BAND 66 Die Syntax der Satzkomplementierung: Zur Struktur des Nachfeldes im Deutschen 9783050087290, 9783050044316

In theoretischen Arbeiten zur Syntax des Deutschen hat der rechte Satzrand bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden. Die vor

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German Pages 230 [232] Year 2007

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BAND 66 Die Syntax der Satzkomplementierung: Zur Struktur des Nachfeldes im Deutschen
 9783050087290, 9783050044316

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Jiro Inaba Die Syntax der Satzkomplementierung

studia grammatica Herausgegeben von Manfred Bierwisch unter Mitwirkung von Hubert Haider, Stuttgart Paul Kiparsky, Stanford Angelika Kratzer, Amherst Jürgen Kunze, Berlin David Pesetsky, Cambridge (Massachusetts) Dieter Wunderlich, Düsseldorf

studia grammatica 66 Die Syntax der Satzkomplementierung Zur Struktur des Nachfeldes im Deutschen

Akademie Verlag

D 30

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-05-004431-6 ISSN 0081-6469

© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2007 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Druck und Bindung: MB Medienhaus Berlin Printed in the Federal Republic of Germany

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung Abstract

1. Einleitung

ix xi

1

2. Wortstellung und Kopfparameter 2.1. Der Kopfparameter 2.2. Die Wortstellung im Deutschen 2.3. Fazit und Diskussion 2.4. Appendix: Einige Bemerkungen zu neueren Theorien der Wortstellung 2.4.1. Lexical Correspondence Axiom 2.4.2. Probleme des LCA 2.4.3. PF-Behandlung der Wortstellung

5 6 8 11 14 15 18 21

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen 3.1. Problemstellung 3.2. Extraposition als Bewegung 3.3. Extraposition als Basisstruktur - Probleme der Bewegungsanalyse 3.3.1. ^-Extraktion 3.3.2. Langes Scrambling 3.3.3. Bindung und Rekonstruktion 3.3.4. VP-Topikalisierung 3.3.5. Konzeptuelle Aspekte 3.4. Weitere Aspekte der Basisanalyse 3.4.1. Unterschiedliche Positionen der Komplemente 3.4.2. Der Verbalkomplex 3.4.3. Satzkomplemente von Adjektiven 3.4.4. Mehrfache Extraposition 3.5. Fazit

25 26 30 34 34 35 37 41 43 48 48 50 52 54 54

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion 4.1. Theoretische Grundlagen 4.1.1. Zur Kohärenz eines Infinitivkomplements 4.1.2. Analysevorschläge zur Kohärenz 4.1.3. VP-Analyse zur Kohärenz 4.1.4. Status der dritten Konstruktion 4.1.5. „Extraposition" und die dritte Konstruktion

55 55 56 58 59 64 67

vi

Inhaltsverzeichnis 4.2. Scrambling und Pseudoscrambling 4.2.1. Pseudoscrambling 4.2.2. Scrambling und A-Bewegung 4.2.3. Ökonomie der Bewegung 4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion 4.3.1. Α-Bewegung und die Ableitung der dritten Konstruktion 4.3.2. Fernpassivierung in der dritten Konstruktion 4.3.3. Kasuslizenzierung im Nachfeld 4.3.4. Offene Fragen 4.3.4.1. Pseudoscrambling von anderen Elementen 4.3.4.2. Möglichkeit des Verb (Projection) Raising 4.4. Fazit

69 69 71 75 80 81 84 86 92 93 94 96

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen 5.1. Einleitung und Vorstellung bisheriger Analysen 5.1.1. Extraposition als syntaktische Bewegung 5.1.2. Extraposition als basisgenerierte Adjunktion 5.1.3. Extraposition als Folge einer Bewegung nach links 5.1.4. Extraposition als basisgenerierte Einbettung 5.1.5. Extraposition als phonologische Operation 5.1.6. Extraposition und Lokalität 5.2. Die Struktur der Extraposition 5.2.1. Extraposition im Englischen 5.2.2. Extraposition im Deutschen 5.3. Eine postsyntaktische Analyse der Extraposition 5.4. Probleme syntaktischer Erklärungsansätze 5.4.1. Die Relevanz der Linearität 5.4.2. Die Extraposition mehrerer Relativsätze 5.4.3. Die Extraposition eines Relativsatzes und eines Komplementsatzes 5.5. Weitere empirische Domänen und deren Konsequenzen 5.5.1. Extraposition als Interaktion von Regeln 5.5.2. Phonologische Extraposition fur Komplementsätze 5.6. Fazit

97 98 98 99 101 103 104 106 108 108 110 116 121 121 122

6. Zur Analyse der Stellungseigenschaften von Satzkomplementen 6.1. Bisherige Analysen zum Deutschen 6.1.1. Universal kopfinitiale Struktur 6.1.2. Branching Constraint 6.1.3. Argument Shift 6.2. Typologische Aspekte 6.2.1. Stellungsasymmetrie zwischen nominalen und satzwertigen Komplementen 6.2.2. Stellung des Komplementierers

131 131 132 133 136 140

124 126 126 128 130

141 144

Inhaltsverzeichnis 6.2.3. Präverbale Satzkomplemente 6.2.3.1. „Hybride" Sprachen 6.2.3.2. Eine strikt kopffinale Sprache: Japanisch 6.2.3.3. Die sprachübergreifende Absenz finaler C-Köpfe 6.3. Ein Analysevorschlag 6.4. Linearisierung und zyklischer Spell-out 6.4.1. Zyklischer Spell-out und die Theorie der Phase 6.4.2. Phase und Spell-out-Domäne 6.4.3. Eine phasentheoretische Analyse 6.4.4. Weitere Konsequenzen 6.5. Fazit 7. Schlussbemerkungen

Bibliographie Index

vii 146 147 151 156 161 169 170 171 174 178 182 183

185 207

Vorbemerkung

Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im April 2006 am Fachbereich Neuere Philologien der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main eingereicht habe. Ich möchte an dieser Stelle einer ganzen Reihe von Personen danken, die mir bei dieser Arbeit mit Rat und Unterstützung zur Seite gestanden haben. Zuallererst möchte ich mich bei Günther Grewendorf, meinem Doktorvater, ganz nachdrücklich bedanken. Seine Anregungen und fachlichen Einsichten sowie sein Interesse an meiner Arbeit haben maßgeblich das beeinflusst, was hier in der Form eines Buches vorliegt. Den Mitgliedern meiner Promotionskommission möchte ich für ihre Unterstützung danken: Helen Leuninger, Helmut Weiß, Rainer Vossen und insbesondere Ede Zimmermann, der mein Gutachten erstellt hat, sowie Jost Gippert, der mit seinen Anmerkungen zur Klärung der typologischen Aspekte entscheidend beigetragen hat. Für den reibungslosen und zügigen Verlauf des Promotionsverfahrens bedanke ich mich bei Eberhard Fahlke und Sigrid Vieth. Während meiner Zeit in Frankfurt haben viele Freunde und Kollegen dazu beigetragen, dass ich die Dissertation in einer angenehmen Atmosphäre abschließen konnte. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen, vor allem Patrick Brandt, Tomislav Bucalic, Banu Ergünal, Benjamin Kratz, Verena Mayer, Peter Ohl, Florian Remplik, Frank Ruhe, Andreas Runkel, Lela Samushia, Magdalena Schwager, Anke Stakemann, Thomas Strobel, Naomi Takebe, Andreas Waibel und Malte Zimmermann. Für ihre Diskussionsbereitschaft bedanke ich mich auch bei Hans-Martin Gärtner, Joachim Säbel, Peter Seils, Markus Steinbach und insbesondere bei Kleanthes Grohmann. In der Endphase meiner Promotion hatte ich die Gelegenheit, meine Ideen mit zwei Syntaktikern zu diskutieren, deren Arbeiten die Theoriebildung vieler Themen des vorliegenden Buches nachhaltig beeinflusst haben: Hubert Haider erklärte mir persönlich wichtige Aspekte seiner Ideen. Josef Bayer hat nicht nur einige Abschnitte meiner Arbeit ausfuhrlich kommentiert, sondern sich auch sofort bereit erklärt, als externer Gutachter zu fungieren, als dies nötig wurde. Beiden möchte ich dafür herzlichst danken. Besonderer Dank gebührt Eric Fuß, ohne den die vorliegende Arbeit nicht in dieser Form zustande gekommen wäre. Er hat sich unermüdlich und geduldig immer die Zeit genommen, mit mir alle möglichen (und unmöglichen) Fragen und Probleme zu diskutieren. Inhaltlich wurde der Grundstein meiner Doktorarbeit in Tübingen gelegt. Was ich dort von Marga Reis gelernt habe, lässt sich kaum in Worte fassen. Dafür möchte ich ihr von Herzen danken. Für fachliche und persönliche Unterstützung bin ich ferner meinen anderen Tübinger Lehrern und Kollegen zu Dank verpflichtet: Fritz Hamm, Martin Ley, Detmar Meurers, Jürgen Pafel, Frank Richter, Manfred Sailer, Arnim von Stechow, Wolfgang Sternefeld, Beata Trawinski, Katrin Engel und insbesondere Tilman Höhle.

χ

Vorbemerkung

Manfred Bierwisch, der mit seinen ausfuhrlichen Kommentaren wesentlich zur Verbesserung der vorliegenden Studie beigetragen hat, und dem Akademie Verlag, namentlich Peter Heyl, danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe studia grammatica. Schließlich möchte ich meinen Dank allen Lehrern und Kollegen in Japan aussprechen, unter anderem Motoyuki Aoki, John Boccellari, Junji Hamamatsu, Kinsuke Hasegawa, Yasuhito Hosaka, Noriko Imanishi, Takane Ito, Tetsuro Kaji, Kaoru Koda, Haruo Nitta, Yasu-yuki Nomura, Minora Shigeto, Gabriele Stumpp, Masatoshi Tanaka, Akira Watanabe, Shuichi Yatabe, Mitsunobu Yoshida und Shigera Yoshijima. Mein besonderer Dank gilt Yoshiki Mori, der mir als in jeder Hinsicht hilfsbereiter Senpai immer beistand. Am Ende möchte ich mich auch bei meiner Familie sowie meinen Verwandten bedanken, die mich zu jeder Zeit unterstützt haben. Jiro Inaba Hiroshima, Juli 2007

Abstract

This book deals with some of the central problems concerning the so-called Nachfeld ('postfield') in the clause structure of German. This investigation, which is carried out within the framework of Principles and Parameters Theory, focuses on post-verbal sentential complements selected by a matrix verb. As Chomsky (2005) puts it, the possibility of "recursive embedding" can be regarded as "the core property of language" which typically manifests itself in sentential complementation. The present work thus directly tackles an important sub-area of this essential property of human language. The appearance of a sentential complement in the Nachfeld deserves special attention because German is a so-called SOV-language, that is, with a head-final VP. Accordingly, complements of other sorts, in particular DP-complements, occupy a preverbal position in the so-called Mittelfeld ('middlefield') of the clause: (1)

(2)

a. Frank hat mir erzählt [Cp dass die Eintracht Meister wird] Frank has meDat told [Cp that the Eintracht champion becomes] 'Frank told me that Eintracht will become champions.' b. #Frank hat mir [Cp dass die Eintracht Meister wird] erzählt a. Frank hat mir [DP die Wahrheit] erzählt. Frank has meDat [DP the truth]Acc told 'Frank told me the truth.' b. *Frank hat mir erzählt [DP die Wahrheit],

This book investigates structural properties of post-verbal sentential complements in German, especially in comparison with another typical case of Nachfeld occupation, namely extraposition of relative clauses. The main theoretical goal is to provide an explanation for the long-standing question why sentential complements show up to the right of the selecting matrix verb in German, despite the general OV-character of the language. Here it should be pointed out that the so-called right edge of the clause is in general an insufficiently investigated area, particularly as compared to the structure of the left periphery, which has been a topic of fruitful discussion across languages since Rizzi (1997). This situation also applies to German (cf. e.g. Lohnstein & Trissler 2004, Frey 2004, Grewendorf, to appear, and the literature cited therein). The present work can be taken as a first step to filling this gap within current theorizing. In the following, I summarize the main points of each of the substantial chapters of this book. Chapter 2 gives an overview of the basic empirical and theoretical aspects concerning word order, especially with respect to the positioning of head and complement. It is demonstrated that word order facts in German cannot be properly described by means of a uniform setting of head-parameter, unlike in English (head-initial) or in Japanese (head-final). I argue that this situation need not be regarded as problematic and that analyses that postulate a universal (head-initial) base structure, such as Kayne (1994) or Zwart (1997a), are empirically and methodologically inadequate. I show at

xii

Abstract

the end of this chapter that the traditional assumption of a head-parameter can basically be reconciled with the newer model for linearization according to which the headparameter or the process of linearization takes effect only outside the overt syntax or in the PF component. Chapter 3 is devoted to the investigation of structural properties of the post-verbal sentential complement in German, as already exemplified in (la). As one of the main theses of this work, I claim that the post-verbal positioning of the sentential complement does not result from rightward movement out of the Mittelfeld, as is generally assumed among many generative theoreticians (cf. the prevalent term "extraposition"); rather it reflects post-verbal base-generation. I present various empirical data (pertaining to VPtopicalization and extraction, among others) as well as conceptual arguments in support of this claim. Whereas the discussion up to this point focuses on finite sentential complements, I take up in Chapter 4 a special case of post-verbal infinitival complementation with zu ('to'); the so-called third construction as shown in (3): (3)

Eric hat den ganzen Bembel versucht zu trinken. Eric has the whole jug tried to drink 'Eric tried to drink the whole jug of apple wine.'

Based on my thesis from the preceding chapter - that post-verbal sentential complements, including infinitival clauses, are base-generated in their surface position - I put forward an analysis for (3) which assumes that an element is extracted out of the postverbal infinitival complement (by assumption a sister of matrix V) into the Mittelfeld of the matrix clause (see (5) below). As a theoretical background for the so-called "coherence" problem, I follow the basic idea of Wurmbrand (2001) that coherent infinitival complements can be represented as VP and that the accusative Case of the embedded argument is functionally licensed by matrix v. Among other things, this provides us with a straightforward explanation of Case inversion in long passive constructions: (4)

weil der Wagen zu reparieren versucht wurde because the carNom to repair tried was 'because it was tried to repair the car'

As for the third construction, which is observed only in a subset of coherent constructions, I presuppose that the post-verbal infinitival part is also of category VP and that the embedded argument is moved ("pseudo-scrambled") into the matrix by way of Amovement. The Case of the moved argument is licensed in its landing site. I argue that the Α-properties of this movement, despite its optionality, can be derived from the concept of economy. (5)

Eric hat [vP [den ganzen Bembelji v[+Acc] [ypi versucht [yp2 k zu trinken]]].

I further demonstrate that my analysis provides an explanation for constructions of a special type in which a nominative DP shows up in the post-verbal infinitival. Such constructions have been hardly dealt with properly in the literature. (6) is an example:

Abstract (6)

xiii

obwohl damals anfing [der Mond zu scheinen] (Meurers 2000) although at-that-time began [the moonNom to shine] 'although the moon began to shine at that time'

Here I argue that the nominative within a coherent infinitive (by assumption, a VP) is licensed by the matrix Τ by means of covert movement of the DP's Case feature. The investigation in this chapter thus opens up a new perspective for those hitherto rather poorly understood constructions. They serve, furthermore, as a case study in support of my aforementioned claim that post-verbal sentential complements, including infinitival ones, are base-generated in the Nachfeld. Chapter 5 is devoted to extraposition of restrictive relative clauses, another typical case of Nachfeld occupation in German. It is shown that extraposition of restrictive relative clauses in German, in contrast to English, does not bring about LF-relevant semantic effects (such as binding principles, binding by quantifiers, licensing of negative polarity items, etc.); in other words, the extraposed relative clause in German is interpreted in its base position or exhibits a complete reconstruction effect. Accordingly, I assume that in German, extraposition of relative clauses is a movement operation which applies outside the syntactic component. For this purpose, I propose the following rules that take non-generative-syntactic concepts into account: (7) (8)

Extraposition places the relative clause into the nearest Nachfeld. Extraposition cannot linearly skip an NP that can be a potential antecedent of the relative clause.

The so-called full reconstruction effects, as mentioned above, provide a strong argument in favor of analyses that assume rightward movement of the extraposed relative clause. I furthermore present various kinds of data that raise problems for a syntactic movement analysis but can be neatly subsumed under a post-syntactic movement analysis. These include the following examples, where both a complement clause and a relative clause show up post-verbally (i.e. "extraposed") as in (9), a type of construction that has not yet received an appropriate analysis in the literature: (9)

(10) (11)

weil Verena jedem Kerl erzählt [dem sie auf der Party begegnet] [dass sie introvertiert sei] because Verena every guyDat tells [whoDat she on the party meets] [that she introvert issubj] 'because Verena tells every boy that she meets at the party that she is an introvert' weil Verena jedem Kerl [dem sie auf der Party begegnet] erzählt [dass sie introvertiert sei] *weil Verena jedem Kerl erzählt [dass sie introvertiert sei] [dem sie auf der Party begegnet]

My investigations so far concerning post-verbal positioning of complement clauses and relative clauses, respectively, lead us to the representation in (10) at the point of Spellout or as the input to the phonological component where extraposition of relative clauses applies. Rule (7) applies to (10) and produces the correct representation in (9),

Abstract

xiv

whereas syntactic movement would give rise to the ill-formed (11). These data, which at first sight seem to contradict base-generation of the complement clauses, actually render further support for the analysis. The research in this chapter also demonstrates that post-verbal complement clauses and relative clauses, respectively, possess entirely different properties concerning their structural status, although these two types of subordinate clauses are, when they appear in the Nachfeld, usually treated uniformly under the term "extraposition" in most of the theoretical literature. Chapter 6 finally tries to give an account for why sentential complements in German appear post-verbally. Adopting the basic idea of Bayer (1996), I claim that the C-head of the complement clause and the selecting matrix verb tend to select their respective complement in the same direction. This generalization gives rise to the schemata in (12) for languages with initial complementizers, which are actually borne out: (12)

a. V [Cp C IP] b. * [ C p C IP] V

I next turn to cases of pre-verbal sentential complementation. The above generalization predicts that it ought to have the structure (13) instead of (12b). (13)

[CP

IP C] V

Upon closer scrutiny, however, it turns out that the apparent sentence-final complementizers in languages such as Japanese or Bengali fail to exhibit properties characteristic of prototypical complementizers such as German dass or English that (cf. Harada 1976, Fukui 1995a for the complementizer-like element to in Japanese). Since there exists no clause-final functional category that can be indisputably classified as a complementizer, it is claimed that what looks like (13) in some verb-final languages actually has the representation (14). (14)

[ X P . . . I P . . . X ] V (X = D / N , P , V , * C )

I propose the following generalizations for the typological investigation of this work: (15) (16)

When a matrix verb V selects a CP with its head C, V and C tend to select in the same direction. There exists no clause-final complementizer that can be regarded unanimously as a functional category C.

Combining these generalizations, we further obtain the generalization that, if a CPcomplement is directly selected by a matrix verb, the former appears to the right of the latter. The post-verbal appearance of the CP-complements in German, or any other OVlanguage, is a direct consequence of this universally valid property of language. In the last part of this chapter, I try to give a principled explanation for the postverbal positioning of these CP-complements on the basis of latest models that deal with linearization of syntactic structures. Starting from the assumption that the derivation proceeds cyclically or phase by phase (cf. e.g. Chomsky 2004, 2005), it is assumed that CPs, as opposed to DPs (and others types of phrases), constitute an independent spell-

Abstract

xv

out domain that is sent to the phonological component PF, where linear order is determined. That is, CPs are handed over to PF as a unit, separated from the elements of the higher spell-out domains. I further assume that elements sent to the phonological component earlier are realized (i.e. pronounced) later in the phonological string of words, which is in line with the bottom-up building of phrase structure by way of recursive merge. As a consequence, the CP-complement of the verb is spelled out first, since it is an independent spell-out domain, and separated from the rest of the syntactic structure. Only later is it realized in the phonological component: (17)

a. ... [vp XP [v· CP V]] (linear order irrelevant) b. PHON:

This mechanism first of all accounts for the final positioning of the CP-complement in languages under consideration. Concerning the process of linearization within a single spell-out domain, I follow the basic insight of Haider's (e.g. 1994a, 1995a, 1997a) Branching Constraint that the projection line is in principle right-branching while the relative order between a (zero-bar) head and its complement is subject to parametric variation. In the case of German, there is a category-specific rule like (18) that has to be learned by language learners: (18)

XP>V

This yields the ordering DP] > V for the set {DP), V} found in the syntactic structure (19a). For the constituents located higher in the projection (e.g. DP2 in (19a)), the Branching Constraint comes into effect, and they are realized or linearized before the constituents along the projection line. For the syntactic representation (19a), we therefore obtain a linearized string like (19b). (19)

a. ... [Vp DP2 [V DP, V]] (linear order irrelevant) b. PHON:

From a theoretical point of view, there remain of course further issues to be pursued. This, however, is rather due to the fact that the set of theoretical assumptions and mechanisms applied here is the target of intense dispute in current syntactic theorizing. In this sense, the proposed analysis contributes to the ongoing discussion as well as to the understanding of a long-standing problem in the study of the syntax of German.

1. Einleitung

Eine der wesentlichen Eigenschaften menschlicher Sprache besteht in der Fähigkeit rekursiver Einbettung, die es erlaubt, im Prinzip beliebig lange Sätze zu produzieren. In einer seiner neuesten Arbeiten drückt Chomsky (2005: 3) diese „core property of language - recursive embedding" folgendermaßen aus: (1)

As has long been recognized, the most elementary property of language - and an unusual one in the biological world - is that it is a system of discrete infinity consisting of hierarchically organized objects. (Chomsky 2005: 4)

Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit einem Teilaspekt dieses Phänomenbereichs, den Stellungseigenschaften satzwertiger Komplemente von Verben im Deutschen. Den Ausgangspunkt der Arbeit bildet die Frage, warum das Satzkomplement in Beispielen wie (2) rechts vom Verb erscheint - obwohl das Deutsche grundsätzlich eine sog. OVSprache ist (vgl. (3)) - und wie die Struktur dieser Satzkomplementierung syntaktisch zu repräsentieren ist: (2) (3)

a. Frank hat mir erzählt [dass die Eintracht Meister wird], b. #Frank hat mir [dass die Eintracht Meister wird] erzählt. a. Frank hat mir [die Wahrheit] erzählt, b. *Frank hat mir erzählt [die Wahrheit].

Die unterschiedliche Stellung von kategorial verschiedenen Komplementen hat in der Forschung noch keine befriedigende Erklärung gefunden (siehe Kap. 6 fur eine kritische Übersicht bisheriger Erklärungsansätze). Eine der zentralen Thesen dieser Arbeit ist es, dass Satz (2a) nicht als Folge einer Bewegung aus (2b) entsteht, sondern die Basisstruktur repräsentiert. Generell ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass der Struktur des rechten Satzrandes in der gegenwärtigen Forschung weit weniger Beachtung geschenkt wird als der Struktur der linken Satzperipherie, die seit Rizzi (1997) intensiv diskutiert wird. Dabei stellt gerade die rechte Satzperipherie bzw. das Nachfeld meiner Ansicht nach einen bis heute nur unzureichend erforschten Bereich der deutschen Syntax dar. Neben der Position von Satzkomplementen werden daher in dieser Arbeit weitere das Nachfeld betreffende Phänomene diskutiert; es handelt sich einerseits um die sog. dritte Konstruktion - wie in (4) - und andererseits um die Extraposition des Relativsatzes (5), insbesondere im Zusammenhang mit mehrfacher Nachfeldbesetzung wie in (5b): (4) (5)

als er den ganzen Bembel versuchte zu trinken a. ich wollte lieber eine Frau begleiten [die nicht zu viel spricht] b. weil Verena jedem Kerl erzählt [dem sie auf der Party begegnet] [dass sie introvertiert sei]

2

1. Einleitung

Ich lege hierzu jeweils eigene Analysen vor: Die dritte Konstruktion entsteht mittels einer Bewegung aus dem postverbalen Infinitivkomplement heraus, das sich in seiner Basisposition befindet. Zur Extraposition des Relativsatzes werde ich entgegen den geläufigen syntaktischen Ansätzen die Ansicht vertreten, dass es sich dabei um einen postsyntaktischen Bewegungsprozess handelt. Diese Analysevorschläge liefern nicht nur eine neuartige Erklärung für die Phänomene in (4) und (5). Es wird darüber hinaus auch deutlich werden, dass auf diese Weise weitere Unterstützung für die These der Basisgenerierung des „extraponierten" Satzkomplements - wie in (2a) - gewonnen werden kann (vgl. jeweils Kap. 4 und 5). Die Analyse der postverbalen Stellung von CP-Komplementen, die ich im Rahmen dieser Arbeit vorschlagen möchte, basiert zunächst auf der Beobachtung, dass das Matrixverb und der Kopf des vom Verb selegierten CP-Komplements sprachübergreifend die gleiche Selektionsrichtung aufweisen. Im Anschluss daran wird dafür argumentiert, dass CP-Komplemente universal nur rechts vom seiegierenden Verb erscheinen können, während die Stellung von nicht-satzwertigen Komplementen durch einen sprachübergreifend variablen Kopfparameter festgelegt ist. Für präverbale Satzkomplemente, wie sie in strikt kopffinalen Sprachen auftreten, werde ich zu zeigen versuchen, dass es sich bei ihnen kategorial nicht um CPs, sondern vielmehr um DP-, PP- bzw. VP-Einbettung handelt oder sie eventuell gar keine Komplementierung im strikten Sinne darstellen. Abschließend wird vor dem Hintergrund neuester theoretischer Entwicklungen (Chomsky 2000, 2001, 2004, 2005) eine Erklärung für die universal postverbale Stellung von CPKomplementen vorgeschlagen. Basierend auf der Annahme, dass der syntaktische Strukturaufbau in abgeschlossenen Zyklen („Phasen") erfolgt - die einzeln an die postsyntaktischen Komponenten der Grammatik übergeben werden (sog. „zyklischer Spellout") - werde ich dafür argumentieren, dass CPs im Gegensatz zu DP-, PP- und VPKomplementen eigenständige Spell-out-Domänen darstellen. Dies hat den Effekt, dass CP-Komplemente als separate Spell-out-Domänen früher an die phonologische Komponente geschickt werden, während nicht-satzwertige Ergänzungen erst zusammen mit dem seiegierenden Verb Gegenstand von Spell-out werden. Dieser Unterschied im Zeitpunkt des Spell-out bewirkt nun, dass nicht-satzwertige Ergänzungen in Abhängigkeit von der Selektionsrichtung des Verbs linearisiert werden (OV oder VO), während der frühe Spell-out von CP-Komplementen zur Folge hat, dass sie am rechten Rand der zyklisch konstruierten PF-Repräsentation erscheinen. Ich gebe nun einen kurzen Überblick über die substantiellen Kapitel der vorliegenden Arbeit. Als konzeptuelle Grundlage der Untersuchung wird die sog. Prinzipien- und Parametertheorie (vgl. Chomsky 1981 und darauf aufbauende Literatur) vorausgesetzt. Bei konkreten Analysen stütze ich mich grundsätzlich auf die Annahmen des Minimalistischen Programms seit Chomsky (1995c). Wichtige Unterschiede in den jeweiligen theoretischen Modellen innerhalb der generativen Tradition, die ζ. B. die Behandlung der Wortstellung betreffen, werden an den entsprechenden Stellen erläutert. Kapitel 2 gibt einen Überblick über grundsätzliche empirische und theoretische Aspekte der Stellung von Komplementen. Dabei wird dafür argumentiert, dass die Tatsache, dass das Deutsche - im Gegensatz zum Englischen (strikt VO) oder Japanischen (strikt OV) - keinen einheitlichen Parameterwert für die Abfolge von Kopf und Komplement aufweist (z. B. selegiert Ρ nach rechts, während V nach links selegiert), nicht als ein Problem betrachtet werden sollte. Insbesondere wird gezeigt, dass Analysen, die

1. Einleitung

3

auf Kayne (1994) basieren und von einer universal kopfinitialen Basisstruktur ausgehen, nicht adäquat sind. Ferner wird ausgeführt, wie sich die traditionelle Annahme eines Kopfparameters im Rahmen neuerer Ansätze zur Wortstellung, die den Linearisierungsprozess auf die PF-Ebene verlegen, rekonstruieren lässt. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der strukturellen Position von Satzkomplementen, die im Nachfeld auftreten. Aufbauend auf einer Diskussion bisheriger Analyseansätze vertrete ich die Ansicht, dass die Nachfeldstellung des Satzkomplements nicht das Resultat einer Bewegungsoperation (= „Extraposition") ist, sondern bereits in der zugrunde liegenden Struktur vorliegt. Diese These gilt sowohl fur finite als auch fur postverbal erscheinende infinitive Komplemente und wird vor allem durch empirische Befunde (u. a. aus VP-Topikalisierungsdaten und Extraktionsasymmetrien), aber auch aufgrund konzeptueller Überlegungen gestützt. Kapitel 4 behandelt die sog. dritte Konstruktion, die einen speziellen Fall einer (postverbalen) Infinitivkomplementierung darstellt. Ich schließe mich zunächst dem Vorschlag von Wurmbrand (2001) an und gehe davon aus, dass kohärente Infinitivkomplemente, mit denen die dritte Konstruktion auftreten kann, als VPs zu analysieren sind und der Kasus eines eingebetteten Arguments erst im Matrixsatz lizenziert wird. Dann schlage ich eine Ableitung der dritten Konstruktion vor, bei der das Infinitivkomplement rechts vom Matrixverb basisgeneriert wird und anschließend eine Bewegung (sog. „Pseudoscrambling") aus dem Infinitivkomplement heraus in das Mittelfeld des Matrixsatzes erfolgt. Es wird dabei auch gezeigt, dass wesentliche Eigenschaften dieser Bewegungsoperation, die trotz ihrer Optionalität Züge einer Α-Bewegung aufweist, auf das Konzept der derivationellen Ökonomie zurückgeführt werden können. Diese Analyse ermöglicht darüber hinaus eine Erklärung für eine marginale und bislang kaum untersuchte Konstruktionsart, in der ein Nominativsubjekt im postverbalen Infinitivkomplement auftritt. Die Ergebnisse dieses Kapitels liefern weitere Unterstützung für die Annahme, dass die postverbalen Satzkomplemente des Deutschen (in diesem Fall das Infinitivkomplement) im Nachfeld basisgeneriert sind. Im Kapitel 5 wird mit der Extraposition von Relativsätzen ein weiterer typischer Fall der Nachfeldbesetzung behandelt. Dabei wird gezeigt, dass die Extraposition des Relativsatzes im Deutschen - anders als im Englischen - keine semantischen Effekte auf LF hervorruft. Darauf aufbauend werde ich im Gegensatz zu gängigen syntaktischen Analysen vorschlagen, dass die Nachfeldstellung von Relativsätzen im Deutschen besser als Resultat einer postsyntaktischen Bewegungsoperation aufzufassen ist, und demonstrieren, dass syntaktische bzw. strukturell-konfigurationale Analysen auf Probleme stoßen. Die Diskussion in diesem Kapitel stellt somit zunächst klar, dass „Extraposition" bzw. die Nachfeldstellung von Komplementsätzen und Relativsätzen getrennt zu betrachten sind. Die vorgeschlagene Analyse bietet ferner eine neuartige Erklärung für bislang nur unzureichend untersuchte Fälle, in denen beide Typen von Nebensätzen im Nachfeld erscheinen. Kapitel 6 schließlich befasst sich mit der Frage, warum das Satzkomplement im Deutschen rechts vom Matrixverb erscheint. Ich stelle zunächst einige bereits existierende Vorschläge zu diesem Problem vor und überprüfe ihre Adäquatheit. Dann wende ich mich den typologischen Aspekten der Satzkomplementierung zu. Aufgrund empirischer Untersuchungen wird sich herausstellen, dass die Stellung des Komplementsatzes und die seines Komplementierers miteinander in Zusammenhang stehen. Anschließend wird dafür argumentiert, dass präverbale Satzkomplemente sprachübergreifend keinen

4

1. Einleitung

CP-Status besitzen und dass scheinbare finale „Komplementierer" einen anderen kategorialen Status besitzen als die satzinitialen Komplementierer in Sprachen wie Deutsch oder Englisch. Aus diesen sprachübergreifenden Generalisierungen folgt, dass CP-Komplemente universal postverbal erscheinen, während bei der Stellung nominaler Komplemente sprachspezifische Parameter wirken. Diesen Sonderstatus von CPs versuche ich dann im Rahmen neuerer generativer Ansätze zur Linearisierung darauf zurückzuführen, dass diese - im Gegensatz zu DPs - bei zyklischem Spell-out eine Phase bzw. eine eigenständige Spell-out-Domäne bilden.

2. Wortstellung und Kopfparameter

„Die Wortstellung gehört nach Auffassung vieler Grammatiker zu den wichtigsten Gebieten der Syntax." (Eisenberg 1994: 397) Diese Ansicht zugrundelegend, liefere ich in diesem Kapitel einige empirische Beobachtungen zum Thema Wortstellung und skizziere die in dieser Arbeit vorausgesetzten theoretischen Annahmen. Ich konzentriere mich unter anderem auf die relative Abfolge des Kopfes einer Phrase und seines Komplements. In einer Sprache sind die Wortstellungsvarietäten innerhalb unterschiedlicher phrasaler Kategorien, die theoretisch im Grunde unabhängig voneinander zu bestimmen sind, meistens nicht willkürlich, sondern weisen bestimmte Tendenzen auf. Dies demonstriert Joseph Greenberg (1963) in seiner Pionierarbeit zum Thema „Typologie der Grundwortstellung" (basic order typology). Wenn wir jetzt die Diskussion auf den uns direkt betreffenden Bereich beschränken, spielt die Unterscheidung zwischen SVO und SOV dabei eine zentrale Rolle. Greenberg (1963: 61) stellt z.B. fest, dass von den von ihm untersuchten 13 SVO-Sprachen sowie 11 SOV-Sprachen die Ersteren meistens Präpositionen und die Letzteren ausnahmslos Postpositionen besitzen (vgl. „Universal 4"). 1 Untersucht man nun weiter die relative Abfolge von Nomen und den sie modifizierenden Sätzen, ζ. B. Relativsätzen, ist eine gewisse Präferenz zu erkennen: In SVO-Sprachen geht das Nomen dem modifizierenden Satz voran, während in SOV-Sprachen das umgekehrte Muster vorherrscht. Aufgrund dieser Beobachtungen lässt sich das Folgende als eine sprachübergreifende Tendenz feststellen: (1) (2)

SVO SOV

P+NP NP+P

N+S S+N

Das zentrale Thema dieser Arbeit vorwegnehmend, wird an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, dass sich Greenbergs Klassifizierung von SVO vs. SOV auf nominale Objekte (und Subjekte) im deklarativen Satz in „a single dominant [order]" bezieht (Greenberg 1963: 60f). Sententielle Objekte (und Subjekte) werden dabei nicht berücksichtigt. Greenberg (1963) fuhrt noch weitere „Universalien" auf, die sich auf verschiedene andere Eigenschaften von Sprachen beziehen, und zeigt, dass diese grundsätzlich miteinander korrelieren. Nach seiner wegweisenden Arbeit wurde dieses Thema zur Typologie der Wortstellung u.a. von Lehmann (1973), Vennemann (1974), Hawkins (1983), Comrie (1989) sowie Dryer (1980,1992) weiter diskutiert bzw. präziser untersucht. Trotz der tief gehenden Einsicht in die sprachübergreifenden „Universalien" in Greenberg (1963) und des großen Einflusses auf die nachfolgenden Forschungen wurde dieser typologischen Arbeit keine bestimmte Theorie zugrunde gelegt. Unter anderem 1 Hierzu sollte angemerkt sein, dass Greenberg (1963: 87) Deutsch als SVO klassifiziert, was im Nachhinein als problematisch erscheint (vgl. Abschn. 2).

6

2. Wortstellung und Kopfparameter

gilt Greenbergs Untersuchung insoweit als unzulänglich, als sie keine Erklärung dafür bietet, warum das Vorhandensein einer Eigenschaft das einer anderen impliziert (vgl. z.B. Kuno 1974). Darüber hinaus führt er das Faktum nicht aus, dass manche Abweichungen von seinen Schemata tatsächlich in Sprachen zu beobachten sind und andere nicht, sondern listet dieses lediglich auf (vgl. Appendix II von Greenberg 1963: 87f). In diesem Kapitel werden wir sehen, wie der unserer Untersuchung zugrunde liegende theoretische Ansatz mit dem Problem der Wortstellung umgeht. Zunächst wird der Begriff des Kopfparameters anhand einfacher Beispiele erläutert. Dann wenden wir uns, hauptsächlich aus deskriptiver Perspektive, den Wortstellungsregularitäten im Deutschen zu. Im Appendix werden schließlich neuere Modelle zur Wortstellung im generativen Rahmen vorgestellt und im Hinblick auf deren Kompatibilität mit der gängigen Theorie kurz diskutiert.

2.1. Der Kopfparameter Als eine der für die Darstellung der betreffenden Theorie geeigneten Sprachen habe ich das Englische als Einstieg in die Diskussion gewählt.2 Eine Auswahl der relevanten Wortstellungsregularitäten sieht wie folgt aus (vgl. z.B. Quirk et al. 1985, Webelhuth 1992, Haegeman 1994, Radford 1997, Baker 2003): (3)

(4)

[VPVXP]

A· [VP [v read] [a book]] b. [vp [v live] [in Tokyo]] c. [vp [v think] [that he will come]] UpAXP] A· [AP [A proud] [of his son]] b. [AP [A proud] [that his son won the prize]]

(5)

[PPPXP]3

(6)

a. [pp [p with] [Mary]] b. [pp [p from] [out of the darkness]] [npNXP] a. (the) [NP [N destruction] [of the city]] b. (the) [Np [N rumour] [that she killed her husband]]

Außer für diese lexikalischen Kategorien lässt sich das Gleiche auch für die funktionalen Projektionen zeigen:4 2

Gemeint ist hier der kopfinitiale Charakter des Englischen. Jedoch ist Englisch in der Tat nicht in dem Maße einheitlich kopfinitial, wie man z.B. Japanisch als einheitlich kopffinal bezeichnet (s.u.). Laut Tsunoda (1991: Kap. 2) sollte das Thai in diesem Zusammenhang als eine typische kopfinitiale Sprache gelten. Siehe hierfür auch Appendix I und II in Greenberg (1963: 86ff). 3 Tsunoda (1991: 6f) weist daraufhin, dass Englisch über eine sehr geringe Anzahl von Postpositionen verfugt (vgl. auch Quirk et al. 1985: 706): i) all the world over ii) ten minutes ago 4 Im Rahmen aktueller generativer Ansätze herrscht noch keine Einigkeit über Art und Anzahl der funktionalen Kategorien. Für die C- bzw. I-Domäne vgl. jeweils u.a. Rizzi (1997), Benincä & Poletto (2004), Grewen-

2.1. Der Kopfparameter (7)

(8)

(9)

7

[ C P C X P ] ( X P = IP)

a. (Florian believes) [Cp [c that] [there is still beer in the fridge]] b. (The best thing would be) [Cp [c for] [her to go back to Japan]] [,ρΙΧΡ] (XP = VP) a. [ip Frank [r [i will] [yp leave for Leipzig tomorrow]]] b. (We are trying) [iP [ r h to] [Vp help her]]] [DP D XP] (XP = NP) a. [Dp [D the] [book]] b. [DP John [D· [ d 'S] [book]]]

Betrachten wir nun das Japanische als ein typisches Beispiel einer SOV-Sprache. Da die Existenz funktionaler Kategorien in dieser Sprache umstritten ist (vgl. Kap. 6), beschränke ich mich hier auf die lexikalischen Kategorien; lediglich zu Veranschaulichungszwecken glossiere ich der gängigen Literatur folgend manche Elemente als Comp: (10)

[VPXPV]

(11)

a. [vp [hon-o] [ v yomu]] [vp [Buch-Acc] [v lesen]] b. [vp [Tokyo-ni] [ v sumu]] [vp [Tokyo-in] [ v wohnen]] c. [yp [kare-ga kuru to] [ v omou]] [vp [er-Nom kommt Comp] [ v denken]] UpXPA] a. [Ap [Taro yori] [A kasikoi]]5 [AP [Taro als] [A klug]] ,klüger als Taro' b. [Ap [watasi-ga omotte-ita yori] [A ookii]] [Ap [ich-Nom dachte als] [A groß]] ,größer als ich dachte'

(12)

[PPXPP]

a. [pp [Tokyo] [P kara]] [pp [Tokyo] [P aus]] b. [pp [Hurankuhuruto] [P e]] [PP [Frankfurt] [P nach]] (13)

[NPXPN]

a. [NP [tosi-no] [N hakai]] [NP [Stadt-Gen] [N Zerstörung]] b. [NP [kanojo-ga otto-o korosita to-iu] [N uwasa]] [NP [sie-Nom Ehemann-Acc tötete Comp] [N Gerücht]]

dorf (im Erscheinen) bzw. Pollock (1989), Iatridou (1990), Chomsky (1995c), Belletti (2004) flir eine Diskussion. Ich verwende jedoch weiterhin die jeweils üblichen Bezeichnungen C bzw. I (oder ggf. T). Für die Klasse von Elementen, die wie in (8) in I basisgeneriert werden, vgl. z.B. Haegeman (1994: 109ff) und Radford (1997: 63f). 5 Baker (2001: 71) erwähnt dieses Beispiel, um die Kopffmalität der japanischen Adjektive zu demonstrieren.

2. Wortstellung und Kopfparameter

8

Es sollte nun klar sein, wohin uns diese Gegenüberstellung fuhrt: Kategorieunabhängig gilt jeweils für das Englische (14) und fur das Japanische (15) als Wortstellungsmuster: (14) (15)

[χρΧΥΡ] (engl.) [χρΥΡΧ] (jp·)

Gerade in diesem Punkt offenbart sich die Adäquatheit des Kopfparameters, der u. a. von Chomsky (1981) sowie Stowell (1981) diskutiert wird (vgl. für eine weitere Diskussion z.B. Koopman 1984, Travis 1984, Lightfoot 1991, Fukui 1993a). Anstatt für jede einzelne Kategorie zu spezifizieren, ob in der zugrunde liegenden Struktur der Kopf dem Komplement vorangeht oder nachfolgt, kann man nun sagen, dass der Kopfparameter fur das Englische auf initial (14) bzw. für das Japanische auf final (15) fixiert ist. Einige der Eigenschaften, die bei Greenberg (1963) als im Prinzip voneinander unabgängige „Universalien" aufgelistet waren, können somit miteinander in Zusammenhang gebracht werden. Dass ζ. B. das Englische sowohl die V-Obj-Abfolge als auch die P-DPAbfolge aufweist, ist nun kein Zufall mehr, sondern ein Reflex der in dieser Sprache geltenden kopfinitialen Struktur, [XP X YP] (= (14)). Dies trägt nicht nur zur Vereinfachung der syntaktischen Beschreibung bei, sondern sollte auch den Spracherwerb erleichtern, indem Kinder die Kopf-Komplement-Abfolge nicht fur die einzelnen Kategorien, sondern nur einmal für alle Kategorien erlernen müssen.

2.2. Die Wortstellung im Deutschen In diesem Abschnitt wenden wir uns Daten aus dem Deutschen, dem Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit, zu und wollen anhand empirischer Daten rekapitulieren, wie die Wortstellungsregularitäten auszubuchstabieren sind. Hier ist die Situation etwas komplizierter als im Falle des Englischen bzw. des Japanischen. Die Stellung des Kopfes relativ zu seinem Komplement spielt jedoch auch im Deutschen eine zentrale Rolle. Auf der Satzoberfläche taucht das finite Verb im Deutschen je nach syntaktischem Kontext im Grunde entweder in der zweiten (bzw. ersten) oder in der letzten Position des Satzes auf. Im Einklang mit der seit den 60er Jahren diskutierten bzw. etablierten Ansicht wird auch hier davon ausgegangen, dass die Wortstellung des Nebensatzes (also mit dem finiten Verb am Satzende) die zugrunde liegende Struktur darstellt (vgl. u. a. Bach 1962, Bierwisch 1963, Reis 1974, Thiersch 1978, Louden 1992; vgl. auch Clahsen 1988, Clahsen et al. 1996 für Diskussionen aus der Perspektive des Spracherwerbs). Vor diesem Hintergrund sieht eine Auswahl der Verb-Komplement-Strukturen im Deutschen folgendermaßen aus: (16)

[VPXPV]

a. (wenn wir) [Vp [ein Buch] [ v lesen]] b. (weil sie) [γρ [in Frankfurt] [ v wohnen]]

2.2. Die Wortstellung im Deutschen

9

Die umgekehrte Stellung von Kopf und Komplement fuhrt hier - zumindest mit normaler Betonung - jeweils zu Ungrammatikalität. 6 Wenn man die Satzkomplementierung, auf die wir noch zu sprechen kommen, zunächst unberücksichtigt lässt, selegiert das Verb im Deutschen sein Komplement nach links, wie im Japanischen. Außerdem erscheinen einige andere Ausdrücke wie ζ. B. sekundäre Prädikate sowie bestimmte Adverbien obligatorisch präverbal (vgl. Haider 1997b, Reis 1974). Die Kopffinalität des deutschen V lässt sich zusätzlich (auf indirekte Weise) durch die empirische Beobachtung unterstützen, dass (nicht-satzwertige) Adjunkte in der Form von Adverbien bzw. PPs im Prinzip ebenfalls links vom Verb auftreten. Während man die Stellung des Verbs relativ zu anderen Konstituenten, insbesondere zu Objekten, im Deutschen ausfuhrlich diskutiert hat (vgl. die im vorangehenden Absatz genannte Literatur), ist dies fur Adjektive nicht in dem Maße der Fall (vgl. ζ. B. Riemsdijk 1983, Abraham 1995: Kap. 4 und die dort angegebene Literatur). Eine Komplikation tritt hierbei allerdings auf, wenn man die Unterscheidung zwischen prädikativem und attributivem Gebrauch der Adjektive betrachtet. Ohne tiefer in die Diskussion einzusteigen, möchte ich an dieser Stelle eine geläufige Generalisierung vorstellen, damit letztendlich alle vier lexikalischen Kategorien aufgeführt werden können. In der generativen Literatur geht man in der Regel davon aus, dass die APs im Deutschen kopffinal sind:7 (17)

UpXPA] a. [Ap [seinem Grundsatz] [A treu]] (Grewendorf 1988: 52) b. [Ap [auf die Ergebnisse] [A stolz]] (Bondre-Beil 1994: 22)

Der Grund für diese Annahme lässt sich zunächst darin erkennen, dass für die DPKomplemente die Abfolge DP+A wie in (17a) die einzig zulässige ist. Außerdem ist die Position der PP-Komplemente von Adjektiven in einer prädikativen AP zwar variabel (siehe u.a. Nakagawa 1999), sie treten jedoch in einer attributiven AP stets präverbal auf. Da die Wortstellung innerhalb der APs in der vorliegenden Arbeit sonst keine herausragende Rolle spielt, schließe ich mich ohne weitere Diskussion an diese Standardannahme an. Auf die Satzkomplemente von Adjektiven komme ich später kurz zurück. Was die Adpositionen angeht, ist Deutsch grundsätzlich eine Sprache mit Präpositionen: (18)

[PPPXP]

a. [pp [P mit] [einem Hammer]]

6

In der Tat findet man auch Daten, fast ausschließlich in der gesprochenen Sprache, in denen solche Elemente im Nachfeld auftreten (siehe ζ. B. Zahn 1991, Zifonun et al. 1997: 1659f, Eroms 2000: 380, Nakagawa 2002). Von diesen Fällen wird in der vorliegenden Arbeit abgesehen. 7 Die Arbeiten von Webelhuth (1992: 75, 184) sowie Zepter (2003: Kap. 5.1.2) gelten, abgesehen von Analysen im Rahmen der Universal Base Hypothesis (Kayne 1994), als Ausnahmen, da in ihnen von der kopfinitialen Basis der deutschen AP ausgegangen wird. Beide Autoren nehmen eine Bewegung des ursprünglich rechts stehenden Komplements über das Adjektiv hinweg nach links an, deren Charakterisierung jedoch offen gelassen wird.

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2. Wortstellung und

Kopfparameter

Man findet jedoch auch Postpositionen bzw. Zirkumpositionen (sowie die pronominale da(r)- bzw. wo(r)-Form, wenn man diese als PP klassifiziert). Da die beiden aber offensichtlich eher Ausnahmen bilden, lässt sich fur das Deutsche grundsätzlich von kopfinitialen PPs sprechen. Komplemente von Nomina erscheinen im Deutschen postverbal: (19)

[NpNXP] a. (die) [ NP [ N Zerstörung] [der Stadt]] b. [NP [N Appetit] [auf Sushi]] c. (das) [ NP [ N Gerücht] [dass sie ihren Mann getötet hat]]

Hier liegt eine komplette Parallelität zum Englischen vor. Nun kommen wir zu den funktionalen Kategorien. Die Kopfinitialität von DP und CP lässt sich jeweils leicht demonstrieren: (20) (21)

[dpDXP] (XP = NP) a. [DP [ d das] [Haus]] [Cp C XP] (XP = IP) A. [CP [c dass] [er in Frankfurt promoviert]] b. [CP [C ob] [die Doktorarbeit angenommen wird]] c. [Cp [c um] [gute Noten zu bekommen]]

Nicht so einfach zu fallen ist die Entscheidung, ob I im Deutschen kopfinitial oder -final ist. Der Grund für diese Schwierigkeit liegt darin, dass I in erster Linie ein theoretisches Konstrukt ist (man könnte daher sogar die Existenz dieser Projektion im Deutschen anzweifeln; vgl. u.a. die Diskussion in Haider 1993a: Kap. 4.3, Ackema et al. 1993, Sternefeld 2005: Kap. 4.3). Daher ist es vortheoretisch nicht eindeutig, ob bzw. durch welches Element I tatsächlich besetzt wird (fur den Infinitivmarkierer zu siehe Fn. 2 des Kap. 4). Damit hängt unmittelbar die Frage zusammen, ob das satzfinale finite Verb im Deutschen sich in der I-Position befindet oder in der Basisposition innerhalb der VP verbleibt. Im ersten Fall muss das deutsche I kopffinal sein, während im zweiten die Position von I zunächst empirisch unentschieden bleibt. In der Literatur sind sowohl Argumente für als auch gegen die Bewegung des finiten Verbs nach I vorgebracht worden: Während bei manchen Autoren die V-nach-I-Bewegung (bzw. die finale Positionierung von I) von vornherein vorausgesetzt wird (vgl. Grewendorf 1988, Webelhuth 1992, Vikner 1995), argumentiert insbesondere Säbel (1996) gezielt für solch eine Bewegung. 8 Dagegen spricht sich u. a. Haider in einer Reihe von Arbeiten aus (ζ. B. Haider 1993a, 1995a, 1997c, 2005), genauso auch Höhle (1991) und Koopman (1995). Aufgrund theoretischer Überlegungen argumentiert Haider (2001), dass I im Deutschen links lokalisiert ist (vgl. Kap. 6.3). Auch weitere Autoren gehen davon aus, dass funktionale Köpfe universal links von ihrem Komplement stehen (vgl. Kiparsky 1996, Vikner 2001, Fuß & Trips 2002, Zepter 2003). Aus unabhängigen Gründen und mit unterschiedlichen Konsequenzen argumentieren überdies Travis (1984) und Zwart (1994) dafür, IPs im Deutschen (und im Niederländischen) als kopfinitial zu betrachten. Da 8

Grewendorf (1990b) geht noch weiter und nimmt an, dass sich nicht nur das finite Verb, sondern auch andere verbale Elemente overt aus der VP heraus bewegen.

2.3. Fazit und Diskussion

11

allerdings die Stellung des satzfinalen finiten Verbs (V vs. I) sowie die Stellung des I-Kopfes (I+VP vs. VP+I) in der folgenden Diskussion keine wichtige Rolle spielen, werde ich dieser Frage nicht weiter nachgehen. Am Ende der Auseinandersetzung mit den empirischen Daten kommen wir zu den Satzkomplementen von Verben. Ohne hier auf die äußerst komplizierte Sachlage mit infiniter bzw. inifinitiver Komplementierung näher einzugehen (vgl. hierzu Kap. 3.1, 4, 6.3), lässt sich beobachten, dass satzwertige Komplemente, im Gegensatz zu den übrigen Komplementen, rechts vom seiegierenden Verb auftreten. Da die syntaktische Struktur dieser Satzkomplementierung erst im nächsten Kapitel diskutiert wird, gebe ich in (22) nur die lineare Abfolge von V und CP wieder: (22)

V CP a. (weil ich) glaube [dass er die Arbeit bald abgeben kann]

Auf diese Konstruktion werde ich in Kapitel 3 ausfuhrlich eingehen. An dieser Stelle halten wir an der empirischen Feststellung fest, dass die Wortstellung in (22) die „normale" bzw. die unmarkierte ist. Dies spricht zunächst gegen die Kopffinalität der deutschen Verben, die dazu führen sollte, dass Komplemente einheitlich links vom seiegierenden Verb erscheinen (vgl. Daten aus dem Japanischen). Da jedoch alle anderen Komplemente (sowie Adjunkte) außer CPs grundsätzlich präverbal erscheinen (s.o.), lässt sich immer noch an der Idee festhalten, dass das deutsche V kopffinal ist.9 Als „abweichend" gilt damit vielmehr die extra zu beschreibende bzw. zu erklärende postverbale Stellung des Satzkomplements. Dieser Phänomenbereich konstituiert die zentrale Thematik der vorliegenden Arbeit. Ähnliches gilt im Falle der Komplementierung durch Adjektive. Als Komplemente erscheinen CPs, im Gegensatz zu DPs, rechts vom Kopf-Α (vgl. Cinque 1989, Lee 1994): (23)

A CP a. Karl ist sicher [dass er recht hat]

Auf das Problem der Stellung des adjektivischen Kopfes relativ zu seinem Komplement wird in der vorliegenden Arbeit nicht weiter eingegangen. Dieses wird lediglich im Hinblick auf die Parallelität mit der Komplementierung durch das Verb am Rande angesprochen (vgl. Kap. 3.4.3).

2.3. Fazit und Diskussion Nun fasse ich die Ergebnisse der bisherigen empirischen Untersuchungen in Bezug auf die Wortstellungsregularitäten des Deutschen zusammen. Dabei konzentriere ich mich auf die lexikalischen Kategorien, was dem Zweck dieses Abschnitts genügt: 9

Oben wurde einige relevante Literatur angeführt, in der festgestellt wird, dass Deutsch eine OV-Sprache ist. Soweit ich sehe, handelt es sich bei der dortigen Diskussion der Grundabfolge von Objekt und Verb hauptsächlich um nominale Objekte, nicht jedoch um Satzobjekte, abgesehen von der Diskussion bei Bach (1971) und einem Beispielsatz in Reis (1974: 307f).

2. Wortstellung und Kopfparameter

12 (24)

[VPXPV] (XP Φ CP)

(25) (26) (27)

UpXPA] (XP Φ CP) [npNXP] [ppPXP]

Anders als im Englischen und Japanischen ist hier die Abfolge von Kopf und Komplement nicht kategorieübergreifend einheitlich. Die Kopfpositionen sind im Deutschen zunächst in dem Sinne uneinheitlich, dass die Kategorien Ν und Ρ kopfinitial sind, während Α und V im Grunde kopffinal sind. Als weitere Komplikation erweist sich in (24) (bzw. (25)), dass sich die CP-Komplemente zu V (bzw. A) anders verhalten als die sonstigen Komplemente. Diese Fälle mit postverbalen Satzkomplementen werden jedoch zugunsten einer klareren Darstellung zunächst ausgelassen; sie werden in anderen Teilen der Arbeit - insbesondere in den Kapiteln 3 und 6 - ausführlich diskutiert. Es stellt sich nun die folgende Frage: Lässt es sich rechtfertigen, dass eine Sprache je nach Kategorie unterschiedliche Werte für den Kopfparameter besitzt? Meine Antwort darauf lautet: Ja. Wir haben zwar aufgrund englischer bzw. japanischer Daten in Abschnitt 1 gesehen, dass die einheitliche Bestimmung der Selektionsrichtung fur alle Kategorien, sowohl theoretisch als auch in Bezug auf den Spracherwerb, ein wünschenswertes Postulat ist. Eine derartige Annahme, die von einer einheitlichen Basisstruktur ausgeht, würde für das Deutsche jedoch die Beschreibung der Grammatik enorm verkomplizieren: Sie wäre auf eine große Anzahl von Bewegungsoperationen angewiesen, die in vielen Fällen keine unabhängige Begründung finden und somit nur postuliert werden, um zur korrekten Wortabfolge auf der Satzoberfläche zu gelangen. Ein typischer Fall dieser Vorgehensweise sowie die damit verbundenen Probleme werden in Abschnitt 4 erläutert. Im Hinblick auf uneinheitliche Kopfparameterwerte ist Deutsch übrigens kein Sonderfall. Chinesisch ζ. B. ist eine Sprache, in der (i) je nach Kategorien (vgl. (28) vs. (29)) und (ii) auch ggf. innerhalb einer Kategorie (vgl. (30)) die Stellung der Komplemente relativ zum Kopf variiert (vgl. Li 1990, Huang 1998). Weiteren Sprachen mit diesen „uneinheitlichen" Stellungsvarietäten werden wir in Kapitel 6.2 begegnen. (28) (29) (30)

Ρ DP CP Ν PP V DP

Gerade deswegen ist das Chinesische im Kontext der Diskussion des Kopfparameters innerhalb der GB-Theorie aufgegriffen worden. Bzgl. (i) geht u.a. Koopman (1984: 125) davon aus, dass die oberflächlich präpositionale PP-Struktur im Chinesischen aus einer zugrunde liegenden postpositionalen Basisstruktur mittels einer DP-Bewegung abgeleitet wird. Zur Sachlage (ii), die in (30) resultiert, nehmen sowohl Koopman (1984) als auch Travis (1984) unabhängig voneinander eine einheitliche kopffinale VP-Basis an und betrachten die postverbale Realisierung des DP-Arguments ebenfalls als Folge einer kasusgetriebenen DP-Bewegung nach rechts. Meiner Ansicht nach gibt es fur einen derartigen Erklärungsansatz zur Wortstellungsvariation jedoch keine unabhängige Motivation. Eine nahe liegende Frage lautet: Warum sollte man von einer postpositionalen Basisstruktur ausgehen, aus der heraus das Komplement obligatorisch auf die andere Seite des Kopfes bewegt wird, wenn die Sprache nur über Präpositionen verfügt (vgl. Li

2.3. Fazit und Diskussion

13

1990: 4)? Eine Basisgenerierung der Abfolge P+DP würde zunächst viel näher liegen.10 Für weitere Probleme des Koopman-Travis-Ansatzes sei auf Li (1990) sowie Hawkins (1994) verwiesen. Wenn derartige Kritik zutrifft (vgl. auch Fn. 10), stellt die Analyse ä la Koopman (1984) bzw. Travis (1984) einen Fall dar, in dem das Postulat einer einheitlichen Basisstruktur, das zunächst theoretisch elegant erscheint, auf empirische bzw. methodologische Probleme stößt." In der generativen Forschung wird häufig die Frage gestellt, ob man eine bestimmte Konstituentenabfolge auf der Satzoberfläche als Folge einer Bewegung oder als basisgeneriert betrachten sollte, d. h. ob man eine einheitliche und daher theoretisch „elegante" Basisstruktur mit zusätzlichen (oft komplizierten) Bewegungsoperationen oder eine eher oberflächenorientierte, als „deskriptiv" erscheinende Analyse ohne „unnötige" Operationen annimmt. Diese gegensätzlichen Annahmen lassen sich jeweils als Bewegungsanalyse bzw. Basisanalyse bezeichnen. Die hier angedeutete Kontroverse wird in den Kapiteln 3 und 5 sowie im nächsten Abschnitt des vorliegenden Kapitels ausfuhrlich diskutiert. Kommen wir nun auf die Situation im Deutschen zurück und insbesondere auf die empirische Beobachtung, dass die Selektionsrichtung der vier lexikalischen Kategorien nicht einheitlich ist (V/A vs. N/P). Wir haben uns der Ansicht angeschlossen, dass dieser Umstand methodologisch kein großes Problem bereitet bzw. gegenüber der Annahme einer zugrunde liegenden Basisstruktur zu bevorzugen ist (vgl. auch Abschn. 4.2). Was besagt dies nun angesichts des Spracherwerbs, für den die Fixierung eines Wertes für alle Kategorien zunächst wünschenswert erscheint - wie im Falle des Englischen bzw. Japanischen (vgl. Abschn. 1)? Eine „Abweichung" der Art, wie wir sie im Deutschen vorfinden ((24/25) vs. (26/27)), fuhrt beim Spracherwerb dazu, dass das Kind für jede lexikalische Kategorie den Wert des Parameters separat zu bestimmen hat. Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass die Lernbarkeit besonders erschwert wird: Erstens sind nur vier Werte zu fixieren. Zweitens wird die Fixierung der Werte dieser lexikalischen Kategorien offenbar durch einfache Daten ausgelöst. Aus diesen Gründen sollte

10 Die Annahme einer einheitlichen kopffinalen VP-Struktur sowie einer kasusgetriebenen DP-Bewegung daraus, die zur Repräsentation (30) fuhrt, betrachte ich als nicht unproblematisch. Bei Travis (1984) wird die Charakterisierung dieser Bewegung ausgelassen. Koopman (1984) betrachtet sie als eine gängige DP-Bewegung von einer Thetaposition zu einer Kasusposition, wie z.B. in einer Anhebungskonstruktion. Auch wenn man die Richtung dieser Bewegung nicht zur Diskussion stellt, bleibt noch die Frage offen, welche Eigenschaften die Landeposition dieser DP-Bewegung haben sollte. Koopman (1984: 125) nimmt dabei eine Adjunktion an das Verb an und setzt diese Operation mit der Klitikbewegung in romanischen Sprachen gleich. Dieser Vorschlag ist jedoch angesichts der allgemeinen Beobachtung kaum aufrechtzuerhalten, dass die Klitisierung nur auf Pronomina (und sogar in sog. schwachen Formen) angewandt werden kann (vgl. Kayne 1975: 66ff)· Die Adjunktion einer maximalen Projektion (DP) an einen Kopf (V) ist unter den Standardannahmen der vorhandenen Theorie auch keine zulässige Operation. Außerdem besteht ein Widerspruch in der Eigenschaft der Landeposition: Die Landeposition einer kasusgetriebenen Bewegung sollte eine Α-Position sein, während Adjunktion in der Regel als eine A-bar-Position zu betrachten ist (vgl. Chomsky 1981:47). " Hierbei scheint die folgende Bemerkung von Huang (1998: 19) relevant: „[...] whether [Chinese] is assumed to be strictly SOV or strictly SVO, either hypothesis must carry the burden of accounting for the existence of non-SOV or non-SVO characteristics, respectively. From what I can see, however, attempts to account for the 'irregular' properties have not produced arguments that are particularly convincing, and the question of whether Chinese is SVO or SOV remains unsettled today." Letztendlich schließt er somit (S. 23): „The head-final vs. head-initial parameter need not have its value fixed in a given language for all categorial levels and types."

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2. Wortstellung und Kopfparameter

es für Kinder kein großes Problem sein, wenn sie alle vier Werte unabhängig voneinander erlernen müssen. 12 Fassen wir die bisherige Diskussion zusammen. Wir haben zunächst festgestellt, dass der Begriff des Kopfparameters fur die Beschreibung der Konstituentenabfolge in Sprachen wie dem Englischen bzw. dem Japanischen als ein nützlicher theoretischer Apparat fungiert. In diesen Sprachen lässt sich die Kopf-Komplement-Abfolge fur alle Kategorien einheitlich determinieren. Die Eigenschaften, die bei Greenberg (1963) lediglich aufgelistet wurden, kann man somit in einen systematischen Zusammenhang bringen. Die Situation in Sprachen wie dem Deutschen (bzw. Chinesischen) ist allerdings nicht so eindeutig; die Selektionsrichtung der einzelnen Köpfe ist unterschiedlich. Ich will dies jedoch nicht als theoretischen Defekt des Kopfparameters betrachten, sondern die Fixierung unterschiedlicher Werte fur einzelne Kategorien akzeptieren. Die Nachteile, die der Versuch mit sich bringt, unterschiedliche Konstituentenabfolgen aus einer Basisstruktur abzuleiten, überwiegen die Vorteile der theoretischen Einfachheit bzw. Eleganz, auf die dabei abgezielt wird (siehe Abschn. 4 unten sowie Kap. 3.3). Wie bereits erwähnt, ist das Problem der hier diskutierten Art einer der zentralen Forschungsschwerpunkte generativer Ansätze: Repräsentiert die Konstituentenabfolge auf der Satzoberfläche die zugrunde liegende Struktur oder ist sie Folge syntaktischer Transformationen? Aus dieser Perspektive wird im nächsten Kapitel auf eine der oben festgestellten Uneinheitlichkeiten in der Wortstellung des Deutschen eingegangen: Die postverbale Realisierung der Satzkomplemente des Verbs, das im Deutschen grundsätzlich eine kopffinale Projektion besitzt. Bevor wir in dieses Hauptthema der vorliegenden Arbeit einsteigen, will ich im Appendix dieses Kapitels einige neuere theoretische Ansätze zur Linearisierung syntaktischer Strukturen vorstellen und diskutieren.

2.4. Appendix: Einige Bemerkungen zu neueren Theorien der Wortstellung Im traditionellen Ansatz der generativen Theorie ist die Wortstellung - insbesondere die lineare Abfolge von Kopf und Komplement - aufgrund einer spezifischen Eigenschaft des Kopfes (oder eventuell durch den in der betreffenden Sprache geltenden Kopfparameter) bereits in der Basisstruktur festgelegt. Seit den 90er Jahren gibt es jedoch einige alternative Vorschläge, die allmählich von der Forschung übernommen werden. In diesem Appendix diskutiere ich die zentralen Aspekte zweier Vorgehensweisen zum Thema Wortstellung in der neueren Entwicklung der generativen Theorie. Ich stelle zunächst das Modell von Kayne (1994) sowie dessen Anwendung auf OV-Sprachen durch Zwart (1993, 1997a, 1997b) vor. Im darauf folgenden Teil werden Probleme dieses Ansatzes diskutiert. In Abschnitt 4.3 wird dann die Idee vorgestellt, dass die Wortstellung bzw. der Kopfparameter erst auf PF zum Tragen kommt. Grundsätzlich wird diese neue Auffassung der Linearisierung als mit der GB-theoretischen Ausbuchstabierung des syntaktischen Kopfparameters kompatibel betrachtet. 12 Für das Deutsche ist auch die Generalisierung möglich, dass die [+V]-Kategorien (V und A) kopffinale, und die [-V]-Kategorien (N und P) kopfinitiale Projektionen realisieren (vgl. Haider 1993b: 39ff).

2.4. Appendix: Einige Bemerkungen zu neueren Theorien der Wortstellung

15

2.4.1. Linear Correspondence Axiom In diesem Unterabschnitt werden wichtige Aspekte von Kaynes (1994) Theorie sowie Erweiterungen dieser - im Folgenden als LCA (Linear Correspondence Axiom) abgekürzt - vorgestellt. Sie hat in der generativ-theoretischen Untersuchung der Phrasenstruktur und Wortstellung einen so großen Einfluss, dass ich mich gezwungen sehe, sie in dieser Arbeit zu diskutieren, obwohl ich Kaynes Analyse letztendlich als nicht adäquat erachte. Ich gehe hierbei nicht auf die theoretischen Details seines Modells ein, sondern konzentriere mich darauf, welche Konsequenzen seine Theorie angesichts empirischer Beobachtungen nach sich zieht. Die wichtigste These Kaynes (1994) lautet, dass zwischen hierarchischer Struktur und linearer Abfolge eine Eins-zu-eins-Relation besteht. Noch spezifischer gilt das Folgende (Kayne 1994: 33): (31)

Let Χ, Y be nonterminals and χ, y terminals such that X dominates χ and Y dominates y. Then if X asymmetrically c-commands Υ, χ precedes y.

