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German Pages 256 Year 2003
Katharina von Falkenhayn . Augenblick und Kairos
Philosophische Schriften Band 52
Augenblick und Kairos Zeitlichkeit im Frühwerk Martin Heideggers
Von
Katharina von Falkenhayn
Duncker & Humblot . Berlin
Die Philologisch-Historische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6053 ISBN 3-428-11103-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Dem Andenken meiner Großmutter Maria von Falkenhayn und meines Großonkels Dr. Hermann Klauer gewidmet
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 2002 von der Philologisch-Historischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Mein erster Dank gilt meinem akademischen Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Severin Müller. Er hat mir den Zugang zu Heidegger erschlossen. Seine Offenheit, seine Anteilnahme am Fortschritt meiner Arbeit und seine uneingeschränkte Unterstützung haben mir großen Rückhalt gegeben. Herrn Prof. Dr. Alois Halder danke ich sehr herzlich für das Koreferat sowie die Hilfsbereitschaft und das rege Interesse, mit dem er die Entstehung dieser Arbeit begleitet hat. Herrn Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm von Herrmann gebührt Dank für die Förderung bei der Veröffentlichung. Seine präzise Lektüre der Texte Heideggers war mir Vorbild für mein Arbeiten. Für die Diskussion meiner Thesen und die Klärung wichtiger Fragen bin ich Herrn Prof. Dr. von Herrmann und Frau Dr. habil. Paola-Ludovica Coriando ebenfalls zu Dank verpflichtet. Die Gespräche mit Herrn Dr. Dr. Günther Neumann und Herrn Prof. Dr. Herman Philipse sowie die Hinweise von Herrn Prof. Dr. Theodore Kisiel, Herrn Prof. Dr. Rainer Marten und Herrn Prof. Dr. Manfred Riedel gaben mir wertvolle Anregungen. Herrn Prof. Dr. Richard Wisser danke ich für die Wegweisungen bei meinem Philosophie studium. Frau Ute Forner bin ich dafür dankbar, daß ich in Augsburg immer wieder ein Zuhause gefunden habe, den Bibliothekaren der Universität Augsburg, insbesondere Frau Carola Neidhart und Herrn Felix Lukas, für die stets freundliche Hilfsbereitschaft. Frau Karin Hutflötz schulde ich Dank für kritische Lektüre und wichtige Hinweise. Ein Promotionsstipendium der Konrad-AdenauerStiftung gab mir die Möglichkeit, mich ganz der Untersuchung zu widmen. Mein besonderer Dank gilt Frau Anita Blanc. Ihr großzügiger Zuschuß zu den Drucklegungskosten hat zusammen mit der finanziellen Förderung meiner Eltern die Veröffentlichung dieser Arbeit ermöglicht. Meinen Eltern danke ich darüber hinaus für ihre liebevolle Zuwendung, mit der sie auf vielfältige Weise die Entstehung dieser Arbeit gefördert haben. Meinem Mann, Veit Elm, bin ich für die rückhaltlose Unterstützung, die vielen philosophischen Gespräche und die Anregungen, die ich dadurch erfahren habe, aber auch auf für seine tatkräftige Hilfe bei der Korrektur sehr dankbar. Berlin, im Januar 2003
Katharina von Falkenhayn
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung.......................................................... I. Fragestellung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
1. Thematische Abgrenzung . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. 2. Gang der Untersuchung........................................ a) Ausgangsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Ziel und Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Die Problematik von "Sein und Zeit" und der Augenblick. . .. .. d) Vorgehensweise und Etappen. .. .. . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . .. .. 11. Kairos und Augenblick: Sprachgebrauch, Geschichte und begriffliche Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Alltäglicher Sprachgebrauch und begriffliche Abgrenzung von "Augenblick" und "Kairos" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Etymologie von "Kairos" und "Augenblick". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Die Wort- und Begriffsgeschichte des "Kairos" in der Antike. . . . .. 4. Die begriffliche Abgrenzung von "Kairos" und "Exaiphnes" . . . . . .. 5. Zusammenfassung der verschiedenen Bedeutungen von "Kairos" . .. 6. Der Wortgebrauch von "Augenblick" statt "Kairos" bei Heidegger .. III. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
B. Kairologisches Denken bei Martin Heidegger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
1.
Der Augenblick in "Sein und Zeit". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Die existenzial-ontologische Analytik des Daseins . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die Erschlossenheit des Daseins. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Erschlossenheit und Verstehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Erschlossenheit und Befindlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Die Alltäglichkeit des In-der-Welt-seins und das Verfallen.. (1) Das Man. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . .. (2) Das Verfallen als Existenzial ........................ (3) Die uneigentliehe Erschließung im Verfallen. . . . . . . . . .. b) Die Sorge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Die Bedeutung des Sein-bei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (1) Ontologische Struktur und Wesensmerkmale des Seinbei............................................... (2) Eigentliehkeit und Uneigentlichkeit des Sein-bei. . . . . .. bb) Eigentliehkeit und Uneigentlichkeit der Sorge. . . . . . . . . . . .. ce) Die Ganzheit des Daseins und das Sein zum Tode. . . . . . . .. (1) Das Sein zum Tode. . .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. (2) Vorlaufende Entschlossenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
13 13 13 15 15 17 19 21 23 23 25 26 33 34 37 40 58 58 58 58 61 66 68 68 69 72 74 75 76 81 84 86 87 91
10
Inhaltsverzeichnis c) Zusammenfassung.......................................... 2. Zeitlichkeit................................................... a) Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Entschlossenheit als Freiheit zur Nichtigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Entschlossenheit und Entschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Eigentliche Seinsmöglichkeit und Situation ................ cc) Schuldigsein und Gewissen-haben-wollen ................. c) Der Sinn der Sorge ist die Zeitlichkeit. ....................... aa) Die ekstatisch-horizontale Zeitlichkeit der Sorge. . . . . . . . . .. bb) Der Primat der Zukunft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Zeitlichkeit der Erschlossenheitsmodi. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zukunft und Gewesenheit ............................... bb) Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . (1) Das "Gehalten" der Gegenwart der Entschlossenheit. ... (2) Das "Auf-dem-Sprung-Halten" und der Augenblick .... (3) Primäre Zeitigung der Gegenwart .................... (a) Gegenwart als primäre Zeitlichkeitsekstase des Verfallens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (b) Gegenwart als primäre Zeitlichkeitsekstase des umsichtigen Besorgens. . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. (c) Gegenwart des Entdeckens von innerweltlich Vorhandenem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Das Jetzt des "vulgären" Zeitbegriffs ......................... f) Zusammenfassung.......................................... 3. Augenblick ................................................... a) Augenblick und eigentliche Gegenwart im Kontext von Entschluß und Entschlossenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ständigkeit und Jeweiligkeit. ............................ bb) Bestimmung, Gewißheit und Jeweiligkeit ................. cc) Das Verhältnis von Augenblick und "eigentlicher Gegenwart" b) Augenblick als ekstatisch-horizontales Phänomen .............. aa) Die Aktion der augenblicklichen Ekstase. . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Das Ekstatische des Augenblicks ......................... (1) Augenblick als ekstatische Zeitigung der Einheit der Zeitlichkeitsekstasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Augenblick und der Vorrang der Zukunft .......... (3) Die Jeweiligkeit der Augenblicksekstase .............. cc) Der ekstatisch-horizontale Augenblick und die ursprüngliche Zeit .................................................. dd) Exkurs: Augenblick, Blick und Lichtung .................. c) Augenblick, Ruf und Antwort ............................... aa) Ruf und Hören ....................................... . bb) Antwortgebendes Handeln ........... , .................. cc) Exkurs: Augenblick und Verantworten ....................
92 94 94 97 98 100 105 107 108 112 113 115 117 118 120 121 123 124 125 126 128 129 130 130 135 138 139 139 142 142 144 147 148 151 155 155 159 161
Inhaltsverzeichnis
11.
111. IV.
V. VI.
d) Der Augenblick, die Seinsfrage und der Vorwurf des "Scheitems" von "Sein und Zeit" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung .......................................... Der Kairos in Heideggers Auseinandersetzung mit dem christlichen Zeitverständnis .................................................. 1. Der Kairos im Neuen Testament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. "Einleitung in die Phänomenologie der Religion" ................. 3. Heideggers Anlehnung an den Kierkegaardschen Augenblick ....... a) Der Augenblick bei Kierkegaard. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . b) Der Einfluß Kierkegaards auf Heideggers Interpretationen des Augenblicks ............................................... 4. Heidegger und der Kairos bei Paul Tillich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Kairologische Charaktere und Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Der Augenblick in Heideggers Auseinandersetzung mit Aristoteles. . . .. 1. Die Zeit des Handeins bei Aristoteles .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heidegger und die Zeit des Handeins bei Aristoteles .............. a) Der "Natorp-Bericht" und die Marburger Vorlesung "Platon: Sophistes" (1924/25) ......................................... b) Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Aristotelischem Kairos und Augenblick in "Sein und Zeit". .. . . . . . .. . .. . .. . . . . . . .. . . . Der Augenblick in "Grundbegriffe der Metaphysik" .................. Augenblick und Augenblicksstätte in "Beiträge zur Philosophie" - ein Ausblick ........................................................
