvertrag die Angaben zur Widerrufsfrist, zu den sonstigen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verzinsungspflicht bei bereits erfolgter Auszahlung enthalten sein. Zudem ist der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag anzugeben. Dieser ist bei unterstellter Vollauszahlung auf Basis des im Darlehensvertrag vereinbarten Sollzinssatzes und der vereinbarten Zinsberechnungsmethode zu ermitteln.
10.206
Eine besondere Hervorhebung der Widerrufsinformation („in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form“) ist erforderlich, sofern der Darlehensgeber bei Verwendung der gesetzlichen Musterwiderrufsinformation gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB von der Gesetzlichkeitsfiktion profitieren will (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB bzw. Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB).
2. Zusatzangaben bei Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 247 § 7 EGBGB)
10.207
Art. 247 § 7 EGBGB nennt die Zusatzangaben für Verbraucherdarlehensverträge, die ebenfalls in klarer und verständlicher Weise im Darlehensvertrag enthalten sein müssen. Art. 247 § 7 EGBGB ist spiegelbildlich zu Art. 247 § 4 EGBGB (siehe dazu oben Rz. 10.110) aufgebaut und enthält weitere vertragliche Angaben, die nicht für alle Verbraucherdarlehensverträge verpflichtend sind, sondern nur bei entsprechender Relevanz1. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Angaben: – Hinweis, dass der Darlehensnehmer die Notarkosten zu tragen hat, Art. 247 § 7 Nr. 1 EGBGB2 – Vom Darlehensgeber verlangte Sicherheiten und Versicherungen, Art. 247 § 7 Nr. 2 EGBGB3 In der Vertragsurkunde muss lediglich die schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung von bestimmten Sicherheiten und/oder zum Abschluss bestimmter Versicherungen enthalten sein. Dagegen braucht der Sicherhei1 BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 2 Erforderlich ist nur eine Angabe dem Grunde und nicht der Höhe nach, BT-Drucks. 16/11643, S. 126; siehe dazu oben Rz. 10.111. 3 Der Begriff „Sicherheiten“ ist weit auszulegen, BT-Drucks. 16/11643, S. 126; siehe dazu oben Rz. 10.112.
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Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
ten- oder Versicherungsvertrag nicht selbst in der Vertragsurkunde abgeschlossen werden1. Bei fehlenden Angaben über die zu bestellenden Sicherheiten kann eine Sicherheitsleistung nur verlangt werden, wenn der Nettodarlehensbetrag 75 000 Euro übersteigt (§ 494 Abs. 6 BGB). Gleichwohl bestellte Sicherheiten können jedoch nicht nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten herausverlangt werden2. Bei fehlenden Angaben über verlangte Versicherungen können diese mangels einer § 494 Abs. 6 BGB entsprechenden Regelung nicht nachgefordert werden. – Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB verpflichtet zur Angabe der Art der Berechnung, falls der Darlehensgeber bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens (§ 500 Abs. 2 BGB) eine Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 BGB verlangt. Fehlt diese Angabe oder ist sie ungenau, ist der Anspruch des Darlehensgebers auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Hinsichtlich der Darstellung der Berechnungsmethode gelten die gleichen Grundsätze wie für die in der vorvertraglichen Unterrichtung gemäß Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB (siehe dazu oben Rz. 10.113). – Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerdeund Rechtsbehelfsverfahren nebst Zugangsvoraussetzungen, Art. 247 § 7 Nr. 1 EGBGB Bei Streitigkeiten aus der Anwendung der §§ 491 bis 509 BGB können die Beteiligten unbeschadet ihres Rechts, die Gerichte anzurufen, nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG die zuständige Schlichtungsstelle einschalten. Für die vorgenannten Streitigkeiten wurde die Zuständigkeit auf die jeweiligen Verbände der Kreditinstitute übertragen (§ 14 Abs. 3 UKlaG).
3. Besondere Angaben bei Zusatzleistungen (Art. 247 § 8 EGBGB) In Art. 247 § 8 EGBGB sind die Informationspflichten für solche Zusatzleistungen zusammengefasst, die der Darlehensgeber für das Zustandekommen eines Darlehensvertrages zwingend verlangt. Ein Verlangen im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn das konkret angebotene Darlehen überhaupt oder nur zu den vorgesehenen Darlehenskonditionen gewährt wird, falls der Darlehensnehmer weitere Leistungen des Darlehensgebers in Anspruch nimmt oder gleichzeitig ein weiterer Vertrag abgeschlossen wird3. Kein Verlangen liegt demgegenüber vor, wenn der Darlehensnehmer die gleichen Darlehenskonditionen auch dann erhält, wenn er die angebotene Zusatzleistung nicht abschließt. Zwar ergibt sich diese Auslegung nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut des Art. 247 § 8 EGBGB, der allein auf den Abschluss des Ver1 BGH v. 22.1.2002 – XI ZR 31/01, NJW 2002, 1199; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/ Weinreich, § 492 BGB Rz. 5. 2 BGH v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07, NJW 2008, 3208 zumindest für Personalsicherheiten (abstraktes Schuldversprechen). 3 BT-Drucks. 16/11643, S. 128.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
braucherdarlehensvertrages abstellt. Jedoch deckt sich dieses Verständnis mit der Darstellung im gesetzlichen Muster gemäß Anlage 3 zu Art. 247 § 2 EGBGB und mit der Regelung zur Berechnung des Effektivzinssatzes in § 6 Abs. 3 Nr. 4 PAngV. Denn sowohl in dem gesetzlichen Muster als auch bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses bleiben Zusatzleistungen nur dann unberücksichtigt, wenn sie weder Voraussetzung für die Kreditvergabe noch Voraussetzung für die Kreditvergabe zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen sind.
10.209
Als Zusatzleistungen iS des Art. 247 § 8 EGBGB zählt das Gesetz beispielhaft den Abschluss eines Versicherungsvertrages oder eines Girokontovertrages auf. Aber auch die so genannten „Spar-/Kreditkombinationen“, bei denen der Darlehensnehmer Zahlungen leistet, die nicht der unmittelbaren Rückführung des Darlehens, sondern der Vermögensbildung dienen, mit dem das Darlehen am Ende der Laufzeit zurückgeführt werden soll, fallen in den Anwendungsbereich dieser Norm1.