Demnach sollte in der Phrasenstruktur nur die folgende lineare Relation zwischen Kopf (X), Spezifikator (YP) und Komplement (ZP) erlaubt sein (sog. Universal Base Hypothesis):13 (32)

XP /

\

YP

X' / X

\ ZP

In der Basisstruktur sollte folglich stets der Spezifikator dem Kopf und der Kopf dem Komplement vorangehen. Ein zusätzlicher wichtiger Punkt des Kayneschen Ansatzes ist, dass multiple Spezifikatoren (bzw. Adjunktion; vgl. Fn. 13) nicht erlaubt sind.14 Konstruktionen, fur die in der gängigen Analyse Adjunktion angenommen wird, werden unter LCA stattdessen mit einer zusätzlichen Projektion - deren Kopf phonologisch leer ist - repräsentiert. So gilt für das Adverb (WP) unter dem LCA (34) an Stelle von (33) als die einzig zulässige Repräsentation: 13 Genauer gesagt gibt es in Kaynes Analyse keinen phrasenstrukturellen Unterschied zwischen Spezifikator und Adjunkt (siehe Kayne 1994: 16f). Um die Gegenüberstellung mit der herkömmlichen Phrasenstrukturtheorie nicht zu verkomplizieren, verwende ich jedoch weiterhin die Bezeichnung „Spezifikator (Spec)" sowie die phrasenstrukturelle Repräsentation wie in (32). Vgl. hierzu auch Sternefeld (1994) für eine relevante Diskussion. 14 Dies beruht auf seiner Definition von C-Kommando (Kayne 1994: 16), auf deren Basis die Bestimmung der linearen Abfolge (siehe (31)) erfolgt: i) X c-commands Y iff X and Y are categories and X excludes Υ and every category that dominates X dominates Y. Demzufolge besteht in (33) u. a. eine C-Kommando-Relation zwischen WP und der Tochter von YP (Y) sowie zwischen YP und der Tochter von WP (W). Dies ergibt eine unter dem LCA unzulässige Konstellation, in der die Abfolge zwischen W und Y wegen eines Verstoßes gegen die Antisymmetrie (vgl. Kayne 1994: 4) nicht determiniert werden kann. Für Details siehe Kayne (1994: Kap. 1-3).

2. Wortstellung und Kopfparameter

16 (33)

(34)

XP /

FP

\

WP

/ XP

\

WP

/

F'

\

YP

/ X'

/ X

\

F \ ZP

XP /

\

YP

X' / X

\ ZP

Dies hat zur Folge, dass ein Satz mit mehreren Adverbien auch eine entsprechende Anzahl von funktionalen Projektionen benötigt (vgl. u. a. Cinque 1999). Wie bereits erwähnt, gilt unter dem LCA das Phrasenstrukturmuster (32), also die Abfolge Spec-Kopf-Komplement, als das einzig zulässige. Dies bedeutet, dass es in der UG keinen Kopf- bzw. Direktionalitätsparameter geben kann (vgl. Kayne 1994: 47f): Alle Sprachen sollten kopfinitiale Strukturen haben. Es stellt sich an dieser Stelle sofort die Frage, wie eine kopffinale Struktur - wie ζ. B. das präverbale Objekt in OV-Sprachen beschrieben werden kann. Hierzu behauptet Kayne (1994), dass die Bewegung des postverbalen Komplements nach links stattfindet, wodurch die lineare Abfolge Komplement>Kopf erzielt wird. Dies ist die allgemeine Strategie unter dem LCA: Um trotz der universal kopfinitialen Basis eine kopffinale Repräsentation zu erhalten - wie sie in unzähligen Sprachen vorliegt - wird das rechts stehende Komplement über den Kopf hinweg nach links bewegt. Somit sollte das LCA auch fur kopffinale Sprachen Gültigkeit besitzen. Wir wollen uns nun etwas genauer anschauen, inwieweit der auf dem LCA beruhende Ansatz mit empirischen Fakten in OV-Sprachen tatsächlich umgeht. Dieser Versuch wird von Zwart (1993, 1997a, 1997b) insbesondere für das Niederländische unternommen (vgl. auch Lattewitz 1997, Hinterhölzl 1999, 2000, Koster 2000a, 2000b). Ich stelle im Folgenden seine Argumentation zugunsten des LCA vor. Da sich das Niederländische zumindest in den für das vorliegende Thema betreffenden syntaktischen Aspekten vom Deutschen nicht wesentlich unterscheidet, gehe ich davon aus, dass Zwarts Analyse ohne weiteres auch für das Deutsche gültig ist. Wir haben bereits oben erwähnt, dass die kopffinale Repräsentation auf der Satzoberfläche im Rahmen des LCA durch die Bewegung des Komplements in eine höhere Spec-Position abgeleitet wird. Dies gilt z. B. fur die Objekt-Verb-Abfolge in Sprachen wie dem Niederländischen bzw. dem Deutschen, die als Basis auch eine SVO-Struktur haben sollen. Zwart (1993: Kap. IV.2.2, 1997a: Kap. 3.2) geht davon aus, dass das Objekt in einem Satz wie dem folgenden in die SpecAgrOP-Position bewegt worden ist: (35)

dass der Hans [Agrop die Maria [ Agr0 ' AgrO [ w küsste ?0bj ]]]

Dabei fungiert das starke N-Merkmal von AgrO als Auslöser dieser Bewegung bzw. das DP-Objekt wird durch diese Bewegung hinsichtlich seines Kasus lizenziert (vgl. auch Koster 2000b: 16). Eine wichtige Konsequenz dieser Annahme ist, dass das Satzkomplement in der Basisposition rechts vom Verb verbleibt, da es keine Kasuslizenzierung braucht (vgl. z.B. Zwart 1997b: 263). Daraufkommen wir in Kapitel 6 nochmals zurück.

2.4. Appendix: Einige Bemerkungen zu neueren Theorien der Wortstellung

17

Betrachten wir noch ein anderes Beispiel von Zwart (1993: Kap. IV.2.3, 1997a: Kap. 3.3). Wie die folgenden Daten zeigen, muss das Prädikat einer sog. Small Clause (SC) im Prinzip direkt links vom Verb auftreten: (36)

a. dass der Hans die Tür mit einem Pinsel rot streicht b. *?dass der Hans die Tür rot mit einem Pinsel streicht c. *dass der Hans die Tür mit einem Pinsel streicht rot

Um die korrekte Wortstellung in (36a) aus der kopfinitialen VP-Struktur abzuleiten, postuliert Zwart zusätzlich zur Bewegung des DP-Objekts auch noch die des SCPrädikats, das im Spec der PredP-Projektion, die gleich oberhalb der VP lokalisiert ist, landet (vgl. auch Hinterhölzl 2000): (37)

... Ugrop die Tür [ Agr0 . AgrO ... (PP)... [Predp rot [Pred· Pred [γρ streicht [ s c fobj 'AP ] ] ] ] ] ]

Dieses „predicate rasing" fuhrt Zwart darauf zurück, dass der Pred-Kopf ein starkes NMerkmal besitzt, das in der Syntax overt überprüft werden muss. Die LCA-basierten Ansätze vermögen somit - ausgehend von einer universal kopfinitialen Basis ä la (32) - anhand von Bewegungsoperationen nach links auch die kopffinalen Abfolgen abzuleiten: Die Bewegung des Komplements eines Kopfes X erfolgt grundsätzlich in den Spec einer höheren (funktionalen) Projektion oberhalb der Projektion des Kopfes X. Dadurch können im Prinzip alle auf der Satzoberfläche vorzufindenden Wortstellungen erzeugt werden. Für weitere Phänomene sowie Konsequenzen siehe Kayne (1994, 1998, 2000: Kap. 13, 15, 2005a), Zwart (1993, 1997a, 1997b), Koster (2000a, 2000b), Hinterhölzl (1999, 2000), Koopman & Szabolcsi (2000). Was die theoretischen bzw. konzeptuellen Aspekte betrifft, bietet das LCA eine völlig neue Perspektive an, die in der herkömmlichen generativen Forschung nicht vorhanden war: Eine exakte Korrespondenz zwischen hierarchischer Struktur und linearer Abfolge der Konstituenten. In dieser Hinsicht könnte man das LCA eventuell als die bisher einzige im strengen Sinne formale Theorie der Struktur bzw. Wortstellung ansehen (vgl. aber auch Kural 2005). Das Postulat einer universalen Basis wie in (32) ersetzt die theoretische Annahme eines Kopfparameters (s. o.). Außerdem werden verschiedene X-bar-theoretische Beobachtungen, die im GB-Modell lediglich stipuliert werden mussten, in diesem Theorierahmen automatisch als Folge des LCA abgeleitet (siehe Kayne 1994: Kap. 2, vgl. aber auch Zepter 2003: Appendix B). Auch aus der Sicht der Sprachverarbeitung scheint das LCA eine vielversprechende Konsequenz mit sich zu bringen: Die Konstituente, die zuallererst in einer Äußerung ausgesprochen wird - nämlich YP in (32) - wird von der obersten maximalen Projektion unmittelbar dominiert und daher ist ihr Status im Satz sofort ersichtlich: Diese Konstituente c-kommandiert alle nachfolgenden Konstituenten und ihr strukturell hoher Status bleibt im Laufe der Verarbeitung des Satzes erhalten. Für diesen Aspekt der Kayneschen Phrasenstruktur siehe auch die Diskussion in Kapitel 6.1.2 sowie die dort angegebene Literatur.

18

2. Wortstellung und Kopfparameter

2.4.2. Probleme des LCA Im vorangegangenen Unterabschnitt habe ich das LCA von Kayne (1994) sowie dessen Anwendung in OV-Sprachen vorgestellt. Theoretisch können alle möglichen Konstituentenabfolgen mit Hilfe links gerichteter Bewegungen aus einer kopfinitialen Basisstruktur abgeleitet werden. Die Vorteile der LCA-basierten Ansätze liegen in den konzeptuellen bzw. theoretischen Aspekten, wie sie im letzten Absatz aufgeführt wurden. Gerade deswegen hat das LCA - trotz seiner beachtlichen Unzulänglichkeiten (s. u.) in der theoretischen Forschung der generativen Syntax erhebliche Resonanz gefunden. In diesem Unterabschnitt diskutiere ich nun eine Auswahl der Probleme, die sich im Rahmen einer auf das LCA gestützten Analyse ergeben. Ich werde letztendlich zu dem Schluss kommen, dass das LCA trotz seiner innovativen Einsichten aufgrund empirischer bzw. methodologischer Probleme zu keinen adäquaten Analysen fuhrt. Hubert Haider argumentiert in einer Reihe von Arbeiten gegen das LCA und fur einen alternativen Vorschlag. Da auf seinen Ansatz in Kapitel 6 der vorliegenden Arbeit eingegangen wird, konzentriere ich mich hier auf die von ihm angeführten Probleme des LCA. Wie bereits erwähnt, nehmen unter dem LCA alle präverbalen Elemente eine abgeleitete Position ein: Sie sind aus der VP heraus in die Spec-Position einer funktionalen Projektion bewegt worden (siehe (35) bzw. (37)). Dies sollte bei allen im gängigen Sinne VP-internen Elementen (Argumenten, Adjunkten sowie Prädikaten) der Fall sein, sobald sie links vom satzfinalen Verb auftreten. Haider (2000b: 52f) weist zunächst daraufhin, dass in VO-Sprachen Partikeln sowie resultative Prädikate nicht aus der VP heraus bewegt werden können: (38)

a. *The pavement was thinj [Vp run t, ]. b. *The tree was down; [ w cut /;].

Wenn diese Elemente hier obligatorisch innerhalb der VP verbleiben, sollte dies auch in einigen der OV-Sprachen gelten. Als Folge dessen müssten die betreffenden Partikeln bzw. Prädikate, gemäß dem LCA, rechts vom Verb erscheinen. Zumindest im Deutschen ist dies jedoch nicht der Fall (Haider 2000b: 53): (39)

a. *dass er den Teppich warf [weg] b. *dass er das Fleisch schnitt [in (3 gleiche) Stücke]

Haider (1997b: 14) zufolge sind keine OV-Sprachen mit dieser Eigenschaft bekannt. Wenn die kopffinale VP-Struktur als eine aus der VO-Struktur mittels einer Bewegung nicht-verbaler Elemente nach links abgeleitete Form zu charakterisieren wäre - wie es das LCA verlangt - würde das unterschiedliche Verhalten der betreffenden Partikeln bzw. Prädikate in zwei Sprachvarianten und somit die Ungrammatikalität von Sätzen wie (39) als rätselhaft erscheinen. Außerdem ist bei den LCA-basierten Ansätzen nicht klar, wie die zur Diskussion stehende Bewegung der nicht-verbalen Elemente motiviert werden könnte.15 Die im Wesentlichen gleiche Argumentation gilt für sekundäre Prädikate 15 Im Fall der präverbalen DP-Objekte habe ich im letzten Unterabschnitt die Analyse von Zwart (1997a) vorgestellt, die insofern plausibel klingt, als DPs u.U. aus Kasusgründen bewegt werden. Auch diese (Null-) Hypothese ist für das Deutsche allerdings nicht unumstritten. Hierzu macht Bayer (1999: 265) eine interes-

2.4. Appendix: Einige Bemerkungen zu neueren Theorien der Wortstellung

19

im Allgemeinen sowie bestimmte Adverbien; siehe hierfür insbesondere Haider (1997b, 2000b: 54ff) und auch Gärtner & Steinbach (1994: 43ff). Gegen das LCA fuhrt Haider (2000b: 56ff) ein weiteres Argument an, das hier vereinfacht wiedergegeben wird. Wie bereits mehrfach erwähnt, muss das dem Verb vorangehende Objekt im Deutschen in den Spec einer funktionalen Projektion oberhalb der VP bewegt worden sein. Betrachten wir zunächst Satz (40): (40)

[Einen Fehler nachgewiesen] hat er ihm noch nie.

(41)

. . . [AUX-VP VAUX [FP XPi [ P F [VP V . . . t{...

]]]]

(40) zeigt eine VP-Topikalisierung, die die Konstituenz des topikalisierten Teils verdeutlicht. Dieser entspricht der FP in (41), das die zugrunde liegende Struktur vor der Topikalisierung darstellt. Innerhalb der zu topikalisierenden Konstituente ist allerdings bereits das Objekt über das Verb hinweg bewegt worden. Der LCA-Ansatz stößt hier Haider zufolge auf das Problem, dass eine Struktur wie (41) ungrammatisch ist (siehe (42a)): (42) (43)

a. ""dass er hat (ihm) einen Fehler nachgewiesen b. *dass er (ihm) einen Fehler hat nachgewiesen dass er (ihm) einen Fehler nachgewiesen hat

Auch wenn man das betreffende direkte Objekt nochmals bewegt, damit es dem finiten Verb vorangeht, rettet das die Konstruktion nicht, wie (42b) zeigt. Die einzige Lösung ist, die ganze FP über das finite Hilfsverb hinweg zu bewegen, so dass man (43) erhält. Eine Konsequenz dieser LCA-kompatiblen Derivation eines Satzes wie (43) ist, dass das direkte Objekt sowie die es enthaltende Projektion, egal ob VP oder FP, in einer abgeleiteten Position stehen. Zu erwarten ist dann, dass diese Elemente eine opake Domäne für Extraktion darstellen sollten, wie das englische Beispiel (44) zeigt (siehe auch die Diskussion in Kap. 3.2). Für das Deutsche ist dies jedoch nicht der Fall: (44) (45)

*the book [OPj that [talking about t, ]j he liked Worüber hat er [FP t, gesprochen] ?

]

Wenn die FP in (45) vorangestellt worden wäre - wie dies die LCA-basierte Analyse prognostiziert - ist die einwandfreie Grammatikalität von (45), vor allem im klaren Kontrast zu (44), nicht zu erwarten. Sie spricht vielmehr für die gängige Annahme, dass in (45) die Konstituente aus der Basisposition heraus extrahiert worden ist. Für weitere mit dem LCA verbundene Probleme siehe ζ. B. die Diskussion in Haider (2000b: 56ff). Ein weiteres empirisches Problem einer LCA-Analyse wird von Richards (2004: Kap. 2) präsentiert. Er zieht zunächst die folgenden japanischen Daten aus Miyagawa (2001:307) heran:

sante Bemerkung: „It is a simple but significant observation that children at the earlier stages of syntactic development and seriously agrammatic aphasics say kuchen essen [...], milch trinken [...] etc. instead of * essen Icuchen, *trinken milch etc. Arguably, the bare nouns involved do not have Case at all. Thus, the V-final order must have an ontological status here that is independent from raising to a Case position."

2. Wortstellung und Kopfparameter

20 (46)

(47)

Taroo-ga zen'in-o osie-rare-nakat-ta Taro-Nom alle-Acc lehren-können-Neg-Pst ,Taro konnte nicht alle unterrichten' Neg>alle, (*)alle>Neg Taroo-ga zen'in-ga osie-rare-nakat-ta Taro-Nom alle-Nom lehren-können-Neg-Pst *Neg>alle, alle>Neg

Während das Nominativobjekt in (47) einen weiten Skopus über das negierte Verb hat, liegt das Akkusativobjekt in (46) unter dem Skopus des gleichen Verbs. Da in beiden Sätzen das Objekt dem Verb linear vorangeht, würde das LCA prognostizieren, dass das Objekt sich jeweils über das Verb hinweg bewegt hat und somit eine strukturell höhere Position einnimmt, von der aus das Verb asymmetrisch c-kommandiert wird. Dies widerspricht jedoch dem Skopusverhältnis in (46): Das Objekt geht dem Verb voran, hat jedoch einen engen Skopus gegenüber dem Verb. Um diese Sachlage unter dem LCA zu subsumieren, müsste man sich, so Richards (2004: 16), auf „arbitrary stipulations about the intermediate derivational stages" berufen, „at which scope interpretation takes place (such that all's scope is determined prior to accusative raising but subsequent to nominative raising)". Wenn man dagegen auf eine OV-Basis rekurriert, lässt sich eine einfache Erklärung anbieten: Das Akkusativobjekt bleibt innerhalb der VP und wird somit vom Verb c-kommandiert, während die Realisierung des Nominativs eine Bewegung aus der VP heraus in eine entsprechende funktionale Projektion - möglicherweise nach SpecTP - widerspiegelt, von dem aus das Matrixverb c-kommandiert wird. Auch Fukui & Takano (1998: Abschn. 1) betrachten als das größte Problem des LCA-Ansatzes den Verzicht auf den Kopfparameter und somit die Notwendigkeit von obligatorischen Bewegungsoperationen in Sprachen wie dem Japanischen. Da im Japanischen alle XP-Elemente links vom Kopf erscheinen, müssen fur sie entsprechende funktionale Projektionen postuliert werden, in deren Spec sich die obligatorische Bewegung vollzieht. Dies sollte der Fall fur alle Elemente sein, egal von welchem kategorialen Status, egal ob Komplement oder Adjunkt und egal ob sie Kasus brauchen oder nicht. So ergeben sich berechtigte Zweifel, wie solche funktionalen Kategorien gerechtfertigt werden könnten: „We cannot think of any independent motivation for movement of complements other than the very reason for getting the surface order right [...], and it looks as though the postulated functional category attracts complements of any type just to ensure the correct word order under the LCA" (Fukui & Takano 1998: 33).16 Bislang haben wir uns einige der Probleme, die sich aus LCA-basierten Ansätzen ergeben, angesehen. Wie die Diskussion klargestellt haben sollte, bereiten dem LCA gerade Phänomene aus kopffinalen Sprachen meiner Ansicht nach kaum zu überwindende Schwierigkeiten. Um aus der VO-Basis eine auf der Satzoberfläche zu beobachtende OV-Abfolge abzuleiten, müssen willkürliche Bewegungen sowie funktionale Pro16

Ein weiteres Problem des LCA, auf das Fukui & Takano (1998: 33f) hinweisen, ist das folgende: Unter dem LCA spiegelt die Wortstellung im Englischen die universale VO-Basis wider, während im Japanischen Bewegungsoperationen obligatorisch applizieren. Dies sollte heißen, dass die relevante funktionale Kategorie im Japanischen „aktiv" ist, während sie im Englischen keine (overte) Bewegung auslöst und daher als „inaktiv" zu betrachten ist. Diese Annahme widerspricht jedoch gerade der gängigen Auffassung, dass funktionale Kategorien im Japanischen, wenn sie überhaupt existieren, „inaktiv" sind, im Gegensatz zu jenen im Englischen, die overte NP- bzw. wA-Bewegung verursachen (siehe hierzu u. a. Fukui 1995a).

2.4. Appendix: Einige Bemerkungen zu neueren Theorien der Wortstellung

21

jektionen angenommen werden. Dies kritisiert Richards (2004: 17) m. E. mit Recht: „Empty heads that exist purely to derive correct word orders (but which have no interpretive properties at either PF or LF) are already dubious on minimalist grounds." Wie es Kural (2005: 372) ausdrückt: „[...] constituents seem to be moving solely for the purpose of producing the correct word order." Diese Vorgehensweise verursacht außerdem das Problem der massiven Übergenerierung (vgl. z.B. Richards 2004: 17): Mittels der unter dem LCA zugelassenen Bewegungsoperationen könnte problemlos auch eine nirgendwo bestätigte Konstituentenabfolge (ζ. B. V-DP-P) erzeugt werden. Der Verzicht auf den Kopfparameter bringt somit mehr Probleme mit sich als er lösen kann.17 Wie diese Auswahl von Kritikpunkten verdeutlicht, fällt es nicht schwer, empirische Argumente gegen das LCA zu finden, da es eine sehr starke Hypothese darstellt. Für relevante Diskussionen bzgl. problematischer Aspekte des LCA siehe außer der bisher genannten Literatur Rohrbacher (1994), Sternefeld (1994), Gärtner & Steinbach (1994), Johnson (1997), Kural (1997), Büring & Hartmann (1997a), Bayer (1999, 2001), Haegeman (2000) und Takano (2003). Außerdem könnte man auch theoretische bzw. konzeptuelle Schwächen des LCA diskutieren, worauf hier jedoch nicht eingegangen wird. Siehe hierfür ζ. B. Bouchard (2002: Kap. 6.6.1) und Zepter (2003: Appendix B). Die bisherigen Diskussionen sollten somit gezeigt haben, dass LCA-basierte Ansätze zur Wortstellung angesichts kopffinaler Sprachen bzw. Strukturen nicht aufrechterhalten werden können. Wie von mehreren Autoren bemerkt, führen sie zumindest methodologisch zu erheblichen Komplikationen in Teilen der Theorie, die dort größtenteils keine überzeugende Begründung finden. Auch empirisch haben diese Ansätze Schwierigkeiten mit den Phänomenen, die mit Hilfe eines Direktionalitätsparameters - bzw. einer OV-Basis - ohne weiteres erfasst werden können. Aus diesen Gründen möchte ich das LCA meiner Arbeit nicht zugrunde legen.

2.4.3. PF-Behandlung der Wortstellung Wir haben bis jetzt gesehen, dass die auf Kaynes (1994) LCA basierenden Ansätze zur Wortstellung - bei denen von einer universal kopfinitialen Basisstruktur ausgegangen wird - unter anderem empirisch bzw. methodologisch problematisch sind. In Kaynes These findet sich allerdings eine wichtige Grundidee, die in darauf folgenden Untersuchungen - auch wenn gegen Kayne (1994) argumentiert wird - oft übernommen wird: Der Kopf- bzw. Direktionalitätsparameter sollte aus der Syntax beseitigt werden (s. u.). In diesem Unterabschnitt gehe ich einem Ansatz zur Wortstellung nach, der diese Idee in einer anderen Form verfolgt als Kayne (1994). In der neueren Literatur zur Wortstellung schließen sich meinem Eindruck nach immer mehr Autoren der These an, dass Linearität in der Syntax keine Rolle spielt, sondern erst auf PF determiniert wird. Diese Idee wird z.B. von Chomsky (1995c: 334) bereits impliziert und bei Chomsky (2005: 5) noch expliziter ausgedrückt: Die syntaktische Komponente „sieht" nur die hierarchische Struktur, nicht jedoch die lineare Abfolge der Konstituenten. Einfacher ausgedrückt ist die Syntax ein symmetrisches System (vgl. Richards 2004): [XP X YP] und [XP YP X] sind syntaktisch ein und dieselbe Repräsentation. Ob der Kopf dem Komplement vorangeht oder nachfolgt, wird erst auf PF 17 Vgl. auch Bouchard (2002: 382): „Word order parameters are not eliminated in LCA type analyses, but reintroduced in a more complex and stipulative fashion."

22

2. Wortstellung und Kopfparameter

ausbuchstabiert. Diese Vorgehensweise wird als „elegant" betrachtet, weil die syntaktische Komponente von der Linearität befreit wird, die ohnehin auf der PF-Ebene behandelt werden muss. Auf diesen konzeptuellen Erwägungen basiert die Idee, die Wortstellung bzw. die Linearität von Konstituenten aus der Syntax zu beseitigen. Ich erwähne hier zwei generell unterschiedliche Strategien:18 (i) Die Wortstellungsregularität, die sich auf PF zeigt, wird anhand anderer Eigenschaften der betreffenden Sprache abgeleitet (siehe u. a. Takano 1996, Fukui & Takano 1998, 2000, Neeleman & Reinhart 1997, Neeleman & Weerman 1999); hierbei braucht man keinen Kopfparameter bzw. nicht vorzuschreiben, ob in der betreffenden Sprache (oder evtl. fur die betreffende Kategorie) der Kopf dem Komplement vorangeht oder nachfolgt, (ii) Der Kopfparameter, der in der traditionellen Analyse am Anfang der syntaktischen Derivation als basisstrukturelle Repräsentation eingeführt wurde (vgl. Abschn. 1), operiert erst auf PF bzw. nach Spell-out (siehe z.B. Bobaljik 2002, Richards 2004). Die Ansätze des (i)-Typs erscheinen aus konzeptueller Hinsicht zunächst attraktiver, weil nicht auf den Kopfparameter zurückgegriffen werden muss. Meiner Ansicht nach haben sie jedoch Schwierigkeiten, die jeweiligen Abfolgeregularitäten von Kopf und Komplement aus allgemeinen Prinzipien abzuleiten. Neeleman & Weerman (1999) ζ. B. versuchen, den Kontrast zwischen VO- und OV-Abfolge dadurch zu erklären, dass die Domäne, in der die Argumente lizenziert werden, in beiden Sprachen unterschiedlich charakterisiert wird. Wenn man technische Details unberücksichtigt lässt, liegt ihrer Analyse die Annahme zugrunde, dass der leere Kopf der Kasusphrase (,CaseP') das ECP (insbesondere das proper head government) auf der PF-Ebene erfüllen muss. Es ist jedoch keineswegs eine wünschenswerte Strategie, auf ein typisch syntaktisches Prinzip wie das ECP - oder die Lizenzierung der Kasus - innerhalb der PF-Komponente zurückzugreifen. Dieser Punkt stellt m. E. ein allgemeines Problem dieser und ähnlicher Vorgehensweisen dar: Um die syntaktische Komponente „schlanker" zu machen, werden manche früher in der syntaktischen Komponente verorteten Prozesse nun auf die Interface-Ebenen verschoben. Die oben beschriebene Strategie (i) kann als ein extremes Beispiel hierfür gelten, da ein theoretischer Mechanismus, der eigentlich in der Syntax lokalisiert werden sollte, auf PF applizieren soll. Zwar gelingt es manchen heutigen Ansätzen des generativen Modells, eine simple bzw. auf das Notwendige beschränkte Syntax zu postulieren. Wenn dabei jedoch das Problem nur in die PF-Komponente verschoben und dort entweder gar nicht (vgl. Fn. 18) oder in Wirklichkeit quasi syntaktisch behandelt wird, bringt dies - zumindest im Bereich der empirischen Untersuchung nicht viele Vorteile mit sich. In der vorliegenden Arbeit gehe ich deshalb auf diesen und andere Ansätze der Art (i) nicht weiter ein.19

18 Andere Ansätze zur Wortstellung (z.B. Kural 2005) werden hier nicht erwähnt. Bei manchen Autoren, u.a. bei Chomsky (1995c, 2001, 2005), wird die Wortstellung einfach aus der theoretischen Untersuchung ausgeschlossen. "Takano (1996) liefert in diesem Zusammenhang eine interessante Analyse, die versucht, unterschiedliches syntaktisches Verhalten im Englischen und Japanischen - unter anderem die Abfolge von Kopf und Komplement - durch die An- bzw. Abwesenheit der Verbbewegung zu erklären (siehe auch Fukui & Takano 1998). Ohne eine eingehende Diskussion möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sein Ansatz fur das Deutsche, das sowohl mit dem Englischen als auch dem Japanischen syntaktische Eigenschaften teilt, ohne zusätzliche Annahmen nicht angewendet werden kann.

2.4. Appendix: Einige Bemerkungen zu neueren Theorien der Wortstellung

23

Wenden wir uns daher nun der Strategie (ii) sowie deren Konsequenzen zu. Hierbei wird, wie bereits erwähnt, die Kopf-Komplement-Abfolge erst auf PF determiniert; erst nach Spell-out wirken sich die Regeln für deren Abfolge aus. Diese Annahme sollte somit eine Simplifizierung der syntaktischen Komponente mit sich bringen. Ich möchte nun anhand eines einfachen Beispiels - in Anlehnung an einen Vorschlag von Bobaljik (2002: Abschn. 3.3) - zeigen, wie ein derartiges Modell aussehen könnte. Unter dieser Analyse dominiert jeder verzweigende Knoten in der syntaktischen Baumstruktur ein Paar von zwei Elementen ([X, Y]), deren lineare Abfolge zueinander nicht determiniert ist. Dies stellt sich für Satz (48) wie in (49) dar (die Stellung von I, von Bobaljik 2002: 213f übernommen, sowie die des finiten Verbs (VP-intern vs. -extern) spielen hier keine Rolle): (48) (49)

[Cp weil [IP Florian [r [Vp Apfelwein trinkt] I ]]] a. [cp C, IP] b. [,ρϋΡ,,Γ] c. [τ I, VP] d. [vp V, DP2]

Die fur das Deutsche spezifischen Vorschriften zur Linearisierung bzw. die Direktionalitätsparameter, die in (50) angeführt sind, applizieren nun auf den Output der syntaktischen Komponente bzw. nach Spell-out an die phonologische Komponente (ich verwende die Notation „X>Y" in dem Sinne, dass Χ Y vorangeht, anstatt Bobaljiks „Χ—Υ"): (50)

a. [cp C > IP] b. [IP D P I > I'] c. [,· VP > I] d. [VP DP2 > V]

Auf diese Weise wird jede nicht-linearisierte syntaktische Struktur in (49) auf eine lineare Abfolge abgebildet. Letztere wird zunächst nur für die jeweiligen Schwesterknoten determiniert (siehe (50)). Aufgrund von Transitivität (vgl. auch Kayne 1994) wird jedoch letztendlich fur alle Knoten des Satzes die lineare Abfolge determiniert, sodass der ganze Satz in der phonologischen Komponente als linearisierte Kette von Elementen vorliegt. Erinnern wir uns hier nochmals an die herkömmliche Annahme, dass die KopfKomplement-Abfolge bereits in der Basisstruktur festgelegt wird und in der syntaktischen Baumstruktur sichtbar ist. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Vorgehensweise ohne weiteres mit der neueren Annahme (ii) kompatibel ist. Der Unterschied zwischen den beiden Herangehensweisen besteht hauptsächlich darin, auf welcher Ebene der Derivation die Kopf-Komplement-Abfolge determiniert wird: am Anfang oder nach der syntaktischen Komponente. Wenn diese Übertragung ohne jegliche empirische Verluste geleistet werden kann, sollte sie als eine anzustrebende theoretische Entwicklung gelten. Diese Möglichkeit möchte ich prinzipiell voraussetzen, obwohl ich im folgenden Teil der Arbeit - abgesehen von Kapitel 6.4 - aus Gründen der Anschaulichkeit weiterhin herkömmliche Baumstrukturen verwende und von der traditionellen, auf Linearität bezogenen Ausdrucksweise Gebrauch mache, um die Gegenüberstellung mit anderen

24

2. Wortstellung und Kopfparameter

Analyseansätzen zu erleichtern. So werde ich ζ. B. im nächsten Kapitel dafür argumentieren, dass sich das Satzkomplement im Deutschen, das im Nachfeld erscheint, in seiner postverbalen Basisposition befindet und nicht etwa in einer höheren adjungierten Position. Unter der PF-Analyse zur Linearisierung heißt es, dass das Satzkomplement während der syntaktischen Derivation in der Schwesterposition des Verbs verbleibt und dann nach Spell-out aus sprachspezifischen Gründen (siehe dafür Kap. 6) rechts vom Verb realisiert wird. Dies bedeutet, dass die für das Deutsche geltende Regel, nach der das Satzkomplement dem Kopf-V folgt, nicht in der Basisstruktur, sondern erst nach Spell-out greift. Somit möchte ich meine die Wortstellung betreffenden Vorschläge, die auf traditionielle Begrifflichkeiten wie den „Kopfparameter" rekurrieren, grundsätzlich als mit dieser neueren These zur Linearisierung vereinbar betrachten.20

20

Die Beobachtung, dass bei periphrastischen Verben die Positionierung von Satzkomplementen offenbar phonologischen Restriktionen unterliegt (vgl. die Diskussion in Kap. 3.4.2), kann u.U. als weitere Unterstützung für diese Theorie der Linearisierung betrachtet werden (Eric Fuß, p.M.). Einige Autoren vertreten allerdings die These, dass Linearität in der (zumindest overten) Syntax doch eine Rolle spielen kann. Vgl. hierfür z.B. Koster (1987), Fukui (1993a), Bayer (1996,2000), Fukui & Saito (1998), Tanaka (1997, 2003).

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen In diesem Kapitel wird das Satzkomplement im Deutschen mit besonderem Augenmerk auf dessen Stellung diskutiert.1 Es wird insbesondere der Frage nachgegangen, welche strukturellen Eigenschaften den rechts vom regierenden Verb erscheinenden Satzkomplementen zukommen. Ich werde im Folgenden die Ansicht vertreten, dass das im Nachfeld befindliche Satzkomplement nicht anhand einer Bewegung aus der Schwesterposition des Verbs nach oben abgeleitet wird, sondern direkt in der Komplementposition basisgeneriert ist. In der folgenden Diskussion werde ich der terminologischen Einfachheit halber nicht nur finite Satzkomplemente, sondern auch Infinitivkomplemente (IKs), die ein Infinitivverb mit zu beinhalten, unter dem Begriff Satzkomplement zusammenfassen, obwohl es die Satzwertigkeit mancher IKs mit Recht zu bestreiten gilt.2 Aus dem gleichen Grund verwende ich für die Positionierung der Satzkomplemente im Nachfeld die übliche Bezeichnung „Extraposition", gleichgültig ob die betreffende Konstituente tatsächlich aus dem Mittelfeld herausbewegt bzw. „extraponiert" worden ist oder nicht. Auf den Terminus „Extraposition" Bezug nehmend, möchte ich allerdings bereits jetzt ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich bei der Diskussion in diesem Kapitel ausschließlich um die Nachfeldstellung der Satzkomplemente handelt und nicht etwa um die sog. Extraposition aus einer NP, wie beispielsweise die von Relativsätzen: Ich werde in Kapitel 5 dafür argumentieren, dass die Nachfeldstellung des Satzkomplements und die des Relativsatzes völlig anderer Natur sind und daher bei der Analyse strikt auseinander gehalten werden sollten. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden zunächst die relevanten Daten vorgestellt und im zweiten die generativ gängige Analyse zur Extraposition, die Bewegungsanalyse. Im darauf folgenden Abschnitt werden die Probleme beleuchtet, die sich aus der Bewegungsanalyse ergeben; die Diskussionen dort zeigen gleichzeitig, dass die Basisanalyse von diesen Problemen befreit ist. In Abschnitt 4 werden die Punkte, die der Basisanalyse Schwierigkeiten zu bereiten scheinen, diskutiert. Das vorliegende Kapitel wird mit einer knappen Zusammenfassung abgeschlossen.

1

In dieser Arbeit nicht behandelt werden Fälle, in denen das sog. Korrelat-es zum Satzkomplement erscheint. Siehe hierfür z.B. Safir (1985), Cardinaletti (1990), Bausewein (1991), Webelhuth (1992), Müller (1995b), Wilder (1995), Wiltschko (1997), Sandberg (1998). 2 Die Satzwertigkeit der IKs wird in Kapitel 4 besprochen.

26

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

3.1. Problemstellung Im Deutschen tritt das finite Satzkomplement so gut wie immer im Nachfeld auf. Wenn es dagegen im Mittelfeld vorkommt, wird der Satz als mehr oder weniger markiert empfunden. Ein relevantes Beispielpaar ist in (1) angegeben: (1)

a. Du kannst ihr doch erzählen [dass Peter in Paris ist] b. ??Du kannst ihr doch [dass Peter in Paris ist] nur dann erzählen, wenn ... (Reis 1997: 129)

Bevor ich in die Diskussion einsteige, möchte ich zuerst einige Beurteilungen des Satztyps (lb) in der Literatur, also des Vorkommens des finiten Komplementsatzes im Mittelfeld, präsentieren. Dabei erscheint verwirrend, dass diese Art von Sätzen mit einem „nicht-extraponierten" Satzkomplement in der einschlägigen Literatur völlig unterschiedlich bewertet wird. In den folgenden, der Literatur entnommenen Beispielen werden jeweils die entsprechenden Kommentare der Autoren zitiert, um ihre Meinungen zu diesem Konstruktionstyp zu verdeutlichen. Manche Autoren bewerten sie als grammatisch bzw. versehen entsprechende Sätze nicht mit einer Markierung bzgl. deren Grammatikalität: (2)

a. Als Hans gestern seiner Schwester [dass er krank sei] sagte, waren alle schon weg. (Bayer 1996: 192; „[...] dass-CPs occur in pre-verbal position if they are short enough to avoid the serious processing difficulties that self-embedding entails.") b. dass er [dass Fritz Claudia liebt] gesagt / nicht gewusst hat (Müller 1999: 376; „[...] leaving [a finite declarative CP complement] in a pre-verbal position is by no means impossible. [...] a preverbal finite declarative CP can be perceived as marked, as clumsy, as slightly deviant, or even as fully acceptable, but typically not as ungrammatical.") c. Ich glaube, dass Hans [dass wir kommen] niemals zulassen wird (Fanselow & Felix 1987: 62f; „S'-Komplemente können auch in postverbaler Position auftreten; bei finiten Sätzen ist dies in der Tat zumeist vorgeschrieben.") d. Hans hat [dass die Maria Peter geküsst hat] geglaubt. (Wiltschko 1997: 381; „[...] extraposition is not in general obligatory [...].")

Für viele Sprecher ist die Mittelfeldstellung des finiten Komplementsatzes weder ganz akzeptabel noch völlig ungrammatisch: (3)

a. ?Wolfgang hat mir [dass es schneien würde] schon oft prophezeit (Stechow & Stemefeld 1988: 392; „CP-Argumente des Verbs können im Prinzip im ,Mittelfeld' vorkommen [...].") b. ??Du kannst ihr doch [dass Peter in Paris ist] nur dann erzählen, wenn ... (= (lb), Reis 1997: 129; „[...] subkategorisierte dass-Sätze [...] erlauben marginal Mittelfeldstellung [...].") c. ??weil Hans [dass er die Prüfung besteht] hofft (Grewendorf 1988: 104; „[...] dass man Objektsätze im Deutschen in das Nachfeld stellen (,extraponieren') kann bzw. meist sogar muss [...].")

3.1. Problemstellung

27

Ferner gibt es aber auch Autoren, die diese Konstruktion als inakzeptabel betrachten: (4)

a. ?*dass er [dass Claudia Peter geküsst hat] gesagt hat (Müller 1997: 218; „[...] finite CP complements tend to occur post-verbally [...], and not preverbally, like other arguments.")3 b. *weil er [dass Schnaps gut schmeckt] gesagt hat (Büring & Hartmann 1997a: 28f; „Finite sentences may not be governed by V° or I0.") c. *Wir haben [dass Peter das Buch nicht mehr gefunden hat] gehört. (WöllsteinLeisten et al. 1997: 63; „[Nachfeldbesetzung] ist (fast) obligatorisch beim Auftreten von [Objektsätzen].")

Außerdem wird derselbe Konstruktionstyp von ein und demselbem Autor unterschiedlich bewertet: (5)

a. ?Peter hat [dass er gekommen ist] bereut. b. *?Peter hat [dass du gekommen bist] gesagt. c. ?Peter hat nur [dass du gekommen bist] gesagt. d. ?Peter hat nicht [dass du gekommen bist] bereut. (Büring 1995: 371, 379: „The naturalness of finite complement clauses preceding the infinite verb depends crucially on the choice of verb. While verbs like bedauern [...] allow for (short) clauses to their left, others, especially bridge verbs like sagen [...] almost prohibit them, [...]. Cases like these improve when adverbials [...] or contrastive negation is inserted.")

Für alle Sprecher sind allerdings die entsprechenden Sätze mit dem finiten Satzkomplement im Nachfeld einwandfrei akzeptabel, oder zumindest viel natürlicher, wobei ich die betreffenden Beispielsätze hier nicht extra angebe. Es scheint somit gerade am Anfang der Untersuchung Unklarheit über den Status der relevanten Daten zu bestehen:4 Soll man die in Frage kommende Konstruktion als akzeptabel oder als inakzeptabel einstufen? Ohne diese Entscheidung lässt sich keine vernünftige Theorie (und sogar nicht einmal eine Generalisierung) aufbauen. Auf die theoretische Relevanz dieser Sachlage komme ich in Abschnitt 3.6 zurück. An dieser Stelle vergegenwärtigen wir uns zunächst einmal die Beobachtung, dass die betreffende Konstruktion von vielen Sprechern als zumindest markiert (und ggf. sogar inakzeptabel) empfunden wird. Selbst bei den Autoren, die sie als grammatisch angeben, wird irgendein Vorbehalt zu deren Akzeptabilität angegeben (vgl. (2)). Halten wir uns also an den markierten Status von Sätzen mit einem finiten Satzkomplement im Mittelfeld.

3

Dem gleichen Beispielsatz gibt Müller (1998: 306) zwei Fragezeichen, wobei er sagt, „extraposition is by itself not obligatory" und es offen lässt, ob und ggf. wie „the slight deviance or 'clumsiness' of middle fieldinternal finite CPs in German should be accounted for in syntax". 4 Für weitere, aber nicht ausschöpfende Daten siehe Bach (1971: 164), Bausewein (1991: 180), Bayer (1997:49), Eisenberg (1994: 415), Evers (1975: 17), Fanselow & Felix (1987: 63), Grewendorf (1988: 254), Grosu & Thompson (1977: 117), Hawkins (1986: 145, 1994: 302ff), Höhle (1986: 338), Kathol (2000: 96), Meinunger (2000: 183), Müller & Sternefeld (1995: 51), Ohl (2003: 174), Säbel (1996: 15), Webelhuth (1992: 107f), Wilder (1995: 275), und insbesondere Broszewski (1994: Kap. 3.1).

28

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

In den bisherigen Beispielen habe ich nur solche Matrixverben ausgewählt, die mehr oder weniger die Mittelfeldstellung des Satzkomplements erlauben, zumindest in den passenden Kontexten und/oder bei „toleranten" Sprechern. Allerdings gibt es auch Matrixverben, die ihr Objekt zwar als Satz realisieren können, die dieses Satzkomplement jedoch nur im Nachfeld und nicht im Mittelfeld zulassen. Webelhuth (1992: 103ff) nennt die erste Gruppe von Verben „Klasse I" und die zweite „Klasse II". Der letzteren Gruppe gehören Verben wie sich freuen, informieren, sich ärgern, sich wundern usw. an. Obwohl das Satzkomplement der Verben beider Gruppen im Nachfeld stehen kann, ist dessen Vorkommen im Mittelfeld bei den Verben der Klasse II völlig ausgeschlossen, und zwar sogar auch für die Sprecher, die es für die Verben der Klasse I zulassen (Webelhuth 1992: 106f): (6) (7)

a. Ich kann nicht glauben [dass Hans krank ist]. b. Ich kann mich nicht freuen [dass Hans krank ist]. a. weil ich [dass Hans krank ist] nicht glauben kann b. *weil ich [dass Hans krank ist] mich nicht freuen kann

Außer dem Kontrast in (7) gibt es zwischen diesen zwei Klassen von Verben noch andere syntaktische Unterschiede: Nur die Verben der Klasse I können, so Webelhuth (1992), (i) eine DP subkategorisieren und (ii) das Satzkomplement in der Topikposition bzw. im Vorfeld realisieren. Ich werde auf diesen Bereich nicht weiter eingehen, sondern die Diskussion in diesem Kapitel hauptsächlich anhand von Matrixverben der Klasse I in Webelhuths Sinne fortsetzen. Wenden wir uns nun den IKs zu. Da die Nachfeldbesetzung der Satzkomplemente einen Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung darstellt, konzentrieren wir uns in erster Linie auf solche IKs, die im Prinzip im Nachfeld erscheinen können. Dies entspricht zum großen Teil den IKs mit einem infiniten Verb im zweiten Status im Sinne von Bech (1983) bzw. mit einem zw-Infinitiv. Aus diesem Grund scheiden zunächst alle Infinitgefiige im ersten und dritten Status aus. Daher wird die folgende Darstellung der primären Daten auf die Kontroll-IKs mit zu beschränkt; Anhebungsverben, deren IK im Nachfeld realisiert werden kann, werden im nächsten Kapitel behandelt. Auf die mit zuIKs einhergehenden Probleme, insbesondere bzgl. der Kohärenz, wird ebenfalls erst in Kapitel 4 eingegangen, wo auch der kategoriale Status der IKs besprochen wird. Schauen wir uns nun die Daten an. Es wird in der Literatur im Allgemeinen davon ausgegangen, dass IKs sowohl links als auch rechts vom regierenden Verb realisiert werden können (hier werden die Klammern nur zur Veranschaulichung der Stellung des Infinitivteils, Mittelfeld vs. Nachfeld, verwendet): (8)

(9)

a. Hans hat aufgehört [zu rauchen] b. Hans hat [zu rauchen] aufgehört (Bayer 1996: 187; „The examples in [(8)] exist side by side without a noticeable difference in markedness.") a. Darum hat der Junge versucht [es zu verschenken], b. weil der Junge [es dem Mann nicht zu schenken] versucht (Kiss 1995: 33)

3.1. Problemstellung

29

In der Tat lassen sich aber in der Literatur auch Daten finden, in denen die parallele Akzeptabilität von Sätzen mit und ohne Extraposition des IK zusammenbricht (siehe auch Hawkins 1986: 147 fur eine Diskussion): (10)

(11)

(12)

a. Darum hat der Junge das Mädchen überredet [es nicht zu kaufen], b. ??weil der Junge das Mädchen [es nicht zu kaufen] überredete (Kiss 1995: 33; „[...] die Intrapositionsstruktur [...] ist kaum akzeptabel [...].") a. weil der Hans zutiefst bedauerte [der Maria nicht geholfen zu haben] b. %weil der Hans [der Maria nicht geholfen zu haben] zutiefst bedauerte (Wurmbrand 2001: 293; „While extraposition is generally accepted [...], intraposition of a non-restructuring infinitive is marked and again impossible for some speakers [...].") a. *dass der Peter die Maria überredet [den Karl [das Auto zu kaufen] zu zwingen] b. *dass der Peter die Maria [den Karl zu zwingen [das Auto zu kaufen]] überredet c. dass Peter Maria überredet [den Karl zu zwingen [das Auto zu kaufen]] d. dass er Maria [zu singen] überreden konnte (Hinrichs & Nakazawa 1998: 151f; „The factors which determine whether or not VP complements are extraposed may well include extragrammatical considerations such as processing constraints.")

Ferner stellen Bayer et al. (2005) aufgrund einer korpusbasierten Untersuchung fest, dass die „Intraposition" des IK auch unter kohärent einbettenden Matrixverben nur eine „markierte Option" ist (siehe auch Kap. 6.3). Ich möchte an dieser Stelle jedoch ohne weitere Diskussion von dieser Sachlage abstrahieren und mich auf die weit verbreitete Auffassung stützen, dass die in Frage kommenden IKs, zumindest was die Syntax angeht, sowohl links als auch rechts auftreten können. Eine Abweichung davon wie in (10)—(12) lässt sich möglicherweise auf nicht-syntaktische Gründe wie z.B. lexikalische oder auf die Verarbeitung bezogene Faktoren zurückfuhren.5 Diese Sachlage wird samt ihrer theoretischen Relevanz noch in Abschnitt 3.6 erwähnt. Als deskriptive Generalisierung können wir also die folgenden Schemata gelten lassen: (13) (14)

a.VCP b. #CP V a. V IK b. IKV

Nun wollen wir zum eigentlichen Thema dieses Kapitels kommen: Welche strukturellen Eigenschaften haben die postverbalen Satzkomplemente im Deutschen? Zur Beantwortung dieser Frage gibt es in der Forschungstradition, grob gegliedert, zwei gegensätzliche Vorschläge: (i) Das Satzkomplement im Nachfeld wird im Mittelfeld basisgeneriert

5

Vgl. hierzu z.B. die Bemerkung von Zifonun et al. (1997: 2200): „Eine umfangreiche [Infinitivkonstruktion] wird aus stilistischen Gründen und im Dienste einer größeren Transparenz des Satzbaus ins Nachfeld gerückt."

30

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

und dann im Laufe der Derivation nach rechts bzw. ins Nachfeld verschoben (Bewegungsanalyse), oder (ii) das Satzkomplement wird gleich im Nachfeld basisgeneriert (Basisanalyse). 6 In den folgenden Abschnitten werden diese Ansätze diskutiert.

3.2. Extraposition als Bewegung Wie gerade erwähnt, gibt es zwei wichtige Ansätze, die die Nachfeldstellung der Satzkomplemente im Deutschen behandeln: Bewegungsanalyse und Basisanalyse. Meiner Ansicht nach überwiegt in der generativen Forschung die Bewegungsanalyse. Als deren Verfechter gelten u.a. Büring (1995), Büring & Hartmann (1995, 1997a, 1997b) 7 und Müller (1995a, 1995b, 1997, 1998, 1999a). Bei manchen Forschern ist die Bewegung des Satzkomplements schon vorausgesetzt, wie gerade die übliche Bezeichnung „Extraposition" andeutet (vgl. u.a. Bierwisch 1963: 143ff, Thiersch 1978, Stechow & Sternefeld 1988: 407, Evers 1975: 17f, Grewendorf 1988: 104). In diesem Abschnitt wird die diesem Forschungstrend entsprechende Bewegungsanalyse vorgestellt. Deren Bewertung erfolgt erst danach in Abschnitt 3. Als empirische Beobachtung haben wir zunächst festgestellt, dass das finite Satzkomplement fast ausschließlich im Nachfeld auftritt: (15)

a. Hans hat geglaubt [dass die Maria Peter geküsst hat]. b. #Hans hat [dass die Maria Peter geküsst hat] geglaubt, (vgl. (2d))

Die Bewegungsanalyse besagt, dass (15b) die Basisstruktur darstellt und Satz (15a) aus dieser durch Verschiebung des Nebensatzes nach rechts abgeleitet wird. Es könnte nun sofort die Frage aufkommen, warum man solch eine fast obligatorische Bewegung des Satzkomplements annimmt. Das wichtigste Argument fur die Bewegungsanalyse ist die Kopffinalität der deutschen VP, wie wir bereits in Kapitel 2 festgestellt haben. Dies bedeutet, dass die Verben im Deutschen ihr Komplement unabhängig von seinem kategorialen Status einheitlich nach links theta-markieren bzw. regieren sollten. In dieser Hinsicht gilt die Bewegungsanalyse theoretisch als eleganter, worauf sich die Vertreter der Bewegungsanalyse, egal ob explizit oder implizit, hauptsächlich stützen. Ausgehend von dieser konzeptuell basierten Überlegung wird unter der Bewegungsanalyse angenommen, dass das im Mittelfeld basisgenerierte Satzkomplement im Laufe der Derivation an die VP, oder an eine höhere maximale Projektion, rechtsadjungiert wird. Dies wird in (16) anhand einer Baumstruktur veranschaulicht, in der IP (= TP bzw. vP) und VP jeweils als eine mögliche Zielposition der Extraposition dargestellt sind:8 6

Eine weitere mögliche Analyse wäre, dass aus einer OV-Basis im Falle der Satzkomplementierung eine Verbanhebung stattfindet (vgl. Haider 1994a). Mir scheint jedoch der Trigger dieser Verbbewegung nicht genug begründet zu sein, der diese nur dann auslösen soll, wenn das Objekt satzwertig ist. Auf diesen Ansatz gehe ich nicht ein. 7 Diese drei Arbeiten derselben Autoren unterscheiden sich inhaltlich, abgesehen von kleinen Revisionen bzw. Ergänzungen, im Wesentlichen nicht voneinander. Beim Zitat in der folgenden Diskussion beziehe ich mich auf Büring & Hartmann (1997a), das als B&H abgekürzt wird. 8 Chomsky (1986b: 6) nimmt bzgl. Adjunktion das folgende Prinzip an: „Adjunction is possible only to a maximal projection (hence X") that is a nonargument." Dies wird, Chomsky (1986b: 15f) zufolge, vom ThetaKriterium deduziert. Demnach sollte Adjunktion an NP oder CP ausgeschlossen sein (vgl. aber Müller 1997,

3.2. Extraposition als Bewegung (16)

31

CP /

\

C

IP /

\

IP /

CP \

I

VP /

\

VP /

CP \

XP

V' / tcp

\ V

Eine extraponierte Konstituente nimmt demnach auf der Satzoberfläche eine Position ein, die vom Verb nicht selegiert bzw. L-markiert (vgl. Chomsky 1986b) wird. Dies hat zur Folge, dass sich ein extraponiertes Satzkomplement wie eine gescrambelte Konstituente (17b) oder ein Adjunkt (18/19) verhalten sollte. Die letzten zwei bilden bekanntlich eine Insel fur Bewegung, während demgegenüber aus einem Argument in der Basisposition bewegt werden kann (17a): (17)

(18)

(19)

a. [Über wen]j hat der Fritz [ein Buch /,] geschrieben? b. *[Über wen]j hat der Fritz [ein Buch /Jj der Anna t} geschrieben? (Müller & Sternefeld 1995: 41) a. *WaSj warst du [nachdem du t-, getrunken hast] krank? b. *WaSj warst du krank [nachdem du t, getrunken hast]? (Büring & Hartmann 1997a: 7) a. ?*Wen, bist du eingeschlafen [ohne t\ gesehen zu haben]? (Müller 1995a: 88) b. *Wen; bist du [ohne t\ gesehen zu haben] eingeschlafen?

Diese Inseleigenschaft gilt jedoch nicht fur extraponierte Satzkomplemente: (20)

a. Ich weiß nicht, wen, er gesagt hat [dass Fritz t\ liebt]j ? (Müller 1999a: 378) b. Wasi hat der Fritz ts abgelehnt [/, zu lesen]; ? (Müller 1999a: 393)

Diese Beobachtung bzgl. der Extraktion stellt eines der Phänomene dar, die zeigen, dass sich das extraponierte Satzkomplement so verhält wie ein Element in seiner Basisposition.9 Die Analyse der Extraposition als Rechtsadjunktion muss mit dieser Tatsache vereinbar sein. 1998). Ferner sollte eine maximale Projektion nur an eine maximale Projektion adjungiert werden können (eine Variante der Strukturbewahrungsprinzip von Emonds 1976, vgl. Chomsky 1986b: 73). 9 Es ist in der Literatur bereits bekannt, dass die Extraktion nicht gestattet ist, (i) wenn das Matrixverb kein Brückenverb bzw. ein Faktiwerb ist, oder (ii) wenn ein sog. Korrelat-es zum Satzkomplement auftaucht: i) *Wen bereust du [dass du t beleidigt hast] ? (Cardinaletti 1990: 88) ii) Wen sagte (*es) Hans [dass er t getroffen hat] ? (Cardinaletti 1990: 82) In der vorliegenden Arbeit wird auf diese Themenkomplexe nicht eingegangen. Siehe hierzu Cardinaletti (1990) und Müller (1995a, 1995b).

32

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

Büring & Hartmann (1997a) (B&H) vertreten die These, dass Extraposition als eine Art A-bar-Bewegung nach rechts analysiert werden sollte, die die betreffende Konstituente entweder an VP oder IP adjungiert. Um deren transparenten Charakter, der die Extraktion ermöglicht, zu gewährleisten (siehe (20)), behaupten sie (S. 7), dass Extraktion vor Extraposition stattfinden muss. Demnach sollte der relevante Teil der Struktur wie (20a) auf folgende Weise abgeleitet sein: (21)

a. ... er [dass Fritz wen liebt] gesagt hat (Basis) b. ... wenj er [dass Fritz t\ liebt] gesagt hat (Extraktion) c. ... wenj er ts gesagt hat [dass Fritz t, liebt]j (Extraposition)

Die Extraktion in (21b) ist demzufolge genauso zu analysieren wie die wÄ-Bewegung, die aus der vom Verb selegierten Position heraus stattfindet (vgl. (17a)). Entscheidend bei dieser Analyse ist also die Vorschrift über die Reihenfolge der Anwendung zweier Bewegungsoperationen; es appliziert Extraktion vor Extraposition. Dies wird von B&H jedoch nicht begründet. Diese Frage wird von Müller (1997, 1998) aufgegriffen, der eine noch detailliertere Analyse zur Extraposition als einer nach rechts gerichteten Bewegung anbietet. Ausgehend von einer bottom-up Bildung der Phrasenstruktur (vgl. Chomsky 1995c) postuliert Müller (1997: 221) die strenge Zyklizitätsbedingung (SCC; strict cycle condition). Diese besagt, stark vereinfacht, dass syntaktische Operationen nur die höchste Projektion, nicht aber die unteren Positionen im Baum betreffen können. Demnach verletzt ζ. B. die folgende Derivation die SCC (vgl. Müller 1997: 229): (22)

a. ich nicht [CPI er [Vp [CP2 dass Fritz wen liebt] gesagt] hat] weiß (Basis) b. ich nicht [Cpi wenj er [Vp [cp2 dass Fritz t\ liebt] gesagt] hat] weiß (wA-Bewegung) c. ich nicht [Cpi wen; er [yp t\ gesagt [Cp2 dass Fritz t-, liebt]j] hat] weiß (•Extraposition) d· *[[VP h gesagt [CP2 dass Fritz t\ liebt]j]k weiß ich nicht [Cpi wenj er tk hat] (VP-Topikalisierung etc.)

In (c) wird das Satzkomplement an VP adjungiert, nachdem im ersten Schritt (b) die wÄ-Phrase an die SpecCPi bewegt worden ist. Die Extraposition an VP in (c) ist nicht gestattet, weil davor schon eine Operation in eine höhere Phrase (CPi) stattgefunden hat. In der folgenden Derivation dagegen ist die SCC eingehalten: Die Adjunktposition, in der das extraponierte Satzkomplement landet,10 gilt als „gleich hoch" wie die SpecCPi, in die vorher w/2-bewegt worden ist (vgl. Satz (20a)): (23)

a. ... [CPI [IP er [CP2 dass Claudia wen geküsst hat] gesagt hat]] (Basis) b. ... [CPI wenj [iP er [Cp2 dass Claudia tt geküsst hat] gesagt hat]] (wÄ-Bewegung)

10 Müller (1997: 225) behauptet, kontra Chomsky (1986b) (vgl. Fn. 8), dass nicht nur VP oder IP, sondern auch CP ein mögliches Adjunktionsziel sein kann. Somit lasse sich eine konzeptuell attraktive Hypothese ohne Einschränkung der Rechtsadjunktionsziele aufstellen: „Right-adjunction is possible to any kind of XP."

3.2. Extraposition als Bewegung

33

c. ... [cpi wen; [IP er t} gesagt hat] [Cp2 dass Claudia 4 geküsst hat]j] (Extraposition) Somit ist die Durchlässigkeit des extraponierten Satzkomplements fur die wÄ-Bewegung unter der Bewegungsalanyse gewährleistet. Außer w/j-Bewegung gibt es noch andere Daten, die gegen die Verschiebung des Komplementsatzes nach rechts ins Nachfeld bzw. für seine Basisgenerierung in dieser Position zu sprechen scheinen. Die Daten betreffen die Bindungstheorie (BT): (24) (25)

*Sie hat ihmj nicht gesagt [dass sie auf Max; böse ist] (Haider 1997a: 127) a. dass der Direktor jeder Putzfrauj persönlich mitteilte [dass siej entlassen sei] b. *dass der Direktor ihr; persönlich mitteilte [dass die Putzfrau, entlassen sei] (Bayer 1996: 196)

Die Bindungsverhältnisse in diesen Sätzen zeigen, dass das extraponierte Satzkomplement vom Dativobjekt im Mittelfeld des Matrixsatzes c-kommandiert wird.11 Unter der Bewegungsanalyse liegt diese konfigurationelle Beschaffenheit auf der Satzoberfläche nicht vor, da Extraposition die VP oder einen höheren Knoten anvisiert, wie die Baumstruktur (16) veranschaulicht. Aufgrund dieser Problematik postulieren B&H eine Rekonstruktion der overt bewegten Konstituente auf LF, sodass sich das extraponierte Satzkomplement in der vom Verb selegierten Basisposition befindet bzw. in diese Position zurückbewegt wird. Auf LF wird also Rekonstruktion auf eine Oberflächenstruktur wie (16) angewandt, wodurch die CP semantisch in ihrer ursprünglichen Position interpretiert wird: (26)

(LF)

VP /

\

Dat

V' / CP

\ V

B&H gehen durchaus davon aus (S. 9), dass A-bar-Bewegung rekonstruiert wird, ABewegung jedoch nicht (fur eine Diskussion über Rekonstruktion siehe Kap. 4.2). Sie behaupten weiterhin, dass die BT nach der Rekonstruktion auf LF appliziert. Als Folge der Rekonstruktion gleicht die LF-Struktur (26) der Basisstruktur, in der sich die erwarteten Bindungsverhältnisse ergeben.12 Nun lässt sich die Bewegungsanalyse zur Extraposition folgendermaßen zusammenfassen: Das Satzkomplement wird links vom Verb basisgeneriert und dann an VP oder IP rechtsadjungiert (vgl. (16)). Wenn eine wA-Extraktion in Matrix-SpecCP involviert

11 Für die BT-relevante Koreferenz ist der lineare Vorrang des Binders gegenüber dem Gebundenen keine hinreichende Bedingung: i) * Jeder; plant einen Urlaub, weshalb er; schon jetzt vergnügt ist (Reis 1997: 136) ii) Es hat ihr, jemand gesagt [dem Idaj blind vertraut] [dass sie sehr alt wird] (B&H: 12) 12 Diese interpretativen Aspekte der Extraposition werden von Müller (1995a, 1995b, 1997, 1998) nicht diskutiert.

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

34

ist, findet diese vor der Extraposition statt. Die für die semantische Interpretation relevanten Beschränkungen gelten nicht auf der Satzoberfläche, sondern erst auf LF, nachdem eine A-bar-bewegte bzw. extraponierte Konstituente rekonstruiert wurde.

3.3. Extraposition als Basisstruktur - Probleme der Bewegungsanalyse In diesem Abschnitt argumentiere ich gegen die gängige Bewegungsanalyse und für die Basisanalyse extraponierter Satzkomplemente. Die Idee, dass (u. a. finite) Satzkomplemente im Nachfeld basisgeneriert werden (können), ist in verschiedenen Formen vorgeschlagen worden (z.B. von Koster 1987, Cardinaletti 1990, Webelhuth 1992, Barbiers 2000 und insbesondere von Haider in einer Reihe von Arbeiten (z.B. Haider 1995a, 1997a, 2000b)). Ich möchte hier etwas spezifischer behaupten, dass ein finites Satzkomplement als rechte Schwester des regierenden Verbs basisgeneriert wird (27), während dem IK im Prinzip sowohl die linke als auch die rechte Komplementposition des Verbs zur Verfugung stehen (27/28): (27)

VP

(28)

/

VP

\

XP

/ V'

/ V

\

XP

V'

\

/ CP/IK

IK

\ V

Im Folgenden werden die im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten Vorschläge zugunsten der Bewegungsanalyse einer kritischen Überprüfung unterzogen. Dabei wird sich zeigen, dass dieser Analyse empirische Daten sowie theoretische Überlegungen Schwierigkeiten bereiten, die unter der Basisanalyse nicht auftauchen. 3.3.1. 07?-Extraktion Nach B&H und Müller (1997, 1998) sollte Wz-Bewegung vor Extraposition stattfinden, um den transparenten Charakter des extraponierten Satzkomplements zu gewährleisten. Ungeklärt bleiben unter der Bewegungsanalyse jedoch immer noch die Daten, in denen das Satzkomplement im Mittelfeld bzw. in seiner „Basisposition" vorkommt. Folgende Beispielsätze und deren Bewertungen stammen von Webelhuth (1992: 108): (29) (30)

a. weil ich geglaubt habe [dass Maria den Jungen liebt] b. Wen hast du geglaubt [dass Maria t liebt]? a. weil ich [dass Maria den Jungen liebt] geglaubt habe b. *Wen hast du [dass Maria t liebt] geglaubt? 13

13 Büring (1995: 377) behauptet, „the constrast noted by Webelhuth is not as sharp as he suggests" und ersetzt „Webelhuth's asterisk by a question mark." Dies widerspricht den Bewertungen der meisten anderen Autoren sowie der meiner Informanten.

3.3. Extraposition als Basisstruktur - Probleme der Bewegungsanalyse

35

Wenn das Satzkomplement in (30) seine Basisposition besetzen würde, sollte es eine transparente Domäne für die Extraktion darstellen (vgl. (17)). Die Daten sprechen jedoch eher dafür, dass das Satzkomplement im Nachfeld, nicht aber das im Mittelfeld in seiner Basisposition steht: 14 Dies entspricht der bereits erwähnten Beobachtung ( z . B . Huang 1998, Müller 1995a), dass Extraktion nur aus Phrasen möglich ist, die sich in ihrer Basisposition befinden, während bewegte Konstituenten Inseln für Bewegung darstellen.

3.3.2. Langes Scrambling Das Argument im letzten Unterabschnitt gilt nur für die finiten Satzkomplemente: IKs lassen sowohl im Nachfeld als auch im Mittelfeld w/z-Extraktion zu, so dass der Kontrast wie in (29/30) nicht entsteht: (31)

a. Welches Haschisch hat Hans aufgehört [t zu rauchen]? b. Welches Haschisch hat Hans [t zu rauchen] aufgehört? (Bayer 1996: 188)

Es gibt bei der Diskussion um die Stellung der Satzkomplemente aber auch ein Extraktionsphänomen, das bei der infinitiven Komplementierung ins Spiel kommt: Hierbei handelt es sich um die sog. dritte Konstruktion (3K). Eine ausführliche Analyse dieser Konstruktion erfolgt erst in Kapitel 4. An dieser Stelle wird nur der Aspekt dieser Analyse vorgeführt, der für den Inhalt dieses Abschnitts relevant ist. Wie in Abschnitt 2 vorgestellt, behaupten sowohl B & H als auch Müller (1997, 1998), dass Extraposition vor wÄ-Extraktion stattfindet. Daher geht Müller (1998: 189ff) auch bei der Derivation der 3K von der Anwendung der links gerichteten Extraktion vor der rechts gerichteten Extraposition aus. Demnach wird zunächst aus dem IK im Mittelfeld (32a) heraus ein Element in den Matrixsatz (string-vacuous) gescrambelt (32b) und dann wird das (remnant) IK extraponiert (32c). Dabei muss das Extrapositionsziel höher sein als das gescrambelte Objekt, damit die SCC (siehe Abschn. 2) eingehalten wird: (32)

a. weil der Hans [Vp [IK den Wagen zu reparieren] versucht] (Basis) b. weil der Hans [Vp [den Wagen]J [Vp [IK t\ zu reparieren] versucht]] (Scrambling) c. weil der Hans [yp [den Wagen]; [Vp ts versucht]] [iK t\ zu reparieren^ (Extraposition)

Auf diese Weise wird unter der Bewegungsanalyse die Extraktion aus einer Konstituente, die oberflächlich eine Adjunktposition einnimmt, zugelassen. Dies ist im Prinzip die gleiche Strategie, die im Fall der vWz-Extraktion angewandt wird. Meiner Ansicht nach ergeben sich jedoch bei dieser Analyse der 3 K einige Probleme. Erstens gibt es Evidenz dafür, dass das lang gescrambelte Element in der 3K sich anders verhält als ein normal gescrambeltes Element (vgl. u.a. Geilfuß 1991a, Bayer & Korn-

14 Müllers ( 1 9 9 8 , 1999a) technischer Ansatz zu diesem Problem, der meiner Meinung nach mehr oder weniger stipulativen Charakter hat, wird hier nicht diskutiert. Siehe hierzu Fn. 2 9 in Abschnitt 3.5.

