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German Pages 216 Year 1977
CHRISTOPH
WESTERMANN
Argumentationen und Begründungen i n der Ethik und Rechtslehre
Schriften zur
Rechtetheorie
Heft 61
Argumentationen und Begründungen in der Ethik und Rechtslehre
Von
Dr. phil. Christoph Westermann Riditer im Landgericht
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Westermann, Christoph Argumentationen u n d Begründungen i n der E t h i k u n d Rechtslehre. — 1. A u f l . — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1977. (Schriften zur Rechtstheorie; H. 61) I S B N 3-428-03940-8
Alle Rechte vorbehalten © 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1977 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 69 Printed in Germany ISBN 3 428 03940 8
Meiner Frau und meinem Sohn in Dankbarkeit zugeeignet für Verständnis
beim Entstehen
und Verstehen des Entstandenen
Vorwort Die vorliegende Abhandlung erhielt einstimmig den ersten Preis der Philosophisch-Politischen Akademie Kassel e. V.: sie wurde anonym unter dem Kennwort „Kritische Rationalität" eingereicht zum Preisausschreiben „Leonard Nelsons Beitrag zur Begründung der Ethik als Wissenschaft im Lichte neuerer Ansätze zur Entwicklung und Rechtfertigung ethischer Lehrenich danke den Professoren Körner (Bristol), Haller (Graz), Grete Henry (Bremen), Heckmann (Hannover) und Neumann (Bochum), dem Preisrichterkollegium. Die Abhandlung entstand i m Anschluß an Forschungsarbeiten zur Kritischen Methode, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft durch Vergabe eines entsprechenden Forschungsauftrages an mich ermöglichte; i h r Wortlaut ist jedoch unabhängig von den systematischen Ergebnissen, da diese, thesenartig wiederholt, zur Diskussion gestellt, die historischen Zusammenhänge i n den Kernsätzen zitiert werden. Ausgefertigt wurde die Arbeit neben meinem Richterberuf; m i t diesem Hinweis möchte ich u m Verständnis werben für meine Einstellung zu Fragen der Relevanz: nur solche Feststellungen und Unterscheidungen zu treffen, die für ein Problem oder ein Ergebnis von Bedeutung sind. Denn praktische Philosophie ist Philosophie auch für die Praxis; sie hat i m Vorfeld des Entscheidens und des Handelns Argumente und Begründungen zu geben, Irrtümer aber auszuscheiden. Meinem Universitätslehrer i m philosophischen Bereich Professor Konrad danke ich für seine, meine Gedanken über zwei Jahrzehnte lang begleitenden Diskussionen. Herrn Senator E. h. Ministerialrat Professor Dr. J. Broermann danke ich für seine verlegerische Entschiedenheit, die Arbeit i n das Verlagsprogramm aufzunehmen. Ich hoffe, m i t der Veröffentlichung eine weitere Gelegenheit zu finden, von Interessierten darüber belehrt zu werden, was schon richtig, was noch fehlerhaft ist (vgl. auch den letzten Satz der Arbeit). Dies meiner Arbeit m i t auf den Weg und meinen Hörern i n Dankbarkeit gewidmet, die dem bislang nur mündlich Dargebotenem geduldig folgten: hier ist's nun schwarz auf weiß. München, i m Oktober 1976
Der Verfasser
Inhaltsübersicht nach den Hauptteilen EINLEITUNG Das kritisch-methodische Begründungsproblem
15
TEIL 1 Abriß des sog. „Begründungsproblems", „Scheinprobleme" u n d Präzisierungen
22
TEIL 2 Nelsons Ansatz zu einer reinen Philosophie als Wissenschaft aufgrund der „kritischen Methode" u n d Gegenzug durch Alberts „kritische Rationalität" i n seinem „ T r a k t a t über kritische V e r n u n f t " ; historisch: Fries' „Grundsatz v o m Selbstvertrauen der V e r n u n f t " u n d Gegenzug durch Poppers Nachweis eines „Trilemmas" i n seiner „ L o g i k der Forschung" . .
49
TEIL 3 Zur Begründung der E t h i k u n d Rechtslehre als Wissenschaft durch Ded u k t i o n i m Sinne der kritischen Methode — u n d Gegenzug: A l f Ross' „ K r i t i k der sog. praktischen Erkenntnis" u n d Sir K a r l R. Poppers: „Es ist sicher unmöglich, die Richtigkeit irgendeines ethischen Prinzips zu beweisen"
99
TEIL 4 Diskussion neuerer Ansätze zur Entwicklung u n d Rechtfertigung ethischer u n d rechtsphilosophischer Lehren, Untersuchungen zu Argumentationen u n d Begründungen i n der Rechtstheorie u n d analytischen Philosophie, Moralphilosophie u n d Meta-Ethik, i m Rechtspositivismus u n d i n der Reinen Rechtslehre 122
TEIL 5 Konsequenzen der Annahme, praktische Urteile ließen sich nicht durch Erkenntnis begründen, non-kognitivistische H a l t u n g oder Theorie p r a k tische Erkenntnis gibt es nicht': Irrelevanzbeziehungen, — die Mängel analytischer u n d theoretischer Ansätze, sowie ein Ergebnis als Wegweisung: das praktische U r t e i l u n d sein Grund, Erkenntnis; das Ganze — letztendlich eine Sache des, richtig verstandenen, Begründungsproblem, der (richtigen) Begründung 164
Inhaltsverzeichnis Einleitung Das kritisch-methodische Begründungsproblem Teil
15
1
Abriß des sog. „Begründungsproblems", „Scheinprobleme" und Präzisierungen
22
1.1 Beweis: Voraussetzungen u n d Prämissen
22
1.2 G r u n d u r t e i l u n d Erkenntnis, mittelbare Erkenntnis: Beweis
25
1.3 Erkenntnis, U r t e i l u n d I r r t u m
26
1.4 Erkenntnis u n d Bewußtsein
27
1.5 Anschauung: Eine Erkenntnis ohne V e r m i t t l u n g durch Begriffe
27
1.6 Anschauung, ζ. B. bei Nelson, u n d K r i t i k
27
1.7 Begründung u n d Grund: unmittelbare Erkenntnis
32
1.8 Unmittelbare Erkenntnis u n d Bewußtsein
35
1.8.1 Empirische unmittelbare Erkenntnis: Aufmerksamkeit u n d E r innerung
35
1.8.2 Logische unmittelbare Erkenntnis: Angewandte L o g i k als A n weisung f ü r (folgerichtiges) Schließen
36
1.8.3 Erwerb des Bewußtseins einer unmittelbaren Erkenntnis: eine biographische Frage
38
1.8.4 Das Bewußtsein einer unmittelbaren begriffliche F o r m
Erkenntnis
und
seine
39
1.8.5 E i n Beispiel: Logische Blöcke
39
1.8.6 Z . B . Zeichnungen als Vorstufe zur Abstraktion
40
1.8.7 Begriffliche F o r m durch Verbindung von Begriffen i m U r t e i l
41
1.8.8 Ergebnis: Begriffliche K l a r h e i t durch Verbindung von Begriffen i m U r t e i l (Rekurs auf 8.2 u n d 8.3)
42
1.9 Zusammenstellung der Unterscheidungen i m Bereich des Erkennens, m i t Beispielen
43
1.9.1 Mittelbare Erkenntnis u n d unmittelbare Erkenntnis, u n d : U r t e i l als mittelbare Erkenntnis
43
1.9.2 Unmittelbare Erkenntnis: anschauliche u n d nicht-anschauliche Erkenntnis
43
1.9.3 Unmittelbare Erkenntnis u n d Bewußtsein: U r t e i l als Wiederholung unmittelbarer Erkenntnis
44
Inhaltsverzeichnis
11
1.9.4 Mathematische unmittelbare Erkenntnis u n d Anschauung: Wissen, Bewußtsein u n d U r t e i l
44
1.9.5 Logische unmittelbare Erkenntnis u n d nicht-anschauliche E r kenntnis: Wissen u n d Bewußtsein nie ohne U r t e i l
45
1.9.6 E i n Vergleich der unterschiedenen Urteils- u n d Erkenntnisarten
46
1.9.7 Z u r Methode
47
1.9.8 D i s j u n k t i v e Vollständigkeit u n d Ergebnis: ein problematischer Begriff
47
Teil
2
Von der kritischen Methode und ihren Gegnern 2.1 Nelsons Ansatz
49 49
2.1.1 „Die regressive Methode: I n d u k t i o n u n d Abstraktion"
49
2.1.2 „Über die Begründung der Urteile. Beweis, Demonstration u n d Deduktion"
50
2.1.3 Nelsons Beweis der unmittelbaren Erkenntnis der Vernunft . .
53
2.1.4 Z u r Frage nach der Möglichkeit: U r t e i l u n d Erkenntnis. E r kenntnis u n d Gegenstand
55
2.1.5 Theorie der Deduktion nach Nelson u n d A n m e r k u n g : Z u r Beweislast f ü r Behauptungen i n der Argumentation
58
2.2 Alberts „Kritische Rationalität"
68
2.2.1 „ D i e Suche nach sicheren Grundlagen"
70
2.2.2 „Das Prinzip der zureichenden Begründung u n d das Münchhausen-Trilemma" selbstfabriziert?
77
2.3 Fries' „Grundsatz v o m Selbstvertrauen der V e r n u n f t "
87
2.3.1 „Über das Verhältnis der empirischen Psychologie zur Metaphysik"
87
2.3.2 „Wiederbewußtseyn einer unmittelbaren Erkenntniß"
90
2.4 Poppers „ T r i l e m m a "
93
2.4.1 Poppers V o r u r t e i l
93
2.4.2 Poppers „Kritische Auffassung" u n d »Entgegnung 4 von Fries . .
95
2.4.3 Z u r Bedeutung von Sprache u n d „ M i t t h e i l u n g " (Fries) f ü r die „intersubjektive Nachprüfbarkeit" (Popper)
96
Teil
3
Ethik und Rechtslehre als Wissenschaft 3.1 Nelsons Deduktion: E t h i k u n d Rechtslehre
99 100
3.1.1 Nelsons Begriff der Deduktion
104
3.1.2 Z u r Deduktion des Begriffs der Pflicht, u n d Ergebnis
105
3.1.3 Die Deduktion des Inhalts des Sittengesetzes
105
12
Inhaltsverzeichnis
3.2 A l f Ross' „ K r i t i k der sog. praktischen Erkenntnis"
107
3.2.1 A l f Ross' „ K r i t i k an dem Begriff der unmittelbaren E r k e n n t nis" 108 3.2.2 A l f Ross' A n g r i f f auf Nelsons „Prinzip der Abstraktion v o m numerischen Unterschied der Personen" 110 3.2.3 A l f Ross' Interpretation „moralischer Phänomene"
112
3.3 Poppers Einwendungen gegen die E t h i k als Wissenschaft i m Zusammenhang m i t seiner Entscheidung zur Rationalität 113 3.3.1 Poppers Gebrauch ethischer Begriffe
114
3.3.2 Poppers „Die E t h i k ist keine Wissenschaft"
115
3.3.3 Poppers „fundamentale moralische Entscheidung zum kritischen Rationalismus" 116 3.3.4 Poppers „ V e r d i k t des Gewissens" Teil
117
4
Entwicklung und Rechtfertigung praktischer Lehren 4.1 Kritische Methode u n d K r i t i k der praktischen Vernunft
122 123
4.1.1 Die Alternativen i m Bestreiten von Forderungssätzen hinsichtlich ihrer Begründung 124 4.1.2 Die Voraussetzung der Leugnung praktischer Erkenntnis
125
4.1.3 Bewußtsein, Konsens u n d K r i t e r i u m i m praktischen Bereich . . 126 4.1.4 Z u r „Beweislast"
126
4.1.5 Z u r gemeinsamen Voraussetzung aller analytischen Moralphüosophie, M e t a - E t h i k u n d Rechtstheorie 127 4.2 E t h i k u n d Wissenschaftstheorie
128
4.2.1 „Rechtstheorie als analytische Wissenschaftstheorie" (J.-M. Priester) 128 4.2.2 „Braucht die Rechtstheorie eine deontische Logik?" (L. Philipps) — Diskussion dreier Argumente u. a 130 4.2.21 Argument 1
130
4.2.22 Argument 2
131
4.2.23 Argument 3
132
4.2.24 Phrastik u n d Neustik: Neustik als A k t der Zustimmung? 133 4.2.25 Allgemeinheit u n d Bestimmtheit 4.2.3 Präskriptive Sätze: nicht w a h r u n d nicht falsch?
133 133
4.2.4 „ Z u r Rolle der deduktiv-axiomatischen Methode i n der Rechtswissenschaft" (von Savigny) 135 4.3 Analytische Moralphilosophie u n d M e t a - E t h i k : Diskussion
138
4.3.1 „ E t h i k u n d M e t a - E t h i k " (Albert)
138
4.3.2 „ U m die Grundlagen der E t h i k " (von Savigny)
139
Inhaltsverzeichnis
13
4.3.21 Stevenson: Kognitiv-emotiv, rational; Überredungsdefinition 140 4.3.22 T o u l m i n : das Prädikat „ g u t " als Kennzeichnung des U m standes, daß ein Handeln die besseren Gründe f ü r sich hat 142 4.3.23 Baier: M a n soll a t u n ist gleichbedeutend m i t f ü r a sprechen die besten Gründe 144 4.3.24 N o w e l l - S m i t h : Ist ethisches Argumentieren rational?
145
4.3.25 Hare's Standards
147
4.3.26 Edwards Bedeutungsanalyse
148
4.3.27 Allgemein: der Gegensatz emotiv-konativ u n d kognitiv . . 148 4.3.28 „Das Problem, ethische Werthaltungen von anderen W e r t haltungen zu unterscheiden, ist von der M e t a - E t h i k nicht gelöst worden" (von Savigny) 149 4.3.29 A u f dem Wege zur K o g n i t i v i t ä t ethischer Urteile: Peter Glassen, die K o g n i t i v i t ä t moralischer Urteile 150 4.4 Rechtspositivismus u n d Reine Rechtslehre
151
4.4.1 Hart's Rechtspositivismus u n d die Trennung von Recht u n d Moral 151 4.4.2 Kelsens Reine Rechtslehre
155
4.5 Besichtigung von Gründen u n d Argumenten, die gegen die Möglichkeit praktischer Erkenntnis vorgetragen werden 158 4.5.1 Der „Unbegriff eines Imperativs ohne Imperator" (Dubislav) . . 158 4.5.2 „ Z u r Unbegründbarkeit der Forderungssätze" (Dubislav)
158
4.5.3 Der historische E i n w a n d m i t Blick auf die Geschichte der E t h i k u n d Naturrechtslehre 159 4.5.4 Das Mißverständnis der Rechtfertigung von Werturteilen durch Rekurs auf Wertüberzeugungen 159 4.6 Einwände unter Gewissens
Berücksichtigung
der empirischen Tatsache des 160
4.6.1 Die Gewissensregung als etwas Psychisches
160
4.6.2 Gewissen als „Gefühl" ( = Empfinden)
161
4.6.3 Lernbarkeit
162
des Gewissensinhaltes
4.6.4 Manipulierbarkeit des Gewissens
162
4.6.5 Das Gewissen funktioniert autoritär-dogmatisch (Albert)
163
4.6.6 Ergebnis
163 Teil
5
Konsequenzen und Irrelevanzbeziehungen
164
5.1 Non-kognitivistische Haltungen als Theorie
164
5.2 Gewissen als Gegenstand der empirischen Psychologie
165
5.2.1 Normierungen u n d Wertungen als Tatsachen
165
Inhaltsverzeichnis 5.2.2 Die Behauptungsfunktion des Gewissens i n der Gegenüberstell u n g zum Empfinden 166 5.2.3 „Transzendiere deine Subjektivität"? — i n Gegenüberstellung zum „Prinzip der A b s t r a k t i o n v o m numerischen Unterschied der Personen" (Schwemmer/Nelson) 167 5.2.4 Z u r K l ä r u n g ethischer u n d rechtlicher Begriffe
169
5.2.5 Verabsolutierungen
171
5.3 Zusammenfassung u n d Wegweisung 172 5.3.1 Mangel des sprachanalytischen Ansatzes, u n d Hinweis auf eine mögliche K l ä r u n g 179 5.3.2 Mangel des rechtstheoretischen Ansatzes, u n d Hinweis auf seine (Un-)Diskutierbarkeit 180 5.3.3 Mangel i m Wortgebrauch von „praktisch": Praxis u n d das P r a k tische (ethisch Notwendige) 182 5.4 Das praktische U r t e i l u n d sein Grund: das Ganze — letztendlich eine Sache des, richtig verstandenen, Begründungsproblems, der (richtigen) Begründung 182 A. Bibliographie zur Kritischen Methode in historischer Reihenfolge
186
B. Literaturnachweise (alphabetisch)
195
Einleitung Das kritisch-methodische Begründungsproblem „Es ist kulturgeschichtlich nicht uninteressant, daß die damals weltberühmte Akademie", die „Berliner Akademie der Wissenschaften i m Jahre 1761" „einen Preis aussetzte für die Lösung eines metaphysischen Problems" 1 . Leonard Nelson, der m i t diesen Worten seine Vorlesungen über „Fortschritte und Rückschritte der Philosophie. Von Hume und K a n t bis Hegel und Fries" i m Abschnitt: „Kants Begründung der kritischen Metaphysik" einleitete, hat damals sicherlich nicht geahnt, daß 1974 durch die Philosophisch-Politische Akademie sich vergleichbares wiederholen werde. Ist es nicht zeitgeschichtlich außerordentlich bemerkenswert, daß nach „Begründung", nachgerade auch noch von „Ethik als Wissenschaft", und „Rechtfertigung ethischer Lehren" gefragt wird, wiederum i m Rahmen einer „Preisaufgabe"? Nachdem u. a., aber insbesondere Popper seine Alternation „Dogmatismus — unendlicher Regreß — Psychologismus" ausgesprochen hatte, anstelle von „Verifikation oder Bestätigung" seine „Falsififizierbarkeit als charakteristische Eigenschaft einer wissenschaftlichen Theorie" unangefochten seit 1934 setzen konnte 2 ; nachdem Albert das so vorgefundene „Trilemma" (Popper), angeblich eines bei Fries, zum „Münchhausen-Trüemma" hochstilisieren durfte 8 (wenngleich i n den zurückliegenden rund 15 Jahren i n der Diskussion sich die Stimmen mehren, dies denn doch kritisch einmal zu würdigen); was dennoch Keuth 4 nicht hindert, einfach nachzusprechen; nachdem ganz schließlich H. A. Schmidt 5 noch systematisch den von i h m so bezeichneten „retroflexiven Schluß" 1 Nelson, Leonard: Gesammelte Schriften i n neun Bänden, H a m b u r g 1970/ 74, B a n d V I I , Seite 153/154; zitierweise: Nelson V I I 153/154. 2 Popper, K a r l R.: L o g i k der Forschung, 2., erweiterte Auflage, Tübingen 1966, Seite 70; zitierweise: Popper F 70. 8 Albert, Hans: T r a k t a t über kritische Vernunft, Tübingen 1968, Seite 11; zitierweise: A l b e r t 11. 4 Keuth, Herbert: D i a l e k t i k versus kritischer Rationalismus, i n R A T I O Bd. 15, Seite 26 ff., H a m b u r g 1973. 5 \Schmidt, H. A r n o l d : Der Beweisansatz v o n L . Nelson f ü r die „Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie" als Beispiel eines retroflexiven Schlusses, i n : Festschrift f ü r Josef König, Göttingen 1964, Seite 216 - 248.
16
Einleitung
bei Nelson angegriffen hat; und endlich das Gewissen des A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes politisch als korrumpierbar durch beinahe Tagesereignisse erwiesen scheint; dann aber m i t dem Hinweis: „Die Ethik ist keine Wissenschaft" doch noch die Grundhaltung des Rationalisten, das ,ich kann mich irren und du magst recht haben"' 6 , letztlich die Wissenschaft das vorbereitete, was w i r i m Alltag, durchaus inkonsequent, uns im Vertrauen auf unsere Urteilsfähigkeit ganz kräftig zu bedauern dennoch nicht entziehen können, m i t der Behauptung nämlich, etwas sei unrecht, ungerecht, was, wenngleich unausgesprochen, mitbehauptet, das Gegenteil sei rechtens, so daß schließlich „Rehabilitierung praktischer Philosophie I und II" 7 erforderlich wurde. Ist es der M u t i n der Verzweiflung, der jenen Ausdruck der bloßen Unverbindlichkeit: „ich kann mich irren und du magst recht haben", die, als Haltung unterstellt, sich m i t dem Schein von Rechtfertigung der Mühen bei der Aufgabe meines Irrens und der Preisgabe liebgewordenen Vorurteilens enthebt, m i t endlich wieder Wissenschaft durch Rechtfertigung i n der Begründung von Urteilen durch Erkenntnis zu überwinden trachtet? Und ist es Hoffnung von Verzweifelten, die, hier jedenfalls eines an Philosophie als Wissenschaft, so wie geübt, Verzweifelten, sich wiederum auf Nelson besinnen läßt, „daß Toleranz ein Ausfluß der Überzeugungslosigkeit" sei? Denn: „Wer von einer Wahrheit überzeugt ist, muß alle i h r widerstreitenden Lehren für i r r i g und, wenn sie die heiligsten Angelegenheiten des Menschen betrifft, für verderblich halten 8 ." Bekanntlich erhielt Kant nicht den Preis; trotzdem war seine Schrift „Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral" grundlegend i n der Entdeckung, bedeutsam für die systematische Entwicklung der kritischen Methode; was Mendelssohn, der den Preis erhielt, verfaßte, ist längst nur Sache der Philosophiegeschichte, nicht der Entwicklung von Philosophie als Wissenschaft. Fries griff i n aller Sorgfalt Kant dann auf, — und war m i t seinem „Philosophem" ein Opfer politischer Verhältnisse: nicht auszudenken, welchen Verlauf Geschichte hätte nehmen können, wenn anstelle Hegels 1818 Fries nach Berlin gekommen wäre 8 a . 6 Popper, K a r l R.: Die offene Gesellschaft u n d ihre Feinde, zweiter Band: Falsche Propheten, Hegel, M a r x u n d die Folgen, Bern 1958, Seite 295; zitierweise: Popper I I 295. 7 Riedel, Manfred (Hrsg.): Rehabilitierung der praktischen Philosophie Band I : Geschichte, Probleme, Aufgaben, Freiburg 1972, Band I I : Rezeption, Argumentation, Diskussion, Freiburg 1974; zitierweise: RpP. 8 Nelson V I I 370.
Das kritisch-methodische Begründungsproblem
17
Nelson starb letztendlich doch zu früh, auch wenn die intensivsten Wirkungen persönlich von i h m ausgegangen sein müssen; die Rezeption der Hinterlassenschaft i n seinen Werken unterblieb i m Anblick „1000jährigen Größenwahns". K a n n Rezeption i n banger Konfrontation m i t Politik und Pädagogik, weltumspannend die eine, und konfliktstrategisch die andere, erst recht eigentlich nunmehr beginnen? Dann bleibt es aber zu allererst bei systematischer Besinnung: „den Nicht-Wissenden dadurch zu belehren, daß man i h n zur Einsicht zwingt" (disputativ, u m das abgenutzte Wort vom Diskutieren, das tatsächlich vielfach i n Propaganda, Propagieren entartet zu sein scheint, zu vermeiden: die Kunst des Wiederholens redlich des Vernommenen ging oft verloren), „das wirklich zu wissen, wovon er nicht wußte, daß er es weiß" 9 . Und auch: „Der Fortschritt hängt davon ab, daß w i r nicht vergessen, was man einmal wußte 1 0 ." Was Nelson meint, wenn er von Begründung, wessen auch immer, spricht, ist m i t wenigen, seiner eigenen Worten gesagt, — übrigens, dies i n Übereinstimmung m i t Fries —: „ W i r wissen, daß w i r irren können . . . " ; daher: „Jedes Urteil gilt uns als Vorurteil, ehe nicht sein U r sprung aus der aller W i l l k ü r des Denkens entzogenen Selbsttätigkeit der Vernunft erwiesen ist. Die Vernunft aber gilt uns als oberste I n stanz aller Wahrheit . . . — wenn w i r auch noch nicht wissen, welches der unverfälschte Ausspruch ihrer Wahrheit ist . . . " ; freilich: „Philosophie . . . setzt, sofern . . . Wissenschaft, für jeden, der an ihr teilnehmen w i l l , eine richtig organisierte Vernunft voraus 1 1 ." Anstelle unseres Resümees der Ursprung kritisch-methodischen Philosophierens als Wissenschaft i m Zitat bei Fries: „Wenn jemand etwas behauptet, so darf ich i h n nach den Gründen seiner Behauptung fragen, und falls er diese nicht anzugeben weiß, darf ich i h n m i t seiner Behauptung abweisen. Hierin haben w i r es m i t der logischen Wirklichkeit eines Urtheils ®a I m März 1816 w u r d e n Fries und Hegel i n B e r l i n f ü r die Nachfolge Fichtes v o m akademischen Senat dem M i n i s t e r i u m nebeneinander primo loco vorgeschlagen, Hegel f ü r spekulative, Fries f ü r praktische Philosophie. Über die „Hintergründe" des Scheiterns von Fries i n der Berufung berichtet De Wette, der sich neben Boeckh f ü r Fries verwandt hatte, an Fries (vgl. J. F. Fries, aus seinem handschriftlichen Nachlaß dargestellt von E. L. T. Henke, B e r l i n 2 1937, lfd. Nr. 17 ff., S. 354 ff.). Aus diesem Brief (lfd. Nr. 17) geht u n mißverständlich hervor, daß Schleiermacher m i t seiner T a k t i k , den Lehrstuhl Fichtes n u r „aufzuteilen", u m schließlich doch Hegel allein zu bekommen, letztendlich Erfolg hatte. — F ü r den Quellennachweis danke ich — ergebenst — Professor Dr. Gert König. 9
Nelson I 290. Spaemann, Robert: Z u r ,Tendenzwende', Bayer. Akademie der Künste, Vortrag, gehalten 1974. 11 Nelson I 34/35. 10
2 Westermann
Einleitung
18
nur subjectiv für den Verstand zu thun, indem i h n zureichende Gründe zum Urtheil führen; Mangel an Gründen aber nicht die Wahrheit des Urtheils antastet, sondern nur den Verstand i n den Zustand des Zweifeins setzt, i n welchem er das Urtheil nicht auszusprechen vermag. Das Resultat ist dann nur: Ich weiß dieses nicht, aber nicht: Es ist nicht so 12 ." Was dann, wenn überhaupt, es zu begründen gilt, sind Behauptungen, Aussagen, Sätze, Urteile, — nicht aber die Erkenntnis; was aber, wenn es ans Erklären geht, allein erklärungsbedürftig ist und ausschließlich daher erklärbar sein kann, nicht muß (wir wären sonst ,weltweise'), ist Irrtum, Irren, — nicht aber Erkenntnis, Erkennen: „ A l l e r . . . I r r t u m . . . bezieht sich auf . . . Urteile . . . Aller I r r t u m . . . kann die unmittelbare Erkenntnis nicht antasten 13 ." „Über die Wahrheit der unmittelbaren Erkenntnis kann kein Streit sein, sondern nur darüber, welches die unmittelbare Erkenntnis sei 1 4 ." „ N u r durch Beziehung auf das Faktum des Selbstvertrauens der Vernunft . . . beruht zuletzt die Möglichkeit der Deduktion . . . " , es ist „der Ausspruch des fundamentalen Faktums des Erkennens selbst" 1 5 . W i r fügen an: wo und wann immer dieses Faktum nicht besteht, d . h . daß einer irrt, ist dies kein Einwand gegen den, der dieses Faktum bei sich bestehend behauptet; erst der Nachweis dessen, daß seine diesbezügliche Behauptung ganz oder i n einem Teile falsch ist, müßte i h n erschrecken. Jedoch erkennt auch dieser dann sogleich, daß jener, der dies behauptet, sein Faktum des Erkennens mitbehauptet; wo nicht, behauptet er j a nichts! Er sagt dann nur: Ich weiß dieses, was du behauptest zu wissen, nicht; er behauptet jedoch seinerseits nicht, daß es so nicht sei. Fries: „Dadurch, daß w i r allen I r r t h u m nur auf das Urtheilen . . . beschränken, bekommen w i r ein freyes Feld der unmittelbaren Erkennt12 Fries, Jakob Friedrich: Sämtliche Schriften i n 26 Bänden, A a l e n 1968 u n d folgende Jahre, B a n d 7, Seite 308/309 (neue Seitenzahl) entspricht: ders., System der Logik, ein Handbuch f ü r Lehrer u n d zum Selbstgebraudi, 3. v e r besserte Auflage, Heidelberg 1837, zitierweise: Fries 7, 308/309 = Logik, System der 139/140. 18 Nelson I 23, hier i n ungekürztem W o r t l a u t : „ A l l e r Streit u n d I r r t u m u n d Wahrheit, aller Zweifel u n d alle Ungewißheit bezieht sich auf die Urteile der Reflexion u n d betrifft ihre Vergleichung m i t der unmittelbaren E r kenntnis, die sie wiederholen. U m diese unmittelbare Erkenntnis k a n n gar k e i n Streit sein, ihre Gewißheit k a n n nie i n Frage gestellt u n d des I r r t u m s verdächtigt werden; denn I r r t u m ist n u r Abweichung von der unmittelbaren Erkenntnis, falsche Wiederholung der unmittelbaren Erkenntnis, falscher Ausspruch der unmittelbaren Erkenntnis. Diese liegt daher der Möglichkeit des I r r t u m s bereits zugrunde; w e r sie f ü r i r r i g erklärt, widerspricht sich selbst, der weiß nicht, was die Worte I r r t u m u n d Wahrheit bedeuten. A l l e r I r r t u m u n d Zweifel gehört der Reflexion u n d k a n n die unmittelbare E r kenntnis nicht antasten." 14
Nelson I 24. Nelson I 3 .
Das kritisch-methodische Begründungsproblem
19
niß unsrer Vernunft . . . " 1 β ; wer das Gegenteil behauptet, widerspricht sich selbst: „der Mensch habe überall sein Urtheil aufzuschieben, . . . alles sey zweifelhaft. . . . allein dabey beachtet er nicht, daß er das Vertrauen der denkenden Erkenntniskraft auf ihre eigne Wahrhaftigkeit selbst voraussetze, indem er es leugnet. . . . Wer etwas behauptet, der traut sich zu, i m Besitz einer Wahrheit zu seyn. Wenn nun jemand sagt: jedes bestimmte Urtheil sey aufzuschieben, oder alles sey zweifelhaft, — so traut er sich zu, dieß zu behaupten, und also, daran die Wahrheit zu sagen. Folglich widerspricht er sich selbst und sollte sich vielmehr nur veranlaßt finden, dieses sein Behauptungsvermögen, kraft dessen Wahrhaftigkeit er allein zweifeln und aufschieben kann, genauer zu untersuchen" 17 . „ E i n Zweifel der Gültigkeit der unmittelbaren Erkenntnis hebt sich also durch seinen inneren Widerspruch selbst auf 1 8 ." Zuletzt: Erkenne ich einen I r r t u m als solchen, d . h . auch w o r i n er besteht, erfasse ich Wahres, — oder i n der Sprache Konrads: „Erfasse ich Subjektives als solches, d. h. in seiner Subjektivität, so erfasse ich Objektives: einen objektiven (Relations-)Sachverhalt 19" Endlich: Vermag man diesen Überlegungen zu folgen, so bleibt als Konsequenz ihrer Nachweisungen, daß nicht Erkenntnis der Begründung bedürftig, da nicht fähig, sein kann, sondern der Irrtum erklärungsbedürftig und der Erklärung i n jedem einzelnen Fall, wenigstens der Möglichkeit nach, prinzipiell, zugänglich, am Ende fähig sein sollte. Und hier hat dann jede, wie immer angesetzte und ausgestaltete empirische Wissenschaft i h r Forschungsfeld, aber eben doch ausschließlich als Empirische und für Empirisches, hierzu Philosophie, als Wissenschaft dann nur Rüstzeug liefern kann; so sind die bitter bösen Worte, auch noch für unsere Zeit, verständlich, die Nelson rund 70 Jahre zuvor aufgeschrieben hat: „Wer noch Grundsätze anfechten w i l l , der mag den erfahrungsgemäßen Beweis führen, daß sie i m deduzierten System der Vernunft keine Stelle haben. Sich aber gegen diese Methode zu sträuben, das ist nur Sport derer, die fürchten müssen, daß doch einmal Philosophie als evidente Wissenschaft dem Spiel ihrer eigenen spekulativen Weisheit ein Ende machen könnte, ohne zu bedenken, daß, wer die 1β Fries 4, 468 = N K I 404 (Neue oder anthropologische K r i t i k der V e r nunft, 3 Bände, Heidelberg 1828 u n d 1831, 2. Auflage). 17 Fries 5, 55 = N K I I 39. 18 Nelson I 243. 19 Konrad, Andreas: Untersuchungen zur K r i t i k des phänomenalistischen Agnostizismus u n d des subjektiven Idealismus, München 1962, Seite 34; zitierweise: K o n r a d 34. Diese grundlegenden Untersuchungen zu jeder, w i e i m m e r gearteten, Subjektivierung oder Relativierung, sind, w o h l nicht zuletzt wegen des abschreckenden Titels, i m m e r noch zu wenig bekannt, obgleich die K l a r h e i t des Stils u n d die Eindeutigkeit des Sprachgebrauchs beispielhaft sind.
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Einleitung
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Herrschaft der Vernunft ablehnt, sich dadurch nur m i t dem Blödsinnigen auf eine Stufe stellt 2 0 ." „Wer vielmehr seiner Vernunft nicht traut und ihre Zuverlässigkeit erst beglaubigt haben möchte, der wende sich an die Psychiater und lasse die Philosophen i n Ruhe 2 1 ." Was es also zu begründen gilt, sind Urteile, und wenn dies gelingen soll, dann durch Erkenntnis, — ansonsten bleibt es bei „bloßen Beurteilungen", d. h. das, was man sonst ein Urteil nennt, „geht darin auf, ein faktischer A k t meines Bewußtseins zu sein" 2 2 . Man sieht, auch diese Möglichkeit ist von Nelson nicht nur berücksichtigt, sondern unvergleichlich scharf und deutlich formuliert worden i n Kenntnis der Tatsache, daß, sollten w i r einen solchen Nachweis grundsätzlich erbringen können 2 3 , unser Urteilen (die psychischen Akte des Urteilens) damit nicht aufhören würden. Das Ausgeführte gilt nicht ganz zuletzt auch für Behauptungen; denn: Jede Behauptung ist die Behauptung einer Erkenntnis oder die Behauptung ist wissenschaftlich irrelevant (es sei gestattet, anzumerken, daß der Satz nicht lautet: jede Behauptung sei eine Erkenntnis; dieser Satz, als Urteil durchaus verschieden von dem vorherigen, ist falsch). Ergebnis: wenn überhaupt, dann „Jedes Urteil bedarf der Begründung" 2 4 . 20
Nelson I 36/37. Nelson I 35. 22 Nelson I 24/25. 23 was freilich nicht möglich ist: denn die Formulierung eines solchen Nachweises setzt gerade, schon ihrer Möglichkeit nach, voraus ein Urteil, das nicht n u r „ e i n faktischer A k t meines Bewußtseins" ist. Diese A r g u m e n t a tionsweise ist, speziell auf Nelson bezogen ( I I 92), von H. A . Schmidt (vgl. Fn. 5) untersucht worden: „durch einen retroflexiven Schluß" w i r d ein a l l gemeiner Satz (These T) entweder widerlegt dadurch, daß T, auf Τ selbst angewandt, widersprüchlich ist, oder „als absurd dargetan" dadurch, daß T, auf Τ selbst angewandt, „als eine notwendige Voraussetzung zur Erlangung v o n Τ erwiesen w i r d " (216). Schmidt meint, „daß die zu widerlegende These denn doch nicht auf eine so lapidare Weise zu entkräften sei" (217). Durch „Stufung" könne m a n „eine Erkenntnistheorie haben, die unter einer speziellen Gültigkeitshypothese steht, wobei jede dieser speziellen Hypothesen auf einer höheren Stufe gerechtfertigt w i r d " (246). Diese Stufung „ w i r d m a n geradezu so anlegen, daß m a n zu ständig übersichtlicheren u n d methodisch engeren Teilbereichen vorstößt u n d nach einigen Schritten bei einem »trivialen Abschluß' anlangt" (247). — Z u unserer Diskussion der Argumente v o n Schmidt vgl. Westermann, Christoph, Untersuchungen zur kritischen M e thode, Bd. I v o n Kritische Methode u n d K r i t i k der praktischen Vernunft, 2. Halbband, zweiter Teil, 1.17, S. 58-79, Aalen 1975 (Ebertin-Offset-Druck) ; zitierweise: Westermann K M I, 2, 2. Teil, Seite 58 - 79. 24 Hauptsächlich drei (Gegen-)Argumente werden i n der Diskussion zu diesem U r t e i l regelmäßig erhoben: erstens — i n diesem Satz w i r d (fälschlicherweise) eine (unzulässige) imprädikative Begriffsbildung vermutet v o n der 21
Das kritisch-methodische Begründungsproblem
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A r t : dieser Satz (ζ. B. der, der jetzt an der Tafel steht) ist falsch (im U n t e r richt bediene ich mich dieser Verdeutlichung). I m Schrifttum w i r d herkömmlich angenommen, daß f ü r diesen Satz sowohl der Nachweis, daß er falsch ist, als auch der, daß er w a h r ist, erbracht werden könne. W i r hingegen meinen: solange iòh nicht weiß, welcher Satz m i t „dieser Satz" (inhaltlich) gemeint ist, k a n n der Satz „dieser Satz ist falsch" hinsichtlich w a h r / falsch nicht beurteilt werden. Erst w e n n sich „dieser Satz" bezieht auf einen anderen, z.B. die Aussage „es regnet jetzt", läßt sich ggfs. zeigen, daß es wahr ist, daß es falsch ist, daß es jetzt regnet (gleichbedeutend m i t : es regnet nicht); zweitens — ebenso k a n n der Verdacht entkräftet werden, daß unser „Jedes U r t e i l bedarf der Begründung" eine Aussage von der F o r m sei: A l l e Behauptungen sind falsch. H i e r w i r d neben dem V o r w u r f der unzulässigen imprädikativen Begriffsbildung noch der der U n k l a r h e i t erhoben m i t der Frage, ob sich das „alle" auch auf die Aussage selber beziehe, w o m i t w i r dann f ü r den F a l l einer bejahenden A n t w o r t auf die Frage beim Paradox des lügenden Kreters angelangt seien (vgl. hierzu ausführlicher Westermann K M I, 2, 2. Teil, 1.170.2, S. 58). W i r räumen zunächst den Widerspruch f ü r den Satz „ A l l e Behauptungen sind falsch" f ü r den Fall, daß dieser Satz durch „alle" unter sich selbst fällt, ein: dies ist jedoch nicht unser Urteil! F ü r unser U r t e i l formulieren w i r ausdrücklich: „Jedes" oder „ A l l e " bezieht sich auch auf unser U r t e i l m i t der Folge, daß es begründet werden muß, — was w i r , i n aller gebotenen K ü r z e hier, 9 Druckzeilen später t u n werden (ausführlicher hierzu vgl. Westermann K M I , 1: 1.111.8, S. 5/6, sowie 1.113, S. 9 ff.); drittens — m a n argumentiert noch w i e folgt: Auch falsche Urteile sind U r teile; jedes U r t e i l bedarf der Begründung; also: falsche Urteile bedürfen der Begründung. Darauf erwidere ich: i m T e x t 6 Druckzeilen weiter unten heißt es ausdrücklich (wenngleich hier verkürzt) „die Wahrheit eines jeden Urteils bedarf der Begründung". Begründen heißt also: den Nachweis für die Wahrheit eines Urteils erbringen. M a n w i r d vielleicht dazu neigen, die Bestimm u n g als zu eng zu erachten, m i t dem Hinweis darauf, daß häufig der Nachweis der Falschheit erbracht werde. Dabei w i r d jedoch übersehen: m i t dem Nachweis der Falschheit eines Urteils w i r d stets der Nachweis der Wahrheit des kontradiktorischen Urteils erbracht, und, der Nachweis der Falschheit eines Urteils bedeutet die Wahrheit des Urteils, daß jenes U r t e i l falsch ist. — Mit dem Nachweis der Falschheit eines Urteils weisen wir immer Wahres nach. — F ü r diese Diskussion danke ich meinem Gesprächspartner Reinhard Kleinknecht; wegen weiterer Argumente vgl. Westermann K M I, 1: 1.113, S. 9.
TEIL 1 Abriß des sog. „Begründungsproblems „Scheinprobleme" und Präzisierungen
1 Abriß des sog. „Begründungsproblems" 1.1 Beweis: Voraussetzungen und Prämissen Die Frage, warum jedes Urteil der Begründung bedarf, macht erstens die Voraussetzung, daß nicht ein etwas, das ein Urteil ist, eben darum, w e i l es ein Urteil ist, auch dadurch wahr ist, und zweitens die Voraussetzung, daß nicht ein etwas, das ein Urteil ist, eben schon darum, w e i l es ein Urteil ist, auch dadurch falsch ist; wenn dem so ist, dann bedarf jedes Urteil, genauer: die Wahrheit eines jeden Urteils der Begründung. W i r haben hier also das Urteil, daß jedes Urteil der Begründung bedarf, durch zwei andere Urteile, nämlich, daß ein Urteil nicht schon deshalb wahr oder falsch ist, w e i l es ein Urteil ist, begründet, genauer: bewiesen, wenn das letztgenannte Urteil „ein Urteil ist nicht schon deshalb wahr oder falsch, w e i l es ein Urteil ist" wahr ist. Dieses Urteil ist aber nichts anderes als die Folge aus dem Urteil, daß jedes Urteil entweder wahr oder falsch ist, dessen Wahrheit wiederum auf dem SVW (Satz vom Widerspruch) und SVD (Satz vom ausgeschlossenen Dritten) beruht, bzw. aus diesen folgt. Jedes Urteil bedarf also der Begründung; aus der Feststellung, daß etwas ein Urteil ist, folgt i n Bezug auf die Wahrheit oder Falschheit des (festgestellten) Urteils nichts. Die Behauptung, daß jedes Urteil der Begründung bedarf, setzt ihrerseits voraus, daß Begründung von Urteilen überhaupt möglich ist. Sollte Begründung von Urteilen überhaupt unmöglich sein, dann ist es sinnlos zu fordern, daß jedes Urteil der Begründung bedarf; wer also das letztere fordert oder behauptet, setzt die Möglichkeit der Begründung von Urteilen voraus. — Sollte Begründung von Urteilen überhaupt unmöglich sein, dann wäre es freilich auch unmöglich, dies (daß Begründung von Urteilen unmöglich ist) zu begründen. W i r behaupten, daß der letzte Satz: „Sollte Begründung von Urteilen überhaupt unmöglich sein, dann wäre es auch unmöglich, dies zu be-
1.1 Beweis: Voraussetzungen u n d Prämissen
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gründen" unmittelbar einsichtig ist, d . h . durch Einsicht 1 begründet w i r d ; damit ist die Annahme „Begründung von Urteilen ist überhaupt unmöglich" widerlegt und zugleich an einem Beispiel gezeigt, daß Begründung von Urteilen überhaupt möglich ist. Wer nun behauptet, dies nicht einzusehen (und sei es nur aus Gründen der Rationalität, d . h . u m seinen Dialogpartner zu noch größerer Eindeutigkeit seiner gegebenen Argumente zu zwingen), der behauptet nicht zugleich, daß er eingesehen habe, daß das genannte Urteil falsch ist; er könnte dies auch nur behaupten unter der Voraussetzung, daß Begründung von Urteilen überhaupt möglich ist: die Wahrheit des Urteils, daß jenes Urteil falsch ist, würde er durch „Einsicht" i n die Wahrheit kontradiktorischer Urteile begründen (was nicht möglich ist: SVW); denn wenn das Urteil „Sollte Begründung von Urteilen überhaupt unmöglich sein, dann ist es unmöglich, dies zu begründen" falsch ist, dann heißt das: Begründung von Urteilen ist überhaupt unmöglich, und: die Begründung eines Urteils, nämlich dieses, ist möglich (dann ist aber Begründung von Urteilen überhaupt nicht mehr unmöglich) — ein Widerspruch, den er sicherlich zu begehen nicht bereit ist. — Er behauptet also nur dies, es (die Wahrheit jenes Urteils) nicht einzusehen. Daraus, daß er das genannte Urteil nicht einsieht, folgt aber auch nicht, daß das Urteil falsch ist: aus dem Umstand, daß einer eine Erkenntnis nicht hat (die ein anderer hat), folgt nichts! Denn die Wahrheit eines Urteils ist unabhängig von ihrem Erkanntsein und damit auch der Anzahl derer, die sie erkannt haben, — sei es nun einer, seien es viele oder alle 2 . 1 W i r vernachlässigen die (mögliche) Unterscheidung v o n Erkenntnis u n d verinnerlichter Erkenntnis, gleichbedeutend m i t Einsicht (vgl. z.B. Allport, Gordon, W., Gestalt u n d Wachstum der Persönlichkeit, Meisenheim 1970, S. 284); w i r haben i m A l l t a g vielerlei Erkenntnisse, die i n keinerlei Bezug zum Personenkern stehen; ζ. B. habe ich eine Unzahl äußerer Wahrnehmungen, während ich meinen P k W durch die Straßen steuere, ohne daß ich h i e r von innerlich berührt werde. Erkenne ich dagegen ζ. B. das praktische (Sitten-)Gesetz, dann kann (es muß dies nicht sein, sonst wäre Tugend lehrbar) es sein, daß diese Erkenntnis verinnerlicht w i r d dergestalt, daß diese E i n sicht zur L e i t l i n i e meines Verhaltens w i r d ; der Psychologe Paul Helwig sprach hier von Lebensthematik, Rohracher nennt dies Lebensplan. — I n unserem K o n t e x t w i r d Einsicht u n d Erkenntnis gleichbedeutend verwendet (wenngleich w i r nicht ausschließen möchten als unser Ziel, daß manche unserer behaupteten Erkenntnisse beim Leser vielleicht zukünftig i m Diskurs als Einsichten fungieren mögen). 2 Dies w i r d bei der Erörterung v o n möglichen Wahrheitstheorien (vgl. ζ. B. Habermas, Jürgen, Wahrheitstheorien, i n : W i r k l i c h k e i t u n d Reflexion, Pfullingen 1973, Seite 211 ff.; Auszugsabdruck auch i n RpP I I 381) meist übersehen, jedenfalls nicht ausgesprochen. „ W a h r nennen w i r Aussagen, die w i r begründen können." (219) „Zufälliger »Konsensus4 dient nicht als W a h r heitskriterium." „Deshalb ist ,diskursive Einlösung' ein normativer Begriff:
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1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems"
Beide Aspekte werden i n der rationalen Diskussion häufig übersehen; man geht bisweilen von der irrigen Annahme aus, daß Einsichten i n ihrer Einsichtigkeit zu vermitteln seien. Dabei lassen sich nur Begründungen vermitteln; einsehen muß es ein jeder für sich allein 3 . die Übereinstimmung ist i m m e r begründender Konsensus." (RpP I I 382) Jedoch k a n n es, den Nachweisungen von Nelson entsprechend (vgl. Nelson I I 58 ff.), ein Wahrheitskriterium i m Sinne eines Erkenntniskriteriums nicht geben; die angesprochene L i t e r a t u r geht auf die dort gegebene Argumentation nicht ein (Ausnahme: Schmidt , Η . Α., vgl. Fn. 23 Einleitung). Durch den „begründeten" Konsens w i r d aber Erkenntnis i n die „Wahrheitstheorien" eingebracht, ohne daß deutlich würde, i n w i e w e i t faktischer Konsens w i e überhaupt irgend ein Konsens vonnöten ist. „ W a h r h e i t " als „ein Geltungsanspruch" (212) f ü h r t dann, n u r konsequent, zu „einlösen" „durch A r g u m e n t a t i o n " m i t der Folge einer „ L o g i k des Diskurses" (238 ff.), i n dem es auf die „ideale Sprechsituation" (252 ff.) ankomme; u n d f ü r diese „trauen w i r uns faktisch jederzeit zu, einen vernünftigen (diskursiv v o n uns) von einem t r ü gerischen Konsens zu unterscheiden" (258): so w i r d , wenngleich i n einem Nebensatz, Vernunft i n die „Wahrheitstheorien" eingebracht. Zuletzt v e r schiebt sich das behauptete Problem v o m „Wahrheitsanspmch" zum „Wahrhaftigkeitsanspruch" (259), der m i t »Wahrheit eines Urteils* nichts zu t u n hat, sondern lediglich das Verhältnis der Übereinstimmung v o n Überzeugung u n d Aussage bezeichnet; diese Wahrhaftigkeit ist, w e n n überhaupt „ d i s k u r siv" (260), dann jedenfalls ganz unabhängig v o n der Wahrheit eines Urteils zu prüfen: w a h r h a f t i g ist eine Aussage auch dann, w e n n sie falsch ist, sofern sie n u r m i t der Überzeugung des Aussagenden übereinstimmt, die i h r e r seits i r r t ü m l i c h ist. Bleibt also als Ergebnis festzuhalten unser Satz, Rekurs n u r möglich auf Erkenntnis, auf nichts sonst, weder auf Geltungsanspruch, noch auf Gewißheitserlebnisse (219 ff.) u n d nicht auf noch so ideale Sprechsituationen. 3 Vgl. z.B. Kambartel, Friedrich: „ . . . Begründung . . . ein rationaler D i a log (oder der E n t w u r f eines solchen Dialoges), der zur Zustimmung aller Beteiligten dazu führt, daß die i n Frage stehende Orientierung bei allen Betroffenen i n einer f ü r diese fingierten unverzerrten K o m m u n i k a t i o n s situation zur Zustimmung gebracht werden kann. — Begründung i n der gegebenen Definition . . . stellt aber zugleich die Unhintergehbarkeit einer vernünftig gewonnenen faktischen Zustimmung i n Rechnung." (Moralisches Argumentieren — Methodische Analysen zur E t h i k , i n : Praktische P h i l o sophie u n d K o n s t r u k t i v e Wissenschaftstheorie, Hrsg. Kambartel, S. 68; ders., Erkennen u n d Handeln — Methodische Analysen zur E t h i k , i n : Theorie u n d Begründung, S. 58, jeweils F r a n k f u r t 1974 bzw. 1976). Oder ζ. B. Lorenzen, Paul / Schwemmer, Oswald: „ . . . Argumentieren, d. h. . . . Aufstellung gemeinsam überprüfbarer u n d annehmbarer Sätze" (151) Unter der Überschrift „ V e r n u n f t p r i n z i p " heißt es dann: „ W i e sollen w i r n u n Beratungen führen?" (161) D r e i Stufen „vernünftiger Gemeinsamkeit" werden angeboten: gleicher Wortgebrauch, Übernahme der Sätze des Anredenden durch i h n selbst, „die W ö r t e r - u n d Satz-Gemeinsamkeit . . . allgemein werden zu lassen, daß die Wörter f ü r jeden beliebigen lehrbar u n d die Sätze f ü r jeden beliebigen annehmbar gemacht werden" (162) Die Dispositionsbegriffe, j e weils „ . . . bar", deuten darauf hin, daß w o h l nicht »faktisch gelernt 4 u n d tatsächlich angenommen* gemeint ist, sondern Bedingungen der Möglichkeit ausformuliert werden sollen. V o n da versteht es sich beinahe von selbst, daß die eigentliche Problematik weitergereicht w i r d von Stufe zu Stufe (vgl. 170). V o n „der faktischen Genese von Normensystemen" (280) gelange m a n zur „kritischen Genese eines Normensystems" (303); an anderer Stelle noch „ n o r mative Genese eines Normensystems" genannt: Schwemmer, Oswald: P h i l o sophie der Praxis, F r a n k f u r t 1971, S. 235). Der „Zirkelverdacht" w i r d zurück-
1.2 G r u n d u r t e i l u n d Erkenntnis, mittelbare Erkenntnis: Beweis
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Gelingt daher die Vermittlung der Einsichtigkeit nicht, w i r d häufig vom Diskussionsgegner, der eine bestimmte Einsicht nicht hat, gefolgert, daß die Behauptung des Diskussionspartners falsch sei. Aus dem Umstand, daß ich eine Einsicht nicht habe, folgt aber nichts i n Bezug auf die Wahrheit oder Falschheit eines Urteils; diese ist unabhängig von der Einsicht, d . h . das Urteil kann immer noch wahr oder falsch (aber nicht beides zugleich) sein auch dann, wenn niemand die Wahrheit oder Falschheit des Urteils erkennt. Die Folgerung (der psychische A k t des — vermeintlichen — Folgerns) ist also ein Fehlschluß, beruht auf einem Fehlschluß, ist irrtümlich. Es kann also nicht zugleich behauptet werden, daß einerseits jedes Urteil der Begründung bedarf, andererseits Begründung von Urteilen überhaupt unmöglich ist; die Behauptung „Jedes Urteil bedarf der Begründung" setzt voraus, daß Begründung von Urteilen überhaupt möglich ist, und widerspricht der Behauptung „Begründung von Urteilen ist überhaupt unmöglich". Genauer: die Voraussetzung jener Behauptung, daß jedes Urteil der Begründung bedarf, nämlich „Begründung von Urteilen ist überhaupt möglich", widerspricht der Behauptung „Begründung von Urteilen ist überhaupt unmöglich"; diese ist aber bereits widerlegt. Hingegen ist die Wahrheit dieser Voraussetzung durchaus vereinbar mit der Falschheit des Ausgangsurteils: Begründung von Urteilen kann durchaus überhaupt möglich sein, selbst dann, wenn es falsch ist, daß jedes Urteil der Begründung bedarf (gleichbedeutend: selbst dann, wenn nicht jedes Urteil der Begründung bedarf). Eben darum ist diese Voraussetzung auch nicht Prämisse: denn die Wahrheit einer Prämisse ist nur vereinbar mit der Wahrheit des Schlußsatzes (in Anwendung eines — richtigen — Folgerungsprinzips). Aber umgekehrt ist die Falschheit einer Prämisse durchaus vereinbar m i t der Wahrheit des Schlußsatzes (in Anwendung eines — richtigen — Folgerungsprinzips); freilich folgt der Schlußsatz als wahrer nur aus wahren Prämissen. 1.2 Grundurteil und Erkenntnis, mittelbare Erkenntnis: Beweis Die Behauptung, jedes Urteil müsse bewiesen werden, ist (selbst-) widersprüchlich und damit falsch 4 . Ein Urteil, das nicht bewiesen wergewiesen (315), stattdessen ein „(spiraliger) Bildungsprozeß beschrieben" (316), „so daß a m Ende eines solchen Bildungsprozesses i n der Tat — w i e Hegel es formuliert — der ,sich selbst begreifende Begriff' stünde. Dabei muß aber festgestellt werden, daß ein sich selbst begreifendes Begreifen zwar die ständige Aufgabe unserer B i l d u n g formuliert, nicht aber schon als deren erreichtes Ergebnis behauptet werden sollte". (Konstruktive Logik, E t h i k u n d Wissenschaftstheorie, 2. Aufl., M a n n h e i m 1975). 4 Vgl. Westermann K M 1,1:1.113.1, S. 9 f.
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1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems"
den kann, nennen w i r ein Grundurteil, und behaupten, daß die Begründung der Grundurteile durch eine unmittelbare Erkenntnis erfolgt; von dieser unterscheiden w i r die mittelbare Erkenntnis, die i m Beweis gegeben ist; denn beim Beweis erkennen w i r das Bewiesene nur vermittelst anderweitig schon gegebener Prämissen, die hierfür, d.h. für den Beweis wahr sein müssen: nicht zu verwechseln m i t der anderen, von dieser durchaus verschiedenen Behauptung, daß jedem Beweis ein (folgerichtiger) Schluß zugrunde liegt, den w i r (als Schluß, d.h. das Folgerungsprinzip, das einer Nominaldefinition entsprechend immer richtig ist) unmittelbar erkennen. — Damit ist gezeigt: Beweis ist Begründung von Urteilen durch Urteile. W i r haben damit nicht etwa nur eine terminologische Festsetzung getroffen oder eine Nominaldefinition gegeben, sondern einen Sachverhalt aufgewiesen, den w i r durchaus i n Übereinstimmung m i t dem sprachüblichen Sinne von „Beweis" als Beweis analysierten und charakterisierten: w i r haben damit eine Sacherklärung 6 gegeben. 1.3 Erkenntnis, Urteil und Irrtum Die Behauptung, daß die Begründung von Grundurteilen durch eine unmittelbare Erkenntnis erfolgt, setzt ihrerseits voraus, daß Erkenntnis und Urteil verschieden sind. W i r haben bereits erkannt, daß jedes Urteil entweder wahr oder falsch ist. Analoges kann von der Erkenntnis nicht behauptet werden: mag man m i t dem, daß eine Erkenntnis ,wahr' sei, noch einen Sinn verbinden, so ist die Annahme einer ,falschen Erkenntnis* selbstwidersprüchlich; eine ,Erkenntnis, die falsch ist', kennzeichnen w i r gerade nicht als ,Erkenntnis 4 , sondern als Irrtum (entsprechend kennzeichneten w i r die — nunmehr unmittelbare — Erkenntnis eines ,Schlusses', der unrichtig ist, als Fehlschluß und ließen das i h m zugrundeliegende ,unrichtige Folgerungsprinzip' als Folgerungsprinzip — das nach unserem Sprachgebrauch immer richtig ist —, das falsch ist, nicht zu: über die Möglichkeit von Fehlschlüssen ist damit nichts ausgesagt). Entspricht demgemäß einem wahren Grundurteil eine unmittelbare Erkenntnis, die dem wahren Grundurteil zugrunde liegt (oder, was dasselbe ist, indem w i r uns des Sprachgebrauchs der »kritischen Methode' bedienen: das Grundurteil wiederholt die unmittelbare Erkenntnis), so kann entsprechendes von einem falschen Grundurteil nicht behauptet werden. — Der Rekurs auf den Beweis h i l f t uns nicht weiter: denn die Nichtbeweisbarkeit hat das wahre Grundurteil m i t jedem falschen Urteil gemein. — 6
Vgl. Fries 7, 301.
1.
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Erkenntnis und Bewußtsein
1.4 Erkenntnis und Bewußtsein Wahren Grundurteilen liegen unmittelbare Erkenntnisse zugrunde: Hiermit ist über das Verhältnis der unmittelbaren Erkenntnis zum Bewußtsein des Erkennenden nichts ausgemacht. W i r müssen nämlich den Besitz einer Erkenntnis, das Haben einer Erkenntnis von dem Bewußtsein dieser Erkenntnis, dem Wissen u m die Erkenntnis unterscheiden. Dies gilt sowohl für die unmittelbare Erkenntnis als auch für die mittelbare; ich kann einen Schluß ziehen, ein Urteil aus einem oder mehreren Urteilen folgern, ohne u m das Schließen oder Folgern zu wissen, und zwar einmal ohne zu wissen, daß ich einen Schluß gezogen habe, und zum anderen auch ohne u m das (angewandte) Folgerungsprinzip 6 zu wissen. Das gleiche gilt für Urteile; auch hier gibt es Urteile, deren w i r uns bewußt sind, und solche, bei denen das nicht der Fall ist. Dies gilt sowohl für Grundurteile (die nicht bewiesen werden können) als auch für Nicht-Grundurteile (die bewiesen werden können), deren Ableitung i m Schluß besteht. 1.5 Anschauung: Eine Erkenntnis ohne Vermittlung durch Begriffe Demnach ist also zwischen bewußter und nicht-bewußter Erkenntnis zu unterscheiden, sei diese nun eine unmittelbare oder mittelbare; ebenso ist dann zwischen bewußten und nicht-bewußten Grundurteilen, wie auch Urteilen zu unterscheiden. Eine unmittelbare Erkenntnis, die wir ohne Vermittlung griffe haben, nennen wir Anschauung.
durch Be-
W i r wissen, daß w i r m i t der Verwendung des Begriffes ,Anschauung' unsere Ausführungen erheblich belasten; denn der Begriff hat i m Verlaufe der Geschichte der Philosophie mannigfache Ausdeutungen bis h i n zur „intellektuellen" Anschauung erfahren. W i r können aber nicht so ohne weiteres auf i h n verzichten, u m die unmittelbare Erkenntnis ohne Vermittlung durch Begriffe (nicht vermittelt durch Begriffe) von der unmittelbaren Erkenntnis durch Vermittlung durch Begriffe (vermittelt durch Begriffe) zu unterscheiden. 1.6 Anschauung, ζ. B. bei Nelson, und Kritik W i r schließen m i t der gegebenen Bestimmung der Anschauung nicht ohne weiteres an herkömmliche Bestimmungen an; zum Beispiel Nelson i n seinen Hauptschriften: • Dem als Prinzip, dem Grundurteil, eine unmittelbare Erkenntnis zugrunde liegt.
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1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems"
„Die unmittelbare Erkenntnis, die den mathematischen und empirischen Urteilen zu Grunde liegt, ist anschaulich; w i r sind uns unmittelbar, d. h. unabhängig von der Reflexion, bewußt, sie zu besitzen, und können deshalb ihren Inhalt, sobald sie gegeben ist, mit dem Urteil vergleichen, u m dieses zu begründen. Die unmittelbare Erkenntnis der reinen Vernunft dagegen ist keine Anschauung, d.h. sie kommt uns nicht unmittelbar, sondern nur durch Reflexion zum Bewußtsein. Wenn es sich also darum handelt, metaphysische Grundurteile zu begründen, so kann dies nicht dadurch geschehen, daß w i r sie geradezu m i t der ihnen zu Grunde liegenden unmittelbaren Erkenntnis vergleichen; sondern w i r müssen diese unmittelbare Erkenntnis erst künstlich zum Gegenstande einer Untersuchung machen, u m uns von dem Vorhandensein eines Grundes der fraglichen Urteile zu überzeugen 7 ." „Anschauung ist diejenige Erkenntnis 8 , deren w i r uns unmittelbar (nämlich ohne Vermittlung von Begriffen, d. h. unabhängig von der Reflexion) bewußt werden. Da erscheint es nun freilich leicht paradox, von einer nicht-anschaulichen und doch unmittelbaren Erkenntnis zu sprechen. Allein, die Unmittelbarkeit, die den Begriff der Anschauung ausmacht, ist nicht die der Erkenntnis, sondern des Bewußtseins u m die Erkenntnis. Die scheinbare Paradoxie des Begriffs einer nicht-anschaulichen unmittelbaren Erkenntnis verschwindet daher, sobald man den Unterschied des unmittelbaren Bewußtseins von der unmittelbaren Erkenntnis beachtet. Was hier meist irreführt, ist dies: Die anschauliche Erkenntnis steht offenbar früher vor dem Bewußtsein als diejenige, die i h m nur durch Reflexion angehört. Aus dieser zeitlichen Priorität der anschaulichen vor der gedachten Erkenntnis folgt aber nicht, daß die Anschauung der alleinige Grund der Möglichkeit der gedachten Erkenntnis sei. Denn die Frage nach dem Ursprung der Erkenntnis ist von der genetischen Frage nach der zeitlichen Ausbildung des Bewußtseins streng zu scheiden 9 ." „Daß ich eine Erkenntnis habe, bedeutet noch nicht, daß ich m i r auch bewußt bin, sie zu haben . . . Bei der Erkenntnis, die w i r Anschauung 7 Nelson I I 162. M i t seiner gegebenen Bestimmung k o m m t Nelson i n die Nähe dessen, was Kant Anschauung nannte (vgl. K a n t I I I 69, 97); jedoch w a r Kant die unmittelbare Erkenntnis (dem Begriffe nach) nicht bekannt, so daß das Verhältnis dieser zum Bewußtsein i n Bezug auf Anschauung, sei diese empirisch oder rein, nicht Gegenstand seiner Ausführungen sein konnte. Da f ü r unsere Überlegungen dieses Verhältnis der unmittelbaren Erkenntnis zum Bewußtsein als Kernstück f ü r die kritische Methode bestimmt ist, erübrigt sich ein Rekurs auf K a n t , der i m übrigen weitere umfänglichere U n tersuchungen erforderlich machen würde, u m den gestellten Anforderungen an die Genauigkeit zu genügen. 8 Gemeint ist: unmittelbare Erkenntnis, Erkenntnis, die nicht v e r m i t t e l t ist durch Schluß oder Beweis. 9 Nelson I 49/50.
1.6 Anschauung, ζ. Β . bei Nelson, u n d K r i t i k
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nennen, finden w i r i n der Tat stets beides m i t einander vereinigt: Anschauung ist eine unmittelbare Erkenntnis, deren w i r uns auch unmittelbar bewußt sind. . . . Es genügt daher für die Begründung eines Urteils noch nicht, daß w i r eine unmittelbare Erkenntnis haben, auf die es sich gründet, sondern w i r müssen uns auch bewußt sein, sie zu haben. W i r besitzen vielleicht den Grund des Urteils, aber w i r sind uns seiner nicht unmittelbar bewußt. Und auf dieses Bewußtsein kommt es für die Begründung gerade an . . . Denn die Anschauung ist eine unmittelbare Erkenntnis, die uns unabhängig vom Urteil zum Bewußtsein kommt und die w i r daher neben dem Urteil i m Bewußtsein festhalten können 1 0 ." W i r können diese Bestimmungen nicht kritiklos übernehmen, denn daß w i r eine Erkenntnis „unmittelbar (nämlich ohne Vermittlung von Begriffen, d. h. unabhängig von der Reflexion)" haben, sagt noch nichts darüber aus, ob diese auch bewußt ist; sie kann auch nicht-bewußt sein, wobei w i r durchaus einräumen können, daß sie „unmittelbar (nämlich ohne Vermittlung von Begriffen, d. h. unabhängig von der Reflexion) bewußt werden" kann, — aber eben doch nur kann; ob sie es i m Einzelfall ist, darüber entscheidet allein die Erfahrung. Freilich, wenn sie bewußt ist, „sobald sie gegeben ist", können w i r sie „ m i t dem Urteil vergleichen, u m dieses zu begründen". Allerdings: denn u m ein U r t e i l zu begründen, bedarf es, wenn dies durch Anschauung geschehen soll, des Gegebenseins des Grundes, der Anschauung, des Bewußtseins u m die Anschauung, m. a. W. die Anschauung muß bewußt sein. Mag auf diese Weise der Gebrauch von »Anschauung4 noch ermittelt werden, so bleibt die abschließend i n der letzten Zitierung gegebene Kurzform unserem Verständnis verschlossen: „Anschauung ist eine unmittelbare Erkenntnis, deren w i r uns unmittelbar bewußt sind." Denn hier kommt das Wörtchen ,unmittelbar 4 i n vier verschiedenen Bedeutungen vor, von denen drei bei Nelson selbst dargelegt sind. Erstens — Unmittelbare Erkenntnis heißt einmal: Erkenntnis unabhängig von der Reflexion, d. h. vom Beweis; Beleg: „Ist nämlich alle unmittelbare Erkenntnis anschaulich, so muß offenbar die metaphysische Erkenntnis, da sie nicht anschaulich ist, ihren Grund i n der Reflexion haben, d. h. sie beruht auf dem Beweise 11 ." „Der Beweis ist die Begründung mittelbarer Urteile und besteht i n der Zurückführung derselben auf andere Urteile . . . Denn der Grund mittelbarer Urteile liegt i n anderen Urteilen. Liegt aber dieser Grund i n Urteilen, so ist er nicht ursprünglich (durch die Vernunft selbst) gegeben, sondern gehört der willkürlichen Reflexion an 1 2 ." 10 11 12
Nelson I V 54, letzter Satz S. 57. Nelson I 49. Nelson 1 173/174.
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1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems"
Zweitens — Unmittelbare Erkenntnis heißt zum anderen: „Erkenntnis ohne Vermittlung durch Begriffen", ebenfalls auch »unabhängig von der Reflexion 4 genannt, d. h. unabhängig vom Urteil; Beleg: „Das Urteil aber ist stets eine mittelbare Erkenntnis . . ." 1 S . Dieser Gebrauch von Reflexion einmal für Beweis, zum anderen für Urteil mag auf folgendem beruhen: „Aber auch alle Schlüsse, durch die w i r zum Beweise eines Satzes gelangen, sind analytische Urteile 1 4 ." Der gleiche Gebrauch bei Nelson ändert jedoch nichts an der Verschiedenheit der zugrundeliegenden Sachverhalte. Drittens — Endlich heißt unmittelbare Erkenntnis auch: Erkenntnis, die an und für sich gewiß ist; Beleg: „Nennen w i r eine Erkenntnis, die an und für sich gewiß ist, unmittelbar, jede andere dagegen mittelbar, so können w i r sagen, daß nur die mittelbaren Erkenntnisse einer Begründung bedürfen 15 . 44 Und nun können w i r kombinieren, u m für den fraglichen Satz einen Sinn zu erbringen, und erhalten (selbstverständlich) Tautologien, wenn w i r die Verwendung von unmittelbar jeweils i n dem einen oder anderen Sinne als gleichbedeutend betrachten. Auch wenn w i r verschiedene Bedeutungen von unmittelbar i n dem fraglichen Satz einsetzen, erhalten w i r keine eindeutige Bestimmung: w i r kommen dann zu einer an und für sich gewissen Erkenntnis, die nicht Urteil und nicht Beweis ist. N u n sind aber Urteil und Beweis nie an und für sich gewiß, — Urteile nicht, w e i l sie entweder wahr oder falsch sind, Beweis nicht, w e i l er auf wahren Prämissen (und damit wiederum auf Urteilen) und -richtigemFolgerungsprinzip beruht, — sondern gewiß sind nur unmittelbare Erkenntnisse. W i r sehen hier keinen Inhalt des Satzes, der über die Behauptung, etwas sei an und für sich gewiß, hinausgeht. — Umgekehrt verhält es sich nicht anders: w i r erhalten eine Erkenntnis, die nicht Urteil oder Beweis ist, die an und für sich gewiß ist. Hier gilt das gleiche. Über das Verhältnis dieser unmittelbaren Erkenntnis zum Bewußtsein erfahren w i r aus dem Satz aber auch nichts. Denn etwas kann an und für sich gewiß sein, ohne daß es darum schon auch bewußt ist; desgleichen ein Urteil, ohne daß es bewußt ist, ein Beweis, der nicht bewußt ist. Viertens — Es sei denn, w i r nehmen eine weitere Bestimmung von unmittelbar hinzu, nämlich die einer Erkenntnis, die sofort bewußt ist, d. h. wenn w i r sie haben, dann ist sie auch bewußt; Beleg: „ E r (Fries) findet, daß alles Reflektieren keine Erkenntnis erzeugt, sondern nur 13 14 15
Nelson I I 52/464. Nelson I I 38/39 = 450/451. Nelson I V 48.
1.6 Anschauung, ζ. Β . bei Nelson, u n d K r i t i k
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eine anderweitig gegebene verdeutlicht, daß also die Reflexion, soweit sie nicht bloß die schon unmittelbar bewußte, d.h. anschauliche Erkenntnis i n die Form von Urteilen bringt, nur ein M i t t e l ist, die für sich dunkle Erkenntnis der reinen Vernunft zum Bewußtsein zu erheben. Der Gehalt, der über die Anschauimg hinaus i m Urteil sich findet, w i r d also durch das Urteil nicht sowohl erzeugt als vielmehr nur zum Bewußtsein gebracht. Jedes Urteil wiederholt nur eine, sei es unmittelbar bewußte, sei es ursprünglich dunkle Erkenntnis. Besäßen w i r also keine andere unmittelbare Erkenntnis als die Anschauung, so bedürften w i r keiner Reflexion, denn diese würde nur die Wiederholung einer uns schon für sich selbst klaren Erkenntnis liefern 1 6 ." Das wäre zunächst eine Behauptung, die nicht erwiesen ist; unsere Beispiele haben allerdings das Gegenteil gezeigt. Das Verführerische des von Nelson gezeigten gedanklichen Vorgehens liegt u. E. i n folgendem: Es gibt offensichtlich eine unmittelbare Erkenntnis (eine Erkenntnis nicht vermittelt durch Schluß und Beweis), die nur durch Begriffe vermittelt zum Bewußtsein kommt; ζ. B. schließe ich „wenn alle Menschen sterblich sind, und wenn Sokrates ein Mensch ist, dann ist Sokrates sterblich", dem liegt als Folgerungsprinzip das dictum de omni et nullo zugrunde, dieses Prinzip (das ich i m vorliegenden Schluß anwende, u m das ich aber nicht wissen muß, u m es anwenden zu können, es braucht m i r nicht bewußt zu sein) kann nur durch Begriffe, genauer: Verbindung von Begriffen bewußt werden. — W i r d nun die Bestimmung einer unmittelbaren Erkenntnis, die nur durch Begriffe zum Bewußtsein kommt, verneint, so kommt man auf eine unmittelbare Erkenntnis, die ohne Vermittlung durch Begriffe zum Bewußtsein kommt; nennt man dies voreilig Anschauung, so ist damit unversehens eine Beziehung zum Bewußtsein hergestellt dergestalt, daß Anschauung eine unmittelbare Erkenntnis sei, die ohne Vermittlung durch Begriffe bewußt ist. Das ist jedoch keineswegs der Fall: denn es gibt auch eine unmittelbare Erkenntnis, die zwar ohne Vermittlung durch Begriffe zum Bewußtsein kommen kann, aber dennoch nicht bewußt ist, ζ. B. eine äußere Wahrnehmung (ich sehe etwas), deren ich m i r i m Augenblick des Wahrnehmens nicht bewußt bin. Man hat nun die Wahl, die eine oder andere unmittelbare Erkenntnis Anschauung zu nennen, d . h . die unmittelbare Erkenntnis, die ohne Vermittlung durch Begriffe auch bewußt ist, oder, die unmittelbare Erkenntnis, die ohne Vermittlung durch Begriffe zwar zum Bewußtsein kommen kann, aber auch dann, wenn sie nicht bewußt ist, m i t dem Wort Anschauung zu kennzeichnen; an den aufgewiesenen unterschied16 Nelson I I 384 f., sowie V I I 385: „ . . . eine an sich evidente Erkenntnis . . . Denn so nennen w i r eine solche, auf deren Gegenstand w i r n u r w i l l k ü r l i c h unsere Aufmerksamkeit zu richten brauchen, u m ihre Gültigkeit einzusehen".
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1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems"
liehen Sachverhalten ändert dies nichts. W i r haben uns — vielleicht entgegen herkömmlicher Bezeichnungen — für die zweite Möglichkeit entschieden. Dabei kam es uns darauf an, zunächst einmal den Unterschied aufzuweisen. Freilich, zur Begründung von Urteilen durch Anschauung dient nur die unmittelbare Erkenntnis, die ohne Vermittlung durch Begriffe auch bewußt ist, d. h. i n unserem Sprachgebrauch: eine bewußte Anschauung, eine Anschauung, die auch bewußt ist. Nach dem anderen Sprachgebrauch, ζ. B. bei Nelson, stellt die Verbindung ,bewußte Anschauung 4 eine überflüssige (und damit irreführende falsche) Wiederholung dar, da Anschauung auch immer zugleich bewußt ist. Inwieweit ein solcher Sprachgebrauch der aufgewiesenen Tatsache der Selbstbeobachtung gerecht werden kann, muß dann seine Sorge bleiben. Die gegebene A u f fassung für die Begründung von Urteilen durch unmittelbare Erkenntnisse deckt sich dann wieder m i t der Nelsons: „Es genügt daher für die Begründung eines Urteils noch nicht, daß w i r eine unmittelbare Erkenntnis haben, auf die es sich gründet, sondern w i r müssen uns auch bewußt sein, sie zu haben. W i r besitzen vielleicht den Grund des U r teils, aber w i r sind uns seiner nicht unmittelbar bewußt. Und auf dieses Bewußtsein kommt es für die Begründung gerade an 1 7 ." 1.7 Begründung und Grund: unmittelbare Erkenntnis Begründen heißt zurückführen von Urteilen auf ihren Grund, sei dieser ein Urteil i m Beweis, eine Anschauung, eine nicht-anschauliche Erkenntnis, und ist damit ein bewußter Vorgang, eine Erkenntnis, die auch bewußt ist. Es kann zwar ein Urteil wahr sein, ohne daß die Wahrheit auch erkannt ist; es kann auch ein Urteil wahr sein und die Wahrheit erkannt sein, ohne daß die Erkenntnis bewußt ist. Ein Urteil begründen kann man jedoch nur durch die bewußte Erkenntnis seiner Gründe. Der Grund selber ist eine Erkenntnis 1 8 ; begründe ich etwa das U r teil über ein logisches Gesetz, das Urteil, dessen Inhalt ein logisches Gesetz ist, ζ. B. das dictum de omni et nullo, so ist der Grund des U r teils die Erkenntnis des dictum de omni et nullo. Ist diese Erkenntnis (wie w i r für unsere Zwecke annehmen wollen) eine unmittelbare, dann ist sie nicht zurückführbar; sie ist daher ein Letztes! Aber der psychische Akt des Erkennens, der jene unmittelbare Erkenntnis zum Gegenstand hat, kann selbst wieder wahrgenommen werden (durch innere Wahrnehmung) und ist damit wiederum Gegenstand einer Erkenntnis 1 9 . 17
Nelson I V 54. Über die Möglichkeit des Irrens ist h i e r m i t eine Aussage nicht der Grund ist, der Möglichkeit nach, Gegenstand einer Erkenntnis. 18
gemacht;
1.7 Begründung u n d Grund: unmittelbare Erkenntnis
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Hier allerdings bricht u.E. die Reihe der Gegenstände, die jeweils Gegenstand einer Erkenntnis sein können, ab; zwar ist es (widerspruchsfrei) möglich, meine inneren Zustände, die psychischer Natur, selbst zum Gegenstand innerer Wahrnehmung zu machen: ich nehme wahr, (nicht, was, sondern) daß ich sehe — i m Unterschied zum ,ich taste', ζ. B., oder (was gewisse Problematiken aufwirft) i m Unterschied zum ,ich träume'. Nicht widerspruchsfrei durchführbar scheint es uns dagegen, die innere Wahrnehmung, die mein Sehen zum Gegenstand hat, selbst zum Gegenstand einer inneren Wahrnehmung, etwa einer weiteren Wahrnehmung, 2. Stufe zu machen; denn was sollte das heißen, was anderes bedeuten als eine überflüssige Verdopplung? Hiermit ist nicht etwa (notwendig) die Täuschungsfreiheit der inneren Wahrnehmung behauptet, wie vielfach eingewandt w i r d . I m Gegenteil möchten w i r ausdrücklich betonen, daß auch innere „Wahrnehmungen" täuschend sein können; zur Verdeutlichung: es wären eben darum keine Wahrnehmungen, sondern Wahrnehmungstäuschungen. Unsicherheiten treten ζ. B. bei der Beurteilung von ,Sehen' oder »Träumen' dann auf, wenn jemand gegen alle Erwartung m i t etwas konfrontiert wird. Zur Erkennbarkeit von Täuschungen ist hier ebenfalls nichts ausgeführt; doch zur Verdeutlichung: erkenne ich die Wahrnehmungstäuschung als solche, ist hierfür eine (erkannte) täuschungsfreie Wahrnehmung Voraussetzung — dies für Subjektives schlechthin gezeigt zu haben, ist wohl bleibender Verdienst von Konrad. (Hier sei uns die Doppelung ,täuschungsfreie Wahrnehmung' gestattet, u m das Gemeinte deutlich zu machen: nach unserem Sprachgebrauch ist eine Wahrnehmung stets täuschungsfrei, eine täuschende „Wahrnehmung" eben gerade eine Wahrnehmungstäuschung). Demgegenüber ist endlich eine ganz andere Frage, ob derjenige, der sich zur Begründung eines Urteils (letztlich) auf eine innere „Wahrnehmung", die aber täuschend ist (also: faktisch beruft er sich auf eine Wahrnehmungstäuschung, die freilich nichts begründen kann), beruft, sich von diesem seinem I r r t u m selber befreien kann, und, wen für die Behauptung, dessen innere Wahrnehmung sei Täuschung, die „Beweislast" (genauer: die Pflicht des Nachweises) trifft. W i r meinen: immer denjenigen, der dies behauptet. Und geben hierfür die Begründung: derjenige, der sich für die Begründung eines Urteils letztlich auf innere Wahrnehmung beruft, kann nicht diese wieder begründen (die gegenteilige Annahme führt zu einem unendlichen Regreß), wohl aber der19 Genauer: Gegenstand einer möglichen Erkenntnis; denn auch ich k a n n mich irren; auch innere Wahrnehmungen können täuschend sein.