10.210
Bei den Zusatzleistungen, die keine Spar-/Kreditkombinationen darstellen, ist lediglich für den verlangten Abschluss eines Girokontovertrages eine besondere Angabepflicht im Darlehensvertrag vorgesehen. In diesem Fall sind gemäß Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die Kontoführungsgebühren sowie die Bedingungen, unter denen sie angepasst werden können, im Darlehensvertrag zu nennen. Bei anderen obligatorischen Zusatzleistungen besteht dagegen keine Verpflichtung, die mit der jeweiligen Zusatzleistung verbundenen Kosten im Darlehensvertrag aufzuführen. Das Gesetz sieht eine derartige Verpflichtung des Darlehensgebers nicht vor, da bei anderen Zusatzleistungen offen ist, ob diese beim Darlehensgeber abgeschlossen werden und ob der Darlehensgeber diese Kosten daher kennt2. Eine Angabepflicht besteht auch nicht nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, denn Art. 247 § 8 EGBGB stellt für Zusatzleistungen eine abschließende Sonderregelung dar.
10.211
Soll der Darlehensnehmer während der Vertragslaufzeit nur die laufenden Zinsen zahlen, verpflichtet Art. 247 § 8 Abs. 2 Satz 1 EGBGB den Darlehensgeber im Darlehensvertrag zu einer Aufstellung, aus der die Zeiträume und Bedingungen für die Zahlung der Sollzinsen und der damit verbundenen wiederkehrenden oder nicht wiederkehrenden Kosten hervorgeht. Verpflichtet sich der Darlehensnehmer dagegen auch zur Vermögensbildung, muss nach Art. 247 § 8 Abs. 2 Satz 2 EGBGB aus dem Verbraucherdarlehensvertrag klar und verständlich hervorgehen, dass mit den Zahlungen während der Vertragslaufzeit keine Tilgung des Darlehens erfolgt und dass mit den Ansprüchen aus der Vermögensbildung die Tilgung des Darlehens nicht gewährleistet ist. Ein Hinweis auf das Risiko einer Deckungslücke3 ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn vertraglich vereinbart ist, dass durch die Vermögensbildung die vollstän1 Zur Tilgungsaussetzung bei der Immobilienfinanzierung: Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 129. 3 Das Risiko einer Deckungslücke hat grundsätzlich der Darlehensnehmer zu tragen, BGH v. 20.11.2007 – XI ZR 259/06, WM 2008, 121.
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Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
dige Darlehensrückzahlung sichergestellt ist. Hauptanwendungsfall dürfte die Kombination aus Vorausdarlehen und Bausparvertrag sein, bei dem die Rückzahlung erst mit Zuteilungsreife erfolgt und damit gesichert ist.
4. Abweichende Angabepflichten bei Immobiliardarlehen (Art. 247 § 9 EGBGB) Der Mindestinhalt für Immobiliardarlehensverträge (§ 503 BGB) ist in Art. 247 § 9 Abs. 1 EGBGB abschließend geregelt. Teilweise abweichend von den Angaben nach Art. 247 §§ 3 bis 8, 12 und 13 EGBGB sind folgende Angaben in einem Immobiliardarlehensvertrag zwingend:
10.212
– Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Effektiver Jahreszins, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB – Alle sonstigen Kosten mit Angabe zur Anpassung, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB – Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB – Angaben zum Widerrufsrecht, Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB – Informationen über Verträge mit Zusatzleistungen, Art. 247 § 8 EGBGB. Auf Grund des eindeutigen Wortlauts des Art. 247 § 9 Abs. 1 EGBGB, wonach abweichend von den §§ 3 bis 8, 12 und 13 EGBGB lediglich die Angaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10 und 13 sowie nach § 3 Abs. 4 und § 8 EGBGB zwingend sind, ist die Unterrichtung über den Namen und die Anschrift des Darlehensvermittlers (Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB) trotz der insoweit gegenteiligen Äußerung in der Gesetzesbegründung im Darlehensvertrag nicht verpflichtend1.
10.213
Eine weitere Sonderregelung besteht für die Kombination aus einem Immobiliardarlehensvertrag mit einem Bausparvertrag, bei der der Immobiliardarlehensvertrag bei Erreichen der Zuteilungsreife des Bausparvertrages durch ein Bauspardarlehen abgelöst wird. Da nach § 4 Abs. 5 BauSparkG der Zeitpunkt der Zuteilungsreife nicht im Voraus festgelegt werden darf, ist nach Art. 247 § 9 Abs. 2 EGBGB die Anzahl der Teilzahlungen in diesem Fall nicht anzuge-
10.214
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 130; vgl. aber Ziffer 1 des Merkblatts des Europäischen Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber.
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Kreditgeschäft mit Verbrauchern
ben. Die Angabe der Laufzeit ist dagegen möglich, da diese umschrieben werden kann („bis zur Zuteilungsreife“)1.
5. Abweichende Angabepflichten bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten (Art. 247 § 10 EGBGB)
10.215
Bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten iS des § 504 Abs. 2 BGB sind gemäß Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB in dem Darlehensvertrag teilweise abweichend von der Regelung in Art. 247 § 6 EGBGB (siehe dazu oben Rz. 10.131) nur folgende Angaben erforderlich: – Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Effektiver Jahreszins, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB2 – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Auszahlungsbedingungen, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB – Alle sonstigen Kosten mit Angabe zur Anpassung, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB – Name und Anschrift des Darlehensnehmers, Art. 247 § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Einzuhaltendes Verfahren bei Kündigung des Vertrages, Art. 247 § 10 Nr. 2 lit. b iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB – Gesamtkosten, Art. 247 § 10 Nr. 2 lit. c EGBGB – Ggf. Hinweis, dass der Darlehensnehmer jederzeit zur Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrages aufgefordert werden kann, falls ein entsprechendes Kündigungsrecht vereinbart werden soll, Art. 247 § 10 Nr. 2 lit. c iVm. § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. c EGBGB Da durch Art. 247 § 10 Abs. 1 EGBGB nur die Angaben aus Art. 247 § 6 EGBGB modifiziert werden, besteht eine etwaige Angabepflicht nach den übrigen Vorschriften (Art. 247 §§ 7, 8, 12 und 13 EGBGB) fort3.
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 130. 2 Bei eingeräumten Überziehungsmöglichkeiten iS des § 504 Abs. 2 Satz 2 BGB ist die Angabe des effektiven Jahreszinses entbehrlich, Art. 247 § 10 Abs. 3 EGBGB. 3 BT-Drucks. 16/11643, S. 130.