36

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

filt 1994). Dieser Unterschied ist bei Müllers (1998) Vorgehensweise nicht berücksichtigt. Auf diesen Punkt komme ich in Kapitel 4 noch ausfuhrlicher zurück. Ein anderes Problem betrifft wiederum die links gerichtete Extraktion wie in (32b). Bei der Derivation von (32) haben wir gesehen, dass der Infinitivteil - zumindest unter Müllers (1998) Ansatz - extraponiert ist. Er kann demnach eine Konstituente bilden, wie die Klammern anzeigen. Betrachten wir nun die Variante von (32), in der das Matrixprädikat passiviert ist. Innerhalb von Müllers Analyse liegt einem Satz wie (33b) eine Basisstruktur wie (33a) zugrunde: (33)

a. weil [IP [Vp [IK den Wagen zu reparieren] versucht] wurde] (Basis) b. weil [ip [vp t versucht] wurde] [iK den Wagen zu reparieren]

Diese Basisstruktur - (33a) - ist im Wesentlichen identisch mit dem von Müller unterstellten aktivischen Pendant (32a); nur das externe Argument des Matrixsatzes fehlt. Nun sollte daran erinnert werden, dass das interne Argument im Deutschen bei der Passivierung nicht overt in die Subjektposition angehoben werden muss - wie etwa im Englischen - , sondern in situ bleiben kann (vgl. Grewendorf 1989, Säbel 1999, 2005, Haider 2005). Das IK in (33a), das darüber hinaus keinen Kasus benötigt, sollte demnach die gleiche strukturelle Position einnehmen wie das in (32a), nämlich die Komplementposition des Verbs.15 Nun wenden wir hier, wie bei der Aktivkonstruktion, zuerst Scrambling und anschließend Extraposition an: (34) (35)

a. weil [den Wagen]; [t\ zu reparieren] versucht wurde (Scrambling) b. *weil [den Wagen]; /j versucht wurde [t\ zu reparieren^ (Extraposition) weil der Wagen versucht wurde [t zu reparieren]

Der resultierende Satz (34b) ist jedoch ungrammatisch, obwohl die gleichen Operationen wie beim grammatischen (32c) auf die im Wesentlichen, bis auf das Vorhandensein des Matrixsubjekts, identische Struktur angewandt worden sind. Folglich ist der Kontrast zwischen (32c) und (34b) unter der Bewegungsanalyse unerwartet, zumal man innerhalb Müllers (1997, 1998) theoretischem Rahmen eine derivationelle anstatt repräsentationeile Vorgehensweise verfolgt. 16 Ein weiteres Problem könnte im Rahmen der in (32) dargestellten Derivation eventuell durch Restriktionen für sog. „remnant movement" entstehen, wie sie von Grewendorf (2003) diskutiert werden. Grewendorf (2003: 67) schlägt (36) vor, wobei als die relevante Hierarchie (37) angegeben wird (S. 79):

15 Dies macht die Möglichkeit unplausibel, die Ungrammatikalität der Struktur (34b) darauf zurückzufuhren, dass hier aus dem „Subjektsatz" heraus extrahiert sei. 16 Müllers (1997, 1998) Analyse der 3K setzt allerdings die Existenz eines string vacuous Scrambling voraus (vgl. (32b)). Diesbezüglich behaupten Haider & Rosengren (2003: 245f), dass Scrambling nicht string vacuous sein kann; „[there] is always overt material between the scrambled element and its trace position." Vgl. hierzu auch Hoji (1985: 352), Haider (1990: lOlff), Fukui (1993b: 122) sowie Fox (2000: 75f) zur Word Order Economy fur „optionale" Operationen. Wenn dieses Verbot von string vacuous Scrambling auf der derivationellen Ebene zutrifft, ist Müllers Ableitung der 3K auch aus konzeptuellen Gründen problematisch. Repräsentationeil gesehen ist diese Bedingung allerdings durch die Extraposition des remnant-IK erfüllt. Vgl. hierzu Säbel (2005), der behauptet, dass die „Effect on Output Condition", die Scrambling ohne PF-Effekt verbietet, erst auf der Ebene der CP-Phase wirkt.

3.3. Extraposition als Basisstruktur - Probleme der Bewegungsanalyse (36) (37)

37

Remnant movement is prohibited unless it is of a higher type than internal movement. Hierarchy of Movement Types - A'-movement as operator movement ('focus movement') - A'-movement as non-operator movement ('topicalization') - Adjunction movement ('scrambling') - A-movement

Demzufolge sollte die Derivation in (32) nur dann zulässig sein, wenn Extraposition, wie in (32c) dargestellt, in der Hierarchie höher steht als Scrambling. In Grewendorf (2003) wird nicht diskutiert, welchen Platz Extraposition in der Hierarchie einnehmen könnte. Betrachten wir jedoch Grewendorfs Strategie als potentiell auf alle Bewegungsarten anwendbar und versuchen, Extraposition in Müllers (1998) Sinne - also (32c) - in der Hierarchie (37) ihrem Platz zuzuordnen, so ließe sich spekulieren, dass Extraposition, wenn überhaupt, eher mit Scrambling gleichgesetzt werden kann: Extraposition ist Müller (1998: 172) zufolge eine Adjunktion und eine optionale Operation; beides Eigenschaften, die sie mit Scrambling teilt.17 Ausgeschlossen scheint jedoch auf jeden Fall die Möglichkeit, Extraposition in (32c) als parallel zu einer der A-bar-Bewegungen zu betrachten, die sich weiter oben in der Hierarchie befinden. Bei den Letzteren handelt es sich um Bewegungen nach Spec, wobei deren Ausbleiben den Satz ungrammatisch macht. Es lässt sich daher schlussfolgern, dass Extraposition in (32c) in der Hierarchie (37) nicht höher als Scrambling zu lokalisieren ist. Diese Erweiterung von Grewendorfs (2003) Einsicht prognostiziert somit, dass die Operation in (32c) als ein Fall von unzulässigem remnant movement ausgeschlossen werden sollte. Somit zeigt sich, dass die Bewegungsanalyse zur Extraposition, die bei der Ableitung der 3K die Applikation von Scrambling vor Extraposition erzwingt, problematisch ist. Wie die Konstruktion adäquat zu analysieren ist, diskutiere ich eingehend in Kapitel 4.

3.3.3. Bindung und Rekonstruktion In Abschnitt 2 haben wir auf der einen Seite gesehen, dass unter der Bewegungsanalyse das Satzkomplement im Nachfeld in einer Position lokalisiert sein muss, die zumindest höher ist als die aller VP-internen Argumente (siehe (16)). Bindungsdaten weisen auf der anderen Seite darauf hin, dass das Satzkomplement sich wie in seiner Basisposition befindlich verhält (siehe (24/25)). B&H versuchen, dieses Dilemma mittels Rekonstruktion des overt extraponierten Satzkomplements auf LF zu lösen, wonach das Satzkomplement semantisch in seiner Basisposition interpretiert wird. An dieser Stelle gilt es zu überprüfen, ob diese allgemeine Rekonstruktionsstrategie gerechtfertigt werden kann. Wenn diese anzuzweifeln ist, handelt es sich hierbei um ein weiteres Problem für die Bewegungsanalyse der Extraposition. In der Tat ist es jedoch nicht einfach, positive Evidenz dafür zu liefern, dass das extraponierte Satzkomplement nicht in seine Basisposition rekonstruiert werden darf: Auf der Ebene, auf der die semantische Interpretation vorgenommen wird, nimmt das extra" Möglich wäre auch, Extraposition hier insoweit als mit Α-Bewegung vergleichbar anzusehen, als dass das „extraponierte" Satzkomplement, einschließlich des IK, Α-Eigenschaften besitzt (vgl. Abschn.3.1 sowie u.a. Bayer 1996).

38

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

ponierte Satzkomplement sowohl unter der Bewegungsanalyse als auch unter der Basisanalyse eine strukturell identische Position ein: (38)

a. ... [Vp XP [v· CP V]] (Bewegungsanalyse; nach Rekonstruktion; vgl. (26)) b. ... [VP XP [ ν V CP]] (Basisanalyse; vgl. (27))

Da nach gängiger Annahme für die Interpretation auf LF nur die konfigurationale Höhe und nicht etwa die Links- vs. Rechtsköpfigkeit wie in (38) zählt, ist es offensichtlich nicht klar, ob die Basiseigenschaft des extraponierten Satzkomplements auf seiner Basisgenerierung wie in (38b) beruht oder aber auf der Rekonstruktion wie in (38a). Um diese Schwierigkeit zu überwinden, müsste man Fälle finden, in denen eine für die Struktur sensible Bedingung ohne Rekonstruktion bzw. auf der Satzoberfläche erfüllt werden muss. Für finite Satzkomplemente fällt diese Aufgabe jedoch besonders schwer, da der Vergleich der Sätze mit und der ohne Extraposition in Bezug auf die semantische Interpretation wegen des markierten Status der nicht extraponierten Variante (vgl. Abschn. 1) oft wenig Sinn ergibt. Außerdem ist es äußerst kompliziert herauszufinden, inwieweit welcher Typ von Bewegungsoperation für welches bewegte Element (das Bindende vs. das zu Bindende) für welches Prinzip der BT rekonstruiert werden kann oder muss (siehe z.B. Frey 1993). Für finite Satzkomplemente versuche ich also lediglich, die von B&H angenommene generelle Rekonstruktion des bewegten Elements in Frage zu stellen. Anhand von Konstruktionen mit A-bar-Bewegung im üblichen Sinne argumentiert Frey (1993) gegen die Annahme, dass Bewegungsoperationen ohne weiteres in die Basisposition rekonstruiert werden können. 18 Für Daten wie die folgenden, in denen offensichtlich Rekonstruktion erfolgt, argumentiert er, dass diese auch ohne Rekonstruktion zu erklären sind: (39)

a. weil [seinem Mutter]j [jeder Mann]( ts hilft b. [Seiner; Mutter]j hilft [jeder Mann} ty

Frey (1993: 90f) schreibt diesen Umstand der besonderen Rolle des Subjekts zu. Vereinfacht gesagt hat das Subjekt aufgrund der Kongruenz mit dem finiten Verb, das zum Kopf I bzw. C bewegt und/oder damit koindiziert wird, den ganzen Satz einschließlich der Topikposition als seine Bindungsdomäne, ohne dass dabei ein anderes bewegtes Element in seine Grundposition rekonstruiert wird. Diese Annahme wird durch folgende Daten bestätigt (Frey 1993: 92):

18 Frey (1993: 88) sagt, hier aus konzeptueller Hinsicht, auch: „Warum sollte .Bewegung' durchgeführt werden, wenn sie fur nahezu alle wichtigen grammatischen Module ohne irgendeine Relevanz ist? Es wäre natürlicher, wenn Rekonstruktion die durch .Bewegung' erlangte strukturelle Prominenz der Phrase nicht wieder löschen würde. So betrachtet ist es viel nahe liegender anzunehmen, dass Rekonstruktion die .Bewegung' nicht einfach nur rückgängig macht." Diese Aussage sollte jedoch die Möglichkeit nicht ausschließen, und das möchte ich ja annehmen (vgl. Kap. 5), dass es auch Bewegungsoperationen gibt, die keinen im engen generativen Sinne semantischen Effekt haben. Es ist allerdings nicht der Fall, dass Frey (1993) für die Interpretation ausschließlich die Zielposition der Bewegung als relevant erachtet: Für Operatorenbindung z.B. gehe die Rekonstruktion zwar nicht bis hin zur Basisposition der bewegten Konstituente, jedoch schon zur Zwischenstelle der Bewegung (S. 93ff). Für das Bindungsprinzip C könne auch die Basisposition der Bewegung eine Rolle spielen (S. 143ff).

3.3. Extraposition als Basisstruktur - Probleme der Bewegungsanalyse (40)

39

a. [Welchem von ihren; Patientenjj hat [jede Krankenschwester]; am liebsten ij geholfen? b. ""[Welches von seinen; Büchern]j hast du [jedem Kollegen]; tj weggenommen?

Wenn die bewegte Konstituente mittels Rekonstruktion in ihrer Basisposition interpretiert werden sollte, ließe sich der Kontrast zwischen diesen beiden Sätzen nicht erklären. Entscheidend ist hier vielmehr, ob das Bindende das Subjekt ist oder nicht. Die technischen Details von Freys Analysen sowie seine anderen Daten unberücksichtigt lassend, können wir seine Vorgehensweise bei diesen Daten als zutreffend beurteilen. Setzen wir uns nun mit einem Satzpaar wie dem folgenden auseinander (Frey 1993: 152): (41)

a. *[Dass auch Hans; nicht eingeladen ist]j hat er; noch nicht tj gehört, b. [Dass auch Hans; nicht eingeladen ist]j hat ihm; keiner (/;) ti gesagt.

Wenn das bewegte Satzkomplement einheitlich in seine Basisposition zu rekonstruieren wäre, bliebe der Kontrast in (41) ungeklärt: Beide Sätze würden das Prinzip C der BT verletzen. Es sollte hier folglich auf Rekonstruktion verzichtet werden.19 Der Kontrast lässt sich vielmehr darauf zurückfuhren, dass das Subjekt, nicht aber das Objekt, ins Vorfeld hinein binden kann. Somit sollte die Generalisierung hier lauten, dass ein topikalisiertes Satzkomplement, das einen R-Ausdruck beinhaltet, zwecks des Bindungsprinzips C nicht rekonstruiert wird.20 Betrachten wir schließlich das folgende Beispiel: (42)

*Keiner hat ihm; ti gesagt [dass auch Hans, nicht eingeladen ist]j.

Wenn wir in unsere oben festgestellte Generalisierung über das topikalisierte Satzkomplement auch das extraponierte Satzkomplement mit einschließen können, sollte das extraponierte Satzkomplement in (42) nicht in der Position der Spur, sondern in seiner Zielposition interpretiert werden, die strukturell zumindest so hoch wie die VP ist. Diese Erweiterung der Generalisierung ist im Rahmen der Analyse von B&H sehr wohl zu erwarten, da sie behaupten, dass Extraposition unter die allgemeine A-bar-Bewegung fällt, der ja bekanntlich auch die Topikalisierung in die SpecCP-Position angehört. Wenn also das betreffende Bindungsverhältnis auf der Satzoberfläche und nicht etwa nach der Rekonstruktion auf LF vorliegt, ist gerade Satz (42) flir die Bewegungsanalyse ein Problem: Das extraponierte Satzkomplement sollte sich als Folge der Bewegung außerhalb der Bindungsdomäne des VP-internen Pronomens befinden, was jedoch angesichts der Verletzung des Bindungsprinzips C widerlegt ist. Ein möglicher Einwand zugunsten der Bewegungsanalyse wäre die Behauptung, dass das Dativobjekt auf der Satzoberfläche doch eine höhere Position einnimmt als das adjungierte Satzkomplement. Diese Konfiguration kommt allerdings nur dann in Frage, 19 Josef Bayer (p.M.) machte mich auf das folgende Beispiel aufmerksam, fur das der Freysche Erklärungsansatz nicht ohne weiteres aufrechterhalten werden kann: i) *[Davor, dass auch Hansj nicht eingeladen wird]j hat ihn; keiner tj gewarnt. Im Moment scheint mir unklar, woher der Kontrast zwischen (41b) und (i) herrührt. Es ließe sich lediglich spekulieren, dass er mit dem unterschiedlichen kategoriellen Status der topikalisierten Konstituenten (CP vs. PP) zu tun hat (vgl. z.B. die obliqueness hierarchy von Pollard & Sag 1992, 1994: Kap. 6). 20 Anhand eines Satzes wie (42) spricht Haider (1995a: 258) eine ähnliche Generalisierung aus: „Principle C is not subject to reconstruction if the referential expression is contained in a clause that has been A'-moved."

40

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

wenn das Satzkomplement nicht an die oberste IP oder eine noch höhere Position adjungiert werden darf und das Dativpronomen in die sog. Wackernagelposition angehoben wird. Betrachtet man die erste Bedingung, ist jedoch nicht klar, warum die Adjunktionsstelle ausgerechnet in diesem Fall beschränkt sein muss. Die zweite Bedingung, also die Positionierung des Pronomens in der linksperipheren Position des Mittelfeldes, kann zwar in diesem Fall erfüllt sein, aber auch wenn das Pronomen betont ist, bekommen wir immer noch das gleiche ungrammatische Resultat: (43)

*Keiner hat IHMj t, gesagt [dass auch Hansi nicht eingeladen ist]j.

Bekanntermaßen steht das betonte Pronomen nicht in der Wackernagelposition, sondern verbleibt innerhalb der VP (vgl. Ohl 2003: 175). Das mit dem in (42) vorliegenden identische Bindungsverhältnis in (43) entkräftet also die Annahme, Prinzip C sei in (42) auf der Satzoberfläche deswegen verletzt, weil das Pronomen in der Wackernagelposition in das adjungierte Satzkomplement hinein c-kommandiere. Sätze wie (42) bzw. (43) bestehen somit als Argumente gegen die Bewegungsanalyse weiter. Wenden wir uns nun der infinitiven Komplementierung zu. Im Gegensatz zum finiten Satzkomplement lässt sich hier für die Interpretation auch die intraponierte Variante gegenüberstellen. Die unten angeführten Daten sind Haider (1997a: 131) entnommen: (44)

a. Bis jetzt ist keinem [ihm das Geringste nachzuweisen] gelungen. b. *Bis jetzt ist [ihm das Geringste nachzuweisen] keinem / gelungen.

Ein negatives Polaritätselement (NPI) wie das Geringste muss sich innerhalb der Skopusdomäne einer Negation bzw. eines negativen Ausdrucks befinden. 21 Die Nichtwohlgeformtheit von (44b) zeigt, dass diese Lizenzierung auf der Satzoberfläche gelten muss (vgl. auch Grewendorf 1990b: 89ff, Laka 1994: 123f, Takano 2003: 520ff): Rekonstruktion des bewegten Elements in die Basisposition rettet die Konstruktion nicht. Das entscheidende Beispiel ist nun das folgende: (45)

Bis jetzt ist keinem gelungen [ihm das Geringste nachzuweisen].

Die Grammatikalität dieses Satzes weist darauf hin, dass sich das extraponierte Satzkomplement auf der Satzoberfläche in einer Position befindet, die von der VP-internen negativen DP c-kommandiert wird. Diese Konfiguration wird durch die Basisanalyse, jedoch nicht durch die Bewegungsanalyse gewährleistet.

21

Ich bin auch Sprechern begegnet, die (44a) nicht gut finden. Für diese Sprecher ist allerdings die Einbettung des IK hier und somit das Nebeneinanderstehen der Dative schwer zu akzeptieren, sodass sie keinen Unterschied in der Akzeptabilität zwischen (44a) und (i) bemerken: i) Bis jetzt ist keinem [ihm ein Verbrechen nachzuweisen] gelungen. Interessanterweise wird von den Sprechern, die (44b) völlig ausschließen, der folgende Satz als viel besser bewertet als (44b): ii) Bis jetzt ist [ihm ein Verbrechen nachzuweisen] keinem gelungen. Dies deutet darauf hin, dass der im Text beobachtete NPI-Effekt real ist.

41

3.3. Extraposition als Basisstruktur - Probleme der Bewegungsanalyse

Die bisher vorgestellten Daten sprechen somit gegen die Bewegungsanalyse ä la B&H, die zwecks der beobachteten Bindungsrelationen von Rekonstruktion Gebrauch zu machen gezwungen ist. Es gibt dagegen aus diesem Bereich keinen Faktor, der der Basisanalyse Schwierigkeiten bereiten würde.

3.3.4. VP-Topikalisierung Das extraponierte Satzkomplement nimmt unter der Bewegungsanalyse die VP-adjungierte (oder eine höhere) Position ein, unter der Basisanalyse die Schwesterposition des Verbs. Die zwei Ansätze prognostizieren also unterschiedliche VP-Strukturen: (46)

Bewegungsanalyse:

(47)

Basisanalyse:

VP

/

VP

\

VP

/

/ CP

\

XP

V'

\

XP

/ V'

/ tcp

V

\ CP

\ V

Welche der beiden Strukturen vorzuziehen ist, überprüfen wir in diesem Unterabschnitt anhand der sog. VP-Topikalisierung. Grewendorf (1988: 297) spricht von der „konfigurationellen Nähe" und behauptet: „Wenn ein Element α [der verbalen] Konstituente konfigurationell näher steht als ein Element ß, dann kann es nicht vorkommen, dass β und VK1 [= das erste Element der verbalen Konstituente] topikalisiert werden, während α im Mittelfeld verbleibt." Er gibt folgende Beispiele an (vgl. Fanselow 1987: 94 und Frey & Tappe 1991: 6f fur ähnliche Daten): (48)

a. [Auf den Tisch gestellt] hat Maria die Vase, b. *[Die Vase gestellt] hat Maria auf den Tisch.

Dies lässt sich auf die folgende Weise erklären: Die Basisstruktur stellt (49a) dar, und die Topikalisierung von α+V ergibt (48a) (vgl. Frey & Tappe 1991, Fanselow 1993). Die Konstituente β+α+V in (49a) kann auch topikalisiert werden, was zu (49b) fuhrt. Die Ungrammatikalität von (48b) deutet nun darauf hin, dass Topikalisierung nicht auf ß+V in (50) angewandt werden kann, also auf den Teil der VP, in dem die Grundwortstellung nicht mehr beibehalten wird: (49) (50)

a. ... [[ß die Vase] [[α auf den Tisch] gestellt]] hat b. [Die Vase auf den Tisch gestellt] hat Maria gestern. ... [ 0 auf den Tisch] [[ß die Vase] [ία gestellt]] hat

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

42

Somit gilt die Generalisierung, dass der topikalisierte Teil der VP die zugrunde liegende Wortstellung widerspiegelt. 22 Wenden wir diesen Test nun auf die Satzkomplemente sowohl links als auch rechts vom Matrixverb an (fur finite Satzkomplemente vgl. auch Fanselow 1987: 95): (51) (52)

a. b. a. b.

[Gesagt [dass er sie liebt]] hat er gestern. #/*[[Dass er sie liebt] gesagt] hat er gestern.23 [Versucht [den Hans anzurufen]] hat die Maria eigentlich schon, [[Den Hans anzurufen] versucht] hat die Maria eigentlich schon.

Wenn die extraponierten Varianten, (51a) und (52a), eine abgeleitete und nicht die zugrunde liegende Struktur darstellen sollten, wäre die einwandfreie Wohlgeformtheit dieser Sätze in Hinblick auf die oben postulierte Generalisierung unerwartet. Diese Beobachtung spricht somit für die Basisanalyse des Satzkomplements im Nachfeld, also fur die als (47) dargestellte Struktur. Noch stärkere Evidenz fiir meine These liefern die Daten, in denen bei der Topikalisierung außer dem Satzkomplement noch ein anderes Argument ins Spiel kommt. Betrachten wir nochmals die Strukturen unter der Bewegungs- und der Basisanalyse ((46) und (47)). Unter der Bewegungsanalyse können das Verb und das Dativargument alleine eine Konstituente bilden, da das extraponierte Satzkomplement an die oberste VP oder höher adjungiert ist. Unter der Basisanalyse wird das Verb hingegen zuerst mit dem Satzkomplement, dann mit dem Dativargument kombiniert. Schauen wir uns vor diesem Hintergrund folgende Sätze an: (53) (54)

[Der Polizei erzählt [dass er dort war]] hat er nicht. a. [Erzählt [dass er dort war]] hat er der Polizei nicht, b. ?[Der Polizei erzählt] hat er nicht [dass er dort war].

Die Konstituente im Vorfeld in (53) ergibt sich unter beiden Ansätzen. Entscheidend ist die makellose Akzeptabilität von (54a), bei dem sich das Vorhandensein der Konstituente V+CP, die ein Dativargument ausschließt, feststellen lässt. Diese Konstituente lässt sich jedoch nur im Rahmen der Basisanalyse und nicht der Bewegungsanalyse ableiten.2 Ein möglicher Einwand seitens der Bewegungsanalyse könnte lauten, dass zunächst

22

Diese Generalisierung erweist sich allerdings als zu stark, wenn man Daten der folgenden Art mit einbezieht (siehe z.B. auch Stechow & Sternefeld 1988: 459, Fanselow 1993: 9, Breul 2004: 314ff): i) [Dem Peter gegeben] hat die Claudia ein Buch. (Müller 1998: 5) Müller sagt jedoch, dass ein Satz wie dieser markierter ist als der folgende, in dem die „normale" Wortstellung beibehalten wird: ii) [Ein Buch gegeben] hat die Claudia dem Peter. 23 Während viele Sprecher einen Satz dieser Art als inakzeptabel bewerten, findet ihn Hans-Martin Gärtner (p.M.) unter einem bestimmten Intonationsmuster akzeptabel, z.B. mit der Betonung auf gesagt und gestern. Müller (1998: 304) gibt dazu das folgende Paar mit seinen Bewertungen an: i) ??dass er [dass Claudia Peter geküsst hat] gesagt hat ii) ??[[dass Claudia Peter geküsst hat] gesagt] hat er nicht 24 Die Konstituenz von V+CP, die das indirekte Objekt ausschließt, könnte man unter der Bewegungsanalyse nur dann gewährleisten, wenn man sich der Annahme anschließt, dass sich der Dativ in einer höheren Position befindet als die extraponierte CP (vgl. hierzu die Diskussion in Grewendorf 2002: Kap. 2.4 sowie Brandt 2003). Eine ausführliche Diskussion dieser Hypothese kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Es sei

3.3. Extraposition als Basisstruktur — Probleme der Bewegungsanalyse

43

die Basiskonstituente CP+V topikalisiert und dann das Satzkomplement innerhalb des Vorfeldes extraponiert wird. Diese Ableitung verstößt jedoch gegen die SCC, wenn man sich der Bewegungsanalyse von Müller (siehe Abschn. 2) anschließt. Die Akzeptabilität von (54b) ist variabel, aber dessen zumindest markierter Status gegenüber (54a) legt jedenfalls nahe, dass in der zugrunde liegenden Struktur das extraponierte Satzkomplement dem lexikalischen Verb näher steht als das Dativobjekt. Wenn man (54b) nun für akzeptabel halten möchte,25 scheint dies zunächst für die Bewegungsanalyse und gegen die Basisanalyse zu sprechen. An dieser Stelle möchte ich trotzdem davon ausgehen, dass (54b) anhand einer rechts gerichteten Bewegung des Satzkomplements aus (53) abgeleitet wird. Operationen dieser Art, die ich als von „Extraposition" im hier diskutierten Sinne verschieden betrachten möchte, werden in Kapitel 5.5.2 besprochen. Ähnliche Überlegungen lassen sich für infinite postverbale Satzkomplemente anstellen. Hier ist der Kontrast deutlicher als beim finiten Satzkomplement: (55) (56)

[Seinem Sohn erlaubt [nach Deutschland zu fliegen]] hat er sofort. a. [Erlaubt [nach Deutschland zu fliegen]] hat er seinem Sohn sofort, b. ??[Seinem Sohn erlaubt] hat er sofort [nach Deutschland zu fliegen].

Damit ist die Prognose der Bewegungsanalyse, dass (56b) akzeptabel und (56a) hingegen inakzeptabel sei, wiederum widerlegt. Vielmehr legt der Kontrast in (56) nahe, dass das Matrixverb und das IK alleine eine Konstituente bilden, wie es von der Basisanalyse (47) vorhergesagt wird. Die Daten über die VP-Topikalisierung unterstützen somit die Annahme, dass das Satzkomplement im Nachfeld die Schwesterposition des regierenden Verbs einnimmt und nicht etwa eine höhere Adjunktposition.

3.3.5. Konzeptuelle Aspekte Bis jetzt habe ich anhand empirischer Daten die Probleme dargestellt, die sich aus der Bewegungsanalyse zur Extraposition ergeben. Am Ende des Abschnitts möchte ich mich einigen konzeptuellen Aspekten zuwenden, die für meine These sprechen. Die nachfolgende Diskussion bezieht sich hauptsächlich auf finite Satzkomplemente. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels habe ich Daten vorgelegt, an denen sich zeigen lässt, dass der Mittelfeldstellung des finiten Satzkomplements verschiedenartige Akzeptabilitätseinstufungen zuteil werden. Die entsprechenden Konstruktionen mit dem Satzkomplement im Nachfeld sind demgegenüber unbestritten akzeptabel. Ich möchte gerade diese Sachlage als Evidenz dafür ansehen, dass für das Satzkomplement das Nachfeld die Grundposition und das Mittelfeld eine abgeleitete Position darstellt.26 Nach allen jedoch darauf hingewiesen, dass die Abfolge in (54b) unter dieser Annahme nicht ohne weiteres abgeleitet werden kann. Für eine weitere Diskussion dieser Stellungsvariante siehe Kap. 5.5.2. 25 Für viele Sprecher wird der Satz tatsächlich besser, obgleich nicht im dem Maße wie (54a), wenn die sog. rise-fall-Kontur vorliegt (z.B. „..., sondern seinem Freund geschrieben."). Ähnliches gilt auch für (56b). Dies deutet allerdings bereits auf die Markiertheit der Variante (54b) gegenüber (54a) hin, was unter der Bewegungsanalyse unerwartet erscheint. 26 Wie Eric Fuß (p.M.) bemerkt, ist diese Ansicht nicht unbedingt vor demjenigen theoretischen Hintergrund stichhaltig, in dem Bewegungen, auch wenn deren Motivation nicht klar ist, obligatorisch erfolgen müssen,

44

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

gemachten Bemerkungen zu den Beispielen mit einem Satzkomplement im Mittelfeld lässt sich vermuten, dass solche Konstruktionen, damit sie überhaupt akzeptiert werden, möglicherweise außersyntaktischen Faktoren - wie ζ. B. Intonation, Informationsstruktur, Verarbeitung - unterliegen. Nun findet man in zahlreichen Bereichen Fälle, bei denen die zugrunde liegende bzw. Basiswortstellung die unmarkierte darstellt (siehe auch Frey 1993: 32, 95; Fanselow, Kliegl & Schlesewsky 1999, Sekerina 2003 und insbesondere Fortmann & Frey 1997) und die davon abweichenden Wortstellungen, die aus optionalen Bewegungsoperationen resultieren, nur unter bestimmten Bedingungen akzeptabel sind. Ein bekanntes Beispiel stellen die Daten mit Scrambling dar (Lenerz 1977: 43):27 (57)

(58)

(Q: Wem hast du das Geld gegeben?) a. Ich habe dem Kassierer das Geld gegeben. b. Ich habe das Geld dem Kassierer gegeben. (Q: Was hast du dem Kassierer gegeben?) a. Ich habe dem Kassierer das Geld gegeben. b. ?*Ich habe das Geld dem Kassierer gegeben.

Lenerz (1977: 45) schlägt vor, die markierte Abfolge DO+IO als Folge einer „Umstellung" zu betrachten. Demzufolge spiegle die unmarkierte Wortstellung die Basisabfolge wider (siehe auch Lenerz 1977: 85).28 Die von der Basisabfolge abweichende Wortstellung lässt sich nur unter bestimmten Bedingungen realisieren, denen die unmarkierte Wortstellung nicht unterliegt. Das im Wesentlichen Gleiche lässt sich für die Konstruktion mit HNPS (heavy NP shift) im Englischen sagen (Haegeman 1994: 418f): (59) (60)

Bertie drinks [whisky] every night. a. * Bertie drinks every night [whisky]. b. My doctor told me to drink every night [two glasses of mineral water with a slice of lemon].

So gesehen liegt es nahe, für die finiten Satzkomplemente das Nachfeld als ihre Basisposition und das Mittelfeld als eine abgeleitete Position zu betrachten. Von Seiten der Bewegungsanalyse würde man behaupten, dass das Verbleiben des Satzkomplements in seiner Basisposition im Mittelfeld unter speziellen Umständen möglich ist. Aufgrund der Basisanalyse zur Extraposition möchte ich hier dagegen für die empirisch vergleichbare Sachlage die Ansicht vertreten, dass die Intraposition bzw. Verschiebung des Satzkomplements vom Nachfeld ins Mittelfeld nur unter speziellen Bedingungen erlaubt ist.

wie z.B. bei Kayne (1994). In Kap. 2.4 wurde jedoch bereits demonstriert, dass so ein Ansatz viele sowohl empirische als auch theoretische Probleme mit sich bringt. 27 Lenerz (1977: 27) fasst den Begriff „unmarkierte Abfolge" folgendermaßen auf: Wenn zwei Satzglieder Α und Β sowohl in der Abfolge AB wie in der Abfolge BA auftreten können, und wenn BA nur unter bestimmten, testbaren Bedingungen auftreten kann, denen AB nicht unterliegt, dann ist AB die „unmarkierte Abfolge" und BA die „markierte Abfolge". Siehe auch Höhle (1982). 28 Höhle (1982: 137-140) wirft Zweifel an dieser Ansicht aus der Perspektive „einer empirischen Sprachtheorie" auf. Vgl. auch Müller (1999b: 783ff).

3.3. Extraposition als Basisstruktur - Probleme der Bewegungsanalyse

45

In diesem Zusammenhang ist noch eine Anmerkung nötig, die sich aus der genaueren Beobachtung der Daten ergibt. Ich habe bisher die Beispiele mit einem Satzkomplement im Mittelfeld eher salopp als die unter der Bewegungsanalyse angenommene Basisstruktur dargestellt. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch nicht immer die typische Komplement-Kopf-Struktur repräsentiert, in der Satzkomplement und Matrixverb auf der Satzoberfläche adjazent realisiert sind: Das betreffende Satzkomplement steht noch weiter links, durch andere (adverbiale) Elemente vom Matrixverb getrennt (siehe (lb), (2c), (3a)). Zu solchen Daten bemerken einige meiner Informanten, dass die Stellung des Satzkomplements in der höheren Position eher akzeptabel ist. Die folgenden Daten machen diesen Kontrast deutlich: (61)

(62)

a. ??weil Peter wahrscheinlich [dass Maria krank ist] weiß b. weil Peter [dass Maria krank ist] wahrscheinlich weiß (Brosziewski 1994: 31, Meinunger 2000: 183) a. ?*Hans hätte vermutlich [dass Maria kommt] bezweifelt, b. Hans hätte [dass Maria kommt] vermutlich bezweifelt. (Bayer et al. 2005: 91)

Dieser Sachverhalt unterstützt wiederum die im letzten Absatz gezogene Schlussfolgerung, dass die Mittelfeldstellung des Satzkomplements keine zugrunde liegende, sondern eine abgeleitete Konfiguration darstellt: Sie entsteht durch eine möglicherweise Scrambling-ähnliche Operation (siehe hierfür auch Bayer et al. 2005: 91), wobei das Satzkomplement aus seiner Basisposition rechts vom Verb nach links bewegt wird. Wenn dem so ist, lässt sich der Kontrast der hier gezeigten Art einfacher erklären: Eine Bewegung, die hauptsächlich informationsstrukturelle Effekte hat, zielt auf eine Position links von Adverbien, also in die Position, in der gescrambelte Elemente typischerweise erscheinen. Diesbezüglich behauptet Meinunger (2000: 183), „that it is the topic status of the CP that renders the linearization [CP>V] more acceptable", wobei die CP in (61b) gerade in so einer „topic position" steht. Die Position direkt links vom Verb, also die vermeintliche Basisposition des Satzkomplements unter der Bewegungsanalyse, bietet sich dagegen nicht als passende Position für solch eine Operation an. Die Bewegungsanalyse zur Extraposition, der zufolge (61a) bzw. (62a) eine Basisstruktur repräsentiert, ist somit immer noch mit dem gleichen Problem konfrontiert, das ich bereits im letzten Absatz genannt habe. An dieser Stelle sollte es trivialerweise auch klar sein, warum das finite Satzkomplement im Mittelfeld eine Insel für Extraktion darstellt (vgl. Abschn. 2): Das intraponierte Satzkomplement steht in einer abgeleiteten Position. Diese Inseleigenschaft lässt sich als eines der zahlreichen Phänomene auffassen, die in der generativen Forschung vielerlei bestätigt worden sind (vgl. z.B. Huang 1998, Müller 1995a). Wie in Abschnitt 3.1 erwähnt, wird dieses Phänomen unter der Bewegungsanalyse entweder ignoriert (vgl. B&H) oder durch einen ziemlich komplizierten und aufwendigen Mechanismus umgangen (Müller 1998, 1999a).29 29

Sowohl Müller (1998) als auch Müller (1999a) gehen von der merkmalgetriebenen Extraposition aus, die durch Extraktion „aktiviert" wird (vgl. auch Bennis & Hoekstra 1984). In diesen zwei Beiträgen von Müller werden allerdings unterschiedliche Thesen aufgestellt, was auch empirische Folgen hat: i) *dass Fritz sich [warum sie t das getan hat] fragt (Müller 1998: 308) ii) ?dass er [wen Fritz t liebt] nicht gesagt hat (Müller 1999a: 377)

46

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

Ein weiteres, mit dem obigen Punkt zusammenhängendes Problem der Bewegungsanalyse bezieht sich auf die Frage nach dem Trigger der Extraposition. Es scheint zunächst seltsam, dass eine Bewegung evoziert wird, um aus einer markierten, jedoch nicht ganz ungrammatischen Struktur eine unmarkierte bzw. „normale" Struktur abzuleiten. Es werden in der generativen Theorie zwar verschiedene Bewegungsoperationen angenommen, die die Basisstruktur obligatorisch verändern bzw. zerstören, wie z.B. NP-Anhebung oder w/j-Bewegung in zahlreichen Sprachen. Die Operation Extraposition hat unter der Bewegungsanalyse jedoch einen völlig anderen Charakter als diese Bewegungen: (i) Extraposition ist nicht ganz obligatorisch, (ii) Die entsprechende Konstruktion, in der die Operation nicht vorliegt, findet sich kaum, (iii) Die Landeposition ist variabel, anders als die der oben genannten Bewegungen. Außerdem ist der Trigger fur die Extraposition unklar. B&H (S. 28), die Extraposition als obligatorisch betrachten (vgl. Abschn. 1), schlagen ζ. B. folgenden Filter vor (vgl. auch Hoekstras 1984: 106 Unlike Category Condition): (63)

Finite sentences may not be governed by V° or 1°.

Wie die Daten sowie die Diskussionen bis jetzt gezeigt haben, ist die Mittelfeldstellung des finiten Satzkomplements jedoch nicht gänzlich ungrammatisch, sodass man sie nicht anhand eines „Filters" ausschließen sollte. Auch wenn man von diesem empirischen Makel von (63) absieht, bietet es keine zufrieden stellende Lösung des TriggerProblems, sondern schafft vielmehr weitere Unklarheiten: (i) Der Filter gilt wohl nur für das Deutsche (und verwandte Sprachen), findet somit keineswegs sprachübergreifende Anwendung (gilt ζ. B. nicht für das Englische oder Japanische), (ii) Es wird keine Erklärung für die Existenz solch eines Filters angeboten, (iii) Konzeptuell ist es (vor GBtheoretischem Hintergrund) merkwürdig, annehmen zu müssen, dass ein Argument von seinem theta-markierenden Prädikat nicht regiert werden darf. Die Rektion sollte doch gerade die Relation sein, die zwischen dem theta-markierenden und -markierten Element besteht, und ein finiter Satz kann neben den Nomina als typisches Argument betrachtet werden (vgl. Chomsky 1986a). Somit findet das Trigger-Problem der Extraposition auch bei B&H keine befriedigende Lösung. 30 In Abschnitt 2 dieses Kapitels haben wir gesehen, dass das extraponierte Satzkomplement in Bezug auf Extraktion auf der einen und Bindung auf der anderen Seite Basiseigenschaften aufzeigt. Um die Transparenz der Extraktion zu gewährleisten, geht die Bewegungsanalyse davon aus, dass die Extraktion vor der Extraposition stattfindet. Zur Erklärung der Bindungsdaten, die ebenfalls die Basiseigenschaften des extraponierten Satzkomplements anzeigen, nimmt sie an, dass Extraposition auf LF rekonstruiert wird. Auf die empirischen Probleme der Bewegungsanalyse in diesen beiden Bereichen habe ich bereits hingewiesen. An dieser Stelle lässt sich auch ein konzeptuelles bzw. methodologisches Problem anführen: Wie erwähnt, braucht die Bewegungsanalyse für ExtrakDie Uneinheitlichkeit in den Bewertungen der Daten (und somit auch die der Theorien!) scheint dagegen zu sprechen, unser Problem mittels eines merkmalbedingten formalen Apparats wie obligatorischer Extraposition zu lösen. 30 Bei den Autoren, die Extraposition nicht als obligatorisch betrachten, sollte das Trigger-Problem, wenn überhaupt, völlig anders behandelt werden. Müller (1998, 1999a), der von der Optionalität der Extraposition ausgeht, behauptet ζ. B., dass der C-Kopf des betreffenden Nebensatzes optional ein starkes [extr]-Merkmal besitzt. Auf den Ansatz von Bayer (1996) wird in Kapitel 6 eingegangen.

3.3. Extraposition als Basisstruktur - Probleme der Bewegungsanalyse

Al

tions- und Bindungsdaten jeweils unterschiedliche Strategien, um die Basiseigenschaft des extraponierten Satzkomplements zu erklären. Insbesondere hat der Erklärungsansatz zu den Bindungsdaten den „unökonomischen" Effekt, dass aus der Basisstruktur zunächst (beinahe) obligatorisch ins Nachfeld bewegt und dann zwecks Interpretation wieder in die Basisposition rekonstruiert wird. Die Basisanalyse zur Extraposition muss hingegen nichts anderes sagen, als dass das Satzkomplement im Nachfeld seine Basisposition einnimmt, um den Daten sowohl für Extraktion als auch für Bindung gerecht zu werden. Weitere konzeptuelle bzw. theoretische Probleme der Bewegungsanalyse werden von Bayer (1996: 188f) angeführt. Der Bewegungsanalyse zufolge sollte die Struktur eines Satzes mit w/z-Extraktion aus dem „extraponierten" Satzkomplement folgendermaßen aussehen: (64)

Wie; hast du ts gemeint [Cp t-, dass sie tk gesagt hat [Cp h dass der Karl t\ das Bild gemalt hat]k ]j ?

Erstens weist Bayer darauf hin, dass diese Struktur eine A-bar-Spur innerhalb einer Abar-Spur voraussetzt. Er zieht dabei die Idee von Fanselow (1993) und Müller (1995a) heran, wonach Spuren des gleichen Typs nicht untereinander geschichtet werden können. Sollten diese Autoren Recht haben, ergibt (64) ganz offensichtlich ein theoretisches Problem. Zweitens wendet sich Bayer (1996) einem verarbeitungsbezogenen Aspekt der Struktur (64) zu: Damit (64) nicht gegen die Inselbeschränkung verstößt, muss die whbewegte A-bar-Kette in der rekonstruierten Position interpretiert werden. Bayer bemerkt hierzu, dass das Zurücksetzten der Extraposition zu Komplikationen führt, welche die „on line computation" der w/z-Kette verlangsamen würden. Damit entsteht ein konzeptuelles Problem, falls sich die Annahme aufrecht erhalten lässt, dass Extraposition nur stattfindet, um die verarbeitungsbezogenen Komplikationen zu verringern anstatt sie zu vermehren (vgl. Kimball 1973). Am Ende dieses Unterabschnittes sei noch ein methodologisches Problem bisheriger Untersuchungen zur Extraposition erwähnt. Wie ich in Kapitel 5 argumentieren werde, besitzt die Extraposition bzw. Nachfeldstellung des Relativsatzes im Deutschen völlig andere Eigenschaften als die des Satzkomplements. Dieser Punkt bleibt in der herkömmlichen Literatur zur „Extraposition" meistens unberücksichtigt: B&H z.B. behaupten (S. 26), „that a number of clauses in right peripheral position can by no means be analyzed as occupying the postverbal base position" (Hervorhebung von mir; J. I.). Diese Aussage ist zwar in sich korrekt; ich selbst werde in Kapitel 5 ausführlich dafür argumentieren, dass der extraponierte Relativsatz im Deutschen nicht als basisgeneriert, sondern als bewegt betrachtet werden muss. Dies muss jedoch nicht heißen, dass die gleiche Argumentation auch für die hier zur Diskussion stehenden Komplementsätze zutrifft. Tatsächlich behandeln B&H (S. 22ff) in diesem Zusammenhang nur Fälle mit Extraposition aus NPs; als Evidenz für ihre gerade genannte These ziehen sie keine Daten mit extraponierten Satzkomplementen heran. Das Vorhandensein einer Bewegung beim extraponierten Relativsatz liefert jedoch keine Evidenz für die Annahme, dass das Satzkomplement im Nachfeld auch die Folge einer Bewegungsoperation ist (dieser Punkt wird in Kapitel 5 nochmals rekapituliert).

48

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

3.4. Weitere Aspekte der Basisanalyse Bisher habe ich die Bewegungsanalyse zur Extraposition überprüft und auf die daraus resultierenden Schwierigkeiten hingewiesen, die unter der Basisanalyse nicht auftauchen. In diesem Abschnitt werden nun einige Punkte diskutiert, die seitens der Bewegungsanalyse als Gegenargumente zur Basisanalyse herangezogen wurden. Ich werde im Folgenden argumentieren, dass sie kein grundsätzliches Problem für die Basisanalyse darstellen. In manchen Fällen wird sich im Gegenteil sogar herausstellen, dass sich die Daten mit meiner These besser vereinbaren lassen.

3.4.1. Unterschiedliche Positionen der Komplemente Wie bereits in Abschnitt 2 angesprochen, war die ursprüngliche Motivation für die Bewegungsanalyse, der deutschen VP eine einheitliche kopffinale Struktur zuordnen zu können. Diese Idee wird dem Konzept des Kopfparameters gerecht.31 Die Basisanalyse ist dagegen gezwungen, den Satzkomplementen bezüglich ihrer Stellung relativ zum Verb eine besondere Eigenschaft zuzuschreiben, da sie nämlich rechts vom Verb erscheinen (können). In diesem Unterabschnitt werden kurze Überlegungen zu diesem Problem angestellt. In Kapitel 2 habe ich darauf hingewiesen, dass im Chinesischen die Argumente des Verbs je nach ihrem kategorialen Status in unterschiedlichen Positionen erscheinen und dass die Ansätze, die dies aus einer einheitlichen Grundstruktur abzuleiten versuchen, auf Probleme stoßen. Wenn diese Überlegungen richtig sind, dann ist die unterschiedliche Positionierung der Argumente relativ zum Kopf keine Besonderheit der deutschen VP mehr. Insbesondere die Stellung der Satzkomplemente betreffend, kann man auch in vielen anderen Sprachen beobachten - die Diskussion in Kapitel 6 vorwegnehmend - , dass sich nominale und sententielle Objekte unterschiedlich verhalten (vgl. u. a. Dryer 1980). Interessanterweise lässt sich hier eine bestimmte Tendenz feststellen: Es gibt eine nicht zu ignorierende Anzahl von OV-Sprachen, die das Satzobjekt wie das Deutsche rechts vom Verb realisieren. Der umgekehrte Fall, also VO-Sprachen mit präverbalem Satzobjekt in der unmarkierten Abfolge, lässt sich jedoch nicht finden. Wenn man sich nun für das Satzkomplement im Deutschen an die Bewegungsanalyse halten will, müsste man auch bereit sein, für solche OV-Sprachen irgendeine Bewegungsoperation des Satzkomplements zu postulieren und diese auch begründen zu können. Die Basisanalyse hingegen braucht lediglich die postverbale Stellung des Satzkomplements als in der Basisstruktur vorgegeben zu betrachten. Obwohl hier auf typologische Aspekte nicht weiter eingegangen wird (siehe aber Kap. 6.2), scheint die Existenz zahlreicher 31 Als theoretische Grundlage der Argumentation gegen die Basisanalyse wird auch die Uniformity of Theta Assignment Hypothesis (UTAH) von Baker (1988: 46) herangezogen (z.B. Bayer 1996: 187ff), die folgendermaßen lautet: i) The Uniformity of Theta Assignment Hypothesis (UTAH): Identical thematic relationships between items are represented by identical structural relationships between those items at the level of D-structure. Streng genommen hat die UTAH jedoch nicht direkt mit unserem Problem zu tun, solange es sich bei der UTAH um die strukturelle Relation handelt: Sowohl in der Bewegungs- als auch in der Basisanalyse befindet sich das Satzkomplement in der strukturell gleichen Position relativ zum regierenden Verb. Diese Bemerkung gilt auch für die Kritik durch Zwart (1997b: 263) an der Basisanalyse.

3.4. Weitere Aspekte der Basisanalyse

49

Sprachen mit dem gleichen Muster wie dem Deutschen dafür zu sprechen, auf die als obligatorisch angesehene Bewegungsoperation zu verzichten und die Oberflächenabfolge als Basisabfolge anzuerkennen (siehe auch die Diskussion in Abschn. 3.5 sowie Fn. 26): Wir haben bereits in Kapitel 2.4 gesehen, dass der LCA-artige Ansatz, der zahlreiche Bewegungen ohne klare Motivation postuliert, keine zufrieden stellende Lösung für das Problem der Wortstellung liefert. Aus einer ähnlichen methodologischen Perspektive betrachten wir ein anderes Phänomen: Untergeordnete Sätze mit V2-Struktur. Bekanntlich können die V2-Komplementsätze, die semantisch vom Verb selegiert werden, nie im Mittelfeld auftreten:32 (65)

a. *weil er [sie käme] lange geglaubt hat b. weil er lange geglaubt hat [sie käme] (Reis 1997: 139)

Wie Reis (1985, 1997) und Frank (2000) ausfuhrlich argumentieren, scheinen diese V2Sätze zwar einen anderen syntaktischen Status zu haben als die entsprechenden, von einem Komplementierer eingeleiteten VE-Sätze (vgl. auch de Haan 2001). Sie gelten dennoch als Argumente des Matrixverbs.33 Reis (1997) schlägt vor, dass diese V2Komplementsätze in der an VP rechtsadjungierten Position, also im Nachfeld, generiert werden. Was auch immer ihre genaue strukturelle Position sein mag, es scheint deren Basisgenerierung im Nachfeld nahe zu liegen, zumal sie nie im Mittelfeld auftreten. Wenn diese Analyse zutreffend ist, lässt sich die Idee der einheitlichen Direktionalität der Selektion (und auch die UTAH; vgl. Fn. 31 oben) ohnehin nicht mehr aufrechterhalten. Der theoretische Vorteil der Bewegungsanalyse erscheint somit in der Tat nicht so groß, wie man es, beeindruckt von der scheinbaren theoretischen Eleganz, im ersten Moment empfinden mag. Der dementsprechende konzeptuelle Nachteil der Basisanalyse, dass also das CP-Argument einen besonderen Status bzgl. der Positionierung innehat, wird dann kein Problem mehr sein, wenn für die Nachfeldstellung des Satzkomplements eine Erklärung angeboten wird. Dies strebe ich mit der Analyse in Kapitel 6 an. Man könnte vielleicht immer noch behaupten, dass die Bewegungsanalyse gerade wegen der Möglichkeit der einheitlichen Selektionsrichtung der Basisanalyse überlegen ist. Wir haben allerdings in Abschnitt 3.5 festgestellt, dass auch die Bewegungsanalyse nicht von andersgearteten konzeptuellen Problemen befreit ist. Ausschlaggebend erscheinen außerdem die empirischen Schwierigkeiten, die sich aus der Bewegungsanalyse ergeben, wie ich sie in Abschnitt 3 ausgeführt habe. Die Bewegungsanalyse mutet somit derart problematisch an, dass der Vorteil der scheinbaren theoretischen Eleganz (bzw. die einheitliche Kopf-Komplement-Abfolge in der Basisstruktur), wie anstrebenswert sie auch sein mag, ggf. geopfert werden müsste.

32

In Grewendorf (1988: 253f) finden sich folgende Daten mit seiner Beurteilung: i) ??Der Umweltexperte hat [das Mineralwasser enthalte giftige Stoffe] zu Unrecht behauptet. ii) ??Der Professor hat [die Studenten müssten die Prüfung wiederholen] erst gestern entschieden. Soweit mir bekannt, gehen die anderen Autoren jedoch von der Inakzeptabilität dieses Konstruktionstyps, wie in (65) angegeben, aus. 33 Reis (1985: 286f) behauptet z.B., dass diese V2-Sätze „weder als ,discours rapporte', noch durchgängig als ,Doppelpunktfälle', noch [...] als ,weiterführende Hauptsätze' aufgefasst werden können".

50

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

3.4.2. Der Verbalkomplex Ein empirisches Argument für die Bewegungsanalyse und gegen die Basisanalyse scheinen Daten mit Verbalkomplex zu liefern. Unsere Basisanalyse besagt, dass das Satzkomplement im Nachfeld in der Schwesterposition des seiegierenden Verbs steht. Es stellt sich nun die Frage, wie die Struktur aussehen soll, wenn zusätzlich zum lexikalischen Verb noch andere verbale Elemente am Satzende vorkommen (siehe (67)). Um die Diskussion nicht unnötig zu verkomplizieren, betrachte ich Konstruktionen mit nur einem Hilfsverb. (66) (67) (68) (69)

dass er sagt [dass Claudia Peter geküsst hat] dass er gesagt hat [dass Claudia Peter geküsst hat] [Gesagt [dass Claudia Peter geküsst hat]] hat er t nicht. *dass er gesagt [dass Claudia Peter geküsst hat] hat

(70)

VP

(71)

/

VP

\

XP

/ V'

\

VP

/

\

V

/ CP

V \

XP

V' / V

\ CP

Wenn durch die Basisanalyse für Sätze wie (66) eine Struktur wie (70) zugrunde gelegt wird, sollte ein Satz mit einem satzfinalen Hilfsverb wie (71) aussehen, damit eine identische Konfiguration zwischen dem seiegierenden Verb und dem selegierten Argumentsatz, also die Schwesterrelation im strengen Sinne, entsteht. Eine Struktur wie (71) muss auch tatsächlich auf einer bestimmten Ebene der Derivation vorliegen, wie durch das Beispiel (68) mit VP-Topikalisierung bestätigt wird. Das Problem ist jedoch, dass die Repräsentation (71) als solche nicht realisiert werden kann (vgl. (69)). Eine mögliche Lösung wäre, für einen Satz wie (67) die folgende Struktur bereits auf der Basis anzunehmen (vgl. u. a. Haider 1993a, Kiss 1995): (72)

VP /

\

XP

V' /

\

V / V

CP \ V

Hierbei ergibt sich die Frage, wie sich eine Struktur wie (72) oder die Koexistenz der Strukturen (71) und (72) rechtfertigen lässt. Dies stellt ein altes Problem in der generativen Forschung zur deutschen Syntax dar: Es ist bekannt, dass der Verbalkomplex verschiedene Strukturen aufweisen kann, wie ζ. B. die folgenden Beispiele aus Grewendorf (1988: 300) zeigen (siehe auch Bierwisch 1990 und die dort zitierte Literatur):

3.4. Weitere Aspekte der Basisanalyse (73)

51

a. [Seinen Argumenten folgen] wirst du wohl noch t können, b. [Folgen können] wirst du seinen Argumenten wohl noch t.

Bei diesen „inkonsistenten Strukturzuweisungen" geht es Grewendorf zufolge um „Topikalisierungsmöglichkeiten [...], die nicht ein und dieselbe zugrunde liegende Struktur haben können, bzw. für die jeweils zugrunde liegende Strukturen anzunehmen sind, die nicht miteinander verträglich sind".34 Die Möglichkeit der Existenz eines Verbalkomplexes wie in (72) wird auch von anderen Forschern vertreten (vgl. u.a. Haider 1993a, 1995b, Kiss 1995, Bayer 1996).35 Dies gilt insbesondere, wenn das übergeordnete Verb ein Hilfs- bzw. Modalverb ist; diese Verben verfugen nämlich über die besondere Eigenschaft, dass sie die Thetamarkierung des Komplementsatzes durch das lexikalische Verb nicht verhindern (vgl. z.B. Pollock 1989: 385ff). An dieser Stelle gehe ich jedoch auf die Annahme der Doppelbasisstruktur nicht weiter ein und lasse diese Möglichkeit offen. Eine weitaus wichtigere, den Verbalkomplex betreffende Frage lautet nun: Warum lässt sich die Struktur (71) als solche nicht realisieren (vgl. (69))?36 Diese Frage ist jedoch nicht nur ein Problem für die Basisanalyse, sondern auch für die Bewegungsanalyse. Für letztere muss sie folgendermaßen lauten: Warum kann die Extraposition nicht die untere VP ansteuern, obwohl diese VP auch ein mögliches Ziel für Extraposition ist (vgl. (68))? Meiner Ansicht nach ist auf diese Frage auch seitens der Bewegungsanalyse keine zufrieden stellende Antwort geboten worden. B&H stützen sich dabei auf den im obigen Abschnitt als (63) angegebenen „Filter" und behaupten, dass das Hilfsverb, das sich ihnen zufolge in 1° befindet, das Satzkomplement regiert. Dieser Lösungsvorschlag ist jedoch nicht überzeugend: Wie bereits oben diskutiert, ist der Filter (63) in vielerlei Hinsicht problematisch. Außerdem erscheint es äußerst fragwürdig, einen völlig inakzeptablen Satz wie (69) durch den gleichen Mechanismus auszuschließen, mit dem die Mittelfeldstellung des finiten Satzkomplements reguliert wird, die in der Tat nicht im dem Maße ungrammatisch ist (vgl. Abschn. 1), wie B&H behaupten (vgl. (4b)). Müller (1997: 228, 1998: 170) diskutiert dieses Problem einer Adjazenzbedingung (.adjacency requirement') nicht selbst, sondern verweist auf die oben genannte Arbeit von B&H sowie einen phonologischen Ansatz, der von Truckenbrodt (1995) vertreten wird (vgl. Kap. 5). Ich möchte grundsätzlich davon ausgehen, dass die overte Realisierung der Struktur (71) - also Satz (69) - anhand einer nicht-syntaktischen Beschränkung ausgefiltert wird, die möglicherweise auf der phonologischen Ebene wirkt. Konkreter gesagt müssen die Verbalkomplexe adjazent sein, wie Grewendorf (1988: 303) behauptet: Wenn eine Struktur wie (71) auf der Satzoberfläche vorliegt, wird das intervenierende Element, hier also das Satzkomplement, im wörtlichen Sinne extraponiert bzw. ins Nachfeld verschoben. 34

Wie Grewendorf (1988) lassen wir hier die Möglichkeit der remnant-VP-Topikalisierung (vgl. z.B. Müller 1998) außer Acht. Für Argumente gegen solche Analysen siehe z.B. Haider (1990), Fanselow (2002), De Kuthy & Meurers (2001). Für einen Vorschlag, der die zwei Strukturen in (71) und (72) in Zusammenhang bringt, siehe auch Stechow & Sternefeld (1988:418f). 35 Bayer (1996: 195ff) z.B. erkennt „V-recursion in the base component" an, „such that the arguments of the verb have to be licensed by a base-generated V-cluster". Er fuhrt hierzu ein Beispiel an (S. 244f), in dem auch das Hilfsverb an der Thetazuweisung beteiligt ist. Siehe auch die Diskussion in Bayer (2000: 5). 36 Diese Problematik fuhrt Haider (1990) zu dem Schluss, dass die in SpecCP befindliche verbale Konstituente dort basisgeneriert ist.

52

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

Obwohl ich für dieses Phänomen keine theoretische Grundlage liefern kann (siehe aber Truckenbrodt 1995), scheint es genügend empirische Evidenz für solch eine phonologisch motivierte Umstellungsoperation zu geben, die ich in Kapitel 5 noch weiter diskutieren werde.

3.4.3. Satzkomplemente von Adjektiven Wir haben in Kapitel 2 gesehen, dass Adjektive im Deutschen, genau wie Verben, im Prinzip eine kopffinale Phrase projizieren, ihr Satzkomplement jedoch rechts realisieren. Obwohl ich in der vorliegenden Arbeit auf die Komplementierung durch Adjektive nicht weiter eingehen kann, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde, sollten diese vorhandenen Gemeinsamkeiten zur verbalen Komplementierung kurz erwähnt werden. Zunächst ist die Mittelfeldstellung des Satzkomplements von Adjektiven stark markiert:37 (74)

a. weil ich ganz sicher bin [dass er krank ist] b. (?)?weil ich [dass er krank ist] ganz sicher bin (Cinque 1989: 79)

Die bisherige Diskussion der Satzkomplemente von Verben legt nahe, auch für das extraponierte Satzkomplement des Adjektivs eine Basisanalyse anstatt einer Bewegungsanalyse anzunehmen. Nun entsteht hier allerdings ein ähnliches Problem wie bei den Verbalkomplexen: Wie sollte die Struktur eines Satzes wie (75) aussehen? (75) (76) (77)

weil ich sicher bin [dass er krank ist] [Sicher [dass er kommen wird]] bin ich nicht t. (Cinque 1989: 94) *weil ich sicher [dass er krank ist] bin

(78)

(79)

VP / AP / A

β

\

/ V

\

/ CP

\

α A

CP \ V

(78) kann nicht auf der Oberfläche realisiert werden (vgl. (77)), obwohl die Konstituenz von A+CP auf irgendeiner Ebene der Derivation vorzufinden ist (vgl. (76)). Analog zum Satzkomplement von Verben (vgl. (72)) sollte die Struktur für (75) unter der Basis37

Infinitive Komplemente sind hier im Allgemeinen wiederum etwas besser (siehe auch Choi 2000: 91f): i) Fritz ist [dieses Risiko einzugehen] bereit (Fanselow & Felix 1987: 64) ii) weil ich [ihn zu sehen] zufrieden war (Cinque 1989: 95) In dieser Hinsicht liegt eine Parallelität zwischen der Komplementierung durch Verben bzw. Adjektive in Bezug auf die Finitheit des Komplements vor, wie dies die folgenden Satzpaare verdeutlichen (Manfred Bierwisch, p.M.): iii) a. ???weil er [dass er das nicht tun muss] annimmt b. weil er [das nicht tun zu müssen] annimmt iv) a. ???weil er [dass er das nicht tun muss] dankbar ist b. weil er [das nicht tun zu müssen] dankbar ist

3.4. Weitere Aspekte der Basisanalyse

53

analyse wie (79) aussehen. Anders als bei der Kombination zweier Verben ist hier jedoch der phrasenstrukturelle Status von α und β zunächst unklar. Ich möchte hier einen Vorschlag von Günther Grewendorf (p.M.) und Manfred Bierwisch (p.M.) aufnehmen, wonach Α und V als Ganzes dem Komplementsatz eine thematische Rolle zuweisen (vgl. auch Choi 2000: Kap. 3). Dabei nimmt Bierwisch an, dass Kopula und adjektivischer Ausdruck „eine gemeinsame Projektion" bilden, in der die Kopula der Kopf ist. Die „Weitergabe" der Argumentstelle wird als automatische Konsequenz der „Kombination von Argumentstrukturen" betrachtet (siehe z.B. Bierwisch 1988 bzw. Bierwisch 1990 für eine entsprechende Analyse von Verbalkomplexen und der Kombination PP plus Kopula). Damit diese Idee fur die Repräsentation in (79) mit den gängigen X-bar-theoretischen Annahmen kompatibel ist, sollte Α bzw. α in (79) jeweils als AP bzw. V' ausgedrückt werden. Dies scheint tatsächlich eine theoretisch zulässige Repräsentation zu sein (vgl. Zeller 2001 für eine ähnliche Analyse von Partikelverben).38 Für die Erklärung der Inakzeptabilität von (77) verfolge ich die gleiche Strategie wie beim Verbalkomplex (siehe Abschn. 4.2): Es appliziert der Mechanismus, der die Realisierung von Sätzen wie (69) bzw. (77) auf der Satzoberfläche blockiert. Nun liegt die Vermutung nahe, dass das V in (79) semantisch „defekt" sein muss, um die Realisierung der thematischen Eigenschaften des Adjektivs (vgl. (78)) nicht zu blockieren (vgl. hierzu auch Eisenberg 1994: Kap. 3.3 sowei Choi 2000: Kap. 3, der die zusammen mit prädikativen Adjektiven auftretende Kopula als „Auxiliar" betrachtet). Dies scheint tatsächlich der Fall zu sein: In dieser Konstruktion erscheinen typischerweise Verben wie sein (sowie werden bzw. bleiben·, Manfred Bierwisch, p.M., siehe auch Eisenberg 1994: Kap. 3.3), die lediglich eine Kopulafunktion haben. Wenn ein „normales" lexikalisches Verb den rechten Satzrahmen besetzt, sollte die Trennung des Adjektivs von seinem Satzkomplement unzulässig sein. Diese Voraussage wird von den folgenden Daten bestätigt, in denen es um die sog. sekundäre Prädikation geht: (80) (81) (82)

als er des Sieges sicher an die Front ging a. ??als er sicher [dass das Vaterland siegt] an die Front ging b. *als er sicher an die Front ging [dass das Vaterland siegt]39 a. ?weil er ängstlich bleibt [dass es schief geht] b. *weil er sich ängstlich umsah [dass ihn jemand bemerken könnte] (Manfred Bierwisch, p.M.)

Unsere Basisanalyse zur Extraposition, die hier von der verbalen auf die adjektivische Satzkomplementierung übertragen wurde, macht also korrekte Voraussagen, wenn man die Annahme einer kompositioneilen Thetazuweisung akzeptiert, die u. a. in der Forschung zum Verbalkomplex mit Hilfsverben häufig vertreten wird (siehe Abschn. 4.2). Schwierigkeiten bereitet hingegen die Bewegungsanalyse, die das Satzkomplement aus einer Basisposition links vom Adjektiv extraponiert und es an irgendeine maximale Projektion adjungiert: (81) zeigt, dass sich die Extraposition nicht an VP, sondern an AP 38

Eine Alternative dazu findet sich in Bayer (1996: 167f) und Bayer & Kornfilt (1994: 35ff): Die betreffenden Köpfe in (79) bilden eine hybride Kategorie und dieser komplexe Kopf selegiert das Komplement in seiner Schwesterposition. Demnach sollten α und β jeweils als „A/V" bzw. „AP/VP" notiert werden. 39 Im Falle der Extraposition aus einer NP heraus, bei der tatsächlich eine Bewegung stattzufinden scheint (siehe Kap. 5), gilt diese Beschränkung nicht: i) als er im Glauben t an die Front ging [dass das Vaterland siegt]

54

3. Die Stellung der Satzkomplemente im Deutschen

richten muss, während (75) und (77) das Gegenteil zu zeigen scheinen. Mir ist unklar, wie sich diese Fakten unter der Bewegungsanalyse vereinbaren ließen. Somit habe ich demonstriert, dass sich das Satzkomplement von Adjektiven, das auf den ersten Blick für die Bewegungsanalyse zur Extraposition zu sprechen scheint (vgl. (77)), sehr wohl durch die Basisanalyse beschreiben lässt. Tatsächlich findet man im betreffenden Bereich auch Daten, die mit Hilfe der Basisanalyse besser zu handhaben sind. Obwohl eine detailierte Untersuchung der adjektivischen Komplementierung und folglich ein Vergleich mit dem verbalen Pendant noch ausstehen, scheint die Basisanalyse zur Extraposition auch auf diesem Gebiet vielversprechender zu sein.

3.4.4. Mehrfache Extraposition Ein potentielles Gegenargument zur Basisanalyse könnte ein Satz wie der folgende darstellen, in dem außer dem Satzkomplement auch noch ein Relativsatz extraponiert ist: (83)

weil Peter einem Mann t-, gesagt hat [den er kannte^ [dass er Maria geküsst hat]

Anhand von Beispielen dieser Art argumentiert z.B. Wiltschko (1997: 381), dass die beobachtete Abfolge VK + Relativsatz + Komplementsatz nicht zustande kommen kann, wenn das Satzkomplement als rechte Schwester des Verbs bzw. des Verbalkomplexes basisgeneriert ist: Unter der Basisanalyse zum extraponierten Satzkomplement sollte die Abfolge, in der zwischen Verb und Satzkomplement ein Relativsatz interveniert, schwer erklärbar sein. Gegenüber diesem Einspruch möchte ich in erster Linie klarstellen, dass die Nachfeldstellung bzw. „Extraposition" des Komplementsatzes auf der einen Seite und die des Relativsatzes auf der anderen Seite völlig unterschiedlicher Natur sind. In Kapitel 5 vertrete ich die These, dass die Extraposition von Relativsätzen im Deutschen eine postsyntaktische Bewegungsoperation ist. Dort wird ferner gezeigt, dass sich Daten wie (83) im Gegenteil als Evidenz für meine These und gegen die geläufigen Annahmen zur Extraposition erweisen.

3.5. Fazit In diesem Kapitel habe ich dafür argumentiert, dass zur Erklärung der Extraposition des Satzkomplements die Basisanalyse der Bewegungsanalyse vorzuziehen ist: Das Satzkomplement im Nachfeld steht in der Schwesterposition des seiegierenden Verbs und nicht etwa in einer höheren, adjungierten Position. Dies habe ich hauptsächlich anhand empirischer Daten, aber auch durch theoretische Überlegungen ausgeführt. Es hat sich außerdem herausgestellt, dass sich die Basisgenerierung des Satzkomplements im Nachfeld auch aus konzeptueller Sicht keinen unüberwindbaren Problemen gegenübersieht. Überdies lassen sich die Phänomene, die der Basisanalyse anfänglich Schwierigkeiten zu bereiten scheinen, mit ihrer Hilfe fassen. Im nächsten Kapitel wende ich mich einem Konstruktionstyp zu, der unter der Annahme der Basisanalyse eine natürliche Erklärung findet und somit meiner in diesem Kapitel vorgetragenen These, dass das Satzkomplement im Nachfeld seine Basisposition einnimmt, gerecht wird.

