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German Pages 448 [442] Year 2023
Museum für Vor- und Frühgeschichte Staatliche Museen zu Berli n
Archäologische Schätze aus
Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan Für das Museum für Vor- und i=rühgeschichte herausgegeben von Manfred Nawroth und Matthias Wemhoff
KOÖIJOf;
Impressum Eine Ausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin in Kooperation mit der Art and Culture Development Foundation (Ministerkabinett der Republik Usbekistan)
Berlin, Neues Museum und James-Simon-Galerie 4. Mai 2023 bis 14. Januar 2024 Wissenschaftliches Komitee Djangar Ilyasov, Archäologe,
Institut für Kunstwissenschaften der Akademie der Wissenschaften Shakirjan Pidaev, Direktor, Institut für Kunstwissenschaften der Akademie der Wissenschaften Manfred Nawroth , Oberkustos, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin Matthias Wemhoff, Direktor, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin
Art and Culture Development Foundation unter dem Ministerkabinett der Republik Usbekistan Saida Mirziyoyeva, Leiterin des Kommunika-
tions- und Informationspolitikbereichs der Geschäftsleitung der Präsidialverwaltung Usbekistans Gayane Umerova, Geschäftsführerin Elmurod Najimov, Leiter für Kommunikation und strategische Entwicklung Bobirmirzo Sayomov, Leiter der Abteilung für kulturelle Zusammenarbeit Azizbek Mannopov, Projektleiter der Abteilung für kulturelle Zusammenarbeit
Leihgeber Deutschla nd: - Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin - Gipsformerei, Staatliche Museen zu Berlin - Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin - Museum für Asiatische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin - Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin - Vorderasiatisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin Usbekistan : - Buchara, Staatliches Museums-Reservat - Nukus, Karakalpakisches Forschungsinstitut der Geisteswissenschaften der Karakalpakischen Abteilung der Akademie der Wissenschaften der Republik Usbekistan - Samarkand, Institut für Archäologie Y. Gulyamov - Samarkand, Staatliches Museums-Reservat - Taschkent, Institut für Kunstwissenschaften der Akademie der Wissenschaften - Taschkent, Staatliches Kunstmuseum Usbekistans - Taschkent, Staatliches Museum für Geschichte Usbekistans - Taschkent, Zentralbank der Republik Usbekistan - Termiz, Archäologisches Museum
AUSSTELLUNG Museum für Vor- und Frühgeschichte Direktor: Matthias Wemhojf Kuratoren: Manfred Nawroth, Anton Gass,
Videos und 3D-Rekonstruktionen Andreas Sawall
Erstellung der 3D-Rekonstruktionen Olaf Hoffmann
Benjamin Wehry
3D-Rekonstruktion Chaltschajan:
Restauratorische Betreuung
Curt-Engelhorn-Sti ftung / Produktion Faber Courtial
Philipp Schmidt-Reimann (Leitung), Claudia Bullack, Anica Kelp , Susanne Krebstakies , Fran ziska Thieme
Presse: Christo/ Hannemann Freiwilliges Soziales Jahr Kultur Henriette Vorbeck
Werbegestaltung: polyform planen und gestalten Götzelmann Middel GbR Kunsttransport: hasenka mp fine art KATALOG
Sekretariat: Regine Seidel Staatliche Museen zu Berlin Generaldirektion: Christina Haak (stellvertretende Generaldirektorin), Florentine Dietrich Referat Forschu ng, Ausstellu ngen, Pro jekte Jörg Völlnagel (Leitung), Maren Eichhorn , Ramona Föllmer
Referat Bildu ng, Vermittlung, Besucherdienste Heike Kropjf (Leitung), Dorothea Parak
Referat Presse, Kommu n ikation, Sponsoring Mechtild Kronenberg (Leitung), Markus Farr, Fabian Fröhlich , Corinna Salmen-Mies, Lisa Schlichting-Goncalves Referat Sicherheit: Rene Stelzer (Leitung), Frank Talke
Stiftung Preußischer Kulturbesitz Justiziariat: Carola Thielecke, Tob ias Schmiege/ HV II, Organisation , Haushalt und Finanzservice, Innerer Dienst: Dirk Ueckert (Leitung), Volko Steinig, Frauke Probst HV II 4, Ausstellungs- und Drittmittelprojekte: Christian Haubner (Leitung), Anja Robbe/, Christine Köhler HV II 5, Zentrale Ve rgabestelle Zoltan Arendt, Eisa Pavel, Sophie Weber
HV III, Med ien , Kommunikation und Veranstaltungen: Ingolf Kern (Leitung) HV III 2, Marketing, Protokoll und Veranstaltu n gen: Frank Eberle (Leitung), Helga Belsky, Heike Böhme
Restaurierung der Leihgaben in Usbekistan
Für das Museum für Vor- u nd Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin herausgegeben von Manfred Naw roth und Matthias Wemhojf
Redaktion: Ewa Dutkiewicz Bildredaktion: Katja Vo llert Wissenschaftliche Redaktion der russischsprachigen Texte: Djangar Ilyasov Grafisches Kartenlayout und Bildbearbeitung: Daniela Greinert, Alexander Polkehn
Übersetzung aus dem Russischen: Christine Pöhlmann
Publikationsmanagement für die Museen: Sigrid Wollmeiner (Leitung), Marika Mäder
Lektorat: Charlotte Böttjer, Simon Wagner Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. © 2023 Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, die Autorinnen und Autoren und Kulturverlag Kadmos www.smb.museum www.kulturverlag-kadmos.de
Anne Courcelle, Renate Frölich , Sandrine Gaymay, Charlotte Jimenez, Susanne Krebstakies, Anne Liegey, Veronique Picur, Violaine Pil/ard, Alice Wallon.
Alle Rechtevorbehalten. Das Werk einschließlich a ller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere fü r Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Ausstellungsgestaltung, Szenografie und Medienkonzeption
Verlag: Kulturverlag Kadmos. Wolfram Burckhardt, Waldenserstr. 2- 4, 10551 Berlin
An den Restaurierungsarbeiten der Objekte in Usbekistan waren folgende Personen beteiligt: Lucie Antoine, Natalie Bruhiere,
harry vetter team (Berlin/Stuttgart): Harry Vetter, David Winkelmann
Satz und Layout: readymade, Berlin
Ausstellungsgrafik: Martina Bolz
Umschlaggestaltung: polyform planen und gestalten Götzelmann Middel GbR
Ausbau, Vitrinen, Licht Tomkin GmbH: Armin Schoenau
Grafikproduktion: Rost GmbH Medien-Hardware: Geier-Tronic GmbH
Druck: auf FSC-Papier von !TC Print ISBN: 978-3-86599-545-2 Printed in EU
Eine Ausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin
In Zusammenarbeit mit: Uzbekistan Art and Culture Development F'oundation
Gefördert durch: Die Beauftragte der Bundesregierung für Ku ltur und Medien
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Das Kuratorium Preu~ischer Kulturbesitz
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Grußwort (Hermann Parzinger)
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Grußwort (Saida Mirziyoyeva)
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Grußwort (Gayane Umerova)
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Vorwort (Matthias Wemhoff)
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Usbekistan - Eine Einführung in Landschaftsraum, Archäologie und Ausstellung Manfred Nawroth und Matthias Wemhoff
Alexander der Große - von Griechenland nach Zentralasien 26
Alexander der Große - Eroberungskrieg und das Streben nach Weltherrschaft Hans-Ulrich Wiemer
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Auf nach Asien! Alexander in Troja Benjamin Wehry
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Alexander der Große in Babylon Elisabeth Katzy
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Baktrien in der Achaimenidenzeit Anatoliy Sagdullaev
Griechische Festungsanlagen und das Graeco-Baktrische Reich 70
Alexander der Große in Asien: Die Festung von Kurganzol Leonid Sverchkov und Nikolaus Borojfka
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Die hellenistische Festung Uzundara Nigora Dvurechenskaya
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Münzfunde aus der Festung Uzundara Alexei Gorin
92
Kampyrtepa in hellenistischer Zeit Djangar Ilyasov
Sogdien und Choresmien in der Antike
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Im Herzen Usbekistans. Sogdien vom
2.
Jahrtausend v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr.
Frantz Grenet und Claude Rapin
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Spuren reiternomadischer Kulturen In Usbekistan Djangar Ilyasov
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Choresmien - Land der Paläste, Kultanlagen und des Zoroastrismus Vadim Yagodin und Sergei Bolelov
143
Die befestigte Siedlung Kazakly-Yatkan Kala (Akchakhan-kala) im 4./3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. Vadim Yagodin
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Das Bildprogramm aus der Befestigung von Akchakhan-kala (Choresmien) Fiona Kidd
Das Reich der Kuschan - Klöster, Städte, Palastbauten
159 164
Die Yuezhi. Ein langer Weg aus China nach Baktrien Anton Gass Buddhistische Kunst und Architektur in Nordbaktrien Shakirjan Pidaev und Tigran Mkrtytchev
182
Termiz - eine Stadt am Schnittpunkt von Altern Orient und Westen Shakirjan Pidaev
201
Die buddhistischen Anlagen Karatepa und Fayaztepa in Alt-Termiz Shakirjan Pidaev und Tigran Mkrtytchev
211
Kampyrtepa zur Zeit der Kuschan Djangar Ilyasov und Sergei Bolelov
221
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Dalverzintepa - Stadtentwicklung und Bebauung Djangar Ilyasov und Tigran Mkrtychev
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Meisterwerke buddhistischer Kunst in Dalverzintepa Tigran Mkrtychev und Djangar Ilyasov
236
Der Goldschatz von Dalverzintepa Djangar Ilyasov und Tigran Mkrtychev
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Der Palast in Chaltschajan Shakirjan Pidaev und Otabek Aripdjanov
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Katalog der ausgestellten Objekte
Anhang
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Literatur Autorenverzeichnis Bildnachweise
GRUSSWORT Hermann Parzinger
Der Mensch möge sich Mühe geben, dieses Gebiet zu bewässern, alle Kulturen werden dort mit Ausnahme des Olivenbaums im Überfluss gedeihen.
Was der antike Geograph Strabon um die Zeitenwende über das ferne Land Baktrien berichtete, bewahrheitete sich in den folgenden Jahrhunderten nicht nur im wörtlichen Sinne. Die Fruchtbarkeit der Region Surchandarja im Süden von Usbekistan beeindruckt noch heute jeden Besucher, nirgendwo gibt es prächtigere Granatäpfel. Vor diesem Hintergrund blühte nicht nur die Natur, sondern auch die Kultur auf. Seit über 50 Jahren finden nahezu jedes Jahr archäologische Forschungen statt, einige der Objekte dieser Ausstellung sind erst vor kurzer Zeit entdeckt worden. Sie haben kulturelle Zeugnisse ans Licht gebracht, die uns ob der künstlerischen Qualität Staunen lassen. Gleichzeitig zeugen sie von einem intensiven Austausch zwischen Nord und Süd und Ost und West. Griechische Kunst und Lebensweise kommt mit dem Heer Alexander des Großen in diese Region, die von persischen und lokalen Traditionen geprägt ist. Später folgen aus dem westlichen China stammende Nomadenstämme, die schließlich das Reich der Kuschan gründen, das Teile Zentralasiens umfasst und bis an die Peripherie des Indischen Subkontinents reicht. Die aufblühenden Städte der Kuschan sind von einer eindrucksvollen kulturellen und religiösen Vielfalt geprägt und verbinden die Zeit des Hellenismus mit dem Frühmittelalter. Der Blick in die bei uns weitgehend unbekannte Geschichte dieses zentralasiatischen Kernbereiches ist auch für uns heute von Bedeutung. Usbekistan knüpft mit seiner Entwicklung an die Vielfalt dieser Traditionen an. Wer heute Taschkent und andere Teile dieses Landes bereist, spürt geradezu den Aufbruch und die dynamische Entwicklung.
Diese Ausstellung zeugt davon. Usbekistan hat uns seine besten Objekte auf Zeit anvertraut. Das Ausstellungsteam des Museums für Vor- und Frühgeschichte hat einen stimmigen Erzählstrang entwickelt, die kluge konzeptionelle Beschränkung auf die Zeit von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan und die gelungene Fokussierung auf den Süden des Landes ermöglicht ein Verständnis der kulturellen Entwicklung über einen langen Zeitraum von fast 800 Jahren. Ein solches Projekt braucht staatliche Unterstützung. Ich danke dem Präsidenten der Republik Usbekistan, S. E. Herrn Shavkat Mirziyoyev, denn im Rahmen des Besuches von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Usbekistan im Mai 2019 wurde die Durchführung dieser Ausstellung vereinbart. Es ist mir eine große Freude und Ehre, dass Präsident Mirziyoyev und Bundespräsident Steinmeier die Ausstellung am 3. Mai auch gemeinsam eröffnen werden. Besser kann man die große Bedeutung, die dem kulturellen Austausch beider Länder zukommt, nicht zum Ausdruck bringen. Dank der stetigen Unterstützung von Ministerpräsident Abdula Aripov ist die Umsetzung des großen Vorhabens erst möglich gewesen. Mein Dank gilt Kulturstaatsministerin Claudia Roth für ihre Förderung dieses Vorhabens und ebenso dem Kuratorium Preußischer Kulturbesitz und allen weiteren Sponsoren und Spendern. Ohne Sie wäre die Ausstellung in dieser Form nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt auch der Art and Culture Development Foundation, die uns über all die Jahre stets ein verlässlicher Partner war. Es zeichnet internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit heute aus, wenn solche Vorhaben auch inhalt-
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lieh gemeinsam entwickelt und verantwortet werden. Die vielen Beiträge usbekischer sowie internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Katalog ermöglichten erst diesen Wissenstransfer nach Deutschland. Mit dieser Ausstellung hat das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin nur vier Monate nach dem Ende der Ausstellung »Schliemanns Welten« erneut einen Ausstellungshöhepunkt im Programm der Stiftung Preußischer Kulturbesitz geschaffen. Mehrere Sammlungen aus dem Verbund der Stiftung ha-
ben dazu mit Leihgaben beigetragen. Dies unterstreicht einmal mehr das Potential, das sich daraus gerade hier in Berlin im Hinblick auf Kulturen an den Schnittstellen gängiger wissenschaftlicher Ordnungssysteme von Sammlungen ergibt. Ich bin mir sicher, dass Sie bei der Lektüre des Kataloges und beim Besuch der Ausstellung neue Einblicke in die Geschichte Zentralasiens erhalten und von der Faszination Usbekistans, das noch mehr als die Stätten der Seidenstraße anzubieten hat, angesteckt werden.
Hermann Parzinger Präsident Stiftung Preußischer Kulturbesitz
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GRUSSWORT Saida Mirziyoyeva
Die Art und Weise, wie wir unsere Vergangenheit sehen, führt zu der Art und Weise, wie wir unsere Gegenwart verstehen. Heute ist Usbekistan ein moderner und zukunftsorientierter Staat, dessen Geschichte in alten Zivilisationen verwurzelt ist. Einige unserer Städte gehören zu den ältesten der Welt. Unser einzigartiges kulturelles Erbe ist ein Zeugnis jahrhundertelanger Transformation, da wir an einem Ort leben, an dem sich viele Wege und Kulturen gekreuzt haben und seit Jahrtausenden lebendige Gemeinschaften, vielfältige Traditionen, blühende Wissenschaft und Kunst geschaffen haben. Wir erfahren, wie alte Zivilisationen miteinander interagierten, Waren und Wissen austauschten, wie sie kämpften, aufblühten und zusammenbrachen - und dabei die Welt formten, in der wir heute leben. Die Ausstellung »Archäologische Schätze aus Usbe• kistan: Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan« ist das Ergebnis einer intensiven und effizienten Zusammenarbeit zwischen Fachleuten aus Usbekistan und Deutschland. Indem wir seltene Stücke aus unseren Museumssammlungen in das Neue Museum und die James-Simon-Galerie bringen, können wir einen Teil der reichen Geschichte Usbekistans mit einem breiteren Publikum teilen.
Die Ausstellung befasst sich mit den Nuancen der Eroberungen Alexanders des Großen und den kulturellen Errungenschaften des Greaco-Baktrischen Königreichs, der antiken Nomadenvölker und des Reichs der Kuschan, die im Gebiet des heutigen Usbekistan lebten. Durch die Präsentation von Artefakten aus unseren Sammlungen ermöglichen wir den Besuchern einen unmittelbaren Zugang zu den wunderbaren Objekten, die einen Einblick in diese faszinierenden Zivilisationen bieten, und präsentieren historische Schätze in ihrer erhaltenen Pracht. Unser Ziel ist es, die Verflechtungen, die Vielfalt, die Dynamik und die Fluidität unserer nationalen Geschichte aufzuzeigen. Ein solcher kultureller Austausch fördert die gegenseitige Achtung und das Verständnis zwischen unseren Gesellschaften und schafft neue Möglichkeiten für Zusammenarbeit und Partnerschaften, die zu beiderseitigem Wohlstand führen. Wir sind stolz darauf, Teil dieser wichtigen Bemühungen zu sein, und hoffen, dass sie auch weiterhin Menschen zusammenbringen und künftige Generationen dazu inspirieren werden, den Reichtum unseres gemeinsamen kulturellen Erbes zu erkunden und zu schätzen.