3 Westermann
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1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems"
jenige kann i m Falle, daß jene innere „Wahrnehmung" täuschend ist, seine Behauptung: jene innere Wahrnehmung ist (in Wahrheit) Täuschung (lediglich die Behauptung einer — täuschungsfreien — Wahrnehmung, d. h. ein falsches Urteil, ein Urteil, das falsch ist), begründen, — freilich letztlich nur unter Berufung seinerseits auf seine (nunmehr wenigstens behauptete: täuschungsfreie) innere Wahrnehmung. — M i t Fries und Nelson gesprochen: ein jeder also unter Berufung auf den Grundsatz des Selbstvertrauens der Vernunft, und zwar jeweils seiner eigenen. Dieser Zusammenhang w i r d uns noch anhand von Beispielen wiederholt beschäftigen. Sehen w i r von der Begründung durch Beweis, d. h. durch mittelbare Erkenntnis, ab, so bleibt für die Begründung von Urteilen eine unmittelbare Erkenntnis, die entweder anschaulich ist oder nicht-anschaulich; die anschauliche Erkenntnis ist entweder empirische Anschauung oder sogenannte reine Anschauung. A n dieser Stelle müssen w i r uns eine genauere Erörterung des Begriffs der reinen Anschauung, auf die, so jedenfalls nach der Tradition von Kant her, die mathematischen Grundurteile gegründet werden können sollen, versagen, möchten jedoch i m Sinne unserer Bedenken auf Körner 20 hinweisen, der u. E. zu einem mindestens vergleichbaren, wenn nicht gleichen Ergebnis kommt, wenngleich auch aus anderen Überlegungen. Man sollte die herkömmliche Bezeichnimg »Reine4 Anschauung aufgeben, w e i l sie eine Anlehnung an Wahrnehmungen vermuten läßt, was aber nicht der Fall ist 2 1 . Die Bezeichnung wäre durch das, was gemeint ist, zu ersetzen, durch: unmittelbare Erkenntnis durch Konstruktion der Begriffe: „Die geometrischen Gebilde sind also einerseits Gegenstände der reinen Anschauung, andererseits aber sind sie i m Ganzen unserer Erkenntnis doch nur Formen bestimmter (physikalischer) Gegenstände. So ζ. B. ist das Dreieck eine rein-anschauliche Figur und bildet m i t allen aus dem Gesetz seiner Konstruktion folgenden Eigenschaften einen Gegenstand der Geometrie. Aber an Gegenständen der Erfahrung ist es nur die Form solcher, welche dreieckig sind 22 . 44 Unberührt hiervon bleibt für die Pädagogik die Möglichkeit, i n der kindlichen Entwicklung mathematische, speziell geometrische Einsichten ζ. B. zeitlich früher zu vermitteln als etwa logische, da die ersteren anschaulich gemacht werden können.
20
Vgl. Körner, Stephan: Philosophie der Mathematik, München 1968. Vgl. hierzu Körner, S. 204ff., der u . E . zum gleichen Ergebnis kommt, w e n n auch aus anderen Überlegungen. 21
22
Nelson I I I , Beiträge S. 32.
1.8 Unmittelbare Erkenntnis u n d Bewußtsein
35
Was m i t „rein-anschaulich" gemeint ist, kann nur so verstanden werden, daß einerseits m i t rein die Apodiktizität der unmittelbaren Erkenntnis, die w i r ohne Vermittlung durch Begriffe haben, gekennzeichnet werden soll, andererseits m i t anschaulich festgehalten wird, daß aufgrund der Konstruktion der (oder durch) Begriffe jedenfalls für geometrische Gegenstände die Erzeugung dieser i n der Anschauung, besser: für die empirische Anschauung nach den Gesetzen ihrer Konstruktion, möglich sein kann 2 8 . 1.8 Unmittelbare Erkenntnis und Bewußtsein A u f welche Weise setzen w i r uns nun i n den Besitz der unmittelbaren Erkenntnis, die w i r haben, die aber (noch) nicht auch bewußt ist? — sei diese Erkenntnis n u n eine empirische, mathematische oder logische, letztendlich auch noch praktische. „Nicht genug, daß w i r wissen, w i r müssen auch erst noch wissen, daß und was w i r wissen, u m davon sprechen zu können, w i r müssen uns unsrer Erkenntnisse erst wieder bewußt werden. . . . So weiß und erkennt jeder Mensch philosophische Gesetze, er urtheilt und handelt ihnen gemäß, ohne sich bewußt zu seyn, daß er sie weiß; erst beym wissenschaftlichen Erlernen der Philosophie finden w i r diese Gesetze selbst wieder i n uns 2 4 ." 1.8.1 Empirische unmittelbare Erkenntnis: Aufmerksamkeit und Erinnerung
Bei empirischer unmittelbarer Erkenntnis, Wahrnehmung, Sinneswahrnehmung, äußerer Wahrnehmung, oder, innerer Wahrnehmung, die wir gegenwärtig haben, kommen diese dadurch zum Bewußtsein, daß w i r unsere Aufmerksamkeit 2 6 auf den Strom unserer Empfindungen 2 6 richten 2 7 . 23 Der Begriff der ,reinen Anschauung 1 (oder: ,rein-anschaulich') versagt aber bereits i n der A r i t h m e t i k , w i e sich am Beispiel der „größten Primzahl", die es bekanntlich nicht gibt, zeigen läßt, sei es nun, daß m a n die Auffassung v e r t r i t t , der Begriff sei logisch möglich, da widerspruchsfrei, ein Gegenstand »größte Primzahl· falle nicht unter i h n (der Nachweisung, die schon E u k l i d vorführte, entsprechend), oder der Meinung ist, der Begriff »größte Primzahl· sei bereits logisch unmöglich, da (selbst-)widersprüchlich; zur ausführlicheren Diskussion von »reine Anschauimg' vgl. Westermann K M I, 1: 1.116/7, S. 29 ff. 24 Fries 4, 169/170 = N K I 105/106. 25 Vgl. Fries 4, 193/194 = N K I 129/130. „ D i e Zustände u n d Eigenschaften des Geistes i n Rücksicht der i n n e r n Wahrnehmimg sind vorzüglich der Horizont der innern Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit."
3·
1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems"
36
Hinsichtlich der empirischen u n m i t t e l b a r e n Erkenntnis vermag ferner d i e E r i n n e r u n g , das E r i n n e r u n g s - „ b i l d " u n s i n d i e L a g e z u versetzen, n u n m e h r b e w u ß t z u machen, w e l c h e E r k e n n t n i s w i r h a t t e n . Das gleiche g i l t f ü r d e n B e r e i c h d e r E r f a h r u n g insgesamt, also s o w o h l f ü r d i e äußere, als auch f ü r d i e i n n e r e W a h r n e h m i m g . A u s dieser F e s t s t e l l u n g e r g i b t sich, daß n i c h t j e d e W a h r n e h m u n g , d . h . s o w o h l das W a h r n e h m e n , d e r A k t des W a h r n e h m e n s als e t w a s Psychisches, als auch das W a h r g e n o m m e n e , d e r G e g e n s t a n d des W a h r n e h m e n s , auch schon a u f g r u n d d e r W a h r n e h m u n g w e d e r h i n s i c h t l i c h des W a h r n e h m e n s noch h i n s i c h t l i c h des W a h r g e n o m m e n e n b e w u ß t sein m u ß 2 8 . 1.8.2 Logische unmittelbare Erkenntnis: angewandte Logik als Anweisung für (folgerichtiges) Schließen A l l e Menschen sind sterblich Sokrates ist ein Mensch Also: Sokrates ist sterblich D i e s e n V e r n u n f t s c h l u ß 2 9 k a n n auch d e r ziehen, d e r n i c h t u m das d e m Schluß z u g r u n d e l i e g e n d e F o l g e r u n g s p r i n z i p w e i ß ; insbesondere k a n n dieser gegebenenfalls n i c h t i n d e r L a g e sein, d e n Schluß z u „ e r k l ä r e n " , i n d e m er das a l l g e m e i n e P r i n z i p , das d e m Schluß i n diesem B e i s p i e l 26
Vgl. Fries 4, 173 = N K I109. „ W i r nehmen innerlich nichts, als einen Abfluß v o n Veränderungen wahr..." 27 Vgl. Nelson V I I 385/386. „ . . . eine an sich evidente Erkenntnis . . . Denn so nennen w i r eine solche, auf deren Gegenstand w i r n u r w i l l k ü r l i c h unsere Aufmerksamkeit zu richten brauchen, u m ihre G ü l t i g k e i t einzusehen". 28 Diese Möglichkeit machen sich i n der Psychologie die projektiven Tests (z.B. Rorschach) zunutze; was an Testmaterial tatsächlich vorliegt, sind festumrissene, z. T. symmetrische, auch farbige Figurationen, die nichts darstellen (oder i m verbalen Bereich: Satzanfänge, die als Bruchstücke f ü r sich allein keine Bedeutung haben), die jedoch als solche v o n der Testperson i n aller Regel nicht bewußt wahrgenommen werden, sondern bewußt als Bedeutungen f ü r sie erfaßt werden (wenn der Test gelingt), aus denen dann der Versuchsleiter nach den Regeln der Wissenschaft bestimmte Schlüsse auf die seelische Verfassung der Versuchsperson ziehen kann. Gelingt es, etwa i m Verlaufe einer Therapie, die Projektion, genauer: das Projektierte, bewußt zu machen u n d abzubauen, w i r d auch die unmittelbare Erkenntnis, das „ w i r k lich" wahrgenommene bewußt, was sich bei der Testbesprechung i n der zweifelnden Fragestellung äußern mag: „Was Sie m i r da gezeigt haben, sind w i r k l i c h n u r Figurationen, die eigentlich nichts darstellen (Satzfragmente, die nicht zu einem bestimmten Wortlaut zu ergänzen sind, damit sie richtig werden, i n allen anderen Fällen sind die Ergänzungen falsch)!?" — Die sicherlich interessante Frage der erkenntnistheoretischen Bedingungen u n d Voraussetzungen der Testeichung oder Standardisierung berühren w i r hier nicht. 29 So w ü r d e Fries sagen; vgl. Fries 7, 155 ff.
1.8 Unmittelbare Erkenntnis u n d Bewußtsein
37
zugrunde liegt, aufzeigt, etwa i n klassenlogischer Form 8 0 oder m i t Hilfe der quantorenlogischen Darstellungsweise 81 oder durch A l l - und E x i stenzoper atoren 82 oder i n Form der „Grundlehren des Klassenkalküls" 3 8 . Es muß also eine unmittelbare Erkenntnis des zugrunde liegenden Folgerungsprinzips vorhanden sein, die den Schließenden veranlaßt, so und nicht anders zu schließen, ohne daß der Schließende sich des von i h m angewandten Prinzips auch bewußt wäre; er hat es zwar angewandt, weiß aber nicht u m das Prinzip. Erst wenn er darüber nachdenkt, kann i h m bewußt werden, daß und welches Prinzip er angewandt hat. N u n ist dabei aber zu beachten, daß bei einer logischen unmittelbaren Erkenntnis der Schließende sich des angewandten Prinzips nur durch Vermittlung durch Begriffe, und zwar durch Verbindung von Begriffen i m Urteil, bewußt werden kann; es ist also die Reflexion, die i h m die Erkenntnis von seiner unmittelbaren Erkenntnis vermittelt. W i r gebrauchen hier Reflexion i n der nachfolgenden Bedeutung: Erkenntnis durch Reflexion ist Erkenntnis durch Vermittlung durch Begriffe. W i r weisen auf folgende Schwierigkeiten hin: Die logische unmittelbare Erkenntnis besteht i n der Verbindung von Begriffen; zum Bewußtsein kommt diese Verbindung von Begriffen, die logische u n m i t telbare Erkenntnis, jedoch nur durch die Vermittlung durch Begriffe und nicht auch unabhängig von i h r 3 4 , also nur durch Reflexion. Es steht fest, daß w i r u. a. auch logische unmittelbare Erkenntnisse haben, die (zunächst) nicht bewußt sind. Der Einsicht bietet sich die Schwierigkeit, eine logische unmittelbare Erkenntnis, die i n Verbindung von Begriffen steht, die nicht bewußt ist, anzunehmen, — eine Verbindung von Begriffen, die nicht bewußt ist. Allein, diese Schwierigkeit kann nicht die von uns getroffenen Feststellungen über die logische unmittelbare Erkenntnis beeinträchtigen; sie vermag lediglich zu Versuchen anregen, diese Feststellungen anderen, der Einsicht weniger Schwierigkeiten bereitenden Formulierungen zu unterwerfen. 80 Vgl. Pfänder, Alexander: Logik, S. 300 ff.; auf die Unterscheidungen (s. S. 114 f.) k o m m t es f ü r unsere Überlegungen nicht an. 81 Vgl. Hasenjaeger, Gisbert: Einführung i n die Grundbegriffe u n d Probleme der modernen Logik, S. 28. 32 Vgl. von Kutschern und Breitkopf: E i n f ü h r u n g i n die moderne Logik, 8.2 u n d 8.3, S. 75; zur stufenweisen Formalisierung vgl. auch S. 11. 88 Vgl. Klug, Ulrich: Juristische Logik 3 , S. 68; 6.14 i n Verbindung m i t 5.10. 34 Wie etwa die mathematische unmittelbare Erkenntnis, die auch durch Demonstration zum Bewußtsein gebracht werden kann; ob diese durch Demonstration begründet werden kann, w i e Fries meint, ist eine erst noch zu prüfende Frage — vgl. Fries 4, 408 = N K I 344.
38
1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems" 1.8.3 Erwerb des Bewußtseins einer unmittelbaren Erkenntnis: eine biographische Frage
Hiervon ist noch zu unterscheiden die Zeitstelle i n der Biographie eines einzelnen Menschen, i n der er sich einer bestimmten unmittelbaren Erkenntnis erstmals bewußt wurde; auch ist es keineswegs so, daß unmittelbare Erkenntnisse, die einmal bewußt waren, es fürderhin bleiben; vielmehr geht das Bewußtsein zeitweilig wieder verloren, kann jedoch i n aller Regel, d. h. wenn nicht eine Blockierung vorliegt, jederzeit bewußt gemacht werden. So sind „die Gelegenheitsursachen der Entwicklung", ζ. B. eines geometrischen Grundbegriffs, zu trennen von der „Frage nach dem Ursprung" dieses Begriffs 3 5 . Auch hier behaupten w i r selbstverständlich nicht, daß aufgrund des Erlebnis Charakters auch tatsächlich ein (wirkliches) Erlebnis vorliegt, d. h. daß das Erlebte, der Gegenstand des Erlebnisses, wirklich ist, entsprechend ein Erkenntnis-Erlebnis, mein erlebter Zustand, innerer Natur, eben zu erkennen (im Gegensatz zu irren), nicht auch hinsichtlich des Gegenstandes täuschend sein kann. Zwar kann etwa darüber, ob ich Durst habe oder nicht, nur ich allein entscheiden (genauer: ob ich Durst erlebe), — eine banale Tatsache, die w i r jedoch völlig außer acht zu lassen scheinen, wenn z.B. unser K i n d zum xten Male am Abend aus seinem Bett aufsteht und i m Wohnzimmer seiner Eltern erscheint, um ihnen zu erklären, daß es Durst habe, obwohl es wenige M i nuten vorher und wieder vorher ausreichend zu trinken bekam, und w i r erwidern: D u kannst gar keinen Durst haben! Tatsächlich erlebt das K i n d Durst; den wahren Zusammenhang vermag es allerdings nicht zu durchschauen, daß dieses „Erlebnis" für es nur Vorwand ist, nicht allein schlafen zu müssen, wenn die Eltern noch auf sind, und es durch diese Tatsache aus der Sicht des Kindes erwiesen scheint, daß die Eltern nicht bereit sind, sich m i t ihm, dem Kind, zu beschäftigen: es versucht, Aufmerksamkeit zu erwecken, Beschäftigung m i t sich und damit Hinwendung zu erreichen, u m sich der ersehnten ausschließlichen Liebe, die es braucht, zu vergewissern etc. Gelingt es, die beim Kinde zugrunde liegenden Meinungen abzubauen und es von der elterlichen ungeschmälerten Zuwendung und Liebe zu überzeugen, verschwindet auch das „Erlebnis" des Durstes, — eine von jedem, nur einigermaßen i m Umgang m i t Kindern vertraut, erfahrene oder doch erfahrbare Tatsache: so sollte man, u m das Einschlafen des Kindes nicht zu gefährden, ein K i n d nie zur Strafe ins Bett schicken. — W i r würden m i t dem Bestreiten eines solchen Zusammenhanges die Möglichkeit der Psychotherapie bestreiten, was ganz und gar nicht i n unserem Sinne ist.
85
Nelson I I I 30.
1.8 Unmittelbare Erkenntnis u n d Bewußtsein
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1.8.4 Das Bewußtsein einer unmittelbaren Erkenntnis und seine begriffliche Form
Das Vorhergehende mag auf eine Schwierigkeit bei der Anwendung der herkömmlichen Bestimmung der Anschauung als unmittelbare Erkenntnis, die auch „unmittelbar" bewußt ist, hindeuten. W i r hatten gesehen, daß es unmittelbare Erkenntnisse gibt, die uns nicht auch bewußt sind; sodann hatten w i r unmittelbare Erkenntnisse, die auch bewußt sind. Schließlich müssen w i r aber noch hiervon die begriffliche Form der unmittelbaren Erkenntnis, die auch bewußt ist, von dieser unterscheiden, das Urteil, das diese unmittelbare Erkenntnis, die auch bewußt ist, wiederholt. (Daß das Urteil seinerseits nur i n einer Sprache ausgesprochen werden kann, können w i r hier vernachlässigen). Zwei Beispiele mögen das Gemeinte verdeutlichen: 1.8.5 Ein Beispiel: Logische Blocke
Ich spiele m i t einem etwa 3- bis 4jährigen Kinde; vor uns liegen verschieden geformte, aber geometrische Figuren, die auch verschiedene Farben haben. Ich beginne damit, daß ich zwei Gegenstände gleicher Farbe, z.B. rote, aussondere und etwa untereinander lege. I n aller Regel nimmt nun das K i n d einen dritten Gegenstand gleicher Farbe und fügt i h n den ersten beiden an. Was ist beim Kinde geschehen? Es hat offensichtlich meine Absicht erfaßt, Gegenstände dieser bestimmten gleichen Farbe auszusondern. Hierfür muß es eine unmittelbare Erkenntnis, hier eine äußere Sinneswahrnehmung, genauer: Farbwahrnehmung haben. N u n geht das K i n d nach dieser unmittelbaren Erkenntnis vor, und zwar nicht nicht-bewußt 3 6 , sondern offenbar bewußt; es hat also nicht nur eine unmittelbare Erkenntnis, sondern diese ist dem K i n d auch bewußt. Aufgrund des Vorgehens des Kindes ist jedoch die Frage noch unentschieden, ob es auch sein Vorgehen durch Urteil formulieren kann. W i r müssen i n unserem Beispiel bereits davon ausgehen, daß das K i n d auch urteilt; sonst könnte es meine Absicht nicht erfassen. Es urteilt etwa: dies ist rot, das ist rot — n i m m t einen Gegenstand und urteilt, jenes ist auch rot — und legt i h n zu den beiden anderen. (Im Versuch schaut einen das K i n d nach seinem Vorgehen gelegentlich erwartungsvoll an, u m für sein Vorgehen und das Erfassen unserer Absicht eine Bestätigung zu finden, — wenn es nicht i m Eifer sofort alle roten Gegenstände aussondert, und erst dann, Bestätigung heischend, uns auffordernd anblickt). Beginne ich nun, zei38 W i r wollen den Terminus „unbewußt" vermeiden, da er eine Assoziation zur Tiefenpsychologie hervorrufen kann, m i t der, unserer Intention entsprechend, die Nachweisungen zur kritischen Methode nichts zu t u n haben.
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1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems"
gend zu sprechen: „Dies ist rot, und dies ist rot", — fährt das K i n d fort: „Dies ist auch rot." Solchermaßen mag es gelingen, eine unmittelbare Erkenntnis, die auch bewußt ist, durch Urteil formulieren zu lassen, wobei für uns hier die Betonung auf Formulieren liegt und nicht auf Urteilen: denn das K i n d urteilt bereits, auch ohne das U r t e i l zu formulieren. Möglicherweise w i r d es erst durch meine Vorformulierung dazu i n die Lage versetzt. Ändere ich nun meine Aufforderung, indem ich statt Gegenstände gleicher Farbe solche gleicher Form, etwa lauter dreieckige, aussondere, so w i r d auch hier das K i n d nachahmend folgen können. Es muß also erkennen können, was dreieckig bedeutet, u m aus der Fülle der Formen eben die dreieckigen und nur die dreieckigen aussondern zu können. Auch hier liegt eine unmittelbare Erkenntnis vor, von der w i r annehmen müssen, daß diese auch bewußt ist; sie steuert das Vorgehen des Kindes als einen bewußten Vorgang. Auch hier urteilt das Kind, ohne das Urteil formulieren zu können. Wenn ich nun einen Gegenstand, der dreieckig ist, i n die Hand nehme und dem Kinde sage: „Dies ist dreieckig", dann kann es seinerseits dies wiederholen; es w i r d auch wissen, was „Dreieckigkeit" bedeutet, jedenfalls soweit, daß es dreieckige Gegenstände von nichtdreieckigen unterscheiden kann; das K i n d kann den Bedeutungsinhalt aber nicht formulieren. Wohlgemerkt, das K i n d lernt das Wort ,dreieckig' zu der Bedeutung, die es bereits hat; hier kann man dem K i n d eine gewisse Sinnfälligkeit des Wortes noch verdeutlichen, nämlich ,drei Ecken habend': i n Wahrheit sind es jedoch drei Spitzen. I n Anwendung des Wortes quadratisch' dürfte dies schwieriger sein: Fuchs 87 empfiehlt daher so etwas wie die Einführung durch Sprachregelung. Aber selbst dann w i r d nur eine Bezeichnung hinzugelernt zu einer festumrissenen Bedeutung, die das K i n d erkennt und damit hat, aber i m Urteil und durch Urteil (noch) nicht wiedergeben kann. Was Fuchs m i t seiner Darstellung andeuten mag, ist offensichtlich der Mangel an Sinnfälligkeit bei Einführung des Wortes,Quadrat'. 1.8.6 Ζ. B. Zeichnungen als Vorstufe zur Abstraktion
Gehen w i r endlich zur Zeichnung von Dreiecken an der Tafel über, Dreiecke, die ich etwa einem 12jährigen an die Tafel zeichne, so w i r d er anhand von zwei oder drei von m i r gezeichneten Dreiecken sicherlich i n der Lage sein, ein viertes hinzu zu zeichnen. Obwohl jedes der ge87 Fuchs, Walter R.: E l t e r n entdecken die neue Mathematik, München 1970, Seite 153 ff.
1.8 Unmittelbare Erkenntnis u n d Bewußtsein
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zeichneten Dreiecke entweder gleichseitig, gleichschenklig, oder ungleichseitig ist, also bereits hinsichtlich seiner Seitigkeit individuelle Merkmale hat, w i r d er davon absehen können und erkennen, was Dreieck bedeutet. Auch er hat dann eine unmittelbare Erkenntnis, von der w i r annehmen müssen, daß sie bewußt ist; er urteilt m i t Hilfe dieser Anschauung über verschiedene geometrische Figuren und wird, von Ausnahmen abgesehen, dennoch nicht i n der Lage sein, das U r t e i l über das, was ein Dreieck ist, begrifflich zu formulieren. Hiervon unabhängig kann er Dreiecke von Nicht-Dreiecken unterscheiden, j a sogar die (möglichen) Gesetze ihrer Konstruktion beherrschen und nach ihnen Dreiecke herstellen, ζ. B. m i t Zirkel und Lineal an die Tafel zeichnen. Den Begriff des Dreiecks, seine Definition beherrscht ein 12jähriger i. a. R. (noch) nicht. Anmerkung: Die kritische Methode und w i r m i t ihr behaupten nicht, daß w i r Begriffe nur durch ihre Definition (oder nur aufgrund ihrer Definition) beherrschen würden; das Gegenteil ist vielmehr der Fall: „ . . . es käme zu gar keinem Denken, wenn w i r nur denken wollten, denn alsdann müßte jeder Begriff durch die Definition seines Inhalts vorgestellt werden. Diese Definition setzt ihren Begriff aus mehreren andern zusammen, deren jeder wieder definiert werden müßte und so ohne Ende fort. W i r stellen uns daher einen Begriff gewöhnlich gar nicht durch seine Definition, sondern durch ein Schema der Einbildungskraft v o r " 8 8 . „Es giebt gewisse anschauliche Vorstellung i n uns, welche nicht auf einen bestimmten Gegenstand gehen, sondern eine unbestimmte Zeichnung schwebend zwischen vielen Bildern enthalten, welche der Bestimmung eines allgemeinen Begriffes entsprechen. Eine solche Vorstellung ist z.B. die eines Pferdes, eines Tisches, der Geschwindigkeit, der Zahl 7 überhaupt, vermöge deren ich denn i m einzelnen Falle dieses bestimmte Thier als ein Pferd, dieses bestimmte Ding als einen Tisch, diese bestimmte Anzahl gerade als sieben anerkenne. Diese Vorstellung heißt ein Schema der Einbildungskraft . . ." 8 9 . „Es ist ein unmittelbar anschauliches Schema, woran mich die Worte Mensch, Pferd, Baum, Vier zunächst erinnern, und welches ich bey der Vergleichung brauche, u m einen Gegenstand als Mensch oder Pferd anzuerkennen 40 . " 1.8.7 Begriffliche Form durch Verbindung von Begriffen i m Urteil
Hiervon zu unterscheiden ist die begriffliche Form dessen, was z. B. ein Dreieck ist, die nur durch Urteil, d. h. durch Verbindung von Be88 80 40
Fries 4, 273 = N K I 209. Fries 4, 256 = N K 1192. Fries 4, 273 = N K I 209.
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1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems"
griffen gegeben ist; sie setzt die Beherrschung von (Undefinierten) Grundbegriffen voraus; die Forderung der Definition aller Begriffe ist zirkulär, sofern die Definition i n der Zurückführung von Begriffen auf andere Begriffe besteht. Die Beherrschung des Begriffs Dreieck ζ. B. ist daher auch erst auf einer späteren Entwicklungsstufe beim Jugendlichen möglich. Die Beherrschung des Begriffs Dreieck besteht i n begrifflicher Klarheit seiner Definition. 1.8.8 Ergebnis: Begriffliche Klarheit durch Verbindung von Begriffen im Urteil (Rekurs auf 8.2 und 8.3)
Ganz anders liegen jedoch die Verhältnisse bei der logischen unmittelbaren Erkenntnis, sie kommt nur durch die Vermittlung durch Begriffe zum Bewußtsein und kann nur durch die Vermittlung durch Begriffe zum Bewußtsein kommen. W i r können zwar auch hier eine unmittelbare Erkenntnis durch Vermittlung durch Begriffe i n der Verbindung von Begriffen haben, ohne u m diese zu wissen, ohne daß sie auch bewußt wäre: das zeigt die Tatsache, schließen zu können unabhängig vom Bewußtsein u m das jeweils zugrunde liegende Folgerungsprinzip. Aber w i r gewinnen Klarheit und Einsicht, Evidenz und Bewußtsein u m diese Erkenntnis nur durch Vermittlung durch Begriffe, nicht unabhängig oder, wie bei der mathematischen Erkenntnis, auch unabhängig, ohne Vermittlung durch Begriffe; sie besteht i n der Verbindung von Begriffen i m Urteil, das bewußt ist. W i r können hier also nicht das Bewußtsein um die unmittelbare Erkenntnis und seine begriffliche Form, das Bewußtsein u m die unmittelbare Erkenntnis i n begrifflicher Klarheit unterscheiden; ist die logische unmittelbare Erkenntnis bewußt (was jeweils für den Einzelnen, auch hinsichtlich welcher Erkenntnisse, eine Tatsachenfrage ist), so hat sie auch immer schon begriffliche Form, begriffliche Klarheit, die logische unmittelbare Erkenntnis kann nur dadurch zum Bewußtsein kommen, daß sie begriffliche Klarheit erhält, auf Begriffe gebracht wird. Ein Hinweis: w i r behaupten nicht und das oben Gesagte heißt auch nicht, daß etwas, das auf Begriffe gebracht wäre, darum schon eine unmittelbare Erkenntnis oder gar eine logische unmittelbare Erkenntnis sein müßte; es könnte zunächst einmal auch eine mathematische unmittelbare Erkenntnis sein. Es muß aber nicht notwendig überhaupt eine Erkenntnis sein. Die begriffliche Form ist zunächst ja nichts anderes als ein Urteil, das entweder wahr oder falsch ist; die Wahrheit eines Urteils bedarf daher der Begründung. Die Begründung geschieht entweder durch eine mittelbare Erkenntnis, durch Beweis, oder durch eine unmittelbare Erkenntnis. Daß etwas eine Verbindung von Begriffen, ein Urteil ist, besagt darüber hinaus also noch gar nichts.
1.9 Unterscheidungen i m Bereich des Erkennens
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1.9 Zusammenstellung der Unterscheidungen im Bereich des Erkennens, mit Beispielen I m Bereich des Erkennens haben w i r bisher folgende Unterscheidungen erörtert: 1.9.1 Mittelbare Erkenntnis und unmittelbare Erkenntnis, und: Urteil als mittelbare Erkenntnis
Zunächst ist die unmittelbare Erkenntnis von der mittelbaren Erkenntnis zu trennen; mittelbar erkennen w i r durch Beweis, dem ein Schluß zugrunde liegt. Der Begriff der unmittelbaren Erkenntnis bezieht seine Bedeutung oder Bestimmung von der mittelbaren Erkenntnis, nämlich begrifflich durch deren Verneinung: die unmittelbare Erkenntnis ist also nicht Beweis. Hiervon ist historisch der Gebrauch von mittelbarer Erkenntnis zu unterscheiden für Urteil; das Urteil kann insoweit, als es eine Erkenntnis wiederholt, auch mittelbare Erkenntnis genannt werden. 1.9.2 Unmittelbare Erkenntnis: anschauliche und nicht-anschauliche Erkenntnis
Die unmittelbare Erkenntnis zerfällt i n anschauliche und nicht-anschauliche. Was anschauliche Erkenntnis bedeutet, w i r d zunächst m i t dem Hinweis auf Sinnesanschauung, äußere und innere Wahrnehmung verdeutlicht und hierzu die Negation geschaffen durch nicht-anschaulich; hierbei sollte nicht übersehen werden, daß Gefahren „ i n der Gestalt der Assimilation von ,erkennen 1 und ,sehen'" liegen 4 1 . Bei der Betrachtung der mathematischen unmittelbaren Erkenntnis erweist sich diese Verdeutlichung jedoch schon als untauglich; es scheint erforderlich, Begriffe hinzuzunehmen, die zwar durch Abstraktion von empirischen Anschauungen gewonnen werden — eine genetische Frage! —, darum aber nicht empirische Begriffe sind, sondern Idealisierungen, anhand derer w i r uns aber jener Begriffe lediglich bewußt werden. Die Vergleichung m i t der logischen unmittelbaren Erkenntnis endlich zeigt, daß diese offensichtlich eine solche durch Vermittlung durch Begriffe ist und überhaupt nicht-anschaulich. Von hier bekommt nun das, was anschaulich heißt, eine Bedeutung durch Verneinung der ,Erkenntnis durch Vermittlung durch Begriffe': Erkenntnis ohne Vermittlung durch Begriffe. Es gilt daher zu beachten: an die Stelle der Anlehnung an die Sinnesanschauung, ans Sehen ist die Negation von Begrifflichem einer bestimmten Erkenntnisart getreten 42 . 41 Vgl. Stegmüller, Wolf gang: Glauben, Wissen u n d Erkennen, Zeitschrift f ü r philosophische Forschimg X , 4 S. 509 ff.
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1 A b r i ß des sog. „Begründungsproblems" 1.9.3 Unmittelbare Erkenntnis und Bewußtsein: Urteil als Wiederholung unmittelbarer Erkenntnis
Hiervon zu unterscheiden ist das Bewußtsein u m die unmittelbare Erkenntnis, empirische Anschauung, äußere und innere Wahrnehmung; es ist eine nur empirisch entscheidbare Frage, welche Wahrnehmungen i m einzelnen auch bewußt sind 4 8 . Um zum Bewußtsein dieser unmittelbaren Erkenntnis, der empirischen Anschauung, der äußeren und inneren Wahrnehmung zu gelangen, dient die Aufmerksamkeit, die ich auf das Ganze meines Wahrnehmens richte. Es kann dann bewußt werden, ohne daß es der Vermittlung durch Begriffe bedarf; Ziel mag dann immer noch begriffliche Klarheit i m U r t e i l sein. Aber endlich ist eben davon noch zu trennen die (mittelbare) Erkenntnis i m Urteil: „Das Urtheil ist das Bewußtseyn einer Erkenntnis durch Begriffe" 4 4 , — das Urteil, das die unmittelbare Erkenntnis, hier die empirische Anschauung, äußere oder innere Wahrnehmung wiederholt und das nur durch die unmittelbare Erkenntnis verifiziert werden kann, ζ. B. durch ,ich sehe es', äußere Wahrnehmung, auf die sich eine innere Wahrnehmung richtet, nämlich ,ich sehe es' (zum Unterschied etwa ,ich taste es'), — ζ. B. ,ich empfinde es, innere Wahrnehmung. Es bleibt noch anzufügen, daß ein empirisches Urteil nur begründet werden kann durch die empirische Anschauung, die auch bewußt ist; diese A r t der Begründung heißt Demonstration. Eine solche empirische Anschauung ist aber auch dann Grund des Urteils, wenn sie (noch) nicht bewußt ist. 1.9.4 Mathematische unmittelbare Erkenntnis und Anschauung: Wissen, Bewußtsein und Urteil
Danach ist die mathematische unmittelbare Erkenntnis eine unmittelbare Erkenntnis ohne Vermittlung durch Begriffe, aufgrund der Konstruktion der (oder durch) Begriffe, der Gegenstand kann für die Anschauung konstruiert werden, z.B. eine geometrische Figur, ein Dreieck etwa, es kann ein Verfahren angegeben werden, nach dem eine 42 Nochmals zur Verdeutlichung: das Gegensatzpaar lautet »Erkenntnis, v e r m i t t e l t durch Begriffe* (ζ. B. logische Erkenntnis), u n d : »Erkenntnis, nicht vermittelt durch Begriffe/ 48 Fries 4, 178 f. = N K I 114 f.: „ . . . Vorstellungen, die w i r haben, ohne uns unmittelbar i h r e r bewußt zu seyn . . . der bestimmtesten Bedeutung nach aber ist Bewußtseyn innere Wahrnehmungen u n d dann giebt es Vorstellungen ohne Bewußtseyn, nämlich die dunkeln. — Ja dieses dunkle Feld unsrer Vorstellungen ist sogar bey weitem größer, als das helle, dessen w i r uns bewußt sind." 44 Fries 7, 94/95.
1.9 Unterscheidungen i m Bereich des Erkennens
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bestimmte Frage entscheidbar ist, z.B. die Frage nach der größten Primzahl. Von dem Haben, dem Wissen i n der Anwendung, der unmittelbaren Erkenntnis ist wiederum das Bewußtsein u m die mathematische unmittelbare Erkenntnis zu unterscheiden; sie kann auch ohne Vermittlung von Begriffen bewußt sein, die unmittelbare Erkenntnis hat dann (noch) nicht begriffliche Klarheit, ihre Evidenz ist davon unabhängig. Auch hiervon ist wieder zu trennen die (mittelbare) Erkenntnis i m Urteil, das die mathematische unmittelbare Erkenntnis auf begriffliche Form bringt; diese ist nicht einfach eine Wiederholung der unmittelbaren Erkenntnis, so daß zur Begründung des Urteils die mathematische unmittelbare Erkenntnis neben das Urteil gestellt werden könnte, u m die Wahrheit des Urteils so zu demonstrieren. Die Begründimg erfolgt zwar auch hier durch Demonstration, aber das heißt nunmehr, die Wahrheit des Urteils kann für die Anschauung nachgewiesen, i n der Anschauung konstruiert werden (z.B. i n der Geometrie etwa durch Konstruktion eines Dreiecks), über die Wahrheit des Urteils kann entschieden werden durch ein Verfahren, das angegeben w i r d (ζ. B. i n der A r i t h m e t i k etwa zur Frage der größten Primzahl). Begriffliche Klarheit erlangt die mathematische unmittelbare Erkenntnis nur i m Urteil; sie ist aber auch ohne Urteil evident — darauf beruht die Lehrbarkeit der Mathematik i n ihren Grundbegriffen und Anfängen schon i m früheren Jugendalter noch unabhängig von einem voll entwickelten und auch geschulten Begriffsvermögen. Erlangt die mathematische unmittelbare Erkenntnis begriffliche Klarheit i m Urteil, so w i r d dabei bewußt, daß die Evidenz mathematischer Urteile auf der Konstruktion der (oder durch) Begriffe beruht. Die Begriffe ihrerseits sind nicht völlig unabhängig von der A n schauung. Endlich ist es eine nur empirisch für den Einzelfall entscheidbare Frage, welche mathematischen unmittelbaren Erkenntnisse beim Einzelnen begriffliche Klarheit i m Urteil erhalten. 1.9.5 Logische unmittelbare Erkenntnis und nicht-anschauliche Erkenntnis: Wissen und Bewußtsein nie ohne Urteil
Danach ist die logische Erkenntnis unmittelbare Erkenntnis durch Vermittlung durch Begriffe, sie ist nicht-anschaulich; sie besteht i n der Verbindung von Begriffen. Auch die logische unmittelbare Erkenntnis braucht nicht notwendig bewußt zu sein; ich kann sie haben und anwenden, auch ohne u m sie zu wissen, sie bewußt zu haben, ζ. B. kann ich folgern, schließen, ohne u m das jeweils angewandte Folgerungsprinzip zu wissen.
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Allerdings kann die logische unmittelbare Erkenntnis nur zum Bewußtsein kommen durch die Vermittlung durch Begriffe. B i n ich m i r also der logischen unmittelbaren Erkenntnis auch bewußt, ist damit begriffliche Klarheit i m Urteil verbunden; das Bewußtsein u m die logische unmittelbare Erkenntnis ist nur vermittelst Begriffe möglich, ohne Begriffe ist das Bewußtsein um sie nicht möglich. N u n ist die Verbindung von Begriffen ein Urteil. „Alles Denken besteht i n der Bildung von Begriffen und i n der Verbindung derselben zu Urteilen sowie i n der Verbindung dieser zu Schlüssen 45 ." Demgemäß können w i r sagen, daß die logische unmittelbare Erkenntnis nur vermittelst Begriffe i m Urteil, i n der Verbindung von Begriffen zum Bewußtsein kommen kann. Das Urteil wiederholt auch hier eine unmittelbare Erkenntnis, das Bewußtsein u m diese unmittelbare Erkenntnis ist jedoch abhängig vom Urteil; ohne Urteil kann diese Erkenntnis nicht zum Bewußtsein kommen. 1.9.6 Ein Vergleich der unterschiedenen Urteils- und Erkenntnisarten
Vergleichen w i r abschließend daher die Urteile, die die einzelnen hier erörterten unmittelbaren Erkenntnisse wiederholen — diese Urteile heißen insoweit auch mittelbare Erkenntnisse, allerdings hier mittelbar i m Unterschied zu mittelbarer Erkenntnis durch Beweis oder Schluß 46 —, so haben die logischen und mathematischen Urteile die Apodiktizität ihres Ausspruchs gemeinsam i m Gegensatz zu den empirischen Urteilen, die nur assertorisch sind. Das empirische Urteil hat allerdings m i t dem mathematischen Urteil gemein, daß es durch A n schauung (hinsichtlich des mathematischen Urteils m i t allen Vorbehalten) begründet werden kann; diese Anschauung, unmittelbare Erkenntnis ohne Vermittlung durch Begriffe kann für sich bewußt werden i m Gegensatz zur logischen unmittelbaren Erkenntnis, bei der das nicht der Fall ist, sie kann nicht ohne Vermittlung durch Begriffe bewußt werden. Das Bewußtsein u m sie w i r d vermittelt durch Begriffe; die logische Erkenntnis w i r d uns nur i m U r t e i l bewußt und ist damit Gegenstand der Philosophie. „ Z u m Gebiet der Philosophie gehört jede Erkenntniß, deren w i r uns nur durch Denken bewußt werden . . ." 4 7 . „Philosophie ist die Wissenschaft von der philosophischen Erkenntnis, und philosophische Erkenntniß diejenige, deren w i r uns nur durch Denken bewußt werden 4 8 ." 45 Nelson I 20. 46 w i r verwenden i m K o n t e x t ,mittelbare Erkenntnis 4 stets i m Sinne (I): Erkenntnis, v e r m i t t e l t durch Schluß u n d Beweis; historisch davon zu u n t e r scheiden ist »mittelbare Erkenntnis 4 i m Sinne (II) : das Urteil. 47 48
Fries 8, 12 Grundriß der Metaphysik. Fries 8, 88 System der Metaphysik.
1.9 Unterscheidungen i m Bereich des Erkennens
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1.9.7 Zur Methode
Nennt man nun diejenige Wissenschaft, die die Grundlagen für jede einzelne Disziplin und ihre Ergebnisse, nicht aber ihre Ergebnisse selbst, untersucht, kritisch, so kann man von kritischer Mathematik (auch Philosophie der Mathematik genannt), aber auch von kritischer Logik, wie auch von kritischer Erfahrungswissenschaft, ζ. B. kritischer Psychologie sprechen. Die Methode ist jeweils die der Selbstbeobachtung und somit psychologischer Natur. Jedoch kann aus der Modalität der Methode nicht auf die gleiche ihres Gegenstandes, den sie untersucht, geschlossen werden. Dies zu zeigen, war die Aufgabe unserer gebrachten Beispiele, die diesen Sachverhalt als selbstverständlich darlegten, ohne daß er uns vielleicht von Anfang an auch (voll) bewußt war. 1.9.8 Disjunktive Vollständigkeit und Ergebnis: ein problematischer Begriff
N u n sind unsere bisher untersuchten Möglichkeiten zur Erkenntnis disjunktiv noch nicht vollständig. Es waren mittelbare und unmittelbare Erkenntnisse zu unterscheiden, ferner bewußte und nicht-bewußte Erkenntnisse. Lediglich die unmittelbare Erkenntnis, die w i r ohne Vermittlung durch Begriffe haben, unabhängig davon, ob sie bewußt ist oder nicht, hatten w i r (vielleicht entgegen herkömmlichen Sprachgebrauchs) als Anschauung gekennzeichnet. Die Vollständigkeit gebietet es, hier anzufügen, daß es auch mittelbare Erkenntnisse (aufgrund Beweises) gibt, die bewußt sind, d. h. daß ich u m die Gründe für die (mittelbare) Erkenntnis weiß. Meist ist dies jedoch nicht der Fall: die mittelbare Erkenntnis ist als mittelbare nicht auch notwendig zugleich bewußt; vollziehe ich bewußt einen Schluß, so werde ich m i r gerade aufgrund des Schließens der Mittelbarkeit der Erkenntnis bewußt. Das Folgerungsprinzip, nach dem ich schließe, erkenne ich zwar unmittelbar (wie könnte ich sonst schließend nach i h m vorgehen), bin m i r dessen jedoch nicht zugleich auch bewußt; ich muß es künstlich erst bewußt machen. Darin besteht die kritische Logik: wie geht, allgemein, Urteilen und Schließen vor sich? — eine Frage, die an die Selbstbeobachtung gerichtet ist, die ihrerseits psychologischer Natur ist; was sie beobachtet, ist jedoch logischer Natur. W i r haben also, bereits für die Grundsätze der Logik, Grundsätze für das Urteilen und Schließen, allen Grund anzunehmen, daß es unmittelbare Erkenntnis gibt, die nicht notwendig auch bewußt und die auch nicht Anschauung ist, die in der Verbindung von Begriffen besteht, die
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nur durch Begriffe vermittelt zum Bewußtsein kommt Wer geneigt ist, nach dem vorhergehenden immittelbare Erkenntnis, die nicht bewußt ist, als Grund logischer Grundurteile anzunehmen, wird, da die bisherigen Erörterungen weniger emotional anziehend sind, als solche über Recht und Ethik, eher bereit sein, vorurteilslos und nötigenfalls unter Aufgabe liebgewordener Meinungen, die einer Prüfung nicht standhalten, Überlegungen zur K r i t i k praktischer Vernunft zu folgen.
TEIL 2 Nelsons Ansatz zu einer reinen Philosophie als Wissenschaft aufgrund der „kritischen Methode" und Gegenzug durch Alberts „kritische Rationalität" in seinem „Traktat über kritische Vernunft historisch: Fries' „Grundsatz vom Selbstvertrauen der Vernunft" und Gegenzug durch Poppers Nachweis eines „Trilemmas" in seiner „Logik der Forschung"
2 Von der kritischen Methode und ihren Gegnern 2.1 Nelson's Ansatz Nelson versteht seinen Sprachgebrauch zunächst so, daß er sich „ i n der Terminologie streng an den Kantischen Sprachgebrauch" anschließe; demgemäß bestimmt er „Metaphysik" als „das System der synthetischen Urteile a priori aus bloßen Begriffen, also das System aller philosophischen, d.h. nicht auf Anschauung beruhenden (weder empirischen noch mathematischen) Urteile, unter Ausschluß der logischen"; und er versteht „unter K r i t i k der Vernunft den Rechtsnachweis dieser metaphysischen Urteile aus den Gründen ihrer Möglichkeit" 1 . 2.1.1 „Die regressive Methode: Induktion und Abstraktion"
„Jeder bedeutende Streit i n der Philosophie ist ein Streit u m Prinzipien", so fährt Nelson fort, und behauptet: „ I n der Anwendung derselben i n der Erfahrung und i m Leben sind w i r alle einig" 2 . Wenngleich sich der erste Satz unterschreiben läßt, so werden i n der gegenwärtigen Diskussion philosophischer, speziell ethischer Fragen i m zweiten nicht alle übereinstimmen. Aber die Folgerungen, die Nelson an diesen Satz anknüpft, zeigen auch nur den Gang der regressiven Methode, ° Einem Kursivdruck angehängte kleine ° bedeutet: von uns kursiv, u n d zwar f ü r die ganze Abhandlung; ζ. B.: logisch 1 Nelson 111. 2 Nelson 111. 4 Westermann
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
und der ist unabhängig von der Richtigkeit des vorausgegangenen Satzes. Freilich läßt sich über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des so (regressiv) aufgespürten Prinzips, von dem die einzelnen Beurteilungen Gebrauch machten, nichts ausmachen; dies ist aber auch dann nicht möglich, wenn man für diesen Gedanken von der Richtigkeit der Ausgangsbeurteilungen regressiv seinen Anfang nimmt, denn: „Dies abstrahierende Verfahren . . . steigt von den Folgen aufwärts zu den Gründen . . . w i r suchen . . . die logischen 0 Gründe zu gegebenen Folgen. Diese Folgen sind die zugestandenen Urteile und Beurteilungen 3 ." Und „zugestanden" heißt doch wohl: ,als wahr zugestanden'. A u f die Wahrheit der zugestandenen Urteile kommt es jedoch nicht an, wenn w i r sie als Schlußsätze i m Verhältnis zu ihren „logischen Gründen" betrachten: denn die Prämissen können auch dann falsch sein, selbst wenn der Schlußsatz für sich auch wahr ist. Von diesen Prinzipien, diesen Grundsätzen sagt nun Nelson aus, daß sie „nur dunkel unseren Urteilen und Beurteilungen zugrunde liegen, ohne daß w i r sie besonders aussprechen und uns ihrer klar bewußt werden": „Das also wäre die Aufgabe der Philosophie als Wissenschaft: die Grundsätze ausfindig zu machen und von ihrer ursprünglichen Dunkelheit zur Klarheit des Bewußtseins zu erheben 4 ." 2.1.2 „Uber die Begründung der Urteile. Beweis, Demonstration und Deduktion"
„Sofern w i r faktisch gewisse Sätze anerkennen, müssen w i r auch die logischen Bedingungen ihrer Möglichkeit einräumen. Nur die logische Abhängigkeit und Bedingtheit eines Satzes durch einen anderen weise ich so nach. Ich kann aber dadurch niemand zwingen, den aufgewiesenen Satz als wahr anzunehmen, der nicht unabhängig von meiner logischen Nachweisung von der Wahrheit der Folge überzeugt war und bleibt 5 ." Nelson dringt m i t seiner Darstellungsweise nicht zu der erforderlichen Klarheit über die gegebenen Zusammenhänge durch: z.B. ein Satz steht m i t anderen Sätzen i n einer Folgerungsbeziehung dergestalt, daß der eine Satz aus dem anderen folgt: als wahrer folgt er freilich nur dann aus den anderen, wenn diese ebenfalls wahr sind; das Bestehen einer Folgerungsbeziehung ist aber unabhängig von der Wahrheit der i n einer Folgerungsbeziehung stehenden Sätze. Es kann daher auch 8 4 5
Nelson 112/13. Nelson 113. Nelson 119.
2.1 Nelsons Ansatz
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der Satz, von dem w i r für das regressive Verfahren ausgehen, durchaus falsch sein; auch für diesen lassen sich „die logischen Bedingungen seiner Möglichkeit" aufzeigen, die dann eingeräumt werden müssen. A l lerdings müssen unter diesen wenigstens ein falscher Satz sein, da sonst der Satz, der als Ausgangssatz für die regressive Aufweisung diente, wahr wäre — entgegen der Annahme, daß er falsch ist: denn aus nur wahren Prämissen ist — bei »richtigem 4 Folgerungsprinzip — die Ableitung eines falschen Schlußsatzes nicht möglich. „Logische Abhängigkeit eines Satzes von einem oder mehreren anderen" bedeutet nur soviel, daß sie zusammen einen Schluß bilden: i n i h m ist die Wahrheit des Schlußsatzes von den Prämissen abhängig, aber nicht umgekehrt die Wahrheit der Prämissen abhängig von der des Schlußsatzes; von der Wahrheit der Prämissen müßte er sich jedoch unabhängig von der Wahrheit des Schlußsatzes überzeugen. Etwas anderes ist die („logische") „Bedingtheit"; Nelson spricht fälschlicherweise von „Bedingtheit eines Satzes durch einen anderen". Hier ist jedoch gemeint: mit der Wirklichkeit, dem Bestehen des einen Sachverhaltes ist (notwendig) die Wirklichkeit, das Bestehen eines anderen Sachverhalten gegeben. z.B.: „Erkenne ich eine Erscheinung als solche, so erkenne ich Ansichseiendes: ein ansichseiendes Subjekt als Träger einer inhaltlich in bestimmter Weise charakterisierbaren Erscheinung*" Oder: „Erfasse ich Subjektives als solches, so erfasse ich Objektives: einen objektiven Relationssachverhalt und als einen der Träger dieses objektiven Relationssachverhaltes ein objektives Subjekt 1." Wiederum etwas anderes ist es, daß die Behauptung eines Satzes die eines anderen voraussetze; w i r bleiben hier ganz i m Bereich des Argumentierens. Wer hier von der Wahrheit des einen Satzes überzeugt war und bleibt — i n Anlehnung an die zitierten Formulierungen —, der kann auch gezwungen werden, die Voraussetzungen hierfür anzunehmen (sofern er bereit ist, konsequent zu sein). Es setzt — eine Argumentation von Fries zeigt dies deutlich — die Anforderung des Gewissens, daß ich etwas t u n soll, voraus, daß ich das, was ich soll, auch t u n kann; z.B.: „Ich selbst falle durch Geburt und Erziehung ganz i n die Geschichte, ich bin selbst ein Erzeugniß der Natur; ich bin, so wie ich i n der Natur erscheine, nothwendig bestimmt durch die veranlassenden Ursachen i n Geburt, Lage und Erziehung, welche mich überhaupt i n der Erscheinung aufgeführt haben. Dessen ungeachtet mache ich aber doch i m Gewissen Ansprüche an mich, w o r i n ich m i r meine Handlungen . . . anrechne, und m i r i n Tugend und Recht notwendige Vorschriften für 6 7
4·
Konrad 159. Konrad 45.
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
meine Handlungen gebe, als ob es von m i r abhinge, was ich t h u n oder lassen will, und ich beurtheile jede einzelne meiner Handlungen gemeinhin immer so, als ob es i n meiner freyen Wahl stehe, ob ich sie auch hätte lassen können 8 ." „Der Wille faßt innerlich Entschließungen, und handelt demgemäß, wie er sich entschlossen hat. . . . N u n setze ich aber i n der Anforderung meines Gewissens voraus, es sey m i r möglich, immer der nothwendigen Forderung dessen, was ich t h u n soll, treu zu bleiben, so stark auch der Antrieb der Neigung dagegen w i r d . . . , denn sonst könnte ich m i r das Gegentheil nicht zurechnen, indem ich durch die äußere Natur bezwungen wäre 9 ." Und noch eines: Voraussetzungen können bekanntlich falsch sein. Das gleiche gilt von Bedingungen nicht; entweder ist etwas Bedingung von etwas anderem oder nicht. Z . B . : Wer behauptet, Recht ist Macht, behauptet die Unmöglichkeit des Unrechts; wer unter dieser Annahme, Recht ist Macht, die Möglichkeit des Unrechts behauptet, setzt voraus, daß einer die Macht hat und zugleich nicht hat. Denn ein Bestimmter hat das Recht nur dann und solange, wie er die Macht hat; hat er sie nicht oder nicht mehr, hat er auch das Recht nicht oder nicht mehr. Ein (mögliches) Unrecht würde aber voraussetzen, daß er das Recht hat (und damit die Macht), dennoch ein anderer die Macht, das Recht des einen zu verletzen (d. h. der eine hat die Macht nicht, den anderen daran zu hindern): die unter der Annahme, Recht ist Macht, aufgestellte Behauptung der Möglichkeit von Unrecht setzt voraus, daß einer die Macht hat und zugleich nicht hat; sie schließt einen (inneren) Widerspruch ein, — die Voraussetzung ist widersprüchlich und somit falsch. Diese Verhältnisse bleiben bei Nelson weitgehend unklar. Lediglich soviel könnte klar werden, daß die „Resultate immer" dann „von jenen ersten Zugeständnissen abhängig" „bleiben", wenn sich i n Bezug auf einen Schlußsatz zeigen läßt, daß er aus eben diesen und nur diesen Prämissen folgt; hier hätten w i r es dann nicht nur m i t logischer Abhängigkeit, m i t einer Folgerichtigkeitsbeziehung, sondern m i t Voraussetzungen zu tun. Etwas ganz anderes ist der Erkenntnisgrund für diese Voraussetzungen; steht die Wahrheit des Schlußsatzes, der Konsequenz nicht i n Frage, so klärt mich der Nachweis jetzt der Voraussetzungen für die Konsequenz über den Umfang meines Wissens auf, der größer sein kann, als das i n der Konsequenz ausgesprochene — und darin liegt die Chance der kritischen Methode i n der regressiven Aufweisung; der Schlußsatz ist aber allemal i n den Prämissen enthalten 1 0 . Die Wahrheit der aufgewiesenen Voraussetzungen folgt aber nicht aus der 8
Fries 5, 274 = N K I I 258. • Fries 5, 276 = N K I I 260. 10 Vgl. Fries 4, 401 = N K I 337.
2.1 Nelsons Ansatz
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Wahrheit der Konsequenz, sondern ist unabhängig von i h r und muß folglich auch unabhängig von ihr eingesehen werden. Dabei w i r d entdeckt, daß die Konsequenz lediglich ein Anwendungsfall von allgemeinen Prinzipien ist, die freilich „unabhängig von allen aus ihnen gezogenen Konsequenzen gelten". 2.1.3 Nelsons Beweis der unmittelbaren Erkenntnis der Vernunft
Nelsons Beweis einer unmittelbaren Erkenntnis nicht-anschaulicher A r t ist i n den folgenden vier Sätzen enthalten: „Die Einheit und Notwendigkeit aber, die w i r faktisch i n unserem Denken finden und die w i r durch die metaphysischen Grundsätze aussprechen, kann nicht aus der Anschauung entspringen; denn sie kommt nur durch Reflexion zum Bewußtsein. I h r Ursprung kann aber auch — sofern sie synthetische Einheit ist — nicht i n der Reflexion liegen, da sie vielmehr schon eine Voraussetzung jedes Urteils der Reflexion bildet. Es gibt folglich eine unmittelbare Erkenntnis nicht-anschaulicher A r t , die den Grund unserer metaphysischen Urteile bildet. W i r nennen sie die unmittelbare Erkenntnis der reinen Vernunft 11." Der letzte Satz beinhaltet lediglich eine terminologische Festsetzung; er kann daher für die Überlegungen außer Betracht bleiben. Betrachten w i r zunächst die jeweils erste Hälfte der dem Folgerungssatz („folglich") vorangestellten Sätze, nämlich erstens — die Einheit und Notwendigkeit, die w i r faktisch i n unserem Denken finden und die w i r durch die metaphysischen Grundsätze aussprechen, kann nicht aus der Anschauung entspringen zweitens — i h r Ursprung kann, sofern sie synthetische Einheit ist, nicht i n der Reflexion liegen so fällt auf, daß beide Sätze verneinend sind: aus negativen Prämissen folgt aber nichts! Auch bedarf das Wort „Anschauung" i n dem unter erstens zitierten Satz einer genaueren Bestimmung: die Einheit und Notwendigkeit kann zwar nicht aus der empirischen Anschauung, w o h l aber aus der ,reinen 1 Anschauung, der mathematischen Anschauung entspringen, die Nelson „als Grund aller mathematischen Urteile" angibt 1 2 ; denn die mathematischen Urteile sind apodiktische Urteile, deren Apodiktizität 11
Nelson I 23. Vgl. Nelson I 22/23: „Der G r u n d dieser obersten Urteile muß daher u n abhängig von der Reflexion i n einer unmittelbaren Erkenntnis liegen, die selbst die obersten Gründe f ü r alle Urteile, d . h . f ü r alle mittelbare E r kenntnis enthält. Eine solche immittelbare Erkenntnis ist die Anschauung, sowohl die empirische Anschauung als G r u n d aller empirischen Urteile, w i e die mathematische Anschauung als G r u n d aller mathematischen Urteile." 12
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
auf der „Konstruierbarkeit ihrer Begriffe i n der reinen Anschauung" 1 3 beruht. — Eine andere Frage ist ihr Verhältnis zum Bewußtsein. W i r müssen daher, um den Beweis überhaupt zu verstehen, von dem jeweils zweiten Teil der genannten beiden Sätze ausgehen, nämlich erstens — denn sie kommt uns nur durch Reflexion zum Bewußtsein zweitens — sie bildet vielmehr schon eine Voraussetzung jedes Urteils der Reflexion und zur Verständigung dessen, was gemeint ist, den verneinenden Teil der Sätze m i t hineinlesen: erstens — die Einheit und Notwendigkeit, die w i r faktisch i n unserem Denken finden und die w i r durch metaphysische Grundsätze aussprechen, kommt uns nur durch Reflexion zum Bewußtsein zweitens — die synthetische Einheit bildet eine Voraussetzung jedes Urteils der Reflexion. Daraus läßt sich aber nimmermehr die nachfolgende Existenzbehauptung ableiten: „Es gibt folglich eine unmittelbare Erkenntnis nichtanschaulicher A r t , die den Grund unserer metaphysischen Urteile bildet." Denn der erste Satz besagt, daß w i r metaphysische Urteile aussprechen, die w i r nicht auf empirische Anschauung gründen können; sollte diesen Urteilen eine Erkenntnis zugrunde liegen, so wäre diese eine solche nicht-anschaulicher A r t . — Ob es aber eine solche gibt, bleibt völlig offen (und damit auch, ob die metaphysischen Urteile, die w i r aussprechen, nicht möglicherweise grundlos sind). Und der zweite Satz besagt, daß zwar Erkenntnis Voraussetzung der Wahrheit eines jeden Urteils der Reflexion sei (genauer: Erkenntnis ist Voraussetzung der Einsicht i n die Wahrheit eines jeden Urteils der Reflexion; denn ein Urteil kann auch wahr sein, ohne daß seine Wahrheit erkannt ist), denn: „Die Reflexion ist sich nicht selbst genug, sie ist für sich leer und kann nur anderweitig gegebene Erkenntnisse wiederholen und deutlich machen" 1 4 ; er behauptet aber nicht einmal die Wahrheit eines Urteils der Reflexion, die freilich dann i n der Übereinstimmung m i t einer unmittelbaren Erkenntnis besteht, denn: „die Wahrheit aller Urteile besteht i n ihrer Übereinstimmung m i t dieser unmittelbaren Erkenntnis" 1 5 , — geschweige, daß dadurch, nämlich nur durch die 13 Vgl. Nelson I 45: „So verdankt die Mathematik die m i t Recht berühmte Strenge ihrer wissenschaftlichen Ausbildung der frühen Einsicht i n die Konstruierbarkeit i h r e r Begriffe i n der reinen Anschauung." 14 Nelson I 23. 1 Nelson I 23.
2.1 Nelsons Ansatz
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Behauptung, die Existenz einer solchen unmittelbaren Erkenntnis nachgewiesen wäre. Was Nelson hier gewinnt, ist lediglich den Begriff einer unmittelbaren Erkenntnis nicht-anschaulicher A r t , genauer: nicht-empirisch-anschaulicher A r t , den er, bezogen auf »anschaulich', durch bloße Verneinung des empirisch-anschaulichen erhält, u m so die Apodiktizität gewisser vorkommender Beurteilungen zu sichern, — den er, bezogen auf die Unmittelbarkeit der Erkenntnis, durch Verneinung der Mittelbarkeit einer Erkenntnis erhält, u m so die Eigenschaft gewisser vorkommender Beurteilungen, ein Grundurteil zu sein, zu sichern. Den Nachweis dafür, ob etwas unter den so erhaltenen Begriff ,unmittelbare Erkenntnis nicht-anschaulicher Art* fällt, bleibt Nelson hier schuldig. A l l e i n die Ableitung eines Begriffes, hier durch Verneinung eines anderen, besagt noch nichts darüber, ob etwas unter i h n fällt; selbst seine Widerspruchsfreiheit verbürgt insoweit nichts. So kann ich den Begriff der größten Primzahl bilden und dann zeigen, daß es eine solche nicht gibt. Die Nelsonschen Ausführungen wären also daher durchaus vereinbar damit — und zwar ganz entgegen den Intentionen von Nelson —, daß es metaphysische Urteile, die einen Grund haben, sei dieser nun erkannt oder nicht, nicht gibt 1 6 , — wenngleich dabei ohne weiteres zugestanden werden kann, daß es metaphysische Beurteilungen gibt, d . h . Menschen, die metaphysische Urteile fällen, — eine unbestreitbare Tatsache (allerdings dann eben Urteile, die nicht Erkenntnisse wiederholen, die grundlos sind; ob, und wenn überhaupt, wie es sich zeigen lassen könnte, daß metaphysische Urteile grundlos seien, und zwar ohne dabei selbst ein metaphysisches Urteil, das einen Grund hat, der erkannt ist, wenigstens zu behaupten, ist eine andere Frage) 17 . 2.1.4 Zur Frage nach der Möglichkeit: Urteil und Erkenntnis. Erkenntnis und Gegenstand
Nach dem vorangehenden müssen w i r daher festhalten, daß Nelson entgegen seinen Behauptungen nur bis zu einer, allerdings vollständigen Disjunktion vorgedrungen ist: Es gibt eine unmittelbare Erkenntnis, die nicht (empirische oder ,reine 4) Anschauung ist; sie dient zur Begründung metaphysischer Grundurteile. 18 Vgl. z.B.: Ayer, A l f r e d Jules: Sprache, Wahrheit u n d Logik, Stuttgart 1970, Kap. I , S. 41 - 57. 17 Vgl. Westermann, Christoph: Recht u n d E t h i k bei Fries u n d Nelson, i n : Recht u n d Ethik, Forschungsunternehmen der F r i t z Thyssen Stiftung ,19. Jahrhundert', F r a n k f u r t 1970, S. 113 ff.; zitierweise: Westermann E.
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
Oder es gibt eine solche Erkenntnis Beurteilungen grundlos.
nicht; dann sind metaphysische
Anders formuliert: Zur Begründung von Urteilen dient zunächst der Beweis, d . h . die Zurückführung von Urteilen auf Urteile mittels Schlüssen; Grundurteile lassen sich dagegen nicht beweisen. — Nicht alle Urteile lassen sich beweisen; die Forderung, alle Urteile zu beweisen, ist widersprüchlich, sie führt auf einen unendlichen Regreß. Zur Begründung von Grundurteilen dient (im Gegensatz zur mittelbaren Erkenntnis des Beweises) die unmittelbare Erkenntnis; diese ist entweder (empirisch oder »rein 4) anschaulich oder nicht-anschaulich. Entweder es gibt eine solche unmittelbare nicht-anschauliche Erkenntnis als Grund metaphysischer Grundurteile oder metaphysische Beurteilungen, so wie wir sie tatsächlich fällen, sind grundlos. Nelson greift die Frage nach dem I r r t u m auf: „ A l l e r . . . I r r t u m . . . bezieht sich auf . . . Urteile . . . und betrifft ihre Vergleichung m i t der unmittelbaren Erkenntnis, die sie wiederholen. . . . I r r t u m ist nur A b weichung von der unmittelbaren Erkenntnis, falscher Ausspruch der unmittelbaren Erkenntnis. . . . Aller I r r t u m . . . kann die unmittelbare Erkenntnis nicht antasten 18 ." Worin aber besteht Erkenntnis? — „Die Übereinstimmung m i t dem Gegenstande kann für uns nie K r i t e r i u m der Wahrheit unserer Erkenntnis werden, w e i l w i r dazu aus unserer Erkenntnis heraustreten müßten, u m sie m i t dem Gegenstande vergleichen zu können, was unmöglich ist, w e i l w i r zum Gegenstande immer erst durch die Erkenntnis kommen. W i r können also nie Erkenntnis und Gegenstand, sondern nur Erkenntnisse untereinander vergleichen 18 ." — Hier müssen w i r an Nelson die Frage stellen: Z u welchem Zweck sollen w i r Erkenntnisse untereinander vergleichen? Offenbar vergleichen w i r Urteile untereinander (oder auch Behauptungen von Erkenntnissen, behauptete Erkenntnisse), u m Wahrheit von I r r t u m zu trennen, oder, i m Sinne des Sprachgebrauches von Nelson, mittelbare Erkenntnisse (Urteile) m i t unmittelbaren. Nelson: „Die Übereinstimmung m i t dem Gegenstande besitzt die Erkenntnis unserer Vernunft oder besitzt sie nicht, ohne daß w i r etwas dafür oder dagegen t u n können." „Über die Wahrheit der unmittelbaren Erkenntnis kann kein Streit sein, sondern nur darüber, welches die unmittelbare Erkenntnis sei 18/' Und Nelson begründet diesen Satz anschließend durch die folgenden: „Wollten w i r die Wahrheit der unmittelbaren Erkenntnis bezweifeln, so müßten w i r sie, sofern sie unmittelbare Erkenntnis ist, zu die18
Nelson I 23/24.
2.1 Nelsons Ansatz
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sem Zweifel selbst voraussetzen. Der Zweifel an der unmittelbaren Erkenntnis führt zum Widerspruch 1 8 ." Damit liefert Nelson einen Anwendungsfall für die unmittelbare Erkenntnis, ganz gleich, wie nun die Erkenntnis, eine Behauptung sei widersprüchlich (d.h. i n Wahrheit zwei Behauptungen, die einander widersprechen) und damit (nach dem Satz vom Widerspruch) falsch, beurteilt wird, nämlich als analytisch oder nicht-analytisch ( = synthetisch); die Unmittelbarkeit einer solchen Erkenntnis bleibt davon unberührt. Nelson kommt zu dem Anwendungsfall aufgrund der Ausführungen von Fries über die „materiale Wahrheit" und über die „Behauptung" (gemeint ist: das Behaupten, i m Gegensatz zum Inhalt einer Behauptung), ohne daß Nelson dies ausdrücklich erwähnt. Fries trägt hierzu u. a. vor: „ M a n schreibt einem Urtheil reelle, materiale Wahrheit zu, wiefern es zureichende Gründe seiner Behauptung hat. A u f diesen Begriff beziehen sich die Beurtheilungen nach dem logischen Satz des Grundes 19 . Wenn jemand etwas behauptet, so darf ich i h n nach den Gründen seiner Behauptung fragen, und falls er diese nicht anzugeben weiß, darf ich i h n m i t seiner Behauptung abweisen. Hierin haben w i r es m i t der logischen Wirklichkeit eines Urtheils nur subjectiv für den Verstand zu thun, indem i h n zureichende Gründe zum Urtheil führen; (indem) Mangel an Gründen aber nicht die Wahrheit des Urtheils antastetsondern nur den Verstand i n den Zustand des Zweifels setzt, i n welchem er° das Urtheil nicht auszusprechen vermag. Das Resultat ist dann nur: Ich weiß dieses nicht, aber nicht: Es ist nicht so 20 ." — 19 I n der Logik f ü h r t Fries bei der Behandlung der Grundsätze des Denkens aus: „4) Jede Assertion i m U r t h e i l ist eine mittelbare Behauptung, welche n u r die Wiederholung einer i n der V e r n u n f t gegebenen Erkenntniß ist. Daraus entspringt der logische Satz des zureichenden Grundes: Jede Behauptung in einem Satz muß einen anderweitigen zureichenden Grund haben, warum sie ausgesagt wird. — Diesen Satz des Grundes dürfen w i r erstens nicht m i t dem allgemeinen metaphyischen Gesetz der Causalität: daß jede Begebenheit eine Ursach hat, verwechseln. Die L o g i k spricht nicht von den Ursachen der Dinge überhaupt, sondern n u r von den Gründen der Wahrheit unsrer Urtheile. Daher dürfen w i r zweytens diesen Satz auch nicht von allen Erkenntnissen überhaupt aussprechen, sondern n u r von den Urtheilen. Jede Erkenntniß behauptet etwas über das Daseyn der Dinge. Da könnte m a n dieses Daseyn f ü r den G r u n d u n d die G ü l t i g k e i t der E r kenntniß f ü r die Folge nehmen. Aber davon ist i n unserm Satz nicht die Rede. Die L o g i k hat es nicht m i t den Gründen der unmittelbaren E r k e n n t nisse zu thun, sondern unsrer Satz erinnert uns grade, daß das U r t h e i l n u r eine mittelbare Erkenntnis sey, i n der eine andere n u r vor unserm Bewußtseyn wiederhohlt w i r d . Wenn w i r also Urtheile begründen, so fragen w i r n u r nach dieser ihrer Mittelbarkeit. Worauf berufe ich mich, w e n n ich dies oder jenes behaupte? auf die Anschauung, oder auf andere Sätze, oder worauf sonst? Ejiese Fragen sind es allein, deren Unvermeidlichkeit durch diesen logischen Satz des Grundes ausgesprochen w i r d . " (Fries 7,135) 20
Fries 7,139/140.