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Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
6. Abweichende Angabepflichten bei Umschuldungen (Art. 247 § 11 EGBGB) Bei Umschuldungen iS des § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB sind gemäß Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB in dem Darlehensvertrag teilweise abweichend von der Regelung in Art. 247 § 6 EGBGB (siehe dazu oben Rz. 10.131) nur folgende Angaben erforderlich:
10.216
– Name und Anschrift des Darlehensgebers, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB – Art des Darlehens, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Effektiver Jahreszins mit repräsentativem Beispiel, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 EGBGB – Nettodarlehensbetrag, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sollzinssatz mit Angaben zur Anpassung und Anwendung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 EGBGB – Vertragslaufzeit, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB – Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB – Gesamtbetrag, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB – Auszahlungsbedingungen, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB – Verzugszinssatz mit Angabe zur Anpassung und Verzugskosten, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB – Recht zur vorzeitigen Rückzahlung, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB – Name und Anschrift des Darlehensnehmers, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – Zuständige Aufsichtsbehörde, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB – Hinweis auf Anspruch auf einen Tilgungsplan, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – Sämtliche weiteren Vertragsbedingungen, Art. 247 § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB. Da durch Art. 247 § 11 Abs. 1 EGBGB ausschließlich die Angaben aus Art. 247 § 6 EGBGB modifiziert werden, besteht eine etwaige Angabepflicht nach den übrigen Vorschriften (Art. 247 §§ 7, 8, 12 und 13 EGBGB) fort1. In Art. 247 § 11 Abs. 3 EGBGB wird das Verhältnis von Art. 247 § 11 EGBGB zu Art. 247 § 10 EGBGB geregelt. Wird eine Umschuldung in der Form einer 1 BT-Drucks. 16/11643, S. 131.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
Überziehungsmöglichkeit vereinbart, gehen die Regeln des Art. 247 § 10 EGBGB vor.
7. Besondere Angaben bei verbundenen Verträgen (Art. 247 § 12 EGBGB)
10.218
Bei verbundenen Verträgen iS des § 358 BGB1 müssen im Darlehensvertrag zusätzlich der finanzierte Gegenstand, der Barzahlungspreis und die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 358 und 359 BGB sowie die Bedingungen für die Ausübung dieser Rechte angegeben werden (Art. 247 § 12 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB)2. Hinsichtlich der Bezeichnung des finanzierten Gegenstandes ist eine genaue Spezifizierung nach Hersteller oder Modell nicht erforderlich, sondern die Angabe einer Gattungsbezeichnung (zB „Elektrogerät“ oder „Restkreditversicherung“3) ausreichend4. Als Barzahlungspreis ist der (Kauf-)Preis anzugeben, den der Verbraucher zu entrichten hätte, wenn die Zahlungsverpflichtung aus dem finanzierten Vertrag bei Abschluss in voller Höhe fällig wäre5. Im Falle einer Teilfinanzierung bleibt die zu leistende Anzahlung bei der Angabe des Barzahlungspreises also unberücksichtigt6.
10.219
Im Rahmen der Angabe der Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 358 und 359 BGB ist darauf hinzuweisen, dass das Widerrufsrecht für den verbundenen Vertrag auch zur Rückabwicklung des Darlehensvertrages führt und dass der Anspruch auf Nacherfüllung Vorrang vor dem Einwendungsdurchgriff hat7. Da im Darlehensvertrag gemäß Art. 247 § 12 Abs. 1 Nr. 2b EGBGB nicht nur über die Rechte, sondern auch über die Bedingungen für die Ausübung dieser Rechte zu informieren ist, hat sich im gesetzlichen Muster in Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB eine enge Orientierung an den Gesetzeswortlaut angeboten8.
10.220
Art. 247 § 12 EGBGB ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 359a Abs. 1 BGB anwendbar, dh. wenn der finanzierte Vertragsgegenstand zwar nicht mit dem Darlehen verbunden, aber im Darlehensvertrag konkret be1 Zu verbundenen Verträgen: Rz. 10.352. 2 Art. 247 § 12 EGBGB findet auch auf Verträge über entgeltliche Finanzierungshilfe iS des § 506 Abs. 1 BGB Anwendung. 3 Auch Ratenkredit und Restkreditversicherung können verbundene Verträge darstellen, BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 09/09, WM 2010, 166; OLG Schleswig v. 17.3.2010 – 5 U 2/10, WM 2010, 1074; Schürnbrand, ZBB 2010, 123; Heinig, VersR 2010, 863; Knops, ZIP 2010, 1265; Mülbert/Wilhelm, WM 2009, 2241; Freitag, ZIP 2009, 1297. 4 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 122. 5 BT-Drucks. 16/11643, S. 132. 6 Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 122. 7 BT-Drucks. 16/11643, S. 132; eine besondere Hervorhebung der Widerrufsinformation („in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form“) ist erforderlich, sofern der Darlehensgeber bei Verwendung der Musterwiderrufsinformation von der Gesetzlichkeitsfiktion profitieren will, Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB. 8 Vgl. Gestaltungshinweis 8f des gesetzlichen Musters in Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB.
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Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
zeichnet ist. Für die Annahme des § 359a Abs. 1 BGB ist eine Identifizierbarkeit des Vertragsgegenstandes erforderlich, was bei einer bloßen Typenbeschreibung noch nicht der Fall ist1. Die vom Gesetzgeber exemplarisch beschriebene Situation, dass der Vertragsgegenstand zwar im Darlehensvertrag genau bezeichnet ist, der Darlehensnehmer sich aber erst nach Abschluss des Darlehensvertrages für einen bestimmten Vertragspartner entscheidet, der den genannten Vertragsgegenstand liefert, dürfte in der Praxis nur selten vorkommen2. Auf Grund des eindeutigen Verweises ist Art. 247 § 12 EGBGB allerdings nicht einschlägig, wenn ein Fall des § 359a Abs. 2 vorliegt3. Eine entsprechende Anwendung scheidet schon deshalb aus, da Art. 247 § 8 EGBGB eine abschließende Sonderregelung für Zusatzleistungen enthält.
8. Besondere Angaben bei vermittelten Verträgen (Art. 247 § 13 EGBGB) Bei vermittelten Verträgen4 ist gemäß Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB der Name (§ 12 BGB) und die Anschrift des Darlehensvermittlers im Darlehensvertrag anzugeben. Wie bei der Angabe des Darlehensgebers ist eine Postanschrift erforderlich, an die Schriftverkehr zugestellt werden kann. Die bloße Angabe einer Internetanschrift ist nicht ausreichend5.