Saida Mirziyoyeva
Leiterin des Kommunikations- und Informationspolitikbereichs der Geschäftsleitung der Präsidialverwaltung Usbekistans
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GRUSSWORT Gayane Umerova
Wir laden Sie ein zu einer Reise zu einem antiken Knotenpunkt westlicher und östlicher Zivilisationen, um die großartigen Kulturen kennenzulernen, die einst auf dem Gebiet des heutigen Usbekistan blühten. Dieses alte Land war Zeuge der Feldzüge Alexanders des Großen und des Aufstiegs und Niedergangs glorreicher Staaten wie des Graeco-Baktischen Königreichs und des Reichs der Kuschan. Die Verschmelzung hellenistischer und lokaler Traditionen führte zu einzigartigen Kunstwerken und Artefakten, die heute in den Museen Usbekistans aufbewahrt werden. Die Art and Culture Development Foundation der Republik Usbekistan ist stolz darauf, einen Beitrag zur Ausstellung »Archäologische Schätze Usbekistans. Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan« zu leisten. Wir heißen das europäische Publikum und Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt im Neuen Museum und in der James-Simon-Galerie willkommen, wo sie unser reiches Erbe und die faszinierenden Geschichten von Eroberungen, globalem Handel, Ideenaustausch, synkretistischem Glauben und dem Alltagsleben dieser alten Gesellschaften kennenlernen können. Wir haben fast dreihundert Objekte aus unseren Museumssammlungen - von denen viele unser Land noch nie verlassen haben - nach Berlin gebracht. In Kombination mit Artefakten aus deutschen Museen bieten sie einen einzigartigen Einblick in unsere glorreiche antike Vergangenheit und tragen dazu bei, das Bewusstsein für diese weniger bekannten Zivilisationen Zentralasiens zu schärfen.
Die Ausstellung verbindet kunstvoll die Geschichte Alexanders des Großen und seiner militärischen Eroberungen im Osten mit den Erzählungen über die Geschichte Sogdiens und Baktriens. Modernste digitale Displays und in Usbekistan gedrehte Filme helfen Ihnen, in die Vergangenheit einzutauchen und die faszinierende Welt der vergessenen Zitadellen und prächtigen Tempel zu entdecken. Feiern Sie mit uns die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Museumsspezialisten, die ihr Leben der archäologischen Forschung und Erhaltung gewidmet haben. Ihrer unermüdlichen und akribischen Arbeit ist es zu verdanken, dass wir heute wissen, wie diese alten Gesellschaften aussahen. Wir danken unseren Partnern und Unterstützern sowohl in Usbekistan als auch in Deutschland von ganzem Herzen für ihren Enthusiasmus, ihre Professionalität und ihre Leidenschaft. Wir freuen uns über die Zusammenarbeit mit dem Museum für Vor- und Frühgeschichte - Staatliche Museen zu Berlin und dem Kuratorium Preußischer Kulturbesitz. Unser herzlicher Dank gilt dem Kurator Manfred Nawroth und den Teams des Neuen Museums und der James-Simon-Galerie. Wir freuen uns auf Ihren Besuch in Berlin und hoffen, dass diese Ausstellung ein Zeugnis für die Bedeutung eines kontinuierlichen kulturellen Austauschs und des freien Flusses von Ideen sein wird!
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Gayane Umerova
Geschäftsführerin Art and Culture Development Foundation unter dem Ministerkabinett der Republik Usbekistan
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VORWORT Matthias Wemhoff
Als sich für uns 2019 erstmals die Türen des archäologischen Kabinetts in dem Gebäude des Instituts der Bildenden Künste der Akademie der Wissenschaften in Taschkent unweit des Präsidentenpalastes öffneten, tat sich eine fremde, staunenswerte Welt auf. Reiterkrieger mit gespannten Bögen, der Kopf eines menschliche Maße überragenden Buddhas, übergroße, mit Blüten geschmückte Füße und im Zentrum der Prinz von Kuschan. Wir standen inmitten der eindrucksvollsten Objekte der kulturellen Überlieferung der vorislamischen Epochen in Usbekistan. Viele dieser Funde waren bis dahin noch nicht außerhalb Usbekistans gezeigt worden. Kaum jemand in Westeuropa besitzt eine Vorstellung von den Entwicklungen, die zeitgleich mit der Blütezeit des Römischen Reiches im Süden Usbekistans ihren Anfang nahmen. Eine Ausstellung dieser archäologischen Schätze in Berlin sollte, so der sofort gefasste Plan, diesen Zustand ändern. Damals begann die jahrelange, so zielorientierte, hilfreiche und stets freundschaftlich verbundene Zusammenarbeit mit der Art and Culture Development Foundation unter der Leitung von Gayane Umerova. Mit solchen Partnern lassen sich auch große Herausforderungen bewältigen. Und davon gab es einige. Am Anfang nahm das Projekt mit großer Geschwindigkeit Fahrt auf. Eine erste Reise zu bekannten und zu abgelegenen archäologischen Stätten ermöglichte es, schon bald eine erste Auswahl der für die Ausstellung relevanten Orte und Funde zu treffen. Im Rahmen des Besuchs von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Mai 2019 wurde in den Gesprächen des Bundespräsidenten mit dem usbekischen Staatspräsidenten Shavkat Mirziyoyev auch die Durchführung der Ausstellung besprochen. Für 202o' vereinbarten wir damals die Realisierung von Filmaufnahmen und die weitere Exponatauswahl. Doch die Pandemie stoppte zunächst auch dieses Vorhaben. Im Herbst 2022 konnte dann endlich die Umsetzung starten. Dank der Wichtigkeit des Projektes war es sogar möglich,
an allen Fundplätzen, auch unmittelbar am Amudarja bei Termiz, zu drehen und sogar besondere Drohnenaufnahmen von den Fundstätten zu machen. So können die Besucherinnen und Besucher mit den Videoprojektionen in der Ausstellung einen besonderen Eindruck direkt vom Land und den Fundstellen bekommen. Eine besondere Rolle spielte auch die enge Abstimmung mit dem Louvre in Paris, wo die Ausstellung »Splendeurs des Oasis d'Ouzbekistan« bis März 2023 mit einem chronologischen Rahmen bis weit in das islamisch geprägte Mittelalter gezeigt wurde. Die Berliner Ausstellung konzentriert sich auf die Zeit von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan, also auf die Jahrhunderte um Christi Geburt. Dank dieser Zusammenarbeit war es auch möglich, dass die notwendigen restauratorischen Maßnahmen an den teilweise fragilen Objekten durchgeführt werden konnten. Eine erste Ausstellung unter dem Titel »Usbekistan Erben der Seidenstraße« konnte bereits 1995 mit nachhaltiger Förderung der Daimler-Benz AG im Linden-Museum Stuttgart präsentiert werden. Der Schwerpunkt lag auf der Entwicklung der Chanate von Buchara, Chiwa und Kokand. Eine Präsentation archäologischer Funde war 2009 vorgesehen. Es gab den Plan, Objekte der Kuschanzeit aus Usbekistan in der von den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und dem Deutschen Archäologischen Institut organisierten Ausstellung »Alexander der Große und die Öffnung der Welt. Asiens Kulturen im Wandel« zu präsentieren. Eine Ausleihe kam damals allerdings nicht zustande. So lag der Schwerpunkt für diese Periode auf Objekten aus dem angrenzenden Tadschikistan sowie aus europäischen Sammlungen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns ganz auf die Kooperation mit Usbekistan konzentriert. Das macht die Einzigartigkeit unserer Ausstellung aus. Die wissenschaftlichen Vorarbeiten der Mannheimer Ausstellung, so bei der Visualisierung des
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Palastes von Chaltschajan, standen uns Verfügung, wofür den Mannheimer Museen und dem Deutschen Archäologischen Institut danken. Trotzdem wäre sie ohne die große Unterstützung aus weiteren Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin nicht möglich gewesen. Die Leihgaben aus der Antikensammlung, dem Münzkabinett, dem Museum für Asiatische Kunst, dem Vorderasiatischen Museum und der Gipsformerei sind insbesondere in den Ausstellungsbereichen zu Alexander dem Großen und zur Verknüpfung der buddhistischen Funde aus Usbekistan mit dem Kunstschaffen in Gandhara von großer Bedeutung. Bei der 2019 vom Museum für Vor- und Frühgeschichte organisierten Tagung »RE-SEARCH - Archäologie in Zentralasien und im Südkaukasus« haben zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus vielen Ländern mitgewirkt und wertvolle Impulse für die Ausstellung gegeben. Ihnen und allen in den Folgejahren beteiligten Kolleginnen und Kollegen danke ich herzlich für ihre Unterstützung. Doch stützt sich sie Ausstellung wesentlich auf die Arbeiten der usbekischen Archäologie. Wir sind den Kolleginnen und Kollegen des Kunstwissenschaftlichen Instituts für die Bereitstellung ihres Wissens sehr dankbar. Sie haben uns die Orte der Ausgrabungen gezeigt und erläutert, waren an der Objektauswahl beteiligt und haben einen Großteil der Katalogbeiträge verfasst. Djangar Ilyasov kuratierte die Ausstellungskonzeption von usbekischer Seite und koordinierte die Katalogbeiträge aus Usbekistan. Ihnen und allen leihgebenden Museen und Instituten in Usbekistan sei hier für ihre außerordentliche Großzügigkeit und ihren großen Einsatz im Rahmen dieses Projektes gedankt. Bei der Vielzahl und Qualität der Objekte wird schnell deutlich, dass eine so hochkarätige Ausstellung auch eine enorme finanzielle Kraftanstrengung bedeutet, die die Staatlichen Museen zu Berlin und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz alleine nicht stemmen können. Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien hat durch eine weitere Zuwendung einen wichtigen Beitrag geleistet. Ein großer Dank gilt den usbekischen Partnern für die Übernahme zahlreicher auch vor Ort entstandener Kosten. Ohne weitere Unterstützung durch Spender und Sponsoren wäre die Ausstellung aber trotzdem nicht möglich gewesen. Ich danke dem Kuratorium Preußischer
Kulturbesitz für seine erneut so großzügige Förderung. Das Kuratorium ist für uns ein wichtiger und verlässlicher Partner. Mein besonderer, persönlicher Dank gilt Klaus Mangold. Er war von Anfang an von dem Projekt begeistert und inhaltlich fasziniert und hat es in allen Phasen intensiv in vielfacher Hinsicht unterstützt. Als geschätzter Gesprächspartner in Deutschland und Usbekistan sind bei ihm sprichwörtlich viele Fäden zusammengelaufen. Mein Dank gilt unserem Sponsor Siemens Energy sowie den Spendern Klaus Mangold und Gebr. Knauf KG. Die Ernst von Siemens Kunststiftung hat die Erstellung dieses Kataloges großzügig gefördert. Die Gestalter Harry Vetter Team haben das Vorhaben in kurzer Zeit in bewährter Weise realisiert und den Objekten eine große Bühne bereitet, der Regisseur Andreas Sawall hat mit dem Kameramann Hans Jakobi Usbekistan per Film zu uns nach Berlin gebracht. Vom ersten Tag lag die Federführung für dieses große Projekt kuratorisch und organisatorisch in den Händen von Manfred Nawroth. Er hat einerseits einen langen Atem bewiesen, andererseits die schwierige Umsetzung im letzten halben Jahr auch unter hohem Zeitdruck und hoher Belastung realisiert. Ohne das Ausstellungsteam des Museums für Vor- und Frühgeschichte um Anton Gass und Benjamin Wehry, ohne den wie immer engagierten und erfahrenen Einsatz des Teams des Museums für Vor- und Frühgeschichte, von dem ich besonders Restaurierung, Grafik und Bildarchiv erwähnen möchte, und ohne die leidenschaftliche Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen bei den Staatlichen Museen und der Hauptverwaltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz könnten die »Archäologischen Schätze aus Usbekistan« heute nicht gezeigt werden. Ein großer Dank gilt dem Redaktionsteam des Kadmos Verlages um Wolfram Burckhardt und Ewa Dutkiewicz vom Museumsteam für die auch bei großer Belastung so kompetente Zusammenarbeit. Ein Beitrag im Katalog schlägt eine besondere Brücke, die für uns wenige Monate nach der Ausstellung »Schliemanns Welten« von Berlin über Troja in den Süden Usbekistans führt. Als Alexander seinen Feldzug begann, opferte er in Troja und tauschte im Tempel der Athena seine Waffen. Dies sollte ihm Erfolg bringen.
Matthias Wemhoff Direktor Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin
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USBEKISTAN - EINE EINFÜHRUNG IN
LANDSCHAFTSRAUM,ARCHÄOLOGIEUND AUSSTELLUNG Manfred Nawroth und Matthias Wemhoff
Taschkent, die moderne Metropole und Hauptstadt Usbekistans, ist etwas mehr als sechs Flugstunden von Frankfurt am Main, und damit ähnlich weit wie von Peking, entfernt. Vielen Mittel- und Westeuropäern sind entferntere Regionen wie Thailand oder Bali viel vertrauter als Usbekistan. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig: Zum einen ist Usbekistan ein Binnenland ohne Meer und Küsten, zum anderen ist es ein noch junger Staat, der erst 1991 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion erlangte und zuvor über Jahrzehnte für westliche Reisende nahezu unzugänglich war. Dabei ging schon im 18. und 19. Jahrhundert von den alten, an der Seidenstraße gelegenen Städten eine Faszination und ein Mythos aus, die die Vorstellungen vom Orient und den Märchen aus 1.001 Nacht aufleben ließen. Nicht zuletzt Johann Wolfgang von Goethe, der selbst nie bis Zentralasien gelangte, besang in seinem »Wesr-östlichen Divan« die Städte Samarkand und Buchara und machte sie so mit seinen Versen zu Sehnsuchtsorten vieler Deutscher in Vergangenheit und Gegenwart: »Getrocknet honigsüße Früchte Von Bochara, dem Sonnenland Und tausend liebliche Gedichte Auf Seidenblatt von Samarkand«
La ndschaftsraum und Archäologie Usbekistan ist einer von fünf zentralasiatischen Staaten, die nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Unabhängigkeit erreichten. Es grenzt im Norden und Westen an Kasachstan, im Osten an Kirgisistan und Tadschikistan und im Süden an Afghanistan und Turkmenistan (Abb. 1) . Bis in den Osten und Südosten des Landes reichen Ausläufer der mächtigen Gebirgszüge des Pamir und des Tianshan. Dort liegt mit einer Höhe um die 4.300 m auch der höchste
Berg Usbekistans. Umschlossen von Bergen liegen die fruchtbaren Regionen des Ferghanatals und der Taschkent-Oase im Osten und Surchundarja im Südosten. Mit fast 75 Prozent der Fläche ist der größte Teil des Landes aber von den Wüstenlandschaften der Kyzylkum und Karakum geprägt, auch wenn es sich bei beiden um keine reinen Sandwüsten handelt, sondern dort auch Pflanzen wachsen. Hier kann im Sommer das Thermometer leicht über 40 Grad, an besonders heißen Tagen auch über 50 Grad klettern. In diesen lebensfeindlichen Räumen spenden die großen Flüsse Syrdarja im Norden (in der Antike Jaxartes) und Amudarja im Süden (in der Antike Oxos) sowie der Serafschan im Zentrum des Landes viel Wasser für die fruchtbaren Oasen. In diesen entstanden seit dem Mittelalter prachtvolle Städte, die Goethe mit seinen Versen verewigte. Das vor über 2.700 Jahren begründete Samarkand wurde im 14. und 15. Jahrhundert von den Herrschern Timur und Ulugbek mit prachtvollen Bauten ausgestattet. Sinnbildlich stehen die drei großen Medresen am Registan für die Schönheit der orientalischen Architektur. Das Ensemble fand zu Recht Aufnahme in die Liste des UNESCO-Welterbes. Eine weitere Perle ist die in einer Oasenlandschaft gelegene Stadt Buchara mit eindrucksvollen Bauten des 15. bis 18. Jahrhunderts (Abb. 2) sowie weiter westlich in den Oasen Choresmiens die Stadt Chiwa, deren historisches Stadtbild vor allem seit dem späten 18. Jahrhundert entstand (Abb. 3) . Ohne das Wasser der großen Flüsse und künstlich geschaffener Verbindungskanäle hätten sich die Orte nicht zu solch eindrucksvollen Zentren für Handel, Kultur und Wissenschaft entwickeln können. Die Besiedlungsspuren auf dem Gebiet des heutigen Usbekistans reichen allerdings viel weiter zurück. Die ältesten Spuren menschlichen Lebens datieren in die Altsteinzeit. Die Neolithisierung setzt Ende des 7. Jahrtausends v. Chr. ein. Erste stadtähnliche Siedlungen sind seit
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• Tschu;
TURKMENISTAN
Abb. 1: Geographische Lage Usbekistans (rote Kreise: Orte der Leihgeber; blaue Sterne: Fundorte in der Ausstellung).
dem 4. Jahrtausend v. Chr. im Tal des Serafschan bekannt. Das archäologische Fundmaterial lässt schon zu dieser Zeit weitreichende Handelsverbindungen bis nach Mesopotamien und Indien erkennen. In der Bronzezeit erblühte von der Mitte des 3. bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. in den Oasen die Oxus-Zivilisation, auch Baktro-Margianischer archäologischer Komplex genannt, die mit ihren großen Stadtanlagen ein hohes Entwicklungsstadium in Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Verwaltung erreichte. Um die Mitte des 2. Jahrtausends fand diese Kultur, und mit ihr auch die städtischen Zentren, ein plötzliches Ende. Es dauerte bis an den Beginn des 1. Jahrtausend v. Chr., bis sich in den Gebieten Baktriens, Sogdiens und Choresmiens wieder eine städtische Kultur entwickelte. Der persische Großkönig Kyros 1. gliederte nach 539 v. Chr. Teile dieser Regionen in das Reich der Achaimeniden ein und schaffte neue, Satrapien genannte, Verwaltungsgebiete. Die Herrschaft der Perser bestand dort so lange, bis Alexander seinen Feldzug auch bis Baktrien und Sogdien fortsetzte und für neue Machtverhältnisse sorgte. Mit diesem Zeitpunkt beginnen wir die Ausstellung in Berlin.