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
„Hierin erhalten w i r nämlich die kürzeste und vollständige Abweisung aller skeptischen Rede aus den philosopohischen UntersuchungenWer etwas behauptet, der traut sich zu, i m Besitze einer Wahrheit zu seyn. Wenn nun jemand sagt: jedes bestimmte Urtheil sey aufzuschieben, oder alles sey zweifelhaft, — so traut er sich zu, dieß zu behaupten, und also, daran die Wahrheit zu sagen. Folglich widerspricht er sich selbst und sollte vielmehr sich nur veranlaßt finden, dieses sein Behauptungsvermögen, kraft dessen Wahrhaftigkeit er allein zweifeln und aufschieben kann 0, genauer zu untersuchen 21 ." Diese überaus einfachen und klaren Darlegungen von Fries sind u. W. bisher durch keine Skepsisdiskussion 22 überwunden worden; sie könnten nur dann bedeutungslos werden, wenn z.B. ein Skeptiker nicht einmal seine Skepsis, also nichts behauptet. Allerdings wissen w i r für diesen Fall nicht anzugeben, m i t was wissenschaftlich auseinanderzusetzen sich lohnen sollte; es w i r d ja nichts behauptet, und, was noch wichtiger ist und meist übersehen wird, auch nichts bestritten. Keine Nachweisungen, und also nicht nur unseren Nachweisungen, werden von einer solchen Skepsis betroffen; für einen Angriff auf unsere Nachweisungen müßte ein solcher Skeptiker die Wahrheit dieser unserer Nachweisungen bestreiten und also eben doch etwas (entgegen seiner allgemeinen Skepsis) behaupten, nämlich: dieses und jenes unserer Ausführungen (am Ende alles) sei falsch. Und hierin stellt er Behauptungen auf, für die er zumindest den Anspruch erhebt, daß diese wahr sind; und er beruft sich eben auf (im Sinne von Fries gesprochen) „sein Behauptungsvermögen, kraft dessen Wahrhaftigkeit er allein zweifeln kann": und damit, d.h. m i t diesen seinen Behauptungen, unterliegt er dann den Darlegungen von Fries. 2.1.5 Theorie der Deduktion nach Nelson und Anmerkung: Zur Beweislast für Behauptungen in der Argumentation
Eines der Ergebnisse, zu denen Nelson bei der Entwicklung der „Theorie der Deduktion" 2 8 kommt, ist dieses: Kritizismus ist der Begriff einer Methode des Philosophierens und nicht der eines philosophischen Systems. Wer dieser Methode folgt, ist Kritiker, — und wer i h r nicht folgt, ist Dogmatiker. Für diese Feststellung, die Nelson trifft, benutzt er ein Ergebnis kritischen Philosophierens: „wer die philosophische Erkenntnis durch objektive Begründung, sei es durch Beweis oder Vergleichung m i t den Gegenständen, wahr machen w i l l , ist Dogmatiker, auch wenn er durch die schließliche Einsicht i n die Nichtigkeit dieses 21
Fries 5, 55 = N K I I 39. Vgl. zur Übersicht Stegmüller, Wolf gang: Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft 2 B e r l i n 1969, S. 34 f. der neuen Einleitung, sowie I V , S. 374 ff. 23 Vgl. Nelson I 28 - 38. 22
2.1 Nelsons Ansatz
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Unternehmens veranlaßt wird, diese auf die Nichtigkeit der philosophischen Erkenntnis selbst zurückzuführen" 24 . Nelson führt i n dem Werk, das sein Hauptanliegen wiedergibt, nämlich: die ethische Erkenntnis vor allem Skeptizismus sicherzustellen, um den Machtgelüsten auf das Bestimmteste Einhalt zu gebieten, i n seiner „ K r i t i k der praktischen Vernunft" eine solche Deduktion vor, und zwar unter der unglücklichen Bezeichnung „Untersuchung des sittlichen Interesses°" 25, das er dann, entgegen dem herkömmlichen Sprachgebrauch als „Erkenntnis" 2 6 bezeichnet; was gemeint ist, gibt die Überschrift des 1. Kapitels dort wieder: „Deskriptive Analyse des sittlichen Gefühlsein Sprachgebrauch, der an Fries anschließt 27 : „ W i r werden . . . für die Deduktion des Inhaltes des Sittengesetzes letzten Endes keine andere Basis haben als die Daten der deskriptiven Analyse des sittlichen Gefühls 2 8 ." „ E i n solches Gefühl muß am bestimmtesten da sprechen, wo wie beym sittlichen Gefühl alle Bestimmungsgründe des Urtheils der Vernunft selbst gehören, sie also i m Gefühl und seiner dunklen Vorstellung alle zur Bestimmung des Urtheils mitwirken 2 9 ." „Nach dem Vorgange von Kant und Fries" „bezeichnet" auch Nelson „die Begründung philosophischer Grundsätze als ,Deduktion"' 3 0 . Worin besteht diese A r t der Begründung und was setzt sie voraus? Die Deduktion besteht i m Aufweisen der unmittelbaren Erkenntnis der Vernunft, sofern ich m i r ihrer nur durch Urteil bewußt werden kann. Sie setzt voraus das Selbstvertrauen der Vernunft, Erkenntnis zu haben. Dabei gilt u. a. der folgende Zusammenhang: Meine Behauptung, etwas sei eine unmittelbare Erkenntnis, setzt voraus, daß ich minde24
Nelson I 37. Vgl. Nelson I V 469 ff. 28 „ W e n n ich hier v o n einer unmittelbaren Erkenntnis spreche, so mache ich dabei v o n dem W o r t „Erkenntnis" i n einem weiteren Sinne Gebrauch, wonach die Erkenntnis dem Interesse nicht entgegengesetzt ist, wonach es vielmehr möglich w i r d , das sittliche Interesse selbst als eine A r t der E r kenntnis zu bezeichnen." (Nelson I V 504) Daß dies kein Redaktions versehen ist, beweist die Ausführung i n „Die kritische E t h i k bei K a n t , Schiller u n d Fries", Nelson V I I I 160: „ W i r kommen ohne weiteres zum Ziel, w e n n w i r n u r dem Begriff der Erkenntnis eine zweckmäßige Erweiterung geben, der A r t , daß auch ein Interesse unter diesen Begriff fällt. W i r betrachten hier n ä m lich die Interessen als Erkenntnisgründe von praktischen Urteilen u n d k ö n nen sie insofern auch als praktische Erkenntnisse oder Werterkenntnisse bezeichnen." 27 Vgl. Fries 4, 469 ff. = N K I 405 ff. 28 Nelson I V 507. 29 Fries 4, 472 = N K I 408. 30 Nelson 1155. 25
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
stens eine E r k e n n t n i s h a b e — e i n U r t e i l , das falsch sein k a n n : ich k ö n n t e seine F a l s c h h e i t f r e i l i c h nie e r k e n n e n (ohne z u g l e i c h d i e W a h r h e i t seines k o n t r a d i k t o r i s c h e n Gegenteils z u e r k e n n e n u n d d a m i t m i n destens eine E r k e n n t n i s z u haben); daß i c h sie nie e r k e n n e n k ö n n t e , i s t aber sicherlich selbst eine E r k e n n t n i s . E r k e n n e i c h aber i n u n s e r e m gegebenen B e i s p i e l , daß e i n U r t e i l e i n anderes voraussetze, so h a b e i c h b e r e i t s eine z w e i t e E r k e n n t n i s . H a b e i c h w e i t e r e r k a n n t , daß e t w a s eine unmittelbare E r k e n n t n i s ist, so habe i c h auch d i e U n m i t t e l b a r k e i t e r k a n n t , — eine d r i t t e E r k e n n t n i s : f r e i l i c h l a u t e r a n a l y t i s c h e E r k e n n t n i s s e , aber e b e n d a r u m doch E r k e n n t n i s s e . E r k e n n e i c h n u n i h r e A n a l y t i z i t ä t , so w i e d e r h o l e n w i r h i e r unsere Frage, ob dies n i c h t eine synthetische E r k e n n t n i s sei (sollte d i e F r a g e b e j a h e n d b e a n t w o r t e t w e r d e n k ö n n e n , so w ä r e d a m i t a u f einfache A r t eine u n m i t t e l b a r e nicht-anschauliche E r k e n n t n i s aufgewiesen; w i r g e stehen, e i n G e d a n k e , d e r f ü r u n s n i c h t ohne Reiz i s t 3 1 ) . 31 Vgl. Westermann, K M I , 1, S. 47 ff. So halten w i r es nicht für müßig, sich einmal die Frage vorzulegen, welcher Natur, analytisch oder nicht-analytisch ( = synthetisch), ein U r t e i l ist, das die A n a l y t i z i t ä t eines anderen Urteils behauptet; ζ. Β ( w i r wählen zunächst ein allgemeines Urteil): U r t e i l (A) Jede rote Rose ist rot U r t e i l (B) U r t e i l (A) ist analytisch Wie steht es n u n m i t U r t e i l (B)? Ist es seinerseits analytisch oder nichtanalytisch? — Oder ( w i r betrachten ein Einzelurteil) : U r t e i l (a) Diese rote Rose ist rot U r t e i l (b) U r t e i l (a) ist analytisch Ist U r t e i l (b) seinerseits analytisch oder nicht-analytisch? Die beiden Urteile (A) u n d (a) unterscheiden sich u . a . dadurch, daß (a) folgendes behauptet: erstens — dieses Wirkliche ist eine Rose, zweitens — dieses Wirkliche ist rot, hingegen (A) über Wirkliches nichts behauptet: (A) läßt offen, ob es Wirkliches, das eine Rose u n d rot ist, gibt oder nicht gibt; (A) läßt sich daher auch formulieren w i e folgt: w e n n Etwas eine rote Rose ist, dann ist dieses Etwas rot. Danach ist n u n (a) m e h r m a l behauptend; denn daß Wirkliches rot ist, w i r d zweimal behauptet: dieses Wirkliche ist rot u n d es ist rot. M a n könnte daher diesen Umstand als Charakteristik von analytisch verwenden. Dieser Zusammenhang ist schon von Fries gesehen worden: „ D i e philosophischen Grundgesetze der L o g i k sind also n u r Gesetze der Bestimmungen v o m Daseyn der Dinge überhaupt, n u r wiefern diese gedacht werden sollen, das Denken ist aber ein bloßes mittelbares Wiederholen desjenigen, was unmittelbar schon gegeben war, sie sind also bloße Resultate der Tavtologie oder des Vermögens, zweymal dasselbe sagen zu können." (Fries 4, 385 = N K . Bd. I 321) „Durch Anschauung können w i r Eins u n d dasselbe n u r als A schlechthin vorstellen, v o r der Reflexion giebt es aber die unmittelbare Auffassung desselben i n der Stelle des Subjektes, u n d die mittelbare A u f fassung des nämlichen i n der Stelle des Prädikates, so daß w i r nicht n u r A , sondern tàvtologisch A ist A sagen können, indem w i r dasselbe zweymal nennen." (Fries 4, 390 = N K . Bd. I 326) A b e r auch dann wiederholt sich die Frage, ob U r t e i l (b') U r t e i l (a) ist m e h r m a l behauptend, seinerseits m e h r m a l behauptend ist. — Das U r t e i l (b*) das mehrmal behauptende U r t e i l (a) ist m e h r m a l behauptend (entsprechend das analytische U r t e i l (a) ist analytisch) ist sicherlich m e h r m a l behauptend (bzw. analytisch); jedoch lautet b ' (bzw. b)) nicht so.
2.1 Nelsons Ansatz
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Diese Überlegungen lassen uns vermuten, daß (B) u n d (b) nicht-analytisch ( = synthetisch) sind, u n d zwar ganz unabhängig v o n der Frage, w i e eine mögliche Bestimmung des Gegensatzes analytisch-synthetisch ausfallen mag: die Frage w i r d sich i m Rahmen der jeweiligen Bestimmung wiederholen. Allerdings gehen w i r hier davon aus, daß ein unaufhebbarer Unterschied zwischen z . B . den Urteilen besteht: diese Rose ist rot, u n d : diese rote Rose ist rot. Das w i r d auch v o n den „analytischen Philosophen" nicht bestritten. (Vgl. Savigny, Eike von: Analytische Philosophie, München 1970, § 8, S. 103 ff.) Sollte unsere V e r m u t u n g zutreffen, dann wäre jede Analytizitätsbehauptung die Behauptung eines synthetischen Urteils a priori. Die Frage, die Stegmüller i m zweiten Bande seiner Wissenschaftstheorie, i n : Theorie u n d Erfahrung, bei der Diskussion der „ E i n f ü h r u n g der analytisch-synthetisch-Dichotomie i n die Sprache LE" ( I I 206 ff.) stellt, ist eine andere: „Angenommen, der Satz (3) sei analytisch." Ist dann auch die A u s sage: „(5) ,Der Satz (3) ist analytisch* selbst eine analytische Feststellung?" ( I I 210) Satz (3) lautet (bei Stegmüller): „(3) A l l e Störche haben rote Beine." ( I I 208) — Es handelt sich nach den Annahmen v o n Stegmüller, die er dort ausführt, u m einen Satz „ i n der präzise aufgebauten Sprache L E " : „ N e h men w i r ζ. B. an, der Erbauer der Sprache LE habe beschlossen, kein A n a l y tizitätspostulat zu akzeptieren, aus welchem der Satz ,alle Schwäne sind weiß 4 logisch folgt. Dagegen habe er unter seine Analytizitätspostulate das folgende aufgenommen: (3) A l l e Störche haben rote Beine." ( I I 208) Dies ist i n die gestellte Frage hineinzudenken, u m eine „mögliche Konfusion", v o r der Stegmüller w a r n t , zu vermeiden; Stegmüller fährt dann auf Seite 210/ 211 fort: „ H i e r ist eine Unterscheidung zu treffen. Entweder der Satz (3) b i l det einen Satz der Umgangssprache. Dann ist (5) keine analytische Aussage, sondern eine empirisch-hypothetische Aussage, die sich auf den deutschen Sprachgebrauch bezieht, nämlich auf das faktische Bestehen v o n Bedeutungsrelationen zwischen deutschen Wörtern. Oder der Satz (3) ist bloß die alltagssprachliche Übersetzung eines Satzes der formalen Sprache LE. Dann ist (5) nicht n u r analytisch wahr, sondern sogar logisch wahr i m engeren Sinne des Wortes 1 4 . (Für den, der das Buch nicht zur H a n d haben sollte, sei Fn. 14 v o n Stegmüller eingeschoben; sie lautet: „ M a n beachte allerdings, daß dieses Prädikat ,logisch w a h r ' zur Metametasprache gehört, da es auf den metasprachlichen Satz (5) angewendet wird.") Der Begriff der A n a l y t i z i t ä t ist j a f ü r LE extensional durch explizite Angabe der Analytizitätspostulate eingeführt worden, u n d (3) w a r nach A n n a h m e eines dieser Postulate." ( I I 210/211) — Unsere Frage bezieht sich, zunächst einmal, auf Urteile, u n d nicht auf Sätze, u n d damit auf Sachverhalte u n d deren Erkenntnis u n d also nicht „auf den deutschen Sprachgebrauch"; es ist nämlich ein Unterschied, ob ich eine Aussage über den „deutschen Sprachgebrauch" mache — eine empirisch zu verifizierende Aussage —, oder ob ich eine Aussage über die Wahrheit eines i m Satz ausgesprochenen Urteils, das einen Sachverhalt w i e derholt, mache; i m einen F a l l ist der I n h a l t meiner Erkenntnis (oder dessen, was ich als erkannt behaupte) folgender: i n der deutschen Sprache w i r d Storch' so gebraucht, daß der Gebrauch i m m e r das ,rote Beine haben' einschließt, — das Gegenteil wäre denkbar, w u r d e empirisch jedoch bisher nicht festgestellt; i m anderen Falle ist der I n h a l t meiner Erkenntnis folgender: i m m e r w e n n etwas Wirkliches ein Storch ist, hat es rote Beine, — das Gegent e i l wäre nicht denkbar, — es bleibt offen, ob Wirkliches ein Storch ist. Es w i r d i n dem einen F a l l eine empirische Aussage über den deutschen Sprachgebrauch, w i e Bedeutungen gebraucht werden, gemacht, i m zweiten F a l l darüber, ob die Relationen, die i n einem Satz ausgesprochen werden, bestehen, u n d zwar unabhängig davon, w i e sie tatsächlich („faktisch") gebraucht w e r den. E i n „historisches" Beispiel wäre der („Un-")Begriff ,Faustrecht'; nach jedem w i e auch i m m e r ausgestalteten Analytizitätspostulat könnte m a n i n einer „Rechts"-Ordnung ein solches zulassen als „analytischen Satz" der Gleichsetzung v o n Recht u n d Gewalt: i n einer klassischen Formulierung ,wer die Macht hat, hat das Recht', oder ,wer kann, darf auch'. Diese „Rechts"-
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Ordnung könnte dann, bezüglich der ihre „Normen" beschreibenden Sätze, als Sprache LE, oder, u m uns i m Sprachgebrauch lediglich durch ein anderes Symbol zu unterscheiden, als Sprache L o (Ο v o n Ordnung) bezeichnet werden. Die Anführungszeichen bei Recht u n d Begriff etc. sind gesetzt, u m anzuzeigen, daß nach einer anderen Konzeption (etwa der des Alltages) verdeckte Widersprüche vorliegen, ζ. T. analytische Sätze (etwa i m durchaus problematischen Kantischen Sinne), die als (Real-)Definitionen verkannt werden, und, da m a n nicht zu Rande k o m m t , schließlich als Nominaldefinitionen gefordert werden, u n d zwar ohne Rücksicht auf sonst sprachübliche Bedeutungen. So ist zwar jedes Recht oder Rechtssystem eine Ordnung, nicht jede Ordnimg auch eine rechtmäßige (jedenfalls nach der Vorstellung des A r t . 20 Abs. I I I des Grundgesetzes, i n dem Gesetz u n d Recht unterschieden sind); i n eben diesem Sinne ist »Faustrecht 4 ein Unbegriff, d . h . ein W i d e r spruch i n sich (ganz gleich, ob m a n nun, w i e Diskussionspartner v o n uns zu behaupten pflegen, widersprüchliche Begriffe nicht verstehen w o l l e n u n d diese daher i n Behauptungen umdeuten muß, da von jenen Widersprüche von Sätzen anerkannt werden: z.B. vierseitiges Dreieck; daß hierfür ggf. logische Gesetze i n ontologische übersetzt werden müssen, w o l l e n w i r gerne einräumen: w e n n »vierseitiges Dreieck' einen Gegenstand bezeichnen sollte, dann ist dies ein ebensolcher, der drei Seiten habend u n d zugleich nicht drei, sondern vier Seiten habend wäre) : denn »Faust' steht f ü r »Gewalt' u n d Recht, was i m m e r dies auch bedeuten mag, jedenfalls f ü r ,Nicht-Gewalt', denn sonst würde Faustrecht (unter der gegenteiligen Annahme) lediglich bedeuten: ,Faustfaust'. L e h n t m a n sich, v o n dem uns ausreichend erscheinenden logischen Argument, weiter an den sprachüblichen Sinn von Recht an, so entdeckt m a n leicht, was hier m i t Recht gemeint ist, wenngleich w i r einräumen, daß v i e l mehr gemeint w i r d , jedenfalls soviel behauptet w i r d , daß Redit eben i m Unterschied zur Gewalt gerade u. a. danach fragt, gegebenenfalls dies festlegt, w a n n Gewalt eine rechtmäßige, w a n n eine w i d e r rechtliche ist. Es k a n n sich also danach das Recht nicht von der Gewalt ableiten, sondern muß sich die Gewalt a m Recht als rechtmäßige, oder als w i derrechtliche ausweisen, bzw. entlarven lassen. — Freilich w i r d dabei v o r ausgesetzt, daß es Bedeutungen unabhängig v o m Sprachgebrauch gibt (und es u. a. Aufgabe der Philosophie sei, diese zu entdecken u n d die Alltagssprache daraufhin abzuklopfen, zu reinigen, ggf. die M o t i v e zu entlarven, die eine unzulässige Vermengung ermöglichten, da es meist u m die Rechtfertigung durch sprachliche Vernebelung dessen geht, was sonst nicht zu rechtfertigen wäre: Faustrecht ist w o h l plausibel genug!). W i r leugnen nicht, daß hier der V o r w u r f , u. E. eines allerdings zu unrecht verschrieenen Platonismus erhoben werden kann, entgegen der streng nominalistischen Konzeption: Motiv (und ohne den Anspruch einer K l ä r u n g i m philosophischen Sinne hier zu erheben) hierfür ist die einfache Überlegung, daß ein strenger N o m i nalismus nicht durchführbar ist. Denn jede Verständigung über Namen oder bloße, gewählte Bedeutungen setzt voraus die Verständigung über die so bezeichneten Sachverhalte oder Sachen u n d zwar unabhängig von jeder N a mensgebung oder Festlegung i m Sinne u n d durch Nominaldefinitionen. Ich k a n n zwar einen individuellen Gegenstand „taufen", ζ. B. ein ,Kind' auf den Namen Hans — hier ist schon, daß w i r einen Gegenstand ,Kind' meinen u n d die Möglichkeit der Verständigung hierüber vorausgesetzt — ; lege ich dagegen Bedeutungen fest, so geht dies n u r unter Voraussetzung allgemeiner Begriffe; z . B . w e n n w i r v o n subjektivem (persönlich) dinglichem Recht sprechen, versteht dies ohneweiteres zunächst n u r der Jurist, dem Nicht-Juristen mag dies unverständlich, j a kontradiktorisch erscheinen. Nenne ich i h m h i e r f ü r das Beispiel des § 985 BGB, Herausgabeanspruch des Eigentümers einer Sache gegen den Besitzer, dann w i r d er mich n u r verstehen, w e n n er m i n destens die folgenden allgemeinen Begriffe beherrscht: Herausgabe als Bezeichnung f ü r eine Handlung, Anspruch als eine innerseelische Tatsache (psychisches F a k t u m : einen Anspruch erheben), Eigentum als Berechtigung gegenüber jedem, Sache i m nominaldefinitorischen Sinne des § 90 B G B (also
2.1 Nelsons Ansatz
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E n d l i c h : aber auch u n a b h ä n g i g d a v o n , w i e die Frage, d i e w i r a u f g e w o r f e n h a b e n , b e a n t w o r t e t w e r d e n m a g , es f i n d e t i m m e r b e i a l l diesen E r k e n n t n i s s e n B e r u f u n g a u f i n n e r e E r f a h r u n g statt, d i e sich i n d e m U r t e i l „ i c h h a b e es eingesehen" ausspricht. W a s i c h einsehe, i s t aber f ü r m i c h e v i d e n t ; „ g r ö ß e r e " E v i d e n z als diese i s t f ü r m i c h n i c h t m ö g l i c h , auch n i c h t a u f g r u n d i r g e n d e i n e r Wissenschaft. Z u r K o n t r o l l e — l e t z t l i c h — , n i c h t dessen, w a s i c h eingesehen habe, s o n d e r n dessen, w a s i c h als eingesehen behaupte, n ä m l i c h , o b dies a m E n d e n i c h t doch bloße B e h a u p t u n g (die falsch ist) sei, b l e i b t n u r d i e V e r s t ä n d i g u n g m i t anderen, d i e auch v e r n ü n f t i g sind, das h e i ß t , E i n sichten h a b e n ; a l l e i n aus d e m U m s t a n d , daß e i n a n d e r e r diese m e i n e (behaupteten) E i n s i c h t e n n i c h t h a t , f o l g t n i c h t , daß m e i n e b e h a u p t e t e n E i n s i c h t e n bloße B e h a u p t u n g e n , falsche B e h a u p t u n g e n s i n d : dies k a n n n u r w i e d e r i c h selbst einsehen; so w i e i c h selbst ( a u f g r u n d d e r S e l b s t t ä t i g k e i t m e i n e r V e r n u n f t ) es einsehen m u ß (oder h a l t de facto es n i c h t einsehe), daß d i e B e h a u p t u n g , aus d e m U m s t a n d , daß ich es einsehe, folge, e i n a n d e r e r müsse es auch einsehen, falsch, eine falsche B e h a u p t u n g ist, ganz ebenso w i e die, daß aus d e r Behauptung, i c h h ä t t e es e i n mehr umfassend als das, was w i r i m A l l t a g als Sache bezeichnen, ζ. B. auch Tiere), Besitzer als derjenige, der die Sache (tatsächlich) h a t : „Erlangung der tatsächlichen Gewalt" (§ 854 B G B ) ; ein anderes Beispiel: w e n n ich erkläre, Recht sei Rechtsüberzeugung, so weiche ich v o m sprachüblichen Gebrauch von Recht ab; u m mich m i t anderen über einen Gebrauch des Wortes (nicht des Begriffes) Recht zu verständigen, müssen diese zumindest wissen, was eine Uberzeugung ist, was es bedeutet, eine Uberzeugung v o n etwas zu haben. Eine ganz andere Frage b e t r i f f t dann diejenige der gesetzlichen F i k tion, die i n Wahrheit nichts anderes als eine Gesetzesökonomik darstellt u n d über eine Sache nichts behauptet; w e n n ein Gesetz festlegt ζ. B., daß der A u s bau v o n Wasserstraßen der Aufsicht oder Genehmigung unterliegt, u n d ferner formuliert w i r d , daß Ausbau i m Sinne dieses Gesetzes auch Zuschütten sei, dann ist jede (philosophische) Diskussion darüber müssig, ob denn Z u schütten noch Ausbauen sei; denn hier w i r d n u r gesetzgeberisch verlangt, daß die Vorschriften, die f ü r Ausbau i m sprachüblichen Sinne gelten, auch gelten sollen f ü r Zuschütten. Über das sachliche Verhältnis v o n Ausbauen u n d Zuschütten ist nichts ausgesagt; die Beispiele ließen sich beliebig v e r mehren: unverständlich ist uns n u r die Diskussion auf namhaften Tagungen interdisziplinärer A r t über dergleichen. — Das unsere Frage nach der A n a l y tizität eines analytischen Urteils (analytisch oder nicht-analytisch) i n dem einen oder anderen Sinn beantwortende Urteil, das eine (zumindest behauptete) Erkenntnis wiederholt, ist dann auch nicht „eine empirisch-hypothetische Aussage", sondern, ganz unabhängig v o n der Erfahrung, jedenfalls ein U r t e i l a priori, sei es n u n analytisch oder nicht-analytisch. W i r möchten nicht mißverstanden werden: die Aussagen Stegmüllers sind nach seinem K o n t e x t alle richtig, sofern m a n n u r den unterschiedlichen Gebrauch von analytisch auf I I 210 u n d Analytizitätspostulat auf I I 208 beachtet u n d füglich dann weiter auseinanderhält, nämlich einmal: Ist Satz 5 Analytizitätspostulat, daß Satz (3) Analytizitätspostulat ist, was n u r auf eine Verdoppelung der Einführung „(3) ist Analytizitätspostulat" hinausläuft, zum anderen analytisch = i n der deutschen Sprache bestehen faktisch Bedeutungsrelationen zwischen deutschen Wörtern, die Begriffe bezeichnen, was selbst eine empirische (empirisch verifizierbare) Behauptung ist. Unsere Frage ist j e doch davon ganz verschieden.
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gesehen, folge, daß ich es tatsächlich eingesehen habe, — es könnte i r r tümlich sein; für den anderen bleibt es bei dem Umstand: er hat eine bestimmte Einsicht nicht. — Hierfür schulden w i r nun neben dem Gegebenen noch Nachweisungen bei Nelson und Fries. Zunächst zum Grundsatz des Selbstvertrauens der Vernunft: er sei, so führt Nelson aus, „der Ausspruch des fundamentalen Faktums des Erkennens selbst" 3 2 . Es ist aber von Nelson nicht nur der einfache Sachverhalt, das „ich habe etwas erkannt", gemeint (eine diesbezügliche Frage, ob und was i m einzelnen jeder Einzelne erkannt habe, ist für jeden Einzelnen nur durch i h n selbst beantwortbar), sondern ein ganzes Bündel von Erkenntnissen, seien sie auch z.T., wie w i r vermuten (lediglich) analytischer Natur: „Eine Begründung der unmittelbaren Erkenntnis selbst ist nicht nur nicht möglich, sondern auch nicht erforderlich; denn der Umstand, der überhaupt erst die Frage nach einer Begründung entstehen läßt, findet bei i h r nicht statt: die unmittelbare Erkenntnis ist eine solche, die an und für sich gewiß ist, die also ihre Gewißheit nicht erst von etwas außer i h r entlehnt. W i r können diesen Sachverhalt aussprechen als den Grundsatz des Selbstvertrauens der Vernunft auf die Wahrheit ihrer unmittelbaren Erkenntnis. Es gilt nur, diesen Sachverhalt ins Auge zu fassen, u m sich der Forderung einer Begründung der unmittelbaren Erkenntnis zu entledigen. Denn das, wofür hier eine Begründung verlangt werden könnte, trägt j a von vornherein schon den Charakter der Gewißheit an sich. — Für den also, der nur versteht, was eigentlich »Erkennen 1 heißt, ist ein Zweifel an der Gültigkeit der unmittelbaren Erkenntnis gar nicht möglich. Jeder Zweifel setzt vielmehr die Wahrheit der unmittelbaren Erkenntnis schon voraus. Wenn jemand die Wahrheit der unmittelbaren Erkenntnis bezweifeln wollte, so würde dies besagen, daß er nicht wisse, ob die unmittelbare Erkenntnis w a h r sei. Er würde sich also wenigstens das negative Urteil zutrauen müssen, ein bestimmtes Wissen nicht zu haben. Dieses Urteil müßte sich aber, u m nur selbst möglich zu sein, auf ein Wissen gründen. Es würde also schon das Vertrauen auf die Wahrheit unserer unmittelbaren Erkenntnis voraussetzen. — Hiermit soll nun nicht etwa gesagt sein, daß das Vertrauen zu der unmittelbaren Erkenntnis seinerseits einen Beweisgrund für die Wahrheit und also Vertrauenswürdigkeit der unmittelbaren Erkenntnis bieten könnte. Es verhält sich nicht so, daß w i r aus dem Vertrauen, das w i r zu unserer unmittelbaren Erkenntnis haben, auf deren Wahrheit schließen. Dann würde j a die Gewißheit doch erst mittelbar zu der unmittelbaren Erkenntnis hinzukommen, i m Widerspruch zu dem Begriff einer u n m i t telbaren Erkenntnis, d. h. einer solchen, die an und für sich gewiß ist. 81
Nelson I 33.
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Der Grundsatz des Selbstvertrauens der Vernunft ist also kein erkenntnistheoretisches Kriterium. Seine Bedeutung liegt vielmehr gerade darin, die Entbehrlichkeit eines solchen festzustellen 33 ." Wer aber diese Spannung nicht auszuhalten i n der Lage ist, da sie ihn zu sehr frustriert, und lieber, statt allein durch seine Vernunft, Urteile z.B. durch den Entscheid der Mehrheit beglaubigt haben möchte, möge m i t dem Anspruch auf Wahrheit zurückstecken und sich Programme durch das Volk beglaubigen lassen, nicht mehr als Philosoph, sondern als Politiker und anstelle von Anhängern der Wahrheit Parteigängerschaft für Ideologien u m sich versammeln. (Wir möchten mit dieser polemischen Anmerkung, inmitten der Bestrebungen nüchterner Wahrheitssuche, nicht mißverstanden werden: w i r haben nicht eine Kennzeichnung des Politikers durch ein analytisches Urteil ausgesprochen, sondern nur Gegenwartsströmungen charakterisiert, u m der Forderung Nachdruck zu verleihen, auch Politik endlich zur Wissenschaft zu erheben; w i r versuchen es hier vorerst i n einem 150-SeitenRahmen der Aufgabe 84 .) Allerdings: Wenn auch nicht ausgeschlossen werden kann, daß am Ende die meisten unserer Urteile doch nur Beurteilungen sind, so kann doch ausgeschlossen werden, daß dies nur eine Beurteilung ist. U m dies einzusehen, brauchen w i r den Zusammenhang nur i n eine deutlichere Sprache zu bringen; das Ausgeführte ist nämlich gleichbedeutend m i t : Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß einige Urteile falsch sind; es kann aber ausgeschlossen werden, daß dieses Urteil falsch ist. Dies U r teil ist die Folge des zu gebenden indirekten Beweises: Angenommen nämlich, das Urteil „Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß einige Urteile falsch sind" wäre falsch; das heißt dann „Es kann ausgeschlossen werden, daß Urteile falsch sind" oder gleichbedeutend damit: „ A l l e Urteile sind wahr." N u n ist die Wahrheit aber nicht K r i t e r i u m des U r teils; die Existenz auch nur eines falschen Urteils beweist, daß das U r teil „ A l l e Urteile sind wahr" falsch ist (der Beweisgrund ist der Satz des Widerspruchs). Damit ist gezeigt, daß die Annahme der Falschheit des Urteils „Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß einige Urteile falsch sind" die Wahrheit desselben Urteils voraussetzt. Es kann dann zwar immer noch sein, daß alle Urteile falsch sind; w i r könnten diesen Sachverhalt aber nicht i m U r t e i l festhalten, ohne damit ein wahres U r teil auszusprechen: die gegenteilige Annahme ist widersprüchlich. 88
Nelson I V 51/52. Vgl. Westermann, Christoph: Kritische Methode u n d K r i t i k der p r a k tischen Vernunft i m geplanten Bd. I I I : Rekonstruktion der K r i t i k der p r a k tischen Vernunft, die zum Ziele hat, durch Erkenntnis gesicherte Ergebnisse f ü r rechtliche Beurteilungen zu geben, aufgrund der hier u n d i n K M gegebenen Überlegungen. 84
5 Westermann
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Wer nun meint, er könne den Grundsatz des Selbstvertrauens der Vernunft (oder: den Sachverhalt, daß er etwas erkennen könne) nicht so ohne weiteres voraussetzen (oder: das Bestehen des Sachverhaltes als gegeben hinnehmen), dem läßt sich nachweisen, daß er diesen Grundsatz voraussetzt (oder: daß er von dem bestehenden Sachverhalt der Vernunft, von dem Faktum Vernunft ausgeht), gerade für seine Behauptung und deren (mit-)behauptete Wahrheit: denn er traut sich zu, eben dies zu behaupten, er könne diesen Grundsatz nicht so ohne weiteres voraussetzen; jede Behauptung ist aber die Behauptung einer Erkenntnis (wer dies nicht zugeben mag, der verwechselt Behauptung m i t Vermutung, bei der es keinen Sinn hat zu fragen: woher wissen Sie das? Diese Frage geht für die Vermutung von der falschen Voraussetzung aus, daß sich das, was vermutet wird, auch begründen lasse, und zwar durch den, der es vermutet, — nicht zu verwechseln m i t den Gründen für sein Vermuten). Er behauptet also, erkannt zu haben, daß er diesen Grundsatz nicht so ohne weiteres voraussetzen könne, und traut sich damit eine Erkenntnis zu (ganz unabhängig davon, ob die Behauptung n u n wahr ist oder nicht); damit setzt er allerdings voraus, daß er überhaupt etwas, ζ. B. nämlich, daß er diesen Grundsatz nicht so ohne weiteres voraussetzen könne, erkennen könne, und setzt somit eben diesen Grundsatz, der j a nichts anderes behauptet, voraus, — oder: er beruft sich m i t seiner Behauptung auf den Sachverhalt: er könne etwas erkennen. — Es kann zwar immer noch sein, daß er nichts erkennen kann; allerdings könnte dieser Sachverhalt von ihm nicht erkannt werden (ohne daß er damit, entgegen der Annahme, daß er nichts erkennen könne, eben etwas erkennen würde; ein Widerspruch, der schon Nelson und Fries bewußt war. Er ist dennoch nicht Allgemeingut aller u m Philosophie als Wissenschaft Bemühter, so daß man auf die Wiederholung verzichten könnte). W i r weisen i n diesem Zusammenhang für den philosophischen Unterricht auf folgende, möglicherweise auftretende Schwierigkeiten bei der Erörterung kritischen Denkens hin: I n Zeiten vielfältiger Ideologieherrschaft w i r d von ihren Anhängern häufig i n Umkehrung der „Beweislast" argumentiert; sie behaupten etwa, derjenige, der sich zur Begründung eines Urteils auf Erkenntnis berufe, habe diese noch zu beweisen. Abgesehen davon, daß sie m i t dieser ihrer Behauptung selbst der Begründungsbedürftigkeit aller Urteile unterstehen, hat nicht derjenige, der sich m i t seiner Erkenntnis als auf ein letztes beruft, diese zu beweisen (was nicht möglich ist), sondern derjenige, der dies bestreitet und damit die Irrtümlichkeit der Behauptung des anderen behauptet, diese seine Behauptung zu begründen. Schon die Forderung der Beweisbarkeit aller Urteile ist widersprüchlich, die der Beweisbarkeit der Erkenntnis ebenso; allein die Forderung der Begründung aller
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Urteile ist unter Voraussetzung von Erkenntnis nicht widersprüchlich. Wer sich daher zur Begründung eines Urteils auf Erkenntnis beruft, hat nicht seinerseits zu zeigen, daß diese Erkenntnis „ w a h r " ist, was unmöglich ist, sondern derjenige, der dies bestreitet, hat zu zeigen, daß die Behauptung, etwas sei eine Erkenntnis, falsch, irrtümlich ist, — freilich unter der Behauptung einer Erkenntnis seinerseits: er w i l l j a den I r r t u m des anderen erkannt haben. Es kann daher sein, daß bestimmte Anhänger gewisser Ideologien keine Erkenntnis haben (was sie aber nicht erkennen könnten); dieser Umstand ist kein Einwand gegen die Behauptung, andere hätten Erkenntnisse. Sollte dies von den Anhängern einer Ideologie bestritten werden, liegt es bei ihnen, dies zu zeigen, nämlich: daß die Behauptungen über den Besitz von Erkenntnissen falsch sind (was sie ihrerseits nur durch Erkenntnis zeigen könnten). Zuletzt: i n der Diskussion und i m Unterricht w i r d an dieser Stelle meist die Frage gestellt „wer entscheidet, daß etwas (nennen w i r es ,e') w i r k l i c h eine Erkenntnis sei?". Diese Frage behauptet etwas 3 5 ; weiter: zumindest der Frager behauptet, daß eine „sinnvolle" A n t w o r t auf die Frage möglich sei 36 . Etwa: Person X entscheide. Nun kann die Tatsache des Entscheidens nicht K r i t e r i u m dafür sein, daß ,e' eine „wirkliche Erkenntnis" sei 3 7 ; w i r würden sonst das, was alltagssprachlich durchaus unterschieden wird, nämlich Entscheiden und Erkennen, preisgeben 88 . Die Tatsache des Entscheidens durch X wäre für ,e' nur dann relevant, wenn X sich i n Bezug auf ,e' nicht irrt. Das kann ich einmal annehmen i n der Behauptung: X irrt nie (ein solcher X ist m i r nicht bekannt; und: wie könnte ich dies wissen? Jedenfalls nicht ohne meine Erkenntnis, u. a. auch der von ,e'). Eine Verlagerung auf eine Person Y, die ihrerseits für X entscheidet, daß X nie irrt, h i l f t nicht weiter, da sich für Y die Frage wiederholt 3 9 . Verbleibt es daher zum anderen beim Einzelfall: die Tatsache des Entscheidens durch X wäre nur relevant für ,e', wenn X i n Bezug auf ,e' nicht irrt. Daß X i n Bezug auf ,e' nicht irrt, kann ich aber nur wissen, wenn ich ,e' selbst erkenne; dann kommt es auf X und seine tatsächliche Entscheidung (den psychischen A k t des 85
Auch Fragen können zugleich etwas behaupten; so behauptet die Frage, w i e geht es I h r e r verheirateten Schwester: ich habe mindestens zwei Schwestern, v o n denen eine verheiratet ist. 86 Falls der Frager die Behauptung, eine A n t w o r t auf seine Frage sei überhaupt möglich, nicht zugesteht (weil er schon weiß, daß sie nicht möglich ist), b i n ich nicht bereit, mich u m eine A n t w o r t zu bemühen: sofern sich der Frager nicht i r r t , wäre ein solches Bemühen v o n Anfang an sinnlos. 87 Auch w e n n A l b e r t dies behaupten mag, vgl. anschließend 2.2. 88 Was A l b e r t (59) durchaus anstrebt, vgl. anschließend 2.2. 89 Daß m a n m i t einer geschickt angelegten Stufung dem Regreß auskommen mag, behauptet H. A . Schmidt (vgl. Fn. 23 — Einleitung —); vgl. auch die Darstellung i n Westermann K M I , 2. 2. Teil: 1.17 S. 58 ff. 5·
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Entscheidens) nicht mehr an. — Die Frage ist also falsch gestellt, sofern die A n t w o r t auf das „ w e r " auf einen anderen als mich selbst abzielt; sonst lautet die A n t w o r t : ich, kraft meiner Vernunft, niemand sonst (was I r r t u m nicht ausschließt). Hierin ist lediglich ausgesagt: u m zu wissen, daß einer, der behauptet, etwas erkannt zu haben, i n dieser seiner Behauptung nicht irrt, muß ich selber das erkennen, was jener erkannt zu haben behauptet. Dies schließt keineswegs aus, daß w i r uns die Erkenntnisse anderer im Vertrauen auf ihre Vernünftigkeit, oft i m Vertrauen auf noch viel weniger, auf ihre Kompetenz und Fachlichkeit, ζ. B. als Arzt, als Kfz.Mechaniker, als Jurist zunutze machen. Für unsere Diskussion m i t Interessierten streben w i r freilich Mit-Wissende an 4 0 . 2.2 Albert's „Kritische Rationalität" Albert formuliert „das zentrale Problem der Erkenntnislehre" (und nicht etwa das von den wahren Urteilen) so: „Wem es darum geht, das Wesen der Erkenntnis zu erfassen oder echte Erkenntnis und wahres Wissen gegen bloße Meinungen, Vermutungen oder subjektive A n schauungen abzugrenzen, der w i r d i m allgemeinen sehr bald auf ein Problem stoßen, das als ein zentrales — wenn nicht gar das zentrale — Problem der Erkenntnislehre angesehen zu werden pflegt: das Problem der Begründung"*. Zunächst läßt dieser Satz offen, die Begründung wessen hier Problem sei; tatsächlich fragt Albert nach „dem Fundament des Wissens überhaupt" 2 . Aber sogleich i m nächsten Absatz verschiebt sich seine Fragestellung h i n zur Überzeugung und damit zunächst einmal weg vom Wissen, denn Wissen und Überzeugung sind nicht dasselbe; Überzeugungen können wahr, aber auch falsch sein, Wissen kann dagegen nicht falsch 40
W i r w o l l e n durch dialogisches Vorgehen Mit-(auch)Wissende gewinnen oder solche unseren Behauptungen, dann aber m i t Gründen Widersprechende, nicht bloß (imverbindlich) Informierte: „ I c h habe den unwiderstehlichen Trieb, einen lose hängenden K n o p f ganz abzureißen, obwohl ich ihn, w i e ich zu meiner Schande gestehen muß, nicht selbst wieder annähen kann. Gerade so geht es m i r i n der Philosophie. Ich werde die W e l t m i t keinem neuen System beglücken, aber es ist m i r ein tiefes Bedürfnis, Halbheiten als solche bloßzustellen u n d zu zerstören. Insbesondere reizen mich solche Halbheiten, die nicht n u r der individuellen N a t u r eines einzelnen Denkers entstammen, sondern einem fast allgemeinen Denkbedürfnis entgegenkommen u n d also der menschlichen N a t u r oder wenigstens unserm K u l t u r k r e i s zu entsprechen scheinen." (Groos, H e l m u t : V o r w o r t zu »Willensfreiheit oder Schicksal·, M ü n chen 1939 — zit. i n Vorbemerkung Westermann K M 1,1.) 1 Albert, Hans: T r a k t a t über kritische Vernunft, Tübingen 1968, S. 8; Z i tierweise: A l b e r t Seitenzahl. 2 Albert 8.
2.2 Alberts „Kritische Rationalität" sein; n u r die Behauptung,
e t w a s z u wissen, k a n n falsch sein, —
S a c h v e r h a l t , d e n Stegmüller
schon e i n d e u t i g d a r l e g t 3 .
69 ein
W i r wissen, daß Urteile falsch sein k ö n n e n ; G r u n d d e r W a h r h e i t dieses Urteils i s t d e r Satz v o m W i d e r s p r u c h : w i r k ö n n e n n ä m l i c h z u j e d e m U r t e i l sein k o n t r a d i k t o r i s c h e s U r t e i l b i l d e n ; i n B e z u g a u f k o n t r a d i k t o r i s c h e Urteile w i s s e n w i r , daß n i c h t beide (zugleich) w a h r sein k ö n n e n . G r u n d d e r W a h r h e i t dieses Urteils ist eine ( u n m i t t e l b a r e ) E r k e n n t n i s . — Dies w ü r d e w o h l auch Albert einräumen (wenngleich w i r n i c h t sicher sind, ob er es als e r k a n n t b e h a u p t e n w ü r d e ) , d a „ m a n das W i d e r s p r u c h s f r e i h e i t s p r i n z i p n i c h t b e s e i t i g e n k a n n , o h n e d i e äußerst u n a n g e n e h m e K o n s e q u e n z , daß d a n n b e l i e b i g e Behauptungen 0 möglich w e r d e n " 4 . „ D i e W i d e r s p r u c h s f r e i h e i t ist a n sich n u r eine logische M i n i m a l f o r d e r u n g f ü r d i e E r k e n n t n i s 5 . " — I m ü b r i g e n w i s s e n w i r auch aus Erfahrung, daß Urteile falsch sein k ö n n e n (nicht aber E r k e n n t n i s s e , s o n d e r n n u r B e h a u p t u n g e n , e t w a s e r k a n n t z u haben, k ö n n e n falsch sein); d i e E r k e n n t n i s d e r F a l s c h h e i t eines Urteils setzt d i e E r k e n n t n i s v o n W a h r e m voraus. 3 Stegmüller, Wolfgang: Glauben, Wissen u n d Erkennen. Zeitschrift f ü r philosophische Forschung, Bd. X , Heft 4 (1956), S. 535 f., wobei w i r dem nachfolgenden Satz nicht unkritisch zustimmen können: „ F ü r mich als endliches Wesen k a n n prinzipiell immer die Situation auftreten, daß ich f ü r eine einm a l gebrauchte Äußerung ,Ich weiß, daß . . s p ä t e r bekennen muß, daß ich . . . nicht wußte, als ich sagte, ich wisse es, sondern . . . bloß zu wissen glaubte." Denn i n dieser „prinzipiellen" Allgemeinheit begegnet er Bedenken: es k a n n zwar sein, daß ich immer, w e n n ich etwas zu wissen behaupte, n u r glaube, etwas zu wissen; dies könne ich dann nicht wissen, sondern n u r ein anderer könnte dies wissen. Behaupte ich also, zu wissen, daß prinzipiell immer die Situation auftreten kann, daß ich nicht wußte, sondern n u r glaubte, zu wissen, behaupte ich kontradiktorisches: nämlich einmal zu wissen, zum anderen es bloß zu glauben, zu wissen. Die Aussage muß daher auf die meisten Fälle eingeschränkt werden, wobei diese Aussage selbst ausgenommen bleibt; denn dies k a n n ich wissen! Angenommen nämlich, der Satz „ F ü r mich als endliches Wesen k a n n i n einigen, vielleicht i n den meisten Fällen i m m e r wieder die Situation auftreten, daß ich zwar behaupte, zu wissen, aber nicht wußte, sondern n u r glaubte, zu wissen" wäre falsch, dann heißt das: f ü r mich k a n n diese Situation nie auftreten; das widerspricht der Erfahrung, denn ich weiß, daß ich mich tatsächlich irrte, — allerdings k a n n ich den I r r t u m n u r erkennen unter Voraussetzung des Satzes v o m Widerspruch, u n d den I r r t u m als solchen, d. h. w o r i n er besteht, n u r erkennen, w e n n ich W a h res erkenne (vgl. oben 2.1.4.). Analog gingen w i r vor bei der Erörterung der Frage, ob es auch nicht ausgeschlossen werden kann, daß am Ende die m e i sten unserer Urteile doch n u r Beurteilungen, falsche Urteile seien (vgl. oben 2.1.5.). I n einer prinzipiellen Verallgemeinerung wäre der Satz dagegen falsch: es k a n n nie ausgeschlossen werden, daß alle unsere Urteile falsch sind; es w i r d nämlich wiederum kontradiktorisches behauptet, wenn es als wahres U r t e i l behauptet w i r d ; denn dann (unter dieser Voraussetzung) schließt dieses U r t e i l die Möglichkeit gerade aus, die (lt. Voraussetzung i n der Behauptung) nie ausgeschlossen werden kann. Es k a n n zwar sein, daß alle unsere Urteile falsch sind; festhalten könnten w i r dies allerdings nie — widerspruchsfrei — i m Urteil. 4 Albert 43. 5 Albert 43, Fußnote 23.
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I n diesem von uns erörterten Sinne spricht Albert denn auch folgerichtig von wahrer Überzeugung: „Wenn w i r nach Erkenntnis streben, dann wollen w i r offenbar die Wahrheit herausbekommen . . . w i r wollen uns also wahre Überzeugungen bilden, . . . Sicherheit . . . anstreben, . . . ein Fundament für unser Wissen haben, d. h.: wenn w i r dieses Wissen so begründen können, daß es über jedem Zweifel erhaben ist. Es sieht demnach so aus, als ob Wahrheit und Gewißheit für die menschliche Erkenntnis eng miteinander zusammenhingen 6 ." Stegmüller würde dem zurecht widersprechen: „Gewißheit ist nicht dasselbe wie Wissen. Wenn ich weiß, daß etwas der Fall ist, dann muß es der Fall sein. B i n ich dagegen bloß gewiß, daß es der Fall ist, so braucht es ebenso wenig der Fall zu sein, wie wenn ich es glaube." Eine Widerlegung des weitgehend analytisch erfaßten Sachverhaltes kann wohl kaum gelingen, w i r d jedenfalls von Albert nicht gegeben. 2.2.1 „Die Suche nach sicheren Grundlagen"
„ M i t einigem Recht" glaubt daher Albert „als allgemeines Postulat der klassischen Methodologie des rationalen Denkens auffassen" zu „können, als den grundlegenden Satz desjenigen Rationalitätsmodells, das i n der klassischen Erkenntnislehre zu dominieren scheint: Suche stets nach einer zureichenden Begründung aller deiner Überzeugungen" 7 . Hier w i r d offensichtlich davon ausgegangen, daß Überzeugungen nicht nur wahr, sondern auch falsch sein können; diese Erkenntnis könnte dann wenigstens das Postulat motivieren, vielleicht rechtfertigen, — allerdings wäre es als gerechtfertigtes Postulat eben darum kein Postulat mehr, sondern etwas Erkanntes, — es sei denn, man gebraucht Postulat und Erkenntnis gleichbedeutend. Betrachten w i r die hier stillschweigend gemachte Voraussetzung: Überzeugungen können falsch sein; d. h. u. a., b i n ich überzeugt, daß etwas so ist, oder, daß etwas sein soll 8 , dann folgt daraus nicht, daß es so ist, — daß es wahr ist, daß es so sein soll. Das Überzeugtsein ist also nicht K r i t e r i u m der Wahrheit dessen, wovon ich überzeugt bin. Die Begründung hierfür liegt i n der Feststellung, daß eine falsche Überzeu6 7 8
Albert 8. Albert 9/10.
A l b e r t w i l l u . a . auch moralische Überzeugungen miteinbezogen wissen; „ M a n sieht sofort, daß sich dieses Prinzip der zureichenden Begründung ohne weiteres von theoretischen auf moralische u n d politische "Überzeugungen, k u r z u m : auf Behauptungen aller A r t , ausdehnen läßt, w e n n m a n n u r bereit ist, den Entschluß zu fassen, die A n w e n d u n g dieses Modells der Rationalität nicht w i l l k ü r l i c h auf einen bestimmten Bereich einzuschränken". (10)
2.2 Alberts „Kritische Rationalität"
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gung nicht K r i t e r i u m für die Wahrheit dessen, wovon ich überzeugt bin, sein kann. (Dasselbe gilt i n Bezug auf eine Überzeugung darüber, daß etwas sein soll, ζ. B. von der Behauptung, die Rechtsüberzeugimgr sei Quelle des Rechts). Dieser Umstand ist es offensichtlich, der Albert sein Postulat aufstellen läßt; nach dem Wortlaut der Formulierung des Postulats bleibt offen, ob es nur für wahre oder auch für falsche Überzeugungen gilt. Denn die Feststellung des Überzeugtseins irgendeines von irgendetwas läßt, wie w i r gesehen haben, durchaus offen, ob das, wovon irgendwer überzeugt ist, wahr ist oder nicht. Und so bleibt denn auch offen, ob das Postulat (eine) zureichende Begründung für das Überzeugtsein (für den Tatbestand, daß ich überzeugt von etwas bin) fordert, oder (oder und auch) für das, wovon ( = Inhalt der Überzeugung) irgendwer überzeugt ist. Hier hängt nun alles von dem ab, was man unter „zureichend" für eine Begründung ansehen w i l l . Zureichend für mein Überzeugtsein, daß bei der Sanderschen Täuschungsfigur eine Wahrnehmungstäuschung auftritt dergestalt, daß gleich lange Diagonalen verschieden lang wahrgenommen werden, kann ζ. B. durchaus die Mitteilung eines Dozenten i m Psychologischen Institut darüber sein, daß dem so ist, und auf dessen Wahrheitsliebe und Erkenntnisfähigkeit ich baue; zureichend für das, wovon ich überzeugt bin, nämlich, daß die verschieden lang wahrgenommenen Diagonalen der Sanderschen Täuschungsfigur tatsächlich gleich lang sind (den Inhalt der Überzeugung), ist meine Erkenntnis des bei der Sanderschen Täuschungsfigur auftretenden Sachverhalts einer Wahrnehmungstäuschung. Dann allerdings weiß ich es; einen Sinn damit, auch noch von dem, was w i r wissen, sich zu überzeugen, können w i r nicht verbinden. Sind allerdings die angegebenen „zureichenden" Gründe für mein Überzeugtsein, daß bei der Sanderschen Täuschungsfigur eine Wahrnehmungstäuschung auftritt dergestalt, daß gleich lange Diagonalen verschieden lang wahrgenommen werden, nämlich: die Wahrheitsliebe des Dozenten und seine Erkenntnisfähigkeit, alle wahr, dann ist es auch wahr, daß der dargestellte Sachverhalt bei der Sanderschen Täuschungsfigur auftritt; aber ich habe darum eben noch kein Wissen. Es kann nämlich sein, daß ζ. B. der Dozent die von m i r angenommene Erkenntnisfähigkeit nicht hatte (und zwar speziell i n diesem Fall), obwohl er meinte, sie zu haben, also nichts erkannte, sondern sich irrte, oder, daß er z.B. zwar wahrheitsliebend ist, aber, etwa aufgrund einer Erinnerungstäuschung, über das von i h m anhand der Sanderschen Täuschungsfigur tatsächlich Erkannte entgegenlautend referrierte, nämlich, daß tatsächlich verschieden lange Diagonalen gleich lang wahrgenommen würden, oder, daß er, vielleicht zu pädagogischen Zwecken,
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eine falsche Angabe machte, u m mich zu Überprüfung des Behaupteten zu veranlassen: es ist dann immer ein Grund (mindestens einer) für mein Überzeugtsein falsch, d.h. der Inhalt meiner Überzeugung ist falsch, das, wovon ich überzeugt bin, ist falsch. — A l l das würde aber mein Überzeugtsein nicht erschüttern solange, wie ich darum nicht weiß. Macht also der Dozent (aus einem oder mehreren der genannten Gründe) etwa die Mitteilung, daß bei der Sanderschen Täuschungsfigur tatsächlich verschieden lange Diagonalen gleich lang wahrgenommen werden, und baue ich auf seine Wahrheitsliebe und Erkenntniskraft, jetzt noch unter Ausschluß einer Erinnerungstäuschung seinerseits, und zwar über das, was er beobachtet hatte, dann ist dies sicherlich „zureichend" für mein Überzeugtsein, der Inhalt meiner Überzeugung aber trotzdem falsch. Oder wäre für den Fall die Kennzeichnung der Begründung als „zureichend" i m Sinne von Albert zu verneinen? W i l l ich aber i m einzelnen überprüfen, ob mein Vertrauen auf die Wahrheitsliebe und Erkenntniskraft des Dozenten gerechtfertigt ist, muß ich die bei der Sanderschen Täuschungsfigur auftretenden Verhältnisse schlechthin selbst beobachten und erkennen, u m diese Erkenntnis dann m i t den Angaben des Dozenten, genauer: m i t seinen Urteilen (gegebenenfalls auch m i t seiner Überzeugung, wenn es auf die Erkenntnis seiner Wahrheitsliebe ankommt) vergleichen. Dann habe ich aber wieder eine Erkenntnis des Sachverhaltes selbst, so daß es auf irgendein Überzeugtsein und zureichende Begründung hierfür nicht ankommt. W i r haben nun die Wahl, „zureichende Begründung" auch dann anzunehmen, wenn diese zureichend ist, mein Überzeugtsein zu begründen, wobei offen bleibt, ob die Gründe i m einzelnen wahr sind oder nicht, m i t der Folge, daß auch offen bleibt, ob das, wovon ich überzeugt bin, wahr ist, — oder nur solche Gründe als „zureichende Begründung" für das Überzeugtsein anzusehen, die auch wahr sind, m i t der Folge, daß der Inhalt der Überzeugung auch wahr ist, kommen jedoch nur dann zur Erkenntnis der Wahrheit der Gründe als zureichende Begründung für das Überzeugtsein, wenn w i r den Inhalt der Überzeugung erkennen, oder erkennen, daß das Urteil, das den Inhalt der Überzeugung formuliert, wahr ist. Dann begründen w i r allerdings ein Urteil durch Erkenntnis, ohne daß es auf die Überzeugung ankäme. Tatsächlich scheint denn auch Albert das m i t „der zureichenden Begründung aller deiner Überzeugungen" nicht ganz so gemeint zu haben, wenn er ausführt, „daß nur zureichend begründete Aussagen 0 A n spruch auf allgemeine Anerkennung machen können" 9 . Allerdings ist auch hier die Wahrheit der Aussagen unabhängig davon, ob und wie9
Albert
10.
2.2 Alberts „Kritische Rationalität"
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viele i m einzelnen die Wahrheit anerkennen, d. h. von der Wahrheit der Aussagen auch dann ausgehen, wenn sie diese nicht erkannt haben (wenn sie selber diese nicht erkennen). Endlich aber bereitet die folgende Ausführung von Albert Schwierigkeiten: „Wer nach Gewißheit strebt, für den w i r d die Forderung der Zurückführung aller Überzeugungen — nota bene: nicht nur derjenigen mit Erkenntnisanspruch, sondern auch anderer Überzeugungen, etwa solcher normativen Charakters — auf sichere Gründe zunächst den Anschein der Selbstverständlichkeit haben, solange er nicht auf die Schwierigkeiten gestoßen ist, die aus diesem Prinzip folgen 1 0 ." Demnach gibt es also Überzeugungen mit Erkenntnisanspruch und solche ohne Erkenntnisanspruch, „etwa solche normativen Charakters". Was aber heißt: Überzeugung m i t Erkenntnisanspruch? Offenbar soviel, daß das, wovon ich überzeugt bin, auch, von m i r oder irgendwem, erkannt werden kann; es liegen also zwei Behauptungen vor: erstens — ich bin von etwas überzeugt, zweitens — das, wovon ich überzeugt bin, kann erkannt werden (wir räumen eine hierzu erweiterte Möglichkeit ein: über das, wovon ich überzeugt bin, kann hinsichtlich dessen, ob es wahr ist oder nicht, durch Erkenntnis entschieden werden). Entsprechend: „Überzeugung ohne Erkenntnisanspruch" würde heißen: ich bin von etwas überzeugt; über das, wovon ich überzeugt bin, kann nicht entschieden werden; die Frage, ob die Aussage über den Inhalt seiner Überzeugung wahr oder falsch ist, kann nicht entschieden werden. Eine Begründung für diese Überzeugung gibt Albert an dieser Stelle nicht; auch sind seine Argumente, die er unter Nr. 9 seines Buches gibt, nämlich: „Das Problem der Begründung ethischer Überzeugungen" 11 ζ. T. anfechtbar, wie w i r noch sehen werden. W i r greifen an dieser Stelle daher nur heraus: „Eine Ethik, die sich auf Intuitionen stützen w i l l , i n denen oberste Wertungsgrundsätze zum Ausdruck kommen sollen, muß sich nicht nur entgegenhalten lassen, daß die Intuitionen der Mitglieder verschiedener sozialer Gebilde vielfach keineswegs miteinander harmonieren, sondern auch, daß sie durch die Traditionen der kulturellen Umgebung geprägt zu sein pflegen, i n denen die betreffenden Personen aufgewachsen sind, ein Tatbestand, der zur Erklärung dieser Divergenz herangezogen werden kann, und daß überdies der Abbruch des Begründungsverfahrens bei solchen Intuitionen auf eine Dogmatisierung tradierter Wertprinzipien hinausläuft 1 2 ." Albert nennt dies einen „Versuch, die Ethik more geometrico zu konstruieren" und setzt i h m „eine mehr empiristische Version" gegenüber: „Es ist nicht zu 10 11 12
Albert Albert Albert
10. 55 ff. 56.
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erkennen, wie der Rekurs auf bestimmte Quellen der Bewertung, gleichgültig, ob es sich u m Intuition oder Gefühl, u m Gewissen oder Bedürfnis handelt, zu etwas anderem führen kann als zu einer dogmatischen Ethik, i n der diese Instanzen als unkritisierbare Gegebenheiten erscheinen, obwohl w i r heute wissen, daß sie alle de facto durch das sozialkulturelle Milieu geprägt und damit wandelbar sind 1 3 ." Allein, wenn man vom „Dualismus von Sein und Sollen, von theoretischer und praktischer Vernunft 0" ausgeht, was Albert eingangs des Absatzes tut, aus dem w i r zitierten, dann ist der Hinweis auf Empirisches der „mehr empiristischen Version", auf „Gegebenheiten", die „alle de facto durch das sozialkulturelle Milieu geprägt und damit wandelbar" seien ebenso wenig ein Argument, wie der Hinweis auf die „Divergenz" ethischer Überzeugungen; denn was sein soll, kann nie von dem, was ist, widerlegt werden, und der Hinweis, daß ethische Überzeugungen divergieren, ist nur die Bestätigung des Sachverhaltes, daß audi ethische Überzeugungen (wie Überzeugungen überhaupt) falsch sein können, daß es auch i m praktischen (ethischen) Bereich I r r tümer gibt, daß Überzeugungen ethischen Inhalts falsch sein können. Mag man auch geneigt sein anzunehmen, daß „eine Ethik, die sich auf Intuitionen stützen w i l l , sich entgegenhalten lassen muß, daß die Intuitionen verschiedener keineswegs miteinander harmonieren", so ist auch dies nichts anderes als der Hinweis darauf, daß die Intuition keine Gewähr dafür bietet, daß das i n t u i t i v Erfaßte auch wahr ist; es kann auch falsch sein, aber damit ist ein Einwand gegen die Möglichkeit ethischer Erkenntnis nicht gegeben. Das Argument erfährt dann i n der zweiten gegebenen Zitierung eine Erweiterung, indem an „ I n t u i t i o n " „Gefühl", „Gewissen" und „Bedürfnis" angeschlossen werden. Hier würde eine kritische Methode i m Sinne von Fries widersprechen; sie sieht i m Gefühl, bestimmter: i m „Wahrheitsgefühl" einen „ A k t der Denkkraft" 1 4 und i m Gewissen i n eben diesem Sinne, jetzt nur eben ein „sittliches Gefühl, wonach das Gewissen unmittelbar den Werth einer Handlung abmißt" 1 5 (wobei über wahr oder falsch noch nichts ausgesagt ist), während „Bedürfnis" ein psychisches Phänomen ist, bei dem es keinen Sinn hat zu fragen, ob es wahr sei oder nicht. Die Verschiedenheit der Aussprüche des jeweiligen Gewissens, ihre Divergenz bildet aber durchaus keinen Einwand, sondern zeigt nur, daß auch i m praktischen Bereich Irrtümer möglich sind (deren Erkenntnis freilich Erkenntnis dessen, was sein soll, voraussetzt). Eine solche kritische Methode hat dann zu erklären, wie I r r t u m 13 14 15
Albert 56. Fries 4, 479 = N K I 415. Fries 4, 471 = N K I 407.
2.2 Alberts „Kritische Rationalität"
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i n unser Urteilen kommt. Fries und Nelson setzten sich hiermit ausführlich auseinander. Es sei daher hier nur die Ausführung von Fries über das sittliche Gefühl wiederholend eingemerkt: „ E i n solches Gefühl muß am bestimmtesten da sprechen, wo wie beym sittlichen Gefühl alle Bestimmungsgründe des Urtheils der Vernunft selbst gehören, sie also i m Gefühl und seiner dunklen Vorstellung alle zur Bestimmung des Urtheils mitwirken. Dagegen, wenn ich m i r die Prämissen i n Schlußketten erst einzeln denken w i l l , vielleicht manche vergessen werden können, und so ein irriges Resultat heraus kommt. Aber wenn das Gefühl sich einmal täuscht, so ist, da seine Thätigkeit nicht i n die Beobachtung fällt, der Fehler auch weit schwerer zu finden; dadurch w i r d es die geheime Werkstätte, von der aus die Vorurtheile ihre Folgen verbreiten 1 6 ." — So finden w i r Albert bisher i n seinem Engagement i m kritischen Rationalismus gegenüber der kritischen Methode i m Begründungsverzug. Aber auch die Verflochtenheit von Erkenntnis, Wert und Entscheidung bei Albert vermag nicht zu überzeugen: „Daß der Erkenntnisprozeß von Normierungen, Wertungen und Entscheidungen durchsetzt ist, scheint eine Feststellung zu sein, die nur einmal deutlich ausgesprochen werden muß, um allgemeiner Anerkennung sicher zu sein 1 7 ." I n Verfolgung der Konsequenz dieser Behauptung müssen w i r fragen: Welche Normierungen, Wertungen und Entscheidungen gehen denn i n den Erkenntnisprozeß ein, an dessen Ende diese Feststellung steht? (Die Feststellung w i l l doch nach Albert wohl Erkanntes sein, jedenfalls Erkenntnis i n seinem Sinne, d. h. von u. a. Wertungen und Entscheidungen durchsetzt, — abgesehen davon, was es i m einzelnen noch alles heißen könnte unter der Behauptung, es liege ein Erkenntnisprozeß vor: würde Albert auch einen solchen Prozeß noch als Erkenntnisprozeß bezeichnen, an dessen Ende nicht Erkanntes, sondern I r r t u m stehen würde?) Als prinzipielle (oder allgemeine) Behauptung ist sie widersprüchlich, kontradiktorisch: denn als Erkanntes setzt sie eine Erkenntnis, einen Erkenntnisprozeß voraus, der nicht von „Normierungen, Wertungen und Entscheidungen durchsetzt ist"; wäre jeder Erkenntnisprozeß dergestalt durchsetzt, könnten w i r es nicht erkennen. Oder beeinflussen diese Normierungen, Wertungen und Entscheidungen die Erkenntnis nicht, d. h. sie sind da, aber w i r erkennen trotzdem, welche Relevanz hat dann die behauptete Feststellung? — Es genügt also keineswegs der Ausspruch, „ u m allgemeiner Anerkennung sicher zu sein". — Als partielle (oder partikulare) Behauptung ist sie sicherlich wahr (nur behauptet dies Albert nicht nur partiell: er verwendet den Gattungsbegriff „der Erkenntnisprozeß"), heißt aber nichts anderes: 16 17
Fries 4, 472 = N K I 408. Albert 60.
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2 Von der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
es gibt Irrtümer, speziell solche, die auf Normierungen, Wertungen und Entscheidungen zurückzuführen sind. Aber hierfür schuldet Albert dann wieder Nachweisungen, denn so selbstverständlich liegen die Dinge nicht; w i r sind zwar überzeugt, daß seine Behauptung, soweit sie partiell (oder partikular) gemeint ist, wahr ist, können aber die Wahrheit des Inhaltes unserer Überzeugung nur durch Erkenntnis des Sachverhaltes prüfen und auch i m philosophischen Unterricht nur durch ein Angebot an Argumenten dem Lernbegierigen zu seiner Erkenntnis anleiten, was sein „Anerkenntnis" entbehrlich macht. M i t alledem wollen w i r bei Albert nicht sein Ethos übersehen, Überzeugungen kritisch überprüfen zu wollen, was freilich nur durch Erkenntnis geschehen kann. Ferner: i n den meisten Fällen des Alltags muß ich mich auf Überzeugungen verlassen, nämlich da, wo die Erkenntnisse anderer ihrem Inhalt nach nicht von m i r erkannt werden können, wo ich u m das, was andere erkannt haben, nicht durch eigene Erkenntnis weiß; b i n ich ζ. B. selbst nicht Arzt, muß ich mich auf die Erkenntnisse des Arztes i n Bezug auf meinen Krankheitszustand verlassen, manchmal bestärkt durch den jetzt wieder eigen erlebten Erfolg seiner Behandlung, manchmal trotz eines Mißerfolgs. Hier kann ich mangels eigener Erkenntnis aufgrund Fehlens der Ausbildung hierzu die Richtigkeit seiner Behauptungen nicht überprüfen; andere Ärzte mögen es können. Aber m i t der Frage nach der Entscheidung ist bei Albert ein weiteres zentrales Problem seines Buches angeschnitten, nämlich „2. Das Prinzip der zureichenden Begründung und das Münchhausen-Trilemma" ; wenn w i r i h n richtig verstanden haben, beendet er i n diesem Abschnitt sein Referat einer „Konzeption des rationalen Denkens" i n der „klassischen Erkenntnistheorie" m i t „der Forderung nach einer solchen", d. h. „zureichenden" „Begründung, nach einem Fundament der Erkenntnis 0 und des Handelns", i n der „viele methodologische Auffassungen i n der Philosophie" „übereinstimmen" 1 8 , — eine Forderung, die mindestens hinsichtlich der Erkenntnis widersprüchlich ist, wie w i r anhand der Erörterungen bei Fries und Nelson i n kritischer Würdigung gesehen haben. Sie teilen eine so geartete, von Albert formulierte „methodologische Auffassung" nicht und können daher auch nicht von Argumenten gegen eine solche „methodologische Auffassung" betroffen werden. Doch prüfen w i r weiter.
18
Albert
11.
2.2 Alberts „Kritische Rationalität"
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2.2.2 „Das Prinzip der zureichenden Begründung und das Miinchhausen-Trilemma" selbst fabriziert?
Albert w i l l „die Begründung einer Überzeugung — und damit einer Aussagen-Menge . . . durch Rückführung auf . . . Gründe m i t logischen M i t t e l n . . . erreichen" 19 . Er sieht sich dann aber vor sein, wie er es formuliert, „Münchhausen-Trilemma" gestellt, das er wie folgt darlegt (wir zitieren den Zusammenhang geschlossen, u m unbeabsichtigte, gegebenenfalls störende Auslassungen auszuschließen): „Wenn man für alles eine Begründung verlangt, muß man auch für die Erkenntnisse, auf die man jeweils die zu begründende Auffassung — bzw. die betreffende Aussagen-Menge — zurückgeführt hat, wieder eine Begründung verlangen. Das führt zu einer Situation m i t drei A l ternativen, die alle drei unakzeptabel erscheinen, also: zu einem T r i lemma, das ich angesichts der Analogie, die zwischen unserer Problematik und dem Problem besteht, das der bekannte Lügenbaron einmal zu lösen hatte, das Münchhausen-Trilemma nennen möchte. Man hat hier offenbar nämlich nur die Wahl zwischen: 1. einem infiniten Regreß, der durch die Notwendigkeit gegeben erscheint, i n der Suche nach Gründen immer weiter zurückzugehen, der aber praktisch nicht durchzuführen ist und daher keine sichere Grundlage liefert; 2. einem logischen Zirkel i n der Deduktion, der dadurch entsteht, daß man i m Begründungsverfahren auf Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren, und der, weil logisch fehlerhaft, ebenfalls zu keiner sicheren Grundlage führt; und schließlich 3. einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der zwar prinzipiell durchführbar erscheint, aber eine willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung involvieren würde 2 0 ." Zunächst zu 1.: ein „infinitiver Regreß" ist nicht nur „praktisch" (abgeleitet von Praxis: tatsächlich, i m Gegensatz zu praktisch i m Sinne von ethisch) nicht durchzuführen, sondern logisch nicht durchführbar; er würde verlangen, eine unendliche Reihe zu vollenden, was unmöglich ist. Ein Argument, das zu einem infinitiven Regreß führt, ist daher kontradiktorisch 21 : ein Argument ist kontradiktorisch, wenn es das vor19
Albert 13. Albert 13. 21 K o n r a d gibt i n § 60 236 ff. ein Beispiel f ü r ein kontradiktorisches A r g u ment (vgl. den 1. u n d 2. Absatz) u n d eines f ü r ein zirkuläres A r g u m e n t (vgl. ab 3. Absatz), allerdings ohne beide Bezeichnungen ausdrücklich zu erwähnen; w i r wissen aus persönlichen Gesprächen, daß er diese Beispiele f ü r k o n tradiktorisch bzw. z i r k u l ä r verwendet. 20
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aussetzt, wogegen es sich richtet, u m das, was es bestreitet, bestreiten zu können; es handelt sich daher i n Wahrheit immer u m zwei Behauptungen. Hier i m Falle der unendlichen Reihe für die Begründung (wessen? — das bleibt bei Albert offen, so daß ein sinngetreues Referat schon Schwierigkeiten bereitet: bei i h m steht „alles") wäre erst dann eine Begründung erreicht, wenn eine unendliche Reihe durchlaufen wäre: ein Widerspruch, der zwei Behauptungen als zugleich wahr betrifft, erstens — eine unendliche Reihe ist nicht vollendbar, zweitens — eine unendliche Reihe ist vollendbar. — Folgerichtig lehnt Albert den „infinitiven Regreß" als Begründungsmittel ab: er ist nicht durchzuführen und liefert keine sichere Grundlage. Aber die eigentliche Konsequenz zieht er nicht, nämlich: sein Ausgangsurteil „Wenn man für alles eine Begründung verlangt, muß man auch für Erkenntnisse . . . wieder eine Begründung verlangen", das j a — nach seiner Meinung, vielleicht auch seiner Erkenntnis (eine Problematik hierzu bei Albert werden w i r noch erörtern) — zum „infinitiven Regreß", zu Nr. 1 als Konsequenz, zum „Münchhausen-Trilemma" Nr. 1 führt, als kontradiktorisch jetzt schon zu verwerfen. Vielmehr hält er, aus welchem Motiv auch immer, trotz des „infinitiven Regresses", den er als Begründungsmittel verw i r f t , an dem „Begründungspostulat", so wie er es formulierte, fest und untersucht es weiter auf mögliche Konsequenzen, j a schlägt endlich sogar eine „Problemlösung" vor (wie w i r noch sehen werden). Sodann zu 2.: Albert charakterisiert richtig das, was ein „logischer Z i r k e l " ist, wann ein Argument zirkulär ist, nämlich: wenn ein A r g u ment das, was es zeigen soll, voraussetzt, wenn es das, was es zeigen soll, benutzt, u m es zu zeigen. Er schuldet den Nachweis dafür, wie dieser „logische Zirkel", die Nr. 2 seines „Münchhausen-Trilemma", aus dem Urteil, für alles eine Begründung zu verlangen, (wenn Albert dies tatsächlich t u n w i l l , und nicht nur eine falsche Annahme zur Diskussion stellt), hervorgeht. Jedenfalls v e r w i r f t er auch diese Möglichkeit der Begründung (wieder: wessen?, — das bleibt offen; soviel ist allerdings klar: u. a. „auch für Erkenntnisse"). Endlich zu 3.: Man könne das Begründungsverfahren an einem bestimmten Punkte abbrechen. Das entspricht vielfach der Praxis des Alltags; ein Jurist z.B. führt einen Streitfall zum Zwecke eines Lösungsvorschlages auf das positive Gesetz zurück, das er dann seinerseits nicht mehr begründet (als zureichende Begründung für die Rechtspraxis wurde es ja geschaffen). Der Rechtswissenschaftler führt vielleicht u. a. eine Begründung für die einzelnen Gesetze vor, indem er sie auf die Normen der Verfassung zurückführt, die er ihrerseits nicht mehr begründet (was er eigentlich sollte). Es mag Rechtsphilosophen geben, die es sich zur Aufgabe machen, die Normen der Verfassung zu überprüfen, d.h. zu begründen oder zu widerlegen, und d . h . wieder,
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zu begründen, w a r u m einzelne Normen falsch sind (die daher über das hinausgehen wollen, was etwa Kelsen m i t seiner Zurückführung auf die „Grundnorm" anstrebte 22 ). — Aber diese Fälle w i l l Albert w o h l nicht als „Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung" ansehen (ein Prinzip, von dem w i r bisher nicht einmal wissen, ob Albert ein solches behauptet und wie es, widerspruchsfrei, formuliert werden könnte; sein: „Wenn man für alles eine Begründung verlangt, muß man auch für Erkenntnisse . . . wieder eine Begründung verlangen" unterliegt Bedenken, wie w i r andeuteten, aber noch genau sehen werden); denn keiner von diesen (der Jurist, der Rechtswissenschaftler, der Rechtsphilosoph) behauptet, daß das, was er nicht begründet, nicht seinerseits von anderen begründet werden könnte: n u r rein tatsächlich verzichtet er darauf (was sollte es auch für einen Sinn haben, die kleinste Übertretung i m Straßenverkehr als Übertretung durch einen, wie immer gearteten, kategorischen Imperativ zu erweisen, was i n der Praxis nicht durchführbar ist; i m übrigen kommt auch ζ. B. kein Mathematiker auf die Idee, bei einem x-beliebigen oder gar jedem Beweis zu verlangen, i h n auf die Axiome zurückzuführen — u m deren philosophische Begründung er sich vielfach auch nicht kümmert: für i h n sind sie durch Demonstration einsichtig, die Begründung überläßt er der Philosophie der Mathematik — von Suspendierung irgendeines Prinzips ist auch hier bei i h m nicht die Rede; endlich ein Techniker greift vielfach auf Formeln zurück, die er öfter nicht begründen kann, würde darin aber keine Suspendierung von der Forderung der Begründung sehen). Was aber bedeutet „eine willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung" (von dem w i r nicht anzugeben vermögen, wie es bei Albert lautet) wirklich? Doch nur soviel, daß einer i m Dialog uns mitteilt, daß er eine Behauptung nicht mehr begründen wolle, — nichts weiter, insbesondere nicht, daß diese seine Behauptung nicht zu begründen sei; dann würde er das Prinzip der zureichenden Begründung gerade nicht suspendieren, sondern es vielmehr annehmen, von i h m ausgehen, es anwenden, jedoch n u r auf die Fälle, i n denen es anwendbar ist, nämlich, wenn Behauptungen begründbar sind, was er i n bezug auf seine Behauptung gerade bestreitet (was freilich falsch sein kann: das zu zeigen ist aber Sache des Dialogpartners, nicht seine, denn er beruft sich gegebenenfalls zur Begründung der weiteren Behauptung, daß eine Behauptung nicht weiter auf andere Urteile zurückführbar sei, auf eine Erkenntnis, die er nun ihrerseits nicht begründen muß, was er nicht könnte, sondern derjenige, der behauptet, der andere habe die von i h m behauptete Erkenntnis, obwohl er es behauptet, sie zu haben, nicht, er irre sich also, hat seinerseits dies zu begründen 23 ). 22
Vgl. Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre 2 , W i e n 1960. H i e r n u r andeutungsweise, vgl. 2.1.5., Stichwort: U m k e h r u n g der „ B e weislast". 28
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Aber nun zum Ausgangsurteil selbst: „Wenn man für alles eine Begründung verlangt, muß man auch für die Erkenntnisse, auf die man jeweils die zu begründende Auffassung — bzw. die betreffende Aussagen-Menge — zurückgeführt hat, wieder eine Begründung verlangen" 2 4 , das zu dem Trilemma führen soll. Die Formulierung des „man" läßt offen, wer dies verlangt (wir unterstellen daher auch nicht, daß Albert dies verlangt, sondern prüfen k r i tisch, er i m Sinne kritischer Rationalität, w i r i m Sinne der Methode der immanenten K r i t i k und der kritischen Methode, welches die Konsequenzen sind, sollte irgendwer dies behaupten); sollte daher irgendwer dies verlangen, alles zu begründen, können w i r unsererseits, ganz i m Sinne seiner Forderung, von i h m verlangen, daß er dieses sein Verlangen begründe. N u n ist Verlangen eine psychische Tatsache, die er als Psychisches nicht begründen kann; denn ob er etwas verlangt oder nicht, ist eine reine Tatsachenfrage und nur empirisch entscheidbar. Freilich kann er Gründe angeben, w a r u m er dieses oder jenes verlange; diese Gründe determinieren aber nicht den psychischen A k t seines Verlangens. Das, was er verlangt, w i r d durch die Gründe (gegebenenfalls) begründet; Verlangen als Psychisches kann er aber auch ohne Gründe: das, was er verlangt, wäre dann unbegründet, d. h. ohne Gründe. Die Gründe selbst sind nicht ihrerseits Psychisches: ich verlange z.B. den Kaufpreis, weil ich m i t Β einen Kaufvertrag geschlossen und den Vertrag meinerseits schon erfüllt habe, ich verlange ihn, weil es gerecht wäre etc. Dagegen: ein Verlangen ohne Grund wäre wohl nur ein Wunsch. Ganz i m Sinne der von irgendwem aufgestellten Forderung, seinem Verlangen, alles zu begründen, könnte dann auch verlangt werden, die Gründe seines Verlangens zu begründen. Nicht zuletzt könnten w i r verlangen, daß irgendwer, der dies behauptet zu verlangen, dieses sein Verlangen, alles zu begründen, zu begründen, wobei w i r nicht den psychischen A k t zu begründen verlangen (was nicht möglich ist), sondern die Gründe dafür, warum er dieses, was er verlangt, verlangt — und bei jedem Grund, den er angibt, die Forderung nach Begründung wiederholen. Ein solches Verlangen führt zu einem unendlichen Regreß, ist widersprüchlich, als Argument kontradiktorisch und somit falsch. A u f die noch zu erörternden Ungenauigkeiten kommt es insoweit schon gar nicht mehr an. Eine Ungenauigkeit liegt i n dem Gebrauch von „alles", w i r wissen nur aus dem Anschluß i m Satz, daß u. a. „auch . . . Erkenntnisse" darunter fallen; ein i n Bezug auf die allgemeine Forderung (das Verlangen: alles zu begründen) eingeschränktes Verlangen ist nun dies: eine Begründung für Erkenntnisse zu verlangen. Eine solche Forderung, 24
Albert
13.