10.221
Das Entgelt für die Darlehensvermittlung, das der Verbraucher oder ein Dritter an den Darlehensvermittler zahlt, ist dagegen nicht im Darlehensvertrag anzugeben. Eine entsprechenden Angabepflicht ist in Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB nicht vorgesehen und ergibt sich auch nicht aus Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, da Art. 247 § 13 Abs. 1 EGBGB diesbezüglich eine abschließende Sonderregelung für die Darlehensvermittlung darstellt. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass der Verbraucher über die von ihm oder einem Dritten an den Darlehensvermittler zu zahlende Vermittlungsprovision bereits vom Darlehensvermittler vorab unterrichtet wird (Art. 247 § 13 Abs. 2 EGBGB), so dass eine erneute Unterrichtung durch den Darlehensgeber nicht geboten ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Darlehensgeber das von ihm an den Darlehensvermittler zu zahlende Entgelt nicht aus der eigenen Marge nimmt, sondern dem Darlehensnehmer zusätzlich in Rechnung stellt. In diesem Fall sind die Kosten für die Darlehensvermittlung nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB im Darlehensvertrag anzugeben.
10.222
1 BT-Drucks. 16/11643, S. 73. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 73. 3 Nach § 359a Abs. 2 BGB ist § 358 Abs. 2 und 4 BGB entsprechend auf Verträge über Zusatzleistungen anzuwenden, die der Verbraucher in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag abgeschlossen hat. 4 Zur Darlehensvermittlung siehe Rz. 10.401. 5 BT-Drucks. 16/11643, S. 123; Merz in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, Rz. 110.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
III. Rechtsfolgen bei Verletzung der Formerfordernisse (§ 494 BGB)
10.223
§ 494 Abs. 1 BGB ordnet die Nichtigkeit des Verbraucherdarlehensvertrages an, wenn die Schriftform nicht eingehalten wurde oder bestimmte Pflichtangaben fehlen. Diese Rechtsfolge gilt auch bei einem Vertragsabschluss in elektronischer Form (§ 126a BGB), denn beide Formen sind grundsätzlich gleichgestellt1. Hinsichtlich der Pflichtangaben verweist § 494 Abs. 1 BGB auf Art. 247 § 6 und §§ 9–13 EGBGB, dh. eine Nichtigkeit sieht das Gesetz nur bei Fehlen zwingender Pflichtangaben vor. Fehlen dagegen nur zusätzliche Angaben iS des Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB, ist der Darlehensvertrag von Anfang an wirksam.
10.224
Ein Verbraucherdarlehensvertrag ist auf Grund des eindeutigen Wortlauts nur dann nichtig, wenn eine vorgeschriebene Pflichtangabe völlig fehlt, nicht jedoch, wenn die im Darlehensvertrag enthaltene Angabe lediglich unrichtig ist2. Eine falsche Pflichtangabe mag zwar nicht den gleichen Informationsgehalt für den Darlehensnehmer haben wie eine richtige Angabe, sie ist aber einer fehlenden Pflichtangabe nicht gleichzusetzen3. Für diese Auslegung spricht, dass das Gesetz an anderer Stelle auch unzureichende Angaben sanktioniert. So ist bei Verbraucherdarlehensverträgen gemäß § 502 Abs. 3 BGB der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung ausgeschlossen, wenn die Angaben über die Laufzeit des Darlehens, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind. Eine unzutreffende Bezeichnung des Bestimmungszwecks der im Darlehensvertrag aufgeführten Kosten, etwa wenn der als Bearbeitungskosten ausgewiesene Betrag nicht vom Darlehensgeber vereinnahmt, sondern als Vermittlungsprovision an den Kreditvermittler ausgezahlt wird, steht einem Fehlen einer Angabe iS des § 494 Abs. 1 BGB nicht gleich4.
10.225
Kommt es trotz der Nichtigkeit des Verbraucherdarlehensvertrages nach § 494 Abs. 1 BGB zur Auszahlung des Darlehens, wird das Darlehen nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB gültig, sofern der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt5. Bei einer Auszahlung an einen Dritten liegt ein Empfang im Sinne dieser Vorschrift vor, wenn der Dritte die Darlehensvaluta 1 BT-Drucks. 16/11643, S. 81. 2 So zur früheren Rechtslage schon: BGH v. 9.5.2006 – XI ZR 119/05, WM 2006, 1243; BGH v. 25.4.2004 – XI ZR 106/05, WM 2006, 1066; BGH v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, WM 2004, 417. 3 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 1; Ebert in Handkommentar – BGB, § 494 Rz. 2; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 5. 4 So zur bisherigen Rechtslage schon: BGH v. 18.11.2003 – XI ZR 322/01, WM 2004, 172. 5 Da der Empfang der Darlehensvaluta vorausgesetzt wird, ist § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB auf den Schuldbeitritt nicht anwendbar, BGH v. 12.11.1996 – XI ZR 202/95, NJW 1997, 654.
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10. Teil
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
auf Weisung des Darlehensnehmers erhalten hat, es sei denn, der Dritte ist nicht überwiegend im Interesse des Darlehensnehmers, sondern sozusagen als verlängerter Arm des Darlehensgebers tätig geworden1. Im Falle einer Heilung eines Verbraucherdarlehensvertrages nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB, die sich auf sämtliche Formmängel des § 494 Abs. 1 BGB bezieht, treten zum Schutze des Verbrauchers die in § 494 Abs. 2–7 BGB bestimmten Sanktionen ein2. Allerdings wird nicht das Fehlen jeder Pflichtangabe sanktioniert. Umgekehrt können die Sanktionen auch kumuliert anzuwenden sein, wenn mehrere Pflichtangaben mit unterschiedlichen Rechtsfolgen fehlen3.
10.226
1. Ermäßigung des Sollzinssatzes Fehlt die Angabe des Sollzinssatzes, des effektiven Jahreszinses oder des Gesamtbetrages, so ermäßigt sich gemäß § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB der dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrundegelegte Sollzinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz (§ 246 BGB: 4 % p.a.)4. Bei Immobiliardarlehensverträgen tritt diese Sanktion aber nur bei Fehlen der Angabe des Sollzinssatzes oder des effektiven Jahreszinses ein, da die Angabe des Gesamtbetrages gemäß Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB keine Pflichtangabe darstellt.
10.227
Ist dagegen der effektive Jahreszins lediglich zu niedrig angegeben5, so vermindert sich gemäß § 494 Abs. 3 BGB der dem Kreditvertrag zugrunde liegende Sollzinssatz um den Prozentsatz, um den der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben ist. Umstritten ist, ob die Kürzung des Sollzinssatzes anhand der absoluten Differenz an Prozentpunkten zwischen dem richtigen und unrichtigen Effektivzins oder nur um die prozentuale Abweichung vorzunehmen ist6.