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Erste Annäherung an d;e Ausstellung Dort, wo einst Alexander mit seinem Heer stand, befinden wir uns nun, um die Ausstellung vorzubereiten. Von den Lehmhügeln reicht der Blick weit über den breiten Amudarja. Still fließt er dahin, große fruchtbare Inseln in seiner Mitte bergend. Auf der anderen Seite des Flusses tauchen kleine Dörfer aus dem Dunst auf, sichtbar, aber unerreichbar. Hier, unweit von Termiz, ganz im Süden Usbekistans, stoßen auch heute Welten aufeinander. Die andere Flussseite gehört zu Afghanistan, spätestens seit der Rückkehr der Taliban im August 2021 ein nahezu unerreichbarer Ort. Doch auch schon in der Antike weckte der Flussname Oxos Assoziationen an das Ende der Welt. Hier, auf halbem Wege zwischen Rom und Peking, hörte schon damals für viele Beobachter und Chronisten aus dem Westen die vertraute Welt auf. Das gewaltige persische Achaimenidenreich übertraf in seiner Größe und Vielfalt vertraute Dimensionen und überforderte die Vorstellungskraft. Was aus europäischer Perspektive »dahinter« noch folgte, lag im Dunkel mythischer Erzählungen.
Abb. 2: Blick auf Buchara im Abendlicht.
Abb. 3: Mit
Holzsäulen ausgeschmückter Innenhof eines Palastes des 19. Jahrhunderts in Chiwa.
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Abb. 4:
Torbogen in Samarkand.
Auch heute fordert der Blick in die Mitte von Zentralasien dazu auf, unsere Perspektive zu verändern. Erst dann wird es möglich, die Vielfalt von Einflüssen zu ermessen, die, ebenso von Nord und Süd wie von Ost und West kommend, ihre Wirkung gezeigt und besondere kulturelle Entwicklungen ermöglicht haben. Vor nunmehr fünfJahren stand Zentralasien das erste Mal im Fokus unseres Ausstellungsprogramms. Mit der Ausstellung »Margiana - Ein Königreich der Bronzezeit in Turkmenistan« ging, ausgehend von der Grabungsstätte Gonur Depe unweit von Merw, der Blick weit zurück. Im 3. Jahrtausend erblühte hier eine einzigartige Kultur, die ebenfalls auf beiden Seiten des Oxos ihre Spuren
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hinterlassen hatte. Damals schon wurde auf faszinierende Weise deutlich, welche Handelsbeziehungen in alle Himmelsrichtungen bestanden und wie sehr diese Region vom Austausch geprägt gewesen ist. Gewaltige Bergketten und große Wüstengebiete stellten keine unüberwindbaren Hindernisse dar. Die Neugier auf diese Region war geweckt und umso erfreuter nahmen wir die Einladung zu Gesprächen über eine Ausstellungskooperation mit Usbekistan an, die bereits 2019 zu den ersten Reisen durch das Land führte. Jeder Besucher des Landes wird von der Faszination der Stätten an der Seidenstraße erfasst; Samarkand, Buchara und Chiwa ziehen jeden Besucher in ihren Bann [Abb. 4) . Das Blau der Fliesen, das am Ende des 14. Jahrhunderts unter Timur durch eine spezielle Rezeptur seine bis heute strahlende, dunkelblaue Tiefe erhielt, strahlt im Sonnenlicht, die schattigen Höfe lassen bei der flimmernden Hitze die Wirkung dieser Stätten auf die in Karawanen reisenden Händler noch heute erahnen. Das schon damals sicher vorhandene Sprachgewirr ist wieder in den Gassen zu vernehmen. Usbekistan zieht Reisende aus allen Himmelsrichtungen an, Westeuropäer bleiben keineswegs unter sich. Den größten Eindruck hat 2019 aber der unbekannte Süden Usbekistans auf uns gemacht. Die Ausgrabungen rund um Termiz und die einzigartigen Funde, die in verschiedenen Museen und in der Akademie der Wissenschaften in Taschkent aufbewahrt werden, gaben einen ersten Einblick in das »unbekannte « Usbekistan, in eine vorislamische Periode, die nahezu in Vergessenheit geraten ist. In Deutschland konnte kaum jemand mit unseren Reiseberichten etwas anfangen. Der Süden Usbekistans stellte sich als »terra incognita« heraus. Was sich dort in den Jahrhunderten um Christi Geburt ereignete, hatte es nicht in das Geschichtsbewusstsein geschafft, sondern ist Expertenwissen geblieben. Dies soll mit dieser Ausstellung geändert werden. Die Ereignisse in dieser Region sind heute von Bedeutung. Sie zeigen auf, welche große Wirkung kulturelle Kontakte und Verbindungen entfalten können.
Konzeption der Ausstellung In das europäische Blickfeld gelangte Zentralasien, und damit auch die Gebiete des heutigen Usbekistans, erstmals mit dem Eroberungszug Alexanders des Großen. Da dieser nicht nur für die kulturelle Wahrnehmung,
sondern auch für die Geschichte der Region ausgesprochen folgenreich ist, beginnt die Ausstellung im Neuen Museum mit dem Alexanderzug und der Eroberung des Perserreiches durch das Heer des Makedonen. Die Strukturen des Perserreiches unter den Achaimeniden sind die Ausgangsbasis der folgenden Entwicklung. Nur wenn die Organisation und Vielfalt dieses Großreiches bewusst ist, ist die nachfolgende Entwicklung zu begreifen. Innerhalb dieses multiethnischen Imperiums lagen die Provinzen oder Satrapien Baktrien und Sogdien keineswegs am äußersten Rand. Der Hindukusch war damals keine unüberwindbare Barriere, sondern ein Verbindungsraum bis an den Indus. Die dortige Satrapie Gandhara gehörte ebenfalls lange zum Achaimenidenreich, befand sich zu dieser Zeit aber gerade in einer Phase der Abspaltung und war von inneren Konflikten geprägt. Mit der reichen Sammlung des Vorderasiatischen Museums und dort insbesondere mit der Prozessionsstraße und dem Ischtar-Tor bietet die Museumsinsel herausragende Möglichkeiten der Annäherung an die Kultur und Kunst in Mesopotamien. Unsere Ausstellung verweist mit einigen Objekten auf diese Bestände. Die Annäherung an die Person Alexanders und seine Begegnung mit Persien werden durch besondere Objekte aus der Antikensammlung und dem Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin möglich. Der Schwerpunkt dieser Abteilung liegt auf den archäologischen Funden, die die Anwesenheit makedonischer und griechischer Truppen im Süden des heutigen Usbekistans belegen. Dafür gibt es spannende Befunde. Alexander war in Baktrien und Sogdien auf heftigen Widerstand gestoßen, der sich über zwei Jahre lang hinzog. Um das neue Bündnis mit den dortigen Fürsten zu bekräftigen, nahm Alexander die baktrische Prinzessin Roxane zur Frau. In der Folgezeit musste das Territorium durch Festungsanlagen gesichert werden. Vor 20 Jahren konnte eine dieser Festungsanlagen lokalisiert werden: Kurganzol. Die heute unweit von Boysun gelegene Anlage ist, von der Hochebene kommend, nur schwer zu lokalisieren. Ihre strategische Lage hoch über einem tief eingeschnittenen Seitental des Boysun-Saj ist noch heute zu erahnen. Durch das Tal führte in Verlängerung eine alte Verbindung durch das »Eiserne Tor« bis nach Samarkand. Wer die fruchtbare Region Surchandarja, die bis zum Amudarja reicht, von Norden kommend erreichen wollte, konnte diese nun über eine durch die Burg gesicherte Verbindung nutzen. Es war offensichtlich
keine überflüssige Maßnahme der griechischen Besatzer. Kurganzol wurde mehrfach angegriffen, von den hölzernen Einbauten blieben nur mächtige Ascheschichten zurück. Doch unter diesen haben die Griechen ihre Spuren hinterlassen. Hier wie an anderen Orten haben sie Wert auf ein gepflegtes Bad gelegt; eine neue Sitte, die bei den Persern nicht üblich war. Die zierliche Badewanne, die an eine direkte Wasserversorgung angeschlossen gewesen ist, hat, neben vielen auf griechische Gefäßformen verweisenden Scherben, ihren Weg nach Berlin gefunden ein eindrückliches Zeichen des tausende Kilometer von der Heimatregion entfernt gepflegten Lebensstils. Auch wenn offensichtlich noch einige der Burgen Alexanders und seiner Nachfolger der Entdeckung harren, steht Kurganzol nicht alleine dar. In 30 km Entfernung konnte die ebenfalls auf der Höhenkette des Boysuntog gelegene Bergfestung Uzundara entdeckt und ab 2013 archäologisch untersucht werden. Sie könnte einige Jahre nach dem Tod Alexanders errichtet worden sein, denn von den zahlreich gefundenen Münzen datiert keine älter als 310 v. Chr. Trotzdem ist der Ort voller griechischer Zeugnisse, auch schon seine Architektur mit vielen vorgelagerten Türmen kennt im persischen Raum keine Vorbilder. Schon der Aufstieg in diese abgelegene Bergregion, und der letzte Halt in einem Bergdorf mit Rastplatz über einem auch im Sommer sprudelnden Fluss, von dem einzigartigen Museum im Baum ganz zu schweigen, ist eine Reise wert. Spätestens hier wurde uns klar, dass wir diese Eindrücke mit den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung teilen müssen. Die Verbindung von Landschaft und archäologischer Fundstätte ist der Schlüssel zum Verständnis des Geschehens, die filmische Annäherung ist daher in der Ausstellung von großer Bedeutung [Abb. 5) . Schon in Uzundara wird deutlich, dass die griechische Prägung langfristig anhielt. Die Festung dort wurde nicht nur unter den Seleukiden, sondern während der gesamten Zeit des folgenden Graeco-Baktrischen Reiches genutzt. Auch in den folgenden Jahrzehnten verlangte die Garnison nach Fischtellern, Bechern, Salzfässchen und speziellen Gefäßformen in griechischer Tradition. Die regionalen Märkte hatten sich darauf offensichtlich schnell eingestellt. Uzundara diente auch der Abwehr von Überfällen reiternomadischer Stämme, die immer wieder aus dem Norden in die Region eindrangen. Letztendlich konnten sie die Entwicklung jedoch nicht aufhalten. Mit ihr wird der Ausstellungsrundgang in der James-Simon-Galerie fortgesetzt.
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Abb. 5: Drohnenaufnahme von Kurganzol.
Die komplexen Verbindungen des Gebietes des heutigen Usbekistans werden in den folgenden Jahrzehnten besonders deutlich. Bisher hatten die Perser und jüngst die Makedonen, also Mächte, die aus dem Westen kamen, starken Einfluss ausgeübt. Nun prägte ein weit östlich gelegenes Geschehen die weitere Entwicklung. Genau solche zusammenhänge machen die Geschichte Zentralasiens so spannend und in gewisser Weise aktuell. Es begann in 2.000 km Entfernung in der Halbwüste und den Oasen des Gansu Korridors, der in der heutigen chinesischen Provinz Gansu liegt. Hier, zwischen dem Hochland von Tibet und dem Plateau der Inneren Mongolei, verlief schon damals der wichtigste Verbindungsweg zwischen China und Zentralasien und später befanden sich hier wichtige Stationen der Seidenstraße. Damals weideten die Nomaden der Yuezhi ihre Herden in dieser Region, ein, wie chinesische Historiker berichten, mächtiges Volk, das allerdings mit seinen Nachbarn, den Xiongnu, in Konflikt geriet. Diese besiegten die Yuezhi 167 v. Chr. und vertrieben sie Richtung Westen. Nach einer kurzen Zwischenphase am Fluss Ili im heutigen Kasachstan gelangten sie schließlich über das Ferghanatal östlich von Taschkent und fanden Siedlungsgebiete am Syrdarja, dem antiken Jaxartes, nördlich von Taschkent. Schon bald nach ihrer Ankunft im Jahr 162 v. Chr. etablierten
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sie sich als neuer regionaler Machtfaktor. Schon ab der Jahrhundertmitte zerbrach das Graeco-Baktrische Reich, die Yuezhi rückten langsam, aber sicher in die frei gewordene Position. Aus den Reiternomaden, die immer noch gute Bogenschützen waren, wurden sesshafte Bauern und Händler. Waren es zunächst fünf Stämme der Yuezhi, die im Gebiet Baktriens herrschten, bildete sich im 1. Jahrhundert n. Chr. das Königreich der Kuschan heraus. Der Name dieses Stammes prägte die folgenden Jahrhunderte. Die »Ouvertüre« im Neuen Museum bleibt auch für diesen zentralen Abschnitt von großer Bedeutung, wird doch hier erst erkennbar, wie folgenreich die Begegnung von hellenistischer Kultur, persischer Tradition und reiternomadischen Impulsen gewesen ist. Die Melodie des Anfangs wird so immer wieder aufgenommen werden. An drei ausgewählten Orten werden zentrale Aspekte des Reiches der Kuschan verdeutlicht: Kloster, Stadt und Palast. Die filmische Präsenz der Stätten führt dabei direkt zum Ort der Entdeckung der spektakulären Funde. Es ist eine der großen Überraschungen, die die Archäologie bereitet, dass viele Kunstwerke dieser Epoche, obwohl sie zum Teil nur aus Lehm geformt sind, mit ihren häufig noch erhaltenen Farbfassungen die Zeiten überdauert haben. Bevor wir uns allerdings ganz diesen Stätten im südlichen Usbekistan zuwenden, geht der Blick noch einmal
in das Zentrum und den Westen des Landes. Der Ausstellungsrundgang in der James-Simon-Galerie beginnt mit den Kulturräumen Sogdien, Choresmien und dem Graeco-Baktrischen Reich. Für Alexander war Samarkand Zentrum und Operationsbasis für seine militärischen Unternehmungen in Sogdien. In den letzten vorchristlichen Jahrhunderten konnte sich hier mit den nomadischen Kangju eine neue Macht etablieren. Eindrucksvoll sind die szenischen Kampf- und Jagddarstellungen auf Knochenplatten aus einem Grabhügel vor Orlat in der näheren Umgebung Samarkands, die Einblick in die Welt der .Kangju geben. Weiter westlich liegt der alte Kulturraum Choresmien. Hier am Oberlauf des Amudarja, der bis vor wenigen Jahrzehnten noch in den Aralsee mündete und heute einfach im Nichts versiegt, entwickelte sich zwischen den Wüsten Karakum und Kyzylkum eine besondere regionale Kultur, die deutlich macht, dass es sich lohnt, auch außerhalb der Machtzentren genauer hinzuschauen. In der Festungsanlage Akchakhan-kala wurde ein reich ausgestalteter Zeremonialbereich freigelegt, der einerseits für zoroastrische Kulthandlungen genutzt wurde, aber andererseits auch dynastischen Zwecken des hier ansässigen Herrscherhauses diente. Neben der wunderbaren Wandmalerei zeigen auch andere Werke die vielfältigen Einflüsse griechischer,
achaimenidischer, parthischer und eigenständiger Steppenkunst auf. Ein geschnitztes Fragment eines Möbels aus Elfenbein belegt die Anbindung an die führenden Handwerkszentren der Zeit. Städte, monumentale Paläste und Kultanlagen stehen auch an vielen anderen Orten eindrucksvoll bis heute sichtbar in der Wüstenlandschaft Choresmiens, darunter auch solche, die mit dem Glauben des Zoroastrismus in Verbindung gebracht werden können. In dieser auf Zarathustra zurückgehenden Religion gab es ein besonderes Totenritual. Die Verstorbenen wurden den Mächten der Natur übergeben, bis die Knochen gereinigt waren. Diese sammelte man anschließend in extra dafür gemachten Behältnissen, den sogenannten Ossuarien. Neben dem Zoroastrismus kam unter den Herrschern der Kuschan mit dem Buddhismus eine neue Religion ins Land. Die eindrucksvollsten buddhistischen Stätten sind direkt am Amudarja im Umfeld des heutigen Termiz entdeckt worden. In der Ausstellung bildet die Präsentation der Funde aus dem Kloster Fayaztepa und dem in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Klosterkomplex Karatepa einen ersten, räumlich gestalteten Höhepunkt. Wer das ausgegrabene und mit Lehmziegelmauern konservierte und rekonstruierte Kloster Fayaztepa betritt, spürt auch mit westeuropäischem Hintergrund sofort, dass er sich an einem von klösterlichem Leben geprägten
Abb . 6: Drohnenaufnahme der Klosteranlage Fayaztepa.