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

In diesem Kapitel beschäftige ich mich mit der sog. dritten Konstruktion (3K), die im Abschnitt 3.2 des letzten Kapitels bereits erwähnt wurde. Die folgende Untersuchung ist eine Fallstudie zu meiner in Kapitel 3 vertretenen These, dass das postverbale Satzkomplement, dieses Mal das Infinitivkomplement (IK), dort basisgeneriert ist. Ich werde die Ansicht vertreten, dass die 3K anhand einer Bewegung aus dem IK im Nachfeld, also in der vom übergeordneten Verb selegierten Position, abgeleitet wird: (1)

weil der Hans [den Wagen]; versucht [ zu reparieren]

Die folgende Diskussion sollte außerdem diese in der herkömmlichen Literatur nur unzureichend behandelte Konstruktion im Kontext der Extraposition näher beleuchten. Die vorgeschlagene Analyse wird überdies noch für eine andere Konstruktion eine Erklärung bieten, die mit der 3K zusammenhängt, jedoch bisher kaum aufgegriffen worden ist. Im ersten Abschnitt werden zunächst einige theoretische Grundlagen zum Thema 3K sowie meine Ansichten zur sog. Kohärenzproblematik vorgestellt. In Abschnitt 2 werden Aspekte relevanter linksgerichteter Bewegungsoperationen, wie ζ. B. Scrambling und Α-Bewegung, untersucht. Dabei kommt dem Konzept der Ökonomie im Zusammenhang mit der Annahme, dass syntaktische Bewegung der Überprüfung von (nicht-interpretierbaren) Merkmalen dient, eine zentrale Bedeutung zu. Darauf aufbauend wird im dritten Abschnitt eine Analyse der 3K vorgenommen. Ich schlage u. a. vor, die 3K mittels Extraktion aus dem rechts vom Matrixverb lokalisierten IK heraus abzuleiten. Es wird sich herausstellen, dass der Mechanismus der Merkmalüberprüfiing dabei eine entscheidende Rolle spielt. Am Ende werden die wichtigsten Ergebnisse der Diskussion kurz zusammengefasst.

4.1. Theoretische Grundlagen Um den Untersuchungsgegenstand dieses Kapitels, die 3K, zu erfassen, kommt man nicht umhin, näher auf das Thema „Kohärenz" einzugehen. Da aber das Problem der Kohärenz bzw. der Restrukturierung von Infinitiven alleine schon einen enorm großen und umstrittenen Bereich der Syntaxforschung des Deutschen darstellt, möchte ich mich in der vorliegenden Arbeit auf minimale theoretische Grundlagen beschränken, die für die Untersuchung der 3K unentbehrlich sind. Daher muss zunächst eine sprachübergreifende Betrachtung entfallen (siehe aber hierfür ζ. B. Säbel 1996, 2002, Wurmbrand 1998, 2001, Koopman & Szabolcsi 2000 sowie die Beiträge in Seuren & Kempen 2003 und die dort angegebene Literatur) und die Diskussion wird grundsätzlich auf das Deutsche beschränkt bleiben. Bezogen auf das Deutsche werde ich nur diejenigen IKs behandeln,

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4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

die im Prinzip im Nachfeld erscheinen können, größtenteils also die sog. Kontrollinfinitive1 mit zu} Diesen Typ von IK meine ich im Folgenden, sofern nicht anders angegeben, wenn ich den Begriff IK verwende.

4.1.1. Zur Kohärenz eines Infinitivkomplements Seit Bech (1983) - dessen erste Auflage bereits 1955 erschien - ist bekannt, dass IKs kohärent oder inkohärent sein können. Sätze mit einem kohärenten IK verhalten sich in vielerlei Hinsicht monosentential, Sätze mit einem inkohärenten IK hingegen bisentential. Anfänglich hat Bech Kohärenz topologisch definiert. Mit unseren Worten hieße dies, dass präverbale IKs als kohärent, postverbale IKs dagegen als inkohärent zu bezeichnen sind. Im Folgenden finden sich häufig zitierte Beispiele aus Bech (1983: 71): (2)

a. dass sie ihn nicht zu stören wagt b. dass sie nicht wagt, ihn zu stören

Satz (2a) ist in dem Sinne monosentential, dass ein vom übergeordneten Verb (= wagt) abhängiges Element (= nicht) zwischen dem untergeordneten Verb (= zu stören) und einem von ihm abhängigen Element ihn steht. Dies erweckt den Eindruck, dass (2a) aus nur einem „Satz" besteht, der von Bech „Kohärenzfeld" genannt wird. Im Gegensatz dazu liegen in (2b) zwei „Sätze" (Kohärenzfelder) vor, was sich an der Stellung des Infinitivs erkennen lässt. Hier erscheinen die Elemente eines „Satzes" (d.h. sie nicht wagt) getrennt von den Elementen eines anderen „Satzes" (d. h. ihn zu stören). Die zwei „Sätze" sind nicht zu einem verschmolzen, wie dies in (2a) der Fall ist.3 Außer dieser (i) „Topologie der Restfelder" nennt Bech (1983) noch weitere Kriterien zur Bestimmung der Kohärenz eines Infinitivs: (ii) Grenzpause, (iii) Kohäsion bzw. kohäsive Verbindung, (iv) Rattenfangerei (dem heutigen Terminus entsprechend) bei der Relativsatzbildung. Da diese Thematik in unzähligen Arbeiten vorgestellt, expliziert und auch kritisch überprüft wurde, möchte ich die Details hier nicht wiedergeben. Siehe dafür z.B. Evers (1975), Kvam (1979, 1980), Wunderlich (1980), Askedal (1983), Stechow (1984, 1990), Grewendorf (1987, 1988: Kap. 12), Stechow & Sternefeld (1988: Kap. 12), Haider (1986a, 1986b, 1993: Kap. 9, 1994b), Abraham (1995: Kap. 8), Kiss (1995), Säbel (1996,2002), Zifonun et al. (1997: G3), Wurmbrand (1998,2001), Hinterhölzl (1999),

1 Reis (2001: 309, 2005: 138) zufolge sind wissen, suchen sowie verstehen Ausnahmen: Sie sind Kontrollverben, die den zweiten Status regieren, lassen jedoch die Extraposition des IK nicht zu. 2 Nicht diskutiert wird auch der Infinitivmarkierer zu, der in der vorliegenden Untersuchung der Anschaulichkeit halber an das betreffende Verb angehängt wird (vgl. auch Wurmbrand 2001, Haider 2005). Siehe hierzu aber auch die Diskussionen in Grewendorf (1990b), Stemefeld (1990), Evers (1990), Grewendorf & Säbel (1994), Säbel (1996) und Hinterhölzl (1999). 3 Wenn man über Skopus reden will, sollte es heißen, dass in (2a) nicht weiten Skopus haben kann, obwohl es von untergeordneten Elementen umgeben ist und somit als unterhalb des IK eingebettet erscheint; diese Konfiguration entspricht dem engen Skopus von nicht, der tatsächlich auch vorliegt. In (2b) hat dagegen die Negation nur weiten Skopus. Dieser Kontrast wird mit dem folgenden Beispiel noch deutlicher: i) dass sie wagt, ihn nicht zu stören Hier ist der Skopus der Negation auf das IK beschränkt. Dies bedeutet, dass das IK als Obergrenze fur den Skopus eines darin befindlichen Elements gilt. Es scheint somit per se einen „Satz" zu bilden, der in den übergeordneten „Satz" im Sinne von (2a) nicht integriert ist.

4.1. Theoretische Grundlagen

57

S. Müller (1999: Kap. 17, 2002: Kap. 2), Meurers (2000), Wöllstein-Leisten (2000, 2001), Gunkel (2003) usw. Heute spricht man von Kohärenz in einem etwas anderen Sinne als in Bech (1983) und gibt dementsprechend noch weitere Kriterien für Kohärenz an. Da es dem Zweck meiner Forschung genügt, die Diskussion auf die Kontroll-IKs zu beschränken, möchte ich zunächst davon ausgehen, dass kohärente IKs als nicht satzwertig, inkohärente IKs hingegen als satzwertig zu betrachten sind. Bei der Bestimmung der Kohärenz oder Inkohärenz eines IK spielen in erster Linie die lexikalischen Eigenschaften des regierenden Matrixverbs eine entscheidende Rolle (vgl. ζ. B. Grewendorf & Säbel 1994, Müller & Sternefeld 1995). Wie der Kontrast in (2) zeigt, ist es auch der Fall, dass ein IK desselben Matrixverbs je nach Kontext als kohärent oder als inkohärent zu interpretieren ist. Außerdem gilt, dass die Kontrollverben, die kohärente Einbettung zulassen, optional ein inkohärentes IK zu sich nehmen können4 (umgekehrt gilt dies jedoch nicht), wie später anhand der Fernpassivierung demonstriert werden wird. Ein wichtiges Kriterium fur Kohärenz, dem in der folgenden Diskussion eine zentrale Bedeutung zukommt, ist die Möglichkeit, aus dem IK heraus zu scrambeln (zur genaueren Charakterisierung dieser Bewegungsoperation siehe Abschn. 1.3 und 2): (3)

a. weil [dem Jörg] der Hans [ t zuzuhören] versuchte b. *weil [dem Jörg] der Hans [ t zuzuhören] bedauerte5 (Wurmbrand 1998: 248)

Eine Generalisierung könnte lauten, dass das IK in (3a) nicht als Satz gilt und daher Scrambling möglich ist. In (3b) hingegen bildet das IK einen Satz, was zur Ungrammatikalität der Extraktion führt. Hierbei liegt allerdings die in der generativen Theorie bestätigte Generalisierung zugrunde, dass im Deutschen im Prinzip nicht aus einem Satz heraus gescrambelt werden kann (vgl. ζ. B. Müller & Sternefeld 1993, Säbel 1996). Wie im letzten Absatz bemerkt, weist dieses Beispielpaar auch daraufhin, dass die Kohärenz des eingebetteten IK hauptsächlich vom einbettenden Matrixverb (versuchen vs. bedauern) abhängt. Angesichts des Beispielpaars (3) sollte sich gezeigt haben, dass der hier - sowie auch in der Literatur - verwendete Begriff der Kohärenz etwas abweicht von dem Bechs, bei dem die Stellung des IK entscheidend ist. Denn laut Bech sollte die (3b) zugrunde liegende Struktur wegen des intraponierten IK kohärent sein. In der Tat weist das IK in (3b) jedoch zusätzlich zu Scrambling alle Züge der Inkohärenz bzw. Satzwertigkeit auf (siehe die oben angegebene Literatur für eine ausführliche Diskussion). Was das extraponierte IK betrifft, 6 gehen übrigens die meisten Forscher davon aus, dass es, 4

Säbel (1996: 152) beispielsweise sagt hierzu, dass „einige Matrixverben optional ein ,Restrukturierungs-'([+R]-) Merkmal realisieren können, das im Lexikoneintrag des betreffenden Verbs vermerkt sein muss". 5 Manfred Bierwisch (p.M.) bemerkt, dass Satz (3b) wesentlich akzeptabler wird, wenn man den Infinitivteil um ein Modalverb erweitert: i) weil [dem Jörg] der Hans [r zuhören zu müssen] bedauerte Er weist darauf hin, dass hier möglicherweise „semantische Bedingungen" im Spiel sind, auf die ich aber nicht eingehen werde. 6 Auch in diesem Kapitel bezeichne ich mit dem Terminus „Extraposition" (bzw. „extraponieren") lediglich die Nachfeldstellung des IK und nicht etwa den Umstand, dass sich das IK tatsächlich aus dem Mittelfeld ins Nachfeld bewegt hätte, was aufgrund der Diskussion im vorangegangenen Kapitel klar sein sollte. Das Gleiche gilt auch für „Intraposition" (bzw. „intraponieren").

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4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

unabhängig vom Matrixverb, inkohärent ist, genau wie das Bechsche Kriterium dies prognostiziert. Dieser Punkt wird in Abschnitt 1.5 aufgegriffen. Als ein weiteres Kriterium für Kohärenz lässt sich das sog. Fernpassiv, auf das ursprünglich Höhle (1978: 176) aufmerksam machte, nennen. Diese Konstruktion ist nur mit kohärenter Einbettung möglich (vgl. z.B. Wurmbrand 2001: 57, Wöllstein-Leisten 2001: 63): (4)

a. Noch nie wurde ihr dieser Wagen anzudrehen versucht. b. Noch nie wurde ihr diesen/*dieser Wagen angedreht zu haben (von Maria) bedauert.

Obwohl hier die Akzeptabilitätsurteile z.T. schwanken (siehe hierfür Abschn. 1.3 und 3.2), findet man in repräsentativen Fällen grammatikalische Unterschiede, die es als sinnvoll erscheinen lassen, ihnen eine syntaktische Erklärung zu geben, wie unten noch gezeigt wird. In der Literatur werden weitere Kriterien zur Bestimmung der Kohärenz angeführt, wie u. a. Topikalisierung, Oberfeldbesetzung bzw. Verbumstellung (auch hier ist auf die oben genannte Literatur zu verweisen). Wie die Untersuchungen von ζ. B. Grewendorf (1988) oder Wurmbrand (1998, 2001) zeigen, ermöglichen diese diversen Kohärenztests nicht bei allen Matrixverben und Konstruktionen die eindeutige dichotome Klassifizierung (vgl. Abschn. 1.3). Es lässt sich jedoch mehr oder weniger feststellen, dass in vielen Fällen IKs aufgrund dieser Kriterien einen ähnlichen Status bzgl. Kohärenz haben. Von möglichen Abweichungen möchte ich in der folgenden Diskussion grundsätzlich abstrahieren (siehe aber Abschn. 1.3). Extraposition als eines der Kriterien für Kohärenz, wie sie oben genannt wurden, bringe ich in den Abschnitten 1.4 und 1.5 zur Sprache.

4.1.2. Analysevorschläge zur Kohärenz Bis hierhin wurde festgestellt, dass IKs kohärent oder inkohärent konstruiert sein können. Nun sieht man sich der Aufgabe gegenüber, zu klären, wie das unterschiedliche Verhalten von kohärenten und inkohärenten IKs analysiert werden sollte. Spezifisch lautet die Frage, wie die fehlende Satzwertigkeit des kohärenten IK gewährleistet werden kann. Dabei gehen die Meinungen der Forscher auseinander: (i) Die einen postulieren bestimmte Operationen wie etwa (overte oder koverte) Verbanhebung bzw. Inkorporation, die Reanalyse der Phrasenstruktur und/oder die Bewegung eines bestimmten Teils des IK in den eingebetteten SpecCP (vgl. Evers 1975, Stechow & Sternefeld 1988, Stechow 1990, Sternefeld 1990, Grewendorf 1987, 1988, Grewendorf & Säbel 1994, Müller & Sternefeld 1995, Säbel 1996, 2002, Hinterhölzl 1999). Hierbei wird das IK, egal ob kohärent oder inkohärent, in der Basisstruktur einheitlich als ein Satz bzw. eine CP projiziert und dessen Barrierenstatus bzw. Satzwertigkeit wird durch eine syntaktische Operation während der Derivation aufgehoben, (ii) Im Gegensatz dazu gehen Autoren wie z.B. Fanselow (1989), Stechow (1990), Rosengren (1992) sowie Wurmbrand (1998, 2001) davon aus, dass ein kohärentes IK schon in der zugrunde liegenden Struktur eine kleinere Projektion darstellt als ein inkohärentes IK, das üblicherweise als eine CP betrachtet wird. Unter dieser Annahme braucht man keine Operation der in (i) genannten Art vorauszusetzen, muss jedoch hinnehmen, dass das betreffende Matrixverb nicht nur

4.1. Theoretische Grundlagen

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CP, sondern auch VP oder IP subkategorisiert. (iii) Es wird schließlich die These vertreten, dass im Falle der Kohärenz das „IK" in der Tat nicht als eine Konstituente existiert, sondern das übergeordnete und das untergeordnete Verb bereits in der Basisstruktur einen Verbalkomplex bilden, wobei allerdings eine (wie auch immer geartete) lexikalische Operation in Bezug auf die Argumentstruktur der beiden Verben benötigt wird. Diese Idee wird u.a. von Haider (1986b, 1993a, 1994b, 2003, 2005), Wöllstein-Leisten (2001) sowie in HPSG-basierten Arbeiten wie Kiss (1995), Meurers (2000), Kathol (2000) oder S. Müller (2002) befürwortet. Für einen Überblick über verschiedene Ansätze zur Kohärenzproblematik sei insbesondere auf Säbel (1996) und Wurmbrand (1998, 2001) verwiesen. In der vorliegenden Arbeit kann ich nicht näher auf die Vor- und Nachteile der einzelnen Analysen eingehen. Stattdessen übernehme ich als theoretische Grundlage zur Lösung der Kohärenzproblematik die Idee, dass das kohärente IK eine VP ist, wie von Wurmbrand (1998, 2001) und Bobaljik & Wurmbrand (2005) vorgeschlagen wird. Die wesentlichen Züge dieses Ansatzes sowie eine Auswahl der Gründe für seine Wahl werden im Folgenden kurz dargestellt.

4.1.3. VP-Analyse zur Kohärenz Ich nehme an, dass das kohärente IK im Gegensatz zum inkohärenten IK lediglich aus einer VP-Projektion besteht und die Projektionen CP, TP und vP (im Sinne von Chomsky 1995c), die ein IK satzwertig machen würden, nicht enthält. Empirische Evidenz dafür, dass den kohärenten IKs die Tense-Projektion fehlt, wird z.B. von Wurmbrand (2001: Kap. 2) angeführt. So zeigt Wurmbrand, dass die Tempusinterpretation des kohärenten IK vollständig von Tempuseigenschaften des übergeordneten Satzes abhängig ist. Sie demonstriert auch (Kap. 4), dass das kohärente IK kein PRO enthält, wobei der „Kontrolleur" lexikalisch festgelegt ist, im Gegensatz zu manchen inkohärenten IKs, bei denen der Kontrolleur variabel sein kann. Das Fehlen von PRO führt nun zur Abwesenheit zumindest der TP-Projektion und eventuell auch der vP, in deren Spec das externe Argument projiziert wird. Für eine ausführlichere Diskussion sowie weitere Gründe für das Nichtvorhandensein dieser Projektionen bei kohärenten Kontroll-IKs siehe u. a. Wurmbrand (1998, 2001), Rosengren (1992) und Haider (1993a). In Bezug auf die inkohärenten IKs schließe ich mich der gängigen Auffassung an, dass es sich um eine CP-Projektion handelt. Laut Boskovic (1997) ist es allerdings auch möglich, bei satzwertigen IKs von einer TP auszugehen. Diese Annahme erscheint besonders plausibel, da sich im Deutschen schwer Evidenz dafür finden lässt, dass nur inkohärente IKs, im Gegensatz zu kohärenten IKs, über die CP-Projektion verfugen (siehe Wurmbrand 1998, 2001). Diese Möglichkeit verfolge ich jedoch nicht weiter. Wichtig ist hierbei, dass das inkohärente IK, unter anderem durch das Vorhandensein von PRO, eine umfangreichere Projektion darstellt, als das kohärente IK bzw. eine bloße VP. Unter dieser Annahme ist es nicht schwierig, den Kontrast zwischen kohärenten und inkohärenten IKs bzgl. Scrambling zu erklären: CP ist eine Barriere für die Extraktion, VP jedoch nicht (vgl. (3)): (5) (6)

... cti ... [vp ... ti... zu V] V (kohärent) *... Oj... [ C pC [Tp (PRO) Τ [vp ν [VP ... h... zu V]]]] V (inkohärent)

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4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Auf die theoretischen Details dieses Kontrasts, wie ζ. B. die Definition der „Barriere", gehe ich nicht ein. Siehe hierfür z.B. Müller (1995a, 1998), Säbel (1996) oder auch Chomsky (2001a, 2005), der CP als eine „Phase" ansieht (vgl. hierzu Kap. 6.4). Ein für die vorliegende Untersuchung wichtiger Aspekt der hier vertretenen VPAnalyse zur Kohärenz ist, dass einem kohärenten IK die vP-Projektion fehlt, die an der Lizenzierung des Akkusativs beteiligt ist7 (für Details siehe Abschn. 3.1). Dies hat zur Folge, dass das direkte Objekt des kohärenten Infinitivs nicht innerhalb des eingebetteten IK, sondern vom Matrix-v kasuslizenziert wird. (7)

weil Hans [vP _ v[+acc] [Vp [vp den Wagen zu reparieren] versuchte]]

Wie Wurmbrand (2001: 20f) lasse ich es offen, ob die Bewegung des eingebetteten Objekts in den Spec von vP zwecks Kasuslizenzierung in einem Satz wie (7) overt oder kovert stattfindet, während Bobaljik & Wurmbrand (2005: Abschn. 3) aufgrund von Agree (vgl. Chomsky 2001a) eine overte Bewegung nicht für nötig halten. Ein großer Vorteil dieser Analyse besteht darin, so scheint es mir, dass man eine natürliche Erklärung für die Möglichkeit der Fernpassivierung bei manchen kohärenten Konstruktionen bieten kann: (8)

weil [jp _ T[+nom] [vP v[-acc] [vp [vp der Wagen zu reparieren] versucht] wurde]]

Wie anhand (7) demonstriert, verfugt das kohärente IK, also die eingebettete VP, zunächst über keine Möglichkeit zur Lizenzierung des strukturellen Akkusativs. Wenn das Matrix-v nun wegen der Passivierung auch keinen Akkusativ lizenzieren kann, erhält das eingebettete Objekt, wie bei der Passivierung eines einfachen transitiven Verbs, den Nominativ vom Matrix-T.8 Im inkohärenten IK dagegen, bei dem es sich um eine CP handelt, behält das eingebettete ν bei der Matrixpassivierung die Eigenschaft der Akkusativlizenzierung und das eingebettete Objekt steht weiterhin im Akkusativ (siehe (4b)): Hierbei wird allerdings die Lizenzierung des Nominativs für das Objekt durch die CPGrenze bzw. durch das eingebettete PRO (vgl. relativierte Minimalität, Rizzi 1990) verhindert (vgl. (6)). Somit gilt die VP-Einbettung bzw. die Kohärenz des IK als eine notwendige Bedingung zur Fernpassivierung. An dieser Stelle sind einige Worte zur Bewertung dieser Konstruktion angebracht. Es gibt Autoren, die bei der Kohärenzdiskussion die Fernpassivkonstruktion nicht berücksichtigen. So sagt z.B. Fanselow (1989: 15): „[...] only a very small number of German [coherent] verbs tolerate structures like [(8)]; and the number of contexts in

7

Hinterhölzl (1999) sagt z.B. auch: „A to-inifinitive in a coherent context cannot license (structural) Case" (S. 116). Da er aber sowohl fur kohärente als auch inkohärente IKs eine einheitliche CP-Struktur postuliert, ist dies nur eine Stipulation, wie er selbst zugibt. Vgl. auch Zwart (1999). 8 Im Falle der Fernpassivierung scheint die overte Bewegung des mit Nominativ markierten Arguments notwendig zu sein (siehe auch Bobaljik & Wurmbrand 2005 für eine Diskussion): i) *weil [ausfuhrlich die Probleme zu erklären] versucht wurden ii) weil die Probleme [ausführlich zu erklären] versucht wurden Dies erscheint überraschend, weil der Nominativ im Deutschen im Prinzip auch in situ lizenziert werden kann (siehe Abschn. 2.2). Diese Sachlage bzw. die unerwartete Notwendigkeit overter Bewegung möchte ich auf den markierten Status der Fernpassivkonstruktion zurückführen, zumal bei diesen Beispielen eine inkohärente Konstruierung als mögliche Alternative immer verfügbar ist.

4.1. Theoretische Grundlagen

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which [(8)] is possible appears to be quite limited."9 Diese Aussage ist an sich korrekt, wie die empirischen Untersuchungen von Wurmbrand (2001) oder Wöllstein-Leisten (2001) bestätigen. Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass man der Fernpassivierung bei der Betrachtung der Kohärenz keine Beachtung schenken sollte. Wurmbrand (2003) listet zur Unterstützung dieser Argumentation zahlreiche Belege der Fernpassivkonstruktion aus authentischen Korpora auf. All dies deutet darauf hin, dass diese Konstruktion keineswegs selten ist.10 In diesen Korpora findet man allerdings viele Belege mit versuchen als Matrixverb. Dieses Faktum ist besonders aufschlussreich (siehe aber auch Reis & Sternefeld 2004: 485), da in vielen Fällen das eingebettete Objekt, das bei der Matrixpassivierung Kasuskonvertierung erfährt (nämlich der/den Wagen in (7) bzw. (8)), semantisch kein internes Argument von versuchen sein kann. Daher ist die Möglichkeit ausgeschlossen, dass das eingebettete Objekt durch versuchen selegiert wäre und der zuInfinitivteil als modifizierender Zusatz interpretiert wird. Vielmehr legt diese Überlegung nahe, dass das DP-Objekt, das bei der Fernpassivierung im übergeordneten Satz kasuslizenziert wird, tatsächlich aus dem eingebetteten Infinitiv stammt. Auf die betreffenden Daten komme ich im Zusammenhang mit Extraposition in Abschnitt 3.2 zurück. Ein anderer interessanter Punkt ist, dass neben dem Fernpassiv der Art (9a) im Prinzip auch die entsprechende Konstruktion ohne Kasuskonvertierung (9b) akzeptabel ist (Wurmbrand 2001: 19,40): (9)

a. dass der Traktor zu reparieren versucht wurde b. dass den Traktor zu reparieren versucht wurde

Wurmbrand (2001: 39) sagt hierzu, Sätze wie (9b) „are perfectly acceptable for German speakers, provided that there is an intonational break before and after the infinitival complement [...]." Die Akzeptabilität von (9b) neben der von (9a) lässt sich auf die im vorigen Unterabschnitt erwähnte Tatsache zurückfuhren, dass die zur kohärenten Einbettung fähigen Kontrollverben ihr IK auch inkohärent realisieren können. In (9b) ist gerade dies der Fall, wobei der ursprüngliche Akkusativ beibehalten wird (vgl. auch (4b)). Der etwas abweichende Status von (9b) lässt sich darauf zurückfuhren, dass das IK zur kohärenten Einbettung tendiert, wenn es in der „intraponierten" Position steht: Diese Beobachtung machen Bayer et al. (2005) aufgrund experimenteller Untersuchungen und versuchen sie auch theoretisch zu begründen. Meiner Ansicht nach ist für die Fernpassivkonstruktion in syntaktischen Ansätzen, bei denen ein kohärentes IK als eine CP in die Derivation eingeführt wird, keine zufrieden stellende Analyse angeboten worden. Dabei bleibt es vor allem zumeist rätselhaft, warum die Passivierung des Matrixprädikats den Kasus des eingebetteten „Satzes" beeinflussen kann, was zumindest im Deutschen in anderen Konstruktionstypen nicht zu beobachten ist.

9

Reis & Stemefeld (2004: 484f) weisen auch darauf hin, dass Fernpassivierung ,just an idiosyncratic feature" einiger im traditionellen Sinne kohärent einbettender Prädikate sein kann. Vgl. außerdem Kiss (1995: 137) sowie Lee-Schoenfeld (2005: 136ff). 10 Wurmbrand (2003) sagt: „It has been occasionally suggested that the long passive construction is 'marked', and thus that no conclusions can be drawn from its properties. However, data collected from a corpus search show that long passive is a frequently occurring construction and is felt by many speakers to be natural in context." Siehe auch Fanselow (1987: Kap. 5.4).

62

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Wie bereits gesagt, kann ich in der vorliegenden Arbeit auf die Details der Kohärenzdiskussion nicht eingehen, sondern möchte die oben genannte VP-Analyse ä la Wurmbrand (1998, 2001) als theoretische Grundlage übernehmen, um für die empirischen Phänomene eine Erklärung anzubieten. Natürlich hat jeder Analysevorschlag Vor- und Nachteile,11 und eine ausfuhrliche Diskussion des Themas Kohärenz würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Trotzdem möchte ich kurz einen Aspekt betrachten, der als Evidenz gegen die hier angenommene Analyse vorgebracht werden könnte. Säbel (1996) vertritt die Ansicht, sowohl kohärente als auch inkohärente IKs seien als eine CP anzusehen. Er versucht den transparenten Charakter der kohärenten IKs ζ. B. für Scrambling (vgl. (3)) dadurch zu erklären, dass sich die AgrOP eines kohärenten IK in die eingebettete SpecCP-Position bewegt, was durch das [+R]-Merkmal des Matrixverbs (vgl. Fn. 4) verursacht wird. Das IK im eingebetteten SpecCP ist nun dem übergeordneten Satz „nah" genug, sodass Scrambling aus dem IK heraus nicht mehr wegen einer (wie auch immer gearteten) Lokalitätsbeschränkung ausgeschlossen wird. Die in der vorliegenden Arbeit vertretene Annahme kritisiert Säbel (1996), indem er die Anwesenheit von PRO auch in kohärenten IKs nachzuweisen versucht. Dabei stützt er sich auf Daten der folgenden Art (S. 102f): (10) (11)

Niemandj zeigte der wilden Hildaj sich·^ in diesem Spiegel. weil [in diesem Spiegel]k niemandj der wilden Hildaj [PROj sichj/.j tk anzuschauen] erlaubte

Aus (10) folgert Säbel, dass Anaphern im Akkusativ von der Subjekt-DP, nicht jedoch von der Dativ-DP gebunden werden können. Entscheidend ist nun das Beispiel (11), in dem laut Säbel aufgrund der Extraktion aus dem IK auf die Kohärenz des IK zu schließen ist. Wenn, so Säbel, in (11) innerhalb des IK kein PRO existieren sollte, wäre die Bindung der Akkusativ-DP (sich) durch die Dativ-DP unerklärbar; diese wird erst durch die Existenz von PRO ermöglicht, das als Folge lexikalischer Eigenschaften des Matrixverbs vom Dativobjekt kontrolliert wird bzw. mit diesem koindiziert ist. Wenn dieses Argument aufrechterhalten werden kann, muss die VP-Analyse zur Kohärenz, die das Nichtvorhandensein von PRO postuliert, einer wesentlichen Revision unterzogen werden. Die Annahme einer Struktur ohne PRO (bzw. einer VP-Struktur für kohärente IKs im strengen Sinne) braucht jedoch nicht aufgegeben zu werden. Die Antwort, die hier für dieses Problem angeboten wird, basiert auf Wurmbrand (2001): Anhand empirischer Untersuchungen stellt sie fest, dass die Klassifizierung lexikalischer Matrixverben in zwei Gruppen, restructuring (kohärent einbettend) vs. non-restructuring (inkohärent einbettend), wie bei Wurmbrand (1998) vorgenommen, nicht ausreicht und eine dritte Kategorie, „reduced non-restructuring", nötig ist.12 Dabei geht sie präziser auf die Extrak11

Zum Beispiel werden Probleme der auf den Verbalkomplex rekurrierenden Ansätze (vgl. (iii) in Abschn. 1.2) u.a. von Fanselow (1989), Rosengren (1992), Säbel (1996) und Wurmbrand (1998,2001) diskutiert. 12 Angesichts dieser „Grauzone" sprach Wurmbrand (1998) einst vom „core" und der „periphery" der Kohärenz. Rosengren (1992: 293), die ebenfalls von einer VP-Struktur für kohärente IKs ausgeht, weist daraufhin, dass man „keine scharfe Grenze zwischen CP- und VP-Einbettung, d. h. zwischen kohärenten und nicht-kohärenten Verben ziehen" kann. Weitere Unterstützung für diese feinere Klassifizierung ä la Wurmbrand (2001) liefert auch Lee-Schoenfeld (2005).

4.1. Theoretische Grundlagen

63

tionsoperationen aus dem IK ein, die sonst unter der Bezeichnung „Scrambling" einheitlich zusammengefasst werden; es sei zu unterscheiden zwischen non-focus scrambling (12), pronoun fronting (13), und schließlich focus scrambling (14) (Wurmbrand 2001: 268, 270, 276): (12) (13) (14)

dass Hans [den Traktor] versucht hat [ t zu reparieren] (non-focus scrambling) weil [ihn] der Hans [ t zu reparieren] plante/beschloss (pronoun fronting)13 %weil [nur den Wagen] der Hans [(morgen) t zu reparieren] beschlossen hatte (focus scrambling)14

Die Konstruktion (14) mit einem eigentlich inkohärenten IK nennt Wurmbrand deswegen focus scrambling (vgl. auch Wurmbrand 1998: 248ff), weil hier nur die Interpretation mit dem gescrambelten Element als Fokus vorhanden ist, was in (12) mit kohärenter Einbettung nicht der Fall ist (vgl. jedoch auch Lee-Schoenfeld 2005: 130f, 137f). Bzgl. (13) wurde in der Literatur bereits daraufhingewiesen, dass die Bewegung (typischerweise des Pronomens) an die linksperiphere Position des Mittelfeldes von anderer Natur ist als „normales" Scrambling (vgl. z.B. Haider & Rosengren 1998, Frey 2004, Müller 1998: 227f). Wurmbrand behauptet nun, dass von diesen drei Operationen nur non-focus scrambling als ein echtes Kriterium fur Kohärenz gilt: Die Konstruktionen, die pronoun fronting bzw. focus scrambling erlauben, sind zwar von tatsächlichen Fällen von Inkohärenz zu unterscheiden, die diese Typen von Extraktion ausschließen (geschweige denn non-focus scrambling), sie sind jedoch auch anders als Konstruktionen mit kohärenter Einbettung, die sowohl non-focus scrambling als auch Fernpassivierung zulassen. Nur diese eignen sich nämlich laut Wurmbrand (2001) als Kriterien fur Restrukturierung bzw. Kohärenz in ihrem Sinne. Sie demonstriert, dass die Konstruktionen mit „reduzierter Inkohärenz", die im Gegensatz zum Fall „echter" Inkohärenz pronoun fronting (und focus scrambling) zulassen (vgl. (13) und (14)), Fernpassivierung (und non-focus scrambling; vgl. (12)) nicht erlauben (Wurmbrand 2001: 267): (15)

*dass der Traktor zu reparieren geplant/beschlossen wurde

Wurmbrand (2001), die das unterschiedliche Verhalten von IKs auf deren kategorialen Status zurückführt, geht nun davon aus, dass es sich bei den reduzierten inkohärenten IKs um eine TP oder vP handelt. Diese dreiteilige Klassifizierung der IKs mag - insbesondere bei den Vertretern der einheitlichen CP-Analyse zur Kohärenz - zwar den Eindruck erwecken, dass die Theorie dadurch komplizierter wird. Dies ist m. E. jedoch ein notwendiger Schritt zur empirisch adäquaten Charakterisierung der infiniten Konstruktionen, den es in der weiterführenden Forschung noch theoretisch zu elaborieren gilt. Anhand dieser empirisch fundierten Grundlage findet das von Säbel (1996) als Argument gegen die VP-Analyse vorgebrachte Problem nun eine Lösung: (16)

13

weil [in diesem Spiegel]k niemandj der wilden Hildaj [PROj sich^ tk anzu schauen] erlaubte (=(11))

Wurmbrand (2001: 268) gibt auch die Variante als zulässig an, in der das IK im Nachfeld auftritt: weil [ihn] der Hans plante/beschloss [ t zu reparieren] 14 Eric Fuß (p.M.) bemerkt, dass der Satz mit einem Zusatz wie „und nicht das Fahrrad" deutlich besser wird.

i)

64

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Die Extraktion aus dem IK weist nicht automatisch auf dessen Kohärenz hin, sondern kann auch aus dessen reduziertem inkohärenten Status resultieren: In Beispiel (16) findet „scrambling of a PP [...] which can only be an instance of focus scrambling" statt (Wurmbrand 2001: 279). Das hier vorliegende, reduzierte inkohärente IK, welches als vP oder TP realisiert wird, kann sehr wohl ein PRO enthalten. 15 Man erinnere sich hierbei daran, dass die Verben, die kohärente Einbettung zulassen, optional auch ein inkohärentes IK zu sich nehmen können. Dies heißt also, dass erlauben, obwohl ihm eine kohärente Einbettung zur Verfugung steht, in (16) als reduced non-restructuring Verb verwendet wird, das eine TP oder vP mit PRO als sein IK selegiert. Aus dieser Überlegung folgt, dass Daten wie (16) die VP-Analyse der „echten" Kohärenz nicht widerlegen. Im Folgenden werde ich jedoch von dieser genaueren Klassifizierung der IKs absehen und mich an den gängigen Gegensatz kohärent vs. inkohärent anlehnen, außer wenn feinere Unterscheidungen notwendig werden (vgl. Fn. 38). Die Diskussion unterschiedlicher Analysen zur Kohärenz möchte ich hiermit abschließen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Untersuchung im vorliegenden Kapitel die VP-Analyse zur Kohärenz zugrunde gelegt wird, in welcher der strukturelle Kasus des eingebetteten Objekts im übergeordneten Satz lizenziert wird. Im folgenden Teil dieses Abschnitts wird nun die 3K im Kontext der Kohärenzproblematik thematisiert.

4.1.4. Status der dritten Konstruktion Vor dem Hintergrund der bislang ausgeführten theoretischen Voraussetzungen wenden wir uns nun dem eigentlichen Gegenstand dieses Kapitels zu: der 3K. (17)

weil der Hans den Wagen versuchte zu reparieren

Die 3K lässt sich so charakterisieren, dass Elemente, die vom Infinitiv im Nachfeld abhängen, im Mittelfeld vor dem Matrixverb auftreten, das den zw-Infinitiv statusregiert (vgl. Wöllstein-Leisten 2001: 15). Hier handelt es sich anscheinend um einen Fall, in dem aus dem IK im Nachfeld heraus ins Mittelfeld gescrambelt worden ist. Tatsächlich ist die gängige Annahme die, dass die 3K aus einer Kombination von Scrambling und Extraposition entsteht (siehe z.B. Kwam 1980, Besten & Rutten 1989, Santorini 1990, Santorini & Kroch 1990, Broekhuis et al. 1995, Müller 1998, Wurmbrand 1998, 2001), wenngleich sich über die Reihenfolge dieser zwei Operationen streiten lässt (vgl. Kap. 3.3.2). 16 Man erinnere sich auch daran, dass die 3K gelegentlich als „remnant extraposition" bzw. „langes Scrambling" bezeichnet wird. 17

15 Säbel (1996: Kap. 4.4) würde dies als ein theoretisches Problem betrachten, weil das Vorhandensein von PRO ohne CP-Schale das PRO-Theorem (vgl. Chomsky 1986a: 183) verletzt. Trotz seiner Argumentation zugunsten des PRO-Theorems lege ich die geläufigere Annahme zugrunde, dass PRO einen Nullkasus hat (vgl. Chomsky & Lasnik 1995, Martin 2001), und lasse den theoretischen Status des PRO-Theorems offen. 16 Soweit ich sehe, ist die Abfolge von Extraposition und Scrambling fur die Ableitung der 3K bei manchen Autoren (z.B. Broekhuis et al. 1995, Wurmbrand 1998,2001) nicht eindeutig festgelegt. 17 Bezeichnungen wie „Linksverschachtelung" (Kvam 1979) oder „verschränkte Konstruktion" (Zifonun et al. 1997: 2194ff) halte ich für unpassend, da sie die Konstruktionen mit langem Scrambling und die mit langer Topikalisierung nicht unterscheiden. Dafür, dass diese Operationen in der Tat unterschiedlich zu charakterisieren sind, siehe ζ. B. Bayer & Kornfilt (1994), Müller (1995a), Säbel (2002).

4.1. Theoretische Grundlagen

65

Im vorangegangenen Teil dieses Abschnitts haben wir bereits gesehen, dass auf der einen Seite Extraktion aus dem IK heraus ein Indiz für Kohärenz ist. Bei der Einfuhrung der Bechschen Kohärenztheorie in Abschnitt 1.1 habe ich auf der anderen Seite Bechs (1983: 69ff) Idee vorgestellt, dass das extraponierte IK als inkohärent zu analysieren ist. Obwohl spätere Untersuchungen festgestellt haben, dass die Intraposition des IK nicht notwendigerweise seine Kohärenz impliziert (siehe Abschn. 1.1), ist die Korrelation zwischen Nachfeldstellung und Inkohärenz des IK von vielen Forschern anerkannt. Es wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass es sich im Falle des extraponierten Infinitivs um inkohärente Einbettung handelt, wie es implizit oder explizit von Haider (1986b: 88, 1993a: 242, 1994b: 75f), Stechow & Sternefeld (1988: 407), Fanselow (1989: 2), Kiss (1995: 103), Meurers (2000: 20), Reis (2001: 305f), Wöllstein-Leisten (2001: 54f, 73f) sowie Reis & Sternefeld (2004: 482f) angenommen wird. Gerade in diesem Punkt offenbart sich der problematische Status der 3K: Einerseits zeigt sie ein nur der kohärenten Struktur innewohnendes Merkmal (= langes Scrambling). Andererseits befindet sich der vom Matrixverb statusregierte Infinitiv rechts davon, was den gängigen Annahmen zufolge auf Inkohärenz schließen lässt. Mit anderen Worten: Es handelt sich bei der 3K um eine Konstruktion, die Merkmale sowohl der Kohärenz als auch der Inkohärenz aufweist.18 Dieser Sachverhalt ist meiner Meinung nach sehr wohl ein Grund dafür, dass die 3K trotz umfangreicher Arbeiten über die Kohärenz in der deutschen Syntaxforschung eher vernachlässigt wurde. Ein weiterer Grund ist, dass das Vorkommen der 3K von Sprechern auf sehr unterschiedliche Weise bewertet wird. Höhle (1986: Fn. 4) erwähnt ζ. B. die 3K als ein Phänomen, das der Bechschen sowie der traditionellen topologischen Theorie Schwierigkeiten bereitet, wobei er den topologischen Status des infinitiven Teils in der 3 Κ offen lässt. Müller & Sternefeld (1995: 60f) behaupten: „Taking the possibility of extraposition as a diagnostic for incoherence, we will similarly regard the possibility of scrambling out of infinitives as a diagnostic for coherence." Daher kommen sie zum Schluss, „that the combination of extraposition and scrambling is ungrammatical"; zur Bestätigung geben sie inakzeptable Beispiele der 3K an.19 WöllsteinLeisten (2000: 69) drückt den ambivalenten Status der 3K folgendermaßen aus: „In diesem Spannungsfeld tritt nun die dritte Konstruktion auf. Sie hat unter topologischen Gesichtspunkten Ähnlichkeiten mit der inkohärenten extraponierten Konstruktion und andererseits zeigen sich syntaktische Effekte, die auf Kohärenz hindeuten und eine Analyse nahe legen, wie sie für eine kohärente monosententiale Konstruktion angenommen wird." Der Analyse in Kapitel 3 entsprechend, nach der das im Nachfeld befindliche IK dort basisgeneriert ist, verfolge ich in diesem Kapitel die These, dass die 3K anhand einer langen Extraktion aus dem Infinitivteil heraus (über das Matrixverb hinweg) nach links abgeleitet wird. Da das IK somit in der vom Matrixverb selegierten Position lokalisiert 18 Dass die zur Diskussion stehende Konstruktion somit weder komplett kohärent noch komplett inkohärent zu konstruieren ist, führte Besten & Rutten (1989) dazu, sie als einen dritten Konstruktionstyp zu betrachten, worauf die heutzutage übliche Bezeichnung „dritte Konstruktion" beruht. 19 Vgl. folgenden Satz aus Müller & Sternefeld (1995: 61): i) *dass mir [der Dame] niemand versprochen hat [ t Geld zu geben] Hier handelt es sich jedoch um ein unglückliches Beispiel: Die Inakzeptabilität von (i) lässt sich wohl auf die empirische Beobachtung zurückführen, dass versprechen, das im Prinzip kohärente Einbettung zulässt, stark zur Inkohärenz tendiert, wenn dessen Dativargument realisiert ist (vgl. Santorini 1990, Kiss 1995: 36, 110).

66

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

ist, bereitet die Möglichkeit der Extraktion aus dieser per se kein Problem. Die dieser Derivationsstrategie zur 3K zugrunde liegende Extraktion findet eine gewisse Parallelität mit normalem Scrambling auch darin, dass eine Konstituente optional nach links bewegt wird (fur eine genauere Diskussion siehe Abschn. 2). Im Gegensatz zu anderen Ansätzen braucht daher der hier vertretene keine besonderen Mechanismen zu postulieren. Auf diesem methodologischen Vorteil beruhen implizit oder explizit die bisherigen Ansätze, die die 3K als eine Kombination von Extraposition und Scrambling betrachten. Eine weitere Unterstützung fur diese Ableitung der 3K liefert auch die Tatsache, dass die 3K nur mit solchen Matrixverben zustande kommen kann, die sowohl langes Scrambling aus dem IK als auch Extraposition des IK zulassen (vgl. u.a. Wöllstein-Leisten 2001). Wegen des bereits erwähnten problematischen bzw. widersprüchlichen Status der 3K ist jedoch, so scheint es mir, die genaue Charakterisierung dieser Derivation, die von Extraposition und langem Scrambling Gebrauch macht, in der bisherigen Forschung nicht explizit genug vorgenommen worden. Dies strebe ich in den nächsten Abschnitten dieses Kapitels an. Obwohl ich eine ausfuhrliche Abwägung einzelner Analysen zur 3K nicht vornehmen kann,20 sei hier eine Auswahl anderer, methodologisch möglicher Ansätze kurz genannt: (i) Es wird aus dem IK im Mittelfeld heraus in den Matrixsatz (string vacuous) gescrambelt und anschließend das remnant-IK extraponiert (z.B. Müller 1998). Die Probleme dieser Analyse habe ich in Kapitel 3.3.2 bereits angesprochen (vgl. auch die Diskussion in Abschn. 2.1). (ii) Ausgehend von der Struktur mit intraponiertem IK als Basis wird ein Teil der eingebetteten verbalen Projektion, der ggf. V° alleine sein kann, in eine Position rechts vom Matrixverb angehoben (z.B. Wunderlich 1980, Haegeman & Riemsdijk 1986, de Haan 1993).21 Die Implausibilität dieses Ansatzes offenbart sich angesichts der Tatsache, dass eine solche Operation im Deutschen sonst in keinem anderen Bereich syntaktischer Phänomene zu beobachten ist. Außerdem ist die Korrelation zwischen diesem Verb (Projection) Raising des eingebetteten Infinitivs und den Eigenschaften des Matrixverbs nicht genug verdeutlicht; vor allem, wenn man bedenkt, dass die 3K nur mit Matrixverben, die kohärente Einbettung und Extraposition zulassen, gebildet werden kann und die Möglichkeit der 3K-Bildung somit in erster Linie vom Matrixverb und nicht vom zu 20

Wie bei der gesamten Diskussion der Kohärenzproblematik auf die „lexikalischen" bzw. auf dem Verbalkomplex basierenden Ansätze nicht eingegangen wurde, so werden hier ebenfalls die Analysen desselben bzw. eines ähnlichen Grundzuges, in denen die 3K (prinzipiell) als basisgeneriert betrachtet wird (vgl. z.B. Geilfuß 1991b, Bayer & Kornfilt 1991, 1994, Kiss 1995, Hinrichs & Nakazawa 1998, Wöllstein-Leisten 2001), nicht besprochen. Hierbei wäre wiederum eine komplizierte lexikalische (oder/und syntaktische) Operation erforderlich, die im Falle der 3K wegen eventueller Nichtadjazenz zweier Verben eine noch außergewöhnlichere Form annehmen kann, als bei der kohärenten intraponierten Einbettung. Außerdem behaupten einige dieser Autoren - insbesondere Geilfuß (1991b) und Wöllstein-Leisten (2001) - , dass für manche 3 Ks (z.B. für (24) unten) eine Bewegung ohnehin notwendig ist. 21 Bei Wunderlich (1980: 145ff) wird übrigens im Prinzip nur die Bewegung verbaler Elemente nach rechts („Extraposition schwerer Infinitivketten") zugelassen, anhand der (ii) aus (i) abgeleitet wird: i) dass sie eine Absicht verbergen zu können glaubte ii) dass sie eine Absicht glaubte [verbergen zu können] Diese Analyse gerät jedoch in Schwierigkeiten, wenn nicht-verbale Elemente im IK vorhanden sind (s. (iii) sowie (18) bzw. (24)), für deren Behebung Wunderlich keine plausible Maßnahme anbietet. iii) Sie haben die neue Grammatik nie versucht an einem Stück zu schreiben (Zifonun et al. 1997: 2196) Das gleiche Problem gilt auch für Hinrichs & Nakazawa (1998).

4.1. Theoretische Grundlagen

67

bewegenden eingebetteten Verb abhängt. Obwohl dies nur eine methodologische und keine empirische Unzulänglichkeit dieser Derivationsstrategie ist, verfolge ich momentan diese Möglichkeit nicht weiter (siehe jedoch Abschn. 3.4.2). (iii) Aus der gleichen Basisstruktur könnte man hingegen eine links gerichtete Bewegung des Matrixverbs annehmen, das anscheinend im Oberfeld landet (vgl. ζ. B. Grewendorf 1988: 278f). Gegen diese Ableitung äußert Wöllstein-Leisten (2001: 76ff), dass die Abfolgen der verbalen Elemente im eigentlichen Oberfeld (... V1 V2 ... V4 V3) und die im vermeintlichen Oberfeld in der 3K (... V2 V1 ... V4 V3) andere sind (siehe auch Zifonun et al. 1997: 2195f sowie Santorini & Kroch 1990: 7f fur weitere Argumente gegen eine parallele Behandlung von 3K und Oberfeldumstellung). Außerdem müsste man angesichts eines Beispiels wie (18) (vgl. Wöllstein-Leisten 2001: 82) eine seltsam anmutende Operation voraussetzten, die das Matrixverb in eine tiefere Position, also in das von ihm regierte IK hinein, bewegt (vgl. (19)): (18) (19)

weil die Kinder den Ball versuchten ins Tor zu schießen weil die Kinder [den Ball _ ins Tor zu schießen] versuchten f I

Hierbei ist die Landeposition der Verbbewegung strukturell nicht ersichtlich. Im Weiteren werde ich daher - und auch wegen der Vorteile des auf langem Scrambling basierenden Ansatzes - diese Strategie als solche nicht aufnehmen. Die Möglichkeit solch einer Verbpermutation lässt sich jedoch nicht ganz ausschließen, solange man für die Oberfeldbesetzung eine ähnliche Operation annehmen will; ich komme auf die Überlegungen bzgl. 3K und Oberfeld sowie Verb (Projection) Raising kurz in Abschnitt 3.4.2 zurück.

4.1.5. „Extraposition" und die dritte Konstruktion Wie oben festgelegt, werde ich der Ableitung der 3K mittels langem Scrambling aus dem rechts vom Matrixverb lokalisierten IK heraus nachgehen. Ein erwarteter Einwand wäre der Hinweis, dass die Extraposition bzw. Nachfeldstellung des IK und die lange Extraktion aus dem IK heraus inkompatibel sein sollten. Die dabei zugrunde liegende Idee ist, wie oben vorgestellt, dass Extraposition des IK als Indiz fur dessen Inkohärenz gelten soll. Angesichts dieser Sachlage stehen theoretisch zwei Möglichkeiten zur Verfugung: (i) Man lockert das betreffende Kohärenzkriterium, sodass Extraposition nicht automatisch mit Inkohärenz einhergeht (mit anderen Worten: nicht alle im Nachfeld befindlichen IKs sind inkohärent), (ii) Was in der 3K wie Extraposition anmutet, unterscheidet sich von Extraposition bzw. Nachfeldstellung des vollständigen IK; das remnant-IK in der 3K befindet sich topologisch nicht in demselben „Feld" wie jenes im „echten" Nachfeld (vgl. z.B. Bech 1983: 62ff, Grewendorf 1988: 272ff, Reis 2005: Abschn. 5 für den Begriff „Unterfeld"). Es ist allerdings unklar, ob man rein auf der Basis empirischer Argumente zwischen (i) und (ii) entscheiden kann. In der weiteren Diskussion möchte ich das Thema unter Annahme (i) verfolgen, da die fur die Derivation notwendigen Apparate - Extraposition und Extraktion - im vorhandenen theoretischen Rahmen bereits verfugbar sind. Eine empirische Unterstützung erhält diese Ansicht - wie bereits im obigen Unterab-

68

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

schnitt erwähnt - dadurch, dass die 3K nur mit denjenigen Matrixverben möglich ist, die Extraposition des infiniten Komplements erlauben (vgl. Wöllstein-Leisten 2001): (20)

a. weil er das Haus versucht zu renovieren b. *weil er das Haus scheint zu renovieren

Ansonsten müsste man im vorliegenden Fall nicht nur voraussetzen (wie dies auch immer abgeleitet bzw. erklärt werden mag), dass das IK von scheinen nicht extraponiert werden kann, sondern zusätzlich auch, dass ein von scheinen statusregiertes Verb nicht rechts von diesem auftreten darf, wenn man letzteres nicht als Extraposition ins Nachfeld bezeichnen will. Trotz dieser Sachlage möchte ich jedoch die Möglichkeit (ii) nicht komplett ausschließen. Außer Grewendorf (1988: 278f) (vgl. Abschn. 1.4) weisen Askedal (1983: 189f), Haider (1993a: 245f) und Tilman Höhle (p.M., siehe Fn. 53) daraufhin, dass die 3K und die Konstruktion mit Oberfeld miteinander in Zusammenhang gebracht werden könnten. Gemeinsamkeiten dieser zwei Konstruktionsarten werden auch von Geilfuß (1991a) mit Hilfe empirischer Tests festgestellt. Da ich aber in dieser Arbeit auf das Thema Oberfeld bzw. Ersatzinfinitiv nicht eingehen kann (vgl. hierzu z.B. Haftka 1994, Hinterhölzl 1999, Meurers 2000, Schmid 2002, Haider 2003), möchte ich die Diskussion offen lassen (vgl. aber Abschn. 3.4.2). Entsprechend der obigen Annahme (i) schlage ich somit vor, dass ein kohärentes IK auch „extraponiert" bzw. im Nachfeld erscheinen kann. Auf diese Möglichkeit wird auch von Wurmbrand (1998, 2001) und Säbel (1996, 2002) hingewiesen, die beide angesichts der 3K die Eins-zu-eins-Korrelation von Extraposition und Inkohärenz in Zweifel ziehen. Wurmbrand (2001) diskutiert eigentlich die strukturelle Eigenschaft des extraponierten IK nicht, sodass das in Kapitel 3.3.2 besprochene Problem der Derivation der 3K ungeklärt bleibt. Sie nimmt allerdings an (S. 294), „that the question of extraposition vs. intraposition is indeed a question of prosodic or syntactic markedness rather than an issue of 'hard' syntactic rules or constraints." Die grundlegende Idee ist dabei, dass Extraposition fur die Unterscheidung zwischen Kohärenz und Inkohärenz keine entscheidende Rolle spielt (vgl. auch Wurmbrand 1998: 130f). Wurmbrand (2001: 159) gibt zwar zu, dass „for many speakers extraposition is only possible in non-restructuring infinitives". Die empirische Beobachtung, dass Extraposition zur Inkohärenz tendiert, führt sie jedoch grundsätzlich auf die folgende Generalisierung zurück: Je größer ein IK kategorial (ζ. B. inkohärentes IK bzw. CP im Gegensatz zum kohärenten IK bzw. VP) ist, desto einfacher kann es extraponiert werden.22 Auch Säbel (2002: 150, 166f) spricht sich gegen die geläufige Annahme aus, das Vorhandensein von Extraposition als syntaktisches Merkmal für Inkohärenz anzusehen.23 Ich schließe mich im betreffenden Punkt diesen Autoren an - obwohl die Details ihrer Analysen der Extraposition nicht ausgearbeitet sind - und übernehme die Annahme, dass kohärente IKs „ausnahmsweise" doch extraponiert werden können, da dies für die Erklärung der ebenso marginalen 3Ks notwendig erscheint. 22

Dies lässt jedoch im vorliegenden Ansatz die Frage ungeklärt, warum das IK von manchen Anhebungsverben wie scheinen bzw. pflegen sowie von A.c.I.-Verben nicht extraponiert werden kann. Für Lösungsvorschläge zu diesem Problem siehe Olsen (1981: Kap. 3), Kiss (1995: Kap. 3), Wurmbrand (1998: Kap. 6,2001: Kap. 3). 23 Ich kann allerdings seine Idee (vgl. Säbel 2002: 167) nicht teilen, dass die Extraposition der Satz- bzw. Infinitivkomplemente ein phonologisches bzw. PF-Phänomen sei (vgl. auch Säbel 1996: 18, Grewendorf & Säbel 1994: 264).

4.2. Scrambling und Pseudoscrambling

69

4.2. Scrambling und Pseudoscrambling Im vorangegangenen Abschnitt habe ich den Grundstock gelegt, um die 3K mittels Extraktion aus dem IK heraus abzuleiten. In diesem Abschnitt werde ich auf mögliche Bewegungsoperationen nach links eingehen. Es wird zunächst demonstriert, dass das sog. lange Scrambling als eine Α-Bewegung zu charakterisieren ist. Um dieser A-Eigenschaft des langen Scrambling eine Erklärung zu geben, wende ich mich dann Phänomenen zu, bei denen sowohl Scrambling als auch Α-Bewegung vorliegen könnten. Spezifisch wird gezeigt, dass in solch einem Fall Α-Bewegung aus Gründen der Ökonomie bevorzugt wird. Das Ziel dieses Abschnitts ist es also, die Α-Eigenschaft des langen Scrambling, das die 3K hervorbringt, aus allgemeinen Prinzipien abzuleiten. Dies ist eine Vorraussetzung für die im nächsten Abschnitt vorgenommene Analyse der 3K.

4.2.1. Pseudoscrambling Bisher habe ich die Bewegung aus dem IK im Nachfeld in den übergeordneten Satz hinein, durch welche die 3K entsteht (vgl. (21)), der gängigen Annahme folgend einfach (langes) Scrambling genannt. (21)

weil der Hans [den Wagen] versuchte [ t zu reparieren] (=(17))

Geilfuß (1991a) bezeichnet diese Bewegung als „Pseudoscrambling" (vgl. Bordelois & Evers 1990) und argumentiert anhand von etwa zehn Phänomenen ausfuhrlich und überzeugend dafür, dass sich das pseudogescrambelte Element anders verhält als das Element, das normal gescrambelt worden ist.24 Im Folgenden möchte auch ich diesen Terminus verwenden. Ich gehe auf Geilfuß' facettenreiche Diskussion nicht im Einzelnen ein, sondern stelle eines der betreffenden Phänomene exemplarisch vor. Es ist bekannt, dass Scrambling für die Interpretation von Skopus rekonstruiert werden kann (Frey 1993: 183): (22) (23)

DASS er mindestens einem Gast fast jedes Geschenk überreichte (unambig) DASS er [fast jedes Geschenk] mindestens einem Gast t überreichte (ambig)

Geilfuß (1991a: 39) beobachtet nun, dass diese Skopusambiguität bei Pseudoscrambling nicht vorhanden ist: (24)

Er HAT [mindestens ein Geschenk] versucht [fast jedem Gast t zu überreichen] (unambig)

Dies zeigt auch ein weiteres Satzpaar: (25) (26)

24

DASS er [fast jedes Lied] mindestens einem Gast t vorspielte (ambig) DASS er [fast jedes Lied] versuchte [mindestens einem Gast t vorzuspielen] (unambig)

Geilfuß (1991a) setzt allerdings nicht voraus, dass sich durch dieses Pseudoscrambling tatsächlich etwas bewegt hätte.

70

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Diese Beispiele weisen darauf hin, dass ein pseudogescrambeltes Element, im Gegensatz zum normal gescrambelten Element, nicht in seine Basisposition rekonstruiert werden kann (vgl. auch Wöllstein-Leisten 2001: Kap. 4.4). Dies erweckt zunächst den Anschein, dass es sich bei Pseudoscrambling um eine Α-Bewegung handelt. Zugrunde liegt hierbei im Wesentlichen die u.a. von Chomsky (1995b: 210) aufgestellte Annahme, dass ,,[t]he reconstruction process [...] applies only to operator-variable constructions", also nur bei A-bar-Ketten. Eine ähnliche These wird auch von Lasnik (1998, 2001, 2003), Saito (2001) und Bobaljik & Wurmbrand (2005) vertreten. Eigentlich stellt sich das Problem der „Rekonstruktion" als nicht so einfach zu lösen dar. Ob Α-Bewegung tatsächlich nicht rekonstruierbar ist, wird heftig diskutiert (siehe z.B. May 1985, Fox 2000, Boeckx 2001, Sauerland & Elbourne 2002, Barss 2003, Sportiche 2006). Zunächst weist ein Satz wie (27), falls er mit (28) synonym ist, auf Rekonstruktion bei einer Α-Bewegung hin (vgl. Lasnik 2001: 205, May 1985: 97f): (27) (28)

Some politician is likely to address John's constituency. It is likely that some politician will address John's constituency.

Dass (27) durch (28) paraphrasiert werden kann, besagt nämlich, dass das angehobene Subjekt in (27) bzgl. Skopus unterhalb des Matrixprädikats {likely), also in seiner Basisposition interpretiert werden kann. Es gibt jedoch auch genügend empirische Evidenz dafür, dass Α-Bewegung nicht rekonstruiert wird. Für diese Position äußert sich außer Chomsky (1995b) u. a. Lasnik (1998, 2001, 2003).25 Eines der vielen vom ihm zur Untermauerung seiner These angeführten Beispiele wird unten wiedergegeben: (29)

Every coin is 3% likely to land heads. (Lasnik 2001: 205)

Hier ist die Lesart mit engem Skopus des Allquantors nur schwer erhältlich, obwohl unser Weltwissen diese Lesart stark bevorzugt. Für ein Beispiel wie (27) nimmt Lasnik (2001: 205) an, „that it is not a syntactic operation that is responsible for the 'lowered' reading of raised indefinites." 26 Wie dem auch sei, die folgende, bescheidenere Bemerkung von Chomsky (2005: 21) scheint zumindest zuzutreffen: „There are some asymmetries between A- and A'-movement [...]. One is that the reconstruction effects are far weaker for Α-movement (if they exist at all)." Die Frage, ob Α-Bewegung rekonstruiert wird oder nicht, ist allerdings kein Hauptanliegen dieses Abschnitts. Für unsere Analyse der 3K wichtig ist u. a. die Beobachtung,

25

Lasnik (2001: 209) weist auch auf die Möglichkeit hin, dass Α-Bewegung keine Spur hinterlässt. Siehe auch Saito & Hoshi (2000) für die gleiche These (vgl. auch M. Kuno 2001 fur weitere Diskussionen). 26 Angesichts der gleichen Daten sagt Lasnik (2003a: 124) auch: „Conceivably, the basic difference between the two readings of sentences with raised indefinites lies in the speaker's point of view with respect to the raised subject. [...] On the other reading (the 'lowered' one), the speaker does not have any particular individual in mind. The ambiguity might then fall under theme-rheme properties, the 'wide scope' quantifier being a theme or topic." Vgl. auch die folgenden Beispiele aus Sportiche (2005), in denen die Möglichkeit der rekonstruierten Lesart durch nicht-syntaktische Faktoren beeinflusst werden kann; sie ist in den beiden Sätzen zwar verfugbar, ist aber in (ii) viel einfacher zu erhalten als in (i): i) Old solutions seem to be needed. ii) New solutions seem to be needed.

4.2. Scrambling

undPseudoscrambling

71

dass sich Pseudoscrambling in dieser Hinsicht wie eine Α-Bewegung verhält. Wir haben bereits gesehen, dass Pseudoscrambling bzgl. Skopus nicht rekonstruierbar ist, was (zumindest tendenziell) auch für Α-Bewegung gilt. Es gibt zwar noch weitere Fälle von Α-Bewegung, die den Rekonstruktionseffekt zeigen, worauf mich Günther Grewendorf (p.M.) aufmerksam gemacht hat: (30)

[Hisi mother] seems to every Italian; [ t to be the most important person].

Bei diesen handelt es sich allerdings um Quantorenbindung. Der Vergleich von (29) und (30) lässt die Generalisierung zu, dass Quantorenbindung, die mögliche Repräsentationsebene der Anwendung betreffend, etwas „großzügiger" ist als relative Skopusverhältnisse: Sie kann durch Rekonstruktion einer Α-Bewegung gerettet werden. Für diese Beobachtung kann ich keine Erklärung anbieten (siehe jedoch Frey 1993: 144f für eine entsprechende Bemerkung über Quantorenbindung). Man findet allerdings einen ähnlichen Rekonstruktionseffekt bzgl. Quantorenbindung auch bei Pseudoscrambling, wenn in dem folgenden, von Günther Grewendorf (p.M.) stammenden Beispiel die intendierte Lesart vorhanden ist: (31)

weil die Maria [alle Arbeiten seinerj Studenten] vergessen hat [jedem Professor t zurückzugeben]

Obwohl die Α-Eigenschaft der Bewegung mit deren Unrekonstruierbarkeit nicht präzise korreliert - was die Analyse von Lasnik erwarten lassen würde weisen die Daten darauf hin, dass Pseudoscrambling in der 3K eine gewisse Parallelität zu A-Bewegung aufweist. Unabhängig von den oben genannten Autoren bzw. Diskussionen argumentieren auch Bayer & Kornfilt (1991, 1994) und Santorini (1990) dafür, dass sich das „lang gescrambelte" Element in der 3K in einer Α-Position befindet.27 Es lässt sich somit feststellen, dass Pseudoscrambling von normalem, satzinternem Scrambling zu unterscheiden ist und die Eigenschaften von Α-Bewegung besitzt. Für weitere, diese Beobachtung unterstützende Diskussionen sei u.a. auf Geilfuß (1991a) und Wöllstein-Leisten (2001) verwiesen. Für die Α-Eigenschaft des Pseudoscrambling werde ich unten eine Erklärung anbieten. Davor sollte im nächsten Unterabschnitt noch geklärt werden, in welcher Beziehung eine Α-Bewegung zu anderen sog. optionalen Bewegungen wie Scrambling stehen könnte.

4.2.2. Scrambling und A-Bewegung Bei der bisherigen Diskussion hat sich herausgestellt, dass Pseudoscrambling bzw. langes Scrambling andere Eigenschaften aufweist als normales Scrambling und Züge einer A-Bewegung besitzt. Diese Beobachtung wird bei unserer Analyse der 3 Κ eine zentrale Rolle spielen. Bevor ich den Grund für diese Α-Eigenschaft des Pseudoscrambling zu

27

Diese These versucht z.B. Santorini (1990) anhand von Daten mit weak crossover, Anapher- sowie Pronomenbindung zu begründen.