10.228
1 So zur bisherigen Rechtslage schon: BGH v. 16.5.2006 – XI ZR 06/04, WM 2006, 1194; BGH v. 12.11.2002 – XI ZR 47/01, WM 2002, 2501; BGH v. 17.1.1985 – III ZR 135/83, WM 1985, 221; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 5; MüllerChristmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 9. 2 Bei Verletzung der Schriftform ist nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH darauf abzustellen, ob der Verstoß gegen die Schriftform zu einer unzureichenden Information des Verbrauchers geführt hat. Dies ist zu bejahen, wenn die Erklärung des Verbrauchers nicht formgültig abgegeben wurde mit der Folge, dass sämtliche Sanktionen des § 494 Abs. 2–7 BGB kumuliert anzuwenden sind, vgl. BGH v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, WM 2006, 217. 3 BGH v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, WM 2006, 217; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/ Weinreich, § 494 BGB Rz. 1. 4 Ein Disagio ist in die Erstattung darüber hinausgehender Zinszahlungen einzubeziehen, BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 200/99, WM 2000, 1243; liegt der Sollzins unterhalb des gesetzlichen Zinses, verbleibt es bei dem niedrigeren vertraglichen Sollzins, KessalWulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 6. 5 Eine zu hohe Ausweisung des effektiven Jahreszinses ist in jedem Fall unschädlich, Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 7. 6 Für eine absolute Kürzung: Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 8; offen gelassen: Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 20.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
In jedem Fall scheidet eine Reduzierung auf unter 4 % p.a. aus, da es weder einen Grund noch einen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Gesetzgeber eine unzutreffende Angabe härter als eine fehlende Angabe sanktionieren wollte1.
2. Kein Anspruch auf Kosten oder Anpassung
10.229
Nach § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB werden nicht angegebene Kosten vom Darlehensnehmer nicht geschuldet2. Fehlt im Darlehensvertrag die Angabe, unter welchen Bedingungen Kosten oder Zinsen angepasst werden können, entfällt nach § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB die Möglichkeit, diese zum Nachteil des Darlehensnehmers anzupassen3. Umgekehrt besteht aber in diesen Fällen auch keine einseitige Verpflichtung des Darlehensgebers, eine Anpassung zu Gunsten des Darlehensnehmers vorzunehmen4.
3. Neuberechnung der Teilzahlungen
10.230
§ 494 Abs. 5 BGB verpflichtet den Darlehensgeber zu einer Neuberechnung5 der Höhe der Teilzahlungen unter Berücksichtigung der verminderten Zinsen oder Kosten, wenn diese auf Grund fehlender oder zu niedrigerer Angabe im Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § 494 Abs. 2 und 4 BGB zu reduzieren sind oder sogar vom Darlehensnehmer nicht geschuldet werden. Zur Aufschlüsselung der jeweiligen Zins- und Tilgungsanteile ist der Darlehensgeber allerdings nicht verpflichtet6. Bis zur Neuberechnung kann der Darlehensnehmer die Zahlung weiterer Raten verweigern (§ 273 BGB)7. Neben der Neuberechnung hat der Darlehensnehmer gegen den Darlehensgeber einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der überzahlten Zinsen und Kosten8. Ein Wahlrecht des Darlehensnehmers, stattdessen die zu viel geleisteten Zahlungen mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch zu ver-
1 BT-Drucks. 11/5462, S. 21; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 8; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 20. 2 Im Falle einer Kapitallebensversicherung scheidet ein Freistellungs- oder Erstattungsanspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber aus, BGH v. 18.1.2005 – XI ZR 17/04, WM 2005, 415; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 9; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 22. 3 Unter „Anpassung“ versteht der Gesetzgeber ein vertraglich eingeräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei, BT-Drucks. 16/11643, S. 77. 4 AA Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 10. 5 Der Neuberechnungsanspruch unterliegt einer eigenständigen Verjährung, die nicht vor Beendigung des Darlehensvertrages zu laufen beginnt, BGH v. 20.1.2009 – XI ZR 487/10, WM 2009, 542. 6 BGH v. 9.5.2006 – XI ZR 119/05, ZIP 2006, 1238; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/ Weinreich, § 494 BGB Rz. 11; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 25. 7 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 11. 8 BGH v. 18.12.2001 - XI ZR 156/01, BGHZ 149, 302; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/ Weinreich, § 494 BGB Rz. 11; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 25.
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Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
rechnen, besteht nicht1. Da es sich um eine gesetzliche Verpflichtung handelt, kann der Darlehensgeber für die Neuberechnung kein Entgelt verlangen.
4. Kündigungsrecht des Darlehensnehmers Fehlen im Darlehensvertrag die Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht, ist der Darlehensnehmer gemäß § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB jederzeit zur Kündigung berechtigt. Übt der Darlehensnehmer dieses gesetzliche Kündigungsrecht aus, hat der Darlehensgeber keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung2. Bei Immobiliardarlehensverträgen iS des § 503 BGB gilt diese Sanktion aber nur bei fehlender Laufzeitangabe, da nur diese gemäß Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB zu den Pflichtangaben zählt.
10.231
5. Kein Nachbesicherungsrecht Die Angabe der zu stellenden Sicherheiten stellt keine zwingende, sondern lediglich eine zusätzliche Angabe dar. Demnach ist der Verbraucherdarlehensvertrag bei einem Fehlen dieser Angabe auch nicht nach § 494 Abs. 1 BGB unwirksam. Jedoch kann der Darlehensgeber gemäß § 494 Abs. 6 Satz 2 BGB bei fehlender Angabe der zu stellenden Sicherheiten grundsätzlich keine Sicherheiten fordern, soweit nicht der Nettodarlehensbetrag 75 000 Euro übersteigt (§ 494 Abs. 6 Satz 3 BGB). Gleichwohl bestellte Sicherheiten können jedoch nicht nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten heraus verlangt werden3.