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Ort bewegt (Abb. 6). Hinter dem hoch aufragenden Stupa befindet sich ein großer, ursprünglich von einem Säulengang umgebener Hof, an den zwei weitere Komplexe mit Wohn- und Wirtschaftsräumen angrenzen. Im Hof ist eines der eindrucksvollsten Kunstwerke der Ausstellung geborgen worden: Unter einem von Pfeilern mit Kapitellen im korinthischen Stil getragenen Bogen sitzt der Buddha unter dem den Heiligenschein frei lassenden Boddhistrauch. Er wird von zwei stehenden, kleinen Mönchen begleitet. Ein Werk von perfekter Harmonie und Proportion, das an seinem ursprünglichen Platz umgestürzt liegend gefunden worden ist und die Qualität der künstlerischen Ausstattung, der Bauornamentik und der Skulpturen aus Stein und Lehm sowie der Wandmalerei verdeutlicht. Das benachbarte Kloster Karatepa lässt auch im heutigen, nach der Ausgrabung Wind und Wetter ausgesetztem Zustand noch die ursprüngliche bauliche Gesamtkonzeption und die herausragende Ausgestaltung erkennen. In einem von mehreren Stupas umgebenen Klosterkomplex gruppieren sich einzelne Räume um einen großen, abgeschlossenen Hof, der wiederum von einem Säulengang umgeben wurde. Das Kloster besaß sogar ein Obergeschoss. Unweit dieser Anlage befinden sich die Überreste von Höhlenklöstern, die sich an zwei Seiten um den ausgelöcherten Hang erstrecken. Die Höhle wurde in den Hügel gegraben, ein Pfeiler blieb dabei in der Mitte der Anlage stehen und konnte umschritten werden. Vor der Höhle befand sich ein ummauerter, von weiteren Räumen umgebener Hof. Dadurch entstanden voneinander getrennte Lebensbereiche für jeweils eine kleine Zahl von Mönchen. In der Gesamtheit aller buddhistischen Anlagen ergibt sich ein mächtiger religiöser Komplex in unmittelbarer Nähe des Amudarja und der zu dieser Zeit wachsenden Stadt Termiz. Wer als Buddhist aus Indien nach der Überquerung des Hindukusch hier ankam, wird sich fast wie zu Hause gefühlt haben. Eine Besonderheit lassen auch einige Skulpturen von Buddha und von Bodhisattva, die den Gläubigen auf ihrer Suche nach höchster Erkenntnis beistehen, erkennen. Diese Skulpturen übersteigen das menschliche Maß, sie werden immer größer. Dies könnte ein Hinweis auf das kosmische Sein Buddhas darstellen. Die im 6. Jahrhundert entstandenen und von den Taliban 2001 zerstörten und dadurch weltbekannt gewordenen Buddhas von Bamiyan waren in gewaltiger Größe von 53 bzw. 35 m aus dem Fels geschlagen worden. Der Hang zur Monumentalisierung kannte kaum eine Grenze. In das Hochtal von Bamiyan gelangte der Buddhismus in
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der Zeit der Kuschan und es wird auch vor dem Hintergrund der Zerstörungen in Afghanistan immer deutlicher, wie wichtig die buddhistischen Hinterlassenschaften im heutigen Usbekistan sind. Vom Ufer des Amudarja führt der Weg des Besuchers noch einmal durch das »Land der tausend Städte«. Unter der Herrschaft der Kuschan blühte das Land regelrecht auf. Die Zahl der bekannten Siedlungsstätten vervierfachte sich in den Jahrhunderten um Christi Geburt. Die Klöster Fayaztepa und Karatepa befanden sich im Umfeld der in dieser Zeit stark wachsenden Stadt Termiz, die später von den Mongolen zerstört wurde, sodass ihr unbebautes Areal heute abseits der modernen Stadt gleichen Namens liegt. Eindrucksvoll sind die Steinkapitelle aus Alt-Termiz, in einem Land, in dem sonst als Material Ton und Lehm vorherrschen. Ca. 30 km flussabwärts des Amudarja fällt der Blick an der Abbruchkante eines steil zum fruchtbaren Tal des Amudarja abfallenden Lössplateaus auf eine mächtige Mauer aus Lehmziegeln. Diese Rekonstrp ktion lenkt die Aufmerksamkeit auf einen der spannendsten Fundplätze Usbekistans, auf Kampyrtepa. Der 2022 verstorbene Nestor der usbekischen Archäologie, E. V. Rtveladze, hat bereits vor so Jahren diese Fundstelle entdeckt und ab 1977 bis zu seinem Tod die Ausgrabungen durchgeführt. Hat er das lange gesuchte, von Ptolemaios erwähnte Alexandria Oxiana gefunden? Hat hier Alexander der Große den Oxos überquert? Der sichere Beweis fehlt bis heute. Aber so unwahrscheinlich ist diese These nicht. Vor und nach Kampyrtepa gab es in der unmittelbaren Umgebung Siedlungen, die im Zusammenhang mit einer Flussquerung in diesem Bereich stehen. Noch bis ins 20. Jahrhundert wurde hier übergesetzt. Nur 70 km südlich von hier befand sich die Hauptstadt der Provinz Baktrien, von deren Bedeutung noch heute die eindrucksvollen Stadtmauern zeugen. Der schnellste Weg aus den Norden von Baktrien und aus Sogdien führte hier über den Fluss. Die Anfänge der Siedlung gehen bis in die Zeit der Mexanderzüge zurück. Auch für die Zeit der Seleukiden ist hier eine Besiedlung nachweisbar, die auch hellenistisch geprägte Funde zurückgelassen hat. Ihre Blütezeit erlebte diese Anlage unter den Kuschan in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus. Damals wurde auch die mächtige, 3 m starke und mit vorgelagerten Türmen gesicherte Lehmziegelmauer errichtet. Der dicht bebaute Innenraum diente zur Unterbringung der Besatzung und ihrer Familien. Auch
Abb. 7: Ausgrabungen in Dalverzintepa im September 2022.
Handwerker und einige Händler waren vor Ort. Doch eine richtige Stadt mit Herrscherresidenz und kultischen Zentren ist Kampyrtepa nie geworden. Es blieb bis zur langsamen Aufgabe nach einer Naturkatastrophe eine Festung, die d; n Übergang über den Fluss sicherte. Ganz anders bietet sich die Situation in Dalverzintepa dar, das vor dem Aufstieg von Termiz vielleicht sogar das Zentrum des Reiches der Kuschan war. Wenn man den Hügel der Zitadelle erklommen hat, auf dem sich heute der wachsende Friedhof der Gemeinde befindet, reicht der Blick fast bis zum Horizont auf eine lehmige, unebene Hochfläche, aus der am Rand die mächtigen Wälle der einstigen Stadtmauer aufragen. Allein die schiere Größe der Anlage und die Mächtigkeit der Lehmschichten machen deutlich, dass sich hier im fruchtbaren Tal des Surchandarja ein wirklich zentraler Ort befunden hat. In den Jahrhunderten um Christi Geburt erweiterten die Kuschan eine ältere Festung aus hellenistischer Zeit zu einer gewaltigen Anlage. Die sorgfältige Planung ist noch heute zu erkennen. Die Himmelsrichtungen gaben die Eckpunkte der Mauern vor, diese schlossen ein rechteckiges Gelände von 650 x 500 m Grundfläche ein. Wie soll man bei einer Stadt, die halb so groß ist wie Pompeji, mit Grabungen beginnen (Abb. 7}? Die bis heute
freigelegten Flächen ermöglichen so nur einen kleinen Einblick, doch dieser hat schon Außergewöhnliches ans Licht gebracht. Zwei Flächen unweit der Festungsmauern erbrachten um einen zentralen Saal angelegte Grundrisse. Sie werden hier erstmals nicht als Wohnhäuser, sondern als Gemeinschaftsgebäude, die vermutlich auch kultischen Zwecken dienten, interpretiert. Damit erhält auch der hier verborgene Goldschatz, der mit mehr als 35 kg alle anderen archäologisch geborgenen Schätze in den Schatten stellt, eine andere Bedeutung. Den gesamten Schatz konnten wir in der Zentralbank in Taschkent in Augenschein nehmen, Barren für Barren. Ein Teil davon wird nun auch hier gezeigt. In dieser Stadt wurde reger Handel getrieben und großer Reichtum angehäuft sowie Abgaben zentral gesammelt. Vieles spricht dafür, dass hier tatsächlich für einige Zeit die Hauptstadt des Reiches der Kuschan gewesen ist. Davon zeugen auch die vielen religiösen Stätten, die eine Vielfalt der hier ausgeübten Kulte belegen. Zoroastrische Rituale, die Verehrung lokaler baktrischer Gottheiten und buddhistische Objekte konnten hier in großer Zahl geborgen werden. Dalverzintepa ist damit der nördlichste Fundplatz des Reiches der Kuschan mit buddhistischen Fundkomplexen. Dies ist vielleicht die größte Überraschung, die Besucher in der
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Ausstellung erleben. Wer hätte Usbekistan mit Buddhismus in Verbindung gebracht? Dabei ist die Bedeutung des Kuschanreiches und seiner Vorläufer für die Entwicklung dieser Religion nicht zu unterschätzen. Eine besondere Rolle spielte dabei die Region Gandhara. Hier kam es zu einem besonderen und folgenreichen Kontakt. Mit dem Vordringen der Yuezhi flohen viele Eliten des GraecoBaktrischen Reiches aus den nördlichen Gebieten bis nach Gandhara. Hellenistisch geprägte Künstler haben dort an der Entwicklung vieler uns heute so bekannter Darstellungstypen des Buddha mitgewirkt. Nachdem das Reich der Kuschan sich stabilisierte und in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. einen großen Teil des heutigen Pakistans und einen Teil Indiens umfasste, war der Weg frei für eine intensive Übertragung buddhistischen Gedankengutes in den Norden des Reiches. In den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. kam es zu einem anhaltenden künstlerischen Austausch mit Wirkungen in beide Richtungen. In der Hauptstadt Dalverzintepa hatte der buddhistische Kult seinen festen Platz eingenommen. Etwa 30 km nördlich von Dalverzintepa gelang schon vor 50 Jahren die vielleicht bis heute spektakulärste Entdeckung: nämlich die des Palasts von Chaltschajan. Hier treten uns die Personen bildlich gegenüber, die diesem vierten antiken Großreich der Zeit neben den Reichen der Chinesen, der Römer und dem späteren der Sassaniden ihren Namen gaben: die Herrscher der Kuschan. Das Gebäude besaß eine Vorhalle mit vier Säulen und eine Haupthalle von 6 m lichter Höhe. Beide Räume waren
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reich ausgeschmückt. Glücklicherweise haben große Teile der aus Lehm geformten, bemalten Plastik der Haupthalle unter dem Schutt des eingestürzten Gebäudes die Zeiten überstanden und ließen aufgrund ihrer Fundlage sogar die Rekonstruktion des gesamten Frieses zu. Hier treffen in einzigartiger Weise Welten aufeinander und formen eine neue Bildersprache. Der thronende Herrscher wird von über ihm schwebenden griechischen Gottheiten geschützt, die reiternomadischen Krieger reiten mit gespannten Bögen an den Seiten und über allem schwebt ein Fries von girlandenhaltenden Figuren. Das Aufregendste sind jedoch die Gesichter: Eindrucksvolle Individuen treten uns gegenüber, die Vielfalt der Gesellschaft der Kuschan wird erkennbar. Es spricht vieles dafür, dass dieser Fries und sogar einzelne Darstellungen direkt mit der Herrschaft des Heraios zu verbinden sind. Das Gebäude entstand bereits im ersten Jahrhundert vor Christus, die Herrschaft der Kuschan hatte sich gerade gefestigt, der hellenistische Einfluss ist in der Bildersprache gut zu erkennen. Handelte es sich bei diesem Bau um einen Palast oder bereits um einen >;dynastischen« Tempel, der der Verehrung der Herrscherfamilie dienen sollte? Jedenfalls ist es den Baumeistern gelungen, das Bild der Kuschan über mehr als zwei Jahrtausende fortzutragen. Der Rundgang durch die Ausstellung endet mit diesem eindrucksvollen Höhepunkt. Das Wissen um dieses antike Großreich und um die Vielfalt der hier zu spürenden kulturellen Einflüsse verändert den Blick auf Zentralasien und macht die Bedeutung und die Chancen dieses geographischen Raumes bewusst.
ALEXANDER DER GROSSE - EROBERUNGSKRIEG
UND DAS STREBEN NACH WELTHERRSCHAFT Hans-Ulrich Wiemer
Einleitung: Alexander in Baktrien Am 8. Juni des Jahres 324 v. Chr. notierte ein Schreiber in der Kanzlei des Satrapen von Baktrien in aramäischer Sprache mit schwarzer Tinte auf geglättetem Leder eine Liste von Naturalien, die an verschiedene Personen geliefert worden waren: Gerste, Weizen und Hirse. Er hielt fest, wer welche Naturalien wo bereitgestellt hatte, wer die Lieferung kontrolliert hatte, welche Mengen geliefert worden waren, und wer sie erhalten hatte: durchweg Personen, die
iranische Namen tragen, mit Dienern und Sklaven beiderlei Geschlechts. Die Einträge erstrecken sich über drei Monate [Abb. l). Ein Dokument administrativer Routine also. Was es zu einer Sensation macht, ist die Datierungsformel: Das Dokument ist auf das Jahr 7 des Königs Alexander datiert. Damit ist es das erste zeitgenössische Zeugnis für die Herrschaft Alexanders in diesem Teil seines Reiches, nahe der Grenze von Afghanistan nach Turkmenistan. Die Liste gehört zu einer stattlichen Anzahl von Texten, die auf unbekannten Wegen nach London in die »Khalili
Abb. 1: Liste von Naturalien, datiert auf das Jahr 7 des Königs Alexander, Aramaic Documents C4, Vs.
Abb. 5: Alexander als Pharao im Sa nktuar von Luxor.