11
164 170 172 173 174 181 181 185 191 193 196 196 199 201 206 210 216
C. Zusammenfassung und offene Fragen ........................ . ....... 221
Tabellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Personen- und Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
Abkürzungsverzeichnis Abt.
Abteilung
Anm.
Anmerkung
Apg.
Apostelgeschichte
Bd.
Band
DK
Diels, H.: Die Fragmente der Vorsokratiker, hrsg. v. W. Kranz, Berlin 19568 •
GA
Gesamtausgabe
Gal.
Brief an die Galater
hrsg.
herausgegeben
i.e.
id est
Kol.
Brief an die Kolosser
Kor.
Brief an die Korinther
Lk.
Evangelium nach Lukas
Mk.
Evangelium nach Markus
Mt.
Evangelium nach Matthäus
Nr.
Nummer
Petr.
Brief des Petrus
S.
Seite
SoSem
Sommersemester
Sp.
Spalte
Thess.
Brief an die Thessalonicher
Tim.
Brief an Timotheus
Titus
Brief an Titus
u.a.
unter anderem
WiSem
Wintersemester
A. Einleitung I. Fragestellung der Arbeit 1. Thematische Abgrenzung
Eine Untersuchung, die sich mit dem "Augenblick" und dem "Kairos" bei Martin Heidegger beschäftigt, kann die Erwartung wecken, daß die Frage beantwortet wird, was Zeitlichkeit, was Augenblick und was Kairos "nun tatsächlich" sind. Der Wunsch, das Wesen von Zeit, Augenblick und Kairos zu verstehen, ist alt. Was Augustinus über die Zeit schreibt, gilt auch für Augenblick und Kairos: "Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich einem Fragenden es erklären, weiß ich es nicht." 1 Statt eindeutiger Definitionen bietet die Philosophie geschichte Erklärungsversuche an, die sich auf die Schlüssigkeit der Argumentation berufen oder sich auf die Erfahrung von Zeit stützen. Obwohl sich eine Vielzahl von Philosophen - und nicht nur diese - mit der Frage nach der Zeit beschäftigt hat, scheint die Zeit bis heute, nicht anders als für Augustinus, unfaßbar. Ob Zeit als unumkehrbare Aneinanderreihung von Jetztpunkten (Aristoteles), als Einheit von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft (Augustinus), als eine absolute Größe (Newton) oder als die reine Form der Anschauung (Kant) verstanden werden muß, ob sie als "Dauer" (Bergson) oder "lebendige Gegenwart,,2 (Husserl) aufzufassen ist, bleibt in dieser Arbeit unbeantwortet. Ebensowenig wird hier untersucht, wie Zeit und Augenblick empirisch erfahren werden. Diese Frage wurde und wird in der philosophischen Forschung,3 in Kunst und Literatur bereits intensiv behandelt.4 I Augustinus, A., Bekenntnisse. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von J. Bemhart, Frankfurt a.M. 1987, 11. Buch, 14/17, S. 629. 2 Vgl. Husserl, E., Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins (18931917), Husserliana 10, Den Haag 1966, S. 54. Zur "Zeit" bei Edmund Husserl siehe: Orth, E. W., Zeit und Zeitlichkeit bei Husserl und Heidegger, Freiburg/München 1983; Bemet, R., Die Frage nach dem Ursprung der Zeit bei Husserl und Heidegger, Heidegger Studien 3/4 (1987/88), S. 89-104; Müller, S., Ordnung der Dinge und "heraklitischer Fluß des Bewußtseins". Zeit als Übersetzung, Umsetzung, Auseinandersetzung, in: Jahrtausendwende - Beobachtungen zum Phänomen "Zeit", Ringvorlesung Philosophische Fakultät Ir der Universität Augsburg, Manuskript, S. 20 ff. 3 Einen Überblick zum Thema "Zeit" bieten: Gent, W., Das Problem der Zeit. Eine historische und systematische Untersuchung, Frankfurt a. M. 1934; Perpeet, W., Was ist Zeit?, in: Studium Generale, Jg. 8, Heft 9 (1955), S. 530--545; Kümmel,
14
A., I. Fragestellung der Arbeit
In dem hier unternommenen Versuch geht es ausschließlich darum, das Phänomen des Augenblicks im Rahmen des Konzepts der Zeitlichkeit bei Martin Heidegger zu verstehen. Das Ziel der Analyse besteht nicht darin, Heideggers Erklärungsmodell von Zeit und Augenblick als richtig oder falsch zu bewerten. Ebensowenig geht es um einen ausführlichen Vergleich von Heideggers Augenblick mit anderen Auffassungen des Augenblicks. Statt dessen will die Untersuchung zeigen, was Heidegger bis zur Niederschrift der "Beiträge zur Philosophie" unter "Augenblick" bzw. "Kairos" versteht. Die Arbeit konzentriert sich deshalb auf die textimmanente Interpretation von "Sein und Zeit" sowie die einschlägigen Vorlesungen aus der frühen Zeit Martin Heideggers. 5 Sie verfolgt die Absicht, durch die Klärung F., Über den Begriff der Zeit, Tübingen 1962; Smith, J. E., Time, Times, and the
Right Time. Chronos and Kairos, in: The Monist 53 (1969), S. 1-13; Smith, J. E., Time and Qualitative Time, in: Review of Metaphysics 40 (September 1986), S. 316. Einen philosophiegeschichtlichen Überblick zum Thema "Augenblick" und "Kairos" findet sich in: Gawoll, H.-J., Über den Augenblick. Auch eine Philosophiegeschichte von Platon bis Heidegger, in: Archiv für Begriffsgeschichte 37 (1994), S. 152-179; Kerkhoff, M., Kairos, in: Ritter, J./Gründer, K. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, Darmstadt 1976, Sp. 667-669. Sowie zu Augenblick bei einzelnen Autoren: Wohlfahrt, G., Der Augenblick: Zeit und ästhetische Erfahrung bei Kant, Hegel, Nietzsche und Heidegger; mit einem Exkurs zu Proust, Freiburg/München 1982; zu Platon: Beierwaltes, W., 'El;aLqJVT]\; oder: Die Paradoxie des Augenblicks, in: Philosophisches Jahrbuch 74 (1966/67), S. 271-283; Link, Ch., Der Augenblick. Das Problem des platonischen Zeitverständnisses, in: Link, Ch. (Hrsg.), Die Erfahrung der Zeit. Gedenkschrift für Georg Picht, Stuttgart 1984, S. 51-84; zu Nietzsche: Stambaugh, J., Untersuchungen zum Problem der Zeit bei Nietzsche, Den Haag 1959; Salaquarda, J., Der ungeheure Augenblick, in: Nietzsche Studien. Internationales Jahrbuch für die Nietzsche Forschung 18 (1989), S. 317-337; Wohlfahrt, G., Mittags - Zeit und Zeichen bei Nietzsche, in: Borsche, T./et al. , Zeit und Zeichen. Schriften der Academie du Midi, Bd. 1, München 1993, S.249-266. 4 Siehe die Beiträge in Thomsen, Ch. W./Holländer, H. (Hrsg.), Augenblick und Zeitpunkt. Studien zur Zeitstruktur und Zeitmetaphorik in Kunst und Wissenschaften, Darmstadt 1984, von Drost, W., "L'instantaneite". Schönheit, Augenblick und Bewegung in der Malerei von David bis Duchamp und in der frühen Photographie; Durzak, M., Der Augenblick als strukturbildendes Element der Kurzgeschichte; Henckmann, W., "Jedes Kunstwerk ist ein Augenblick". Versuch eine These Adornos zu verstehen; Holländer, H., Augenblicksbilder. Zur Zeit-Perspektive in der Malerei; Neumann, G., Wissen und Liebe. Der auratische Augenblick im Werk Goethes; Pochat, G., Erlebniszeit und bildende Kunst. Sowie Anglet, A., Der "ewige" Augenblick: Studien zur Struktur und Funktion eines Denkbildes bei Goethe, Köln 1991; Hillebrand, B., Der Augenblick ist Ewigkeit. Goethes wohltemperiertes Verhältnis zur Zeit, Mainz 1997; Apitz, A., Der fruchtbare Augenblick im Gedicht Rainer Maria Rilkes, Saarbrücken 1971; Müller, A., Die ikonische Differenz. Das Kunstwerk als Augenblick, München 1997; Wagner, H., Das Problem der Vollendung. Das Unendliche im Augenblick, Essen 1999. 5 Siehe: Heidegger, M., Platon, Sophistes, GA 19, hrsg. v. I. Schüssler, Frankfurt a. M. 1992; Heidegger, M., Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, hrsg. v.