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von wem auch immer aufgestellt, wäre nun wieder widersprüchlich; denn Begründen heißt immer nur Zurückführen auf Erkenntnis, m i t telbare oder unmittelbare, wobei sich nur mittelbare Erkenntnisse noch zurückführen lassen, und zwar auf unmittelbare, und erkannt werden kann nur die Wahrheit: das räumt (trotz „Münchhausen-Trilemma") selbst Albert ausdrücklich ein: „Geben w i r unseren Überzeugungen . . . die Gelegenheit, am Widerstand der realen Welt zu scheitern, dann haben w i r gleichzeitig die Möglichkeit, ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und durch Korrektur unserer Irrtümer der Wahrheit näher zu kommen 2 5 ." „Nicht der Rekurs auf letzte und sichere Gründe, sondern die Suche nach relevanten . . . Widersprüchen ist demnach erforderlich, wenn man sich der Wahrheit nähern w i l l 2 6 . " Allerdings scheint sich i h m das Widerspruchsfreiheitsprinzip doch als „sicherer Grund" aufzunötigen (hierfür gibt er sogar eine Begründung): „Der Zwang zur Revision ergibt sich dabei daraus, daß man das Widerspruchsfreiheitsprinzip nicht beseitigen kann, ohne die äußerst unangenehme Konsequenz, daß dann beliebige Behauptungen möglich werden 2 7 ." Erkenntnisse (genauer: unmittelbare Erkenntnisse) lassen sich also nicht begründen (die gegenteilige Annahme ist widersprüchlich und somit falsch; dies ist der Grund für die Wahrheit der aufgestellten Behauptung: Erkenntnisse lassen sich nicht begründen; durch i h n geben w i r die Begründung für diese Behauptung), begründen läßt sich nur die Behauptung, etwas sei eine Erkenntnis (und zwar durch innere Wahrnehmung; damit ist nicht behauptet, daß eine solche Behauptung nicht auch falsch sein könnte). Indem nun textlich i n den Ausführungen bei Albert das Begründungsverlangen auch auf Erkenntnisse bezogen wird, gerät die richtige Nachweisung, daß es „Erkenntnisse" seien, „auf die man jeweils die zu begründende Auffassung bzw. die betreffende Aussagen-Menge zurückgeführt hat", wieder ins Ungewisse. Sie kann uns nur dazu dienen, die Ungenauigkeit, die i m Sprachgebrauch von Begründung liegt, zu klären soweit, daß u. a. auch Beweisen gemeint ist. Aber dadurch entgehen w i r dem auf gewiesenen Selbstwiderspruch wiederum nicht; denn eine Forderung, alles zu beweisen, ist kontradiktorisch, sie stellt einen unendlichen Regreß dar. Lassen w i r nun unsere Ergebnisse, die w i r ganz i m Sinne der Ermunterung von Albert zum „Dialektischen Denken: Die Suche nach Widersprüchen" 28 aufzudecken uns verpflichtet fühlen, „wenn man sich der 25 28 27 28
Albert Albert Albert Albert
33. 43. 43. 41.
6 Westermann
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Wahrheit nähern w i l l " 2 9 — und das wollen w i r —, noch einmal vorüberziehen: wen nimmt es dann wunder, daß aus Widersprüchlichem nicht nur ein Dilemma entsteht, sondern sogar ein Trüemma (dessen Ableitung zwar auch fehlerhaft war, worauf es aber angesichts der „dialektisch" zu prüfenden und als widersprüchlich, daher falsch befundenen Annahme nicht mehr ankommt). Statt der Aufdeckung nur des Widerspruchs als Nr. 1 des „Münchhausen-Trilemmas" i n einer zur Diskussion gestellten Annahme finden w i r bei Albert (abgesehen von Nr. 2: das dort Behauptete ist richtig, die Ableitung aus der Annahme nicht recht einsichtig) weiter Ausführungen, die das, was richtigerweise — i n Sonderheit i m Rahmen der kritischen Methode — eben nur von Urteilen behauptet wird, nämlich: daß sie der Begründung bedürfen (was allerdings nicht ausschließlich durch Urteile und damit durch Beweis geschehen kann), als von Erkenntnissen behauptet (was ja nicht von der kritischen Methode behauptet w i r d ; das durften w i r wiederholt auch i m Rahmen textkritischer Untersuchungen zeigen und glauben, es hinlänglich gezeigt zu haben) unter Nr. 3 des Trilemmas subsumiert, was fehlerhaft ausfallen muß. Hierfür schulden w i r noch textliche Nachweisungen bei Albert: „ M a n pflegt i n Bezug auf Aussagen, bei denen man bereit ist, das Begründungsverfahren abzubrechen, von Selbstevidenz, Selbstbegründung, Fundierung in unmittelbarer Erkenntnis 0 — i n Intuition, Erlebnis oder Erfahrung — zu sprechen oder i n anderer Weise zu umschreiben, daß man bereit ist, den Begründungsregreß an einem bestimmten Punkt abzubrechen und das Begründungspostulat für diesen Punkt zu suspendieren, indem man i h n als archimedischen Punkt der Erkenntnis 0 deklariert 3 0 ." Diese Behauptungen von Albert machen nun ihrerseits Aussagen über diejenigen („man"), die von der (geprüften und als widersprüchlich befundenen, daher falschen) Annahme (d.i. das Begründungspostulat), von der sie (offensichtlich) meinen, daß sie wahr wäre (was aber nicht der Fall ist), ausgehen, und können daher diejenigen, die nicht von i h r ausgehen, gar nicht treffen: Albert weckt aber m i t seiner Formulierung den Anschein, als sei dies doch der Fall, indem er u. a. z.B. „Fundierung i n unmittelbarer Erkenntnis" für „Aussagen" auch als „Umschreibung" dafür behauptet, „daß man bereit ist, den Begründungsregreß an einem bestimmten Punkt abzubrechen", was aber doch für denjenigen, der zwar die Fundierung von Urteilen (nicht auch Erkenntnissen) durch unmittelbare Erkenntnisse behauptet, aber nicht von der falschen Annahme, dem (behaupteten) Begründungspostulat 29 80
Albert Albert
43. 13/14.
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ausgeht, gar nicht der Fall ist. Wer daher nicht von dem (falschen) Begründungspostulat ausgeht und nur Begründung für Urteile, nicht aber für Erkenntnisse fordert (und diese seine Forderung, genauer: den Inhalt seiner Forderung, das Urteil: Jedes Urteil bedarf der Begründung, begründet), bricht den Begründungsregreß (den er j a als falsch erkannt hat) keineswegs ab, wenn er Urteile durch unmittelbare Erkenntnis begründet, sondern kommt damit gerade einer richtigen Forderung nach. Freilich ist damit hier an dieser Stelle noch nichts darüber ausgesagt, welches i m einzelnen eine unmittelbare Erkenntnis ist; hierfür können w i r hier an dieser Stelle, u m Wiederholungen zu vermeiden, nur auf die Nachweisungen i n unserer systematischen Einleitung 3 1 , sowie i m Rahmen der kritischen Erörterung der kritischen Methode bei Fries und Nelson 32 verweisen. Ferner: „Nennt man aber eine Überzeugung oder Aussage, die selbst nicht zu begründen ist, aber dabei m i t w i r k e n soll, alles andere zu begründen, und die als sicher hingestellt wird, obwohl man eigentlich alles — und also auch sie — grundsätzlich bezweifeln kann, eine Behauptung, deren Wahrheit gewiß und die daher nicht der Begründung bedürftig ist: ein Dogma, dann zeigt sich unsere dritte Möglichkeit als das, was man bei einer Lösung des Begründungsproblems am wenigsten erwarten sollte: als Begründung durch Rekurs auf ein Dogma 3 3 ." Zunächst: m i t Überzeugung ist i n dem Satz gemeint »Inhalt der Überzeugung', wie aus dem Anschluß „oder Aussage" hervorgeht, und nicht das Überzeugtsein. Sodann: die Redeweise ,Inhalt der „Überzeugung oder Aussage, die selbst nicht zu begründen ist"' bleibt unbestimmt; versteht man unter Begründen den Nachweis der Wahrheit eines U r teils, dann lassen sich falsche Urteile gerade nicht begründen. Das kann aber bei Albert nicht gemeint sein, da der zitierte Satz durch seinen weiteren Wortlaut widersprüchlich wäre; der widersprechende Teil lautet: „Nennt man eine . . . Aussage, die selbst nicht zu begründen ist" (weil sie falsch ist), „ . . . eine Behauptung, deren Wahrheit gewiß ... ist." Es muß also die Redeweise „Aussage, die selbst nicht zu begründen ist" etwas anderes bedeuten. Versuchen w i r es damit, daß eine solche Aussage weder verifizierbar noch falsifizierbar (Popper) sei, es lasse sich also weder ihre Wahrheit noch ihre Falschheit (d. h. die Wahrheit, daß sie falsch ist) begründen, dann ist die Aussage nicht begründbar; es w i r d also von i h r eine Disposition (Eigenschaft) behauptet und nicht, daß sie tatsächlich bisher (noch) nicht begründet wurde. Unter dieser Annahme behauptet der Satz zweimal dasselbe; der doppelt behaup81 82 88
6·
Vgl. T e i l 1. Westermann Albert 14.
K M I, 2,1. Teil, sowie unten 2.3 u n d oben 2.1.
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tende Teil lautet: „Nennt man eine . . . Aussage, die selbst nicht zu begründen ist (d. h. hier jetzt, die nicht begründbar ist), . . . eine Behauptung, . . . die nicht der Begründung bedürftig ist: ein Dogma"; denn was nicht begründbar ist, kann auch nicht der Begründung bedürftig sein (es sei denn, man unterschiebt doch dem „nicht begründbar" stillschweigend die Behauptung „bisher tatsächlich noch nicht begründet"; es kann durchaus sein, daß eine Aussage zwar der Begründung bedürftig ist, eine Begründung bislang aber nicht gelang: dann ist die Aussage aber nicht „nicht begründbar"; wer dennoch so argumentiert, verwechselt eine Dispositionsbehauptung, die apodiktisch ist, m i t einer Behauptung über Empirisches, die assertorisch ist. — Eine ganz andere Frage ist es dann noch, ob und wie Dispositionsbehauptungen begründet werden können, zuvor: wie sie sinnvollerweise verstanden werden können 84 ). Endlich vermögen w i r nicht anzugeben, wie „eine Aussage, die selbst nicht zu begründen ist, . . . eine Behauptung, deren Wahrheit gewiß ist", sein kann; aus dem Umstand, daß eine Aussage „nicht zu begründen ist", folgt doch nicht ihre Wahrheit (z. B. etwa ist sie „nicht zu begründen", wenn sie falsch ist); oder, wenn die Aussage nicht begründbar ist (allerdings i m Gegensatz zu unserer dargelegten Erkenntnis, daß jedes Urteil der Begründung bedarf), was soll das heißen? Z. B. Peter sagt: meine Katze hat drei Schwänze; diese Aussage ist nicht begründbar. W i r fragen Peter (abgesehen davon, woher er dies wisse): w a r u m ist diese Aussage nicht begründbar? Peter antwortet einmal: einen Gegenstand „meine Katze" 8 5 gibt es nicht; oder: es gibt „meine Katze", aber sie ist nicht erkennbar. I m ersten Fall hat er m i t „meine Katze hat drei Schwänze" eine Aussage über seinen Sprachgebrauch gemacht, daß er eine drei Schwänze habende Katze (im sprachüblichen Sinne) als seine ansehen wolle, und behauptet, daß Wirkliches nicht unter den Begriff „dreischwänzige Katze" fällt; i m zweiten Fall räumt er ein, daß es einen Gegenstand „meine Katze" gibt, daß er aber nicht erkannt werden könne: woher aber weiß Peter dieses, daß der Gegenstand nicht erkannt werden könne, und: was soll dann die Behauptung, daß die Katze drei Schwänze habe? — Würde daher aus der Nicht-Begründbarkeit einer Aussage ihre Wahrheit folgen, so könnte Kontradiktorisches zugleich wahr sein (entgegen S VW); denn ist eine Aussage nicht begründbar, so ist auch ihre Negation nicht begründbar. Die Begründung hierfür ist leicht durch einen indirekten Beweis gegeben: angenommen, 84 Z u r Diskussion dieser Frage vgl. Stegmüller, W o l f gang: Wissenschaftstheorie 1120 ff. 35 W i r setzen hier „meine" hinzu, u m Peters Sprachgebrauch v o m sprachüblichen Sinn von Katze abzugrenzen, ohne uns hier auf gegenstandstheoretische Erörterungen einzulassen.
2.2 Alberts „Kritische Rationalität"
85
die Negation einer Aussage sei begründbar, dann ist auch die Aussage selbst begründbar, denn von der begründbaren Negation einer Aussage kann ich immer auf die Aussage selbst schließen und sie dadurch begründen, genauer: beweisen, und zwar schließe ich von der Wahrheit der Negation der Aussage (die ja, der Annahme gemäß, begründbar sein sollte) auf die Falschheit der Aussage selbst (Folgerungsprinzip: S VW) und umgekehrt von der Falschheit der Negation der Aussage auf die Wahrheit der Aussage selbst (Folgerungsprinzip: SVD), — entgegen der Annahme, daß die Aussage nicht begründbar sei. Ist also eine Aussage nicht begründbar, so ist ihre Negation auch nicht begründbar; folgt aus der Nicht-Begründbarkeit einer Aussage ihre Wahrheit, so folgt aus der Nicht-Begründbarkeit ihrer Negation (die aus der Nicht-Begründbarkeit der Aussage folgt) die Wahrheit der Negation der Aussage (im Widerspruch zum SVW): das Argument ist daher falsch. Letztlich: ein „Rekurs auf ein Dogma" gibt keine „Begründung"; wer dies so „nennt", entfernt sich vom Sprachgebrauch, er schafft eine Nominaldefinition, die nichts behauptet, die nicht wahr oder falsch ist; behauptet w i r d nur: er versteht unter Begründung den Rekurs auf ein Dogma; daneben gibt es noch einen durch Analyse zu gewinnenden Sprachgebrauch von Begründung 3 6 . Und: ist aber die „Wahrheit gewiß", wodurch auch immer, so ist dies wiederum kein Dogma i m sonst üblichen Sinne 3 7 . Zuletzt verschiebt sich bei Albert die Diskussion des „Begründungspostulats" zur „Selbstbegründungsthese" : „Jede Selbstbegründungsthese für letzte Instanzen dieser A r t muß ebenso wie entsprechende Thesen für bestimmte Aussagen als eine Maskerade für den Entschluß betrachtet werden, das Prinzip für diesen Fall außer K r a f t zu setzen 38 ." Zunächst ist zu fragen, wer dies behauptet und woraus sich, i n A n wendung des Begründungspostulats, die Zwangsläufigkeit des behaupteten „muß" ergibt. Ferner: ist dies am Ende erkannt? W i r werden auf das, was bei Albert m i t Erkenntnis gemeint ist, noch zurückkommen. Und: was soll das heißen „eine Maskerade für den Entschluß . . . , das Prinzip für diesen Fall außer K r a f t zu setzen", das Prinzip, das freilich widersprüchlich und somit falsch ist? — Die die Ausführungen von Albert unter Nr. 2. abschließende Frage, „ob sich nicht die ganze Situation vermeiden läßt, die zur Entstehung des Münchhausen-Trilemmas führen muß", läßt sich daher schlicht beantworten: indem man die Be36
Siehe oben 1.1 u n d 1.7. Z u r Analyse von „gewiß" sei nochmals auf den Aufsatz v o n Stegmüller hingewiesen: Glauben, Wissen u n d Erkennen, ohne daß w i r auf alle Fragen daselbst jetzt hier eingehen. 38 Albert 14/15. 37
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
gründungsthese, das Begründungspostulat i n der von Albert Form fallen läßt.
gegebenen
Albert: „Es ist j a durchaus möglich, daß die Suche nach dem archimedischen Punkt der Erkenntnis, die das Denken der klassischen Methodologie beherrscht, einer Formulierung der Problemsituation entspringt, die der K r i t i k nicht standhält. Man darf nicht übersehen, daß auch Problemstellungen Voraussetzungen enthalten, die falsch und daher irreführend sein können 3 9 ." Die Formulierung hält der K r i t i k nicht stand; die angebliche Problemsituation gehört zu den falsch gestellten Problemen. Aber auch der Vorschlag, den Albert zur „Überwindung des Dogmatismus" 4 0 , der freilich, wie w i r gesehen haben, nur i n einer falsch gestellten Problemsituation entsteht, macht (das Prinzip der kritischen Prüfung behandeln w i r gesondert), hält der K r i t i k nicht stand; Albert meint, als „wesentliche K r i t i k am klassischen Rationalitätsmodell" den „Satz" anbringen zu können: „Alle Sicherheiten in der Erkenntnis sind selbstfabriziert und damit für die Erfassung der Wirklichkeit wertlös 4 1 ." Abgesehen von der Frage, woher er denn dieses wisse (doch w o h l nicht durch Erkenntnis i m sprachüblichen Sinne, dann widerspricht er sich), behauptet der Satz, auf sich selbst angewandt, daß er, als Erkenntnis, „selbstfabriziert" sei i n seiner „Sicherheit", m i t der er da steht (oder ist er nicht sicher? — warum ist er dann i n einem „Traktat über kritische Vernunft" aufgenommen? — etwa als falscher Satz ?), — und w i r scheuen uns fast, die mitbehauptete Konsequenz auszusprechen, nämlich: „und damit für die Erfassung der Wirklichkeit wertlos". Der Satz ist aber auch nicht dadurch zu retten, daß man ihn hinsichtlich der Sicherheit der i n i h m behaupteten Erkenntnis vom Selbstfabrizieren ausnimmt: denn diese Ausnahme wäre bereits (formuliert) die Behauptung eines zweiten Satzes, i n bezug auf den m i t unserer Frage sich die Problemstellung, selbstfabriziert oder nicht, wiederholt: Ist die Sicherheit der Erkenntnis, daß alle Sicherheiten i n der Erkenntnis selbstfabriziert sind, eine Erkenntnis und damit nach der Behauptung selbstfabriziert, oder eine Erkenntnis, die nicht selbstfabriziert ist (die Frage i m zweiten Sinne, nach dem „oder" beantwortet, widerspricht der allgemeinen Behauptung), — eine Frage, die nur durch einen dritten Satz beantwortet werden könnte, i n bezug auf den die Frage sich dann wiederholt, — und so fort ins Unendliche. „Abzubrechen" wäre die Reihe nur durch die Behauptung einer Sicherheit i n der Erkenntnis, die nicht selbstfabriziert wäre, durch Erkenntnis, i m 39 40 41
Albert Albert Albert
15. Nr. 5, S. 29 ff. 30.
2.3 Fries' „Grundsatz v o m Selbstvertrauen der V e r n u n f t "
sprachüblichen Sinne, allerdings i m Widerspruch zu der („alle") Behauptung des Ausgangs-Satzes.
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allgemeinen
W i r fragen: Ist „die Sicherheit i n den Erkenntnissen" von Albert, die er uns (als Behauptungen) unter Nr. 2. u. a. i n der Ableitung des „Münchhausen-Trilemmas" vorführt, auch „selbstfabriziert"? Albert müßte dies konsequenterweise einräumen; eine solche „Sicherheit" entspräche am Ende vielleicht sogar seiner „Idee der kritischen Prüfung", die „zwar auf selbstfabrizierte Gewißheiten" „verzichtet", „ohne allerdings jemals Gewißheit zu erreichen" 42 , wie Albert behauptet, und zwar m i t Gewißheit, wie uns scheint (wenn Albert dies nicht als Wissen — von Wahrheit — behauptet, wäre es freilich müßig, sich m i t der Frage nach der Wahrheit dieser seiner Behauptungen auseinanderzusetzen und nach Begründung oder Widerlegung zu suchen). Wie ein unter dieser „Idee der kritischen Prüfung" angetretenes „Prinzip der kritischen Prüfung" die „Problemlösung" u. a. für „das MünchhausenTrilemma", möglich machen soll, indem „das Begründungsprinzip aus dem Status eines Dogmas — oder wenn man so w i l l : einer Selbstverständlichkeit — i n den einer zu prüfenden Hypothese zurückversetzt und m i t einer alternativen Hypothese, dem Prüfungsprinzip, konfront i e r t " 4 3 wird, haben w i r referiert und kritisch geprüft durch „dialektisches Denken: die Suche nach Widersprüchen" 44 , wobei jede Behauptung sich an der Idee der Begründung für Urteile ausweisen mag oder der K r i t i k zum Opfer fällt 4 5 . Soviel ist jedoch hier schon durch unsere Ausführungen gezeigt: das Münchhausen-Trilemma, das Albert vorführt, ist „selbstfabriziert" und nicht eine Verlegenheit der kritischen Methode. 2.3 Fries' „Grundsatz vom Selbstvertrauen der Vernunft" 2.3.1 „Über das Verhältnis der empirischen Psychologie zur Metaphysik"
Fries beginnt m i t der Frage: „Was gibt . . . diesem kritischen Verfahren vor jedem anderen dogmatischen einen so entschiedenen vorteilhaften Einfluß auf alle philosophischen Nachforschungen?" 1 ; und er antwortet unter Berufung auf Kant: „ W i r sollen die Erkenntniß i n den Aufgaben der Metaphysik betrachten, nicht als bestimmt durch die Gegenstände, sondern als enthaltend die Bedingung, von welcher diese, 42 48 44 45 1
Albert 35. A l b e r t 35/36. Albert 41. Westermann K M I, 2, T e ü 2:1.153 bis 1.156. Fries 2,157.
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
der A r t nach, wie sie vorgestellt werden, abhängen. Es werden also hier Erkenntnisse und Gegenstände derselben unterschieden 2 "; dann vollzieht Fries deutlich die subjektive Wendung: „es kommt hier alles auf das Verhältnis zwischen Erkenntniß und ihrem Gegenstand i m allgemeinen für das Gemüth, als erkennendes Subjekt, an. . . . Das Erkennen und folglich die Erkenntnisse sind also selbst Gegenstände der innern Erfahrung, und daher der Psychologie, besonders deren empirischen Theile nach. . . . Wenn es also unmittelbar i m Gemüth Gesetze giebt für die A r t meiner Erkenntniß, so werden diese die ersten Grundbestimmungen alles m i r möglichen Erkennens enthalten, unter welchen auch jede m i r mögliche A r t einen Gegenstand vorzustellen steht 3 ." Damit ist i m Grunde schon alles gesagt, was „die subjektive Wendung aller Spekulation" 4 i n der kritischen Methode ausmacht: Ich erkenne mich empirisch hinsichtlich meiner Erkenntnisse a priori. „ A l l e r dings ist es ein schwieriges Verhältnis, welches daraus entsteht, daß ich mich, nach meiner Erkenntniß a priori, empirisch erkenne. . . . Ich setze hier voraus nicht etwa blos die logischen Regeln des Denkens, sondern da ich nur aus der Erfahrung schöpfen kann, nothwendig auch die metaphysischen Gesetze einer möglichen Erfahrung überhaupt, von denen es doch eben scheint, als sollten sie erst bewiesen werden. Die Erkenntniß a priori ist aber hier nicht nach ihrer Gültigkeit i n U r theilen, sondern nach ihrer Beschaffenheit als meiner Erkenntniß, als zu den Zuständen meines Gemüths gehörig, psychologischen Grundsätzen unterworfen. Es w i r d also i n der That hier nicht unternommen, die Prinzipien und Grundsätze unserer nothwendigen und allgemeinen Erkenntniß zu erweisen; denn das könnte nur dadurch geschehen, daß sie von noch höheren und allgemeineren Gesetzen abgeleitet würden, welches bey Prinzipien gar keine Anwendung fände, außer dem daß aus empirischen Obersätzen wohl niemand einen apodiktischen Schlußsatz zu ziehen hoffen wird. Vielmehr sollen nun aus den subjektiven Bedingungen des Gemüths diese Prinzipien als solche aufgewiesen und alsdann erklärlich gemacht werden, wie sie so und nicht anders beschaffen seyn müssen, woraus sich dann die sonst unbestimmte Bedeutung und Gültigkeit derselben einsehen läßt, nicht eigentlich indem sie bewiesen wird, sondern nur, wiefern man sich i n Rücksicht ihrer orientiert 5 ." Hierin ist nicht eine Subjektivität etwa i m Sinne Konrads 6 angesprochen: „Alles, das bloß für ein Subjekt und also nicht unabhängig von 2
Fries Fries 4 Fries physik. 5 Fries 8
2,138. 2, 158/159. 8, 24/25: Grundriß der Metaphysik; Fries 8, 101: System der Meta2, 182/183.
2.3 Fries' „Grundsatz v o m Selbstvertrauen der V e r n u n f t "
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i h m , n i c h t i n W i r k l i c h k e i t , n i c h t i n W a h r h e i t , e x i s t i e r t , besteht, v o r h a n d e n ist, s o l l subjektiv h e i ß e n " 7 , s o n d e r n Subjektsrelationalität: „Denn h i e r w e r d e n die E r k e n n t n i s s e psychologisch nach i h r e r A b h ä n g i g k e i t v o m Gemüthe u n d ihren subjektiven Verhältnissen betrachtet8." „ O f fenbar w e r d e n w i r uns n u r durch innere W a h r n e h m u n g bewußt, was f ü r Vorstellungen a p r i o r i w i r haben9." „ D e r allgemeinste Begriff ist o f f e n b a r d e r eines Gegenstandes ü b e r h a u p t , d. h. d e r e i n e r V o r s t e l l u n g , so w e i t dies W o r t m i t j e n e m g l e i c h b e d e u t e n d i s t 1 0 . " „ . . . B e g r i f f des V o r s t e l l e n s , . . . w e l c h e r d u r c h das i n i n n e r e r E r f a h r u n g v o r k o m m e n d e V e r h ä l t n i ß zwischen d e m V o r s t e l l e n d e n , V o r g e s t e l l t e n u n d d e r Vorstellung bestimmt ist"11. D a b e i ü b e r s i e h t Fries keineswegs, daß d e r V o r s t e l l u n g s c h a r a k t e r f ü r sich a l l e i n noch nichts ü b e r die Erkenntnisbedeutung einer Vorstellung aussagt: „ E r k e n n t n i ß i s t d i e assertorische Vorstellung, durch welche eine B e h a u p t u n g b e g r ü n d e t w i r d . D a n e b e n g i e b t es noch problematische V o r s t e l l u n g e n , i n w e l c h e n f ü r sich n i c h t s b e h a u p t e t w i r d 1 2 . " „ E r k e n n t n i ß i s t V o r s t e l l u n g v o m D a s e y n eines Gegenstandes, oder v o n 6 Vgl. Konrad, der j a gerade i n seinem Buch die A p r i o r i t ä t des Objektiven so eindringlich nachweist; V o r w o r t : „Alles Subjektive setzt Objektives v o r aus — dies i m einzelnen u n d i m Rahmen verschiedener erkenntnistheoretischer Auffassungen zu zeigen, ist das Hauptanliegen der Untersuchungen. Die Gedankengänge des vorliegenden ersten Bandes werden i n dem zweiten u n d d r i t t e n eine wesentliche Erweiterung, Vertiefung u n d Präzisierung erfahren." — A u f g r u n d einer mehr als ein Jahrzehnt andauernden väterlichen Freundschaft des Verfassers zum A u t o r sei die letzterem durchaus betrüblich erscheinende Vermutung auszusprechen gestattet, daß die A n k ü n d i g u n g der Fortsetzung w o h l eine bloße A n k ü n d i g u n g bleiben w i r d , — nicht zuletzt deshalb, w e i l die Zeitströmungen der Gegenwart einer solchen hervorragenden kritischen Untersuchung einfach nicht gerecht zu werden vermögen: sie sind bisher über die vorgelegten, i n jeder Hinsicht ausgereiften u n d didaktisch Jahrzehnte lang erprobten Gedanken i n der pädagogischen M i t t e i l u n g ebenso hinweggegangen w i e über das, was i n ihren Zeiten Fries u n d Nelson der öffentlichen Beurteilung vorlegten, ohne dies i n gebührender Weise zu erfahren. Wo es dennoch einmal geschieht, w i r d diesen kritisch fortbildenden Versuchen, die i m Interesse echten philosophischen Denkens u n d der A u s bildung der Philosophie als Wissenschaft w i l l k o m m e n sind, m i t einer E i n stellung begegnet, die — damals w i e heute — Parteigängerschaft vermuten läßt: vgl. Westermann E 144 f. (siehe Fn. 17 i m T e i l 2.1). I m übrigen ist uns „jede ernsthafte K r i t i k w i l l k o m m e n — u m so willkommener, j e schärfer und strenger sie ausfällt. A b e r eine solche K r i t i k darf nicht i n unüberlegtem Absprechen bestehen, sondern sie muß auf wissenschaftliche Gründe gestützt sein". Nelson 1197, vgl. auch den letzten Satz dieser Abhandlung. 7 Konrad 17: „Objektiv nennen w i r dasjenige, das — i m Gegensatz zum Subjektiven — unabhängig v o n Subjekten, i n Wirklichkeit, i n Wahrheit, existiert, besteht, vorhanden ist." 8 Fries 2, 166/167. 9 Fries 2, 184. 10 Fries 2, 190. 11 Fries2, 198/199. 12 Fries 4, 130 = N K I 66; vgl. auch Fries 2, 374.
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
einem Gesetze, unter dem das Daseyn der Dinge steht 1 8 ." „Anschauung ist eine Erkenntniß oder ( = assertorische) 14 Vorstellung, welche wir durch den innern Sinn unmittelbar in uns wahrnehmen; Reflexion hingegen dient dazu, um auch solche Erkenntnisse und ( = assertorische) 15 Vorstellungen vor die innere Selbstbeobachtung zu führen, welche w i r nicht unmittelbar i n uns wahrnehmen können 1 6 ." „Das charakteristische Merkmahl desjenigen, was i n den Zuständen des Gemüths zur Erkenntniß gehört, ist die Beziehung auf Gegenstand und Existenz. Das Erkennen ist aber eine Thatsache innerer Erfahrung . . ." 1 7 . 2.3.2 „Wiederbewußtseyn einer unmittelbaren Erkenntniß"
Fries charakterisiert den Inhalt der K r i t i k wie folgt: „Denn hier werden die Erkenntnisse psychologisch nach ihrer Abhängigkeit vom Gemüthe und ihren subjektiven Verhältnissen betrachtet 18 ." W i r bleiben, formuliert Fries später 19 , „ n u r subjektiv bey der innern Selbstbeobachtung unserer Vernunft", w i r werfen „den Blick nur auf die innere Thätigkeit des philosophirenden. . . . Die Forderung wäre also die Erkenntnis° des Menschen, wie sie ist, erst kennen zu lernen, ehe w i r darauf ausgehen ihre Gültigkeit° zu bestimmen". — Gemeint ist u. E. hier mit „Gültigkeit" der Grund für die Wahrheit eines Urteils; denn nach dem Sprachgebrauch von Fries ist die Erkenntnis weder einer Begründung bedürftig noch fähig, sie ist eine Qualität innerer Erfahrung 2 0 , und: „Transcendentale Wahrheit 2 1 hat unsere Erkenntnis, oder sie hat sie nicht, ohne daß w i r selbst etwas dafür oder dawider thun können" 2 2 . Das Urteil hingegen bedarf der Begründung: „Jede gedachte Erkenntnis kommt uns i n Urtheilen zum Bewußtsein. Das Urtheil ist aber nicht die der Vernunft gehörende unmittelbare Erkenntniß selbst, sondern nur eine mittelbare Erkenntniß, das heißt, die bloße Formel des Wiederbewußtseyns einer ursprünglichen und unmittelbaren Erkenntniß. 18
Fries 4,128/129 = N K I 64/65. Ergänzt nach Fries 4,130 u n d 4, 350. 15 Ergänzt nach Fries 4,130 u n d 4, 350. 16 Fries 4, 304 = N K I 240. 17 Fries 2, 374/375. 18 Fries 2, 166/167. 19 Fries 20,13. 20 Vgl. Fries 4, 407 = N K I 343: „ . . . die Philosophie beruft sich zuletzt i n Rücksicht der Wahrheit ihrer Sätze auf innere Erfahrung, . . . " ; auch 4, 139 = N K I 75: „ . . . der Begriff des Erkennens i m allgemeinen ist aber Qualität aus innerer Erfahrung". 21 „ D i e Regel der transzendentalen Wahrheit oder der Übereinstimmung der Erkenntniß m i t dem Gegenstande bestimmt die Gültigkeit der u n m i t t e l baren E r k e n n t n i ß , . . . " , Fries 4, 414 = N K I 350. 22 Fries 4, 415 = N K I 351. 14
2.3 Fries' „Grundsatz v o m Selbstvertrauen der V e r n u n f t "
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Das U r t h e i l k a n n j a eine bloße u n b e a n t w o r t e t e F r a g e b l e i b e n , es k a n n e i n a n d e r m a l i r r i g , eine falsch b e a n t w o r t e t e F r a g e w e r d e n ; n u r d a n n b r i n g t es die E r k e n n t n i ß selbst z u m B e w u ß t s e y n , w e n n es wahr ist, das h e i ß t , w e n n es richtig b e g r ü n d e t ist. Jede B e h a u p t u n g i m U r t h e i l g i l t erst d u r c h i h r e n Grund, das h e i ß t , d u r c h eine u n m i t t e l b a r e E r kenntniß, welche i n i h m u n m i t t e l b a r z u m Bewußtseyn k o m m t 2 3 . " — Was Fries l e t z t l i c h v e r l a n g t , i s t „ S e l b s t e r k e n n t n i ß , K e n n t n i ß v o n u n s e r m E r k e n n e n , E r k e n n e n des E r k e n n e n s " 2 4 (schon gegen Kant h ö h n t e Hegel: E r k e n n e n w o l l e n aber, ehe m a n e r k e n n t , ist ebenso u n g e r e i m t , als d e r weise V o r s a t z jenes Scholastikus, s c h w i m m e n z u l e r n e n , ehe er sich i n s Wasser w a g e 2 6 ) ; F r i e s g e h t d a v o n aus, daß „ d i e philosophische E r k e n n t n i ß u r s p r ü n g l i c h e s E i g e n t h u m jedes menschlichen Geistes" 23
Fries 4, 301 = N K I 237. Vgl. Fries 20, 30: „Selbsterkenntniß w i r d hier gefordert, die ist nämlich n u r ein anderes W o r t f ü r Reflexion, denn Reflexion ist das Vermögen der selbstthätigen Selbstbeobachtung, dessen Ausbildung also eben den Geist sich selbst erkennen läßt. Die e i g e n t ü m l i c h philosophische Selbsterkenntniß aber ist am allernächsten bedingt durch die Bildungsstufen der Reflexion selbst, denn hier suchen w i r gerade das innerste der Selbsterkenntniß, Kenntniß v o n unserm Erkennen, Erkennen des Erkennens." 25 Hegel, Georg W i l h e l m Friedrich: Enzyklopädie § 10. Wie überhaupt Hegel nicht eben zimperlich m i t Fries umgesprungen ist; i n der Einleitung zur ersten Auflage seiner L o g i k heißt es i n einer A n m e r k u n g : „Eine soeben erschienene neueste Bearbeitung dieser Wissenschaft, »System der L o g i k v o n Fries 1 , k e h r t zu den anthropologischen Grundlagen zurück. Die Seichtigkeit der dabey zu Grunde liegenden Vorstellung oder Meynung an u n d f ü r sich, u n d der Ausführung überhebt mich der Mühe, irgend eine Rücksicht auf diese bedeutungslose Erscheinung zu nehmen." U n d bei dieser „Überhebung", so deucht uns, ist es dann geblieben bis heute: aber doch eben n u r bei dieser Überhebung, statt Rezeption, E n t w i c k l u n g oder vernichtender K r i t i k . Nichts dergleichen, obwohl Fries dann Hegel auch nichts schuldig blieb i n der Polemik unter der Überschrift: „Polemische Bemerkungen über neuere große Rückschritte" (vgl. Fries 19, 671 ff.). „Hegels Lehre gehört i h r e m großen E i n fluß nach mehr i n die Geschichte der Schulpolizei zu B e r l i n als i n die Geschichte der Philosophie." „ D i e Einseitigkeit der historischen Schule lehrt hingegen unsre Impotenz zur Gesetzgebung u n d zum Selbstdenken, erklärt uns schlechthin f ü r geistesohnmächtiger als unsre Vorfahren u n d dem setzt dann die philosophische Oberflächlichkeit wieder den Gedanken entgegen, daß die Geschichte selbst m i t philosophischer Nothwendigkeit eingesehen werden könne, so daß endlich i n Hegels Schule Philosophie u n d Geschichte so vermengt werden, daß m a n allgemein annimmt, die Jüngeren seien i m mer klüger als ihre Vorfahren." (Fries 19, 589) — Dabei soll es aber nicht sein Bewenden haben: Fries unterzog Hegels Philosophie einer für seine Zeit erstaunlich gründlichen K r i t i k — u n d m i r ist nicht bekannt, daß diese zum T e i l vernichtende K r i t i k ihrerseits von Hegelianern als fehlerhaft entl a r v t u n d somit entkräftet ist: historisch ging diese K r i t i k ausgerechnet „ i n Hegels Schule" verloren. D a m i t jedoch noch nicht genug: Nelson machte sich, Fries folgend, desgleichen an die A r b e i t (Nelson V I I 443 ff.), f ü r seine Zeit wiederum recht gründlich — u n d m i r ist nicht bekannt, daß irgendwer aus Hegels Schule die K r i t i k als fehlerhaft erwies. Wäre es nicht Ausdruck w i s senschaftlicher Redlichkeit, die längst fällige Rezeption nachzuholen, „indessen so viele Mitsprechende sie bewundert u n d gepriesen haben"? (Fries 19, 671). 24
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2 Von der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
ist: „es kommt also hier nicht auf eigentliches Erlernen derselben, sondern nur auf Klarheit und Deutlichkeit des Bewußtseyns u m dieselbe an. Daher w i r d unser erster Satz: das Glück i n der Ausbildung der Philosophie hängt vom zergliedernden Gedankengang von regressiven Methoden ab, welche uns den Ausdruck der allgemeinen Grundwahrheiten erst suchen. Für diese Zergliederung sind die Hauptregeln 1. Wo die menschliche Vernunft sich Urtheile anmaßt, ohne sie auf Anschauung zu gründen, da geht sie m i t philosophischen Erkenntnissen um. Man suche diese Fälle zunächst aus den besondern Anwendungen i n den Beurtheilungen des täglichen Lebens, kennen zu lernen. Darin fasse man nur dasjenige sorgfältig auf, dessen man unmittelbar gewiß ist, und sammle für jeden Gegenstand diese besondern unmittelbar gewissen Behauptungen. 2. Man w i r d hierbey für Verständniß und Mittheilung ganz an den gegebenen Geist einer lebendigen Sprache gebunden seyn, den man sorgfältig auffassen und vorsichtig fortbilden soll. 3. W i r haben es i n der Philosophie m i t gegebenen Begriffen zu thun, welche nach der Methode der Erörterungen für Sacherklärungen ausgebildet werden sollen. Die Grundwahrheiten der Philosophie können nur i n Kriterien ausgesprochen werden, das heißt das System der Philosophie kann nicht aus ihren Grundsätzen selbst entwickelt werden, sondern diese sollen nur als Prinzipien der Beurtheylung eines gegebenen Feldes der Erfahrung angewendet werden" 2 6 . Fries fragt: „Wo erhalten w i r aber eine solche Regel her? . . . Die bloße Zergliederung für sich setzt sich keine Gränzen, es ist immer ungewiß, ob ich darin nicht noch weiter fortgehen kann. Ich kan daher nie wissen, ob ich wirklich zu einem Prinzip gelangt bin, ob ein erhaltener Begriff wirklich der allgemeinste und unauflöslich sey, ob ein Urtheil sich durchaus von keinem andern ableiten lasse. Ja noch mehr, man nehme sogar an, das Urtheil sey ein solches letztes, also unerweislich; so fragt sich, worauf beruht die Gültigkeit desselben, wodurch kann es sich bewähren? Als philosophisches Prinzip soll es ganz auf Begriffen beruhen, es findet also keine Berufung auf Anschauung statt. Das Prinzip muß also unmittelbar durch sich selbst gültig und einleuchtend seyn. Wodurch w i l l man es aber rechtfertigen, wenn es angefochten wird? — Hier ist der Ort, wo uns die psychologische Untersuchung unserer Erkenntnisse (die Untersuchung derselben als zu Gemüthszuständen gehörig) alein weiterhelfen kan, indem man zeigt, wie ein solches Urtheil sich aus den Verhältnissen unserer Erkenntnisvermögen nothwendig erzeugen muß; wodurch blos auf gewiesen wird, 26
Fries 8, 23: Grundriß der Metaphysik.
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2.4 Poppers „ T r i l e m m a " w i e e i n gewisser B e g r i f f a p r i o r i entsteht, . . . " 2 7 . „Transzendentale tik ist nehmlich
eine empirische
Wissenschaft
aus innerer
Kri-
Erfahrung
29
"
U n d Fries w a r n t ebenso scharfsinnig, w e i t b l i c k e n d w i e e r f o l g l o s 2 9 : „ A b e r eben d a r i n , daß t r a n s z e n d e n t a l e K r i t i k die E r k e n n t n i ß v o n E r k e n n t n i s s e n a p r i o r i e n t h ä l t , l i e g t e i n G r u n d , w a r u m m a n sie selbst l e i c h t f ü r eine Wissenschaft aus E r k e n n t n i s s e n a p r i o r i h a l t e n k o n n t e . — I h r G e g e n s t a n d s i n d E r k e n n t n i s s e a p r i o r i , i h r I n h a l t aber m e i s t empirische E r k e n n t n i s s e . D i e U r t h e i l e , w e l c h e d e n I n h a l t d e r K r i t i k ausmachen, s i n d n u r assertorisch; a p o d i k t i s c h e g e h ö r e n z u m G e g e n s t a n d derselben." 2.4 Poppers „ T r i l e m m a " 2.4.1 Poppers Vorurteil N a c h diesen N a c h w e i s e n e n t t ä u s c h t es u m so m e h r , daß selbst d e r sonst so scharfsinnige Popper i n das Nachsprechen d e r h e r k ö m m l i c h e n V o r u r t e i l e ü b e r Fries 30 gerät, i n d e m e r v o m „ T r i l e m m a " : „ D o g m a t i s m u s — u n e n d l i c h e r Regreß — psychologistische B a s i s " des Friesschen Philosophems spricht, w o b e i er durchaus e i n r ä u m t 8 1 : „Das P r o b l e m der 27
Fries 2, 173 - 175. Fries 2, 177. 29 Vgl. Poppers angebliches T r i l e m m a v o n Fries; später w i r d sich Nelson insoweit gegen Stern abmühen, vgl. Nelson I 153 ff., E r w i d e r u n g auf den A n g r i f f des H e r r n Dr. Paul Stern, u n d : Nelson I 165 ff., I n h a l t u n d Gegenstand, G r u n d u n d Begründung. Z u r Kontroverse über die kritische Methode. 30 Bereits bei August Messer korrigiert, aber wenig beachtet: „Die A u f gabe der V e r n u n f t k r i t i k ist, diese unmittelbare nicht-anschauliche V e r nunftserkenntnis durch Reflexion auf G r u n d der inneren Erfahrung zum Bewußtsein zu bringen. Die transzendentale Erkenntnis des A p r i o r i ist also empirisch-psychologischer N a t u r ; Kants Apriorismus muß durch eine psychische Anthropologie sein Fundament erhalten. Darauf stützt sich n u n freilich der V o r w u r f des ,Psychologismus', der gewöhnlich gegen Fries erhoben wird. . . . Dieser V o r w u r f ist unberechtigt, denn Fries w i l l durch seine psychologische ,Neue K r i t i k der reinen Vernunft* (1807) nicht die Gültigkeit der Erkenntnis beweisen, sondern n u r jene apriorische unmittelbare V e r n u n f t erkenntnis als faktisch aufweisen." (Geschichte der Philosophie I I I , Leipzig 1913, S. 68/69). 31 Popper, K a r l R.: L o g i k der Forschung 2 , Tübingen 1966; zitierweise: Popper. V o r a n geht: „25. Erlebnisse als Basis (Psychologismus). Daß die Erfahrungswissenschaften auf Sinneswahrnehmungen, auf Erlebnisse zurückführbar sind, ist eine These, die vielen fast als selbstverständlich gilt. Aber diese These steht u n d f ä l l t m i t der Induktionslogik; w i r lehnen sie m i t dieser ab. Daß etwas Richtiges an der Bemerkung ist, Mathematik u n d L o g i k entsprächen dem Denken, die Tatsachenwissenschaf ten den Sinneswahrnehmungen, w o l l e n w i r nicht leugnen. A b e r das, was hier vorliegt, halten w i r nicht f ü r ein erkenntnistheoretisches Problem; u n d w i r glauben, daß w o h l i n keiner erkenntnistheoretischen Frage die Vermengung von psychologischen u n d logischen Gesichtspunkten größere V e r w i r r u n g angerichtet 28
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
Erfahrungsgrundlage ist von wenigen Denkern so stark empfunden worden wie von Fries: W i l l man die Sätze der Wissenschaft nicht dogmatisch einführen, so muß man sie begründen. Verlangt man eine logische Begründung, so kann man Sätze immer nur auf Sätze zurückführen: die Forderung nach logischer Begründung (das „Vorurteil des Beweises" sagt Fries) führt zum unendlichen Regreß. W i l l man sowohl den Dogmatismus wie den unendlichen Regreß vermeiden, so bleibt nur der Psychologismus übrig, d. h. die Annahme, daß man Sätze nicht nur auf Sätze, sondern ζ. B. auch auf Wahrnehmungserlebnisse gründen kann. Angesichts dieses Trilemmas (Dogmatismus — unendlicher Regreß — psychologistische Basis) optiert Fries, und m i t i h m fast alle Erkenntnistheoretiker, die der Empirie gerecht werden wollen, für den Psychologismus: Die Anschauung, die Sinneswahrnehmung, so lehrt er, ist ,unmittelbare Erkenntnis 4 3 2 ; durch sie können w i r unsere »mittelbaren Erkenntnisse 4 , die symbolischen, sprachlich dargestellten Sätze der Wissenschaft, rechtfertigen." Der Fehler, der den Schluß auf den Psychologismus 33 nahelegt, schleicht sich unversehens dadurch ein, daß Popper „Anschauung" und „Sinneswahrnehmung" unvermittelt (d.h. hier durch nur ein Komma getrennt) hintereinander stellt, so daß der Anschein entsteht, daß Fries es sei, der, was er von der Anschauung behauptet, dies auch von der Sinneswahrnehmung behaupten wolle. — Das ist jedoch keineswegs der Fall: „ W i r erkennen entweder i n t u i t i v durch Anschauung oder diskursiv durch Begriff und Urtheil. Die Anschauung ist die Vorstellung eines Gegenstandes, w o r i n der Gegenstand als gegeben vorgestellt wird, sie ist unmittelbare Erkenntnis des Gegenstandes. Die diskursive Erkenntnis hingegen ist immer eine mittelbare Vorstellung durch allgemeine Regeln und Gesetze 34 ." „Aber auch unter den anschaulichen Vorstellungen giebt es noch viele, die w i r willkührlich haben können. . . . die Anschauung i n der Einbildung stellt zwar auch ihren Gegenstand als unmittelbar gegeben vor, aber ohne seine Gegenwart, die Sinnesanschauung hingegen erkennt unmittelbar die Gegenwart eines gegebenen Gegenstandes 35 ." hat als i n der Frage nach den Grundlagen der Erfahrungssätze." (Popper 60; gegenwärtig zur Induktionslogik Essler, W i l h e l m K . : I n d u k t i v e Logik, Grundlagen und Voraussetzungen, Freiburg 1970.) 82 Popper verweist hier auf Julius Kraft, V o n Husserl zu Heidegger, L e i p zig 1932, S. 120 f.; n u r findet sich bei K r a f t , als ehrlichem Referenten Fries'schen Gedankengutes die i n einem Satz mitaufgenommene Gleichsetzung v o n Anschauung u n d Sinneswahrnehmung nicht. Die angesprochene SteUe lautet vielmehr: „ A l l e Anschauung ist unmittelbare Erkenntnis, sie v e r langt u n d bedarf keiner weiteren Zurückführung, u m sich i n ihrer Wahrheit auszuweisen." (S. 120) 83 Vgl. Popper 60 f. 84 Fries 4.147 = N K I 83; vgl. a u d i 4,130 oben zit.
2.4 Poppers „ T r i l e m m a "
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Fries macht damit über die Erkenntnisbedeutung hinsichtlich des Soseins des i n der Sinnesanschauung Gegebenen keine Aussage, sondern nur über das Dasein: „Anschauung ist eine Erkenntniß, i n welcher ein Gegenstand als unmittelbar gegeben vorgestellt wird, . . . Wenn ich sage: Ich bin, so ist m i r i n diesem Bewußtseyn nur mein Daseyn unmittelbar gegeben, ich selbst werde aber darin nicht angeschaut, sondern nur beziehungsweise gedacht 36 ." Und Fries räumt gerade die Möglichkeit der Täuschimg bei der Sinnesanschauung ein: „Was w i r für eine Sinnesanschauung halten, kann entweder wirklich eine seyn, oder es ist nur eine Täuschimg des Organs, ein Farbfleck vor dem geblendeten Auge, ein Klingen i m Ohr, oder endlich es ist gar nur Einbildung, Traum oder krankhafte Phantasie. Unter diesen Vorstellungen unterscheidet sich nun die wirkliche Sinnesanschauung dadurch, daß i h r wirklich ein gegenwärtiger Gegenstand entspricht, und nun meint man leicht, daß w i r i n der That i n Vergleichung m i t dem Gegenstand jene Anschauung verificirten. Das kann aber gar nicht geschehen. W i r finden den Gegenstand immer erst durch die Anschauung, und w i r verificiren immer nur Vorstellungen gegenseitig durch einander, eine Anschauung durch die andere i n dem Z u sammenhang unserer Erfahrungen. Nur dieser Zusammenhang der Anschauungen und Erfahrungen unter einander zeigt uns i m einzelnen Falle, ob w i r es m i t dem Sinn, oder der bloßen Einbildung zu thun hatten 3 7 ." 2.4.2 Poppers „kritische Auffassung" und »Entgegnung* von Fries
So geht denn auch Poppers „kritizistische Auffassung", sofern er diese „etwa i n der Friesschen Form" interpretierend vertreten w i l l , i n seinen Konsequenzen, jedenfalls soweit er sich mit Fries i n Übereinstimmung glaubt, fehl: „Wie steht es nun m i t dem Friesschen T r i lemma: Dogmatismus — unendlicher Regreß — Psychologismus? Die Basissätze, bei denen w i r jeweils stehenbleiben, bei denen w i r uns befriedigt erklären, die w i r als hinreichend geprüft anerkennen — sie haben wohl insofern den Charakter von Dogmen, als sie ihrerseits nicht weiter begründet werden. Aber diese A r t von Dogmatismus ist harmlos, denn sie können ja, falls doch noch ein Bedürfnis danach auftreten sollte, weiter nachgeprüft werden. Wohl ist dabei die Kette der Deduktion grundsätzlich unendlich, aber dieser ,unendliche Regreß' ist unbedenklich, w e i l durch i h n (nach unserer Theorie) keine Sätze bewiesen 35
Fries 4, 147/148 = N K I 83/84. · Fries 4,185 = N K 1121. 37 Fries 4, 154 = N K I 90; vgl. auch die vorangehenden Ausführungen „Theorie der Empfindung" 4, 149 = N K I 85; sowie 4, 141 = N K I 77 u n d die Beispiele 4, 412 = N K I 348, 4, 414 u n d 415 = N K I 350 u n d 351. 3
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
werden sollen und können. Und was schließlich die psychologistische Basis betrifft, so ist es sicher richtig, daß der Beschluß, einen Basissatz anzuerkennen, sich m i t i h m zu begnügen, m i t Erlebnissen zusammenhängt — etwa mit Wahrnehmungserlebnissen; aber der Basissatz w i r d durch diese Erlebnisse nicht begründet; Erlebnisse können Entschlüsse, also auch Festsetzungen motivieren, aber sie können einen Basissatz ebensowenig begründen wie ein Faustschlag auf den Tisch 88 ." „Es scheint mir, daß die hier vertretene Auffassung der ,kritizistischen' (etwa i n der Friesschen Form) nähersteht als dem Positivismus. Denn während Fries durch seine Lehre vom »Vorurteil des Beweises' betont, daß das (logische) Verhältnis der Sätze untereinander ein ganz anderes ist als das zwischen den Sätzen und den Erlebnissen (der ,Anschauung'), versucht der Positivismus immer wieder diesen Gegensatz aufzuheben: Entweder w i r d alle Wissenschaft zum Wissen, zu ;meinem' Erlebnis (,Empfindungsmonismus') oder die »Erlebnisse* werden i n Form von ,Protokollsätzen' i n den objektiven wissenschaftlichen Begründungszusammenhang einbezogen (,Satzmonismus') 80 ." Diesem Entweder-Oder würde Fries ein Weder-Noch entgegensetzen: denn den „Basissätzen" (die Popper auch als die von Carnap so bezeichneten „Protokollsätze" verstanden wissen w i l l 4 0 ) , „die anerkannt werden" 4 1 , würde Fries solche entgegenhalten, die erkannt sind: „Jede philosophische Erkenntniß liegt i m Geiste des einen so gut, als i n dem des anderen" 42 , wobei „zum Gebiet der Philosophie jede Erkenntnis gehört, deren w i r uns nur durch Denken bewußt werden" 4 8 . 2.4.3 Zur Bedeutung von Sprache und „Mittheilung" (Fries) für die „intersubjektive Nachprüfbarkeit" (Popper)
Und auch die Bedeutung der Sprache für die „intersubjektive Nachprüfbarkeit" 4 4 hat Fries schon betont: „Wo die menschliche Vernunft sich Urtheile anmaßt, ohne sie auf Anschauung zu gründen, da geht sie 88
Popper 70/71. Popper 72, A n m . 3. 40 Popper 69, A n m . 1. 41 Popper 69. 42 Fries 8,107: System der Metaphysik; vgl. auch 8, 23. 43 Fries 8, 23 — Grundriß der Metaphysik: „ N u n ist die philosophische E r kenntniß ursprüngliches Eigenthum jedes menschlichen Geistes, es k o m m t also hier nicht auf eigentliches Erlernen derselben, sondern n u r auf K l a r heit u n d Deutlichkeit des Bewußtseyns u m dieselbe an." Ferner 8, 30: System der Metaphysik: „Hingegen andere Bestimmungen unserer Erkenntniß k o m men schlechthin jedem menschlichen Geiste, wiefern er vernünftig ist, zu." Endlich 8, 89: „Jeder Mensch ist i n i h r e m (der philosophischen Erkenntnis) Besitze u n d wendet sie bey allem Denken täglich an. . . . Unbewußt u n d u n bedacht wendet jeder Mensch die philosophischen Wahrheiten i n den meisten Fällen ohne alle Schwierigkeiten an." 39
2.4 Poppers „ T r i l e m m a "
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m i t philosophischen Erkenntnissen um. Man suche diese Fälle zunächst aus den besonderen Anwendungen i n den Beurtheilungen des täglichen Lebens kennen zu lernen. Darin fasse man nur dasjenige sorgfältig auf, dessen man unmittelbar gewiß ist, und sammle für jeden Gegenstand diese besondern unmittelbar gewissen Behauptungen. Man w i r d hierbey für Verständnis und Mittheilung ganz an den gegebenen Geist einer lebendigen Sprache gebunden seyn, den man sorgfältig auffassen und vorsichtig fortbilden soll 4 5 ." Desgleichen übersah er nicht die Bedeutung der Mitteilung an andere zum Zwecke der Überprüfimg eigener Behauptungen an denen anderer hinsichtlich ihrer Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung: „Die unmittelbar gewissen philosophischen Urtheile über irgend einen Gegenstand werden nun aber nicht durch Anschauung gesichert, sondern wieviel oder wenig und was sich so unmittelbar feststellen läßt, das hängt von der Ausbildung der lebendigen Sprache ab, m i t Hülfe deren ein Philosoph sich verständigen w i l l . Nur durch den Geist der Sprache und ihre lebendige A n wendung w i r d der philosophische Gedanke mitgetheilt und sein Ausspruch gelernt. Der Fortbildner der Philosophie muß zugleich ein Fortbildner seiner Sprache werden, . . ." 4 e . Hiermit ist nicht etwa gesagt, daß jeder zum Bewußtsein u m diese Erkenntnis gelangen müßte: „Das Schema ist das subjektive Bewußtseyn einer getrennten allgemeinen Vorstellung, so wie ich es durch Abstraktion erhalte. Merkmahl und Begriff hingegen sind dieselbe Theilvorstellung, so wie sie i n der Erkenntniß selbst liegt. Das Schema ist i n jedem Geiste ein anderes, das Merkmahl ist für jede Vernunft dasselbe; der Begriff auch, doch besitzt der eine den Begriff deutlicher als der andere. Es ist eine gewisse Theilvorstellung i n dem Dinge, welche macht, daß es ein Mensch oder ein Baum ist, oder welche macht, daß ich etwas Pflicht oder Recht nennen kann; diese i n der Erkenntniß des Gegenstandes selbst liegende Theilvorstellung, welche i n jeder Vernunft, die sie hat, dieselbe ist, wodurch das Ding zum Menschen oder Baum, zur Pflicht oder zum Rechte wird, ist das Merkmahl. Das Bewußtseyn derselben, so wie es durch Abstraktion klar ausgeschieden, und gemeinhin i m Denken angewandt wird, wenn man von Menschen, Bäumen, Pflichten oder Rechten spricht, ist das Schema, die vollständige mittelbare Vorstellung des Merkmahls aber ist der Begriff. Das Merkmahl ist i n jeder Vernunft, aber nicht jeder kann es m i t gleicher Deutlichkeit vom Schema zum Begriff erheben. Wer nur gemeinhin über Pflicht und Recht urtheilt, hat ein unbestimmtes Schema von beyden Merkmahlen, kann es aber nicht von allen Nebenvorstellungen trennen, und noch weniger selbst wieder 44 45 46
Vgl. Popper 68/69. Fries 8, 23/24; Grundriß der Metaphysik; vgl. a u d i 4, 338 = N K I 274. Fries 8, 92: System der Metaphysik.
7 Westermann
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2 V o n der kritischen Methode u n d ihren Gegnern
mittelbar durch andere Merkmahle vorstellen, das letzte kann nur der, der hier wissenschaftliche philosophische Erkenntnisse besitzt. . . . Das Schema ist das Eigenthum jedes einzelnen, der Begriff aber w i r d m i t theilbar, w e i l w i r i n i h m eine Zusammensetzung bestimmter Merkmahle denken, ohne auf die Klarheit i m Bewußtseyn des Einzelnen zu sehen 47 ." Denn: Jede Behauptung ist die Behauptung Behauptung ist (wissenschaftlich) irrelevant.
47
einer Erkenntnis
oder die
Fries 4, 357/358 = N K I 293/294; zur ausführlicheren Darstellung der Gedanken von Fries i n k r i t . A n m e r k u n g vgl. Westermann K M I, 2,1. Teil.
TEIL 3 Zur Begründung derEthik und Rechtslehre als Wissenschaft durch Deduktion im Sinne der kritischen Methode — und Gegenzug: Alf Ross9 „Kritik der sog. praktischen Erkenntnis" und Sir Karl R. Poppers: „Es ist sicher unmöglich, die Richtigkeit irgendeines ethischen Prinzips zu beweisen"
3 Ethik und Rechtslehre als Wissenschaft Bei der ethischen Diskussion kommt es grundlegend darauf an, daß die Diskussionspartner neben theoretischen Sätzen auch praktische anerkennen, und, daß, den obigen Nachweisungen entsprechend, als Grund dieser praktischen Sätze der Nachweis einer Erkenntnis gelingt. Gelingt der Nachweis der Existenz praktischer Erkenntnis, so ist die Wahrheit praktischer Sätze, als Wiederholung dieser Erkenntnis durch Urteil 1 , erwiesen, da praktische Sätze nichts anderes sind als sprachlicher Ausdruck praktischer Urteile, Ausdruck praktischer Erkenntnis, vermittelt durch Begriffe, Ausdruck der Erkenntnis dessen, was sein soll; gelingt der Nachweis nicht, so bleiben immer noch praktische Sätze möglich, deren Grund allerdings nicht eine Erkenntnis ist. Im ersten Fall kommt es daher auf das Anerkenntnis praktischer Sätze nicht an, da deren Wahrheit m i t dem Nachweis der Existenz praktischer Erkenntnis gegeben ist; i m zweiten Fall bleibt nur das Anerkenntnis möglich, ohne das der Grund hierfür eine Erkenntnis sein könnte. Einen Grund für ein Anerkenntnis kann es, nach dem strengen Sprachgebrauch der K r i t i k der Vernunft, nicht geben, sondern lediglich ein Motiv 2 . W i r beziehen uns hier i n dieser Zusammenfassung auf unsere Ausführungen i n ,Recht und Ethik bei Fries und Nelson 43 : 1 U r t e i l i m Sinne Kants als Satz, den jemand behauptet, vgl. Stephan Körner, K a n t , Göttingen 1955, S. 12; ders., Philosophie der Mathematik, M ü n chen 1968, S. 30 ff., i n phänomenologischer Beschreibung A. Pfänder, Logik, Neudruck, Tübingen 1963, S. 45, i n historischer Übersicht i m Verhältnis zur modernen L o g i k u n d Logistik kritisch G. Jacoby, Die Ansprüche der L o g i stiker auf die L o g i k u n d ihre Geschichtsschreibung, Stuttgart 1962, S. 55 ff., entgegen Ulrich Klug, Juristische Logik 8 , B e r l i n 1966, S. 23, der Satz u n d U r t e i l gleichbedeutend gebrauchen w i l l . 2 Denn: „ D i e logischen Gründe des metaphysischen Systems sind i n den metaphysischen Grundurteilen enthalten, welche ihrerseits i h r e n G r u n d i n der unmittelbaren Erkenntnis der reinen V e r n u n f t haben. Die Begründung
7·
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3 E t h i k u n d Hechtslehre als Wissenschaft
So ist vielleicht die einfachste Rechtsphilosophie immer noch die der Leugnung des Rechts entweder i n dem Sinne, daß es den Begriff des Rechts nicht gibt: Recht ist ein Name zur Bezeichnung moralischer Phänomene und ,das erste Problem der Ethik besteht i n einer Klärung der Natur ethischer Urteile' 4 (genauer: ethischer Sätze, denn nach dem Vorangegangenen sind praktische Urteile Erkenntnisse, vermittelt durch Begriffe); oder i n dem Sinne, ,daß die vermeintlichen metaphysischen, synthetischen Urteile a priori als Erkenntnisse überhaupt nicht möglich sind' (Kastil 5 ). 3.1 Nelsons Deduktion: Ethik und Rechtslehre Vor Kennern der ausführlichen Darlegungen von Nelson zur Begründung der Ethik als Wissenschaft bedarf es der Wiederholung der Entwicklung seiner Ergebnisse nicht; dem Versuch einer Zusammenfassung (auch abgesehen von den i n neun Bänden vorliegenden gesammelten Schriften) lediglich seiner Exposition ethischer Prinzipien und ihrer Deduktion i n der Kritik der praktischen Vernunft müßte sich der 661seitige Umfang widersetzen, i n Vernachlässigung dann auch noch der systematischen Entwicklungen i n Rechtslehre und Politik (517 S.) und Ethik und Pädagogik (504 S.): lauter Ausführungen, die „Satz für Satz" Nelson (wie jeder andere Verfasser auch) doch für erforderlich gehalten hat; eine Zusammenfassung würde den verbreiteten MißVerständnissen i n dem Versuch von Kürzungen, wenigstens der Möglichkeit nach, ein weiteres hinzufügen. Thematisierend beschränken w i r uns daher auf die Wiedergabe von Argumentationen und Begründungen (in ihrer Struktur) 5 * der ersteren ist die Aufgabe der K r i t i k der Vernunft. Diese Aufgabe löst die K r i t i k durch die Aufweisung der letzteren, d . h . durch die Deduktion. Die K r i t i k gibt also i n der Deduktion zwar die Begründung der metaphysischen Grundurteile; aber durch diese Deduktion w i r d der Grund der metaphysischen Grundurteile nicht gegeben, sondern n u r aufgewiesen. Dieser G r u n d liegt nicht selbst i n der K r i t i k (oder Deduktion); er gehört nicht zum Inhalt, sondern zum Gegenstand der K r i t i k . " Nelson 1173. 3 Westermann E 113 ff.; vgl. auch Westermann, Christoph: Erziehung zu Gerechtigkeit u n d Friedfertigkeit, f o r u m 1967, Nr. 3/4, Ausgabe Bayern. 4 Vgl. hierzu i n historischer Übersicht Stegmüller, W.: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie 2 , Stuttgart 1960, S. 489 ff., zitierweise: HS 2 . 5 Vgl. Kastil, A l f r e d : J. Fr. Fries* Lehre v o n der unmittelbaren E r k e n n t nis, i n : Abh. d. Fries'schen Schule, N.F., I V . Bd., 1. Heft Göttingen 1912, S. 332; K a s t i l soll sich später v o n seiner umfassenden K r i t i k v o n seltener Gründlichkeit, w i e diese eben aber doch häufig i n den Publikationen i n den gen. A b h . vorkommen (sie umfaßt 336 Seiten), distanziert haben. Ich vermag allerdings beim besten W i l l e n nicht anzugeben, w e m ich diese M i t t e i l u n g verdanke; auch die Durchsicht vielfältig geführter philosophischer Korrespondenz führte nicht zum Erfolg. 6a w i r widerstehen somit jeder Versuchimg, unser Verständnis anstelle des Originals zu setzen, u n d wissen durchaus, daß dies unüblich ist: aber
3.1 Nelsons Deduktion: E t h i k u n d Rechtslehre
101
Nelsons Nachweisung und unsere K r i t i k haben jedenfalls nicht die prinzipielle Problematik der sog. unmittelbaren Erkenntnis ergeben, sondern vielmehr die systematische Reinheit der Entwicklung, wenngleich auch nur eines zunächst problematischen Begriffs; es verbleibt daher für die Ethik als Wissenschaft beim Erfordernis des Nachweises seiner Existenz, oder i m Sprachgebrauch von Nelson, des Nachweises der Realität des Begriffs. Ferner ist noch die Frage zu erörtern, wie Nelson zu der Existenzbehauptung des „Es gibt" i n dem Satz kommt: „Es gibt keine andere Begründung einer Erkenntnis als durch die Angabe der unmittelbaren Erkenntnis, aus der sie abgeleitet wird." Sie bleibt eine unbeantwortete Frage, wenn w i r nicht die Voraussetzung hinzunehmen: wenn es eine Begründung „metaphysischer Grundsätze" geben sollte. Und über die Wahrheit oder Falschheit dieser Voraussetzung läßt sich nur empirisch entscheiden 6 ; die Entscheidung selbst ist Sache der inneren Erfahrung (zu der ich niemanden zwingen kann), des „inneren Sinnes", u m m i t Fries zu sprechen, „Qualität innerer Erfahrung" und fällt allemal empirisch für den Einzelnen. Man darf diese Feststellung, hier für metaphysische Erkenntnisse, für unmittelbare nicht-anschauliche Erkenntnisse als Grund metaphysischer Urteile, nicht als eine Eigenart des Metaphysischen i n unserer Erkenntnis betrachten; denn diese Feststellung gilt für jede Erkenntnis überhaupt. W i r brauchen hierfür nur die Begründung einzelner Urteile zu betrachten; zuletzt berufen w i r uns allemal auf Erkenntnis: „was das aber sagt, etwas sich vorstellen oder etwas erkennen, das kann jeder nur aus seinem Bewußtseyn erfahren, man kann es so weentweder ist ein Satz eindeutig, dann stellt jede sinngemäße Wiedergabe eine Verminderung der bereits erreichten Eindeutigkeit dar; oder ein Satz ist nicht eindeutig, dann k a n n sich der Leser auf das Verständnis des Referenten verlassen, ist aber, nach strengen Anforderungen von Wissenschaftlichkeit, keineswegs der M ü h e enthoben, das Original m i t dem Referierten zu vergleichen (selbst dann, w e n n eine Fachdisziplin über ein ausformuliertes gemeinsames Grundvokabular verfügt: was m a n eben v o n Philosophie u n d Rechtslehre nicht gerade behaupten kann). Gerade f ü r den zweiten F a l l k a n n erst recht nicht auf Z i t a t verzichtet werden, damit der Leser i n die Lage versetzt w i r d , ,an O r t u n d Stelle 1 zu prüfen, was seinem U r t e i l standhält oder seiner K r i t i k verfällt. Ist also ein Satz hinreichend präzis, so sollte ausschließlich dieser wiedergegeben werden; ist ein Satz nicht hinreichend präzis, so muß er i m Original wiedergegeben werden, da n u r an i h m die erforderliche Präzisierung gemessen werden kann. Hierbei können w i r freilich eines niemandem ersparen: den Neu-Begierigen (Thomas Mann) durch genaue Fundstellenangabe an die Quellen zu verweisen, u m diese seinem Eigen-Studium anheimzugeben, damit dann auch vor i h m die Darlegungen nicht wiederholt zu werden brauchen. 6
Stegmüller, W.: Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, 2. A u f l . B e r l i n 1969, S. 34; zitierweise: M S W : „ W i r verfügen über k e i n theoretisches Verfahren, u m zu entscheiden, ob der totale Erkenntnisskeptizismus recht hat oder nicht."
102
3 Ethik und
echtslehre als Wissenschaft
nig erklären, als man einem Blinden erklären kann, was roth oder grün sey. Also nur auf diese innere Selbstbeobachtung berufen w i r uns . . . wer sich aber m i t unsrer Behauptung nicht abweisen lassen w i l l , und doch eine Erklärung dieser Begriffe fordert, dem antworten w i r , daß er überhaupt nicht verstehe, was erklären heißt. Erklären lassen sich nur abgeleitete quantitative Verschiedenheiten, nicht unmittelbare Qualitäten, der Begriff des Erkennens i m allgemeinen ist aber Qualität aus innerer Erfahrung" 7 . „Was ich höre und sehe, jede Sinnesanschauung hat nur eine Gültigkeit für mich, jeder andere muß für sich sehen, ich kann i h m das Sehen nicht mittheilen, und für mich gehört es immer nur zu einzelnen Zuständen meines Erkennens 8 ." Die festgestellte Eigentümlichkeit bei der Begründung von Urteilen t r i f f t also auch für die Begründung von Wahrnehmungsurteilen, genauer: von Urteilen über die äußere Wahrnehmung (wie auch der inneren Wahrnehmung) zu und ist nicht etwa eine Eigenart metaphysischer Urteile. Man könnte hier sogar einen Schritt weiter gehen: Ist es nicht möglich, einem Blinden zu erklären, was ζ. B. rot, was eine Farbe ist, so gilt dies ja nicht nur von physiologischer Blindheit, sondern auch von psychogener Blindheit 9 . Eine ähnliche Blindheit könnte es dann w o h l auch für die Erkenntnisse der reinen Vernunft, i m Sinne von Fries gesprochen, geben, sei diese nun physiologischer oder psychogener Natur, — allerdings i m Gegensatz zu seiner optimistischen Behauptung: „Hingegen allgemeine mathematische und philosophische Wahrheiten gehören m i r nicht i n Beziehung auf diesen oder jenen einzelnen Lebenszustand, sondern sie gelten für meine Vernunft überhaupt, und sind i n jedermanns Vernunft, wie i n der meinen 1 0 ." Damit ist jedoch nur etwas über die Beschaffenheit der Vernunft gesagt und nichts darüber, wer sie besitzt, wer i m einzelnen vernünftig ist; es ließe sich daher anschließen, daß die „mathematischen und philosophischen Wahrheiten i n jedermanns Vernunft sind", wenn er (jedermann) Vernunft hat, wenn er (jedermann) vernünftig ist. Dies ist aber eine allein empirisch zu entscheidende Frage, jedoch nur soweit, als jeder für sich selbst sagen kann, welche bestimmten Erkenntnisse er habe. Es darf hierbei nicht angenommen werden, daß etwa damit ein K r i terium für das, was vernünftig ist, angebbar wäre. Ein solches kann es 7
Fries 4,138/139 = N K I 74/75. Fries 4, 367 = N K I 303. 9 Vgl. Remplein, Heinz: Psychologie der Persönlichkeit, München 1963, S. 101. 10 Fries 4, 367 = N K I 303. 8
3.1 Nelsons Deduktion: E t h i k u n d Rechtslehre
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nicht geben; eine Berufung auf die Vernunftwahrheiten führt zu einem Zirkel: vernünftig sei der, der die Vernunftwahrheiten einsieht; zur Einsicht der Vernunftwahrheiten ist aber seine Vernünftigkeit schon vorausgesetzt. U m die Vernünftigkeit eines Menschen zu erkennen, müßten die Vernunftwahrheiten unabhängig von der Vernunft eingesehen werden können: ein Widerspruch, der lediglich die Analytizität des Ausgangsurteils „vernünftig sei der, der die Vernunftwahrheiten einsieht" offenbart. Ein ähnliches Verhältnis liegt i n der Argumentationsweise vor, Recht durch die Recht und B i l l i g Denkenden zu bestimmen. Es müßte, entgegen der Annahme, das Recht werde durch die Recht und B i l l i g Denkenden bestimmt, eine Bestimmung des Rechtes unabhängig von den Recht und B i l l i g Denkenden möglich sein: ein Widerspruch, da ja, der Annahme gemäß, das Recht durch das, was die Recht und B i l l i g Denkenden als Recht und B i l l i g denken, bestimmt ist. Die Folge ist n u n nicht, daß es ein Recht gibt, auch nicht, daß es ein Recht nicht gibt, sondern nur: wenn es ein Recht gibt, dann ist es, wenn überhaupt erkennbar, jedenfalls unabhängig von den Recht und Billig Denkenden erkennbar. Die das Recht erkennen, sind dann Recht und B i l l i g Denkende, was aber nur zweimal und damit analytisch dasselbe behauptet, nämlich: sie erkennen das Recht. Und ,hinter' das Erkennen können w i r allemal nicht zurückgreifen: jede diesbezügliche Frage ist sinnlos, da sie von der (falschen) Voraussetzung ausgeht, eine (unmittelbare) Erkenntnis sei noch der Begründung bedürftig und fähig, was aber doch nur von Urteilen (oder mittelbaren Erkenntnissen) gilt. Diese Feststellung des Fehlens eines Kriteriums für die Vernünftigkeit braucht nicht mehr zu beunruhigen als die getroffene Feststellung, daß es ein K r i t e r i u m für die „objektive Gültigkeit der Erkenntnis" nicht gibt: nämlich überhaupt nicht; de facto verlangen w i r weder einen Nachweis für die Objektivität der Erkenntnis noch einen solchen für die Vernünftigkeit eines Menschen, sondern berufen uns allemal letztlich auf Erkenntnis und Vernunft als Tatsache innerer Erfahrung, wobei w i r durchaus einräumen müssen (und also auch können müssen), daß w i r i n der Behauptung, eine Erkenntnis zu haben, bzw. i n der Behauptung, vernünftig zu sein, irren können, — die Erkenntnis dieses Irrtums setzt jedoch Erkenntnis und Wahrheit voraus. Und: Aus dem Umstand, daß ζ. B. eine Person Β eine Erkenntnis nicht hat, die eine Person A hat, folgt weder, daß A die Erkenntnis nicht hat, noch, daß das, was A (als erkannt) behauptet, falsch ist; es bleibt bei der Ausgangsfeststellung: A hat eine Erkenntnis, Β hat diese nicht, aus der nichts folgt. Diese Ausgangssituation kann lediglich psychisch den A veranlassen, seine Evkeimimsbehauptung wieder und wieder zu überprüfen. Umgekehrt folgt aus der Erkenntnisbehauptung des A nicht,
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3 Ethik und
echtslehre als Wissenschaft
daß Β diese Erkenntnis auch haben müßte; sie dient dem Β lediglich wieder psychisch als Aufforderung oder sogar Anreiz, sich auch u m die (behauptete) Erkenntnis zu bemühen oder gegebenenfalls die Behauptung zu widerlegen. Und hierfür kommt es allemal wiederum nur auf seine Erkenntnis an; denn daß womöglich viele behaupten, eine bestimmte Erkenntnis zu haben, ist für ihn, solange nicht auch er sie hat, bloße Vermutung, daß nämlich das als erkannt Behauptete wahr ist: die Wahrheit selbst läßt sich aber nicht statistisch gewissermaßen beglaubigen. Und wer z.B. fragt: „ w a r u m soll 0 man denn so und nicht anders leben 11 ?" und damit nach dem Grund des Sollens (und nicht etwa nach dem hier offen gelassenen Näheren des ,so und nicht anders 4) fragen w i l l , der versteht eben nicht, was Sollen heißt; er setzt nämlich m i t dieser Frage (etwas Falsches) voraus, daß Sollen noch auf etwas anderes zurückführbar sei als auf die Feststellung, es (das Sollen) sei erkannt. Das aber ist auch, ebensowenig wie beim Sollen, bei einem anderen Gegenstand der Erkenntnis nicht der Fall. W i r erlauben uns daher, an ein Hoffen von Stegmüller anzuschließen, der ausführt: „Es ist somit zu hoffen, daß die Einsicht i n die angedeutete Vielschichtigkeit des ganzen sog. Problems der Metaphysik dazu führen wird, daß eine grundlose wechselseitige Polemik unterbleibt: daß einerseits der Empirist nicht über das durch i h n Begründbare hinaus Thesen verficht, die er nur mit den von i h m verworfenen metaphysischen Argumenten zu stützen vermag, und daß der Metaphysiker nicht aus grundloser Angst i n den positiven Beiträgen empiristischer Denker zur Logik und Wissenschaftstheorie — die m i t deren antimetaphysischer Position überhaupt nichts zu t u n haben — ein »positivistisches Teufelszeug 4 erblickt, das nur dazu dienen soll, sein System zu zerstören 12 ." 3.1.1 Nelsons Begriff der Deduktion
Nach Nelson erfolgt die Begründung ,der ethischen Prinzipien durch Deduktion 4 ; er versteht hierunter die Zurückführung auf eine Erkennt11 Vgl. Stegmüllers Darstellung der Theorie der E t h i k u . a . von Hare , i n : Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie 8 , Stuttgart 1965, S. 523: „ W i e steht es also dann m i t der weiteren Rechtfertigung einer moralischen E n t scheidung? Die A n t w o r t , welche Hare an dieser Stelle gibt, verrät den E i n fluß der späteren Philosophie Wittgensteins (und ist vielleicht ein wichtiger Beitrag zu dem Verständnis dieser Philosophie): Jede Rechtfertigung und Begründung muß irgendwo ein Ende nehmen. Wenn ich dazu gedrängt werde, eine Entscheidung vollständig, d . h . i n allen denkbaren Hinsichten, zu rechtfertigen, so muß ich schließlich eine genaue Schilderung der Lebensform geben, von der diese Entscheidung ein Bestandteil ist. Wenn dann trotzdem weiter gefragt w i r d : „ w a r u m soll m a n denn so u n d nicht anders leben?", so k a n n keine A n t w o r t mehr gegeben werden; denn alles, was eine weitere A n t w o r t enthalten könnte, w u r d e bereits gesagt". 12
Stegmüller
H S 8 428.