10.232
6. Anspruch auf veränderte Abschrift Nach § 494 Abs. 7 BGB ist der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine neue Vertragsabschrift mit den gemäß § 494 Abs. 2–6 BGB veränderten Inhalten zu überlassen, wenn das Fehlen von Angaben nach § 494 Abs. 2–6 BGB sanktioniert wird4. Neben den gemäß § 494 Abs. 2–6 BGB veränderten Inhalten sind auch alle sonstigen Angaben anzupassen, die sich seit Vertragsschluss geändert haben (zB Name und Anschrift des Darlehensgebers). Dies folgt mittelbar aus der in § 494 Abs. 7 Satz 1 BGB enthaltenden Verpflichtung, nicht nur die veränderten Inhalte, sondern eine Abschrift des Vertrages zur Verfügung zu stellen. Abweichend von § 495 BGB beginnt in die1 BGH v. 20.1.2009 – XI ZR 487/07, WM 2009, 542; BGH v. 20.1.2009 – XI ZR 504/07, WM 2009, 506. 2 Auch bei unzureichenden Angaben über die Laufzeit, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen (§ 502 Abs. 3 BGB), zustimmend: Ady/Paetz, WM 2009, 1061 (1065); kritisch Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (391). 3 BGH v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07, NJW 2008, 3208 zumindest für Personalsicherheiten (abstraktes Schuldversprechen). 4 Für das bis zum 11.6.2010 geltende Recht war umstritten, ob diese Verpflichtung besteht, Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 494 BGB Rz. 28.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
sem Fall die auf einen Monat verlängerte Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn der Darlehensnehmer diese Abschrift des Vertrages erhalten hat (§ 494 Abs. 7 Satz 2 BGB). Hierauf ist der Darlehensnehmer in Textform hinzuweisen (§ 492 Abs. 6 Satz 5 BGB). Da es sich um eine gesetzliche Verpflichtung handelt, kann der Darlehensgeber für diese Leistung kein Entgelt verlangen.
7. Fehlen von zusätzlichen Angaben
10.234
Das Fehlen von bestimmten zusätzlichen Angaben iS des Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB bleibt für den Darlehensgeber ebenfalls nicht völlig sanktionslos, auch wenn deren Fehlen nicht zur Nichtigkeit des Verbraucherdarlehens führt. Für die Angabe der zu stellenden Sicherheiten ergibt sich die Sanktion ausdrücklich aus § 494 Abs. 6 BGB, wonach nicht angegebene Sicherheiten grundsätzlich nicht gefordert werden können. Fehlen Angaben zu verlangten Versicherungen oder sonstigen Zusatzleistungen, können diese vom Darlehensgeber ebenfalls nicht gefordert werden1. Zwar ergibt sich diese Sanktion nicht unmittelbar aus dem Gesetz, jedoch fehlt es für eine entsprechende Forderung an einer Rechtsgrundlage.
10.235
Fehlt die Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, hat der Darlehensgeber im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung eines Verbraucherdarlehensvertrages keinen Anspruch auf eine Entschädigung. Dies folgt mittelbar aus der Regelung gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wonach bereits eine unzureichende Angabe über die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu einem Ausschluss des Anspruches auf eine Vorfälligkeitsentschädigung führt. Da die Regelung des § 502 BGB auf Immobiliardarlehen keine Anwendung findet (§ 503 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die Angabe der Berechnungsmethode nicht zwingend ist (Art. 247 § 9 EGBGB), bleibt das Fehlen der Angabe zur Berechnungsmethode für Immobiliardarlehensverträge ohne jede Sanktion.
10.236
Für Vollmachten, die nicht den Anforderungen des § 492 Abs. 4 BGB genügen und damit gemäß § 494 Abs. 1 BGB nichtig sind, sieht das Gesetz in § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB keine unmittelbare Heilungsmöglichkeit vor. Denn sonst könnte der vollmachtlose Vertreter durch eine Auszahlung des Darlehens an sich selbst (etwa als Empfangsbote) erreichen, dass die zunächst unwirksame Vollmacht geheilt wird. Der mit dieser Regelung verfolgte Schutzzweck könnte damit umgangen werden. Vielmehr bedarf es zur Gültigkeit des Darlehensvertrages der Genehmigung des Darlehensnehmers, die mangels Formvorgabe auch konkludent erteilt werden kann2. Eine solche Genehmigung setzt aber voraus, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen3. 1 BT-Drucks. 16/11643, S. 81. 2 Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/Weinreich, § 494 BGB Rz. 3. 3 BGH v. 17.11.2009 – XI ZR 36/09, WM 2010, 28; BGH v. 28.4.2009 – XI ZR 227/08, WM 2009, 1271; BGH v. 27.5.2008 – XI ZR 149/07, WM 2008, 1266; zur Genehmi-
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10. Teil
Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages
IV. Vertragsänderungen Das Erfordernis der Schriftlichkeit besteht auch bei notwendigen Vertragsanpassungen während der Vertragslaufzeit1. Zur Einhaltung des Schriftformerfordernisses gelten die gleichen Grundsätze wie beim Abschluss eines Verbraucherdarlehens. Hinsichtlich der Einheitlichkeit der Urkunde ist daher keine feste körperliche Verbindung mit dem Darlehensvertrag erforderlich, sondern es genügt, wenn in dem Nachtrag eindeutig auf den Darlehensvertrag Bezug genommen wird und zudem noch darauf verwiesen wird, dass ansonsten die bisherigen Vertragsbedingungen unverändert fortgelten2. Der Nachtrag muss daher nicht die Pflichtangaben nach Art. 247 §§ 6–13 EGBGB einschließlich der Widerrufsinformation enthalten3.
10.237
Für die Frage, ob die Vertragsänderung mittels Nachtrag oder nur durch Abschluss eines neuen Verbraucherdarlehensvertrages erfolgen kann, kommt es maßgeblich darauf an, ob dem Verbraucher durch die Vertragsänderung für das Darlehen ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird4. Denn das Wesen eines Darlehensvertrages ist die zeitlich begrenzte Kapitalnutzung. Nur wenn das bei Vertragsschluss ursprünglich eingeräumte Kapitalnutzungsrecht verlängert wird, etwa bei einer Verringerung des Tilgungssatzes außerhalb der vertraglich vorgesehenen Konditionenanpassung, ist der Abschluss eines neuen Verbraucherdarlehensvertrages zwingend erforderlich. Dagegen genügt bei einer bloßen Konditionenanpassung ohne Vereinbarung eines neuen Kapitalnutzungsrechts die Textform (§ 492 Abs. 5 BGB).