2. Gang der Untersuchung
15
der Bedeutung des Augenblicks sowie seiner Stellung und Aufgabe innerhalb der Zeitlichkeitskonstruktion von "Sein und Zeit" den Vorwurf des "Scheiterns,,6 der Fundamentalontologie7 zu relativieren. Dabei wird das Ergebnis der Arbeit sein, daß "Sein und Zeit"g nicht als gescheitert angesehen werden kann, wenn der Augenblick in der hier vorgeschlagenen Bedeutung interpretiert wird.
2. Gang der Untersuchung a) Ausgangsfrage
Die Grundfrage von "Sein und Zeit" ist die Frage nach dem Sinn des Seins. 9 Diese Frage war - so Heidegger - der Philosophie von Parmenides bis Nietzsche unbekannt. Statt dessen stellte die Philosophie seit der Antike die Frage nach dem Sein des Seienden, das heißt nach der Seiendheit, was dazu führte, daß der Sinn des Seins gleichsam in Vergessenheit geriet. \0 Kennzeichnend für die von Heidegger so beschriebene Seinsvergessenheit F.-W. v. Herrmann, Frankfurt a.M. 1975 (1997)3; Heidegger, M., Grundbegriffe der Metaphysik. Welt - Endlichkeit - Einsamkeit, GA 29/30, hrsg. v. F.-W. v. Herrmann, Frankfurt a. M. 1983 (1992)2; Heidegger, M., Einleitung in die Phänomenologie der Religion, in: Phänomenologie des religiösen Lebens, GA 60, hrsg. v. M. Jung/Th. Regehly, Frankfurt a.M. 1995; Heidegger, M., Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles. Einführung in die Phänomenologische Forschung, GA 61, hrsg. v. W. Bröcker und K. Bröcker-Oltmanns, Frankfurt a.M. 1985, S. 137; Heidegger, M., Ontologie. (Hermeneutik der Faktizität), GA 63, hrsg. v. K. Brökker-Oltmanns, Frankfurt a.M. 19882, S. 109; Heidegger, M., Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles ("Natorp-Bericht"), hrsg. v. H.-U. Lessing, in: Dilthey-Jahrbuch 6 (1989), S. 270. 6 Vgl. Pöggeler, 0., Der Denkweg Martin Heideggers, Stuttgart 1963 (19944 ), S. 179; siehe auch: Kisiel, Th., Das Versagen von "Sein und Zeit": 1927-1930, in: Rentsch, Th. (Hrsg.), Martin Heidegger. "Sein und Zeit", Berlin 2001, S. 253-279. Zum "Scheitern" siehe das Kapitel B.I.3.d) "Der Augenblick, die Seinsfrage und der Vorwurf des ,Scheiterns' von ,Sein und Zeit'" in der vorliegenden Untersuchung. 7 Als "Fundamentalontologie" wird hier (im Anschluß an v. Herrmann, F.-W., Wege ins Ereignis. Zu Heideggers "Beiträge zur Philosophie", Frankfurt a.M. 1994) die Entfaltung der Seinsfrage sowohl in dem veröffentlichten Text von "Sein und Zeit" als auch in der Vorlesung "Grundprobleme der Phänomenologie", das heißt die Untersuchung der Zeitlichkeit des Daseins sowie der Temporalität des Seins des Seienden, bezeichnet. 8 "Sein und Zeit" beinhaltet hier nicht nur den unter diesem Titel publizierten Text, sondern auch den sogenannten dritten Teil, den Heidegger in seiner Vorlesung "Grundprobleme der Phänomenologie" vorgetragen hat. Vgl. v. Herrmann, F.-W., Heideggers "Grundprobleme der Phänomenologie". Zur "zweiten Hälfte" von "Sein und Zeit", Frankfurt a.M. 1991. 9 Außer die Einleitung von "Sein und Zeit" siehe auch: Heidegger, M., Die Grundfrage nach dem Sein selbst, in: Heidegger Studien 2 (1986), S. 1-3. 10 Gemäß Heidegger.
16
A., I. Fragestellung der Arbeit
ist, daß das Sein als das allgemeine Wesen 11 von Seiendem verstanden wurde. Das Wesen und damit das Sein wurde bei den Griechen "als Anwesenheit (d.h. aus der Zeit) bestimmt" und daraus ergab sich für Heidegger "der entscheidende Wink, daß das Sein in irgendeiner verborgenen Weise in der Lichtung der Zeit steht.,,12 Diese antike Anwesenheit war insofern zeitlich, als sie als Gegenwart in der Zeit stand, das heißt das Anwesende in einer Zeitfolge stehend widerspiegelte. Die Praesenz l3 bzw. Gegenwart selbst jedoch wurde in der Antike - gemäß Heidegger - als zeitlos gedacht, weil das Sein von Seiendem als das Wesen bzw. das Allgemeine eines Seienden verstanden wurde, das als ewig und unveränderlich galt. 14 Dieses Verständnis von Gegenwart und Anwesenheit ist nach Heidegger dasjenige, welches allen Seinsauffassungen der nachfolgenden Philosophiegeschichte zugrunde lag. 15 Heideggers Verständnis von Gegenwart ist ein anderes. Für ihn ist das Sein des Seienden (i. e. die Seiendheit) selbst zeitlich. Gegenwart ist deshalb bei Heidegger nicht mehr zeitlose Praesenz des Wesens von Seiendem, sondern sie ist das Zeitigen von anwesendem Seienden, das vom Dasein, das selbst ebenfalls zeitlich ist, als jeweilige Seinsmöglichkeit verstanden wird. 16 Heideggers Gegenwartsbegriff geht aber über das bloße Gegenwärtigen von Anwesendem hinaus, weil er in "Sein und Zeit" dieses Gegenwärtigen, das in der Einheit mit Zukunft und Gewesenheit steht, selbst als zeitlich begreift. Aber nicht nur das sich zeitigende Sein des Seienden ist für Heidegger zeitlich zu verstehen. Auch das Sein als solches, das "Sein-überhaupt" ist zeithaft. Dieses Sein in seiner Zeithaftigkeit bzw. als Geschehen aufzudecken, ist zwar die ursprüngliche Absicht von "Sein und Zeit". Sie gelingt Heidegger 11 Vgl. Heidegger, M., Sein und Zeit, Tübingen 1993 17 , S. 12. Wenn hier von "Wesen" gesprochen wird, dann ist hier die Begriffsverwendung Heideggers gemeint. "Wesen" bedeutet bei Heidegger nicht, was in der antiken Philosophie griech. "eidos", "ousia", lat. "essentia" war, sondern "das ,Wassein' (essentia) dieses Seienden muß, sofern überhaupt davon gesprochen werden kann, aus seinem Sein (existentia) begriffen werden." Heidegger, Sein und Zeit, S. 42. Das heißt, das Wesen als die "innere[ ... ] Struktur, [... der ... ] Typus, [... die ... ] Grundbestimmtheit, die [... das Einzelseiende ... ] mit anderen Seienden derselben Art gemeinsam hat", (Halder, A., Philosophisches Wörterbuch, Freiburg 2000, S. 367) liegt für Heidegger in der Existenz. Die Existenz ist aber nicht das zeitlose Allgemeine, sondern der Vollzug der je eigenen Seinsmöglichkeiten. (V gl. Heidegger, Sein und Zeit, S.42) 12 Heidegger, Die Grundfrage nach dem Sein selbst, S. 2. 13 In Anlehnung an die Schreibweise Heideggers. 14 Vgl. Heidegger, GA 65, S. 196 f. 15 Siehe auch: Haeffner, G., Heidegger über Zeit und Ewigkeit, in: Theologie und Philosophie 64 (1989), S. 481-517. 16 Siehe auch: Pöggeler, Denkweg, S. 42.