3.1 Nelsons Deduktion: E t h i k u n d Rechtslehre
105
nis, die weder Urteil noch Anschauung ist, dennoch eine unmittelbare, von der er jedoch behauptet, daß diese ursprünglich dunkel sei. Man müsse daher einen künstlichen Umweg einschlagen, u m diese unmittelbare ethische Erkenntnis erst als solche aufzuweisen 13 . 3.1.2 Zur Deduktion des Begriffs der Pflicht, und Ergebnis
Nelsons Untersuchung des Interesses leidet sicher an sprachlicher Ungenauigkeit, da er Interesse als psychisches Faktum nicht ausreichend von Erkenntnis trennt. Dies ist jedoch mehr ein Problem sprachlicher Natur. N i m m t man Nelson dergestalt beim Wort, so kann ich als psychisches Faktum ein sittliches Interesse überhaupt nicht beobachten; aus dem Kontext geht jedoch hervor, daß er nicht ein „eigentliches" Interesse meint, sondern unter der Voraussetzung der „Existenz des sittlichen Gefühls", das als Gefühl, so jedenfalls nach Fries, ein A k t der „Urteilskraft" ist, eine Erkenntnis 1 4 . Genauer müßte es daher bei Nelson heißen, daß er i m Ausspruch des Gewissens, zugleich i n durchaus problematischem Anspruch dieses, empirisch hier beobachten kann die folgenden Merkmale als Charakteristika: I. II. III. IV. V. VI.
Es macht Anspruch auf Objektivität. Es macht Anspruch auf Apodiktizität. Es läßt sich i n Begriffe auflösen. Es ermangelt eines evidenten Prinzips. Es enthält eine negative Wertung. Es hat Imperativischen Charakter 1 5 .
Auch insoweit bleibt es bei der Entwicklung eines problematischen Begriffs, d.h., die Frage nach der Realität bleibt offen, insbesondere die nach der Erkenntnisbedeutung. 3.1.3 Die Deduktion des Inhalts des Sittengesetzes
Nach Nelson soll uns die Deduktion beweisen, „daß w i r , vermöge unserer reinen praktischen Vernunft, ein bestimmtes Sittengesetz anerkennen, und das folglich, wer die Allgemeingültigkeit und Verbindlich18
Nelson I V 56 ff. Vgl. Westermann, Christoph: Recht u n d Pflicht bei L . Nelson, Kritische Untersuchungen zum Rechtsverzicht u n d Versuch der Begründung eines K r i t e r i u m s für die Unveräußerlichkeit v o n Rechten, B o n n 1969 (Diss.), S. 48 f.; zitierweise: Westermann R (als Dissertationsrestauflage n u r noch beim Verf.). 16 Nelson I V 476. 14
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3 Ethik und
echtslehre als Wissenschaft
keit dieses bestimmten Sittengesetzes leugnet oder auch nur bezweifelt, dieses wider besseres Wissen t u t " 1 6 . Sein Sittengesetz, genauer: Abwägungsgesetz, lautet: Handle nie so, daß du nicht auch i n deine Handlungsweise einwilligen könntest, wenn die Interessen der von ihr Betroffenen auch deine eigenen wären 1 7 . Nach dem Vorangehenden kann Nelson und jeder, der es unternimmt, diesen Satz zu rechtfertigen, dies nur t u n durch Aufweis einer unmittelbaren Erkenntnis, wobei Nelson und jeder Andere nicht widerlegt wäre, wenn der Nachweis gelänge, daß dieser Satz der Schlußsatz aus noch allgemeineren Prämissen wäre; nicht die Erkenntnisbedeutung dieses Satzes würde damit angegriffen, sondern vielmehr nur die Behauptung, dies sei eine unmittelbare. Ein solcher Nachweis bestünde lediglich i n dem Nachweis der Mittelbarkeit der zunächst als unmittelbar behaupteten Erkenntnis, nicht jedoch i n der Widerlegung, genauer gesagt, i n dem Nachweis der Falschheit der Behauptung einer Erkenntnis. Die von Nelson behauptete „sittliche Erkenntnis . . . ist charakterisiert durch die folgenden Merkmale: 1. Sie ist begrifflich auflösbar. Das K r i t e r i u m der Pflicht läßt sich also erschöpfend auf Begriffe bringen. 2. Sie ist ursprünglich dunkel. Das fragliche K r i t e r i u m kann also nur durch Begriffe deutlich werden. 3. Sie entspringt nicht aus der Reflexion. Das gesuchte K r i t e r i u m muß also ein synthetischer Satz sein. 4. Sie ist eine praktische Erkenntnis. Das gesuchte K r i t e r i u m muß also eine Beziehung auf Werte enthalten. 5. Sie hat Imperativische Form. Das gesuchte K r i t e r i u m muß also ein Gesetz für Handlungen sein. 6. Sie ist rational. Das gesuchte K r i t e r i u m darf also keine empirischen Begriffe enthalten" 1 8 . W i r unterschreiben ausdrücklich nicht den Satz, der einleitend dann diese Merkmale vorstellt: „Die sittliche Erkenntnis, deren Existenz durch die allgemeine Theorie des sittlichen Interesses bewiesen worden ist . . . " ; denn die sittliche Erkenntnis ist nach den Nachweisungen von Nelson gerade nicht durch die allgemeine Theorie des sittlichen Interesses, sowie er diese vorführt, „bewiesen", da Existenz überhaupt nicht beweisbar i m strengen Sinne ist; es kann sich, wenn überhaupt, dann nur für den Einzelfall u m eine Nachweisung handeln, aufgrund von 16 17 18
Nelson I V 506. Nelson I V 172. Nelson I V 557.
3.2 A l f Ross* „ K r i t i k der sog. praktischen Erkenntnis"
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Beurteilungen, die der Einzelne zunächst als faktische Akte seines Bewußtseins fällt, denen, i. S. der kritischen Methode, eine jene Beurteilungen rechtfertigende unmittelbare Erkenntnis, die aber gegebenenfalls noch nicht bewußt ist, zugrunde liegt, — oder jene Beurteilungen erschöpfen sich dahin, ausschließlich Akte meines Bewußtseins zu sein, m i t der Folge, daß sie grundlos sind und daher allemal nicht, ja nie gerechtfertigt werden können. Wie dieser Satz (nach ,oder') begründet werden kann, und zwar i n prinzipieller Form (allgemein), bleibt hier offen; als negative Existenzbehauptung von der Form p r a k tische Erkenntnisse gibt es prinzipiell nicht' oder Unmöglichkeitsbehauptung praktische Erkenntnis kann es nicht geben' ist eine Begründung nicht möglich. I m übrigen wäre ein solches (begründetes) Ergebnis für die praktische Diskussion irrelevant (wie noch zu zeigen sein w i r d : Teil 5). Bei dieser Alternative hat es sein Bewenden. Nur: wer das, was Nelson hier behauptet, nicht einzusehen vermag, und nichts weiter als nur dieses seinerseits behauptet, der widerlegt noch nicht die Behauptungen; hierfür muß er zu allererst das Gegenteil behaupten und begründen, sodann wäre das, was Nelson vorträgt, widerlegt. 3.2 A l f Ross' „ K r i t i k der sog. praktischen Erkenntnis" Ross polemisiert i n seiner „ K r i t i k der sogenannten praktischen Erkenntnis. Zugleich Prolegomena zu einer , K r i t i k der Rechtswissenschaft'" 1 9 gegen die (Möglichkeit der) praktische(n) Erkenntnis, ohne zu sehen, daß er hierfür, d.h. für die Begründung seiner Behauptung: praktische Erkenntnis gibt es (prinzipiell) nicht, theoretische Erkenntnis voraussetzen muß; er geht, speziell bei seinem Kritisieren des „Friesianismus", wie er seine Zusammenfassung der Gedanken von Fries nennt, und damit auch der Arbeiten von Leonard Nelson 20 insbeson18
Leipzig 1933; zitierweise: Ross — Seitenzahl. Ross 343 bis 394: erübrigt sich fast zu sagen, daß Ross Nelson „erkenntnistheoretischen Psychologismus" v o r w i r f t , „der nach Husserls »Logischen Untersuchungen 4 als ein überwundenes Stadium gelten dürfte. Wenn auch . . . der Psychologismus Nelsons . . . analytisch-transzendental" sei, „so bleibt doch dadurch das Wesentliche unberührt, nämlich daß die Wahrheit der E r kenntnis m i t dem faktisch-psychologischen Z w a n g des Denkens identifiziert w i r d " . (378) I n diesem Zusammenhang wäre es eine Frage an Ross wert, ob er die Schlußweise des d i c t u m de o m n i et nullo auch als „faktisch-psychologischen Zwang des Denkens" bezeichnen w ü r d e ; dann wäre allerdings seine diesbezügliche Ausführung gerade k e i n Argument. — Übrigens: k e i n W o r t hiervon bei Nelson (zu einer ausführlicheren Behandlung vgl. Westermann K M 1.16 i n I, 2, 2. Teil, 38 ff.); i m Gegenteil hat Nelson w i e auch schon Fries stets ausführlich den Psychologismusverdacht abgewehrt. U n d Nelsons K r i t i k an Husserl kennt Ross w o h l nicht ( I I 163 ff.: zum tranzendentalen u n d psychologistischen V o r u r t e i l ; I I 167 ff.: zu Husserls phänomenologischen M e 20
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3 Ethik und
echtslehre als Wissenschaft
dere, soweit zu erklären: „Der Begriff unmittelbarer Erkenntnis ist widerspruchsvoll und deshalb sinnlos." Damit aber nicht genug, „ist auch der Begriff Erkenntnis selbst unhaltbar". Daß Ross somit jede seiner Behauptungen, j a jeden einzelnen Satz seines 447 Seiten umfassenden Buches erkenntniskritisch „unhaltbar" macht, d. h. sich der Möglichkeit beraubt, auch nur einen einzigen der gedruckten Sätze, ein einziges Urteil, nur eine einzige seiner aufgestellten Behauptungen zu begründen, wenn man diese Annahme als wahr unterstellt, scheint Ross nicht i n den Sinn zu kommen. 3.2.1 Alf Ross' Kritik an dem „Begriff der unmittelbaren Erkenntnis"
Lassen w i r zunächst die Textstelle, die sich m i t der „unmittelbaren Erkenntnis" nach Nelson und m i t dem „Begriff Erkenntnis", der „selbst unhaltbar" sei, geschlossen folgen: „Der Begriff der unmittelbaren Erkenntnis ist widerspruchsvoll und deshalb sinnlos. Die unmittelbare Erkenntnis soll die i n sich gewisse Erkenntnis sein. Gewißheit ist Gewißheit über der Wahrheit der Erkenntnis. Die unmittelbare Erkenntnis muß deshalb die i n sich wahre sein. Ungeachtet, was überhaupt unter Wahrheit zu verstehen sei, und ungeachtet, ob dies überhaupt ein sinnvoller Begriff ist, ist jedenfalls sicher, daß der Begriff Wahrheit von dem, was wahr ist, dem Urteil oder der Erkenntnis, verschieden ist. Wahrheit gilt als eine Bestimmung, die einer Erkenntnis beigelegt wird, und nicht m i t der Erkenntnis selbst identisch ist. Solange ich nicht weiß, ob eine Erkenntnis wahr oder falsch ist, kann ich m i r immer sowohl das eine als das andere vorstellen. Es ist kein Widerspruch, das einer Erkenntnis eines dieser beiden Prädikate beigelegt wird. Aber eben weil die Wahrheit als eine Bestimmtheit bei einer Erkenntnis gilt, ist die Vorstellung von einer in sich oder ihrem Begriffe nach wahren Erkenntnis ein Widerspruch i n sich. Denn hier sind Erkenntnis und Wahrheit, die als solche verschiedene Begriffe sind, als zu einem Begriff verschmolzen und identisch gedacht. Was wahr ist, muß von der Wahrheit selbst verschieden sein, muß aber nach dem hier analysierten Begriff schon i n sich, d. h. bevor es die Bestimmtheit zugelegt erhalten hat, oder seinem eigenen Begriff nach, wahr oder m i t der Wahrheit identisch sein. Es liegt hier ein Beithode u n d zur intellektuellen Anschauung). Es k a n n doch der Entwicklung einer Wissenschaft nicht förderlich sein, daß man schwerwiegenden E i n wänden dadurch zu entgehen sucht, daß m a n sie nicht zur Kenntnis n i m m t . W i r nehmen schließlich auch die Einwände gegen die kritische Methode zur Kenntnis u n d unterziehen sie einer Uberprüfung, was jedenfalls dann nicht i m m e r ganz leicht ist, w e n n die Behauptungen über sie schon fehlerhaft sind, die erhobenen Einwände n u r falsches Referat treffen u n d dann noch die Einwände selber widersprüchlich oder z i r k u l ä r sind (in K M I , 2, 2. T e i l haben w i r dieser Prüfung einen ganzen Teilband gewidmet).
3.2 A l f Ross „ K r i t i k der sog. praktischen Erkenntnis"
109
spiel für Begriffsrealismus vor, dessen logische Unmöglichkeit w i r bereits oben V I I I , 1 nachgewiesen haben. Da jedoch, wie Nelson richtig eingesehen hat, der Begriff Erkenntnis i n der Bedeutung einer Auffassung, deren Wahrheit gewiß ist, wegen der Unmöglichkeit, die Beweiskette endlos weiterzuführen, notwendigerweise den Begriff der unmittelbaren Erkenntnis voraussetzen muß, ist auch der Begriff Erkenntnis selbst unhaltbar. Indem Nelson von vornherein davon ausgeht, daß der Begriff Erkenntnis möglich sei, folgert er aus der Unendlichkeit des Beweises die Existenz einer unmittelbaren Erkenntnis. Aber gerade das Umgekehrte ist richtig. Die Widerspruchsvolligkeit und Unmöglichkeit des Begriffes der unmittelbaren Erkenntnis zeigt i n Verbindung m i t der Unendlichkeit des Beweises, daß der Begriff Erkenntnis selbst dialektisch ist 2 1 ." W i r müssen aber die Sache Satz für Satz durchgehen, nicht nur, u m Referat und Ross' Gedanken zu trennen, was weitgehend durch M u t maßungen erledigt werden muß, sondern die unheilvolle Vermischung von Wahrem und Falschem deutlich zu machen: „Die unmittelbare Erkenntnis soll die in sich 0 gewisse Erkenntnis sein." W i r fragen: Ist das Referat über Nelson? Dann ist es falsch; denn die Behauptung von „ i n sich gewisse Erkenntnis" kommt bei Nelson, auch nicht i n seiner K r i t i k der praktischen Vernunft, vor, sondern da heißt es z.B.: „die unmittelbare Erkenntnis ist eine solche, die an und für sich gewiß 0 ist, die also ihre Gewißheit nicht erst von etwas außer i h r entlehnt. W i r können diesen Sachverhalt aussprechen als den Grundsatz des Selbstvertrauens der Vernunft auf die Wahrheit ihrer unmittelbaren Erkenntnis. Es gilt nur, diesen Sachverhalt ins Auge zu fassen, u m sich der Forderung einer Begründung der unmittelbaren Erkenntnis zu entledigen. Denn das, wofür hier eine Begründung verlangt werden könnte, trägt ja von vornherein schon den Charakter der Gewißheit an sich 22 ." Was Nelson hier als Philosoph behauptet, ist der einfache und selbst zu beobachtende Sachverhalt (Nelson gebraucht die Bezeichnung „Sachverhalt"), daß Erkenntnis psychisch begleitet ist von Gewißheit (Gewißheitserleben), nicht aber umgekehrt jedes Gewißheitserleben schon Anzeichen für das Vorliegen einer Erkenntnis ist; Gewißheit kennt (unterschiedliche) Grade und erreicht ihren höchsten, wenn überhaupt, durch Erkenntnis. Als Philosoph hat er diese Behauptung nicht zu rechtfertigen; er wäre auch als solcher nicht widerlegt, wenn einer von sich sagen könnte, er habe eine Erkenntnis, nicht aber die Gewißheit: 21 22
Ross 376/377. Nelson I V , 51.
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3 Ethik und
echtslehre als Wissenschaft
das Psychische, das Erleben der Gewißheit kann blockiert sein. Ζ. B. bei einer äußeren Wahrnehmung: wer seinen i m Kriege vermißten und totgeglaubten nahen Verwandten plötzlich, d. h. gegen alle Erwartung seinerseits, i n einer Menschenmenge sieht, ist geneigt, seiner Wahrnehmung zu mißtrauen. Oder erkenntniskritisch: w i r hatten als Student i n einem Seminar eine genau den Sachverhalt treffende Bemerkung eines Freundes hinzunehmen „Sie haben mich widerlegt, aber nicht überzeugt"; später kam er und sagte: „Jetzt bin ich auch überzeugt!" — Dies zu deuten, ist daher Sache der Psychologie; ζ. B. Lersch: „Der Charakter der Feststellung, den jedes Urteil hat, äußert sich subjektiv i n der Gewißheit, der Überzeugung. Wenn ein Aussagesatz ohne Überzeugung nachgesagt wird, so ist dies kein Urteil im psychologischen Sinne° Die Gewißheit, von der ein Urteil getragen wird, kann freilich verschiedene Grade haben von Für-Wahr-Halten über das Für-Wahrscheinlich- oder Für-Möglich-Halten bis zur Vermutung 2 8 ." Philosophisch sind nur zu klären die Möglichkeitsbedingungen für Gewißheit (Gewißheitserleben) und diese ist, wenn überhaupt, Erkenntnis: welch' größere Gewißheit als die durch Erkenntnis sollte ich erlangen können (Nelson)? — Ob ich Gewißheitserleben habe oder nicht, ist dann, d. h. nach Klärung der Möglichkeitsbedingung, eine nur für den Einzelnen empirisch psychologisch zu beantwortende Frage. Ist dieser Satz „Die unmittelbare Erkenntnis soll die i n sich gewisse Erkenntnis sein" dagegen eine Behauptung von Ross, so wissen w i r nicht anzugeben, was nach Ross „die in sich 0 gewisse Erkenntnis" bedeuten soll: meint er psychisch größere Gewißheit als die durch Erkenntnis vermittelt erlangen zu können, verfällt er m i t dieser Behauptung der philosophischen K r i t i k von Nelson, seine Behauptung ist falsch; meint er dagegen, daß tatsächlich jede Erkenntnis m i t dem Gewißheitserleben verbunden sein müsse, entscheidet er apodiktisch über das, was nur empirisch, genauer empirisch psychologisch entschieden werden kann, seine behauptete Apodiktizität ist falsch, mag die Behauptung als assertorische noch gerechtfertigt werden können (was freilich Ross nicht für erforderlich erachtet: er begründet diese assertorische Behauptung jedenfalls nicht). 3.2.2 Alf Ross* Angriff auf Nelsons „Prinzip der Abstraktion vom numerischen Unterschied der Personen"
Den Angriff, den Ross gegen die Formulierung des Sittengesetzes bei Nelson startet, ist zunächst auf das „Prinzip der Abstraktion vom numerischen Unterschied der Personen" gerichtet; dieses Prinzip besteht 23
Lersch, P h i l i p : A u f b a u der Person 8 , München 1962, S. 443.
3.2 A l f Ross* „ K r i t i k der sog. praktischen Erkenntnis"
111
darin, den Umstand zu vernachlässigen, daß jedes Interesse immer das Interesse einer Person ist als den Umstand, der für die ethische Beurteilung entscheidend sein könnte. M i t anderen Worten: Dem Umstand, daß ein einzelnes Intereses zufälligerweise das des A ist, kommt für die ethische Beurteilung Bedeutung nicht zu. Oder noch einmal anders formuliert: Der Umstand, daß ein einzelnes Interesse zufälligerweise das des A ist, macht dieses Interesse gegenüber anderen noch nicht vorzugswürdig. Wenn überhaupt Interessen untereinander abgestuft werden können hinsichtlich ihrer Vorzugswürdigkeit eines Interesses vor einem anderen, dann nur aufgrund der Interessen selber, nicht aufgrund des Umstandes, daß (generell) jedes Interesse immer das Interesse einer Person ist, jedes faktische Interesse, das i n der Welt vorkommt, immer auch das einer tatsächlichen bestimmten Person ist. Das und nichts anderes besagt Gleichheit, nämlich der Interessen-BerücJcsichtigung i m Rahmen der Abwägung unter Ausklammerung des U m standes, daß die Interessen, die berücksichtigt werden, die des B, C usw. sind 2 4 . Das greift nun Ross gerade an: „ A l l e Bestimmtheiten sind qualitativ. Die Aufforderung, sich die nur numerischen Bestimmtheiten als aufgehoben vorzustellen ist deshalb sinnlos. Sie läßt sich auch nicht i n die Forderung umdeuten, sich die individuellen Bestimmtheiten der Wirklichkeit als aufgehoben vorzustellen. Denn die Wirklichkeit kennt keine Zweiteilung der Bestimmtheiten i n individuelle und generelle. Das Wirkliche als solches läßt sich nur durch die Anschauimg bestimmen und ist deshalb notwendigerweise individuell bestimmt. Alle Bestimmtheiten eines wirklichen Objektes müssen deshalb sowohl qualitativ als individuell sein." „Die Voraussetzung dafür, daß ich m i r eine ,A zugehörige 4 Bestimmtheit als auch ,B zugehörig' vorstellen kann, ist wie klar ersichtlich die, daß die Bestimmtheit als kraft ihrer selbst gegeben vorstellbar ist, und zwar derart, daß das Suffix A zugehörig nicht etwa einen Teil der Bestimmtheit selber bezeichnet, sondern die Relation ausdrückt, i n der die Bestimmtheit zu A steht. (,Die Auffassung von dem Gesetz der Schwere' ist vorstellbar an sich, ungeachtet, wer sie ,hat'). Sonst wäre die Aussage, daß As Bestimmtheit Bs Bestimmtheit sei, ein Widerspruch i n sich. Soll ich m i r aber vorstellen, daß As Interesse auch Bs sei, muß ich m i r das Interesse selbst oder seinen Inhalt vorstellen können, ungeachtet, wer es ,hat'. Aber dies ist unmöglich. ,As Interesse an der Erhaltung des Lebens' läßt sich nicht analog m i t ,As Auffassung von dem Gesetz der Schwere' als ein gewisses objektives »Interesse an der 24
Westermann
R 139.
112
3 Ethik und
echtslehre als Wissenschaft
Erhaltung des Lebens 4 verstehen, das dadurch zum Interesse As wird, daß A es ,hat 4 . Denn das Interesse ist auch seinem Inhalt nach das Interesse As; es ist das Interesse an der Erhaltung des eigenen Lebens As. Aber dies Interesse ist unvorstellbar als Interesse Bs. Es ist denkbar, daß Β an der Erhaltung ,seines eigenen Lebens, des Lebens Bs 4 interessiert ist oder an der Erhaltung ,des Lebens As 4 , nie aber an der Erhaltung ,seines eigenen Lebens, des Lebens As 4 . Die Unmöglichkeit, sich das Interesse As als Interesse Bs vorzustellen, beruht also darauf, daß das Interesse — i m Gegensatz zur ,Auffassimg 4 — seinem Wesen nach subjektzugehörig ist; das Interesse ist Interesse an etwas als ein Gut für ein Subjekt 2 5 . 4 4 Der Gewaltspruch von Ross, alle Bestimmtheiten seien qualitativ, ist noch kein Einwand gegen die numerische Bestimmtheit i m Sinne von Nelson; auch erhebt Nelson nicht die Forderimg, „ich solle m i r vorstellen, daß As Interesse auch Bs Interesse 44 sei; wenngleich wohl eingeräumt werden muß, daß ich m i r „das Interesse selbst oder seinen Inhalt vorstellen können muß, ungeachtet, wer es ,hat 444 . — Jedoch ist der eine Satz nicht die notwendige Folge des anderen. Und was von dem einen als unmöglich behauptet w i r d und auch unmöglich ist, muß daher noch nicht vom anderen ebenso wahr sein. E i n genaueres Nachlesen bei Nelson, und zwar nur ganz weniger Sätze, hätte es bedurft, den vermeintlichen „Widerspruch i n sich44 als Mißverständnis zu erkennen. I m Sittengesetz lautet die Formulierung, u. E. hier genau von Nelson gesetzt, gerade dahingehend, daß die Interessen anderer, nämlich diejenigen, die von meiner Handlungsweise betroffen wären, so zu berücksichtigen seien, wie „wenn die Interessen der von i h r betroffenen auch meine eigenen wären 44 , nicht etwa, wie immer wieder fälschlicherweise behauptet wird, ζ. B. i n einer Formulierung wie „wenn die Interessen der von i h r betroffenen auch die deinen wären 44 . Darin ist Ross zuzustimmen, daß es unmöglich ist, daß As Interesse auch meines ist. 3.2.3 Alf Ross' Interpretation „moralischer Phänomene"
Für Ross läßt sich „die Frage, was Wert oder Pflicht überhaupt ist, nicht beantworten, w e i l sie i n Wirklichkeit eben keinen Sinn hat 4 4 2 6 . Dennoch fragt Ross, „welche Realitäten dem Anschein der Rationalisierung tatsächlich zugrunde liegen 4 4 2 7 . U n d er meint, daß „die Wertethik und die Pflichtethik Rationalisierungen des Erlebens gewisser uninteressierter Impulse sind . . . die dem Individuum durch wieder25 28 27
Ross 360/361. Ross 430. Ross 442.
3.3 Poppers Einwendungen gegen die E t h i k als Wissenschaft
113
holte, suggestive Beeinflussung i n den jungen Jahren beigebracht und dann auf die entsprechenden äußeren Umstände übertragen (conditioned, ,bedingt') worden sind, so daß sie nun als spontane Gewohnheitsimpulse auftreten. . . . Moralische Phänomene sind die in einer gegebenen Gesellschaft vorkommenden, durch Erziehung eingeimpften, gewohnheitsmäßig befestigten Verhaltenseinstellungen von uninteressiertem Charakter, sowie deren äußerer Ausdruck". „Aber läßt sich eine solche Definition rechtfertigen?" — fragt Ross unmittelbar. Die Richtigkeit der Definition einmal unterstellt, beweist jedoch nichts i n Bezug auf die Möglichkeit praktischer Erkenntnis: denn der Aufweis durch Genese von Verhaltenseinstellungen als durch Erziehung eingeimpft, gewohnheitsmäßig befestigt etc. behauptet lediglich deren empirisch-psychologisches Zustandekommen, macht aber nichts i n Bezug auf den Inhalt, die Prinzipien, nach denen erzogen wird, die Normen, die den Verhaltenseinstellungen zugrunde liegen, deutlich. Die empirisch-psychologisch nicht zu leugnende Tatsache, daß nach einander widersprechenden Prinzipien erzogen werden kann, ist also nur der Nachweis der Möglichkeit von Manipulation, nicht aber Argument gegen die Möglichkeit praktischer Erkenntnis. Daß Ross letztendlich aus der Gleichartigkeit i n der Entstehung von „Verhaltenseinstellungen" die Gleichartigkeit des Gegenstandes folgert, kann bei den wenigen, hier aufgezeigten Inkonsequenzen kaum verwundern: „die i m üblichen Sinne moralische Regel: du darfst nicht fluchen! und die grammatische Regel: Stein heißt i n der Mehrzahl Steine" werden auf vollständig gleiche Weise dem Kinde eingeprägt, weshalb auch angenommen werden muß, daß die daraus resultierenden Verhaltenseinstellungen des Kindes als gleichartig empfunden werden müssen.. ." 2 8 . 3.3 Poppers Einwendungen gegen eine Ethik als Wissenschaft im Zusammenhang mit seiner Entscheidung zur Rationalität Es wäre eine Untersuchung wert, bei Albert nachzuweisen, inwieweit dessen Vermengung von „theoretischer und praktischer Vernunft" aus dem Mißverständnis von Poppers Ausführungen erklärbar ist. „Die Idee der K r i t i k " schließt Albert jedenfalls m i t den Sätzen: „Die Theorie der Erkenntnis und damit auch die Wissenschaftslehre ist eine Theorie dieser Praxis, die methodische Gesichtspunkte für rationale Entscheidungen liefert. Wenn die Erkenntnis aber ein Teil der menschlichen Praxis ist, dann hat es keinen Sinn, zwischen theoretischer und praktischer Vernunft zu unterscheiden und zwischen Erkenntnis und Entscheidung einen Gegensatz zu konstruieren, wie es von einer Erkennt28
Ross 443.
8 Westermann
114
3 Ethik und
echtslehre als Wissenschaft
nislehre her plausibel erscheint, die die Erkenntnis als Offenbarung der Vernunft oder der Sinne, also als Ergebnis einer Schau, auffaßt. Es geht i n der Erkenntnistheorie und i n der Wissenschaftslehre, soweit sie methodologischen Charakter hat, um den Versuch, die Rationalität der Entscheidungen und damit der menschlichen Praxis i n einem bestimmten Bereich des sozialen Lebens zu fördern, indem sie relevante K r i t i k i n diesem Bereich möglich macht. Damit w i r d aber eine Rationalitätskonzeption entworfen, die, wie sich zeigen wird, Konsequenzen für alle Bereiche des sozialen Lebens haben dürfte 2 9 ." Es könnte interessant sein, i m Sinne einer soziologisch-philosophischen Ideologiekritik durch Popper nachzuweisen, wie Albert zu solchen Aussagen kommt, — verständlicher formuliert, die Frage beantworten, woher die Irrtümer stammen. Denn auch Popper findet sich nicht durch, eine Begründung für seinen „kritischen Rationalismus" zu geben (die doch so einfach wäre 3 0 ), anstelle (bestenfalls) Motive für seine Wahl zu nennen, die noch dazu „auf einer irrationalen Entscheidung beruht" 3 1 , „ w i r können es einen irrationalen Glauben an die Vernunft nennen" 3 2 . Und Albert beruft sich u. a. auf Popper, ζ. B. auf so merkwürdig schillernde Sätze wie (wir zitieren den Zusammenhang): „Es ist zwar sicher unmöglich, die Richtigkeit irgendeines ethischen Prinzips zu beweisen oder zu seinen Gunsten so zu argumentieren, wie w i r es i m Falle einer wissenschaftlichen Behauptung tun. Die Ethik ist keine Wissenschaft. Aber obgleich es keine rationale wissenschaftliche Basis für die Ethik gibt, gibt es doch eine ethische Basis der Wissenschaft und des Rationalismus 3 3 ." 3.3.1 Poppers Gebrauch ethischer Begriffe
Popper ist zwar nicht wesentlich ethisch interessiert, geht jedoch bei seiner Entscheidung zum kritischen Rationalismus m i t ethischen Begriffen um: „Ich habe versucht, jene Konsequenzen des Rationalismus und des Irrationalismus zu analysieren, die mich zu meiner Entscheidung für den Rationalismus veranlaßt haben. Ich möchte wiederholen, daß diese Entscheidung hauptsächlich eine moralische Entscheidung ist. Es ist die Entscheidung, sich an die Vernunft zu binden. Das unterscheidet die beiden Ansichten; denn auch der Irrationalismus w i l l die Vernunft 29
Albert 54. Vgl. unseren systematischen T e i l 1, speziell 1.8 u n d zusammenfassend 1.9. 31 Popper, K . R.: Die offene Gesellschaft u n d ihre Feinde, Bern 1957, zwei Bände; zitierweise: Popper — Band — Seitenzahl, hier I I 285. 32 Popper I I 284. 33 Popper I I 293, A l b e r t Fn. 17 auf Seite 40, der mißverständlich überhaupt n u r den letzten Satz unserer Zitierung wiedergibt, so daß er f ü r sich allein u. E. ganz unverständlich bleibt. 30
3.3 Poppers Einwendungen gegen die E t h i k als Wissenschaft
115
verwenden, aber ohne jedes Gefühl der Verpflichtung; er w i l l sie verwenden und fallenlassen, wie es i h m gerade beliebt. Ich glaube jedoch, daß die einzige Einstellung, die ich als richtig i m moralischen Sinn bezeichnen kann, eine Einstellung ist, die anerkennt, daß w i r es den anderen Menschen schulden, sie und uns selbst als vernünftige Wesen zu behandeln 34 ." Eine Klärung dessen, was moralisch heißt, finden w i r aber an dieser Stelle nicht; die Konfrontation m i t der Tradition immerh i n von Kant, Fries und Nelson ergibt keinen Sinn: eine Handlung ist moralisch, sofern sie m i t der Pflichtüberzeugung des Handelnden übereinstimmt, ohne Rücksicht darauf, ob die Überzeugung wahr oder falsch ist 3 5 . Aber auf das Moralische einer Entscheidung kommt es doch gar nicht für die Wissenschaft an 3 6 , mag es den Psychotherapeuten, der meine Willensstärke erforscht, interessieren; denn (um Popper selbst zu zitieren): „Es gibt keine Methode, die für die Philosophie charakteristisch oder wesentlich ist 3 7 ." (Was w i r füglich bestreiten m i t dem Hinweis auf die kritische Methode i n ihrer Bedeutung für die Grundlegung der einzelnen Wissenschaften; Popper spricht insoweit fälschlich von „Annahmen", die es i n den einzelnen Wissenschaften sein können, weil diese sie nicht zu begründen unternehmen, was aber die kritische Methode versucht). „Und um das Wachstum unseres Wissens zu studieren, studiert man am besten das Wachstum der Wissenschaft 38." (Also gerade nicht die moralische Entscheidung des einzelnen Wissenschaftlers, die zwar moralisch, aber falsch sein kann.) 3.3.2 Poppers: „Die Ethik ist keine Wissenschaft"
„Es ist zwar sicher unmöglich, die Richtigkeit irgendeines ethischen Prinzips zu beweisen", weil Prinzipien nicht beweisbar sind (sie wären sonst nicht Prinzipien): was Popper von ethischen Prinzipien behauptet, gilt nicht nur von diesen, sondern von allen Prinzipien. Zieht er daraus allein den Schluß auf die Unmöglichkeit der Ethik als Wissenschaft: „Die Ethik ist keine Wissenschaft", so ist der Schluß unvollständig, denn er behauptet mehr: Es gibt keine Wissenschaft. Sodann übersieht Popper, daß es auf das Beweisen für Wissenschaft nicht so sehr ankommt, da nicht alle Urteile bewiesen werden können 3 9 , 34
Popper I I 296. Vgl. Westermann R 27: die dort unterschiedenen Sachverhalte sind disj u n k t i v vollständig u n d daher nicht angreifbar; über den Wortgebrauch lohnt es sich nicht zu streiten. 36 F ü r den Bereich der E t h i k : „denn b i n ich etwa i n meinem Recht v e r letzt, so tröstet es mich wenig, zu erfahren, der andere habe wenigstens moralisch gehandelt, d. h. f ü r diesen F a l l nach seiner Pflichtüberzeugung, die falsch war, mich behandelt". Westermann E 128/129. 37 Popper, L o g i k der Forschung X V I . 38 Popper, L o g i k der Forschung X V I I . 35
8*
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3 Ethik und
echtslehre als Wissenschaft
es sei denn, er wolle die Unmöglichkeit von Wissenschaft behaupten (was er füglich weder durch Beweis noch anderweit begründen könnte); er hält aber doch „wissenschaftliche Behauptungen" für möglich. W i r können also durchaus einräumen, daß Prinzipien nicht beweisbar sind; daraus folgt aber für die Möglichkeit der Wissenschaft, und auch der ethischen Wissenschaft, nichts, — es sei denn, man nimmt stillschweigend als Prämisse den Satz von der Beweisbedürftigkeit aller Urteile an (der freilich falsch ist). Einen Rettungsanker könnte man daher nur dadurch konstruieren, daß man „zu seinen (des ethischen Prinzips) Gunsten argumentieren", wegen der „oder"-Anknüpfung, interpretiert als jedenfalls „nicht beweisen", denn sonst ist ein Widerspruch die Folge; abgesehen davon, daß w i r mit einer solchen Interpretation dem Sprachgebrauch Gewalt antun (antun müssen, u m das angebotene Argument überhaupt zu retten), da Argumentieren doch wohl durch Urteile erfolgt (womit w i r dann zugunsten ethischer Prinzipien Urteile angeben, was man bislang eben Beweisen nennt: Zurückführung von Urteilen auf Urteile mittels Folgerungsprinzips, Schlußes); es bleibt dann eine bloße Behauptung übrig, daß ein Begründen ethischer Prinzipien, das nicht Beweisen ist, unmöglich, sonstiger Prinzipien, d. h. außer den ethischen, durchaus möglich ist. — Die Plausibilität des „Die Ethik ist keine Wissenschaft" ist also erschlichen. 3.3.3 Poppers „fundamentale moralische Entscheidung zum kritischen Rationalismus"
Popper bleibt dabei, daß „Argumente eine derart fundamentale moralische Entscheidung", nämlich die für „den »kritischen Rationalismus'" „nicht determinieren. Aber daraus folgt nicht, daß es keine A r gumente gibt, die uns bei unserer Wahl behilflich sein können. I m Gegenteil: Angesichts einer mehr abstrakten sittlichen Entscheidung ist es immer hilfreich, wenn man sorgfältig die Folgen analysiert, die wahrscheinlich aus den möglichen Alternativen hervorgehen werden. Denn nur wenn w i r uns diese Folgen i n einer konkreten und praktischen Weise vor Augen führen können, nur dann wissen w i r wirklich, wofür w i r uns entscheiden; andernfalls entscheiden w i r b l i n d " 4 0 . Hier geht schon einiges durcheinander: Argumente determinieren nie meine Entscheidung, selbst dann nicht, wenn ich sie als richtig erkannt habe; ich kann mich für sie, aber auch gegen sie entscheiden, ganz unabhängig von der Frage, ob sie wahr sind oder nicht. Bei der Wahl behilflich sein können uns allerdings nur wahre Argumente, wenn w i r voraussetzen, daß diese uns zu einer Entscheidung führen können, die 80 40
Vgl. oben 1.2. Popper I I 285/286.
3.3 Poppers Einwendungen gegen die E t h i k als Wissenschaft
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richtig ist. Daß es u. a. auch richtige Entscheidungen gibt, setzt Popper hier voraus, sonst brauchte er nicht wahre Argumente zu bemühen, „die uns bei unserer Wahl behilflich sein können": von falschen Argumenten gilt dies gerade nicht, sie können uns wohl nicht bei unserer Wahl behilflich sein (hiermit ist nichts behauptet darüber, daß falsche A r g u mente unsere Wahl nicht leiten können, schon gar nicht dieser Tatbestand etwa geleugnet: nur ,behilf lieh', hilfreich sind solche falschen Argumente nun wohl nicht!). — Eine ganz andere Frage ist es, welche Folgen eine Entscheidung hat, und, ob ich diese sehe; sofern ich sie sehe, können diese mich zur Aufgabe meiner Entscheidung veranlassen, wenn ich diese Folgen nicht w i l l . 3.3.4 Poppers „Verdikt des Gewissens"
Alberts MißVerständnis hat wahrscheinlich seinen Ursprung bei Popper: „Die Analyse der Konsequenzen einer Sittenlehre i n der Vernunft und i n der Vorstellung hat eine gewisse Analogie i n der wissenschaftlichen Methode. Denn auch i n der Wissenschaft nehmen w i r eine abstrakte Theorie nicht deshalb an, weil sie i n sich selbst überzeugend ist; w i r entschließen uns vielmehr, sie anzunehmen oder abzulehnen, nachdem w i r jene konkreten und praktischen Folgen untersucht haben, die einer mehr direkten Überprüfung i m Experiment zugänglich sind. Aber es besteht ein grundlegender Unterschied. I m Falle einer wissenschaftlichen Theorie hängt unsere Entscheidung von den Ergebnissen der Experimente ab. Wenn diese Experimente die Theorie bestätigen, so behalten w i r sie bei, bis w i r eine bessere gefunden haben. Wenn die Experimente der Theorie widersprechen, dann verwerfen w i r sie. Aber i m Falle einer moralischen Theorie können w i r ihre Folgen nur m i t unserem Gewissen konfrontieren. Und während das Verdikt der Experimente von uns (un-) 4 1 abhängig ist, hängt das Verdikt des Gewissens von uns selbst ab 4 2 ." I m Falle einer moralischen Theorie können w i r ihre Folgen nicht mit der Wirklichkeit konfrontieren, sofern eine moralische Theorie sagt, was sein soll: einen Widerspruch zu dem, was ist, kann sich eine Theorie, die sagt, was sein soll, durchaus leisten. Wenn w i r sie also, nach Popper, nur m i t unserem Gewissen konfrontieren können, dann wohl deshalb, weil das Gewissen, ebenso wie die moralische Theorie, sagt, was sein soll: Ausspruch des Gewissens und Ausspruch der Theorie könnten nun einander widersprechen. Damit, sollte man meinen, müßte 41 Der eingeklammerte Zusatz steht nicht bei Popper; offensichtlich handelt es sich u m einen Druckfehler durch Auslassung; der Satzbau spricht f ü r einen Gegensatz, der K o n t e x t steht u . E . i m Einklang m i t unserer E r gänzung. 42 Popper I I 286/287.
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3 Ethik und
echtslehre als Wissenschaft
dann Popper wohl enden, wenn die Ethik keine Wissenschaft ist. Aber nun verführt i h n „eine gewisse Analogie i n der wissenschaftlichen Methode" doch: „ I m Falle der wissenschaftlichen° Theorie hängt unsere Entscheidung von den Ergebnissen der Experimente ab." Das heißt, die Wahrheit der Urteile einer „abstrakten Theorie" über das, was ist, hängt von dem ab, was ist. Das ist bei den Urteilen „einer moralischen Theorie" nicht der Fall. Wählt man nun den Sprachgebrauch so, daß alle Urteile, die sich an dem, was ist, nicht messen lassen, auch nicht wissenschaftlich sind, dann hat man eine „wissenschaftliche moralische Theorie" als Widerspruch i n sich aus der Betrachtung hinauskatapultiert. W i l l Popper wirklich so vorgehen, dann müssen w i r an i h n die Frage stellen, warum er dann noch eine Konfrontation der moralischen Theorie mit unserem Gewissen sucht? Abgesehen hier noch davon, an was das als Voraussetzung erwiesene Urteil gemessen werden soll; denn als wahres Urteil muß es einen Grund haben. Oder sollte es am Ende nur eine Sprachregelung (Nominaldefinition) sein? Dann folgt aber nichts aus ihr — und schon gar nichts i n Bezug auf Ethik als Wissenschaft. Das Verdikt der Experimente ist von uns unabhängig; u m es als solches für eine „wissenschaftliche Theorie" zu verwenden, müssen w i r es erkennen. Der Inhalt der Erkenntnis (der Sachverhalt) ist unabhängig von seinem Erkanntsein, das Erkennen selbst ein psychischer A k t . Dagegen: das Verdikt des Gewissens hängt von uns selbst ab. Was kann das heißen? Daß diese Gewissensregung (Popper müßte genauer nicht vom Verdikt des Gewissens, sondern unseres Gewissens, oder, jedes einzelnen Gewissens sprechen) wieder etwas Psychisches ist, ein psychischer A k t , kann noch nicht den Inhalt des Gewissens verdächtig machen, denn das teilt die Gewissensregung m i t dem Erkenntnisakt; wer so schließt, würde alles Erkannte eben dadurch, daß es erkannt ist, zu Psychischem machen wollen (obwohl selbst das schon versucht worden ist: der Selbstwiderspruch ist dann unvermeidlich, als Nicht-Psychisches könnte dieser Sachverhalt nicht erkannt werden, als Erkanntes wäre er Psychisches und, der Behauptung gemäß, eben nichts Erkanntes — i m sprachüblichen Sinne und gerade i m Unterschied zu Psychischem). Das w i l l aber Popper gerade nicht; denn das Verdikt der Experimente dient i h m zur „Bestätigung" der Theorie. Was aber sonst macht das Gewissen, das von uns, wie w i r gesehen haben, nicht anders abhängt als die Erkenntnis (genauer: der Erkenntnisakt, i m Gegensatz zum Inhalt) — es sind psychische Akte, — verdächtig? Offensichtlich meint Popper, der Inhalt des Gewissens, der Gewissensausspruch hängt von uns selbst ab. Aber das müßte doch wohl erst gezeigt werden. A l l e i n der Hinweis auf einander widersprechende Aussprüche des Gewissens verschiedener Personen beweist insoweit noch gar nichts; es
3.3 Poppers Einwendungen gegen die E t h i k als Wissenschaft
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handelt sich um Behauptungen, Urteile, die wahr, aber auch falsch sein können, ebenso wie Urteile darüber, etwas erkannt zu haben. Der Hinweis auf Irrtümer i m Bereich des Urteilens über Theoretisches läßt uns, abgesehen davon, daß w i r die Irrtümer als solche nur erkennen können, wenn w i r Theoretisches erkennen können, nicht dem Skeptizismus verfallen, — warum dann immer diese Entmutigung bei I r r tümern i m Bereich des Urteils über Praktisches (theoretisch und praktisch i m Sinne Kants)? N u r der Nachweis, daß Gewissen eine Empfindung (nicht ein Gefühl) sei, wäre ein Einwand gegen ethische Erkenntnis, die sich i m Gewissen ausspricht: aber der Nachweis steht bisher, soweit w i r die Literatur zu überblicken vermögen, noch aus. Denn dann behauptet der Ausspruch des Gewissens nichts weiter als die Existenz einer bestimmten Empfindung zu einer bestimmten Zeit, wie ζ. B.: ich habe Hunger, ich bin verstimmt; es w i r d weder behauptet, daß ein anderer (als der Behauptende) Hunger hat oder verstimmt ist, noch, daß er Hunger haben soll oder verstimmt zu sein hat. Und das ganz und gar i m Unterschied zum Ausspruch des Gewissens, der nicht nur etwas über mich behauptet, sondern darüber hinaus behauptet, daß etwas sein soll oder nicht sein soll: Ob dieser Ausspruch (diese Behauptung) zurecht besteht, wahr ist, und sich begründen läßt, ist eine andere Frage. Vergleichen w i r nun unsere gefundene Interpretation des Satzes, daß das Verdikt des Gewissens von uns selbst abhängt, nämlich: es sei eine Empfindung, die nichts weiter behauptet als daß ich sie habe — das Gewissen ist also insonderheit nicht Ausspruch einer Erkenntnis (was ethischen I r r t u m i m Gewissensausspruch nicht ausschließt: das w i r d oft verkannt) —, m i t der Aufforderung, dieses Verdikt des Gewissens m i t „einer moralischen Theorie" zu konfrontieren, so wissen w i r nicht, was das noch heißen soll: die „moralische Theorie" würde sagen, dieses und jenes soll sein, anderes soll nicht sein; der so interpretierte (insonderheit nicht als Erkenntnis erfaßte) „Gewissensausspruch" steht nun entweder i m Einklang m i t den Sätzen der Theorie oder nicht, was soviel heißt: A empfindet auch so, wie die Theorie sagt, daß es sein soll, — oder: A empfindet nicht so, wie die Theorie sagt, daß es sein soll. Aber daraus folgt nichts! Es sei denn, man unterscheidet Empfindung und Gefühl (im Anschluß an Kant und i m Sinne von Fries als A k t der Urteilskraft) und unterschiebt insgeheim dem Gewissensausspruch doch (wieder) Erkenntnisbedeutung. Die „wissenschaftliche Theorie" w i r d durch die Ergebnisse der Experimente als Erkanntem bestätigt, gegebenenfalls widerlegt; die „moralische Theorie" könnte zwar nicht durch Experimente bestätigt oder widerlegt werden, da diese sagen und bestätigen, was ist, — was ist, kann weder zur Bestätigung noch Widerlegung dessen, was sein soll, herangezogen werden. Daraus folgt aber
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3 Ethik und
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nicht, daß das, was sein soll, nicht erkannt werden könnte. Eine Konfrontation einer Theorie, auch einer moralischen, ist nur dann sinnvoll, wenn ich sie m i t Erkenntnis konfrontiere; ist der so interpretierte „Gewissensausspruch", und zwar prinzipiell, nicht Erkenntnis, sondern lediglich Empfindung, ist die Konfrontation sinnlos. U m so erstaunter müßten w i r nun sein, wenn w i r (nur auszugsweise) die Ausführungen von Popper nur zwei Absätze weiter lesen — und sind es doch nicht, weil w i r zu oft i m Alltag und i n der philosophischen Literatur, einschließlich der rechtsphilosophischen, erfahren haben, daß gerade die Gegner ethischer Erkenntnis, die diese ihre Behauptung doch auch erst begründen müßten, daß es ethische Erkenntnis nicht gibt — und die landläufigste Begründung m i t dem Hinweis auf die unterschiedlichen Aussprüche verschiedener Gewissen, die auch noch manipuliert werden können, taugt hierfür am wenigsten, — nicht i m geringsten bereit sind, m i t dieser von ihnen behaupteten Erkenntnis ernst zu machen, indem sie die Konsequenzen ziehen und fürderhin das Rechtsvokabular von Recht und Pflicht, Verbrechen und Unrecht vermeiden und auch die Diskussion über ihre diesbezüglichen Empfindungen, jedenfalls i m Rahmen der Wissenschaft, einstellen, (von ihrem Verhalten i m A l l t a g gar nicht zu reden). Dem ist aber nicht so: stattdessen begegnet uns hoher Ethos, dem w i r uns, so wie er vorgetragen wird, vorerst nur gefühlsmäßig verbunden wähnen, wo w i r doch Auflösung unserer Gefühle i n Urteile, denen Erkenntnisse zugrunde liegen, suchen, — eine Gesinnung, der aller Hinweis auf die widersprechenden Empfindungen nichts anzuhaben vermag und für die aus der Behauptung, ethische Erkenntnis gäbe es nicht, nichts folgt, die i n Bekenntnis ausartet dann, wenn Argumente zu versagen scheinen. So auch Popper; w i r lesen: „Der Irrationalist behauptet, daß Gefühle und Leidenschaften, aber nicht die Vernunft die Hauptquelle der menschlichen Handlungen sind." „Es ist meine feste Überzeugung, daß dieses irrationale Hervorheben von Gefühlen und Leidenschaften letzten Endes zu etwas führen muß, das man nur als ein Verbrechen bezeichnen kann. Diese Überzeugung läßt sich begründen durch den H i n weis, daß eine solche Einstellung (die bestenfalls bedeutet, daß man angesichts der irrationalen Natur menschlicher Wesen resigniert, i m schlechtesten Fall aber, daß man die menschliche Vernunft verachtet) zu einem Apell an die Gewalt und an gemeine Kraftanwendung als den letzten Richter i n jeder Auseinandersetzung führen muß 4 3 ." W i r gehen einig m i t Popper, unter bestimmten Voraussetzungen Gewaltanwendung abzulehnen; i n seiner Allgemeinheit ist der Satz jedoch schon wieder falsch. Oder würde Popper „Gewalt und gemeine 48
Popper I I 288.
3.3 Poppers Einwendungen gegen die E t h i k als Wissenschaft
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Kraftanwendung" auch dann ablehnen, wenn es um die Verhütung von „Verbrechen" oder auch Durchsetzung des „Rechts" geht, die unter U m ständen „Pflicht" 4 4 sein kann. — Und diese seine „feste Überzeugung hat Popper auch noch zu „begründen" unternommen; ist die Begründung am Ende gelungen, dann ist die Überzeugung wahr, aufs Überzeugtsein kommt es dann nicht mehr an: es wäre erkannt! Kehrt so der ganze Kreis der Überlegungen zur kritischen Methode wieder? Und welches ist dann noch die Bedeutung des „kritischen Rationalismus"? — „Die Grundhaltung des Rationalisten, das, ,ich kann mich irren und du magst recht haben'" 4 5 ist, abgesehen von der Selbstverständlichkeit für Verständige, nur ungeschickter Ausspruch des Selbstvertrauens der Vernunft, ohne das w i r I r r t u m nicht erkennen könnten, und der Erklärungsbedürftigkeit des Irrtums, m i t einem Wort: Ergebnis der kritischen Methode, die allerdings dies zu begründen unternimmt.
44 45
Popper ist es, der v o n Recht u n d Pflicht spricht, vgl. I I 292. Popper I I 295.
TEIL 4 Diskussion neuerer Ansätze zur Entwicklung und Rechtfertigung ethischer und rechtsphilosophischer Lehren, Untersuchungen zu Argumentationen und Begründungen in der Rechtstheorie und analytischen Philosophie, Moralphilosophie und Meta-Ethik, im Rechtspositivismus und in der Reinen Rechtslehre
4 Entwicklung und Rechtfertigung praktischer Lehren Nelson hat bereits das Prinzip der (rechtlichen 1 einerseits, sittlichen 2 andererseits) Allgemeingültigkeit aufgestellt und i h m jenes andere der (rechtlichen bzw. sittlichen) Differenzierung an die Seite gestellt. Die Stelle i m systematischen Aufbau ist die jeweils i n der formalen Rechtslehre bzw. Ethik, noch dazu des analytischen Teils: „Gemäß dem Prinzip der systematischen Strenge beginnen w i r m i t dem analytischen Teil unserer Wissenschaft, d. h. m i t den Sätzen, die nicht einmal die Existenz eines Sittengesetzes voraussetzen, die also selbst ohne diese Voraussetzung Geltung haben würden, ja zu deren Anerkennung die bloße Macht der Logik selbst denjenigen nötigt, der die Existenz eines Sittengesetzes leugnet 3 ." Ganz i m Sinne der herrschenden Zeitströmung referiert Hoerster, daß „ i n den letzten Jahren" „vor allem i n der angelsächsischen Philosophie, als Kriterien einer normativen Ethik zwei Prinzipien Aufmerksamkeit erregt" hätten: „R. N. Hares: ,Was irgend eine Person X nicht t u n sollte, sollte auch jede andere Person nicht tun, die sich i n gleichen Umständen wie X befindet' 4 , N. G. Singers: ,Man sollte nicht eine Handlung ausführen, deren allgemeine Ausführung schlechte Folgen hat' 5 ", bei denen es „sich u m die sog. Verallgemeinerungsprinzipien" 6 handle. 1
Nelson V I 55. Nelson V 52/53. 3 Nelson V 51. 4 Hare, R. M . : Freedom and Reason, O x f o r d 1963, S. 10 ff.; deutsch: Freiheit u n d Vernunft, Düsseldorf 1973. Sowie: der sr. Sprache u n d Moral, F r a n k f u r t 1973. 5 Singer, N. G.: Generalization i n Ethics, New Y o r k 1961; deutsch: V e r a l l gemeinerung i n der Ethik, F r a n k f u r t 1975, S. 23 ff., 25. 6 Hoerster, Norbert: Kants kategorischer I m p e r a t i v als Test unserer sittlichen Pflichten, i n : RpP I I 455 ff. 2
4.1 Kritische Methode u n d K r i t i k der praktischen Vernunft
123
Zum Letzteren ist hier vorsorglich schon zu bemerken, daß i n der K r i t i k Hoerster selbst schon einräumt, „ f ü r die Anwendung" dieser These sei „eine Kenntnis dessen" vorausgesetzt, „ w o r i n die gute bzw. schlechte Qualität von Konsequenzen zu erblicken ist". U n d dies sei nicht Gegenstand der Theorie selbst, sondern einer solchen der „Werturteile" 7 . Jedenfalls Hares Prinzip der Verallgemeinerung, das zwar systematisch i n den Aufbau einer Rechtslehre und Ethik als deren analytische Voraussetzung i n den jeweils formalen Teil gehört, ist als normatives Prinzip jedoch inhaltsleer, da es die Frage danach, was, i n welcher Situation auch immer, irgend eine Person t u n sollte, unbeantwortet läßt. Selbst wenn ich annehme, daß dieses ein ethisches Prinzip wäre, wüßte ich immer noch nicht, w o r i n der rechtfertigende Grund für das, was X t u n sollte, liegen könnte; ferner müßte ich wissen, u m X zu folgen, daß X auch das tut, was er t u n sollte. Für beides wäre aber erforderlich zu wissen, daß das, was nunmehr i n noch zufälliger Weise X i n einer bestimmten Situation nicht tut, aufgrund der Umstände der Situation zu rechtfertigen ist, oder niemals gerechtfertigt werden kann. A u f die Kenntnis dessen, was X t u t oder nicht t u n sollte, kommt es daher für mein begründetes ethisches Handeln gar nicht an. Aber hier sind dann alle Autoritätsmißverständnisse und i n einem überwiegenden Teil die K r i t i k an Entscheidungsinstanzen anbringbar, jedoch nur i n der Weise, daß man seinen eigenen implizierten I r r t u m als wissenschaftliche Leistung dann selber auch noch expliziert. 4.1 Kritische Methode und Kritik der praktischen Vernunft Die K r i t i k der praktischen Vernunft hat, i m Anschluß an Kant, die Aufgabe, den Existenznachweis praktischer Vernunft, d. h. praktischer Erkenntnis zu erbringen; ihre Methode ist der A u f weis eines Weges, der zu einer solchen Erkenntnis führen kann. Diese Behauptung ist nicht zu verwechseln m i t der, daß dieser Weg für jeden zu der Erkenntnis führen müsse: es ist dies doch eine apodiktische Behauptung, über die, nach den Umständen, nur empirisch entschieden werden kann (welche Erkenntnisse der einzelne hat, kann nur er und kann nur durch Selbst-Erfahrung entschieden werden; nicht zu verwechseln m i t der positivistischen Behauptung, jede nur immer mögliche Erkenntnis sei eine empirische, die selber w o h l nicht als positivistische verstanden werden kann) — ein Widerspruch, auf den hinzuweisen überflüssig erscheint, wenn man die Polemik von Dubislav, auf dessen Ausführungen doch immer wieder hingewiesen w i r d i m Rahmen der ethischen 7 Hoerster, Norbert: Utilitaristische E t h i k u n d Verallgemeinerung, burg 1971, S. 12/13.
Frei-
124
4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
Diskussion, außer acht läßt; Dubislav meint jedoch, daß „Deduktionen . . . stringente Begründungen" seien, „daß das, was durch sie begründet wird, damit für jeden Erkennenden als eine Erkenntnis qualifiziert ist" 8 , ein Irrtum, der schon dadurch erhellt wird, daß aus dem Umstand, daß Β etwas nicht erkennt, was aber A erkennt, i n Bezug auf die Erkenntnis des A nichts folgt; das Resultat ist dann nur: Β weiß dieses nicht, aber nicht: Es ist nicht so, wie es A behauptet (Fries). Zwei Ergebnisse der Erörterungen zur kritischen Methode sind wesentlich für den Bereich des Praktischen: Auch i n der Ethik steht i m Grund genommen das Begründungsproblem (vor allem i n analytischen Untersuchungen) i m Vordergrund, d. h. die Begründung ethischer Urteile; auch die Begründung ethischer Urteile kann nur durch Rekurs auf die ihnen zugrunde liegende, zuletzt unmittelbare Erkenntnis geschehen: sie ist Beweis, wenn die Zurückführung auf Urteile gelingt, sie ist Deduktion (im Sinne der kritischen Methode), wenn die Zurückführung auf eine unmittelbare Erkenntnis gelingt — oder eine Begründung ist überhaupt unmöglich; so behauptet Dubislav die Unbegründbarkeit der Forderungssätze 9 : hierfür wäre allerdings eine Begründung zu liefern. Die Argumentation von Dubislav ist i m einzelnen fehlerhaft; er schließt: w e i l Forderungssätze nicht wie Beobachtungssätze durch Beobachtung begründbar sind, gibt es keine wissenschaftliche Ethik. — Die gleiche logisch fehlerhafte Erschleichung fanden w i r bereits bei Popper. 4.1.1 Die Alternativen des Bestreitens von Forderungssätzen hinsichtlich ihrer Begründung
Hierfür bietet sich folgende Überlegung an: erstens — aus der Behauptung von Dubislav, er (Dubislav) könne Forderungssätze nicht begründen, folgt nichts i n Bezug auf die Möglichkeit der Begründung von Forderungssätzen durch andere (tatsächlich) oder die (prinzipielle) Möglichkeit, Forderungssätze zu begründen (möglich); zweitens — es könnte empirisch gesichert werden, daß es bisher keine Begründung von Forderungssätzen gegeben hat, daraus folgt nichts i n Bezug auf die (prinzipielle) Möglichkeit; drittens — wer die (prinzipielle) Unmöglichkeit der Begründung von Forderungssätzen behauptet, behauptet damit noch nicht ihre Grundlosigkeit, sondern bestreitet die Möglichkeit der Erkenntnis des Grundes; viertens — er kann auch die Grundlosigkeit behaupten. 8 Dubislav, Walter: Die Friessche Lehre von der Begründung. Darstellung u n d K r i t i k , Dömitz 1926, S. 81; hierbei handelt es sich nicht u m ein Redaktionsversehen, vgl. ders.: Z u r Methodenlehre des Kritizismus, Langensalza 1929, S. 32. 9 Dubislav, Walter: Z u r Unbegründbarkeit der Forderungssätze, i n : W e r t urteilsstreit, Darmstadt 1971, S. 454.
4.1 Kritische Methode u n d K r i t i k der praktischen V e r n u n f t
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Die beiden letzten Alternativen sind nun hinsichtlich der Möglichkeit ihrer Begründung interessant: es handelt sich u m apodiktische Urteile, die daher nicht empirisch begründet werden können. Da letztlich auch Beweise (als mittelbare Erkenntnisse) auf unmittelbare Erkenntnisse als Gründe für die Urteile, aus denen bewiesen wird, rekurrieren müssen (oder es gibt keine Begründung von Urteilen: zum Selbstwiderspruch des Satzes vgl. Einleitung Fn. 23), kann die Begründung der Leugnung der (prinzipiellen) Möglichkeit, die Unmöglichkeitsbehauptung der Begründung ethischer Urteile nur durch eine theoretische unmittelbare Erkenntnis nicht-anschaulicher A r t gelingen — oder überhaupt nicht gelingen. Es ist also nicht möglich, die Möglichkeit praktischer Erkenntnis zu leugnen, ohne eine theoretische Erkenntnis, die nicht-mittelbar und nicht-empirisch ist, d. h. die unmittelbar und nichtanschaulich ist, zu behaupten. Das übersieht ζ. B. Dubislav i n seinen angegebenen Arbeiten, — abgesehen von anderen Fehlern, z.B. der Verwechslung von „ i n d u k t i v " und regressiv bei seiner K r i t i k der Deduktion des Kausalprinzips: regressiv ist die A u f Weisung des Kausalprinzips i n den Beobachtungen als ihnen zugrunde liegend, induktiv die Verallgemeinerung der individuellen Beobachtungen, d. h. der Schluß von einem Satz über Beobachtbares m i t individuellen Merkmalen auf einen Satz über Beobachtbares aufgrund allgemeiner (Klassen-)Merkmale unter Voraussetzimg des Kausalprinzips (Induktion); verwechselt man diese Induktion m i t der Deduktion (immer i m Sinne der kritischen. Methode), und zwar der des Kausalprinzips, wobei Dubislav auch noch diese m i t einem Schluß, ζ. T. Beweis verwechselt, ist seine Behauptung, die Deduktion sei eine petitio principii (zirkulär), nur folgerichtig, der Schlußsatz jedoch falsch, da der Schluß eine falsche Prämisse enthält: Deduktion sei Induktion. 4.1.2 Die Voraussetzung der Leugnung praktischer Erkenntnis
Letztlich hat es also dabei sein Bewenden, daß (wenn überhaupt, was w i r bestreiten) die (behauptete) Erkenntnis (es ist u. E. ein Irrtum), praktische Erkenntnis könne es nicht geben (seien die ethischen Urteile immer noch solche, die nicht grundlos sind, w i r können die Gründe jedoch nicht erkennen), eine theoretische Erkenntnis ist (zumindest eine unmittelbare voraussetzt, wenn sie es nicht selbst ist), und eine apodiktische, m. a. W. das diese theoretische unmittelbare Erkenntnis wiederholende Urteil ist ein theoretisches synthetisches Urteil a priori, mit der Folge: es ist also nicht möglich, (mit Gründen) die Möglichkeit praktischer synthetischer Urteile a priori zu leugnen, ohne ein theoretisches synthetisches Urteil a priori zu behaupten.
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4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren 4.1.3 Bewußtsein, Konsens u n d K r i t e r i u m i m praktischen Bereich
Der Aufweis praktischer Erkenntnis i m einzelnen bedeutet nicht, daß jeder diese Erkenntnis bewußt hat; welche Erkenntnisse der Einzelne hat, ist nur empirisch entscheidbar (erfragbar). Die Antworten sind Urteile (Behauptungen), etwas erkannt zu haben; entsprechen sie meinen Erkenntnissen (nicht nur meinen Behauptungen, die ja falsch sein könnten), sind sie wahr, widersprechen sie meinen Erkenntnissen, sind sie falsch — es handelt sich u m bloße Behauptungen. Entsprechen sie meinen Behauptungen (ohne daß diese zugleich Erkenntnisse wären), können sie wahr, aber auch falsch sein: der Konsens verschiedener ist i m ethischen Bereich ebensowenig ein K r i t e r i u m für die Wahrheit von Urteilen wie irgend sonst. Ein Erkenntnis-Kriterium kann es i m praktischen Bereich ebensowenig geben wie i m theoretischen. 4.1.4 Z u r „Beweislast"
Schließlich zur sog. „Beweislast" (es handelt sich i m strengen Sinne nicht um Beweis-, sondern Begründungslast): Wer zur Begründung ( = Nachweis der Wahrheit) eines ethischen Urteils auf seine Erkenntnis sich beruft, hat nicht seinerseits diese zu begründen (was unmöglich ist), sondern derjenige, der behauptet, daß jene „Erkenntnis" i n Wahrheit nur die Behauptung einer Erkenntnis sei, eine Behauptung, die falsch ist, hat diese seine Behauptung zu begründen, was er freilich nur durch Erkenntnis seinerseits begründen kann. Diese seine Erkenntnis muß nur dann ihrerseits eine praktische Erkenntnis sein, wenn er auch, insoweit i n Übereinstimmung m i t seinem Diskussionspartner meint, daß ethische Urteile wahr oder falsch sind, d . h . durch praktische Erkenntnis begründet werden können: er behauptet dann aufgrund einer praktischen Erkenntnis seinerseits, daß jene behauptete praktische „Erkenntnis" keine ist, daß das ethische Urteil (seinem Inhalte nach) falsch ist. Behauptet er dagegen die Grundlosigkeit der ethischen Urteile (bisweilen w i r d ungenau davon gesprochen, daß ethische Urteile sinnlos seien: die empirisch-psychologische oder auch empirisch-soziologische Analyse zeigt bereits dagegen, daß der Sprecher durchaus einen Sinn m i t seinen ethischen Urteilen verbindet, wenn auch nicht notwendig den einer praktischen Erkenntnis, wie vielfach behauptet wird, so P. Glassen, — ein Umstand, den ζ. T. die sprachanalytische Forschung sich zunutze macht), so braucht er für die Begründung dieser Behauptung nicht auf praktische Erkenntnis zu rekurrieren, sondern auf eine theoretische. Damit erst w i r d die Behauptung, daß ethische Urteile (genau genommen reduzieren sich diese auf sprachliche Gebilde, daher Forderungssätze i m Sinne von Dubislav) möglicherweise weder wahr
4.1 Kritische Methode u n d K r i t i k der praktischen V e r n u n f t
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noch falsch sind, verständlich, ein Umstand, von dem eine analytische Moralphilosophie und Hechtstheorie auszugehen scheint, wenn sie Sollensätze untersucht und die Frage nach ihrer Richtigkeit ausklammert (d. h. die Frage, ob ihr Inhalt mit den Anforderungen der Gerechtigkeit übereinstimmt). 4.1.5 Z u r gemeinsamen Voraussetzung aller analytischen Moralphilosophie, M e t a - E t h i k u n d Rechtstheorie
Diese ebenso geheime wie gemeinsame Voraussetzung aller analytischen Moralphilosophie, Meta-Ethik und Rechtstheorie macht entsprechende Untersuchungen, die solcherlei Namen tragen, erst möglich, wobei die ihren jeweiligen Rahmen übersteigende Frage, ob ethische Urteile sinnlos seien, ζ. T. versteckt i n den Untersuchungen bejahend beantwortet mitbehauptet, am Ende sogar begründet w i r d (es werden tatsächlich Argumente vorgetragen, ob sie tragend sind, ist i m einzelnen zu untersuchen, speziell auch die Konsequenzen, wenn man die Begründung als gelungen ansieht), ζ. T. als nicht i n die Untersuchungen gehörig als Frage offengelassen wird. Unbeantwortet bleiben kann am Ende die Frage dann doch nicht, ohne daß Absurditäten die Folge wären; so ζ. B. Kelsen, der meint, daß seine auf gewiesene Grundnorm die Grundlage jeder positiven Rechtsordnung sei, mit jedem beliebigen Inhalt dieser positiven Rechtsordnung vereinbar sei. I n einer A n t w o r t auf die Frage, was i n einem bestimmten Fall geboten (verboten) sei, zu sagen, daß zwar etwas geboten sei, ohne zu sagen, was geboten sei (Kelsen: das sei beliebig), bedeutet, daß i n Wahrheit nichts geboten (verboten) ist. Dennoch lassen sich i m Sinne einer formalen Ethik und Rechtslehre die analytischen Untersuchungen fruchtbar machen (freilich nur unter der Voraussetzung, daß ihnen eine materiale Rechts- und Pflichtenlehre folge: Die gegenwärtige Diskussion i m Bereich des Analytischen scheint diesen Stand erreicht zu haben 1 0 ; „ob wissenschaftliche Werturteile möglich sind — es scheint an der Zeit dies Problem wieder als rein philosophisches zu durchdenken. — Durch Betrachtung der Geistesgeschichte läßt sich i n diesem Streit nichts entscheiden. Daher haben w i r zu versuchen, die Kantische K r i t i k selbständig zu wiederholen" und nicht nur die Kantische, sondern die anderen gleichen Namens. Auch Lorenzen „möchte die Sache der praktischen Vernunft verteidigen" und sieht einen Weg hierzu i n Ablehnung des „»Mythos 4 von der unhintergehbaren Umgangssprache" „durch eine normative Genese einer philosophischen Fachsprache" u. a., die sich auf drei verschiedene 10 Lorenzen, Paul: Szientismus versus Dialektik, i n : M a n and W o r l d 4 No. 2 M a y 71 S. 153, Wiederabdruck i n RpP I I 335.
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4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
Dinge beziehe: „1. fundamentale Termini einer nicht-empirischen Noologie (traditionell sagte man dazu ,rationale Psychologie' — i m Englischen gibt es den treffenden Ausdruck philosophy of mind'); 2. das Prinzip aller Moral i m Sinne eines kategorischen Imperativs; 3. eine — i n Anführungszeichen —- ,dialektische' Methode zur Unterscheidung zwischen Natur- und Kulturbedürfnissen." — Parallelen drängen sich h i n bis zum wörtlichen Gleichlaut i n nationale Psychologie' auf. 4.2 Ethik und Wissenschaftstheorie Umstritten ist nach wie vor die Frage, inwieweit Wissenschaftstheorie für Ethik nutzbar gemacht werden kann; tastend geht insoweit die Rechtstheorie voraus, i h r Gegenstandsbereich ist jedoch nicht völlig geklärt. Zwei Bereiche sind der Rechtstheorie sicherlich zuzuordnen: die Frage der Anwendbarkeit der Logik auf ethische Sätze, i n der analytischen Philosophie präskriptive Sätze genannt, soweit diese „ w a h r " oder „falsch" sind: die Frage kann u. E. nicht allein aus der Struktur der Sätze, sondern nur m i t Hilfe ihrer (vom Sprecher behaupteten) Sinndeutung beantwortet werden, ihre Lösung hängt von der Auflösung der Begründungsproblematik (auch) für ethische Urteile ab; ist die deduktiv-axiomatische Methode i n der Rechtswissenschaft brauchbar, was trägt sie zur Lösung spezifischer Rechtsproblematik bei: u. E. löst sie die Frage nach der Begründung nicht; sie kann sie auch außerhalb der Rechtswissenschaft nicht lösen. W i r meinen aber auch, daß Juristen ihr diese Bedeutung nicht fälschlicherweise unterlegen; von der Praxis w i r d ihre geringe Brauchbarkeit betont: das Urteil dient auch, vielleicht i n erster Linie den Beteiligten, die i n aller Regel keine Wissenschaftstheoretiker sind. Das aber wäre kein Einwand; dennoch ist begriffliche Klarheit wahrscheinlich wertvoller als Formalisierung. 4.2.1 „Rechtstheorie als analytische Wissenschaftstheorie" (Jens-Michael Priester)
Es ist sicherlich zulässig, eine Rechtstheorie 11 zu entwerfen, die die (inhaltliche) Frage nach der Gerechtigkeit (zunächst) ausklammert, und zwar i m Sinne einer formalen Rechtslehre; die Frage endgültig fallen zu lassen, macht auch diese formale Rechtslehre sinnlos: denn ihre Kriterien, die entwickelt werden i m Rahmen einer solchen Rechtstheorie zur Charakterisierung von Rechtssätzen (präskriptiven Sätzen) sind am Ende doch notwendige Bedingungen für Gerechtigkeit überhaupt; u m ein Beispiel herauszugreifen: ein rechtlich relevantes Verhalten 11 Jahr, Günther u n d Maihof er, Werner (Hrsg.) : Rechtstheorie, Beiträge zur Grundlagendiskussion, F r a n k f u r t 1971; zitierweise: R T Seitenzahl.
4.2 E t h i k u n d Wissenschaftstheorie
129
kann nur durch begriffliche Merkmale ausgezeichnet werden („Allgemeinheit" 1 2 ). Dies u. a. zu zeigen, kann eine formale Rechtslehre wie eine Rechtstheorie für sich i n Anspruch nehmen. Die formale Rechtslehre abstrahiert dabei von dem Inhalt; die Rechtstheorie klammert ihn aus: „Die Sätze der Rechtstheorie sind eines jedenfalls nicht: juristische Werturteile 1 3 ." Sie werden aber sinnlos, wenn nicht der eindeutige Inhalt zugestanden w i r d : denn die A l l gemeinheit eines Rechtssatzes S (Inhalt) wäre sonst m i t der Allgemeinheit eines Rechtssatzes m i t i m Verhältnis zu S kontradiktorischen I n haltes S' ( = non-S) vereinbar. Da die Allgemeinheit hier i n begrifflichen Merkmalen besteht, an die eine Präskription geknüpft ist — es ist etwas geboten (verboten), was geboten (verboten) ist, kann jedoch sowohl dieses als auch das kontradiktorische Gegenteil sein —, ist i n Wahrheit nichts geboten. Damit ist auch die notwendige Bedingung der Allgemeinheit eines Rechtssatzes aufgehoben. Dies w i r d von Priester übersehen, der als älteres Beisipel Kelsen nennt, bei dem dieses Problem i n der Grundnorm gipfelt. Priester springt dann aber doch zum Begründungsproblem über und sieht, daß es nicht ausschließlich durch Sätze gelöst werden kann 1 4 ; die gezogenen Schlußfolgerungen sind weder i n Bezug auf Fries, den er über Albert zitiert, wahrscheinlich auch rezipiert 1 5 , noch i n Bezug auf die Notwendigkeit „der Scheidung von Objekt- und Metasprache" überzeugend. Die angesprochene „Sinnlosigkeit" ist nur eine konstruierte aufgrund der (falschen) Annahme, daß alles durch Sätze geschehen müsse, also auch Begründen, was kontradiktorisch ist 1 6 : statt aufgrund des Widerspruches die falsche Annahme aufzugeben, kommt er zur Unlösbarkeit des Begründungsproblems; würde er Grund und Urteil, Wahrheit des Urteils (Wahrsein) und Begründung durch Erkenntnis unterscheiden, würden sich die Schwierigkeiten auflösen. Trotz wertvoller Analysen verschiedener Gleichstellungsthesen wiederholt sich die Schwierigkeit beim Evidenzproblem. U m noch nur herauszugreifen: „Begründung vom Ergebnis her" ist nicht „bedenklich" nur i m Sinne einer Rechtstheorie wegen „sozial- und individualpsychologisch vermittelter . . . Einstellungen" 1 7 , die i n die Entscheidung eingehen, eine Rechtstheorie könnte sie vielleicht gerade noch aufdecken durch regressive Zerglie12 Philipps, L o t h a r : Braucht die Rechtswissenschaft eine deontische L o gik?, i n : R T 359. 13 Priester, Jens-Michael, Rechtstheorie als analytische Wissenschaftstheorie, i n : R T 46. 14 Ders., i n : R T 22 ff., vgl. dessen Nr. 2.222 Sprachebene. 15 Ders., i n : R T 24, vgl. dort Fn. 15. 16 Ders., i n : R T 22, vgl. Beispiel (a). 17 Ders., i n : R T 48.