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Collections« gelangt sind und 2012 veröffentlicht wurden. Dieses Dossier umfasst 20 Briefe; die Hälfte davon schrieb ein gewisser Akhvamazda, wahrscheinlich der Satrap von Baktrien, an seinen Untergebenen Bagavant, der in Khulm (Tashkurgan, Provinz Balch) residierte. Hinzu kommen zehn Listen, darunter die gerade erwähnte, sowie 18 mit Tinte beschriebene Holzstäbchen, auf denen Essensrationen verzeichnet sind. Die meisten Texte stammen aus der Regierungszeit der letzten Achaimeniden, Artaxerxes III. (359 - 338 v. Chr.) und Dareios III. (336-330 v. Chr.). Die aramäischen Texte aus Baktrien führen uns eindrücklich vor Augen, dass das Perserreich auch im 4. Jahrhundert v. Chr. die einzige Supermacht Eurasiens war. Das multiethnische Imperium erstreckte sich von den Küsten Kleinasiens bis weit nach Zentralasien, nach Pakistan, Turkmenistan und Usbekistan. Aus griechischer Sicht waren die Könige aus der Dynastie der Achaimeniden unsagbar reich; sie erhoben Tribute und Abgaben und horteten in Schatzhäusern große Mengen an Edelmetall. Das Herrschaftsgebiet war in große Verwaltungseinheiten gegliedert, an deren Spitze Satrapen - Gouverneure mit zivilen und militärischen Befugnissen - standen, die zumeist iranischer Herkunft waren. Bei allem Respekt für lokale Traditionen folgte die Verwaltung der Satrapien einem einheitlichen Muster: Die persische Administration verwendete in Baktrien dieselben Formen interner Kommunikation wie in Ägypten; hier wie dort bediente sie sich des Reichsaramäischen, eines semitischen Idioms, das weder in Ägypten noch in Baktrien gesprochen wurde, aber auch nicht die Muttersprache der imperialen Eliten selbst war, die sich im Gespräch iranischer Dialekte bedienten. Im Jahr 324 jedoch datierte man in Baktrien nicht mehr nach einem persischen König aus der Familie der Achaimeniden, sondern nach Alexander, dem Sohn Philipps II. von Makedonien, der 336, mit 20 Jahren, König geworden war und seit 334 im Namen einer Koalition griechischer Staaten einen »Rachekrieg« gegen Dareios III. geführt hatte, der seinerseits erst 336 König des Perserreichs geworden war: Es gelte, Rache zu nehmen für die Untaten, die dessen Vorfahr Xerxes (486-460 v. Chr.) vor langer Zeit in Griechenland verübt habe, hatte es geheißen, als der Krieg erklärt wurde. Dareios war zwei Mal in offener Feldschlacht besiegt worden, zuerst 333 bei Issos, dann 331 bei Gaugamela, und im Sommer 330 auf der Flucht von den eigenen Leuten ermordet worden. Rache war genug geübt worden, so könnte man meinen. Warum war der Feldzug damals nicht beendet worden? Und wieso
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arbeitete die Verwaltung der Satrapie Baktrien im Jahr 324 für den König Alexander, wie sie es zuvor für persische Könige getan hatte? Versetzen wir uns in die zweite Hälfte des Jahres 330 v. Chr.: Während Alexander damit beschäftigt war, die Reste der Armee des Dareios in Hyrkanien zu zerschlagen, schwang sich der Baktrer Bessos, der unter Dareios Satrap von Baktrien gewesen war, in seiner Heimatprovinz zum Großkönig auf; er nahm den Thronnamen Artaxerxes (IV.) an und gewann in den östlichen Satrapien rasch Anerkennung. Alexander, der kurz zuvor noch einen der Verschwörer gegen Dareios in Gnaden aufgenommen hatte, gab nun die Parole aus, es gelte, den Mord an Dareios zu rächen. Die ursprüngliche Begründung des Krieges war damit auf den Kopf gestellt: Von Rache an den Persern war keine Rede mehr; es sollte Rache für den ermordeten Perserkönig geübt werden. Damit formulierte Alexander ein Kriegsziel, das die iranische Aristokratie ansprechen sollte. Er umwarb nicht mehr die Griechen des Mutterlandes, sondern die iranischen Eliten der östlichen Satrapien. Der Herrschaftsanspruch Alexanders wurde in den östlichen Satrapien alles andere als bereitwillig anerkannt; Alexander setzte ihn mit nackter Gewalt gegen starken Widerstand durch. Der König brach im Spätherbst 330 nach Baktrien auf; den Hindukusch erreichte er im Frühjahr 329. Ein Aufstand in der Landschaft Areia (Provinz Herat) hielt ihn auf; nachdem er dort eine Stadt namens Alexandreia gegründet hatte, wandte er sich nach Süden, um die Landschaften Drangiane (Se'istan) und Arachosien zu unterwerfen. In der Gegend von Begram (Provinz Parwan) gründete er eine Stadt, die den Namen Alexandreia im Kaukasus erhielt - Alexander und seine Leute glaubten, der Hindukusch sei ein Ausläufer des Kaukasus. Es folgten zwei Jahre erbitterter Kämpfe. Bessos versuchte, den Vormarsch Alexanders aufzuhalten, indem er die Felder zerstören und die Vorräte vernichten ließ, zog sich aber schließlich über den Oxos (heute Amudarja) zurück. Diese Taktik der verbrannten Erde kostete ihn die Unterstützung der Baktrer. Spitamenes und Dataphernes, einheimische Adlige, nahmen ihn gefangen und lieferten ihn an Alexander aus. Der verurteilte den Königsmörder wegen Verrats an Dareios zum Tode und übergab ihn einem Bruder des Dareios zur Hinrichtung. Alexander hatte den Amudarja bei der Verfolgung des Bessos auch seinerseits überquert, gelangte nach Marakanda (Samarkand) im heutigen Usbekistan, wo er eine Garnison stationierte, und zog dann weiter zum Syrdarja
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(antik Jaxartes), der die nordöstliche Grenze des Achaimenidenreichs gebildet hatte (Abb. 2) . An seinem Ufer ließ der König im Herbst 329 eine weitere Stadt namens Alexandreia anlegen, deren Mauerring einen Umfang von 60 Stadien gehabt haben soll; dieses »äußerste Alexandreia« muss sich in der Nähe von Chodschand in Tadschikistan befunden haben. Alexander konnte der Anlage der Stadt jedoch nicht lange beiwohnen, denn nun brach in Sogdien, zwischen Syrdarja und Amudarja, ein Aufstand los, der gefährliche Dimensionen annahm. An der Spitze stand mit Spitamenes einer der beiden Männer, die nicht lange zuvor Bessos an Alexander ausgeliefert hatten. Spitamenes bekam erheblichen Zulauf von seinen Landsleuten und fand auch Unterstützung bei Nomadenstämmen, die von Persern und Griechen Saken genannt wurden. Er vermied jedoch offene Feldschlachten, weil sein Heer demjenigen Alexanders zahlenmäßig unterlegen war. Stattdessen brachte er die makedonischen Invasoren immer wieder durch blitzartige Überfälle in Bedrängnis. Nicht weniger als sieben Städte fielen in die Hand der Aufständischen. Alexander beantwortete den Guerilla-Krieg mit Terrormaßnahmen: Die Städte der Rebellen wurden zerstört, die erwachsenen Männer wurden getötet, Frauen und Kinder versklavt. Am Fluss Polytimetos (heute Serafschan) wurde eine makedonische Heeresabteilung in einen Hinterhalt gelockt und vollständig aufgerieben. Alexander reagierte, indem er den Landstrich verwüsten und seine Bewohner töten ließ. Den Winter 329 auf 328 verbrachte Alexanders Heer in Baktra. Dort trafen Verstärkungen aus Griechenland, Kleinasien und Syrien ein. Auch im Jahr darauf versuchte Alexander vergeblich, Spitamenes in einer Feldschlacht zu stellen. Den Aufständischen glückte sogar ein Handstreich auf Baktra. Eine Wende im Kriegsgeschehen bahnte sich an, als es Alexander gelang, eine Reihe sakischer Stämme auf seine Seite zu bringen. Als Spitamenes gegen Alexanders Heerführer Krateros eine schwere Niederlage erlitt, wurde er von seinen sakischen Bundesgenossen verlassen; sie schnitten Spitamenes den Kopf ab und überbrachten ihn Alexander. Gleichwohl zog sich der Krieg noch bis ins Frühjahr 327 hin. Alexander musste noch mehrere Burgen von unsicherer Lokalisierung unterwerfen, bis Sogdien und Baktrien als befriedet gelten konnten. Auf einer dieser Burgen fiel der Blick Alexanders auf Roxane, die Tochter eines baktrischen Adligen namens Oxyartes. Sie soll eine schöne junge Frau gewesen sein, aber Alexanders Entschluss, sie zu heiraten, hatte primär
politische Gründe: Nach zwei Jahren Krieg wollte der König die Besiegten durch eine versöhnliche Geste zur Kooperation einladen. Freilich ergriff der König auch handfeste Vorkehrungsmaßnahmen gegen eine erneute Rebellion: Er ließ den Makedonen Amyntas mit etwa 10.000 Fußsoldaten und 3.500 Reitern, in der Mehrzahl Griechen, als Satrapen in Baktrien zurück. Befestigte Siedlungen,
Abb. 2:
Alexander in Baktrien 329-327 v. Chr.
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die mit ausgedienten Soldaten bevölkert wurden, dienten ebenfalls der Sicherung des Landes; die Festungen bei Kurganzol und Kampyrtepa im südlichen Usbekistan (s. Beitrag Sverchkov/Boroffka Abb. 2-4) dürften in diesem Kontext entstanden sein. Schließlich führte Alexander eine große Anzahl baktrischer und sogdischer Reiter mit sich, als er Baktrien im Sommer 327 Richtung Indien verließ; das stärkte seine Kavallerie und verringerte die Gefahr von Aufständen. Als 325 das Gerücht eintraf, Alexander sei tot, rebellierte ein Teil der Garnison, die er dort zurückgelassen hatte, und kehrte nach Griechenland zurück. Als der König 323 tatsächlich starb, stellten die in Baktrien stationierten Griechen ein großes Heer auf, um die Heimkehr zu erzwingen. Sie wurden von Makedonen und Soldaten der benachbarten Satrapien bis auf den letzten Mann niedergemetzelt. Das Reich Alexanders wurde durch Gewalt und Furcht zusammengehalten.
Der Rachekrieg: Philipp II. und Alexander der Große Der Krieg gegen das Reich der Achaimeniden, der euphemistisch Alexanderzug genannt wird, hatte begonnen, bevor Alexander 336 v. Chr. König der Makedonen wurde. Erklärt wurde er bereits unter seinem Vater: Philipp II. hatte im Sommer 338 bei Chaironeia (Boiotien) eine Koalition griechischer Bürgerstaaten besiegt, die unter der Führung von Theben und Athen stand. Alexander führte in dieser Schlacht die makedonische Kavallerie. Durch diesen Sieg wurde Philipp Herr über ganz Griechenland; allein Sparta verweigerte ihm die Unterwerfung. Um seiner Herrschaft einen formellen Rahmen zu geben, rief Philipp im Herbst 338 alle Griechen des Mutterlands auf, Gesandte zu einem Kongress nach Korinth zu schicken. Im Frühjahr 337 wurde dort ein Militärbündnis geschlossen, dessen erklärtes Ziel darin bestand, eine allgemeine Friedensordnung für alle Griechen herzustellen. Die Vertragspartner verpflichteten sich zur Wahrung des sozialen und politischen Status quo; Verstöße sollten vom Bund geahndet werden. Ein Bundesrat fungierte als Entscheidungsorgan; ein Bundesfeldherr sollte im Kriegsfall das Bundesheer befehligen. Unter den Umständen verstand es sich von selbst, dass dieses Amt Philipp übertragen wurde. Der makedonische König sorgte dafür, dass das Militärbündnis sogleich aktiv wurde; er veranlasste den Bundesrat, dem persischen Großkönig den Krieg zu erklären. Diese Idee war nicht neu;
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der athenische Publizist Isokrates hatte im Laufe seines langen Lebens wiederholt zu einem gemeingriechischen Feldzug gegen das Perserreich aufgerufen; einer dieser Aufrufe war an Philipp selbst gerichtet gewesen. Aber der offizielle Kriegsgrund war natürlich nur vorgeschoben: In Wahrheit ging es dem makedonischen König darum, seinen Ruhm zu mehren und Reichtümer zu gewinnen, die er an seine Gefolgsleute verteilen konnte. Nicht weniger wichtig war das Bestreben, griechische Bürgerstaaten, die sich ihm oftmals nur widerwillig unterworfen hatten, durch den Kampf gegen einen gemeinsamen Feind an sich zu binden. Im Frühjahr 336 setzte ein etwa 10.000 Mann starkes Expeditionskorps nach Kleinasien über; Philipp wollte später folgen. Dazu kam es jedoch nicht, denn der König wurde im Sommer 336 auf der Hochzeit seiner Tochter Kleopatra ermordet. Alexander war anwesend und handelte ohne Zögern: Er nahm den königlichen Palast in Besitz und ließ sich als König akklamieren. Führende Vertreter des alten Regimes stellten sich auf seine Seite. Durch den Regimewechsel in Makedonien geriet der Krieg gegen das Perserreich ins Stocken. Der junge König musste seine Herrschaft nicht nur nach innen, sondern auch nach außen sichern. Im südlichen Griechenland machte man sich Hoffnungen, dass die makedonische Hegemonie genauso schnell ihr Ende finden werde, wie sie begonnen hatte. Im Nordosten Makedoniens versuchten thrakische, im Nordwesten illyrische Stämme aus dem Tod Philipps Kapital zu schlagen. Alexander zog daher 335 zunächst nach Norden; er unterwarf zuerst die thrakischen Triballer und dann die illyrischen Dardaner und Taulantier. Kaum dass er die Nordgrenze seines Reiches gesichert hatte, brach im Süden ein Aufstand der Thebaner los. Der König eilte nach Boiotien und schloss Theben ein, bevor sich andere Griechen dem Aufstand anschließen konnten. Die Stadt wurde im Oktober 335 gestürmt, die erwachsenen Männer wurden getötet, Frauen, Kinder und Greise in die Sklaverei verkauft. Es war ein Akt kalkulierten Terrors und er erreichte sein Ziel: Die Griechen des Mutterlands hatten erfahren, was denen bevorstand, die versuchten, die makedonische Herrschaft abzuschütteln.
Vom Hellespont nach Persepolis
(Abb. 31
Alexander überquerte im Frühjahr 334 v. Chr. den Hellespont mit einem Heer, das etwa 32.000 Fußsoldaten und 5.000 Reiter umfasste. Dieses Heer vereinigte sich dort mit
Abb. 3: Alexanderzug 334-33 0 v. Chr.
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den etwa 12.000 Fußsoldaten und 1.500 Reitern, die sich bereits seit 336 in Kleinasien befanden. Die Gesamtstärke belief sich also auf etwa 50.000 Mann. Davon stellten die Makedonen anfangs nur etwa ein Drittel, doch dürfte sich ihre Zahl bis 331 durch Verstärkungen auf etwa 30.000 Mann erhöht haben. Danach sank ihre Zahl durch Verluste kontinuierlich ab. Der makedonische König stand zu Beginn des Feldzugs unter großem Erfolgsdruck, denn er hatte bei seinem Regierungsantritt hohe Schulden vorgefunden, die er nur dadurch tilgen konnte, dass er neue Anleihen aufnahm. Die Kriegskasse, mit der er nach Kleinasien aufbrach, reichte kaum für einen Monat. Der Krieg sollte den Krieg ernähren, aber das setzte voraus, dass schnell Erfolge erzielt wurden. Die erste Schlacht wurde im Mai 334 am Fluss Granikos im nordöstlichen Bithynien geschlagen; Alexander errang einen vollständigen Sieg über ein zahlenmäßig überlegenes Heer, das die Satrapen des westlichen Kleinasiens anführten. Während die persischen Reiter fliehen konnten, wurden die griechischen Söldner in persischen Diensten - es sollen über 10.000 gewesen sein - bis auf einen kleinen Rest auf dem Schlachtfeld niedergemetzelt. Alexander inszenierte den Sieg am Granikos als Vollzug der vom Korinthischen Bund geforderten Rache an den persischen Barbaren; er stiftete aus der Beute 300 Schilde nach Athen, die mit der Aufschrift versehen waren: »Alexander, Sohn Philipps, und die Griechen, mit Ausnahme der Spartaner, weihen diese von den Barbaren, die Asien bewohnen, erbeuteten Rüstungen«. Im Ostgiebel des Parthenon sind die Löcher für die Dübel, an denen die Athener sie aufhängten, noch heute zu sehen. Nach dem Sieg am Granikos fiel die Westküste Kleinasiens in die Hände Alexanders; der König ersetzte die Satrapen des Großkönigs durch Makedonen und erklärte die griechischen Bürgerstaaten, die bis dahin persischer Herrschaft unterstanden hatten, für frei; gleichzeitig sorgte er dafür, dass in den Städten, in denen bis dahin perserfreundliche Oligarchien geherrscht hatten, Demokratien eingerichtet wurden. Alexander war in dieser Phase darauf bedacht, als Befreier der Griechen in Kleinasien zu erscheinen: Er begnadigte die Milesier (Ionien), obwohl sie es gewagt hatten, ihre Tore vor ihm zu verschließen; auch sie sollten Anteil an der Freiheit haben, die er ihnen verlieh. Neben Milet gab es nur eine weitere griechische Stadt im westlichen Kleinasien, die Alexander Widerstand leistete: Halikarnassos in Karien. In diesem Fall allerdings ging der Widerstand von der persischen Garnison aus, die
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in der Stadt lag. Alexander konnte im Herbst 334 zwar die Stadt einnehmen, nicht aber ihre Zitadelle. Er führte sein Heer mitten im Winter weiter nach Lykien und Pamphylien und wandte sich dann ins Landesinnere. In Kelainai, der Hauptstadt der Satrapie Großphrygien, setzte er Antigonos »den Einäugigen« zum Satrapen ein und beauftragte ihn mit der Unterwerfung des Landes. Er selbst eilte weiter nach Gordion, der alten Königsstadt der Phryger. Von dort aus zog er im Frühsommer 333 weiter nach Ankyra in Zentralanatolien und führte sein Heer dann nach Süden; er durchquerte Kappadokien und passierte die »Kilikische Pforte«, eine Engstelle, die den Weg nach Kilikien kontrollierte. Im Herbst 333 gelangte er nach Tarsos, wo der Vormarsch für einige Wochen zum Stehen kam, weil der König nach einem Bad im Fluss Kydnos schwer erkrankte. Die militärische Situation Alexanders war zu diesem Zeitpunkt kritisch. Der König hatte Kleinasien auf seinem Vormarsch nach Kilikien keineswegs vollständig unterworfen; die Gebiete im Norden waren bei seinem Tod noch zu erobern. In der Ägäis besaß die persische Flotte die unumschränkte Seeherrschaft, nachdem i\lexander seine eigene Flotte im Herbst 334 aufgelöst hatte; sie eroberte im Sommer 333 einige Städte an der Westküste Kleinasiens für den Großkönig zurück. Der Großkönig selbst hatte inzwischen ein großes Heer - schätzungsweise 100.000 Mann - aufgestellt und zog mit ihm über Babylon nach Syrien; im September 333 erreichte er die Mündungsebene des Orontes im nördlichen Syrien. Bei Issos, in der Küstenebene am Golf von Alexandrette kam es im November 333 zur Schlacht. Erneut siegte das Heer Alexanders. Dareios wandte sich zur Flucht und entkam mit 4.000 griechischen Söldnern über den Euphrat. Der Sieg von Issos veränderte die Lage Alexanders von Grund auf. Da er das Heer des Großkönigs weitgehend vernichtet hatte, stand ihm der Weg nach Phönizien und Ägypten offen; die persische Flotte in der Ägäis löste sich auf. Da er den Tross des Dareios mitsamt der Kriegskasse erbeutete - sie soll mehr als 3.000 Talente enthalten haben-, war er mit einem Schlag seine Geldsorgen los. Mit dem Silber ließ er Münzen eines neuen Typs prägen: mit Herakles im Löwenfell auf der Vorderseite und dem thronenden Zeus auf der Rückseite [Abb . 4) . Dareios nahm bald nach der Schlacht von Issos Verhandlungen mit Alexander auf, über deren Ablauf und Inhalt die Quellen unterschiedliche Angaben machen. Sicher scheint jedoch, dass der Großkönig sich herabließ, dem makedonischen Eroberer die Verschwägerung und
Abb. 4: Silbermünze Alexanders mit Herakles (Vs.) und thronendem Zeus (Rs.) .