10.238
V. Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers (§ 499 Abs. 2 BGB) Bei unbefristeten Verbraucherdarlehen kann der Darlehensgeber nach § 499 Abs. 2 BGB die Auszahlung des Darlehens ganz oder teilweise aus einem sachlichen Grund verweigern. Voraussetzung ist, dass das Leistungsverweigerungsrecht entsprechend vertraglich vereinbart wurde5. Ein sachlicher Grund
1
2 3
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gung wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG iVm. § 134 BGB nichtiger Verträge: von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, Rz. 462. BGH v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, WM 2006, 217; Kessal-Wulf in Prütting/Wegen/ Weinreich, § 492 BGB Rz. 2; Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 14. Müller-Christmann in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, § 492 BGB Rz. 14. Wegen der Aufhebung des § 6 Abs. 6 PAngV ohne Übergangsregelung ist ab 11.6.2010 bei einer vertraglich möglichen Neufestsetzung der Konditionen des Darlehens die Angabe des effektiven Jahreszinses auch bei Verbraucherdarlehensverträgen, die vor dem 11.6.2010 abgeschlossen wurden, nicht mehr erforderlich. Auch bei einer nachträglichen Änderung der Darlehensart (Wechsel von einem Annuitätendarlehen zu einem endgültigen Darlehen) dürfte der Abschluss eines neuen Verbraucherdarlehensvertrages geboten sein. Müller-Christmann/Rösler/Sauer, ForderungsPraktiker 2010, 208 (211).
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
kann beispielsweise in der nachträglichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers (§ 321 BGB) oder in der missbräuchlichen Verwendung des Darlehens liegen, wobei an das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Verwendung hohe Anforderungen zu stellen sind1.
10.240
Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrecht ist gemäß § 499 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Darlehensnehmer in Textform (§ 492 Abs. 5 BGB) unverzüglich mitzuteilen und zu begründen. Die Mitteilung der Gründe hat zu unterbleiben, wenn sie gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verstößt (§ 499 Abs. 2 Satz 3 BGB).
10.241
Gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte werden von § 499 Abs. 2 BGB nicht berührt, dh. ihre Ausübung ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 499 Abs. 2 BGB zulässig2. Auch die Kündigungsmöglichkeiten des Darlehensgebers werden durch die Regelung in § 499 Abs. 2 BGB weder ausgeschlossen noch beschränkt3. § 499 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung auf Immobiliardarlehensverträge (§ 503 Abs. 1 Satz 1 BGB), auf die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit iS des § 504 Abs. 2 BGB (§ 504 Abs. 2 Satz 1 BGB) und auf die geduldete Überziehung (§ 505 Abs. 4 BGB).
10.242–10.250
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Widerrufsrecht (§ 495 BGB) 10.251
Bei einem Verbraucherdarlehen steht dem Darlehensnehmer nach § 495 Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu, das den Verbraucher vor unüberlegten Vertragsabschlüssen schützen soll4. Um den Anforderungen von Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie zu genügen, gelten die allgemeinen Regeln zum Widerrufsrecht allerdings nicht uneingeschränkt. Die Abweichungen von den allgemeinen Vorschriften über das Widerrufsrecht sind bei Verbraucherdarlehen abschließend in § 495 Abs. 2 BGB geregelt5. Danach gelten die §§ 355 bis 359a BGB nur mit bestimmten Maßgaben. Die Regelung in § 360 BGB („Widerrufs- und Rückgabebelehrung“), auf die § 495 Abs. 2 BGB nicht verweist, findet dagegen auf das Widerrufsrecht nach § 495 BGB keine Anwendung6.
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BT-Drucks. 16/11643, S. 85. BT-Drucks. 16/11643, S. 85. BT-Drucks. 16/11643, S. 85; Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (390). Im Verhältnis zu anderen Widerrufsrechten geht das Widerrufsrecht nach § 495 BGB vor (vgl. § 312a BGB für Haustürgeschäfte und § 312d Abs. 5 BGB für Fernabsatzverträge); zu den Widerrufsrechten bei Haustürgeschäften und Fernabsatzverträgen siehe: Kulke, VuR 2009, 12; Kulke, VuR 2009, 373; Schirmbacher, BB 2009, 1088. 5 BT-Drucks. 16/11643, S. 83. 6 Zum Widerrufsrecht bei verbundenen Verträgen siehe Rz. 10.364.
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
kann beispielsweise in der nachträglichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers (§ 321 BGB) oder in der missbräuchlichen Verwendung des Darlehens liegen, wobei an das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Verwendung hohe Anforderungen zu stellen sind1.
10.240
Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrecht ist gemäß § 499 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Darlehensnehmer in Textform (§ 492 Abs. 5 BGB) unverzüglich mitzuteilen und zu begründen. Die Mitteilung der Gründe hat zu unterbleiben, wenn sie gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verstößt (§ 499 Abs. 2 Satz 3 BGB).
10.241
Gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte werden von § 499 Abs. 2 BGB nicht berührt, dh. ihre Ausübung ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 499 Abs. 2 BGB zulässig2. Auch die Kündigungsmöglichkeiten des Darlehensgebers werden durch die Regelung in § 499 Abs. 2 BGB weder ausgeschlossen noch beschränkt3. § 499 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung auf Immobiliardarlehensverträge (§ 503 Abs. 1 Satz 1 BGB), auf die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit iS des § 504 Abs. 2 BGB (§ 504 Abs. 2 Satz 1 BGB) und auf die geduldete Überziehung (§ 505 Abs. 4 BGB).
10.242–10.250
Einstweilen frei.
7. Abschnitt Widerrufsrecht (§ 495 BGB) 10.251
Bei einem Verbraucherdarlehen steht dem Darlehensnehmer nach § 495 Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu, das den Verbraucher vor unüberlegten Vertragsabschlüssen schützen soll4. Um den Anforderungen von Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie zu genügen, gelten die allgemeinen Regeln zum Widerrufsrecht allerdings nicht uneingeschränkt. Die Abweichungen von den allgemeinen Vorschriften über das Widerrufsrecht sind bei Verbraucherdarlehen abschließend in § 495 Abs. 2 BGB geregelt5. Danach gelten die §§ 355 bis 359a BGB nur mit bestimmten Maßgaben. Die Regelung in § 360 BGB („Widerrufs- und Rückgabebelehrung“), auf die § 495 Abs. 2 BGB nicht verweist, findet dagegen auf das Widerrufsrecht nach § 495 BGB keine Anwendung6.
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BT-Drucks. 16/11643, S. 85. BT-Drucks. 16/11643, S. 85. BT-Drucks. 16/11643, S. 85; Schürnbrand, ZBB 2008, 383 (390). Im Verhältnis zu anderen Widerrufsrechten geht das Widerrufsrecht nach § 495 BGB vor (vgl. § 312a BGB für Haustürgeschäfte und § 312d Abs. 5 BGB für Fernabsatzverträge); zu den Widerrufsrechten bei Haustürgeschäften und Fernabsatzverträgen siehe: Kulke, VuR 2009, 12; Kulke, VuR 2009, 373; Schirmbacher, BB 2009, 1088. 5 BT-Drucks. 16/11643, S. 83. 6 Zum Widerrufsrecht bei verbundenen Verträgen siehe Rz. 10.364.