9 Westermann
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derung faktischer Urteile (juristischer Entscheidungen), beurteilen i m Sinne von „bedenklich" könnte eine Rechtstheorie, die die Frage nach der Gerechtigkeit ausklammert, nicht (ungenutzt bleibt die richtige Beobachtung von „Begründung von dem Ergebnis her" als psychische Tatsache der Rechtsfindung, die i m Rechtsgefühl — sittlichen Gefühl — eine adäquate Deutung erfährt, nämlich als Urteilskraft, historisch bei Kant und Fries die Frage nach der Rechtfertigung dann die nach der K r i t i k der praktischen Vernunft, und das Verhältnis von philosophischer — insbes. materialer — Rechtslehre und Kodifizierung). Die streitentscheidende Funktion der Rechtstheorie ist dann am Ende nur wieder Widerspruchsfreiheit des Systems. 4.2.2 „Braucht die Rechtstheorie eine deontische L o g i k " (Lothar Philipps) — Diskussion dreier Argumente, u. a.
I n dem gleichnamigen Beitrag von Lothar Philipps 18 sind i m wesentlichen drei Gründe zusammengestellt, die Bedenken gegen die Anwendung der Logik auf Sollenssätze rechtfertigen könnten (Philipps referiert, jedenfalls w i r d nicht deutlich, ob er sich mit dem Vorgetragenen identifiziert oder nicht, so daß gegebenenfalls unsere Argumente Referiertes treffen, nicht aber die Ansicht des Referenten); er unterscheidet präskriptive (Sollens-)Sätze und deskriptive (beschreibende) Sätze. 4.2.21 Argument 1 L t . Definition ist eine Disjunktion (alltagssprachlich zu deuten als Verbindung zweier Sätze durch ,oder 4) wahr, wenn mindestens ein Teilsatz der Satzverbindung (genauer: Sätzeverbindung) wahr ist, m i t der Folge, daß jeder wahre Satz m i t jedem beliebigen (wahren, aber auch falschen) Satz durch ,oder 4 verbunden eine wahre Disjunktion ist; für präskriptive Sätze gilt dies nach i h m nicht: „Ähnlich verhält es sich, wenn man einem Sollenssatz abschwächend einen weiteren Sollenssatz m i t einem ,oder 4 anhängt: ,A soll morgen früh auf dem Marktplatz sein 4 : + ,A soll morgen früh auf dem Marktplatz oder i m Rathaus sein 4 . Deskriptiv wäre die Folgerung (?) zulässig, präskriptiv nicht 1 9 ." Die Betrachtung ist aber ungenau; denn nur wenn ich weiß, daß ein Satz wahr ist, kann ich die Disjunktion bilden. Und daran ändert sich auch nichts, wenn es sich u m präskriptive Sätze handelt: der Informationswert bleibt derselbe. Vergißt man freilich diese stillschweigend gemachte Voraussetzung i m Verlaufe der logischen Operation (es ist i n Wahrheit kein Schluß), kann man auch die Disjunktionsbehauptung nicht aufrechterhalten. A m Beispiel von Philipps: „ A ist morgen früh 18
19
Philipps,
Lothar, i n : R T 352 ff.
Ders., in: RT 358.
4.2 E t h i k u n d Wissenschaftstheorie
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auf dem Marktplatz (1): + A ist morgen früh auf dem Marktplatz oder i m Rathaus (2)." N u r wenn ich (1) weiß, kann ich (2) behaupten ohne Rücksicht auf die Wahrheit des durch ,oder' angehängten Satzes. Wie ich (1) überhaupt wissen kann, interessiert hier nicht: ich kann es gar nicht wissen; das Beispiel ist ethisch nicht relevant: ein Satz, der eine Forderung beschreibt, ist darum noch kein ethischer Satz, — die Klasse der Forderungssätze ist größer als die der ethischen Sätze — unter Verkennung dieses Umstandes leidet die ganze analytische Diskussion. Dasselbe gilt für das präskriptive Beispiel: nur wenn ich weiß, daß A morgen früh auf dem Marktplatz sein soll, wenn dies wahr ist (wobei durchaus offen bleibt, was hier i m Rahmen der Rechtstheorie das ,Sollen 4 bedeutet: ein Wunsch, ein Versprechen, vertragliche Verpflichtung etc.), kann ich zur präskriptiven Disjunktion übergehen, bei der es auf die durch ,oder' verbundene Wahrheit des weiteren präskriptiven Satzes nicht ankommt; das Beispiel leidet noch darunter, daß, entgegen der logischen Disjunktion, i n diesem Beispiel nicht beide disjunktiven Glieder wahr sein können: A kann nicht zugleich auf dem M a r k t platz und i m Rathaus sein (deskriptiv), ein Widerspruch, der auch dann besteht, wenn es sich um präskriptive Sätze handelt: A soll zugleich auf dem Marktplatz und i m Rathaus sein. Die Unmöglichkeit ergibt sich i n beiden Fällen aus dem Satz vom Widerspruch, der sich auf einander widersprechende Urteile bezieht, und zwar i n durchaus deskriptiver Weise; denn das, was sein soll, ist etwas, das sein soll: es muß also seiend möglich sein. Das, was als sein sollend gefordert wird, ist aber (seiend) unmöglich, da widersprüchlich. (In Wahrheit meint Philipps denn auch Erfüllbarkeit, wie sein weiteres Beispiel zeigt.) 4.2.22 Argument 2 „ A soll morgen früh u m acht auf dem Marktplatz sein!": + A soll morgen früh auf dem Marktplatz sein: + A soll irgendwann auf dem Marktplatz sein! usw. Die Folgerung ist wie gesagt nur dann unzulässig, wenn man auch den Folgesatz als einen präskriptiven Satz zu interpretieren beansprucht; versteht man i h n als eine deskriptive Aussage über ein Sollen — was ohne weiteres möglich ist —, so ist gegen die Folgerung nichts einzuwenden: A soll irgendwann morgen auf dem Marktplatz sein (— ich habe leider vergessen, wann!). Ein solcher Satz hat zwar keinen präskriptiven, aber einen, wenn auch abgeschwächten, informativen Gehalt 2 0 ." Hier räumt Philipps die Schlüssigkeit ein, leugnet aber den präskriptiven Charakter: grundlos, wie w i r meinen, denn der Satz, daß A mor20
9*
Ders., i n : R T 358.
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gen irgendwann auf dem Marktplatz sein soll, schreibt immer noch etwas vor. „Für beide Beispiele gilt: Eine Handlung, die einen abgeleiteten Sollenssatz erfüllt, erfüllt nicht notwendig den Sollenssatz, der als Prämisse steht. Wenn ein Normadressat den abgeleiteten Sollenssatz erfüllt hat, kann man nicht sicher sein, daß er seine Pflicht erfüllt hat. Eben deshalb sind die Folgerungen präskriptiv unzulässig 21 ." Was Philipps hier für präskriptive Aussagen bemängelt, gilt auch für deskriptive Aussagen: „erfüllt" w i r d „ A befand sich gestern morgen u m 8 Uhr auf dem Marktplatz" nicht durch den Umstand, daß A irgendwann auf dem Marktplatz war. Freilich: w a r A gestern u m 8 auf dem Marktplatz, dann ist es auch wahr, daß A irgendwann auf dem M a r k t platz war; das gleiche gilt auch für präskriptive Sätze: ist es wahr, daß A morgen früh u m 8 auf dem Marktplatz sein soll, dann ist es auch wahr, daß A irgendwann auf dem Marktplatz sein soll. 4.2.23 Argument 3 „ I n der allgemeinen Logik gilt: Der Satz ,Es ist falsch, daß p' ist äquivalent m i t ,Es ist wahr, daß non-p'. Bei Sollenssätzen scheint das Entsprechende nicht zu gelten. Wenn eine Handlung ρ nicht gesollt ist, so bedeutet das nicht, daß non-p gesollt ist. Wenn es nicht geboten ist, zur Wahl zu gehen, so ist es andererseits doch nicht geboten, nicht zur Wahl zu gehen. Es scheint daher, daß man die Logik der Verhaltenskomponente von der Logik der Normkomponente trennen müsse 22 ." Hier verwirrt nur die Undeutlichkeit der Sprache, und: wer bei Sollenssätzen das Sollen vom Gesollten nicht trennt und sagt, was er unter Negation eines Sollenssatzes versteht, nämlich Verneinung des Sollens, des Gesollten oder beides, stiftet Unklarheit. „Es ist nicht geboten, zur Wahl zu gehen" heißt: ein Gebot, zur Wahl zu gehen, besteht (ζ. B. i n einer bestimmten Rechtsordnung) nicht; das kontradiktorische Gegenteil zu dem Gebot, das nicht besteht, wäre, hinsichtlich des Gebotenseins, ein solches gleichen Inhalts, das besteht. Etwas ganz anderes ist dann die Negation des Inhaltes bei gleicher Form: Gebotensein oder Verbotensein. Ein Verkehrsteilnehmer interpretiert den nach rechts abgeknickten weißen Pfeil auf blauem Grund i m runden Feld als: Rechts abbiegen verboten (indem er dieses Verkehrsschild m i t dem früher i n verschiedenen europäischen Ländern üblichen verwechselt, das einen schwarzen nach rechts abgeknickten Pfeil auf weißem Grund i m rot umrandeten runden Feld durchstrichen zeigt); ich korrigiere i h n und sage: i m Gegenteil, es ist verboten, nicht rechts abzubiegen — es ist geboten, rechts abzubiegen (diese Äquivalenz ist das eigentlich I n 21 22
Ders., i n : R T 358. Ders., i n : R T 353.
4.2 E t h i k u n d Wissenschaftstheorie
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teressante). Richtig erfaßt w i r d hier das Verbotensein von irgend etwas; nicht richtig erfaßt wurde das, was verboten ist. Die Schwierigkeiten sind nur scheinbarer Natur; bei Sollenssätzen handelt es sich i n Wahrheit u m zwei Sätze: es ist wahr, daß etwas geboten (Form), und es ist wahr, daß etwas (Inhalt) geboten ist. Ist das erste falsch, ist i n Wahrheit nichts geboten; ist das zweite und nur das zweite falsch, kann immer noch etwas geboten sein, nur nicht das, was der Satz behauptet, gegebenenfalls ein Normadressat (irrtümlich) meint, sondern etwas anderes. 4.2.24 Phrastik und Neustik: Neustik als Akt der Zustimmung? Auch die Berufung auf Hares Unterscheidung von Phrastik und Neustik, von der w i r nicht anzugeben vermögen, wie sie die von Form und Inhalt eines Gesetzes übertreffen soll, verbessert die Argumente nicht nur nicht, sondern w i r d der Sollensforderung auch nicht gerecht, wenn Neustik als A k t der Zustimmung verstanden w i r d (und nur als solcher, nicht nur auch als solcher neben Erkenntnis); denn auf diese kommt es nicht an, wenn man davon ausgeht, daß Sollenssätze wahr oder falsch sein können 2 3 . 4.2.25 Allgemeinheit
und Bestimmtheit
Aber auch das Verlangen von Philipps, man müsse „ f ü r Operationen i m präskriptiven Sinnzusammenhang vor allem folgende Regel beachten: Präskriptiv zulässig sind solche logischen Operationen, durch die ein Sollenssatz an ,Allgemeinheit* verliert, aber nicht solche, durch die er an Bestimmtheit' v e r l i e r t " 2 4 ist nicht stichhaltig; denn i n Wahrheit handelt es sich u m die logische Operation der Subsumtion, Regel/Anwendungsfall, Kriterium-Individualf all i m Sinne einer juristischen Logik (Klug) 25, eine Subsumtion, für die die Prädikatenlogik ebenso gilt wie sie gilt für deskriptive Sätze, m i t dem einen Unterschied, daß unter den Prämissen mindestens ein präskriptiver Satz sein muß, damit ein Sollenssatz ableitbar ist 2 6 . 4.2.3 Präskriptive Sätze: nicht wahr nnd nicht falsch?
Auch Philipps bringt das Argument, daß präskriptive Sätze nicht wahr und nicht falsch sind 2 7 ; Haag ergänzt, „daß Normsätzen keine 23 Vergleichbare Ungereimtheiten wiederholen sich bei Stenius, E r i k : W i t t gensteins Traktat, F r a n k f u r t 1969; zitierweise Stenius Seitenzahl. 24 25 26 27
Philipps, Lothar, i n : R T 359. Klug, Ulrich, Juristische L o g i k 8 , B e r l i n 1966. Stegmüller H S 3 521. Philipps, Lothar, i n : R T 352.
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4 Entwicklung u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
Wahrheitswerte, sondern nur Rechtsgeltungswerte zukommen" 2 8 . Aber erst Stenius 9 Ausführungen lassen das Motiv erkennen: „Sätze können jedoch sinnvoll nur dann als wahr oder falsch bezeichnet werden, wenn sie i m Indikativ stehen 20 ." Es ist aber dies nichts weiter als eine positivistische, durch Nominaldefinition erschlichene Behauptung, die als Entschluß, nur solche Sätze als wahr oder falsch zu bezeichnen, die i m Indikativ stehen, ohne jede Erkenntnisbedeutung gekennzeichnet werden muß: aus Festsetzungen folgt jedoch nichts. I m übrigen geht eine solche Behauptung über normlogische Untersuchungen hinaus und kann i n ihr, da sie nur erkenntniskritisch i n der einen oder anderen Weise begründet werden kann, nicht diskutiert werden. Daß sie dennoch i m Hintergrund als entschieden bei normlogischen Untersuchungen zu stehen scheint, ist Mangel an Systematik. Das Argument selbst ist eine willkürliche und grundlose Behauptung. Die Analyse zeigt, daß Sollenssätze durchaus als wahr (oder falsch) verstanden werden, und zwar entweder als deskriptiv wahr oder als präskriptiv wahr. A u f die Frage: Warum soll A nicht stehlen, antworte man: weil es dem Gebot Gottes widerspricht (weil Gott es nicht wünscht, w i l l etc.) — eine reine deskriptive Behauptung, bei der es durchaus Sinn hat zu fragen, ob Gott es w i l l oder nicht, ob es seinem Gebot widerspricht oder nicht. A u f dieselbe Frage: Warum . . . , antworte man: w e i l niemand stehlen soll — eine rein präskriptive Behauptung: zum Fall w i r d die Regel angegeben. Und fragt einer hier weiter, so verlangt er das K r i t e r i u m zu wissen, nachdem u. a. Fälle wie Diebstahl (deskriptiv verstanden) beurteilt werden sollen, und zwar nicht, wie es diese oder jene Rechtsordnung tatsächlich t u t (beurteilt), sondern unabhängig von dieser. Entscheidend ist, daß er zu wissen verlangt: und das kann allemal nur durch Erkenntnis geschehen, hier dessen, was sein soll. Weiterhin nach dem Grund des Sollens zu fragen als nach dem Umstand, ob es erkannt ist oder nicht, ist sinnlos; denn die Frage behauptet hier etwas (auch Fragen können etwas behaupten), nämlich, daß es einen weiteren Grund geben würde. W i r hätten es dann aber noch nicht m i t einem K r i t e r i u m zu t u n (wie angenommen); die Frage geht auf ein solches hin. Intendiert die Frage aber die Wahrheit einer Behauptung, daß etwas sein soll, und erhält der Frager die A n t wort, daß sie (die Behauptung, etwas solle sein) nicht wahr, aber auch nicht falsch sei, w e i l präskriptive Sätze weder wahr noch falsch seien (sie seien prinzipiell nicht Erkenntnisse, genauer: könnten nicht erkannt werden, — dann könnten sie freilich immer noch wahr oder 28 Haag, K a r l : Kritische Bemerkungen zur Normlogik, i n : Rechtstheorie, Hrsg. A r t h u r Kaufmann, Ansätze zu einem kritischen Rechtsverständnis (nicht identisch m i t zitierweise RT), Karlsruhe 1971, S. 140. 29 Stenius 216.
4.2 E t h i k u n d Wissenschaftstheorie
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falsch sein; insofern muß hier noch unterschieden werden, was doch meist i n der Literatur nicht der Fall ist), so w i r d der Frager anschließend weiter fragen, warum er denn etwas soll (in Wahrheit soll er gar nicht), und eine mögliche A n t w o r t kann dann nur noch sein, daß irgendwer es wünsche, begehre, befehle etc. Die diesen (behaupteten) U m stand beschreibenden Sätze sind dann nur noch scheinbar präskriptiv, i n Wahrheit deskriptiv: sie beschreiben ja den Umstand, daß irgendwer etwas bestimmtes wünscht, begehrt, befiehlt etc. und insofern sind diese Sätze wiederum entweder wahr oder falsch (die Frage, wie überhaupt hier durch den Wunsch etc. eine Verpflichtung entstehen könnte, bleibt an dieser Stelle noch unerörtert). Jedenfalls entweder werden auch präskriptive Sätze (Urteile) der Möglichkeit nach durch Erkenntnis begründet, dann sind sie ebenso wahr oder falsch (da es sicher auch praktische Irrtümer gibt) wie deskriptive Sätze (Urteile), oder sie können prinzipiell nicht begründet werden, weil sie entweder grundlos sind, oder einen Grund haben, der aber nicht erkannt werden kann: i m ersten Fall sind sie weder wahr noch falsch, i m zweiten immer noch wahr oder falsch, aber nicht erkennbar. Präsentiert m i r unter dieser zweiten Alternative m i t den beiden Möglichkeiten einer den Satz „ D u sollst nicht stehlen", so darf ich ihn fragen, woher er dies wisse; konsequent kann ich einmal die A n t w o r t erhalten: er weiß es gar nicht, — m i t der Folge, daß ich i h n mit seinem präskriptiven Urteil abweisen kann, — zum anderen, daß er ein Wissen nicht behaupte, sondern i m Gegenteil wisse, daß das präskriptive Urteil grundlos sei, — m i t der Folge, daß ich auch gar nicht soll: es bleibt dann nur bei der Möglichkeit der Umdeutung i n einen deskriptiven Satz. Die vorgetragenen Argumente vermögen also nicht das Erfordernis einer deontischen oder Norm-Logik zu rechtfertigen. Anders steht es allerdings mit einer juristischen Logik, die sich m i t Subsumtion beschäftigt; sie stellt sich aber nur dar als Spezialfall der allgemeinen Logik insofern, als mindestens eine Prämisse ein NormSatz ist 3 0 . 4.2.4 „Zur Rolle der deduktiv-axiomatischen Methode in der Rechtswissenschaft" (von Savigny)
U. W. hat von Savigny als erster einmal klar gesagt, was die deduktiv-axiomatische Methode nicht leistet, nämlich: „Wer Sätze rechtfertigt, muß also auch anderes t u n als prüfen, ob sie i n einem System ableitbar sind. Der Axiomatiker prüft als Axiomatiker nicht mehr als das. Er kann also, sofern er axiomatisiert, keinen Satz auf seine Vertrauenswürdigkeit prüfen und rechtfertigen 31 ." Aufgrund persönlicher Erfah30
Schneider, Egon: L o g i k f ü r Juristen, B e r l i n 1965, S. 48 ff.
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rung sind w i r allerdings nicht sicher, ob jedenfalls Engisch und Viehweg (für Canaris mag das nicht gelten) der Axiomatik tatsächlich eine Begründungsrolle zuschreiben wollen: sie behaupten lediglich den geringen praktischen Nutzen, da es der Rechtswissenschaft gerade auf Begründung ankommt. Hier überschneidet sich die Argumentation. W i r versuchen an einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes 82 deutlich zu machen, wie Begründungen der Praxis vielleicht systematisch unbefriedigend verlaufen können: „Falsch ist der Eid, wenn die beschworene Aussage m i t ihrem Gegenstand tatsächlich nicht übereinstimmt, ohne daß es darauf ankommt, welche Vorstellung der Schwörende von dem Sachverhalt hat. . . . " . Nach der dort näher dargelegten gegenteiligen Annahme „wäre der Fall möglich, daß eine Aussage, die dem wirklichen Sachverhalt entspricht, i m Sinne des § 153 StGB also wahr ist, durch einen falschen Eid bekräftigt werden könnte. Das kann nicht richtig sein". Diese Entscheidung zeigt, versteckt, die ganze Skala möglichen Argumentierens, selbstverständlich ohne deduktiv-axiomatisches Gerüst und Reflexion kritischer Methode. Zunächst deduktiv axiomatisch: Geht man von der Prämisse aus, der Zeuge habe seine Überzeugung durch Eid zu bekräftigen, unabhängig von der Frage, ob diese wahr ist oder nicht, — kommt es also für die Frage der Wahrheit des Eides allein auf die Übereinstimmung von Aussage und Inhalt der Überzeugung an, dann ist der Eid auch dann falsch, wenn die Aussage "dem wirklichen Sachverhalt entspricht" — das ist dann der Fall, wenn die Überzeugung inhaltlich falsch ist und der Aussagende das kontradiktorische Gegenteil seiner (falschen) Überzeugung aussagt: die Aussage ist dann notwendig wahr (Argument: S VW). — N u r soweit reicht eine Erhellung durch die deduktiv-axiomatische Methode: wer die genannten Prämisse akzeptiert, akzeptiert auch die Konklusio, sofern er (logisch) konsequent ist. Der B G H akzeptiert, aus welchen Gründen auch immer, die K o n k l u sio nicht: diese Entscheidung, gegebenenfalls auch ihre Begründung, fällt „außerhalb" der deduktiv-axiomatischen Methode. I m Anschluß an diese Entscheidung läßt sich der Rest wieder deduktiv-axiomatisch erledigen: Ist die Konklusio falsch, muß eine Prämisse falsch sein; i n der Sprache von v. Savigny: w i r d die Konklusio nicht akzeptiert, muß auch eine Prämisse nicht akzeptiert werden. Hier ist die Prämisse die allgemeine Regel, die Konklusio der Anwendungsfall, — nichts weiter S1
Savigny, E i k e von: Z u r Rolle der deduktiv-axiomatischen Methode i n der Rechtswissenschaft, i n R T 337. 82 Entscheidungen des Bundesgerichtshofes i n Strafsachen, amtl. Sammlung: B G H S t 7, 148 f.
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4.2 E t h i k u n d Wissenschaftstheorie
sonst. Es kann daher auch die Regel nicht akzeptiert werden. V o n ihr w i r d daher die Negation gebildet: kam es zunächst auf die „Vorstellung des Schwörenden von dem Sachverhalt an", so jetzt nicht; „falsch" „ist der Eid, wenn die beschworene Aussage m i t ihrem Gegenstand tatsächlich nicht übereinstimmt". Deduktiv folgt daraus, daß der Eid, den einer i n Übereinstimmung m i t seiner Überzeugung, die aber falsch ist, schwört, falsch ist. Diese Konklusio muß der B G H jetzt akzeptieren (was er auch tatsächlich tut; daß die Folge für diesen Fall dennoch nicht eine Bestrafung ist, hat andere Gründe: die Bestrafung hängt nicht nur am objektiv falschen Eid allein, sondern auch u. a. daran, daß der Täter den Eid als falschen leisten wollte, was i m vorliegenden Fall nicht gegeben ist — und umgekehrt: wenn der Täter i h n zwar als falschen leisten wollte, obwohl er nicht falsch ist, findet Bestrafung nicht statt). Die deklaratorische Behauptung: „Das kann nicht richtig sein.", ist typisch für die juristische Argumentation. Aber es w i r d gar nicht ein deduktiv-axiomatischer Ableitungszusammenhang zwischen Sätzen bestritten, sondern die Wahrheit der Urteile selbst. Und zur Begründung dieser leistet die deduktiv-axiomatische Methode nichts; sie könnte es gar nicht, wie von Savigny zu recht betont. Aber wenigstens Viehweg weist ihr diese Rolle auch nicht zu; denn dies: Das kann nicht richtig sein, ist vielleicht zu begründen m i t der Gerechtigkeitsforderung, auf die i m Zusammenhang m i t von Hippel 8 3 i n Topik und Jurisprudenz Viehweg 34 hinweist. Der Gegensatz ist nur scheinbar. Allerdings w i r d i n den Ausführungen von v. Savigny Prämisse und Voraussetzung nicht an allen Stellen geschieden: die Beispiele 85 sind Ableitungszusammenhänge, Schlüsse, durch sie w i r d nichts begründet. Es können der Schlußsatz (aus anderen Gründen) wahr, der Schluß folgerichtig, die Prämissen aber falsch sein; anders, wenn es sich u m die Aufdeckung von (stillschweigend gemachten) Voraussetzungen handelt: „Die deduktiv-axiomatische Methode verlangt nur die Offenlegung dessen, was man auch ohne sie voraussetzen muß." Hier kann die Voraussetzung eines Urteils, das wahr ist, nicht falsch sein; und: ist die Voraussetzung falsch, ist auch das Ausgangsurteil falsch. Diese Überlegungen stehen daher dem nahe, was w i r unter immanenter K r i t i k erörtert haben, die zwar zur Widerlegung, nichts aber zur Begründung leistet; ebenso die deduktiv-axiomatische Methode. U m so erstaunter müssen w i r dann doch lesen: „Wahre Naturgesetz-Hypothesen, wahre 83 Hippel, Fritz von: Rechtstheorie u n d Rechtsdogmatik, Rechtsmethode u n d zur Rechtserkenntnis, F r a n k f u r t 1964. 84 Viehweg, Theodor: T o p i k u n d Jurisprudenz, München 1969. 85 Savigny, Eike von, i n : R T 335/336.
Studien
zur
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Normbehauptungen kann man dagegen an nichts erkennen 3®." Dieser Satz hat hier nichts zu suchen, abgesehen davon, daß er nicht eindeutig ist; heißt „an nichts erkennen": es gibt kein Erkenntnis-Kriterium, ist er wahr; dagegen, heißt „an nichts erkennen": es gibt Erkenntnis nicht, ist er falsch, da selbstwidersprüchlich, nicht selbstwidersprüchlich, wenn er lediglich die Unmöglichkeit praktischer Erkenntnis behauptet (zu beachten bleibt: Normbehauptungen sind zwar wahr, aber ihre Wahrheit kann nicht erkannt werden: woher weiß ich dann, daß sie wahr sind?). Trotz allem: der Nutzen der deduktiv-axiomatischen Methode liegt sicher i n der Aufdeckung von Voraussetzungen, die gemacht werden, wobei die Unterscheidung über wahr oder falsch außerhalb dieser Methode fällt; ihr weiterer Nutzen kann i n der Übersichtlichkeit weniger Axiome und Grundbegriffe liegen. 4.3 Analytische Moralphilosophie und Meta-Ethik: Diskussion I m Bereich der Diskussion „ u m die Grundlagen der Ethik" (von Savigny) spielen gegenwärtig Fragen der analytischen Philosophie, auch Philosophie der normalen Sprache genannt, angewandt auf moralische Dispute eine erhebliche Rolle, wenngleich auch i m einzelnen nicht immer ganz klar wird, was gemeint ist; so bleibt nicht selten auch undeutlich, was eine solche Philosophie für Ethik leisten kann und was sie nicht leisten kann. Erschwert w i r d die Diskussion noch dadurch, daß zwar unausgesprochen hinter den Untersuchungen eine non-kognitvistische Haltung steht, die als solche nicht begründet w i r d (vergleichbar der normativ-logischen Diskussion, die die Anwendung der Prädikate ,wahr' und ,falsch' auf ethische Urteile verwarf und dies als Argument für eine deontische Logik verwendete); hinzukommt, daß Konsequenzen aus der non-kognitiven Haltung selbst nicht gezogen werden: es w i r d auch nicht behauptet, daß sie i n der analytischen Untersuchung ausgeklammert werden könnten, was ja auch nicht möglich ist — sie werden wahrscheinlich überhaupt nicht gesehen. 4.3.1 „Ethik und Meta-Ethik" (Albert)
Der gleichnamige Aufsatz 8 7 von Albert ist eine — i m wesentlichen — Rezeption der hauptsächlichen ethischen Theorien des englischen Sprachbereichs für den deutschen Sprachkreis ohne Entscheidung der 36
Ders., i n : R T 342. Albert, Hans: E t h i k u n d Meta-Ethik, das Dilemma der analytischen Moralphilosophie, i n : Archiv f ü r Philosophie, B d 11, 1 - 2 , S 39; Wiederabdruck i n : ders., K o n s t r u k t i o n u n d K r i t i k , Hamburg 1972, S. 127 ff., hier dann S. 140; zitierweise: A l b e r t E i n K K Seitenzahl. Vgl. auch ders. E i n K K 148. I m „ T r a k t a t " heißt es: „Sollen impliziert Können" Albert 76. 37
4.3 Analytische Moralphilosophie u n d M e t a - E t h i k
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wichtigsten Fragen; darin sieht er ein „Dilemma der analytischen Moralphilosophie". Jedoch würden Analytiker dem widersprechen und es gar nicht als ihre Aufgabe ansehen, hier zu entscheiden (was doch nur kognitiv geschehen könnte), sondern sich ganz darauf beschränken, Möglichkeiten für eine Wahl aufzuzeigen, die u. a. dann auch i n der Wahl, bei Albert i n „Entscheidung zum Rationalismus", i m ethischen Bereich besteht, bzw. diese möglich machen. Allerdings bleibt diese Wahl allen Einwänden ausgesetzt, die unter der Begründungsproblematik bereits erörtert wurden. Trotz allem fällt die Endbeurteilung „ i n t u i t i v " sicher aus: „ E i n adäquates Deutungsmodell für moralische Aussagen müßte gleichzeitig ihre normative Funktion, ihren Realitätsbezug, das i n ihnen enthaltene Element der Allgemeinheit und schließlich die Möglichkeit einer rationalen Argumentation i m ethischen Bereich berücksichtigen" 38 , was, abgesehen von einer überbefrachteten Sprache, mit den begründeten Ergebnissen kritischer Anwendung i n der Ethik wesentlich übereinstimmt: normative Funktion = es soll sein; Realitätsbezug = was sein soll, ist etwas, das sein soll; Allgemeinheit = a) allgemein gültig, b) als Bestimmung durch Begriffe: Momente von Rechtssatz und Sollenssatz; rationale Argumentation i m ethischen Bereich = a) (deduktiv I) Logik i n ihrer Anwendung auf Sollenssätze: die Menge der Prämissen muß (mindestens) einen Sollenssatz enthalten, wenn die Konklusio ein Sollenssatz ist (Stegmüller); b) Begründbarkeit auch ethischer Urteile durch Erkenntnis (deduktiv I I = Deduktion i m Sinne der kritischen Methode); keine aristotelische Wissenschaftstheorie; interessant der Entwurf, „wie fast alle Wissenschaftstheoretiker auf einen Begründungsversuch von der kantischen A r t reagieren würden" bei Stegmüller 39 m i t Gegenposition, von i h m „Vorschlag" genannt, allerdings bezogen auf „Kants Metaphysik der Erfahrung": das sind tatsächlich wieder die (alten) Probleme der Ethik als Wissenschaft. Und ebenso sind die „Mindestanforderungen, die an moralische Aussagen zu stellen sind", zu verstehen, allerdings ohne das erkenntnistheoretische Mißverständnis von Anerkennung und Erkenntnis. 4.3.2 „Um die Grundlagen der Ethik" (von Savigny)
Eine andere Position, der es u m die möglichen Grundlagen (Interpretation von uns) der Ethik geht, finden w i r bei von Savigny: „Meta38 Albert E i n K K 140, vgl. ebd. auch 148; i m „ T r a k t a t " heißt es: „Sollen impliziert Können" Albert 76. 39 Stegmüller, W o l f gang: Aufsätze zu K a n t u n d Wittgenstein, Gedanken über eine mögliche Rekonstruktion von Kants Metaphysik der Erfahrung, T e i l I I : Die logische S t r u k t u r des progressiven Argumentes, i n : Ratio 9 (1967) u n d Ratio 10 (1968), S. 26, zitiert nach Wiederabdruck Darmstadt 1972, daselbst S. 56.
140
4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
ethische Fragen sind Fragen nach den Grundlagen der Ethik: der logischen Struktur der Werturteile, der Möglichkeit, sie zu rechtfertigen, ihrer Objektivität und Verbindlichkeit, ihrer erkenntnistheoretischen Stellung, ihrer Funktion, ihrer Bedeutung und so weiter 4 0 ." I n Wahrheit soll i m Anschluß an diese Bestimmung die Grundlegung (Begründung) erörtert werden. 4.3.21 Stevenson: kognitiv-emotiv,
rational;
Überredungsdefinition
Man muß sich zunächst daran gewöhnen, daß kognitiv eine Einstellung wie Glauben, Zweifeln, Vermuten bezeichnen mag und nicht nur Sicherheit durch Erkennen; geeint werden die drei erstgenannten Einstellungen durch die Möglichkeit der Entscheidbarkeit durch Erkenntnis, den Glauben ausgenommen, was bei emotiven Einstellungen wie Wünschen, Begehren, Billigen, Ablehnen nicht der Fall ist. Lehnt man die (insgeheime) Voraussetzung der Entscheidbarkeit aber ab, was Stevenson tut, ist die Unterscheidung nur noch akzeptabel als „als ob"Behauptung: es gibt Einstellungen, die so tun, als ob über ihre Wahrheit und Falschheit durch Erkenntnis entschieden werden könnte, obwohl das i n Wahrheit nicht der Fall ist (kognitiv); es gibt Einstellungen, die nicht so t u n (emotive). Ein entscheidender Mangel: empirische Unterschiede werden aufgehoben durch eine Theorie (Gegenargument bei Konrad 41); Vermuten, Zweifeln, Glauben, Sicherheit bezieht sich auf wahr oder falsch als Prädikate von Urteilen; Wünschen, Begehren, etc. sind psychische Akte, die sich darin erschöpfen, psychische A k t e zu sein (vgl. P. F. Linke 42). Hebt Stevenson Kognitivität i m Sinne von prinzipieller Möglichkeit, etwas zu erkennen, bei seinen „kognitiven Einstellungen", wie vorbeschrieben, auf, behält er nur noch psychische Akte übrig, die dann durch nichts von anderen psychischen A k t e n (emotive Einstellungen) unterschieden sind. Das Argument gegen die Kognitivität ethischer Urteile, i m Sinne von: auch ethische Urteile können, (prinzipiell) der Möglichkeit nach, durch ethische Erkenntnis begründet werden, verfängt nicht, da durch rationale Begründung allein, die ein deduktives Verfahren sei, i n Wahrheit nichts begründet wird. Konsequent ist dann seine Überredungsdefinition: Überredungsdefinitionen seien i n der politischen Praxis häufig. Dennoch bewerten w i r die politische Praxis nicht gerade als Vorbild von und für Wissenschaft40 Savigny, Eike von: Die Philosophie der normalen Sprache, Frankfurt 1969, S. 169, zitierweise PnS Seitenzahl. 41 Konrad 92. 42 Linke, Paul Ferdinand: Grundfragen der Wahrnehmungslehre, Jena 1918, S. 114; Stichwort: „ichhaft/ichfremd".
4.3 Analytische Moralphilosophie u n d M e t a - E t h i k
141
lichkeit; w i r müßten daher konsequent (im Sinne der kritischen Methode) für diese Bewertung eine praktische Erkenntnis, die noch nicht bewußt ist, vermuten. — Bei Stevenson bleibt aber die Bedeutung der Überredungsdefinition weitgehend unklar; es sind eine ganze Reihe von Fällen zu unterscheiden. Alternativ: 1. Es gibt praktische Erkenntnis — A hat eine praktische Erkenntnis, etwa die seines bestimmten Rechtes; B, der sein Recht verletzen kann, hat die Erkenntnis nicht. M. a. W. A ist hinsichtlich der Verwirklichung seines Rechtes der Macht des Β unterworfen. Was sollte A hindern, Β zu überreden, sein Recht, das Β nicht erkennt, zu achten? Zur Durchsetzung meines Rechtes ist, wenn der andere es nicht erkennt (tatsächlich) oder nicht erkennen kann (subjektives Unvermögen), Überredung sicher nicht verboten; denn jeder Zustand, i n dem das Recht des A nicht verletzt wird, ist einem Zustand, i n dem das Recht des A verletzt wird, (rechtlich) vorzuziehen. (Eine analoge Argumentation ist nicht möglich dann, wenn A die Pflicht hat, Β i h n an der Erfüllung seiner Pflicht hindert: A hätte darum nicht die Pflicht.) — 2. Es gibt praktische Erkenntnis nicht; was sollte A hindern, Β zu überreden, sein (des A) Interesse zu achten und die Befriedigung des Interesses nicht zu hindern. Jedenfalls ein Sollen kann ihn nicht hindern, auf Überredungskünste zu verzichten. Es bleibt unter dieser Annahme, die ja Stevenson macht, endlich überhaupt unklar, was „überreden" noch heißen soll, wenn dem Überreden nicht eine (der Möglichkeit nach) Erkenntnis an die Seite gestellt werden kann: ich versuche doch zu überzeugen, wenn ich Gründe für die Berechtigung meines Anspruches habe, i n der Hoffnung, i n anderen Einsichten zu wecken; ich versuche zu überreden, wenn ich entweder diese Gründe nicht habe, oder habe, aber nicht um sie weiß (der vertretbare Fall für Überreden ist dann der, i n dem ich fühle — Gefühl i m Sinne von Kant, als Urteilskraft i m Sinne von Fries — Gründe für die Berechtigung meines Anspruches zu haben, sie aber nicht formulieren kann). Gibt es aber überhaupt diese Gründe nicht, was kann dann überreden noch heißen? — Das wäre ein Problem für Stevenson, es ist nicht das der Methode der K r i t i k der praktischen Vernunft; sie leistet ja eine m i t dem Alltagssprachgebrauch i m Einklang befindliche Erklärung (ihre Berechtigung muß der Ausführung der K r i t i k vorbehalten bleiben). Abschließend: die Erörterung für „ X ist gut" bleibt undeutlich, da „ X ist gut" ohne Kontext gar nicht explizierbar ist: weder das „ich bin für X ; sei du auch dafür" noch das „ X hat eine bestimmte empirische Eigenschaft" kann i n der ethischen Diskussion überzeugen. Das „Ich bin für X ; sei du auch dafür" ist bestenfalls relevant, wenn ich das Recht (wo nicht, wenigstens einen Vorteil) habe, dessen Realisierung von einem anderen, hier dem angesprochenen, abhängt (sonst interessiert
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4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
mich seine Einstellung gar nicht!); habe ich dagegen eine Pflicht, bin ich schon gar nicht für X : für meine Pflichterfüllung „ b i n ich" zumeist gar nicht („bin ich" i m Sinne von Neigung); gibt es Pflicht nicht, und ist X auch nicht von Vorteil für mich, sondern bedeutungslos, am Ende aber von Nachteil, „ b i n ich" gar nicht für X . Weiter: handelt es sich um empirische Eigenschaften, so ist immer noch die Unterscheidung von hypothetischen und kategorischen Imperativen (Kant) relevant: „gut für die Erreichung eines Zweckes" ist dann hypothetisch und steht gar nicht i n der ethischen Diskussion; auch versagt für diesen Fall die I n terpretation „ X ist gut" als „ich bin für X ; sei du auch dafür", denn hier bestimmt sich das Mittel-Zweck-Verhältnis nach theoretischer Erkenntnis und auf meine Einstellung hierzu kommt es nicht an: möchte ich den Zweck, aber nicht die M i t t e l (die notwendigen M i t t e l muß ich, unter den hinreichenden kann ich wählen), bin ich unverständig (von der Einsichtsseite) oder willensschwach (von der psychologischen Seite). „Gut an sich" was soviel heißt: „nicht, als hypothetischer Imperativ, für die Erreichung eines Zweckes" läßt dann nur die Identifizierung m i t „gerecht" zu — gibt es das nicht, kommen w i r auf das zurück, was überhaupt schon über X gesagt ist, wenn X von Vorteil für mich ist. — Also nicht einmal die Unterscheidung i n die beiden Schemata 1 und 2, wie oben angegeben, ist disjunktiv vollständig i m Sinne gegenseitiger Ausschließung 43 . 4.3.22 Toulmin: das Prädikat „gut" als Kennzeichnung des Umstandes, daß ein Handeln die besseren Gründe für sich hat Auch Toulmin legt i n seinen Ausführungen eine Fülle von Überlegungen nahe, die aus der Loslösung sprachlicher Strukturen vom kontextabhängigen Sinn entstehen. Zunächst wieder hypothetisch — kategorisch: ein Handeln, das M i t t e l zum Zweck ist, den ich erstrebe, hat sicher die besseren Gründe für sich als ein solches, das dieses (erkannte) M i t t e l verfehlt (ich würde eben darum den Zweck nicht erreichen: wählen kann ich überhaupt nur zwischen hinreichenden Mitteln, das Prinzip der Wahl bleibt allerdings nach Toulmin dann offen); ethisch relevant ist dieser Fall nicht. Seine Schlußregel I : Wenn m i t der Handlung a eine Pflicht des Handelnden erfüllt wird, soll er a tun, ist analytisch und sagt zweimal dasselbe; i m übrigen setzt sie, wie Toulmin richtig bemerkt, einen Moralkodex voraus, der Pflichten liefert: warum aber dieser deshalb vorgefunden oder durch Erziehung akzeptiert sein müsse, nicht aber auch erkannt sein könne, bleibt eine durch nichts begründete Behauptung. Seine Regel I I : Wenn die Handlung a für andere als den Handelnden Nutzen stiftet oder Schaden vermeidet, soll 43
PnS 170 ff.
4.3 Analytische Moralphilosophie u n d M e t a - E t h i k
143
er a tun, ist zu weit, denn nach ihr wäre es verboten, den eigenen N u t zen überhaupt noch zu verfolgen, sondern vielmehr Pflicht, unentwegt den Nutzen anderer zu fördern, auch Pflicht, ständig auf alle meine Rechte zu verzichten, denn die Pflichterfüllung durch andere meinem Recht gemäß ist sicherlich nicht für die anderen von Nutzen, ich hätte daher stets und immer auf mein Recht zu verzichten — und das gilt für alle: die Forderung ist selbstwidersprüchlich. Dahinter steht denn auch die Vorstellung von der allgemeinen Nützlichkeit, ein verallgemeinernder Utilitarismus verbunden mit einem weitblickenden Egoismus; allerdings geht eine solche Vorstellung von der Erwartung aus, daß alle so handeln, was sie tatsächlich nicht tun. Für diese Vorstellung bleibt Verbindlichkeit ein einziges Rätsel. Die Verpflichtung für alle kann so nicht konstruiert werden, dieses Argument trägt schon tatsächlich nicht: wer wäre nicht unter dieser Annahme des ethischen Prinzips (und nicht etwa versteckt dem der Gerechtigkeit) versucht, als ständiges Opfer von Diebstählen endlich selbst zu stehlen, sofern er die Möglichkeit dazu hätte und erwarten könnte, straffrei dies zu t u n und t u n zu können (eine Regel der Klugheit) — er wäre letztlich sogar dazu gezwungen, wenn i h m alles genommen wird, und zwar ständig und stets, was er sich sog. redlich erworben hat. Aber auch logisch ist (es muß es sein) das Argument fehlerhaft: die Rechtsfrage w i r d zur bloßen Machtfrage; habe ich die Macht, was sollte mich hindern, eine zwar für die Allgemeinheit nützliche, vom weitblickenden Egoismus getragene moralische Forderung nicht zu respektieren, die für mich eben nicht nützlich ist? — Nichts, denn die Voraussetzung, unter der die Forderung steht, entfällt ja gerade für mich. Die Rechtsfrage w i r d damit erledigt durch die Machtfrage und ist damit als Rechtsfrage erledigt: ein Recht unabhängig von der Macht gibt es nicht; der Begriff des Rechts ist sinnlos, der des Unrechts sogar widersprüchlich 44 . Hoerster 45 hat auf zwei wesentliche Elemente der utilitaristischen Diskussion hingewiesen: erstens — daß die Entscheidung über nützliche-schlechte Folgen außerhalb des Utilitarismus und der Verallgemeinerung f ä l l t 4 6 ; er kann also insoweit nichts begründen; zweitens — 44 Unter der Devise »Macht ist Recht* ist die Möglichkeitsbehauptung von Unrecht widersprüchlich: damit Unrecht geschieht, muß Recht verletzt w e r den; Recht habe ich aber n u r dann, w e n n ich die Macht habe; Unrecht bedeutet, daß entgegen meiner Macht, aufgrund deren ich das Recht habe, dennoch mein Recht verletzt werden k a n n aufgrund von Macht, — das heißt aber, ich habe die Macht nicht (damit allerdings auch nicht das Recht, w i e doch angenommen): Unrecht bedeutet ,ich habe die Macht u n d habe zugleich die Macht nicht'. 45 Hoerster, Norbert: Utilitaristische E t h i k u n d Verallgemeinerung, F r e i burg 1971; zitierweise: U Seitenzahl. 46 Ders. U 12.
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der sozialphilosophische Aspekt des Prinzips der Verallgemeinerung ist nicht eindeutig 4 7 . So muß denn die Behauptung von Toulmin, jeder Moralkodex entwickelt sich, weil seine Befolgung nützlich ist, angezweifelt werden; nicht einmal die „Heranziehung des Gleichheitsgebotes" 4 8 vermag die Behauptung zu stützen, das Hoerster allerdings kantisch und damit inhaltsleer interpretiert 4 9 ; wenn man es inhaltlich interpretiert als Gleichheit der InteTessenberücksichtigung (die Betonung liegt auf Berücksichtigung 60 , es behauptet weder die tatsächliche Gleichh e i t 6 1 von Interessen, der Menschen ihrer Bedürfnisse usw., sondern hat ihre Unterschiedlichkeit zur Voraussetzung), dann bedeutet es eine Rechtfertigung der Ethik jenseits des und durch den Utilitarismus. Endlich ist das erkenntnistheoretische Argument auch noch fehlerhaft, wenn Toulmin meint, Regeln I und I I ließen sich nicht rechtfertigen, — die Frage hiernach sei sinnlos, da man nicht alles rechtfertigen könne. Denn I ist analytisch und damit wahr, I I selbstwidersprüchlich und damit falsch, beide gerechtfertigt: I begründet, I I widerlegt, sicher nicht gerechtfertigt durch deduktives Argumentieren, d.h. Schließen, vielleicht Beweisen: i n eben diesem Sinne kann man nicht nur nicht alles rechtfertigen, sondern nichts rechtfertigen; hier spielt w o h l der Einfluß von Wittgenstein 52 eine Rolle: „Jede Rechtfertigung und Begründung muß irgendwo ein Ende nehmen." Sinnvoll und damit mindestens widerspruchsfrei ist diese Behauptung (eine Begründung ist m i r bei Wittgenstein nicht bekannt) nur i n Unterscheidung von deduktiv I (Ableitung, Schluß, Beweis) und deduktiv I I (Deduktion i m Sinne der kritischen Methode); allerdings w i r d dann ein Ende erreicht: die Behauptung gilt nur für Urteile; dies begründet die kritische Methode (vgl. Teil 1). 4.3.23 Baier: Man soll a tun ist gleichbedeutend für a sprechen die besten Gründe
mit
Für Baier ist Hoersters Argument zu wiederholen, daß eine solche These „Kenntnis dessen" „voraus" „setzt", „ w o r i n die gute bzw. 47
len. 48
Ders. U 133 u n d 137/138: A u n d Β i n den d i s j u n k t i v vollständigen Tabel-
Ders. U 56. Ders. U 6. 50 Westermann R 138/139, ausführl. I V 1.1.1, S. 137 ff. 51 Podlech, Adalbert: Gehalt u n d F u n k t i o n des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes, B e r l i n 1971, 3.6 Konvention A, 3.7 Gleichheit ist eine Eigenschaft, die einer gegebenen Eigenschaft u n d zwei I n d i v i d u e n genau dann zukommt, w e n n den beiden I n d i v i d u e n die gegebene Eigenschaft zukommt. Formalisiert (und kommentiert) 37,2 u n d 37.4, S. 31 und S. 231/232. 52 Stegmüller, H S 2 509. H S 8 523. 49
4.3 Analytische Moralphilosophie u n d M e t a - E t h i k
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schlechte Qualität . . . zu erblicken ist" 5 3 . Aber Baier rückt dann doch so etwas wie „Abwägung" i n den Vordergrund (liegt seinem Argumentieren nicht die i h m noch nicht bewußte Erkenntnis eines hinter den ethischen Urteilen stehenden Abwägungsgesetzes zugrunde, das es aufzuweisen gilt?), allerdings m i t „Regeln", die Bedenken ausgesetzt sind. Zunächst psychologischer Natur: Daß man Spaß an a haben würde, ist ein Grund, a zu tun; diejenige Handlungsweise, die Freude macht, ist derjenigen, die keine Freude macht, vorzuziehen. Eine solche Regel ist bedeutungslos (nicht die empirische Feststellung: ein Naturgesetz ist sie allerdings nicht!), da ich das, was sie vorschreibt, ohnehin, d.h. auch ohne sie, tue (sofern der Handlung nicht eine Pflicht entgegensteht, sh. seine Vorrangsregel), sofern ich nicht pathologisch bin, d. h. selbstquälerisch — ohne Grund — oder neurotisch — ich weiß nicht, was m i r Freude macht —, i m ganzen unverständig bin. Vorrangsregel: Daß man Spaß an a haben würde, ist nicht so wichtig, wie daß man, u m a zu tun, eine Pflicht versäumen müßte. Abgesehen von der Frage, woher denn die Pflicht komme — offensichtlich ist die Vorrangregel selbst nicht K r i t e r i u m der Pflicht, wie sonst etwa ein Sittengesetz —, ist diese Regel analytisch (oder, wenn sie es nicht sein sollte, setzt sie eine solche analytische Regel voraus: i n der Sprache der krit. Ethik „Form des Begriffes der Pflicht"); sie besagt: die Verletzung der Pflicht kann durch nichts aufgehoben werden (z.B. durch einen noch so großen anderweitigen Wert); sie ist Ausdruck des sittlichen Rigorismus: die Pflicht kann durch nichts eingeschränkt werden (ζ. B. durch einen noch so wertvollen anderweitigen Zweck) — nicht zu verwechseln m i t einer Rangordnung von Pflichten, i n der die höhere die niedere aufhebt: es ist dies ein Problem, das nur bei Kodifizierung auftritt, nicht aber dann, wenn eine Ethik lediglich Kriterien der Pflicht enthält. Und doch rückt Baier ganz i n die Nähe von Interessenabwägung als Grundlage für die Entscheidung der Gerechtigkeitsfrage, nur verwechselt er Abwägung von entstandenen Interessenkollisionen ohne Zutun der Interessenträger m i t einer solchen aufgrund Vereinbarung über Austausch von Leistungen (Vertrag), denen Interessen zugrunde liegen. 4.3.24 Nowell-Smith:
Ist ethisches Argumentieren
rational?
Die Entscheidung dieser Frage kann nicht ohne Bestimmung dessen, was rational nach Nowell-Smith heißen mag, erfolgen; denn der Gebrauch von rational ist von Autor zu Autor verschieden: es werden un53 Hoerster U 12; Baier, K . : i n Seminar: Sprache u n d E t h i k , Z u r E n t w i c k l u n g der Metaethik, Günther Grewendorf u n d Georg Meggle (Hrsg.), F r a n k f u r t 1974, S. 285 ff.
10 Westermann
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terschiedliche Sachverhalte m i t dem gleichen Wort belegt. Eine Konfusion ist die Folge. „Daß Begründungen rational sind, heißt nichts weiter, als daß man sich beim Begründen an Regeln hält." Trotzdem bleibt die Bestimmung von rational ungenau: sie ist unvollständig; insgeheim w i r d vorausgesetzt, daß die Regeln wahr sind, oder sie sind wenigstens geeignete M i t tel zur Erreichung eines bestimmten als richtig (wahr) erkannten Zweckes: „(I) Mache nur solche Aussagen, an die du selbst glaubst. (II) Mache nur solche Aussagen, für die du gute Gründe zu haben glaubst. (III) Mache nur solche Aussagen, die für deine Zuhörer wesentlich sind." Und nun das Motiv dieser Regeln: „Regel (I) sichert Ernst und Ehrlichkeit der Diskussion. Regel (II) erlaubt die Forderung nach Begründung. Regel (III) sichert, daß die Beiträge richtig aufgenommen werden 5 4 ." Es kommt also, entgegen dem Wortlaut, nicht nur auf den Umstand an, daß man sich beim Begründen an Regeln hält, sondern an wahre, d. h. solche, die nicht nur zur Erreichung eines Zweckes dienen und daher geeignet sind, oder an geeignete, d. h. solche, die M i t t e l zur Erreichung eines anderweitig angenommenen Zweckes sind. Regel (I) unterfällt der ersten Alternative, Regel (II) der zweiten. Ethischer, genauer: rechtlicher Natur ist nur Regel (I); abgesehen von ihrer Formulierung, die zu einem Mißverständnis führen kann: auf das subjektive Verhältnis des Glaubens (im deutschen Sinne) kommt es nicht an, insoweit würde eine solche Aussage gerade gegen die Regel (II) verstoßen, denn sein Glaube interessiert mich nicht, er kann, abgesehen von einer religionsphilosophischen Diskussion, auch nicht wesentlich sein; gemeint ist: Mache nur solche Aussagen, von denen du „glaubst" (meinst, besser: behauptest), daß sie wahr sind (angesprochen ist das subjektive Verhältnis der Ehrlichkeit, d. h. Aussage und Überzeugung stimmen miteinander überein, genauer: Wahrhaftigkeit), dann ist Regel (I) das, was i m Rahmen kritischer Ethik und Rechtslehre als Postulat (eine unglückliche Bezeichnung) der (inneren) Wahrhaftigkeit (im Gegensatz zur — äußeren — Wahrheit) erscheint, die zur Möglichkeitsbedingung die Eindeutigkeit der Sprache hat. Die Regel (II) 5 5 ist der logische 56 Satz des Grundes (Fries: „Jedes behauptende Urtheil muß gegründet seyn, ist ein Kriterium, nach 54
PnS 175. Abgesehen von dem, was hier über den Gebrauch v o n »englisch* Glauben zu sagen wäre: es ist w o h l Glaube, nicht i m religiösen Sinne, gemeint, sondern Meinung. 58 Meist f i r m i e r t er so: i n Wahrheit ist er k e i n logischer Satz, sondern ein anthropologischer, der besagt: w e i l I r r t u m möglich ist (ein anthropologisches Verhältnis, das empirisch gesichert ist), bedarf jedes Urteil der Begründimg; vgl. T e i l 1. 55
4.3 Analytische Moralphilosophie u n d M e t a - E t h i k
147
welchem w i r jedes assertorische Urtheil überhaupt beurtheilen können"), m i t den bereits erörterten Folgen für den Dialog: wenn jemand etwas behauptet, darf ich i h n nach den Gründen für seine Behauptung fragen, und, sofern er diese nicht anzugeben weiß, i h n m i t seiner Behauptung abweisen; angesprochen ist das anthropologische Verhältnis der Wahrheit von Urteilen zum Wissenden und ihre Begründung durch Erkenntnis (Thema des 1. Teiles): Begründung nur von Urteilen durch Aufweis einer Erkenntnis. Regel (III) ist eine unvollständige empirisch hypothetische Regel von der Form: Mache nur solche Aussagen, die für deine Zuhörer wesentlich sind, wenn du willst, daß sie dir zuhören; denn die Erfahrung hat gezeigt, daß Leute dir nicht zuhören, wenn das, was du ihnen mitteilst, für sie nicht wesentlich ist (unter Voraussetzung der Entscheidbarkeit dessen, was wesentlich ist — empirisch oder ethisch zu lösen —: eine durchaus offene Frage), i n ihrer rudimentären, von Nowell-Smith angebotenen Form daher Mittel, das geeignet ist, — oder eine psychologisch nicht unwesentliche Höflichkeitsform: wer kennte nicht den geschwätzigen Mitteiler, der nicht bedenkt, ob das, was er mitteilt, für den Zuhörer von Bedeutung ist. 4.3.25 Hares Standards Die Unterscheidung von Phrastik-Neustik bei Hare 5 7 ähnelt der von Form und Inhalt i n der kritischen Methode, ohne daß er darauf Bezug nähme; eine Überlegenheit ist nicht erkennbar. Hare erkennt zwar richtig, daß Bewertungen (als tatsächlicher V o r gang) nach Standards, nach Regeln (Kriterien) vorgenommen werden; allerdings sind die häufig bei i h m analytischer Natur. Auch vermengt er wieder hypothetische und kategorische Imperative. Da er i m übrigen eine Begründung nicht findet, Standards zu rechtfertigen, glaubt er, sie durch Entscheidung rechtfertigen zu können; das gilt merkwürdigerweise auch für die von i h m nicht unterschiedenen hypothetischen Imperative, die w i r gewöhnlich doch durch theoretische Einsicht begründen. Eine psychologische Behauptung hält der Beobachtung nicht stand: „Imperative akzeptieren heißt sich für den Fall, wo es darauf ankommt, zur Ausführung entscheiden 58 ." Für den willensschwachen t r i f f t dies gerade nicht zu 5 9 . 67 Hare , R. M.: Die Sprache der Moral, F r a n k f u r t 1972, S. 38; zitierweise: Hare S. 68 PnS 177, Hare 203: „ W e n n ich zu einer bestimmten Person sage: ,Du sollst die Wahrheit sagen 4 , tue ich kund, daß ich ein Prinzip akzeptiere, demzufolge m a n i n solchen Umständen, i n denen er sich befindet, die W a h r heit sagen sollte, u n d es k a n n sein, daß ich mich — ohne es vermeiden zu
io·
148
4 E n t w i c k l u n g u n d Hechtfertigung praktischer Lehren
4.3.26 Edwards
Bedeutungsanalyse
Edwards Bedeutungsanalyse 60 ist weitgehend ethisch irrelevant; man bezeichnet i h n als Naturalisten, da er eine empirische Hechtfertigung von Wertäußerungen anstrebt. Dabei verwechselt er Synonyma, z.B. Halunke für (vollständige oder unvollständige angebbare) empirische Beschreibungen m i t Werturteilen (das beschriebene Verhalten soll nicht sein) und scheint nur (herkömmlich bezeichnet) hypothetische I m perative zu kennen. Daher: 4.3.27 Allgemein:
der Gegensatz emotiv-konativ
und kognitiv
Z u den Schwächen hat von Savigny einiges vorgetragen; den Behauptungen über Psychisches muß zum Teil widersprochen werden. Eine Gegenargumentation läßt sich vielleicht i n den folgenden Dialog kleiden. Eine Forderung an A sei: du sollst dem gehbehinderten A (amputiert) den P K W nicht stehlen. Die Frage des A, warum er soll, kann damit beantwortet werden, daß niemand unter diesen Umständen dies soll (eine weitere Frage nach dem Grund des Sollens zielt auf ein allgemeines praktisches Gesetz als K r i t e r i u m ab, das, wenn es regressiv erreicht ist, nur durch Erkenntnis begründet werden kann — oder überhaupt nicht begründet werden kann: dieser zweite Teil der vollständigen Disjunktion w i r d häufig übersehen!). Nun nehmen w i r eine emotiv-konativ e Einstellung ein. Dementsprechend lautet die A n t w o r t an A : ich wünsche, begehre es, würde die Nichtbefolgung verabscheuen etc. Der Folgerung des A : also soll ich gar nicht, sondern du wünschst es, kann ich nichts entgegenhalten, m i t der Folge, daß eine Verpflichtung des A aufgrund seines Wunsches ein Rätsel bleibt, — es sei denn, ich kann A gemäß meinem Wunsche zwingen (warum dann allerdings die Forderung gestellt ist, bleibt unerfindlich), oder A folgt mir, weil er mich achtet, er verspricht sich von der Befolgung Vorteile, kann dadurch Nachteile vermeiden: dann befolgt er meinen Wunsch selbst nicht, sondern kommt bestehenden hypothetischen Imperativen nach, weil er aufgrund der Befolgung als M i t t e l bestimmte Zwecke erreichen oder Folgen vermeiden möchte. Die Rechtsfrage w i r d dadurch zur Machtfrage und als Rechtsfrage eliminiert. Entweder es gibt eine Erkenntnis von Verpflichtungen oder es gibt keine Verpflichtungen.
können — i n ebensolchen Umständen befinde." Vgl. auch Seminar: Sprache u n d Ethik, F r a n k f u r t 1974, 260 ff., auch 198 ff. 59 Hare k l a m m e r t »Willensschwäche 4 einfach aus. Vgl. Hare 211/212. 60 PnS 178 u n d 182.
4.3 Analytische Moralphilosophie u n d M e t a - E t h i k
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4.3.28 „Das Problem, ethische Werthaltungen von anderen Werthaltungen zu unterscheiden, ist von der Metaethik nicht gelöst worden" (von Savigny) Die Metaethik 6 1 kann dieses Problem auch nicht lösen dadurch, daß sie negative Wertung (die Verletzung der Pflicht hat einen durch nichts aufhebbaren Unwert, ohne daß Pflichterfüllung schon deshalb einen Wert hätte: sie ist Schuldigkeit) und positive Wertung i m Sinne einer idealen Anforderung (Ideallehre) nicht unterscheidet, hypothetische Imperative nicht von kategorischen trennt, Werte und Synonyma von empirischen Beschreibungen sowie die Mißbilligung des beschriebenen Verhaltens (ζ. B. Halunke) und schließlich emotive Faktoren anläßlich von Wertäußerungen m i t dem Grund für die Wertäußerung verwechselt und die Emotion, fälschlich meist als Gefühl charakterisiert (gemeint ist Empfinden), für die Begründung nimmt. Dabei vermag die einfache Überlegung und Unterscheidung der Wertäußerungen i n solche über mein Recht und solche über meine Pflicht die Fehlerhaftigkeit sofort zu offenbaren: natürlich wünsche ich auch, daß mein Recht nicht verletzt w i r d 6 2 : es ist die psychische Folge des (dem Recht zugrunde liegenden) Interesses, denn: Jedes Interesse ist m i t dem Interesse an seiner Befriedigung verbunden (obgleich das Recht ohnehin nicht verletzt werden soll) — das Interesse ist der Grund des Rechtes, nicht zu verwechseln m i t dem Rechtsgrund, der nur ein praktisches Gesetz sein kann 6 3 , mein Wunsch Ausdruck des dem Recht zugrunde liegenden eigenen Interesses; dagegen wünsche ich gar nicht, meine Pflicht zu erfüllen, obwohl ich sie erfüllen soll, — ihr Grund ist das Recht des anderen, ganz und gar unabhängig von meinem Wunsch. — Dasselbe läßt sich darstellen für Begehren, Befehlen und andere Ersatzungsbehauptungen.
61
Savigny, Eike von, i n : PnS 219. Aber dieser Wunsch ist unabhängig davon, ob mein Interesse ein berechtigtes ist oder nicht; selbst dann, wenn ich ein Interesse habe, das nicht ein berechtigtes ist, habe ich i m m e r noch den Wunsch, das es nicht verletzt werden möge, obgleich ich einen Rechtsanspruch, genauer: ein Recht auf die Nicht-Verletzung nicht habe. Es ist dies nichts anderes als die Folge der Feststellung, daß ich nicht n u r Interessen habe, sondern auch möchte ( w ü n sche), daß ich das Interesse auch verwirklichen, realisieren (in einem W o r t gebrauch von Nelson), befriedigen k a n n : Jedes Interesse ist auf Befriedigung aus. — Nicht jedoch wünsche ich ebenso oder vergleichbar, meine Pflichten zu erfüllen. E i n (im Sprachgebrauch von Nelson) „sittliches Interesse" i m Sinne eines „eigentlichen Interesses" w i e bei einem Wunsch ist empirisch nicht beobachtbar (vgl. Nelson I V 573 ff., Westermann R 1-1.2.312, S. 33 ff., 44, 48). 62
63
Vgl. hierzu Westermann
R 0-3, S. 6.
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4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
4.3.29 Auf dem Wege zur Kognitivität ethischer Urteile Peter Glassen — Die Kognitivität moralischer Urteile A u f die Fehlerhaftigkeit pochend, ethische Urteile emotiv-konativ und dann non-kognitivistisch zu interpretieren, geht Glassen 64 , ebenfalls empirisch, die Kognitivität ethischer Urteile an von der Seite, daß er feststellt, daß ethische Urteile kognitiv gemeint und auch so verstanden werden; aber daraus folgt nicht, daß sie der prinzipiellen Möglichkeit nach auch kognitiv sind, d. H. durch Erkenntnis gesichert, genauer: begründet werden können (wir meinen, daß Glassen diesen Schluß nicht zieht). Was bedeutet dann aber seine richtige empirische Feststellung? Er sagt es i n einem Dialog: „Das moralische Gespräch erweckt deutlich den Eindruck der Kognitivität. Wenn nun beispielsweise ein Emotivist einwenden würde: ,Aber moralische Urteile sind weder empirisch noch analytisch, und ich kann m i r deshalb nicht vorstellen, daß sie etwas anderes als Gefühle oder Einstellungen ausdrücken 1 , so können w i r erwidern: ,Nun, das ist natürlich traurig. Aber sehen sie, lieber Freund, wenn w i r gewöhnlichen Leute uns über moralische Angelegenheiten unterhalten, so machen w i r durch die A r t und Weise, wie w i r die Sprache verwenden, nachdrücklich klar, daß w i r m i t moralischen Urteilen wirklich etwas behaupten wollen; und die gewöhnlichen Leute, an die w i r uns wenden, scheinen uns auch i n dieser Weise zu verstehen. Wenn Sie also behaupten, daß unsere moralischen Urteile nichts anderes als der Ausdruck unserer Gefühle oder Einstellungen sind, so entspricht das einfach nicht den Tatsachen. Es ist wahr, daß w i r Ihnen nicht m i t anderen Worten sagen können, was w i r m i t unseren moralischen Urteilen behaupten wollen; aber u m das herauszufinden, seid i h r Philosophen schließlich da' 6 5 ." Zwei Ergebnisse der kritischen Methode werden hier mehr geahnt als ausgesprochen: erstens — ob (auch ethische) Urteile durch Erkenntnis begründet werden, ist nur empirisch für den einzelnen entscheidbar; Philosophie kann nur den Weg dahin aufzeigen, einsehen muß ein jeder es selbst (Philosophie behauptet nicht, daß, liegt der Weg einmal fest, es jeder einsehen müßte: das w i r d auch i n keiner anderen Wissenschaft behauptet). Zweitens — aus dem Umstand, daß, hier Glassen, ζ. B. der Emotivist ethische Erkenntnis nicht hat (eine theoretische muß er insoweit, als er dies behauptet, nämlich: ethische Erkenntnis nicht zu haben, für sich i n Anspruch nehmen), folgt nichts. 64 Glassen, Peter: Die K o g n i t i v i t ä t moralischer Urteile, M i n d 68 (1959), übers, von Ulrich Blau, i n : Savigny, Eike von: Philosophie und normale Sprache, Texte der Ordinary-Language-Philosophie, Freiburg 1969, S. 139 ff.; vgl. auch Entgegnung von Schuster, Cynthia Α.: a.a.O., S. 157 ff. u n d E r w i d e r u n g des Verf., a.a.O., S. 161 ff. 65 Glassen, a.a.O., S. 156.
4.4 Rechtspositivismus u n d Reine Rechtslehre
151
4.4 Rechtspositivismus und Reine Rechtslehre Die Verwendung des Terminus ,Rechtspositivismus 4 ist i n der Literatur nicht einheitlich 6 6 ; eine Widerlegung von Rechtspositivismus i n dem Sinne von „es gibt ausschließlich (positive) Gesetze (und nicht auch Rechtserkenntnisse)", ein Rechtspositivismus i m Sinne auch der Leugnung praktischer Vernunft (mit Worten der kritischen Methode gesprochen) bedarf es nicht, da diese Behauptung gleichbedeutend ist m i t „es gibt einen Gesetzgeber, der sich ggfs. an ein Gesetzgebungsver/ahren, das ζ. B. i n einer Verfassung beschrieben ist, hält, durch den Befehle erteilt werden", m i t der Folge, daß die Frage, warum gerade diese Befehle und nicht vielmehr andere, ggfs. solche kontradiktorischen I n halts gegenüber den tatsächlich erteilten, erteilt werden, sinnlos ist, sofern die Frage nicht doch etwas anderes als die (bloße) Tatsache des Befehlens, dem durchaus ein Wunsch, z.B. aber auch eine Ideologie, zugrunde liegen kann, intendiert. Widerlegt ist jeder Rechtspositivismus (trotz des Mangels der Einheitlichkeit i n der Verwendung des Terminus) dann, wenn der Nachweis (Aufweis i m Sinne der kritischen Methode) einer Rechtserkenntnis gelingt, an der der Inhalt des Befehls (das Befohlene) gemessen werden kann ohne Rücksicht auf die Tatsache des Befehlens, die Tatsache, daß der Befehl de fakto erteilt ist, ob das Befohlene rechtens ist oder nicht. Es ist dies die Widerlegung jeden Rechtspositivismus, da der Aufweis die Negation von Rechtspositivismus als jedenfalls nicht eine praktische Erkenntnis behauptend ( = ein Rechtspositivismus, welcher Ausgestaltung auch immer, behauptet jedenfalls die Unmöglichkeit einer praktischen Erkenntnis i m Sinne der K r i t i k der praktischen Vernunft) darstellt. Ein so gearteter Rechtspositivismus, i n der Lehre vertreten, ist ebenfalls nicht verfassungskonform, da nach A r t . 20 Abs. 3 des Grundgesetzes „vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden" sind. I m übrigen folgt endlich aus einem so verstandenen Rechtspositivismus nichts, auch nicht für mein persönliches Verhalten oder i n Bezug auf mein Verhalten für den Fall, daß ich selbst Gesetzgeber bin (vgl. Teil 5). W i r behandeln hier, i n gebotener Kürze, lediglich zwei, wenngleich exponierte Vertreter. 4.4.1 Harts Rechtspositivismus und die Trennung von Recht und Moral
Es wäre einer (umfänglicheren) Untersuchung wert, bei Hart 67 i m einzelnen an jeder Textstelle genau zu unterscheiden, inwieweit m i t M Vgl. Hoerster, Norbert: Z u r logischen Möglichkeit des Rechtspositivismus, A r c h i v f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie (ARSP) 1970, S. 43 ff., der sich m i t Ophüls, C. F. i n neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1968, S. 1745 ff. i m wesentlichen auseinandersetzt; Kelsen, Larenz, Hart u n d historisch Gagnér können da nicht fehlen. 87 Hart, H. L. Α.: Der Begriff des Rechts, F r a n k f u r t 1973.
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4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
Recht b a l d p o s i t i v e s Gesetz, b a l d d e r B e g r i f f des Rechts, b a l d I n h a l t des Rechts, b a l d das Recht i m E i n z e l f a l l g e m e i n t ist, letzteres noch z u u n t e r s c h e i d e n v o n d e m R i c h t e r s p r u c h i m E i n z e l f a l l als Rechtsprechung: diese, u n d v i e l l e i c h t noch w e i t e r e , U n t e r s c h e i d u n g e n s i n d aber beachtlich, w i l l m a n n i c h t i n d e r V e r m e n g u n g v o n S a c h v e r h a l t e n d u r c h u n t e r schiedlose B e z e i c h n u n g u n t e r g e h e n (die B e g r ü n d u n g s p r o b l e m a t i k selbst f ü r Recht i m h e r k ö m m l i c h e n S i n n e als N a t u r - R e c h t 6 8 i s t d a b e i noch g a r n i c h t angesprochen). N u r so lassen sich m i ß v e r s t ä n d l i c h e , da k o n t r a d i k torische F o r m u l i e r u n g e n u m g e h e n w i e „ m i t r a t i o n a l e n M i t t e l n d i e s i t t liche V e r w e r f l i c h k e i t
dieses Rechts" ( g e m e i n t i s t : „ d e n N o r m e n
der
Nazis d e n N a m e n ,Recht 4 zuzugestehen") „ a u f w e i s e n z u k ö n n e n " 6 9 . Das p a r a d o x e solcher F o r m u l i e r u n g e n v e r s c h w i n d e t sogleich, w e n n m a n die w a h r e n S a c h v e r h a l t e g e n a u bezeichnet: danach k a n n (positives) Gesetz, t r o t z a l l e r E r f ü l l u n g d e r K r i t e r i e n e i n e r f o r m a l e n Rechtslehre (Kelsen w ü r d e h i e r v o n R e i n e r Rechtslehre sprechen), p u r e s U n r e c h t sein. So e t w a s ähnliches m u ß sich a n E i n s i c h t z u r Ü b e r r a s c h u n g bis d a h i n sich R e c h t s p o s i t i v i s t e n n e n n e n d e r D e n k e r nach 1945 abgespielt h a b e n : z u m B e k e n n e r i n s o w e i t w u r d e Radbruchs
70
erste S t e l l u n g n a h m e nach 1945,
68 Die Bezeichnung ist wegen des Terminus ,Natur* i m m e r schon mißverständlich gewesen; w e r sich daher an das Wort, statt an den Sachverhalt anlehnt (den Sachverhalt: es gibt praktische Vernunft, ich habe Rechtserkenntnis), muß i n die I r r e gehen. Die Naturrechtsdiskussion leidet bis heute darunter. Dies gilt auch f ü r die sog. N a t u r der Sache, vgl. Schambeck, Herbert, Wien 1964: M a n k a n n sich auch der geringen M ü h e unterziehen u n d Analysen bei Nelson nachlesen, u m sie zu übernehmen oder zu widerlegen ( V I 107 ff.), — Analysen, die u m so sorgfältiger ausfallen, als sie nach dem Prinzip der Sparsamkeit der zu machenden Voraussetzungen vorgehen ( V I 113 ff.: formales Naturrecht: V I 116 f. materiales Naturrecht; schließlich: einziger Naturrechtssatz: V I 120, eine angesichts der Naturrechtsdiskussion t o l l k ü h n erscheinende Behauptung, die u. W. bislang nicht rezipiert wurde: „Durch das öffentliche Gesetz soll die gleiche äußere Möglichkeit f ü r alle, zur B i l d u n g zu gelangen, gesichert werden." — Es ist dies der letzte Satz der Rechtslehre u n d als solcher w o h l n u r m i t allen vorangehenden zu verstehen. N u r zögernd geben w i r i h n daher hier i m Wortlaut wieder: denn jedes Wort hat i n der Rechtslehre seine Stelle i n A b l e i t u n g u n d Erklärung. 69 Hoerster, Norbert: Einleitung zu der Übers, von Harts ,Recht u n d M o ral*, drei Aufsätze, Göttingen 1971, S. 10. 70 Radbruch t Gustav: F ü n f M i n u t e n Rechtsphilosophie (1945), i n : Rechtsphilosophie, Hrsg. E r i k Wolf, Stuttgart 1950, S. 335; doch schon wenig später ders.: Gesetzliches Unrecht u n d Übergesetzliches Recht (1946), i n : Südd. J u ristenzeitung Nr. 5 unter I I I u n d I V mehr Bekennertum als Wissenschaftlichkeit: „Der K o n f l i k t zwischen der Gerechtigkeit u n d der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, daß das positive, durch Satzung u n d Macht gesicherte Recht auch dann Vorrang hat, w e n n es inhaltlich ungerecht u n d unzweckmäßig ist, es sei denn, daß der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, daß das Gesetz als »unrichtiges Recht' der Gerechtigkeit zu weichen hat.*' a.a.O., S. 535 — Wie löst vergleichsweise systematisch Nelson dasselbe Problem? „ . . . durch die moralische Macht der öffentlichen Meinung". ( V I 464) und den Nachweis der „Sophistik der konstitutionellen Garantien" ( V I 173 ff.). M. a. W.: durch das
4.4 Rechtspositivismus
n d Reine Rechtslehre
153
die gleich m i t dem für viele tragischen Eingeständnis beginnt, daß „seit vor etwa 100 Jahren die letzten Naturrechtler unter den Juristen ausgestorben sind". U m so erstaunter müssen w i r sein, daß Rechtspositivismus wieder i m Schwange ist (ideologiekritisch ließe sich dieser Umstand nutzbar machen als Qualitätsanzeichen bestehender Rechtsordnungen), statt die 1945 gewonnenen Einsichten sorgfältig zu analysieren und den Verfassungsauftrag (mehr ist er wohl nicht und vor allem nicht geworden) des A r t . 20 Abs. 3 des Grundgesetzes zu realisieren: „ . . . vollziehende Gewalt und Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden". Was Gesetz ist, sagt das GG; was Recht sei, nicht. Oder bedeutet bei Hart Rechtspositivismus etwas anderes als positives Gesetz? — Die angesprochenen Schwierigkeiten wiederholen sich, bei genauer Analyse i m übrigen, als insoweit getreuem Referat bei Eckmann 71, ζ. B. wenn er von Hart sagt, er prüfe „das Verhältnis des Rechts zu Gerechtigkeit und Moral"; dahinter steht dann auch noch der juristische Sprachgebrauch von „richtigem Recht". Sinnvoll und unmißverständlich w i r d der Sachverhalt durch die folgende Trennung: positives Recht (juristisch auch positives Gesetz genannt), wie es ist, i m Verhältnis zu Gerechtigkeit, d.h. wie es sein soll (sinnvoll unter der Voraussetzung von ethischer Erkenntnis) und Moral, d.h. den (empirisch feststellbaren) Vorstellungen von dem, was richtig ist, entweder einzelner, oder Gruppen, Völker, vielleicht aller (gemeinsame Meinungen ohne Erkenntnisanspruch). Daß Hart (wahrscheinlich) Gerechtigkeit und Moral gleichbedeutend gebraucht, ist wiederum kein Einwand. Welche Mühen Hart durchsteht, u m i m Grunde einfache Unterscheidungen durchzuführen, ist bei Eckmann ausführlich dargestellt 72 . Was hier von Hart umständlich entwickelt wird, ist nichts weiter als das, was i n der kritischen Rechtslehre (im Sinne der kritischen Methode) als die Form von Rechtssätzen erscheint, die ihre Allgemeingültigkeit garantiert, eine Überlegung, die der formalen Rechtslehre angehört: ein Übergang zur Gerechtigkeit (inhaltlich) ist daher auch nicht möglich, es sei denn, man meint analytische (Leer-)Formeln, was i m Fall 1 gerecht ist, ist es auch i m Fall 2, sofern 1 und 2 begrifflich unter dieselbe Regel subsumierbar sind (Fall der Anwendbarkeit). Endlich ist dieser Fall der Gleichbehandlung gleicher Fälle, da inhaltlich unbestimmt, gar kein wesentlicher Teil der Gerechtigkeit (fälschlicherweise: „Gerechtigkeitsbegrif/es"), sondern das Prinzip der Rechtssicherheit, ein Proaufgeklärte Bewußtsein möglichst vieler dürfte sich eine Regierung gar nicht getrauen, »unrichtiges Recht 4 , u n d sei es auch m i t bestem Willen, aber ideologisch aus Unfähigkeit, zu ,satzen'. 71 Eckmann, Horst: Rechtspositivismus u n d sprachanalytische Philosophie, B e r l i n 1969; S. 16; zitierweise: Eckmann Seitenzahl. 72 Eckmann 16, 39, 42, 43, insbes. 45.