einen Teil seines Reiches anzubieten. Dieses Angebot war ein Novum in der Geschichte der Achaimeniden: Niemals zuvor hatte ein persischer König formell auf einen Teil seines Reiches verzichtet. Alexander war mit diesem Angebot indessen nicht zufrieden; er verlangte von Dareios die bedingungslose Unterwerfung und beanspruchte die Herrschaft über ganz Asien. Diese Forderung ging weit über das hinaus, was als Ziel eines Rachekrieges ausgegeben werden konnte. Der König dachte nicht daran, den Krieg zu beenden, nachdem er die Herrschaft des Großkönigs in Kleinasien beendet hatte; er wollte seinen Gegner vernichten, um selbst an dessen Stelle zu treten. Bis dahin war es freilich noch ein weiter Weg; militärisch war der Krieg noch längst nicht entschieden. Der Großkönig verfügte noch immer über große finanzielle und militärische Ressourcen; die Satrapien im Zentrum und Osten seines Reiches befanden sich noch immer in seiner Hand. Die entscheidende Schlacht wurde im Oktober 331 v. Chr. im Zweistromland (Irak) geschlagen. Dareios hatte daher ein ganzes Jahr Zeit, ein neues Heer aufzustellen, bevor er erneut auf das Heer Alexanders traf. Der makedonische König nahm im Laufe des Jahres 332 die Länder an der Küste der Levante in Besitz. Die phönizischen Städte unterwarfen sich kampflos; allein Tyros widersetzte sich, wurde sieben Monate lang belagert und im September schließlich eingenommen. Die Verteidiger der Stadt wurden
umgebracht, ein kleiner Teil in die Sklaverei verkauft. In Gaza an der Küste Palästinas traf Alexander noch einmal auf Widerstand. Die Stadt wurde nach einer zweimonatigen Belagerung erstürmt, die waffenfähige Bevölkerung getötet, der Rest in die Sklaverei verkauft. Nach der Eroberung Gazas war der Weg nach Ägypten frei. Der persische Satrap Mazakes empfing Alexander in Memphis als den neuen Herrn des Landes. Der makedonische König begegnete der Priesterschaft mit Respekt und brachte dem Gott Apis, der in Form eines heiligen Stiers verehrt wurde, ein Opfer dar. Ob er sich dort nach ägyptischem Ritus formell zum Pharao krönen ließ, ist mangels glaubwürdiger Quellen ungewiss. Sicher ist jedoch, dass die Priester den makedonischen Eroberer als Pharao anerkannten. Alexander trug daher in Ägypten die Titulatur eines Königs von Ober- und Unterägypten; er hieß »geliebt von Re, erwählt von Amun«, »Sohn des Re« und »Sohn des Amun«. An den Wänden des Sanktuars von Luxor ist er in der Rolle als Pharao dargestellt (Abb. 5, -+ S. 26) . Im Frühjahr 331 gründete er an einem Mündungsarm des Nil eine griechische Stadt, die seinen Namen trug und bis heute besteht: Alexandreia in Ägypten. Anschließend zog er fast 300 km entlang der Küste nach Westen, traf in Paraitonion eine Gesandtschaft der griechischen Stadt Kyrene (Libyen), schlug dann aber den Weg in die Oase Siwa ein, die etwa 250 km südlich davon
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lag. Alexander kam nach Siwa, um das Orakel des Gottes Ammon - die griechische Form des ägyptischen Namens Amun - zu befragen. Über den Verlauf der Befragung und die Antwort machen die Quellen unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Angaben. Sicher ist, dass anschließend von seiner Umgebung die Kunde verbreitet wurde, der Gott Ammon habe Alexander als seinen Sohn anerkannt. Die Angaben der sogenannten Alexanderhistoriker sind in diesem Punkt durch ein zeitgenössisches Monument bestätigt worden, das zwischen 1938 und 1945 in der Nähe eines Tempels des Amun und des Horus in der Oase Baharia gefunden wurde; es verschwand nach seiner Auffindung in den Magazinen des Ägyptischen Museums von Kairo, wurde dort 60 Jahre später zum zweiten Mal entdeckt und 2008 veröffentlicht. Das Monument trägt zwei Inschriften, eine in griechischer und eine in ägyptischer Sprache. Der griechische Text lautet: »König Alexander (hat es) dem Ammon, seinem Vater, geweiht«. Der ägyptische Text enthält die vollständige Titulatur Alexanders als Pharao, gestiftet von einem Priester des Amun. Offenkundig war Siwa nicht die einzige Oase, die Alexander damals besuchte, und wie in Siwa wurde auch in Baharia im Zusammenspiel mit der lokalen Priesterschaft die Gottessohnschaft Alexanders verkündet. Alexander verließ im Frühjahr 331 Ägypten, nachdem er die Verwaltung der Satrapie neu geordnet und dabei erstmals Einheimische mit hohen Posten betraut hatte. Im Sommer 331 veranstaltete er in Tyros großartige Wettkämpfe zu Ehren des Herakles, an denen Athleten und Künstler aus der gesamten griechischen Welt teilnahmen. Parmenion, ein Heerführer aus der »alten Garde« Philipps, soll damals zur Konsolidierung des Erreichten geraten haben. Alexander wies den Rat weit von sich und führte sein Heer ins Zweistromland, um auf dem Schlachtfeld eine Entscheidung herbeizuführen. Sie fiel am 1. Oktober 331 in der Ebene zwischen Tigris und Großem Zab bei dem Dorf Gaugamela in der Nähe von Arbela. Wie schon in den beiden Schlachten zuvor gab eine von Alexander selbst geführte Kavallerieattacke den Ausschlag: Als das persische Zentrum dem Angriff nicht standzuhalten vermochte, wandte sich Dareios erneut zur Flucht. Der Großkönig entkam nach Medien, begleitet von seiner Leibgarde, griechischen Söldnern und der baktrisch-sogdischen Reiterei. Der Großteil seines Heeres wurde vernichtet; nur ein kleiner Teil kam mit dem Leben davon. Alexander ließ sich nach der Schlacht als »König von Asien« akklamieren. Dieser Titel definierte
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die räumliche Ausdehnung seines Herrschaftsanspruchs, der sich auf das gesamte Gebiet erstreckte, das bis dahin von Königen aus der Dynastie der Achaimeniden beherrscht worden war, aber nicht die Art und Weise, wie er diese Herrschaft auszuüben gedachte: Alexander gedachte keineswegs, fortan als Großkönig im Rahmen persischer Traditionen zu regieren. Drei Wochen nach dem Sieg bei Gaugamela, am 21. Oktober 331, hielt Alexander in Babylon Einzug. Der Satrap Mazaios, der Burgkommandant, ebenfalls ein Perser, und die babylonische Priesterschaft bereiteten ihm einen feierlichen Empfang. Der makedonische Eroberer suchte nun die Kooperation der einheimischen Eliten: Er bestätigte zum ersten Mal einen vom Großkönig eingesetzten Satrapen in seinem Amt, stellte ihm freilich einen makedonischen Militärbefehlshaber zur Seite. Nach diesem Muster verfuhr er in den folgenden Jahren häufig. Alexander kam den einheimischen Eliten aber auch dadurch entgegen, dass er den babylonischen Königstitel »König der Länder« annahm. Freilich führte er diesen Titel - wie die Achaimeniden vor ihm - nur in Babylon. Von Babylon aus zog Alexander weiter nach Susa, neben Babylon eine Hauptresidenz der Achaimeniden. Dort erbeutete er einen Teil des achaimenidischen Königsschatzes. Die Quellen sprechen von 40.000 Talenten in Form von ungemünztem Gold und Silber und 9.000 Talenten in Form von Goldmünzen mit dem Bild des Großkönigs (Dareiken). Geld spielte seitdem in den Planungen Alexanders keine Rolle mehr, da er ungeheure Summen, die in Jahrzehnten angespart worden waren, nach Gutdünken verwenden konnte. Kein makedonischer König hatte jemals über Ressourcen dieses Umfangs verfügen können. Auch militärisch war Alexander stärker denn je, da ihn in Susa etwa 15.000 makedonische Rekruten erreichten. Von Susa führte der Weg um die Jahreswende 331 auf 330 in die Persis, das Stammland der Achaimeniden. Alexander traf hier auf erbitterten Widerstand, der erst nach schweren Kämpfen gebrochen werden konnte. Der König nahm Persepolis in Besitz, das symbolische Zentrum des Reiches und eine der Hauptresidenzen. Seine Soldaten durften die Stadt plündern, während er den Königsschatz für sich in Anspruch nahm - angeblich 120.000 Talente an Edelmetall. Den Winter verbrachte der König im Palast der Achaimeniden, ließ diesen jedoch beim Abzug teilweise in Brand setzen. Der Kontrast zu seinem Verhalten in Babylon ist frappant: Der »Brand von Persepolis« war ein Signal der Stärke, keine Geste
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der Versöhnung; er sollte die Perser einschüchtern, indem er die Macht des Eroberers demonstrierte. Den Griechen gegenüber wurde der »Brand von Persepolis« als Rache für die Einäscherung der Akropolis Athens unter Xerxes dargestellt. Da auf der Peloponnes im Sommer 331 unter der Führung des spartanischen Königs Agis III. ein Aufstand gegen die makedonische Herrschaft losgebrochen war, wollte Alexander den Griechen zeigen, dass er den Krieg gegen Dareios noch immer in ihrem Sinne führte. Als er die Nachricht erhielt, dass sein »General« Antipatros die Aufständischen bei Megalopolis vernichtend
Abb. 6:
geschlagen hatte, lag der Palast von Persepolis bereits in Schutt und Asche.
Alexander im Fernen Osten [Abb. sJ Dareios verbrachte den Winter von 331 auf 330 v. Chr. in Ekbatana (Hamadan); in dieser Zeit versuchte er vergeblich, noch einmal ein Heer aufzustellen. Als Alexander im Mai 330 heranrückte, floh er in Begleitung eines kleinen Heeres und einiger Satrapen in Richtung Osten; das Ziel
Alexanderzug 330-323 v. Chr.
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war Baktra (Balch) im Norden Afghanistans. Dareios hatte jedoch das Vertrauen seiner Umgebung verloren; er wurde von seinen eigenen Leuten gefesselt und im Juli 330 bei Hekatompylos (Schar-i Qumis) getötet. Den Krieg als Rachekrieg fortzusetzen war nun schlechterdings unmöglich; zugleich gab es keinen Grund mehr, auf die Griechen des Mutterlands Rücksicht zu nehmen. Alexander erklärte den Krieg des Korinthischen Bundes für beendet und entließ die Truppen, die ihm als Bundeskontingente gefolgt waren, mit einer großzügigen Belohnung in die Heimat. Viele zogen es freilich vor, dem König als Söldner weiterhin zu dienen; darum war die Einbuße an Kampfkraft nur gering. Der König setzte weiterhin Perser als Satrapen ein und nahm sogar einen Bruder des Dareios in sein Gefolge auf. Er begann, ein Herrschaftsabzeichen zu tragen, das eigens für ihn geschaffen wurde; es kombinierte Elemente des persischen Königsornates mit makedonischen Kleidungsstücken: Alexander übernahm aus der Kopfbedeckung der Achaimeniden das Diadem, ein um die Stirn geführtes Band; dieses aber wurde nicht um die Tiara, den spitzen Filzhut der Großkönige, gewunden, sondern um die makedonische Kausia, eine flache Filzmütze. Das Diadem Alexanders war eine hybride Innovation; es akzentuierte Distanz gegenüber allen Untertanen, gleichgültig ob Makedonen oder Perser. Den Makedonen erschien das neue Herrschaftszeichen jedoch als Anpassung an die Perser; sie fürchteten, auf eine Stufe mit den Besiegten herabgedrückt zu werden. Ein neuer Feind war bald gefunden: Bessos erhob sich in Baktrien zum Nachfolger des Dareios. Mit der Erhebung des Bessos zum Großkönig beginnt die Geschichte der Eroberung Baktriens, die oben bereits erzählt worden ist. Wir nehmen den Faden nach der Hochzeit mit Roxane wieder auf. Im Sommer 327 führte Alexander sein Heer von Baktra durch das Tal des Flusses Kophen (Kabul) an den Indus. Damit begann eine neue Phase des Feldzuges, die von 327 bis 325 dauerte. Sein Schauplatz wurde von den Griechen Indien genannt; nach heutigen Begriffen wäre eher von Pakistan zu sprechen. Dieses Gebiet war - vor allem im Pandschab und im Industal - dicht bevölkert und stark urbanisiert; es war der Kontrolle durch die Achaimeniden schon vor Alexander entglitten und zerfiel in viele Herrschaftsgebiete, die von lokalen Fürsten regiert wurden. Einer dieser Fürsten, ein gewisser Taxiles, dessen Reich in der Stadt Taxila sein Zentrum hatte, hatte den makedonischen König 329 in Baktrien aufgesucht und um Hilfe gegen seinen Rivalen Poros gebeten. Alexander
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war daher gezwungen, entweder seine Macht in Indien unter Beweis zu stellen oder auf die Herrschaft über ganz Asien zu verzichten. Doch für Alexander spielten auch persönliche Motive eine Rolle: der Drang, bis an den östlichen Rand der Erde vorzudringen und auf dem Weg jedes Hindernis und jeden Widerstand siegreich zu überwinden, das Wetteifern mit den Göttern Herakles und Dionysos, die als Vorbilder umso wichtiger wurden, je mehr seine Erfolge jedes Maß übertrafen. Der König hatte die Opposition in seinem makedonischen Umfeld inzwischen ausgeschaltet oder mundtot gemacht; 330 ließ er seinen Weggefährten Philotas hinrichten, weil er angeblich an einer Verschwörung beteiligt war, die damals aufgedeckt wurde; anschließend ließ er dessen Vater Parmenion, einen altgedienten Heerführer, ermorden. 328 tötete der König den Hetairen Kleitos eigenhändig, weil dieser es gewagt hatte, ihm bei einem Symposion Hybris vorzuwerfen. Ein Jahr später wurden Pagen - Knaben aus dem makedonischen Adel, die dem König zu Diensten waren - überführt, Alexander nach dem Leben getrachtet zu haben, und büßten es mit dem ·rod. Gegen den »Hofhistoriker« Kallisthenes, der in seinen Darstellungen ein für Griechen bestimmtes, überhöhtes und geschöntes Bild des Königs und seiner Taten gezeichnet hatte, wurde der Vorwurf erhoben, er sei in das Komplott verwickelt; auch er wurde verurteilt und starb eines elenden Todes. Alexander duldete nur noch Ja-Sager in seiner Umgebung. Wer zum engsten Kreis gehören wollte, spielte mit und folgte dem König auf den Spuren, die dessen göttliche Vorbilder angeblich hinterlassen hatten. Die Quellen beschreiben den Indienfeldzug aus der Sicht der Eroberer als ein großes Abenteuer, als Siegeszug und Entdeckungsreise in eine unbekannte Welt voller Wunder. Aus der Perspektive der Einheimischen war es ein brutaler Überfall. Wer sich den Eroberern nicht freiwillig unterwarf, wurde gewaltsam bezwungen, verlor Besitz und Freiheit, häufig auch das Leben. Der Indienfeldzug ist eine deprimierende Folge von Gewaltexzessen, die in unseren Quellen zu Heldentaten verklärt werden. Hier können nur die großen Linien nachgezeichnet werden. Alexanders Heer überquerte im Frühjahr 326 bei Ohind den Indus. Er zog in Taxila ein und bestätigte Taxiles als Fürsten. Im Sommer 326 siegte er am Hydaspes (Dschelam) über den Fürsten Poros; es war die letzte große Feldschlacht, die Alexanders Heer schlug, und zugleich die erste, in der es auf Kriegselefanten traf - und dennoch auch dieses Mal siegreich blieb. Silbermedaillons, die
vermutlich für Veteranen Alexanders geprägt wurden, hielten den Moment für die Nachwelt fest: Die eine Seite zeigt einen makedonischen Lanzenreiter, wie er zwei Männer attackiert, die auf einem Kriegselefanten reiten. Auf der anderen Seite erscheint Alexander als gottgleicher Sieger mit dem Blitzbündel des Zeus in der rechten Hand (Abb. 7) . Poros wurde in der Schlacht schwer verwundet, aber von Alexander nicht etwa abgesetzt, sondern in seiner Stellung bestätigt. Es folgten Kämpfe gegen die Feinde des Poros, die mit unerbittlicher Härte geführt wurden. Als Alexanders Heer im Hochsommer den Fluss Hyphasis (Beas) im Nordosten des heutigen Bundesstaats Indien erreichte, hatte der Monsunregen bereits eingesetzt; es regnete bis Ende September ununterbrochen, mehr als 70 Tage lang. Alexander hatte inzwischen Kunde von einem großen Königreich im Ganges-Delta erhalten und war entschlossen, auch dieses Königreich seiner Herrschaft zu unterwerfen. Als er den Befehl gab, den Hyphasis zu überqueren, verweigerten ihm seine Soldaten jedoch zum ersten Mal den Gehorsam: Sie waren nicht bereit, Alexander noch weiter in unbekannte Länder zu folgen; sie waren der Strapazen müde und wollten umkehren. Der Versuch, sie auf einer Versammlung umzustimmen, schlug fehl; der
Abb. 7:
König musste nachgeben: Er gab Befehl, indusabwärts in den Ozean zu fahren. Am Ufer des Hyphasis blieben zwölf monumentale Altäre als Erinnerungszeichen zurück. Die Flotte wurde am Hydaspes gebaut und umfasste 800 Schiffe. Die Fahrt begann im November 326 und dauerte mehr als sieben Monate, weil man immer wieder anhielt, um unbotmäßige Städte zu belagern; ein Massaker reihte sich an das andere. Bei der Erstürmung der Maller-Stadt wurde Alexander lebensgefährlich verletzt. Erst im Juli 325 traf die Flotte in Pattala (in der Nähe von Haiderabad) ein.