2. Gang der Untersuchung
17
aber erst im "anderen Anfang des Denkens" als der "seynsgeschichtlichen" Ausarbeitung der Seinsfrage in den "Beiträgen zur Philosophie" von 19361938. In "Sein und Zeit" hingegen blieb - wie Heidegger schreibt - vieles soweit "unbewältigt,,17, so daß die Frage, ob die fundamentalontologische Daseinsanalyse im Hinblick auf die Seinsfrage gescheitert 18 sei, zu Recht gestellt werden muß. In der Vorlesung "Grundbegriffe der Metaphysik" bemerkt Heidegger selbst, daß das Problem des Augenblicks in "Sein und Zeit" nicht gelöst wurde. 19 Die vorliegende Arbeit fragt daher, ob es die Konzeption des Augenblicks ist, die dafür verantwortlich ist, daß der Aufweis der Zeithaftigkeit des Sinns von Sein nicht gelang 20 bzw. daß die "Erschlossenheit vom Sein überhaupt [... ] noch nicht in ihrer eigenen Geschichtlichkeit gesehen wurde,,21. b) Ziel und Methode Das Ziel der Untersuchung ist es, die Konstruktion des Augenblicks in Heideggers Denken bis 1936 einer Revision zu unterziehen. Diese ist nicht nur deshalb interessant, weil die Forschung bisher keine überzeugende, ausführliche Darstellung des Augenblicksbegriffs in "Sein und Zeit" vorlegt hat,22 sondern vor allem deswegen, weil - wie gezeigt werden soll - die Neubewertung und -einordnung des Augenblicks in das System der Zeitlichkeit von "Sein und Zeit" einen wichtigen Beitrag zur Klärung der Seinsfrage leisten kann. Heidegger schlägt vor, "Sein und Zeit" statt als Onto-Iogie als "Ontochronie,,23 aufzufassen. Dabei geht es ihm nicht darum, "Logos" und "Chronos" auszutauschen, sondern darum, "daß nicht der Begriff ,die Macht der Zeit,24 ist, sondern die Zeit die Macht des Begriffes"?S Versteht man den Heidegger, GA 65, S. 88. Vgl. Pöggeler, Denkweg, S. 179. 19 Vgl. Heidegger, GA 29/30, S. 227. 20 Vgl. Pöggeler, Denkweg, S. 180. So zu lesen ist auch die Ausführung in den "Beiträgen zur Philosophie": "Weil hier [i.e. die Gegenwärtigkeit, K. v. F.] das näohste Entscheidungsfeld über die Wahrheit des Seyns liegt, mußte der Ansprung zum anderen Anfang als ,Sein und Zeit' versucht werden." Heidegger, GA 65, S. 257. 21 v. Herrmann, Wege ins Ereignis, S. 55. 22 Siehe das Kapitel A.III. "Forschungsstand" in dieser Arbeit. 23 Vgl. Heidegger, M., Hegels Phänomenologie des Geistes, GA 32, hrsg. v. I. Görland, Frankfurt a.M. 1980 (1997)3, S. 144; Heidegger, M., Die Überwindung der Metaphysik, in: Metaphysik und Nihilismus, GA 67, hrsg. v. H.-J. Friedrich, Frankfurt a.M. 1999, S. 95. 24 Vgl. Hegel, G. W. F., Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, § 258. 17 18
2 von Falkenhayn
A., I. Fragestellung der Arbeit
18
Logos hier nicht "spekulativ-dialektisch, im Dreischritt der Vermittelung schreitend,,26, sondern im Sinne Heideggers als Denkweg und deshalb zeitlich, dann kann statt von Ontochronie auch von Ontochronologie gesprochen werden. Die vorliegende Arbeit versteht "Sein und Zeit" und die Texte in dessen Umfeld nicht nur - wie Heidegger selbst - als "Ontochronie" bzw., wie hier argumentiert wird, als "Ontochronologie", sondern als "Ontokairotik" bzw. als "Ontokairologie".27, 28 Denn sie versucht zu zeigen, wie Sein und Augenblick zusammenzudenken sind. Das Grundanliegen der Untersuchung ist es daher, verständlich zu machen, inwieweit Heideggers Denken ontokairologisch und ontokairotisch ist, das heißt inwieweit Heideggers Denken des Augenblicks selbst ein Denken im Augenblick sein muß. Die Methode der vorliegenden Untersuchung, die phänomenologische29 Hermeneutik3o , orientiert sich an Heideggers eigener Vorgehensweise. Das Kriterium ihres Gelingens ist, wie Marion Heinz treffend zusammenfaßt, "nicht die ausgewiesene Notwendigkeit, sondern die Verstehbarkeit des Begründeten aus dem Grund.,,31 In diesem Sinne ist es das Anliegen dieser Vg!. Heidegger, GA 32, S. 144. Heidegger, GA 32, S. 144, bezugnehmend auf Hege!. 27 "Kairologie" setzt sich aus den Wörtern "Kairos" und "Logos" zusammen. Wenn Logos mit "Wort", "Rede", "Lehre", "Kunde" übersetzt wird, bedeutet der zusammengesetzte Ausdruck "Kairologie" die Rede bzw. Lehre vom Kairos. Der Ausdruck ,,kairologisches Denken" bedeutet in der vorliegenden Arbeit, das Denken über die Bedeutung des Phänomens "Augenblick", während "kairotisches Denken" das Denken im Augenblick meint. 28 Siehe das Kapitel C. "Zusammenfassung und offene Fragen" in der vorliegenden Untersuchung. 29 Zur Phänomenologie: Im Anschluß an Husserl macht Heidegger die Phänomenologie "fruchtbar für die existenzial-ontologische Analytik des Daseins. Wenn diese ansetzt beim Dasein in seinen natürlich-alltäglichen Verhaltungen zum innerweltlichen Seienden, dann steht in diesem Ansatz die Struktur der Intentionalität dieser Verhaltungen im Blick. [... ] Indessen wird die Wesensstruktur der Intentionalität als Zugehörigkeit von intentio und intentum im zwiefachen Sinn erst dann zureichend phänomenologisch verstanden, wenn sie aus dem sie führenden Seins verständnis begriffen wird. Hier setzt die kritische Verwandlung der von Husserl als Bewußtseinsstruktur angesetzten Intentionalität zu einer Wesens struktur des Daseins ein". v. Herrmann, Wege ins Ereignis, S. 47. 30 Zur phänomenologischen Hermeneutik siehe: Riedel, M., Hören auf die Sprache. Die akroamatische Dimension der Hermeneutik, Frankfurt a.M. 1990, S. 94 f.; Grondin, J., Die hermeneutische Intuition zwischen Husserl und Heidegger, in: Grethlein, Th./Leitner, H. (Hrsg.), Inmitten der Zeit. Beiträge zur europäischen Gegenwartsphilosophie. Festschrift für Manfred Riedei, Würzburg 1996, S. 271-276. Zur Abgrenzung der reflexiven Phänomenologie Husserls von der auslegenden Phänomenologie Heideggers, vg!. v. Herrmann, Wege ins Ereignis, S. 45. 31 Heinz, M., Zeitlichkeit und Temporalität. Die Konstitution der Existenz und die Grundlegung einer temporalen Ontologie im Frühwerk Martin Heideggers, Würzburg 1982, S. 83. 25
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2. Gang der Untersuchung
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Arbeit, die Verstehbarkeit des Augenblicks aus und auf dem "Grund" dessen zu erarbeiten, was Heidegger in seinem Text "Sein und Zeit" unter "Sein" und "Zeit" versteht. Das bedeutet, daß die Auslegung des Augenblicks und seine systematische Verortung im Modell der Zeitlichkeit in "Sein und Zeit" allein den Text zugrunde legen muß. Die vorliegende Arbeit will nicht einen neuen Augenblicksbegriff erarbeiten, sondern will "in der phänomenologischen Wiederholung der analytischen Aufweisung,,32 zeigen, wie sich Heideggers Text in dem vorgeschlagenen Sinne lesen läßt. Mit der Konzentration auf den veröffentlichten Text von "Sein und Zeit" soll daher gezeigt werden, daß sich eine Neuinterpretation des "Augenblicks" sowohl in systematischer33 als auch in begrifflicher Hinsicht allein aus dem Text dieses Werks ableiten läßt. Wenn die Einordnung der Heideggerschen Zeitauffassung in die Philosophiegeschichte hier nicht im Vordergrund steht, liegt das nicht daran, daß die Philosophiegeschichte Heideggers Augenblicksdenken nicht beeinflußt hätte. Diese Einflüsse werden hier aber nur insoweit diskutiert, als Heidegger sie bei seiner Argumentation explizit erwähnt bzw. eine eigene Interpretation der philosophiegeschichtlichen Vorgaben vorlegt. c) Die Problematik von "Sein und Zeit" und der Augenblick