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4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
blem, das bei der Kodifizierung auftritt, i m übrigen daher auch m i t purem Unrecht vereinbar ist; es sagt nur: gleiche Fälle sind gleich zu behandeln, nicht aber, wie sie zu behandeln sind. Die angegebene (Leer-) Formel setzt ja gerade voraus, daß anderweitig bestimmt ist, was gerecht ist 7 3 . I m übrigen rückt Hart immer wieder i n die Nähe dessen, was Kelsen Reine Rechtslehre nennt, Kantisch exakter: Bedingungen der Möglichkeit positiven Rechtes ( = Gesetzes); beide (Hart und Kelsen, nicht Kant) lassen sich aber immer wieder verleiten durch empirische Feststellungen und verlassen damit eine formale Rechtslehre i m Sinne der kritischen Methode. Das hängt u. a. m i t einer mangelnden Unterscheidung von gültig und gelten zusammen, eine Unterscheidung, die Kelsen folgerichtig nicht kennen kann, sofern die Reine Rechtslehre m i t jeder beliebigen Rechtsordnung vereinbar ist: die Grundnorm hat keinen Inhalt, m i t dem bekannten falschen Argument, die Geschichte der Naturrechtslehren beweise dies 74 . Er kennt streng genommen nur die Wirksamkeit einer Norm, entweder sie w i r d tatsächlich befolgt oder tatsächlich erzwungen (dasselbe Mißverständnis schon bei del Vecchio 79), eine Unterscheidung, die Hart treffen müßte, er spricht von Naturrecht, um Ungereimtheiten zu vermeiden 7 6 : auf Geltung oder Verwirklichung kommt es jedoch nicht an. Wichtig ist daher insoweit seine empirische Beobachtung, daß i n der Sprache des Alltags der normative Geltungsbegriff verwendet w i r d ; er entspricht dem, was eben zur Unterscheidung von (faktischer) Geltung sonst Gültigkeit genannt wird. Aber diese Gültigkeit hat bei i h m wieder keine erkenntnistheoretische (genauer: erkenntnismäßige) Grundlage insofern, als er — i n Parallele zu Kelsens Grundnorm — eine Anerkennungsregel für die (in seinem Sprachgebrauch) normative Geltung voraussetzt; und hier verfängt er sich i m eigenen Sprachgebrauch, denn die (faktische) Anerkennung ist wiederum nur Bedingung der faktischen Geltung, nicht der Gültigkeit einer Norm 7 7 . Hart verwechselt hier nicht nur normatives m i t empirischem, sondern behauptet auch die Nichtbegründbarkeit von Urteilen normativer Natur durch Erkenntnis (es geschieht dies nur durch Anerkenntnis), — eine synthetische Behauptung a priori theoretischer Natur, die nur durch Erkenntnis zu begründen wäre; er übersieht aber auch den Unterschied von Be73
Vgl. Podlech, a.a.O., S. 77 ff. Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre, Wien 1960, S. 224, 226; zitierweise: Kelsen Seitenzahl. 75 del Vecchio, Giorgio: Lehrbuch der Rechtsphilosophie 2 , Basel 1951, 416; Stichwort: Erzwingbarkeit. 78 Eckmann 46 u n d 74. 77 I n hervorragender K l a r h e i t erscheint dies bei Eckmann herausgearbeitet auf S. 121. 74
4.4 Rechtspositivismus u n d Reine Rechtslehre
155
gründung durch immittelbare Erkenntnis und deduktive Ableitung aus Prämissen (mittelbare Erkenntnis), indem er die Anwendungsregel an die Spitze stellt, deren Nichtbegründbarkeit behauptet und zugleich aussagt, daß das System als ganzes nicht begründbar ist (letzteres ist konsequent die Folge, allerdings aus einer falschen, zumindest bei Hart nicht begründeten Prämisse). Richtig ist allerdings wieder die Überlegung, daß keine Rechtsregel (wie jede andere Regel überhaupt), wie Hart sagt, die Kriterien für ihre eigene Rechtsgeltung enthält; gemeint ist: den Grund für ihre Geltung enthält (hier ist die Unterscheidung von Geltung und Gültigkeit unbeachtlich: das Argument gilt sowohl für das eine wie auch das andere) 78 . Dieses Problem ist jedem Juristen aus der Kodifizierung bekannt; es ist aber auch durch Kodifizierung zirkelfrei nicht lösbar (dahinter steht das allgemeine Deduktionsproblem i m logischen Sinne, daß durch Urteile allein nicht alles begründbar ist; wer dies annimmt, behauptet i n Wahrheit, daß nichts zu begründen sei, vgl. Teil 1). A m einfachen Beispiel: Alles, was das Parlament beschließt, ist geltendes Recht (G); Parlament Ρ beschließt G (Β). Damit G durch Β (schlüssig) geltendes Recht werden kann, ist G bereits als gültig (oder geltend) vorausgesetzt. Derartiges hat Reinach i n Bezug auf das bürgerliche Recht (phänomenologisch) untersucht 79 ; i m Rahmen kritischer Rechtslehre ist der Zirkel vergleichsweise abgehandelt unter Recht und Vertrag, Recht und Anerkennung, für das Staatsrecht unter Staatsbegründungsvertrag (Selbstwiderspruch) und Selbstbindung der Staaten (petitio principii). 4.4.2 Kelsens Reine Rechtslehre
Kelsen versteht unter Reiner Rechtslehre (RR) „eine Theorie des positiven Rechts . . . schlechthin" 80 . Das „schlechthin" deutet an, daß er nicht eine Theorie dieser oder jener empirischen positiven Rechtsordnung geben w i l l , sondern eine solche der Bedingungen der Möglichkeit 78 Das g i l t aber nicht n u r v o n einer Rechtsregel f sondern v o n jedem Satz u n d jedem U r t e i l (hier gleichbedeutend gebraucht): „ k e i n U r t e i l enthält die K r i t e r i e n f ü r seine eigene Geltung" (Wahrheit). W i r führten aus: ein etwas, das ein U r t e i l ist, ist eben d a r u m noch nicht wahr, auch d a r u m noch nicht falsch; daher: Jedes U r t e i l bedarf der Begründung. U n d : eine Erkenntnistheorie zur Aufstellung von Erkenntniskriterien k a n n es nicht geben (vgl. Nelson I I , 79 ff. „Über das sogenannte Erkenntnisproblem", insbes. I I 92 ff., lfd. Nr. 3. bis 5., unter I „Allgemeiner Beweis der Unmöglichkeit der E r kenntnistheorie"). Α . A . Schmidt , H. A . : Der Beweisansatz v o n L . Nelson f ü r die »Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie' als Beispiel eines retroflexiven Schlusses, i n : Festschrift Josef König, Göttingen 1964, S. 216 bis 248. Vgl. auch unsere Meinung hierzu i n K M I, 2, 2. Teil: 1.17, S. 58 ff. 79 Reinach, A d o l f : Z u r Phänomenologie des Rechts, die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts, München 1953, erstmals erschienen 1913 i m Jahrbuch f ü r Philosophie u n d phänomenologische Forschung. 80 Kelsen 1.
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4 Entwicklung u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
einer jeden Rechtsordnung, als die er dann die Grundnorm bestimmt, die „als eine i n der Begründung der Geltung des pos. Rechts gedachte Norm nur die transzendental-logische Bedingung dieser normativen Deutung ist", sie „leistet" „eine erkenntnistheoretische Funktion" 8 1 , „hat erkenntnistheoretischen Charakter" 8 2 . Daß Kelsen bald das mit Geltung bezeichnet, was sonst die Gültigkeit einer Norm betrifft, und „objektiv gültig" das nennt, was sonst Befolgung genannt wird, von ihm auch Wirksamkeit tituliert: „ E i n M i n i m u m an sog. (?) Wirksamkeit ist eine Bedingung ihrer Geltung" 8 3 , kann über die unterschiedlichen Sachverhalte nicht hinwegtäuschen, oder sollte es wenigstens nicht; hinzu kommt, daß die Zusammenstellung „Geltungsbereich" verwechselt w i r d m i t Anwendbarkeit einer Norm. Erschwert w i r d das Verständnis durch erkenntnisrelevante Behauptungen über „Gerechtigkeit", die nach seiner Bestimmung der RR, sie sei „eine Theorie des Rechtspositivismus", eben die Kompetenz einer RR überschreiten; sofern er dann noch Begründungen für seine Behauptungen gibt, sind sie teilweise fehlerhaft, ζ. B. daß die „Geschichte der Naturrechtslehre" zeige, daß sich ein solches nicht begründen lasse: der Rekurs auf „einander widersprechende Naturrechtslehren" verfängt nicht; denn was als Naturrecht behauptet wird, muß nicht ein solches, muß nicht wahr sein 84 . 81
Kelsen 224/225. Kelsen 444. 83 Kelsen 10. 84 Kelsen 226: Die Geschichte der einander widersprechenden Naturrechtslehren beweist n u r die Selbstverständlichkeit, daß auch unter dem Namen Naturrecht I r r t ü m e r (hoffentlich ausschließlich der Vergangenheit angehörend) ausgegeben w u r d e n (wissentlich selbstverständlich nicht, es sei denn, man n i m m t an, einer hat gelogen), w i e solches i n der Geschichte einer jeden Wissenschaft vorkommt. Während die Geschichte anderer Wissenschaften diese I r r t ü m e r aber lediglich als Ausgangspunkt f ü r Einsichten sow i e historisch i n ihrer Überwindung darstellt, können w i r uns bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, daß Philosophie u n d leider auch Rechtsphilosophie geradezu von der Wiederholung der I r r t ü m e r i n ihrer Geschichte „leben" : w i e sonst wäre es zu erklären, daß der Studierende jedenfalls alles lernen muß u n d i h m Geschichte nicht gereinigt durch Vortrag auch entschiedener K r i t i ken bestimmter Philosopheme geboten w i r d . So wetterte Topitsch gegen den „Marxismus als Ideologie, der schon v o r der Jugend- u n d Intellektuellenrevolte wissenschaftlich erledigt w a r " vgl. Rhein. M e r k u r Nr. 39, 1976, S. 10 unter Nennung von Horkheimer, Habermas u n d Adorno. Dem Hegelianismus werden K r i t i k e n von Schloemilch (Mathematiker: Zeitschrift f ü r P h i losophie u n d philosophische K r i t i k , Bd. 70, Heft 1, 1877) ebenso unterschlagen w i e die erwähnten von Fries u n d Nelson i n ihren jeweiligen Darstellungen zur Geschichte der Philosphie, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen ü b r i g lassen. Vgl. zu einer Zusammenstellung Wolf, E r i k : Das Problem der N a turrechtslehre, Versuch einer Orientierung, Karlsruhe 1959; Verdross, A l f r e d : Statisches u n d dynamisches Naturrecht, Freiburg 1971, der kritischen Methode nahestehend Hippel, Ernst von: Elemente des Naturrechts, eine E i n führung, B e r l i n 1969. 82
4.4 Rechtspositivismus u n d Reine Rechtslehre
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Entscheidende Bedeutung räumt er selbst seiner Grundnorm ein, sie sei vorausgesetzt, aus ihr könne man „nur den Geltungsgrund, nicht aber den Inhalt einer konkreten Rechtsnorm ableiten". „Daher kann jeder beliebige Inhalt Recht sein 86 ." Damit verfängt Kelsens Argumentation sich i m Begründungsproblem, indem er die Auflöslichkeit durch Sätze, bei ihm: Normen, behauptet, was nicht der Fall ist; er müßte streng genommen die Unauflöslichkeit behaupten: denn durch die Zurückführung einer positiven Rechtsordnung auf ihre Grundnorm, wobei die Rechtsordnung „darum gilt, w e i l sie i n einer bestimmten und zwar i n letzter Linie i n einer von einer vorausgesetzten Grundnorm bestimmten Weise erzeugt ist" 8 6 , nicht „ i m Wege einer logischen Schlußfolgerung abgeleitet", w i r d i n Wahrheit nichts begründet, — es handelt sich bestenfalls um Axiomatisierung (die er allerdings auch bestreitet: „nicht i m Wege einer logischen Schlußfolgerung"), die falsche Sätze (Normen) nicht ausschließt 87 , oder doch nur eine regressive Aufweisung einer den Normen einer positiven Rechtsordnung gemeinsamen, normativen Voraussetzung, die inhaltlich sogar einmal falsch sein muß, wenn „jeder beliebige Inhalt Recht 0 (gemeint sein kann nur: Gesetz) sein" kann, damit auch Kontradiktorisches. Wie dann noch die Grundnorm Geltungsgrund sein kann, bleibt uneinsichtig. Und es ist dies j a auch Sache einer ganz einfachen Überlegung: Werde ich ζ. B. gefragt, was einer t u n darf oder soll, und ich antworte mit der Behauptung, daß etwas geboten sei, das, was geboten sei, sei jedoch beliebig, so ist meine Behauptung, daß etwas geboten sei, sinnlos, — i n Wahrheit ist nämlich überhaupt nichts geboten. Das ist aber der von Kelsen behauptete Sachverhalt, daß die Grundnorm als Geltungsgrund, d.h. daß etwas geboten ist, „die Geltung jeder 0 positiven Rechtsordnung" „begründe", und also auch solcher, die einander widersprechen, was Kelsen ja ausdrücklich auf S. 443 seiner RR zugesteht. Wenn aber (nochmals) Widersprechendes, Kontradiktorisches geboten ist, ist i n Wahrheit nichts geboten; antworte ich also auf die Frage, was geboten ist, es ist etwas geboten, so beantworte ich die Frage nur dann, wenn ich sage, was geboten ist. Kann das, was geboten ist, auch zugleich das kontradiktorische Gegenteil dessen sein, was geboten ist, dann ist nichts geboten. W i r dürfen nur die Mühe nicht scheuen, durch Nachdenken von Annahmen, die zumindest sprachliche Schwierigkeiten bereiten, die Konsequenzen aufzuzeigen, u m hinter dem verwendeten Vokabular die wahre Bedeutung aufzuzeigen. 85
Kelsen 201. Kelsen 200/201. 87 Savigny, Eike von: Z u r Rolle der deduktiv axiomatischen Methode i n der Rechtswissenschaft, i n : R T 315 ff. 86
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4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
Die Grundnorm löst daher keines der angesprochenen Probleme, sondern reduziert bestenfalls die Rechtsfrage auf die Machtfrage (ohne dies ausdrücklich zu sagen). 4.5 Besichtigung von Gründen und Argumenten, die gegen die Möglichkeit praktischer Erkenntnis vorgetragen werden 4.5.1 Der „Unbegriff eines Imperativs ohne Imperator" (Dubislav)
Wer, wie Dubislav", Imperativ m i t Befehl verwechselt, verfängt sich i n dem „Unbegriff", aber doch nur aufgrund seiner Verwechslung; wenn ein Satz ertönt von der A r t : Schließ die Tür! bleibt völlig offen, was er, außer seinem Inhalt „Türe schließen" (Phrastik) noch bedeutet, ausdrückt: einen Befehl von der A r t : Legt an, Feuer! zu dem ein Befehlender gehört; ein Wunsch: bitte schließ die Türe, zu dem ein Wünschender gehört; einen hypothetischen Imperativ, genauer: einen Schlußsatz eines hypothetisch-kategorischen Schlußes m i t einem hypothetischen Imperativ als Obersatz, einer empirischen Feststellung als Untersatz von der A r t : Wenn du nicht i m Zug sitzen willst, mußt du die Türe schließen; hier zieht es, i m Zug w i l l ich nicht sitzen, also: Schließ die Türe (Kurzform des Schlusses); oder endlich einen kategorischen Imperativ, der auch hier als Schlußsatz erscheint, aber eben als Anwendungsfall einer allgemeinen Regel, des praktischen Gesetzes; so kann diese Aufforderung an mich ergehen aufgrund des überwiegenden Interesses eines anderen an Ruhe zu Genesungszwecken gegenüber meinem Interesse an einem oberflächlichen Tanzmusikvergnügen, das ich lautstark befriedige, aber auch ebenso befriedigen kann, wenn ich die Türe schließe. Wer dann i n diesem Zusammenhang, statt eine Analyse zu geben und/oder eine Widerlegung von Selbstbeobachtungen zu versuchen, daß ich nämlich i n vorbeschriebener Situation lieber auf ein oberflächliches Vergnügen verzichte, als meine Gesundheit ernstlich zu gefährden, m i t dem Schlagwort „Schreibtischpsychologie" 89 operiert, muß sich entgegen halten lassen, daß er selbst doch diese betreibt, indem er, um ein relevantes Argument zu liefern, sich hinsichtlich des Vorgetragenen auf Erkenntnis seinerseits berufen muß, die er doch nur selbst durch innere Erfahrung sichern kann, die Gegenstand der Psychologie ist. 4.5.2 Zur Unbegründbarkeit der Forderungssätze (Dubislav)
Daß Forderungssätze 90 nicht „demonstrabel" (im Sinne der kritischen Methode) sind, bildet kein Mangel; dies teilen Forderungssätze m i t den 88 89 90
Fundstelle Fn. 9 dieses Teiles 4 i n Werturteilsstreit 439 ff., 445. Dubislav, a.a.O., Fn. 9 des Teiles 4, i n : Werturteilsstreit, S. 445. I m Sinne der kritischen Methode.
4.5 Z u r behaupteten Unmöglichkeit praktischer Erkenntnis
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Prinzipien der Logik. Daß sie nicht empirisch verifizierbar sind oder wenigstens falsifizierbar, gilt auch von den Regeln der Logik und Mathematik, i m Grenzfall hinsichtlich der Falsifizierbarkeit von jeder Erkenntnis: falsifizieren lassen sich (vgl. Teil 1) n u r Urteile. I n t u i t i v w i r d auch empirisch nichts begründet (mangels der Übermittlungsmöglichkeit von Intuition). Forderungssätze sind selbst dann entweder wahr oder falsch, wenn sie nicht durch Erkenntnis begründet werden könnten: jede Interpretation durch Umdeutung i n deskriptive Sätze t r i f f t entweder das, was Forderungssätze beschreiben, oder nicht. Gelingt ihre Begründung durch Erkenntnis, ist ein Forderungssatz ganz oder teilweise die Wiederholung dieser Erkenntnis oder nicht; i m letzten Fall ist der Forderungssatz, das Urteil falsch. 4.5.3 Der historische Einwand mit Blick auf die Geschichte der Ethik
Der Einwand, daß schon alles mögliche, sogar einander widersprechendes für „gut" und „böse" gehalten worden sei, verfängt ebensowenig wie i n jeder anderen Wissenschaft; er kann sinnvollerweise nur verstanden werden als Hinweis darauf, daß es auch i m praktischen Bereich Irrtümer i m Verlaufe der Geschichte gegeben hat und noch gibt. Dasselbe gilt auch i n Bezug auf ethische Meinungen über denselben Sachverhalt. Voraussetzung für die Erkenntnis nicht nur der Unterschiedlichkeit, sondern dessen, daß die Behauptungen falsch sind, ist die Möglichkeit praktischer Erkenntnis. A l l e Widerlegungsversuche ethischer Meinungen gehen daher von dieser insgeheimen Voraussetzung aus; sofern diese Versuche diese Voraussetzung leugnen, sind die Versuche selbst zirkulär. 4.5.4 Das Mißverständnis der Rechtfertigung von Werturteilen durch Rekurs auf Wertüberzeugungen
I n Wahrheit w i r d weder i n der Ethik noch sonst irgendwo ein Urteil durch Überzeugung 91 gerechtfertigt, da Überzeugungen zwar wahr, aber auch falsch sein können, eine falsche Überzeugung aber nichts rechtfertigen kann ζ. B. Rechtsüberzeugung als Quelle des Rechts: Stufen der Widerlegung sind Nominaldefinition, Realdefinition, unendlicher Regreß; falsche Rechtsüberzeugung kann nicht K r i t e r i u m sein; i n jedem dieser Fälle w i r d ein Recht unabhängig von der Überzeugung vom Recht vorausgesetzt.
91
Philipps,
Lothar, i n : R T 315 ff.
160
4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
4.6 Einwände unter Berücksichtigung der empirischen Tatsache des Gewissens Daß moralische Entscheidungen durch das vernommen werden, was man Gewissen nennt, scheint die Werturteile noch verdächtiger zu machen hinsichtlich ihrer Kognitivität. Der Hinweis auf unterschiedliche Gewissensaussprüche entscheidet hier weder, noch begründet hier gar nichts; denn der Gewissensausspruch ist zunächst, d. h. bis er begründet wird, nichts anderes als der Inhalt einer Überzeugung, und Überzeugungen können wahr, aber auch falsch sein. Die Einwände beruhen darauf, daß das Gewissen als psychischer Akt, seiner psychischen Natur nach, als Rechtfertigungsgrund angesehen wird, ohne auf den (möglicherweise Erkenntnis-)Inhalt zu rekurrieren. Die Tatsache, daß sich mein Gewissen bei einem bestimmten Sachverhalt so und so für oder gegen ein (beabsichtigtes oder geschehenes) Handeln ausspricht, besagt i n Bezug auf die Richtigkeit des Ausspruchs nichts. Dies w i r d aber fälschlicherweise von den Gegnern der Kognitivität ethischer U r teile den Befürwortern der Gewissensargumentation unterstellt. 4.6.1 Die Gewissensregung als etwas Psychisches
Meist w i r d ethischen Untersuchungen, die Rekurs auf das Gewissen nehmen, unterstellt, sie würden das Gewissen als etwas Psychisches (genauer: die Gewissensregung) zur Begründung ethischer Urteile heranziehen, und, da ethische Urteile sowohl apodiktisch als a priorischer Natur seien, Philosophie i n Psychologie verwandeln. Das A r g u ment nur deutlich formuliert, offenbart die innere Widersprüchlichkeit; denn Urteile über Psychisches können nur durch Erfahrung begründet werden, Erfahrung begründet aber nicht apodiktische Urteile a priori. Dies w i r d auch nicht etwa von Friesianern behauptet, wie Dubislav meint 9 2 . Dasselbe Argument kehrt dann wieder i n der Gestalt, daß die Gewissensregung als Psychisches (psychischer Akt) von uns abhängig sei. Diese (richtig beobachtete) Aktabhängigkeit w i r d aber unter der Hand umgemünzt in Inhaltsabhängigkeit (erkenntnistheoretisch dieser Fehler bei Nicolai Hartmann 93 zu finden; sorgfältige Analyse bei Konrad), z. B. bei Popper: „Das Verdikt unseres Gewissens hängt von uns selbst ab" 9 4 , was doch erst zu zeigen wäre. Dagegen: der psychische A k t der Gewissensregung hängt als A k t von uns selbst ab wie jeder andere psychische A k t auch, d. h. er hat einen Träger; der Gewissensausspruch 92
Fundstelle Dubislav, Fn. 8 des Teiles 4. Erkenntnistheoretisch findet sich dieser Fehler u. a. bei N. H a r t m a n n ; die sorgfältige Analyse wiederum wäre nachzulesen bei Konrad, 201 ff. 94 Popper I I 287. 93
4.6 Die empirische Tatsache des Gewissens
161
hängt i n einem anderen Sinne noch von uns ab, als jeder nur seine Gewissensregung als Regung und seinem Inhalte nach vernehmen (durch innere Erfahrung wahrnehmen) kann. Bezogen auf das Begründungsproblem: nur der Aktträger kann Behauptungen über seine psychischen Akte sowohl als solche, als auch ihrem Inhalt nach (durch innere Wahrnehmung) begründen. Deshalb allein unterliegen solche Urteile aber noch nicht einem Verdacht; der Inhalt kann immer noch Erkenntnis sein. Wenn auch das Akterlebnis eines jeden als Erlebnis intersubjektiv nicht nachprüfbar ist, kann es der Inhalt als Erkenntnis immer noch sein. — Auch behauptet niemand aus der Schule der kritischen Methode 95, daß der Erkenntnischarafcter (als Psychisches) Wahrheitskriterium sei. Es ist dies immer wieder der völlig zu unrecht erhobene Psychologismusverdacht. Verschiebt man endlich die Argumentation von der Eigentümlichkeit der Gewissensregung (sie behauptet nämlich etwas über den Träger des psychischen Aktes: Gewissen, hinaus, s. unten) h i n zu dem A k t der Mißbilligung, fällt es leicht, den naturalistischen Fehlschluß einer Methode vorzuwerfen, die i n Wahrheit diesen Fehlschluß jedoch nicht begeht, da sie die unterstellte Verschiebung gerade als falsch ablehnt. Z u dem psychischem A k t der Mißbilligung w i r d dann fälschlicherweise immer noch der der Billigung mithinzugenommen; eine genaue Analyse dagegen zeigt, daß die A k t e der Mißbilligung und Billigung mit dem A k t der Gewissensregung nicht zur Deckung gebracht werden können: eine Entsprechung i m Sinne eines psychischen Zugleich — Parallelismus ist sicher zu anspruchsvoll — gibt es nur bei Gewissensregung und Mißbilligen, nicht aber Billigen: hier fehlt eine entsprechende Regung (als psychischer Akt) des Gewissens; i m übrigen läßt sich die Entsprechung auch nicht umkehren: A k t e des Mißbilligens reichen wéiter als die Akte der Gewissensregung), wie z.B. Dubislav, immer i n hervorgehobener Polemik gegen den Kritizismus 9e, übersieht. 4.6.2 Gewissen als „Gefühl" ( = Empfinden)
Ähnlich verläuft eine Argumentation, die Gefühl und Empfinden (schon bei Kant angeregt) nicht scheidet, ζ. B. Matz. Es kann zwar sein, daß es ein Gefühl i m Sinne eines Aktes der Urteilskraft (Fries), und zwar sowohl als Wahrheitsgefühl wie auch als Gerechtigkeitsgefühl (im juristischen Bereich fälschlicherweise Rechtsempfinden genannt), nicht 95 Dies durften w i r i n dieser Abhandlung u n d i n K M I i m m e r u n d i m m e r wieder zeigen; zur Schule sind jedoch n u r diejenigen zu rechnen, die die kritische Methode verstanden haben, nicht aber auch diejenigen, die sie vorgeblich interpretieren, u m i h r eigenes Mißverständnis f ü r das Ergebnis der Schule auszugeben. 96 Dubislav, Fundst. Fn. 9 des Teiles 4, S. 453.
11 Westermann
162
4 E n t w i c k l u n g u n d Rechtfertigung praktischer Lehren
gibt. Dies ist jedoch kein Grund, den einen (Kritizisten) eine Argumentation zu unterschieben, von der sie keinen Gebrauch machen; sie stellen i m Gegenteil immer wieder klar, daß eine Aussage über eine Empfindung nur über den Aussagenden etwas behauptet, nichts weiter (anders beim sittlichen Gefühl, so die Behauptung). Paradox ist dann auch die Formulierung eines Ergebnisses bei Matz: „Unser Ergebnis ist also, daß das Rechtsgefühl — seiner Objektivität mangels eines objektiven Wertes beraubt — potentiell ein Element der Ungerechtigkeit (?) ist 9 7 ." Mangels einer erkenntniskritischen Begründung kann er hierfür, für sein Ergebnis und die Behauptung nur auf sein Rechtsgefühl rekurrieren; er müßte es zuförderst vom Empfinden unterscheiden. 4.6.3 Lernbarkeit des Gewissensinhaltes
Merkwürdigerweise unter Berufung auf die lernpsychologischen Untersuchungen von Piaget w i r d aus der Lernbarkeit von Gewissensinhalten auf ihren Mangel an Objektivität geschlossen; das Argument verfängt nicht, da auch Erkenntnisse „gelernt" werden müssen, d. h. ein Verhalten, das sich nach Erkenntnissen ausrichtet (Psychologie der Intelligenz); das ist aber auch bei anderen als ethischen Erkenntnissen der Fall. Piaget aber sagt i n Bezug auf diese, den nicht weiter begründeten Satz: „Häufig drängen sich die Begriffe von Recht und Unrecht dem kindlichen Bewußtsein trotz und nicht durch den Erwachsenen auf 9 8 ." Hier w i r d die Lernbarkeit, aber auch die Notwendigkeit, ethische Erkenntnis zu lernen, deutlich (vgl. die Geschichten von den zerbrochenen Tassen und ihre Bewertung durch Kinder nach Schuld und Verursachung größeren Schadens). 4.6.4 Manipulierbarkeit des Gewissens
Es ist eine empirische Tatsache, daß das Gewissen auch mit falschen Inhalten durch Erziehung versehen werden kann (psychologisch spricht man von überempfindlichem Gewissen einerseits, vom groben, rohen, unempfindlichen Gewissen andererseits). I n empirischen Untersuchungen w i r d diese Tatsache meist überschätzt; tatsächlich w i r d das an sich gut funktionierende Gewissen überlistet, z.B. i n der NS-Zeit, i n der empirische Behauptungen herangezogen wurden: Juden sind (am Ende wiss. gesichert) Untermenschen, sonst hätte ihre Vernichtung nicht funktionieren können. Ähnlich i n autoritären Staaten m i t Blick auf die Staatsfeinde (man behandelt den anders denkenden tatsächlich als 97 Matz, Ulrich: Rechtsgefühl u n d objektive Werte, ein Beitrag zur K r i t i k des wertethischen Naturrechts, München 1966, S. 142. 98 Piaget , Jean: Das moralische U r t e i l beim Kinde, Zürich 1954, S. 224, sowie die Entwicklung 137 ff.
4.6 Die empirische Tatsache des Gewissens
163
geisteskrank!) oder unter dem Einfluß eines Demagogen (ζ. B. Manson, der Gegner erst zu ,pigs' erklären mußte, damit seine Anhänger zu den Scheußlichkeiten fähig wurden). Erkenntniskritisch bildet diese Tatsache kein Argument; auch i n anderen Wissensgebieten kann (und hat historisch) Verdummung stattgefunden. 4.6.5 Gewissen funktioniert autoritär-dogmatisch (Albert)
Daß das Gewissen dogmatisch funktioniert", soll u. E. soviel heißen, daß der Inhalt nicht durch Erkenntnis begründet w i r d ; daß es autoritär funktioniert, soll wohl heißen, daß die Forderungen, die das Gewissen stellt, nicht die des eigenen Ichs sind (sie können darum noch immer falsch sein), sondern als Forderung von Instanzen außerhalb des Ichs gesetzt und um deretwillen befolgt werden. Beide Überlegungen sind richtig, vermögen aber kein Argument als Einwand gegen die Kognitivität ethischer Urteile abzugeben. I n und mit dem Erkanntsein dieser Zusammenhänge behauptet dieses Argument, daß dies nicht sein sollte — oder das Argument ist sinnlos; die Mit-Behauptung ist aber selbst die Behauptung einer ethischen Erkenntnis. 4.6.6 Ergebnis
Sämtliche gegen das Gewissen vorgetragenen Argumente bedeuten nicht mehr als einen Hinweis auf die Möglichkeit von Irrtümern auch i m Bereich des Praktischen, was niemand, der vernünftig ist, je leugnet. Auch i n ethischen Argumentationen ist der Hinweis auf die Fehlbarkeit des Gewissens (dem Inhalte nach) nicht von größerer Bedeutung als der Hinweis auf Irrtumsmöglichkeiten überhaupt (was erst recht niemand leugnet). Von dieser nimmt die kritische Methode ihren Ausgang, I r r t u m allein sei erklärungsbedürftig, da Irren nur erklärungsfähig sei, nicht aber (das Faktum der) Erkenntnis: Behauptungen, die die Methode zu begründen unternimmt. Von wenigen abgesehen, zweifelt i n der Alltagspraxis an Vernunft so gut wie niemand, wenngleich durchaus an der Vernünftigkeit Einzelner. Dies kann jedoch als Zweifeln (sinnvoll) nur unter Voraussetzung von Vernunft geschehen — oder Argumentationen und Begründungen, auch i n der Ethik und Rechtslehre, wären sinnlos (ganz entgegen unserem tatsächlichen Verhalten): die Fülle der Literatur hierzu stünde auch i n krassem Gegensatz zu der zweiten Alternative und wäre nur gebührend inkonsequent i n ihren Behauptungen und Ausführungen, die Bände füllen, die die Bücherwände füllen: Soll i n ihnen nicht Wahres behauptet, Erkanntes vermittelt werden? Wo nicht, sind sie für Wissenschaft irrelevant, für Theorie und Praxis. 99
11·
Albert
20.
TEIL 5 Konsequenzen der Annahme, praktische Urteile ließen sich nicht durch Erkenntnis begründen, non-kognitivistische Haltung oder Theorie praktische Erkenntnis gibt es nicht': Irrelevanzbeziehungen, — die Mängel analytischer und theoretischer Ansätze, sowie ein Ergebnis als Wegweisung: das praktische Urteil und sein Grund, Erkenntnis; das Ganze — letztendlich eine Sache des, richtig verstandenen, Begründungsproblem, der (richtigen) Begründung
5 Konsequenzen und Irrelevanzbeziehungen Non-Kognitivismus i n der Ethik und Rechtslehre (dessen wissenschaftlicher Nachweis noch aussteht) ist irrelevant für (bereits die Möglichkeit der) Ethik als Wissenschaft. Hier zunächst einige Konsequenzen aus der Annahme, praktische Urteile ließen sich nicht durch Erkenntnis begründen, da es praktische Erkenntnis prinzipiell oder der Möglichkeit nach nicht geben kann. 5.1 Non-kognitivistische Haltungen als Theorie W i r geben die Hauptargumentationen i n sechs thesenartigen Zusammenfassungen wieder: erstens — Die Begründung einer non-kognitivistischen Haltung oder Theorie könnte nur durch eine theoretische Erkenntnis a priori geschehen. Aber selbst dann, wenn eine solche Begründung gelingen würde, ist die begründete Annahme irrelevant, d. h. ohne Konsequenzen für meine ethischen Urteile. zweitens — Der Aufweis irgendwelcher Abhängigkeit meines individuellen Gewissens vom Milieu, Erziehung, Stand etc. ist sinnlos; denn die Forderung, dies sollte nicht so sein, verläßt die (als begründet behauptete) Annahme. Was aber soll m i r dann noch der Aufweis? drittens — Der Aufweis der Falschheit des Inhaltes des individuellen Gewissens ist nur unter Inkaufnahme eines Widerspruchs möglich; Begründung: Erkenne ich einen I r r t u m als solchen, d. h. w o r i n er besteht, so erkenne ich wahres, hier die Wahrheit eines praktischen (ethischen) Urteils — entgegen der als begründet behaupteten A n nahme.
5.2 Gewissen als Gegenstand der empirischen Psychologie
165
viertens — Aus dem Umstand, daß es ethische Erkenntnis nicht gibt, folgt nichts in Bezug auf mein Gewissen; ich kann seinen Anforderungen auch dann noch folgen oder nicht folgen. fünftens — Insonderheit kann ich auch i n ethischen Diskussionen dann den anderen zu überreden suchen, wenn ich nicht die Macht habe, meine Interessen durchzusetzen, und zwar auch m i t „rechtlichen" Argumenten, von denen ich weiß, daß sie nicht auf Erkenntnis gestützt werden können, von denen ich meinem Dialogpartner vorgaukele, je nachdem, ob es m i r zweckmäßig erscheint oder nicht, daß sie durch Erkenntnis gestützt seien: ein Verbot, dies sei nicht ehrlich und daher nicht erlaubt, kann, unter der als begründet behaupteten Annahme, (widerspruchsfrei) nicht begründet werden. sechstens — Gibt es aber kein Recht (die Aussage ist zu unterscheiden in: a) es gibt keines, b) es gibt zwar eines, w i r können es aber nicht erkennen; von der Relevanz her gesehen ist das eine m i t dem anderen für die Argumentation gleichbedeutend m i t : es gibt keine begründeten ethischen Urteile), dann gibt es auch kein Unrecht, — das w i r d häufig übersehen. A n die Stelle der Rechtsfrage t r i t t dann die Machtfrage, ein mehr oder weniger weitblickender kalkulatorischer Egoismus: kalkulatorisch, w e i l er m i t der Erwartung operiert, daß andere auch so handeln werden, wie ich handle, ζ. B. einmal altruistisch, rücksichtsvoll etc., — oder verallgemeinernder Utilitarismus: verallgemeinernd, w e i l er überhaupt nur soziale Relevanz hat, wenn ich die Forderungen des Utilitarismus weg vom individuellen Zweck als dem des Nützlichen h i n zum allgemein Nützlichen wende, wobei der Utilitarismus selbst nicht sagt, was das Nützliche sei 1 . 5.2 Das Gewissen als Gegenstand der empirischen Psychologie Nun gibt es einen empirisch zu beobachtenden Sachverhalt, genannt Gewissen (hierin ist eine Aussage über die Möglichkeit von Wahrheit des Gewissensausspruchs nicht gemacht). 5.2.1 Normierungen und Wertungen als Tatsachen
Normierungen und Wertungen sind Tatsachen des menschlichen Lebens, Normorientierungen des Verhaltens Gegenstand der Psychologie, speziell der Motivationsforschung. Als Gegenstand der empirischen Psychologie lassen sich Strukturen 2 ethischen Verhaltens aufzeigen und Funktionsweisen beschreiben 8 , und zwar unabhängig von der Ent1
Hoerster U 1. Wyss, Dieter: S t r u k t u r e n der Moral, Untersuchungen zur Anthropologie u n d Genealogie moralischer Verhaltensweisen, Göttingen 1968. 2
166
5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
Scheidung der Begründungsfrage von Norm und Wert. Doch w i r d bei diesen Untersuchungen sichtbar, daß eine rationale Psychologie 4 nicht entbehrlich ist: Von der psychologischen Seite ist auf dem Wege dahin Allport 5; auch das Phänomen des Unechten bei Lersch 6 muß als solche Überschreitung der empirischen Psychologie auf dem Wege zu einer rationalen gedeutet werden. Von der philosophischen Seite her kommt Schwemmer, auf den Lorenzen 7 aufmerksam macht, allerdings teilt Lorenzen m i t Schwemmer vielfach das soziologische Vorurteil der Erkenntnisabhängigkeit, ohne den Selbstwiderspruch zu beachten, bei einer Fülle richtiger empirischer Beobachtungen; auch die rechtssoziologischen Untersuchungen könnten hier eingeordnet werden. 5.2.2 Die Behauptungsfunktion des Gewissens in der Gegenüberstellung zum Empfinden
Daß i n der Psychologie selbst vielfach Empfinden und Gefühl gleichbedeutend verwendet wird, ist noch kein Einwand, Sachverhalte zu unterscheiden (die Bezeichnung ist dann eine sekundäre Frage, die nach Zweckmäßigkeit zu beurteilen ist). Sprachlich ist der Sache nicht beizukommen; denn gegebenenfalls stehen Äußerungen über das eine oder andere i m Indikativ. Wenn ich sage: ich habe Hunger, dann folgt daraus nichts i n Bezug auf andere (daß sie auch Hunger hätten, daß sie Hunger haben sollten etc.); auch ist diese Aussage individuell, nicht allgemein. Sage ich dagegen: Notzucht ist ein Verbrechen, so meine ich allgemein, daß Notzucht nicht sein soll. Dabei behaupte ich nicht nur über mich etwas. Dieser Umstand läßt sich nun ausbeuten i m Sinne einer rationalen Psychologie und einer anthropologischen Vernunftkritik: Wahrheitsgefühl i n Analogie zum Rechtsgefühl; Bestimmungsgründe des Handelns i n theoretischer und praktischer Hinsicht; Bewußtseinserhellung durch regressive Methode als Analyse durch logisches Schließen; Sicherung der obersten Grundsätze durch Erkenntnis — oder sie bleiben allemal ungesichert. 3 Lückert umfänglich v o m K o n f l i k t her, vgl. Lückert, Heinz-Rolf: K o n flikt-Psychologie, München 1957. Der innere K o n f l i k t ist analog dem äußeren: eine von der Psychologie her verblüffende Parallelität f ü r die A n w e n dung des praktischen Gesetzes nach der kritischen Methode, nämlich „ A b straktion v o m numerischen Unterschied der Personen bei der Interessenabwägung" (Nelson), Reduktion des äußeren Konfliktes auf einen ,als ob' inneren K o n f l i k t . 4 A u f die j a auch Lorenzen hinweist, vgl. Szientismus versus Dialektik, a.a.O. 5 Allport, Gordon W.: Gestalt u n d Wachstum i n der Persönlichkeit, M e i senheim 1970, sowie: ders.: Werden der Persönlichkeit, Bern 1958. 6 Lersch, P h i l i p p : A u f b a u der Person 8 , München 1962, S. 565 ff. 7 Professor Lorenzen i n einem Brief an mich i n Beantwortung einiger Fragen dieser Arbeit.
5.2 Gewissen als Gegenstand der empirischen Psychologie
167
5.2.3 „Transzendiere deine Subjektivität"? in Gegenüberstellung zum „Prinzip der Abstraktion von dem numerischen Unterschied der Personen" (Schwemmer / Nelson) B e i der A r b e i t v o n Schwemmer 8 w i r d wieder einmal u n d bedauerlicherweise d e u t l i c h , daß er d a problematisch endet, w o schon andere v o r i h m Lösungen vorgeschlagen haben, die z w a r v i e l l e i c h t e i n e r K r i t i k n i c h t s t a n d h a l t e n , w a s aber d a n n doch erst z u zeigen w ä r e . D e n n sein „ T r a n s z e n d i e r e deine S u b j e k t i v i t ä t " 9 s t e h t ebenso n a h d e m „ P r i n zip der A b s t r a k t i o n v o n dem numerischen Unterschied der Personen", gegen das schon Alf Ross10 p o l e m i s i e r t , w i e sein „ L a ß t u n s g e m e i n s a m . . . unser Wissen u n d unser Verständnis b i l d e n bzw. unseren W i l l e n b i l d e n " (die d r e i P u n k t e stehen b e i Schwemmer u n d bedeuten nicht eine A u s l a s s u n g d u r c h uns) i n h a l t l i c h l e e r b l e i b t , w e n n es i h m n i c h t g e l i n g t , das „Wissen bilden" durch Erkenntnis zu erklären, was bei i h m v e r m i ß t w i r d , das „Verständnis bilden" als „Achtung des Fremdinteresses", w a s b e i i h m s o w o h l h i n s i c h t l i c h des U m f a n g e s der z u b e r ü c k s i c h t i g e n d e n „ B e g e h r u n g e n " o f f e n b l e i b t als auch h i n s i c h t l i c h dessen, w e r seine „ B e g e h r u n g e n " b e f r i e d i g e n d a r f u n d w e r v e r z i c h t e n m u ß (was e r b e k a n n t l i c h d a n n d u r c h „ T r a n s f o r m a t i o n v o n B e g e h r u n g e n " bis h i n z u r V e r t r ä g l i c h k e i t m i t d e n e n a n d e r e r z u lösen t r a c h t e t ) ; den „Willen bilden" als Verpflichtung z u e r k l ä r e n durch praktische Erkenntnis, w a s h i n s i c h t l i c h des W o n a c h n i c h t g e r e c h t f e r t i g t w i r d 1 1 , also erkenntniskritisch u n g e k l ä r t ist, u n d auch h i n s i c h t l i c h des W i e , also 8
Schwemmer, Oswald: Philosophie der Praxis, Versuch zur Grundlegung einer Lehre v o m moralischen Argumentieren i n Verbindung m i t einer I n t e r pretation der praktischen Philosophie Kants, F r a n k f u r t 1971; zitierweise: Schwemmer S. 9 Schwemmer 127. 10 Vgl. oben 3.2. 11 Vgl. Schwemmer am Ende seines Buches „Philosophie der Praxis", der beginnt m i t : „Das Ergebnis dieser Untersuchung mag manchen enttäuschen . . . " , S. 243 f.; bemerkenswert auch die Diskussion K a m b a r t e l : Schwemmer i n : Praktische Philosophie u n d konstruktive Wissenschaftstheorie (Hrsg. Friedrich Kambartel), F r a n k f u r t 1974, die m i t einem Eingeständnis endet (Brief v o m 8. J u l i 1974 an Kambartel): „ M i r ist klar, daß das Moralprinzip nicht hinreicht, u m alle auftretenden K o n f l i k t e zu bewältigen: so gibt es insbesondere die auch von I h n e n erwähnten Konflikte, die dadurch entstehen, daß die Befriedigung der primären Bedürfnisse nicht mehr f ü r alle Mitglieder einer Gruppe gewährleistet werden kann. Ich habe solche K o n fliktsituationen etwas dramatisch als ,Kampf auf Leben u n d Tod' bezeichnet. Daß m i t dem Moralprinzip hier nichts zu machen ist, spricht für mich aber noch nicht gegen meine Formulierung dieses Prinzips. Es zeigt nur, daß ich keine Argumentation kenne, die hier den K o n f l i k t bewältigen könnte — . . . " (228). Aber sein Transformationsprinzip versagt schon bei jeder Vergewaltigungssituation, allgemein überhaupt bei widerrechtlichen Interessen; auch gibt es Argumentationen zum ,Kampf' bei gleichgewichtigen Interessen (vgl. Nelson I V 216, V 146, n u r ζ. B.) u n d selbst der „dramatische ,Kampf auf Leben u n d Tod'" hat eine Erörterung am „altbekannten Schulbeispiel von der Planke des Karneades" gefunden (Nelson I V 239, n u r ζ. B.).
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5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
psychologisch von der Motivation her, unverständlich bleibt und pädagogisch als Ziel für die Erziehung wohl überhaupt nicht gesehen w i r d : lauter Hauptprobleme der K r i t i k der praktischen Vernunft, die i n geändertem Vokabular dennoch nur wieder als Probleme stehen bleiben. Und, psychologisch, kommt er m i t den „Begehrungen" überhaupt nicht ins Beine, wenn er formuliert: „Wie sollen w i r die vorgetragenen . . . Begehrungen zu miteinander verträglichen verändern 0, ohne daß w i r eine bloß faktische Auszeichnung einiger Begehrungen vornehmen 1 2 ." Denn das eigentliche Problem besteht darin, i m Falle der Kollision von Begehrungen verschiedener Personen einige rechtlich auszuzeichnen, ja sogar welche zu berücksichtigen, die möglicherweise gar nicht sich äußernd festzustellen sind, — eine Frage, an der Fries n aufgrund einer falschen Annahme von der Triebstärke scheiterte, die Nelson 14 unzureichend durch eine Theorie des wahren Interesses zu lösen unternommen hat, was Schwemmer alles unerörtert läßt. „Faktisch vorhandene Begehrungen" lassen sich überhaupt nicht „transformieren" 1 5 , wie fälschlicherweise Schwemmer meint; er übersieht dabei sämtliche Ergebnisse der Motivationsforschung. Zunächst gilt es, die vielfältigen Einwände abzuweisen, die sich i n der Frage zusammenfassen lassen: Warum soll ich rechtlich handeln? (Nicht sittlich 1 6 , wie es meist schon fälschlicherweise heißt, denn für den Behandelten ist allein die Wahrung seines Rechtes interessant; und dazu genügt, daß der andere dem Recht gemäß handelt. Daß Bedingung seines rechtlichen Handelns Handeln nach richtiger Pflichtüberzeugung ist, ist nur erkenntniskritisch relevant.) — Wer so fragt, versteht schon nicht den Begriff des Rechtlichen, da er m i t der Frage behauptet (auch Fragen können etwas behaupten), die Rechtlichkeit (daß etwas sein soll) ließe sich noch ableiten — was, wenn überhaupt, doch immer nur geschehen könnte aus einer vorgegebenen Prämisse, die wiederum nur ein Sollen beinhalten kann, i n Bezug auf das sich die Frage wiederholt. Die Frage ist falsch gestellt.
12 Schwemmer 109; n u r lassen sich „Begehrungen" als Fakten nicht verändern (von tiefenpsychologischen Ergebnissen einmal abgesehen, auf die j e denfalls Schwemmer nicht rekurriert, vgl. unser Beispiel des ,Durst erlebenden Kindes' oben 1.8.3), sie sind so, w i e sie sind, es sei denn, Schwemmer wollte alle Begehrungen als n u r vorgeschoben behaupten, m i t der Folge, daß, sind erst die wahren bekannt, wären alle auch verträglich: eine gewiß nicht zu rechtfertigende Annahme. 18 Fries 6, 89 = N K I I I 73, vgl. auch Nelson I V 46 u n d Westermann KM I, 2,1. Teil: 1.133, S. 26, insbes. S. 27. 14 Nelson V I I I 3: Die Theorie des wahren Interesses u n d ihre rechtliche u n d politische Bedeutung (1913). 15 Schwemmer 124. 16 Westermann R 1-1.1.34, S. 26 ff.
5.2 Gewissen als Gegenstand der empirischen Psychologie
169
5.2.4 Zur Klärung ethischer und rechtlicher Begriffe
Die Klärung ethischer und rechtlicher Begriffe hat, über den „Gebrauch der Praxis" 1 7 (Schwemmer) hinaus zur Verständigung m i t jedem Dialogpartner durch Aufweis psychischer Tatsachen zu erfolgen, die, und das w i r d immer und immer wieder verwechselt, den ethischen und rechtlichen Begriffen zwar zugrunde liegen, nicht aber durch psychische Tatsachen selbst erklärt werden können; der A u f weis des Unterschiedes zu psychischen Begriffen (solchen, die Psychisches bezeichnen) kann vornehmlich durch das Prinzip des Widerspruchs verständlich gemacht werden: ζ. B. ist zwar jedes Recht ein Anspruch (Recht = rechtlicher Begriff, Anspruch = psychischer Begriff), darum aber nicht jeder A n spruch auch ein berechtigter: die gegenteilige Annahme führt zu einem Widerspruch (Rechtswiderspruch 18 ); auf diese Weise läßt sich u. a. das „Vorverständnis hintergehen" 1 9 (Schwemmer) und ist der „Mythos von der unhintergehbaren Umgangssprache" 20 (Lorenzen) beseitigt. Denn es w i r d nicht nunmehr nur gesprochen und das Verständnis dem Zufall überlassen, sondern es werden Wege zur Selbstbeobachtung aufgezeigt, die Sicherheit i m Verstehen ermöglichen, was freilich ein jeder selbst und für sich allein einsehen muß. A u f diese Weise lassen sich aus den i n der ethischen Diskussion verwendeten Wörtern jene aussondern, die Grundbegriffe bezeichnen, von denen eigentlich eine Erklärung nicht zu geben ist, sondern nur noch exemplarisch ihre Funktionsweise zu anderen Grundbegriffen dargestellt werden kann, sowie ihre psychische, erlebnismäßige Begleitung; es sind ihre anthropologischen Bedingungen angebbar und die Motivation kann genannt werden. U m ein (einfachstes) Beispiel zu geben: dem Recht des einen entspricht immer die Pflicht eines anderen, der Rechts Verletzung, die der eine erleidet, entspricht aber durchaus nur bei abstrakter Betrachtungsweise eine „Pflichtverletzung" des anderen, konkret jedoch nicht, w e i l gegebenenfalls die Handlung des anderen, die zwar das Recht des einen 17
Schwemmer 19. Aus der Tatsache, daß einer einen Anspruch erhebt, k a n n ein Recht nicht folgen; unter dieser A n n a h m e w ü r d e anstelle konkurrierender Ansprüche ein Rechtswiderspruch treten: aus der Tatsache, daß A einen Anspruch ,a' tatsächlich erhebt, w ü r d e dann ein Recht Ra folgen u n d entsprechend für einen anderen, nennen w i r i h n B, eine Pflicht; aus dem gegenteiligen A n spruch von B, den Β tatsächlich erhebt, würde sein, des Β Recht folgen, m i t dem Ergebnis, daß A aufgrund seines Anspruches das Recht hat, aufgrund des Anspruches des Β (der j a ebenso eine Tatsache ist w i e der erhobene A n spruch des A) A die Pflicht hat, auf seinen Anspruch zu verzichten, d. h. er hat das Recht nicht. 10 Schwemmer 19 ff. 20 Lorenzen, i n : RpP I I 342. 18
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5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
verletzt, dem anderen (Handelnden) nicht zugerechnet werden kann: für den Juristen ein banaler Sachverhalt, rechtsphilosophisch kaum geklärt, psychologisch, speziell psychiätrischerseits nur vom Norm erleben her gedeutet, nicht erkenntniskritisch gefaßt als Erkennen von Richtigem und dessen Verinnerlichung zur Einsicht. Recht und Pflicht funktionieren hier als Grundbegriffe, denen psychische Grundbegriffe zugrunde liegen, dem Recht der Psychisches bezeichnende Begriff Anspruch: „ W i r reden von Anspruch da, wo ein Mensch das, was er zur Erfüllung seiner an das individuelle Selbst gebundenen Strebungen braucht, m i t dem Bewußtsein eines selbstverständlichen und unanfechtbaren Rechtes von der Umwelt und M i t welt fordert" 2 1 , — der Pflicht der Psychisches bezeichnende, speziell eine Regung angebende Begriff Gewissen: „ I m Gewissen w i r d das, was w i r i n den Regungen des Gemüts an Bindungen erleben, auf unser Handeln bezogen" 22 , das — und mit i h m die Pflicht — nur durch den wiederum jetzt eine Relation i m Psychischen bezeichnenden Begriff Bindung erklärbar ist: „Gerade der Begriff der Bindung bringt die faktische Verwurzelung der normativen Regungen i m endothymen Grund zum Ausdruck 2 3 ." — Entwicklungspsychologisch kann als gesichert angesehen werden, daß Mangel an jeglicher Bindung (Bindungserlebnissen) Pflichtgefühl unmöglich macht. Daß der philosophisch interessierte Psychologe Lersch nicht recht zufrieden war, praktische Erkenntnisse i n „normative Strebungen" 2 4 umdeuten zu müssen und den Willen nur als „Wahlhandlung" 2 5 zu deuten wußte, um seinen „ A u f b a u " 2 6 zu halten, wissen w i r aus Diskussionen, i n denen w i r unsere Argumente an i h n herantragen durften. Und so ist eine anthropologische Bedingung nur der Pflicht die Emanzipation von der Antriebsstärke, d. h. die Unterbrechung des sonst zu beobachtenden Mechanismus von Reiz und Reizbeantwortung, durch Selbstbeherrschung; endlich ist die psychische Motivation nur des Rechts ein Interesse, jedem Recht liegt ein Interesse zugrunde (Grund des Rechts, nicht Rechtsgrund, der nur ein praktisches Gesetz sein kann); es ist dies aber nicht auch Motivation der Pflicht: ein Interesse an Pflichterfüllung gibt es nicht 2 7 . 21
Lersch 167. Lersch 283. 23 Lersch 274. 24 Lersch 199 ff. 25 Lersch 485 i n Anlehnung an Jaspers, K : Psychologie der Weltanschauungen. 26 Lersch 481, die Handlung i m Aspekt des seelischen Aufbaus, u. a. die Wahlhandlung 490, Z u r Frage der Willensfreiheit 492. 22
5.2 Gewissen als Gegenstand der empirischen Psychologie
171
5.2.5 Verabsolutierungen
Wer nun die jeweils richtigen Aspekte einzeln verabsolutiert und dann Folgerungen für die anderen zieht, d. h. einen der Aspekte zur Grundlage für alle anderen macht, kann die Gratwanderung nicht bestehen, die zur Klärung ethischen Handelns und wirklich zur „Philosophie der Praxis" 2 8 führen kann. So sprechen sich die angedeuteten Fehlerquellen mehr oder weniger deutlich i n der Literatur aus. Wer den Begriff des Rechts von dem psychischen des Anspruchs, so wie ein solcher tatsächlich ist, löst, behält einen formalen Begriff ohne (materialen) Inhalt übrig; er kann zwar erkenntniskritisch noch seine Funktion i m Gebrauch der Sprache oder i n den Sprachen einzelner historischer Recht- (besser: Gesetzes-) Ordnungen darstellen i m Sinne formaler oder Reiner Rechtslehre, bleibt aber hinsichtlich von Inhaltsbestimmungen Rechtspositivist; er kann sich nur auf positive Gesetzesinhalte berufen; am deutlichsten zieht die Konsequenz z.B. Kelsen 29, Lorenzen 80 müßte zwar i m Anschluß an Hegel dem beistimmen, k r i t i siert aber dann doch insoweit Kelsen. Damit ist aber das Problem nicht gelöst, sondern erst gestellt: widerspricht nun der psychische Anspruch dem rechtspositivistischen Normsystem, bleibt seinen Vertretern nichts anderes übrig, als diese Ansprüche für falsch, systemfeindlich usf. zu erklären, bzw. zu verteufeln. Es kommt zur Rechtsideologie, die nicht mehr zwischen tatsächlich vorhandenen jedoch konkurrierenden Ansprüchen entscheidet, sondern die tatsächlichen Ansprüche nach dem System auszurichten trachtet, indem sie den nicht systemkonformen die Existenzberechtigung abspricht bis h i n zur physischen Vernichtung oder einem nach dem System erhobenen Anspruch auf Vernichtung des Anspruchsträgers. Da Ansprüche „bewußt" erlebt werden 8 1 , muß, da die Ansprüche, sofern sie dem System widersprechen, nicht hingenommen werden können, das Bewußtsein verändert werden, bis dessen Inhalte dem System entsprechen: die dem System widersprechenden Ansprüche können ja nicht hingenommen werden, da sie ja ebenso eine Tatsache sind wie die Tatsache der Positivität von bestimmten Gesetzen, aus der allein ihre Verbindlichkeit — nach der Behauptung der Positivisten — fließen soll (die ζ. B. mit der „Grundnorm" ist nur ein 27 Fehlerhaft insoweit Nelson, der v o m „sittlichen Interesse" spricht, das aber k e i n „eigentliches Interesse" sein kann, sondern, w e n n überhaupt, n u r als Erkenntnis u n d damit gerade nicht als Interesse interpretiert werden muß; vgl. Westermann R 44 u n d 48. 28 Nicht nur, w i e bei Schwemmer, dem Anspruch nach. 29 Kelsen RR. 80 Lorenzen, i n : RpP 335 ff. 81 U n d j e weniger die V e r w i r k l i c h u n g selbstverständlich ist, desto bewußter.
172
5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
Trick, bei dessen Verbindlichkeit man sich dann auf die Tatsache dieser Grundnorm berufen muß). W i r übersehen hierbei keineswegs, daß positive Gesetze i n vielen Fällen Ausdruck von (Klassen-)Interessen sind; aber aus dem Grunde allein sind sie noch nicht ungerecht (wie doch immer wieder behauptet wird). Entschieden werden kann entweder nur durch Erkenntnis oder überhaupt nicht. Wer gegen positive Rechtsordnung polemisiert m i t dem Hinweis darauf, daß sie den wahren Interessen der ihr Unterworfenen widerspreche, u m sie als ungerecht zu entlarven, ohne Rechtserkenntnisse zu behaupten, unterliegt der Verwirrung seiner eigenen Worte; denn Rechtsordnungen sind gerade dadurch charakterisiert, daß sie Interessen widersprechen. — Die Frage ist dagegen vielmehr, welche tatsächlichen Interessen berechtigte sind und welche nicht. Dagegen Nelson: Unrechtsbewusstsein wurde erklärt durch die Behauptung von Rechtserkenntnis, nur durch die Behauptung, nicht auch durch die Rechtserkenntnis selbst, sonst könnte Unrechtsbewußtsein nicht falsch sein und das Dilemma unterschiedlicher Aussprüche verschiedener Bewußtseine von dem, was i n Bezug auf denselben Fall (denselben: sonst widersprechen sie sich nicht) Recht oder Unrecht ist, wäre (systematisch) unüberwindbar und doch empirisch, daher nicht zu leugnen und wegzudiskutieren. So münden Untersuchungen der Gegenwart denn i n die Forderung ein, neuerlich einen Versuch zu unternehmen (Lorenzen), ethische U r teile zu begründen ( K r i t i k der praktischen Vernunft); dies kann weder empirisch noch dogmatisch geschehen, sondern, wenn überhaupt, am Leitfaden der kritischen Methode als kritische Ethik und kritisches Naturrecht. 5.3 Zusammenfassung und Wegweisung Dagegen zeigt die Durchsicht der neueren Literatur zur Philosophie des Praktischen weitgehend Unkenntnis der historischen Leistungen systematisch-kritischen Philosophierens einerseits, und, i m sprachanalytischen Bereich, überhaupt mangelndes Problemverständnis andererseits; dies für den letzten Fall am Beispiel Hares ausgesprochen zu haben, ist der ermutigende Ansatz von Ingrid Craemer-Ruegenberg 32: sie kommt i n ihrer „bewußtseinstheoretischen Problemstellung zur Begründungsfrage" zu einer „These ,Es gibt ein Wissen, welches notwendig Grund für die Bildung des Bewußtseins, daß überhaupt irgend32 Craemer-Ruegenberg, I n g r i d : Uber methodische Schwierigkeiten bei der Auslegung v o n moralischen Werturteilen, i n : RpP 133 ff.; zitierweise: Name RpP S. Vgl. auch: dies.: Moralsprache u n d Moralität, Z u Thesen der Sprachanalytischen E t h i k , Diskussion, K r i t i k , Gegenmodell, Freiburg 1975.
5.3 Zusammenfassung u n d Wegweisung
173
etwas aufgegeben, — gesollt — sei, ist 4 " 3 3 , so sehr i n die Nähe dessen, was kritische Methode heißt, i n die Nähe kritischer Methodik, daß lediglich ungeklärt ist, warum der historische Verweis fehlt; w i r verkennen nicht, daß sie am Ende ihres Beitrages dem Psychologismusverdacht dadurch zu entgehen sucht, daß sie Problemstellungen m i t Fragenzeichen versieht: „Gibt es eine ,reine 4 Geltungstheorie, die als ,Meta-Logik 4 der ,Logik der Moralspreche 4 »logische Analysen zu bereichern und zu vervollständigen mag, ohne sich dem V o r w u r f des ,Psychologismus4 auszusetzen34?44 I m übrigen kehren m i t beinahe konstanter Regelmäßigkeit die behandelten Argumente wieder; herausgegriffen: daß nur Seinssätzen Evidenz zugeschrieben werden könne (Rod) 35 ; daß es für die Gültigkeit von „elementaren Seinssätzen und elementaren Sollenssätzen" einen „fundamentalen Unterschied 4436 gebe (Ilting): das i n der Argumentation gegebene Beispiel ist dann aber kein ethisches (praktisches), sondern der Satz hat lediglich eine (vergleichbare) sprachliche Form: es kommt ,soll4 darin vor: „die Wand soll grün sein 44 , die auch bei ethischen U r teilen vorkommt, — übrigens ein Mangel, der beinahe die gesamte ethische Diskussion der Gegenwart durchzieht, besonders deutlich und insoweit charakteristisch für das gesamte Buch von Hare „Die Sprache der Moral 44 ist: an ethischen Beispielen kommen nur zwei vor, wovon eines nicht nur falsch, weil unerfüllbar ist, sondern auch fehlerhaft interpretiert wird. „Wenn eine Behauptung falsch ist, dann stelle sie nicht auf. 44 „Wenn du die Federn kaputt machen willst, dann fahr so weiter wie jetzt 3 7 . 4 4 Hare verwechselt „Bedingungen der Anwendbarkeit eines kategorischen Imperativs 44 , nämlich: sein Satz gilt nur für falsche Behauptungen, der Satz selbst ist jedoch kategorisch, m i t hypothetischen Imperativen, nämlich: deine gezeigte Fahrweise ist geeignet, Federn zu beschädigen, wenn du dieses willst, fahre so weiter (gemeint ist übrigens genau das Gegenteil, wie Hare i n „metalingutistischer Analyse 44 , die i h m „verlockend" erscheint, zeigt 38 ). Hare sieht selber die Grenzen einer solchen, wie immer zu bezeichnenden Betrachtung, zieht aber die Konsequenzen nicht. Auffallend ist ferner, daß an die Stelle von Erkennen der nicht näher erläuterte Begriff ,Anerkennen 4 t r i t t , und von da, ohne aufklärende 83
Craemer-Ruegenberg RpP 151. Craemer-Ruegenberg RpP 158, dieser zit. Satz stellvertretend f ü r die vier vorangehenden. 35 Rod, W o l f gang: Rationalistisches Naturrecht u n d praktische Philosophie der Neuzeit, i n : RpP 270 f. 86 Ilting, K a r l - H e i n z : Der naturalistische Fehlschluß bei K a n t , i n : RpP 113 ff., 119. 37 Hare 59. 38 Hare 59/60. 34
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5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
Explikation, der Weg der „Ersetzung der Erkenntnis durch Entscheidung" nach Albert gewählt wird, jedoch ohne dies zu begründen oder wenigstens die Struktur möglicher Begründung aufzuzeigen, u m der empirisch-psychischen und daher verbürgten Tatsache gerecht zu werden, daß ich für eine Entscheidung, auch für die zugunsten eines normativen Prinzips, meist Gründe habe; daß diese dann i n jedem Falle fehlerhaft sind, müßte denn doch erst gezeigt werden, um die Behauptung der Ersetzung der Erkenntnis durch Entscheidung am wenigsten verständlich zu machen. I m übrigen t r i t t an die Stelle der wissenschaftlichen Argumentation eine A r t Verleumdungspraxis unterschwelliger A r t : „Noch immer sind naturrechtliche Auffassungen zu finden, die das positive Recht als durch eine A r t höheren Rechts, eine normative Wirklichkeit absoluten Charakters, konstituiert und gebunden ansehen", (so z.B. i n der Verfassung, A r t . 20 Abs. 3 GG: „ . . . vollziehende Gewalt und Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden". — Einschiebung von uns!) „eine Wirklichkeit, die von menschlichen Setzungen unabhängig, aber für sie verbindlich ist und die prinzipiell und m i t Gewißheit erkennbar ist" 3 9 . Wie dann solchermaßen nach (u. E. falschen) Überzeugungen an Universitäten Ausgebildeten später der Zugang zu A m t und Anwendung des Gelernten i n der Praxis berechtigt versperrt werden kann, ohne zugleich i n der Urheberschaft zugleich Verantwortliche auszumachen, ist nur eine der vielen politischen Ungereimtheiten der Gegenwart, gegen die die Schwächsten, da nicht Etablierten, sich, wenngleich auch nicht zu recht, da grundlos, wohl aber verständlich, verstehbar zur Wehr zu setzen versuchen. Und den Schein von Rechtfertigung liefert ihnen die Autorität selber, — wenngleich nach unserem Verständnis durch lauter falsche Behauptungen: „Die Idee einer solchen Wirklichkeit ist i m Grunde genommen nur i m Rahmen einer soziomorphen Kosmologie haltbar, . . . i n der der Gesamtzusammenhang der Natur . . . als ein Sinnzusammenhang gedeutet wird, der von göttlichen Mächten gestiftet wurde. Diese Mächte sind dann als Quelle jener absolut verbindlichen Normen anzusehen, . . . nach denen sich auch das positive Recht menschlicher Gesellschaften zu richten hat. Ohne die Annahme der Existenz solcher normstiftender Mächte verliert die für das Naturrecht erforderliche Deutung der Wirklichkeit ihre Überzeugungskraft, weil ihr dann jede Grundlage fehlt 4 0 ." Es ist nun sehr einfach, die Existenz der normstiftenden Mächte, seien diese göttlich oder nicht, zu leugnen, um die W i l l k ü r des Aus39 40
Albert, Albert,
K K 228. K K 228.
5.3 Zusammenfassung u n d Wegweisung
175
schlusses der so Ausgebildeten zu behaupten, — scheint es; allerdings nur unter Inkaufnahme einer Inkonsequenz: denn die Behauptung der W i l l k ü r setzt zu ihrer Rechtfertigung voraus ein „Naturrecht" „ohne die Annahme der Existenz" seiner „normstiftenden Mächte". So kann nur für Leichtgläubige eine Sinnfälligkeit entstehen: „ I n dieser Form ist die naturrechtliche Auffassung eine Version jenes absoluten Begründungsdenkens, das heute als überwunden gelten darf, eine Version, die überdies belastet ist durch den hybriden Begriff einer normativen Wirklichkeit und den dazu komplementären Begriff einer normativen Erkenntnis, durch Begriffe, die nur verschleiern, daß i n diesem Denken letzten Endes auf die bloße Faktizität einer normativen Instanz rekurriert wird, auf ein metaphysisches Faktum gewissermaßen, das sich zwar normaler Erkenntnis entziehen mag (der Erkenntnis von Albert entzieht es sich offenbar nicht, es sei gestattet, auf diesen weiteren Fall von Selbstwiderspruch — i n dieser von uns gegebenen Einschiebung — hinzuweisen), das aber dadurch keineswegs gegen die Frage nach seiner Legitimation immun w i r d 4 1 . " Der Schein der Schlüssigkeit Albertscher Argumentation schwindet, wenn man sich nicht durch den Wortgebrauch täuschen läßt: die Behauptung des Faktums der Erkenntnis, auch der normativen Erkenntnis, selbst wenn diese Behauptung falsch, da irrtümlich, wäre (was denn doch erst zu zeigen ist! — w i r werden nicht müde, darauf hinzuweisen), der Satz vom Selbstvertrauen der (auch praktischen) Vernunft (Fries) ist durchaus verschieden von der „bloßen Faktizität einer normativen Instanz", und das „Rekurrieren" auf das eine ist nicht zugleich ein „Rekurrieren" auf das andere. I m übrigen erweist die Nachprüfung des von Albert vorgetragenen das Gegenteil seiner Behauptung, ganz i m Gegensatz zu seiner, Alberts Intention: denn träfe der von i h m vorgetragene Gedanke zu, würden auch die Grundsätze der Logik davon betroffen, an denen Albert dann doch festhält: „ . . . man . . . kann . . . das Widerspruchsfreiheitsprinzip nicht beseitigen . . . , ohne die äußerst unangenehme Konsequenz, daß dann beliebige Behauptungen möglich werden" 4 2 — und damit eben auch solche, die kontradiktorisch zu denen von Albert sind. Dasselbe würde auch für die Argumentation von Rod zutreffen; herausgegriffen: „Die Behauptung, irgendwelche normative Sätze seien evident, führt sowohl unter der Voraussetzung subjektiver, wie unter der Voraussetzung objektiver Evidenz zu Schwierigkeiten. Berücksichtigt man lediglich die sogenannte subjektive Evidenz (im Sinne von Zustimmungsnötigung), so verfällt man einem axiologischen Psycho41 42
Albert, Albert,
K K 229. K K 43.
176
5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
logismus, das heißt die Gültigkeit vorgeblich evidenter Imperative bzw. Normen w i r d auf ein psychisches Faktum, nämlich ein Nicht-andersurteilen-Können zurückgeführt." Die Schwierigkeiten sind (im Sinne Alberts selbstfabriziert) selbstkonstruiert: läßt man die (falsche) Gleichsetzung von „subjektiver Evidenz i m Sinne von Zustimmungsnötigung" (was immer dies auch heißen mag) fallen und ersetzt diese durch (richtigerweise) ,ich habe etwas erkannt', dann ist das Erkennen jenes Psychische, ein empirisches Faktum, ohne daß ein Psychologismusverdacht auch n u r aufscheinen könnte (mein Sehen, Tasten ect. steht ja auch nicht unter diesem Verdacht, wenngleich auch dies psychische Akte sind), und das Erkannte muß darum nicht auch notwendig Psychisches sein (es handelt sich also wieder einmal um die Verwechlsung von Inhalt und Gegenstand der K r i t i k 4 3 ) . Und die angebliche Notwendigkeit der Gleichsetzung (wörtlich: das heißt) von „einem axiologischen Psychologismus" (was immer auch hier axiologisch heißen mag) m i t „die Gültigkeit vorgeblich evidenter Imperative bzw. Normen w i r d auf ein psychisches Faktum, nämlich ein Nicht-anders-urteilen-Können, zurückgeführt" ist erschlichen, da eine mögliche Voraussetzung nicht genannt, aber (als ungenannte) auch schon als falsch behauptet w i r d : genannt w i r d ein „psychisches Faktum, nämlich ein Nicht-anders-urteilen-Können", das, hinsichtlich seiner Nötigung, sonst auch Gewißheit genannt w i r d ; nicht genannt wird ein anderes psychisches Faktum (und, falls Rod dies nicht zugeben mag, dann sollte er wenigstens die Möglichkeit des Aufstellens einer solchen Behauptung einräumen und seinerseits zeigen, daß diese falsch ist: was zu den hinlänglich erörterten Schwierigkeiten führt 4 4 ): Erkennen. Nun aber führt das psychische Faktum ,Erkennen' durch das tErkannte' i m Urteilen eben zu einem „Nicht-anders-urteilen-Können" (was freilich nicht mehr und nicht weniger heißt: ich habe es erkannt); dasselbe psychische Faktum des „Nicht-anders-urteilen-Können" (diese subjektive Nötigung) t r i t t aber auch bei dem psychischem Faktum ,Gewißheit' auf, ohne daß deshalb notwendig das, dessen ich gewiß bin, auch erkannt ist. Denn jede Erkenntnis ist gewiß, was zweimal dasselbe bedeutet, — wenngleich nicht jedes Erkannte m i t dem Gewißheitserleben verbunden sein muß: dieses ist darum gerade etwas Psychisches — nicht aber umgekehrt ist all das, dessen ich gewiß bin, auch erkannt. Wenn also Rod das Gewißheitserleben als erkenntniskritische Grundlage für die Begründung von Normen verwirft, so ist dem zuzustimmen; daraus folgt aber nur dann der V o r w u r f des Psychologismus zwin43 44
Nelson 1163 ff. Vgl. oben T e i l 1.
5.3 Zusammenfassung u n d Wegweisung
177
gend, wenn es eine andere Grundlage, einen anderen Grund für die Begründung von Normen nicht gibt, wenn es also praktische Erkenntnis nicht gibt: diesen Satz müßte Rod zuallererst begründen und hierbei sich nicht i n den eigens aufgestellten Fallstricken verfangen, daß nämlich letztendlich das, was er über praktische Erkenntnis hier behauptet, nach seinem Kontext auch für theoretische Erkenntnisse gilt — er aber den von i h m stillschweigend vorausgesetzten Satz nur durch eine theoretische Erkenntnis begründen könnte, ansonsten nicht begründen kann! Rod fährt dann fort: „Fakten begründen aber grundsätzlich keine Normen. Objektive Evidenz dagegen kann (wenn überhaupt) nur für theoretische Sätze i n Anspruch genommen werden, da nur von Sätzen, i n denen behauptet wird, daß etwas ist oder nicht ist, sinnvoll gesagt werden kann, sie drücken Einsichten i n Sachverhalte aus 45 ." Das behauptet nun die kritische Methode gerade nicht: durch den Inhalt der K r i t i k werden die Prinzipien aufgewiesen, ohne daß der Gegenstand der K r i t i k modalisch gleichartig sein müßte m i t dem Inhalt; der Inhalt ist psychologisch-anthropologischer Natur (Fries: „Das Erkennen und folglich die Erkenntnisse", die ich — jeder Einzelne — habe — hat —, „sind also selbst Gegenstände der inneren Erfahrung, und daher der Psychologie, besonders deren empirischen Theile nach" 46 ), der Gegenstand nicht auch notwendig anthropologischer Natur (Nelson: „Wer aber die Begründung einer Erkenntnis zu unterscheiden weiß von ihrem Grunde, der w i r d zwar zugeben, daß der Grund der metaphysischen Erkenntnis nicht i n einer anthropologischen Erkenntnis liegen könne; aber er w i r d hieraus nicht schließen, daß die Kritik der Vernunft nicht anthropologisch sein dürfe. Denn der Grund der metaphysischen Erkenntnis ist zwar Gegenstand, nicht aber Inhalt der K r i t i k der Vernunft 4 7 ."). W i r können daher Rod getrost seinen Satz: „Fakten begründen aber grundsätzlich keine Normen" zugeben, gewinnen aber nichts für oder gegen die K r i t i k der Vernunft, müssen Rod allerdings fragen, wie er denn diesen Satz begründen w i l l , ja, ob er i h n überhaupt zu begründen vermag; denn gebührend inkonsequent nimmt er dann doch Evidenz, wenngleich jetzt „objektive Evidenz" hierfür i n Anspruch, ohne daß er angibt, wie diese sich von der subjektiven Evidenz unterscheidet (wir verkennen nicht, daß er am Schluß der Zitierung dann unvermittelt von „Einsicht" spricht und da wiederum unausgesprochen als Dogma verwendet den Satz: Normen können nicht i n eben demselben Sinne 45 46 47
Rod, i n : RpP I 271. Fries 2,158. Nelson 1195.