72

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

ermitteln versuche, wende ich mich einem Aspekt des normalen Scrambling zu. Genauer gesagt werde ich in diesem Unterabschnitt untersuchen, wie die Bewegungsoperation des direkten Objekts im deutschen Passiv, die sowohl Scrambling als auch der im Englischen zu beobachtenden NP-Bewegung ähnelt, charakterisiert werden sollte. Dazu werde ich eingehend die Diskussion in Säbel (1999, 2005) besprechen. Im Prinzip schließe ich mich seiner Analyse an, weise jedoch auf deren Unzulänglichkeiten hin, für die im darauf folgenden Unterabschnitt eine Erklärung zu geben versucht wird. Der Zweck der folgenden Diskussion liegt darin, zu zeigen, dass die overte Bewegung des direkten Objekts in der Passivkonstruktion des Deutschen als Α-Bewegung zu charakterisieren ist, die typischerweise mit Kasuslizenzierung verbunden ist, obwohl sie wie Scrambling „optional" ist. Dies stellt genau die Eigenschaft dar, die vom Pseudoscrambling in der 3K geteilt wird. Wie bereits gelegentlich angedeutet, verstehe ich unter Scrambling zunächst jene Bewegungsoperation (contra u. a. Fanselow 1993, 2001), die die Konstituentenabfolge sichtbar verändert (vgl. Hoji 1985, Frey & Tappe 1991, Fukui 1993b, Haider & Rosengren 1998, 2003, Säbel 1999, 2005) und deren Applikation in dem Sinne optional ist, dass deren Ausbleiben den Satz nicht ungrammatisch macht. In dieser Hinsicht weisen Scrambling und Pseudoscrambling Gemeinsamkeiten auf. Auch fasse ich Scrambling als eine Adjunktion an eine Kategorie auf, die unabhängig vom Scrambling existiert (vgl. z.B. Müller & Sternefeld 1993, 1994, Müller 1995a, Grewendorf & Säbel 1999). Ich nehme weiterhin an, dass Scrambling im Deutschen durch ein Scramblingmerkmal verursacht wird, das optional realisiert werden kann (vgl. ζ. B. Grewendorf & Säbel 1999, Säbel 1999, 2005 sowie auch Grewendorf 2005a für die Idee von „discourseconfigurational features"). Auf die Details dieser und anderer Punkte (ζ. B. Bewegung vs. Basisgenerierung, A- vs. A-bar-Bewegung, merkmalgetrieben oder nicht, usw.), die in der Literatur heftig diskutiert werden und über die sogar für das Deutsche oft keine Einigkeit herrscht, kann ich in der vorliegenden Arbeit nicht eingehen. Typische und einfache Beispiele des Scrambling stellen Sätze wie die folgenden dar: (32) (33)

weil [ip die Frau [Vp [das Foto] [Vp dem Mann t gezeigt hat]]] dass [ip [dem Mann] [IP [das Foto] [,P jemand [Vp 11 gezeigt ] hat ]]]

Es steht im Deutschen somit die Option zur Verfügung, Objekte entweder an VP oder an IP zu adjungieren. Dies bedeutet, dass Satz (34) theoretisch eine Struktur wie (35b) haben kann: (34) (35)

weil dem Mann das Foto gezeigt wurde a. weil [dem Mann] [ v · [das Foto] gezeigt] wurde b. weil [ip [dem Mann] [iP [das Foto] [Vp 11 gezeigt] wurde]]

Säbel (1999: 93ff, 2005: 288ff) stellt jedoch aufgrund unterschiedlicher syntaktischer Tests fest, dass (34) nicht von (35b), sondern nur von (35a) repräsentiert wird, d. h. dass das direkte Objekt (und das indirekte Objekt ebenfalls) in (34) in seiner Basisposition verbleibt (siehe auch Yoshida 1994 für relevante Diskussionen). Diese Beobachtung wird, so Säbel, durch das von Chomsky (1995c: 294) postulierte Ökonomieprinzip deduziert, demzufolge (optionale) Operationen ohne Effekt auf den Interface-Ebenen, insbesondere auf PF, ausgeschlossen werden. Kasustheoretisch bereitet (35a) übrigens

4.2. Scrambling und Ρ'seudoscrambling

73

kein Problem, da fur die Zuweisung des Nominativs in Passiv- bzw. Unakkusativkonstruktionen im Deutschen - im Gegensatz zum Englischen - overte Bewegung des direkten Objekts in die Subjektposition nicht obligatorisch ist (vgl. ζ. B. Grewendorf 1989, Haider 2005, Bobaljik & Wurmbrand 2005). Säbel (1999: 98ff, 2005: 298ff) wirft weiter die Frage auf, welcher Struktur Satz (36) zuzuordnen ist. Aus einer Reihe von theoretisch möglichen Derivationen vergleichen wir die folgenden zwei, da dies für unsere Diskussion ausreichend ist: Das bewegte direkte Objekt befindet sich in der Subjektposition (37a) - analog zur englischen Passivkonstruktion - oder das direkte Objekt wurde wie in (32) gescrambelt und an VP adjungiert (vgl. (37b)):28 (36) (37)

weil [das Foto] dem Mann t gezeigt wurde a. weil [JP [das Foto] [Vp dem Mann t gezeigt wurde]] b. weil [IP pro [Vp [das Foto] [Vp dem Mann t gezeigt wurde]]]

Säbel (1999: 99f, 2005: 299ff) argumentiert, dass sich das direkte Objekt in (36) tatsächlich in die Subjektposition Α-bewegt hat, wie in (37a) angezeigt; Scrambling wie (37b) sollte hier keine Option sein. Um dies zu demonstrieren, versucht er zunächst zu zeigen, dass die betreffende Bewegung keinen Rekonstruktionseffekt bei der Bindungstheorie hervorruft (vgl. (39)), genau wie beim typischen Fall der A-Bewegung (38) (vgl. Diskussion in Abschn. 2.1): (38) (39)

a. b. a. b.

*It seems to himi that [Fredas mother] is happy, [Fredi's mother] seems to him; t to be happy. *weil ihm; [FredSj Vater] erstmals vorgestellt wurde weil [Freds; Vater] ihnij t erstmals vorgestellt wurde

Als weitere Evidenz fur diese These fuhrt Säbel Daten mit Kontrollstrukturen an. Ausgehend von der Annahme, dass das PRO-Subjekt des ohne-zu-Infinitivs nur vom (strukturellen) Subjekt kontrolliert werden kann (vgl. (40) und auch Höhle 1978: 183f sowie Grewendorf 1989: 149), behauptet er, dass das ursprüngliche direkte Objekt in (41) in der Subjektposition gelandet ist (Säbel 1999: 100, 2005: 300f): (40)

(41)

28

a. *?dass dem Trainer der junge Stürmer empfohlen wurde [ohne PRO, sich darüber besonders zu freuen] b. *?dass dem Trainer der junge Stürmer; empfohlen wurde [ohne PRO; sich besonders hervorgetan zu haben] ?dass der junge Stürmerj dem Trainer empfohlen wurde [ohne PRO; sich besonders hervorgetan zu haben]

Das indirekte Objekt steht hier in seiner Basisposition, wie von der Theorie prognostiziert. Dies spielt für die vorliegende Diskussion jedoch keine wichtige Rolle (vgl. Säbel 1999: 98).

74

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Ich halte diese Argumentation im Prinzip fur angemessen und schließe mich somit Säbels (1999, 2005) Ansicht an, dass das interne Argument sich in Sätzen wie (36) bzw. (41) Α-bewegt hat und in der „Subjektposition" gelandet ist.29 An dieser Stelle erscheinen mir zwei Bemerkungen zu Säbels (1999, 2005) Diskussion angebracht. Die erste beschäftigt sich mit der Frage: Warum ist für Satz (36) nur die A-Bewegung (= (37a)) und nicht das Scrambling (= (37b)) des direkten Objekts erlaubt, obwohl Letzteres eine im Deutschen mögliche Option darstellt (vgl. (32))? Säbel (2005: 299) geht davon aus, dass NP-Bewegung (nicht jedoch Scrambling, vgl. (37b)) weniger kostspielig ist als die „Verkettung" (Merge) von expletivem pro, welche Säbel zufolge nur als „last resort" erlaubt ist. Zur Begründung zieht er die von Chomsky (1995a: 145) stammende Idee heran, dass UG-Prinzipien weniger kostpielig sind als sprachspezifische Regeln. Diese Annahme überträgt Säbel (2005: 299) auf das Einsetzen von pro und behauptet, dass dieses kostspieliger sei, wenn alternativ auch NPBewegung zur Verfugung steht. An dieser Stelle gehe ich auf (eventuell problematische) konzeptuelle Aspekte dieses Ansatzes nicht ein (wie ζ. B. die Frage, in welchem Sinne die NP-Bewegung als ein UG-Prinzip angesehen werden sollte),30 sondern halte mich lediglich an die von Säbel (1999, 2005) gemachten empirischen Beobachtungen bzgl. der Sätze (34) und (36). Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass im nächsten Unterabschnitt eine einfachere Erklärung für die relevanten Daten geliefert wird. Diese Analyse wird auch Fällen wie (42) unten gerecht, die für Säbels Ansatz ein Problem darstellen. Der zweite Punkt betrifft Beispiele wie das folgende, das von Säbel (1999) nicht diskutiert wird (vgl. auch Grewendorf 1989: 150 fur „ergative" Konstruktionen): (42)

dass der junge Stürmer empfohlen wurde [ohne PROi sich besonders hervorgetan zu haben]

Wie oben bereits erwähnt, geht Säbel bei solch einer Passivkonstruktion, die keinen sichtbaren Wechsel der Konstituentenabfolge aufweist (vgl. (34)), davon aus, dass aufgrund von Ökonomieprinzipien keine Bewegung stattgefunden hat. Demnach sollte das

29

Als Gegenbeispiele hierzu werden von Marga Reis (p.M.) folgende Daten vorgebracht: Der gängigen Annahme zufolge wird das Subjekt (und das indirekte Objekt) in (i) und (ii), das links von VP-Adverbien steht, aus der VP bewegt, was im Rahmen der vorliegenden Diskussion bedeutet, dass es in beiden Sätzen in der Subjektposition gelandet ist. Trotzdem empfindet Reis (ii) als wesentlich schlechter als (i) und betrachtet diesen Kontrast als durchaus vergleichbar mit (41) vs. (40b): i) ?dass sich der Spieler Xj dem Trainer ja nun doch empfehlen konnte [ohne PROi sich besonders anzustrengen] ii) *?dass sich dem Trainer der Spieler Xj ja nun doch empfehlen konnte [ohne PROi sich besonders anzustrengen] Wenn diese Bewertung stichhaltig ist, muss man Säbels Bedingung, dass der Kontrolleur in der Subjektposition lokalisiert sein muss, nur als notwendige, nicht jedoch als hinreichende Bedingung betrachten. Hier scheint allerdings die relative Abfolge der Argumente eine wichtige Rolle zu spielen. Siehe dazu die Anmerkungen in Säbel (2005: Fn. 14). 30 Siehe ζ. B. Takano (1996: Kap. 2.5.2) fur Argumente, dass es im Japanischen keine NP-Bewegung gibt.

4.2. Scrambling und Pseudoscrambling

75

interne Argument in (42) in seiner Basisposition verbleiben.31 Dies sagt fur seine Analyse voraus, dass die Kontrolle in den o/we-zw-Infinitivsatz hinein, die das Vorhandensein eines Kontrolleurs in der strukturellen Subjektposition voraussetzt, auszuschließen ist. Satz (42) mit der intendierten Lesart wird jedoch von vielen Sprechern akzeptiert, oft sogar als besser als (41) erachtet. Ein Beispiel dieser Art erwähnt Säbel (2005: 299) allerdings, wobei er behauptet, dass hier doch NP-Bewegung stattgefunden hat (vgl. auch Yoshida 1994), denn „NP-movement is less costly than merge of pro" (vgl. den vorangegangenen Absatz). Dies ist jedoch sowohl mit seiner bereits vorgestellten Argumentation bzgl. „vacuous movement" inkompatibel (vgl. (35a)), als auch mit der empirischen Beobachtung, dass die betreffende DP im Nominativ der Basisposition zuzuschreibende Eigenschaften aufweist (siehe Fn. 31). Die Sachlage erzwingt also eine Revision oder eine Ergänzung der von Säbel (1999,2005) vorgeschlagenen Analyse. Somit habe ich in diesem Unterabschnitt zunächst demonstriert, dass Säbels (1999, 2005) empirische Beobachtung bzgl. Objektbewegung in der deutschen Passivkonstruktion zutreffend ist. Anschließend habe ich auf ihre Unzulänglichkeiten hingewiesen; es gilt nämlich u. a. zu erklären, inwiefern die betreffende Bewegung als eine A-Bewegung charakterisiert werden kann. Im nächsten Unterabschnitt bemühe ich mich, auf diese Frage eine Antwort zu geben, die auf dem Konzept der Ökonomie beruht. Später werde ich dafür argumentieren, dass die dort entwickelte Analyse auch auf die entsprechende Eigenschaft des Pseudoscrambling in der 3K übertragen werden kann.

4.2.3. Ökonomie der Bewegung Im Folgenden wende ich mich der Beantwortung oben gestellter Fragen zu. Die Überlegungen an dieser Stelle werden gleichzeitig für die in Abschnitt 2.1 festgestellte Generalisierung, dass Pseudoscrambling Eigenschaften einer Α-Bewegung besitzt, eine Erklärung bieten. Dies wiederum dient als Basis unserer in Abschnitt 3 vorgenommenen Analyse der 3K. Zunächst befassen wir uns mit dem anhand des Beispielsatzes (42) dargelegten Problem: (43)

dass der junge Stürmerj empfohlen wurde [ohne PROj sich besonders hervorgetan zu haben] (= (42))

Wie dort angeführt, besitzt das interne Argument in diesem Fall sowohl Subjekt- als auch Objekteigenschaften. Wie kann diese Sachlage erklärt werden? Ich möchte hier zuerst auf die Frage zurückkommen, wie der Kasus in (43) lizenziert wird: Wenn das mit Nominativ markierte interne Argument in der Objektposition verbleibt (siehe auch (35a)), steht es auf der Satzoberfläche nicht in der Position, in der

31 Die folgenden Sätze verdeulichen, dass sich das ursprüngliche Objekt in der betreffenden Passivkonstruktion in der Basisposition befindet. Sie gelten daher als Unterstützung meiner These im Text (zur Diskussion dieser Daten siehe Säbel 1999, 2005): i) Was wurde für eine Frage gestellt? ii) weil immer wieder gern das Foto von Willy Brandts ICniefall gezeigt wird iii) weil entweder [das Foto gezeigt] oder [der Lebenslauf überreicht] wurde iv) [ein Stürmer empfohlen] wurde hier noch nie

76

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Nominativ kanonisch zugewiesen wird. In solchen Fällen geht man - vereinfacht gesagt - von unsichtbarer bzw. koverter Bewegung (vgl. Chomsky 1995c, 2004) oder Agree (vgl. Chomsky 2000, 2001) aus. An dieser Stelle gehe ich nicht auf die Diskussion ein, welcher dieser Mechanismen für welche Merkmale zu postulieren ist. Ich nehme stattdessen eine koverte Bewegung unsichtbarer Merkmale an, da dieses Konzept bezüglich seiner empirischen Reichweite in der bisherigen Forschung gegenüber dem neueren Begriff Agree einen größeren Beitrag geleistet hat (siehe auch Fn. 44). Ich greife dabei auf die „traditionelle" Idee zurück, dass koverte Bewegung ökonomischer ist als overte Bewegung und daher bevorzugt wird (vgl. z.B. Chomsky 1995b: 198). Der Grund für diese Auffassung liegt darin, dass overte Bewegung nicht nur unsichtbare Merkmale, sondern die gesamte Kategorie involviert, insbesondere die phonologischen Merkmale des zu bewegenden Elements. An dieser Stelle möchte ich auf die Möglichkeit hinweisen, dass in (43) die Bewegung unsichtbarer Merkmale doch stattgefunden hat (vgl. auch Watanabe 1992 und Groat & Ο'Neil 1996 fur relevante Diskussionen). Solange man von koverter Bewegung ausgeht, muss die betreffende Operation, in diesem Fall die Bewegung zwecks Kasuslizenzierung, „irgendwann" erfolgen. Wenn nun die „overte" Bewegung string vacuous ist und „später" (= auf LF) durch eine entsprechende Bewegung ergänzt werden muss, kann die Anwendung der Operation vor Spell-out nicht kostspieliger sein, weil die Mitnahme phonologischer Merkmale entfallt. In diesem Sinne kann man die Bewegung der formalen Merkmale des internen Arguments in (43) als optional anwendbar betrachten. Die Merkmale, die fur die Kontrolle von PRO zuständig sind, können optional angehoben werden, müssen es allerdings nicht. Somit erklärt diese Überlegung die Beobachtung, dass das Objekt in (43) einerseits Basiseigenschaften aufweist und andererseits die Eigenschaften des Subjekts bzw. des Kontrolleurs besitzt. Wenden wir uns nun dem anderen Anliegen des letzten Unterabschnitts zu: Warum gilt die Bewegung, durch die aus (44) (45) hervorgeht, nur als Α-Bewegung (vgl. (46a)) und nicht als Scrambling (vgl. (46b))? (44) (45) (46)

weil dem Mann das Foto gezeigt wurde (= (34)) weil [das Foto] dem Mann t gezeigt wurde (= (36)) a. weil [iP [das Foto] [Vp dem Mann t gezeigt wurde]] (= (37a)) b. weil [IPpro [Vp [das Foto] [Vp dem Mann t gezeigt wurde]]] (= (37b))

Im Deutschen stehen sowohl Scrambling bzw. Adjunktion an VP als auch Lizenzierung des Nominativs ohne Bewegung in die Subjektposition zur Verfugung. Demnach sollte die Derivation (46b) eine Option darstellen, was jedoch von Säbel (1999, 2005) empirisch widerlegt wird. Zur Erklärung dieser Sachlage nehme ich an, dass das direkte Objekt in (44) - aus informationsstrukturellen Gründen - ein Scramblingmerkmal besitzt, wie wir es bereits in Abschnitt 2.1 vorausgesetzt haben (siehe u. a. Grewendorf & Säbel 1999). Ohne solch ein Merkmal wäre der Trigger für die overte Bewegung nicht zu identifizieren. Das Kasusmerkmal alleine reicht nicht aus, eine overte Bewegung zu verursachen, weil dieses auch durch koverte Bewegung überprüft werden kann, was zur Realisierung des Satzes (44) fuhren sollte. Die Überprüfung des Scramblingmerkmals erfolgt nun, wenn die Konstituentenabfolge sichtbar geändert wird; in diesem Fall, wenn das direkte Objekt in eine Position links vom indirekten Objekt verschoben wird. Gleichzeitig hat das direkte

4.2. Scrambling und Ρseudoscrambling

77

Objekt auch ein Kasusmerkmal, das im Deutschen entweder overt oder kovert überprüft werden muss. Ich schlage nun vor, dass sowohl das Scrambling- als auch das Kasusmerkmal des internen Arguments mittels einer einzigen Α-Bewegung in die Subjektposition, wie in (46a) gezeigt, erfolgreich überprüft werden können. Dadurch wird die Anforderung des Kasusmerkmals - aufgrund der Definition von A-Bewegung - erfüllt, obwohl diese Operation nicht overt sein muss. Auch dem Scramblingmerkmal wird durch diese overte Bewegung Genüge getan, wie man an der Oberflächlichenrepräsentation von (45) erkennt, in der die gewünschte Konstituentenabfolge erzielt worden ist. Wenn auf (44) stattdessen Scrambling appliziert, was zur Derivation in (46b) fuhrt, wird zwar das Scramblingmerkmal befriedigt, das Kasusmerkmal jedoch nicht. Um letzteres zu überprüfen, muss nach Scrambling auch noch eine koverte Bewegung zwecks Nominativlizenzierung stattfinden. Die in (46b) dargestellte Derivation benötigt somit zwei Operationen: Overtes Scrambling und anschließend koverte Α-Bewegung in die Kasusposition. Dies halte ich für kostspieliger32 als eine Α-Bewegung alleine, welche die Ableitung in (46a) ergibt. Die Folge ist nun, dass für Satz (45) eine A-Bewegung und nicht Scrambling anzunehmen ist.3 Für die von Säbel (1999, 2005) vorgenommene Generalisierung zum Α-Status der Bewegung in (45) wird somit eine auf Ökonomie basierende Erklärung angeboten.34 Im nächsten Abschnitt werden wir sehen, dass im Prinzip der gleiche Mechanismus bei der Charakterisierung des Pseudoscrambling greift. Davor möchte ich noch kurz weitere empirische Phänomene erwähnen, die als Unterstützung für meine auf Ökonomie basierende Analyse zur möglichen Interaktion von verschiedenartigen Bewegungen gelten können. Im Abschnitt 2.1 haben wir gesehen, dass Scrambling Skopusambiguität hervorbringen kann: (47) (48)

32

DASS er mindestens einem Gast fast jedes Geschenk überreichte (unambig) (=(22)) DASS er [fast jedes Geschenk] mindestens einem Gast t überreichte (ambig) (=(23))

Außerdem würde es sich dabei um einen Fall von unzulässiger Bewegung (improper movement) handeln, wie Günther Grewendorf (p.M.) anmerkt (vgl. auch Müller & Sternefeld 1993, Müller 1998, Grewendorf 2003). 33 Eric Fuß (p.M.) weist auf das folgende potentielle Problem hin: Der Argumentation hier zufolge muss das direkte Objekt, das im Passiv overt nach links bewegt wird (siehe (i) unten), ein Scramblingmerkmal besitzen. Dies sollte in Widerspruch stehen mit seiner Beobachtung, dass sich das gleiche Element schwer normal scrambeln lässt (siehe (ii)): i) weil [niemand] der Maria t gezeigt wurde ii) *?weil [niemanden] der Fritz t getroffen hat Hierzu möchte ich zweierlei anmerken: Erstens gibt es auch Sprecher, die beide Sätze als gleichermaßen schlecht beurteilen. Zweitens weist (i) für alle befragten Sprecher einen ähnlichen Akzeptabilitätsstatus auf wie das folgende Beispiel mit Pseudocrambling: iii) weil Fritz [niemanden] versucht hat [t zu einem Glas Bier einzuladen] Hier bleibt also die Parallelität zwischen der Bewegung des direkten Objekts im Passiv und dem Pseudoscrambling in der 3K, wie zu Beginn dieses Unterabschnitts erwähnt, wiederum unverändert. 34 Wie Eric Fuß (p.M.) bemerkt, entspricht der Vorschlag hier dem von Chomsky (2001: 15ff) vertretenen Maximierungsprinzip, demzufolge die Überprüfung der Merkmale nicht partiell, sondern auf einmal stattfinden sollte.

78

4. Zur Derivation

der dritten

Konstruktion

Was bedeutet dies nun für die passivische Variante von (48)? In dieser ist das direkte Objekt ebenfalls über das indirekte hinweg nach links verschoben worden: (49)

DASS [fast jedes Geschenk] mindestens einem Gast t überreicht wurde

Hier ist die „rekonstruierte" Lesart, also der enge Skopus des auf der Satzoberfläche links stehenden Quantors, (viel) schwieriger zu erhalten als in (48). Wäre in (49) gescrambelt worden, würde man hier eine ähnliche Ambiguität wie in (48) erwarten. Diese Datenlage unterstützt somit die Generalisierung, dass im Passivsatz (49) nicht gescrambelt, sondern Α-bewegt worden ist, wie von Säbel (1999, 2005) beobachtet (vgl. Abschn. 2.2) und von mir ökonomietheoretisch begründet. Aufgrund der Diskussion der Passivkonstruktionen lässt sich vermuten, dass Ähnliches auch für unakkusative Konstruktionen gelten sollte. Diesbezüglich argumentiert Grewendorf (1989: Kap. 2.15) aufgrund von Kasuslizenzierung dafür, dass das ursprüngliche interne Argument eines unakkusativen Verbs, wenn es dem Dativargument vorangeht, sich in die Subjektposition bewegt hat. Seine Argumentation beruht auf den unter A.c.I.-Verben eingebetteten unakkusativen Konstruktionen wie in (50). Diese Einbettung ändert aber im Wesentlichen nichts an den Konsequenzen (Grewendorf 1989: 104): (50)

Hans sieht [[einen Schaden von mehreren tausend Mark] [vp ihm t entstehen]].

Fanselow (1992: 287f) führt die Daten in (51) und (52) an. Während in (51) das Pronomen vom nachfolgenden Quantor gebunden werden kann, sagt Fanselow über Beispiele wie (52), dass es „wesentlich schwieriger [ist], solch eine Bindungsbeziehung zu etablieren, obwohl [...] die Nominativ-NP hier in der Position von t basisgeneriert werden muss". (51) (52)

weil man [seinem Wagen] niemandem; t wegnehmen darf weil [seine Habilschrift] niemandem t misslingen wird35

Zur Erklärung des Nichtvorhandenseins von Rekonstruktion in (52) sagt Fanselow, dass in diesem Beispiel „die Voranstellung des Nominativs auch als Bewegung in die ausgezeichnete Subjektposition (entsprechend dem englischen Passiv) gedeutet werden kann". Diese Betrachtung der unakkusativen Konstruktionen liefert somit weitere Evidenz für die Annahme, dass bei der Bewegung des mit Nominativ markierten internen Arguments nach links, anders als bei Scrambling, eine Α-Bewegung vorliegt. Bis jetzt war die Rede von Α-Bewegung, die den gleichen Effekt wie Scrambling hat und dieses somit ersetzten kann. Dies habe ich aus dem Konzept der Ökonomie herzuleiten versucht. Am Ende der Diskussion dieses Unterabschnitts möchte ich aus der gleichen Perspektive einen Aspekt der Wz-Bewegung im Japanischen betrachten. Das Japanische verfügt über Scrambling. In einem Satz wie dem folgenden ist davon auszugehen, dass die wA-Phrase gescrambelt worden ist (vgl. ζ. B. Saito 1989, Takahashi 1993):

33

Manche meiner Informanten halten die intendierte Quantorenbindung hier jedoch für möglich.

4.2. Scrambling und Pseudoscrambling (53)

79

Nani-Oj John-wa [Mary-ga t, katta ka] sitteiru. was-Acc, John-Nom [Mary-Nom t, kaufte Q] weiß John weiß, was Mary gekauft hat.'

Hier ist die Rekonstruktion der gescrambelten w/i-Phrase nötig, damit sie sich im Skopus des [+wh]-Komplementierers ka befindet. Diese Bedingung wird von (54) verdeutlicht: (54)

John-wa [Mary-ga nani-o tabeta ka] siritagatteiru no? John-Top [Mary-Nom was-Acc aß Q] wissen-will Q ,Will John wissen, was Mary gegessen hat?' ,Was will John wissen, ob Mary gegessen hat?'

Die w/z-Phrase befindet sich im Skopus des [+wh]-Komplementierers sowohl des Matrixsatzes als auch des Nebensatzes. Daraus ergibt sich die Ambiguität des Satzes in Bezug auf den Skopus der w/z-Phrase. Entscheidend ist nun das folgende Beispiel (Takahashi 1993:657): (55)

Nani-Oj John-wa [Mary-ga t\ tabeta ka] siritagatteiru no? Was-Accj John-Top [Mary-Nom t\ aß Q] wissen-will Q ,Was will John wissen, ob Mary gegessen hat?'

Hier hat die vorangestellte w/z-Phrase nur weiten Skopus; Rekonstruktion, die in (53) eine Option war, lässt sich in (55) nicht durchführen. Zur Erklärung dieser Tatsache behauptet Takahashi (1993), dass die w/z-Phrase in (55) w/z-bewegt und nicht gescrambelt wurde. Zugrunde liegt seine Generalisierung (S. 661), dass ,,A'-movement of a Whphrase to the initial position of a clause headed by a [+WH] COMP counts as Whmovement in Japanese." Ich halte diese Beobachtung für deskriptiv zutreffend.36 Takahashi (1993) versucht, diese Beobachtung anhand eines Ökonomieprinzips zu erklären, welches besagt, dass unnötige Schritte in der Derivation verboten sind (vgl. Chomsky 1995a, Epstein 1992). Dafür setzt er allerdings voraus, dass langes Scrambling im Japanischen eine Bewegung in die SpecCP-Position ist. Diese Annahme findet bei Takahashi jedoch keine ausreichende, durch unabhängige Evidenz gestützte Begründung und hat somit einen eher stipulativen Charakter. Vgl. hierzu auch Abe (1997) und Grewendorf & Säbel (1999).37

36

In Kapitel 6 werde ich mich an eine Idee von Fukui (1995a) anlehnen und das Vorhandensein der CPProjektion im Japanischen in Zweifel ziehen. Um den wesentlichen, die vorliegende Diskussion betreffenden Punkt nicht zu verkomplizieren, verwende ich aber hier die gängige Redeweise, dass wA-Phrasen spätestens auf LF in SpecCP lizenziert werden (vgl. u.a. Huang 1998, Watanabe 1992). Für Argumente gegen Takahashis (1993) Stellungnahme siehe Säbel (2001) und die dort angegebene Literatur. Meiner Ansicht nach sind die betreffenden Daten äußerst schwierig auszuwerten. Ich kann allerdings Säbels Meinung nicht zustimmen, dass (55) die eingebettete Lesart der wA-Phrase zulasse und die Beobachtung, diese Lesart sei „more difficult to get", auf „processing strategies" zurückgeführt werden solle. Mir scheint der Kontrast zwischen (54) und (55) in Bezug auf die eingebettete Lesart der wA-Phrase, wie für Takahashi (1993), so deutlich zu sein, dass er besser anhand syntaktischer Mittel erfasst werden sollte. Vgl. aber auch Kuwabara (1999), der zwar Takahashis (sowie meine) Bewertung für (55) teilt, für die Extraktion der betreffenden wA-Phrase jedoch eine andere Analyse vorlegt. 37 Grewendorf & Säbel (1999: 45f) argumentieren aufgrund empirischer Daten eigentlich dafür, dass die lang gescrambelte wA-Phrase nicht in SpecCP, sondern in der an AgrSP adjungierten Position landet. Dies beein-

80

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Takahashis (1993) Generalisierung lässt sich m. E. anhand desselben Mechanismus erklären wie die Α-Bewegung im deutschen Passiv. Die wA-Phrase in einem Satz wie (55) wird sowohl mit einem Scrambling- als auch mit einem wÄ-Merkmal in die Derivation eingeführt. Durch overte vW)-Bewegung in die Operatorposition, also einen einzigen Bewegungsschritt, werden beide Merkmale erfolgreich überprüft. Wenn die w/z-Phrase in (55) dagegen nicht ννΛ-bewegt, sondern gescrambelt worden wäre, ist dadurch die Forderung nach Scrambling erfüllt. Um ihr wÄ-Merkmal zu überprüfen, muss sich die w/z-Phrase aber noch zusätzlich kovert nach SpecCP bewegen. Diese zwei Bewegungsoperationen gelten als unökonomischer als eine einzige wÄ-Bewegung. Aus dieser Überlegung resultiert, dass in (55) anstelle von Scrambling wÄ-Bewegung stattgefunden hat. Somit habe ich mit Säbel (1999, 2005) gezeigt, dass die Bewegung des internen Arguments in der Passivkonstruktion des Deutschen nicht als Scrambling, sondern als ABewegung aufgefasst werden sollte, genau wie in der entsprechenden Konstruktion im Englischen. Diese Beobachtung als solche braucht man nicht zu stipulieren, da sie sich meiner Argumentation zufolge aufgrund des Konzepts der Ökonomie ableiten lässt: Eine Α-Bewegung alleine erfüllt nicht nur die Anforderung des Kasusmerkmals, sondern auch diejenige zum Wechsel der Konstituentenabfolge, der durch Scrambling realisiert wird. Mein Vorschlag scheint auch durch relevante Daten mit wA-Bewegung aus dem Japanischen unterstützt zu werden. Im Folgenden wende ich diese Idee auf das Pseudoscrambling an, welches Α-Eigenschaften aufweist, obwohl es bei einer ersten Betrachtung (normalem) Scrambling ähnlich zu sein scheint.

4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion In diesem Abschnitt wird eine Analyse der 3K vorgenommen. Die dafür notwendigen theoretischen Voraussetzungen, die bis jetzt in dieser Arbeit vorgelegt worden sind, sind die folgenden: (i) Kohärente IKs bestehen nur aus einer VP, entbehren also einer vPProjektion, die für die Lizenzierung des strukturellen Akkusativs zuständig ist (vgl. Abschn. 1.3). (ii) Auch kohärente IKs können im Nachfeld stehen (vgl. Abschn. 1.4 und 1.5). (iii) Das kohärente IK im Nachfeld steht in der Basisposition, ist daher per se keine Insel für Bewegungsoperationen (vgl. Kap. 3). Darauf aufbauend wird im Folgenden zunächst ein typischer Fall der 3K, also mit einem pseudogescrambelten Akkusativargument, behandelt. (Pseudoscrambling von anderen Elementen wie Dativen bzw. PPs wird erst in Abschn. 3.4.1 erwähnt.) Daran anschließend wird deren passivierte Variante analysiert. Danach wird die hier vorgeschlagene Vorgehensweise auf einen anderen, bisher kaum aufgegriffenen Konstruktionstyp angewandt und auf ihre Angemessenheit hin überprüft. Auf noch verbleibende, die 3K betreffende Probleme wird am Ende kurz eingegangen.

flusst meine Argumentation im Text jedoch nicht wesentlich, da Grewendorf & Säbel davon ausgehen, dass im Japanischen das betreffende [+wh]-Merkmal in AgrS realisiert werden kann und folglich die wA-Phrase durch Adjunktion an AgrSP überprüft werden kann (vgl. hierzu auch die Diskussion in Rizzi 1996 sowie Miyagawa 2001). Sowohl fur Takahashi als auch fur Grewendorf & Säbel befindet sich also die lang gescrambelte w/i-Phrase in der Position, in der ihr [+wh]-Merkmal überprüft wird und von der aus daher keine (koverte) Bewegung mehr stattfindet.

4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion

81

4.3.1. Α-Bewegung und die Ableitung der dritten Konstruktion Für die Derivation der 3K habe ich die Annahme zugrunde gelegt, dass sie durch Pseudoscrambling einer Konstituente des IK, das im Nachfeld steht, ins Mittelfeld des Matrixsatzes zustande kommt. Wie bei normalem Scrambling nehme ich dabei an, dass es sich um eine merkmalgetriebene Bewegung handelt. Zunächst sieht es so aus, als müsste man dafür ein weiteres Merkmal postulieren, das anders beschaffen ist als jenes für normales Scrambling, damit aus (56) zwei verschiedene Strukturen abgeleitet werden können; ein Scramblingmerkmal für (57a) und ein Pseudoscramblingmerkmal für (57b): (56) (57)

weil er versuchte [einem Kind ein Märchen vorzulesen] a. weil er versuchte [[ein Märchen] einem Kind t vorzulesen] b. weil er [ein Märchen] versuchte [einem Kind t vorzulesen]

Aufgrund eines theoretischen Modells, das sich bei Bewegungsoperationen auf die Probe-Goal-Relation stützt (vgl. Chomsky 2000, 2001), kann man jedoch auf diese Annahme verzichten. Das zu bewegende Element, ein Märchen in (56), besitzt für beide Fälle in (57) das gleiche Scramblingmerkmal. Seine Landeposition wird durch die Position des Sondierers („probe") der Bewegung determiniert; entscheidend ist also, ob dieser sich innerhalb des eingebetteten IK wie in (57a) oder im übergeordneten Satz wie in (57b) befindet. Im letzteren Fall lässt sich annehmen, dass das Matrix-v, das übrigens Kasus überprüft, auch ein Scramblingmerkmal besitzt. Dieses (= Sondierer) löst overte Bewegung des eingebetteten Objekts, das ebenfalls das entsprechende Merkmal (= Ziel) besitzt, nach SpecvP aufgrund informationsstruktureller Erfordernisse aus. Meine Annahme bringt den theoretischen Vorteil mit sich, dass man für die beiden Operationen in (57) nur ein einziges Merkmal voraussetzen muss. Außerdem haben die Bewegungsoperationen, normales Scrambling in (57a) und Pseudoscrambling in (57b), etwas Wesentliches gemeinsam: Sie sind beide optional. Dies resultiert aus dem Umstand, dass die Realisierung des Scramblingmerkmals (hier am Objekt) ohnehin optional ist. In der folgenden Diskussion verwende ich jedoch in Fällen wie (57b) den Terminus Pseudoscramblingmerkmal, um eine mögliche Verwechslung mit normalem Scrambling (57a) zu vermeiden. Wie das normale Scramblingmerkmal gilt auch das Pseudoscramblingmerkmal als erfolgreich überprüft, wenn der Zweck dieser Bewegung, also die overte Verschiebung des betreffenden Elements in den Matrixsatz, in dem sich der Sondierer befindet, erfüllt ist. Die Diskussion in Abschnitt 2.1 hat darauf hingedeutet, dass Pseudoscrambling Ähnlichkeiten mit Α-Bewegung und nicht mit Scrambling hat: (58)

weil der Hans [vp [den Wagen] v[+acc] [ w versucht [Vp t zu reparieren]]]

Aufgrund der Überlegung aus Abschnitt 2.3 lässt sich diese Generalisierung auch ohne besondere Vorschrift ableiten. Innerhalb des IK fehlt die vP-Projektion und daher muss der Kasus des eingebetteten Objekts vom Matrix-v lizenziert werden. Das Objekt besitzt allerdings ein Pseudoscramblingmerkmal, das durch seine overte Verschiebung ins Mittelfeld des Matrixsatzes überprüft werden muss. Nun greift das Ökonomieprinzip und bevorzugt anstelle von Scrambling eine Bewegung in die Α-Position, die das Kasusund Pseudoscramblingmerkmal des betreffenden Objekts gleichzeitig erfüllt (vgl. auch

82

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Fn. 34). Dies erklärt somit die Beobachtung, dass Pseudoscrambling als eine A-Bewegung zu charakterisieren ist.38 Diese Analyse der 3K steht grundsätzlich im Einklang mit der These von Wurmbrand (1998, 2001) sowie Bobaljik & Wurmbrand (2005), dass das Argument im kohärenten IK erst im Matrixsatz lizenziert wird. Bei diesen Autoren ist allerdings hauptsächlich von einer intraponierten Variante des IK die Rede; Extraktion aus dem extraponierten IK wurde von ihnen nicht genügend untersucht. Außerdem behauptet Wurmbrand (2001), dass sich das Scrambling aus dem IK heraus an die Kasusposition des Matrixprädikats richtet. Warum dies so ist, wird jedoch nicht begründet. Aus der These, dass das eingebettete Argument im Matrixsatz kasuslizenziert wird, folgt nicht notwendigerweise, dass es sich bei der Extraktion aus dem IK heraus um eine kasusgetriebene overte Α-Bewegung handeln muss, denn die Überprüfung des Objektkasus braucht im Deutschen nicht overt stattzufinden (vgl. Abschn. 2.2). Auch Bayer & Kornfilt (1994) scheinen bzgl. des Kasus in der 3K eine ähnliche Idee zu haben. Diese bleibt bei ihnen jedoch reine Spekulation, wenn sie sagen (S. 30): „Assume that for some unknown reason the zw-infmitive lacks an AGR-0 head, but that AGR-0 is available in the matrix clause." Gegenüber den bisherigen Vorschlägen ist meine Analyse auch in der Lage, die beobachtete Α-Eigenschaft der betreffenden Bewegung zu erklären. Diese A-Bewegungsanalyse fur die 3K schließt die Möglichkeit nicht aus, dass das pseudogescrambelte Element im Mittelfeld des Matrixsatzes weiter gescrambelt, d. h. nach links bewegt wird. Folgender Satz von Marga Reis (p.M.) stellt einen entsprechenden Fall dar: (59)

38

weil [den Wagen] ja jetzt HANS versuchen soll [ t zu reparieren]

Günther Grewendorf (p.M.) gibt den folgenden ungrammatischen Satz als ein potentielles Problem fur den Α-Status des Pseudoscrambling an: Das IK hier ist eine VP und damit zu klein, um selbst eine fiir das Bindungsprinzip relevante lokale Domäne (vgl. governing category, Chomsky 1981; complete functional complex, Chomsky 1986a) zu bilden. Daher sollte die Bindung durch das pseudogescrambelte Element im Matrixsatz möglich sein, wenn es in einer Α-Position steht: i) *weil der Arzt [den Patienten]i versucht [t\ über sichi aufzuklären] Grewendorf hat insoweit Recht, als die Ungrammatikalität hier auf Bindung beruht; das Pseudoscrambling selbst bereitet kein Problem: ii) weil der Arzt [den Patienten] versucht [ t über seine Frau aufzuklären] Die Inakzeptabilität von (i) lässt sich jedoch m. E. nicht auf die (A- oder nicht-A-) Eigenschaft der Landeposition des pseudogescrambelten Elements zurückführen, sondern auf den Status des „extraponierten" IK: Es handelt sich hier möglicherweise um ein reduced non-restructuring IK in Wurmbrands (2001) Sinne (siehe Abschn. 1.3). Demzufolge ist das IK entweder TP oder vP, beinhaltet also PRO; es lässt jedoch langes (focus) Scrambling zu. (i) sollte daher wie folgt repräsentiert werden: iii) weil der Arztj [den Patienten]; versucht [PROi t-s über sich aufzuklären] Dann ist es nicht verwunderlich, dass in (i) die intendierte Bindung nicht vorliegt: Gerade das IK ist die relevante Bindungsdomäne, in der das „Subjekt" (= PRO) vorhanden ist. Von diesem ist die Anapher gebunden, was auch der möglichen Lesart von (i) entspricht. Siehe auch Santorini (1990) fur eine relevante Diskussion (vgl. Fn. 27). Bei dem folgenden von Josef Bayer (p.M.) vorgebrachten Beispiel liegt der in den wesentlichen Punkten gleiche Fall vor: iv) als sie [den Kindern] anfingen [ t die Milch in Blechdosen zu geben] Die Realisierung des Akkusativs in diesem Beispiel sollte, laut Bayer, ein Problem fur meine Analyse darstellen. Viele meiner Informanten bestätigen jedoch, dass der extrahierte Dativ stark mit Fokusinterpretation verbunden ist. Diese Beobachtung legt nahe, dass es sich in (iv) ebenfalls um ein reduced non-restructuring IK handelt, innerhalb dessen das den Akkusativ lizenzierende ν vorhanden ist.

4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion

83

Hier wird das Objekt zuerst aus dem Nachfeld heraus in eine Position des Mittelfeldes bewegt bzw. pseudogescrambelt, in der Akkusativ überprüft wird. Anschließend wird es über das Subjekt hinweg normal gescrambelt. Diese Annahme wird gestützt von einer Konstruktion mit gefloatetem Quantor, der in der Akkusativposition „zurückgelassen" wird: (60)

weil [die Wagen] ja jetzt HANS alle versuchen soll [ t zu reparieren]

Ich möchte nun den Mechanismus der Kasuslizenzierung innerhalb der 3K noch genauer betrachten. Ich folge hierbei der Idee, dass bei kohärenten Infinitiven das eingebettete Verb kovert ins regierende Matrixverb inkorporiert wird, wie sie ζ. B. von Grewendorf & Säbel (1994) oder Müller & Sternefeld (1995) vertreten wird. Unter dieser Annahme ist in (62) die Kasuszuweisung in einem Satz wie (61) noch detaillierter dargestellt: (61) (62)

weil der Hans [vP [den Wagen] v[+acc] [ypi versucht [ W 21 zu reparieren]]] (=(58)) ... vP / \ Acc v' / \ νΓ+accl VP1 / \ Vi VP2 / \ tAcc V2r+accl

Das abstrakte Merkmal von V2 (= zu reparieren) wird zuerst nach VI (= versucht) angehoben, anschließend werden die Merkmale dieser beiden Verben weiter zu ν bewegt39 (vgl. Head Movement Constraint; z.B. Travis 1984). Dieses Amalgam von lexikalischen Verben und dem ν im agentivischen Aktivsatz (das prinzipiell akkusativfähig ist) lizenziert den Akkusativ. Zu bemerken ist hierbei, dass der Kasus des ursprünglich eingebetteten Arguments lexikalisch durch V2 und nicht durch VI lizenziert wird; das übergeordnete Verb kann einem Argument eines tiefer eingebetteten Prädikats keinen Kasus zuweisen (vgl. die Diskussion in Säbel 2002), es sei denn, es handelt sich um „exceptional" case marking wie in der A.c.I.-Konstruktion. Folglich lässt sich daraus schließen, dass in (61) bzw. (62) in der Tat V2 (lexikalisch) und ν (funktional) zusammen den Akkusativ lizenzieren (vgl. auch Takano 1996: Kap. 2.4.1 für die im Grunde gleiche Idee). Die Annahme der Verbinkorporation erklärt auch das folgende Phänomen: Es gibt Verben, die zwar einen kohärenten Infinitiv, aber überhaupt kein alternierendes nomi39

Fanselow (2001) nimmt ebenfalls eine koverte Inkorporation des eingebetteten Verbs in den übergeordneten Satz an. Für ihn geht es allerdings um die Lizenzierung des Thetamerkmals des „lang gescrambelten" Elements durch das eingebettete Verb, während hier im Text vom Kasusmerkmal die Rede ist. Vgl. hierzu auch Saito & Hoshi (2000).

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

84

nales Komplement, also keinen Akkusativ zulassen (Hinweis und Beispiele von Marga Reis, p.M.): (63)

weil [ihn] der Kanzler [ t zum Minister zu erwählen] geruhte/gedachte

(64)

*weil der Kanzler es/dazu geruhte/gedachte

Diese Verben lassen allerdings die 3K zu: (65)

weil [ihn] der Kanzler geruhte/gedachte [ t zum Minister zu erwählen]

Wenn der Kasus des pseudogescrambelten Elements ausschließlich im Matrixsatz bzw. durch im Matrixsatz vorzufindende Kategorien zugewiesen würde, bliebe die Wohlgeformtheit von (65) unerklärbar, denn es findet sich hier kein lexikalischer Akkusativlizenzierer im Matrixsatz. In dieser Hinsicht können diese Daten für Wurmbrand (1998, 2001) sehr wohl ein potentielles Problem darstellen, werden von ihr jedoch nicht diskutiert. Umgekehrt kann die Ungrammatikalität eines Satzes wie dem folgenden unter ihrer Annahme ebenfalls Schwierigkeiten bereiten: (66)

*weil er [keinen Unfall] versucht [ t zu passieren]

Wenn der Kasus der bewegten DP hier nur im Matrixsatz lizenziert werden könnte, erhielte das Objekt durch das transitive Matrixverb und ν den erwarteten Akkusativ. Um die Intuition korrekt zu erfassen, dass der Akkusativ vom eingebetteten Verb stammt, reicht die oben genannte schlichte Annahme von Bayer & Kornfilt (1994), Wurmbrand (1998, 2001) oder Bobaljik & Wurmbrand (2005) somit nicht aus. Der von mir hier unterbreitete Vorschlag erklärt dagegen auch diese Daten. Mit Hilfe der Verbinkorporation wird der Akkusativ des pseudogescrambelten Elements - informell ausgedrückt strukturell durch das Matrix-v und lexikalisch durch das eingebettete Verb lizenziert (vgl. Hinterhölzl 1999: 122; siehe aber auch Fn. 7 dieses Kapitels). Wir haben somit gesehen, dass die 3K anhand von Pseudoscrambling abgeleitet wird. Der Kasus wird erst im Matrixsatz lizenziert. Unsere Analyse kommt dabei ohne die Stipulation aus, dass Pseudoscrambling Eigenschaften einer Α-Bewegung hat. Die Annahme der Verbinkorporation, die oft bei kohärenten Konstruktionen vertreten wird, ermöglicht außerdem eine präzise Ausführung der Kasuslizenzierung.

4.3.2. Fernpassivierung in der dritten Konstruktion Wenden wir uns nun der passivierten Variante der 3K zu. Wie bereits in Abschnitt 1 bemerkt, ist die Fernpassivkonstruktion für manche Sprecher auch ohne Extraposition marginal. Wenn der Infinitivteil extraponiert erscheint, nimmt die Akzeptabilität der Konstruktion noch ab. Wurmbrand (1998: 302) berichtet z.B., dass Satz (68) von Muttersprachlern auf unterschiedliche Weise bewertet wird: 40

40

Für Fanselow (1987: Kap. 5.4) beispielsweise, der die intraponierte Fernpassivierung ziemlich tolerant bewertet, ist die extraponierte Variante ungrammatisch (S. 180): i) *weil der Wagen heute versprochen wurde zu reparieren

4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion (67)

weil der Turm zu restaurieren versucht wurde

(68)

%weil [der Turm] versucht wurde [ t zu restaurieren] (ok:l ?:2 ??:1 *:2)

85

Andererseits gibt es auch Sprecher, die diese Konstruktion akzeptieren: (69)

a. dass der Wagen vergessen wurde in die Garage zu fahren (Bayer & Kornfilt 1994: 46) b. dass der Hund vergessen wurde zu futtern (Hinrichs & Nakazawa 1998: 140) c. dass der Zahn probiert wurde mit Schnaps zu betäuben (Wöllstein-Leisten 2001: 86) d. ... die Protokolle, welche versucht wurden geheim zu halten (Beleg aus Wurmbrand 2003) e. weil da zwei Fliegen versucht wurden mit einer Klappe zu schlagen (Manfred Bierwisch, p.M.)41

Ich lehne mich an die Stellungnahme an, dass die Fernpassivierung auch unter Extraposition zwar marginal, jedoch im Prinzip grammatisch ist. Die Tatsache, dass diese Konstruktion, wenn überhaupt, nur mit kohärenten IKs möglich ist, lässt sich wiederum auf die Eigenschaften kohärenter Einbettung zurückfuhren, wie ich sie am Beispiel der intraponierten Fernpassivierung in Abschnitt 1.3 erläutert habe. Der markierte Status der Fernpassivierung unter Extraposition beruht wohl darauf, dass Extraposition für manche Sprecher ein Indiz für Inkohärenz ist, welche die Fernpassivierung automatisch ausschließt. Man erinnere sich auch daran, dass Fernpassivierung einer strikteren Bedingung für Kohärenz unterliegt als die 3K im weiten Sinne (vgl. Wurmbrand 2001: Kap. 5 sowie Abschn. 1.3 oben). Trotz dieser empirisch problematischen Sachlage versuche ich im Folgenden anhand „sauberer" Daten für die Ableitung des Fernpassivs und damit korrelierender Konstruktionen eine Erklärung zu bieten. Betrachten wir zunächst Beispiel (71), das aus der zugrunde liegenden Struktur (70) hervorgeht: (70) (71)

weil versucht wurde [[*der/den Wagen] zu reparieren] weil [der/*den Wagen] versucht wurde [ t zu reparieren]

Nehmen wir an, dass in (70) das IK kohärent bzw. eine VP ist. Da in diesem Fall weder im IK, dem vP fehlt, noch im übergeordneten Satz, der passiviert ist, ein Akkusativlizenzierer vorhanden ist,42 bewegt sich das eingebettete Objekt in den Matrixsatz und erhält dort den Nominativ wie in (71). Wegen dieser NichtVerfügbarkeit des Akkusativlizenzierers wird die Realisierung des Akkusativs hier als grundsätzlich abweichend

41

Bierwisch (1982: 66f) klassifizierte diese Art von Konstruktionen einst als Versprecher „due to what might best be described as misapplication of particular grammatical rules". Aufgrund von Beispielen wie (69e) sowie (i) unten - aus einer Fernsehdiskussion - betrachtet er (p.M.) diese nun jedoch als „produktive Strukturen": i) Der ist ein Hassprediger, der versucht wurde auszuweisen. 42 Wie oben angenommen, besitzt reparieren zwar prinzipiell die Fähigkeit, Akkusativ zu vergeben, kann diesen jedoch ohne funktionalen v-Kopf nicht zuweisen.

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

86

empfunden (vgl. dazu aber die Argumentation weiter unten). Bei der Ableitung der passivierten 3K findet genau die gleiche Kasuskonversion statt, die wir in Abschnitt 1.3 anhand intraponierter Fernpassivierung bestätigt haben. Es besteht jedoch auch in Bezug auf die Lizenzierung des Akkusativs ein Unterschied zwischen intraponierter und extraponierter Fernpassivierung. Die relevanten Sätze aus Abschnitt 1.3 werden hier wiederholt: (72)

a. dass der Traktor zu reparieren versucht wurde (= (9a)) b. dass den Traktor zu reparieren versucht wurde (= (9b))

Bei einer intraponierten Variante ist - im Gegensatz zu (71) - neben dem Nominativ auch der Akkusativ zulässig. Dies habe ich bereits darauf zurückgeführt, dass es sich in (72b) um eine inkohärente Einbettung handelt. Kontrollverben, die kohärente Einbettung zulassen, können optional ein inkohärentes IK zu sich nehmen (siehe die Diskussion in Abschn. 1.3). Somit erklärt sich der Kontrast zwischen (71) und (72) in Bezug auf die Realisierung des Akkusativs. Genaugenommen ist jedoch das Vorkommen des Akkusativs in Sätzen wie (71) nicht ganz ausgeschlossen. Unserer Einschätzung der Daten in (71) entsprechend gibt Wöllstein-Leisten (2001: 87) folgende Beispiele mit ihren jeweiligen Bewertungen an: (73)

a. dass die Hunde vergessen wurden [ t zu futtern] b. *dass die Hunde vergessen wurde [ t zu futtern]

Zu (73b) bemerkt sie jedoch: „Unter geeigneter Betonung auf die Hunde [...] ist es möglich dort keine Kongruenz zu haben." Wenn dies stimmt, handelt es sich hier nicht um eine kohärente Konstruktion im strikten Sinne, sondern um reduzierte inkohärente Einbettung im Sinne von Wurmbrand (2001). In diesem Fall ist das IK entweder vP oder TP, und der Akkusativ des eingebetteten Arguments wird innerhalb des IK lizenziert. Die Extraktion aus dem reduzierten inkohärenten IK ist möglich, wenn das betreffende Element z.B. fokussiert ist (vgl. Abschn. 1.3). Diese Bedingung für das extrahierte Element steht gerade im Einklang mit der obigen Anmerkung von Wöllstein-Leisten. So kommt die akzeptable Variante von (73b) zustande.

4.3.3. Kasuslizenzierung im Nachfeld Als nächstes gilt es zu erklären, warum das direkte Objekt im Nachfeld auch bei passiven Matrixverben im Akkusativ und nicht im Nominativ erscheint: (74)

weil versucht wurde [den/*der Wagen zu reparieren]

Wie ich bereits mehrfach angemerkt habe, kann ein restrukturierendes Verb optional auch ein inkohärentes IK einbetten. Dies kann auch in (74) der Fall sein. Wenn das IK also eine CP ist, ergibt sich fur die Datenlage hier kein Problem: Der Akkusativ, jedoch nicht der Nominativ, kann innerhalb eines satzwertigen IK lizenziert werden. Solange wir jedoch davon ausgehen, dass auch kohärente IKs bzw. VPs extraponiert werden können,

4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion

87

müssen wir in (74) damit rechnen, dass das IK eine VP sein kann.43 Wenn dem so ist, muss eine Erklärung dafür geboten werden, warum der Nominativ in (74) auch dann auszuschließen ist, wenn die eingeklammerte Konstituente eine VP sein sollte. Aus dieser Perspektive betrachten wir die in Frage kommende Struktur etwas genauer: (75)

...

TP

/ T[+nom]

\ vP /

\

νΓ-accl

VP1 / VI

/ V

\ Aux

\ VP2 / \ *Nom V2f+accl

Wie bereits anhand von (62) demonstriert, bewegen sich die Merkmale der Verben V2 und VI nach v, wodurch eine Kette aus verbalen Köpfen entsteht (Inkorporation). Damit der Nominativ im Nachfeld lizenziert werden kann, müsste sein abstraktes Kasusmerkmal nach Matrix-T angehoben werden. Wenn wir hier nämlich der Annahme folgen, dass die unsichtbare Bewegung eine Form von Kopfbewegung ist (vgl. Chomsky 1995c, Zwart 2001), sollte sich das Nominativmerkmal (und auch alle anderen formalen Merkmale) von der eingebetteten Objektposition ausgehend nach VI, dann nach ν und anschließend nach Τ bewegen, ähnlich der verbalen Kette (die entsprechenden Köpfe sind in (75) unterstrichen). Setzten wir nun voraus, dass die Akkusativeigenschaft des lexikalischen Verbs und das Nominativmerkmal einer DP miteinander inkompatibel sind. Im vorhandenen Fall besitzt V2 lexikalisch diese Akkusativeigenschaft, während im Matrixsatz das Akkusativmerkmal von versuchen wegen der Passivierung unterdrückt ist; die Kombination von versucht + wurde, die in (75) als VI repräsentiert wird, verfügt nicht mehr über die Eigenschaft, Akkusativ zuzuweisen. Die Annahme, dass sich Nominativ und Akkusativ gegenseitig ausschließen, ist in Anbetracht der allgemeinen These plausibel, dass sie beide strukturelle Kasus sind, die durch bestimmte syntaktische Konfigurationen lizenziert werden. Diese Unverträglichkeit zweier Kasus(merkmale), also [+acc] von V2 und [Nom] der DP, erklärt somit, warum in (74) bzw. (75) der Nominativ nicht auftritt.44 Die von mir vorgeschlagene Analyse ermöglicht auch die Erklärung eines Konstruktionstyps, der bisher - so scheint es mir - kaum ernsthaft diskutiert worden ist. Hierbei handelt es sich um Konstruktionen mit sog. Phase- bzw. Aspektverben sowie Halbmodalverben. Ich gehe hier allerdings nicht auf die Diskussion ein, in welchen Kontexten

43

Folgende Daten aus Wöllstein-Leisten (2001: 210) sollen diesen Punkt verdeutlichen: weil [dem Mann] versucht wurde [< den/*der Wagen abzukaufen] 44 Wenn der Erklärungsansatz für (74) bzw. (75) sowie für (76) in die richtige Richtung zielt, haben wir ein Stück Evidenz für die Korrektheit der Entscheidung gefunden, die Merkmalbewegung der von Chomsky (2000, 2001) postulierten Operation „Agree" (siehe Abschn. 2.3) vorzuziehen: Es scheint unklar zu sein, wie man die Möglichkeit des Nominativarguments im Nachfeld (ζ. B. (74) vs. (76)) anhand von Agree deduzieren könnte. i)

88

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

bestimmte Verben als Kontroll- bzw. Anhebungsverben klassifiziert werden können (siehe hierzu Haider 1993a: 242ff, Suchsland 1994, Kiss 1995: 6ff, Meurers 2000: 42ff, Gunkel 2000). Wichtig ist aber, dass in den von mir behandelten Fällen der Infinitivteil rechts von diesen Verben ebenfalls als eine VP angesehen werden kann (siehe hierzu auch die Diskussion unten). Das heißt also, dass die Erläuterung für (75) auch in diesen Fällen zutreffend ist. Die Argumentation für (74) im vorletzten Absatz lässt erwarten, dass der Nominativ in einer Konfiguration wie (75) zugelassen werden sollte, wenn V2 keinen Akkusativ zuweisen kann. Diese Prognose wird tatsächlich durch folgende Beispiele aus Meurers (2000: 44,291) bestätigt: (76)

a. obwohl ihm nun droht [der Führerschein entzogen zu werden] b. obwohl heute verspricht [ein wunderschöner Tag zu werden] c. obwohl damals anfing [der Mond zu scheinen]45

Soweit mir bekannt ist, wurde diese Art von Konstruktion zumindest im generativen Rahmen bisher kaum behandelt. Sie bereitet insbesondere der gängigen Annahme Schwierigkeiten, dass das IK im Nachfeld eine satzwertige CP ist. Es lässt sich nämlich sonst nirgendwo im Deutschen beobachten, dass der Nominativ innerhalb einer infiniten CP lizenziert wird. Im Gegensatz dazu lassen sich diese Daten durch meine Analyse korrekt erfassen. Bei all diesen Sätzen ist jeweils das eingebettete Verb nicht im Stande, Akkusativ zuzuweisen. Daher kommt es hier zu keinem Kasus-Clash wie in (75); die Lizenzierung des Nominativs wird durch das eingebettete Verb nicht verhindert. Folgende Beispiele aus Höhle (1993) dienen zur weiteren Unterstützung der vorgetragenen Analyse:46 (77) (78)

a. jetzt fangt mir an [ein Licht aufzugehen] b. ?als ihm endlich versprach [ein Licht aufzugehen] a. als ihnen anfing [das Geld auszugehen] b. als uns drohte [das Geld auszugehen]

Dass das eingebettete Verb keinen Akkusativ zuweist, impliziert prinzipiell, dass es kein (agentivisches) Subjekt selegiert (vgl. Burzio 1986, Grewendorf 1989). Dies hat zur Folge, dass das IK keine vP projizieren muss. Im vorhandenen Fall resultiert somit eine Parallelität zur kohärenten Einbettung bei Kontrollverben; das IK in (76)-(78) lässt sich als eine VP betrachten.

45

Die mangelnde Fähigkeit von scheinen, Akkusativ zuzuweisen, lässt sich durch die Ungrammatikalität der folgenden Daten bestätigen: i) *Es wurde viel (von der Sonne) geschienen. ii) *Die Sonne hat ihn braun geschienen. 46 Für manche Sprecher verringert sich die Akzeptabilität dieses Konstruktionstyps, wenn das Mittelfeld des Matrixsatzes phonologisch leer ist (siehe auch Fn. 49) - ein Umstand, fur den ich keine Erklärung anbieten kann (vgl. Haider 1995b: 110).

4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion

89

Die hier vorgeschlagene Theorie sagt somit voraus, dass die betreffende Konstruktion nur möglich ist, wenn das eingebettete Verb keinen Akkusativ zuweist.47 An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob die Klasse der Verben, die diese Konstruktion zulassen, mit den sog. unakkusativen Verben übereinstimmt. Hier möchte ich auf die facettenreichen Diskussionen über Ergativität bzw. Unakkusativität nicht eingehen (vgl. hierzu ζ. B. Grewendorf 1989, Alexiadou et al. 2004), sondern beschränke mich auf die Frage, ob das betreffende Verb Akkusativ lizenzieren kann oder nicht. Genau dieser Punkt ist für die vorliegende Analyse entscheidend, wie meine bisherige Argumentation bereits klargemacht hat. Der terminologischen Einfachheit halber verstehe ich daher im Folgenden unter dem Begriff „unakkusativ" lediglich die Eigenschaft, Akkusativ nicht lizenzieren zu können. Betrachten wir das folgende Beispiel mit dem Verb zittern: (79)

wenn dir anfangen [die Hände zu zittern] (Höhle 2000)

Es gilt zu überprüfen, ob das Verb zittern als unakkusativ klassifiziert werden kann. Die Sätze in (80) weisen zunächst darauf hin, dass es das Potential hat, Akkusativ zu lizenzieren: (80)

a. Nun muss nicht mehr gezittert werden, ob der Antrag angenommen wird, b. Die Mannschaft zitterte sich ins Finale.

Die Wohlgeformtheit dieser Sätze scheint somit meiner These zu widersprechen. Ich möchte jedoch behaupten, dass zittern in (79) und in (80) nicht das gleiche Verb ist. Wegener (1990: 89ff) argumentiert, dass Verben wie zittern in (81) als ergativ bzw. unakkusativ zu klassifizieren sind, wobei sie eine Reihe von empirischen Argumenten für diese These auflistet. Entscheidend für unseren Zweck ist u. a. die fehlende Passivierung: (81) (82)

weil dem Kind die Hand gezittert hat *Dem Kind wird (von der Hand) gezittert.

Die Unmöglichkeit des unpersönlichen Passivs in (82) beweist, dass das Verb in der betreffenden Verwendung, also in (79) sowie (81), keinen Akkusativ zuweisen kann. Wenn dem so ist, dann ist die Wohlgeformtheit eines Satzes wie (79) unter meiner Analyse zu erwarten, obwohl dieses Beispiel im ersten Augenblick dagegen zu sprechen scheint.48

47

In den folgenden Beispielen kann jeweils das eingebettete Verb Akkusativ zuweisen und tut es tatsächlich auch: i) obwohl damals anfing [der 11. September die Lage zu verändern] (Günther Grewendorf, p.M.) ii) ?bevor dich anfangt [das Mitleid zu überwältigen] (Tilman Höhle, p.M.) Wenn diese Sätze akzeptabel sind, stellen sie ein Problem für meine Analyse dar, das ich im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter diskutieren kann. 48 Die im Wesentlichen gleiche Argumentation sollte auch für wackeln gelten, welches unsere Konstruktion mit Nominativ zulässt: i) wenn dir wieder anfängt [der Kopf zu wackeln] (Höhle 1993)

90

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Diese Überlegung schließt diejenigen Verben aus der betreffenden Konstruktion aus, die zwar kein Argument im Akkusativ realisieren, die jedoch potentiell akkusativfähig sind: (83)

a. *obwohl sicherlich versprach [der Verbrecher dem Beamten zu gehorchen] b. ""obwohl allmählich anfingen [die Zuschauer (dem Pianisten) zu applaudieren]

Hierbei ist allerdings auch die Erklärung möglich, dass das IK eines agentivischen Verbs eine vP ist und diese vP-Projektion bzw. deren Kopf, auf welche Weise auch immer, die Realisierung des Nominativs blockiert. Zu dieser nicht-agentivischen Eigenschaft des eingebetteten infiniten Verbs bemerkt auch Kathol (2003: 183): „[...] it seems that there is a quite strong requirement that predicates occurring in such constructions take non-agentive subjects", wobei er folgende Daten angibt:49 (84)

a. ""weil anfing [ein Außenseiter zu gewinnen] b. *weil anfing [ein Kind zu lachen]

Diese Beobachtung wird von Kathol (2003) jedoch weder weiter diskutiert noch begründet. Die Nicht-Agentivität des eingebetteten Verbs reicht übrigens fur das Zustandekommen dieser Konstruktion nicht aus. Wenn es sich um sog. Themaverben (vgl. Grewendorf 1989: Kap. 4) handelt, die Akkusativ zuweisen, ist diese Konstruktion nicht akzeptabel: 50 (85)

a. *als nun drohte [ihn die laute Musik zu stören] b. *weil damals versprach [ihn der neue Film zu interessieren] c. ""obwohl sofort drohte [ihn die Schönheit seiner Schwägerin zu beeindrucken]

Die Inakzeptabilität dieser Sätze wird im Rahmen meiner Analyse vorhergesagt. Ich habe somit meine Analyse für das Vorkommen des Nominativarguments rechts vom Matrixverb vorgestellt. Wie bereits kurz angemerkt, wird diesem Phänomen in der üblichen generativen Theorie kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Traditioniell werden nämlich die rechts vom Matrixverb stehenden IKs im Allgemeinen als CPs betrachtet, wobei die Realisierung des Nominativs innerhalb dieser nicht-finiten CPs ein ungelöstes Rätsel bleiben würde.

49

Einige meiner Informanten halten diese Konstruktionen fur akzeptabel, wenn Adverbien im Mittelfeld auftreten: i) weil (da) plötzlich anfing [ein Außenseiter zu gewinnen] ii) weil (da) plötzlich anfing [ein Kind zu lachen] Diese Daten stellen jedoch nicht nur Probleme fur meine Analyse dar, sondern sind auch im Rahmen anderer theoretischer Ansätze kaum zu erfassen; vgl. Reis (2005: 142) sowie Fn. 46 oben. 50 Tilman Höhle (p.M.) weist darauf hin, dass in der betreffenden Konstruktion das Subjekt betont und fokusprojektiv sein muss und diese und andere unakzeptablen Beispiele wegen der Verletzung dieser Voraussetzung schlecht sind. Eine ähnliche Beobachtung für Konstruktionen wie (85) wird von Webelhuth (1990) gemacht und durch De Kuthy & Meurers (2003) weiter diskutiert. Aus welchen Prinzipien diese Generalisierung deduziert werden kann, wird von ihnen jedoch nicht geklärt.

4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion

91

Diese sozusagen „unkanonische" Realisierung des Nominativs betrachtet auch Meurers (2000: Kap. 10). Den Ansatzpunkt für seine Untersuchung stellen eigentlich die von Haider (1990) diskutierten Konstruktionen dar (vgl. Grewendorf 1988: 295 und die dort zitierte Literatur), in denen der Nominativ mit einem nicht-unakkusativen infiniten Verb zusammen im Vorfeld auftritt, wie in (86) (Haider 1990: 94, Meurers 2000: 287, 290). Dabei geht Meurers davon aus, die zur Diskussion stehende Konstruktion (76) oben parallel zu (86) behandeln zu können. Die dahinter steckende Intuition ist, dass sich in beiden Fällen das Argument im Nominativ in der Projektion eines eingebetteten Verbs befindet. (86)

(87)

a. [Ein Außenseiter gewonnen] hat hier noch nie. b. [Ein Außenseiter zu gewinnen] scheint hier eigentlich nie. c. [Ein Außenseiter zu gewinnen] versprach hier noch nie.51 d. [Ein Außenseiter zu gewinnen] drohte hier noch nie. obwohl damals anfing [der Mond zu scheinen] (= (76c))

Meurers behauptet nun, dass diese Konstruktionen nur zugelassen werden, wenn das übergeordnete Verb ein Anhebungsverb ist.52 Diese Bedingung, die er nur für eine notwendige Bedingung hält, wird in (86) und (87) erfüllt, sodass Nominativ in der Projektion des von einem Anhebungsverb eingebetteten bzw. statusregierten Verbs auftaucht. Im Folgenden möchte ich diesen Ansatz von Meurers kurz kommentieren, wobei ich mich grundsätzlich auf Konstruktionen des Typs in (87) konzentriere und auf die Analyse der Beispiele in (86) verzichte. Das Vorkommen des Nominativs in dieser unerwarteten Position ist bisher kaum ernsthaft thematisiert worden, und in diesem Sinne verdient Meurers (2000: Kap. 10) Beachtung, der dieses Phänomen in die theoretische Diskussion eingeführt hat (vgl. auch Kathol 2003). In diesem Zusammenhang ist insbesondere die von ihm aufgestellte Bedingung relevant, dass das einbettende Verb ein Anhebungsverb sein muss, damit der Nominativ dort überhaupt erscheinen kann. Bei seiner Erläuterung bleibt jedoch die Tatsache völlig unberücksichtigt, dass die Möglichkeit der betreffenden Konstruktion auch vom eingebetteten Verb abhängt. Diesen Punkt habe ich gerade oben aufgegriffen und eine Bedingung für das eingebettete Verb festgestellt: Das eingebettete Verb darf kein Akkusativlizenzierer sein (siehe die Diskussion von (75) oben). In dieser Hinsicht ist mein Vorschlag zunächst restriktiver als der von Meurers. Meurers (2000: Kap. 10) geht stillschweigend davon aus, dass die verbalen Projektionen, die ein mit Nominativ markiertes Argument beinhalten - egal ob im Vorfeld (86) oder auch im Nachfeld (87) - parallel behandelt werden können.53 Wie dies überhaupt möglich ist, wird von ihm jedoch nicht erklärt. 51

Diesen Satz bewertet Meurers (2000: 290) unter Anhebungslesart von versprechen als akzeptabel, im Gegensatz zur Intuition vieler meiner Informanten. 52 Meurers (2000: 289) sagt: „[...] the topicalization of [Ν' V"] is restricted to sentences in which V' is a raising verb." Er betrachtet allerdings „tense and passive auxiliaries as ordinary raising verbs" (S. 290). 53 Tilman Höhle (p.M.) weist ferner daraufhin, dass bei dieser Verbindung aus Subjekt und infinitem Verb in den folgenden drei Fällen eine Gemeinsamkeit bestehen kann: i) als ihr anfing [der Kopf zu wackeln] ii) weil ihr da hätte [der Kopf wackeln können] iii) [der Kopf gewackelt] hat ihr selten

92

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

Wie erwähnt, stellt Meurers (2000: Kap. 10) für das Vorkommen des Nominativs in einer verbalen Projektion die Bedingung auf, derzufolge das einbettende Verb ein Anhebungsverb sein muss. Dies braucht in meiner Analyse jedoch nicht extra stipuliert zu werden, sondern resultiert aus allgemeinen Prinzipien. Nehmen wir eine hypothetische Struktur wie (88) an, wobei VI entweder ein Kontrollverb oder ein Anhebungsverb ist: (88)

... T[+nom] ... VI [IK ... Nom ... zu V2]

Wir haben oben bereits festgestellt, dass das Nominativargument durch koverte Bewegung in den Matrixsatz seinen Kasus zugewiesen bekommt. Da Nominativ pro finitem Τ nur einmal vergeben wird, kann im übergeordneten Satz kein Nominativargument bzw. Subjekt mehr vorkommen. Das Subjekt, das mit VI kongruiert, befindet sich daher nicht im übergeordneten Satz, sondern im eingebetteten IK. Dies ist nur möglich, wenn VI kein Subjekt bzw. externes Argument selegiert; VI ist somit notwendigerweise ein Anhebungsverb mit dem IK als seinem internen Argument. Ist VI dagegen ein Kontrollverb, dann muss sein kongruierendes bzw. Nominativsubjekt (falls vorhanden) grundsätzlich als externes Argument in SpecvP erscheinen, jedoch nie als ein tiefer eingebettetes Element wie Nom in (88). Die Beobachtung, dass in Struktur (88) das übergeordnete Verb (also VI) ein Anhebungsverb sein muss, lässt sich somit im Rahmen meiner Analyse automatisch ableiten.