Die Untersuchung geht davon aus, daß in "Sein und Zeit" nicht nur der Augenblick - wie Heidegger selbst bemerkt34 -, sondern bereits schon die Konstruktion der Sorge und deren Zeitlichkeit Problemstellen haben. Bevor die Untersuchung daher zur Analyse des Augenblicks kommt, will sie zeigen, welche Naht- und Bruchstellen in "Sein und Zeit" dafür verantwortlich sind, daß das Konzept des Augenblicks beim frühen Heidegger unzureichend differenziert und ausgearbeitet ist. 32 v. Herrmann, F.-W., Subjekt und Dasein: Interpretationen zu "Sein und Zeit", 2., stark erw. Aufl., Frankfurt a.M. 1985, S. 224. 33 Heidegger selbst lehnt den Begriff "systematisch" für seinen Denkweg ab. Vgl. Heidegger, M., Beiträge zur Philosophie. (Vom Ereignis), GA 65, hrsg. v. F.W. v. Herrmann, Frankfurt a.M. 1989 (1994)2, S. 65. In der vorliegenden Arbeit bedeutet "systematisch" "zu einem Ganzen verbunden oder geordnet, in sachlicher und logischer Ordnung befindlich, ein System bildend, [... ] methodisch". Vgl. Hoffmeister, J., Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Hamburg 1955, S. 599. Dabei wird hier angenommen, daß der veröffentlichte Teil von "Sein und Zeit" deshalb als "systematisch" bezeichnet werden kann, weil die Fundamentalontologie die Gliederung eines Zusammenhangs, eines Ganzen, eines Ordnungsgefüges beabsichtigt. Die Diskussion, ob und inwieweit "Sein und Zeit" als (geschlossenes oder offenes) System angesehen werden kann, weil der 3. Abschnitt des 1. Teils von "Sein und Zeit" fehlt, soll hier nicht aufgegriffen werden. 34 Vgl. Heidegger, GA 29/30, S. 227. 2*
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A., I. Fragestellung der Arbeit
Die Arbeit nimmt diese Problemstellen in den Blick, indem sie sie analysiert, aber auch, indem sie neue Auslegungsmöglichkeiten derselben vorschlägt. Sie wird zeigen, daß die Konstruktion der Zeitlichkeit in "Sein und Zeit" unter anderem deswegen nicht durchgängig tragen kann, weil Heidegger das dritte Konstitutionsmoment der "Sorge" in dem "Verfallen" verortet und nicht in dem (neutralen) "Sein-bei", wie es hier vorgeschlagen werden wird. Des weiteren soll die Arbeit zeigen, daß eine andere Schwachstelle des Zeitlichkeitskonzepts darin besteht, daß Heidegger terminologisch nicht konsequent zwischen "Entschlossenheit" und "Entschluß" unterscheidet. Das führt dazu, daß Heidegger einerseits "eigentliche Gegenwart" und "Augenblick" gleichsetzt (vgl. SZ 338), andererseits Augenblick auch als die "Zeitigungsweise des Entschlusses" (v gl. SZ 344) versteht. Aus Sicht der vorliegenden Untersuchung liegt der Kern des Problems der Zeitlichkeitskonzeption darin begründet, daß Heidegger den Begriff "Augenblick" in "Sein und Zeit" in zwei Bedeutungen verwendet, die nicht deckungsgleich sind. Bei der hier zu unternehmenden Analyse des Begriffs Augenblick in "Sein und Zeit" geht es vor allem darum, die Gründe dafür zu behandeln und zu belegen, daß und warum die weite 35 Verwendung des Terminus "Augenblick" in "Sein und Zeit" - das heißt, sowohl für die Zeitigungsweise des Entschlusses als auch für die eigentliche Gegenwart (als die primäre Zeitlichkeitsekstase des eigentlichen Begegnenlassens der Entschlossenheit) zu stehen - problematisch ist. Die Untersuchung soll darlegen, warum es aus ihrer Sicht von Vorteil ist, die primäre Zeitigungsekstase des eigentlichen Begegnenlassens ausschließlich "eigentliche Gegenwart" zu nennen und den Begriff "Augenblick" für die Zeitigungsweise des Entschlusses36 zu reservieren der die Einheit von Zukunft, Gewesenheit und Gegenwart zeitigt. Sie hat die Absicht zu zeigen, daß erst wenn der Augenblick in seiner Kernbedeutung als Zeitigungsweise des Entschlusses ernstgenommen wird, die gesamte Zeitlichkeitskonzeption der Sorge funktionsfähig ist. Die Untersuchung stellt daher die These auf, daß eine zwischen Augenblick als Zeitigungsweise des Entschlusses und Augenblick als eigentliche Gegenwart differenzierende Betrachtung des Augenblicks in "Sein und Zeit" zu einer Neubewertung des gesamten Zeitlichkeitsmodells führt. Diese könnte neue Wege der Frage nach dem Sein eröffnen.
35 "Weit" bedeutet hier, daß zwischen den zwei verschiedenen Bedeutungen von Augenblick nicht differenziert wird. "Weit" bedeutet hier nicht, daß der "engere" Begriff in den "weiteren" Begriff aufgeht. 36 Hier als "enge" Verwendung bezeichnet.
2. Gang der Untersuchung
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d) Vorgehensweise und Etappen
Die Etappen und Weichenstellungen von Heideggers Analyse der Zeitlichkeit und des Augenblicks können nur mit Hilfe einer Gesamtschau der Zeitlichkeitsproblematik neu beleuchtet und befragt werden. Beim Nachvollzug des Gedankenwegs, der zum Konzept von Zeitlichkeit und Augenblick führt, kann deshalb nicht vermieden werden, daß bereits Bekanntes erneut vorgetragen und erst im dritten Kapitel des Hauptteils dieser Arbeit auf die Thematik "Augenblick" in "Sein und Zeit" intensiv eingegangen werden wird. Die Vorgehensweise der Untersuchung orientiert sich an den ProblemsteIlen von "Sein und Zeit". Daher wird hier im Zusammenhang mit der Daseinsanalyse zuerst die Verortung des Verfallens, darauf aufbauend die Möglichkeit eines "eigentlichen Sein-bei" und dann die Zeitigungsweise der Gegenwart und des Augenblicks diskutiert und neu begründet. Diese Schwerpunkte ergeben sich aus folgender Leitlinie: Heidegger beschreibt den Augenblick als die "eigentliche Gegenwart" (SZ 338).37 In der vorliegenden Untersuchung wird sich aber zeigen, daß Augenblick in seiner Kembedeutung nicht mit "eigentlicher Gegenwart" gleichzusetzen ist, sondern nur für die Zeitigungsweise des Entschlusses steht. Diese Differenzierung ist notwendig, wenn - wie hier vorgeschlagen wird - die Begriffe "Entschlossenheit" und "Entschluß" nicht gleichgesetzt werden. Die "eigentlichen Gegenwart" sollte (in Einheit mit der "eigentlichen Zukunft" und der "eigentlichen Gewesenheit") der Zeitigungsweise der Entschlossenheit zugeordnet sein. Die Zeitigungsweise des Entschlusses sollte hingegen als Augenblick verstanden werden, der die Einheit von Zukunft, Gegenwart und Gewesenheit zeitigt. Daß die Unterscheidung zwischen der Zeitigungsweise der Entschlossenheit und der des Entschlusses gerechtfertigt ist, läßt sich aus folgender Aussage Heideggers ableiten: Die Entschlossenheit existiert nur als Entschluß. (V gl. SZ 298) Wenn aber der Entschluß der Existenzvollzug der Entschlossenheit ist, muß ihm auch eine eigene Zeitigungsweise zugrunde liegen, die dieses Existieren der Entschlossenheit zeitigt. Das ist der Augenblick. Wenn der Entschluß den Augenblick zeitigt, ist daraus aber nicht ipso facto abzuleiten, daß die Entschlossenheit als solche keiner Zeitlichkeitsekstase (oder ihrer Einheit) zuzuordnen ist. Die Entschlossenheit zeitigt sich statt dessen in der Einheit der drei Zeitlichkeitsekstasen (i. e. die Zukunft, Gegenwart und Gewesenheit), die gleichursprünglich die Möglichkeiten der Eigentlich37 Dies ist in der vorliegenden Interpretation die weite Verwendung. Hier differenziert Heidegger nicht zwischen Zeitigungsweise des Entschlusses und eigentlicher Gegenwart.