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10. Teil
Widerrufsrecht (§ 495 BGB)
I. Widerrufsinformation (Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) § 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestimmt, dass die bisherigen Widerrufsbelehrung durch eine Widerrufsinformation im Darlehensvertrag ersetzt wird1. Die Pflichtangaben der Widerrufsinformation sind in Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB geregelt. Danach müssen im Darlehensvertrag Angaben zur Widerrufsfrist (14 Tage), zu den anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs und ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten (§ 346 BGB). Zu den „anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs“ gehört der Hinweis auf das Widerrufsrecht und wie der Verbraucher sein Recht ausüben kann. In diesem Zusammenhang dürfte es ausreichend sein, die in § 360 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BGB enthaltenen Hinweisen entsprechend in die Widerrufsinformation aufzunehmen2.
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Des Weiteren muss in der Widerrufsinformation der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag angegeben werden. Dieser ist auf Basis des vereinbarten Sollzinssatzes und der im Darlehensvertrag zugrunde gelegten Zinsberechnungsmethode bei unterstellter Vollauszahlung zu berechnen, auch wenn bei Vertragsschluss noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe das Darlehen vor Ablauf der Widerrufsfrist ausgezahlt wird3.
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Erst durch das Änderungsgesetz v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) wurde eine Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge mit Gesetzlichkeitsfiktion eingeführt und als Anlage 6 zu Art. 247 EGBGB verortet4. Die Verwendung der Musterwiderrufsinformation, auf die in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB und in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB verwiesen wird, ist dem Darlehensgeber freigestellt5.
10.254
Setzt der Darlehensgeber die Musterwiderrufsinformation ein, tritt die Gesetzlichkeitsfiktion allerdings nur ein, wenn der Darlehensgeber das Muster richtig ausfüllt6. Durch die Gestaltungshinweise nicht geforderte Weglassun-
10.255
1 Zu den bisherigen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung: BGH v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, WM 2009, 1497; BGH v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, NJW 2009, 3572; BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, WM 2009, 350. 2 BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 3 BT-Drucks. 17/1394, S. 29. 4 Umstritten ist, ob die bisherigen Muster für Widerrufsbelehrungen (Art. 245 Nr. 1 EGBGB aF iVm. § 14 BGB InfoV) mit den gesetzlichen Regelungen vereinbar sind. Zu dem mit Verordnung v. 5.8.2002 (BGBl. I 2002, S. 3002) eingeführten Muster: bejahend LG Kassel v. 2.2.2007 – 1 S 395/96, NJW 2007, 3136; LG Münster v. 2.8.2006 – 24 O 96/06, WM 2007, 121; ablehnend LG Halle v. 13.5.2005 – 1 S 28/95, WM 2007, 119; LG Koblenz v. 20.12.2006 – 12 S 128/06, ZIP 2007, 638; offen gelassen von OLG Koblenz v. 9.1.2006 – 12 U 740/04, NJW 2006, 919. Zu dem mit Verordnung v. 4.3.2008 (BGBl. I 2008, S. 292; BA v. 14.3.2008, S. 957) eingeführten Muster: zweifelnd Masuch, NJW 2008, 1700. 5 BT-Drucks. 17/1394, S. 21. 6 Der Einsatz der Musterwiderrufsinformation vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes v. 24.7.2010 (BGBl. I 2010, S. 977) dürfte nicht dem bis zum 30.7.2010 geltenden Recht genügen, Bülow, NJW 2010, 1713; da die Musterwiderrufsinformation
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10. Teil
Kreditgeschäft mit Verbrauchern
gen oder Ergänzungen führen zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion1. Zusätzliche Vereinbarungen oder Informationen, etwa die Regelung des Widerrufsrechts bei mehreren Darlehensnehmern, können nur außerhalb der gesetzlichen Widerrufsinformation getroffen werden2. Die bisherige Rechtsprechung des BGH zu Zusätzen in einer Widerrufsbelehrung dürfte daher auf Grund des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers auf die Musterwiderrufsinformation nicht übertragbar sein3.
10.256
Lediglich in Format und Schriftgröße darf der Darlehensgeber von dem gesetzlichen Muster abweichen (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4 EGBGB und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 4 EGBGB). Allerdings muss die in den Darlehensvertrag zu integrierende Musterwiderrufsinformation in ihrer Form hervorgehoben und deutlich gestaltet sein (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB). Sie muss sich also durch Farbe, größere Buchstaben, Sperrschrift, Fettdruck oder auf andere Art in nicht übersehbarer Weise aus dem übrigen Vertragstext herausheben4.
II. Widerrufsfrist
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Nach § 495 Abs. 2 BGB iVm. § 355 Abs. 2 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage5. Der Fristbeginn ist nach § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB vom Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages und vom Erhalt der Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB durch den Darlehensnehmer abhängig6. Sind die Pflichtangaben im Darlehensvertrag vollständig enthalten, setzt der Beginn der Widerrufsfrist den Erhalt der Vertragsurkunde, des schriftlichen Vertragsantrags des Darlehensnehmers oder einer entsprechenden Abschrift durch den Darlehensnehmer voraus7. Die Beweislast hinsichtlich des Fristbeginns trägt das Kreditinstitut (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB).
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zahlreiche Gestaltungshinweise enthält, ist fraglich, ob das gesetzliche Muster den Unternehmen Rechtssicherheit bietet, Volmer, DNotZ 2010, 591. BT-Drucks. 17/1394, S. 22. BT-Drucks. 17/1394, S. 22. Trotz des Verbotes anderer Erklärungen in der Widerrufsbelehrung hat der BGH Zusätze, die sinnvoll und zutreffend sind, für zulässig erachtet, BGH v. 24.4.2007 – XI ZR 191/06, WM 2007, 1117; BGH v. 21.11.2006 – XI ZR 347/05, WM 2007, 200. Hinsichtlich der Anforderungen an die äußere Gestaltung kann auf die bisherige Rechtsprechung zum Deutlichkeitsgebot einer Widerrufsbelehrung zurückgegriffen werden: BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, WM 2009, 350; BGH v. 18.4.2005 – II ZR 224/04, WM 2005, 1166; BGH v. 18.10.2004 – II ZR 352/02, WM 2004, 2491. Zur Zulässigkeit der formularmäßigen Vereinbarung einer Verlängerung: BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 47/08, BKR 2009, 167. Nach dem bis zum 11.6.2010 geltenden Recht war der Vertragsschluss keine Voraussetzung für den Fristbeginn bei Verbraucherdarlehen. Bei Vorliegen der