4.3.4. Offene Fragen Dieses Kapitel hatte bisher eine Analyse der 3K und einer anderen Konstruktionsart, die zur 3K zwar nicht unbedingt offensichtliche, aber doch grundsätzliche Gemeinsamkeiten aufweist, 54 zum Inhalt. Für die 3K habe ich bereits in Abschnitt 1.4 bemerkt, dass sie in gewissem Sinne als „problematisch" gilt: Einerseits ist ihr theoretischer Status bzgl. Kohärenz zwiespältig, zumindest was die gängige theoretische Annahme in Bezug auf „langes Scrambling" und „Extraposition" betrifft. Andererseits ist die Auswertung der relevanten Daten stark sprecherabhängig. Diese Sachlage legt sowohl von der theoretischen als auch von der empirischen Seite her nahe, dass sich die 3K einer einheitlichen und theoretisch konsequenten Analyse mehr oder weniger entzogen hat. Eine in dieser Hinsicht noch schwierigere Situation liegt bei der in Abschnitt 3.3 behandelten Konstruktion vor, die in der bisherigen Forschung kaum beachtet wurde. Diesen Fakten entsprechend ist auch mein in diesem Kapitel gemachter Vorschlag, insbesondere was die empirische Domäne angeht, nicht vollständig. Wie die theoretisch kontroverse Diskussion bereits impliziert, lässt auch dieser einige Punkte offen. In diesem Unterabschnitt möchte ich diese noch offenen Angelegenheiten kurz auflisten und auf mögliche Analysevorschläge hinweisen, ohne sie theoretisch ausarbeiten zu wollen.

54

Diese Konstruktion rechnen Tilman Höhle (p.M.) sowie Reis (2005) ebenfalls der dritten Konstruktion zu.

4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion

93

4.3.4.1. Pseudoscrambling von anderen Elementen In meiner Analyse habe ich den Typ der 3K behandelt, der Pseudoscrambling des vom Infinitiv abhängigen Akkusativarguments involviert. Obwohl dieser Konstruktionstyp die Mehrheit der 3K ausmacht, finden sich auch 3Ks, in denen andere vom Infinitiv abhängige Elemente außer dem Akkusativargument links vom Matrixverb erscheinen. Zunächst betrachte ich Fälle mit einem pseudogescrambelten Dativargument: (89)

a. wenn er [einem Kind] versucht [ t das Märchen vorzulesen] (Geilfuß 1991a: 19) b. weil Heinrich [dem Kind] vergessen hat [ t die Zebras zu zeigen] (Bayer & Kornfilt 1994: 31)

Im vorliegenden theoretischen Rahmen ist nicht ganz klar, wie der Dativ lizenziert wird bzw. ob dieser ein struktureller oder lexikalischer Kasus ist (vgl. z.B. Wegener 1990, Vogel & Steinbach 1998). Ohne in diese Diskussion einzusteigen, möchte ich der Idee von Fanselow (2000: Abschn. 3.6) folgen und annehmen, dass auch Dativargumente funktional lizenziert werden, genau wie es beim Akkusativ der Fall ist. Wenn dem so ist, gilt das Pseudoscrambling des Dativarguments, das hinsichtlich seines Kasus in der Zielposition lizenziert wird, ebenfalls als Α-Bewegung. Dies steht im Einklang mit der Beobachtung, dass sich auch ein pseudogescrambeltes Dativargument wie ein Element in einer Α-Position verhält (vgl. Bayer & Kornfilt 1994, Wöllstein-Leisten 2001). Für eine bestimmte Klasse von Dativen nimmt auch Lee-Schoenfeld (2005) an, dass sie für die Lizenzierung des Kasus durch den entsprechenden v-Kopf im Matrixsatz attrahiert werden, was allerdings nur bei kohärenter Einbettung möglich ist. Zum Pseudoscrambling nicht-akkusativischer Elemente müsste jedoch eigentlich mehr gesagt werden, wenn man weitere Daten in Betracht zieht: (90)

a. Die Kinder haben [mit Schuhcreme] versucht [die Treppe t zu bestreichen] (Wöllstein-Leisten 2001: 13) b. ?Ich habe [ihm] [den Koffer] [nach Berlin] versucht [ 111 zu schicken] (Geilfuß 1991a: 44)

Für manche PPs, die als Argument des Infinitivs fungieren, ist Pseudoscrambling ggf. erlaubt. Da PPs keinen Kasus brauchen, verursacht hier lediglich das Scramblingmerkmal, das vom Matrixsatz aus attrahiert wird, die betreffende Bewegung. Man ist sich hingegen nicht darüber im Klaren, ob Adjunkte in der 3K extrahiert werden können. Dies scheint kontext- oder/und sprecherabhängig zu sein: (91)

a. *weil Heinrich [dreimal] versprochen hat [ t den Rosenkranz zu beten] (Bayer & Kornfilt 1994: 26) (mit eingebettetem Skopus von dreimal) b. (?)als er [aus seinem Auto] begonnen hat [ t auf die Leute zu schießen] (Haider 1993a: 245)

Diese Datenlage erschwert es, eine vernünftige Generalisierung im Rahmen unserer Untersuchung vorzulegen, geschweige denn eine theoretische Erklärung anzubieten (vgl. auch Reis & Sternefeld 2004: 491). Dieses Problem muss somit ungelöst bleiben.

94

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

4.3.4.2. Möglichkeit des Verb (Projection) Raising In der von mir vorgeschlagenen Analyse fur die 3K wird von Extraposition und links gerichteter optionaler Bewegung Gebrauch gemacht. Beide sind im Deutschen unabhängig von der 3K als theoretische Apparate notwendig. In Abschnitt 1.4 habe ich währenddessen andere Ableitungsstrategien zur 3K angeführt, die als mögliche Derivationen in Frage kommen können: Verbumstellung und Verb (Projection) Raising (VPR). In Abschnitt 1.5 habe ich außerdem auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der infinitive Teil der 3K topologisch anders beschaffen sein könnte als das vollständige IK im Nachfeld. Zu dieser Angelegenheit möchte ich einige kurze Bemerkungen machen. Oberflächlich können zunächst sowohl Verbumstellung als auch VPR die gleichen Varianten der 3K erzeugen, wie sich anhand einer hypothetischen Struktur mit einem ditransitiven Verb demonstrieren lässt: (92) (93) (94) (95)

. . . [ V p DP 2 DP, ZU V2] VI (Basis) a. ... [VP DP 2 DP, V i zu V2] f v , (Verbumstellung) b. ... [VP DP 2 DP, ? v ] VI [ V ZU V2] (VPR) a. ... [VP DP 2 VI DP, zu V2] tv, (Verbumstellung) b. ... [VP DP 2 V ] VI [v DP, zu V2] (VPR) a. ... [Vp DP, DP 2 i DP , zu V2] VI —>·... [vp DP, V i DP 2 f DP , zu V2] tvl (Verbumstellung) b. ... [VP DP, DP 2 tDρ, zu V2] VI -> ... [VP DP, tw·] VI [ Y DP 2 ?DP, zu V2] (VPR)

Ich möchte nun die Möglichkeit der Verbumstellung nicht weiter kommentieren, weil sie sehr stark davon abhängt, wie das Oberfeld im Deutschen analysiert wird, das hier nicht diskutiert wird (vgl. die in Abschn. 1.5 genannte Literatur). Außerdem lassen sich die Wortketten, die mittels Verbumstellung erzeugt werden können, auch durch VPR realisieren. Erinnern wir uns an den Vorschlag (vgl. Abschn. 1.4), die 3K mittels Anhebung des eingebetteten Verbs in eine Position rechts vom Matrixverb abzuleiten, wie es in (93b) dargestellt wurde. Obwohl man leicht Beispiele der 3K finden kann, bei denen diese Strategie fehlschlägt (siehe Fn. 21), gibt es auch solche Fälle, in denen ein Ansatz auf der Basis von Verbanhebung vielversprechend erscheint.55 Wir haben bereits gesehen, dass das Adverb in (96) nur weiten Skopus haben kann. In ähnlichen Konstruktionen, in denen im Nachfeld keine nicht-verbalen Elemente auftauchen und somit die Annahme der Verbanhebung prinzipiell möglich erscheint, ist nun die Lesart mit eingebettetem Skopus des Adverbs viel leichter zu erhalten (die Bewertung bezieht sich hier jeweils auf die Lesart mit engem Skopus des Adverbs): (96) (97)

55

*weil Heinrich dreimal versprochen hat [den Rosenkranz zu beten] (= (91a)) a. ?weil er dreimal den Rosenkranz versprochen hat [zu beten] b. ?dass er mich dreimal versprochen hat [zu besuchen] (Tilman Höhle, p.M.)

Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Operation als Adjunktion (vgl. Evers 1975) oder als Inversion (vgl. Haegeman & Riemsdijk 1986) zu analysieren ist.

4.3. Eine Analyse der dritten Konstruktion

95

Bei passivierten 3Ks scheint es auch Fälle zu geben, in denen die Möglichkeit der Verbanhebung offensichtlich eine entscheidende Rolle spielt (vgl. auch Santorini & Kroch 1990: 5) (die Bewertungen hier stammen von meinen Informanten): (98) (99)

??dass der Hund vergessen wurde [zu futtern] (vgl. (69b)) *dass der Hund vergessen wurde [mit einem Knochen zu futtern]

Könnte man also behaupten, dass Verbanhebung eine Option ist, wenn das „Nachfeld" nur aus einem Verb bzw. einer Verbalkette besteht? Diese Annahme wird aber durch die folgenden Daten nicht unterstützt: (100) a. weil er das Problem ausfuhrlich zu erklären vergaß b. *weil er das Problem ausfuhrlich vergaß zu erklären c. weil er das Problem vergaß ausführlich zu erklären Wenn die Verbumstellung eine mögliche Strategie wäre, würde man erwarten, dass (100b) akzeptabel ist; das Matrixverb lässt hier im Prinzip die 3K zu, wie (100c) zeigt. Der auf Verbanhebung bzw. VPR basierende Ansatz scheint daher nicht einmal als Beschreibungsapparat angebracht. Mit der Möglichkeit des VPR hängt die Frage zusammen, ob sich der Infinitivteil der 3K tatsächlich im Nachfeld im eigentlichen Sinne befindet (vgl. Höhle 1986). Um den vorhandenen theoretischen Voraussetzungen gerecht zu werden (vgl. Abschn. 1.4 & 1.5), bin ich von dieser weit verbreiteten Annahme ausgegangen. Wenn dies jedoch nicht der Fall sein sollte, wie ζ. B. Reis (2005) argumentiert, stellt sich die Frage, welche topologische Position er besetzt.56 In diesem Fall müsste man, egal unter welcher Analyse, sowieso eine zusätzliche Domäne postulieren, die irgendwo links vom (echten) Nachfeld lokalisiert ist und sich offensichtlich nur in bestimmten, markierten Konstruktionen, wie den in diesem Kapitel behandelten, erkennen lässt. Ob diese theoretische Komplikation angesichts der deskriptiven Vorteile als lohnend betrachtet werden kann, möchte ich nicht weiter diskutieren.

56

Eine Möglichkeit hierbei wäre, ein topologisches Modell zur Satzstruktur für die skandinavischen Sprachen heranzuziehen, wie es von Höhle (1986,2000) angenommen wird: i) C / F I N X V K Y (Deutsch) ii) C/FIN XI VK X2 Y (Skandinavisch) Der Infinitivteil der 3K sollte demnach im X2-Bereich stehen. Dieses Postulat ist unter Hohles theoretischen Annahmen nicht abwegig, wobei dem Begriff „Mittelfeld" (X in (i)) im Deutschen kein theoretisch primärer Status zuerkannt wird und stattdessen das S-Feld, das aus X und VK besteht, als notwendiger Begriff betrachtet wird. Es sollte also heißen, dass das Remnant-IK, wie in der 3K, im S-Feld lokalisiert ist, während sich vollständige IKs im Y-Bereich, also im echten Nachfeld, befinden. Siehe auch Santorini & Kroch (1990: 10), die auf das topologisch unterschiedliche Verhalten von voller und Remnant-Extraposition hinweisen.

96

4. Zur Derivation der dritten Konstruktion

4.4. Fazit In diesem Kapitel habe ich ausführlich die 3K diskutiert. Der Untersuchung im letzten Kapitel entsprechend bin ich davon ausgegangen, dass das IK im Nachfeld dort basisgeneriert ist und daher prinzipiell keine Insel für Bewegung darstellt. Die 3 Κ ergibt sich nun mittels einer Bewegung aus diesem IK heraus, dem sog. Pseudoscrambling. Diese Ableitung trägt der Tatsache Rechnung, dass die 3K nur mit den Matrixverben vorkommen können, die sowohl die Extraposition als auch die kohärente Einbettung ihres IK zulassen. Pseudoscrambling hat mit normalem Scrambling gemeinsam, dass beide optional sind und in einer sichtbaren Änderung der Konstituentenabfolge resultieren. Basierend auf dem Konzept der Ökonomie habe ich für die Α-Eigenschaft des Pseudoscrambling eine Erklärung gegeben. Für die Lizenzierung des Kasus in der 3K habe ich eine koverte Verbanhebung angenommen, sodass das eingebettete lexikalische Verb zusammen mit dem funktionalen Verb im Matrixsatz strukturellen Kasus lizenziert. Diese Annahme ermöglicht auch eine Erklärung für diejenigen kohärenten Konstruktionen, in denen Nominativ (ausnahmsweise) rechts vom Matrixverb erscheint. Die Diskussion der 3 Κ und der mit ihr verwandten Konstruktionen hat aber auch eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die im vorliegenden Kapitel z.T. nicht abschließend geklärt werden konnten. Insbesondere was die Empirie angeht, ζ. B. in der Form voneinander abweichender Sprecherurteile, sind uns mitunter mehr Probleme als entsprechende Lösungen begegnet. Zur Klärung müsste man noch weitergehende Untersuchungen im gesamten Bereich der Kohärenz abwarten. Demgegenüber möchte ich in erster Linie die Tatsache hervorheben, dass viele der hier diskutierten Phänomene in der bisherigen Forschung kaum ernsthaft aufgegriffen worden sind. Die vorliegende Untersuchung hat angesichts dieser Sachlage zunächst eine mögliche Forschungsrichtlinie im Rahmen gegenwärtiger theoretischer Ansätze skizziert. Insoweit, als sich die vorgelegte Analyse als adäquat erweist, kann sie als weitere Unterstützung der zentralen These der vorliegenden Arbeit betrachtet werden: Das postverbale „Satzkomplement", einschließlich des IK, ist im Nachfeld basisgeneriert.

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen In diesem Kapitel gehe ich auf die Extraposition bzw. Nachfeldstellung des restriktiven Relativsatzes im Deutschen ein. Das Hauptziel ist, zu untersuchen, welcher theoretische Status dieser Extraposition zukommt und in welcher Hinsicht sie von der Extraposition des Komplementsatzes, wie wir sie in Kapitel 3 diskutiert haben, abzugrenzen ist. Spezifisch möchte ich dafür argumentieren, dass die Extraposition des Relativsatzes im Deutschen keine kernsyntaktische Operation mit struktureller Auswirkung ist, sondern eher als eine postsyntaktische Bewegung aufgefasst werden sollte. Auf dieser Basis werde ich dann darstellen, wie Extraposition im Deutschen empirisch beschrieben werden kann. Diese Vorgehensweise lässt zwar die Frage offen, durch welches Prinzip der menschlichen Sprachfähigkeit das betreffende Phänomen erklärt werden kann. Die Untersuchung dieses Kapitels wird jedoch zumindest die bisher nicht festgestellten Aspekte der Extraposition im Deutschen ans Licht bringen: Es lässt sich zeigen, dass einerseits für die Extraposition des Relativsatzes im Deutschen herkömmliche strukturelle Analysen unzulänglich sind und andererseits die Nachfeldstellung des Relativsatzes und die des Komplementsatzes voneinander streng zu unterscheiden sind. Die Argumentation in diesem Kapitel wird außerdem gleichzeitig die in Kapitel 3 aufgestellte These, dass das Satzkomplement im Nachfeld basisgeneriert ist, weiter unterstützen. Im ersten Abschnitt werden bisher vorgeschlagene Ansätze für die Extraposition des Relativsatzes vorgestellt. In Abschnitt 2 wird für Englisch und Deutsch jeweils anhand empirischer Daten untersucht, ob Extraposition des Relativsatzes Auswirkungen auf solche Aspekte der semantischen Interpretation hat, die aufgrund struktureller Konfiguration auf LF bearbeitet werden. Basierend auf diesen Ergebnissen werden dort auch Probleme einiger bisheriger Ansätze für das Deutsche besprochen. In Abschnitt 3 wird ein Vorschlag für die korrekte Erfassung der Extraposition des Relativsatzes im Deutschen unterbreitet. Im darauf folgenden Abschnitt werden weitere Daten präsentiert, die sich in der herkömmlichen syntaktischen Vorgehensweise schwer unterbringen lassen. In Abschnitt 5 erwähne ich dann noch weitere Punkte, die das Thema dieses Kapitels betreffen. Am Ende wird die Diskussion kurz zusammengefasst. Der terminologischen Einfachheit halber verstehe ich in diesem Kapitel unter „Extraposition" die Nachfeldstellung des restriktiven Relativsatzes des Deutschen, wenn nicht anders angegeben. Wie im Falle des Satzkomplements im Deutschen, das im Nachfeld auftritt (vgl. Kap. 3), ist auch hier mit „Extraposition" lediglich gemeint, dass der Relativsatz getrennt vom Kopf-N weiter rechts erscheint, ohne dabei unbedingt vorauszusetzen, dass sich der Relativsatz tatsächlich nach rechts verschoben hat. Gleichermaßen wird im Beispielsatz gelegentlich auch eine Spur verwendet, damit die „kanonische" bzw. „Basisposition" des Relativsatzes und somit dessen Bezugsnomen auf einen Blick klar wird.

98

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

5.1. Einleitung und Vorstellung bisheriger Analysen In diesem Abschnitt wird die Diskussion über das Thema der Extraposition des Relativsatzes dargestellt und eine Auswahl der bis heute vorgebrachten Analysen der Konstruktion kurz vorgestellt (siehe auch Vries 2002: Kap. 7 für eine Zusammenstellung weiterer Ansätze). Grundsätzlich geht es um die Frage, in welchem Zusammenhang ein Satz wie (lb) mit einem wie (la) steht: (1)

a. weil wir Leute [die keinen Wein trinken] nicht verstehen b. weil wir Leute t nicht verstehen [die keinen Wein trinken] (Büring & Hartmann 1997a: 3)

In der generativen Tradition wird das entsprechende Phänomen fur das Englische bereits von Ross (1967/1986) diskutiert, wobei eine Transformation, die (2b) aus (2a) ableitet, vorgeschlagen wurde (Ross 1986: 2ff): (2)

a. A gun [which I had cleaned] went off. b. A gun t went off [which I had cleaned].

Die Untersuchungen zur Extraposition im Englischen sind seither so inspirierend und einflussreich, dass man es sich bei der Diskussion des Deutschen nicht leisten kann, stillschweigend darüber hinwegzugehen. 1 Aus diesem Grund stelle ich in diesem einführenden Abschnitt auch Ansätze vor, die ausschließlich auf englischen Daten beruhen. Bei der Darstellung der jeweiligen Analyse wird hauptsächlich der sie von den anderen unterscheidende, charakteristische Aspekt beleuchtet. Die Frage der Lokalität der Extraposition, die jede Analyse betrifft, wird im letzten Unterabschnitt kommentiert.

5.1.1. Extraposition als syntaktische Bewegung Eine traditionelle und intuitiv nachvollziehbare Analyse zur Extraposition ist die Annahme, dass der Relativsatz aus seiner dem Kopf-N adjazenten Basisposition nach rechts verschoben wird. In der Tat gibt es zwei Varianten dieser Vorgehens weise: (i) Die Bewegung findet auf der syntaktischen Ebene, also vor Spell-out statt und übt somit Einfluss auf die strukturelle Beschaffenheit der betreffenden Konstituenten aus, oder (ii) die Bewegung hat keine (relevante) konfigurationell-struktuelle Auswirkung und ist eher als eine stilistische Operation zu betrachten. Wie nach herkömmlicher Auffassung üblich, verstehe ich unter „Bewegung" hierbei zunächst die syntaktische Bewegungsoperation und kommentiere in diesem Unterabschnitt dementsprechend die erste Variante, wie sie z.B. von Baltin (1978, 1981, 1982), Emonds (1976), Reinhart (1980, 1983), Müller (1995b), Büring & Hartmann (1995, 1997a, 1997b) vertreten wird. Die zweite Möglichkeit, d. h. die Einstufung der Extraposition als nicht kernsyntaktisch bzw. als stilistisch, wird in Abschnitt 1.5 besprochen.

1 In Abschnitt 2 wird jedoch demonstriert, dass die Extraposition in diesen zwei Sprachen trotz oberflächlicher Ähnlichkeit jeweils unterschiedlich zu charakterisieren ist.

5.1. Einleitung und Vorstellung bisheriger Analysen

99

Unter der Bewegungsanalyse wird im Allgemeinen verstanden, dass der Relativsatz von seiner Basisposition aus an eine im Satz höher positionierte maximale Projektion bewegt bzw. adjungiert wird. Baltin (1981: 267ff) z.B. behauptet für das Englische, dass der subjektbezogene Relativsatz an IP adjungiert wird, während der Relativsatz aus der Objektposition VP als Ziel der Extraposition anvisiert (siehe auch Reinhart 1983: Kap. 2.5): (3) (4)

Although [not many people t] would ride with Fred [who knew just him], some would [yp ride with Fred] [who knew his brother]. John said that he would call [people t] up [who are from Boston], and [Vp call people t up [who are from Boston]] he did _ .

In einer allgemeinen Form sollte demnach die Struktur der Extraposition wie folgt aussehen: (5)

α / α

/

\ Rel

\

... Ν ζ™ ... Eine ähnliche Analyse für das Deutsche wird auch von Fanselow (1987), Grewendorf (1988), Büring & Hartmann (1997a) und Müller (1995b) vertreten. Von der theoretischen Seite her betrachtet, ist dieser Ansatz zwar unvereinbar mit dem LCA von Kayne (1994). Dies sehe ich aber per se nicht als problematisch an, da einerseits das LCA keine empirische Basis hat (vgl. Kap. 2.4) und andererseits die LCAbasierte Analyse zur Extraposition (Abschn. 1.3) in mancher Hinsicht nicht funktioniert. Ansonsten ist die in (5) illustrierte Bewegung kompatibel mit herkömmlichen Beschränkungen wie u. a. der proper binding condition (vgl. ζ. Β. Lasnik & Saito 1992).

5.1.2. Extraposition als basisgenerierte Adjunktion Gegen die oben vorgestellte Bewegung des Relativsatzes äußern sich manche Autoren, indem sie behaupten, dass der Relativsatz bereits in der „extraponierten" Position basisgeneriert ist. In diesem Unterabschnitt erwähne ich insbesondere die Analyse, in welcher der extraponierte Relativsatz in der Basisstruktur eine Position einnimmt, von der aus er das Kopf-N c-kommandiert. Hierbei wird die Konfiguration in (5) als Basisstruktur, allerdings ohne Spur, postuliert (vgl. Culicover & Rochemont 1990, Schachtl 1992, Wiltschko 1997, Rochemont & Culicover 1997, Kiss 2000, 2005). Als Argument gegen eine Bewegung wird unter dieser Annahme oft darauf hingewiesen, dass sich Extraposition anders verhält als die links gerichteten Bewegungsoperationen wie ζ. B. w/z-Bewegung oder Topikalisierung. So zeigen Culicover & Rochemont (1990: 23f), dass Extraposition einerseits beschränkter (siehe (6)) und andererseits

100

5. Zur Extraposition

von Relativsätzen

im Deutschen

weniger beschränkt (siehe (7)) ist als prototypische Bewegungen nach links2 (vgl. auch Müller 1995b: 216ff und Kiss 2005: 286f für deutsche Daten): (6)

(7)

a. *It was believed [that John saw [a picture t\ in the newspaper] by everyone [of his brother], b. [Who] did Mary say [that John saw [a picture of t\ in the newspaper]? a. [A man t] came into the room [that no one knew]. b. *[With what color hair] did [a man t] come into the room?

Folglich schließen Culicover & Rochemont (1990: 24): „These contrasts pose problems for any account of the alternation [...] that seeks to represent it in terms of an antecedentgap relation." Dieser Sachverhalt, also dass Extraposition nicht den allgemeinen Lokalitätsbeschränkungen, wie u. a. Subjazenz, unterliegt, wird von den Verfechtern der Analysen, die keine Bewegung des Relativsatzes postulieren, als Argument gegen eine Bewegung aufgegriffen (vgl. auch Lasnik & Saito 1992: Kap. 3.4.2). Dieser Punkt wird unten in Abschnitt 1.6 weiter diskutiert. Was die oberflächliche Position des extraponierten Relativsatzes angeht, hat die Basisadjunktionsanalyse mit der Bewegungsanalyse (vgl. Abschn. 1.1) im Wesentlichen gemeinsam, dass der Relativsatz an einer Position adjungiert ist, von der aus das Kopf-N c-kommandiert wird. So lassen sich in Culicover & Rochemont (1990: 28, 36) auch Daten finden, die den gleichen Punkt darstellen wie (3) und (4) unter der Bewegungsanalyse: (8)

(9)

2

a. John said that he would meet a man t at the party [who was from Philadelphia], and [vp meet a man t at the party [who was from Philadelphia]] he did. b. *John said that he would meet a man t at the party [who was from Philadelphia], and [meet a man t at the party] he did [who was from Philadelphia], a. They said that a man t would [come in], and [vp come in] a man did [who had lived in Boston]. b. T h e y said that a man t would [come in [who had lived in Boston]], and [come in [who had lived in Boston]] a man did.3

Femer bemerken Culicover & Rochemont (1990: 35), dass sich Extraposition anders verhält als HNPS, dessen Derivation mittels Bewegung nach rechts sie bereits voraussetzen: i) *Mary talked with t yesterday [someone she hadn't seen in years], ii) Mary talked with someone t yesterday [who she hadn't seen in years]. Diesen Kontrast betrachten sie daher wiederum als unter der Bewegungsanalyse zur Extraposition nicht fassbar. 3 Culicover & Rochemont (1990: 35) behaupten eigentlich, dass ein aus dem Subjekt extraponierter Relativsatz nicht nur an IP, sondern auch an VP adjungiert sein kann, im Gegensatz zu anderen Autoren (vgl. Baltin 1981, Gueron 1980, Reinhart 1983, Gueron & May 1984). Sie betrachten gerade diesen Punkt als ein Problem für die Bewegungsanalyse, weil diese dann im Falle der Extraposition aus dem Subjekt an VP zu einer herabsenkenden Bewegung (,lowering') gezwungen wird und somit eine Verletzung der proper binding condition herbeiführt. Wie Culicover & Rochemont (1990: 30f) selbst bemerken (vgl. auch Beispiele (9)), unterliegt die VP-Adjunktion aus dem Subjekt jedoch besonderen pragmatischen bzw. intonatorischen Bedingungen. In dieser Angelegenheit schließe ich mich der gängigen Annahme durch die oben genannten Autoren an und lasse die Fälle der Adjunktion aus dem Subjekt an VP außer Acht.

5.1. Einleitung und Vorstellung bisheriger Analysen

101

Dadurch ist wiederum demonstriert, dass der extraponierte Relativsatz, der sich auf Subjekt bzw. Objekt bezieht, jeweils an IP bzw. VP adjungiert ist. Die bisher vorgestellten zwei Ansätze zur Extraposition unterscheiden sich also hauptsächlich darin, ob die Struktur in (5) durch eine Bewegung oder als Basisstruktur generiert wird.

5.1.3. Extraposition als Folge einer Bewegung nach links Kayne (1994: Kap. 9) behauptet, dass die Analysen der bisher genannten Art, die eine Bewegung nach rechts und/oder eine rechtsadjungierte Struktur annehmen, wegen einer Verletzung seines LCA problematisch sind. Stattdessen geht er davon aus, dass sich der „extraponierte" Relativsatz eigentlich in seiner Basisposition befindet und das Kopfnomen, das in der Basis zusammen mit dem Relativsatz in der „extraponierten" Position steht, nach links angehoben wird (siehe auch Zwart 2000). Demnach sieht die Struktur eines Satzes mit Extraposition folgendermaßen aus: (10)

Somethingj just happened [ t, [that you should know about]].

Kayne (1994: 122) argumentiert, dass seine LCA-basierte Analyse von den folgenden Daten unterstützt wird, die die Lizenzierung eines negativen Polaritätselements (NPI) betreffen: (11)

a. *[A man [who had any money]] walked into no room. b. ??[A man] walked into no room [who had any money]/[who anybody knew].

Aus der Beobachtung, „the contrast between [(11a)] and [(lib)] is notable", schließt Kayne (1994: 122): „To some extent [...], [the negation within the PP] can license an instance of any within the stranded relative, supporting the idea that in [(1 lb)] the relative is lower than the PP." Dies sollte somit die Ableitung der in (10) geschilderten Art rechtfertigen.4 Bereits jetzt möchte ich ein Problem dieser Analyse aufzeigen. Für einen Fall wie (12a), in dem die Konstituenz der zu bewegenden Elemente nicht ohne weiteres festgestellt werden kann, nimmt Kayne an (1994: 124f), dass sie tatsächlich eine Konstituente bilden (im Gegensatz zu (ii) in Fn. 5; siehe hierfür die Diskussion in Kayne 1994: 124f); diese befinde sich im Spec der CP in der Komplementposition des D-Kopfes, wie in (12b) dargestellt:5 (12)

4

a. [The very man] just walked in [that I had been telling her about], b. ... [DP D [CP [the very man]; [ c · that [ ff ... t,... ]]]

Was (11) angeht, scheinen die Daten, wie Kaynes Bewertungen zeigen, keinen zuverlässigen Schluss zuzulassen. Außerdem finden sich in Büring & Hartmann (1997a: 14f) Beispiele, die den Kayneschen (und auch Haiderschen, vgl. Abschn. 1.1.4) Ansatz widerlegen, wie etwa das folgende (siehe auch Satz (37b) unten in Abschn. 2.2): i) *A man entered [every room]; yesterday [who lived in itj. 5 Zur Bildung eines Relativsatzes selbst, oder genauer, einer DP mit einem Relativsatz darin, setzt Kayne (1994: Kap. 8.2) nicht die gängige Operatorbewegung ((i), vgl. u.a. Chomsky 1977, 1986b), sondern die overte Bewegung des N-Kopfes ((ii), vgl. Vergnaud 1974) voraus: i) I found [DP the (two) pictures of John's [Cp OP] that [IP you lent me Λ]]] ii) I found [DP the [Cp [(two) pictures of John's]i that [IP you lent me I-, ]]]

102

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

Inwieweit sich die Struktur in (12b) rechtfertigen lässt, scheint jedoch unklar. Für Sätze wie (13) ist nun Kayne (1994: 125f) gezwungen, von komplizierten Operationen auszugehen, damit to und someone eine Konstituente bilden:6 (13)

John is going to talk to someone tomorrow [who he has a lot of faith in].

Außerdem bleibt ungeklärt, wo das Relativpronomen (ζ. B. who in (13)) lokalisiert werden sollte, wenn die dafür vorgesehene Spec-Position der betreffenden CP bereits vom Antezedens bzw. dessen Spur besetzt ist, wie dies (12b) zeigt. Zwart (2000) bemerkt nun ein Problem mit der Konstituenz (von to someone) in (13) und schlägt zunächst die links gerichtete Bewegung des Relativsatzes und dann der restlichen Konstituente (hier der remnant-PP) vor. Diese Vorgehensweise ist jedoch ebenfalls bei weitem nicht begründet. Eine andere Analyse, die ebenfalls auf dem LCA beruht, wird von Wilder (1995) präsentiert, während er gleichzeitig die von Kayne vertretene Analyse zur Extraposition mittels einer Bewegung des „nicht-extraponierten" Teils nach links kritisiert. Stattdessen nimmt Wilder (1995: 292) eine Bewegung der ganzen Kategorie einschließlich des Relativsatzes und anschließend eine komplementäre Tilgung in der originalen und der kopierten Konstituente an (vgl. auch Hinterhölzl 2000): (14)

We talked [pp about the claim that Mary will hire Peter] yesterday [PP about the claim that Mary will hire Peter].

Dieses Verfahren gewährleistet, dass der „nicht-extraponierte" Teil - im Gegensatz zu Kaynes Analyse - keine Konstituente zu sein braucht. Sowohl Kayne (1994) als auch Wilder (1995) gehen somit davon aus, dass die ganze DP (oder PP) einschließlich des Relativsatzes in der Position, in der sich der „extraponierte" Relativsatz befindet, basisgeneriert wird. Ein offensichtliches Problem, das sich daraus für diese Analyse ergibt, stellt die Beobachtung dar, dass es sowohl im Englischen als auch im Deutschen viele Fälle gibt, in denen die betreffende DP in dieser „Basisposition" nicht realisiert werden kann. Bezogen auf Satz (3) sollte die „Basisstruktur" von (15a) wie (15b) aussehen, es sei denn, man nähme zusätzliche Bewegungsoperationen nur an, um letztendlich zu der gewünschten Repräsentation zu gelangen: (15)

a. Not many people would ride with Fred [who knew just him]. b. would ride with Fred [not many people [who knew just him]]

Es bleibt nun völlig ungeklärt, wie man die Annahme rechtfertigen könnte, dass das Subjekt in der in (15b) geschilderten Position basisgeneriert sei. (15b) scheint nur postuliert worden zu sein, damit die Struktur, die daraus anhand LCA-kompatibler Operationen resultiert, der oberflächlichen Realisierung des Satzes entspricht. Dieser Sach-

6

Kayne (1994: 126) zufolge sollte die Derivation folgendermaßen ablaufen: i) [PP to [DP D [Cp ... someone ...]]] (Bewegung von someone nach SpecPP, evtl. über SpecDP —•) ii) [PP [QP someone^ [P- to [DP (t 'I) D [CP ... h ...]]] (Linksadjunktion von to an someone —•) iii) [PP [QPtoj[Qp someonei]] [P· t-, [DP (r'O D [ CP ... h ...]]] Somit entsteht endlich die von Kayne gewünschte bzw. erforderliche Konstituenz von to someone.

5.1. Einleitung und Vorstellung bisheriger Analysen

103

verhalt stellt sich im Deutschen noch gravierender dar: Um der Kayne-Wilder-Vorgehensweise gerecht zu werden, müsste man annehmen, dass die DPs, aus denen heraus Extraposition stattfinden kann, in der „extraponierten" Position, also im Nachfeld basisgeneriert werden. Die Basisstruktur von (16) müsste demnach (17) sein: (16) (17)

a. weil ich lieber Frauen begleiten will [die nicht zu viel quatschen] b. weil jeder kein Bier mehr trinken will [der schon mal Apfelwein probiert hat] a. weil ich lieber _ begleiten will [Frauen [die nicht zu viel quatschen]] b. weil kein Bier mehr trinken will [jeder [der schon mal Apfelwein probiert hat]]

Die Basisgenerierung eines DP-Arguments im Nachfeld ist in jeder Hinsicht abwegig, solange man von der OV-Basis des Deutschen ausgeht, die meist als bestätigt angesehen wird (vgl. Kap. 2). Auch wenn man das LCA zugrunde legen würde, was sich allerdings in Kapitel 2.4 als unhaltbar erwiesen hat, bliebe das gleiche Problem wie im Englischen bzgl. der Basisposition des Subjekts (siehe (17b)). Da die auf dem LCA aufbauende Analyse ä la Kayne (1994) bzw. Wilder (1995), die auf links gerichtete Bewegung (bzw. Kopieren und Tilgung) rekurriert, somit offensichtlich problematisch ist, gehe ich darauf im folgenden nicht weiter ein.7 Vgl. auch die Diskussionen in z.B. Büring & Hartmann (1997a), Rochemont & Culicover (1997), Borsley (1997), Koster (2000b), Fox (2002), Vries (2002) und Baltin (2006) bzgl. der Extraposition und die in Kapitel 2.4 herangezogene Literatur gegen das LCA im Allgemeinen. Ein weiteres Problem des hier vorgestellten Ansatzes in Bezug auf „Rekonstruktion" wird im Zusammenhang mit anderen Alternativen in Abschnitt 2.2 besprochen.

5.1.4. Extraposition als basisgenerierte Einbettung Eine einzigartige Analyse zur Extraposition wird von Haider in einer Reihe von Arbeiten (z.B. Haider 1994a, 1995a, 1997a, 1997b, 2000a; siehe auch Kap. 6.1.2) vertreten. Sein Ansatz hat mit dem Kayneschen (Abschn. 1.3) gemeinsam, dass der „extraponierte" Relativsatz (i) seine Basisposition einnimmt und (ii) tiefer eingebettet ist als die ihm vorangehenden Konstituenten.8 Der erste Ansatz unterscheidet sich vom letzteren nun darin, dass der „nicht-extraponierte" Teil, der getrennt vom extraponierten Relativsatz erscheint, nicht anhand einer Bewegung nach links dort landet, sondern im Prinzip in situ steht, wenn keine zusätzliche Operation wie ζ. B. Scrambling stattfindet.

7

Bianchi (2000) versucht, für Probleme der Kayneschen Analyse zur Relativsatzbildung (vgl. insbesondere Borsley 1997) Lösungen zu bieten. Die Extraposition betreffend, setzt sie das Stranding des Relativsatzes mit dem Remnant einer combien de-DP im Französischen gleich. Es wird jedoch weder eine genaue empirische Untersuchung noch eine theoretische Begründung dieser Vermutung vorgenommen. Außerdem sind manche Beobachtungen bzgl. Extraposition, die in meiner nachfolgenden Analyse subsumiert werden können (vgl. Abschn. 2.2 und 4.2), bei Bianchi als ungelöste Probleme zu betrachten. 8 In dieser Hinsicht könnte man eventuell die Ansicht von Gärtner (2001), der die sog. V2-Relativsätze analysiert, in diesen Unterabschnitt einschließen. Das von Gärtner behandelte Thema scheint jedoch in unserem Kontext nicht direkt relevant zu sein, wenn der V2-Relativsatz, wie er behauptet, syntaktisch gesehen kein Relativsatz ist. Der V2-Relativsatz ist darüber hinaus insofern außergewöhnlich, als er obligatorisch extraponiert auftritt.

104

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

Das bedeutet, dass im Falle der Extraposition Kopf-N und Relativsatz nicht adjazent sind bzw. von vorneherein keine Konstituente bilden. Seiner Analyse liegt allerdings das Branching Constraint (BC) zugrunde, das ζ. B. folgendermaßen ausgedrückt wird (vgl. auch Kap. 6.1.2): (18)

The (extended) projection line is right-branching. (Haider 1997b: 15)

Demnach sollte ein Satz mit extraponierten Konstituenten wie folgt aussehen: (19)

dass mich Leute [fragten [[die ich hier traf] [ t, [ob ich ihre Ansicht teile]]]] (Haider 1994a: 11)

Haiders Ansatz weist eine Gemeinsamkeit mit der Basisadjunktionsanalyse (vgl. dazu Abschn. 1.2) auf: Beide nehmen fur die „extraponierte" Variante keine Bewegung an. Sie unterscheiden sich nur in der strukturellen Position des „extraponierten" Relativsatzes voneinander. Obwohl ich mich fur die Extraposition des Komplementsatzes prinzipiell der These Haiders angeschlossen habe (vgl. Kap. 3), gibt es mehrere Gründe, sie bei der Analyse des extraponierten Relativsatzes in Frage zu stellen (siehe auch Sternefeld 2005: 660f fur eine Diskussion über Strukturen wie (19)). Einige davon habe ich bereits in Inaba (2003) diskutiert. Kurz gesagt ist in jeder Hinsicht die aus dem BC resultierende Annahme problematisch, dass der Relativsatz ggf. in der Komplementposition des Verbs basisgeneriert wird. 9 Außerdem ergibt sich auch bei Haiders Analyse das Problem mit dem Rekonstruktionseffekt, und dazu noch eine Unzulänglichkeit angesichts von Daten mit mehreren extraponierten Elementen. Diese Punkte werden in den Abschnitten 2.2, 4.2 und 4.3 erläutert.

5.1.5 Extraposition als phonologische Operation Am Ende der Vorstellung verschiedener Ansätze zur Erklärung der Extraposition möchte ich die Ansicht erwähnen, dass Extraposition kein kernsyntaktisches, sondern eher ein stilistisches Phänomen ist. Die ursprüngliche Idee hierzu beruht meiner Meinung nach auf der Tatsache, dass die Anwendung der Extraposition im Prinzip nicht obligatorisch, sondern optional ist (vgl. Rochemont 1985). So weist z.B. Chomsky (1986b: 40f) aufgrund englischer Beispiele mit extraponierten Relativsätzen auf die Möglichkeit hin, „that extraposition is indeed a PF rule", indem er demonstriert, dass übliche Beschränkungen für Bewegungsoperationen (ζ. B. ECP bzw. Subjazenz) bei der Extraposition nicht gelten. Truckenbrodt (1995) spricht sich deutlich für eine prosodisch basierte Analyse der Extraposition aus und behauptet, „extraposition from NP will take XP at least as far as out of a phonological constituent of the same category π." Mit anderen Worten, Extraposition muss dem folgenden Schema genügen:

9

Hubert Haider (p.M.) selbst spricht sich nicht gegen diese Ansicht von mir aus, wobei er eher die postverbale Stellung des Komplementsatzes als eine wesentliche Frage der deutschen Syntax betrachtet. Siehe hierzu die Diskussion in Kapitel 6.

5.1. Einleitung und Vorstellung bisheriger Analysen (20)

105

[π ... XP ... ] —* [ x ... t\... ] [ π XPj]

Dabei gilt: XP ist eine syntaktische Kategorie, die bei Extraposition auf eine prosodische Kategorie π (entweder eine phonologische Phrase oder eine intonatorische Phrase; vgl. Selkirk 1986) abgebildet wird. Wenn die Bewegung zu kurz oder zu weit ist, ist sie keine zulässige Extraposition mehr. Als Argument gegen syntaktische Vorgehensweisen fuhrt Truckenbrodt (1995: 514) folgende Daten an: (21)

a. Der Peter hat zwei Bücher t auf einen Tisch gelegt [die er am Dienstag aus Italien mitgebracht hat] b. ??/*Der Peter hat zwei Bücher t, so sagt jedenfalls die Maria, auf einen Tisch gelegt [die er am Dienstag aus Italien mitgebracht hat]

(21a) stellt einen Fall von (20) dar (siehe (22a)), wobei π hier als eine intonatorische Phrase zu identifizieren ist. In (21b) ist hingegen „zu lang" extraponiert bzw. werden sogar zwei intonatorische Phrasen übersprungen, wie in (22b) zu sehen ist: (22)

a. [π Der Peter hat zwei Bücher t\ auf einen Tisch gelegt] [„ die er am Dienstag aus Italien mitgebracht hat]j b. ??/*[„ Der Peter hat zwei Bücher ij] [π so sagt jedenfalls die Maria] [„ auf einen Tisch gelegt] [„ die er am Dienstag aus Italien mitgebracht hat]j

Das Schema (20) liefert somit eine korrekte Voraussage dieser Daten, die allerdings syntaktisch orientierten Analysen Schwierigkeiten bereiten: In (21) ist jeweils aus dem direkten Objekt heraus extraponiert worden, welches in den zwei Sätzen dieselbe syntaktische Position einnehmen sollte. Ein auf syntaktischer Konfiguration basierender Ansatz ist daher nicht in der Lage, diesen Kontrast vorherzusagen. Man könnte hierbei einwenden, dass der parenthetische Ausdruck in (21b), der die Extraposition einschränkt, ein syntaktisch „unangenehmes" Phänomen ist und daher von einer formell-syntaktischen Analyse ausgeschlossen werden sollte. Dieser Punkt wird in Abschnitt 3 nochmals aufgegriffen. Eine prosodische bzw. nicht-syntaktische Analyse zur Extraposition findet meines Wissens in der Literatur sonst kaum ernsthafte Unterstützung, obwohl außersyntaktische Faktoren als zusätzliche Beschränkungen gelegentlich erwähnt werden, wenn eine rein syntaktische Untersuchung nicht ausreicht (vgl. Abschn. 5.1 sowie die in Abschn. 3 genannte Literatur). Diese Tendenz rührt von der These her, dass Extraposition von der konfigurationeilen Struktur abhängige semantische Effekte ausübt, die auf LF verarbeitet werden. Die relevante Beobachtung werden wir uns in Abschnitt 2.1 anhand englischer Beispiele vergegenwärtigen. Wie ein solcher Ansatz mit deutschen Daten umgeht, diskutieren wir anschließend in Abschnitt 2.2.

106

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

5.1.6. Extraposition und Lokalität Bisher wurden in diesem ersten Abschnitt des Kapitels repräsentative Analysen der Extraposition des Relativsatzes betrachtet.10 Für einige dieser Ansätze habe ich die Probleme bereits aufgezeigt, sodass sie im Folgenden nicht weiter diskutiert werden. Meinem Eindruck nach hat sich die Diskussion über dieses Thema in den letzten 20 Jahren hauptsächlich mit der Frage beschäftigt, ob Extraposition als Bewegung aufzufassen ist oder nicht. Dieser Streitpunkt konkretisiert sich in der Gegenüberstellung der ersten beiden der oben besprochenen Ansätze; Extraposition als syntaktische Bewegung (Abschn. 1.1) vs. Extraposition als basisgenerierte Struktur (Abschn. 1.2). Diese stellen tatsächlich die Analysevarianten dar, für bzw. gegen welche in der Literatur am meisten argumentiert worden ist. In diesem Unterabschnitt, der das Problem der Lokalität behandelt, beschränke ich mich auf die Diskussion dieser zwei Analysen.11 Wie bereits erwähnt, argumentieren manche Autoren gegen die Bewegungsanalyse, indem sie darauf hinweisen, dass Extraposition sich anders verhält als prototypische Bewegungsoperationen (siehe Abschn. 1.2). Gerade wegen dieser empirischen Beobachtung wird von diesen Autoren die Ansicht vertreten, dass eine Struktur wie (23) (vgl. (5)) nicht als Folge einer Bewegung entstehen kann, sondern bereits in der Basis vorhanden sein muss: (23)

α / α / ... Ν

\ Rel

\ ( Ο -

10 Es sind in der Literatur noch weitere Alternativen vorgeschlagen worden, die hier nicht aufgegriffen werden, wie z.B. Kreuzung der Zweige (McCawley 1982), eine spätere Einsetzung des Relativsatzes an das „kovert" nach rechts bewegte Antezedens (Fox & Nissenbaum 1999, Fox 2002) oder eine Gleichsetzung mit der „extraponierten" koordinierten Konstituente („parallel construal", Koster 2000b). Vries (2002: Kap. 7) entwickelt die Idee von Koster (2000b) weiter, indem er sie mit der Ellipsenanalyse ä la Wilder (1995) kombiniert. Seiner eingehenden Überprüfung verschiedener Ansätze zur Extraposition anhand vielfaltiger konzeptueller sowie empirischer Phänomene gilt sicherlich Beachtung; sie dient tatsächlich teilweise als weitere Unterstützung meiner Argumentation in Bezug auf die Probleme der alternativen Analysen. Der Analyseansatz, den ich in der vorliegenden Arbeit letztendlich aufnehme (siehe Abschn. 3), wird von Vries (2002) jedoch nicht aufgegriffen. Unter den verschiedenen empirischen Phänomenen bzgl. Extraposition des Relativsatzes, die von Vries (2002) als Tests für die Erwägung einzelner Ansätze verwendet werden, scheint mir seine Analyse der meinen lediglich bei der Erklärung der Beobachtung, dass der Relativsatz in Sprachen wie dem Niederländischen bzw. dem Deutschen dem Bezugsnomen linear folgt (Vries 2002: 250f), überlegen zu sein. Dies möchte ich jedoch eher als eine sprachspezifische Eigenschaft betrachten, die ohnehin einzeln erlernt werden muss (vgl. Fukui 1993a). Im Gegensatz dazu ist meiner Ansicht nach der Ansatz von Vries nicht in der Lage, die in Abschnitt 4 diskutierten Phänomene, fur die durch meine Analyse eine Erklärung gegeben werden kann, korrekt zu erfassen. " Was weiter unten über „Basisanalyse" besprochen wird, sollte nicht nur fur die Basisadjunktionsanalyse, sondern auch für Haiders Ansatz (vgl. Abschn. 1.4), der ebenfalls auf Bewegung verzichtet, zutreffen. Ebenso lässt sich der prosodische Ansatz (vgl. 1.5), zumindest was die Diskussion des vorliegenden Unterabschnitts betrifft, z.T. unter die im Text genannte syntaktische Bewegungsanalyse subsumieren.

5.1. Einleitung und Vorstellung bisheriger Analysen

107

Als Argument dafür, dass Extraposition keine Bewegung sein kann, wird oft angeführt, dass es den allgemeinen Inselbeschränkungen für Bewegungen nicht unterliegt (siehe die Diskussion in Abschn. 1.2 sowie die dort zitierte Literatur. Siehe aber auch Müller 1995b für den Versuch, diese Sachlage aus anderen allgemeinen Prinzipien abzuleiten). Diese empirische Feststellung scheint jedoch keine entscheidende Evidenz dafür zu liefern, dass Extraposition keine Bewegung sein könnte. Ich möchte insbesondere die Tatsache unterstreichen, dass Extraposition doch Lokalitätsbeschränkungen unterliegt. Es ist nur so, dass diese Beschränkungen nicht identisch mit denjenigen für wh-Bewegung sind. Das Lokalitätsproblem wird in der Tat auch unter der Basisanalyse aufgegriffen: So schlagen z.B. Culicover & Rochemont (1990: 41) das Complement Principle vor, das in etwa besagt, dass Bezugsnomen und Relativsatz sich gegenseitig regieren müssen. Auch Kiss (2005) postuliert eine Bedingung, namens Generalized Modification (S. 288), die eine Struktur wie (23) gewährleistet; dabei scheint allerdings die Satzgebundenheit der Extraposition eher stipuliert zu sein (S. 312ff). Ich werde auf die empirische Adäquatheit dieser Bedingungen nicht weiter eingehen. Zu bemerken ist jedoch, dass die Frage der Lokalität der Extraposition beachtet werden muss, unabhängig davon, welcher Analyse man sich anschließen mag. Das Lokalitätsproblem der Extraposition wird unter der Bewegungsanalyse als die Frage formuliert, wie weit sich der Relativsatz bewegen kann. Gemäß der Basisanalyse lautet sie stattdessen, wie weit der Relativsatz in die Kategorie, an der er adjungiert ist (nämlich α in (23)), hinein modifizieren kann. Somit bleiben Lokalitätsbeschränkungen der Extraposition unter beiden Analysen zu behandeln. Was im Rahmen der Basisanalyse behauptet wird, ist nur, dass Extraposition nicht unter gängige Bewegungsoperationen subsumiert werden kann. Diese Beobachtung muss aber nicht gleich zu der These führen, dass es sich bei ihr um keine Bewegung handelt, sondern zeigt nur, dass sie Lokalitätsbedingungen anderer Art unterliegt als ζ. B. w/z-Bewegung.12 Zu erwarten ist hierbei der Einwand, dass man dann noch eine andere Art von Bewegung (neben den üblichen wie w/i-Bewegung, deren Existenz im vorhandenen theoretischen Rahmen nicht zu bezweifeln ist) annehmen muss. Dies bringt seitens der Bewegungsanalyse mehr theoretischen Apparat mit sich und scheint somit „Occam's Razor" zuwider zu laufen. Die Basisanalyse ist jedoch in methodologischer Hinsicht auch auf einen zusätzlichen Mechanismus angewiesen, der unter der Bewegungsanalyse nicht in Frage kommt: Wenn der Relativsatz zum Antezedens adjazent ist, also in seiner „Basisposition" steht, gilt (egal unter welchem der beiden Ansätze) eine bestimmte Interpretationsregel, die eine Modifikationsrelation zwischen Bezugsnomen und Relativsatz gewährleistet. Im Falle der Extraposition ist nun alleine die Basisanalyse aufgefordert, einen zusätzlichen Mechanismus zu postulieren, um die Modifikationsrelation zwischen Kopfnomen und disloziertem Relativsatz zu erfassen; dieser sollte etwa die Modifikation des Nomens durch eine ä la (23) adjungierte, nicht-adjazente Konstituente ermöglichen, was sonst nicht erwartet ist. In diesem Fall muss nämlich gesichert sein, dass die

12 Sabbagh (2003) argumentiert dafür, dass sog. „rightward movements" im Englischen wie z.B. right node raising tatsächlich eine Bewegung nach rechts beinhalten, und fuhrt die unterschiedlichen Lokalitätsbeschränkungen zwischen links und rechts gerichteter Bewegung auf die sukzessive Zyklizität der wft-Bewegung zurück. Wenn seine Analyse zutreffend ist, gilt dies als weitere Evidenz dafür, dass Bewegungen nach links und rechts unterschiedlich charakterisiert werden können, einmal abgesehen von der Frage, wie die Unterschiede zu deduzieren sind. Siehe hierfür auch Müller (1995b).

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5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

extraponierte Konstituente in (23) ein tief eingebettetes Element (N) und nicht die Projektion (α), an die sie adjungiert ist, modifiziert (vgl. Keller 1994: 19f). Von dieser Komplikation ist die Bewegungsanalyse dagegen befreit, da sie die intendierte Relation anhand einer Spur bzw. einer auf PF zu tilgenden Kopie ohne weiteres erzielt. Außerdem muss die Basisanalyse zwei völlig verschiedene Strukturen für sich lediglich bzgl. des (Nicht-)Vorhandenseins von Extraposition unterscheidende Sätze annehmen, die offensichtlich in Zusammenhang gebracht werden sollten. So gesehen ist zunächst auf methodologischer Ebene das gängige Argument zugunsten der Basisanalyse nicht aufrechtzuerhalten. Aus dem Grund, der in Abschnitt 2.2 deutlich wird, nehme ich in der folgenden Diskussion eine Bewegung des betreffenden Relativsatzes an und strebe in Abschnitt 3 eine Annäherung an die Beschreibung der Extraposition im Deutschen an.13

5.2. Die Struktur der Extraposition In diesem Abschnitt betrachte ich eine Reihe von Daten, um zu ergründen, ob Extraposition als eine syntaktische Operation zu betrachten ist, die strukturelle Auswirkungen hat. Obwohl sich Extraposition im Deutschen als Gegenstand der Untersuchung dieses Kapitels darstellt, werde ich auch in diesem Abschnitt zunächst englische Daten und deren Konsequenzen bzgl. unseres Themas vorstellen. Wie bereits erwähnt, hatten Analysen zur Extraposition im Englischen die Analysen für das Deutsche erheblich beeinflusst. Anschließend greife ich deutsche Daten auf, die ζ. T. deren englischen Pendants entsprechen. Es wird sich zeigen, dass Extraposition in beiden Sprachen trotz oberflächlicher Ähnlichkeit unterschiedlich zu charakterisieren ist.

5.2.1. Extraposition im Englischen Wie bereits erwähnt (vgl. Abschn. 1.5), kann die Optionalität der Konstruktion zuallererst den Eindruck erwecken, dass Extraposition eine stilistische Operation sein könnte, die außerhalb der syntaktischen Ebene wirkt. In der Literatur finden sich fur das Englische jedoch vielerorts Argumente dafür, dass Extraposition kein PF-Phänomen sein kann. Diese Aussage sollte durch Daten untermauert werden, die demonstrieren, dass Extraposition struktursensitive semantische Effekte herbeiführt, die auf LF interpretiert werden. So bezieht z.B. Gueron (1980) ausdrücklich Position gegen eine PF-Behand-

13 Ein Problem für die Bewegungsanalyse stellt das sog. split antecedent dar, das bereits von Perlmutter & Ross (1970) beobachtet wurde (siehe auch Culicover & Rochemont 1990: 45, Vries 2002: 147, 263ff, Baltin 2006: 254f, usw.). Dies ist allerdings nur aus den konjugierten Teilen derselben grammatischen Funktion möglich. Wie Hubert Haider (p.M.) bemerkt, gilt das auch für das Deutsche: i) Ein Mann hat gesungen und eine Frau hat getanzt [die einander sehr ähnlich sind]. ii) *Ein Mann hat mit einer Frau hat getanzt [die einander sehr ähnlich sind]. Aus der Sicht der Bewegungsanalyse habe ich momentan keine Lösung fur dieses Problem. Ich möchte hierbei allerdings darauf hinweisen, dass in diesem Fall „Extraposition" obligatorisch ist, was einen entscheidenden Unterschied zu den von uns sonst behandelten Fällen ausmacht (vgl. auch Fn. 8). Außerdem bereitet dieses Phänomen für alle sieben bisherigen Ansätze zur Extraposition, die Vries (2002: 263ff) vorstellt und vergleicht, mehr oder weniger Probleme.

5.2. Die Struktur der Extraposition

109

lung der Extraposition. Sie gibt dafür relevante Beispiele an (S. 650), die von mir hier etwas geändert wiedergegeben werden:14 (24) (25)

a. *The rule [which has even the slightest effect on LF] hasn't been found yet. b. The rule t hasn't been found yet [which has even the slightest effect on LF]. The rule [which has some effect on LF] has been found already.

Satz (24a) ist deswegen nicht wohlgeformt, weil eine Bedingung zur Lizenzierung des NPI nicht erfüllt ist, auf die hier nicht eingegangen wird; vgl. die Wohlgeformtheit von (25). Wenn man nun den Relativsatz, der das betreffende NPI beinhaltet, extraponiert, wird der Satz grammatisch; siehe (24b). Diese Beobachtung weist daraufhin, dass Extraposition konfigurationeile Änderungen mit sich bringt, wenn man der gängigen Annahme folgt, dass NPIs in einer bestimmten strukturellen Konstellation mit der Negation durch diese lizenziert werden (vgl. die in Kap. 3.3.3 herangezogene Literatur). In (24) wird der Relativsatz also mittels einer Operation nach rechts verschoben, die sich auf die Struktur auswirkt. Dies liefert einen Beweis dafür, dass Extraposition im Englischen als eine syntaktische Operation aufgefasst werden muss. Wäre sie eine PFBewegung, würde man keinen strukturell begründeten Kontrast wie in (24) erwarten. Die folgenden Bindungsdaten aus Culicover & Rochemont (1990: 29) zeigen, dass Extraposition auch die Möglichkeit der Koreferenz beeinflusst (siehe auch Fox 2002: 75): (26)

a. *I sent hen many gifts [that Mary* didn't like] last year, b. I sent her, many gifts t last year [that Mary; didn't like].

In (26a) ist das Bindungsprinzip C verletzt, was zur Inakzeptabilität des Satzes führt. Die Extraposition des Relativsatzes, der den betreffenden R-Ausdruck enthält, macht nun den Satz akzeptabel, wie (26b) zeigt. Da die Bindungstheorie strukturell definiert ist, zeigt dieser Kontrast, dass Extraposition nicht als ein PF-Phänomen zu betrachten ist. Tatsächlich schließen Culicover & Rochemont (1990: 37), es existiere „clear evidence that [extraposition] must be permitted to apply before S-Structure, since it may affect features of the LF representation of a given sentence". Einen weiteren Beweis für die Angemessenheit einer syntaktischen Behandlung der Extraposition liefern folgende Daten, in denen Quantorenbindung vorliegt: (27) (28)

a. I showed every bookj to the professor [that wrote a review of itj] b. ?*I showed every bookj to the professor t yesterday [that wrote a review of itj] I showed every book to the professor t yesterday [that wrote a review of Barriers].

Auch hier ergibt Extraposition einen Unterschied in der Möglichkeit der Koreferenz, die mittels einer strukturellen Bedingung erfasst werden muss. 14 Gueron (1980) führt weitere Daten an, die das Gleiche zeigen: i) The only man (there) [who was interesting to talk to] was invited. ii) "The only man (there) t was invited [who was interesting to talk to], iii) Only those people t will be invited [who was interesting to talk to]. Der Kontrast zwischen (i) und (ii) sollte sich auf die Struktursensitivität der Extraposition zurückfuhren lassen, wenn der Operator only strukturbedingt gebraucht wird, (iii) zeigt übrigens, dass Extraposition in (ii) per se kein Problem bzgl. Lokalität bereitet.

110

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

Soweit zur Darstellung der relevanten englischen Daten. Ich gehe hier weder auf die präzisen Lizenzierungsbedingungen, wie ζ. B. Bindung, noch auf die genaue strukturelle Position der extraponierten Konstituente ein.15 Der Zweck dieses Unterabschnitts war, unter anderem zu zeigen, dass sich Extraposition im Englischen als eine Operation darstellt, die sich nicht nur auf die lineare, sondern auch auf die strukturelle Beschaffenheit der betreffenden Elemente auswirkt. Dies ist durch empirische Daten bestätigt worden. Daher gelangt man zu dem Schluss, dass Extraposition im Englischen, trotz ihrer Optionalität bzw. ihres „stilistischen" Anscheins, keine PF-, sondern eine syntaktische Operation sein muss, die vor Spell-out angewandt wird.

5.2.2. Extraposition im Deutschen In diesem Unterabschnitt werde ich Extraposition im Deutschen untersuchen. Wie bei der Betrachtung des Englischen konzentriere ich mich hier ebenfalls auf die Frage, ob diese strukturbedingte semantische Effekte herbeifuhrt, wie sie für das Englische gerade eine Bestätigung fanden. Meiner Ansicht nach ist diese Frage für das Deutsche jedoch empirisch nicht präzise untersucht worden. Trotzdem herrscht hierbei in der Literatur die Meinung vor, dass es sich bei Extraposition im Deutschen nicht um eine PF- bzw. stilistische, sondern um eine syntaktische Operation handeln muss. Müller (1995b: 221) sagt ζ. B., „a PF-related approach runs into problems given evidence to the effect that extraposition has syntactic consequences", ζ. B. fur Bindung. Diese Beobachtung habe ich fur das Englische im vorangegangenen Unterabschnitt bereits bestätigt. Wie sieht dies nun im Deutschen aus? Auch Kiss (2005) behauptet, dass Extraposition, genau wie Scrambling, mit LFrelevanter semantischer Interpretation interagiert. Als Beispiel gibt er das Satzpaar in (29) an. Die Akzeptabilität von (30) weist daraufhin, dass Extraposition in (29b) nicht wegen Lokalitätsbeschränkungen ausgeschlossen wird (S. 323, 327): (29) (30)

15

a. Wir haben niemandem; die Frage t gestellt [auf die εη sich vorbereitet hatte], b. *Wir haben die Frage t niemandem! gestellt [auf die eri sich vorbereitet hatte].16 Wir haben die Frage t niemandem gestellt [die jeder erwartet hatte].

Es sollte allerdings zumindest klar geworden sein, dass die vorliegenden Daten dem LCA-basierten Ansatz (vgl. Abschn. 1.3) Schwierigkeiten bereiten (siehe z.B. (26) bzw. (27)). 16 Hubert Haider (p.M.) weist auf die Möglichkeit hin, den Status dieses Satzes auf eine Art semantischen Filter zurückzufuhren, ohne unbedingt auf Rekonstruktion des bewegten Relativsatzes (s.u. im Text) zurückgreifen zu müssen: In einer Konfiguration wie der folgenden, in der X durch Y semantisch spezifiziert ist, gilt Ζ erst dann als innerhalb des Skopus des Quantors Q befindlich bzw. von Q gebunden, wenn X auch im Skopus von Q liegt. i) ... (X) ... Q ... (X) ... [y ... Ζ ...] ... Ein Beispiel, bei dem solch ein Mechanismus in Kraft sein könnte, stellen Daten wie die folgenden dar, in denen die Dependenz zwischen den gespalteten Elementen durch den intervenierenden Quantor sozusagen blockiert wird (Sätze sowie deren Bewertungen von Hubert Haider, p.M.): ii) Was für Autos hat keiner repariert? iii) Was hat Fritz für Autos repariert? iv) *Was hat keiner für Autos repariert? Diesen Vorschlag sowie dessen Erweiterung auf andere empirische Bereiche möchte ich jedoch an dieser Stelle nicht weiter verfolgen.

5.2. Die Struktur der Extraposition

111

Obwohl (30) meinen Informanten zufolge nicht einwandfrei akzeptabel ist, scheint der Kontrast zu (29b) deutlich zu sein. Aufgrund dieser Daten schließt Kiss (2005: 330): „[...] extraposition must not be treated as a phonological process."17 Wenn man die Daten jedoch genau betrachtet, stellt sich heraus, dass sie nicht belegen, wofür Kiss (2005) argumentiert. Diese Beispiele zeigen lediglich, dass man sowohl Extraposition als auch Scrambling nicht als rein stilistische Operationen betrachten kann (siehe Fn. 17). In der Literatur ist bereits oft genug bestätigt worden, dass Scrambling im Deutschen semantische Effekte hervorruft, die auf LF wirken (vgl. z.B. Frey 1993, Haider & Rosengren 1998, 2003). Die Sätze in (29) bilden nun ein Minimalpaar, wobei (29a) die sog. Basisstruktur und (29b) eine gescrambelte Variante darstellt. (29) zeigt somit lediglich, dass Scrambling auf die Bindungsrelation Auswirkung hat. Wenn man sich stattdessen auf die Daten konzentriert, die sich nur in der An- bzw. Abwesenheit der Extraposition unterscheiden, scheint die Sachlage das Gegenteil von dem zu sein, was Kiss (2005) behauptet. Die Sätze in (31) lassen sich nun als Basisstrukturen von denen in (29) ansehen, wobei der Relativsatz jeweils in seiner Basisposition steht: (31)

a. Wir haben niemandem] die Frage [auf die erj sich vorbereitet hatte] gestellt, b. *Wir haben die Frage [auf die erf sich vorbereitet hatte] niemanden^ gestellt.

Wenn man (29) und (31) vergleicht, wird sofort klar, dass Extraposition die Möglichkeit der Koreferenz unverändert lässt. Diese Beobachtung spricht eher fur die Annahme, dass Extraposition die Bindungsrelation und somit die konfigurationeile Struktur der betreffenden Elemente nicht beeinflusst. Konkreter gesagt, der extraponierte Relativsatz wird, was die bindungstheoretische Beschaffenheit eines darin enthaltenen Elements betrifft, jeweils in seiner Basisposition interpretiert. Im Gegensatz zu den Thesen der bisher genannten Autoren, die sich fur eine syntaktische Fundierung der Extraposition im Deutschen äußern, scheint es keine entscheidende Evidenz dafür zu geben, dass diese tatsächlich LF-sensitive strukturelle Effekte ausübt. Grewendorf (1988: 315) führt z.B. folgende Daten an, um zu zeigen, dass der extraponierte Relativsatz „an den S-Knoten angefügt" wird (vgl. auch Reinhart 1983: Kap. 2.5) und sich somit außerhalb der VP befindet. „Ergo liegt in [(32b)] keine Verletzung von Prinzip (C) vor." (Siehe auch Fanselow 1987: 203 für ähnliche Daten.) (32)

a. Jeder [der nur ein bisschen Verständnis für MariaSj Lage hat] würde ihn in dieser Situation beistehen. b. Jeder t würde ihr; in dieser Situation beistehen [der nur ein bisschen Verständnis für MariaSj Lage hat].