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A., 1. Fragestellung der Arbeit
keit (i. e. des Vorlaufens zum Tode, der Wiederholung des Erbes und des Sein-bei) als Möglichkeiten des Selbstseins erschließen. Der Vollzug dieser Einheit der Zeitlichkeitsekstasen der Entschlossenheit gelingt im Entschluß. Die Frage nach dem Wie der Zeitigung des Augenblicks wird zeigen, daß der Entschluß die in der (sich in den drei Zeitlichkeitsekstasen zeitigenden) Entschlossenheit unbestimmten Möglichkeiten als bestimmte jeweilige Seinsmöglichkeiten des jeweiligen Daseins vollzieht. Während in den bisherigen Auslegungen von "Sein und Zeit" das Erschließen der Möglichkeiten des Selbstseins (in der Entschlossenheit) vornehmlich dem "Vorlaufen zum Tode" und der "Wiederholung des Erbes" zugeschrieben wurde, versucht die vorliegende Forschungsarbeit zu zeigen, daß auch im Sein-bei die Möglichkeiten des Selbstseins erschlossen werden können. Es wird vorgeschlagen, anstelle des Verfallens das "neutrale" Seinbei als drittes Konstitutionsmoment der Sorge zu betrachten, das existenziell sowohl eigentlich als auch uneigentlich sein kann. Die Möglichkeit eines "neutralen, indifferenten" Sein-bei, das weder uneigentlich noch eigentlich ist, sondern diesen Seins weisen ontologisch vorausgeht, läßt sich anhand einer Untersuchung des Unterscheidungskriteriums von Uneigentlichkeit und Eigentlichkeit plausibel machen. Die Arbeit wird darlegen, inwieweit sich die Architektonik von "Sein und Zeit" mit einer neutralen Fassung des dritten Konstitutionsmoments der Sorge als tragfähig erweist. Am Schluß der Analyse von "Sein und Zeit" wird der Augenblick als Zeitigungsweise des Entschlusses als Lichtung des "Sein-überhaupt" ausgewiesen, da er die Einheit der Zeitlichkeitsekstasen als Jeweiligkeit zeitigt. Vor diesem Hintergrund wird die These erörtert, daß der Vorwurf des "Scheiterns,,38 von "Sein und Zeit" mit der hier vorgeschlagenen Interpretation und Verortung des Augenblicks in der Zeitlichkeitskonzeption von "Sein und Zeit" verworfen werden kann. Der Hauptteil der Untersuchung konzentriert sich auf "Sein und Zeit", weil Heidegger hier erstmals eine eigene Konzeption des Augenblicks erarbeitet. Heidegger beschäftigt sich zwar schon in seinen frühen Vorlesungen mit der Thematik des christlichen und Aristotelischen Kairos. Seine eigene Konzeption des Augenblicks kommt aber erst in "Sein und Zeit" im Rahmen der Analyse der Zeitlichkeit des Daseins zum Tragen. Während die Bedeutung der Begriffe Augenblick und auch Kairos in den frühen Vorlesungen - insbesondere im Sinne von "kairologischer" Charakter und Moment - schwankt, hat der Augenblick in der Systematik von "Sein und Zeit" eine zentrale Bedeutung. Wenn die Ausführungen zu Kairos und Augenblick in den frühen Vorlesungen hier dennoch herangezogen werden, dann deshalb, um den Denk38 Siehe das Kapitel B.1.3.d) "Der Augenblick, die Seinsfrage und der Vorwurf des ,Scheitems' von ,Sein und Zeit'" der vorliegenden Arbeit.
1. Alltäglicher Sprachgebrauch und begriffliche Abgrenzung
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weg bis zu "Sein und Zeit" zu rekonstruieren und zu klären, inwieweit einzelne Bedeutungsmomente des Augenblicks, die Heidegger bei seiner Beschäftigung mit dem christlichen und Aristotelischen Kairos herausgearbeitet hat, in die Konzeption des Augenblicks im Hauptwerk von 1927 einfließen. Ein Ausblick auf die "Augenblicksstätte" in den "Beiträgen zur Philosophie" soll die Untersuchung von Heideggers Augenblicksverständnis abrunden. Dabei muß es bei einem Ausblick bleiben. Die Augenblicksstätte der "Beiträge" bedürfte einer umfassenden und ausführlichen Einordnung des Augenblicks in die Philosophie Heideggers nach 1936. Das würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Statt dessen soll mit der hier vorgeschlagenen Interpretation des Augenblicks in "Sein und Zeit" ein Weg aufgezeigt werden, der "Sein und Zeit" zu den "Beiträgen zur Philosophie" führt.
11. Kairos und Augenblick: Sprachgebrauch, Geschichte und begrimiche Abgrenzung 1. Alltäglicher Sprachgebrauch und begrimiche Abgrenzung von "Augenblick" und "Kairos" Im alltäglichen Sprachgebrauch hat der Ausdruck "Augenblick" eine zweifache Bedeutung. Eine Bedeutung ist, "Augenblick" so wie "Moment" und "Jetzt" zu verwenden, die der Bezeichnung einer sehr kurzen, begrenzten Zeitspanne oder eines Zeitpunkts dienen. In diesem Verständnis ist der "Augenblick" ohne Bezug zu anderen Zeiteinheiten gedacht, das heißt er ist ein Zeitpunkt (bzw. eine kurze Zeitspanne) in der Zeitfolge, der eigenständig ist und sich nicht durch sein Verhältnis zu anderen Zeiteinheiten bestimmt. 39 Der Begriff "Augenblick" kann im alltäglichen Sprachgebrauch als beliebiger Zeitpunkt gemeint sein und zum Beispiel für die präsentische Gegenwart von einem Menschen stehen. 4o In seiner radikalen alltagssprachlichen Verwendung meint dieser Begriff "Augenblick" eine zeitenthobene 39 Dabei ist der "Augenblick" auch als Zeitpunkt nicht rein abstrakt-logisch, wie das aristotelische "vUv", das das Frühere von einem Späteren trennt, zu verstehen, sondern bleibt inhaltsvoll. Vgl. AristoteIes, Physik, Buch delta 11, 219 b 1 sq; siehe Kapitel B.1.2.c) "Der Sinn der Sorge ist die Zeitlichkeit" und Kapitel B.IV.1. "Der Augenblick in Heideggers Auseinandersetzung mit Aristoteles" dieser Arbeit. Zum vUv bei Aristoteles: Kuhlmann, H., "Jetzt"? Zur Konzeption des "vUv" in der Zeitabhandlung des Aristoteles (Physik IV 10-14), in: Rudolph, E. (Hrsg.), Zeit, Bewegung, Handlung. Studien zur Zeitabhandlung des Aristoteles, Stuttgart 1988, S. 6396. 40 Dabei ist es gleichgültig, ob hier ein Zeitverständnis zugrunde liegt, das die Gegenwart als datierbares Jetzt innerhalb einer Zeitfolge begreift, oder sie als Zeitlichkeitsekstase, wie es Heidegger tut, versteht.
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A., 11. Kairos und Augenblick
Gegenwart in der Lebenserfahrung eines Menschen. In diesem Sinne bedeutet zum Beispiel "im Augenblick leben", "nicht an ein Morgen oder ein Gestern denken". Gleich, ob das Wort "Augenblick" als beliebiger Zeitpunkt einer Zeitfolge, als präsentische Gegenwart von etwas oder als zeitloses bzw. zeitenthobenes Jetzt der Lebenserfahrung verwendet wird, ist dabei noch nichts darüber ausgesagt, ob dieser Moment bedeutungsvoll oder bedeutungslos, ob er wichtig oder unwichtig ist. Auf diese Weise verwendet kann der "Augenblick" beides sein: ein Zeitpunkt unter vielen oder ein bedeutsamer. Die zweite Bedeutung von "Augenblick" ist die des Zeitpunkts einer Entscheidungs-, Handlungs- bzw. Seinsmöglichkeit. Dieser Zeitpunkt ist nicht ein datierbarer und damit quantifizierbarer Moment innerhalb einer Zeitfolge, er ist auch nicht eine bloße Gegenwart von etwas, sondern er ist in diesem Sprachgebrauch ein qualitativ bedeutsamer Moment für etwas41 • In diesem Sinne hat der Begriff "Augenblick" die Bedeutung von "Wendepunkt", "entscheidender Zeitpunkt", "Gelegenheit" oder "für eine bestimmte Aktion oder ein Ereignis richtiger Moment". Er ist deshalb qualitativ 42 bedeutsam, weil er eine Entscheidung, eine Handlung, ein Ereignis etc. in ihrem Gelingen mitbestimmt. Wenn der Augenblick für etwas verpaßt ist, ist ein Gelingen nicht oder nur schlecht möglich. Dieses Gelingen bedeutet, daß sich eine Entscheidung bzw. eine Handlung so vollzieht, wie sie ihrem Wesen nach sein soll. Den so gebrauchten Begriff "Augenblick" zeichnet aus, daß er nicht unabhängig von bzw. bezugslos zu Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart ist. Dies deshalb, weil das "Gelingen" einer Entscheidung (bzw. Tat) von dem So-sein eines Menschen43 und einer situativen Lage abhängt, welche ihrerseits durch Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart bestimmt sind. "Zeit für etwas" oder "Augenblick für etwas" ist nicht unabhängig vom oder bezugslos zum So-sein des Menschen. Der Augenblicksbegriff in Heideggers Hauptwerk "Sein und Zeit", um den es in der vorliegenden Arbeit geht, ist ein anderer als die bisher genannten. "Augenblick" bei Heidegger ist weder ein Zeitpunkt oder ein Jetzt 41 Vgl. Heidegger, Sein und Zeit, S. 412. Heidegger schreibt an dieser TextsteIle zwar nicht ausdrücklich von einem Zusammenhang von "Augenblick" und "Zeit zu ... ", aber er verweist auf die zwei unterschiedlichen Zeitebenen: die datierbare Zeit und die Zeitlichkeit des Daseins, das sich seine Zeit nehmen muß. 42 Siehe auch die Unterscheidung zwischen "qualitativer Zeit" als Kairos und "quantitativer Zeit" als Chronos bei Paul Tillich. Vgl. Tillich, P., Kairos, in: Halverson, M./Cohen, A. A. (Hrsg.), A Handbook of Christian Theology, New York 1958, S. 194. Außerdem: Smith, Time, S. 4. 43 Das gilt auch für eine Gruppe von Menschen bzw. die Menschheit.