Von der Indusmündung nach Babylon Alexander teilte sein Heer für den Rückmarsch nach Westen in drei Teile: Eine Heeresgruppe unter dem Befehl des Krateros nahm den Weg durch Arachosien nach Karmanien. Nearchos blieb mit der Flotte zunächst zurück und fuhr dann entlang der Küste in den Persischen Golf. Alexander selbst wählte die beschwerliche und gefahrvolle Route durch Gedrosien (Belutschistan). Sein Heer hatte auf dem Zug durch diese wasserarme und unwegsame Landschaft, durch Sanddünen und Salzsteppen, schwere
Silbermedaillon mit Elefantenkampf (Vs.) und Alexander als Halbgott (Rs.).
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Verluste; angeblich überlebte nur ein Viertel der Armee den 60-tägigen Marsch. Ein Großteil der Frauen und Kinder, die den Eroberern freiwillig oder gezwungen folgten, kam ums Leben, als die im Trockenbett eines Flusses lagernde Armee von einem plötzlichen Sturzregen überrascht wurde. Der König machte die Satrapen von Gedrosien und Karmanien für das Desaster verantwortlich; der eine, Astapes, wurde hingerichtet, der andere, Apollophanes, fiel im Kampf gegen Aufständische, bevor er seines Amtes enthoben werden konnte. Ende 325 erreichte Alexander Karmanien. Hier erreichte ihn die Nachricht, dass die Flotte, die man bereits verloren geglaubt hatte, ebenfalls gerettet sei. Nearchos erhielt den Befehl, nach Susa vorauszufahren, wo man sich wieder treffen werde. Während der überlebende Teil des Heeres sich bei ausgelassenen Gelagen von den Strapazen erholte, schmiedete der König bereits Pläne für neue Eroberungszüge: Auf die Unterwerfung des Orients sollte die Unterwerfung des Okzidents folgen. Das nächste Ziel war die arabische Halbinsel: Der König gab Befehl, an den waldreichen Küsten Kilikiens und Phöniziens eine gewaltige Flotte zu bauen: Nicht weniger als 1.000 Schiffe sollten, in Einzelteile zerlegt, auf dem Landweg an den Euphrat transportiert werden und von dort stromabwärts nach Babylon fahren. Nach der Rückkehr aus Indien hielt Alexander ein strenges Strafgericht über all diejenigen, von denen er glaubte, sie hätten sich in seiner Abwesenheit unbotmäßig verhalten. Nicht nur der Satrap von Karmanien, auch die makedonischen Militärbefehlshaber in Medien wurden hingerichtet. Weiterhin verfügte er, dass alle Satrapen die Söldner, die sie in Dienst genommen hatten, zu entlassen hätten. Der König wollte die Eigenmacht der Satrapen schwächen und brauchte selbst Soldaten. Unter denen, die sich während des Indienfeldzugs verhalten hatten, als würde der König niemals zurückkehren, verbreitete die Nachricht, er lebe, Angst und Schrecken. Harpalos, der Schatzmeister von Mesopotamien, floh mit 5.000 Talenten, einer Leibgarde und einer Art Hofstaat nach Kilikien, als er vom Herannahen Alexanders erfuhr. Ein Perser namens Oxines, der sich zum Satrapen der Persis aufgeschwungen hatte, nachdem der Amtsinhaber verstorben war, ohne vorher Alexander zu konsultieren, wurde hingerichtet und durch den Makedonen Peukestas ersetzt. Auch Abulites, der Satrap der Susiane, wurde zum Tode verurteilt, seinen Sohn Oxathres durchbohrte Alexander eigenhändig mit der Lanze.
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Als Alexander im Frühjahr 324 v. Chr. Susa erreichte, war die Flotte dort bereits eingetroffen. Man brachte Opfer für die Rettung dar und hielt sportliche Wettkämpfe ab. Nearchos und andere wurden mit Kränzen geehrt. Während der Feldzüge im Osten Irans, in Baktrien und Indien hatte Alexander nur wenig Gelegenheit gehabt, sich und seine Herrschaft pompös in Szene zu setzen. Nach der Rückkehr aus Indien änderte sich das: Der König nutzte nun häufig Elemente und Formen der Repräsentation, die er von den Achaimeniden übernommen hatte. Er erteilte Audienz in einem riesigen Zelt, legte sich einen Hofstaat samt Harem zu, wie ihn auch Dareios III. besessen hatte, und stellte seiner makedonischen Leibwache eine persische Leibgarde an die Seite. Seinem Vertrauten Hephaistion verlieh er den persischen Hofrang eines Chiliarchen. Alexander gab nun offen zu erkennen, dass er aus Makedonen und Iranern eine neue Elite zu formen gedachte, die ganz auf seine Person ausgerichtet war; in diesem Sinn kann man von einer Fusionspolitik sprechen. In Susa ließ der König ein prächtiges Fest ausrichten - die sogenannte Massenhoch• zeit von Susa -, bei dem er selbst zusätzlich zu Roxane gleich zwei Töchter achaimenidischer Könige ehelichte, eine Tochter Dareios' III. und eine Tochter Artaxerxes' III., während mehr als achtzig seiner Hetairen (»Gefährten«) sich mit Frauen aus dem iranischen Adel vermählten. Diese Mischehen sollten familiäre Bande zwischen seinen engsten Vertrauten und dem iranischen Adel knüpfen, aber die innereheliche Rollenverteilung war ebenso eindeutig wie einseitig: Die Ehemänner waren allesamt Makedonen. Dasselbe gilt für die Lebensgemeinschaften, die seine Soldaten während des Feldzugs mit »asiatischen« Frauen eingegangen waren; auch diese Beziehungen waren in hohem Maße asymmetrisch, wie sich bald in dramatischer Weise zeigen sollte. Etwa gleichzeitig steigerte der König den Anteil iranischer Soldaten an seinem Heer. Etwa 30.000 Iraner, die in makedonischer Bewaffnung und Kampfesweise ausgebildet worden waren, wurden in Regimenter eingereiht, die neben die makedonische Infanterie (»Phalanx«) gestellt wurden. Reiter baktrischer und sogdischer, parthischer und arachosischer Herkunft wurden in die makedonische Kavallerie eingereiht; zusätzlich wurde eine fünfte, gemischte Reiterabteilung (»Hipparchie«) aufgestellt. Auch wenn die höchsten Kommandos noch immer Makedonen (und in wenigen Ausnahmefällen Griechen) vorbehalten waren, erregten diese Maßnahmen den Unmut der makedonischen Soldaten Alexanders. Als der König in Opis
am östlichen Ufer des Tigris den Makedonen in seinem Heer verkündete, er beabsichtige, diejenigen, die aufgrund ihres Alters oder einer Verwundung kampfunfähig seien, mit einer Abfindung nach Hause zu schicken, erhob sich Protest: Man rief dem König zu, dann möge er doch gleich alle Makedonen entlassen und mit seinem Vater Zeus-Ammon alleine Krieg führen. Aber Alexander war auf die makedonische Phalanx nicht mehr angewiesen; er ließ die Wortführer des Protestes verhaften und hinrichten, zog sich in den Palast zurück und verlieh dort Iranern, die er zu Regimentskommandeuren ernannte, den Ehrentitel »Verwandte «. Die Makedonen mussten um Verzeihung bitten und waren froh , dass der König sein Versprechen hielt, denen, die nach Hause geschickt wurden, eine Abfindung zu zahlen; etwa 10.000 erklärten sich bereit, den Heimweg anzutreten. Auf persönliche Bindungen wurde dabei keine Rücksicht genommen: Frauen und Kinder blieben bei Alexander zurück. Die Söhne sollten auf makedonische Art großgezogen und ihren Vätern nachgeschickt werden, sobald sie erwachsen wären; was aus den Frauen und Mädchen werden sollte, wird nicht berichtet. Bevor man Abschied nahm, wurde bei einem großen Bankett, an dem 9.000 Personen teilnahmen, die Versöhnung gefeiert: Alexander saß im Zentrum, umringt von Makedonen und Persern, dahinter Vertreter anderer Völkerschaften; der König sprach ein Gebet für Eintracht und Teilhabe an der Herrschaft für Makedonen und Perser. Die Botschaft war unmissverständlich: Die Herrschaft Alexanders sollte auf zwei Völkern ruhen, auf Makedonen und Persern, alle anderen sollten dahinter zurückstehen. An eine Gleichstellung aller Völker war dabei nicht gedacht, erst recht nicht an eine philosophische Menschheitsidee. Was der König wollte, war eine aus kampferprobten Makedonen und kriegstüchtigen Iranern gemischte, auf seine Person eingeschworene Funktionselite. Für die Makedonen im Heer Alexanders freilich bedeutete dies, dass sie Macht, Reichtum und Ruhm mit anderen teilen mussten. Ihre Bedeutung für das Heer Alexanders nahm nach der »Meuterei von Opis« noch weiter ab, als im Frühjahr 3 23 etwa 20.000 Fußsoldaten iranischer Herkunft zu Alexander stießen. Diese sollten nicht mehr in eigenen Einheiten neben der makedonischen Phalanx kämpfen, sondern wurden in die bestehenden Infanterieregimenter eingegliedert. In diesen neuen Einheiten kamen zwölf Iraner auf vier Makedonen, die freilich höher besoldet wurden und den
Kommandeur stellten. Die makedonische Phalanx hatte damit zu bestehen aufgehört. Die Heeresreform fällt bereits in die allerletzten Wochen der Herrschaft Alexanders. Der König hatte sein Heer im Herbst 324 von Opis nach Ekbatana in Medien geführt. Dort starb Hephaistion, sein engster Vertrauter. Im Frühjahr 323 zog er weiter nach Babylon, wo die Flotte, deren Bau er in Karmanien angeordnet hatte, einsatzbereit auf ihn wartete. Einiges deutet darauf hin, dass die babylonische Priesterschaft sich damals bemühte, den König zur Anerkennung ihrer Deutungsmacht zu bewegen; anscheinend versuchte man unter Hinweis auf unheilverkündende Zeichen, für den König einen Ersatzkönig zu installieren, ein Ritual, das in neuassyrischer Zeit belegt ist, später freilich nicht mehr. Alexander jedoch enttäuschte ihre Erwartungen; er ließ den Ersatzkönig kurzerhand umbringen. Die letzten Wochen im Leben Alexanders waren mit den Vorbereitungen für einen Feldzug verbunden, dessen Ziel die Eroberung der arabischen Halbinsel war. Der Feldzug war als Kombination von Land- und Seestreitkräften geplant. Die Abfahrt war auf den 4 . Juni 323 festgesetzt. Dazu sollte es nicht mehr kommen, denn den König befiel am 30. Mai, nach einer durchzechten Nacht, ein starkes Fieber. Er starb in der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 323 im Alter von 32 Jahren.
Alexander der Große? Alexander der letzte Achaimenide? Wenn man die Geschichte der Menschheit aus europäischer Perspektive betrachtet, steht die Bedeutung Alexanders außer Frage: Er hat das Reich der Achaimeniden zerstört und die Voraussetzungen für die Ausbreitung griechischer Denk- und Lebensformen im Vorderen Orient geschaffen. Ohne Alexander kein Hellenismus, dieses Diktum war und bleibt richtig. Dies ist aber natürlich nicht die einzig mögliche und sinnvolle Perspektive auf Alexander. Es versteht sich von selbst, dass der makedonische König im Geschichtsbild moderner Staaten, die ihre Wurzeln anderswo suchen, anders verstanden und bewertet wird; man denke bloß an den Iran, Pakistan oder Indien. Die gegenwärtige Geschichtswissenschaft fragt vor allem nach den Zielen und Mitteln seiner Herrschaft. Dabei gehen die Meinungen nach wie vor weit auseinander: Einigkeit besteht weder darüber, ob er langfristige und überpersönliche Ziele verfolgte oder von der Eigen-
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dynamik eines Eroberungskrieges getrieben wurde, noch darüber, wie es ihm gelang, so viele Länder und Völker seiner Herrschaft zu unterwerfen. In letzter Zeit wird nicht selten die Ansicht vertreten, Alexander habe die Achaimeniden nachgeahmt, indem er in verschiedene Rollen geschlüpft sei, die durch die kulturellen Traditionen der unterworfenen Völker bestimmt waren - in Ägypten Pharao, in Babylon »König der Länder«, in Iran Großkönig. In diesem Sinn sei Alexander geradezu der »letzte Achaimenide« gewesen. Diese Deutung enthält etwas Richtiges, überschätzt jedoch bei weitem die Bereitschaft Alexanders, sich durch Konventionen binden zu lassen, und bagatellisiert das hohe Maß an Gewaltsamkeit, mit der er seine Herrschaft nach innen und außen durchsetzte. Da der König nach dem Sieg von Gaugamela über unermessliche Reichtümer verfügte, war er für den Rest seiner nicht sehr langen Herrschaft der Notwendigkeit enthoben, Kompromisse mit den lokalen Eliten zu schließen, um Zugriff auf Ressourcen zu gewinnen. Wenn er dennoch ihre Kooperation suchte, dann geschah dies aus einem situativen und wandelbaren Kalkül heraus, manchmal
auch aus persönlichen Neigungen und Interessen; es entsprang nicht dem Bewusstsein, ohne die Einwilligung der Untertanen gar nicht herrschen zu können. Auf seine Soldaten konnte sich der König fast immer verlassen; sie glaubten, er verfüge über übermenschliche Fähigkeiten; je länger der Feldzug dauerte, desto mehr bildeten sie eine Gemeinschaft entwurzelter Menschen, die vom Krieg und für den Krieg lebten, eine Gewaltgemeinschaft. Die Unterworfenen wiederum hatten gute Gründe, einen Eroberer zu akzeptieren, der jeden Widerstand brutal niederschlug, aber nicht mehr als die alten Herren verlangte, wenn man sich unterwarf. Im Übrigen sollte man nie vergessen, dass Alexander bis zu seinem Tod nahezu pausenlos Krieg führte und riesige Entfernungen zurücklegte; dabei schonte er sich selbst in keiner Weise, stand stets mitten im Kampfgetümmel und wurde nicht weniger als acht Mal schwer verwundet. In der Umgebung Alexanders herrschte ein permanenter Ausnahmezustand, ein Feldzug reihte sich an den nächsten, ein Ende war nicht in Sicht. Bei seinem Tod fand man Pläne für die Eroberung des westlichen Mittelmeerrau ms ... Literatur Bosch-Puche 2008; Bosworth 1996; Degen 2022; Hecke! 2020; Holt 2005; Iliakis 2021; Lane Fox 2008; Monson 2020; Naveh 2012; Wiemer 2015
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AUF NACH ASIEN!
ALEXANDER IN TROJA Benjamin Wehry
»Auf der Höhe von Ilion habe er der Ilischen Athene geopfert und seine ganze Waffenrüstung ihrem Tempel geweiht und dafür einige der heiligen Waffenmitgenommen, welche sich noch vom Troischen Krieg her daselbst erhalten hatten. Diese trugen dann, wird erzählt, seine Schildträger jedes Mal in den Schlachten vor ihm her. Eine Meldung sagt auch, er habe auf dem Altar des Zeus, des Herdbeschützers, dem Priamos geopfert, um dessen Zorn gegen Neoptolemos' Geschlecht, welchem er selbst ja angehörte, zu versöhnen« (Arrian, Anabasis I, 11). Das homerische Troja, jene hoch gebaute Stadt, die einst Schauplatz des »größten Ereignisses epischer Vergangenheit« war, wie Lane Fox formulierte, wählte Alexander als sein erstes, symbolträchtiges Etappenziel einer militärischen Unternehmung, die ihn in die Weiten Asiens bis zum Oxos am östlichen Rand der bekannten Welt führen sollte. Iin Frühjahr 334 v. Chr. brach Alexander an der Spitze eines Heeres von 32.000 Bogenschützen und Kriegern zu Fuß sowie 5.000 Reitern auf und zog über Amphipolis und entlang des Pangaion-Gebirges zunächst bis zur thrakischen Hafenstadt Abdera, überquerte die Flüsse Hebros und Melas und erreichte nach 20 Tagen schließlich Sestos auf der thrakischen Chersones am Hellespont. Hier, gegenüber der Stadt Abydos in der Troas, stießen die Schiffe der griechischen Verbündeten zum Heer. Alexander überließ es seinem erfahrensten Heerführer Parmenion, das Hauptkontingent des Heeres überzusetzen, und begab sich nach Elaious südlich der Mündung des Hellesponts, um am weithin sichtbaren Grabhügel des Protesilaos ein Opfer darzubringen. Jenem Protesilaos war es vergönnt, wie Homer berichtet, als erster Krieger des griechischen Heeres, das unter dem Oberbefehl des Königs Agamemnon von Mykene in der Ebene von Troja anlandete, den Fuß auf asiatischen Boden zu setzen (Homer, Ilias II, 698-709), gemäß der Weissagung jedoch kostete ihn dieser ruhmreiche Schritt das Leben.