Zwar spricht hier nichts gegen eine syntaktische Bewegung des Relativsatzes, wie sie Grewendorf voraussetzt. Hierfür kommt jedoch auch eine einfache Erklärung in Frage, die ich nun weiter verfolgen möchte. Ich werde davon ausgehen, dass der extraponierte

17 Kiss (2005: 330) setzt fort: „Phonological analyses of extraposition, i.e. analyses that assume that extraposition (and similarly scrambling) is a stylistic operation that does not affect the syntactic structure, cannot explain the intricate interactions between extraposition and word order variation [...]." (Hervorhebung von mir; J. I.)

112

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

Relativsatz bzgl. Bindung - einer strukturabhängigen Bedingung - in seiner Basisposition interpretiert wird. Die Wohlgeformtheit von (32b) ist dann zu erwarten, da dessen zugrunde liegende Variante (32a) bindungstheoretisch wohlgeformt ist. Wenn diese Ansicht zutreffend ist, liegt die These nahe, dass Extraposition im Deutschen keine strukturelle Auswirkung hat. An dieser Stelle werde ich überprüfen, wie die deutschen Entsprechungen der englischen Daten aus dem obigen Unterabschnitt aussehen, die LF-betreffende Effekte der Extraposition gezeigt haben. Für einen Fall aus dem Englischen wie (27) haben wir anhand (29) und (31) bereits gesehen, dass im Deutschen Extraposition die Möglichkeit der Quantorenbindung nicht beeinflusst. Dies bestätigen weitere Daten: (33)

(34)

a. Ich habe jedes Buchj dem Professor [der eine Rezension darüber geschrieben hat] gezeigt. b. Ich habe jedes Buchi dem Professor t gezeigt [der eine Rezension darüber geschrieben hat], a. Ich habe jede Studentin dem Professor [der ihr; ein Gutachten geschrieben hat] gezeigt. b. Ich habe jede Studentini dem Professor t gezeigt [der ihr; ein Gutachten geschrieben hat].

Auch für andere englische Beispiele wie (24) bzw. (26) können entsprechende deutsche Sätze konstruiert werden: Ausdrücke wie auch nur irgendein- in (35) gelten im Deutschen als NPI (vgl. Eckardt 2003), das wie sein englisches Pendant durch die Erfüllung struktureller Bedingungen lizenziert werden muss (siehe hierfür die in Kap. 3.3.3 angegebene Literatur). In (36) geht es um einen üblichen Fall des Bindungsprinzips C: (35)

(36)

a. Bis jetzt wurde eine Regel [die auch nur irgendeinen Effekt auf LF hat] noch nicht gefunden. b. Bis jetzt wurde eine Regel t noch nicht gefunden [die auch nur irgendeinen Effekt auf LF hat], a. *Ich habe ihrι mit Absicht viele Geschenke [die Maria; nicht mag] geschickt, b. *Ich habe ihr; mit Absicht viele Geschenke t geschickt [die Mariaj nicht mag].18

Überraschenderweise lässt sich hier der relevante LF-semantische Unterschied, der im Englischen durch Extraposition verursacht wird, nicht erkennen.

18

Josef Bayer (p.M.) hat mich auf die folgenden Daten aufmerksam gemacht (Bewertungen von Bayer): a. *Ich habe ihr, viele Bücher [die Maria, alle nicht mochte] letztes Jahr geschenkt. b. ?Ich habe ihr; viele Bücher t letztes Jahr geschenkt [die Maria; alle nicht mochte]. Viele meiner Informanten empfinden diesen Kontrast jedoch als weniger deutlich. Außer der Stellung von letztes Jahr als Störungsfaktor scheint mir darüber hinaus das vorliegende Satzpaar für unseren Zweck insoweit nicht geeignet, als hier wegen des Vorhandenseins von alle eher eine appositive Interpretation des Relativsatzes zu bevorzugen ist, während der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit auf restriktive Relativsätze beschränkt ist. Vgl. z.B. Loetscher (1972) und Vries (2002, 2006) sowie die dort angegebene Literatur für Unterschiede zwischen restriktiven und appositiven Relativsätzen. i)

5.2. Die Struktur der Extraposition

113

Das gleiche Ergebnis, jedoch aus einer anderen Perspektive betrachtet, liefern folgende Beispiele aus Büring & Hartmann (1997a: 16), die auf eine syntaktische Bewegung des extraponierten Relativsatzes bestehen (vgl. Abschn. 1.1 sowie auch Sternefeld 2005: 654ff für relevante Diskussionen): (37)

a. weil wir jedenii die Daten t gegeben haben [die erj braucht] b. *weil ein Mann t jedes Datum; kennt [der es, braucht]

Nun entspricht die Grammatikalität in (37) aber der Grammatikalität der folgenden Sätze, die als nicht-extraponierte Variante, also als Basisstruktur von (37) gelten: (38)

a. weil wir jedenii die Daten [die e^ braucht] gegeben haben b. *weil ein Mann [der esj braucht] jedes Datura kennt

Basierend auf Beispielen wie (29), die im Wesentlichen auf das Gleiche hinweisen wie (37) und (38), behaupten Büring & Hartmann (1997a: 17) hinsichtlich der Interpretation, „it is the D-structure rather than S-structure position of the extraposed clauses which is decisive for its properties with respect to variable binding and coreference". Dieser Auffassung schließt sich auch Sternefeld (2005: 654ff) im Wesentlichen an. Obwohl ich letztendlich deren Ansichten zur syntaktischen Bewegungsanalyse der Extraposition nicht teile,19 stellt ihre Aussage, dass der extraponierte Relativsatz in seiner Basisposition interpretiert wird, eine weitere Unterstützung meiner These dar. Die bisherigen Daten verdeutlichen, dass Extraposition im Deutschen, im Gegensatz zum Englischen, keinen Einfluss auf die Interpretation auf LF hat, bei der die konfigurationell-strukturelle Beschaffenheit zählt. Sie zeigen, dass der extraponierte Relativsatz im Deutschen so interpretiert wird, als stehe er immer noch in seiner Basisposition. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass es keinen Grund mehr gibt, eine postsyntaktische Behandlung der Extraposition im Deutschen ablehnen zu müssen, im Gegensatz zur üblichen Annahme in der gängigen Literatur. An dieser Stelle bieten sich theoretisch zwei mögliche Vorgehensweisen an: (i) Extraposition im Deutschen wird nicht als eine kernsyntaktische, sondern als eine stilistische bzw. postsyntaktische Operation betrachtet, oder (ii) sie gilt zwar als eine syntaktische Operation, die jedoch auf LF in die Basisposition rekonstruiert wird. Ich werde den ersten Ansatz weiter verfolgen und behaupten, dass Extraposition des Relativsatzes im Deutschen als eine postsyntaktische Operation aufgefasst werden sollte. Dass eine syntaktisch basierte Analyse für die Beschreibung der Daten Schwierigkeiten bereitet bzw. falsche Voraussagen macht, werde ich in Abschnitt 4 eingehend besprechen. Die Daten veranschaulichen, dass sich Extraposition im Englischen und Deutschen trotz oberflächlicher Ähnlichkeit als eine voneinander völlig zu unterscheidende Operation darstellt. Soweit ich einschätzen kann, ist diese Sachlage bisher in der generativen Forschungsliteratur nicht aufgegriffen worden (abgesehen von einer kurzen Bemerkung in Sternefeld 2005: 657), obwohl sie sich angesichts der allgemeinen Tendenz, nach der

19 Das entscheidende Problem bei Büring & Hartmann (1997a) liegt darin, dass nicht nur Extraposition des Relativsatzes im Deutschen, sondern auch die des Komplementsatzes sowie die entsprechenden Phänomene im Englischen alle ohne weiteres einheitlich behandelt werden. Daraufkomme ich im Text gleich zurück.

114

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

Analysen für das Englische als Ausgangspunkt fur die Erklärung ähnlicher Phänomene in anderen Sprachen mehr oder weniger vorausgesetzt werden, als besonders bemerkenswert erweisen sollte. Man mag sich hierbei die Frage stellen, woher dieser Unterschied zwischen Englisch und Deutsch bzgl. Extraposition stammen könnte. Hierzu habe ich bereits in Inaba (2005) argumentiert, dass Extraposition im Deutschen nur phonologische Merkmale, jedoch keine anderen Merkmale wie etwa semantische, mitnehmen kann. Ich habe versucht, diese Generalisierung anhand von Begriffen wie Optionalität bzw. Direktionalität einer Bewegung sowie „canonical precedence relation" (vgl. Fukui 1993a) abzuleiten. In der vorliegenden Arbeit gehe ich auf dieses Thema aber nicht weiter ein. Nun komme ich kurz auf die vorherrschende Lehrmeinung zurück, wonach Extraposition des Relativsatzes im Deutschen als eine syntaktische Operation zu analysieren ist, die eine strukturelle Änderung mit sich bringt. In der jüngeren Literatur folgert ζ. B. Sternefeld (2005: 661) aufgrund empirischer Daten zwar, „dass fur die Zwecke der Bindung rekonstruiert werden muss [... und ...] dass die Bindungstheorie deshalb kein Kriterium liefert, an welcher Stelle das Extraponat angesiedelt werden muss" (vgl. auch u.a. Büring & Hartmann 1997a). Trotzdem schließt er sich der Auffassung nicht an, dass Extraposition eine „stilistische" Regel ist, die die „Kernsyntax" ignorieren kann, und behandelt „Extraposition weiterhin als relevantes syntaktisches Phänomen" (S. 670, Fn. 28), wobei der Grund fur diese Stellungnahme nicht angegeben wird. Ich habe jedoch bereits aufgezeigt, dass Extraposition nicht notwendigerweise als syntaktischer Prozess zu analysieren ist. Ich werde später (Abschn. 4) darüber hinaus darstellen, dass es schwerwiegende Argumente gegen eine syntaktische Analyse gibt. Meiner Meinung nach gibt es einige Gründe, warum dieser falsche Glaube an syntaktische Ansätze in der relevanten Literatur geherrscht hat: Erstens liegt es daran, dass man sog. „optionale" Operationen wie Scrambling bzw. Extraposition von Relativsätzen einheitlich, oder genauer, in einer Komponente des grammatischen Modells, behandeln wollte. Dies war der Fall bei der Analyse von Kiss (2005), die oben kritisch überprüft wurde. Als Zweites lässt sich, wie oben bemerkt, darauf hinweisen, dass bei manchen Autoren die Ergebnisse aus dem Englischen ohne genaue Überprüfung auf das Deutsche übertragen wurden; dies gilt u.a. fur Müller (1995b: 221), Kiss (2005: 330) und Wiltschko (1997: 380). Dies beruht wohl darauf, dass die Extraposition des Relativsatzes in den beiden Sprachen oberflächlich sehr ähnlich aussieht.2 Schließlich gilt als die meiner Ansicht nach wichtigste Ursache fur dieses Missverständnis ausgerechnet die Bezeichnung „Extraposition". Wegen des SOV-Charakters des Deutschen wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass Elemente, die rechts vom satzfinalen Verb vorkommen, im Prinzip als „extraponiert" bzw. als vom Mittelfeld ins Nachfeld verschoben betrachtet werden müssen. Ein typisches Beispiel dafür ist das Satzkomplement, das ich in Kapitel 3 ausfuhrlich diskutiert habe. Dort wurde festgestellt, dass das Satzkomplement im Nachfeld basisgeneriert ist. Bereits in diesem Punkt besitzen die Nachfeldstellung des Satzkomplements und die des Relativsatzes im Deutschen komplett unter-

20

Undiskutiert bleibt in der vorliegenden Arbeit allerdings, inwieweit zwischen ihnen eine Gemeinsamkeit in der funktionalen Domäne der Extraposition besteht. Für das Thema im Englischen siehe z.B. Ziv & Cole (1974), Huck & Na (1990), Takami (1990), und für das Deutsche, Loetscher (1972), Altmann (1981), Lehmann (1984), Shannon (1992), Schaffranietz (1997).

5.2. Die Struktur der Extraposition

115

schiedliche Eigenschaften,21 zumal der Relativsatz von der Basisposition im Mittelfeld ausgehend nur optional ins Nachfeld bewegt wird. Dieses Faktum ist von Eisenberg (1994: 415) als wesentlich erkannt worden; er äußert sich gegen die Annahmen, „die in der Grundreihenfolge kein Nachfeld ansetzten und alle dort auftretenden Satzglieder als extraponiert ansehen", und schließt sich „einer Sichtweise an, die unterscheidet zwischen grammatikalisierter und >stilistischer< Nachfeldbesetzung [...]. Die Besetzung des Nachfeldes durch [...] Ergänzungssätze sowie Infinitivgruppe mit zw-Inf ist grammatikalisiert, die Besetzung mit anderen Satzgliedern [insbesondere mit Relativsätzen; J. I.]22 zumindest nicht immer." Diese Stellungnahme halte ich in diesem Zusammenhang für korrekt. Trotz dieses gerade genannten gravierenden Unterschieds sind in der gängigen generativen Literatur Komplementsatz und Relativsatz in Bezug auf ihre jeweilige Nachfeldbesetzung parallel behandelt worden. Dies ist der Fall bei Arbeiten von Fanselow (1987: Kap. 6), Grewendorf (1988: Kap. 13.3), Büring & Hartmann (1997a), Koster (2000b), sowie bei den meisten Beiträgen in Lutz & Pafel (1995) und Beerman et al. (1997). Dieselbe Ansicht zur Extraposition vertritt auch Haider in einer Reihe seiner Arbeiten: Angesichts der Sätze in (39) behauptet er, „dass Relativ- und Objektsätze die gleiche Extrapositionsposition einnehmen" (Hervorhebung von Haider 1993a: 175): (39)

a. [Hunde füttern [die Hunger haben]] kann jeder. b. [Zugegeben [dass er dort war]] hat er zwar nicht, aber ...

Diese Daten liefern jedoch keinen Beweis dafür, dass beide Nebensätze eine strukturell gleiche Position besetzen, sondern zeigen nur, dass sie eine topologisch gleiche Position einnehmen können. Aufgrund der Beobachtung, dass Extraposition des Relativsatzes im Deutschen bzgl. der relevanten Interpretation als in seiner Basisposition befindlich gilt, habe ich somit auf die problematischen Aspekte bisheriger Ansätze zu diesem Thema hingewiesen. An dieser Stelle sollte gleichzeitig auch klar geworden sein, dass die Analysen, die keine Bewegung des Relativsatzes nach rechts annehmen, vor Schwierigkeiten stehen: Geht man davon aus, dass der extraponierte Relativsatz dort basisgeneriert wird, egal ob ä la Wiltschko (1997) bzw. Kiss (2005) (vgl. Abschn. 1.2), Wilder (1995) (vgl. Abschn. 1.3) oder Haider (vgl. Abschn. 1.4), erscheint die Tatsache schwer erklärbar, dass auch der extraponierte Relativsatz in seiner (in unserem Sinne) Basisposition interpretiert wird (siehe auch Vries 2002: 26Iff). Unter diesen Ansätzen liegt nämlich keine Spur bzw. keine Basisposition vor, in die sich der extraponierte Relativsatz rekonstruieren könnte. Diese Sachlage spricht somit besonders überzeugend für eine Analyse der Extraposition als eine Bewegung nach rechts (vgl. Abschn. 1.1 oder 1.5) bzw. gegen eine Analyse

21

Für das Englische bemerkt bereits Ross (1967), dass der that-Satz, der mit dem sog. Expletivum it korreliert, und der Relativsatz bezüglich Extraposition deutlich zu unterscheiden sind (siehe Ross 1986: 167ff). Er behauptet auch, dass die Regel „extraposition from NP" eine „last-cyclic rule" ist (S.173), was bedeutet, dass sie erst nach anderen Operationen wie z.B. wh-Bewegung sowie „Extraposition" von Argumentsätzen angewandt wird. Auch Chomsky (1995c: 324f, 333) weist daraufhin, dass „stilistische" bzw. „rearrangement"-Regeln, als deren Beispiel er Extraposition nennt, nicht zur „core component of the language" gehören. Siehe fur den im Wesentlichen gleichen Punkt auch Chomsky (2000: 108, 144) und Chomsky (2005: 20). 22 Als ein offensichtliches Beispiel dafür führt Eisenberg (1994: 415) tatsächlich nur ein Satzpaar, mit und ohne Extraposition des Relativsatzes, an.

116

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

ohne sie.23 Dieses Argument zugunsten der Bewegung halte ich auch für stärker als ζ. B. den scheinbaren theoretischen „Vorteil", Bewegung nach rechts nicht annehmen zu müssen (vgl. Abschn. 1.3 sowie Kap. 2.4). Somit habe ich in diesem Unterabschnitt gezeigt, dass Extraposition des Relativsatzes im Deutschen, anders als im Englischen, als eine postsyntaktische Operation betrachtet werden kann. In Abschnitt 4 werde ich weiterhin demonstrieren, dass es so sein muss·, dort werde ich mich mit Daten auseinandersetzen, die klar zeigen, dass syntaktische Analysen problematisch sind, ein postsyntaktischer Ansatz sich dagegen als vielversprechender erweist. Ich werde diesen postsyntaktischen Ansatz im nächsten Abschnitt darzustellen versuchen.

5.3. Eine postsyntaktische Analyse der Extraposition Im vorangegangen Abschnitt habe ich anhand empirischer Daten gezeigt, dass der extraponierte Relativsatz im Deutschen so interpretiert wird, als würde er in seiner Basisposition stehen. Diese Beobachtung erschwert die Analyseansätze, die den Relativsatz in der „extraponierten" Position als dort basisgeneriert betrachten: Hierbei ist keine „Basisposition" vorhanden, in der die LF-betreffende semantische Interpretation des Relativsatzes insbesondere in Bezug auf dessen strukturelle Positionierung festgelegt werden müsste. Somit kommen nur die Alternativen in Frage, die eine Bewegung des Relativsatzes nach rechts annehmen. Es stellt sich nun die Frage, ob man diese Bewegung als syntaktisch (vgl. Abschn. 1.1), oder als postsyntaktisch bzw. stilistisch (vgl. Abschn. 1.5) betrachten sollte. Dafür habe ich in Abschnitt 2.2 anhand von Daten mit Rekonstruktionseffekt demonstriert, dass Extraposition im Deutschen, im Gegensatz zu geläufigen Auffassungen, nicht unbedingt als eine syntaktische Operation behandelt werden muss. Im folgenden Teil dieses Kapitels möchte ich dafür argumentieren, dass Extraposition des Relativsatzes im Deutschen als eine postsyntaktische Operation aufgefasst werden sollte. Im vorliegenden Abschnitt werde ich u. a. Regeln vorschlagen, welche die Lokalität der Extraposition im Deutschen korrekt erfassen. Der Zweck meiner Untersuchung liegt in erster Linie darin, zu zeigen, dass die bisherigen syntaktisch-strukturell basierten Analyseansätze zur Extraposition im Deutschen die vorhandenen Daten nicht korrekt beschreiben können bzw. falsche Voraussagen machen. Darum wird es im nächsten Abschnitt gehen. Wir haben in Abschnitt 2 bestätigt, dass die Extraposition im Deutschen und die im Englischen trotz oberflächlicher Ähnlichkeit hinsichtlich deren Interpretation auf LF voneinander zu unterscheiden sind. Worin kann der Grund für diesen Unterschied zwischen den beiden Sprachen liegen? Obwohl dieser Frage per se hier nicht nachgegangen wird (vgl. aber Inaba 2005), liegt die Vermutung nahe, dass er besser durch allgemeine Charakteristika, welche die eine Sprache von der anderen unterscheiden, deduziert werden könnte. In dieser Hinsicht ist zu bemerken, dass Extraposition im Deutschen den betreffenden Relativsatz über das satzfinale Verb hinweg ins Nachfeld verschiebt. Diese

23

Ich schließe mich hierbei der Ansicht von Rochemont & Culicover (1997) nicht an, wenn sie sagen (S. 267): „[...] the question whether rightward movement exists or not [...] is not an empirical one."

5.3. Eine postsyntaktische Analyse der Extraposition

117

Bewegungsoperation ist in dem Sinne bezeichnend, als dadurch die prinzipielle Verbfinalität der deutschen Satzstruktur umgangen wird, während Extraposition im Englischen den Relativsatz immer noch in einer linear „kanonischen" Position lokalisiert (vgl. Fukui 1993a). Wenn man somit spekuliert, dass die Existenz der rechten Satzklammer und folglich eines getrennten Satzfeldes, nämlich des Nachfeldes, für den Status der Extraposition im Deutschen ausschlaggebend sein kann, wird man dann zu der Idee geführt, dass bei der Charakterisierung der Extraposition im Deutschen gerade solche Begriffe des Satzbaus ins Spiel kommen können, wie sie auch immer theoretisch abgeleitet werden mögen. Die Angemessenheit dieser Spekulation werde ich in der folgenden Diskussion nicht mehr von der konzeptuellen Seite her zu rechtfertigen versuchen. Die empirische Reichweite des Vorschlags wird jedoch genügend demonstriert. Wenn sich die Extraposition als postsyntaktisch bzw. phonologisch charakterisieren lässt, liegt es nahe, die betreffenden Bedingungen dafür nicht anhand konfigurationeller, sondern vielmehr anhand linear orientierter Maßstäbe zu formulieren. Lineare Modelle wie das der topologischen Felder (siehe z.B. Höhle 1986, Grewendorf 1988: Kap. 4) bieten die Möglichkeit, Abfolgeregeln abstrakt zu formulieren. Zwar scheint das topologische Feldermodell - wie Grewendorf (1988) mit Recht meint - in Bezug auf den Anspruch der Erklärungsadäquatheit im Rahmen der Prinzipien- und Parametertheorie keinen passenden Apparat zur Verfügung zu stellen.24 Wenn es sich jedoch nicht um die sog. kernsyntaktische, sondern um eine postsyntaktische Komponente handelt, sollte man damit rechnen, dass sprachspezifische idiosynkratische Eigenschaften auftreten, die aus allgemeinen sprachübergreifenden Prinzipien nicht abgeleitet werden können. Auch laut Grewendorf (1988: 25ff) hat trotz des „theoretischen Defizits" (vgl. Fn. 24) das topologische Modell dank seiner deskriptiven Adäquatheit doch seine Berechtigung (siehe hierfür auch Reis 1980, Kathol 2000). Da ich hier zeigen möchte, dass eine postsyntaktische Behandlung der Extraposition des Relativsatzes im Deutschen die empirischen Daten besser erfassen kann als syntaktische Ansätze, greife ich auf einen dem topologischen Modell zugrunde liegenden Begriff, den des Nachfeldes, zurück. Ich schlage folgende postsyntaktische Regeln zur Extraposition des Relativsatzes im Deutschen vor: (40) (41)

Extraposition hat das nächst liegende Nachfeld zum Ziel. Extraposition darf keine NP linear überspringen, die ein potentielles Bezugsnomen des Relativsatzes ist.

„Postsyntaktisch" kann wörtlich verstanden werden, sodass Extraposition erst nach allen anderen overt-syntaktischen Operationen angewandt wird. Regel (40) lässt sich aus Truckenbrodts (1995) Generalisierung (20) (siehe Abschn. 1.5) ableiten: Im Allgemeinen entsprechen die syntaktische (42a) und die prosodische (42b) Struktur einander, es sei denn, zwischen der Basisposition des Relativsatzes

24

Auf das Problem der Wortstellung im Mittelfeld Bezug nehmend, sagt Grewendorf (1988: 25): „[Das topologische Modell] beruht [...] auf einer generalisierenden Wiedergabe der Tatsachen, und wo die Tatsachen etwas komplizierter aussehen [...], verliert es sich letztlich in einer Aufzählung der Detailfalle [...]. Die Tatsache, dass dieses Modell in diffizileren Bereichen von den Fakten .erdrückt' und zum Katalog degradiert wird, hängt damit zusammen, dass es auf keinerlei theoretischen Hintergrund rekurrieren kann [...]."

118

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

und dem satzfinalen Verb taucht eine weitere Konstituente der betreffenden prosodischen Größe (π) auf, wie es in (21b) bzw. (22b) der Fall war. Hier stellt π eine intonatorische Phrase dar (vgl. hierzu Selkirk 1984: 284ff): (42)

a. ... X ... [ D P ...NRel] ... V — ... X ... [DP ... Nft] ... VRelj b. . . . [ „ X . . . N R e l . . . V ] ... [ π X ... Ν ... V] [„ R e l ] j

Im Folgenden werde ich jedoch von derartiger Syntax-Phonologie-Interaktion absehen und die Diskussion auf der Grundlage einer einfacher formulierten Regel, (40), fortsetzen. Solange (40) letztendlich als phonologisch fundiert betrachtet werden kann, liegt es nahe, dass die postsyntaktische Regel (40) auf der PF-Ebene im gängigen Sinne appliziert. Im Gegensatz dazu ist der Status von (41) in unserem vorhandenen theoretischen Modell nicht deutlich. Fest steht einerseits auf alle Fälle, dass (41) schwer als eine Regel in der syntaktischen Komponente betrachtet werden kann. Andererseits scheint es auch nicht ohne weiteres zu gelingen, (41) auf PF im strengen Sinne zu beziehen. Wie ich in Abschnitt 5.1 diskutieren werde, gibt es noch weitere Faktoren, die bei der Extraposition eine Rolle spielen und die, genau wie (41), weder als syntaktisch noch als phonologisch eindeutig zu charakterisieren sind. Ich möchte mich hierbei an die Formulierung halten, dass (41) (sowie die in Abschn. 5.1 besprochenen Faktoren) außersyntaktischer Natur ist, während ich die Frage nach dessen exaktem Platz in der gesamten Theorie für weitere Forschung offen lasse. Siehe hierfür auch die Diskussion im letzten Absatz des vorliegenden Abschnitts. Beschäftigen wir uns nun damit, welche empirischen Konsequenzen mein Vorschlag mit sich bringt. Regel (40) gewährleistet zunächst, dass der Relativsatz im Nachfeld, und nur dort, landet. Haider (1993a: 60) gibt folgende Daten an: (43)

a. *dass doch wohl jeder einem Kind t beistehen [das nach Hilfe ruft] wird b. dass doch wohl jeder einem Kind t beistehen wird [das nach Hilfe ruft]

Eigentlich wird Satz (43 a) von Haider mit dem Zweck angeführt, auf das Problem hinzuweisen, dass es keine „Grundstruktur" für Satz (44a) gibt: (44)

a. [Einem Kind t beistehen [das nach Hilfe ruft]] wird doch wohl jeder. (Haider 1993a: 60) b. [Einem Kind [das nach Hilfe ruft] beistehen] wird doch wohl jeder.

Unter der hier vertretenen Annahme entsteht dieses Problem jedoch von vornherein nicht, da die Extraposition des Relativsatzes erst nach anderen syntaktischen Operationen einschließlich Topikalisierung appliziert.25 Die unmittelbare Quelle von (44a) ist 25

Hubert Haider (p.M.) machte mich auf Daten wie die folgenden aufmerksam: i) [Die Frage [die man ihm gestellt hat]], glaubt man, (t',) dass Fritz tj lösen kann. ii) *[Die Frage ijj glaubt man [die man ihm gestellt hat]j, (/',) dass Fritz t, lösen kann. iii) ?(?)[Die Frage glaubt man, (t',) dass Fritz t, lösen kann [die man ihm gestellt hat]j. Die Daten hier stellen ein Problem für meine Analyse dar, die bzgl. des Kontrasts zwischen (ii) und (iii) eine umgekehrte Voraussage macht. Dies ließe sich möglicherweise auf den besonderen Status der „Topikalisierung als relativ mächtiges Sprachmittel" (vgl. Zifonun et al. 1997: 2193) zurückfuhren; Topikalisierung ist

5.3. Eine postsyntaktische Analyse der Extraposition

119

daher nicht (43a), sondern (44b), aus dem gemäß (40) auf postsyntaktischer Ebene (44a) zustande kommt (vgl. hierzu auch Wurmbrand & Bobaljik 2005). Regel (40) wird auch der Satzgebundenheit der Extraposition gerecht, sodass nicht „zu weit" extraponiert wird (Kiss 2005: 313): (45)

a. Ulrich hatte zugegeben, dass die Karte t gestohlen war, [die er gefunden hatte], als er betrunken war. b. *Ulrich hatte zugegeben, dass die Karte t gestohlen war, als er betrunken war, [die er gefunden hatte].

Als nächstes wenden wir uns der Regel (41) zu. Im Folgenden bemühe ich mich zu zeigen, dass erstens eine Vorschrift wie (41) notwendig ist, um die empirischen Daten korrekt zu beschreiben, und, dass zweitens manche Daten nur schwer ausschließlich syntaktisch erklärt werden können (siehe u. a. Shannon 1992 für in diesem Zusammenhang relevante Diskussionen). (41) liefert zunächst eine korrekte Voraussage über die Möglichkeiten der Extraposition: (46)

a. Die Maria hat dem Bekannten ty den Kollegen /j vorgestellt [der gerade im Lotto gewonnen hat]j. (i = j, *k) b. Die Maria hat den Kollegen tj dem Bekannten ik vorgestellt [der gerade im Lotto gewonnen hat];. (i = k, *j)

Eine Beschränkung wie (41) wird in der bisherigen Forschung nicht viel diskutiert, weil sie sich, da sie auf die lineare Beschaffenheit der betreffenden Elemente Bezug nimmt, in einer syntaktischen Analyse schwer unterbringen lässt. Immerhin finden sich jedoch ähnliche Bemerkungen in der Literatur. Kathol & Pollard (1995: 176) behaupten z.B., „extraposability [...] is tied directly to the final occurrence within the constituent it is dislocated from. Therefore, extraposability should be tied to the linear properties of the constituent in question, not to its grammatical function." (Hervorhebung von Kathol & Pollard.) Eine ähnliche Bemerkung macht auch Lenerz (1977: 34f), der den folgenden Satz als inakzeptabel angibt: (47)

* Peter hatte der Frau t eine Rose geschenkt [die schwanger war].

Bei Altmann (1981: 176) ist nun die betreffende Beschränkung leicht anders formuliert: „[Bei der Extraposition] darf sich zwischen Bezugs-NP und Relativsatz keine NP einschieben, die aufgrund der morphologischen Markierung ebenfalls als Bezugselement in Frage käme." (Hervorhebung von mir; J. I.) Alle diese Beschreibungen erfassen zunächst die bisherigen Daten.

nicht satzgebunden, im Gegensatz zu Extraposition. Im Moment habe ich allerdings leider keinen vernünftigen Lösungsvorschlag dazu. Unklar erscheint mir aber auch, wie die anderen Ansätze zur Extraposition diese Daten erklären könnten, ohne mit anderen empirischen Fakten sowie theoretischen Voraussetzungen inkompatibel zu werden. 26 Vincent (1977: 61f) weist bzgl. Extraposition im Englischen auf den gleichen Punkt hin.

120

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Angelegenheit jedoch als nicht so einfach dar. Es bleibt die Frage offen, welche Elemente diesen blockierenden Effekt auslösen können. Altmann (1981) zufolge sollte die Extraposition möglich sein, wenn die übersprungene NP kein morphologisch mögliches Antezedens ist. Folgende Daten widerlegen jedoch diese Prognose: (48)

a. *Die Maria hat dem Bekannten t die Kollegen vorgestellt [der gerade im Lotto gewonnen hat]. b. ?*Die Maria hat die Kollegin t dem Bekannten vorgestellt [die gerade im Lotto gewonnen hat].

An dieser Stelle scheint die Annahme von Kathol & Pollard (1995) angemessener zu sein, derzufolge prinzipiell jede NP die Extraposition blockieren kann. Die Datenlage ist jedoch wiederum nicht so eindeutig: (49)

a. Wir haben das Buch t ins Regal gestellt [das ich gestern gekauft habe].27 b. (?)Ich habe die Briefmarke t der Mutter gezeigt [die ich gestern gekauft habe].

Wie bereits angekündigt, strebe ich keine vollständige Beschreibung der Extraposition an. Die Sachlage weist daraufhin, dass hierbei unterschiedliche Faktoren ins Spiel kommen können. Und wenn, wie die angeführten Daten nahe legen, bei Extraposition von Relativsätzen Aspekte der Performanz eine Rolle spielen (Peter Ohl, p.M.), scheint es nicht abwegig, der Linearität eine entscheidende Rolle beizumessen. Dieser Sachverhalt lässt wiederum die Schlussfolgerung plausibel erscheinen, dass Extraposition außerhalb der kernsyntaktischen Domäne liegt und eher als eine postsyntaktische Operation aufgefasst werden sollte.28 Am Ende des Abschnitts möchte ich noch darauf hinweisen, dass Bewegungsoperationen mit ähnlichem theoretischen Status auch in anderen Bereichen beobachtet werden können. Holmberg (1999) argumentiert dafür, dass Object Shift (OS), ζ. Β. im Schwedischen, typische Charakteristika syntaktischer Bewegungen nicht erfüllt, sondern besser anhand phonologischer Begriffe wie prosodischer Merkmale erfasst werden kann. Er schlussfolgert, dass OS eine Operation in der „stilistisch-syntaktischen Komponente" ist, die den Output der syntaktischen Komponente verarbeitet. Er nimmt dabei an, dass OS durch das phonologische Merkmal [-Foc(us)] getriggert wird. Erteschik-Shir & Strahov (2004) vertreten eine ähnliche Ansicht: „Scrambling" (bzw. OS) im Dänischen und im Russischen, das die Fokusstruktur der Äußerung beeinflusst, ist eine „p(honologisch)syntaktische" Regel; diese gehöre in den Bereich der Phonologie, in der nichtkonfigurationelle Bedingungen eine Rolle spielen. Die Sachlage stellt sich nun so dar, dass sich der Extraposition des Relativsatzes im Deutschen ein ähnlicher theoretischer Status zuschreiben lässt. Wenn die Argumentationen der hier genannten Autoren stich27

Eric Fuß (p.M.) weist darauf hin, dass bei der Möglichkeit der Extraposition die Belebtheit der intervenierenden NP eine Rolle spielen kann. Vgl. auch die folgenden Beispiele aus Truckenbrodt (1995: 513), die von ihm als „fme" angegeben sind, was allerdings mit der Bewertung meiner Informanten nicht ganz übereinstimmt: i) Peter hat einem Kollegen t ein Buch gekauft [der aus Italien kommt]. ii) dass ein Kollege t dem Peter ein Buch gekauft hat [der aus Italien kommt] 28 Damit meine ich nicht, dass auf postsyntaktischer Ebene, auf der Extraposition erfolgt, keine Struktur vorliegt. Als Nullhypothese stelle ich mir vor, dass die Struktur dort nicht strikt binär sein muss.

5.4. Probleme syntaktischer

Erklärungsansätze

121

haltig sind, muss die Beobachtung, dass Extraposition informationsstrukturelle Effekte hat (vgl. die in Fn. 20 genannte Literatur), nicht automatisch zu der Annahme fuhren, dass sie in der kernsyntaktischen Komponente stattfindet.

5.4. Probleme syntaktischer Erklärungsansätze Nachdem die wesentlichen Regeln zur Extraposition vorgeschlagen und anhand einiger Beispiele dargestellt worden sind, möchte ich mich nun dem Hauptanliegen dieses Kapitels zuwenden und zeigen, dass syntaktisch basierte Analyseansätze zur Extraposition Schwierigkeiten bereiten. Es wird sich gleichzeitig herausstellen, dass die Daten unter meinen Annahmen korrekt prognostiziert werden.

5.4.1. Die Relevanz der Linearität Als erstes wiederhole ich nochmals die Sätze (47) und (48a), bei denen die Linearität der Konstituenten bei der Möglichkeit der Extraposition eine Rolle spielt: (50)

a. *Peter hatte der Frau t eine Rose geschenkt [die schwanger war], (= (47)) b. *Die Maria hat dem Bekannten t die Kollegen vorgestellt [der gerade im Lotto gewonnen hat], (= (48a))

Ich habe bereits demonstriert, dass diese Sätze wegen Beschränkung (41) ausgeschlossen werden können, denn bei der Extraposition wird jeweils eine NP linear übersprungen. Wenn man nun das „intervenierende" Element scrambelt wie in (51), sind die Sätze hingegen einwandfrei. Der Kontrast zwischen (50) und (51) wird durch die hier vorgeschlagene Analyse, mittels (41), korrekt vorausgesagt: (51)

a. Peter hatte sie der Frau t geschenkt [die schwanger war]. b. Die Maria hat sie dem Bekannten t vorgestellt [der gerade im Lotto gewonnen hat].

Ein syntaktischer Ansatz scheint dagegen mit diesen Daten Schwierigkeiten zu haben: (51) wird jeweils aus den Grundabfolgen in (50), also der IO-DO-Abfolge, mittels Voranstellung des direkten Objekts abgeleitet, während in beiden Sätzen das indirekte Objekt als Antezedens des Relativsatzes fungieren sollte. Es gibt nun keinen Grund, annehmen zu müssen, dass in den beiden Varianten irgendein Unterschied in der strukturellen Position des indirekten Objekts besteht. Wenn eine Konstituente dieselbe konfigurationeile Eigenschaft besitzt, sollte eine syntaktische Analyse zu der Prognose fuhren, dass Extraktion daraus gleichermaßen gut oder schlecht wäre, was im vorliegenden Fall aber nicht so ist. Daten dieser Art sprechen somit eindeutig gegen Ansätze, die die Möglichkeit der Extraposition durch die syntaktische Konfiguration der betreffenden Elemente bestimmen. Und auch wenn man sich dennoch auf die syntaktische Methodologie berufen will, ist man angesichts empirischer Daten gezwungen, zusätzlich eine Regel wie (41) anzunehmen, die für eine syntaktische Beschreibung nicht wünschenswert erscheint.

122

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

5.4.2. Die Extraposition mehrerer Relativsätze Ein anderes Problem struktureller Ansätze zur Extraposition zeigen Fälle, in denen es sich um zwei extraponierte Relativsätze handelt. Dieser Bereich ist m. E. in der bisherigen Forschung kaum angemessen untersucht worden. Eine Schwierigkeit hierbei scheint zu sein, dass die Bewertung der relevanten Daten nicht klar ist. Trotz dieses Umstands lässt sich schon ein bedeutungsvoller Kontrast zwischen den Daten erkennen, aufgrund dessen theoretische Konsequenzen gezogen werden können. Es wird sich herausstellen, dass die folgende Diskussion weiter für die hier vertretene Analyse und gegen syntaktisch basierte Analyseansätze zur Extraposition spricht. In Abschnitt 1 habe ich bereits dargestellt, dass sowohl die syntaktische Bewegungsanalyse (vgl. Abschn. 1.1) als auch die Basisadjunktionsanalyse (vgl. Abschn. 1.2) eine fast identische Repräsentation annehmen, in der der extraponierte Relativsatz eine rechts adjungierte, hierarchisch höhere Position einnimmt (siehe (23)). Der einzige Unterschied ist dabei die An- bzw. Abwesenheit der Spur des Relativsatzes. Wenn nun zwei Relativsätze in einem Satz enthalten sind und beide extraponiert erscheinen, welche Struktur ist dafür anzunehmen? Da unter beiden syntaktischen Ansätzen die Lokalität der Extraposition beachtet werden muss (vgl. Abschn. 1.6), darf der jeweilige Relativsatz von seinem Bezugsnomen strukturell nicht zu weit entfernt sein. Daher erwarten wir eine Struktur wie (52) und nicht etwa eine, in der die Indizes der Relativsätze miteinander vertauscht wären: (52)

α /

\

α

CP; \ ... Nj (/)... β / \ ß CPj / \ ... N j ( i ) . . . V /

Linear sollten die zwei Dependenzen unter den syntaktischen Ansätzen also als Nesting und nicht als Crossing dargestellt werden (vgl. ζ. B. Pesetsky 1982: Kap. 3; eine entsprechende Bemerkung findet sich auch in Chomsky 2007: 5): (53)

a. ... N | . . . Nj ... V CPj CPj (Nesting) b. *... N j . . . Nj ... V CPj CPj (Crossing)

Tatsächlich postuliert Wiltschko (1997: 384) so ein „nesting requirement on multiple extraposed constituents"29 (siehe auch Culicover & Rochemont 1990: 36). Es gilt nun 29

Wiltschko (1997: 388) gibt folgende Sätze und Bewertungen an: i) Der Mann /, hat das Bier ts getrunken [das Maria ihm empfohlen hatjj [der sonst nur Wein trinkt]j. (Nesting) ii) *Der Mann I, hat das Bier lj getrunken [der sonst nur Wein trinkt], [das Maria ihm empfohlen hat]j. (Crossing) Viele meiner Informanten beurteilen jedoch beide Sätze als gleichermaßen schlecht. Siehe auch Keller (1994: Fn. 13).

5.4. Probleme syntaktischer

Erklärungsansätze

123

zu überprüfen, ob die strukturell basierte Generalisierung (53) korrekte Ergebnisse liefert. Folgende Sätze sind Haider (1994a: 18) entnommen: (54)

a. Sie hat keinem t\ etwas ts gesagt [der ihr begegnete^ [was ihm nützte]j. b. ??Sie hat keinem t\ etwas ts gesagt [was ihm nützte]j [der ihr begegnete^.30

Diese Daten zeigen das Gegenteil dessen, was die strukturelle Analyse ä la (52) bzw. (53) prognostiziert. Haider (1994a: 18) bemerkt zwar, „that intersecting dependencies [(54a)] are possible and indeed preferred to nested ones [(54b)]". Der Grund dafür wird aber nicht diskutiert. Ich zeige nun, wie mein Vorschlag mit diesen Daten vereinbar ist. Da Extraposition als eine postsyntaktische Operation aufgefasst wird, sollte jeder der Sätze in (54) auf der syntaktischen Ebene wie in (55) aussehen, was als Input fur Extraposition gilt: (55)

Sie hat keinem [der ihr begegnete] etwas [was ihm nützte] gesagt.

Zuerst wird einer der Relativsätze extraponiert. Die Frage lautet nun, welcher Relativsatz in (55) als erster bewegt wird. Es gibt folgende zwei Möglichkeiten, die anhand der Pfeile angezeigt werden (man erinnere sich daran, dass Extraposition keine strukturelle, sondern eine linear bedingte Operation ist): (56)

a. Sie hat keinem [der ihr begegnete] etwas t gesagt [was ihm nützte]. I I b. ?(?)Sie hat keinem t etwas [was ihm nützte] gesagt [der ihr begegnete], I t

Anschließend wird der andere, noch im Mittelfeld verbliebene Relativsatz jeweils ins Nachfeld verschoben, sodass aus (56a) (= (57a)) bzw. (56b) (= (57b)) jeweils (54a) bzw. (54b) abgeleitet wird: (57)

a. Sie hat keinem [der ihr begegnete] etwas t} gesagt _ [was ihm nützte]j. I Γ b. ?(?)Sie hat keinem ^ etwas [was ihm nützte] gesagt _ [der ihr begegnete];. I I

Dieser Schritt, also die zweite Extraposition, ist gemäß Regel (40) problemfrei: Der Relativsatz im Mittelfeld von (57) wird an die nächste rechte Seite des Mittelfeldes bzw. ins nächste Nachfeld verschoben, was folglich (54) ergibt. Der einwandfreie Status dieser zweiten Extraposition lässt sich auch dadurch bestätigen, dass (57a) und (54a) einerseits und (57b) und (54b) andererseits hinsichtlich der Akzeptabilität jeweils einen ähnlichen Status haben. Der Grund für den Kontrast in (54) sollte daher in dem als (56) geschilderten Schritt liegen.31 Hierfür schlage ich (58) vor:

30

Diesen Satz versieht Haider nur mit einem Fragezeichen, im Gegensatz zu Bewertungen vieler meiner Informanten. Vgl. auch Sternefeld (2005: 659). 31 Die als (56b) gezeigte Derivation verletzt allerdings Truckenbrodts (1995) Regel (20), parallel zu (21b), und ist daher erwartungsgemäß weniger akzeptabel.

124 (58)

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen Eine kürzere Bewegung ist einer längeren vorzuziehen.

Eine Regel dieser Art, gleichgültig ob syntaktisch oder phonologisch, lässt sich m. E. als zumindest konzeptuell unumstritten betrachten. Und sie zieht angesichts von (55) die Repräsentation in (56a) der in (56b) vor. Die Folge ist schließlich der Kontrast in (54). Somit trägt die hier von mir vorgeschlagene Analyse den empirischen Daten Rechnung, während strukturell orientierte Ansätze ä la (52) bzw. (53) ζ. T. falsche Voraussagen machen.

5.4.3. Die Extraposition eines Relativsatzes und eines Komplementsatzes Als weiteres Argument zugunsten der hier vorgeschlagenen These wollen wir Fälle untersuchen, in denen zwei Nebensätze extraponiert auftreten. In Kapitel 3.4.4 habe ich ein Beispiel aus Wiltschko (1997: 381) angeführt: (59)

a. weil Peter einem Mann t gesagt hat [den er kannte] [dass er Maria geküsst hat]

Wiltschko (1997) geht von der Annahme aus, dass der extraponierte Relativsatz in einer höheren Position, die das Kopfnomen c-kommandiert, basisgeneriert wird (vgl. Abschn. 1.2) und gibt als Beispiel (59) an, um dafür zu argumentieren, dass der Komplementsatz nicht als die rechte Schwester des Verbs angesehen werden kann. Sie meint, dass dann zwischen Verb und Komplementsatz keine Position mehr existiert, in die sich der Relativsatz bewegen könnte (siehe Baum (61)). Eine Konstruktion dieser Art wird auch von anderen Autoren berichtet wie z.B. Haider (1994a: 17), Büring & Hartmann (1997a: 11) oder Bayer (1996: 199): (59)

b. Es fiel letzte Woche einem Grammatiker t auf [der das untersuchte] [dass dieser Satz grammatisch ist] (Haider 1994a: 3, 1997a: 134)

Meiner Ansicht nach ist jedoch bisher keine zufrieden stellende Analyse für diese Konstruktion angeboten worden. 32 Nun werde ich zeigen, dass mein Analyseansatz diese Sätze korrekt generiert. Wie in Kapitel 3 festgestellt, besetzt der Komplementsatz bereits in der Basisstruktur die

32 Bei Haider (1997a: 134) z.B. ist die beobachtete Konstituentenabfolge nur stipuliert: „[...] there is a preferred order for extraposed relative clauses relative to extraposed argument clauses: relative clauses precede". Bayer (1996: 199) sagt auch: „[...] we may simply assume that first the relative CP extraposes, and then the argument CP." Diese Annahme wird jedoch nicht nur nicht begründet, sie ist auch unvereinbar mit empirischen Fakten über Satzkomplemente (vgl. Kap. 3). Schachtl (1992: 440f) gibt folgende Daten mit ihren jeweiligen Bewertungen an: i) *Eigenartigerweise hat gerade der Sachverständige festgestellt [der von uns beauftragt worden war] [dass die Fenster nicht von innen zu öffnen sind]. ii) *Eigenartigerweise hat gerade der Sachverständige festgestellt [dass die Fenster nicht von innen zu öffnen sind] [der von uns beauftragt worden war], Sie bemerkt hierbei „die Tatsache, dass hier ein Gliedsatz nicht zusammen mit einem attrRS [= attributiven bzw. restriktiven Relativsatz] am rechten Satzrand auftreten kann." Einige meiner Informanten bemerken jedoch, dass sich Satz (i), nicht jedoch (ii), verbessert, wenn der definite Artikel des Bezugsnomens durch einen indefiniten ersetzt wird. Wenn dieser Hinweis zutrifft, lässt sich der betreffende Kontrast parallel zu (59) vs. (62) betrachten.

5.4. Probleme syntaktischer

Erklärungsansätze

125

Komplementposition des Verbs. Der Relativsatz hingegen steht in der syntaktischen Komponente adjazent zum Kopf-N; extraponiert wird er, wenn überhaupt, erst auf der postsyntaktischen Ebene. Daher sind fur Sätze wie (59) die Repräsentationen in (60) vor der Anwendung der Extraposition des Relativsatzes anzusetzen. Strukturell werden sie wie in (61) dargestellt: (60)

a. weil Peter einem Mann [den er kannte] gesagt hat [dass er Maria geküsst hat] b. Es fiel letzte Woche einem Grammatiker [der das untersuchte] auf [dass dieser Satz grammatisch ist]

(61)

...

VP /

\

NP

/

V'

\

...NRel-CP

/ V

\ Arg-CP

Die Repräsentationen (60) bzw. (61), die als solche auch auf der Oberfläche realisiert werden können, gelten als Input fur die Extraposition, die optional angewandt wird. Gemäß (40) resultiert nun aus (60) jeweils (59); der Relativsatz wird ins nächste Nachfeld versetzt. Wenn man dagegen annimmt, dass Extraposition des Relativsatzes eine syntaktische Bewegungsoperation ist (vgl. Abschn. 1.1), was für ein Ergebnis erreicht man dann? Auch in diesem Fall sollte man auf die Repräsentationen in (60) als Input der Extraposition, einer optional anwendbaren Operation, zurückkommen. Wenn nun aus diesen (siehe auch (61)) der Relativsatz anhand einer syntaktischen Bewegung disloziert würde, müsste er wegen der Zyklizität der syntaktischen Operationen an die äußerste VP (oder höher) in (61) adjungiert werden und somit rechts vom Komplementsatz erscheinen. Dies würde inakzeptable Sätze wie folgt produzieren: (62)

a. *weil Peter einem Mann t gesagt hat [dass er Maria geküsst hat] [den er kannte] b. *Es fiel letzte Woche einem Grammatiker t auf [dass dieser Satz grammatisch ist] [der das untersuchte]. (Haider 1994a: 3, 1997a: 134)33

Eine auf syntaktischer Bewegung beruhende Analyse ist damit nicht in der Lage, aus den wohlgeformten Repräsentationen in (60) mittels einer optionalen Regel, Extraposition, ebenfalls wohlgeformte Sätze wie (59) zu erzeugen.34 33

Diesen Satz bewertet S. Müller (1999: 217f) als nicht vollkommen schlecht, wobei er ihn mit einem Fragezeichen versieht, und führt folgenden Satz als akzeptabel an: i) Es fiel letzte Woche dem Grammatiker auf [dass dieser Satz ungrammatisch ist] [der das untersuchte]. Er sagt anschließend, dass all die Sätze (59b), (62b) sowie (i) „durch die Syntax zugelassen werden [müssen]" und macht somit für den Status von (62b) die syntaktische Komponente nicht verantwortlich. 34 Folgende Sätze aus Keller (1994: 15) bereiten meiner Analyse Probleme, wenn seine jeweils angegebenen Bewertungen stichhaltig sein sollten: i) ?weil ein Mann t gesagt hat [dass die Sonne sich um die Erde dreht] [den Rudi kennt] ii) ?weil ein Mann t gesagt hat [den Rudi kennt] [dass die Sonne sich um die Erde dreht] Viele meiner Informanten finden jedoch Satz (ii) deutlich besser, was gerade durch meine Analyse prognostiziert wird. Wie dem auch sei, Kellers (1994: 15) „Annahme, dass es bei extraponierten Sätzen keine klaren Serialisierungsvorschriften gibt", kann angesichts der Daten im Text nicht ohne weiteres akzeptiert werden.

126

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

In dem Fall der Extraposition aus (61) ist die Strategie des „tucking-in" bzw. Hineinzwängens auch keine Option: Für Richards (2001: Kap. 3) z.B. kommt das Hineinzwängen nur in Frage, wenn ein Kopf aufgrund seiner Merkmale zwei Elemente in seinen Spec attrahiert. Ein typisches Beispiel hierfür stellen u.a. die multiplen whFragesätze wie ζ. B. im Bulgarischen dar, in denen die grundlegende relative Abfolge von zwei w/z-Phrasen auch nach der Bewegung beibehalten werden muss. Unser Fall hier passt in keiner Hinsicht zu diesem Muster. Auch die tucking-in condition von Nissenbaum (2000: 119) hilft hier nicht weiter, solange Nissenbaum das tucking-in unterhalb selegierter Argumente ausschließt:35 In (61) kommt eine „hineinzwängende" Bewegung des Relativsatzes, die die korrekte lineare Abfolge Relativsatz + Komplementsatz erzielen würde, unter den vorhandenen theoretischen Voraussetzungen nicht in Frage.

5.5. Weitere empirische Domänen und deren Konsequenzen Das Hauptanliegen dieses Kapitels lässt sich wie folgt zusammenfassen: Es wurde festgestellt, dass Extraposition des Relativsatzes im Deutschen nicht als syntaktische, sondern als postsyntaktische Bewegungsoperation aufzufassen ist. Im restlichen Teil des Kapitels werde ich noch weitere Phänomene erwähnen, die bei der Auseinandersetzung mit der Extraposition im Deutschen relevant sein könnten.36

5.5.1. Extraposition als Interaktion von Regeln Wie bereits mehrfach festgestellt, lässt sich die Extraposition des Relativsatzes im Deutschen besser als eine Operation außersyntaktischer (und daher möglicherweise phonologischer; siehe Abschn. 3) Natur betrachten, wobei einige Regeln zusammenspielen. An dieser Stelle könnte man sich fragen, ob die betreffenden Regeln nicht als

35 Zwar besagt seine tucking-in condition: „Movement does not extend the tree if a more local landing site exists", es gilt jedoch eine Vorschrift, „that movement must extend past selected arguments (complements and thematic specifiers)". 36 Einige der Punkte, die mit unserem Thema zusammenhängen, bleiben in der vorliegenden Arbeit unerwähnt: (i) Es kann sich z.B. die Frage stellen, warum der Relativsatz nur nach rechts extraponiert wird. Ein möglicher Lösungsansatz ließe sich in Fukuis (1993a) Idee der canonical precedence relation finden. Demzufolge ist Bewegung des Relativsatzes nach rechts eine kostenlose Operation, da die kanonische Abfolge Ν + Relativsatz beibehalten wird. Verschiebung des Relativsatzes nach links würde dagegen als eine kostspielige Operation gelten. Für die obligatorische Rechtsgerichtetheit der Extraposition des Relativsatzes siehe auch die Bemerkungen bzw. Diskussionen in Wilder (1995: 282), Müller (1995b: 224ff), Wiltschko (1997: 367), Kiss (2000: 36), Vries (2002: 250f). (ii) Ebenfalls aus der Diskussion ausgeschlossen sind die extraponierten PPs, die bzgl. ihrer Extraposition oft zusammen mit den Relativsätzen behandelt werden. Dafür verweise ich u. a. auf Lehmann (1984: 205), Keller (1994: 17f), Wiltschko (1997: 375f), wo auf fundamentale Unterschiede zwischen PPs und Relativsätzen hingewiesen wird, (iii) Einen anderen, in Bezug auf das vorliegende Thema interessanten Themenbereich könnte auch das unterschiedliche Verhalten des Relativsatzes und des sog. Komplementsatzes des Nomens darstellen, wie z.B. Haider (1995a: 257ff) und Kiss (2005: 282ff) demonstrieren. Hierbei kommt möglicherweise der sog. Lebeaux-Effekt (vgl. Lebeaux 2000) ins Spiel (siehe hierzu auch Riemsdijk & Williams 1980: 201ff, Freidin 1986: 179, Chomsky 1995b: 204f, usw.), die Datenlage ist jedoch nicht immer klar (vgl. z.B. Heycock 1995, Gärtner 2002: 53f und auch Lasnik & Saito 1992: 197 sowie Kayne 2003: 239f für eine Diskussion).

5.5. Weitere empirische Domänen und deren Konsequenzen

127

unverletzbare Prinzipien der Grammatik, sondern eher als Beschränkungen optimalitätstheoretischer Art aufgefasst werden sollten, die ggf. verletzt werden können. 7 Bekanntlich wurde die Optimalitätstheorie zuerst im Bereich der Phonologie entwickelt und hat dort auch viel Erfolg geleistet (vgl. Prince & Smolenksy 1993, Kager 1999). Wenn man nun die Extraposition als eine stilistische Operation einstuft, die nicht syntaktischen, sondern zumindest teilweise phonologisch motivierten Beschränkungen unterliegt, kann gerade die Vermutung nahe liegen, dass dabei eine optimalitätstheoretische Vorgehensweise in Betracht kommen könnte. In diesem kurzen Unterabschnitt möchte ich aus dieser Perspektive eine weitere empirische Domäne der Extraposition erwähnen. Wir haben uns bisher mit relativ „sauberen" Daten beschäftigt, sodass der Kontrast in der Akzeptabilität der alternativen Konstruktionen mehr oder weniger deutlich festgestellt werden konnte. In der Tat gibt es jedoch außer der Wortstellung, von der bisher hauptsächlich die Rede war, noch verschiedene andere Faktoren, welche die Akzeptabilität von Sätzen mit Extraposition beeinflussen. Einer davon betrifft die Betonung: Es ist aus der Literatur bereits bekannt, dass der Relativsatz etwas „weiter" extraponiert werden kann, wenn der Determinator des Antezedens betont ist (Wiltschko 1997: 387):38 (63)

a. [Den Mann t gesehen [der Bier trinkt]] hat Peter gestern auf der Party. b. *[Den Mann t gesehen] hat Peter gestern auf der Party [der Bier trinkt], c. [DEN Mann t gesehen] hat Peter gestern auf der Party [der Bier trinkt].

In einem Fall wie (63c) ist die Bedingung (40) verletzt. Ein ähnlicher „Rettungseffekt" durch die Betonung lässt sich auch in dem Falle beobachten, wenn (41) verletzt wird bzw. ein mögliches Antezedens des Relativsatzes durch die Extraposition übersprungen wird. In dieser Arbeit kann ich auf die optimalitätstheoretische Untersuchung der Extraposition nicht ausführlicher eingehen und weise an dieser Stelle lediglich auf eine mögliche Skizze fur weitere Forschungen hin. Wenn sich die Lokalitätsbedingung (40) in zwei Teile gliedern lässt, sollte dies heißen, dass durch Extraposition der Relativsatz (i) nur im Nachfeld landet und (ii) so kurz wie möglich bewegt wird. Hier gilt die Beschränkung (i) als übergeordnet und ist praktisch unverletzbar. Danach folgen andere Beschränkungen wie (ii) und solche, die (41) entsprechen oder die Betonung des Determinators verlangen.39 Solange die höchst geordnete Beschränkung erfüllt ist, müssen

37

Vgl. auch Meinunger (2000: 184): „[Relative clause] extraposition, when allowed, obeys preference, but is not subject to strict grammaticality constraints." 38 Ähnliches gilt auch, wenn die NP auf andere Weise fokussiert ist (Sätze (i) und (iii) aus Haider 1994a: 21): i) Es hat jeden t gefreut [den es nicht betraf) [dass der Befehl zurückgezogen wurde]. ii) *Es hat jeden I gefreut [dass der Befehl zurückgezogen wurde] [den es nicht betraf]. iii) Es hat sogar die t gefreut [dass der Befehl zurückgezogen wurde] [die es nicht betraf]. Ebenso im folgenden Beispiel, das Meinunger (2000: 201) als Argument dafür vorbringt, dass Extraposition ggf. nicht satzgebunden sein kann: iv) Peter hat [dass er uns denjenigen Computer t schenkt] fest versprochen [den er nicht mehr braucht], 39 Als weitere Beschränkungen lassen sich Faktoren wie Belebtheit (vgl. Fn. 27), Informationsstruktur (vgl. Shannon 1992, Wiltschko 1997, Lehmann 1984: Kap. 4.2.6), oder sogar vielleicht auch die phonologische Länge der Konstituente denken.

128

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

die restlichen nicht alle erfüllt sein. Manche Beschränkungen befinden sich hierbei vermutlich in einer sog. Subhierarchie, wie sie z.B. von Müller (1999b) fur die freie Wortstellung im deutschen Mittelfeld postuliert wird. Damit ein Satz grammatisch ist, müssen nicht alle Beschränkungen darin erfüllt sein, sondern nur eine von ihnen. Wenn Müllers Analyse zum Scrambling richtig ist, lässt sich eine ähnliche Idee auf die Extraposition übertragen, die zum einen auch eine optionale Operation ist und bei der zum anderen hinsichtlich der Markiertheit der resultierenden Repräsentation ebenfalls verschiedene Faktoren mitwirken. Wie die Beschränkungen dabei genau aussehen bzw. zueinander geordnet sind, überlasse ich zukünftigen Untersuchungen.

5.5.2. Phonologische Extraposition für Komplementsätze Nachdem wir bis jetzt in diesem Kapitel eine postsyntaktische Bewegung für extraponierte Relativsätze im Deutschen festgestellt haben, möchte ich mich kurz der Frage zuwenden, wie sich diese Bewegungsoperation auf die Analyse der „extraponierten" Komplementsätze anwenden ließe. Um das Anliegen konkreter darzustellen, wiederhole ich hier die Sätze (53) und (54b) aus Kapitel 3: (64)

a. [Der Polizei erzählt [dass er dort war]] hat er nicht, b. ?[Der Polizei erzählt] hat er nicht [dass er dort war].

Diese Daten liefern Evidenz dafür, dass sich das postverbale Satzkomplement in seiner Basisposition befindet; das Matrixverb kann mit dem Satzkomplement zusammen eine Konstituente bilden, die das indirekte Objekt ausschließt (siehe (65a)). Falls die postverbale CP in einer hoch adjungierten Position stehen würde, wie es die Bewegungsanalyse a la Büring & Hartmann (1997a) prognostiziert (vgl. (65b)), sollte man hier den umgekehrten Kontrast in der Akzeptabilität erhalten. (65)

a. ... [Vp Dat [ ν · V CP]] (Basisanalyse) b. ... [vp Dat [y V t\ ]] CPj (Bewegungsanalyse)

Man kann sich nun fragen, wie Satz (64a), insbesondere in Bezug auf die Stellung des Satzkomplements, zustande kommt, wenn man ihn überhaupt für akzeptabel halten will. Da wir die Analyse, derzufolge sich das „extraponierte" Satzkomplement an die oberste VP (oder höher) rechtsadjungiert, zurückgewiesen haben, lässt sich (64b) nicht anhand von Stranding des Komplementsatzes generieren. Hierbei möchte ich davon ausgehen, dass (64b) von (64a) mittels einer postsyntaktischen Bewegung, wie wir sie gerade für den extraponierten Relativsatz besprochen haben, abgeleitet wird. Aus konzeptueller Hinsicht gibt es zunächst keinen Grund, dass eine postsyntaktische Bewegung, wie wir sie dem extraponierten Relativsatz zugeschrieben haben, den anderen Sorten von Nebensätzen nicht zur Verfügung steht. Auf der postsyntaktischen Ebene gestalten sich sowohl Relativsatz als auch Komplementsatz als ein Nebensatz von gleicher prosodischer Größe (vgl. Selkirk 1984, Truckenbrodt 1995). Vielmehr wäre es eine zusätzliche Annahme, die theoretisch bzw. empirisch bestätigt werden müsste, wenn unter den Nebensätzen nur der Relativsatz postsyntaktisch extraponiert werden könnte. Es liegt daher nahe, dass (64b) aus (64a) mittels derselben Operation abgeleitet wird, die für die

5.5. Weitere empirische Domänen und deren Konsequenzen

129

Extraposition des Relativsatzes angenommen wird. Bei der Derivation von (64b) ist die Lokalitätsbeschränkung (40) eingehalten. Für den markierten Status von (64b) gegenüber (64a) lässt sich vermuten, dass der phonologisch zu extraponierende Nebensatz in (64a) in gewissem Sinne bereits im Nachfeld steht, jedoch nicht im dem des Matrixsatzes. Die Verschiebung in das übergeordnete Nachfeld bringt daher keine große Änderung in der topologischen Gestaltung des Nebensatzes mit sich wie ζ. B. bei einer Bewegung vom Mittelfeld aus. Auf jeden Fall möchte ich hierbei die Beobachtung unterstreichen, dass sich die Extraposition des Komplementsatzes, durch die sich aus (64a) (64b) ergibt, mit der des Relativsatzes, wie er in (66) bzw. (67) vorliegt, in ihrer Markiertheit gleichsetzen lässt: (66)

(67)

a. [Dem Mann t etwas zugeflüstert [der dort steht]] hat sie heimlich, b. ?[Dem Mann t etwas zugeflüstert] hat sie heimlich [der dort steht], (vgl. Büring & Hartmann 1997a: 21) a. Dem Mann [der dort steht] hat sie etwas zugeflüstert, b. ?Dem Mann t hat sie etwas zugeflüstert [der dort steht], (Büring & Hartmann 1997a: 21)

In (64) und (66) bzw. (67) greift also ein und dieselbe postsyntaktische Extrapositionsregel, für die in diesem Kapitel wiederholt argumentiert wurde. Wenn die Überlegung hier zutreffend ist, lässt sich folgern, dass der Komplementsatz auf zwei Arten „extraponiert" werden kann: (i) Seine Stellung direkt rechts vom regierenden Verb, die trotz der gängigen Bezeichnung in der Tat Folge einer Basisgenerierung ist, und (ii) „Extraposition" im wörtlichen Sinne, nämlich eine Bewegung postsyntaktischer Natur, wie sie bei den Relativsätzen vorliegt. In Kapitel 3.4.2 bin ich davon ausgegangen, dass (68) eine mögliche Basisstruktur ist, obwohl diese per se nicht realisiert werden kann: (68)

*dass er gesagt [dass Claudia Peter geküsst hat] hat

Dabei habe ich auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Satz (68) durch einen Filter auf der Satzoberfläche ausgeschlossen wird bzw. der betreffende Komplementsatz mit Hilfe einer phonologischen Bewegung nach rechts verschoben wird. Erinnern wir uns nun an Abschnitt 3, in dem wir eine ähnliche Struktur mit einem Relativsatz bereits diskutiert haben: (69)

*dass doch wohl jeder einem Kind t beistehen [das nach Hilfe ruft] wird (= (43a))

Dort haben wir gesehen, dass dieser Satz gegen Bedingung (40) verstößt, weil der zu extraponierende Relativsatz nicht im Nachfeld landet. (69) lässt sich somit derivationell ausschließen. Es scheint aber auch möglich zu sein, ihn repräsentationeil auszuschließen. Anhand ähnlicher Daten demonstriert Truckenbrodt (1995), dass seine prosodische Regel (20) aus Abschnitt 1.5 in vergleichbaren Fällen die gewünschten Ergebnisse erzielt. Er weist dabei auf die Möglichkeit hin, sie repräsentationell zu analysieren (S. 515). Wenn dem so ist, lässt sich die Inakzeptabilität von (68) bzw. (69) auf denselben, phonologisch motivierten Mechanismus zurückfuhren, auf den hier leider nicht weiter einge-

130

5. Zur Extraposition von Relativsätzen im Deutschen

gangen werden kann. 40 Wenn diese Überlegung zutreffend ist, findet sich hierin wiederum eine Parallelität zwischen zwei Nebensätzen, die sich erst auf einer postsyntaktischen Ebene offenbart.

5.6. Fazit In diesem Kapitel wurde die Extraposition des Relativsatzes im Deutschen diskutiert. Es wurde festgestellt, dass sie als eine postsyntaktische Operation behandelt werden sollte. Wir haben zuerst gesehen, dass sie einen vollständigen Rekonstruktionseffekt aufweist, was denjenigen Aspekt der semantischen Interpretation angeht, der strukturell bestimmt ist und somit auf LF abgearbeitet wird. Anschließend wurde demonstriert, dass phonologisch konzipierte Regeln empirische Daten besser erfassen, während syntaktisch basierte Ansätze falsche Voraussagen machen. Der postsyntaktische Status der Extraposition des Relativsatzes im Deutschen stellt somit einen deutlichen Kontrast zum Fall der „Extraposition" bzw. Nachfeldbesetzung des Komplementsatzes dar: Dieser steht nicht als Folge einer Bewegung im Nachfeld, sondern wird bereits in der zugrunde liegenden Struktur in der Schwesterposition des satzfinalen Verbs generiert (vgl. Kap. 3). Die Folge sollte daher sein, dass diese beiden Fälle von Nachfeldbesetzung, zumindest die overt-syntaktische Komponente betreffend, streng voneinander getrennt charakterisiert werden sollten, was jedoch in der gängigen Literatur zum Thema „Extraposition" vernachlässigt worden ist. Hinsichtlich dieser Erkenntnis habe ich auch die in der bisherigen Forschung kaum angemessen behandelten Fälle untersucht, in denen sowohl Komplementsatz als auch Relativsatz extraponiert erscheinen. Dabei zeigte sich nicht nur, dass meine Analyse im Gegensatz zu den anderen vorgestellten Ansätzen eine korrekte Voraussage macht. Es wurde darüber hinaus auch bestätigt, dass die Daten, die auf den ersten Blick gegen die Basisgenerierung des Satzkomplements im Nachfeld zu sprechen scheinen, im Grunde ein weiterer Beleg meiner Thesen sind.