2. Etymologie von "Kairos" und "Augenblick"
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in einer Zeitfolge, noch die "Zeit für ... " eine Entscheidung, eine Handlung oder ein Ereignis. Dies deshalb, weil Heidegger ein anderes Verständnis von Zeit und Zeitlichkeit als das der Alltagssprache, aber auch als das der bisherigen Philosophie hat. Für Heidegger ist Zeit, wie in dieser Arbeit ausführlich behandelt wird, keine Zeitfolge, sondern ekstatisches Zeitigen des humanen Daseins. "Nicht: Zeit ist, sondern: Dasein zeitigt qua Zeit sein Sein,,44 sagt Heidegger in der Vorlesung vom Sommersemester 1925. Für Heidegger konstituiert sich Zeitlichkeit deshalb nicht außerhalb des Menschen, sondern das humane Dasein ist selbst ekstatische Zeitlichkeit. Der Augenblick ist deshalb eine Zeitigungsweise des Daseins und nicht ein Zeitabschnitt in einer Zeitfolge. Er steht deshalb weder als beliebiger Zeitpunkt, noch als Jetzt, noch als "Zeit für ... " in einer Zeitfolge. Wenn Heidegger den Augenblick als Zeitigungsweise des Entschlusses faßt, dann bedeutet dies, daß das Dasein im Entschluß zu seinem Selbstsein sich als (und im) Augenblick zeitigt. Der Heideggersche Augenblick ist deshalb nicht mit dem antiken Begriff des "Kairos" gleichzusetzen. "Kairos" deckt sich weitestgehend mit der alltagssprachlichen Verwendung des Augenblicks als "Zeit für etwas". Wenn hier die Rolle des Kairos in der Philosophiegeschichte zum Thema gemacht wird, dann geschieht das in erster Linie mit dem Ziel, durch die Abgrenzung die Eigenständigkeit von Heideggers Konstruktion des Augenblicks deutlich zu machen. 2. Etymologie von "Kairos" und "Augenblick"
Die Etymologie des Begriffs "xmQ6~" ist nicht sicher geklärt. Die Forschung hat verschiedene Etymologien vorgeschlagen. 45 Richard B. Onians46 und Manfred Kerkhoft 7 führen den "xaLQo~,,48 auf die griechische Bedeutung für den Einschlag am Webstuhl zurück. Von der "Vorstellung der räumlich kleinen und zeitlich kurz dauernden Öffnung", "die beim Weben entsteht, wenn die Kettfäden gehoben bzw. gesenkt werden, um den Schußfaden oder Einschlag durchzulassen", kommt man "zu der Vorstellung der entscheidenden, kurzen Öffnung in der Zeit [... ,] von der her allein, als dem günstigen Moment, das Ziel (einer Aktion) getroffen werden kann".49 44 Heidegger, M., Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffes, GA 20, hrsg. v. P. Jäger, Frankfurt a.M. 1979, S. 442. Im Original kursiv .. 45 Vgl. dazu KerkhoJf, M., Zum antiken Begriff des Kairos, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 27 (1973), S. 260. 46 Vgl. Onians, R. B., The origins of european thought about the body, the mind, the soul, the world, time and fate, Cambridge 19542 , bes. S. 303-469. 47 Vgl. Kerkhoff, Zum antiken Begriff, S. 258 ff. 48 Man achte auf die unterschiedliche Betonung.
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A., 11. Kairos und Augenblick
Hjalmar Frisk50 und Pierre Chantraine51 leiten dagegen den 'XmQ6~ (neben phonetisch unwahrscheinlicheren Varianten) von 'XeLQW (schneiden) ab. Ähnlich argumentiert auch Friedrich Pfister52 , der sich an Per Persson53 anschließt und die Ableitung des 'XmQ6~ von 'XQtOL~ und lat. cerno, (certus, discrimen etc.) bevorzugt. "Zum Vergleich kann man auf lat. tempus hinweisen, das gelegentlich ähnliche Bedeutung wie 'XmQ6~ hat und das zu 'tEIlVelV gehört, also auch den ,Abschnitt' bedeutet.,,54 Die Herkunft des Wortes "Augenblick" ist einfacher. "Ougenblic" bedeutet im Mittelhochdeutschen zunächst der "Blick der Augen". Der "Augenblick" kennzeichnet jedoch nicht einen umherschweifenden Blick, sondern das, was ein zeitlich kurzer Blick innerhalb des Aufschlagens und Schließens des Auges sehend erfaßt. Im 13. Jahrhundert erhält das Wort "Augenblick" im Deutschen auch eine zeitliche Bedeutung und steht für eine kurze Zeitspanne.
3. Die Wort- und Begriffsgeschichte des "Kairos" in der Antike Das griechische Wort "Kairos" ('XmQ6~) hat in der Antike unterschiedliche Bedeutungen. 55 Zu Beginn seiner Verwendungs geschichte wurde das Wort "Kairos" nicht zeitlich, sondern als "richtige Stelle" und als "Proportion" verwendet. So bei Homer, wo das Adjektiv ,,'XatQlo~" zur Bezeichnung einer verwundbaren Körperstelle dient. 56 In der nachhomerischen Dichtung wird Kairos - zum Beispiel bei Hesiod57 - gleichbedeutend mit Kerkhoff, Zum antiken Begriff, S. 259. Vgl. Frisk, H., Griechisches Etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1960, S.755. 51 Vgl. Chantraine, P., Dictionnaire etymologique de la langue greque. Histoire des mots, Paris 1968, S. 480. 52 Vgl. Pfister, F., Kairos und Symmetrie, in: Würzburger Studien zur Altertumswissenschaft, Würzburger Festgabe 13 (1938), S. 138. 53 Vgl. Persson, P., Studien zur Lehre von der Wurzelerweiterung und Wurzelvariation, Upsala 1891, S. 107. 54 Pfister, Kairos, S. 139. 55 Ein Überblick zum außerbiblischen Sprachgebrauch des Begriffs "xaLQ6~" bietet der Artikel von Delling, G., xULQ6~, in: Kittel, G. (Hrsg.), Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1938, S. 456 ff. Zur Verwendung des Wortes xULQ6~ im griechischen Drama siehe: Race, W. H., The word xaLQ6~ in Greek Drama, in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 111 (1981), S. 197-213. 56 Pfister verweist auf die Verwendung von xULQLO~ in der Ilias (4, 185; 8, 84; 8, 326) von Homer. "Ta XULQLOV bezeichnet die richtige Stelle am Körper, wo die Verwundung tödlich ist." Vgl. Pfister, Kairos, S. 132. Bei Homer spielt Kairos als Phänomen der Zeit keine Rolle. 57 Hesiod, Theogonie, 69.4. 49
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3. Die Wort- und Begriffsgeschichte des "Kairos" in der Antike
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das "rechte Maß" und für "Angemessenheit" verwendet. 58 "Mit der Aufforderung, Maß zu halten, wird der Gedanke verbunden, daß überall der Kairos herrsche, daß man dem Kairos folgen solle, daß man ihn und seine Maße erkennen solle, daß alles durch den K. schön, durch das Fehlen des K. häßlich sei. ,,59 Kairos bekommt so auch die Bedeutung des symmetrisch Schönen. 6o Des weiteren steht der Kairos für den "gegebenen Entscheidungspunkt" einer kritischen Lage, in die das Schicksal den Menschen hineinzwingt. 61 Dabei wird der Kairos meist positiv oder neutral verstanden als "Gunst", "Vorteil", "Gelegenheit" oder "Wirkung", er wird aber auch im Sinne von "Gefahr" negativ verwendet. 