12 Westermann
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5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
eingesehen werden). Was er hier zu zeigen unternimmt, geht über das, was er zu zeigen beabsichtigt, dann weit hinaus: denn träfe sein Gedanke zu, würden auch die Grundsätze der Logik davon betroffen, es sei denn, er interpretierte die Grundsätze der Logik als theoretische (Seins-)Sätze. Doch bahnt sich i n „Rehabilitierung der praktischen Philosophie" 4 8 die Gewinnung einer anthropologischen Ausgangsbasis wieder an (ζ. B. Fahrenbach), allerdings m i t allen nur denkbaren Verwechselungen; herausgegriffen: „begründete Erkenntnis" 4 9 , ein Un-Begriff, wenn man nur die Ergebnisse Kants und die der Kritischen Methode zu beachten vermöchte. Auch Landgrebe erliegt wieder einmal dem Fehlschluß der ,normativen K r a f t des Faktischen 4 , wenn er meint, „der Gedanke" werde „zur Ideologie, wenn er zur Begründung eines Herrschaftsanspruches der Planenden i n Anspruch genommen" werde 6 0 , „sobald" „die personalen Träger" „sich von" „der ihnen zugewachsenen Macht" „auch dann nicht trennen wollen, wenn die von ihnen vertretenen I n stitutionen schon längst nicht mehr die Kraft ihrer weiteren Bewährung haben" 6 1 , wenn das System „nicht mehr dem tatsächlichen Entwicklungsstand einer Gesellschaft entspricht und i n i h m nicht mehr seine natürliche Legitimation h a t " 6 2 . Konsequent ist dann die Forderung für die „Philosophie der Politik", „die Kriterien für die Unterscheidung von Wahrheit und Ideologie anzugeben" 63 . „Dezisionismus" 54 ist sein Ausweg, — wenngleich m i t bestimmten Einschränkungen, — und hohes menschliches Ethos (wir verkennen es nicht), wenn er dann weder Kriterien anzugeben i n der Lage ist, noch sich entscheiden möchte: „ . . . unbedingte Anerkennung des anderen", die „nicht" „den Widerstand gegen den anderen" ausschließe, „wo er den Anspruch macht, allein i m Besitz des Rechtes und der Einsicht auf den richtigen Weg zu sein"; es gelte, „auch für sich selbst nicht diesen Anspruch zu machen" 65 . „Allmenschliche Solidarität" 5 6 soll dann das Ergebnis sein, durch „die der Menschheit" „Überleben . . . gewährleistet" sein werde, so daß „ n u n bei Strafe des Unterganges die Erfüllung jenes Gebotes 48
RpP I u. I I . Fahrenbach, H e l m u t : E i n programmatischer A u f r i ß der Problemlage u n d systematischen Ansatzmöglichkeiten praktischer Philosophie, i n : RpP 134. 50 Landgrebe, L u d w i g : Über einige Grundfragen der Philosophie der Polit i k , i n : RpP I I 194. 51 Ders., i n : RpP I I 202. 62 Ders., i n : RpP I I 194. 53 Ders., i n : RpP I I 194. 84 Ders., i n : RpP I I 209. 55 Ders., i n : RpP I I 208. 58 Ders., i n : RpP I I 210. 49
5.3 Zusammenfassung u n d Wegweisung
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von ihr gefordert ist". Also doch wieder nur ein Erfordernis der Zweckmäßigkeit für mein Überleben anstelle von der Forderung, gerecht zu handeln? „Allmenschliche Solidarität" nichts weiter als Interessenberücksichtigung beim Handeln 57 ? Wäre nur die stattgehabte Rezeption all dessen, was man schon einmal wußte (Spaemann), unter „Epochen der praktischen Philosophie" 5 8 ein wenig vollständiger, vermöchte Rehabilitierung der praktischen Philosophie gelingen, wie i m Titel doch versprochen. So bleibt aber unter der Vielzahl der Beiträge nur der dann u m so deutlichere Ansatz von Spaemann, der Herrschaftsfreiheit als Utopie entlarvt 5 9 . 5.3.1 Mangel des sprachanalytischen Ansatzes, und Hinweis auf eine mögliche Klärung
Der sprachanalytische Ansatz 6 0 läßt durchaus offen, wann etwas (Sprache) der Moral dient 6 1 und müht sich vereinfachend, u m den wertenden Ausdruck: simplifizierend zu vermeiden, m i t lauter Sätzen herum, i n denen u. a. das Wort »sollte4 vorkommt, ohne von allem Anfang an auf den Unterschied der Sachverhalte zu verweisen. Noch schlimmer ist es u m die Erörterung des Wörtchens ,gut' bestellt. Daß hierbei keine K l ä rung der Bedeutung von Moral erreicht werden kann, ist eine K o n sequenz, die verschwiegen wird, aber beim Nach-Denken von Hares Überlegungen doch nicht verdeckt w i r d durch, i m übrigen widerlegbare, Behauptungen, „daß die Logik von — sollte — Sätzen i n gewissem Sinne (?) dreiwertig i s t " 6 2 oder „der Anwendungsbereich des Satzes »Vergelte keinem Menschen Böses m i t Bösem'" läge „unleugbar i n der Z u k u n f t " 6 3 (es handelt sich bei der benutzten Ausgabe u m die von Hare autorisierte Übersetzung, so daß w i r auf den Hinweis hier verzichten können, daß infolge von Übersetzungsfehlern möglicherweise Argumente den Text, nicht aber das vom Autor gemeinte treffen; eine vorangehende des Verlages lehnte Hare bekanntlich ab). Dabei ist der Sachverhalt einfach (die Frage nach der sprachlichen Bezeichnung sekundär: hat man erst die Sachverhalte unterschieden): wenn man die Sätze schon sprachanalytisch angehen w i l l , dann liegt, selbst wenn ,sollte' darin vorkommt (abgesehen von dem feineren Unterschied von ,sollen' und ,sollte' i m Sinne einer Pflichtenlehre und 57
Westermann R 139. RpP I I 479 ff. 59 RpP I I 211 ff. 60 Vgl. Seminar: Sprache und Ethik. Z u r Entwicklung der hrsg. v . Günther Grewendorf u n d Georg Meggle, F r a n k f u r t 1974. 61 Hare: Sprache der Moral. 62 Hare 237. 88 Hare 238. 68
12
Metaethik,
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5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
einer Ideallehre, beides zusammengefaßt zur Ethik i m weiteren Sinne 64 ), immer dann kein praktischer (ethischer) Satz vor, wenn auf die Frage, warum ,sollte es sein', die A n t w o r t i n einem theoretischen Satz gegeben wird, ζ. B. ich wünsche es (empirische Feststellung, Tatsache), oder: um jenes oder dieses Ziel zu erreichen (empirischer theoretischer, gesetzlicher Zusammenhang), dagegen immer dann ein praktischer Satz, wenn auf dieselbe Frage ein allgemeinerer praktischer Satz antwortet, usf. bis dieselbe Frage, bei dem jeweils allgemeineren Satz gestellt, einmal sich als sinnlos, da widersprüchlich, erweist: dies ist dann der allgemeinste praktische Satz oder das praktische Prinzip, und zwar zunächst nur dieses Ausgangssatzes (in der Sprache der k r i tischen Methode: des Ausgangsurteils, ggfs. als zugestanden i m Diskurs); die Frage, ob dieser Satz, von dem ausgegangen wird, wahr oder falsch sei, steht zur Entscheidung noch völlig dahin: die getroffene Unterscheidung ist davon unabhängig. Vorausgesetzt ist für den Dialog lediglich (eine gemeinsame Voraussetzung der Dialogpartner), daß es ein solches Prinzip gibt, was zu zeigen wäre, speziell: wie es laute, — und es ist nichts anderes als Mutlosigkeit und Mangel an Konsequenz, zuvor sich i n die Behauptung einer „moralischen Entscheidung" 65 zu flüchten, von der dann doch wieder nicht angebbar ist, was an i h r „moralisch" sein soll, da es doch an dem verbindenden Prinzip fehlt (im übrigen dient ja die Untersuchung von Hare der Klärung dessen, was moralisch heißen kann!): durch die Entscheidung soll das Prinzip und die Erkenntnis des Prinzips ersetzt werden, — statt zu sagen, die Entscheidung ist — erkenntniskritisch — grundlos (was sie j a empirisch i n Wahrheit nicht ist: denn sie hat zumindest den — jetzt ethisch nicht mehr korrigierbaren, da es am Prinzip fehlt — Grund des ,ich wünsche es'). 5.3.2 Mangel des rechtstheoretischen Ansatzes, und Hinweis auf seine (Un-)Diskutierbarkeit
Ähnlich liegen die Fehler i m rechtstheoretischen analytischen oder logischen Ansatz, wenn nicht zuvor der Bereich von praktischen (ethischen) Sätzen getrennt w i r d von vorschreibenden (präskriptiven), genauer: bloß präskriptiven und nicht auch zugleich praktischen Sätzen. A u f die Einwände, die gegen die Annahme, auch praktische Sätze könnten wahr oder falsch sein, vorgebracht wurden, gingen w i r anhand von L. Philipps 9 Ausführungen schon ein 6 6 . Stellvertretend insoweit i n einer jüngeren Veröffentlichung die weiteren Ausführungen von Ilting: 64 65 M
Vgl. Nelson V. Hare 242. Vgl. 4.2.2.
5.3 Zusammenfassung u n d Wegweisung
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„Es gibt nun einen fundamentalen Unterschied zwischen elementaren Seinssätzen und elementaren Sollenssätzen i m Hinblick auf ihre Gültigkeit. Ein Seinssatz kann gültig genannt werden, wenn er wahr ist, das heißt, wenn der Sachverhalt, der i n diesem Satz behauptet wird, wirklich (eine Tatsache) ist. Durch einen Sollenssatz hingegen w i r d nicht behauptet, ein Sachverhalt sei eine Tatsache, sondern erklärt, ein Sachverhalt solle eine Tatsache sein. Wenn ich etwa vor einer Wand stehe und von ihr behaupte, sie sei grün, so w i r d dieses Urteil wahr oder falsch sein. Aber wenn ich i n derselben Situation (ζ. B. zu einem Maler) sagen würde, die Wand solle grün sein, so ist es sinnlos zu fragen, ob ich die Wahrheit gesprochen habe, es sei denn, dieser Sollenssatz kann als Teil eines Seinssatzes aufgefaßt werden. Z u m Beispiel als Teil des Satzes ,x ist der Ansicht, diese Wand solle grün sein'. Der Satz ,Diese Wand soll grün sein' an sich kann weder wahr noch falsch sein 67 ." Sein „soll"-Satz ist überhaupt kein praktischer Satz, sondern mißglückter sprachlicher Ausdruck für einen Wunsch. Es ist nun leicht hier anzuschließen, daß ein solcher „soll"-Satz weder wahr noch falsch ist, — eine Banalität: denn Wünsche (im Unterschied zu Urteilen über sie — auch unter Vernachlässigung psychoanalytischer Ergebnisse —) sind so, wie sie sind, weder wahr noch falsch, nach Prinzipien ethischer Natur aber berechtigt oder nicht berechtigt, und nur Sätze (Urteile) über sie wieder wahr oder falsch; jedoch was von „soll"-Sätzen der einen A r t gilt (genauer: dem Wünschen als etwas Psychischem, i m Unterschied zum Urteil über dieses), muß nicht auch von „soll"-Sätzen anderer A r t (praktischen Sätzen) gelten; über den „soll"-Satz: das nicht-eheliche K i n d ist nach seinem Erzeuger erbberechtigt (man lasse sich durch die sprachliche Form nicht täuschen: i n Wahrheit liegt nach seiner Bedeutung ein „soll"-Satz vor; die meisten der positiven Gesetze sind »deskriptiv' formuliert, ohne daß die m i t ihnen vertrauten, z.B. Juristen, i m geringsten daran zweifeln, daß diese i n Wahrheit ,präskriptiv' sind 68 ), ließ sich gewiß diskutieren (und wurde, allerdings i n Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Gesetzes, das das Gegenteil behauptet hatte, i n der Vergangenheit diskutiert, m i t dem nun oben genannten Ergebnis), nämlich, ob er wahr oder falsch ist, — und auf die Beantwortung der Frage, ob ich oder ein anderer dies wünscht, z.B. daß dieses Gesetz sei (eine Frage, die übrigens eindeutig beantwortet werden kann), kommt es bei der jetzt praktischen (ethischen) Diskussion nicht an, wenn es ethische Erkenntnis gibt, — oder die Diskussion ist 67
RpP 1119/120. Vgl. Engisch, K a r l : Einführung i n das juristische Denken, Stuttgart 1956, S. 12 ff., — wenngleich die Beispiele nicht mehr dem Stand der pos. Gesetze von heute entsprechen, so sind sie dennoch äußerst lehrreich. 68
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5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
ohnehin sinnlos, da die Wünsche ja empirisch feststellbar sind, z.B. durch Befragung ermittelt werden können, über die Wünsche selber aber nicht diskutiert werden kann mangels eines erkannten ethischen Prinzips. 5.3.3 Mangel im Gebrauch von „praktisch": Praxis und das Praktische (ethisch Notwendige)
Zuletzt ist auch noch der Begriff des Praktischen i m Sinne Kants durch die Gegenwartsdiskussion abhandengekommen (hierzu sei stellvertretend für viele auf Fahrenbach 69 verwiesen, sowie auf die zahlreichen Titel der Gegenwartsveröffentlichungen i n Verbindungen von Theorie und Praxis, Philosophie der Praxis etc. 70 , - ein Ergebnis der bloßen Betrachtung der Sprache, ohne das Gemeinte hinter dem Wortgewande zu sehen, oftmals — man hat den Eindruck — gar nicht sehen zu wollen). Praktisch i m Sinne von Kant ist immer auf Praxis bezogen; jedoch nicht umgekehrt ist alles, was auf Praxis bezogen ist, praktisch i m Sinne Kants; auch theoretische Sätze zielen auf Praxis. A m einfachsten ist der Sachverhalt festgehalten durch: was sein soll ist etwas, das sein soll (analog Nelson 71). Handeln bezieht sich immer auf Praxis. Handeln aber, sofern es vorgeschrieben ist nicht u m der Erreichung eines Zweckes willen, ist praktisch notwendig, i m anderen Falle theoretisch notwendig (vorausgesetzt, es gibt ein ethisches Prinzip). Begünstigt w i r d die Mißdeutung des Unterschiedes von Praxis und Praktischem dadurch, daß für Praxis i n adjektivischer Form i n der deutschen Sprache nur das Wort »praktisch 4 zur Verfügung steht, dieses häufig (im A l l t a g beinahe immer) gleichbedeutend m i t zweckmäßig verwendet wird, so daß es erst der philosophischen Reflexion bedarf, die Sachverhalt e zu unterscheiden (was denn sprachanalytische Philosophie zu klären leisten sollte, tatsächlich aber bisher nicht geleistet hat; i m Gegenteil: sie sitzt alltagssprachlichen Ungenauigkeiten auf): ihre sprachliche Bezeichnung ist dann eine sekundäre Frage; jedoch sollte nicht ohne Not vom historischen, hier Kantischem Sprachgebrauch abgewichen werden. 5.4 Das praktische Urteil und sein Grund: das Ganze — letztendlich eine Sache des, richtig verstandenen, Begründungsproblems — der (richtigen) Begründung Das praktische Urteil wird, wenn überhaupt, wie jedes andere Urteil auch durch Erkenntnis, durch praktische Erkenntnis begründet, die nicht ihrerseits begründet werden kann, und, da praktisches Urteilen (damit nicht etwa auch ihre Wahrheit) ebenso ein Faktum ist wie U r «9 RpP 115 ff. 70
71
Habermas, Schwemmer, Nelson I V 292.
Lorenzen.
5.4 Das praktische U r t e i l u n d sein G r u n d
183
teilen überhaupt (Urteilen über Theoretisches), ist die Frage daher nicht, wie (praktisches) Erkennen in unser (praktisches) Urteilen kommt, sondern wie (praktischer) Irrtum in unser (praktisches) Urteilen kommt; es ist Ergebnis der kritischen Methode (und von hier mag endlich unser persönlich lang ausholendes Erörtern dieser Methode und einer kritisch historischen Gegenposition — Albert — verständlich erscheinen), daß eine Frage, wie ich Erkenntnis von Irrtum unterscheide, falsch gestellt ist, da ich, wenn überhaupt, die Frage nur durch Erkenntnis entscheiden kann, die aber dann, nach dieser Frage, selbst dem Bereich des Problematischen angehören würde, — m. a.W.: das Problem wäre allemal nicht lösbar (dies allerdings ist u . E . i n seiner Konsequenz leicht erkennbar — und damit die Tatsache erwiesen, daß diese erkannte Konsequenz nicht unter der — ζ. B. von Albert behaupteten — problematischen Frage steht; durch diesen Einzelnachweis ist die Frage i n ihrer Allgemeinheit als falsch widerlegt: Argument S V W 7 2 ) ; vgl. die Darstellung und Auseinandersetzung m i t Alberts Traktat i m Teil 2); richtig gestellt kann die Frage nur lauten: woran erkenne ich Irrtum. Und die A n t w o r t lautet: nur durch Erkenntnis oder überhaupt nicht. Diese Erkenntnis ist entweder ein Faktum (und die Frage kann nur noch sein, welche Erkenntnisse ich oder ein anderer habe) oder die Frage ist ein für allemal unlösbar (das ist freilich schon wieder eine Erkenntnis disjunktiver Art). Daraus folgt, daß Irrtum erklärungsbedürftig ist, unter der (logischen) Voraussetzung des Faktums der Erkenntnis (logisch deshalb, weil sonst I r r t u m überhaupt nicht erklärt werden könnte; faktisch deshalb, w e i l tatsächlich vorliegender I r r t u m nur durch eine tatsächlich gegebene Erkenntnis erfaßt werden kann: die Erkenntnis der logischen Bedingungen — Voraussetzungen — für die Erkenntnis eines Irrtums seiner Möglichkeit nach ist nicht gleichbedeutend m i t der Erkenntnis eines tatsächlich vorliegenden Irrtums). Analog bedeutet dies für praktische Erkenntnis: auch sie kann nicht begründet werden (wenn Erkenntnis nicht begründet werden kann, dann auch nicht praktische Erkenntnis, Argument: dictum de omni); erklärungsbedürftig ist nur der praktische Irrtum. — Soweit dem Inhalte nach. — Aber auch der Möglichkeit nach kann praktische Erkenntnis nicht begründet werden; es ist hier wie dort nur die Frage, welche praktischen Erkenntnisse einer hat. Sagt einer, er habe keine praktische Erkenntnis, ist dies ein Umstand, der für i h n bedauerlich sein mag, für die ethische Diskussion ist er aber nicht beunruhigend. Wer nichts behauptet, behauptet auch nichts, 72 I m einzelnen vgl. unsere Darstellung u n d Auseinandersetzung m i t Alberts T r a k t a t oben 2.2 u n d bis ins einzelne noch weitergehend K M I, 2, 2. T e i l : 1.15.
184
5 Konsequenzen u n d Irrelevanzbeziehungen
das falsch sein könnte, und kann daher auch nicht widerlegt werden, widerlegt aber damit auch nicht andere. Wer daher nur zweifelt, ohne zugleich etwas zu behaupten, scheidet aus jeder (wissenschaftlichen) Diskussion aus, nicht nur aus der ethischen Diskussion. Verlangt ein solchermaßen Zweifelnder vom Erkennenden, daß dieser seinen Zweifel beseitige, erwartet er psychisch Unmögliches, denn überwinden kann einen bestimmten Zweifel nur der Zweifelnde selbst, niemand (für ihn) sonst, und er fordert erkenntniskritisch (philosophisch) nicht Leistbares, (für ihn) „Erkenntnis zu begründen", wo er doch selbst einsehen muß. Aber aus seinem so gearteten Zweifeln (als Psychischem) und dem Gegenstand, an dem er zweifelt, folgt noch nichts für einen Erkennenden und seine Erkenntnis. Die Verteidigungslast i n der ethischen Diskussion liegt bei denjenigen, die gegenteiliges behaupten, entweder der Möglichkeit nach: es gibt praktische Erkenntnis nicht, was nur unter Rekurs auf das Faktum des Erkennens möglich ist, oder dem Inhalt nach: diese praktische Behauptung, die immer die Behauptung einer Erkenntnis ist, dieses praktische Urteil ist falsch, was nur unter Rekurs auf tatsächlich vorliegende praktische Erkenntnis möglich ist. Erklärungsbedürftig ist jedesmal der (erkannte) Irrtum, und die Erklärung erfolgt allemal durch eine Erkenntnis. Ist die Behauptung der Erkenntnisbedeutung falsch, so folgt daraus für mein Verhalten nichts: eine solche Feststellung, ja selbst Erkenntnis, wäre irrelevant. Nichts, da es ja eine praktische Vorschrift nicht gäbe, dann, d. h. unter dieser Annahme, könnte mich hindern, bei der Behauptung dieser Erkenntnisbedeutung zu bleiben (es sei denn, man stellt, freilich entgegen der Annahme und damit i n der üblich gebührenden Inkonsequenz, die Forderung der Wahrhaftigkeit auf), andere, sofern ich die Macht habe (eine selbstverständliche Voraussetzung: sonst vermöchte ich es nicht), dieser Erkenntnisbedeutung ihrem Inhalte nach zu unterwerfen, (es sei denn, man stellt — freilich entgegen der Annahme und i n der wiederum fälligen Inkonsequenz — die Forderung auf, es sei nur gerechtfertigt, andere einer ihrer „Erkenntnis" gegenüber besseren Erkenntnis (die erstere ist darum keine, sondern nur die Behauptung einer solchen, daher) genauer: der Erkenntnis zu unterwerfen, nicht auch den eigenen Irrtümern), — oder wenigstens zu überreden — sofern ich die Macht zu zwingen nicht habe, denn sonst sehe ich mich ja der Mühe zu überreden enthoben (es sei denn, man stellt — entgegen der Annahme und immer wieder inkonsequent — die Forderung auf, es sei verboten, andere wider besseres Wissen zu beeinflussen — zu manipulieren —): ja, unter solcher Annahme könnte nicht einmal begründet werden, diese Arbeit nicht weiter fortzusetzen (und sollte sie noch so viele Irrtümer enthalten, was zu zeigen man bean-
5.4 Das praktische U r t e i l u n d sein G r u n d
185
spruchen könnte). Denn all das zu begründen wäre nur möglich unter Preisgabe der Annahme: praktischen Behauptungen kommt eine Erkenntnisbedeutung nicht zu — diese logische Struktur sollte u. E. endlich von der formalen Erkenntnis zur richtungsgebenden, da verinnerlichten Erkenntnis, zur Einsicht i n der praktischen Diskussion gelangen: sie könnte sehr fruchtbar sein, da sie die vielen Versuche zur Widerlegung der Möglichkeit praktischer Erkenntnis als irrelevant erweisen und somit aus dem Wissenschaftsbetrieb zu eliminieren geeignet wäre. Eine ganz andere Frage bleibt unbedingt wertvoll zu untersuchen: was denn i m einzelnen und bei den einzelnen Autoren die Veranlassung sei, solchermaßen zu argumentieren gegen eine praktische Erkenntnis; auffallend i n der Tradition von Sokrates bis zur Gegenwart ist u. E. für jeden, daß Zeiten der relativen Rechtssicherheit (d. h. das Recht w i r d nicht nur erkannt, sondern auch durch eine Gewalt, ganz gleich welcher A r t , gewährleistet) vom Wissenschaftsbetrieb und ihren Autoren begleitet werden i m Sinne von Rechtspositivismus und erkenntnismäßigem Relativismus, mindestens i m Bereich des Praktischen, — auf Zeiten der Rechtsunsicherheit, der bloßen Gewaltherrschaft und des (schreienden) Unrechts i m Wissenschaftsbetrieb, sobald die Opfer dieser Systeme schließlich Freiheitsräume erkämpft haben, sich dann (mutige) Bekennerstimmen melden zur Erneuerung von Rechtserkenntnis und Naturrecht: so nach 1945 u. a. Radbruch für viele. Doch das ist nicht eine erkenntniskritische und der logischen Analyse zugängliche Aufgabe, sondern allenfalls eine historische, vielleicht besser soziologische, am Ende psychopathologische Aufgabe der Gesellschaftskritik und für den einzelnen psychologisch, vielleicht tiefenpsychologisch aufklärbar. Zuletzt also: Der Mangel an praktischer Erkenntnis beim Einzelnen ist noch kein Einwand; aus der Unmöglichkeit praktischer Erkenntnis folgt nichts, nicht einmal und schon gar nicht etwa die Verpflichtung, die Pflicht, am Ende Andere m i t unseren „ I r r t ü m e r n " nicht zu überziehen, zu überreden, zu manipulieren: freilich behaupten w i r hier Erkanntes! Unternahmen, Begründungen zu geben,, erwarten K r i t i k , „ u m Gelegenheit zu finden, von denen, die zu urteilen vermögend und geneigt sind, darüber belehrt zu werden, was an unserem Entwürfe richtig und was an i h m fehlerhaft sei" 7 3 . 73 Nelson I 197: „Deshalb ist m i r jede ernsthafte K r i t i k w i l l k o m m e n — u m so willkommener, j e schärfer u n d strenger sie ausfällt. A b e r eine solche K r i t i k darf nicht i n unüberlegtem Absprechen bestehen, sondern sie muß auf wissenschaftliche Gründe gestützt sein. Wer eine wissenschaftliche Polem i k führen w i l l , der muß den I n h a l t dessen, wogegen er streitet, nicht n u r gelesen, sondern er muß es Satz f ü r Satz durchdacht u n d verstanden haben."
A. Bibliographie zur Kritischen Methode in historischer Reihenfolge Kant, Immanuel: Theorie-Werkausgabe Suhrkamp/Insel, herausgegeben von Wilhelm Weischedel, Wiesbaden 1960,12 Bände. Fries, Jacob Friedrich: Sämtliche Schriften, nach den Ausgaben letzter Hand, zusammengestellt, eingeleitet und m i t einem Fries-Lexikon versehen von Gert König und Lutz Geldsetzer, 26 Bände, Scientia Verlag Aalen 1969 u n d folgende Jahre. 1. Bd.: Handbuch der Psychischen Anthropologie oder der Lehre von der Natur des menschlichen Geistes, Bd. 1 (2. Auflage 1837). 2. Bd.: Handbuch der Psychischen Anthropologie oder der Lehre von der Natur des menschlichen Geistes, Bd. 2 (2. Auflage 1839). Aufsätze zur psychischen Anthropologie und V e r n u n f t k r i t i k aus den Jahren 1798 bis 1801: Ueber das Verhältnis der empirischen Psychologie zur Metaphysik. Propädevtik einer allgemeinen empirischen Psychologie. Von der rationalen Seelenlehre. Abriß der Metaphysik der inneren Natur. Allgemeine Uebersicht der empirischen Erkenntnisse des Gemüthes. Sämtlich anonym i m Jahre 1798 erschienen i m dritten Band des Psychologischen Magazins, herausgegeben von Carl Christian E r hard Schmid. 3. Bd.: System der Philosophie als evidente Wissenschaft aufgestellt (1804), Wissen, Glaube und Ahndung (1805). 4. Bd.: Neue oder anthropologische K r i t i k der Vernunft, Bd. 1 (2. A u f lage 1828). 5. Bd.: Neue oder anthropologische K r i t i k der Vernunft, Bd. 2 (2. A u f lage 1831). 6. Bd.: Neue oder anthropologische K r i t i k der Vernunft, Bd. 3 (2. A u f lage 1831). 7. Bd.: Grundriß der Logik (3. Auflage 1837). System der Logik (3. Auflage 1837). 8. Bd.: Grundriß der Metaphysik (1824). System der Metaphysik (1824). 9. Bd.: Philosophische Rechtslehre u n d K r i t i k aller positiven Gesetzgebung m i t Beleuchtung der gewöhnlichen Fehler i n der Bearbeitung des Naturrechts (1803). Die Verfassimg und Verwaltung deutscher Staaten nach staatsrechtlichen Ansichten historisch-philosophisch dargestellt u n d geprüft (1831), m i t der Vorrede zur 1. Ausgabe dieser Schrift ( = Von Deutschem Bund u n d Deutscher Staatsverfassung. Allgemeine staatsrechtliche Ansichten — 1816 —).
L i t e r a t u r verzeichn is
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10. Bd.: Handbuch der praktischen Philosophie oder der philosophischen Zwecklehre. T e i l 1: E t h i k oder die Lehren der Lebensweisheit, Bd. 1: Die allgemeinen Lehren der Lebensweisheit u n d die Tugendlehre (1818). 11. Bd.: Handbuch der praktischen Philosophie oder der philosophischen Zwecklehre. T e i l 1 B a n d 2: P o l i t i k oder philosophische Staatslehre (aus dem Nachlaß hrsg. v. E. F. Apelt) (1848). 12. Bd.: Handbuch der praktischen Philosophie oder der philosophischen Zwecklehre. T e i l 2: Die Religionsphilosophie oder die Weltzwecklehre (zugleich: Handbuch der Religionsphilosophie u n d philosophischen Ästhetik) (1832). Über den Glauben u n d die Ideen v o m Guten u n d Bösen i n Beziehung auf die Lehren des Apostel Paulus (1830). 17. Bd.: Schriften zur angewandten Philosophie I I , 5. Naturphilosophie u n d Naturwissenschaft i n 5 Bänden. 18. Bd.: Die Geschichte der Philosophie dargestellt nach den Fortschritten ihrer wissenschaftlichen Entwickelung, B a n d 1 (1837). 19. Bd.: Die Geschichte der Philosophie dargestellt nach den Fortschritten ihrer wissenschaftlichen Entwickelung, B a n d 2 (1840). 20. Bd.: Tradition, Mysticismus u n d gesunde Logik, oder über die Geschichte der Philosophie. 3 Abhandlungen (1811). Beiträge zur Geschichte der Philosophie, 1. (einziges) Heft: Ideen zur Geschichte der E t h i k überhaupt u n d insbesondere Vergleichung der aristotelischen E t h i k m i t der neueren deutschen (1819). Piatons Zahl, de Republica I. 8 p. 546 Steph. Eine V e r m u t u n g (1823). Bemerkungen über des Aristoteles Religionsphilosophie (1828). Das Lob der wissenschaftlichen Trockenheit. E n t w u r f eines V o r trages über die Bedeutung der Geschichte der Philosophie (aus dem Nachlaß hrsg. v. L . Nelson) (1929). Populärwissenschaftliche Schriften i n 3 Bänden. Polemische Schriften, Rezensionen, politische Flugschriften, A n sprachen, Briefe — i n 2 Bänden. Apelt, E. F.: Die Epochen der Geschichte der Menschheit. Eine histor.-philosoph. Skizze. 2 Bde., 2. (Titel-)Ausgabe 1845 - 46 bzw. 1851. — Metaphysik, Leipzig 1857. Nelson, Leonard: Gesammelte Schriften i n neun Bänden, herausgegeben von Paul Bernays, W i l l i Eichler, A r n o l d Gysin, Gustav Heckmann, F r i t z von Hippel, Stephan Körner, Grete Henry-Hermann, Werner Kroebel, Gerhard Weisser, H a m b u r g 1970 u n d folgende Jahre. Bd. I :
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Kanti-
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Bd. I V :
Vorlesungen über die Grundlagen der E t h i k , erster Band: K r i t i k der praktischen V e r n u n f t (1917).
Bd. V :
Vorlesungen über die Grundlagen der E t h i k , zweiter Band: System der philosophischen E t h i k u n d Pädagogik, aus dem Nachlaß hrsg. (1932).
Bd. V I :
Vorlesungen über die Grundlagen der Ethik, dritter Band: System der philosophischen Rechtslehre u n d P o l i t i k (1924).
Bd. V I I :
Fortschritte u n d Rückschritte der Philosophie von Hume u n d K a n t bis Hegel u n d Fries, aus dem Nachlaß hrsg. von Julius K r a f t (1962).
Bd. V I I I : Sittlichkeit u n d Bildung. A. Ethik: Die Theorie des wahren Interesses u n d ihre rechtliche u n d politische Bedeutung (1913). Die kritische E t h i k bei K a n t , Schiller u n d Fries. Eine Revision ihrer Prinzipien (1914). V o m Beruf der Philosophie unserer Zeit f ü r die Erneuerung des öffentlichen Lebens (1915).
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Personen- und Sachregister (Die Hochzahlen bedeuten Fußnoten der Seiten; Definitions- u n d E i n f ü h rungstellen sowie Fundstellen i n kritischer Auseinandersetzung sind hervorgehoben — kursiv —; die f ü r einzelne Autoren charakteristischen Wortprägungen u n d -bedeutungen sind gekennzeichnet durch den Namen — kursiv —) A Abbruch des Verfahrens 77 - 87 Abhängigkeit 50 ff. Ablehnen 140 Abstraktion 49 f., 97 f. — v o m numerischen Unterschied der Personen 110 ff. — von empirischen Anschauungen 43 —, Zeichnungen als Vorstufe zur 40 f. Abwägung 111, 145 Abwägungsgesetz 106 A k t , psychischer — siehe auch Psychisches 118, 160 f. Akterlebnis 161 Albert, Hans 15, 68 ff., 70 - 76, 77 - 87, 113 f., 117, 129, 138 f., 163, 174 f., 183 Allgemeingültigkeit 105 f., 122, 139, 153 f. Allgemeinheit (Albert) 139 — (Philipps) 129, 133 Allport, Gordon W. 231, 166 altruistisch 165 Analyse 166, 185 —, deskriptive 59 analytisch 57, 60 31 analytisch-synthetisch, Gegensatz v o n 60 31 ff. A n a l y t i z i t ä t 60, 60 31 Analytizitätsbehauptung 60 31 , 61 Analytizitätspostulat (Stegmüller) 60 31 ff. anerkennen 72 f., 75/., 95 f., 99, 139, 154 f., 173 f. anschaulich 34 f., 41, 43 Anschauung 27, 27 ff., 34, 39, 44 f. t 47 f., 53 —, (auch) bewußte 44 —, empirische 34 f., 43, 44, 53, 53 12 — Fries 90 f., 94 f., 9432f 96 ff. —, i n t e l l e k t u e l l 27, 107 20 —, mathematische 53 12
—, reine 34, 35 23, 53 —, subjektive 68 Ansichseiendes 51 Anspruch 62,105, 169, 16918, 171 f. A n t r i e b 52, 168, 170 Anwendungsfall 53 apodiktisch 84, 88, 93, 123, 125 Apodiktizität 35, 46, 53 f., 55, 105 Argument 116 f., 144 — der Geschichte einander w i d e r sprechender Naturrechtslehren (Kelsen) 156, 156 84 , 159 — gegen die Möglichkeit praktischer Erkenntnis 158 f. — kontradiktorisches 77 f., 77 21 , 80, 157 —, zirkuläres 77 f., 77 21 Argumentation 58 ff., 163 —, juristische 136 f. - rationale 139 Argumentieren 243, 116, 145 ff., 167® A r i t h m e t i k 35 23 , 45 assertorisch 46, 84, 93 Assimilation (Stegmüller) 43 auf löslich i n Begriffe 105 f. Aufmerksamkeit 35 f., 35 25 , 36 27 , 44 aufweisen 99 2 , 106 f., 151, 157 f., 166 Aussage 18, 60 31 ff., 72 f., 83 ff. A u f Weisung, regressive 51 ff. autoritär-dogmatisch 163 A x i o m a t i k 135 - 138 A x i o m a t i k e r 135 Axiomatisierung 157 f. Ayer, Alfred Jules 55 1β Β Baier, K. 144 f. Basis, ethische — der Wissenschaft (Popper) 114 —, psychologistische 93 ff., 933i, 96 Basissatz 95 f. Bayerische Akademie der Künste 17 10 Bedeutungsanalyse 148
Personen- u n d Sachregister Bedeutungsinhalt 40 Bedingtheit 50 ff. Bedingung, logische 50 ff., 183 —, transzendental-logische (Kelsen) 156 f. Bedürfnis 74 f., 167 11 Beeinflussung 112 f. Befehl 149, 151, 158 Befolgung 156 Befriedigung 14982, 167 11 Begehren 140, 149 Begehrung, Transformation einer 167 f., 16812 Begriff 97 f. —»Ableitung eines — durch Verneinung 55 —, Beherrschung des 42 — durch Definition seines Inhalts 41 —, empirischer 43 —, ethischer 169 f. —, Forderung der Definition aller 42 —, Frage nach dem Ursprung 38 —, gegebener (Fries) 92 —, Gelegenheitsursachen der Entwicklung 38 —, G r u n d - 38, 42, 169 —, logisch möglicher 35 23 —, K o n s t r u k t i o n der (oder durch) 35 —, normativer 232 — ohne V e r m i t t l u n g durch 35 —, problematischer 55, 101, 105 —, psychischer = Psychisches bezeichnend 169 f. —, Realität des 101 —, rechtlicher 169 f. —, Verbindung von 31, 37, 41 ff. —, widerspruchsfreier 35 23 —, Widerspruchsfreiheit eines 55 Begriffsbildung, imprädikative 20 24 begründbar, nicht- 83 ff. begründen 21 24 , 32, 44, 72, 94 Begründen, Nachweis der Wahrheit eines Urteils 21 24 , 22, 83 Begründung 17, 20, 24 3 , 32 ff., 42, 44, 50 ff., 66 ff., 104 11 , 163, 182 ff. — der Erkenntnis (Albert) 77 f., 80 ff. — der unmittelbaren Erkenntnis 64 f. — durch Deduktion 59 ff., 992, 100 107 — durch Demonstration 37 34 — durch Rekurs auf ein Dogma (Albert) 83 - 87 — ethischer Überzeugung 73 ff. —, logische 94 — metaphysischer Grundurteile 55 —, objektive 58 f. —, Prinzip der zureichenden 77 - 87 —, Problem der 68 ff. —, rationale (Now eil-Smith) 146 f.
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—, Suspendierung des Prinzips der zureichenden (Albert) 79 — v o m Ergebnis her 130 — von Forderungssätzen 124 f. — von Urteilen durch Anschauung 32 —, zureichende 70 ff. Begründungsdenken, absolutes (Albert) 175 postulat (Albert) 77 - 87 problem 22 ff., 68 ff., 72 ff., 124, 129, 152, 157 f., 161, 172 f., 182 ff. regreß 82 f. these, Selbst- (Albert) 85 ff. verfahren 73 f. Zusammenhang 96 Behaupten 57, 58, 63 ff., 66, 693, 150, 183 ff. Behauptung 18, 20, 58 ff., 66, 83 ff., 98 —, „als o b " - 140 —, I n h a l t der 57 — u n d Erkenntnis 20, 98, 126 —, zureichende Gründe der 57 f. Behauptungsvermögen 19, 58 Beobachtung 125 Beobachtungssätze 124 Berlin, sh. Königliche Friedrich-Wilhelms - Univ ersität Berliner Akademie der Wissenschaften 15 Besinnung, systematische 17 Bestätigung 15 Bestimmtheit 111 f., 133 Beurteilung 50, 65 — als faktischer A k t meines Bewußtseins 20, 55, 107 —, ethische 111 f. —, Grundlosigkeit metaphysischer 56 ff., 107 —, metaphysische 55 Beweis 25 ff., 26, 28 8 , 29, 34, 43, 46, 50 ff., 53 ff., 56, 58, 81, 94, 109, 115 f., 125 —, indirekter 65, 84 f. last 33, 58 ff., 66 ff., 126 f., 184 f. Bewertung 74, 162 bewußt 42, 44 ff., 47 f., 171 31 Bewußtsein 27ff., 35 ff., 42, 44 ff., 47 f., 50, 53 ff., 97 f., 162, 172 f. — und Erkenntnis 27, 35 ff., 39, 44 f., 47 f., 97 f., 126 — u n d U r t e i l 44 ff., 57 19 — , unmittelbares 28 — verändern 171 f. Bewußtseyn (ältere Schreibweise zur Kennzeichnung der Verwendung bei Fries) 4443, 91, 97 f. Bildungsprozeß, spiraliger 243, 25 Billigen 140, 161
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Personen- u n d Sachregister
Bindung 170 Biographie, biographische Frage 38 Blindheit 102 Blockierung 38 Boeckh 17 8 * Breitkopf, Alfred 37 32 Bundesgerichtshof 136 f. C Canaris , C.-W. 136 Causalität, metaphysisches Gesetz der (Fries) 57 19 conditioned 113 Craemer-Ruegenberg, Ingrid 172 f. D 8
De Wette 17 * Deduktion 18, 50 ff., 58 ff., 95 f., 991, 100 - 107, 124 f., 155 —, der Begriff der (Nelson) 104 f. — (Dubislav) 124,125 deduktiv 139, 144, 154 f. Definition 41 f., 60 31 ff. del Vecchio, Giorgio 154 Demonstration 37 34 , 44, 50 ff., 158 f. Denken 46, 93 31 , 96, 107 20 —»dialektisches: die Suche nach W i dersprüchen (Albert) 81 Denkkraft — siehe a u d i Urteilskraft 74 f. determinieren 116 f. Deutsche Forschungsgemeinschaft 7 Dezisionismus 178 f. 4 D i a l e k t i k 15 , 109, 128 Dialog 148, 165, 180 —, moralischer 150 —, rationaler 243 Diebstahl 143, 148 Dilemma 81, 139 D i s j u n k t i o n 130 ff. —, vollständige 47 f., 55 f., 148 d i s j u n k t i v 47 f., 115 35 , 142 Diskurs 180 Diskussion, wissenschaftliche 183 ff. Dispositionsbehauptung 84 disputativ 17 Dogma, Begriff des (Albert) 83 - 87 Dogmatisierung 73 f. dogmatisch 87 ff., 94, 163 Dogmatismus 15, 58 f., 93 ff., 95 f. —, Überwindung des 86 f. Dogmen (Popper) 95 f. Dreieck 34, 40 ff., 44 Dualismus von Sein u n d Sollen 74 f. Dubislav, Walter 123 f., 1248, 125, 126, 158 f., 160 f.
E Eckmann, Horst 153 ff. Edwards, P. 148 Egoismus, weitblickender 143, 165 E i d 136 f. Einbildungskraft, Schema der 41 Einheit, synthetische 53 ff. — u n d Notwendigkeit i m Denken (Nelson) 53 ff. Einlösung, diskursive 232 einsehen 150, 169 Einsicht 23, 37, 42, 54, 63 ff., 170, 177 f. — der I r r t ü m e r i n der Geschichte einer Wissenschaft 156 84 —, logische 34 —, mathematisch-geometrische 34 Einstellung 140, 150 Emotion 149 emotiv 140 ff., 150 emotiv-konativ 148, 150 Empfindung 119, 149, 161 f., 166 —, Strom der 35 f. Empfindungsmonismus 96 empirisch 88, 110, 123, 150, 165 f. Empirist 104 Engisch, Karl 136, 181«8 entscheiden 67 f. — durch Verfahren 45 Entscheiden u n d Erkennen 67 f., 160 163, 174 Entscheidung 75 f., 113 - 121, 147, 180 —, irrationale 114 f. —, moralische 116 f., 160, 180 Entwicklung, kindliche 34 Erfahrung 36, 49, 693, 69, 82 f., 88 —, innere 63, 89 f., 9020, 93, 101 ff., 161 Erfahrungswissenschaft 93 31 —, kritische 47 Erfüllbarkeit 131 Erinnerung 36 Erkennen 18, 43, 64 f., 693, 90, 9020, 91 ff., 101 f., 138, 184 f. —, der Begriff des (Fries) 101 f. —, der psychische A k t des 32,118 — des Erkennens 91 ff., 9124 — eines I r r t u m s 19, 698 —, F a k t u m des 64 — u n d Entscheiden 67 f., 113 f., 174 —, Unterscheidungen i m Bereich des 43 ff. Erkenntnis 18, 23 1 , 26, 55 ff. anspruch 73 arten 43, 46 bedeutung 89 f., 105, 119, 184 f. behauptung 103 f., 184 f. Charakter 161 grund 52, 59 ie lehre (Albert) 68 ff. — -lehre, klassische 70
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Personen- u n d Sachregister - k r i t e r i u m 232, 24 -prozeß (Albert) 75 f. -Skeptizismus 1016 -theorie, gestufte Theorie als 20 28 -theorie, siehe: K r i t e r i u m , erkenntnistheoretisches 114,126 -Vermögen (Fries) 92 f. , analytische 59 ff. , anschauliche 28, 34, 43 , an sich evidente 31 1β , 36 27 , archimedischer P u n k t der 82, 86 , Begriff der: unhaltbar (Ross) 108 ff. , Begründung der (Albert) 77 f., 80 ff., 184 , Besitz der 35 ff. , bewußte 27, 39 ff., 47 f. der Pflicht 148 des Rechts 151 , diskursive 94 f. durch K o n s t r u k t i o n der Begriffe 34 durch V e r m i t t l u n g durch Begriffe 43, 45 f. durch V e r m i t t l u n g von Begriffen 45 ff. , empirische unmittelbare 35 f., 44 , ethische 59, 74, 99, 120, 165 , Existenzbehauptung einer u n m i t telbaren nicht-anschaulichen 60 , Fundament der (Albert) 76 , gedachte 90 ff. , Gegenstand einer 33 , Haben einer 42 , logische unmittelbare 36 f., 42, 43, 45 f. , mathematische unmittelbare 37 34 , 43 ff. , mittelbare 25 ff., 30, 34, 43, 4646 , mittelbare — als U r t e i l 30, 43, 45 f., 4646, 57 19 (Nelson) 59 26 , nicht-anschauliche 28, 34, 43, 45 f., 53 ff. , nicht-anschauliche — Begriff der 43 , nicht-bewußte 27, 47 f. , normale (Albert) 175 , normative 175 ohne V e r m i t t l u n g durch Begriffe 27, 30, 35, 43 , philosophische (Fries) 91 ff., 96 ff., 96 43 , praktische 35, 59 2e , 99 f., 106, 123, 125 f., 158 f., 182 ff. , praktische — K r i t i k der sogenannten (Ross) 107 - 113 »Sicherheit i n der — selbstfabriziert (Albert) 86 f. , sittliche 106
—, synthetische 60 —, theoretische 107 f., 125 f., 164 —, transcendentale Wahrheit der (Fries) 90, 9021 — unabhängig von der Reflexion 29 — u n d Behauptung 20, 98, 126 Bewußtsein 27, 35 ff., 39, 44 f., 126 Entscheidung 113 f. Gegenstand 55 88 ff. Gewißheit 109 f. U r t e i l 25 ff., 39, 41 f., 43 ff., 45, 55 ff., 82 f. Wahrheit 108 ff. —, unmittelbare 18, 18 13 , 26, 27, 35 ff., 39 ff., 43 ff., 53», 54 f. , Begriff der 43 »Begriff der: widerspruchsvoll (Ross) 108 ff. , Begründung der 64 f. der Vernunft 53 ff., 992 , Existenz der 101 f. , Fundierung i n (Albert) 82 ff. , Wahrheit der 64 f. —, ursprünglich dunkle 31, 106 —, v e r m i t t e l t durch Begriffe 45 ff. —, Wissen u m die 27 Erkenntniß (ältere Schreibweise zur Kennzeichnung der Verwendung bei Fries): unmittelbare E r k e n n t niß unsrer Vernunft 18 f., 88 ff., 91 ff. —, a p r i o r i 88 —, Wiederbewußtseyn einer u n m i t telbaren 90 - 93, 96 43 Erklären 102 Erlebnis 38, 82 f., 93", 96, 109 f., 112 f. Charakter 38 Erscheinung 51 Erziehung 113 Essler, Wilhelm K. 93 32 , 94 E t h i k 48, 73 ff., 100- 107, 113- 121, 128 - 138, 163, 164 f., 180 —, dogmatische 74 f. —, formale 123 f., 127 ff. —, M e t a - E t h i k 138 - 150, 139 f., 149 —, Non-Kognitivismus i n der 164 185 —, normative 122 —, wissenschaftliche 124 Euklid 35 23 Evidenz 42, 45, 63, 105, 173, 175 ff. Existenzbehauptung 54 f., 152e8 nachweis 124 Experiment 117 f. F Fahrenbach, faktisch 50
Helmut
178 f., 182
Personen- u n d Sachregister
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F a k t u m 182 ff. falsifizierbar 15, 83, 158 f. Farbwahrnehmung 39 f. ,Faustrecht' 61 ff. Fehlschluß 25, 26 — der Modalität der Methode auf die gleiche ihres Gegenstandes 47 —, naturalistischer 161 Festsetzung, terminologische 53 Fichte, Johann Gottlieb 17 8 a Figur, geometrische 39, 41, 44 Folgerungsbeziehung 50 ff. prinzip 26, 36 f. , Wissen u m das 27, 36 f., 45 f., 47 f. Forderungssätze, Unbegründbarkeit der 124, 126, 158 f. Form, begriffliche 39 ff., 42, 45 Formel (Leer-) 153 f. Fortschritt 17 Frage, empirisch entscheidbare 44 ff. —, meta-ethische 139 f. Fremdinteresse — siehe auch I n t e r esse 167 f. Fries, Jakob Friedrich 16, 17, 178*, 34, 41, 74 f., 87 - 93, 91 25 , 9 3 - 9 8 , 129, 177 Fuchs, Walter R. 40 Fundierung i n unmittelbarer E r kenntnis (Albert) 82 ff. Funktion, erkenntnistheoretische (Kelsen) 156 f. —, normative 139 G Gedankengang, zergliedernder 91 ff. Gefühl 74 f., 119, 141, 149, 150, 161 f., 166 — als A k t der Urteilskraft (Fries) 74 f., 119, 141, 161 f. —, sittliches 59, 105, 130, 161 f. —, sittliches (Fries) 59, 74 f. Gegenstand der Erfahrung 34 — der Geometrie 34 f. — der K r i t i k 93, 992, 176, 177 f. — u n d Erkenntnis 55 ff., 88 ff. Geltung 154 f., 155 78 , 156 f., 157 f., 173 Geltungsanspruch 23 2 , 24 Gemeinsamkeit, vernünftige 243 Gemüt 170 Gemüth (ältere Schreibweise zur Kennzeichnung der Verwendung bei Fries) 88 ff. Genese 113 —, faktische 243 —, normative 243, 127 f. Geometrie 34, 45 Gerechtigkeit 127 f., 137, 145, 152 70 , 153
Gerechtigkeitsgefühl 161 f. Geschichte der Naturrechtslehren 156, 156 84 Gesellschaftskritik 185 Gesetz, allgemeines praktisches 148, 170 geber 151 gebungs verfahr en 151 —, philosophisches 35 —, positives 151 ff., 172, 181 — seiner K o n s t r u k t i o n 34 f., 41 Gespräch, moralisches 150 Gewalt 61 f., 120 f., 153, 185 Gewissen 16, 51 f., 74 f., 105, 160163, 164 f., 165 f., 170 — (Albert) 163 — (Fries) 51 f. — (Nelson) 105 — (Popper) 117 - 121 —, Abhängigkeit des 164 —, Behauptungsfunktion des 166 Gewissensinhalt 162 —, falscher 164, 172 Gewissensregung 160 f. Gewißheit 18 13 , 64 f., 70, 87, 108 ff., 176 f. — u n d Wissen 70, 174 Gewißheitserlebnis 232, 24, 109 f., 176 f. Glassen, Peter 126, 150 Glaube, irrationaler — an die V e r nunft 114 Glauben 693, 70, 140 Gleichartigkeit 113 Gleichbehandlung gleicher Fälle 153 f. Gleichheit 111, 144, 144 51 Grewendorf, Günther 17980 Groos, Helmut 68 40 Grundbegriff, siehe auch Begriff 38, 42 Grundlage, anthropologische 91 25 Grundlosigkeit ethischer Urteile 126 f. Grundnorm (Kelsen) 79, 127, 154, 155 - 158, 171 f. Grundwahrheit 91 f. G r u n d des Rechts 149 — eines Urteils — siehe auch Erkenntnis 32 ff., 47 f., 53 12, 182 ff. —, logischer 50 —, Mangel an 18 Grundgesetz (Abkz.: GG) A r t . 20 Abs. 3 GG 62, 151, 153, 174 A r t . 38 Abs. 1 Satz 2 16 Grundsatz 50 — des Selbstvertrauens der V e r n u n f t 34, 56, 64 ff., 87 - 93, 109 — v o m Selbstvertrauen der V e r nunft (Fries) 87 - 93
Personen- und Sachregister
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Grundsätze 19, 47 f., 53 ff. —, Fremd- 167 f. —, Klassen- 172 G r u n d u r t e i l 25 ff., 26, 48, 53 12, 55 f. —, sittliches 59,105, 149®2, 171 27 —, bewußtes 27 Interessenberücksichtigung 144, 179 —, mathematisches 34 Interessenkollision 145 —, metaphysisches 28, 55 f., 99* I n t u i t i o n 73 f., 82 f., 159 —, nicht-bewußtes 27 Irrationalismus 114 f., 120 gültig 154 f., 156 f. - 185, 184 f. Gültigkeit 88, 90, 90:1, 93 30 , 154 f., irrelevant 163,164 irren 17, 18, 32 18 , 33 1 9 ,121 155 78 , 156 f., 176 f., 181 23 I r r t h u m (ältere Schreibweise zur Gültigkeitshypothese 20 Kennzeichnung der Verwendung gut 141 f., 142 ff., 159, 179 bei Fries) 18 I r r t u m 18, 18 13 , 26, 68, 119, 146 f., 163, 183 ff. H —, Bedeutung des — i n der GeschichHaag, Karl 134 te einer Wissenschaft 156 84 , 159 Haben einer Erkenntnis 42 —, Befreien von 33, 693 Habermas, Jürgen 23 2 , 156 84 —, Erkennen eines 19, 67,164 Haller, Rudolf 7 —, Erklärungsbedürftigkeit des 19, Haltung, non-kognitivistische 138 163, 183 ff. Handlung 51 f., 106, 166, 168, 170, 182 — (Nelson) 56 11 Hare, R. M. 104 , 122 f., 133, 147, —, praktischer 74 f., 163, 183 ff. 147 58 , 148 69 , 172, 173, 179 f. Hart, H. L. A. 151 - 155 Hartmann, Nicolai 160 J Hasenjaeger, Gisbert 37 31 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm 16, Jacoby, Günther 99 1 17 8a , 24 3 , 25, 91, 91 25 , 92 2δ , 171 Jahr, Günther 128 11 Helwig, Paul 23 1 Jaspers, Karl 170 25 Henke, E. L. T. 17 8 * Henry, Grete 7 Herrschaft 178 f. Κ Hippel, Emst von 156 84 Hippel, Fritz von 137 Kambartel, Friedrich 24 3 , 167 11 Hoerster, Norbert 122 f., 122e, 1237, K a m p f auf Leben u n d Tod (Schwemmer) 167 11 143 f., 151e®, 152®9 Kant 16, 28 7 , 34, 59, 91, 99 1 , 122«, 123, Husserl, Edmund 107 20 Hypothese 87 130, 139, 141, 154, 1678, 182 hypothetisch 142 ff., 147 f. Karneades, Planke des 167 11 Kastil, Alfred 100, 1005 kategorisdi 142 ff. I Kausalität — siehe Causalität (Fries) 57 19 Idealisierung 43 Kausalprinzip 125 Ideallehre 180 Kelsen, Hans 79, 127, 129, 151», 152, Ideologie 65 ff., 151, 152 70 , 156 84 , 171 f., 154, 155 - 158, 171 Keuth, Herbert 15 178 f. Klarheit, begriffliche 42, 44 f. k r i t i k 114, 153 Klassenkalkül 37 Ilting, Karl-Heinz 173,10 ff. Imperativ 105 f., 128, 142, 147 ff., 158, Kleinknecht, Reinhard 2124 Klug, Ulrich 37 s3 , 99 1 , 133 173, 176 f. K l u g h e i t 143 Impuls, uninteressierter (Ross) 112 f. Kodifizierung 130,145, 154,155 I n d i k a t i v 134, 166 König, Gert 17 8 * I n d u k t i o n 49 f., 125 König, Josef 15® Induktionslogik 93 31 i n d u k t i v 125 Königliche Friedrich-Wilhelms-UniI n h a l t der K r i t i k 93, 99 2 , 176,177 f. versität zu Berlin 16, 17 8 a 37 Instanz, die bloße Faktizität einer Können 138 normativen (Albert) 175 Körner, Stephan 7, 34, 34 21 , 99 1 Interesse 106, I I I f., 149, 149«2, 171 27 kognitiv 140 ff., 148, 150 14 Westermann
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Personen- u n d Sachregister
kognitiv-emotiv 140 ff. K o g n i t i v i t ä t 150,160 - 163 Kommunikationssituation 249 konativ 148 K o n f l i k t 1663, 167 11 Konrad, Andreas 7, 19, 33, 51, 77 21 , 88 f., 89 e , 89 7 , 140, 160 Konsens 23 8 , 24, 126 Konsensus, begründender 23 2 , 24 —, f aktischer 23*, 24 —, zufälliger 23* K o n s t r u k t i o n der (oder durch) Begriffe 35, 44 f., 54, 54 1S kontradiktorisch 77 77 21 , 80 Kosmologie, soziomorphe (Albert) 174 Kraft, Julius 94 82 K r i t e r i u m , Entscheiden als 67 f. — der Wahrheit 70 —, erkenntnistheoretisches 65, 126, 138 K r i t i k der praktischen Vernunft 48, 59, 123 - 128, 168 Kritik der sogenannten praktischen Erkenntnis (Ross) 107 - 113 2 — der Vernunft 49, 99 , 177 —, I n h a l t u n d Gegenstand der 177 f. —, transzendentale 93 kritisch 47, 87 ff. Kritische Methode 41, 52, 74 f., 88 ff., 93**, 115, 121, 123-128, 139, 141, 147, 150, 151, 153 f., 161, 163, 172 f., 177 183 ff. Kritizismus 58 f., 161 Kutschera, Franz von 37 32 L Landgrebe, Ludwig 178 f. Larenz, Karl 151 M Leerformel 153 f. Legitimation 175,178 f. Lernbarkeit 162 Lersch, Philipp 110, 166, 170 Linke, Paul Ferdinand 140 L o g i k 36 f., 93", 122, 132 f., 159 —, Meta- 173 —»Anwendbarkeit der — auf ethische Sätze 128 —, deontische 130 ff. — (Fries) 57», 60 s1, 91 25 —, klassenlogische F o r m der 37 —, kritische 47 Logische Blöcke 39 f. Logischer Satz des Grundes (Fries) 57 f., 57* 9 Lorenzen, Paul 24 3 , 127 f., 166, 169, 171 Lückert, Heinz-Rolf 1664
M Macht 52, 61 f., 141, 143, 143", 148, 152 70 , 157, 165, 178 f., 184 —, normstiftende (Albert) 174 f. Maihof er, Werner 128 11 Manipulation 113,162 f., 184 f. Mathematik 93" —, kritische 47 — (Nelson) 54 13 —, Philosophie der — siehe a u d i Körner 47, 79 Matz, Ulrich 161 f. Meggle, Georg 179·° Mehrheit 65, 104 Meinung 68, 153,159 M e r k m a h l (ältere Schreibweise bei
Fries) 97 f.
Messer, August 93 30 M e t a - E t h i k 127 f., 138-150, 139 f., 149 Metaphysik 49, 87 ff., 104 spräche 129 Methode 58 f., 115, 128 —»deduktiv-axiomatische 128, 135 138 —, kritische — siehe Kritische M e thode —, Modalität der 47 —, phänomenologische 107 20 —, psychologischer N a t u r 47 —, regressive 49 f., 91 ff., 166 Methodologie, klassische 86 methodologisch 114 Mißbilligen 161 M i t t h e i l u n g (ältere Schreibweise bei Fries) 96 ff., 102 Mittelbarkeit der Erkenntnis — siehe Erkenntnis, mittelbare 47 f. Modalität der Methode 47 M o r a l 128, 151 - 155, 179 f. phüosophie, analytische 127 f., 138 -150 prinzip (Schwemmer) 167 11 moralisch 115, 117 f., 150, 180 M o t i v 99, 114, 146 M o t i v a t i o n 165 f., 168, 170 motivieren 96 Münchhausen-Trilemma 15, 77 - 87 Ν Nachprüfbarkeit, inter subjektive 96 ff. N a t u r (Fries) 52 N a t u r der Sache 152 e8 Naturrecht 152 f., 152·8, 174 f., 185 Naturrechtslehren 154,156, 156 84 Naturrechtssatz, einziger 152·8 Neigung 52,142
Personen- u n d Sachregister Nelson, Leonard 15, 27 ff., 34, 49 ff., 53 ff., 58 ff., 100 - 107, 152·8,177 Neunmann, Lothar 7 Neustik 133, 147 nicht-anschaulich 43 nicht-begründbar 83 ff. nicht-bewußt 39 Nominaldefinition 60 31 ff., 85, 118, 134, 159 non-kognitivistisch 138, 164 - 185 Noologie 128 N o r m 152,156 ff., 166, 176 f. normative K r a f t des Faktischen 178 f. Normensystem, Genese eines 248 Normerleben 170 Normierung 75 f., 165 f. normlogisch 133 ff. Notwendigkeit — Einheit u n d (Nelson) 53 ff. Notzucht 166, 167 11 Nowell-Smith, P. ff. 145 ff. Nützlichkeit, allgemeine — siehe a u d i Utilitarismus 143,165 Ο 7
objektiv 89 Objektives 51 O b j e k t i v i t ä t 105 —, Mangel an 162 Objektsprache 129 Operator 37 Ophüls, C. F. 151 M Ordnung 62 Ρ Pädagogik 34, 100 Paradox 21 24 Pfänder, Alexander 37 30 , 99 1 Pflicht 105, 112, 141 ff., 148, 169 f., 169 18 Verletzung 169 f. Pflichtenlehre 179 f. Phänomen, moralisches 100, 112 f. Philipps, Lothar 129,130 ff., 180 Philosophie (Fries) 46, 90", 91 ff. — (Popper) 115 —, analytische 60 81 , 61,138 —, Aufgabe der 50,150 — der Mathematik — siehe a u d i Körner 47, 79 — der normalen Sprache 138 —, sprachanalytische 153 71 , 179 f., 182 — u n d Geschichte 91 24 , 92 24 , 156 84 —, wissenschaftliches Erlernen der 35 Philosophisch-Politische Akademie Kassel e. V. 7, 15 14
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Phrastik 133, 147, 158 Piaget, Jean 162 Podlech, Adalbert 144" Polemik 185 73 P o l i t i k 100, 140 f. Popper, Sir Karl R. 15, 83, 93-98, 9331, 94 82 , 113 - 121, 160 Positivismus 96,123,134 Postulat der klassischen Methodologie des rationalen Denkens (Albert) 70 Prämisse 22 ff., 25, 51 ff., 137 f. —, negative 53 Präskription 129,133 ff. praktisch 182 Praxis 182 Priester, Jens Michael 128 ff. Primzahl 35 28 , 45, 55 Prinzip — siehe a u d i Grundsatz 36, 50, 53, 92, 180 ff. — der Abstraktion v o m numerischen Unterschied der Personen 110 ff., 167 f. — der Verallgemeinerung 122 f., 165 — der zureichenden Begründung (Albert) 77 - 87 —, ethisches 115 f. —, Mangel eines evidenten 105 —, normatives 115 f., 174 ProtokoUsatz 96 Psychiater 20,170 Psychisches 118, 140, 161, 170, 176 f., 181, 184 — ,der A k t des Wahrnehmens als 36 —, Erlebnis als 38, 109 f. Psychologie 87 ff., 110, 162, 165 f., 170 —, empirische 87 ff., 164 - 172 —, kritische 47 —, rationale 128, 166 Psychologismus 15, 93", 94 f., 107", 160 f., 173, 175 ff. Psychotherapie 38
Q quadratisch 40 Quantor 37 R Radbruch, Gustav 152 f., 152 70 ,185 rational 140 ff. ethisches Argumentieren 145 ff. Rationalisierung 112 f. Rationalismus 1141, 139 —, ethische Basis des 114 —, kritischer 114,121 Rationalist, Grundhaltung des 16, 121
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Personen- und Sachregister
Rationalität, Entscheidung zur 113 121 Rationalitätsmodell (Albert) 70, 86 f. Realitätsbezug 139 Recht 48, 51 f., 61 f., 141 ff., 148, 151 ff., 157, 162, 165, 169 f., 169 18 , 171 f. fertigung 104 11 , 144, 160 —, G r u n d des 149, 170 —, N a t u r - 152 f., 152 e8 —, positives 153 f., 155 - 158, 174 —, richtiges 153 sprechung 152 f. — u n d Anspruch 169, 16918 B i l l i g Denkende 103 Macht 143, 143 44 , 185 M o r a l 151 - 155 rechtlich 168 Rechtsempfinden 161 f. erkenntnis 151, 152 e8 , 172, 185 gefühl — siehe a u d i Gefühl, sittliches 130, 161 f., 166 geltungswert (Haag) 134 grund 149, 170 ideologie 171 f. Rechtslehre 100 - 107, 151 - 158, 163 —, formale 123 f., 127 ff., 152 ff. —, materiale 130 —, N o n - K o g n i t ivismus i n der 164 185 Rechtsnachweis (Nelson) 49 Ordnung, positive 127, 153, 154, 155 f., 157 f., 171 f. philosophie 100, 156 84 — -positivismus 151 - 158, 171 f., 185 regel, Rechtsgeltung der (Hart) 155, 155 78 satz, Allgemeinheit des 129, 139 Sicherheit 152 70 , 153 f., 185 theorie 127 f., 128 ff., 180 ff. Überzeugung 62 f., 159 Verletzung 169 f. Rechtswissenschaft 128, 136 f. —, K r i t i k der (Ross) 107 - 113 Reflexion 18 13 , 28 ff., 31, 37, 53 ff., 60 31 , 90, 91u, 106, 182 Regel 146 f. Regreß 15, 67 39 —, i n f i n i t i v e r 77 f. —, unendlicher 15, 56, 81, 93 ff., 95 f., 159 regressiv 125, 148 Rehabilitierung praktischer Philosophie 16, 178 f. Reihe — siehe Regreß Reinach, Adolf 155 rein-anschaulich 35, 35 23 Reine Anschauung 34 Reine Rechtslehre 151 - 158, 171 f. Rekurs 83, 175 — auf ein Dogma (Albert) 83 - 87
Relationssachverhalt 51 Relativierung 19 19 Relativismus 185 Relevanz 7, 75 Remplein, Heinz 1029 Richterspruch 152 Riedel, Manfred 167 Rigorismus 145 Rod, Wolfgang 173, 175 ff. Rohr acher, Hubert 23 1 Rorschach, Hermann 36 28 Ross, Alf 107 - 113, 167 S Sacherklärung 26, 92 Sachverhalt 51, 179 f., 181 S ander sehe Täuschungsfigur 71 f. Satz 18, 50 ff., 179 f. —, anthropologischer 146 f. —, deskriptiver 130 f., 134 f., 159, 181 f. —»logischer — des Grundes (Fries) 57 f., 57 1B, 146 f. —, präskriptiver 128, 130- 135, 179 f., 180 ff. —»präskriptiver — nicht w a h r u n d nicht falsch 133 ff., 181 f. —, praktischer 99 f., 179 f., 180 ff. —, synthetischer 106 —, theoretischer 180, 182 monismus 96 — v o m ausgeschlossenen D r i t t e n 22 — v o m Widerspruch 22, 69 3 , 69 Savigny, Eike von 60 31 , 61, 135 - 138, 139 f., 148,149 Sehen 43 Sein u n d Sollen 139, 173 Seinssatz 178, 180 ff. Selbstbegründungsthese (Albert) 85 ff. Selbstbeobachtung 47, 90, 91u, 169 Selbsterkenntniß (ältere Schreibweise bei Fries) 91, 9124 Selbsttätigkeit der Vernunft 17 Selbstvertrauen, Grundsatz des 34, 59, 64 ff., 121 Sicherheit 70 Singer, Marcus George 122 f. Sinn (Fries) 95 Sinnesanschauung — siehe W a h r nehmung 43, 95 Sinneswahrnehmung 35 f., 39, 94 f., 93 31 Sinnfälligkeit 40 Sittengesetz 59, 105 ff., 122 sittlich 168 Skepsis 58 Skeptizismus 59 Sokrates 185
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Personen- u n d Sachregister Solidarität, allmenschliche (Landgrebe) 178 f. Sollen 74 f., 104, 138 37 , 139, 168, 179 f. Sollenssatz 127, 130 - 135, 139, 181 f. —, Negation eines 132 f. Spaemann, Robert 17, 17 10 ,179 Spekulation, subjektive Wendung aller (Fries) 88 ff. Sprache 39, 92, 96 ff., 129, 150,179 f. —, normale 138,150 Sprachgebrauch 84 f., 116 ff. Sprachregelung 40 Sprechsituation, ideale 23 2 , 24 subjectiv (ältere Schreibweise zur Kennzeichnung der Bedeutung bei Fries) 18, 57 f., 87 ff. Subjekt 51, 88 f. subjektiv 88 f. Subjektives, Erfassen von 19, 33, 51 Sub j e k t i vierung 19 19 Subjektivität (Schwemmer) 167 f. —, ein objektiver (Relations-)Sachverhalt 19, 88 f. Subjektsrelationalität 89 Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung (Albert) 79 synthetisch 57 synthetisch-analytisch, Gegensatz von 60 31 ff. System 58 f. Sch Schambeck, Herbert 152®8 Schema der Einbildungskraft 41, 97 f. Schiller 592® Schleiermacher, Friedrich Daniel 178a Schließen 36 f. Schloemilch 156 84 Schluß 288, 43, 46, 51 ff., 125 — der Modalität — siehe Fehlschluß 47 —, retroflexiver 15, 20 23 —, Wissen u m das Schließen 27 Schmidt, H. Arnold 15, 20 23 , 232, 24, 67»® Schneider, Egon 13530 Schuld 162 Schuldigkeit 149 Schuster, Cynthia 150 e4 Schwemmer, Oswald 243, 166, 167 f., 169 f.
Stenius, Erik 133 23 , 134 Stern, Paul 93 29 Stevenson, C. L. 140 ff. Strebung, normative (Lersch) 170 Stufung, t r i v i a l e r Abschluß der 20 23 Τ Täuschung —, Erkennbarkeit von 33 Täuschungsfigur — siehe Sandersche Täuschungsfigur 71 freiheit — siehe auch Wahrnehm u n g 34 — der inneren Wahrnehmung 33 Tatsachenfrage 42
Wissenschaft 9331
tavtologisch (ältere Schreibweise bei Fries) 60 3 1 Terminologie — siehe auch Festsetzung, terminologische 53 Test 36 28 Theorie 117 ff., 182 — der Deduktion 58 ff. Tiefenpsychologie 39 3e , 181, 185 Toleranz 16 Topik 137 Topitsch, E. 156 84 Toulmin, S. E. 142 ff. Transformation von Begehrungen (Schwemmer) 167 f. Transzendentale Kritik 93 Transzendiere deine Subjektivität (Schwemmer) 167 f. T r i l e m m a 15, 77 - 87, 93 - 98 Tugend (Fries) 51 f. U
Übereinstimmung m i t dem Gegenstand 56, 9021 überreden 165,184 f. Überredungsdefinition 140 ff. Überzeu'gtsein 83, 160 k e i n K r i t e r i u m 70 ff., 73, 159 Überzeugung 23 2 , 24, 62 f., 68 ff., 71 ff., 83, 110, 159, 160 —, Begründung der 77 —, ethische 73 ff., 160 — m i t Erkenntnisanspruch (Albert) 73 —, moralische 708 — normativen Charakters (Albert) 73 Überzeugungslosigkeit 16 St Umgangssprache 127 f., 169 Standards 147 Unbegründbarkeit der Forderungs22 31 Stegmüller, Wolf gang 43, 58 , 60 ff., sätze (Dubislav) 124 693, 70, 84 34 , 85 37 , 1004, 101®, 104, unbewußt 3936 11 104 , 133, 139 Ungerechtigkeit 162, 172
Personen- und Sachregister
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unmittelbar 27 ff., 30 Unrecht 52, 143", 152, 152 70 , 154, 162, 165, 172,185 U n w e r t 149 U r t e i l 18, 44 ff. — als mittelbare Erkenntnis 30, 43 — als Wiederholung unmittelbarer Erkenntnis 44 ff., 57 19 —, apodiktisches 53 f. —, begriffliche F o r m des 42 —, Bewußtsein durch begriffliche F o r m 42 12 —, empirisches 46, 53 —, ethisches 124, 125, 150, 163, 164 f. —, — K o g n i t i v i t ä t des 160 - 163 —, sinnlos 127 —, Formulieren des 39 f. —, G r u n d - 25 ff. —, G r u n d eines 44, 53 ff., 59 —, mathematisches 46, 53 f., 53 12 —, metaphysisches 49, 53 ff., 101 f. —, grundlos 54 f., 100 —, moralisches 150 —, oberstes — siehe a u d i G r u n d u r t e i l 53 12 —, praktisches 59 2e , 99 f., 125, 164 f., 182 ff. —, synthetisches — a p r i o r i 49, 60 81 , 61, 125 — u n d Bewußtsein 44 ff. — u n d Erkenntnis 25 ff., 39, 41 f., 43 ff., 45, 55 ff., 82 f. —»Verbindung v o n Begriffen i m 37, 42 Urteile, Begründung der 50 ff. —, Begründungsbedürftigkeit der 20 —, N a t u r ethischer 100 —, Wahrheit der 54 Urteilen 39 f., 40, 182 ff. —, der psychische A k t des 20, 182 f. —, Nicht-anders-urteilen-Können (Rod) 175 ff. . Urteilsarten 46 fähigkeit, Vërtrauen auf 16 k r a f t 105, 119, 141, 161 f. Urtheil (ältere Schreibweise zur Kennzeichnung der Verwendung bei Fries) 88, 90 - 93 —, das Bewußtseyn einer Erkenntnis durch Begriffe 44 —, logische W i r k l i c h k e i t des 17 f., 57 f. Utilitarismus 143,165 Utopie 179 V Verabsolutierungen 171 f. Veränderungen, A b f l u ß von 36 2e Verallgemeinerung 125, 143 f.
Verallgemeinerungsprinzipien 122 f. Verbindlichkeit 105 f., 143, 171 f. Verbrechen 120 f., 166 V e r d i k t des Gewissens 117 - 121, 160 Verdross, Alfred 156 84 Verdummung 162 f. Verfahren, Abbruch des 77 - 87 Verfassungsauftrag 153 verfassungskonform 151 Vergleichung 18 18 , 58 f., 95 Verhaltenseinstellung 113 verifizieren 15, 44, 83, 95, 158 f. Verlangen 80 V e r m i t t l u n g 4442 — durch Begriffe — siehe Erkenntnis 42 ff., 45 ff. V e r m u t u n g 66, 68,110, 140 Vernunft 232, 24, 56, 91 ff., 96 ff., 102 f., 127 f., 163 prinzip 243 schluß 36 f. — als oberste Instanz aller Wahrheit 17 —, F a k t u m des Selbstvertrauens der 18, 66 —, Glaube an die 114 —, Grundsatz des Selbstvertrauens der 34, 59, 64, 66 —, K r i t i k der 49, 166, 177 —, K r i t i k praktischer 48 —, richtig organisierte 17 Verpflichtung 148 Verständnis 167 f. Verstand 18, 57 Verteidigungslast 184 f. Vertrag 145 Vertrauen, siehe: Selbstvertrauen 64 f. Viehweg, Theodor 136 f. Vollständigkeit, d i s j u n k t i v e 47 f. Voraussetzung 22 ff., 25, 51 ff., 66, 137 f., 159, 183 Vorrangsregel (Baier) 145 Vorstellung 97 f., 101 f. —, anschauliche 41 —, assertorische 89 f. —, problematische $9 f. Vorstellungen (Fries) 4443, 89 f. V o r u r t e i l 17, 94, 107 20 , 166 V o r u r t h e i l (ältere Schreibweise zur Kennzeichnung der Verwendung bei Fries) 75 W Wahrgenommenes 36 Wahrhaftigkeit 232, 24, 58, 146, 184 Wahrhaftigkeitsanspruch 232, 24 Wahrheit 108 ff. — als Ubereinstimmung 56 ff.
Personen- u n d Sachregister —, Annäherung an die (Albert) 81 — der unmittelbaren Erkenntnis (Nelson) 56 ff., 64 f. — eines Urteils als Übereinstimm u n g m i t einer unmittelbaren Erkenntnis 54 f., 57 19 —, materiale (Fries) 57 f. —»Nachweis der — eines Urteils: siehe Begründen 21 24 , 22, 83 —, transcendentale (Fries) 90, 9011 — u n d Erkenntnis 108 ff. — u n d Gewißheit 70,108 ff. Wahrheitsanspruch 232, 24 gefühl 74 f., 161 f., 166 k r i t e r i u m 23 2 , 24, 70 161 theorie 232 w e r t 134 Wahrnehmen, der A k t des 36 Wahrnehmung 35 f., 44 —, äußere 31, 35 f., 43, 44, 102 — innere 32, 33 19 , 33, 35 f., 35 25 , 43, 44, 89 —, täuschungsfreie — Berufung auf 34 Wahrnehmungserlebnis 94 f., 96 täuschung 33, 71 f., 95 —, Erkennen einer 33, 71 f. Wendung, subjektive (Fries) 87 ff. Wert 75 f., 106, 112, 145, 162, 166 äußerung 148 f. erkenntnis 59 2e haltung 149 prinzipien, tradierte 73 f. urteile 127 f., 159, 160 - 163 Wertung 75 f., 149,165 f. —, negative 105,149 Wesen, vernünftiges 115 Westermann, Christoph 55 17 , 60 31 , 65 84 , 1003, 105 14 , 107 20 , 115 85 , 1153® Widerspruch 56 f., 69s, 81, 117 f., 155, 169 —, innerer 19, 52 Widerspruchsfreiheit eines Begriffs 55 — eines Systems 130 Widerspruchsfreiheitsprinzip (Albert) 69, 81, 175
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widersprüchlich 81, 107 20 , 143, 143 44 Wiederbewußtseyn einer u n m i t t e l baren Erkenntniß (ältere Schreibweise zur Kennzeichnung der Verwendung bei Fries) 9093 W i l l e 52, 167 f., 170 ,Wirklichkeitskriterium 4 , Erlebnis kein 38 Wissen 27, 42, 44 f., 52, 64 f., 68 f., 69s, 70 ff., 115, 167 f., 172 f., 184 f. —, Fundament des 68, 70 — u n d Gewißheit 70 Wissenschaft 115 f., 140 f., 164 f. —, empirische 93,140 Wissenschaftsbetrieb 185 lehre 114 Wissenschaftstheorie 128 -138 —, Rechtstheorie als analytische 128 ff. 11 Wittgenstein, Ludwig 104 , 144 Wolf, Erik 156 84 Wort, Erlernen des — zu der Bedeut u n g 40 Wunsch 80, 140, 148, 149 82 , 151, 158, 180 ff. Wyss, Dieter 1652 Ζ Zeichnung, unbestimmte — siehe auch Schema 41 Zeichnungen als Vorstufe zur A b straktion 40 f. Zergliederung, Hauptregeln der 91 ff. Zirkel, logischer 77 f., 155 Zirkelverdacht 243 z i r k u l ä r 42, 77 2 1 ,107 2 0 , 159 Zurechnung 52,170 Zustimmung 133 —, v e r n ü n f t i g gewonnene faktische 24 8 Zustimmungsnötigung (Rod) 175 f. Zwang, faktisch-psychologischer 107 20 Zweifel 18, 19, 56 f., 58, 64 f., 70, 140, 163, 184 f.