Sinn und Zweck dieses Opfers, so die Bemerkung des Arrian, war der Wunsch Alexanders, seine Landung in Asien günstiger ausfallen zu lassen als die des Protesilaos, trotzdem jedoch den Erfolg des epischen Kampfes der Griechen um Troja mit seiner Ankunft in Asien und seinen eigenen Eroberungsplänen zu verknüpfen. Und während Parmenion das Heer bei Abydos an Land führte, stach Alexander von Elaious aus in See, um am Steuerruder des königlichen Flaggschiffes mit 60 Kriegsschiffen den Hellespont zu überqueren und dort, in der Mitte der Meerenge, ein weiteres Opferritual anzuschließen. Zu Ehren des Poseidon opferte er einen Stier, um jenen Meeresgott zu besänftigen, der einst Troja erbaute und letztlich auch zerstörte, und brachte - angeblich eine vorderasiatische Kultpraxis adaptierend - den Nereiden aus goldener Schale ein Trankopfer dar. Dann landete Alexander am Strand nahe der Mündung des Skamander, einem Küstenabschnitt, der als »Hafen der Achaier« bekannt war, wie Arrian berichtet. Hier schleuderte er seinen Speer in die Erde des persischen Reiches, gleichsam um einen Anspruch zu formulieren, dem sogleich Taten folgen sollten: »Auch soll er der erste gewesen sein, der aus dem Schiff in voller Rüstung ans asiatische Ufer sprang, und soll sowohl an der Stelle, wo er von Europa aus in See ging, als auch an derjenigen, wo er in Asien an Land stieg, Zeus, dem Landungsschirmer, und der Athene und dem Herakles Altäre errichtet haben« (Arrian I, 11). An dieser Stelle zwischen den Grabhügeln des Achilleus im Westen und des Ajas im Osten befand sich der Tradition nach das Lager der Achaier mit der Mauer, die die achaiischen Schiffe schützen sollte und die Poseidon als Frevel an der Allmacht der Götter restlos hinwegschwemmte (Homer, Ilias VII, 436-464). Alexander trat bewusst in die historisch beziehungsreiche Landschaft der Ebene von Troja ein, die reichlich Reminiszenzen an das heroische ZeitaJter Homers bot, und absolvierte rituelle Handlungen
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Abb. 1:
Karte der Stationen Alexanders in der Troas.
und Anspielungen an mehreren Stationen, um diese mit neuer Bedeutung zu füllen und den durch den Speerwurf erhobenen Anspruch auf Asien zu untermauern (Abb. 1) . Troja, in dieser Zeit kaum noch größer als ein Dorf, erfuhr dadurch eine symbolische Aufwertung und wurde auch real zum Erinnerungsort, mit weitreichenden Folgen sowohl für den Ort selbst, der entsprechend dem ideellen und politischen Bedeutungsgewinn ausgebaut wurde, als auch für Alexander, der sich zum neuen Achilleus mit allen göttlichen, heroischen und kriegerischen Implikationen
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stilisieren konnte. So besuchte Alexander zusammen mit Hephaistion, gesalbt und in heroischer Nacktheit, die Grabhügel des Achilleus und des Patroklos nahe des Strandes - ihre Freundschaft wurde mit derjenigen des Achilleus und des Patroklos gleichgestellt-, und erregte mit dieser Geste maximale Aufmerksamkeit: »Als er nach Ilios hinaufzog, setzte ihm der Steuermann Menoitios eine goldene Krone auf und nach diesem der Athener Chares, welcher von Sigeion herbeigekommen war, desgleichen einige andere, teils Griechen, teils Landeseingeborene,
zum Dank dafür, dass er eigenhändig das Grabmal des Achilleus bekränzte sowie Hephaistion das Grabmal des Patroklos bekränzt haben soll« (Arrian I, 12). In der Stadt wurde Alexander wohlwollend empfangen. Darauf angesprochen, ob er die Lyra seines trojanischen Namensvetters, des Priamossohnes Paris-Alexander sehen wolle, soll Alexander entgegnet haben, dass er wegen der Lyra des Achilleus nach Troja gekommen sei. So berichtet Arrian, dass »... Alexander der Sage nach den Achilleus glücklich [pries], weil er in Homer einen Herold seines Angedenkens bei der Nachwelt erhalten habe. Und fürwahr hatte Alexander volle Ursache, den Achilleus deshalb glücklich zu preisen, weil ihm selbst, im Widerspruch mit
Abb. 2:
seinem übrigen Glück, eben in diesem Punkte alles abging und seine Taten in keiner entsprechenden Darstellung der Welt überliefert worden sind, wurde er ja weder in freier noch in gebundener Rede, ja nicht einmal in einem Lied gefeiert, wie ein Hiero, ein Gelo, ein Thern und so viele andere, welche Alexander auf keine Weise gleichkommen, weshalb seine Taten viel weniger bekannt sind als die geringfügigsten Geschichten der Vorzeit.« ... »Daher«, so Arrian weiter, »fühlte ich mich auch, offen gestanden, zur Abfassung dieser Schrift gedrungen, indem ich mich selbst nicht für unwert erachte, Alexanders Taten der Welt bekannt zu machen« (Arrian I, 12).
Alexander mit reich verziertem Schild, Speer und Brustpanzer. Berliner Abukir-Medaillon (Vs. 18200016).
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Wie eingangs zitiert, wurde der seit homerischen Zeiten gerühmte, uralte Tempel der Ilischen Athene Schauplatz einer Schlüsselszene in Troja: Alexander übergab seine Waffen der eulenäugigen Göttin und empfing als Gegengabe der Priester einen Schild und Waffen, die angeblich seit den Zeiten des Trojanischen Krieges aufbewahrt wurden. Dieser Waffentausch erinnerte schon die Anwesenden an die Übergabe eines neuen Schildes und neuer Waffen an Achilleus, nachdem die alten, mit denen Patroklos an seiner statt in den Kampf gezogen war, von Hektar als Siegespreis entwendet wurden, wie Homer in der Ilias berichtet (Homer, Ilias XVII, 119-131; XVIII, 478-617). Die sinnbildliche Bedeutung des Schildes des Achilleus wird deutlich in der grandiosen literarischen Beschreibung dieses Kunstwerkes, die Schadewaldt als »Bild der Welt«
und zugleich »Bild des Lebens« charakterisierte. Durch die Parallelität beider Vorgänge, bei denen der mythische Achilleus wie auch der reale Alexander vor dem entscheidenden Kampf neue Waffen göttlichen Ursprungs bekamen, wurde Alexander symbolisch zum neuen Achilleus [Abb. 2) . In dieser Eigenschaft - und als vermeintlicher Nachkomme des Neoptolemos, des Sohnes des Achilleus brachte Alexander am Altar des Zeus, an jenem Ort, an dem Neoptolemos seinen Vater rächte, dem König Priamos ein Opfer dar, damit dieser ihm, Alexander, den Frevel seines Verwandten vergab. Auch in diesem Opferritual wird deutlich: Alexander nahm als Nachkomme und Reinkarnation des homerischen Achilleus auf die in der Ilias beschriebenen Geschehnisse Bezug, nicht ohne den Versuch, das Schicksal in seinem Sinn zu beeinflus-
Abb. 3a: Caracalla auf den Spuren des Alexander. Berliner Abukir-Goldmedaillon (Vs. 18200021).
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Abb. 3b: Der bewunderte Alexander mit der Siegesgöttin. Berliner Abukir-Goldmedaillon (Rs, 18200021).
sen, um sich das Wohlwollen der Götter, den Respekt der Zeitgenossen und ewigen Ruhm zu sichern. Zudem schaffte er sich eine historisch-mythische Legitimation zur Eroberung und Herrschaft über Asien. Nach dieser letzten und wichtigsten Station verließ Alexander Troja und wandte sich seinen realpolitischen Zielen in Asien zu: »Von Ilion kam Alexander nach Arisbe, wo seine ganze Heeresmacht nach dem Übergang über den Hellespont ein Lager bezogen hatte« (Arrian I, 12). Hier, östlich der Stadt in der Nähe von Abydos, stieß er auf das Heer unter Parmenion und rückte in der Folge zum nahegelegenen Fluss Granikos vor, an dessen Ufer es zu einer ersten Begegnung mit dem persischen Heer kam.
Aufgrund des Erfolges in der Schlacht am Granikos und vieler weiterer, die noch folgten, fanden sich zahlreiche Nachahmer der so symbolträchtigen Begebenheiten in Troja. So überquerte Kaiser Caracalla 550 Jahre später auf den Spuren Alexanders und in Nachahmung seiner Taten den Hellespont, besuchte Troja und umrundete - nicht nackt und gesalbt, sondern angetan mit Rüstung und Waffen - den Grabhügel des Achilleus [Abb. 3a, b) . Jedoch nicht Achilleus und die homerischen Helden suchte er an diesem Erinnerungsort zu finden, sondern sein eigenes heroisches Vorbild, dessen Taten sogar die der mythischen Helden übertrafen. Literatur Arrian; Bamm 1972; Gehrke 2006; Georgievska 2015; Homer; Lane Fox 2005; Schadewaldt 1975; Strabon
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ALEXANDER DER GROSSE IN BABYLON Elisabeth Katzy
Auf dem Weg nach Babylon Als Alexander der Große im Alter von 25 Jahren nach der siegreichen Schlacht bei Gaugamela (Tell Gomel, Irak) am 1. Oktober 331 v. Chr. nach Babylon weiterzog, nahm er den Titel »König von Asien« an und wurde zum Herrscher des größten Imperiums dieser Zeit. Dabei ging es ihm vorwiegend um die symbolische Bedeutung seines Sieges über die Perser, da er vermutlich weder die Größe der Region noch die wirkliche Tragweite der von ihm angenommenen Königstitulatur einschätzen konnte. Der Sturm der Perser auf die Akropolis von Athen um 480/479 v. Chr. durch Xerxes prägte nachhaltig die griechische Welt und so auch Alexander den Großen. Er setzte sich mit dem von ihm angenommenen Titel in die direkte Nachfolge des persischen Königs Dareios III. (381-330 v. Chr.) und zog formell in die vo·n vielen bewunderte Weltmetropole ein. Wie sah Babylon zur Zeit Alexander des Großen überhaupt aus und wie wurde Alexander von den Babyloniern wahrgenommen?
Der Einzug in die Stadt und seine zwei Aufenthalte in Babylon Drei Wochen nach der Schlacht erreichte Alexander mit seiner Armee zum ersten Mal Babylon (Abb. 1). Demnach soll er laut Strabo Babylon den Städten Persepolis und Susa vorgezogen haben, »da er sah, dass sie die anderen bei weitem übertraf, nicht nur in ihrer Größe, sondern auch in anderen Aspekten« (Strabo, Geographika XV, 3.9-10). Er plante, Babylon zu seiner Residenz und zur Hauptstadt seines Reiches zu machen. Die Stadt wurde kampflos ein-
genommen, weil der persische Satrap Mazaios ihm die Tore öffnete und dafür mit dem Recht belohnt wurde, seinen Posten als oberster achaimenidischer Beamter Babylons unter makedonischer Autorität zu behalten. Der neue König versprach den Babyloniern in seinen öffentlichen Botschaften, kein Eindringen in Häuser, keine Repressalien und keine Plünderungen zuzulassen, was, wenn es stimmt, ein Indiz für eiserne Disziplin in seiner Armee wäre. Mazaios war einer von vielen Persern, die unter Alexander hohe Ämter bekleideten. Alexander ließ ihn im Amt, vermutlich um einen reibungslosen Ablauf von Festen, Opfern und des Wirtschaftslebens zu sichern. Alexander hielt sich nur 34 Tage in Babylon auf, bevor er in den Osten zuerst nach Susa und anschließend weiter nach Persepolis zog. Bei seinem zweiten Besuch in Babylon acht Jahre später, im Frühjahr 323 v. Chr., verlegte er die großen Schatzkammern von Persepolis und Susa in die Südburg von Babylon, wodurch sich der Reichtum der Stadt enorm vergrößerte. Daraus erwuchs die Hoffnung, dass die Tempel, insbesondere die riesige Zikkurrat (Etemenanki), wieder in ihrem alten Glanz erstrahlen würden (Abb. 2) . Alexanders Schatzmeister Harpalos aber missachtete die alte Tradition, Gelder für die Instandhaltung der Tempel zu verwenden, und finanzierte sich mit dem enormen Schatz Babylons seinen extravaganten Lebensstil. Antimenes aus Rhodos als Hofschatzmeister Alexanders ließ eine alte Einfuhrsteuer von 10 Prozent wiederaufleben, wodurch reiche Besucher, die sich von den Zeremonien, Festen und Märkten in der großen Stadt blenden ließen, einen hohen Preis zahlen mussten. Als Alexander am späten Nachmittag des 11. Juni 323 v. Chr. in der Nordburg starb, wovon die astronomischen Tagebücher berichten, stand fest, dass seine Aufbaupläne in der Stadt nicht mehr
Abb . 1: Weltkarte, die die Welt als Scheibe zeigt, umgeben von einem Wasserring. Babylon ist als Rechteck am rechten Ende des
Euphrats markiert, obwohl die Stadt an zwei Ufern lag. Sippar, 6. Jahrhundert v. Chr.
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Abb. 2: Rekonstruierte Ansicht von Babylon zur Zeit von Alexander dem Großen mit der großen Zikkurrat im Hintergrund.
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Abb. 3: Die Rekonstruktion der jüngsten Baustufe des Ischtar-Tores im Pergamonmuseum.
realisiert werden konnten. Die Nordburg wurde Jahrhunderte danach zu einer Touristenattraktion für Besucher wie z. B. den römischen Kaiser Trajan, der den Sterbeort des großen Feldherrn besuchte.
Die Weltmetropole Babylon im archäologischen Befund Babylon zählte unbestritten zu den größten und beeindruckendsten Metropolen der damaligen Welt. Die Stadt galt seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. als die Hauptstadt des babylonischen Reiches, als Zentrum der Wissenschaft, Gelehrsamkeit und vor allem als Hauptkultort für den Reichs- und Stadtgott Marduk. Sein Heiligtum bestand aus einem Tief- und einem Hochtempel, die jeweils aus
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ungebrannten und gebrannten Ziegeln errichtet wurden. Der Hochtempel in Form eines Stufentempels (Zikkurrat) mit Fassaden aus blauglasierten Ziegeln war mit seinen Maßen ein imposantes Bauwerk. Seine Pracht übertraf alle anderen bisher bekannten Hochtempel. Die blauglasierten Fassaden waren Teil der Monumentalarchitektur der Stadt, u. a. des Ischtar-Tores oder der Prozessionsstraße, die zu den umfangreichsten Umbaumaßnahmen von König Nebukadnezar II. (605-562 v. Chr.) gehörten [Abb. 3). Babylon übertraf mit seiner Größe und den Bauwerken alles, was man in der damaligen Welt kannte. Die Stadt hinterließ bereits einen bleibenden Eindruck bei Herodot, dem bekanntesten griechischen Historiker des 5. Jahrhunderts v. Chr. Seine Beschreibungen waren Alexander dem Großen vertraut, der sie in seiner Jugend kennenlernen durfte. Sie weckten nicht nur bei ihm,
sondern in der gesamten griechischen Welt eine gewisse Neugier auf diese Weltmetropole mit ihren gigantischen Bauwerken. Die Stadt nahm zu ihrer Glanzzeit (Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr.) nach jüngsten Berechnungen eine Fläche von ca. 950 ha ein und bot Platz für ca. 190.000 Einwohner. Für die spätachaimenidische Zeit geht man von einer Fläche von rund 400 ha mit knapp 50.000 Einwohnern aus, während im Vergleich dazu Athen maximal eine Fläche von 120 ha mit ca. 40.000 Einwohnern erreichte. Es ist davon auszugehen, dass Babylon zur Zeit Alexander des Großen noch diese Größe hatte und der von der älteren Forschung attestierte Niedergang der Stadt deutlich später eintrat. Das Stadtgebiet von Babylon wurde während der deutschen Grabungen unter der Leitung von Robert Koldewey (1899-1917) freigelegt. Die Arbeiten konzentrierten sich vor-
wiegend auf das östliche Ufer des Flusses Euphrat (Abb. 4) . Hier befanden sich die wichtigsten offiziellen Gebäude wie Paläste und Tempel, die das Stadtzentrum bildeten und von einer Innenstadtmauer umgeben waren. Diese war ihrerseits von einer weitläufigen Außenstadtmauer mit insgesamt fünf Stadttoren umschlossen. Durch eines der Stadttore im Osten muss Alexander der Große mit seinem Gefolge die Stadt nach seiner Schlacht bei Gaugamela erreicht haben. Die Stadtmauern von Babylon sollen noch bis zum Ende des 2. Jahrhundert v. Chr. gestanden haben. Der Weg führte durch die weitläufige Außenstadt, wo sich im äußersten Norden der Sommerpalast (Nordpalast) befand. Von dort gelangte man in die farbenprächtige Prozessionsstraße, die durch das Ischtar-Tor ins Zentrum von Babylon führte. Vom lschtar-Tor aus musste man am Ninmach- und lschtar-Tempel vorbei. Auf der Westseite
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Stadtplan von Babylon mit den wichtigsten Gebäuden der Stadt. Abb. 4:
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