62 In der Schule des Pythagoras nimmt der Kairos die Bedeutung des erkennbaren "Grundmas(ses) kosmischer Rhythmen,,63, 64 an. Wenn, an diesem Maß-Begriff orientiert, der Kairos-Gedanke bei den Pythagoreem ins Zentrum der pädagogischen Aktivität rückt65 , dann deshalb, weil hier die rationale Lembarkeit von "Kairos" in Frage gestellt und die Ausbildung eines "mythischen Bewußtseins" für den Kairos hervorgehoben wird. "Up to a certain point the kairos can be leamt and it is not contrary to reason; it permits systematic treatment ... but in general and in an absolute sense kairos is not rational. ,,66 Erst später beinhaltet der Begriff "Kairos" auch den zeitlichen Aspekt und kann mit der "rechte Zeitpunkt", die "passende, günstige Zeit" oder der "entscheidende Augenblick" übersetzt werden. 67 Seit Pindar ist diese Verwendung sehr häufig. 68 , 69 Pindar verwendet den "Kairos" sowohl als Zeitpunkt als auch als Maß, das zu beachten ist. Schließlich gebraucht er den Kairos auch als Begriff für "Erfüllung" selbst. In dem Zitat: "Denn der rechte Augenblick hat für Menschen ein kurzes Maß,,7o hebt Pindar die Siehe zum Beispiel bei Pittakos 7 A 3 DK; Kritias 88 B 7 DK. Pfister, Kairos, S. 133. Abkürzungen im Original. 60 Vgl. Pfister, Kairos, S. 134. 61 Vgl. Delting, xULQ6C;, S. 456. 62 Vgl. Delting, xULQ6C;, S. 457. 63 KerkhoJf, Kairos, Sp. 667. 64 Vgl. Aristoteles, Metaphysik, Buch I, 985 b7, 989 b29, 990 a20. 65 Vgl. de Vogel, C. J., Pythagoras and early pythagoreanism. An interpretation of neglected evidence on the philosopher Pythagoras, Assen 1966. 66 Vgl. de Vogel, Pythagoras, S. 117; mit Verweis auf: lamblichus, De vita Pythagorica libero 67 Vgl. Gemoll, W., Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch, München/ Wien 1991, S. 400; sowie Pape, W., Griechisch-deutsches Handwörterbuch, Graz 19549 , S. 1296. 68 Insgesamt 16 mal; vgl. Rumpel, 1., Lexicon Pindaricum, Hildesheim 1961, S. 231 f. 69 Siehe auch: Galtet, B., Recherches sur kairos et l'ambiguite dans la poesie de Pindre, Bordeaux 1990. 58
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A., Ir. Kairos und Augenblick
Schwierigkeit des Erkennens des Kairos hervor. Es zeigt sich, "daß der Kairos keineswegs als rechter Augenblick durch den Handelnden bestimmt wird, sondern daß er sich in den Umständen selbst formiert und der Mensch ihn nur auffassen und ihm folgen muß. Handeln ist - so verstanden - sehr viel mehr Antwort als frei begonnener Akt".71 In einem nicht erhaltenen Hymnos des Ion von Chios wird der Kairos als Gott personifiziert, der in Olympia verehrt wurde. Pausanias berichtet von einer Bronze-Statue des Hofbildhauers des Königs Alexander des Großen, Lysipp, die zu einem Altar in Olympia beim Eingang in das große Stadion gehörte, der dem Kairos als dem jüngsten Sohn des Zeus gewidmet war. 72 Von der Statue sind drei Reliefs erhalten, die sich jedoch so unterscheiden, daß nicht mit letzter Sicherheit auf das Original rückgeschlossen werden kann. 73 Um sich eine präzisere Vorstellung zu machen, ist es deshalb hilfreich, das Epigramm des Dichters Poseidipp aus Pella heranzuziehen. 74 Die Statue75 scheint demnach einen nackten Epheben darzustellen, der auf Zehenspitzen auf einer Messerschneide oder Kugel läuft und in der rechten Hand ein Schermesser oder eine Waage hält. An seinen Füßen trägt er Flügel. Sein Hinterkopf ist kahl geschoren und umrundet von langen Stirnlokken. Dieses Bild verleitet zu der Interpretation, daß der Locken tragende 70 Pindar, Siegeslieder, hrsg., übersetzt und mit einer Einführung versehen von D. Bremer, Darmstadt 1992.,4. Py, 286. 71 Buchheim, Th., Die Sophistik als Avantgarde normalen Lebens, Hamburg 1986, S. 84. 72 Vgl. Pausanias V, 14,9. 73 Die Statue des Lysipp wurde von Olympia nach Konstantinopel verschleppt, wo sie verschollen ist. Ein Relief des Gottes Kairos befindet sich im St.-NikolausKloster in Trogir, Kroatien. Eine Abbildung findet sich bei Müller, M., Symbolos. Versuch einer genetisch-obiectiven Selbstdarstellung und Ortsbestimmung, München 1967, S. 5. 74 Das Epigramm ist in der Form eines Dialogs verfaßt, in dem sich der Besucher mit dem Bildnis des Kairos unterhält. "Wer bist Du?" "Ich bin Kairos, der alles bezwingt!" "Warum läufst du auf den Zehenspitzen?" "Ich, der Kairos, laufe unablässig." "Warum hast du Flügel am Fuß?" "Ich fliege wie der Wind." "Warum trägst du in deiner Rechten ein spitzes Messer?" "Um die Menschen daran zu erinnern, daß ich spitzer bin als die Spitze." "Warum fällt dir eine Haarlocke in die Stirn?" "Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet." "Warum bist du am Hinterkopf kahl?" "Wenn ich mit fliegendem Fuß erst einmal vorbeigeglitten bin, wird mich keiner von hinten erwischen, so sehr er sich auch mühte." "Und wozu schuf dich der Künstler?" "Für Euch, Wanderer, stellte er mich in der Vorhalle auf - zu Eurer Belehrung." Zitiert bei Gründel, J., Kairos - der rechte Augenblick. Zur Deutung der "Zeit" in griechischer Antike, in: Institut der Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.), Im Gespräch. Kontrovers 4 (1991), S. 11-12. 75 Vgl. Kerkhoff, Zum antiken Begriff, S. 260. Andere Beschreibungen und Darstellungen des Gottes Kairos: Ladendorf, H., Kairos, in: Kunsthistorisches Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig (Hrsg.), Festschrift für Johannes Jahn zum 22. November 1957, Leipzig 1958, S. 225-235.
3. Die Wort- und Begriffsgeschichte des "Kairos" in der Antike
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Kairos die beim Schopf zu packende Gelegenheit ist, also zum Handeln auffordert. Weil sein Hinterkopf rasiert ist und der junge Gott sich ständig im Lauf befindet, entzieht er sich dem Zugriff des Zaudernden. Seine Schönheit soll den Gott Kairos auch als Prinzip des Schönen zeigen, insofern als alles rechtzeitige Handeln schön ist. Bei den Griechen waren ohnehin "die Bereiche des Ethischen und Ästhetischen nicht getrennt, da sie auf die gleiche Grundbedeutung des angemessenen Maßes zurückgehen [... ]; das ethisch Geforderte war ja zugleich das instinktiv Gesuchte und Bewunderte,,?6 Auch das Laufen auf der Messerschneide bzw. der Kugel symbolisiert das Gleichgewicht einer angemessenen Mitte und auch des richtigen Orts. Dem Epheben gelingt es, mit Leichtigkeit und Schönheit die Mitte zu finden. Der Gott Kairos wird damit zum Schöpfer der maßvollen Mitte, der Symmetrie77, und ist somit Maß und "Schöpfer der Schönheit,.78. Weil das Relief des Kairos bruchstückhaft ist, läßt sich nicht eindeutig bestimmen, ob der Ephebe auf einer Messerschneide oder auf einer Kugel läuft. Für das Laufen auf einer Kugel spräche, daß mit der Vereinigung von Anfang und Ende Ewigkeit verbildlicht wäre. Die Statue vereint daher das griechische Verständnis von Kairos als Zeitphänomen und als Maß. In der Zeit, in der sich die Verehrung des Kairos als Gott herausbildet, erhält der Begriff auch eine philosophische Fundierung. Aristoteles' "Kairos" sowie Platons 79 verwandter Begriff des "E;aL