40

Zepter (2003: 148f) weist auf die Tendenz hin, den Ausschluss des finiten Satzkomplements aus dem Mittelfeld als eine Beschränkung optimalitätstheoretischer Art (vgl. Abschn. 5.1 oben) aufzufassen.

6. Zur Analyse der Stellungseigenschaften von Satzkomplementen Bisher wurden bereits verschiedene Aspekte der Satzkomplemente im Nachfeld im Deutschen behandelt. Die wichtigste Beobachtung dabei war, dass sich diese strukturell in der Schwesterposition des Matrixverbs befinden und nicht etwa in einer höheren adjungierten Position, wie die traditionelle Bewegungsanalyse (z.B. Büring & Hartmann 1997a) voraussagen würde. In diesem Kapitel befasse ich mich mit der Frage, warum das Satzkomplement im Deutschen postverbal erscheint, obwohl das Deutsche eine OVSprache ist. Im Prinzip schließe ich mich der Ansicht von Hubert Haider an, dass die Projektionslinie rechtsverzweigend ist und die Kopf-Komplement-Abfolge auf der untersten Ebene variabel sein kann. Ich weise auch auf die in typologischen Untersuchungen festgestellte Korrelation zwischen der Stellung des Komplementsatzes und der des Komplementierers hin. Für die betreffenden Beobachtungen werde ich dann einen möglichen Analyseansatz im Rahmen neuerer Arbeiten zur Linearisierung vorschlagen. Im ersten Abschnitt des Kapitels werden bisher vertretene Ansätze, die die postverbale Stellung des Satzkomplements im Deutschen zu erklären versuchen, kurz dargestellt. Im zweiten Abschnitt wird auf typologische Aspekte unseres Problems eingegangen. Auf den Ergebnissen der bis dahin geführten Diskussion aufbauend wird dann im dritten Abschnitt im Rahmen der vorliegenden Theorie mein Vorschlag zur Stellung der Satzkomplemente im Deutschen dargelegt. In Abschnitt 4 wird schließlich untersucht, inwiefern neuere theoretische Ansätze zur Wortstellung eine alternative Perspektive auf unser Thema bieten können. Abschnitt 5 fasst die Diskussion des Kapitels zusammen. Im Folgenden werden komplementiererähnliche Elemente aus verschiedenen Sprachen, deren kategorialer Status ζ. T. unklar ist (vgl. Abschn. 2.3), der terminologischen Einfachheit halber als Comp bezeichnet. Gleichermaßen werden Nominalphrasen in den Sprachen, in denen dafür keine funktionale Kategorie D anzusetzen ist, weshalb diese eher als NP ausgedrückt werden sollten (vgl. Fukui 1995a), gelegentlich auch als DP bezeichnet, um eine einheitliche Redeweise bei der sprachübergreifenden Betrachtung zu ermöglichen.

6.1. Bisherige Analysen zum Deutschen In Kapitel 2 haben wir einerseits gesehen, dass Deutsch eine kopffinale VP besitzt: Argumente, typischerweise DPs, treten im Prinzip links vom Verb auf. Im Laufe der Diskussion in Kapitel 3 wurde andererseits festgestellt, dass Satzkomplemente hingegen rechts vom Verb erscheinen und diese Stellung die Basisstruktur darstellt: (1) (2)

a. Ich habe ihr erzählt [dass er gerne Apfelwein trinkt] b. #Ich habe ihr [dass er gerne Apfelwein trinkt] erzählt a. Ich habe ihr [die Wahrheit] erzählt, b. *Ich habe ihr erzählt [die Wahrheit].

132

6. Zur Analyse der Stellungseigenschaften von Satzkomplementen

Im Deutschen verhalten sich somit DP- und CP-Komplemente in Bezug auf ihre Positionierung zum Verb unterschiedlich. Zu dieser Beobachtung sind bisher in der Literatur einige Analysevorschläge gemacht worden, die in diesem Abschnitt wiedergegeben und überprüft werden. Ich schließe dabei von vornherein die gängige Bewegungsanalyse zur „Extraposition" (vgl. u. a. Büring & Hartmann 1997a) aus, die bereits ausführlich diskutiert und als unhaltbar befunden worden ist (siehe Kap. 3). Im Folgenden erwähne ich zunächst kurz die auf das LCA gestützte Analyse von Zwart (1993, 1997a, 1997b) (vgl. auch Kap. 2.4.1). Dann wird der Vorschlag Hubert Haiders zur Phrasenstruktur vorgestellt. In Abschnitt 1.3 wird schließlich die Analyse Josef Bayers besprochen, die auch typologisch fundiert ist. Wichtige Einsichten der letzten zwei Autoren werden in meinen eigenen Analysevorschlag, der in Abschnitt 3 ausgearbeitet wird, integriert. Um den fur das vorliegende Problem wesentlichen Punkt nicht aus den Augen zu verlieren, beschränke ich die Diskussion in diesem Abschnitt auf finite Satzkomplemente; infinitive Komplemente (IKs) im Deutschen, die im Prinzip sowohl links als auch rechts vom einbettenden Verb auftreten können (vgl. Kap. 3.1), werden in Abschnitt 3 behandelt.

6.1.1. Universal kopfinitiale Struktur In Kapitel 2.4.1 habe ich die These von Kayne (1994) sowie deren Anwendung auf OVSprachen u.a. durch Zwart (1993, 1997a, 1997b) vorgestellt. In dieser Theorie geht in allen Sprachen der Kopf seinem Komplement in der Basisstruktur voran. Die OVAbfolge in Sprachen wie dem Deutschen wird durch Bewegung des DP-Objekts in eine funktionale Projektion abgeleitet, und diese Bewegung wird gerade dadurch verursacht, dass DPs hinsichtlich ihres Kasus lizenziert werden müssen: (3)

dass der Hans [ Agr0 p die Maria [ Agr0 ' AgrO [Vp küsste ?0bj ]]]

Diese Annahme sollte dazu fuhren, dass bei Kategorien, die keinen Kasus benötigen, solch eine Bewegung nicht notwendig (und daher, laut Zwart, aus minimalistischer Perspektive nicht gestattet) ist. Dies erklärt die Beobachtung, dass Satzkomplemente, denen im Gegensatz zu DPs kein Kasus zugewiesen wird, einer Bewegung der in (3) geschilderten Art nicht unterliegen, sondern in situ, also rechts vom Verb, verbleiben (vgl. ζ. B. Zwart 1997b: 262f). Was den Kontrast zwischen der Stellung der DP- und der CP-Komplemente betrifft, bietet die auf dem LCA basierende Analyse also eine einfache und zugleich plausible Erklärung an. Bezüglich der Stellung des Satzkomplements ist dieser LCA-Ansatz völlig kompatibel mit meiner (sowie Haiders, s. u.) These, dass das Nachfeld, in dem das Satzkomplement realisiert wird, dessen Basisposition darstellt (vgl. Kap. 3). Trotzdem möchte ich ihn nicht als theoretische Grundlage meiner Analyse heranziehen, hauptsächlich wegen der Probleme, die wir uns in Kapitel 2.4.2 vergegenwärtigt haben. Zur Erinnerung: Unter der LCA-Analyse müssen demnach nicht nur DPs, sondern auch andere nicht-satzwertige Elemente, die sich links vom Verb befinden, aus der VP heraus bewegt worden sein. Das Postulat dieser obligatorischen Bewegung ist jedoch sowohl theoretisch als auch empirisch inadäquat. Zwart (1997a: 66) weist zwar z.B. daraufhin, dass ein „extraponiertes" Satzkomplement keine Insel für Extraktion bildet, und führt diese Beobachtung auf dessen Basisstellung im Nachfeld zurück. Es lässt sich jedoch genau die gleiche

6.1. Bisherige Analysen zum Deutschen

133

Transparenz für Komplemente feststellen, die links vom Verb und daher unter der Annahme des LCA in einer abgeleiteten Position stehen (siehe Kap. 2.4.2 und die dort angeführte Literatur). Die auf das LCA gestützte Analyse hat somit angesichts der kopffinalen Strukturen, die in den Sprachen der Welt alles andere als eine Minderheit darstellen, so schwerwiegende Probleme (wie in Kap. 2.4.2 diskutiert), dass ihr scheinbarer Erfolg bei der Analyse der postverbalen Stellung des Satzkomplements im Deutschen nicht überbewertet werden sollte. Auf diesen Erklärungsansatz für das hier behandelte Phänomen wird daher verzichtet.

6.1.2. Branching Constraint In einer Reihe von Arbeiten formuliert Haider das (Basic) Branching Constraint (BC) (siehe neben der hier gewählten Stelle ζ. B. auch Haider 1993a: 28, 1997c: 20,2000c: 147, 2005: 14): (4)

Projection-internal branching nodes of the (functionally extended) projection line follow their sister node. (Haider 2001: 75)

Um die fur unser Thema relevanten Aspekte dieser These deutlich darzustellen, konzentrieren wir die Diskussion auf die Phrasenstruktur innerhalb der VP (bzw. vP), was auch für den Zweck des vorliegenden Abschnitts ausreichend ist (für die Behandlung der CP-Domäne unter dem BC siehe Abschn. 3). Das BC besagt zunächst, dass die Phrasenstruktur rechtsverzweigend ist. In dieser Hinsicht erfüllt eine OV-Basis das BC in optimaler Weise. Entscheidend ist hierbei unter anderem, dass das BC für VO-Sprachen eine Struktur der Art [[[V XP] YP] ZP] verbietet. In welcher Richtung das Verb sein Argument lizenziert, wird nun sprachspezifisch parametrisiert: In VO-Sprachen lizenziert es nach rechts, in OV-Sprachen nach links. Die VO-Struktur wird somit durch eine Verbbewegung erzeugt (siehe auch Barbiers 2000). So sieht beispielsweise die VP-Struktur eines dreistelligen Verbs für VO- (ζ. B. Englisch) und OV-Sprachen (ζ. B. Deutsch) jeweils folgendermaßen aus: (5)

...

VP

(6)

/

...

\

ZP

VP /

V' /

ZP \

V

/ YP

VP /

\

a. [XP YP > XP/X']

-

b.[xP/x.ZP>X']

\

ZP

X'

/ X

\ WP

c. [χ. X > WP] oder [χ. WP > X]

Hierbei möchte ich auf Haiders Idee des BC (vgl. Abschn. 1.2) zurückgreifen: Im Prinzip ist die syntaktische Struktur rechtsverzweigend (vgl. hierfür auch Takano 1996 und Fukui & Takano 1998), nur auf der untersten Ebene der Projektionslinie unterliegt die Abfolge (hier von X und WP) parametrischer Variation. D. h. man braucht eine sprachbzw. kategoriespezifische Vorschrift zur Linearisierung nur für die Kopf-KomplementEbene (d.h. entweder [ x · X>WP] oder [ x · WP>X]; vgl. (75c)). Für andere Ebenen der Projektion, also {ZP, X'} bzw. {YP, XP/X'}, folgt die Projektionslinie ihrer Schwester nach, wie dies Haiders Theorie erfordert. Als Ergebnis erhält man die durch das BC festgelegte Abfolge ZP>X' bzw. YP>X'. Die Möglichkeiten der Linearisierung für die jeweiligen Schwestern in (74) sind in (75) nochmals zusammengefasst. Die Vorgehensweise hier lässt sich als eine willkommene Simplifizierung der Theorie betrachten, indem die auf Linearität Bezug nehmende Vorschrift auf ein Minimum, nämlich nur auf die Relation zwischen Kopf (= X°-Element) und dessen Schwester, reduziert wird. Bei dieser Darstellung sollte man allerdings beachten, dass dieses Muster nur fur die phaseninterne Linearisierung gilt, also für die Elemente, die innerhalb einer Phase gleichzeitig dem Spell-out übergeben werden.

52

Man sollte „bottom-up" so verstehen, dass die unterste Ebene der Projektionslinie (in Haiders Sinne; siehe Abschn. 1.2) als erste dem Linearisierungsprozess unterzogen wird. Da es sich in diesem Fall letztendlich um die Linearisierung des ganzen Satzes (= CPi) handelt, der als eine erweiterte Projektion von V gilt (vgl. auch Grimshaw 2000), beginnt der Linearisierungsprozess mit diesem V und seinem Komplement.

6.4. Linearisierung und zyklischer Spell-out

177

Eine Auswahl der Linearisierungsvorschriften fur das Deutsche, die fur uns relevant sind, könnte folgendermaßen aussehen: (76) (77)

C > XP XP > V

An dieser Stelle sind einige kurze Kommentare angebracht: (76) ist eventuell nicht nötig, wenn unsere Diskussion in Abschnitt 2.3 zutrifft, wonach die funktionale Kategorie C, falls vorhanden, universal kopfinitial ist. Für (77) nehme ich an, dass diese Regel sprachspezifisch gelernt werden muss; sie stellt sich gerade als die wesentliche Eigenschaft der kopffinalen (oder genauer: OV-)Sprachen dar. Ein weiterer theoretischer Vorteil meines Vorschlags ist nun, dass man in solchen Schemata die syntaktische Kategorie des Komplements - hier XP - nicht zu spezifizieren braucht. Von Kindern einzeln zu erlernen ist nur, ob ein Kopf einer bestimmten Kategorie sein Komplement, egal welchen kategorialen Status es hat, links oder rechts von sich realisiert bzw. linearisiert. Nach der Darstellung dieser theoretischen Voraussetzungen, die auf das Notwendigste beschränkt sind, setzen wir uns mit der tatsächlichen Derivation auseinander. Wie angekündigt betrachten wir einen Fall mit einfachen nominalen Objekten: (78)

als sie ihrem Bruder die Wahrheit erzählte

(79)

[CP C [ T P DPSUBJ Τ [VP Ν [VP D P I O [Y D P D O V ] ] ] ] ]

Unter der Annahme, dass die vP ebenfalls eine SOD ist (vgl. aber Fn. 46 und 54), werden bei phasenweisem Spell-out auf der vP-Ebene (d.h. bei Vollendung der CP, der nächsten Phase; s. o.) alle Elemente innerhalb der vP an die phonologische Komponente geschickt. Bei diesem intraphasalen Spell-out kommt bei der Linearisierung von DPDO und V (vgl. {X, WP} in (74)) zunächst die für das deutsche V spezifische Regel (77) zum Tragen, als dessen Folge DPDO links von V realisiert wird. Bzgl. [DPDO+V] und DPio gilt nun hingegen die aus dem BC folgende Vorschrift, dass die Projektionslinie, nämlich [DPDO+V], ihrer Schwester DP I0 folgt (vgl. (74) bzw. (75b)). So läuft der Prozess weiter, bis die ganze vP aus der syntaktischen an die phonologische Komponente geschickt worden ist:53 (80)

[CP C [ T P DPSUBJ Τ [ VP Ν [VP Ö P » [V< ©ΡΒΘ ¥ ] ] ] ] ] P H O N < . . . v, D P I 0 , D P D 0 , V >

Das Gleiche gilt bis zur CP-Ebene, wobei die Repräsentation letztendlich folgendermaßen aussehen sollte: (81)

tcP G [TP ©PS«* Τ [vP ν [VP ©PJO [V ÖPBG V]]]]] P H O N < C , DP SUBJ , T , v , D P i o , D P d o , V >

53

Wenn man sich der Ansicht anschließt, dass die funktionalen Köpfe ν und Τ im Deutschen nie lexikalisch besetzt werden (vgl. Kap. 2 sowie u.a. Haider 1993a, 2005), könnte man vielleicht die Linearisierungsvorschrift für ν bzw. Τ auslassen. Hier habe ich mich der Anschaulichkeit halber der Ansicht Haiders (1997c: 27, 2001) angeschlossen, dass nicht-lexikalische funktionale Köpfe kopfinitial sind.

178

6. Zur Analyse der Stellungseigenschaften von Satzkomplementen

Im Fall eines Satzes wie (71) schreitet die restliche Prozedur auf dieselbe Weise voran, nachdem die CP 2 -Phase zuerst alleine an die phonologische Komponente geschickt wurde (siehe (82)): Auf der nächsten Spell-out- bzw. vP-Ebene wird das Verb als das am tiefsten eingebettete Element als erstes linearisiert, diesem folgt (gemäß dem BC) dann das indirekte Objekt, usw.: (82) (83)

[cpi C [TP DPsubj Τ [ vP ν [ w DP I 0 [ ν · € P 3 V]]]]] (= (73)) PHON [ CP , C [TP DP Subj Τ [vP ν [ VP © P » [y V]]]]] PHON < ... v, DPio, V, CP 2 >

Die restliche Derivation läuft genau parallel zu (81) ab und wird deshalb hier nicht weiter ausgeführt. Die bisherige Diskussion in diesem Unterabschnitt stellt den Kern meiner Analyse zur postverbalen Stellung der Satzkomplemente im Deutschen dar. Der entscheidende Punkt ist die Gegenüberstellung von CP und DP in Bezug auf ihren Status als SOD: CP ist eine SOD, DP jedoch nicht. Diese und die anderen damit zusammenhängenden theoretischen Annahmen sind relativ neu und werden zur Zeit heftig diskutiert, sodass in manchen Punkten noch kein Konsens erzielt wurde. Aus diesem Grund wird meine Analyse im Laufe der Theorieentwicklung noch weitere Diskussionen zu überstehen haben. Ich glaube jedoch, dass es sich bei dieser Analyse zumindest im vorhandenen theoretischen Rahmen um einen vielversprechenden Lösungsvorschlag zu einem lange bestehenden, schwer zu handhabenden Problem der deutschen Syntax handelt.

6.4.4. Weitere Konsequenzen Nachdem die wesentlichen Aspekte meines Vorschlags vorgestellt und anhand einfacher Beispiele illustriert worden sind, möchte ich einige Konsequenzen meiner Analyse, die für das Thema der vorliegenden Arbeit Relevanz besitzen, kurz erörtern. Aus den oben genannten Gründen müssen einige Punkte durch die zukünftige Forschung noch genauer ausgearbeitet bzw. implementiert werden. Im Großen und Ganzen liefern die Ergebnisse der folgenden Diskussion jedoch weitere empirische Evidenz für meinen Analysevorschlag. In Kapitel 3.3.5 habe ich Daten vorgestellt, bei denen finite Satzkomplemente im Mittelfeld vorkommen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Stellung des c/oss-Satzes in der verbadjazenten „kanonischen" Objektposition meistens zur Inakzeptabilität fuhrt, während dessen Stellung in einer gescrambelten Position deutlich besser ist. Ein entsprechendes Paar ist hier wiedergegeben (Bayer et al. 2005: 91): (84)

a. ?*Hans hätte vermutlich [dass Maria kommt] bezweifelt, b. Hans hätte [dass Maria kommt] vermutlich bezweifelt.

Unsere Analyse zur Linearisierung bietet eine einfache Erklärung für diese Daten: Der inakzeptable Status von (84a) ist vorhersagbar, weil die CP, die in der Syntax als das interne Argument direkt mit dem Verb verkettet ist, als erstes alleine in die phonologische Komponente geschickt wird und folglich ganz rechts realisiert werden muss, wie

6.4. Linearisierung und zyklischer Spell-out

179

wir in Abschnitt 4.3 diskutiert haben. In (84b) dagegen hat Scrambling des Komplementsatzes stattgefunden, sodass vor Spell-out folgende syntaktische Struktur vorliegt:54 (85)

...[vpCP[vpAdv[vicpV]]]

Zum Zeitpunkt des Spell-out appliziert der Linearisierungsprozess entlang der Projektionslinie von unten: {f C p, V} wird möglicherweise als V > / C p linearisiert, wenn wir der Spur bzw. der zu tilgenden Kopie den gleichen Status wie ihrem overten Pendant zuerkennen, was hier jedoch keinen wesentlichen Punkt ausmacht. Wichtig ist nun die nächste Ebene: Gemäß dem BC (siehe (74/75)) wird das Adverb in (85) automatisch vor der verbalen Projektion serialisiert, nämlich als Adv>V'. Dann kommt die gescrambelte CP an die Reihe, die aufgrund des gleichen Mechanismus ebenfalls weiter links realisiert wird. Somit gelangt man zu Satz (84b).55 Abschließend betrachten wir diejenigen kopffinalen Sprachen, die ihr Satzobjekt präverbal realisieren (können), im Gegensatz zur deutschen dass-CP. Eine Auswahl relevanter Beispiele wiederhole ich aus Abschnitt 2.3: [Bengali] (86) chele-Ta [[or baba aS-be] bole] Sune-che (= (30)) Junge-CF [[sein Vater kommen-wird] Comp] hörte ,Der Junge hat gehört, dass sein Vater kommen wird.' [Persisch] (87) Man [[in [ke gorbe-hä shir dust därand]] rä] mi-dänam (= (36)) ich [[Det [Comp Katzen Milch Freund haben]] Acc] weiß ,Ich weiß, dass Katzen Milch mögen.' Ich habe bereits ausfuhrlich dafür argumentiert, dass die sententiellen Objekte hier keine vom Verb selegierten CP-Komplemente sind: Im Bengali (86) bzw. im Persischen (87) handelt es sich jeweils um VP (oder PP) bzw. DP. Da diese Kategorien nicht als eine SOD zu betrachten sind (vgl. Abschn. 4.2-4.3), greift hier bei der phaseninternen Linearisierung der Direktionalitätsparameter, der in den beiden Sprachen in der Form XP>V vorliegt, sodass die zu beobachtende Abfolge zustande kommt. Dass im Falle des Persischen eine CP innerhalb dieser Objekt-DP eingebettet ist, stellt allerdings kein Problem dar, weil die Linearisierung in erster Linie die tiefste Ebene der Projektionslinie, also 54

Ein technisches Problem taucht hier auf, wenn man die vP als eine SOD betrachtet: Bei der Vollendung der eingebetteten CP müsste nämlich die eingebettete vP an die Interface-Ebene übergeben und folglich am rechten Ende der PF-Repräsentation linearisiert werden. Dann gelangt man aber nicht mehr zu (84b). Hierfür bieten sich zwei Lösungsmöglichkeiten an: (i) Die vP gilt nicht als eine SOD (siehe Fn.46). (ii) Es gilt das Prinzip, dass die Konstituenz innerhalb einer Phase bzw. SOD beibehalten werden muss: Wenn man die eingebettete vP getrennt von der CP Spell-out unterzieht, ergibt sich letztendlich die PF-Repräsentation < ..., vermutlich, dass, bezweifelt, Maria, kommt >. Diese ist unzulässig, da die Konstituenz der CP-Phase (hier unterstrichen) aufgebrochen ist. In diesem Fall ist Spell-out der vP-Phase unterdrückt, sodass sie erst mit der ganzen CP-Phase an PF geschickt wird. 55 Die vorliegende Analyse lässt den Status der Adjunktsätze ungeklärt, die sowohl im Mittelfeld als auch im Nachfeld auftreten können und einer üblichen Annahme zufolge als an eine maximale Projektion adjungiert betrachtet werden. Die Adjunkte, deren Stellung oft nicht festgelegt ist, kann man jedoch in eine formale Theorie wie die hier vorgeschlagene nur schwer integrieren, wie ich bereits in Abschnitt 1.2 angemerkt habe.

180

6. Zur Analyse der Stellungseigenschaften von Satzkomplementen

{V, DP} in (88), betrifft und diese auf die phonologische Repräsentation < ... DP, V> festlegt:56 (88)

... VP / \ DP V / \ ... D ... CP ...

Im Falle des Japanischen (89) war der kategoriale Status des to-Satzes nicht ganz entschieden: [Japanisch] (89) Watasi-wa [Yuko-ga Jiro-o nagutta to] omou. (= (37)) ich-Top [Yuko-Nom Jiro-Acc schlug Comp] denke ,Ich glaube, dass Yuko Jiro geschlagen hat.' Wir haben jedoch bereits festgestellt, dass das Satzobjekt hier aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls keine CP ist. Solange dieses somit keine SOD bildet, appliziert der gleiche Linearisierungsmechanismus wie beim Bengali bzw. Persischen. Bei der Diskussion in Abschnitt 2.3 haben wir allerdings auf eine indirekte Weise auch die Frage aufgeworfen, ob der to-Satz tatsächlich den syntaktischen Status eines direkten Objekts besitzt. Diese Frage finde ich umso berechtigter, wenn man auf Yatabes (1993) Argumentation bzgl. „pseudo-raising" zurückgreift: Yatabe (1993: 160ff) vertritt die Ansicht, insbesondere contra Saito (1985, 1992), dass in einem Satz wie dem folgenden kein langes Scrambling stattgefunden hat: [Japanisch] (90) [Sono seisaku]-o minna-ga [dareka-ga ituka (t) jissi-suru daroo to] omotte-iru. [dieses Programm]-Acc jeder-Nom [jemand-Nom irgendwann (t) durchführen wahrscheinlich Comp] denken Jeder denkt, dass jemand irgendwann dieses Programm durchführen wird.' Er argumentiert stattdessen m. E. überzeugend dafür, dass das scheinbar lang gescrambelte Objekt in der Tat vom Matrixverb selegiert wird: Das Matrixverb (,denken!glauben') fungiert hier „as a three-place predicate selecting a ga-marked NP, an o-marked NP, and a clause that contains a zero pronoun conindexed with the o-marked NP". Diese Analyse wird dadurch unterstützt, dass (i) das „lang extrahierte" Objekt bei der Passivierung des Matrixverbs in den Nominativ konvertiert werden kann, (ii) eine o-NP in der „lang gescrambelten" Position auch dann erscheinen kann, wenn das eingebettete Verb keine o-NP (sondern ζ. B. eine Dativ-NP) selegiert, (iii) das satzinitiale Objekt die Form NPno-koto-o (,ΝΡ-Gen-Sache-Acc') annehmen kann, was in der „Basisposition" ausgeschlossen ist und (iv) das vermeintliche lange Scrambling kein weak crossover auslöst. 56

Hierbei wäre eine technische Implementierung vonnöten, sodass die Linearisierung innerhalb der DP entweder anschließend an die oder gleichzeitig mit der Linearisierung von V und DP stattfindet. Vgl. hierzu Fn. 51 sowie Chomsky (2007).

6.4. Linearisierung und zyklischer Spell-out

181

Soweit ich sehe, gilt dasselbe grundsätzlich auch für Verben wie iu {,sagen'), kangaeru (,denken') sowie sinjiru (,glauben'), die sich als die typischen to-Satz seiegierenden Verben darstellen. Wenn diese Argumentation stichhaltig ist, erweist sich der Status des ίο-Satzes als Schwester des Verbs zumindest in einem Fall wie (90) als nicht ohne weiteres klar. Im Japanischen gilt nämlich das Objekt mit o-Markierung, welche als Realisierung des strukturellen Akkusativs zu betrachten ist (vgl. z.B. Miyagawa 1989), als das direkte Objekt, das in der Schwesterposition des Verbs erzeugt werden sollte:57 Der to-Satz wird möglicherweise in einer etwas höheren Position generiert, weil die Schwesterposition des Verbs im Grunde für das o-Objekt, das von den hier zur Diskussion stehenden Matrixverben selegiert werden kann, reserviert ist. Diese Situation ist nun vergleichbar mit der Struktur (85) des Deutschen, in der das Satzobjekt einerseits strukturell nicht in der kanonischen Objektposition, sondern etwas höher im Satz lokalisiert ist und andererseits linear links vom Matrixverb realisiert wird. Die Argumentation hier steht außerdem im Einklang mit dem Vorschlag, dass Sätze aus der kanonischen Argumentposition, die DPs vorbehalten ist, auszuschließen sind (vgl. Stowell 1981: Kap. 3.4, Koster 1987: Kap. 5.3, Bayer et al. 2005). Das vorgeschlagene Linearisierungsmodell ist somit auch im Stande, die präverbale Realisierung des Satzkomplements in (strikt) kopffinalen Sprachen korrekt zu erfassen. Entscheidend sind dabei im vorliegenden Theorierahmen die Beobachtungen, die wir bei der genauen Untersuchung der jeweiligen Sprachen gemacht haben: Im Gegensatz zum Englischen bzw. Deutschen handelt es sich bei diesen präverbalen Satzobjekten nicht um ein CP-Komplement, was der Generalisierung (62) entspricht. Satzobjekte in diesen Sprachen bilden folglich keine vom regierenden Verb zu trennende, eigenständige SOD, sondern werden mit diesem zusammen dem entsprechenden Direktionalitätsparameter folgend linearisiert.58 57

Der folgende Satz, in dem das o-Objekt von (90) in seiner „kanonischen" Position steht, erscheint mir akzeptabel: i) (?)Minna-ga [dareka-ga ituka jissi-suru daroo to] [sono seisaku]-o omotte-iru. jeder-Nom [jemand-Nom irgendwann durchführen wahrscheinlich Comp] [dieses Programm]-Acc denken Falls Satz (90) mittels langem Scrambling des o-Objekts, also von der Position der Spur ausgehend, abgeleitet werden sollte, erwartet man für (i) die folgende Derivation (hier sind der Einfachheit halber nur die Argumente angegeben): ii) Minna-ga [dareka-ga [sono seisaku]-o jissi-suru to] omotte-iru. jeder-Nom [jemand-Nom [dieses Programm]-Acc durchführt Comp] denken iii) Minna-ga [sono seisaku]-o, [dareka-ga t\ jissi-suru to] omotte-iru. iv) Minna-ga [dareka-ga t\ jissi-suru to]j [sono seisaku]-Oi t, omotte-iru. Die resultierende Repräsentation (iv) verstößt jedoch gegen die proper binding condition, die z.B. Saito (2003) zufolge in der overten Syntax erfüllt sein muss, und sollte daher ungrammatisch sein. 58 Für strikt kopffinale Sprachen wie das Japanische wäre es auch durchaus möglich zu behaupten, dass die Kopffinalität hier so zwingend ist (vgl. Dryer 1980: 171f für eine relevante Diskussion), dass die Linearisierungsvorschrift XP>V nicht nur bei der intraphasalen, sondern auch bei der interphasalen Linearisierung in Kraft ist. Ein weiterer alternativer Erklärungsansatz dafür, der sich an die „Standardannahme" der CP-Komplementierung hält, könnte folgendermaßen lauten: In diesen Sprachen befindet sich der „Komplementierer" in der satzfinalen Position (d.h. [IP C] V; vgl. (59a)). Dies ist im Allgemeinen der Fall in den Sprachen, in denen overte wA-Bewegung an die satzinitiale Position nicht obligatorisch ist (vgl. Bach 1971, Bresnan 1970, 1972, Kayne 1994 und auch Whitman 2001. Für Gegenbeispiele siehe z.B. Brandon & Seki 1981 sowie die Bemerkungen in Kayne 1994: 142f). Eine mögliche Annahme hierzu wäre, dass das betreffende Satzobjekt in der „edge" der CP steht, weil in diesen Sprachen von vornherein kein SpecCP vorhanden ist (vgl. Fukui 1995a, Takezawa & Whitman 1998, Whitman 2001), oder vielleicht auch wegen einer Operation, wie z.B. der bei Kayne (1994) vorgeschlagenen Bewegung der IP in die edge-Position (vgl. jedoch dagegen u.a. Bayer 1999,

182

6. Zur Analyse der Stellungseigenschaften

von

Satzkomplementen

Ganz am Ende der Diskussion möchte ich kurz eine typologische Konsequenz der vorliegenden Analyse erwähnen: In Abschnitt 2.1 habe ich Sprachen je nach der Stellung der nominalen und der sententiellen Objekte klassifiziert und dies in der Tabelle (19) zusammengefasst, die hier als (91) wiederholt wird: (91) V > sent. Obj. sent. Obj. >V

V > nom. Obj. (a) Engl. (c) —

nom. Obj. > V (b) Dt. (d) Jp.

Der ursprünglichen Idee des Kopfparameters entsprechend gibt es zunächst sowohl uniform kopfinitiale Sprachen (a) als auch uniform kopffinale Sprachen (d). Außerdem finden sich auch „hybride" Sprachen wie das Deutsche (b), in denen nominale Objekte präverbal, sententielle Objekte postverbal erscheinen. Es scheint jedoch keine Sprache mit dem Muster (c), also mit postverbalen nominalen Objekten und präverbalen sententiellen Objekten, zu existieren (vgl. Dryer 1980). Meine hier vorgeschlagene Analyse verspricht, für diese typologische bzw. sprachübergreifende Beobachtung eine theoretische Erklärung zu bieten.

6.5. F a z i t In diesem Kapitel habe ich mich der Frage zugewandt, warum das Satzkomplement im Deutschen, das als eine CP mit einem initialen Komplementierer realisiert wird, trotz seines allgemeinen OV-Charakters postverbal realisiert wird. Aufgrund typologischer Untersuchungen habe ich festgestellt, dass den präverbalen Satzkomplementen in sog. streng kopffmalen Sprachen nicht nur initiale Komplementierer fehlen, sondern ihnen auch überhaupt kein CP-Status zuerkannt werden kann. Daraus ließ sich die Generalisierung ableiten, dass CP-Komplenente universal rechts vom Verb erscheinen. Den Grund dafür habe ich in der sprachübergreifenden Eigenschaft ausgemacht, dass das betreffende Verb und der Kopf der vom Verb selegierten CP in derselben Richtung selegieren. Für den besonderen Status des CP-Komplements bzgl. seiner Positionierung habe ich dann im Rahmen des neueren generativen Modells zur Linearisierung, das sich u. a. auf zyklischen Spell-out stützt, eine Erklärung zu formulieren versucht, die darauf aufbaut, dass nur CPs (nicht aber DPs) als eigenständige SOD zu betrachten sind.

2001). An diesem Punkt trifft Chomskys ursprüngliche Einsicht bzgl. der edge zu (vgl. auch Richards 2002), sodass die Elemente in der edge von der oberen Phase aus zugänglich sind bzw. mit dieser zusammen linearisiert werden können (vgl. Abschn. 4.1). Im Gegensatz zu Chomskys schlichter Vorgehensweise, die wir in Abschnitt 4.2 kritisiert haben, entsteht hier das Problem bzgl. des besonderen Status der edge nicht, weil die betreffende Phase nur aus ihrer edge besteht; die sowohl konzeptuell als auch empirisch unbegründete Trennung von edge und Komplement der Phase, die von Fuß (2006) sowie Bouchard (2002) als problematisch bezeichnet wurde (s.o.), kommt hier nicht in Frage. Wenn das Satzkomplement somit auf der Ebene der oberen Phase, nämlich mit dem Matrixverb zusammen, Spell-out unterzogen wird, greift bei dieser phasenintemen Linearisierung die in diesen Sprachen geltende Vorschrift XP>V, sodass präverbale Satzkomplemente auftreten.

7. Schlussbemerkungen

Wie bereits in der Einleitung bemerkt, hat in der bisherigen linguistischen Forschung die Struktur des rechten Satzrandes weit weniger Aufmerksamkeit gefunden als ζ. B. die Struktur der linken Satzperipherie, über die insbesondere seit der einflussreichen Arbeit von Rizzi (1997) intensiv diskutiert wird. Dies gilt auch für das Deutsche (vgl. ζ. B. Lohnstein & Trissler 2004, Frey 2005, Grewendorf, im Erscheinen, sowie die dort angegebene Literatur). Ich bin allerdings davon überzeugt, dass der Erforschung des Nachfeldes bzw. der rechten Satzperipherie eine ähnlich wichtige Bedeutung, sowohl theoretisch als auch empirisch, zukommt wie der des Vorfeldes. Vor diesem Hintergrund scheint es mir gerechtfertigt zu behaupten, dass die vorliegende Arbeit, die sich mit einigen der zentralen Probleme der Nachfeldbesetzung - vor allem im Zusammenhang mit der Stellung von Satzkomplementen - beschäftigt hat, wichtige Erkenntnisse zur Erforschung dieses Bereichs beitragen konnte. An dieser Stelle möchte ich auf eine ausführliche Wiederholung der jeweiligen Kapitel verzichten und liste stattdessen die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit der Anschaulichkeit halber kurz auf: (1) (2) (3) (4)

(5) (6)

Postverbale Satzkomplemente im Deutschen sind basisgeneriert (Kap. 3). Die dritte Konstruktion entsteht mittels einer Α-Bewegung aus dem postverbalen Infinitivkomplement heraus (Kap. 4). Extraposition des Relativsatzes im Deutschen ist eine postsyntaktische Bewegungsoperation (Kap. 5). Es besteht sprachübergreifend eine Korrelation zwischen der Stellung des Satzkomplements und der des Komplementierers; das Matrixverb und der untergeordnete Komplementierer tendieren dazu, ihre Komplemente in derselben Richtung zu selegieren (Kap. 6) Es gibt universal weder satzfinale Komplementierer noch durch das Matrixverb direkt selegierte präverbale CP-Komplemente (Kap. 6). Der positionell besondere Status der CP-Komplemente in OV-Sprachen lässt sich daraus deduzieren, dass CPs eine selbständige Spell-out-Domäne bilden (Kap. 6).

Selbstverständlich gibt es noch eine Reihe von Fragen, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht vollständig geklärt werden konnten. Unter anderem trifft dies auf die folgenden Phänomenbereiche zu, die Gegenstand zukünftiger Forschung sein sollten: (7) (8)

Verschiedene Aspekte der Syntax von Infinitiven (u. a. die Möglichkeit inkohärenter Infinitive im Mittelfeld bzw. kohärenter Infinitive im Nachfeld). Eine genauere Charakterisierung der Struktur der Hypotaxe bzw. der Satzeinbettung, aus sowohl typologischer als auch diachronischer Perspektive.

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7. Schlussbemerkungen

Dabei handelt es sich meiner Ansicht nach um Bereiche, die trotz intensiver Untersuchung bis heute nicht gänzlich geklärt worden sind und somit weiterhin Forschungsdesiderate darstellen. Zu Beginn dieser Arbeit habe ich erwähnt, dass die Erforschung von Einbettungsstrukturen (und insbesondere des Phänomens der rekursiven Einbettung) einen zentralen Gegenstandsbereich der modernen Linguistik darstellt. Die vorliegende Untersuchung der Satzkomplementierung im Deutschen, die auch sprachübergreifende Aspekte mit einbezog, hat hoffentlich einen Beitrag zur Klärung dieser wesentlichen Eigenschaften der menschlichen Sprachfahigkeit bzw. der universalen Grammatik geleistet.

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Index

Α-Bewegung (inkl. DP- bzw. NP-Bewegung) 3, 12, 13fn, 16, 17, 20fn, 33, 37, 55, 69-78, 80-82, 84, 93, 183 Α-Position 13fh, 71, 81, 82fn, 93, 137 A-bar-Bewegung 32-34, 37-39, 70-72 A-bar-Position 13 fn A.c.I. 68fn, 78, 83 Adjazenz 45, 51, 66fn, 98, 104, 107, 125, 137-140, 144, 146, 150, 158fn, 163166, 168, 178 Adjektiv 7fn, 9,11, 52-54 Adjektivphrase (AP) 6, 7, 9, 12, 52, 53 Adjunkt 9, 11, 15fn, 18,20, 31,93, 135, 151, 179fn Adjunktposition 32, 35, 43, 139 Adjunktsatz 179fn Adjunktion 13fn, 15, 24, 30fn, 31fn, 32, 37, 39-42, 53, 54, 72, 73, 76, 79fh, 80fn, 94fn, 99-101, 107, 108, 122, 125, 128, 131, 135, 179fn Linksadjunktion 102fn Rechtsadjunktion 30, 31, 32fn, 33,49, 101, 128,134-136, 137fn Adposition 9, 149fn Adverb (inkl. adverbial) 9, 15, 16, 19, 27, 45, 74fn, 90fn, 94, 135, 136,138, 155fn, 179 Manner-Adverb 134 adverbialer Satz 135,136 agentivisch 83,88,90 Agree 60, 76, 87fn Akkusativ 20, 60-62, 80, 82fn, 83-90, 93, 147, 151, 181 nicht-akkusativisch 93 Akkusativlizenzierer 84, 85, 91 Akkusativlizenzierung 60, 83, 86 Akkusativmerkmal 87 Akkusativposition 83 Anapher 62, 71fn, 82fn

Anhebung 19fn, 20, 36,40,46, 66, 70, 76, 83, 87, 91fn, 94, 101 Anhebungskonstruktion 13 fn Anhebungsverb 28, 68fn, 88, 91, 92, 94 appositiver Relativsatz 112fn Argument 18,22,27,31,37,42,46,48, 49, 51fn, 60fn, 74fn, 82, 83, 90, 91, 93, 126, 131,133, 135-139, 166, 168fn, 169, 181fn eingebettetes Argument 3, 82, 83, 86 externes Argument 36, 59, 92 internes Argument 36,61,74-78,80, 92, 164, 178 Argument Shift 136-140, 145fn Argumentposition 167, 181 Argumentsatz (inkl. Satzargument) 50, 115fn, 124fn, 136,168fn Argumentstatus 138, 139 Argumentstelle 53 Argumentstruktur 53, 59, 172 Artikel 124fn Äthiopisch 153fn Barriere 58-60 Basisabfolge, -Wortstellung siehe Grundwortstellung Basisadjunktion 100, 104,106fn, 122 Basisanalyse 13,25, 30, 34, 38, 40-44, 47-54, 106fn, 107, 108, 128, 137, 139 Basisstruktur (bzw. zugrunde liegende Struktur) 1, 3, 8, 12-15, 18, 19,2124, 30, 33, 34, 36, 41-43, 45-49, 51, 57-59, 67, 85, 99, 101-103, 111,113, 124, 129-132, 136, 163, 164, 166 Belebtheit 120fn, 127fo Bengali 134fn, 137, 144, 145, 147-151, 153, 154fn, 156, 159, 161, 162, 168fn, 179, 180 Bewegung 1-3, 9fn, 10, 12, 13, 16-21, 25, 30-33, 35, 37-40, 45-49, 53fh, 55,

208 57, 58, 62, 63, 66fn, 67, 69, 71-85, 87, 93, 96, 98-102, 104-108, 1 lOfh, 114, 116, 117, 120, 123, 124, 126-130, 132, 134-136,138, 139, 163,166fo, 171, 173, 181fn Bewegung nach links 9fh, 16-18, 35, 36, 45, 55, 65-67, 69, 77fn, 78, 82, 94, 99-103,107fn, 126fh Bewegung nach rechts 12, 30, 32, 33, 35, 43, 66fn, 97, 98, lOOfn, 101, 106fn, 107fn, 109, 115, 116, 126fn, 129, 137 herabsenkende Bewegung 67, lOOfn kasusgetriebene Bewegung 12, 13fn, 16, 18fn, 60, 76, 77,81,82 koverte (bzw. unsichtbare) Bewegung 58, 60, 76, 77, 80, 87, 92, 106fn, 149 obligatorische Bewegung, Operation 12, 20, 30,43fn, 46, 47,49, 103fn, 108fn, 132 optionale Bewegung, Operation 36fn, 37, 44, 66,71, 72, 76, 81, 94, 96,115, 143 overte Bewegung lOfh, 20fn, 33, 36, 58, 60, 72, 73, 76, 77, 80-82, lOlfn, 139, 149, 181fn postsyntaktische (inkl. PF- bzw. phonologische) Bewegung 2, 3, 54, 97, 104, 109, 113, 116, 120, 123, 126,128-130, 172, 183 sukzessiv-zyklische Bewegung 171, 173, 174 syntaktische Bewegung, Operation 32, 55, 58, 66fn, 97, 98, 106, 108-111, 113, 114, 116-118, 120, 122, 125, 164fn, 169, 172, 175fn unzulässige Bewegung 37, 77fn Bewegungsanalyse 13,25,30, 33-54, 99, 100, 106-108, 113, 128, 131, 132, 134, 136-138,167 Bezugsnomen 97, 106fn, 107, 117, 122, 124fn Bindung 33, 3 7 ^ 1 , 4 6 , 47, 62, 78, 82fn, 109-112,114 das Bindende (Binder) 33fn, 38, 39 das Gebundene, das zu Bindende 33fn, 38

Index Bindungstheorie (BT) 33, 73, 109,111, 112, 114 Bindungsdomäne 38, 39, 82fn Bindungsprinzip C 38fn, 39,40, 109, 111, 112, 136 bottom-up 32, 139, 174-176 Branching Constraint (BC) 104, 133136, 162, 163,176-179 Bulgarisch 126 C-Kommando 15, 17, 20, 33, 40, 99, 100, 124,133, 135, 136 Canela-Craho 158fn canonical precedence relation 114, 126fh Chinesisch 12, 13fh, 14, 48 CP-Argument 26,49,124fn, 134, 138, 166, 167 CP-Einbettung 62fn, 175, 176, 179 CP-Komplement 2,4,12, 26, 27,132, 136, 138, 140, 142-144, 150, 160-162, 164-169, 179,181-183 Crossing 122 Dänisch 120 Dativ 33, 39, 40fn, 42, 43, 62, 65fn, 78, 80, 82fh, 93, 138, 180 Dativpronomen 40 direkte Redewiedergabe 154,155 Direktionalitätsparameter siehe Kopfparameter DP-Argument 12, 16, 17, 18fn, 61, 103, 132-134, 147,152, 179 DP-Einbettung 2 DP-Komplement, -Objekt (bzw. ObjektDP) 2,9,132,136,142,143,147, 167, 169fn drawidische Sprachen 147, 161 dritte Konstruktion (3K) 1-3, 35, 36fn, 37, 55, 64-72, 75, 77fh, 80-86, 92-96, 168, 169, 183 Einbettung 56fn, 78, 103, 149,166, 170, 179, 184 basisgenerierte Einbettung 103 Einbettung des IK 40fn, 57, 60, 81, 86, 92

Index eingebettete Lesart (inkl. eingebetteter Skopus) 79fh, 93,94 eingebettete vP 179fh eingebettete VP 60,66 eingebettetere 146 eingebetteter SpecCP 58, 62 eingebettetes Objekt (bzw. Argument, Element) 3,60,61,64,81-83,85-87, 92, 108, 178 eingebettetes Prädikat 83 eingebettetes ν 60 inkohärente Einbettung 62, 65, 86, 168fh kohärente Einbettung 29, 57, 58, 6166, 85, 86, 88, 93, 96 nicht-finite Einbettung 150 rekursive Einbettung 1,184 Empty Category Principle (ECP) 22, 104 Englisch 2-4, 6, 8, 10, 12-14,19,20fn, 22fh, 36, 44, 46, 72, 73, 78, 80, 97-99, 102-105, 107fh, 108-110, 112-114, 115fn, 116, 117, 119fh, 133, 134fn, 135, 138, 139fn, 141, 143, 144, 147149,152-154, 156, 159,160, 163, 168fn, 181 Ersatzinfinitiv 68 Expletiv 74,115fn Extraktion 3, 19, 31, 32, 35, 36, 45-47, 57, 59, 63, 66, 67, 82fn, 86, 93, 121, 132, 152fn, 180 Extraktion aus dem IK 55, 62, 64-67, 69, 82, 86 Extraposition 3,25, 26, 30-39,42^44, 46-48, 51, 54, 55, 57fn, 68,97, 114, 115, 128-130, 134, 135, 138, 150, 156, 160 Extraposition als Kohärenzkriterium 58, 65, 67, 68 Extraposition aus einer NP 25,47, 53fn, 104, 115fn, 143 Extraposition des IK 29, 35, 36,42,43, 56fn, 57, 61, 64-68, 82, 84-86, 92, 94, 96 Extraposition des Relativsatzes 1-3,47, 54, 97-130, 135, 140,163, 164, 183 Extraposition des Satzkomplements (bzw. Komplementsatzes) 2, 3,25,

209 26,27fn, 30-35, 37^18, 51-54, 68fn, 97,104, 113fn, 114, 115, 124-126, 128-130, 132, 136-139, 143, 156, 164, 167 mehrfache (bzw. multiple) Extraposition 1,54, 104, 122-126,140 merkmalgetriebene Extraposition 45 fh, 46fn obligatorische Extraposition 46, 108fn, 156 Optionalität der Extraposition 37,46fh, 104, 108,110,114, 115, 125, 128, 160 Trigger der Extraposition 46,167 Faktiwerb 31fn Fernpassiv, Fernpassivierung 57, 58, 60, 61,63,84-86 Fokus 63, 82fn, 86, 90fn, 120, 127fn Fongbe 142, 146 Französisch 103fn funktionale Kategorie 6fn, 7, 10, 20, 131, 152, 165, 166, 177 funktionale Projektion 6,16-21,132, 162, 165fn funktionaler Kopf 10, 85fn, 161, 162, 177fn funktionales Verb 96 GB-Theorie, -Modell 12, 14, 17, 46 Gbadi 142,146,155 Georgisch 159 Gerundium 147 globale Harmonie 165 Grundwortstellung (inkl. Basisabfolge bzw. -Wortstellung) 41,44, 165fn Head Movement Constraint 83 Heavy NP Shift (HNPS) 44, lOOfn, 143 Hindi 142,145fh, 146, 149,161 Hineinzwängen (inkl. tucking-in) 126 improper movement siehe Bewegung, unzulässige indoarische Sprachen 142, 145, 147 Infinitiv 25,28,29, 55, 56, 60,61, 6466, 68, 73,82, 83,93, 183

210 Infinitivteil 28, 36, 57fn, 61, 65, 84, 88, 94, 95 infinitive Komplementierung 3, 35,40 Infinitivgruppe 115 Infinitivkette 66fn Infinitivkomplement (IK) 2, 3,25, 28, 29, 34-36, 37fn, 40fn, 43, 55-69, 8082, 85-88, 90, 92, 94, 95fn, 96, 132, 155fn, 161, 168, 169, 183 Infinitivmarkierer 10, 56fn I(nfl) 6fn, 7, 10, 11,23,27,38,46,51 Informationsstruktur 44,45, 76, 81, 121, 127fn inkohärent (inkl. Inkohärenz) 56-65, 67, 68, 85, 86,168, 169, 183 Inkorporation 58, 83, 84, 87 Insel 31,35,45,47,80,96,107,132 Interface 22, 72, 170-174, 179fn intonatorische Phrase 105, 118 Intraposition 29,40,44,45, 57, 61, 65, 66, 68, 82, 84fh, 85, 86, 143, 158fn, 160, 169 IP-Komplement 163 Japanisch 2, 6fn, 7-9, 11-14, 19, 20, 22fh, 46, 74fn, 78-80, 138, 141, 143, 144, 148fn, 151-156, 159-162, 168fn, 180, 181 Kambera 149 Kanuri 156 Kasus 3, 16, 18fn, 19fh, 20, 36, 60fn, 61, 82, 87, 93, 132 Kasus-Clash 88 Kasuskonvertierung 61, 86 Kasuslizenzierung (bzw. -Überprüfung) 16, 22, 60, 61, 64, 72, 75-78, 80-84, 86, 88, 93,96, 132 Kasusmarkierer,-partikel 153fn, 156 Kasusmerkmal 76, 77, 80, 81, 83fn, 87 Kasusphrase 22, 166 Kasusposition 13fh, 19fn, 77, 82 Kasustheorie 72 Kasuszuweisung (bzw. -markierung) 73, 83,84, 92, 132, 147 kataphorisches Pronomen 150fn, 167fn

Index kernsyntaktisch 97, 98, 104, 113, 117, 120, 121 Kette (chain) 87, 139fn A-bar-Kette 47,70 w/z-Kette 47 Kibena 153fn Klitikbewegung 13fn Klitisierung 13fn kohärent 3, 29, 56-66, 68, 80, 82-86, 88, 93,96, 168,169, 183 Kohärenz 28, 55-65, 66fn, 68, 85, 92, 96, 168,169 Kohärenzfeld 56 Kohärenzkriterium, -test 56-58, 63, 67, 168 Komplement 1,2, 5, 8-12, 14-17,20-22, 30,45, 52fn, 53fn, 133, 135, 136, 139, 141, 147, 149, 151, 155fn, 164, 165, 169fh, 170, 172-174, 176, 177, 182fn, 183 Komplementierer 3,49, 79, 131, 140, 141fn, 142, 144-150, 152-157, 158fn, 159-163, 165, 166, 181fn, 183 (kopf)finaler Komplementierer 4, 144fn, 145, 148, 149, 153, 154fn, 155fn, 157, 158fn, 160-163, 165, 183 (kopf)initialer Komplementierer 4, 140, 144fn, 145, 148, 150,156-162, 166, 168, 169fh, 182 lexikalischer Komplementierer 162 Komplementiererkongruenz 172 Komplementiererstatus 140, 148, 149, 153, 154, 158 Komplementposition 25, 34, 36, 101, 104, 125 Komplementsatz (inkl. satzwertiges Komplement, Satzkomplement, -komplementierung) 1-3, 9,11, 12, 14, 16, 24-35, 37-55, 96, 97, 104, 113fn, 114, 115, 124-126, 128-134, 136-152, 154fn, 155fn, 156-161, 163, 164, 166-169, 171, 174, 175, 178, 179, 181-184 Komplementstatus 149, 160 Kongruenz 38,86,92 Kontrolle 56,62,73,76 Kontrolleur 59, 74fn, 75, 76

Index Kontrollinfinitiv, -IK 28, 56, 57, 59 Kontrollverb 56fn, 57, 61, 86, 88, 92, 168fn Kopf 2, 5, 8-12, 13fn, 14-17, 20-22, 24, 38,45, 46fn, 48, 53, 85fh, 87, 90, 93, 97-101, 104, 107, 124-126, 132, 135, 136,138,139,144,148,152,156, 161-164, 167, 169, 170, 172-174, 176, 177, 182 nicht-lexikalischer Kopf 177fn Kopf-Komplement-Abfolge 8,12, 14, 16, 21-23,49, 131, 132, 135, 136, 170 Kopfbewegung 87, lOlfn, 162, 164fn kopffinal 2, 6fh, 7fh, 9-12, 13fn, 14, 1618, 20,21,30,48, 52,131, 133, 136, 143, 144, 145fn, 147, 148fn, 149-151, 160-163, 165, 166, 177, 179,181, 182 kopfinitial 3, 6fh, 8, 10, 12,14fh, 16-18, 21, 136, 144fn, 148fo, 160,162, 164, 177, 182 Kopfparameter (inkl. Direktionalitätsparameter) 2, 3, 6, 8, 12, 14, 16, 17, 2024,48, 144, 160, 164, 168-170,179, 181, 182 Kopie 103,108,179 Kopula 53 Koreferenz 33fn, 109, 111 Korrelat 25fn, 31fh, 134fn, 145fn, 167fn L-Markierung 31 Lakota, Lakhota 159,160 LCA (Lexical Correspondence Axiom) 15-21,49, 99, 101-103, llOfn, 132136,163 lexikalische Kategorie 6, 7, 9,11, 13, 165fn, 166 lexikalischer Kasus 93 lexikalisches Verb 43, 50, 51, 53, 62, 83, 87, 96, 137 LF 3, 21, 33, 34, 37-39, 46, 76, 79fh, 97, 105, 108-113, 116, 130, 137,138 Linearisierung 2-4, 14, 23,24,131,170, 171, 175-182 linke Peripherie 1, 40, 63, 146, 183 Lokalität 62, 98, 100,106, 107, 109fn, 110, 116,122,127, 129 lowering siehe Bewegung, herabsenkende

211

Maledivisch 168fh Maximierungsprinzip 77fn Megrelisch 145fn, 157-159 Merge (inkl. Verkettung) 74, 75, 139, 174, 175, 178 Merkmal 16, 17, 46fn, 55, 57fn, 62, 65, 68, 76, 80, 81, 83, 87, 114, 126, 151fn, 174fn Merkmalbewegung 76, 83, 87 merkmalgetrieben 45fn, 72, 81 Merkmalüberprüfung 55, 77fn Minimalismus, minimalistisch 2,21, 132, 139 Mittelfeld 3,25-30, 33-35,40,41,4346, 49, 51, 52, 57fn, 63, 64, 66, 81-83, 88fn, 90fn, 95fn, 114, 115, 117fn, 123, 128, 129, 130fo, 168, 169, 178, 179fn, 183 Modalverb (inkl. Hilfsverb) 51, 57fn Halbmodalverb 87 Mongolisch 153fn Nachfeld 1, 3, 9fn, 24-30, 33-35, 37, 42-44,47,49-51, 54-56, 57fn, 63fti, 64, 65, 67-69, 80, 81, 83, 86-88, 91, 94-97, 103, 114-118, 123, 125, 127, 129-132,134, 137, 145fn, 167-169, 179fn, 183 Nesting 122 negatives Polaritätselement (NPI) 40, 101, 109, 112 Niederländisch 10, 16, 106fn, 155fti, 166fn, 169fn Nomen 5, 10,46, 107, 126fn, 148,152, 158, 167 Nominalisator 157 Nominalisierung 154fn, 156, 157, 168fh, 169 Nominativ 20, 60, 73, 75, 76, 78, 85-88, 89fn, 90-92, 96, 180 Nominativlizenzierung 60, 76, 77, 86-88 Nominativmerkmal 87 Nominativobjekt 20 Nominativsubjekt 3, 92 NP-Bewegung siehe A-Bewegung NP-Komplementierung 153fh Nullkasus 64fn

212 Numeration 174fh Oberfeld 58,67,68,94 Object Shift (OS) 120 Objekt 9, 1 lfh, 16, 19, 20, 28, 30fn, 33, 35, 39,43,60, 62, 72, 75, 76, 81, 83, 84, 101, 138, 147, 155, 159, 180, 181 direktes Objekt 19,60,72-74,76-78, 86, 105, 121, 147, 174, 180, 181 eingebettetes Objekt 60, 61, 64, 81, 85 indirektes Objekt 42fn, 72, 73fn, 74fn, 76, 78, 121,128, 139, 174, 178 nominales Objekt, Komplement 4, 5, 1 lfh, 48, 83, 84, 141,142, 150,156, 157, 176, 177, 182 sententielles Objekt (inkl. Satzobjekt, satzwertiges Objekt, Objektsatz) 5, 1 lfh, 26, 27,48, 115, 136, 140-142, 143fn, 145, 146, 148, 151fn, 152-154, 156, 158-161, 164, 166,179-182 Objektposition 75, 99, 134fh, 142, 178, 181 eingebettete Objektposition 87 obliqueness hierarchy 39fn Ökonomie 3,55,69,72,74,75,77-81, 96 Word Order Economy 36fn opake Domäne 19 Operator 70, 109fn Operatorbewegung 37, lOlfn Operatorenbindung 38fn Operatorposition 80 Optimalitätstheorie 127,130fn OV (-Sprache) 1,2, 5, 7, 1 lfh, 13fn, 14, 16,18, 20-22, 30fn, 48, 103, 114, 131-133, 134fn, 136,138, 139fn, 140-144, 146, 147, 150,151,157, 160-162, 165fh, 166, 167, 169, 177, 182, 183 Partikel 18, 155, 156 Partikelverb 53 Parsing (inkl. Verarbeitung) 17,29,44, 47, 135, 142, 143,144fn, 165 Passiv 36,60,61,72-75, 77fn, 78, 80, 84-87, 89, 91fh, 95, 180 unpersönliches Passiv 89

Index Persisch 141, 146, 148, 150,151, 153, 154,155fn, 161, 166, 179, 180 PF (inkl. phonologische Komponente, Ebene) 2, 3, 14, 21-24, 36fn, 51, 68fn, 72, 104, 108-110, 118, 139, 163, 164, 170-178,179fn PF-Bewegung siehe Bewegung, postsyntaktische Phase 2, 4, 36fn, 60, 170-179, 182fn Phasenkopf 170-174 phonologische Merkmale 76,114,120 phonologische Bewegung, Operation siehe Bewegung, postsyntaktische phonologische Phrase 105 phonologische Repräsentation 175, 180 phonologische Restriktion 24fn Postposition 5, 6fn, 10, 12, 144fn, 149, 152, 153fh, 158fn, 160 postsyntaktische (inkl. PF- bzw. phonologische) Bewegung, Operation siehe Bewegung, postsyntaktische postsyntaktische Komponente, Ebene 2, 117, 119, 120fh, 125, 128, 130 postsyntaktische Regel 117, 118, 129 postverbale Basisposition 24, 47 postverbale Position 26, 135, 147,167 postverbales Adverb 135 postverbales DP-Komplement 12,143, 147, 150, 182 postverbales IK 2, 3, 43, 55, 56, 96, 149, 168, 169, 183 postverbales Komplement 10,16,151 postverbales Satzkomplement 2-4, 11, 12, 14, 27, 29,48, 55, 96, 104fo, 128, 131, 133, 134fn, 137,139-144,145fn, 146, 147, 150, 151, 156-161, 164, 166, 167, 169, 174,175, 178, 182,183 Prädikat 17, 18, 36,46, 61, 70, 82, 83, 147, 148fh Präposition 5, 9, 12 Präpositionalphrase (PP) 6, 7, 9, 10, 12, 39fh, 53, 64, 80, 93, 101, 102, 126fn, 134fn, 148, 149, 153fn, 160, 161, 165, 166, 179 PP-Einbettung 2 PP-Komplement 9, 165

Index präverbale Position, Stellung 9, 11, 16, 18, 26, 142, 145in, 169 präverbales DP-Komplement 18fn, 141, 143, 182 präverbales IK 56, 151, 168, 169, präverbales PP-Komplement 9, präverbales Satzkomplement 2, 3, 26, 48, 134fn, 140, 143, 146-148, 150, 155fn, 156-162, 166,179, 181-183 pro 73-76,92,154 PRO 59, 60-64, 73-76, 82fn PRO-Theorem 64fh Pronomen 10,13fn, 39,40, 63,78, 135, 160, 180 Pronomenbindung 71 in pronoun fronting 63 proper binding condition 99, lOOfn, 181fn pseudo-raising 180 Pseudoscrambling 3, 69-72, 75, 77, 8084, 93, 96 Pseudoscramblingmerkmal 81 Quantor 70,78,11 Oih gefloateter Quantor 83 Quantorenbindung 71, 78fn, 109, 112 Quechua 162 Quotativ (inkl. quote) 148, 149, 155fn direct quote 155 quotative particle 154fn rechte Peripherie 1,47,183 Rechtsverzweigung 104, 131,133, 135, 176 reduced non-restructuring 62-64, 82fn, 86 Rekonstruktion 33,34,37-41,46,47, 69-71, 73, 78, 79, 103, 104, 1 lOfn, 113-116, 130, 173fn Anti-Rekonstruktionseffekt 140 Rektion 25, 28,30, 34, 43,46,48fii, 51, 56fh, 57, 67, 83, 107,129, 164, 167, 181 relativierte Minimalität 60 Relativpronomen 102, 148, 151, 165

213 Relativsatz 1-3, 5,25,47, 54, 56,97-104, 106-109, llOfn, 111-130, 135, 140, 143,150fh, 163, 164, 165fn, 183 Remnant-Extraposition 36fn, 64, 95fn remnant-IK 35, 36fn, 66, 67, 95fn remnant movement 36, 37 remnant-PP 102 remnant-VP 51fh right node raising 107fn romanische Sprachen 13fn Russisch 120 S-Feld 95fh Satzargument siehe Argumentsatz Satzeinbettung 61, 139fn, 141 fh, 143145, 147-149, 152, 157, 159, 160, 163, 164, 166, 175, 179, 183 satzgebunden 107, 119, 127fn Satzobjekt siehe Objekt, sententielles Schwedisch 120 Scrambling 31, 35-37, 44,45, 55, 57, 59, 62-66, 69-74, 76-83, 96, 103, 110, 111, 114,120, 121,128, 145, 178,179 focus scrambling 63, 64, 82fn langes Scrambling 35,64-67,69,71, 79, 80, 82fn, 83fn, 92, 180, 181fh non-focus scrambling 63 string-vacuous scrambling 35, 36fn, 66 Scramblingmerkmal 72, 76, 77, 81, 93 sekundäres Prädikat 9, 18,53, 134 Selektion 2,9, 11, 31-33, 49, 50, 53fn, 54, 55, 61, 64, 65, 88, 92, 126, 134fh, 138,144, 146, 148fn, 149-151, 158fn, 160, 161,163-169,172,179-183 Selektionsrichtung 2,12-14,49,136, 164-167 Skopus 20,40, 56fn, 69-71, 77-79, 93, 94, 11 Oih Skopusambiguität 69, 70, 77-79 SM (sensorimotor) (-Interface) 170fn, 173 Small Clause 17 Sondierer (probe) 81 Spell-out 2, 22-24, 76, 98, 110, 138, 170-179,182 zyklischer Spell-out 2,4,169,170

214 Spell-out-Domäne (SOD) 2,4, 170-175, 177-183 Spur 36fn, 39, 47, 70fn, 97, 99, 102, 108, 115, 122, 137-139,164, 179, 181fn A-bar-Spur 47 Status 28, 56fn, 168fn Statusrektion 6 4 , 6 5 , 6 8 , 9 1 stilistisch 29fn, 98, 104, 108, 110, 111, 113-116, 120, 127 strict cycle condition (SCC) 32 struktureller Kasus 60fn, 64, 87, 93, 96 Subjekt 3, 5, 36, 38, 39, 62, 70, 73, 74fn, 75, 76, 82fn, 83, 88, 90,91fn, 92, 99, lOOfn, 101-103, 136, 147 Subjektposition 36,73-78,154 Subjektsatz 36fn Subordinationsmarkierer 148, 153, 158fn, 159, 168 Thai 6fn Themaverb 90 Theta-Kriterium 30fn Theta- (bzw. thematische) Rolle 53 Thetamarkierung, -Zuweisung 30, 46, 51, 53 Thetamerkmal 83fn Thetaposition 13fii top-down 175 Topikalisierung 3, 19, 37, 39, 4 1 ^ 3 , 51, 58, 64fn, 91fn, 99, 118, 145fn, 164 Topikpartikel 153fh Topikposition 28, 38 Transfer 170fn, 173 tucking-in siehe Hineinzwängen Tungusisch 153fn Türkisch 141, 145fti, 146, 147, 150, 151, 156 Udmurtisch 153fn unakkusativ (inkl. ergativ) 73, 74, 78, 89, 91 Uniformity of Theta Assignment Hypothesis (UTAH) 48ίη,49, 137 Universal Base Hypothesis 9fn, 15 Unterfeld 67 Usbekisch 147, 153fn, 156

Index V2 49,157,162,163 V2-Relativsatz 103fn Variable 70,113 Vata 142, 146, 155fh Verarbeitung siehe Parsing Verb 1 - 3 , 8 , 9 , 11, 13fn, 14, 1 6 - 2 0 , 2 4 34, 3 6 , 4 1 - 4 3 , 4 5 , 4 8 - 6 2 , 64-68, 83, 84, 86-96, 104, 114, 116, 118, 124, 125, 128-134, 136-142, 144-147, 149-151,153fh, 154, 155, 158fn, 159-161, 163, 164, 166, 168-170, 174, 178-183 Aspektverb 87 Brückenverb 31fn ditransitives (bzw. dreistelliges) Verb 94, 133 einbettendes Verb 29, 57, 91, 92, 132, 168fn eingebettetes Verb 6 7 , 8 3 , 8 4 , 8 8 - 9 1 , 94, 96, 155fn, 168, 180 finites Verb 8, 10, 11, 19, 23, 38, 154fn, 164fn infinites (bzw. nicht-finites) Verb 28, 90,91, 147 Infinitivverb 25, 27 periphrastisches Verb 24fn Phaseverb 87 transitives Verb 60, 84 verbum dicendi 148, 153, 155, 156 verbal lOfn, 41, 50, 51fn, 52-54, 66, 67, 87,91, 92, 140,145fn, 148, 149fn, 160, 168fn, 174, 179 nicht-verbal 18, 66fn, 94 Verbanhebung (inkl. Verb Projection Raising) 30fn, 58, 66, 67, 94-96, 166fn Verbbewegung 10,22fn, 30fn, 38, 67, 133 Verbfinalität 117 Verbinkorporation siehe Inkorporation Verbpermutation, -Umstellung 58, 67, 94, 95 Verbalkomplex 50-54, 59, 62fn, 66fn, 140, 150 Verkettung siehe Merge VO (-Sprache) 2, 5,13fn, 16, 18, 20,22, 48, 133, 138, 139fn, 141, 165fn

Index Vorfeld 28,39,42,43,91,183 VP-Adjunktion 41, lOOfn, 135 VP-Analyse (zur Kohärenz) 59, 62-64 VP-Einbettung 2, 60, 62fn, 66 VP-Topikalisierung 19,32,41-43,50, 51fn weak crossover 71fn, 180 Westfriesisch 149, 155fn ^-Bewegung (bzw. -Extraktion) 20fn, 32-35,46,47, 78-80, 99, 107, 115fn, 138, 139, 173fn, 181fh JFTz-Merkmal 80 ^ - P h r a s e 32, 78-80, 126, 164

215 Wortstellung 2, 3, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 14, 15, 17, 20fn, 21, 22, 24, 41, 42, 44, 49, 117fn, 127, 128, 131, 136, 143, 150, 157, 160, 161, 165fn, 166, 169, 170 X-bar-Theorie

17,53

Zentraleinbettung 143 Ziel (goal) 81 Zirkumposition 10 Zitatpartikel 154fn, 159 zitierte Rede 154, 155fn, 159 Zyklizität 32,107fn, 125, 139, 171